Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein und im Verein als Gruppenspitze: Eine rechtsformvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung von Aktiengesellschaft und GmbH mit praktischen Beispielen aus dem Bereich der Vereine der Fußballbundesligen [1 ed.] 9783428547340, 9783428147342

Bei allen komplexeren Personenvereinigungen können Fragen der internen Zuständigkeitsabgrenzung auftreten, wenn Gesetz o

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Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein und im Verein als Gruppenspitze: Eine rechtsformvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung von Aktiengesellschaft und GmbH mit praktischen Beispielen aus dem Bereich der Vereine der Fußballbundesligen [1 ed.]
 9783428547340, 9783428147342

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 464

Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein und im Verein als Gruppenspitze Eine rechtsformvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung von Aktiengesellschaft und GmbH mit praktischen Beispielen aus dem Bereich der Vereine der Fußballbundesligen

Von

Sebastian Schödel

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN SCHÖDEL

Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein und im Verein als Gruppenspitze

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 464

Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein und im Verein als Gruppenspitze Eine rechtsformvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung von Aktiengesellschaft und GmbH mit praktischen Beispielen aus dem Bereich der Vereine der Fußballbundesligen

Von

Sebastian Schödel

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-14734-2 (Print) ISBN 978-3-428-54734-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-84734-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Silke

Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2014/2015 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln als Dissertation angenommen. Sie ist im Wesentlichen in meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln in den Jahren 2009 – 2011 entstanden. Nach dem Wechsel in die Praxis haben sich die Restarbeiten dann leider noch über einige Jahre hingezogen. Ähnliches gilt für die Aktualisierung der Fußnoten anlässlich der Veröffentlichung. All den vielen Personen, die mich in dieser Zeit unterstützt haben und deren Geduld ich gelegentlich arg strapaziert haben muss, sei dafür ganz herzlich gedankt! Mein besonderer Dank gilt meiner verehrten Doktormutter, Frau Prof. Dr. Barbara Grunewald, die die Arbeit angeregt, hervorragend betreut und den Glauben an ihre Fertigstellung nicht verloren hat. Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. Klaus Peter Berger für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Mein Dank gilt zudem meiner Familie für ihren steten Zuspruch, namentlich meinen Eltern und meiner seligen Oma Ilse, die – auch als ihr Gedächtnis schon sehr nachließ – fast nie vergessen hat, nach dem Stand meiner „Doktorarbeit“ zu fragen. Schließlich danke ich meiner lieben Frau Silke, die unter der Dauer des Projekts bestimmt am meisten zu leiden hatte, sich das aber nie hat anmerken lassen, sondern mich stets unterstützt hat. Ihr ist die Arbeit gewidmet. Bonn, im November 2016

Sebastian Schödel

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht

§ 1 Einführung und Gang der Darstellung  ............................................................... 33 A.

Einführung in den Untersuchungsgegenstand  ........................................................ 33

B.

Gang der Untersuchung  ..........................................................................................  38

§ 2 Der eingetragene Verein als Gruppenspitze  ......................................................  42 A.

Der eingetragene Verein  .........................................................................................  42 I.

Zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes  ........................................ 42

II. Die Abgrenzung der Vereinsklassen  ............................................................... 45 B.

Der eingetragene Verein als Gruppenspitze  ............................................................ 53 I.

Begriffliches: Vereinsgruppe und Vereinskonzern  ........................................ 53

II. Die Befähigung des eingetragenen Vereins zum Beteiligungserwerb  ........... 54 III. Besondere (potentielle) Einstandspflichten des Vereins in Gruppensach­verhalten  ........................................................................................................... 55 IV. Gesellschafterstellung und Vereinsklassenabgrenzung  ................................. 78 C.

Zwischenbemerkung zum weiteren Vorgehen  ...................................................... 114

D.

Zusammenfassung und Ergebnisse  ....................................................................... 115

§ 3 Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive. 117 A. B.

Grundlinien der Entwicklung  ................................................................................  117 Binnenorganisation und Kompetenzverteilung  ...................................................  124 I.

Vorentwurf „Juristische Personen“ des Redaktors Gebhard  ........................ 125

II. Erster Entwurf  ................................................................................................ 128 III. Zweiter Entwurf  ............................................................................................. 133 IV. Änderungen bis zum Inkrafttreten  ................................................................  141 V. Ergebnisse  ......................................................................................................  141 C.

Zum Leitbild des Gesetzgebers  ............................................................................. 142

§ 4 Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial – Vereine aus dem Bereich der höchsten deutschen Fußballligen  ....................................................................... 145 A. Vorbemerkungen  .................................................................................................... 146 I. Terminologie  .................................................................................................. 146 II. Relevante Verbandsstrukturen  ...................................................................... 146 B.

Fußballvereine in Gruppenstrukturen   .................................................................. 147 I.

Auslagerung von Lizenzspielerabteilungen  .................................................. 148

Inhaltsübersicht

10

II. Sonstige Untergesellschaften  ......................................................................... 164 C.

Satzungsgestaltungen der Vereine  ......................................................................... 168 I.

Verbandsrechtliche Vorgaben   ....................................................................... 169

II. Satzungsvarianten im Überblick: gesetzestypische und verbandsrechtlich geprägte Vereine   ........................................................................................... 173 III. Satzungsvarianten – Einzelaspekte  ...............................................................  174 D.

Ableitungen für den weiteren Fortgang der Untersuchung   ................................. 207 I.

Konkretisierung der Frage nach der Zuständigkeitsordnung im Verein  .....  207

II. Gestaltbarkeit der Zuständigkeitsordnung durch die Satzung  ...................... 210 III. Bedeutung der Satzungsauslegung  ................................................................  211 § 5 Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft. 212 A.

Gesetzliches Leitbild  .............................................................................................. 212

B. Organstruktur  ......................................................................................................... 213 C.

Strukturprinzipien: Machtbalance statt Hierarchie  .............................................. 214

D.

Die Kompetenzverteilung zwischen den Organen  ............................................... 218 I. Vorstand  .......................................................................................................... 218 II. Aufsichtsrat  .................................................................................................... 224 III. Hauptversammlung ........................................................................................ 225

E.

Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen  ............................................  228 I.

Entwicklungslinien bis zum Holzmüller-Urteil  ............................................ 229

II. Das Holzmüller-Urteil des Bundesgerichtshofs  ...........................................  248 III. Fortentwicklung der Rechtsprechung  ............................................................ 253 IV. Überblick über den Stand der Diskussion  ....................................................  260 V. Stellungnahme  ................................................................................................ 262 VI. Folge- und Vertiefungsfragen  ........................................................................ 292 F. Ergebnisse  .............................................................................................................  349 § 6 Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH  ................... 352 A.

Gesetzliches Leitbild  .............................................................................................. 352

B. Organstruktur  ......................................................................................................... 353 C.

Grundlagen der Kompetenzverteilung  .................................................................. 354

D.

Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise  ........ 355 I.

Gesetzliche und gesetzesanaloge Kompetenzzuweisungen zugunsten der Gesellschafterversammlung  .......................................................................... 356

II. Gesetzliche Kompetenzzuweisungen zugunsten der Geschäftsführer?  ...... 357 III. Die Kompetenzabgrenzung im gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Bereich  ............................................................................................................ 358 E.

Überblick: Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/GelatineDoktrinin das GmbH-Recht  ................................................................................. 401

Inhaltsübersicht I.

11

Zwei Thesen zur (mangelnden) Relevanz von Holzmüller/Gelatine im GmbH-Recht  ..................................................................................................  402

II. Systematisierende Zwischenüberlegung  ......................................................  408 III. Die Positionen in der Literatur  ....................................................................... 413 F.

Entwicklung des eigenen Standpunkts  .................................................................. 423 I.

Der Mediatisierungseffekt im GmbH-Recht  ................................................. 423

II. Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenbildungsmaßnahmen.. 434 III. Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen..  442 G. Folgefragen  ............................................................................................................. 458 I.

Flexibilisierungsmöglichkeiten durch den Gesellschaftsvertrag  ................. 459

II. Materielle Beschlusskontrolle  ....................................................................... 470 III. Rechtsschutzaspekte ...................................................................................... 470 H. Ergebnisse  .............................................................................................................. 473 § 7 Die Zuständigkeitsordnung des Vereins  ...........................................................  480 A.

Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein  .......................................  480 I.

Die Organisationsstruktur des Vereins  ......................................................... 481

II. Grundlagen der Kompetenzverteilung: Die Mitgliederversammlung als oberstes Organ  ................................................................................................ 482 III. Gesetzliche Kompetenzzuweisungen  ............................................................ 483 IV. Die Kompetenzabgrenzung in der Detailbetrachtung  .................................. 502 V. Ergebnisse zu Abschnitt A.  ............................................................................ 532 B.

Die Zuständigkeitsordnung im verbundenen Verein(Verein als Gruppenspitze). 535 I.

Überblick: Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/GelatineDoktrin in das Vereinsrecht  ........................................................................... 535

II. Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen  ......................................................................... 565 III. Ergebnisse zu Abschnitt B.  ............................................................................ 591 C.

Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume  ...........................  596 I.

Die vereinsrechtliche Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen  ....................... 597

II. Gestaltbarkeit der Zuständigkeitsordnung bei ungewöhnlichen Maßnahmen und Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen  ..........................................................  616 III. Die Auslegung der Vereinssatzung  ............................................................... 621 IV. Ergebnisse zu Abschnitt C.  ............................................................................ 624 D.

Beispielhafte Anwendung der Untersuchungsergebnisse  ....................................  626 I.

Die Veräußerung des Vereinsgrundstücks (BGH NJW 2008, 69)  ............... 626

II. Die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung eines Bundesligavereins (außerhalb des UmwG)  .................................................................................. 628 III. Die Veräußerung der Spielbetriebsgesellschaft oder von Anteilen daran  .... 630 E.

Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen  ................................................................. 636

Inhaltsübersicht

12

I.

Gegen den Vorstand gerichtete Maßnahmen  ................................................ 636

II. Anspruch des Mitglieds auf Unterlassung und Beseitigung gegen den Verein  ............................................................................................................  644 III. Rechtslage nach Beschlussfassung der Mitgliederversammlung  ................. 652 IV. Ergebnisse zu Abschnitt E.  ............................................................................ 654 F.

Zusammenfassung der Ergebnisse  .......................................................................  656 I.

Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein  ................................ 656

II. Die Zuständigkeitsordnung im verbundenen Verein (Verein als Gruppenspitze)  .............................................................................................................. 659 III. Satzungsautonome Gestaltungsspielräume  ................................................... 663 IV. Rechtsschutz bei Kompetenzverletzungen  ...................................................  664 Literaturverzeichnis  ..................................................................................................... 667 Sachwortverzeichnis  ....................................................................................................  689

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

§ 1

Einführung und Gang der Darstellung  .............................................................. 33

A.

Einführung in den Untersuchungsgegenstand  ....................................................... 33

B.

Gang der Untersuchung  .........................................................................................  38

§ 2

Der eingetragene Verein als Gruppenspitze  .....................................................  42

A.

Der eingetragene Verein  ........................................................................................  42

B.

I.

Zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes  ...................................... 42

II.

Die Abgrenzung der Vereinsklassen  ............................................................. 45

1. Bedeutung der Abgrenzung  .................................................................... 45 2. Methoden der Abgrenzung  ....................................................................  46 a) Begrifflich orientierte Abgrenzungsansätze  ..................................  46 b) Systematisch-teleologisch basierte Typenbildung  .......................... 47 3. Das Nebenzweckprivileg  ........................................................................ 49 a) Grundlagen ......................................................................................  50 b) Anwendungsfragen .......................................................................... 51 Der eingetragene Verein als Gruppenspitze  .......................................................... 53 I.

Begriffliches: Vereinsgruppe und Vereinskonzern  ...................................... 53

II.

Die Befähigung des eingetragenen Vereins zum Beteiligungserwerb  ........ 54

III. Besondere (potentielle) Einstandspflichten des Vereins in Gruppensach­ verhalten  ......................................................................................................... 55 1. Durchgriffshaftung ................................................................................. 55 a) Tatbestandliche Ausgestaltung  .......................................................  56 aa) Vermögensvermischung  ...........................................................  56 bb) Materielle Unterkapitalisierung  ...............................................  56 cc) Beherrschung ............................................................................. 57 b) Rechtskonstruktive Alternativen  ....................................................  59 c) Zwischenergebnis ............................................................................  59 2. Schadensersatzpflichten wegen Treuepflichtverletzungen; Haftung nach § 117 AktG  ...................................................................................... 59 3. Haftung aus § 826 BGB (existenzvernichtender Eingriff)  .................... 61 a) Ausgestaltung der Haftung  .............................................................. 61 b) Übertragbarkeit auf die Aktiengesellschaft  .................................... 61 c) Anwendbarkeit auf den Verein als Kapitalgesellschafter  ..............  62 4. Konzernrechtliche Haftungstatbestände  ................................................ 63 a) Der Verein als Unternehmer im Sinne des Konzernrechts  ............. 63

14

Inhaltsverzeichnis aa) Rechtsform  ................................................................................. 63 bb) Konzernrechtlicher Unternehmensbegriff  ................................ 63 cc) Verzicht auf anderweitige Interessenbindung beim Verein?  ...  64 dd) Holdingstrukturen  ..................................................................... 67 b) Haftung im Vertragskonzern  ..........................................................  69 aa) Aktiengesellschaft  ....................................................................  69 (1) Abschluss eines Unternehmensvertrages durch Vereine als herrschende Unternehmen  ...........................................  69 (2) Abschluss von Unternehmensverträgen durch „PrivatVereine“  ............................................................................... 71 (3) Verlustausgleichspflicht gemäß § 302 AktG  ...................... 71 (4) Zahlungsansprüche der Gläubiger  .....................................  72 bb) GmbH  ........................................................................................  73 c) Haftungstatbestände außerhalb des Vertragskonzernrechts  ........... 74 aa) Aktiengesellschaft  ..................................................................... 74 (1) Einfache Abhängigkeitsverhältnisse  .................................. 74 (2) Fortgeltung der Grundsätze über die Haftung im qualifi­ziert faktischen Konzern?  ................................................... 75 bb) GmbH  ......................................................................................... 77 5. Abgrenzung zur Haftung der Vereinsmitglieder für Verbindlichkeiten des Vereins  .............................................................................................. 78 IV. Gesellschafterstellung und Vereinsklassenabgrenzung  ............................... 78 1. Problemaufriss: Auswirkungen von Gesellschaftsbeteiligungen auf die Vereinsklassenabgrenzung?  ............................................................. 79 a) Beteiligung an Gesellschaften ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb  ..............................................................................................  79 b) Bedeutung des Nebenzweckprivilegs  .............................................  79 c) Die Zurechnung des Geschäftsbetriebs der Tochter als Durchgriffs­ problematik  ......................................................................................  79 d) Beteiligungsbezogene eigene Tätigkeit des Vereins  ......................  80 2. Meinungsstand ........................................................................................ 80 a) ADAC-Urteil des Bundesgerichtshofs  ............................................. 81 aa) Entscheidungsinhalt  ................................................................... 81 (1) Verneinung der Zurechnungsfrage  ..................................... 81 (2) Eigenunternehmerische Tätigkeit vom Nebenzweckpri­vileg gedeckt  ......................................................................  82 bb) Praktische Bedeutung  ...............................................................  82 cc) Stillschweigende Aufgabe durch die KolpingwerkEntscheidung?  ...........................................................................  84 b) Schrifttum .......................................................................................  86 aa) Zu berücksichtigende Schutzzwecke  .......................................  86 (1) Schutz der Gläubiger der Tochtergesellschaft  .................... 87

Inhaltsverzeichnis

15

C.

(2) Schutz der Vereinsmitglieder  .............................................  88 (3) Schutz der Gläubiger des Vereins  ......................................  89 (4) Sozialschutz ........................................................................  89 bb) Rechtstechnische Anknüpfungspunkte  ...................................  89 (1) Grundsätzliche Unbedenklichkeit von Minderheitsbetei­li­ gungen  ................................................................................  90 (a) Die Unbedenklichkeit als Zurechnungsfrage  .............  90 (b) Die Unbedenklichkeit als Frage der eigenen Tätigkeit des Vereins  .................................................................... 91 (2) Anknüpfung an Mehrheits-, Abhängigkeits- oder Konzern­ verhältnis  ............................................................................  94 (a) Schlichte Mehrheitsbeteiligung  ..................................  94 (b) Abhängigkeitsverhältnis i.S. von § 17 AktG  ..............   95 (c) Abhängigkeitsverhältnis und Unternehmenseigen­schaft  95 (d) Ausübung von Leitungsmacht i.S. des § 18 Abs. 1 AktG  95 (e) Beherrschungsvertrag und qualifiziert faktischer Konzern  ......................................................................   96 (f) Eigene beteiligungsbezogene Tätigkeit des Vereins  ...  97 3. Stellungnahme .......................................................................................   98 a) Zur Schutzrichtung der Zurechnungsoperation  .............................    98 aa) Schutz der Vereinsgläubiger  ....................................................   98 bb) Schutz der Gläubiger der Tochtergesellschaft  .........................   99 cc) Mitgliederschutz ...................................................................... 102 dd) Sozialschutz  ............................................................................  104 b) Zu den Zurechnungsvoraussetzungen  ........................................... 105 aa) Einfache gesellschaftsrechtliche Beteiligungen  ..................... 105 bb) Vertragskonzern und haftungsrechtlich vergleichbare Gestaltungen  ............................................................................ 106 cc) Zurechnung unterhalb der Schwelle des Vertragskonzerns  ... 106 (1) Zur Anknüpfung an die Unternehmenseigenschaft  ......... 107 (2) Mehrheit, Abhängigkeit, Konzern  .................................... 108 c) Eigene beteiligungsbezogene Betätigung des Vereins  ..................  111 aa) Verwaltung eigenen Vermögens  ..............................................  111 bb) Unternehmerische Hilfstätigkeiten  .........................................  111 cc) Konzernleitende Maßnahmen  ................................................. 113 Zwischenbemerkung zum weiteren Vorgehen  ..................................................... 114

D.

Zusammenfassung und Ergebnisse  ...................................................................... 115

§ 3

Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive  . 117

A.

Grundlinien der Entwicklung  ...............................................................................  117

B.

Binnenorganisation und Kompetenzverteilung  ..................................................  124

Inhaltsverzeichnis

16

I.

Vorentwurf „Juristische Personen“ des Redaktors Gebhard  ..................... 125

II.

Erster Entwurf  ............................................................................................. 128

1. Vorstand ................................................................................................ 128 2. Mitgliederversammlung ....................................................................... 130 a) Beschlussfassung ...........................................................................  130 b) Bestellung des Vorstands  ..............................................................  130 c) Kompetenzverteilung im Innenverhältnis  .....................................  131 III. Zweiter Entwurf  ........................................................................................... 133 1. Vorstand ................................................................................................ 134 2. Mitgliederversammlung ....................................................................... 135 a) Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung  ..................... 135 b) Bestellung und Abberufung des Vorstands  ..................................... 136 c) Kompetenzverteilung im Innenverhältnis  ....................................... 139 IV. Änderungen bis zum Inkrafttreten  .............................................................  141 V. Ergebnisse  ....................................................................................................  141 C.

Zum Leitbild des Gesetzgebers  ............................................................................ 142

§ 4

Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial – Vereine aus dem Bereich der höchsten deutschen Fußballligen  ...................................................................... 145

A. Vorbemerkungen  ................................................................................................... 146 I. Terminologie  ................................................................................................ 146 II. B.

Relevante Verbandsstrukturen  .................................................................... 146

Fußballvereine in Gruppenstrukturen   ................................................................ 147 I.

Auslagerung von Lizenzspielerabteilungen  ................................................ 148 1. Wege in die Rechtsform der Kapitalgesellschaft  ................................. 148 2. Motive für die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung  .................. 149 3. Verbandsrechtliche Vorgaben für die Ausgliederung von Lizenzspie­ lerabteilungen  ........................................................................................ 150 a) Sog. „50 + 1-Regel“  .......................................................................  150 aa) Grundregel  ...............................................................................  151 bb) Privilegierung der KGaA  ........................................................ 152 cc) „50+1-Regel“ und faktischer Einfluss Dritter: Die Fälle Hoffenheim und RB Leipzig  ................................................... 153 dd) Ausnahmen von der „50+1-Regel“: Die (modifizierte) „lex Leverkusen“   ............................................................................ 155 b) Verbot von Untereinanderbeteiligungen; kein Mehrfachbetei­ligungsverbot  .................................................................................. 156 c) Mindestkapitalausstattung ............................................................. 157 d) Entsenderechte ................................................................................ 157 e) 3. Liga und Regionalligen  .............................................................. 157 4. Praktische Gestaltungen (Saison 2014/2015)  ....................................... 158

Inhaltsverzeichnis

II.

C.

17

a) Rechtsform der Untergesellschaft  .................................................. 158 aa) GmbH  ....................................................................................... 159 bb) Aktiengesellschaft  ................................................................... 159 cc) GmbH & Co. KGaA  ................................................................  160 b) Anteilsbesitz an der Spielbetriebsgesellschaft  ..............................  161 Sonstige Untergesellschaften  ...................................................................... 164

1. Verbandsrechtliche Vorgaben  ............................................................... 164 2. Praktische Gestaltungen  ....................................................................... 165 a) Verfolgte Zwecke  ............................................................................ 165 b) Beteiligungsstrukturen .................................................................. 166 aa) Anteilsbesitz in Holdingstruktur  ............................................. 166 bb) Verzicht auf Holdingstruktur  .................................................. 167 Satzungsgestaltungen der Vereine  ....................................................................... 168 I.

II.

Verbandsrechtliche Vorgaben   .................................................................... 169 1. Mindestvorgaben .................................................................................. 170 2. Sollvorgaben .......................................................................................... 170 a) Mitgliederversammlung .................................................................  171 b) Wahlausschuss ................................................................................  171 c) Aufsichts- oder Verwaltungsrat  .....................................................  171 d) Vorstand .......................................................................................... 172 3. Bewertung ............................................................................................. 172 Satzungsvarianten im Überblick: gesetzestypische und verbandsrechtlich geprägte Vereine   ......................................................................................... 173

III. Satzungsvarianten – Einzelaspekte  ............................................................  174 1. Organisationsstruktur ...........................................................................  174 a) Mitgliederversammlung; Delegiertenversammlung  ..................... 174 b) Vorstand .......................................................................................... 175 c) Aufsichtsrat ..................................................................................... 176 d) Wahlausschuss ................................................................................ 178 e) Sonstige Organe  ............................................................................. 179 2. Kompetenzregelnde Satzungsinhalte (ohne spezifischen Konzernoder Gruppenbezug)  ............................................................................. 179 a) Kompetenzzuweisungen an die Mitgliederversammlung  ............. 179 aa) Allgemeine Rangzuweisung – die Mitgliederversammlung als „oberstes“ Organ  ................................................................ 180 bb) Zuweisung spezieller Kompetenzen  ........................................ 180 (1) Wahlen ............................................................................... 180 (2) Entgegennahme von Berichten; Entlastung  .....................  181 (3) Mitgliedsbeiträge ..............................................................  181 (4) Satzungsänderungen; Auflösung  .....................................  181 cc) Generalklauselartige Kompetenzzuweisungen  ...................... 182

18

Inhaltsverzeichnis dd) Weisungsbefugnisse  ................................................................ 184 b) Kompetenzzuweisungen an die Verwaltung  ................................. 185 aa) Aufsichtsorgan  ......................................................................... 185 bb) Vorstand; Präsidium  ................................................................ 185 (1) Zuweisungen spezieller Kompetenzen  ............................. 185 (2) Generalklauselartige Kompetenzzuweisungen  ................ 186 (3) Zuweisung von Kompetenzen zur „eigenverantwortlichen“ Wahrnehmung  ................................................................... 187 c) Satzungsgestaltungen ohne klare Regelung der Kompetenzverteilung  189 3. Satzungsklauseln mit Konzern- bzw. Gruppenbezug  ......................... 190 a) Allgemeine „Konzernöffnungsklauseln“  .....................................  190 b) Spezifische Ausgliederungsklauseln  ............................................  192 aa) Zulässigkeit der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung  .  192 bb) Vorgaben hinsichtlich der Rechtsform der Zielgesellschaft   . 192 cc) Beschränkung auf Ausgliederung nach dem Umwandlungs­ gesetz  ........................................................................................ 193 dd) Kompetenzielle Vorgaben für die Ausgliederungsentscheidung  193 ee) Vorgaben für die Beteiligungshöhe am Zielrechtsträger  ........ 193 c) (Weitere) Kompetenzzuweisungen im Zusammenhang mit der Gruppenbildung  ............................................................................. 195 aa) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung  ........................................................................... 195 bb) Kompetenzzuweisungen zugunsten des Vorstands  ................ 195 cc) Kumulative Mitwirkungserfordernisse mehrerer Organe  ...... 196 d) Verfügungen über Gesellschaftsanteile (insbesondere an der Spiel­ betriebsgesellschaft) und Maßnahmen gleicher Wirkung  ............ 196 aa) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung  ........................................................................... 197 bb) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Verwaltung  ............  199 e) Maßnahmen der Gruppenleitung  ..................................................  200 aa) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung  ..........................................................................  200 (1) Umfassende Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung  ..................................................  200 (2) Besetzung der Organe von Tochtergesellschaften  ........... 201 (3) Entgegennahme von Berichten betreffend die Beteiligungs­ gesellschaften  .................................................................... 201 bb) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Verwaltung  ............  202 (1) Umfassende Kompetenzzuweisungen  .............................  202 (2) Besetzung der Organe von Tochtergesellschaften  ..........  203 (3) Zustimmungsvorbehalte zugunsten weiterer Organe  .....  203 (4) Zuständigkeitsregelungen im Hinblick auf Enkelgesell­schaften  ............................................................................  204

Inhaltsverzeichnis

D.

19

f) Beschränkungen der Vertretungsmacht (§ 26 Abs. 1 S. 3 BGB)  .  205 g) Satzungsgestaltungen ohne (vollständige) Regelung von gruppenbezogenen Maßnahmen  ................................................................  205 Ableitungen für den weiteren Fortgang der Untersuchung  ................................. 207 I.

Konkretisierung der Frage nach der Zuständigkeitsordnung im Verein  ..  207

II.

1. Zuständigkeitsfragen ohne spezifischen Gruppenbezug  ....................  207 2. Zuständigkeitsfragen mit spezifischem Gruppenbezug  .....................  208 a) Satzungsregelungen über die grundsätzliche Zulässigkeit der Gruppenbildung  ............................................................................  208 b) Zuständigkeit für Maßnahmen der Gruppenbildung  ...................  208 c) Maßnahmen der Gruppenleitung  ..................................................  209 Gestaltbarkeit der Zuständigkeitsordnung durch die Satzung  ................... 210

III. Bedeutung der Satzungsauslegung  .............................................................  211 § 5

Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft . 212

A.

Gesetzliches Leitbild  ............................................................................................ 212

B. Organstruktur  ....................................................................................................... 213 C.

Strukturprinzipien: Machtbalance statt Hierarchie  ............................................. 214

D.

Die Kompetenzverteilung zwischen den Organen  .............................................. 218 I. Vorstand  ....................................................................................................... 218 1. Leitung und Geschäftsführung  ............................................................ 218 2. Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit  ............................................... 219 3. Grenzen der Eigenverantwortlichkeit  .................................................. 220 a) Begrenzungsfunktion des Unternehmensgegenstandes  ..............  220 b) Sonstige Grenzen  ..........................................................................  223 II. Aufsichtsrat  .................................................................................................. 224 III. Hauptversammlung ..................................................................................... 225

E.

1. Gesetzliche Kompetenzen  .................................................................... 226 2. Durch Satzung zugewiesene Kompetenzen  ......................................... 227 3. Pflichten zur Einberufung der Hauptversammlung  ............................ 227 Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen  ...........................................  228 I.

Entwicklungslinien bis zum Holzmüller-Urteil  ......................................... 229 1. Reichsgerichtliche Entscheidungen zum Aktiengesetz von 1884  ....... 229 a) Die Reichsgerichtsentscheidungen „Grubeneisenbahn“ und „Melasse“  ........................................................................................  230 b) Erste Rezeption und Diskussion auf dem 27. Deutschen Juristen­tag  232 c) Diskussionsanalyse .......................................................................  240 d) Stellungnahme ................................................................................ 241 2. Die Diskussion unter Geltung des Aktiengesetzes von 1965  .............. 243 a) Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten  ............................. 243 b) Durchsetzung ungeschriebener Kompetenzen: Klagerechte des Einzelaktionärs?  ............................................................................. 247

Inhaltsverzeichnis

20

II.

Das Holzmüller-Urteil des Bundesgerichtshofs  ........................................  248

1. Entscheidungsinhalt .............................................................................  248 2. Durch die Holzmüller-Entscheidung aufgeworfene Folgefragen  ........ 252 III. Fortentwicklung der Rechtsprechung  ......................................................... 253 1. Instanzgerichtliche Rechtsprechung  .................................................... 253 2. Die Macrotron-Entscheidung des BGH  ................................................ 254 3. Die Gelatine-Entscheidungen  ............................................................... 255 4. Nichtannahmebeschluss zur Beteiligungsveräußerung  .....................  260 IV. Überblick über den Stand der Diskussion  .................................................  260 V. Stellungnahme  ............................................................................................. 262 1. Zum Schutzzweck der Holzmüller/Gelatine-Doktrin  .......................... 262 a) Konzernverfassungsrechtliche Ansätze  ........................................  262 b) Rechtsträgerbezogener Aktionärsschutz  ....................................... 263 aa) Die Bedeutung des Mitgliedschaftsinteresses für die Zuständigkeitsbegründung  ...................................................... 265 bb) Schutz der Mitwirkungsrechte oder des Vermögens?  ...........  266 cc) Minderheitenschutz ................................................................  268 2. Organisationsrechtliche Effekte der Gruppenbildung  ......................... 269 a) Gruppenbildung als bloßer Aktiventausch?  .................................  269 b) Beschränkungen der Leitungsmacht des Vorstands  ....................  270 c) Beschränkung der Hauptversammlungs- bzw. Aktionärskompe­tenzen  ............................................................................................  272 aa) Beschränkung der Informations- und Kontrollrechte  ...........  272 (1) Das Auskunftsrecht nach § 131 AktG  .............................  272 (2) Recht zur Bestellung eines Sonderprüfers  ....................... 274 (3) Recht zur Entlastung bzw. Entlastungsverweigerung  ...... 274 bb) Beschränkung des Rechts zur Entscheidung über die Gewinn­ verwendung  .............................................................................. 275 cc) Kapitalerhöhungen auf der Ebene der Tochtergesellschaft  ...  278 (1) Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss  ................  279 (2) Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss  ..............  279 (3) Kompensation des Mediatisierungseffekts durch konzern­ dimensionale Mitwirkungsbefugnisse?  ...........................  280 dd) Zwischenfazit  ........................................................................... 281 3. Die organisationsrechtlichen Effekte als Begründungshebel für ungeschriebene Zuständigkeiten  .................................................................. 281 a) Zur Bedeutung der Reduktion der Leitungsmacht des Vorstands. 282 b) Zur Bedeutung der Reduktion der Hauptversammlungskompe­tenzen  ............................................................................................  284 4. Normative Verankerung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin  ................ 285 a) Vorlagepflicht gem. § 119 Abs. 2 AktG  ......................................... 285

Inhaltsverzeichnis

21

b) (Teil-)Gesamtanalogie ...................................................................  286 c) Offene Rechtsfortbildung  ..............................................................  289 d) § 121 AktG  .....................................................................................  290 e) Auswirkungen des Umwandlungsrechts  ....................................... 291 VI. Folge- und Vertiefungsfragen  ..................................................................... 292 1. Die Bestimmung des quantitativen Schwellenwertes  .......................... 292 2. In qualitativer Hinsicht erfasste Maßnahmen  ...................................... 294 a) Gleichwertigkeit aller Formen der Beteiligungs(fort)bildung  ......  294 b) Die „Verenkelung“ als mediatisierende Maßnahme?  ...................  296 c) Maßnahmen ohne Mediatisierungseffekt  ...................................... 301 3. Gruppenbildung und Gruppenleitung  .................................................. 303 a) Die Abgrenzung zwischen Gruppenbildungs- und Gruppen­ leitungsmaßnahmen  ......................................................................  304 b) Vorrang der Gruppenleitungs- vor der Gruppenbildungskontrolle?. 307 c) Vorrang der Gruppenbildungs- vor der Gruppenleitungskontrolle?. 308 d) Gruppenleitungsmaßnahmen als Ansatzpunkt für ungeschrie­bene Zuständigkeiten  ....................................................................  309 aa) Überblick  .................................................................................. 310 bb) Die unterschiedlichen dogmatischen Ansätze  ........................ 310 (1) Konzernverfassungsrechtliche Ansätze  ...........................  311 (2) Aktionärsschützende Ansätze  ..........................................  311 (3) Durchgriffserwägungen bei Holdinggesellschaften mit nur einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft  ........... 312 (4) Ablehnende Stellungnahmen  ............................................ 316 cc) Die Position des Bundesgerichtshofs  ...................................... 318 (1) Holzmüller ......................................................................... 318 (2) Gelatine ............................................................................. 323 dd) Stellungnahme  ........................................................................  324 (1) Beteiligungsveräußerungen in Ober- und Untergesellschaft  327 (2) Kapitalerhöhungen unter Wahrnehmung des Bezugsrechts  328 (3) Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts  . 328 (4) Auflösung der Tochtergesellschaft und Weiterübertra­gung des Gesellschaftsvermögens  .................................... 329 (5) Verenkelung und äquivalente Maßnahmen; Formwechsel  330 (6) Unternehmensverträge ......................................................  331 (7) Zusammenfassende Überlegungen  ................................... 334 4. Flexibilisierungsmöglichkeiten durch Satzung oder HV-Beschluss  ... 334 a) Zulässigkeit eines pauschalen Zuständigkeitstransfers  ................. 335 aa) Transfer durch Satzungsregelung  ............................................ 335 bb) Transfer durch Hauptversammlungsbeschluss  ....................... 337 b) Zulässigkeit eines beschränkten Zuständigkeitstransfers  ............. 337

Inhaltsverzeichnis

22

aa) Analogiebasis  ........................................................................... 337 bb) Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung des Beschlusses  .............................................................................. 338 cc) Einfacher oder satzungsförmiger Beschluss; Beschlussmehrheit  ................................................................................... 338 c) Stellungnahme ................................................................................ 339 5. Notwendigkeit einer Inhaltskontrolle?  ................................................. 341 6. Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen  ................................................ 342 a) Gegen die Verwaltung gerichtete Maßnahmen  ............................  342 b) Ansprüche des Aktionärs gegen die AG  ........................................ 343 aa) Verbandsrechtlicher Begründungsansatz  ...............................  344 bb) Deliktsrechtlicher Begründungsansatz  ................................... 345 cc) Mögliche Verletzungshandlungen  ..........................................  348 dd) Grenzen des Klagerechts  ........................................................  348 c) Anfechtungsklage ..........................................................................  348 F. Ergebnisse  ............................................................................................................  349 § 6

Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH  .................. 352

A.

Gesetzliches Leitbild  ............................................................................................ 352

B. Organstruktur  ....................................................................................................... 353 C.

Grundlagen der Kompetenzverteilung  ................................................................ 354

D.

Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise  ...... 355 I.

Gesetzliche und gesetzesanaloge Kompetenzzuweisungen zugunsten der Gesellschafterversammlung  ........................................................................ 356

II.

Gesetzliche Kompetenzzuweisungen zugunsten der Geschäftsführer?  .... 357

III. Die Kompetenzabgrenzung im gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Bereich  ......................................................................................................... 358 1. Laufende Geschäfte  .............................................................................. 359 2. Grundsätze der Geschäftspolitik  .......................................................... 359 3. Ungewöhnliche („qualifizierte“) Geschäftsführungsmaßnahmen  ..... 361 a) Abzugrenzende Kategorien  ............................................................ 361 aa) Zweck- oder gegenstandswidrige Maßnahmen  ......................  362 bb) Verstöße gegen Grundsätze der Geschäftspolitik  ..................  362 cc) Maßnahmen, bei denen mit Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen ist  ........................................................................... 363 b) Systematisierende Zwischenüberlegung  .......................................  366 aa) Rechtstechnische Ausgestaltung von Geschäftsführungs­ schranken  ................................................................................  366 bb) Normative Grundlagen ungeschriebener Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis  ...................................................  368 cc) Tatbestandliche Voraussetzungen der Geschäftsführungs­ grenzen  ....................................................................................  368

Inhaltsverzeichnis

E.

23

c) Das Meinungsspektrum in der Literatur  ......................................  368 aa) Rechtstechnische Ausgestaltung  ............................................  369 bb) Normative Grundlagen  ............................................................ 372 cc) Tatbestandliche Voraussetzungen  ........................................... 373 d) Überblick über die neuere Rechtsprechung  ................................... 376 aa) Einschlägige Judikatur  ............................................................ 376 bb) Analyse der Rechtsprechung  ................................................... 379 4. Detailanalyse und Stellungnahme zur Behandlung qualifizierter Geschäftsführungsmaßnahmen  ............................................................ 379 a) Verbindungslinien zu den Grubenbahn- und Melasse-Entscheidungen des Reichsgerichts  ............................................................  380 b) Rückschlüsse aus dem Personengesellschaftsrecht?  ....................  382 c) Stellungnahme zu den verbleibenden Fragen  ................................ 385 aa) Zur Rechtsfolgenseite der Unterscheidung zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt  ........................................... 385 bb) Zur Bedeutung der Unterscheidung zwischen Kompetenzund Zustimmungsvorbehalt für die normative Begründung  . 388 cc) Der Vetovorbehalt im Verhältnis zu Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt  ...........................................................  390 dd) Entscheidung über das „Ob“ einer Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis  ...................................................  392 ee) Rechtstechnische Ausgestaltung einer Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis  ...................................................  394 ff) Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäfts­ führungsschranken  .................................................................. 395 5. Grundlagengeschäfte; Eingriff in Gesellschafterrechte  ...................... 399 a) Der Begriff des Grundlagengeschäfts  ..........................................  399 b) Der Topos vom Eingriff in Gesellschafterrechte  .......................... 401 Überblick: Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/GelatineDoktrinin das GmbH-Recht  ................................................................................ 401 I.

II.

Zwei Thesen zur (mangelnden) Relevanz von Holzmüller/Gelatine im GmbH-Recht  ...............................................................................................  402 1. Einbeziehungserfordernis des Mitgliederorgans leichter begründbar – Holzmüller-Doktrin ohne eigenständige Relevanz?  ........................  402 2. Geringere Dringlichkeit für die Begründung von Einbeziehungs­ erfordernissen – fehlender Mediatisierungseffekt?  ............................  404 3. Folgefragen ...........................................................................................  405 a) Zur mangelnden Relevanz der Holzmüller-Doktrin im GmbH-Recht  405 aa) Rechtsfolgenseite  ....................................................................  405 bb) Tatbestandsseite  ......................................................................  406 b) Zur These vom fehlenden Mediatisierungseffekt  .........................  407 Systematisierende Zwischenüberlegung  ....................................................  408

Inhaltsverzeichnis

24

1. Grundpositionen ..................................................................................  408 a) Alleinige Anwendung der Kategorie der Vorlagepflicht für „ungewöhnliche Maßnahme“  .................................................................  409 b) Alleinige Anwendung der Holzmüller-Doktrin  ...........................  409 c) Kombination von Holzmüller-Doktrin und ungewöhnlicher Maßnahme  ............................................................................................. 410 2. Varianten der Grundpositionen  ............................................................ 410 a) Varianten von Grundposition Nr. 1  ................................................ 410 b) Varianten von Grundposition Nr. 2  ................................................  411 c) Varianten von Grundposition Nr. 3  ................................................  411 3. Exemplarische Anwendung  .................................................................. 412 III. Die Positionen in der Literatur  .................................................................... 413

F.

1. Grundposition Nr. 1 und Varianten  ...................................................... 413 2. Grundposition Nr. 2 und Varianten  ......................................................  416 3. Grundposition Nr.3 und Varianten  .......................................................  416 a) Ansatz von Lutter/Leinekugel  .......................................................  417 b) Ansatz von Priester  ........................................................................ 418 c) Ansatz von Liebscher  ..................................................................... 419 d) Ansatz von U. H. Schneider  ........................................................... 419 e) Ansatz von Ettinger/Reiff  .............................................................  420 f) Weitere Vertreter der Kombinationstheorien  ................................ 421 Entwicklung des eigenen Standpunkts  ................................................................ 423 I.

Der Mediatisierungseffekt im GmbH-Recht  .............................................. 423 1. Meinungsstand in der Literatur  ............................................................ 423 a) Mediatisierungseffekt auch im GmbH-Recht  ...............................  424 b) Mediatisierungseffekt im GmbH-Recht stärker?  .........................  424 c) Mediatisierung im GmbH-Recht schwächer?  ................................ 425 2. Mediatisierungseffekt und kompensatorische Effekte  ........................ 425 a) Ausgangspunkt: Kompetenzverschiebende Wirkung der Gruppen­ bildung – Mediatisierungseffekt betrifft auch die GmbH  ...........  426 b) Kompensatorische Effekte  ............................................................. 427 aa) Die Vorlagepflichten bei ungewöhnlichen Maßnahmen  ........ 427 bb) Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung  ............  429 cc) Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung auf Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin  ...........................................  429 3. Grenzen der kompensatorischen Effekte  ............................................. 429 a) Interne treuhänderische Pflichtenbindung vs. unmittelbare gesell­ schaftsrechtliche Befugnisse  ........................................................  430 b) Gegenläufige Faktoren  ..................................................................  430 aa) Gesellschaftsvertragliche Regelungen auf der Ebene der Obergesellschaft  ......................................................................  431 bb) Beschränkungen aus dem Recht der Untergesellschaft  ........  431

Inhaltsverzeichnis

II.

25

(1) Beschränkungen der Vorlagepflicht  .................................  431 (2) Grenzen für das Weisungsrecht  ........................................  431 c) Spezifische Gesichtspunkte des Minderheitenschutzes  ................ 432 4. Zwischenergebnis und weiteres Vorgehen  ........................................... 433 Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenbildungsmaß­nahmen  ......................................................................................................... 434

1. Gesellschaftsvertragliche Grenzen der Gruppenbildung  .................... 434 2. Mitwirkung der Gesellschafterversammlung bei Gruppenbildungs­ maßnahmen  ........................................................................................... 436 a) Erfassung als ungewöhnliche Maßnahme (Vetovorbehalt)  ........... 436 b) Erfassung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/GelatineDoktrin  ........................................................................................... 438 aa) Grundsatz  ................................................................................. 438 bb) Normative Verankerung  .......................................................... 439 cc) Quantitativer Schwellenwert  ..................................................  440 III. Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen  . 442 1. Zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Holzmüller/GelatineDoktrin auf Gruppenleitungsmaßnahmen  ........................................... 443 a) Überblick über das Meinungsspektrum  .......................................  443 b) Stellungnahme ................................................................................ 445 aa) Zur Rechtslage im Aktienrecht  ............................................... 445 bb) Abweichende Ausgangslage im GmbH-Recht: Weitere Mediatisierungseffekte möglich  ............................................  446 cc) Abgrenzung zur Position Wiedemanns  ................................... 447 c) Zwischenergebnis ..........................................................................  448 2. Die Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin  .............................................  448 a) Qualitative Anforderungen: Faktische Verkürzungen des Weisungsrechts  ..............................................................................  449 aa) Beseitigung und Beschränkung der Weisungsoffenheit der Untergesellschaft  ....................................................................  449 bb) Einflussreduzierende Umstrukturierungen  ...........................  449 cc) Teilbeteiligungsveräußerungen; Kapitalerhöhungen unter Aufnahme Dritter  ....................................................................  450 (1) Abgrenzungen ..................................................................  450 (2) Relevante Beteiligungsschwellen  .....................................  451 (3) Zur Relevanz der Gegenleistung  ......................................  451 b) Quantitative Wesentlichkeitsschwelle  ........................................... 453 3. Die Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen  ................ 454 a) Allgemeine Grundsätze  ................................................................  454 b) In qualitativer Hinsicht erfasste Maßnahmen  ............................... 455

Inhaltsverzeichnis

26

aa) Maßnahmen mit (weiterem) Mediatisierungseffekt  ............... 455 bb) Gewinnverwendung; andere periodisch wiederkehrende Entscheidungen  ........................................................................ 456 cc) Herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen in der Tochtergesellschaft  .................................................................. 457 dd) Vollständige Beteiligungsveräußerung; Liquidation  .............. 457 ee) Abschluss von Unternehmensverträgen; Risikoerhöhungs­ gesichtspunkte  ......................................................................... 457 G. Folgefragen  ........................................................................................................... 458 I.

Flexibilisierungsmöglichkeiten durch den Gesellschaftsvertrag  ............... 459

II.

1. Die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen  ........................... 459 2. Holzmüller/Gelatine-Doktrin ............................................................... 459 a) Möglichkeit eines generellen Zuständigkeitstransfers  .................  460 aa) Literaturüberblick  ...................................................................  460 (1) Ausgangspunkt: Erfassung von Holzmüller/GelatineFällen als „ungewöhnliche Maßnahmen“  ........................  460 (2) Ausgangspunkt: Transfer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das GmbH-Recht  ..........................................................  462 bb) Stellungnahme  ........................................................................  462 cc) Zwischenfazit ..........................................................................  466 b) Möglichkeit eines beschränkten Zuständigkeitstransfers durch Gesellschafterbeschluss  ................................................................. 467 3. Mitwirkungserfordernisse bei der Gruppenleitung – ein Sonderfall?  468 Materielle Beschlusskontrolle  ..................................................................... 470

III. Rechtsschutzaspekte  .................................................................................... 470 1. Gegen die Geschäftsführung gerichtete Maßnahmen  ......................... 470 2. Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung gegen die Gesellschaft  . 471 3. Beschlussanfechtung ............................................................................ 472 4. Differenzierung zwischen ungewöhnlichen Maßnahmen und Holz­müller/Gelatine-Doktrin?  ..................................................................... 472 H. Ergebnisse  ............................................................................................................. 473 § 7

Die Zuständigkeitsordnung des Vereins  .........................................................  480

A.

Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein  ......................................  480 I.

Die Organisationsstruktur des Vereins  ....................................................... 481

II.

Grundlagen der Kompetenzverteilung: Die Mitgliederversammlung als oberstes Organ  ............................................................................................. 482

III. Gesetzliche Kompetenzzuweisungen  ......................................................... 483 1. Gesetzliche (gesetzesanaloge) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung  ................................................................. 483 a) BGB ...............................................................................................  484 b) UmwG ............................................................................................  484

Inhaltsverzeichnis

27

c) Analogien zu aktienrechtlichen Vorschriften  ............................... 485 aa) Analogie zu § 179a AktG  ........................................................ 485 (1) Die Position Lettls  ............................................................. 485 (2) Die Position Leuschners  ...................................................  486 (3) Stellungnahme ..................................................................  486 bb) Analogie zu § 293 Abs. 2 AktG  .............................................  490 2. Gesetzliche Kompetenzzuweisungen zugunsten des Vorstands  ......... 491 a) Der Vorstand als Vertretungsorgan  ............................................... 491 aa) Beschränkung der Vertretungsmacht durch den Vereins­ zweck?  .....................................................................................  492 bb) Beschränkung der Vertretungsmacht durch die Zuständig­ keitsordnung des Vereins?  ....................................................... 493 b) Der Vorstand als Geschäftsführungsorgan  ..................................  500 IV. Die Kompetenzabgrenzung in der Detailbetrachtung  ............................... 502 1. Allgemeine Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands.. 502 a) Vereinszweck und -gegenstand  .....................................................  502 b) Sonstige Satzungsregelungen  ........................................................  504 c) Weisungen .....................................................................................  504 d) Grundlagenentscheidungen ...........................................................  504 2. Parallelität von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht?.. 505 a) BGH NJW 1993, 191 als geeignete Referenz?  ..............................  506 b) Anderweitige Gründe für den Schluss von der Vertretungs- auf die Geschäftsführungsbefugnis?  ................................................... 510 3. Ungeschriebene Einbeziehungsansprüche der Mitgliederversamm­lung bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen  ...................... 512 a) Historische Verbindungslinien zum GmbH- und Aktienrecht  ..... 512 b) Rechtsprechung .............................................................................. 513 c) Meinungsstand in der Literatur  ...................................................... 514 aa) Beschränkungen für die Problemerkenntnis   ......................... 515 bb) Kursorische Problemannäherungen  ........................................ 515 cc) Die Position Segnas  ................................................................. 519 dd) Die Position Leuschners  ..........................................................  521 d) Stellungnahme ...............................................................................  522 aa) Zum „ob“ einer Beschränkung der Geschäftsführungs­ befugnis  ................................................................................... 523 bb) Rechtskonstruktive Ausgestaltung der Beschränkung  ........... 525 cc) Maßstab der Vorlagepflicht  ..................................................... 526 4. Weitere Parallelen zum GmbH-Recht  .................................................. 531 a) Keine Zuständigkeit für die Grundsätze der Vereinspolitik  .........  531 b) Vorlagepflichten, wenn mit Widerspruch der Mitgliederversammlung zu rechnen ist  .........................................................................  531 V. Ergebnisse zu Abschnitt A.  ......................................................................... 532

28

B.

Inhaltsverzeichnis Die Zuständigkeitsordnung im verbundenen Verein(Verein als Gruppenspitze). 535 I. Überblick: Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin in das Vereinsrecht  ......................................................... 535 1. Systematische Vorüberlegung  .............................................................. 536 a) Kumulation von Holzmüller-Doktrin und Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen  .................................................................. 536 b) Alleinige Geltung der (transferierten) Holzmüller-Doktrin  ......... 536 c) Alleinige Geltung der Vorlagepflichten für qualifizierte Geschäfts­ führungsmaßnahmen  ..................................................................... 537 d) Sonderproblematik: Die besondere Nachgiebigkeit des Vereinsrechts  .............................................................................................. 537 2. Die Diskussion in der Literatur  ............................................................ 537 a) Der Ansatz von Hemmerich  ........................................................... 538 b) Der Ansatz von Sprengel  ................................................................ 539 aa) Darstellung der Konzeption  .................................................... 539 (1) Gruppenbildung ...............................................................  540 (2) Gruppenleitung ................................................................. 541 bb) Nähere Einordnung des Ansatzes  ........................................... 541 c) Der Ansatz von Segna  .................................................................... 543 aa) Darstellung der Konzeption  .................................................... 543 (1) Gruppenbildung ...............................................................  544 (2) Gruppenleitung ................................................................. 545 bb) Nähere Einordnung des Ansatzes  ........................................... 547 (1) Gruppenbildung ................................................................ 547 (2) Gruppenleitung ................................................................  549 d) Der Ansatz von Reuter  ..................................................................  550 e) Der Ansatz von Heermann  .............................................................  551 f) Der Ansatz von Schießl  .................................................................. 552 g) Der Ansatz von Lettl  ...................................................................... 552 h) Der Ansatz von Habersack  ............................................................. 553 i) Der Ansatz von Terner  ................................................................... 554 j) Der Ansatz von Leuschner  ............................................................. 554 aa) Ablehnung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin für das Vereins­ recht  .......................................................................................... 554 bb) Ableitungen aus der Vorlagepflicht für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen  .............................................. 555 (1) Ausgliederungsmaßnahmen ............................................. 555 (2) Drittbeteiligungsmaßnahmen ........................................... 556 (3) Risikomaßnahmen ............................................................. 556 cc) Nähere Einordnung des Ansatzes  ........................................... 557 (1) Zur Ablehnung der Übertragbarkeit der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin auf das Vereinsrecht  ............................ 557

Inhaltsverzeichnis

II.

29

(2) Einzelableitungen aus der Vorlagepflicht  ......................... 559 (a) Ausgliederungsmaßnahmen ....................................... 559 (b) Drittbeteiligungsmaßnahmen ...................................  560 k) Weitere Äußerungen im Schrifttum  .............................................  564 Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen  ...................................................................... 565 1. Der Mediatisierungseffekt im Vereinsrecht  ......................................... 565 a) Der Mediatisierungseffekt als Transmissionsriemen für den Trans­fer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das Vereinsrecht  ...........  566 b) Der Mediatisierungseffekt bei Gruppenbildungsmaßnahmen  ...... 567 aa) Der Kreis der mediatisierenden Vorgänge im Bereich der Gruppenbildung  ....................................................................... 567 bb) Konkrete Bezugspunkte des Mediatisierungseffektes  ..........  568 (1) Satzungsänderungskompetenz ........................................  568 (2) Entscheidung über die Gewinnverwendung?  ..................  569 (3) Latente Allzuständigkeit und Weisungsrecht  ..................  569 (4) Organschaftliche Vertretungsmacht des Vereinsvorstands. 570 (5) Kontrollrechte der Mitgliederversammlung  .................... 571 cc) Mediatisierung und kompensatorische Effekte  ...................... 572 (1) Kompensatorische Effekte im Vereinsrecht  ..................... 572 (2) Diskussionsstand in der vereinsrechtlichen Literatur  ...... 573 (3) Grenzen kompensatorischer Effekte  ................................ 573 (a) Strukturelle Schranken  .............................................. 574 (b) Einzelfallabhängige Schranken  .................................. 575 dd) Zwischenergebnis  .................................................................... 576 c) Der Mediatisierungseffekt bei Maßnahmen der Gruppenleitung  . 577 2. Die Zuständigkeit für Gruppenbildungsmaßnahmen  .......................... 578 a) Die Satzung als Gestaltungsschranke  ............................................ 578 aa) Erfordernis einer Beteiligungs- bzw. Konzernklausel in der Satzung  .................................................................................... 578 bb) Satzungsunterschreitung durch Ausgliederung?  .................... 579 b) Erfassung als ungewöhnliche Maßnahme (Vetovorbehalt)  ..........  580 c) Erfassung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/GelatineDoktrin  ........................................................................................... 581 aa) Grundsatz  ................................................................................. 581 bb) Quantitative Erheblichkeitsschwelle  ......................................  582 cc) Erforderliche Mehrheit  ...........................................................  584 dd) Rechtsfolgen im Außenverhältnis  ..........................................  584 3. Die Zuständigkeit für Gruppenleitungsmaßnahmen  ........................... 584 a) Erfassung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/GelatineDoktrin  ........................................................................................... 585

Inhaltsverzeichnis

30

aa) Maßnahmen mit (weiterem) Mediatisierungseffekt  ............... 585 bb) Quantitative Anforderungen; Außenwirksamkeit  .................. 587 b) Erfassung als ungewöhnliche Maßnahme (Vetovorbehalt)  ........... 587 aa) Allgemeines  ............................................................................. 587 bb) Maßnahmen mit weiterem Mediatisierungseffekt  .................  588 cc) Periodisch wiederkehrende Maßnahmen in der Tochtergesellschaft  .............................................................................  588 dd) Herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen in der Tochtergesellschaft; Risikogesichtspunkte  ............................  589 ee) Vollständige Beteiligungsveräußerung; Liquidation; Aufgabe beherrschenden Einflusses  .....................................................  589 ff) Unternehmensverträge ...........................................................  590 4. Sonstige (nichtmediatisierende) Maßnahmen  ...................................... 591 III. Ergebnisse zu Abschnitt B.  ......................................................................... 591 C.

Berücksichtigung satzungsautonomer Gestal­t ungsspielräume  ..........................  596 I.

II.

Die vereinsrechtliche Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen  ..................... 597 1. Modifikationsebenen ............................................................................ 597 2. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit im Überblick  ............................. 598 a) Spezifisch auf den Verein bezogene Vorschriften  .......................  598 b) Allgemeine Grenzen, §§ 134, 138 BGB  ........................................  598 c) Inhaltskontrolle, § 242 BGB  .........................................................  598 d) Grundsatz der Verbandssouveränität  ............................................. 601 3. Die Mindestorganausstattung des Vereins: Vorstand und Mitglieder­ versammlung  ......................................................................................... 601 4. Mindestkompetenzen des Vereinsvorstands  ........................................ 603 5. Mindestkompetenzen der Mitgliederversammlung  ............................  604 a) Die Kompetenz zur Änderung der Satzung  .................................  604 aa) Gesetzliche Ausgangslage; Meinungsspektrum in der Literatur  ..................................................................................  604 bb) Der Grundsatz der Verbandssouveränität  ..............................  605 cc) Stellungnahme ........................................................................  609 b) Die Kompetenz zur Auflösung des Vereins  .................................. 612 6. Die Einrichtung zusätzlicher Vereinsorgane  .......................................  614 a) Umfassende Gestaltungsmöglichkeiten  ......................................... 614 b) Im Besonderen: Einrichtung einer Delegiertenversammlung  ...... 614 Gestaltbarkeit der Zuständigkeitsordnung bei ungewöhnlichen Maßnah­men und Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen  ...............................................  616 1. Einbeziehungserfordernisse bei ungewöhnlichen Maßnahmen  ..........  616 2. Mitwirkungsrechte auf Basis der Holzmüller/Gelatine-Doktrin  ........  617 a) Zuständigkeit der Mitgliederversammlung  ...................................  617 b) Qualifiziertes Mehrheitserfordernis  .............................................. 619

Inhaltsverzeichnis

31

3. Besonderheiten bei Gruppenleitungsmaßnahmen?  ............................. 619 4. Zwischenergebnis .................................................................................. 620 III. Die Auslegung der Vereinssatzung  ............................................................. 621 1. Allgemeine Grundsätze der Satzungsauslegung  ................................. 621 2. Vereinsrechtliche Parallelen zum personengesellschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz?  ..................................................................... 623 3. Einzelfragen .......................................................................................... 624 IV. Ergebnisse zu Abschnitt C.  ......................................................................... 624 D.

Beispielhafte Anwendung der Untersuchungsergebnisse  ..................................  626 I.

Die Veräußerung des Vereinsgrundstücks (BGH NJW 2008, 69)  ............. 626

II.

Die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung eines Bundesligavereins (außerhalb des UmwG)  ................................................................................ 628

III. Die Veräußerung der Spielbetriebsgesellschaft oder von Anteilen daran  . 630

E.

1. Fallbeispiele: TSG Hoffenheim und Hannover 96  ............................... 630 2. Die Zuständigkeitsverteilung auf Basis der gesetzlichen Ausgangslage  631 a) Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine Doktrin?  .................  631 b) Vorlagepflicht unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen?  ........................................................ 632 c) Mutmaßlich entgegenstehender Wille der Mitgliederversammlung. 633 3. Abweichende Vorgaben der Vereinssatzungen?  .................................. 634 Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen  ................................................................ 636 I.

II.

Gegen den Vorstand gerichtete Maßnahmen  .............................................. 636 1. Abberufung ........................................................................................... 636 2. Verweigerung der Entlastung  ............................................................... 637 3. Schadensersatzansprüche des Vereins  ................................................. 638 a) Entstehung von Schadensersatzansprüchen des Vereins  .............. 638 b) Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Vereins.  639 aa) Zuständigkeit für die Entscheidung über die Geltendmachung  639 bb) Die Zuständigkeit für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen  ..............................................................................  642 (1) Durchsetzung durch den Vorstand  ..................................  642 (2) Durchsetzung durch die Mitgliederversammlung oder einen besonderen Vertreter  ..............................................  642 cc) Einzelklagebefugnis des Mitglieds?  ......................................  643 4. Eigene Ansprüche des Vereinsmitglieds gegen Vorstandsmitglieder?. 644 Anspruch des Mitglieds auf Unterlassung und Beseitigung gegen den Verein  ..........................................................................................................  644 1. Grundlagen ...........................................................................................  644 2. Mögliche Einwände  .............................................................................. 645 a) Das Quorum des § 37 BGB und Weisungsrecht der Mitglieder­ver­sammlung  .................................................................................. 645

Inhaltsverzeichnis

32

b) Austrittsrecht; mangelnde finanzielle Interessen  .........................  648 3. Anwendungsbereich der Kompetenzschutzklage  ...............................  649 a) Der sachliche Schutzbereich  .........................................................  649 b) Mögliche Verletzungshandlungen  ................................................  650 4. Grenzen des Klagerechts  ...................................................................... 650 a) Zeitliche Grenzen  ..........................................................................  650 b) Anderweitige Grenzen auf Grundlage der Rücksichtnahme­pflicht?.............................................................................................. 651 c) Kein Tätigkeitsvorrang eines Aufsichtsorgans  .............................. 651 5. Zur überkommenen Lehre vom Spaltverein  ........................................ 652 III. Rechtslage nach Beschlussfassung der Mitgliederversammlung  .............. 652 IV. Ergebnisse zu Abschnitt E.  ......................................................................... 654 F.

Zusammenfassung der Ergebnisse  ......................................................................  656 I.

Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein  .............................. 656

II.

Die Zuständigkeitsordnung im verbundenen Verein (Verein als Gruppen­spitze)  ........................................................................................................... 659

III. Satzungsautonome Gestaltungsspielräume  ................................................ 663 IV. Rechtsschutz bei Kompetenzverletzungen  ................................................  664 Literaturverzeichnis  ..................................................................................................... 667 Sachwortverzeichnis  ....................................................................................................  689

§ 1  Einführung und Gang der Darstellung A.  Einführung in den Untersuchungsgegenstand Ein erster Zugang zu den in dieser Arbeit angestellten Überlegungen eröffnet sich mit einem Blick auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2007 und 2013, die beide auf denselben Ausgangssachverhalt zurückgehen:1 Der Vorstand eines Sportvereins veräußerte nach einem zustimmenden Beschluss der Mitgliederversammlung den wesentlichen Vermögensgegenstand des Vereins, ein Grundstück mit Wasserzugang, das von der Ruderabteilung genutzt wurde. Diese klagte dagegen und begehrte die Feststellung der Nichtigkeit von Zustimmungsbeschluss, Grundstückskauf- und Auflassungsvertrag. In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2007 folgte der BGH dem hinsichtlich des Zustimmungsbeschlusses, den er wegen eines Ladungsmangels für nichtig hielt,2 wies die Klage im Übrigen aber ab. Entgegen der Auffassung der Klägerin scheitere die Wirksamkeit der Grundstücksveräußerung schon deswegen nicht an den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht, weil der Vorstand seine im Innenverhältnis gesetzten Befugnisse nicht überschritten habe. Zwar liege aufgrund des Ladungsmangels kein zustimmender Beschluss der Mitgliederversammlung vor. Doch fehle es eben auch an einer rechtlich verbindlichen Ablehnung durch diese, weswegen sich der Vorstand in der gleichen Situation wie vor der Beschlussfassung befunden habe, als weder ein positives noch negatives Votum vorlag. Der Vereinsvorstand sei somit mangels einer internen Bindung ohne jede Beschränkung zum Verkauf des Grundstücks berechtigt gewesen.3 In der Entscheidung über den Folgerechtsstreit, dessen Gegenstand die Räumung des Grundstückes war, hat der BGH diese Auffassung noch einmal bestätigt.4 In der Literatur ist im Anschluss an die Entscheidung aus dem Jahr 2007 die Frage aufgeworfen worden, ob der Vorstand bei einem für den Verein derart wichtigen Geschäft tatsächlich frei von jeder Bindung im Innenverhältnis handeln durfte.5 Zweifel daran könnten sich zunächst aus der Vereinssatzung ergeben. Die insoweit denkbaren Ansatzpunkte führen jedoch im konkreten Fall nicht weiter: 1  s. BGH NJW 2008, 69; BGH NZG 2013, 466; der Sachverhalt wird im Text stark vereinfacht dargestellt. 2 s. zu den im Zusammenhang mit der Beschlussanfechtung aufgeworfenen Fragen K. Schmidt, in: FS Reuter, S. 345 ff. 3  s. BGH NJW 2008, 69, 75. 4  BGH NZG 2014, 466, 467. 5 s. Grunewald, GesR, § 8 Rn. 57; Terner, NJW 2008, 16, 19 f.; s.a. Leuschner, Konzernrecht, S. 115.

§ 1  Einführung und Gang der Darstellung

34

Eine spezielle Zuständigkeitsregelung, aus der sich ein Mitwirkungsanspruch der Mitgliederversammlung hätte ableiten lassen, wird im Urteil nicht erwähnt und war in der Satzung offenbar nicht enthalten. Der BGH zog allerdings in Betracht, dass die Grundstücksveräußerung möglicherweise dann als eine (von der Mitgliederversammlung zu beschließende) Satzungsänderung aufzufassen sein könnte, wenn sie die faktische Auflösung der Ruderabteilung als einer satzungsmäßig geschaffenen Abteilung zur Folge habe. Da die Ruderabteilung für die Ausübung des Rudersports aber nicht auf den konkreten Wasserzugang des veräußerten Grundstücks angewiesen sei, komme es darauf an, ob geeignete Ersatzgrundstücke für die Ausübung des Rudersports gefunden werden könnten, wozu das Berufungsgericht noch die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen habe.6 Erst recht war der satzungsmäßige Vereinszweck von der Grundstücksveräußerung nicht betroffen.7 Auch ein Blick ins Gesetz hilft bei der Lösung der Zuständigkeitsfrage nicht unmittelbar weiter. Eine Vorschrift wie die des § 116 Abs. 2 HGB, unter die sich das Grundstücksgeschäft möglicherweise subsumieren ließe, kennt das Vereinsrecht nicht.8 Deswegen verwundert es nicht, wenn die genannten Literaturstimmen auf einer anderen Ebene ansetzen. Eine Urteilsbesprechung führt insoweit aus, der Bundesgerichtshof verkenne die sich aus der „Holzmüller-Doktrin“ sinngemäß auch für das Vereinsrecht ergebenden Beschränkungen für das Handeln des Vereinsvorstands.9 Ein Zustimmungsbeschluss der Mitgliederversammlung sei nach diesen Grundsätzen aber zwingend erforderlich gewesen, da das Clubhaus eine wesentliche Grundlage für das Vereinsleben darstelle und insbesondere für den Rudersport die Funktion einer „Betriebsgrundlage“ erfülle.10 Von anderer Seite wird etwas zurückhaltender ausgeführt, der Vorstand hätte die Mitgliederversammlung bei einer solchen Maßnahme von „essentieller Bedeutung“ wohl doch befragen müssen.11 Beide Bemerkungen zielen auf unterschiedliche Weise auf die Feinabstimmung der Kompetenzverteilung zwischen Mitgliederversammlung und Vorstand unterhalb der Schwelle unmittelbar einschlägiger Regelungen in Gesetz oder Satzung. Während die erste Stellungnahme den Anschluss an ein aktienrechtliches Begründungsmuster sucht, scheint die zweite eher an Überlegungen anzuknüpfen, wie man sie aus dem GmbH-Recht kennt, wo mit unterschiedlicher Intensität über Vorlagepflichten für ungewöhnliche oder unter anderen Gesichtspunkten herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen nachgedacht wird. Beide Ansätze wer6 

BGH NZG 2013, 466, 467 f.; s.a. bereits BGH NJW 2008, 69, 73. BGH NZG 2013, 466, 467 (gegen KG II ZR 169/11 als Vorinstanz). 8  Der (erst in BGH NZG 2013, 466 mitgeteilte) Umstand, dass das Vermögen des Vereins „im Wesentlichen aus dem Grundstück“ bestehe, führt allerdings zu der Frage, ob nicht eine analoge Anwendung von § 179a AktG in Betracht kommt; s. dazu noch unten § 7 A.III.1.c)aa) und D.I.1. 9 s. Terner, NJW 2008, 16, 19 f. 10 s. Terner, NJW 2008, 16, 19 f. 11 s. Grunewald, GesR § 8 Rn. 57; s.a. Leuschner, Konzernrecht, S. 115. 7 

A.  Einführung in den Untersuchungsgegenstand

35

fen – auch losgelöst vom konkreten Fall – weitergehende Fragen auf. Das schließt auch ihr Verhältnis zueinander ein. In der „Holzmüller“-Entscheidung aus dem Jahr 1982 hat der Bundesgerichtshof bekanntlich in Form eines recht weit geratenen Leitsatzes für die Aktiengesellschaft festgehalten, dass der Vorstand „bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre […] verpflichtet sein [kann], gemäß § 119 Abs. 2 AktG eine Entscheidung der Hauptversammlung herbeizuführen.“12 Verstößt er dagegen, steht jedem einzelnen Aktionär ein Klagerecht gerichtet auf Unterlassung oder, je nach Fortschritt des Kompetenzübergriffs, Wiederherstellung des früheren Zustands zu. An diesen Grundsätzen hat er in der Sache auch mehr als zwanzig Jahre später in den beiden Gelatine-Entscheidungen festgehalten,13 wenn auch mit restriktiver Tendenz und gestützt auf eine andere dogmatische Begründung. Diese Rechtsprechung hat in der Literatur eine sich nun fast schon über drei Jahrzehnte erstreckende, ebenso extensive wie facettenreiche Diskussion ausgelöst. Der Schwerpunkt des Interesses konzentriert sich dabei nach wie vor auf das Aktienrecht. Dafür kommen abgesehen von dem Umstand, dass die Holzmüller-Doktrin dort ihren Ursprung genommen hat, unterschiedliche Ursachen in Betracht. Zunächst einmal ist sicher zu berücksichtigen, dass das Aktienrecht seiner Struktur nach für die Ausbildung ungeschriebener Zuständigkeiten und individueller Klagebefugnisse nicht besonders prädestiniert ist. Es gibt also besonderen Anlass, sowohl die Berechtigung als auch die weiteren Implikationen der höchstrichterlichen Rechtsprechung kontrovers zu diskutieren, was sich in erwartbarer Weise auch im Diskussionsvolumen niederschlägt. Eine andere Frage ist, ob die Holzmüller-Doktrin auch inhaltlich ein spezifisch aktienrechtlich geprägtes Rechtsinstitut ist, das in einer Weise auf den Besonderheiten des Aktienrechts aufsetzt, die eine Übertragung auf andere Rechtsformen ausschließt. Nicht bestreiten lassen dürfte sich allerdings, dass jedenfalls die zugrunde liegenden Sachfragen übertragbar sind. Denn auf einer allgemeinen Ebene geht es letztlich nur um Fragen der Kompetenzabgrenzung und Kompetenzdurchsetzung, die sich grundsätzlich überall dort stellen können, wo Personenvereinigungen zumindest Ansätze zu einer differenzierten Binnenorganisation mit gegeneinander abgrenzbaren verbandsinternen Entscheidungsinstanzen ausbilden. Die Überlegungen müssen sich also darauf konzentrieren, wie die Antwort auf diese Sachfragen vor dem Hintergrund einer abweichend geregelten gesetzlichen Kompetenzordnung und weitergehenden statuarischen Gestaltungsspielräumen auszufallen hat. Dies ist für das Vereinsrecht bislang nur in Ansätzen diskutiert worden.14 Die meisten Stellungnahmen sind eher kursorischer Natur oder beschränken sich auf Einzelfragen. Zeitlich liegen sie zudem zumeist noch vor den Gelatine-Entscheidungen, so dass neuere Entwicklungen der aktienrechtlichen Diskussion noch nicht berücksichtigt werden konnten. 12 

s. BGHZ 83, 122. BGHZ 159, 30; BGH NZG 2004, 575. 14  s. für eine umfassende Aufarbeitung des einschlägigen Schrifttums unten, § 7 B.II. 13 

§ 1  Einführung und Gang der Darstellung

36

Im einleitend geschilderten Fall bestehen ungeachtet aller weiteren Fragen, die mit der Diskussion um einen Transfer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin einhergehen, allerdings schon Zweifel daran, ob es sich bei der in Rede stehende Maßnahme überhaupt um einen tauglichen Anwendungsfall dieses Rechtsinstituts handelt. Damit ist die zunächst einmal das Aktienrecht betreffende Frage angesprochen, welche Vorgänge die in der Holzmüller-Entscheidung angesprochenen Mitwirkungsansprüche der Hauptversammlung überhaupt auslösen können. Dieser Aspekt gehörte über lange Zeit zu den umstrittensten Fragen der aktienrechtlichen Diskussion, die erst durch die Gelantine-Urteile und eine danach ergangene Entscheidung, die eine Beteiligungsveräußerung betraf,15 in ein ruhigeres Fahrwasser geführt wurde. Folgt man den Weichenstellungen der Gelatine-Entscheidungen, dann begründet die Holzmüller-Doktrin in ihrer gegenwärtigen Fassung eine ungeschriebene Zuständigkeit für solche Maßnahmen, bei denen es unter quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten gerechtfertigt erscheint, sie als satzungsnah zu qualifizieren und sie in Anlehnung an Vorschriften wie z. B. die §§ 179a Abs. 1 S. 2, 293 Abs. 1 S. 3, 319 Abs. 2 S. 3 AktG zwingend einem qualifizierten Mehrheitserfordernis zu unterwerfen.16 In quantitativer Hinsicht muss die Maßnahme dabei wenigstens 75 – 80 % des Vermögens der Gesellschaft betreffen. Nun mag es nicht auszuschließen sein, dass der Verkauf des Grundstücks ein Geschäft dieser Größenordnung gewesen ist.17 Letztlich kommt es darauf aber nicht an. Denn entscheidend ist, dass die Grundstücksveräußerung als schlichter Aktiventausch den qualitativen Anforderungen nicht genügt, die mit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin einhergehen. Schon der Holzmüller-Entscheidung lag kein einfaches Veräußerungsgeschäft zugrunde, sondern ein – außerhalb des UmwG durchgeführter – Ausgliederungsvorgang, d.h. eine Maßnahme mit Konzern- bzw. Gruppenbezug, die sich auf die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft mittelbar-faktisch rechtsverkürzend – „mediatisierend“ – auswirkt. In den nachfolgenden Urteilen hat sich immer stärker die Tendenz herauskristallisiert, dass nur Maßnahmen, denen eine vergleichbare mediatisierende Wirkung zukommt, für die Begründung einer ungeschriebenen Zuständigkeit nach der Holzmüller-Doktrin in Betracht kommen.18 Folgt man dem und geht man weiter davon aus, dass sich der sachliche Anwendungsbereich der Doktrin nicht zugleich mit dem Transfer in das Vereinsrecht erweitert,19 führt dieser Begründungsansatz also im eingangs geschilderten Fall nicht weiter.

15 

s. BGH DStR 2007, 586. s. BGHZ 159, 30, 41 ff., 46. 17  Während die erste den Sachverhalt betreffende Entscheidung des BGH dazu keine Informationen enthielt, lässt sich der Folgeentscheidung (BGH NZG 2013, 466) entnehmen, dass das Vermögen des Vereins „im Wesentlichen aus dem Grundstück“ bestehe. 18  Vgl. einstweilen nur Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 40. 19  Dass dies nicht zwingend so gesehen werden muss, zeigt sich z. B. an einer Stellungnahme zur GmbH-rechtlichen Parallelproblematik: s. Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 16 

A.  Einführung in den Untersuchungsgegenstand

37

Damit verlagert sich das Interesse auf die Ansicht, der Vereinsvorstand müsse bei Maßnahmen von „essentieller Bedeutung“ eine Entscheidung der Mitgliederversammlung einholen. Eine nähere Begründung hierzu wird zwar nicht gegeben, doch ist eine Anlehnung an aktienrechtliche Vorstellungen wohl nicht beabsichtigt. Näher scheint vielmehr der Rückgriff auf Überlegungen zu liegen, wie sie verbreitet auch für das GmbH-Recht angestellt werden.20 Die Zuständigkeitsordnung des GmbH-Rechts ist durch die starke Rolle der Gesellschafterversammlung geprägt. Zwar obliegt dem Geschäftsführer grundsätzlich die Aufgabe, die Geschäfte der Gesellschaft zu führen. Es steht der Gesellschafterversammlung aber frei, Sachentscheidungen im gesamten Bereich der Geschäftsführung bis hin zu den alltäglichen Angelegenheiten an sich zu ziehen und dem Geschäftsführungsorgan bindende Weisungen zu erteilen (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Die Bezüge zu der hier verfolgten Fragestellung ergeben sich daraus, dass nach der Rechtsprechung und auch nach der ganz überwiegenden Ansicht in der Literatur die autonomen Handlungsbefugnisse der Geschäftsführung auch unabhängig von gesellschaftsvertraglichen Grenzen und konkreten Weisungsbeschlüssen ungeschriebenen Einschränkungen unterliegen.21 Dabei besteht Einigkeit darüber, dass bestimmte, besonders herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen der originären Zuständigkeit des Geschäftsführers insoweit entzogen sind, als er sie nicht vornehmen darf, ohne sie der Gesellschafterversammlung zuvor zur Entscheidung vorgelegt zu haben. Im Detail sind allerdings viele Fragen umstritten. Dies beginnt mit dem zutreffenden sachlichen Zuschnitt der Kompetenzbeschränkung und führt über ihre rechtstechnische Ausgestaltung bis hin zu ihrer normativen Begründung.22 An dieser Stelle genügt zunächst einmal die Einsicht, dass sich unbeschadet der abweichenden Realtypik die Grundlagen der Zuständigkeitsordnung im GmbH- und Vereinsrecht jedenfalls nach der gesetzlichen Ausgangslage soweit gleichen, dass man eine Diskussion um die Begrenzung der originären Geschäftsführungsbefugnisse, wie sie für das GmbH-Recht geführt wird, auch für das Vereinsrecht erwarten würde. Doch klafft an dieser Stelle in der vereinsrechtlichen Literatur noch eine große Lücke. Die Fragestellung ist, von einzelnen Stellungnahmen abgesehen, bislang schlichtweg fast ganz übersehen worden.23 Es zeigt sich also: Schon die etwas eingehendere Befassung mit einer recht einfach gelagerten Sachverhaltsgestaltung führt zügig an die Grenzen dessen, was im Hinblick auf die vereinsinterne Zuständigkeitsverteilung als gesicherter Er1287 ff., der sich für einen Transfer der Holzmüller-Doktrin in das GmbH-Recht ausspricht, der transferierten Doktrin dort aber ein größeres Anwendungsgebiet einräumen möchte. 20  Etwas deutlicher Grunewald, ZIP 1989, 962, 965. 21  Für die Aufbereitung des Meinungsspektrums siehe unten, § 6 D.III. 22  Vgl. auch insoweit näher unten, § 6 D.I.3. u. 4. 23  Eine etwas eingehendere Diskussion findet sich, soweit ersichtlich, bislang nur bei Segna, Vorstandskontrolle, S. 131 ff. sowie (speziell im Hinblick auf gruppenspezifische Maßnahmen) bei Leuschner, Konzernrecht, S. 107 ff.; s. zu diesen sowie einigen kursorischen Äußerungen näher unten, § 7 A.IV.3.

38

§ 1  Einführung und Gang der Darstellung

kenntnisstand zu gelten hat. Die vereinsinterne Zuständigkeitsordnung soll daher im Mittelpunkt der nachfolgenden Überlegungen stehen. Der inhaltliche Schwerpunkt wird dabei genau auf den beiden Begründungssträngen liegen, auf die die Kritik an BGH NJW 2008, 69 gestützt worden ist. Mit dem Einschluss der Frage nach der Geltung der Holzmüller-Doktrin im Vereinsrecht geht dabei eine weitere Weichenstellung einher. Wegen der starken Fokussierung auf mediatisierende Maßnahmen hat sie ihre wesentliche Bedeutung bei Vorgängen mit Gruppenbezug. Darunter fallen solche Maßnahmen, die wie die Ausgliederung (außerhalb spezialgesetzlicher Regelungen), der Dritterwerb oder die Bargründung zur Ausbildung von Beteiligungen führen oder diese durch Kapitalerhöhungen fortbilden, ebenso wie sonstige Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung, die sich mittelbar verkürzend auf die Rechte der Mitglieder auswirken. Aus diesem Grund soll sich der Blick über den „Einheitsverein“ hinaus auch auf die Zuständigkeitsordnung bei solchen Vereine richten, die die angeführten Gruppenbezüge aufweisen. Die Untersuchung soll dabei auf solche Vereine beschränkt bleiben, die an der Spitze einer Gruppe stehen, d.h. über Tochtergesellschaften verfügen. Nicht behandelt werden Sonderprobleme des abhängigen Vereins24 und miteinander verbundener Vereine.25 Vereine in den behandelten Gruppenbezügen sind im Übrigen nicht nur im Hinblick auf einen Transfer der Holzmüller-Doktrin von besonderem Interesse. Vielmehr wird sich zeigen, dass auch dem an die traditionelle GmbH-Rechtsdoktrin angelehnten Ansatz Geltungsansprüche für die Begründung von Mitwirkungsrechten in diesem Bereich zukommen. Damit stellt sich für das Vereinsrecht die dem Aktienrecht unbekannte Frage, wie sich die beiden Ansätze zueinander verhalten. Dies ist im ­GmbH-Recht, wo sich ein paralleles Problem stellt, in vielfältiger Hinsicht umstritten.

B.  Gang der Untersuchung In einem einleitenden Abschnitt (§ 2) wendet sich die Arbeit zunächst einer Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands auf den eingetragenen Verein zu, was zugleich die Erörterung der damit im Zusammenhang stehenden Abgrenzungsfragen erforderlich macht. Im Hinblick auf den Gegenstand dieser Untersuchung, der gerade auch die Zuständigkeitsordnung des Vereins in Gruppenzusammenhängen erfasst, schließt dies auch die besonders umstrittene Frage ein, welche Auswirkungen es auf die Vereinsklassenabgrenzung hat, wenn ein Verein als Gesellschafter fungiert. Da insoweit verbreitet an die (potentiellen) Einstandspflichten angeknüpft wird, denen der Verein in Gruppensachverhalten ausgesetzt sein kann, sind auch diese Einstandspflichten in die Darstellung einzubeziehen. Im Folgen24  Spezialfragen des abhängigen Vereins behandeln z. B. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 III Rn. 10 ff.; Grunewald, in: FS Raiser, S. 99 ff.; Leuschner, Konzernrecht, Teil 3 (S. 244 ff.); Sprengel, VereinskonzernR, S. 102 ff., 161 ff., 217 ff.; kritisch zur Zulässigkeit abhängiger Vereine Reuter, npoR 2012, 101, 105 ff. 25  s. dazu monographisch Schwab, Haftung.

B.  Gang der Untersuchung

39

den nähert sich die Arbeit ihrem Untersuchungsgegenstand in einem methodischen Dreischritt, bestehend aus einer rechtshistorischen Betrachtung des Binnenorganisationsrechts des Vereins (§ 3), einem rechtstatsächlichen Abschnitt (§ 4), sowie dem Versuch, unter Rückgriff auf Aktien- und GmbH-Recht eine Art rechtsformvergleichenden Referenzrahmen zu gewinnen (§ 5 und § 6). Daran schließt sich die eingehende Analyse der vereinsrechtlichen Zuständigkeitsordnung an (§ 7). Was zunächst die rechtshistorische Betrachtung (§ 3) angeht, bildet bereits die relativ dürftige gesetzlichen Regelung der Binnenordnung des Vereins in den §§ 21 ff. BGB ein erstes Indiz dafür, dass man sich von einer Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften keine übermäßig reichen Erträge für Detailfragen der Zuständigkeitsordnung versprechen darf. Das gilt, wie die nähere Betrachtung zeigen wird, für den Einheitsverein und erst recht für den Verein in Gruppenzusammenhängen, den der historische Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt im Blickfeld hatte. Immerhin hilft die historische Betrachtung aber dabei, sich der Grundlagen zu vergewissern, die die vereinsinterne Zuständigkeitsordnung auch heute noch prägen: Latente Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung, Weisungsrecht und Überordnung gegenüber dem Vorstand sowie denkbar weite Spielräume bei der Gestaltung der Zuständigkeitsordnung durch die Satzung. Die rechtstatsächliche Untersuchung (§ 4) widmet sich mit Vereinen aus dem Bereich der höchsten deutschen Fußballligen lediglich einem relativ engen Ausschnitt des in Betracht kommenden rechtstatsächlichen Anschauungsmaterials. Mit Rücksicht darauf, dass Idealvereine, die als Konzern- oder Gruppenspitze in Erscheinung treten, schon häufiger Gegenstand näherer Darstellung gewesen sind,26 erscheint es zunächst als entbehrlich, den rechtstatsächlichen Abschnitt auf eine möglichst umfassende Übersicht über Vereine in Gruppenstrukturen auszurichten. Auch die praktische Relevanz des Untersuchungsgegenstands muss vor diesem Hintergrund nicht mehr belegt werden. Außerhalb des Gruppenkontextes ist die Bedeutung der Frage der Zuständigkeitsordnung des Vereins ohnehin evident: Sie kann grundsätzlich für jeden Verein relevant werden, wie auch das Eingangsbeispiel (oben A.) verdeutlicht. Damit besteht Raum dafür, die rechtstatsächliche Untersuchung auf einen anderen Gesichtspunkt auszurichten. Dieser ergibt sich daraus, dass das Vereinsrecht in einer ganz weitgehenden Weise für die Modifikation der Binnenorganisation durch die Satzung offen ist. Zwar kann eine Untersuchung, die darauf angelegt ist, allgemeine Erkenntnisse über die vereinsrechtliche Zuständigkeitsordnung zu gewinnen, nicht umhin, sich auf das (zwingende und dispositive) Gesetzesrecht und dessen Auslegung und Fortbildung zu konzentrieren, soll sie sich nicht von vornherein in einer Vielzahl einzelfallabhängiger Gestaltungsalternativen verlieren. Sie darf die praktisch verfügbaren Gestaltungsmöglichkeiten andererseits aber auch nicht ganz aus dem Blick verlieren, weil sich die Zuständigkeitsordnung in der Praxis eben nicht allein aus der gesetzlichen Ausgangslage (einschließlich ihrer gebotenen Fortbildung) ablesen lässt, 26  s. z. B. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 II Rn. 3 ff.; Fiedler, Konzernhaftung, S. 15 ff.; Sprengel, VereinskonzernR, S. 30 ff.

40

§ 1  Einführung und Gang der Darstellung

sondern sich regelmäßig als ein Amalgam aus individueller Satzungsgestaltung und ergänzendem bzw. begrenzendem Gesetzesrecht darstellen wird. Insoweit decken die Satzungen der näher in den Blick genommenen Vereine in exemplarischer Weise eine große Bandbreite an Gestaltungsalternativen ab. Sie reichen von eher schlichten Konstruktionen, die ähnlich wie die gesetzliche Ausgangslage viele Fragen offen lassen, bis hin zu sehr ausdifferenzierten Klauselwerken, die auch spezifisch auf den Gruppenkontext bezogene Zuständigkeitsregelungen enthalten. Zugleich hilft der Blick auf die praktische Gestaltungsvielfalt dabei, die Untersuchungsfrage weiter zu konkretisieren und aufzufächern. Im folgenden Schritt wendet sich die Arbeit zunächst der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung und speziell der Frage ungeschriebener Zuständigkeiten der Hauptversammlung zu (§ 5). Obwohl sich nicht bestreiten lässt, dass zu den aktienrechtlichen Fragen, die sich mit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin verbinden, schon reichlich Tinte geflossen ist, lässt sich eine eingehendere Befassung damit nicht vermeiden, wenn die Überlegungen zur Übertragbarkeit dieser aktienrechtlichen Doktrin in das Vereinsrecht nicht von vornherein auf unsicherem Grund stehen sollen. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei vor allem dem Bereich der sogenannten Gruppenleitungsmaßnahmen zu widmen, für die der aktienrechtliche Erkenntnisstand bislang als am wenigsten gesichert gelten muss. Bevor sich die Überlegungen wieder dem Vereinsrecht zuwenden, wird im Anschluss die Zuständigkeitsordnung GmbH-Recht einem näheren Blick zu unterziehen sein (§ 6). Dies hat seinen Sinn zunächst darin, dass hier der zweite Begründungsstrang, der neben der Holzmüller-Doktrin für die Zuständigkeitsabgrenzung im Vereinsrecht verfolgt werden soll (oben, A.), jedenfalls im Grundsatz über ein anerkanntes Anwendungsfeld verfügt. Denn für das GmbH-Recht ist nahezu unbestritten, dass es bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen von besonderer Bedeutung gibt, die der Geschäftsführer nicht ohne Mitwirkung der Gesellschafterversammlung vornehmen darf, obgleich der Gesellschaftsvertrag dazu keine Regelung enthält und die betreffende Maßnahme vom Unternehmensgegenstand gedeckt ist. Auch wenn über die Details in vielfältiger Hinsicht Streit besteht, existiert damit doch immerhin ein Fundus von Ideen, auf den für die vereinsrechtliche Diskussion zurückgegriffen werden kann. Das gilt auch ungeachtet des Umstands, dass zwischen GmbH und Verein der Realtypik nach ganz erhebliche Unterschiede bestehen – regelmäßig in viel größerem Umfang als zwischen Verein und AG. Denn in rechtlicher Hinsicht – im Hinblick auf die Grundlagen der verbandsinternen Zuständigkeitsverteilung – bestehen zwischen Verein und GmbH wesentliche Parallelen, für die im Aktienrecht keine Entsprechung existiert. Zugleich wird im GmbH-Recht auch schon in etwas größerem Umfang über die Frage diskutiert, ob dort auch die Holzmüller-Doktrin ein Anwendungsgebiet beanspruchen kann. Dies betrifft nicht nur die Frage der Abgrenzung zur Vorlagepflicht für ungewöhnliche (oder nach anderen Kriterien abzugrenzende) Geschäftsführungsmaßnahmen. Vielmehr geht es dabei auch um die vorgelagerte Frage, ob im GmbH-Recht aufgrund dessen abweichender Struktur jedenfalls auf Basis der gesetzlichen Aus-

B.  Gang der Untersuchung

41

gangslage überhaupt Raum für die Annahme eines Mediatisierungseffekts besteht, wie er im Aktienrecht die Grundlage für die Ausbildung ungeschriebener Zuständigkeiten nach auf Basis der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung darstellt. Dazu liefert die GmbH-rechtliche Literatur ein buntes Meinungsbild. Auch insoweit bereitet die Auseinandersetzung mit dem GmbH-Recht also den Grund für die zum Vereinsrecht anzustellenden Überlegungen. Auf diese Weise wird insgesamt ein ausdifferenzierter Referenzrahmen gewonnen, der eine eingehende Analyse der vereinsrechtlichen Zuständigkeitsordnung ermöglicht (§ 7).

§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze Die im Folgenden anzustellenden Überlegungen dienen in einem ersten Abschnitt der Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes auf den „eingetragenen Verein“ und den damit in Zusammenhang stehenden Abgrenzungsfragen (A.). In einem zweiten Schritt wird der Umgang mit der Abgrenzungsfrage für Vereine darzulegen sein, die als Gesellschafter einer Personengesellschaft oder als Mitglied einer Körperschaft mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb fungieren (B.). Eine Zwischenbemerkung zum weiteren Vorgehen schließt die Überlegungen ab (C.).

A.  Der eingetragene Verein I.  Zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Das Bürgerliche Gesetzbuch fasst unter den Begriff des Vereins den nichtwirtschaftlichen Verein und den wirtschaftlichen Verein. Nach der Regelungssystematik des BGB untergliedern sich beide Vereinsklassen jeweils weiter in „nicht rechtsfähige“ (§ 54 BGB) und rechtsfähige Vereine, wobei die Rechtsfähigkeit des nichtwirtschaftlichen Vereins (auch sog. Idealverein1) aus der Registereintragung resultieren soll (§ 21 BGB), die des wirtschaftlichen Vereins aus staatlicher Verleihung (§ 22 BGB).2 Die Terminologie des BGB gilt heute zwar insoweit als überholt, als auch dem „nicht rechtsfähigen“ Verein ganz verbreitet Rechtssubjektsqualität zugemessen wird.3 Das bedarf allerdings an dieser Stelle keiner Vertiefung, 1  Gelegentlich wird (sachlich zutreffend) darauf hingewiesen, der Begriff des Idealvereins sei als Synonym für den nichtwirtschaftlichen Verein eigentlich zu eng, da ein Verein im Sinne des § 21 BGB nicht nur ideelle Zwecke, sondern jeden erlaubten nichtwirtschaftlichen Zweck verfolgen könne: s. Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 19; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 107; er wird hier gleichwohl in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch in diesem synonymen Sinn verwendet. Von vornherein anders Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 106): sachliche Gleichsetzung von nichtwirtschaftlichem Verein und Verein mit ideellen Zwecken. 2  s. dazu, dass es sich bei Konzessionssystem und System der Normativbedingungen heute nicht mehr um kategoriale Gegensätze im Sinne unterschiedlicher Gründungssysteme handelt K. Schmidt, GesR, § 8 II 5 (S. 192 ff.). 3  Dies entspricht jedenfalls seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR in BGH NJW 2001, 1056 der herrschenden Meinung: vgl. MünchKomm/Arnold § 54 Rn. 17 f.; K. Schmidt, GesR § 25 II 1 (S. 736 ff.), jeweils m.w.N. Auch der Bundesgerichtshof hat sich dem angeschlossen und den nicht rechtsfähigen Verein konsequenter Weise über § 50 Abs. 2 ZPO (a.F.) hinaus auch für aktiv parteifähig erklärt: s. BGH NJW 2008, 69, 74 (anders noch BGHZ 109, 15). Der Gesetzgeber ist gefolgt und hat mit Gesetz vom 24. 09. 2009 § 50 Abs. 2 ZPO entsprechend geändert; s.a. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 16/12813, S. 15.

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weil es hier zu Zwecken der Systematisierung genügt, „nicht rechtsfähig“ i.S. des § 54 BGB bloß als terminologisches Kürzel für nicht eingetragene oder nicht konzessionierte Vereine zu verstehen.4 In diesem Sinn wird es im Folgenden verwendet. Von den aus dieser Systematik resultierenden vier Kombinationsmöglichkeiten konzentrieren sich die Ausführungen im Folgenden zur Vereinfachung auf den eingetragenen Verein. Die dabei erzielten Ergebnisse dürften aber ganz weitgehend auch auf die anderen Vereinsarten übertragbar sein: Der konzessionierte wirtschaftliche Verein folgt schon nach dem gesetzgeberischen Modell denselben allgemeinen Regeln der §§ 24 ff. BGB, die auch für den eingetragenen Verein gelten. Er ist allerdings praktisch selten,5 da die Konzession nach dem Subsidiaritätsprinzip nur dann zu erteilen ist, wenn sich der Erwerb der Rechtsfähigkeit nach Kapitalgesellschafts- oder Genossenschaftsrecht als unzumutbar darstellt.6 Für den nicht rechtsfähigen wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen Verein verweist § 54 S. 1 BGB zwar auf das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Gründe für diesen vom historischen Gesetzgeber aus politischen wie rechtspolitischen Erwägungen7 bewusst vorgenommenen Verweis auf unpassendes Recht8 sind heute aber zumindest teilweise9 überholt und werden überdies auch verbreitet als Verletzung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 9 GG gewertet.10 Abweichend von § 54 S. 1 BGB hat sich deswegen für den nichtrechtsfähigen Idealverein ein Sonderrecht entwickelt, das ergänzt um die Handelndenhaftung des § 54 S. 2 BGB ganz weitgehend auf das Recht des eingetragenen Vereins zurückgreift, soweit dieses nicht gerade die Eintragung voraussetzt.11 Dies gilt insbesondeIn diesem Sinne etwa Soergel/Hadding, § 54 Rn. 1; s.a. Schöpflin, Verein, S. 19. s. Palandt/Sprau § 22 Rn. 1. 6 s. BVerwG NJW 1979, 2265; BGHZ 85, 85, 89; MünchKomm/Reuter, §§ 21, 22 Rn. 55 ff., 74. 7  s. dazu Staudinger/Weick § 54 Rn. 2. 8  s. Motive bei Mugdan, Bd I, S. 640. 9  Differenzierend etwa K. Schmidt, GesR, § 25 II 2 a (S. 740). 10  s. nur Palandt/Ellenberger § 54 Rn. 1; Staudinger/Weick, § 54 Rn. 2; a.A. mit dem Argument, die ursprünglich bestehenden Repressionsmöglichkeiten gegenüber sozialpolitischen und religiösen Vereinen seien seit geraumer Zeit beseitigt, so dass die Eintragung heute von allen Idealvereinen in zumutbarer Weise herbeigeführt werden könne und daher die Entscheidung, eine Vereinigung als nichtrechtsfähigen Verein zu führen, auf freier Rechtsformwahl beruhe, Schöpflin, Verein, S. 117 ff.; Bamberger/Roth/Schöpflin § 54 Rn. 2 f.; ähnlich bereits Flume ZHR 148 f. (1984), 503, 508. 11  Vgl. BGHZ 50, 325, 328 f.; BGH NJW 1979, 2304, 2305; Palandt/Ellenberger § 54 Rn. 1; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 50 ff.; ders., GesR § 25 II 2 c (S. 742 f.); Backhaus, Verein, S. 20 ff., jeweils m.w.N.; nach einer neuerdings vertretenen Ansicht soll dagegen in § 54 S. 1 BGB die „hochaktuelle Überwindung des Dualismus von Gesellschaft und Körperschaft“ (infolge der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR) zum Ausdruck kommen: s. Bergmann ZGR 2005, 654 ff.; gegen eine Übersteigerung dieses Ansatzes aber mit guten Gründen MünchKomm/Arnold § 54 Rn. 6. 4 

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

re für Fragen der inneren Organisation des Vereins, wie sie in dieser Arbeit im Vordergrund stehen. Die Begründungsansätze variieren allerdings nicht unerheblich.12 Beim nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein ist die Rechtslage insgesamt noch etwas unübersichtlicher. Hier wird dem Personengesellschaftsrecht verbreitet ein größeres Anwendungsgebiet zugesprochen, wobei die Begründungsansätze wiederum stark variieren.13 So wird im Schrifttum teils davon ausgegangen, Personengesellschaftsrecht komme schlicht deswegen zur Anwendung, weil der nicht rechtsfähige wirtschaftliche Verein aufgrund eines in § 22 BGB verankerten Rechtsformzwanges eine Personengesellschaft sei.14 § 54 S. 1 BGB wäre danach für den nicht konzessionierten wirtschaftlichen Verein im Grunde überflüssig. Nach der Gegenansicht soll sich die Anwendbarkeit des Gesellschaftsrechts allein aus der Verweisung des § 54 S. 1 BGB ergeben.15 Es stellt sich dann allerdings die Folgefrage, in welchem Umfang Personengesellschaftsrecht in Bezug genommen wird. So wird etwa mit guten Gründen die Ansicht vertreten, die Verweisung des § 54 S. 1 BGB gelte nur für das Außenverhältnis, insbesondere also für die Haftungsfrage und damit die Anwendung von § 128 HGB (analog)16.17 Folgt man dem, bleibt für das Innenrecht Vereinsrecht anwendbar. Aber auch dann, wenn man die 12  Zum Teil wird gesagt, § 54 S. 1 BGB sei für den nichtrechtsfähigen Idealverein nach dem Grundsatz cessante ratione legis cessat lex ipsa außer Kraft getreten: MünchKomm/ Arnold § 54 Rn. 4. Nach anderer Ansicht soll eine berichtigende Auslegung genügen: Staudinger/Weick, § 54 Rn. 2; nach Schöpflin, Verein, S. 233 ff., 320 f. sowie Bamberger/Roth/ ders. § 54 Rn. 15 gelten die §§ 24 ff. BGB auch für den nichtrechtsfähigen Verein direkt – § 54 S. 1 BGB verweise nur insoweit auf das Gesellschaftsrecht, als das Vereinsrecht keine sachgerechte Lösung bereithielte. Flume, ZHR 148 (1984), 503, 512 ff., tendiert dazu, die Anwendbarkeit des inneren Vereinsrechts dem „recht verstandenen Willen“ der Beteiligten zu entnehmen; das stößt aber dort auf eine Grenze, wo es um zwingendes inneres Vereinsrecht geht, dessen Geltung nicht vom Mitgliederwillen abhängen kann: s. MünchKomm/Arnold § 54 Rn. 4 mit Fn. 6. 13  Vgl. zur Übersicht MünchKomm/Arnold § 54 Rn. 8 ff.; Bamberger/Roth/Schwarz/ Schöpflin § 54 Rn. 8. 14  Vgl. insoweit mit Unterschieden im einzelnen K. Schmidt, GesR, S. 734 ff.; ders., OHG, S. 229 ff. (auf den Betrieb eines Unternehmens abstellend); Nitschke, Personengesellschaft, S. 120, 122; im Ergebnis ähnlich auch Grunewald, GesR, § 9 Rn. 2; Soergel/Hadding, § 54 Rn. 3; Staudinger/Weick, § 54 Rn. 29. 15  s. MünchKomm/Arnold, § 54 Rn. 13 ff.; Schöpflin, Verein, S. 193 ff.; Wiedemann, GesR I, § 2 I 1b) aa), S. 94. 16  Soweit § 54 S. 1 BGB auf das Recht der GbR verweist, gilt für die Haftung der Gesellschafter im Außenverhältnis nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich § 128 HGB analog: BGHZ 146, 341; MünchKomm/Ulmer/Schäfer § 714 Rn. 5. Versteht man § 54 S. 1 BGB darüber hinaus nicht isoliert als Verweis auf die §§ 705 ff. BGB (vgl. Schöpflin, Verein, S. 77 ff.; Bamberger/Roth/ders. § 54 Rn. 17), sondern auf das Personengesellschaftsrecht insgesamt, nimmt die Vorschrift § 128 HGB zudem auch unmittelbar in Bezug, soweit der Verein ein Handelsgewerbe im Sinne von § 1 Abs. 1 HGB betreibt. 17  So etwa mit Unterschieden im Einzelnen z. B. Schöpflin, Verein, S. 194 ff.; Stoll, Reichsgericht Festgabe II, S. 49, 71 f.; Wiedemann, GesR I, § 2 I 1 b aa (S. 93 f.).

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betreffende Organisation als Gesellschaft (GbR oder OHG) ansehen möchte, müssen vereinsrechtliche Grundsätze zumindest auch insoweit zur Anwendung gelangen, als dies durch die dann wohl konsequenterweise als Gesellschaftsvertrag zu bezeichnende Satzung im Rahmen des dispositiven OHG-Rechts vorgegeben wird.18 Soweit nach den vorstehenden Grundsätzen jedenfalls im Ergebnis Vereinsrecht zur Anwendung gelangt, dürften die in dieser Arbeit für das Recht des eingetragenen Vereins gewonnenen Erkenntnisse auf die anderen Vereinstypen zu übertragen sein. Von den damit einhergehenden Einzelfragen wie von den weiteren Details der angesprochenen Probleme aus dem Recht des nicht rechtsfähigen Vereins soll die Beschränkung auf den eingetragenen Verein die Arbeit jedoch entlasten.

II.  Die Abgrenzung der Vereinsklassen Die Abgrenzung zwischen dem rechtsfähigen (eingetragenen oder konzessionierten) Verein und nicht rechtsfähigen Vereinen bedarf offensichtlich keiner besonderen Anstrengung.19 Das eigentliche Problem liegt in der Abgrenzung von Vereinen im Sinne des § 21 und des § 22 BGB, also in der Unterscheidung von wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem Verein. 1.  Bedeutung der Abgrenzung Dabei entscheidet die Differenzierung vor der Eintragung über die Eintragungsfähigkeit des Vereins. Nach erfolgter Eintragung geht es um die Frage, ob der Verein von Amts wegen aus dem Register gelöscht werden kann (§ 395 FamFG).20 Dagegen geht es dann nicht mehr darum, ob der für nicht rechtsfähige wirtschaftliche Vereine geltende Normensatz zur Anwendung gelangt, was sich namentlich auf die persönliche Haftung der Vereinsmitglieder auswirken würde. Vielmehr kann der Verein erst dann nach den Regeln für nicht rechtsfähige wirtschaftliche Vereine behandelt werden, wenn die Löschung nach § 395 FamFG erfolgt ist.21 Auch eine Durchgriffshaftung lässt sich unter dem Gesichtspunkt der Rechtsformverfehlung nicht begründen.22 Schöpflin, Verein, S. 233. Gleiches gilt natürlich auch für die hier nicht weiter zu verfolgende Abgrenzung von konzessioniertem und nicht konzessioniertem wirtschaftlichen Verein. 20 Seit dem am 30.  09. 2009 in Kraft getretenen Vereinsrechtsänderungsgesetz sind Rechtsformverfehlungen durch eingetragene Vereine nicht mehr von § 43 BGB erfasst, dessen Abs. 2 nach alter Fassung die Möglichkeit des Entzugs der Rechtsfähigkeit vorsah. Die damit verbundenen Streitigkeiten entfallen; s.a. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 16/12813, S. 19, 21 f., sowie Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13542 S. 14; MünchKomm/Arnold §§ 43, 44 Rn. 2; Terner, DNotZ 2010, 5, 13. 21  s. BGHZ 175, 12 Tz. 19 (noch zu §§ 159, 142 FGG, § 43 Abs. 2 BGB). 22  s. BGHZ 175, 12 Tz. 17 ff.; im Hinblick auf die Begründung kritisch Reuter, NZG 2008, 650 ff. 18 s. 19 

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

2.  Methoden der Abgrenzung Die durch von §§ 21, 22 BGB vorausgesetzte Abgrenzung von wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Vereinen hat Rechtsprechung und Literatur seit dem Inkrafttreten des BGB vor erhebliche Probleme gestellt,23 was nicht zuletzt auf die mangelnde Klarheit und konzeptionelle Konsequenz des gesetzgeberischen Ansatzes zurückzuführen ist.24 Inzwischen kann aber zumindest das Meinungsspektrum zur Methode der Abgrenzung als weitgehend konsolidiert gelten. In Teilbereichen verbleiben gleichwohl immer noch erhebliche Unsicherheiten. a)  Begrifflich orientierte Abgrenzungsansätze Die Abgrenzungsbemühungen in Rechtsprechung und Literatur waren zunächst in erster Linie begrifflich orientiert. Zu unterscheiden waren eine subjektive, eine objektive und eine „gemischte“ Theorie,25 auch wenn eine Zuordnung einzelner Autoren innerhalb dieses Spektrums häufig zweifelhaft blieb.26 Sowohl der subjektive als auch der objektive Ansatz ist mit Problemen verbunden. Setzt man subjektiv an und versteht unter dem Zweck des Vereins allein das verfolgte Endziel, lässt sich jede noch so umfangreiche wirtschaftliche Betätigung mit der Rechtsform des eingetragenen Vereins vereinbaren, wenn nur die Erträge zugunsten eines nichtwirtschaftlichen Endziels verwendet werden.27 Umgekehrt erweist sich dann aber auch die Verfolgung eines wirtschaftlichen Endziels, etwa durch einen Wirtschaftsverband, als eintragungsschädlich, selbst wenn dieser in keiner Weise über einen eigenen Geschäftsbetrieb verfügt. Im Gegensatz dazu stellte die objektiv ansetzende Gegenposition auf die konkrete Tätigkeit des Vereins ab.28 Statt als Motiv oder Endziel wird „Zweck“ im Sinne der §§ 21, 22 BGB also eher im gesellschaftsrechtlichen Sinn als „Gegenstand“ der Verbandstätigkeit begriffen.29 Dies führt zu dem Problem, dass dann u.U. schon für einen – bereits ausweislich der Materialien zum BGB als unbedenklich anzusehenden – wirtschaftlichen Nebenbetrieb kein Raum mehr bleibt.30 Den offensichtlichen Nachteilen der beiden Extrempositionen 23  s. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 4. Für eine Übersicht über den bereits im Jahr 1904 erreichten Umfang des Streitstandes vgl. Oppenheimer, Jher. Jb. 47, S. 99, 180 ff. 24  In diesem Sinne Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 103 u. f.): „nach allgemeiner Meinung […] nicht geglückt“; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 13. K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286. 25  Vgl. für eine Übersicht über die in der älteren Literatur vertretenen Ansichten Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 20 ff.; Hemmerich, Möglichkeiten, S. 39 ff.; MünchKomm/Reuter §§ 22 Rn. 5; K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286 f.; ders., Verbandszweck, S. 99 ff.; Schwierkus, Verein, S. 8 ff. 26 Vgl. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 99 f. mit Fn. 70. 27  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 20. 28 Vgl. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 100 m.w.N. 29  Vgl. dazu bereits K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286. 30 s. K. Schmidt, AcP 182, (1982), S. 1, 11; s.a. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 20; s. zum Nebenzweckprivileg noch sogleich, § 2 A.II.3.

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versuchte die bis in die 1970er Jahre hinein herrschende vermittelnde „gemischte Theorie“ zu begegnen. Sie forderte als notwendige Bedingung eines wirtschaftlichen Vereins die Existenz eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, der zudem auch noch in den Dienst eines wirtschaftlichen Hauptzwecks gestellt sein musste.31 Auch dieser Ansatz blieb mit zahlreichen Zweifelfragen verbunden. So blieb etwa unklar, ob es für die Bestimmung des „wirtschaftlichen Hauptzwecks“ auf den Endzweck im Sinne der subjektiven Theorie oder aber eine wirtschaftliche Haupttätigkeit ankommen solle.32 Einen weiteren Problemschwerpunkt bildeten daneben vor allem – auch wieder begrifflich orientierte – Fragen der Definition des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, etwa nach der Notwendigkeit der Entgeltlichkeit der angebotenen Leistungen oder der Existenz einer Gewinnerzielungsabsicht.33 Aus dieser Ausgangslage resultierte in der Praxis eine variantenreiche und in sich vielfach widersprüchliche Kasuistik,34 die dem Anspruch einer einigermaßen rechtssicheren Abgrenzung der Vereinsklassen nicht gerecht wurde.35 b)  Systematisch-teleologisch basierte Typenbildung Inzwischen ist der Versuch einer begrifflich orientierten Abgrenzung wohl fast allgemein zugunsten einer systematisch-teleologisch begründeten Typenbildung aufgegeben worden.36 Auszugehen ist dabei davon, dass § 22 BGB gerade nicht dazu dient, einen regulären Weg für die wirtschaftliche Betätigung in der Rechtsform des Vereins zu eröffnen. Vielmehr ist die Norm Ausdruck eines restriktiven Ansatzes, der darauf zielt, derartige Unternehmungen jedenfalls grundsätzlich darauf zu verweisen, sich in den Rechtsformen des Kapitalgesellschaftsrechts oder der 31  RGZ 88, 231; 133, 170; BGHZ 15, 315; 45, 395; vgl. zudem noch Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 21; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 5; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 102; ders., AcP 182 (1982), 1, 11; das mit dieser Formulierung einhergehende Bekenntnis zu einem recht großzügigen Verständnis des nichtwirtschaftlichen Vereins hat die Rechtsprechung aber jedenfalls in der Sache nach und nach schon im Rahmen der subjektiv-objektiven Theorie kassiert: vgl. MünchKomm/Reuter, §§ 21, 22 BGB Rn. 5. 32 s. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 102. 33  Vgl. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 21; s. zur Kasuistik K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286. 34  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 23; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 13 ff., 55; K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286 f.; ders., Verbandszweck, S. 102 f.; s.a. Reuter, NZG 2005, 738, 739. 35 s. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 103. 36 Grundlegend K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286 ff., 343 ff.; ders., AcP 182 (1982), 1 ff.; ders., Verbandszweck, S. 89 ff.; ders., GesR, § 23 III 2 (S. 668 ff.); s. daneben etwa noch Palandt/Ellenberger § 21 Rn. 3 ff.; Grunewald, GesR, § 8 Rn. 27; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 24 ff.; NK-BGB/Heidel/Lochner § 21 Rn. 22 ff.; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 6; Segna, Vorstandskontrolle, S. 56 f.; Staudinger/Weick § 21 Rn. 6 ff.; s.a. Erman/Westermann § 21 Rn. 4; aus der Rechtsprechung s. etwa BVerwG NJW 1979, 2261; NJW 1998, 1166; BayObLG NZG 1998, 606; KG NJW-RR 2005, 339, 340; s.a. BGHZ 85, 84, 88 f. (zum teleologischen Ansatz).

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

Genossenschaft zu verwirklichen.37 Sinn des § 22 BGB und damit der Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Vereinen ist es also, den Normativbestimmungen des Kapitalgesellschafts- und Genossenschaftsrechts „Flankenschutz“ zu gewähren.38 Damit muss die Abgrenzung von dem Schutzzweck der Normensätze des Kapitalgesellschafts- und Genossenschaftsrechts ausgehen, deren Geltungsansprüche auf diese Weise abgesichert werden sollen. Dieser Schutzweck wird in erster Linie im Verkehrsschutz (Gläubigerschutz) gesehen,39 der im Recht der Handelsvereine in der Tat weiterentwickelt ist als im BGB-Vereinsrecht,40 auch wenn man die Unterschiede und ihre praktische Bedeutung nicht überbewerten sollte.41 Nach z.T. vertretener Ansicht sind darüber hinaus noch Aspekte des Mitglieder- 42 und Sozialschutzes zu berücksichtigen.43 37  Das ist heute im Grundsatz unbestritten (vgl. die Nachweise in der vorigen Fn.); nicht einhellig beantwortet wird, ob § 22 BGB heute allein auf seine negative Aussage zu reduzieren ist, m.a.W. überhaupt keine Konzessionen mehr ausgesprochen werden sollten (so tendenziell K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 287; ausdrücklich für Abschaffung der Konzessionserteilungsmöglichkeit dann ders., BB 1974, 254, 255 f.), oder ob die Möglichkeit der Konzessionserteilung in den vom historischen Gesetzgeber avisierten atypischen Konstellationen nach wie vor ihren guten Sinn hat: so z. B. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 54. 38  s. BVerwG NJW 1979, 2261, 2262 f.; NJW 1998, 1166; BGHZ 85, 84, 88 f. (ADAC); Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 5; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 6; K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 288; ders., AcP 182 (1982), 1, 12; ders., Verbandszweck, S. 90; Staudinger/ Weick § 21 Rn. 4. 39  s. (teils mit auf den Gläubigerschutz beschränkt, teils umfassender ansetzend) z. B. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 5; K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 288; ders., AcP 182 (1982), 1, 13 f.; ders., Verbandszweck, S. 92 ff.; s.a. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 6 ff.; aus der Rspr. s. BVerwG NJW 1979, 2261, 2264; NJW 1998, 1166; BGHZ 85, 84, 88 f. (ADAC). 40  Lit. und Rspr. verweisen auf eine Reihe verschiedener Gesichtspunkte, so etwa auf die zwingenden Vorschriften über die Mindestkapitalausstattung, auf weitergehende Bilanzierungs-, Publizitäts- und Prüfungspflichten, auf die unbeschränkbare organschaftliche Vertretungsmacht und die Strafbewehrung der Insolvenzantragspflicht: vgl. etwa BGHZ 85, 84, 88 f.; BVerwG NJW 1998, 1166; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 5; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 92 ff.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 59 ff. – Dazu ist (ergänzend) zu sagen: Die Bezugnahme auf die zwingende Mindestkapitalausstattung als Abgrenzungselement hat nach der Einführung der UG an Bedeutung verloren und ist insoweit um den Hinweis auf die Pflicht zur Rücklagenbildung nach § 5a GmbHG zu ergänzen. Nach wie vor fehlt es an der Strafbewehrung der Insolvenzantragspflicht, obwohl die rechtsformneutral formulierende Vorschrift des § 15a Abs. 1, 4, 5 InsO, die 2008 mit dem MoMiG in Kraft getreten ist, ihrem Wortlaut nach gerade das Gegenteil zu besagen scheint; doch hält der Gesetzgeber § 42 Abs. 2 BGB offenbar für eine vorrangige Sonderregelung: s. BT-Drucks. 16/6140 S. 55; vgl. auch Brand/Reschke, NJW 2009, 2343 ff.; vgl. zu den Differenzen im Bereich der zivilrechtlichen Organhaftung (§ 42 Abs. 2 BGB einerseits und §§ 64 S. 1 GmbHG, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG i.V.m. 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 GenG i.V.m. 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG andererseits) auch noch BGH NZG 2010, 711. 41  Vgl. näher Reuter, Non Profit Law Yearbook 2007 (2008), 63, 75 f. 42  K. Schmidt als Begründer der typologischen Abgrenzung plädiert hinsichtlich des Mitgliederschutzes für eine „Typenverfeinerung“ über die Fortentwicklung des Vereinsrechts

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Die Beantwortung der Frage, welche Vereinigungen genau denn nun zwingend dem Anwendungsbereich der Vorschriften des Handelsvereinsrechts zugeführt werden sollen, wird dadurch erschwert, dass namentlich Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundsätzlich zu jedem erlaubten Zweck – unter Einschluss nichtwirtschaftlicher Zwecke – errichtet werden können.44 Der zwingende Anwendungsbereich des Handelsvereinsrechts kann daher sinnvollerweise nicht mit dem möglichen Anwendungsbereich identifiziert werden. Die daraus resultierende Abgrenzungsaufgabe bewältigt die inzwischen ganz h.M. im Anschluss an K. Schmidt unter Rückgriff auf drei Grundtypen des wirtschaftlichen Vereins: Den Volltypus des unternehmerisch tätigen Vereins, der planmäßig und auf Dauer entgeltliche Leistungen an einem äußeren Markt anbietet,45 den Verein, der sich unter ansonsten gleichen Bedingungen an einen inneren (d.h. aus den Mitgliedern bestehenden) Markt wendet, sowie den Vereinstypus der genossenschaftlichen Kooperation.46 Gelegentlich wird in der Literatur dafür plädiert, diese Fallgruppen zu erweitern, was unmittelbar mit der Diskussion um die zutreffende Bestimmung des Schutzzwecks in Verbindung steht. Darauf wird noch näher im Zusammenhang mit der Frage zurückzukommen sein, inwieweit es für einen Verein eintragungsschädlich ist, wenn er als Gesellschafter in Erscheinung tritt.47 43

3.  Das Nebenzweckprivileg Die Vereinsklassenabgrenzung hat mit der Zuordnung einer Tätigkeit zu einem der genannten Wirtschaftsvereinstypen noch nicht ihr Bewenden hat. Das Instru-

statt für Rechtsformzwang: s. K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 14 f.; ders., Verbandszweck, S. 98 f.; für Einbeziehung des Gesichtspunkts des Mitgliederschutzes in die Vereinsklassenabgrenzung aber etwa Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 7; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 34 ff.; Lettl, Wertrecht, S. 71; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 13 ff.; Schwierkus, Verein, S. 89 ff.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 62 ff.; aus der Rechtsprechung s. BVerwG NJW 1979, 2261, 2264; dagegen nennt BVerwG NJW 1998, 1166 als Schutzzweck allein die Sicherheit des Rechtsverkehrs unter Hervorhebung des Gläubigerschutzes; ebenso auch BGHZ 85, 84, 88 f. (ADAC). 43  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 7; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 17 f. 44 s. K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 288; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 6. 45 Bei K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 345 ff., wird diese zweite Konstellation noch als schlichter Unterfall des genossenschaftlichen Vereinstyps (Konstellation Nr. 3) aufgeführt, später dann aber zu einer eigenständigen Fallgruppe aufgewertet: s. ders., Verbandszweck, S. 106. 46 s. K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 290 ff., 343 ff.; ders., AcP 182 (1982), 1, 16 ff.; ders., Verbandszweck, S. 104 ff.; vgl. daneben etwa noch Palandt/Ellenberger § 21 Rn. 3 ff.; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 24 ff.; NK-BGB/Heidel/Lochner, § 21 Rn. 23 ff.; Münchkomm/ Reuter §§ 21, 22 Rn. 7 ff.; Staudinger/Weick § 21 Rn. 7; Erman/Westermann § 21 Rn. 4. 47  s. u. B.IV.

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

ment der nachgeordneten Korrektur ist das sog. Nebenzweckprivileg,48 von dem gelegentlich auch als Nebentätigkeitsprivileg die Rede ist.49 a) Grundlagen Dass eine Nachjustierung der Ergebnisse der Vereinsklassenabgrenzung anhand des Nebenzweckprivilegs vorzunehmen ist, wird heute im Grundsatz nicht mehr bestritten.50 Schon aus den Materialien wird deutlich, dass der Gesetzgeber einen wirtschaftlichen Nebenbetrieb nicht als eintragungsschädlich ansehen wollte.51 Dem ist die Rechtsprechung seit jeher gefolgt.52 Gesetzgeber und Rechtsprechung haben damit eine Praxis sanktioniert, die seit jeher durch eine unüberschaubare Vielzahl von Vereinen gekennzeichnet ist, die der Allgemeinheit oder zumindest ihren Mitgliedern in der einen oder anderen Form planmäßig und dauerhaft entgeltliche Leistungen anbieten, wenn auch häufig nur in geringem Umfang.53 Auch mit Rücksicht auf die Rechtswirklichkeit wird man daher also auf das Nebenzweckprivileg kaum verzichten können.54 Es bereitet allerdings nach wie vor Schwierigkeiten, das Nebenzweckprivileg überzeugend in die Dogmatik der

48  s. etwa Palandt/Ellenberger § 21 Rn. 7; Grunewald, GesR, § 8 Rn. 27; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 33 ff.; NK-BGB/Heidel/Lochner § 21 Rn. 32 f.; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 8, 19 ff.; K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 350 ff.; ders., Verbandszweck, S. 109 ff., 183 ff.; ders., GesR, § 23 III 3 d (S. 674 f.); Staudinger/Weick § 21 Rn. 12 ff. Erman/Westermann § 21 Rn. 3. 49  Letzteres verdeutlicht besser, dass es in Abkehr von der subjektiven Theorie maßgeblich auf die konkret ausgeübte Tätigkeit, nicht das letztlich verfolgte Ziel ankommt; vgl. Hemmerich, Möglichkeiten, S. 78; dem folgend K. Schmidt, Verbandszweck, S. 110; daneben z. B. Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 25; Reichert, VereinsR, Rn. 160 ff.; Sprengel, VereinskonzernR, S. 50; Terner, DNotZ 2011, 636. 50  s. die Nachweise in den vorigen beiden Fn.; generell ablehnende Stellungnahmen finden sich gelegentlich in der älteren Lit.: s. etwa Nitschke, Personengesellschaft, S. 124 ff.; Sack, ZGR 1974, 179, 194; vgl. dazu auch noch K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 19; ders., Verbandszweck, 110. 51  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 604: „Dagegen könne die Eintragung in das Vereinsregister auch ein solcher Verein erlangen, der neben seinen idealen Hauptzwecken einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betreibe, um sich hierdurch die zur Erreichung jener Zwecke erforderlichen Mittel zu verschaffen.“ 52  s. etwa RGZ 83, 231, 237; 170, 176 f; 154, 343, 354; BGHZ 15, 315, 319 f; BGHZ 85, 84, 93; BGHZ 175, 12 Tz. 17 ff. 53  Dies gilt insbesondere dann, wenn auch Vereinsbeiträge als Entgelt für Leistungen des Vereins gegenüber dem Mitglied in Betracht gezogen werden: so etwa K. Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 349; ders., Verbandszweck, S. 106, 145 f.; dem folgend Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 28. 54 Berücksichtigung pragmatischer Gesichtspunkte auch bei MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 21 f.; K. Schmidt, GesR, § 23 III 3 d (S. 674); Terner, DNotZ 2011, 636, 637; kritisch Sack, ZGR 1974, 179, 194.

A.  Der eingetragene Verein

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Vereinsklassenabgrenzung einzupassen.55 Das kommt nicht von ungefähr: Bewältigt man die Vereinsklassenabgrenzung wie geschildert vermittels einer teleologisch orientierten Typenbildung, bedeutet das Nebenzweckprivileg, dass die Konsequenzen dieses Ansatzes in bestimmten Fällen schlicht nicht gezogen werden. Ziel des Nebenzweckprivilegs ist es also, wie K. Schmidt dies klar zum Ausdruck gebracht hat, „eine als potentiell eintragungsschädlich erkannte Tätigkeit im Ergebnis aus der Vereinsklassenabgrenzung zu eliminieren.“56 Zutreffend weist er daher auch darauf hin, dass man sich eingestehen sollte, „dass die Anerkennung des ‚Nebenzweckprivilegs‘ unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes eine einschneidende und keineswegs unbedenkliche Inkonsequenz darstellt.“57 In der Systematik der Vereinsklassenabgrenzung stellt das Nebenzweckprivileg also einen (wenn auch als unvermeidbar angesehenen) Fremdkörper dar. b) Anwendungsfragen Die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Nebenzweck- bzw. Nebentätigkeitsprivilegs liegen in erster Linie in der Methode der Anwendung, d.h. in der Frage, nach welchen Kriterien eine grundsätzlich als eintragungsschädlich erkannte Tätigkeit für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung ausgeblendet – privilegiert – werden kann.58 Insoweit besteht heute zunächst weitgehende Einigkeit darüber, dass nicht mit absoluten quantitativen Schranken zu operieren ist.59 Entsprechende Vorschläge, die in der Literatur gelegentlich geäußert worden sind,60 haben sich auch in der Praxis nicht durchsetzen können.61 Die h.M. verfolgt demgegenüber einen relativen Ansatz, der in einem ersten Schritt danach fragt, ob die wirtschaftliche Betätigung im Verhältnis zur nichtwirtschaftlichen Betätigung nur eine Nebentätigkeit darstellt, die nicht das Ge-

Vgl. dazu K. Schmidt, Verbandszweck, S. 109 ff., 183 f.; Staudinger/Weick § 21 Rn. 14. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 183; s.a. S. 109 ff. 57  K. Schmidt, Rpfleger 1972, S. 286, 350. 58  Vgl. zusammenfassend K. Schmidt, GesR, § 23 III 3 d (S. 674 f.). 59  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 36; Henze, Non Profit Law Yearbook 2004 (2005), S. 17, 32; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 24; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 187; ders., AcP 182 (1982), 1, 27 ff.; ders., GesR, § 23 III 3 d (S. 674 f.); Segna, NZG 2002, 1048, 1050; ders., Vorstandskontrolle, S. 59. 60 Vgl. zu Objektivierungsversuchen (mit Unterschieden im Einzelnen) Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 24 f. (nur absolut und objektiv geringfügiger Geschäftsbetrieb); Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 134 ff.; Sack, ZGR 1974, 179, 193 ff. (maximal minderkaufmännischer Zuschnitt i.S.d. § 4 HGB a.F.); Knauth, Rechtsformverfehlung, S. 76 ff. (überwiegender Teil der Gesamteinnahmen muss für die Verfolgung idealer Zwecke verwendet werden); differenzierend u. orientiert an einer Reihe unterschiedlicher Einzelvorschriften Schwierkus, Verein, S. 240 ff.; vgl. näher zu diesen Ansätzen K. Schmidt, Verbandszweck, S. 184 ff. 61  s. BGHZ 85, 84, 93 (ADAC). 55 

56 s.

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

präge des Vereins bestimmt.62 Ob die wirtschaftliche Betätigung noch weitergehende Voraussetzungen erfüllen muss, wird aber nicht einheitlich beurteilt. Nach überwiegender Ansicht soll es zusätzlich darauf ankommen, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Vereins funktional untergeordnet ist.63 Als unproblematisch gilt die wirtschaftliche Tätigkeit danach insbesondere, wenn sie erforderlich ist, um ein zweckentsprechendes Vereinsleben zu erhalten (Bewirtung, Information u.a.) oder wenn sie zur nichtwirtschaftlichen Gesamtzweckverfolgung (nahezu) unentbehrlich ist.64 Fehlt es dagegen an einem inhaltlichen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Nebentätigkeit und nichtwirtschaftlicher Haupttätigkeit, weil die wirtschaftliche Betätigung allein dazu dient, dem Verein die finanziellen Mittel für seine nichtwirtschaftliche Betätigung zu verschaffen, wird das Nebenzweckprivileg verbreitet als überschritten angesehen.65 Die namentlich von Reuter vertretene Gegenmeinung hält demgegenüber auch eine wirtschaftliche Betätigung ohne jeden inhaltlichen Bezug zur nichtwirtschaftlichen Vereinstätigkeit für unschädlich, sofern sie nur das Vereinsleben nicht insgesamt prägt, also Nebentätigkeit bleibt.66 Vermittelnd wird vertreten, eine wirtschaftliche Nebentätigkeit ohne inhaltlichen Bezug zur nichtwirtschaftlichen Betätigung sei jedenfalls dann zuzulassen, wenn eine Gläubigergefährdung aufgrund des relativ geringen Umfangs der Tätigkeit ausgeschlossen werden könne.67 Zu folgen ist der Ansicht Reuters. Sie hat zunächst den Vorteil für sich, dass sie sich besser mit den Äußerungen des historischen Gesetzgebers in Übereinstimmung bringen lässt, der offenbar auch die wirtschaftliche Betätigung allein zum Zweck der Beschaffung von Finanzmitteln nicht als eintragungsschädlich ansehen wollte.68 Auch wenn man eine Bemerkung in den Motiven nicht überbewerten möchte, so ist doch auch in der Sache nicht einzusehen, warum eine allein zu Finanzierungswecken ausgeübte wirtschaftliche Betätigung von vornherein nicht privilegierungsfähig sein soll, solange es sich um eine Nebentätigkeit handelt, wel62  Vgl. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 8; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 26; Segna, Vorstandskontrolle, S. 58. 63  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 36; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 189 f.; ders., GesR, § 23 III 3 d (S. 674 f.); Segna, Vorstandskontrolle, S. 58; Staudinger/Weick § 21 Rn. 14. 64  Vgl. zu beiden Fallgruppen eingehend Hemmerich, Möglichkeiten, S. 101 ff.; daneben K. Schmidt, Verbandszweck, S. 189 f.; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 36; Segna, Vorstandskontrolle, S. 58; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 32. 65  So insbesondere K. Schmidt, Verbandszweck, S. 190; s. daneben Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 36. 66  So insbesondere MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 19 ff.; Hemmerich, Möglichkeiten, S. 107 will einen rein ökonomischen Funktionszusammenhang unter der Voraussetzung hinreichen lassen, dass Gläubigerinteressen weder bei abstrakter noch konkreter Betrachtungsweise ernsthaft beeinträchtigt werden können; ähnlich auch Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 34 ff. 67  Hemmerich, Möglichkeiten, S. 107; ähnlich auch Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 34 ff. 68  Vgl. Motive bei Mugdan, Bd. I, S. 604.

B.  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

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che die Vereinstätigkeit insgesamt nicht dominiert. Auch unter Gläubigerschutzgesichtspunkten wirft sie keine weitergehenden Probleme als ein reiner Zweckverwirklichungsbetrieb auf.69

B.  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze Der eingetragene Verein in „Gruppenzusammenhängen“ wirft zahlreiche Sonderfragen auf, von denen es im Folgenden nur um solche gehen soll, die den Verein als Gruppenspitze betreffen. Auch insoweit beschränken sich die Überlegungen an dieser Stelle auf einen Ausschnitt. Neben einer begrifflichen Klärung (I.) und einer Stellungnahme zur grundsätzlichen Möglichkeit des Beteiligungserwerbs (II.) gilt das Hauptinteresse den Wechselwirkungen zwischen Gesellschafterstellung und Vereinsklassenabgrenzung (IV.). Die Diskussion in der Literatur knüpft insoweit allerdings in vielfältiger Weise an die (potentiellen) Einstandspflichten des Vereins gegenüber der Tochtergesellschaft bzw. ihren Gläubigern sowie an konzernrechtliche Überlegungen an, so dass insoweit zunächst eine Vorklärung vorzunehmen sein wird (III.).

I.  Begriffliches: Vereinsgruppe und Vereinskonzern Soweit es in dieser Arbeit neben der Zuständigkeitsordnung im „Einheitsverein“70 auch um die Zuständigkeitsordnung im Verein an der Spitze einer „Gruppe“ geht,71 soll damit der Begriff des Vereinskonzerns vermieden werden, weil sich damit die Perspektive unnötig verengt. So liegt ein Vereinskonzern im technischen Sinne der §§ 15 ff. AktG nur dann vor, wenn es sich bei dem Verein (1.) um ein Unternehmen im Sinne des Konzernrechts handelt und (2.) die von § 18 AktG vorausgesetzte einheitliche Leitung vorliegt. Selbst wenn man dem Umstand Rechnung trägt, dass die letztgenannte Voraussetzung nicht immer ganz strikt gehandhabt wird, wenn von „Konzernen“ oder dem „Konzernrecht“ gesprochen wird,72 bleibt immer noch die Bindung an den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff. Ob man nun aber technisch genau ansetzt oder einen etwas loseren Sprachgebrauch verfolgt, 69 

741.

Vgl. in diesem Sinne MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 19 f.; ders., NZG 2005, 738,

70  Die Terminologie schließt insoweit an den Begriff der „Einheitsgesellschaft“ in Abgrenzung zu verbundenen Gesellschaften an (vgl. in diesem Sinne z. B. MünchKommAktG/ Altmeppen, Einleitung KonzernR Rn. 22), und nicht etwa an die als Einheitsgesellschaft bezeichnete Sonderform der GmbH & Co. KG. 71 Insoweit unter Anlehnung z. B. an Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996. 72  Z. B. werden die §§ 311 ff. AktG verbreitet als das Recht des faktischen Konzerns angesprochen, obgleich die betreffenden Regelungen nicht an den Konzerntatbestand anknüpfen, sondern bereits einfache Abhängigkeit genügen lassen: s. etwa Schatz/Schödel, in: Heidel, Aktienrecht, § 311 Rn. 1.

§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

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bleibt festzuhalten: Die vorgenannten konzernspezifischen Gesichtspunkte haben für die in dieser Arbeit behandelten Fragen keine besondere Bedeutung. Es geht vorliegend um Fragen der vereinsinternen Zuständigkeitsabgrenzung, die völlig unabhängig davon auftreten, ob der Verein an der Gruppenspitze noch über anderweitige unternehmerische Interessenbindungen verfügt und ob diese unter seiner einheitlichen Leitung zusammengefasst sind. Sie stellen sich z. B. auch dann, wenn der Verein ausschließlich nichtwirtschaftlich tätig ist und Teile dieser Tätigkeit auf eine Tochtergesellschaft in der Rechtsform der GmbH auslagern möchte. Daher wird auch das Instrumentarium zur Bewältigung dieser Zuständigkeitsfragen nicht aus Perspektive des Konzernrechts, sondern mit den Mitteln des allgemeinen Gesellschaftsrechts zu entwickeln sein. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass nachfolgend in Randbereichen der Untersuchung nicht auch Fragen zu behandeln sind, die einen spezifisch konzernrechtlichen Charakter haben, z. B. wenn die analoge Anwendbarkeit einzelner Regelungen des Aktienkonzernrechts auf den eingetragenen Verein in Frage steht.

II.  Die Befähigung des eingetragenen Vereins zum Beteiligungserwerb Der eingetragene Verein kann im Grundsatz wie jede andere Person auch als Gesellschafter einer Personengesellschaft oder Mitglied einer Körperschaft in Erscheinung treten. Dies umfasst auch die Gründung bzw. den Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Seit dem Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes 1994 findet sich für diese These auch ein gesetzlicher Anhaltspunkt.73 Denn nach dem UmwG 1994 gehört auch der eingetragene Verein zu den spaltungsfähigen Rechtsträgern (§§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. Nr. 4, 149 Abs. 1 UmwG). Eingetragene Vereine können daher nach der Konzeption des UmwG also auch im Wege der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG Vermögen zur Aufnahme oder zur Neugründung auf andere Rechtsträger unter Einschluss von Kapitalgesellschaften gegen Gewährung von Anteilen an diesen Rechtsträgern übertragen. Das Umwandlungsgesetz setzt also zwanglos voraus, dass eingetragene Vereine im Prinzip auch als Gesellschafter fungieren können. Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, ob der eingetragene Verein auch schrankenlos als Gesellschafter auftreten kann oder ob insoweit besondere rechtsformspezifische Schranken zu berücksichtigen sind, die sich aus den §§ 21, 22 BGB ergeben. Die Antwort auf diese Frage wird auch durch die geschilderte Neuregelung des Umwandlungsrechts nicht unmittelbar präjudiziert.74 Auf sie wird Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 668; Segna, ZIP 1997,1901, 1907. Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 668 ff.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1907. Einige Äußerungen in den Gesetzgebungsmaterialien deuten allerdings darauf hin, dass der Gesetzgeber eine Sichtweise zugrunde gelegt hat, die auf der gleichen Linie wie das ADAC-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHZ 85, 84) liegt, das zur mittelbaren wirtschaftlichen Betätigung des Vereins über Tochtergesellschaften einen großzügigen Standpunkt eingenommen hat 73 Vgl. 74 s.

B.  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

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nach einem näheren Blick auf die möglichen Einstandspflichten des Vereins in Gruppensachverhalten zurückzukommen sein.

III.  Besondere (potentielle) Einstandspflichten des Vereins in Gruppensachverhalten Besondere Einstandspflichten können den Verein als Gesellschafter unter allgemein-gesellschaftsrechtlichen75 ebenso wie unter spezifisch konzernrechtlichen Gesichtspunkten treffen. Dieses Geflecht möglicher Einstandspflichten ist – unabhängig davon, ob sie als Innen- oder Außenhaftung ausgestaltet sind – mittelbar auch für die Frage von Bedeutung, ob und wie sich das Halten von Gesellschaftsbeteiligungen auf die Vereinsklassenabgrenzung auswirkt und soll deswegen näher betrachtet werden. Mit den Einstandspflichten des Vereins als Gesellschafter oder Mitglied einer Körperschaft nicht zu verwechseln ist die Frage, ob auch die Vereinsmitglieder in Gruppensachverhalten besondere Einstandspflichten treffen können. Sie wird hier nicht näher behandelt.76 Für die Frage, welche besonderen gruppenbezogenen Einstandspflichten den Verein als Mitglied eines Verbandes treffen können, ist im Ausgangspunkt an die allgemeinen Vorschriften und Institute des Gesellschaftsrechts anzuknüpfen. Daran anschließend ist jeweils die Frage zu stellen, ob für den eingetragenen Verein Besonderheiten zu berücksichtigen sind. 1. Durchgriffshaftung Die Gesellschaftsrechtsdoktrin bemüht sich seit langem um die Herausarbeitung von Tatbeständen, die unter bestimmten Umständen einen haftungsrechtli(s. zu diesem Urteil noch sogleich noch näher im Text). Die entsprechende Passage der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/6699, S. 73 f.) lautet: „Schließlich hat sich ein Bedürfnis für eine Umwandlung auch bei Idealvereinen gezeigt. Dies gilt in besonderem Maße für solche Vereine, die sich im Laufe der Zeit zu einem wirtschaftlichen Verein entwickelt haben, die sich teilen oder eine nach wirtschaftlichen Grundsätzen betriebene Abteilung ausgliedern möchten, wie dies in der Öffentlichkeit z. B. für die Lizenzspielerabteilung eines Fußballvereins nach ausländischen Vorbildern immer häufiger erörtert und verlangt wird.“ Dies impliziert, dass sich die Qualifikation als wirtschaftlicher Verein grundsätzlich auch durch Ausgliederung beseitigen lässt, was umgekehrt bedeutet, dass die Zurechnung der wirtschaftlichen Betätigung der ausgegliederten Tochter kein Automatismus sein kann. Relativierend Segna, ZIP 1997, 1901, 1907 mit Hinweis darauf, an anderer Stelle (nämlich BT-Drucks. 12/6699, S. 116) sei im Zusammenhang mit der Abtrennung von Berufsportabteilungen nur noch von der Abspaltung die Rede, bei der das Problem der Beteiligung nicht auftrete; doch gibt die angesprochene Passage für eine solche Relativierung ihrem Kontext nach kaum etwas her, weil es dort von vornherein nur um die Auf- und Abspaltung und den Kreis der dazu zugelassenen Rechtsträger geht. Die Nichterwähnung der Ausgliederung in diesem Zusammenhang lässt daher keine weitergehenden Schlussfolgerungen zu. 75  Mitbezeichnet soll damit (ungeachtet der Anbindung an § 826 BGB) auch der existenzvernichtende Eingriff sein, vgl. näher § 2 B.III.3. 76  Vgl. aber übersichtsweise unten § 2 B.III.5.

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

chen Zugriff auf die Mitglieder eines Verbandes eröffnen, deren Haftung für dessen Verbindlichkeiten nicht schon generell angeordnet ist.77 Der damit verbundene Fragenkomplex ist weder auf der Tatbestandsseite vollständig ausdiskutiert, noch besteht Einigkeit darüber, ob es anstelle einer Durchgriffshaftung, die herkömmlich als Außenhaftung verstanden wird, nicht vorzugswürdig wäre, die Verantwortung der Gesellschafter rechtskonstruktiv in Form einer Binnenhaftung gegenüber der juristischen Person durchzuführen.78 Für die Zwecke dieser Arbeit genügt es aber, den Stand der Entwicklung wie folgt festzuhalten: a)  Tatbestandliche Ausgestaltung Was die Tatbestandsseite angeht, haben vor allem die Fallgruppen der Vermögensvermischung, der materiellen Unterkapitalisierung und der Beherrschung bzw. Fremdsteuerung besondere Aufmerksamkeit erfahren,79 jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. aa) Vermögensvermischung Die Fallgruppe der Vermögensvermischung dürfte als etabliert gelten.80 Sie wird auch vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung anerkannt.81 bb)  Materielle Unterkapitalisierung Dagegen hat die Fallgruppe der Gesellschafterhaftung bei materieller Unterkapitalisierung in der Praxis bislang keinen Anklang gefunden. Nachdem der Bundesgerichtshof die Entwicklung einer allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung in der GAMMA-Entscheidung ausdrücklich abgelehnt hat, steht auch nicht zu erwarten, dass sich daran in näherer Zukunft etwas ändert.82 Das Hauptproblem dieser Fallgruppe liegt darin, dass sie sich nicht recht in die Konzeption des geltenden Rechts einpassen lässt, das – zudem noch 77  Vgl. dazu (mit im einzelnen unterschiedlichen Ansätzen) etwa Flume, Jur. Person, § 3 III (S. 79 ff.); K. Schmidt, GesR, § 9 (S. 217 ff.); Wiedemann, WM 1975, Sonderbeil. 4, S. 17 ff.; ders., GesR I, § 4 III 1 (S. 221 ff.); ders., Unternehmensgruppe, S. 18 ff.; spezifisch zur Durchgriffshaftung im Verein Grunewald, GesR, § 8 Rn. 63 ff. 78  Vgl. für eine knappe Übersicht über das Meinungsspektrum K. Schmidt, GesR, § 9 II (S. 221 ff.). 79 s. K. Schmidt, GesR, § 9 IV 1 (S. 233); Wiedemann, GesR I, § 4 III 1 (S. 224 ff.), der auch noch den Institutsmissbrauch dazu rechnet. 80  s. etwa Grunewald, GesR, § 13 Rn. 162 ff.; K. Schmidt, GesR, § 9 IV 2 (S. 234 ff.); Wiedemann, GesR I, § 4 III 1 (S. 224); ders., ZGR 2003, 282, 288. 81  s. BGHZ 95, 330; 125, 366; BGH BB 2006, 961. 82  Ausdrücklich ablehnend BGHZ 176, 204 ff. (GAMMA) mit einer Übersicht über den Stand der Rechtsprechung, die gegen die Anerkennung einer Haftung für materielle Unterkapitalisierung sprechenden Gründe sowie die Abgrenzung zur Rechtsfigur des gestützten existenzvernichtenden Eingriffs; ablehnend auch schon BGHZ 68, 312.

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wesentlich durchbrochen durch die Vorschriften über die Unternehmergesellschaft – den Marktzutritt lediglich an die Aufbringung eines fixen Mindestkapitals knüpft, dessen Verbrauch es erlaubt, solange er sich nicht als Einlagenrückgewähr an die Gesellschafter darstellt und das den Marktaustritt erst bei Vorliegen eines Insolvenztatbestandes anordnet. In praktischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass es keine anerkannten Maßstäbe für die Bestimmung der Höhe des Eigenkapitals gibt, das für die Verfolgung eines bestimmten Zwecks als angemessen anzusehen ist.83 Das Schrifttum begegnet diesen Einwänden mit einem defensiven, weitgehend auf Extremfälle beschränkten Zuschnitt des Haftungstatbestands.84 Es bewegt sich damit in einem Bereich, der sich überwiegend bereits vermittels einer deliktischen Haftung nach § 826 BGB abdecken lassen dürfte.85 Unabhängig von der Frage der Vereinbarkeit mit den geschilderten gesetzlichen Weichenstellungen verspricht die Ausbildung einer eigenen Fallgruppe der (qualifizierten) materiellen Unterkapitalisierung vor diesem Hintergrund angesichts der damit jedenfalls verbundenen praktischen Umsetzungsschwierigkeiten86 keinen den Aufwand rechtfertigenden Ertrag. cc) Beherrschung Die Fallgruppe der Beherrschung bzw. Fremdsteuerung hat sich als eigenständige Fallgruppe der gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung nicht durchsetzen können, auch wenn die Rechtsprechung für einen gewissen Zeitraum von einem konzernrechtlichen Ausgangspunkt aus eine Tendenz in diese Richtung zu nehmen schien.87 Die Annahme eines allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Rechtsprinzips, wonach die Beherrschung einer Gesellschaft – sei es durch eine natürliche Person oder eine andere Gesellschaft – zur Durchgriffshaftung des beherrschenden Gesellschafters führt, wird durch die gesetzliche Ausgangslage im Gesellschaftsrecht auch nicht nahe gelegt.88 Der Abhängigkeitstatbestand wird nur im Aktienrecht geregelt und auch dort nicht als ein allgemeines, sondern ein konzernrechtliches 83  s. etwa K. Schmidt, GesR, § 9 IV 4 (S. 240) m.w.N.; s.a. BGHZ 176, 204, Rn. 24 (GAMMA). 84 Vgl. Grunewald, GesR, § 13 Rn. 158 m.w.N. 85  In diese Richtung auch BGHZ 176, 204 Rn. 25; ebenso Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 6; Veil, NJW 2008, 3264, 3266. 86  Die Probleme werden ansatzweise deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Begriff der Unterkapitalisierung nach gängiger Definition eine enge Verwandtschaft mit dem aus dem Eigenkapitalersatzrecht bekannten Merkmal der Kreditunwürdigkeit aufweist: vgl. K. Schmidt, GesR, § 9 IV 4 a) (S. 240); man würde damit zu Abgrenzungsproblemen zurückkehren, die der Gesetzgeber des MoMiG für den Bereich des Eigenkapitalersatzrechts durch die geschaffene Neuregelung gerade überwinden wollte: vgl. dazu Grunewald, GesR, § 10 Rn. 201 ff. 87 Vgl. K. Schmidt, GesR, § 9 IV 3 (S. 237 ff.) unter Verweis auf BGHZ 95, 330 (Autokran) und BGHZ 115, 187 (Video); dazu noch sogleich im Text. 88 s. K. Schmidt, GesR, § 9 IV 3 (S. 238 f.).

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Institut:89 Relevant ist die Abhängigkeit nur dann, wenn sie gegenüber einem Unternehmen i.S. des Konzernrechts besteht. Aber auch, soweit die Beherrschung von einem Unternehmen in diesem Sinn ausgeht, ist dies allein aus Perspektive des Aktienkonzernrechts kein Anlass für Durchgriffshaftung. Zu einem Durchgriff im technischen Sinne einer Außenhaftung kommt es grundsätzlich überhaupt erst bei der Eingliederung als der stärksten Form der Beherrschung. Aber auch dann, wenn man von der rechtstechnischen Umsetzung absieht und sich auf die Frage einer unbeschränkten Einstandspflicht für die wirtschaftlichen Risiken eines anderen Rechtsträgers konzentriert, genügt die bloße Beherrschung insoweit nicht; vielmehr greift nach den §§ 311 ff. AktG ein durch Schadensersatzpflichten abgesichertes System des Einzelausgleichs für nachteilige Einflussnahmen.90 Gewisse Tendenzen zu einer Durchgriffshaftung als Folge der Beherrschung einer Gesellschaft haben sich zeitweilig aus der Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern ergeben.91 Um eine allgemeine gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung wegen Beherrschung ging es dabei aber nicht, weil diese Rechtsprechung entsprechend ihrem konzernrechtlichen Ansatz stets forderte, dass es sich bei dem herrschenden Gesellschafter um ein Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn handelt. Zudem setzte der Tatbestand eine qualifizierte Beherrschung voraus, die über die einfache Abhängigkeit deutlich hinausging. Einschränkend ist zwar zu bemerken, dass es in der Folge der Video-Entscheidung zeitweilig so schien, als sei die qualifizierte Beherrschung mit den daraus resultierenden Haftungsfolgen jedenfalls für mehrheitsbeteiligte natürliche Personen, die zugleich als Alleingeschäftsführer ihrer GmbH fungierten, ein kaum zu vermeidender Automatismus. Doch hat der Bundesgerichtshof diese (Fehl-)Entwicklung schon mit der TBB-Entscheidung korrigiert.92 Im Übrigen hat er seine Rechtsprechung zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern in der Folge ganz aufgegeben und durch das Haftungskonzept des existenzvernichtenden Eingriffs ersetzt,93 das sich nicht sinnvoll als Ausformung einer gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung wegen Beherrschung verstehen lässt.94 Wiedemann, GesR I, § 4 III 1 c (S. 226). s. auch hierzu K. Schmidt, GesR, § 9 IV 3 b (S. 238). 91  BGHZ 95, 330 (Autokran); BGHZ 107, 7 (Tiefbau); BGHZ 115, 187 (Video); für eine übersichtsweise Darstellung dieser Rechtsprechungslinie s. MünchKommGmbHG/Liebscher (1. Aufl. 2010) Anh. KonzernR zu § 13 Rn. 486 ff.; s.a. Habersack, ZGR 2008, 533, 538 ff. 92  BGHZ 122, 123. 93  Vgl. BGHZ 149, 10 (Bremer Vulkan); BGHZ 151, 181 (KBV); BGHZ 173, 246 (Trihotel); vgl. auch dazu übersichtsweise MünchKommGmbHG/Liebscher (1. Aufl. 2010) Anh. KonzernR zu § 13 Rn. 504 ff.; Habersack, ZGR 2008, 533, 538 ff. 94 Zwar verlässt der BGH insoweit den konzernrechtlichen Ausgangspunkt und gibt damit auch die Anknüpfung an den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff auf, so dass unter diesem Gesichtspunkt nunmehr – wenn man einmal die allgemein-zivilrechtliche Aufhängung an einer deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlage ignoriert – von einem allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungskonzept gesprochen werden kann. Zugleich wird 89 Vgl.

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b)  Rechtskonstruktive Alternativen Als Alternative zur klassischen Durchgriffshaftung im Sinne einer unmittelbaren Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern wird in der neueren Literatur vielfach die Begründung einer Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft für systemgerechter gehalten.95 Auch der Wandel des Rechtsinstituts des existenzvernichtenden Eingriffs von der Außen- zur Innenhaftung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört in diesen Zusammenhang.96 Ähnliche Vorschläge finden sich für die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung97 und Vermögensvermischung.98 Die Diskussion muss hier nicht aufgegriffen werden, weil es auf die rechtskonstruktive Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung für die in dieser Arbeit verfolgten Fragen nicht weiter ankommt. c) Zwischenergebnis Von den unter dem Gesichtspunkt einer gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung diskutierten Fallgruppen spielt nur diejenige der Vermögensvermischung eine praktisch bedeutsame Rolle. Soweit danach die Anforderungen für eine Haftung erfüllt sind, gibt es keinen Grund, einen eingetragenen Verein anders zu behandeln als natürliche Personen oder sonstige Rechtsträger, die als Gesellschafter fungieren. 2.  Schadensersatzpflichten wegen Treuepflichtverletzungen; Haftung nach § 117 AktG Neben die traditionell unter dem Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung diskutierten Tatbestände treten weitere spezifisch mit der Gesellschafterstellung verbundene (potentielle) Einstandspflichten. Rechtskonstruktiv operieren sie allerdings nicht mit Durchgriffstechniken, sondern setzen unmittelbar am Innenverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft an. Sie beruhen auf der Verletzung einer aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht resultierenden Sonderverbindung99 der Haftungstatbestand aber von der Voraussetzung einer (qualifizierten oder auch nur einfach-faktischen) Beherrschung der Gesellschaft ganz gelöst und auf bestimmte schädigende Eingriffe hin verlagert. Hinzu kommt in rechtskonstruktiver Hinsicht, dass seit dem Trihotel-Urteil nicht mehr eine Durchgriffshaftung gegenüber den Gläubigern in Rede steht, sondern eine Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft. 95  Vgl. dazu insb. Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 200 ff.; daneben Grunewald, GesR, § 13 Rn. 159 ff.; K. Schmidt, GesR, § 9 II 2 (S. 224 f.); Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 31. 96  s. dazu noch sogleich, § 2 B.III.3. 97  s. z. B. Grunewald, GesR, § 13 Rn. 159 ff.; K. Schmidt, GesR, § 9 IV 4 c (S. 243) m.w.N. 98  s. z. B. Grunewald, GesR, § 13 Rn. 163 f. m.w.N. 99  Zur Haftung des Gesellschafters für Treuepflichtverletzungen in der GmbH s. BGHZ 65, 15 (ITT); daneben Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 20 ff., 30; Emmerich/ Habersack, KonzernR, § 30 Rn. 10 ff.; MünchKommGmbHG/Merkt § 13 Rn. 200 ff.; auch bereits Zöllner, Schranken, S. 431 f.

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bzw. im Falle des § 117 AktG – nach herkömmlichem Verständnis – auf der Regelung des Innenverhältnisses durch einen speziellen deliktsrechtlichen Tatbestand.100 Die praktisch vor allem für die GmbH bedeutsame mitgliedschaftliche Treuepflicht begründet ein umfassendes Verbot schädigender Einflussnahme auf die Gesellschaft, dessen Verletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz nach sich zieht. Nach ganz überwiegender Auffassung greift das Schädigungsverbot allerdings nur in der mehrgliedrigen GmbH und auch dort dann nicht, wenn alle Gesellschafter der schädigenden Maßnahme zustimmen,101 so dass dann nach gegenwärtigem Entwicklungsstand nur noch die Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB in Betracht kommt.102 Die Geltung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht hat sich mit einer gewissen Verzögerung auch für die Aktiengesellschaft durchgesetzt,103 hat dort aber schon wegen der höheren Regelungsdichte und des weitgehend zwingenden Charakters des Aktienrechts eine geringere praktische Bedeutung.104 Sie steht zudem in einem Konkurrenzverhältnis zur entwicklungsgeschichtlich älteren Haftung aus § 117 AktG und wird durch diese auch partiell überlagert.105 Sowohl die Haftung aus Treuepflichtverletzung als auch diejenige aus § 117 AktG treten im Anwendungsbereich von § 311 AktG hinter diese Vorschrift zurück, sofern ein Nachteilsausgleich erfolgt.106 Entsprechend ihrer Konzeption sind sowohl der Anspruch aus Verletzung der Treuepflicht als auch der Anspruch aus §117 AktG grundsätzlich durch die Gesellschaft selbst geltend zu machen und allenfalls ausnahmsweise durch die Gläubiger.107

100  Zur traditionellen Qualifikation von § 117 AktG als Vorschrift des Deliktsrechts s. etwa Hüffer/Koch, AktG, § 117 Rn. 2; MünchKommAktG/Spindler § 117 Rn. 4; nach BGHZ 129, 160 (Girmes) könnte die Haftung der Aktionäre nach heutigem Verständnis auch als Verletzung mitgliedschaftlicher Treuebindungen konstruiert werden; ähnlich Hüffer/Koch, AktG, § 117 Rn. 2 m.w.N.; zumindest kommt eine parallele Haftung auch aus dem Gesichtspunkt der Treuepflichtverletzung in Betracht: MünchKommAktG/Spindler § 117 Rn. 6. 101 Vgl. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 30 Rn. 10; MünchKommGmbHG/Merkt § 13 Rn. 105 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Beurskens, GmbHG, Schlussanh. KonzernR, Rn. 110 f. 102  s. dazu sogleich B.III.3. 103 Vgl. zur Treuepflicht des Aktionärs im Verhältnis zur AG bereits BGHZ 25, 38; grundlegend – das Verhältnis zu den Mitaktionären betreffend – dann BGHZ 103, 184 (Linotype); BGH NJW 1992, 3167, 3171; BGHZ 129, 136, 142 f. (Girmes); MünchKomm­ AktG/Bungeroth Vor §§ 53a ff. Rn. 18 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 53a Rn. 2, 13 ff. 104  s. MünchKommAktG/Bungeroth Vor §§ 53a ff. Rn. 31 ff., 41. 105 Vgl. zum Verhältnis von Treupflichtverletzung und § 117 AktG s. MünchKomm­ AktG/Spindler § 117 Rn. 71. 106  s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 24 Rn. 28 f. 107  Für den Anspruch aus § 117 AktG ergibt sich das aus § 117 Abs. 5 S. 1 AktG; für die Ansprüche aus Treuepflichtverletzung liegt eine Analogie zu §§ 117 Abs. 5, 317 Abs. 4 S. 3, 309 Abs. 4 AktG nahe: s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 32; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. KonzernR zu § 13 Rn. 203 je m.w.N.

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Auch hinsichtlich der vorgenannten Haftungstatbestände bestehen keine Zweifel daran, dass sie ebenfalls auf einen eingetragenen Verein zur Anwendung gelangen.108 Weder knüpft § 117 AktG an die Rechtsform desjenigen an, der schädigenden Einfluss auf die Gesellschaft nimmt, noch wäre es einsichtig, den Verein von den Bindungen durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht freizustellen, wenn er als Gesellschafter agiert. 3.  Haftung aus § 826 BGB (existenzvernichtender Eingriff) Als weiterer Haftungstatbestand ist die Haftung für existenzvernichtende Eingriffe zu berücksichtigen, die der Bundesgerichtshof seit der Trihotel-Entscheidung als besondere Fallgruppe von § 826 BGB verstanden wissen will,109 begrifflich aber immer noch als „Existenzvernichtungshaftung“ anspricht.110 a)  Ausgestaltung der Haftung Tatbestandlich setzt der existenzvernichtende Eingriff nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Entzug von Vermögenswerten voraus, die die Gesellschaft zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten benötigt und die daher die Insolvenz oder die Vertiefung der Insolvenz der Gesellschaft zur Folge haben.111 Die Einordnung als Fallgruppe des § 826 BGB setzt dabei mindestens eventualvorsätzliches Handeln voraus.112 Der Höhe nach haftet der existenzvernichtend eingreifende Gesellschafter für den gesamten kausal verursachten Schaden. Trotz der Anbindung an § 826 BGB begründet die Existenzvernichtungshaftung unmittelbare Ansprüche aber nur im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft.113 Der Anspruch aus Existenzvernichtungshaftung konkurriert mit Ansprüchen aus §§ 30, 31 GmbHG, ist dazu also nicht subsidiär.114 b)  Übertragbarkeit auf die Aktiengesellschaft Ähnlich wie schon beim Vorläuferinstitut des qualifiziert faktischen Konzerns scheint die Problematik existenzvernichtender Eingriffe praktisch in erster Linie

Habersack, in: Scherrer, Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 52. BGHZ 173, 246, 252 ff.; anders zuvor noch BGHZ 149, 10 (Bremer Vulkan) und BGHZ 151, 181 (KBV), mit Durchgriffshaftung und teleologischer Reduktion von § 13 Abs. 2 GmbHG als methodischer Basis. 110  Vgl. BGHZ 173, 246 Rn. 16 (Trihotel); BGH NZG 2013, 827. 111  s. BGHZ 173, 246 Rn. 16, 24, 31 (Trihotel); im Liquidationsstadium genügt ein Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG: BGHZ 179, 344 Rn. 39 f. (Sanitary). 112  BGHZ 173, 246 Rn. 31. 113  BGHZ 173, 246 Rn. 17, 23, 28 ff., 33. 114  BGHZ 173, 246, Rn. 38 ff. 108 s.a. 109  s.

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Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu betreffen.115 In der Rechtsprechung hat die Frage der Übertragbarkeit dieses Haftungskonzepts auf die AG bislang jedenfalls keine große Rolle gespielt.116 Die Anknüpfung an § 826 BGB schließt eine solche Übertragung jedenfalls nicht aus. Von dem ganz überwiegenden Teil der Literatur wird die Übertragbarkeit auf die AG nach der Trihotel-Entscheidung denn auch bejaht.117 Man wird allerdings davon ausgehen müssen, dass die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs nach § 826 BGB schon mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 117 AktG – ursprünglich geschaffen, um einen Rückgriff auf § 826 BGB entbehrlich zu machen – keine besonders große selbständige Bedeutung gewinnen wird.118 Die sachlich bedeutsamere Frage liegt denn auch weniger in der Übertragbarkeit der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs als vielmehr darin, ob für das Aktienrecht die – inhaltlich weiterreichenden – Rechtsprechungsgrundsätze zum qualifiziert faktischen Konzern immer noch Geltung beanspruchen können, wie dies ein Teil der Literatur vertritt. Darauf wird noch zurückzukommen sein.119 c)  Anwendbarkeit auf den Verein als Kapitalgesellschafter Auch hinsichtlich der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe nach § 826 BGB können keine Zweifel daran bestehen, dass sie sich auch auf einen Verein erstreckt, der als Gesellschafter einer GmbH oder Aktionär einer AG fungiert. Es handelt sich hierbei um einen ganz regulären Anwendungsfall des Haftungstatbestandes mit der einzigen (sachlich irrelevanten) Besonderheit, dass das Haftungssubjekt ein eingetragener Verein ist. Soweit der BGH in der Kolpingwerk-Entscheidung ausgesprochen hat, eine „Übertragung der speziellen, in Ergänzung des Kapitalschutzsystems der GmbH entwickelten Grundsätze zur sogenannten Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters auf den eingetragenen Idealverein“ komme angesichts der grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen der GmbH und dem Idealverein nicht in Betracht,120 betrifft das nicht den Verein

Zu möglichen Gründen vgl. Habersack, ZGR 2008, 533, 549 f. s. aber etwa OLG Köln ZIP 2007, 28, 30 (gegen die Fortgeltung der zum qualifiziert faktischen Konzern entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze und für die Übertragbarkeit der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs); LG Kiel vom 20. 03. 2009, Az. 14 O 195/03 – Beck RS 2009, 10255 (sowohl die Fortgeltung der Regeln über den qualifiziert faktischen Konzern ablehnend als auch die Übertragbarkeit der Haftungsgrundsätze bei Existenzvernichtung). 117  s. etwa Spindler/Stilz/Fock, AktG, § 1 Rn. 64; Habersack, ZGR 2008, 533, 551; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 317 Rn. 5; Hüffer/Koch, AktG, § 1 Rn. 29 f.; MünchKommAktG/Heider § 1 Rn. 87; KölnerKomm/Koppensteiner Anh. § 318 Rn. 73 ff. (bereits vor Trihotel); Hölters/Solveen, AktG, § 1 Rn. 19. 118 s. Hüffer/Koch, AktG, § 1 Rn. 30; dem folgend Spindler/Stilz/Fock, AktG, § 1 Rn. 64. 119  s. sogleich, B.III.4.c)aa). 120  BGHZ 175, 12 Rn. 27. 115  116 

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als Gesellschafter einer GmbH, sondern die davon zu trennende Frage der Haftung der Vereinsmitglieder für die Verbindlichkeiten des Vereins.121 4.  Konzernrechtliche Haftungstatbestände Neben die allgemeinen Haftungstatbestände treten spezifisch konzernrechtliche. Sie setzten jeweils voraus, dass es sich beim herrschenden Verein um ein Unternehmen im Sinne des Konzernrechts handelt (a)). Soweit dies der Fall ist, soll für die Frage der konzernrechtlichen Haftung zwischen faktischem (b)) und Vertragskonzern (c)) und weiter nach der Rechtsform der Untergesellschaft (beschränkt auf AG und GmbH) differenziert werden. a)  Der Verein als Unternehmer im Sinne des Konzernrechts Unter welchen Umständen der Verein als Unternehmen im Sinne des Konzernrechts zu qualifizieren ist, hängt von verschiedenen Einzelfragen ab. aa) Rechtsform Der Unternehmensbegriff des Konzernrechts unterscheidet nicht nach der Rechtsform des Gesellschafters.122 Aus diesem Grund kann auch ein eingetragener Verein als herrschendes Unternehmen i.S. des Konzernrechts zu qualifizieren sein.123 bb)  Konzernrechtlicher Unternehmensbegriff Unternehmen i.S. des Konzernrechts ist allerdings nicht schon jeder herrschende Gesellschafter. Vielmehr erfasst der Unternehmensbegriff nach einer in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel mit Rücksicht auf den Konzernkonflikt als Regelungsanlass nur solche Gesellschafter, die einer wirtschaftlichen Interessenbindung außerhalb der Gesellschaft unterliegen, die stark genug ist, die ernste Besorgnis zu begründen, der Aktionär könnte um ihretwillen seinen Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft geltend machen.124 Auf den Verein angewendet 121 

Dazu noch unten, B.III.5. Ansicht: s. etwa MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 13; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 2 Rn. 9; Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 6; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 10; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Anh. 4 (KonzernR) Rn. 9; s. auch bereits die Regierungsbegründung bei Kropff, AktG 1965, S. 27. 123  s. etwa MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 16; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 2 Rn. 9; ders./Habersack, AktienkonzernR, § 15 Rn. 18; Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 14; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 52; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. KonzernR Rn. 9; umstandslos zugrunde gelegt auch in BGHZ 85, 84, 91 (ADAC); vgl. insoweit auch noch Henze, Non Profit Law Yearbook 2004 (2005), 17, 25. 124  Vgl. BGHZ 69, 334, 337 f.; BGHZ 74, 359, 364 f.; BGHZ 80, 69, 72; BGHZ 135, 107, 113; BGHZ 148, 123, 125 ff.; vgl. für weitere umfassende Nachweise aus der Rechtspre122  Einhellige

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bedeutet dies, dass ein Verein, der über eine unternehmerisch tätige Tochtergesellschaft verfügt, selbst aber keine unternehmerischen Interessen verfolgt, den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff nicht erfüllt. Unproblematisch erfüllt ist der Unternehmensbegriff dagegen dann, wenn sich auch der Verein selbst unmittelbar unternehmerisch betätigt. Verfügt er über eine weitere Beteiligung an einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft, stellt sich die Folgefrage, unter welchen Voraussetzungen sich daraus eine wirtschaftliche Interessenbindung ergibt, die stark genug ist, die Besorgnis einer nachteiligen Einflussnahme auf die Gesellschaft zu begründen. Insoweit stimmen h.M. und Rechtsprechung darin überein, dass es nicht darauf ankommt, ob auf die zweite Gesellschaft tatsächlich leitender Einfluss genommen wird. Vielmehr genügt es schon, wenn eine maßgebliche Beteiligung gegeben ist, die die bloße Möglichkeit eröffnet, in der anderen Gesellschaft Leitungsmacht auszuüben und sich dadurch unternehmerisch zu betätigen.125 Diese Möglichkeit ist jedenfalls bei einer Mehrheitsbeteiligung gegeben, je nach den Umständen aber auch schon unterhalb dieser Schwelle.126 cc)  Verzicht auf anderweitige Interessenbindung beim Verein? Abweichend von dem vorstehend Dargelegten wird in Teilen der Literatur die Ansicht vertreten, ein herrschender Verein sei stets als Unternehmen im Sinne des Konzernrechts einzuordnen.127 Sprengel führt zur Begründung die Befürchtung an, dass „der Prozess der Entscheidungsfindung durch eine vom Vereinszweck geprägte Haltung beeinträchtigt wird“.128 Emmerich spricht sich generell für eichung Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 15 Rn. 10; ähnliche formulierte Ansätze verfolgt auch der überwiegende Teil der Literatur: vgl. z. B. MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 13; Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 10; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Anh. 4 (KonzernR) Rn. 10; i.E. (mit anderer Begründung) ebenso auch Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 31 ff.; der Unternehmensbegriff der Rspr. ist in der Literatur allerdings nicht in jeder Hinsicht unumstritten, vgl. Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 17 für eine Übersicht über den Diskussionstand; Ausweitungstendenzen z. B. bei Emmerich/Habersack, KonzernR, § 2 Rn. 7 ff.; ders./Habersack, AktienkonzernR, § 9 ff. 125  BGHZ 148, 123, 125 ff.; MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 18; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 2 Rn. 11; Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 15; KölnerKomm/Koppensteiner § 15 Rn. 35 ff. 126  s. näher Emmerich/Habersack, KonzernR, § 2 Rn. 12 m.w.N. 127 s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 15 Rn. 18, auf Basis der von ihm vertretenen Ansicht, Unternehmen sei, wer sich nicht als Privatgesellschafter einordnen lasse; Sprengel, VereinskonzernR, S. 96 f.; allgemein für Unternehmenseigenschaft nichtwirtschaftlich ausgerichteter Gesellschafter (Parteien, Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften, gemeinnützige Stiftungen) MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 43; ähnlich auch Münch­KommGmbHG/Liebscher, Anh. KonzernR zu § 13, Rn. 76 f. 128 s. Sprengel, VereinskonzernR, S. 97, allerdings mit fragwürdiger Bezugnahme auf BGHZ 69, 334 ff., 338 (VEBA/Gelsenberg); soweit sich die Entscheidung zum Verein verhält, legt sie eine differenzierende Lösung anhand des traditionellen Unternehmensbegriffs nahe und gerade keine pauschale Qualifikation des Vereins als Unternehmen.

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nen umfassenderen Unternehmensbegriff aus und will diesen insbesondere vom Erfordernis einer anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung lösen. Unternehmen sollen vielmehr alle Gesellschafter sein, die sich nicht als reine Privataktionäre einordnen lassen.129 Bayer sieht eine Parallele zur Unternehmenseigenschaft der öffentlichen Hand,130 die der Bundesgerichtshof in Abweichung von seiner üblichen Rechtsprechung auch dann als Unternehmen einordnet, wenn sie lediglich ein in privater Rechtsform organisiertes Unternehmen beherrscht.131 Der Bundesgerichtshof begründet diese Ausdehnung des Unternehmensbegriffs für juristische Personen des öffentlichen Rechts mit dem Bedürfnis, auf diese Weise der „Gefahr einer einseitigen Förderung öffentlicher Aufgaben und politischer Ziele zu Lasten von Minderheitsaktionären begegnen zu können.“132 Anders als bei privaten Aktionären sei „bei öffentlichrechtlichen Körperschaften davon auszugehen, dass sie sich bei der Ausübung ihres Einflusses auf die beherrschte AG nicht nur von typischen Aktionärsinteressen, sondern auch von anderen Interessen leiten lassen, nämlich solchen, die aus ihrer öffentlichrechtlichen Aufgabenstellung herrühren.“ Diese Interessenkollision sei von gleicher Art wie der Konflikt, den das Konzernrecht steuern soll und berge für Minderheitsgesellschafter ebenso große Gefahren, wie diejenigen, die durch eine anderweitige Beteiligung eines privaten Mehrheitsaktionärs auftreten können.133 Mit der wohl herrschenden Meinung ist es jedoch abzulehnen, Vereine, die nur an einer Gesellschaft maßgeblich beteiligt sind und keiner anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung unterliegen, pauschal als Unternehmen zu qualifizieren.134 Die Gegenansicht geht schon deswegen zu weit, weil sie auch Konstellationen erfassen würde, in denen die Tochtergesellschaft statuarisch mit dem Zweck des Muttervereins koordiniert ist und ihrerseits – kapitalgesellschaftsrechtlich Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 15 Rn. 9 ff. s. MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 43. 131  s. etwa BGHZ 135, 107, 113 f. (VW); BGH NJW 2008, 1583 (Telekom); noch offen gelassen in BGHZ 69, 334, 344 (Veba/Gelsenberg); ablehnend (auf Basis eines primär organisationsrechtlichen Verständnisses des Konzernrechts) MünchKommHGB/Mülbert, KonzernR, Rn. 43; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 4 (KonzernR) Rn. 11; generell gegen die Unternehmensqualifikation der öffentlichen Hand Wiedemann/Martens, AG 1976, 232 ff., die stattdessen für eine gesetzliche Sonderregelung plädieren; dem BGH zustimmend aber die h.M., vgl. MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 41; Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 16, je m.w.N. 132  BGH NJW 1997, 1855, 1856. 133  BGH NJW 1997, 1855, 1856. 134 Ebenso Balzer, ZIP 2001, 175, 183; Fiedler, Konzernhaftung, S. 43 f.; Habersack, in: Scherrer, Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 52; Heermann, ZIP 1998, 1249, 1258 f; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 191 ff.; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 39; ders., NZG 2008, 881, 882; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 43; K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 15 Rn. 65; Wagner, NZG 1999, 469, 474; vgl. auch OLG Düsseldorf NZG 2004, 622, 623 f. (die Unternehmenseigenschaft einer Stiftung ohne anderweitige unternehmerische Betätigung ablehnend). 129 s. 130 

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zulässig135 – einen nichtwirtschaftlichen Zweck verfolgt. Denn abhängige Gesellschaft i.S. von § 17 AktG kann jede rechtlich besonders organisierte Vermögens­ einheit sein, ohne dass es auf das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ankommt.136 Bei einer derartigen Gestaltung besteht aber von vornherein nicht die Gefahr einer Interessenkollision.137 Aber auch dann, wenn man von dieser zugegebenermaßen besonders liegenden Fallkonstellation absieht, erscheint es nicht gerechtfertigt, Vereine mit nur einer Gesellschaftsbeteiligung per se als Unternehmen zu qualifizieren. Zugrunde zu legen ist die vom Gesetz verfolgte Differenzierung zwischen Privat- und Unternehmensgesellschaftern, mag sie auch rechtspolitisch zu kritisieren sein.138 Weiter ist davon auszugehen, dass auch der Gesetzgeber nicht unterstellen wollte, die Beherrschung durch einen Privatgesellschafter sei notwendig frei von Konfliktpotential.139 Auch in den Gesetzesmaterialien zum Aktiengesetz ist nur die Rede davon, dass die aus den konfligierenden Interessen des Unternehmensgesellschafters resultierenden Gefahren beim Privatgesellschafter „nicht in gleicher Weise“ zu befürchten seien.140 Soweit der Gesetzgeber Unternehmensgesellschafter heraushebt, knüpft er also bewusst an einen spezifischen Konflikt an, der ihm besonders gewichtig erschienen ist. Dies entspricht auch dem Verständnis des Bundesgerichtshofs in der VEBA/Gelsenberg-Entscheidung.141 Vor diesem Hintergrund kann nicht bereits jeder denkbare Interessenkonflikt oder jede beliebige Differenz zum „reinen“ Mehrheitsprivatgesellschafter die Anwendung des Konzernrechts legitimieren. Erforderlich ist vielmehr eine dem Konzernkonflikt qualitativ gleichwertige Gefährdungslage. Entgegen Emmerich ist daher auch nicht jeder, der nicht „reiner“ Privatgesellschafter ist, automatisch Unternehmen. Auch die VW-Entscheidung142 lässt sich für eine solche Position nicht in Anspruch nehmen. Denn auch dort lässt der Bundesgerichtshof nicht schon jede Differenz zum Privatgesellschafter genü135 

s. o. § 2 A.II.2.b). s. nur Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 19. 137 Ebenso Fiedler, Konzernhaftung, S. 43. 138  Vgl. z. B. MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 8; K. Schmidt, GesR, § 31 II 1 (S. 937). 139  Ebenso MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 7; dagegen spricht auch die den zum AktG 1965 führenden Reformprozess begleitende Literatur: vgl. etwa Flume, Grundfragen, S. 45 f. 140  s. Ausschussbericht zu §§ 20, 21 bei Kropff, AktG 1965, S. 42. 141  s. BGHZ 69, 334; vgl. auch den entsprechenden Hinweis bei MünchKommAktG/ Bayer § 15 Rn. 7; der BGH führt in der Veba/Gelsenberg-Entscheidung aus: „Von einem Großaktionär, dessen wirtschaftliche Tätigkeit sich auf das eine Unternehmen beschränkt, wird erwartet, dass er im Regelfall das Interesse dieses Unternehmens als sein eigenes betrachten oder jedenfalls keine ihm zuwiderlaufenden Sonderinteressen verfolgen wird; bei ihm konnte daher der Gesetzgeber die Gefahr, er werde das Wohl der Gesellschaft solchen individuellen Interessen opfern, geringer veranschlagen und zu ihrer Abwehr den allgemeinen Mindestschutz, den namentlich § 117 sowie § 243 II AktG bieten, für ausreichend erachten.“ (Hervorhebung hinzugefügt). 142  BGHZ 135, 107. 136 

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gen, sondern stellt vielmehr darauf ab, dass aus der Beteiligung juristischer Personen des öffentlichen Rechts eine Interessenkollision „von der gleichen Art wie der Konflikt, den das Konzernrecht steuern soll“ resultiert, die für „Minderheitsgesellschafter ebenso große Gefahren in sich [birgt] wie diejenigen, die durch eine anderweitige Beteiligung eines privaten Mehrheitsaktionärs auftreten können.“143 Ob eine solche dem Konzernkonflikt gleichgewichtige Interessenkollision vorliegt, die insbesondere auch die gleiche Typizität für nachteilige Einflussnahmen aufweist, ist letztlich eine fallweise zu beantwortende Wertungsfrage. Ob sie der BGH im VW-Urteil für Unternehmensbeteiligungen der öffentlichen Hand zutreffend beantwortet hat, kann vorliegend offen bleiben. Für den Idealverein als maßgeblich beteiligten Gesellschafter ist die pauschale Einordnung als Unternehmen jedenfalls abzulehnen. Der Gefahr einer systematischen Beeinträchtigung bzw. Verlagerung von Gewinnchancen, wie sie den Konzernkonflikt prägt, steht beim Idealverein als herrschendem Gesellschafter keine qualitativ gleichwertige Gefahr gegenüber. Auch die nichtwirtschaftliche Zweckverfolgung auf der Ebene des Vereins und die erwerbswirtschaftliche Ausrichtung auf der Ebene der Tochter begründen keineswegs zwingend einen die Anwendbarkeit des Konzernrechts fordernden Zielkonflikt. Vielmehr wird sich im Regelfall das Interesse eines Vereins am wirtschaftlichen Erfolg einer Beteiligungsgesellschaft nicht wesentlich von dem eines Privatgesellschafters unterscheiden, der sich von der Beteiligung Gewinne zur Verwirklichung seiner privaten (nicht unternehmerischen) Interessen verspricht.144 Aber auch dann, wenn ideelle Zielvorgaben auf der Ebene des Vereins tatsächlich bis in die Unternehmensführung hineinwirken sollten, rechtfertigt dies nicht ohne weiteres eine andere Bewertung. Auch einer natürlichen Person ist es unbenommen, ihre Gesellschafterrechte z. B. entsprechend verfestigten (nicht primär ökonomisch motivierten) Prinzipien auszuüben, etwa gemäß besonderen ethischen Vorstellungen oder in Übereinstimmung mit einer religiösen Soziallehre, ohne dass sie deswegen als Unternehmen qualifiziert werden würde. Man mag je nach den Umständen des Einzelfalles auch zu anderen Ergebnissen gelangen. Die große Spannbreite der im Vereinsrecht denkbaren Gestaltungen steht aber jedenfalls allen Versuchen entgegen, Vereine pauschal als Unternehmen zu qualifizieren. dd) Holdingstrukturen Der Einsatz von Holdingkonstruktionen wirft bei der Subsumtion unter den Unternehmensbegriff besondere Probleme auf, die im Schrifttum zu einem wenig klaren Meinungsbild geführt haben.145 Bezogen auf den eingetragenen Verein geht es um die Frage, ob er auch dann als Unternehmen zu qualifizieren ist, wenn er mehrere maßgebliche Beteiligungen an anderen Unternehmen in einer Zwischenholding 143 

BGH NJW 1997, 1855, 1856. Fiedler, Konzernhaftung, S. 43 f. 145  Vgl. MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 25: „reichlich Unklarheit“; vgl. auch Münch­ KommGmbHG/Liebscher Anh. KonzernR zu § 13 Rn. 78. 144 Ähnlich

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bündelt und auf diese Weise selbst nur an einem anderen Unternehmen beteiligt ist. Ist er nicht auch selbst unternehmerisch tätig, würde eine solche Gestaltung nach dem von h.M. und Rechtsprechung vertretenen Unternehmensbegriff dazu führen, dass seine Unternehmenseigenschaft zu verneinen wäre. In der Literatur löst die Einschaltung einer Zwischenholding verbreitet ein gewisses Unbehagen aus, weil sie den Verdacht erweckt, der Gesellschafter wolle sich durch eine Umgehungskonstruktion dem Geltungsanspruch des Konzernrechts entziehen. Sie reagiert darauf verbreitet mit Zurechnungslösungen und behandelt die Gruppenspitze (d.h. die an der Gruppenspitze stehende natürliche Person oder Spitzenholdung) so, als würde sie die Anteile unmittelbar halten. Wohl überwiegend wird dabei ein differenzierender Ansatz zugrunde gelegt, nach welchem die Zurechnung bejaht wird, wenn die Gruppenspitze die Anteile an den Beteiligungsgesellschaften rechtlich – insb. im Wege von Stimmrechtsvollmachten – oder tatsächlich durch entsprechende Einflussnahme selbst verwaltet. Hingegen soll die Unternehmenseigenschaft enden, wenn sich die Gruppenspitze auf die Verwaltung ihrer Anteile an der Zwischenholding beschränkt.146 Ein anderer Teil des Meinungsspektrums will selbst im letztgenannten Fall noch zurechnen und die Gruppenspitze stets als Unternehmen behandeln.147 Nach wieder anderer Ansicht kann die Zurechnung einer anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung nie über das beherrschte Unternehmen selbst führen.148 Zu folgen ist der letztgenannten Ansicht. Die Schaffung eines Sonderrechts für Holdingkonstellationen ist nicht zu befürworten. Sie hätte zur Folge, dass die vom Gesetz zugrunde gelegte Unterscheidung zwischen Privat- und Unternehmensaktionären weitgehend nivelliert würde, weil der Gruppenspitze die maßgeblichen Beteiligungen einer von ihr beherrschten Tochter stets zuzurechnen wären.149 Eine solche Sonderlösung für Holdinggesellschaften wäre auch unter systematischen Gesichtspunkten nur schwierig zu begründen, weil nicht einsichtig ist, was eine reine Holding mit mehreren Tochtergesellschaften von einer Betriebsgesellschaft mit weiteren Beteiligungen unterscheidet.150 Auch der Bundesgerichtshof hat es in der MLP-Entscheidung aus dem Jahr 2001 abgelehnt, dem selbst nicht unternehmerisch tätigen Mehrheitsgesellschafter und Vorstandsvorsitzenden einer Holding deren Mehrheitsbeteiligungen zuzurechnen:151 Zwar könne eine solche Konstel­ s. Münch. Hdb. AG/Krieger § 68 Rn. 8; vgl. auch Cahn, AG 2002, 30, 32 ff.; Priester, ZIP 1986, 137, 145; Ulmer, NJW 1986, 1579, 1586. 147 s. Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 10; MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 33; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 15 Rn. 17; Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 12; KölnerKomm/Koppensteiner § 15 Rn. 68. 148  s. insbesondere Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 36; K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 15 Rn. 51, jeweils unter Bezugnahme auf BGHZ 148, 123 (MLP); s.a. Cahn, AG 2002, 30, 32 ff.; Ulmer, NJW 1986, 1579, 1586. 149  s. Münch. Hdb. AG/Krieger § 68 Rn. 8; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 36. 150 Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 39. 151  BGH NJW 2001, 2974 f.; auch in BGH NZG 2005, 214 hält der Bundesgerichtshof daran fest bzw. grenzt den konzernspezifischen Minderheitenschutz vom (konzernunab146 

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lation für die Holding Gefahren mit sich bringen, weil deren Interessen nicht notwendig mit denen der Tochtergesellschaften übereinstimmten. Gleichwohl bestehe aber zu dem Fall, dass der Großaktionär auf die andere Gesellschaft unmittelbar auf Grund einer eigenen maßgeblichen Beteiligung bestimmenden Einfluss nehmen könne, ein wesentlicher Unterschied. Denn in dieser Konstellation sei der in der anderen Gesellschaft zu Lasten der AG ausgeübte Einfluss der Kontrolle der Minderheitsaktionäre der AG entzogen, so dass es eines weitergehenden Schutzes bedürfe. Könne bei einer mittelbaren Beteiligung der Einfluss dagegen nur namens der Obergesellschaft ausgeübt werden, seien deren Aktionäre bereits durch die allgemeinen Vorschriften der §§ 117, 243 Abs. 1 und 2 AktG sowie die Treuepflicht geschützt.152 Das überzeugt.153 b)  Haftung im Vertragskonzern Für die Haftung im Vertragskonzern soll für die Zwecke der Darstellung zwischen der abhängigen AG und der abhängigen GmbH unterschieden werden, auch wenn sich die Ergebnisse weitgehend gleichen. aa) Aktiengesellschaft Handelt es sich bei der abhängigen Gesellschaft um eine Aktiengesellschaft oder eine KGaA, greifen die Vorschriften des Aktienkonzernrechts in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung ein.154 (1)  Abschluss eines Unternehmensvertrages durch Vereine als herrschende Unternehmen § 291 AktG differenziert nicht nach der Rechtsform des Unternehmens, dessen Leitung sich eine Aktiengesellschaft oder KGaA durch einen Beherrschungsvertrag unterstellt oder demgegenüber sie sich zur Gewinnabführung verpflichtet155 und lässt folglich den Vertragsabschluss auch durch Vereine zu.156 Zu einer hängigen) Schutz der „Gesellschaft und ihrer Gläubiger vor unerlaubten Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen ab“, in dessen Rahmen ein mittelbarer Gesellschafter dann wie ein Gesellschafter zu behandeln sei, wenn er über eine zwischengeschaltete Holding einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben könne. 152  BGH NJW 2001, 2974 f. 153  Ebenso Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 36; K. Schmidt/Lutter/Vetter, AktG, § 15 Rn. 51. 154 s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn. 18. 155  Vgl. zur Rechtsformneutralität Hüffer/Koch, AktG, § 291 Rn. 8; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 291 Rn. 9; Münch. Hdb. AG/Krieger § 71 Rn. 9; zum Erfordernis eines mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Beschlusses der Mitgliederversammlung des Vereins entsprechend § 293 Abs. 2 AktG noch näher unten, § 7 III.1.c)bb). 156  s. spezifisch zum herrschenden Verein als tauglicher Partei eines Unternehmensvertrages auch Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 302 Rn. 25; ders./Habersack, Kon-

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einschränkenden Auslegung, die eingetragene Vereine vom Geltungsbereich des § 291 AktG ausnimmt, besteht kein Anlass. Ausführlich thematisiert und verneint wird diese Frage von Sprengel, der dabei aber vor allem einem möglichen Konflikt zwischen den Voraussetzungen für nachteilige Weisungen nach § 308 Abs. 1 S. 2 AktG und dem auf einen nichtwirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteten Vereinszweck nachgeht.157 Das versteht sich vor folgendem Hintergrund: § 308 Abs. 1 S. 2 AktG lässt bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages auch nachteilige Weisungen zu, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder dem einer konzernverbundenen Gesellschaft dienen. In der Literatur finden sich nun Stimmen, die als Belange des herrschenden Unternehmens nur dessen wirtschaftliche Interessen anerkennen wollen.158 Ein verwandtes Argument liegt in der Aussage, es sei der öffentlichen Hand als herrschendem Unternehmen verwehrt, nachteilige Weisungen auf das öffentliche Interesse zu stützen.159 Soweit dies allerdings damit begründet wird, die Berücksichtigung des öffentlichen Interesses stehe Weisungen im ausschließlichen Interesse beliebiger Dritter gleich,160 will dies nicht recht einleuchten. Denn es lässt sich nicht sinnvoll abstreiten, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentliche Interessen als eigene Belange verfolgen können.161 Genauso wenig hindert eine altruistische Zweckbestimmung („Förderung des Sports“ etc.) eines eingetragenen Vereins an der Annahme, dass die Verfolgung dieses Zwecks ein eigenes Interesse des Vereins liegt. Denn er ist durch seine Satzung auf diesen Zweck verpflichtet. Im Übrigen muss eine Stellungnahme zu diesem Problemkomplex mit der Feststellung beginnen, dass der von Sprengel aufgegriffene (potentielle) Konflikt systematisch nicht richtig verortet ist, soweit man ihn bei Frage ansiedelt, ob eingetragene Vereine (als herrschende Unternehmen) Unternehmensverträge i.S. des § 291 Abs.1 AktG abschließen können. Denn in der Sache geht es lediglich um ein die Weisungsbefugnis betreffendes Problem, das dementsprechend auch auf dieser Ebene zu lösen ist und nicht schlechthin zur Unzulässigkeit des Unternehmensvertrages führen kann.162 Davon abgesehen tritt der befürchtete Konflikt nicht zwingend auf, weil durchaus auch vorstellbar ist, dass eine nachteilige Weisung eines eingetragezernR, § 37 Rn. 18; Fiedler, Konzernhaftung, S. 29 ff., 44 ff.; Sprengel, VereinskonzernR, S. 120 ff. 157 s. Sprengel, VereinskonzernR, S. 120 ff. 158 Vgl. Sprengel, VereinskonzernR, S. 120 ff. 159  So etwa Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 308 Rn. 50; Münch. Hdb. AG/ Krieger § 71 Rn. 153; a.A. aber Oppenländer/Trölitzsch/Drygala, GmbH-Geschäftsführung, § 43 Rn. 26; KölnerKomm/Koppensteiner § 308 Rn. 41 mit umfassenden Nachweisen zum Streitstand. 160 s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 308 Rn. 50, mit nicht ganz klarer Bezugnahme auf BGHZ 135, 107, 133 f. 161  s.a. Oppenländer/Trölitzsch/Drygala, GmbH-Geschäftsführung, § 43 Rn. 26. 162  Vgl. entsprechend zur Parallelproblematik bei der öffentlichen Hand auch MünchKommAktG/Altmeppen § 291 Rn. 22.

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nen Vereins durch ein wirtschaftliches Interesse motiviert ist. Soweit der Verein auf zulässige Weise Wirtschaftstätigkeit entfaltet, jedenfalls also im Rahmen des Nebenzweckprivilegs, darf er auch wirtschaftlich motivierte Weisungen an abhängige Unternehmen erteilen, ohne dass dies mit der Beschränkung des § 21 BGB auf nichtwirtschaftliche Zwecke kollidiert. Schließlich ist auch zweifelhaft, ob § 308 Abs. 1 S. 2 AktG tatsächlich alle nachteiligen Weisungen verbietet, die nicht dem wirtschaftlichen Interesse des herrschenden Unternehmens dienen. Dem Wortlaut lässt sich dies jedenfalls nicht entnehmen, weil ein „Belang“ des herrschenden Unternehmens durchaus auch nichtwirtschaftlicher Natur sein kann. Auch angesichts des Umstands, dass auch Kapitalgesellschaften jeden zulässigen Zweck verfolgen dürfen, also nicht zwingend auf die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen ausgerichtet sein müssen,163 hätte es einer klareren Positionierung des Gesetzes bedurft, hätten nichtwirtschaftliche Belange ausgeschlossen werden sollen.164 (2)  Abschluss von Unternehmensverträgen durch „Privat-Vereine“ Auf die Kehrseite der Anknüpfung an den Unternehmensbegriff trifft man bei der Frage, ob auch ein Verein, der nach den vorstehend ausgeführten Grundsätzen kein Unternehmen ist, einen solchen Vertrag mit einer abhängigen Gesellschaft schließen kann. Ob Unternehmensverträge i.S. des § 291 Abs. 1 AktG auch mit Privataktionären geschlossen werden können, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt. Nach der bislang herrschenden Auffassung sind sie wegen eines Verstoßes gegen § 76 AktG schlicht nichtig.165 Demgegenüber scheint es aber vorzugswürdig, in analoger Anwendung von § 291 Abs. 1 AktG auch den Abschluss der dort geregelten Verträge durch Nichtunternehmer zuzulassen.166 Es wäre nicht einsichtig, die Gestaltungsmöglichkeiten eines Aktionärs nur deswegen zu beschneiden, weil es ihm an einer weiteren unternehmerischen Interessenbindung und damit an „Gefährlichkeit“ i.S. des Konzernrechts fehlt.167 (3)  Verlustausgleichspflicht gemäß § 302 AktG Die wichtigste Einstandspflicht des herrschenden Vereins liegt in der Verlustausgleichspflicht gegenüber dem abhängigen Unternehmen nach § 302 AktG.168 163 

s. dazu bereits oben, § 2 A.II.2.b). Sprengel, VereinskonzernR, S. 121 f.; Zöllner, Schranken, S. 84. 165  s. etwa MünchKommAktG/Altmeppen § 291 Rn. 5 ff.; KölnerKomm/Koppensteiner § 291 Rn. 13; für Anwendbarkeit der Regeln über fehlerhafte Beherrschungsverträge Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 291 Rn. 9a. 166 s. Rubner, Konzern 2003, S. 735 ff.; K. Schmidt, GesR, § 31 II 1 d (S. 939); ders., in: FS Lutter, S. 1167, 1181 f.; ders., in: FS Koppensteiner, S. 191 ff.; dem folgend Münch. Hdb. AG/Krieger § 71 Rn. 9; ablehnend die h.M., s. Hüffer/Koch, AktG, § 291 Rn. 8 m.w.N. (a.A. noch Hüffer, AktG, § 291 Rn. 8 (10. Aufl.)). 167  s. ausführlich Rubner, Konzern 2003, 735 ff. 168  Vgl. zu den verschiedenen Ansätzen zur dogmatischen Legitimation der Verlustausgleichspflicht übersichtsweise Münch. Hdb. AG/Krieger § 71 Rn. 64. 164 s.a.

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Danach schuldet der Verein im Rahmen einer Innenhaftung Ausgleich für jeden während der Vertragsdauer bei der beherrschten Gesellschaft sonst entstehenden Jahresfehlbetrag. Die Haftung ist der Höhe nach unbeschränkt und auch unabhängig davon, ob die Verluste auf die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens zurückgehen.169 (4)  Zahlungsansprüche der Gläubiger Neben die Pflicht zum Verlustausgleich gegenüber dem abhängigen Unternehmen tritt nach § 303 Abs. 1 AktG die Pflicht, den Gläubigern des abhängigen Unternehmens bei Beendigung eines Unternehmensvertrages i.S. des § 291 Abs. 1 AktG Sicherheit zu leisten. Unmittelbare Zahlungsansprüche gegen das herrschende Unternehmen gewährt § 303 Abs. 1 AktG dagegen dem Wortlaut nach nicht. Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof im Rahmen seiner Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern aus § 303 AktG unter bestimmten Voraussetzungen auch Zahlungsansprüche gegen das herrschende Unternehmen hergeleitet.170 Auch wenn der qualifiziert faktische Konzern inzwischen als anspruchsbegründender Tatbestand überholt ist,171 hält die ganz h.M. an dieser Erweiterung von § 303 AktG für dessen unmittelbaren Anwendungsbereich im Vertragskonzern fest.172 Unmittelbare Zahlungsansprüche gewährt § 303 Abs. 1 AktG danach einem Gläubiger jedenfalls dann, wenn er seinen Anspruch gegen die abhängige Gesellschaft nicht realisieren kann, weil bei dieser mangels Masse kein Insolvenz­ verfahren durchgeführt werden kann oder die Gesellschaft sogar schon wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht wurde.173 Noch weitergehend wird unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB bereits die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft für ausreichend gehalten.174 Dem ist nur mit der Maßgabe zu folgen, dass die Geltendmachung dieser Ansprüche dann entsprechend § 93 InsO dem Insolvenzverwalter der abhängigen Gesellschaft obliegen muss.175 Dagegen lässt sich auch die Vorschrift des § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht 169 s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 32 Rn. 36; Münch. Hdb. AG/Krieger § 71 Rn. 64. 170 

s. zu dieser Rechtsprechung bereits oben, § 2 B.III.1.a)cc). Vgl. zum Streit um eine partielle Fortgeltung – im Aktienrecht – aber noch sogleich § 2 B.III.4.c)aa). 172 Vgl. etwa MünchKommAktG/Altmeppen § 303 Rn. 42 ff.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 303 Rn. 24 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 303 Rn. 7; Spindler/Stilz/Veil, AktG, § 303 Rn. 24. 173  Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 174 Vgl. etwa MünchKommAktG/Altmeppen § 303 Rn. 42 ff.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 303 Rn. 25; Hüffer/Koch, AktG, § 303 Rn. 7; Spindler/Stilz/Veil, AktG, § 303 Rn. 24; anders aber noch die Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern, nach der ein Zahlungsanspruch bei Eröffnung des Konkursverfahrens erst dann in Betracht kommen sollte, wenn der Ausfall feststand: s. BGHZ 115, 187, 200 f. 175  So namentlich GroßkommAktG/Hirte § 303 Rn. 12, 23. 171 

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sinnvoll ins Feld führen,176 selbst wenn man ihr Bedeutung für die Bestimmung des Zeitpunkts zumisst, ab dem sich der Anspruch aus § 303 Abs. 1 AktG in einen Zahlungsanspruch verwandelt. Denn auf die Bewältigung der besonderen Situation, dass einen Gesellschafter Einstandspflichten gegenüber allen Gläubigern der Gesellschaft treffen, ist § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB ersichtlich nicht zugeschnitten. Die aus dieser Situation resultierenden Anforderungen an eine sinnvolle Verhaltenssteuerung lassen sich sachgerecht nur durch ein zentralisiertes Vorgehen bewältigen. Insoweit passt der Rechtsgedanke der §§ 171 Abs. 2 HGB, 93 InsO. Damit stimmt überein, dass auch bei der Eingliederung nach herrschender Ansicht Ansprüche gegen die Hauptgesellschaft aus § 322 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG in der Insolvenz der eingegliederten Gesellschaft analog § 93 InsO durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen sind.177 Eine abweichende Behandlung der Gläubiger einer vertraglich konzernierten Gesellschaft lässt sich systematisch kaum sinnvoll begründen. bb) GmbH Das GmbHG selbst enthält gelegentlich Vorschriften mit Konzernrechtsbezug,178 aber keine Regelung des GmbH-Konzernrechts. Zwar sind einzelne Teilbereiche des GmbH-Konzernrechts außerhalb des GmbHG geregelt.179 Auch gelten die Vorschriften des Aktienkonzernrechts unmittelbar, soweit sie rechtsformneutral formuliert sind. Doch lässt dies immer noch zahlreiche Fragen ungeregelt.180 Das gilt auch für das Unternehmensvertragsrecht, soweit es um die GmbH als abhängiges Unternehmen geht. Allerdings gibt es seit dem Inkrafttreten des MoMiG im Jahr 2008 mit § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG nun immerhin unmittelbar im GmbHG einen gesetzlichen Anhaltspunkt dafür, dass der Abschluss von Unternehmensverträgen i.S. des § 291 Abs. 1 AktG auch mit Gesellschaften mbH als beherrschten und/oder zur Gewinnabführung verpflichteten Unternehmen zulässig sein muss. Das war allerdings auch schon zuvor einhellig anerkannt und entsprach gängiger Praxis.181 Die Frage, ob ein Verein auch in diesem Fall als anderer Vertragsteil fungieren kann, wird man nicht sinnvoll anders beurteilen können als für die Aktiengesell-

A.A. aber Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 303 Rn. 25. s. etwa Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 322 Rn. 5; K. Schmidt, GesR, § 30 II 2 b; Spindler/Stilz/Singhof, AktG, § 322 Rn. 9. 178  s. etwa auch §§ 30 Abs. 1 S. 2, 51a Abs. 1 S. 2 GmbHG; vgl. auch MünchKommGmbHG/ Liebscher Anh. § 13 Rn. 33 ff. 179 Vgl. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 29 Rn. 5 unter Hinweis auf Vorschriften, die das Konzernbilanz- und Konzernsteuerrecht sowie die Mitbestimmung betreffen. 180  Vgl. übersichtsweise Emmerich/Habersack, KonzernR, § 29 Rn. 6 ff. 181  Vgl. z. B. Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 17; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 29 Rn. 11; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 634; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 42 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Beurskens, GmbHG, Schlussanh. KonzernR Rn. 50. 176  177 

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schaft.182 Es fehlt an geeigneten Differenzierungskriterien, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten. Wird von einer GmbH als abhängigem Unternehmen ein Vertrag i.S. des § 291 Abs. 1 AktG geschlossen, richten sich auch die Einstandspflichten des herrschenden Unternehmens – in unserem Fall also des Vereins – nach den analog anzuwendenden Vorschriften des Aktienrechts, d.h. entsprechend §§ 302, 303 AktG.183 Diese Vorschriften gelten in ihrem genuinen Anwendungsbereich, d.h. bei abhängigen Aktiengesellschaften und KGaA, unabhängig von der Rechtsform des herrschenden Unternehmens, weswegen auch bei ihrer entsprechenden Anwendung auf abhängige GmbH darin kein Hindernis gesehen werden kann, dass es sich beim herrschenden Unternehmen um einen eingetragenen Verein handelt. Nach allem kann hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung der Haftung nach §§ 302, 303 AktG auf die vorstehenden Ausführungen zur AG verwiesen werden. c)  Haftungstatbestände außerhalb des Vertragskonzernrechts Für die Haftung des herrschenden Vereins außerhalb des Vertragskonzerns ist erneut zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH als abhängiger Gesellschaft zu differenzieren. aa) Aktiengesellschaft Außerhalb des Vertragskonzernrechts knüpft das Aktienrecht in den §§ 311 ff. AktG an Abhängigkeitsverhältnisse an, die die einfache Abhängigkeit nach § 17 AktG und den einfachen faktischen Konzern nach § 18 AktG umfassen.184 Sonderregeln für besonders intensive Formen der Einflussnahme sind nicht ausdrücklich geregelt, werden aber nach wie vor diskutiert. (1)  Einfache Abhängigkeitsverhältnisse Im faktischen Aktienkonzern ordnet das Aktiengesetz keine pauschalen Einstandspflichten an. Vielmehr liegt den §§ 311 ff. AktG ein System des Einzel­ ausgleichs für nachteilige Einflussnahmen zugrunde, an das eine nachgelagerte Schadensersatzpflicht anknüpft. Nach § 311 Abs. 1 AktG ist die nachteilige Ein182 

s. o., § 2 B.III.4.b)aa)(1). Ständige Rspr., s. BGHZ 103, 1, 4 f.; BGHZ 116, 37, 39; BGH NJW 2000, 210; BGH NJW 2002, 822; ebenso der ganz überwiegende Teil des Schrifttums: s. Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 72; Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 210; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 302 Rn. 25; Scholz/ders., GmbHG, Anh. § 13 Rn. 180 f.; Emmerich/ Habersack, KonzernR, § 32 Rn. 36; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 119 ff.; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 855; Baumbach/Hueck/Zöllner/Beurskens, GmbHG, Schlussanh. KonzernR Rn. 128 ff.; a.A. Bitter, ZIP 2001, 265, 270 ff. 184  s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 24 Rn. 1. 183 

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flussnahme auf das abhängige Unternehmen grundsätzlich verboten, sofern die Nachteile nicht ausgeglichen werden, wofür § 311 Abs. 2 AktG freilich gewisse Erleichterungen hinsichtlich des Zeitpunkts und der Form des Ausgleichs vorsieht.185 Wird der Nachteil nicht in einer § 311 AktG entsprechenden Weise ausgeglichen, so ist das herrschende Unternehmen gemäß § 317 Abs. 1 AktG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Daneben tritt gemäß § 317 Abs. 3 AktG die Haftung der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens, die die Gesellschaft zu der nachteiligen Einflussnahme veranlasst haben. Beide Haftungstatbestände ordnen eine Innenhaftung gegenüber der abhängigen Gesellschaft an, die aber nach § 317 Abs. 4 i.V.m. § 309 Abs. 4 AktG auch von den Aktionären der abhängigen Gesellschaft und ihren Gläubigern geltend gemacht werden kann. Auch der Haftungstatbestand des § 317 AktG ist rechtsformneutral ausgestaltet, so dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass er sich auch auf eingetragene Vereine als herrschende Unternehmen bezieht. (2)  Fortgeltung der Grundsätze über die Haftung im qualifiziert faktischen Konzern? Bevor der Bundesgerichtshof die von ihm entwickelten Grundsätze zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern für die GmbH durch die Existenzvernichtungshaftung ersetzt hat, bestand in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber, dass diese Grundsätze auch im Aktienkonzernrecht gelten müssen.186 Seit der Rechtsprechungsänderung ist dies vermehrt in Streit geraten, ohne dass dessen praktische Bedeutung aber überbewertet werden sollte.187 Während ein Teil der Literatur die Ansicht vertritt, mit der Aufgabe für das GmbH-Konzernrecht habe sich das Haftungskonzept des qualifiziert faktischen Konzerns insgesamt erledigt,188 plädieren andere für dessen Fortgeltung im Aktienkonzernrecht.189 Der Bundesgerichtshof 185 

s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 Rn. 47 ff. für Nachweise der älteren Lit. die Angaben bei Emmerich/Habersack, KonzernR, § 28 Rn. 7, Fn. 14. 187  I.d.R. – darauf deutet auch der Mangel an Fallmaterial für die AG hin – wird ein Einzelausgleich möglich sein, ggfs. unter Rückgriff auf die Möglichkeit der Schadensschätzung nach § 287 ZPO; vgl. dazu MünchKommAktG/Altmeppen, Anh. § 317 Rn. 14; Spindler/ Stilz/H.-F. Müller, AktG, Vor § 311 Rn. 28; Hüffer, in: FS Goette, S. 191, 201; s.a. Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 142. 188  s. etwa MünchKommAktG/Altmeppen Anh. § 317 Rn. 14 ff. (unter Anknüpfung an den von ihm schon zuvor vertretenen Vorrang der §§ 311 ff. gegenüber einer Analogie zu §§ 302 ff.); Hüffer/Koch, AktG, § 1 Rn. 29 u. § 311 Rn. 7; ausführlich auch Hüffer, in: FS Goette, S. 191 ff.; s.a. KölnerKomm/Koppensteiner Anh. § 318 Rn. 72 ff. 189 MünchKommAktG/Bayer § 18 Rn. 11; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 317 Rn. 5 f.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 28 Rn. 5 ff.; ders., ZGR 2008, 533, 550 ff.; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 142; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, Vor. §§ 311 – 318 Rn. 25 ff.; abweichend (punktuelle Erweiterung des § 317 AktG) K. Schmidt/ Lutter/Vetter, AktG, § 317 Rn. 56 ff. 186 Vgl.

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spricht zwischenzeitlich in Bezug auf den qualifiziert faktischen Konzern zwar einschränkungslos von „überholten Rechtsprechungsgrundsätzen“,190 war bislang aber auch noch nicht mit der Notwendigkeit konfrontiert, über die Anwendung dieser Grundsätze im Aktienkonzernrecht tatsächlich zu entscheiden.191 Die Befürworter der Fortgeltung dieses Haftungskonzepts weisen zunächst auf Unterschiede zwischen GmbH- und Aktienrecht hin, die es rechtfertigen sollen, bei der AG generell ein höheres, über die bloße Existenzvernichtungshaftung hinausgehendes Schutzniveau zu etablieren: Während die Einpersonen-GmbH bis zur Grenze der Existenzvernichtung offen für schädigende Eingriffe sei, das allgemeine Schädigungsverbot hier also einer erheblichen Einschränkung unterliege, beanspruche es im Aktienrecht auch für die Einpersonen-AG ausweislich der §§ 311 ff. AktG (vorbehaltlich des Ausgleichs nach § 311 Abs. 2 AktG) uneingeschränkt Geltung.192 Hinzu kommt ein Umgehungsschutzargument. Die Funktionsfähigkeit des Schutzkonzepts der §§ 311, 317 AktG beruhe darauf, dass die nachteilige Einflussnahme einem Einzelausgleich auch tatsächlich zugänglich sei, während eine weitergehende Einflussnahme nur im Vertragskonzern zulässig sei. Halte sich das herrschende Unternehmen daran nicht, erforderten dem Einzelausgleich nicht zugängliche nachteilige Einflussnahmen die analoge Geltung der §§ 302 f. AktG.193 Ob diese Gesichtspunkte eine Fortgeltung der Grundsätze über den qualifiziert faktischen Konzern rechtfertigen können, bleibt aber zweifelhaft. Es lässt sich schon nicht pauschal sagen, dass das Aktienrecht generell ein höheres Schutzniveau etabliert als das GmbH-Recht. So reicht das Schädigungsverbot in der mehrgliedrigen GmbH mangels einer § 311 Abs. 2 AktG vergleichbaren Vorschrift sogar weiter als in der AG, sofern die Gesellschafter nicht einvernehmlich handeln.194 190  Vgl. etwa BGH NZG 2005, 214; BGH DStR 2008, 2077; BGH vom 25. 06. 2008, Az.: II ZR 140/07 BeckRS 2008, 20523; vgl. aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung OLG Köln ZIP 2009, 1469, 1471 f. (Fortgeltung bejahend); 1469, OLG Stuttgart ZIP 2007, 1210 (Fortgeltung bezweifelnd, die Frage aber offen lassend); ebenso OLG Schleswig NZG 2008, 868, 874 ff. 191  BGH DStR 2008, 2078 betraf zwar eine abhängige AG, warf aber keine Haftungsfragen auf; vielmehr versuchte der klagende Minderheitsgesellschafter aus dem Gesichtspunkt einer qualifiziert faktischen Konzernierung ein Wettbewerbsverbot des herrschenden Unternehmens herzuleiten; auch dazu musste der BGH nach den Umständen des Falles aber keine abschließende Stellung beziehen; soweit er sich äußert, spricht dies eher für eine gewisse Distanz gegenüber einem derartigen Argumentationsansatz: ebenso MünchKommAktG/Altmeppen Anh. § 317 Rn. 14. 192 s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 28 Rn. 7 ff.; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 317 Rn. 5; ders., ZGR 2008, 533, 552. 193 Vgl. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 28 Rn. 9; ders., ZGR 2008, 533, 552; s.a. Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, Vor § 311 Rn. 25. 194  Man könnte Habersacks Argument (vgl. die Nachweise in der vorvorigen Fn.) daher auch genau umgekehrt fassen: Bedarf für besonderen Schutz bei der AG resultiert gerade daraus, dass §§ 311 ff. AktG weitergehende Eingriffe erlauben, als dies bei der GmbH möglich wäre; bezeichnender Weise wird Habersacks Position in der Literatur z.T. offenbar auch

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Zudem liefert der Hinweis auf Unterschiede im Schutzniveau auch noch keine ausreichende Rechtfertigung dafür, warum darauf gerade mit der pauschalen Verlagerung des Unternehmensrisikos auf das Spitzenunternehmen zu reagieren sein sollte.195 Hinzu kommt, dass das Festhalten am qualifiziert faktischen Konzern für die AG im Wesentlichen auch die Probleme perpetuieren würde, die für das GmbH-Recht der Überführung dieses Ansatzes in ein stabiles Rechtsinstitut entgegengestanden haben.196 Vor diesem Hintergrund sollte auch für das Aktienrecht am qualifiziert faktischen Konzern nicht festgehalten werden. Echte Schutzlücken sind bei sachgerechter Anwendung des § 317 AktG und dem Rückgriff auf die Möglichkeit einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO kaum zu befürchten.197 bb) GmbH Für den einfachen faktischen GmbH-Konzern wurde im Schrifttum gelegentlich die analoge Anwendung der §§ 311 ff. gefordert,198 doch haben sich diese Ansätze mangels hinreichender Analogiebasis aus gutem Grund nicht durchsetzen können.199 Der Gläubigerschutz wird hier allein über die allgemein geltenden Grundsätze sichergestellt, d.h. in erster Linie über die Regeln zur Kapitalaufbringung und -erhaltung und in der mehrgliedrigen GmbH (reflexartig) über das aus der Treuepflicht abzuleitende Schädigungsverbot.200 Hinzu tritt als weiteres allgemeines Institut die Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB, die nach der Neukonzeption aus konzernrechtlichen Zusammenhängen herausgelöst ist.201 Durch in genau diesem Sinn verstanden s. Hüffer, in: FS, Goette, S. 191, 200 (sub V.1), worin aber wohl ein Missverständnis liegen dürfte. 195  s. dazu ausführlich Hüffer, in: FS Goette, S. 191, 201 f., insbesondere unter Hinweis auf die Schadensersatzpflicht des herrschenden Unternehmens und der anweisenden Organmitglieder nach §§ 117, 317 AktG. 196  s. auch hierzu überzeugend Hüffer, in: FS Goette, S. 191, 202 mit Hinweis auf die unbewältigten Probleme bei der tatbestandlichen Ausformung einer die Verlustübernahme rechtfertigenden Strukturhaftung, bzw. – nach Aufgabe dieses Vorhabens im TBB-Urteil – die Widersprüchlichkeit zwischen dem tatbestandlichen Vorwurf eines objektiven Missbrauchs der Gesellschafterstellung und der daran anknüpfenden Rechtsfolge einer vollen Verlustübernahmepflicht. 197 Vgl. in diese Richtung insbesondere MünchKommAktG/Altmeppen, Anh. § 317 Rn. 14 ff., 22 ff. 198  Vgl. insoweit mit Nachweisen aus dem älteren Schrifttum Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, Vor §§ 311 – 318 Rn. 21. 199  s. BGHZ 95, 330, 340; vgl. mit z.T. abweichender Begründung MünchKommAktG/ Altmeppen Vor § 311 Rn. 78 ff.; Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 54; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 57; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 368 ff.; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, AktG, Vor §§ 311 – 318 Rn. 21; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 6; Baumbach/Hueck/Zöllner/Beurskens, GmbHG, Schlussanh. KonzernR Rn. 127. 200  Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 201  Vgl. dazu bereits oben, § 2 B.III.3.

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die Aufgabe der Haftungsgrundsätze bei qualifiziert faktischer Konzernierung steht zugleich fest, dass die Intensität der Einwirkung auf die Untergesellschaft ohne Einfluss auf die Frage ist, auf welche Weise Gläubigerschutz gewährleistet wird.202 Auch dies wird man nicht anders zu entscheiden haben, wenn die GmbH von einem eingetragenen Verein beherrscht wird. 5.  Abgrenzung zur Haftung der Vereinsmitglieder für Verbindlichkeiten des Vereins Von den in diesem Abschnitt untersuchten besonderen gruppenbezogenen Einstandspflichten des Vereins als Gesellschafter sind der Klarheit halber Einstands­ pflichten der Vereinsmitglieder für die Verbindlichkeiten des Vereins zu unterscheiden. Ungeachtet dessen geht es bei dieser Fragestellung aber um eine strukturell vergleichbare Problematik. Daher kommt im Prinzip auch der Einsatz der gleichen Mechanismen in Betracht kommt, wenn diese z.T. auch an die Besonderheiten des Vereinsrechts angepasst werden müssen. Das ist hier nicht weiter zu verfolgen.203

IV.  Gesellschafterstellung und Vereinsklassenabgrenzung Von der Grundsatzfrage nach der Befähigung des Vereins zum Beteiligungserwerb zu trennen ist die Frage danach, wie sich der Beteiligungserwerb auf die Vereinsklassenabgrenzung auswirkt. 202  Im Schrifttum finden sich allerdings gelegentlich Stimmen, die dafür plädieren, die Grundsätze über den qualifiziert faktischen Konzern nicht aufzugeben, sondern neben der Existenzvernichtungshaftung fortzuführen: s. etwa Baumbach/Hueck/Zöllner/Beurskens, GmbHG, Schlussanh. KonzernR Rn. 154 m.w.N. Ein erneuter Rechtsprechungswechsel steht zumindest in näherer Zukunft aber wohl kaum zu erwarten. 203  In Betracht kommt zunächst eine Haftung wegen Vermögensvermischung: vgl. Grunewald, GesR, § 8 Rn. 66; Soergel/Hadding vor § 21 Rn. 36; offen gelassen in BGHZ 175, 12 Rn. 24 (Kolpingwerk); eine Haftung der Vereinsmitglieder wegen materieller Unterkapitalisierung ist auch – bzw. erst recht – für den Verein nicht zu befürworten: s.a. Reuter, Non Profit Law Yearbook 2007 (2008), 63, 80 f.; das häufig zitierte Urteil BGHZ 54, 222 (Bündelung von Pachtansprüchen gegen zahlreiche Unterpächter durch Zwischenschaltung eines Vereins als Verrechnungsstelle) besagt bei zutreffender Einordnung nichts anderes: vgl. K. Schmidt, JZ 1970, 688 ff.; auch Rechtsformverfehlung rechtfertigt keine Durchgriffshaftung: s. BGHZ 175, 12 ff. (Kolpingwerk); für übertragbar gehalten wird daneben auch die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs: s. Grunewald, GesR, § 8 Rn. 66; dies., in: FS Raiser, S. 99, 105 f.; wegen der „grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen der GmbH und dem Idealverein“ ablehnend dagegen BGHZ 175, 12 Rn. 27, wobei aber nachfolgend zumindest konzediert wird, dass auch beim Verein die missbräuchliche Selbstbedienung eines Mitglieds aus dem kraft Satzung zweckgebundenen Vereinsvermögen den Tatbestand des § 826 BGB erfüllen würde. Ob Analogien zum Aktienkonzernrecht in Betracht kommen, ist streitig: bei qualifizierter Abhängigkeit eine Analogie zu § 302 AktG tendenziell befürwortend etwa Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn. 13 m.w.N.; ablehnend Grunewald, in: FS Raiser, S. 99, 101 f.; vgl. auch OLG Köln NZG 1998, 820.

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1.  Problemaufriss: Auswirkungen von Gesellschaftsbeteiligungen auf die Vereinsklassenabgrenzung? Die Frage nach vereinsrechtlichen Grenzen der Fähigkeit eines eingetragenen Vereins, die Stellung eines Gesellschafters in einer Kapitalgesellschaft einzunehmen, erfordert eine differenzierte Beantwortung. Dabei ist einerseits die Frage der Zurechnung der Tätigkeit der Beteiligungsgesellschaft im Auge zu behalten, andererseits die eigene, auf die Beteiligungsgesellschaft bezogene Tätigkeit des Vereins. a)  Beteiligung an Gesellschaften ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb Von vornherein unproblematisch sind Gesellschaftsbeteiligungen eines eingetragenen Vereins, wenn auch der Zweck dieser Beteiligungsgesellschaft i.S. des § 21 BGB nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Auch bei unterstellter Zurechnung wäre die Qualifikation als nichtwirtschaftlicher Verein dann nicht in Frage gestellt. b)  Bedeutung des Nebenzweckprivilegs Ähnlich liegt es, wenn die Tätigkeit der Untergesellschaft vom Verein jedenfalls im Rahmen des Nebenzweckprivilegs auch selbst ausgeübt werden könnte. Denn dann spielt die Frage der Zurechnung keine entscheidende Rolle. Schwieriger zu beurteilen sind Konstellationen, in denen die Tätigkeit der Beteiligungsgesellschaft dann, wenn man sie auf die Ebene des Vereins zurückdenkt, auch vom Nebenzweckprivileg nicht mehr gedeckt wäre. Aus vereinsrechtlicher Sicht wirft dies nämlich die Frage auf, ob für diesen Fall nicht dieselben Konsequenzen greifen müssen, die sich auch sonst aus der Rechtsformverfehlung ergeben. c)  Die Zurechnung des Geschäftsbetriebs der Tochter als Durchgriffsproblematik Rechtsdogmatisch liegt in dem, was soeben untechnisch als „Zurückdenken“ bezeichnet worden ist, eine Zurechnungsoperation, bei der für die Frage, ob der Zweck des Vereins auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, nicht bzw. nicht allein auf die Tätigkeit des Vereins, sondern in einer gruppendimensionalen Betrachtungsweise (auch) auf die eines mit dem Verein zwar verbundenen, gleichwohl aber eigenständigen Rechtsträgers abgestellt wird. Es geht mit anderen Worten also um eine Durchgriffsproblematik,204 die sich genauer als Zuordnungsdurchgriff qualifizieren lässt.205 Dass ein solcher Durchgriff grundsätzlich recht204  s.a. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 38; vgl. allgemein für eine instruktive Zusammenfassung des Stands der Durchgriffslehre Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 18 ff. 205 Beim Zuordnungsdurchgriff geht es um die Frage, ob bei der Anwendung eines Rechtssatzes „durch gesetzliche oder richterrechtliche Zurechnung eine begrenzte Identifikation von Verbandsperson und Trägerperson“ hergestellt werden kann, so dass die Tatbestandsmerkmale dieses Rechtssatzes durch die „Zusammenschau verschiedener Rechtssub-

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fertigungsbedürftig ist, liegt auf der Hand: Wenn es zur grundrechtlich abgesicherten Organisationsfreiheit gehört, selbständige Rechtskreise zu schaffen und mit diesen am Rechtsverkehr teilzunehmen, dann darf der „Zweckwert des Trennungsprinzips“206 nicht ohne besonderen Grund durch Zurechnungsoperationen wieder in Frage gestellt werden.207 Den Ausgangspunkt der Überlegungen muss also die Erkenntnis bilden, dass eine nur ausnahmsweise zulässige Überwindung des Trennungsgrundsatzes in Rede steht, die einer besonderen Begründung bedarf.208 d)  Beteiligungsbezogene eigene Tätigkeit des Vereins Abgesehen von der Zurechnungsfrage kann u.U. auch die eigene Tätigkeit des Vereins in Bezug auf die Beteiligungsgesellschaft, die wirtschaftliche Zwecke verfolgt, Ansatzpunkte dafür liefern, den Verein als Wirtschaftsverein zu qualifizieren. Es handelt sich hierbei allerdings um einen Begründungsweg, der gegenüber der Zurechnungsfrage zumeist in den Hintergrund tritt und der auch nur dann praktische Bedeutung gewinnt, wenn eine Zurechnung zu verneinen ist. 2. Meinungsstand Die ältere Literatur sprach sich zunächst überwiegend dagegen aus, dem eingetragenen Verein die wirtschaftliche Betätigung einer Tochtergesellschaft zuzurechnen.209 Teilweise wurde die Auslagerung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe sogar ausdrücklich zur Beseitigung einer bestehenden Rechtsformverfehlung empfohlen.210 Gelegentlich wurde aber auch schon in der älteren Literatur vertreten, dass dem Verein auch Tätigkeiten von Gesellschaften, an denen er eine (substantielle) Beteiligung hält, unter bestimmten Voraussetzungen zuzurechnen seien, ohne dass allerdings Einigkeit über die genauen Voraussetzungen bestand.211 Der Bundesgerichtshof gelangte im ADAC-Urteil212 unter Verneinung der Zurechnung jekte ergänzt“ werden können: s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 21; grundlegend zur systematischen Einteilung der Durchgriffstatbestände in Haftungs- und Zuordnungsfälle ders., WM 1975, Sonderbeil. 4, S. 17 ff.; s.a. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 122 ff. 206 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 22. 207  s. allgemein Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 22. 208  Zutreffend Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 38; abzulehnen ist daher die Fassung des Problems als Frage danach, ob „der Verein das Konzessionserfordernis in § 22 BGB umgehen“ können soll, indem er ein anderes Rechtssubjekt für sich tätig werden lässt; so aber Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 664. 209  Vgl. für eine Zusammenfassung des Diskussionsstandes und umfassende Nachweise Hemmerich, Möglichkeiten, S. 126; dies entspricht im Wesentlichen auch ihrer eigenen Position: vgl. dies., a.a.O., S. 129 ff. 210  s. etwa Knauth, Rechtsformverfehlung, S. 153 ff.; Heckelmann, AcP 179 (1979), 1, 46 ff. 211  Vgl. übersichtsweise Hemmerich, Möglichkeiten, S. 127 ff. 212  BGHZ 85, 84.

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zu einer Position, die der zeitgenössischen Mehrheitsmeinung entsprach. In der Folge ist die Entscheidung allerdings ganz überwiegend kritisch beurteilt worden. a)  ADAC-Urteil des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof hat zur Frage der Zurechnung der Tätigkeit von Tochtergesellschaften für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung erst- und bislang letztmals im sogenannten ADAC-Urteil aus dem Jahr 1982 ausdrücklich Stellung genommen.213 aa) Entscheidungsinhalt Die Entscheidung betraf eine wettbewerbsrechtliche Klage von Konkurrentinnen eines vom „ADAC-Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V.“ gegründeten und durch verschiedene Maßnahmen unterstützten Versicherungsunternehmens in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Die klagenden Versicherungsunternehmen wendeten sich dagegen u.a. mit dem Argument, es liege ein – auch wettbewerbsrechtlich relevanter – Verstoß gegen die §§ 21, 22 BGB vor. Der Bundesgerichtshof ist dem nicht gefolgt. Vielmehr stellte er sich auf den Standpunkt, die rechtliche und organisatorische Trennung zwischen Verein und Tochtergesellschaft schließe es aus, jenem die Tätigkeit der Tochter zuzurechnen.214 (1)  Verneinung der Zurechnungsfrage Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof an, dem Schutzzweck der §§ 21, 22 BGB sei genügt, wenn die wirtschaftliche Betätigung über eine juristisch und organisatorisch selbständige Gesellschaft des Handelsrechts betrieben werde, auch wenn diese von einem Idealverein gegründet worden sei und ihrem Geschäft auf dessen Betreiben und mit dessen Unterstützung nachgehe.215 Den Gläubigern und insbesondere den Versicherten seien dann alle Sicherheiten geboten, die mit der Rechtsform einer solchen Gesellschaft verbunden sind. Dies gelte auch, wenn es sich – wie vorliegend – um eine hundertprozentige Tochtergesellschaft handele, bei der davon auszugehen sei, dass sie als abhängiges Unternehmen im Sinne des § 17 AktG von dem Beklagten Verein zu 1 beherrscht werde.216 Es sei aber vereinsrechtlich unter Berücksichtigung der Interessenlage der Gläubiger der Tochtergesellschaft nicht geboten, aus diesem Grund einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Muttervereins anzunehmen. Mangels Beherrschungsvertrages beschränke sich die Verantwortlichkeit des Muttervereins auf die Fälle des § 317 AktG. Diese Vorschrift diene ausweislich der §§ 317 Abs. 4 AktG i.V.m. 309 Abs. 4 S. 3 AktG 213 

BGHZ 85, 84. BGHZ 85, 84, 88 ff.; zustimmend Hemmerich, BB 1983, 26 ff.; Palandt/Ellenberger § 21 Rn. 4; zur Gegenansicht sogleich im Text. 215  BGHZ 85, 84, 89 f. 216  BGHZ 85, 84, 90. 214 

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zwar auch den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft – wobei der BGH insoweit primär die Versicherten in den Blick nimmt –, für die sich Nachteile ergeben können, wenn die Haftung des Muttervereins mangels einer für den Idealverein nicht vorgeschriebenen Mindestkapitalausstattung nicht zu verwirklichen sei. Doch gefährde dies die Gläubigerinteressen nicht „derart“, dass eine eigenunternehmerische Tätigkeit des Muttervereins bejaht werden müsse.217 Insoweit berücksichtigt der Bundesgerichtshof als ausgleichenden Faktor, dass die Ansprüche der Gläubiger gegen den Verein als herrschendes Unternehmen dadurch ergänzt werden, dass auch die Vorstandsmitglieder des Muttervereins sowie die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder des abhängigen Gesellschaft persönlich haften. Insoweit stünden die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft nicht schlechter als bei einem einzelkaufmännischen Betrieb als herrschendem Unternehmen.218 (2)  Eigenunternehmerische Tätigkeit vom Nebenzweckprivileg gedeckt Neben dem soeben geschilderten Passage der Entscheidung, die der Frage der Zurechnung der Tätigkeit der Tochtergesellschaft zum Mutterverein gewidmet ist, berücksichtigt der Bundesgerichtshof auch die Möglichkeit, dass die eigenen Tätigkeiten, die der ADAC im Zusammenhang mit der Tochtergesellschaft unmittelbar selbst entfaltet, zur Qualifikation des ADAC als wirtschaftlichem Verein führen könnten.219 In Rede standen insoweit vielfältige Unterstützungsleistungen wie die Überlassung von Verwaltungs- und Geschäftsräumen, Tätigkeiten des ADAC-Personals bei der Beratung und beim Abschluss von Versicherungsverträgen, die Überlassung von EDV-Anlage und Mitgliederkartei, Werbeaktionen, Marktsondierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Gründung sowie die Übernahme des Aktienkapitals und die Zahlung weiterer Beträge.220 Der Bundesgerichtshof gelangte insoweit zwar zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um eine eigenunternehmerische Tätigkeit handele, die sich als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb darstelle.221 Doch sei diese eigene Betätigung im Ergebnis vom Nebenzweckprivileg gedeckt.222 bb)  Praktische Bedeutung Die Bedeutung des ADAC-Urteils für die Praxis ist nicht zu unterschätzen, auch wenn immer wieder relativierende Stimmen laut werden. So hat sich etwa Reuter 217 

BGHZ 85, 84, 91. BGHZ 85, 84, 91; darüber hinaus verweist der Bundesgerichtshof a.a.O., S. 91 f., auf die Besonderheit des Streitfalles, dass es sich bei der Tochtergesellschaft um ein Versicherungsunternehmen handele, das der Versicherungsaufsicht unterliege. Inwieweit dieser Gedanke das Ergebnis (mit)tragen soll, bleibt allerdings im Dunkeln. 219  BGHZ 85, 84, 92 ff. 220  BGHZ 85, 84, 92. 221  BGHZ 85, 84, 92. 222  BGHZ 85, 84, 93 f. 218 

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bereits kurz nach dem Urteil dahin geäußert, das letzte Wort sei noch nicht gesprochen,223 und auch in neueren Stellungnahmen finden sich noch vergleichbare Äußerungen.224 In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass es sich um ein wettbewerbsrechtliches Urteil handele, eine Entscheidung des für die Frage „eigentlich“ zuständigen zweiten Zivilrechtssenats noch gar nicht vorliege.225 Dem ist zuzugeben, dass aufgrund der in der Literatur verbreitet geäußerten – freilich in sich keineswegs homogenen Urteilskritik – eine gewisse Basis dafür vorhanden ist, dass die Frage der Zurechnung, wenn sie denn erneut aufgegriffen werden sollte,226 auch abweichend entschieden werden könnte. Die Gelegenheiten dazu sind allerdings nicht gewachsen. In wettbewerbsrechtlichem Gewand kann sich die Frage nach der Vereinsklassenabgrenzung mangels marktregelnder Zielsetzung der §§ 21, 22 nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung und der Neuregelung des Rechtsbruchtatbestandes in § 4 Nr. 11 UWG wohl nicht mehr stellen.227 Auch wird kaum damit zu rechnen sein, dass die Registergerichte plötzlich in größerem Umfang von sich aus aktiv werden und Amtslöschungsverfahren (§ 395 FamFG) einleiten, solange das ADAC-Urteil nicht ausdrücklich revidiert ist.228 Es darf schließlich auch nicht übersehen werden, dass seit dem ADAC-Urteil nunmehr bereits etwa 30 Jahre ins Land gegangen sind und dass sich die Vereine auf der Basis dieses Urteils eingerichtet haben.229 Das versperrt den Weg zu einer Rechtsprechungsänderung natürlich nicht prinzipiell, hat wegen der damit verbunden breitflächigen Auswirkungen aber doch eine gewisse faktische Bindungswirkung, die dazu führen dürfte, dass sich auch der zweite Zivilrechtssenat einer Neuausrichtung der Rechtsprechung nur mit einer gewissen Zurückhaltung nähern wird. Festhalten lässt sich jedenfalls, dass er die Gelegenheit zu einer Stellungnahme bislang nicht aktiv gesucht hat. Eine solche ausdrückliche Stellungnahme wäre Reuter, ZIP 1984, 1052, 1053. z. B. Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 666, unter Bezugnahme auf Reuter (vorige Fn.); Steinbeck/Menke, NJW 1998, 2169, 2171. 225 s. Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 666; Steinbeck/Menke, NJW 1998, 2169, 2171. 226  Dies bezweifelnd Henze, Non Profit Law Yearbook 2004 (2005), 17, 23. 227 s. K. Schmidt, GS Walz, S. 677, 682 ff.; entgegengesetzte Hypothese noch bei ders., ZIP 2007, 605, 612; a.A. Hadding/Leuschner, WuB II N. § 21 BGB 1.08 unter 1 b (im Gegensatz zu Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 8a). 228  In Folge verschiedner den ADAC betreffender Skandale (u.a. Manipulation bei einem vom ADAC vergebenen Preis („Gelber Engel“), die ab Anfang 2014 ein breites Medienecho gefunden haben, ist allerdings auch wieder die Frage in das öffentliche Interesse gerückt, ob sich die wirtschaftliche Betätigung des ADAC noch mit dem Status als eingetragener Verein vereinbaren lässt. Das AG München hat daraufhin – offenbar auf Anregung von Privatpersonen – eine Überprüfung dieses Status angekündigt. Eine Entscheidung liegt gegenwärtig noch nicht vor. Vorbeugend hat der ADAC zwischenzeitlich eine Umstrukturierung durchgeführt, die zu einer klareren Trennung zwischen Idealverein und kommerzielle Aktivitäten führen soll; vgl. zum Ganzen Leuschner, ZIP 2015, 356 ff.; Wagner, NZG 2016, 1046 jeweils m.w.N. 229 s.a. Henze, Non Profit Law Yearbook 2004 (2005), S. 17, 23. 223 s.

224  s.

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im Kolpingwerk-Urteil230 möglich gewesen,231 nach dem sich das OLG Dresden als Vorinstanz recht deutlich vom ADAC-Urteil distanziert hatte.232 Insgesamt dürfte daher ein wirklicher Neuansatz nur bei einem Einschreiten des Gesetzgebers zu erwarten sein. Auch der Gesetzgeber hat zu einem solchen Neuansatz zumindest in der jüngeren Vergangenheit aber offenbar keine große Neigung verspürt.233 cc)  Stillschweigende Aufgabe durch die Kolpingwerk-Entscheidung? In einem gewissen Kontrast zu den vorstehenden Ausführungen stehen Überlegungen in der Literatur, wonach in der Kolpingwerk-Entscheidung234 eine stillschweigende Abkehr vom ADAC-Urteil liegen könnte.235 Diese Vermutungen basieren darauf, dass der BGH in den Entscheidungsgründen umstandslos zugrunde legt, dass der Verein an der Gruppenspitze eine das Nebenzweckprivileg überschreitende wirtschaftliche Betätigung entfaltet hat, obwohl die Vorinstanz dieses Ergebnis zumindest auch mit der Zurechnung der wirtschaftlichen Betätigung der Konzerngesellschaften begründet hatte. Die Stellungnahme des BGH ist insoweit jedoch denkbar knapp und erwähnt die Zurechnungsproblematik nicht. Vielmehr führt der BGH lediglich aus: „Keinesfalls rechtfertigt das […] Nichteinschreiten gegen die umfangreiche wirtschaftliche Betätigung des KBS e.V. und die darin liegende Überschreitung des Nebenzweckprivilegs – mag sie auch erheblich gewesen sein – den vom Berufungsgericht postulierten Haftungsdurchgriff der Gläubiger auf diese (faktischen) Vereinsmitglieder wegen Rechtsformmissbrauchs.“

Der BGH spricht hier lediglich von der wirtschaftlichen Betätigung „des KBS e.V.“, was bei einem loseren Sprachgebrauch auch eine zugerechnete wirtschaftliche Betätigung umfassen kann, aber eben nicht umfassen muss. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Vorinstanz für die Feststellung eines wirtschaftlichen 230 

BGHZ 175, 12. Auf eine Trendwende durch die Revisionsentscheidung spekulierend auch noch Hadding, ZGR 2006, 137, 155 mit Fn. 72. 232  OLG Dresden, ZIP 2005, 1680, 1685 ff. 233  Ein Referentenentwurf zur Änderung des Vereinsrechts aus dem Jahr 2004 (unveröffentlicht) sah im Gegenteil vor, der Entscheidung des Bundesgerichtshof in BGHZ 85, 84 einen Anhaltspunkt im Gesetzeswortlaut zu verschaffen: kritisch dazu Hadding, ZGR 2006, 137, 140; der Entwurf ist zwar nicht Gesetz geworden, der Gesetzgeber hat bislang jedenfalls aber auch keine Anstalten für eine anderweitige Regelung getroffen. Auch einige Äußerungen in den Gesetzesmaterialien zum Umwandlungsgesetz 1994 lassen sich in die Richtung deuten, dass damit an das in BGHZ 85, 84 zugrunde gelegte Verständnis angeknüpft werden soll; vgl. zuletzt BT-Drucks. 18/1931, wo sich die Bundesregierung auf eine durch den ADAC-Skandal (Fn. 228) veranlasste parlamentarische Anfrage dahin äußert, dass sie keine Veranlassung zur Änderung des Vereinsrechts sehe. 234  BGHZ 175, 12. 235  s. in diese Richtung; Hüttemann/Meyer, LMK 2008, 256400; Servatius, KTS 2008, S. 347, 350. 231 

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Geschäftsbetriebs keineswegs auf die Zurechnung der Tätigkeit von Konzerngesellschaften beschränkt, sondern auch eine eigene erwerbswirtschaftliche Betätigung des KBS e.V. identifiziert, von der es als einer „massiven unternehmerischen Betätigung“ spricht.236 Aber auch soweit das OLG die wirtschaftliche Betätigung der Tochtergesellschaften zurechnet, verfolgt es keine dem ADAC-Urteil diametral entgegengesetzte Linie. Insbesondere gründet das OLG die Zurechnung nicht etwa allein auf das Vorliegen eines Abhängigkeitstatbestandes, was der denkbar stärkste Gegensatz zum ADAC-Urteil gewesen wäre. Vielmehr entnimmt es einem Zusammenspiel ganz verschiedener Faktoren, dass mangels „strukturelle[r], ökonomische[r] und organisatorische[r] Autonomie“237 die „Verselbständigung der Tochter- und Enkelgesellschaften nur auf formal-juristischer Ebene vollzogen“238 sei und sie deswegen mit dem Verein als Einheit behandelt werden müssten. Zu diesen Faktoren rechnet es insbesondere die Lenkung der gesamten Marktteilnahme durch den Verein durch die Ausübung zentraler Leitungsmacht und diverse personelle Verflechtungen, die zentrale Verwaltung der gesamten Liquidität des Konzerns durch ein zentrales Cash-Management auf der Ebene des Vereins und im Zusammenhang damit die undurchsichtige Verschiebung finanzieller Ressourcen zwischen Verein und Konzerngesellschaften. Insgesamt scheinen in der ausgedehnten und vielgestaltig argumentierenden Begründung eine ganze Reihe verschiedener Topoi aus der Durchgriffsdiskussion (im weitesten Sinne) auf. Diese reichen vom Rechtsmissbrauchsvorwurf bis hin zum Tatbestand der Vermögensvermischung. Ohne dass dies an dieser Stelle im Detail darzulegen wäre, zeigt sich daran, dass unbeschadet der generellen Distanz, die das OLG zum ADAC-Urteil hält, doch relativ reichhaltige Ansatzpunkte für eine Begründung der Zurechnung bestehen, die dessen wesentliche Aussagen ganz oder doch zumindest in weiten Teilen unangetastet lässt.239 Vor diesem Hintergrund erschiene das Schweigen des Bundesgerichtshofs zum Fortbestand der im ADAC-Urteil aufgestellten Grundsätze selbst dann nicht als besonders aussagekräftig, wenn man davon ausginge, er hätte die 236  s. OLG Dresden, Urteil vom 09. 08. 2005 (Az. 2 U 897/04) unter C.IV.2.a)bb)(2.3) der Gründe (= Rn. 401 nach juris; insoweit in ZIP 2005, 1680 nicht abgedruckt); Servatius, KTS 2008, 347, 350 meint, die festgestellte eigene wirtschaftliche Tätigkeit des KBS habe für sich genommen nicht genügt, die Zurechnung der Betätigung der Konzerngesellschaften sei daher ergebnisrelevant gewesen. Doch ist dies durchaus zweifelhaft, weil das OLG ausdrücklich ausführt, dass es angesichts der festgestellten „massiven unternehmerischen Betätigung des KBS e.V.“ keiner abschließenden Entscheidung darüber bedürfe, ob eine Reihe weiterer seiner Aktivitäten auch als erwerbswirtschaftlich einzustufen seien: OLG Dresden, a.a.O. 237  OLG Dresden ZIP 2005, 1680, 1685. 238  OLG Dresden ZIP 2005, 1680, 1686. 239  So wäre es z. B. denkbar, bereits die Vermögensvermischung bzw. mangelnde Vermögensabgrenzung zwischen Verein und Konzerngesellschaften, die das Urteil verschiedentlich anspricht, gerade auch wegen der damit einhergehenden Haftungsgefahren für den Verein (vgl. oben, B.III.1.a)aa)) als tragende Kriterien für eine Zurechnung heranzuziehen.

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vom OLG vorgenommene Zurechnung im konkreten Fall jedenfalls implizit gutgeheißen.240 Insgesamt ist festzustellen: Es ist zwar durchaus möglich, aus der Kolpingwerk-Entscheidung ein Indiz herauszulesen, dass sich der Bundesgerichtshof von BGHZ 85, 84 zu distanzieren versucht. Näher liegt jedoch die Deutung des Urteils dahin, dass ihm an einer Revision des ADAC-Urteils nach wie vor nicht besonders gelegen ist. b) Schrifttum Das ADAC-Urteil ist in der Literatur gelegentlich auf Zustimmung gestoßen,241 überwiegend aber kritisch bzw. ablehnend aufgenommen worden.242 Die ganz überwiegende Literatur geht heute davon aus, dass die Beteiligung an Kapitalgesellschaften zumindest unter bestimmten, im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen eintragungsschädlich sein kann. Nicht unähnlich der vom BGH vorgenommenen Zweiteilung, jedoch mit anderer Schwerpunktsetzung, wird dabei zwischen der Frage der Zurechnung der Wirtschaftstätigkeit der Beteiligungsgesellschaft zum Mutterverein und der eigenen Tätigkeit des Vereins mit Bezug zu den Beteiligungsgesellschaften unterschieden. Oberhalb der Schwelle einer einfachen Minderheitsbeteiligung geht es dabei in erster Linie um Ansätze, die auf einem Zurechnungsvorgang beruhen. Bei Minderheitsbeteiligungen spielt für die Frage der Eintragungsschädlichkeit dagegen die eigene Tätigkeit des Vereins eine größere Rolle. Ungeachtet der Wechselwirkungen zwischen beiden Ebenen soll im Folgenden aus Gründen der Darstellung zwischen der Diskussion um die zu berücksichtigenden Schutzzwecke und den tatbestandlichen Voraussetzungen unterschieden werden, unter denen entweder eine Zurechnung erfolgen oder die eigene Tätigkeit des Vereins als wirtschaftlich qualifiziert werden kann. aa)  Zu berücksichtigende Schutzzwecke Bereits im Zusammenhang mit den allgemeinen Ausführungen zur Vereinsklassenabgrenzung wurde dargelegt, dass über die insoweit zu berücksichtigenden Schutzzwecke keine Einigkeit besteht.243 Die praktischen Auswirkungen dieses A.A. offenbar Servatius, KTS 2008, 347, 350. Hemmerich, BB 1983, 26 ff.; s. zuvor auch schon dies., Möglichkeiten, S. 119 ff.; Palandt/Ellenberger § 21 Rn. 4; zumindest bezogen auf den konkret entschiedenen Fall zustimmend Kübler, ZHR 147 (1983), 454, 455. 242 Vgl. (im Einzelnen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung) etwa Balzer, ZIP 2001, 175, 182 Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn. 20; Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 107) und § 4 II 2 (S. 112 f.); Habersack, in: Scherrer, Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 52 f.; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 41 ff.; Küting/Strauß, Konzern 2013, 390, 394; Lettl, Wertrecht, S. 80 ff.; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 11 ff., 37 ff.; ders., ZIP 1984, 1052 ff.; K. Schmidt, NJW 1983, 543 ff.; ders., Verbandszweck, S. 127 ff.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1906 f.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 273 ff.; vgl. übersichtsweise auch Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 664 ff. 243  Vgl. dazu oben, § 2 A.II.2.b). 240 

241 s.

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Streits betreffen gerade auch die Frage, wie für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung darauf reagiert werden soll, dass der Verein Beteiligungen an wirtschaftlich tätigen Gesellschaften hält. (1)  Schutz der Gläubiger der Tochtergesellschaft Der Bundesgerichtshof hat seine Schutzzwecküberlegungen im ADAC-Urteil ganz auf den Schutz der Geschäftsgläubiger, d.h. auf den Schutz der Gläubiger der Tochtergesellschaft konzentriert.244 Auch in der Literatur wird den Schutzinteressen der Gläubiger der Tochtergesellschaft verbreitet zentrale Bedeutung für die Frage der Zurechnung zugemessen.245 In den Zusammenhang mit dem Gedanken des Schutzes der Geschäftsgläubiger gehört auch die in der Literatur an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs geübte Kritik, den Gedanken des Schutzes der Geschäftsgläubiger nicht hinreichend konsequent durchgeführt zu haben. Dies betrifft die Erwägung des BGH, dass in der Organhaftung des Vorstands des Muttervereins nach § 317 Abs. 3 AktG, die neben die Organhaftung im abhängigen Unternehmen tritt, ein hinreichendes Äquivalent für die fehlende Mindestkapitalausstattung des Vereins zu sehen sei.246 Wenn das Gesetz beides anordne, persönliche Haftung der Organmitglieder und Unternehmenshaftung, dann sei das Argument, auch eines reiche aus, ein Argument contra legem.247 Hinzuweisen ist darauf, dass der Schutzzweck der Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung eines Grund- bzw. Stammkapital teils abweichend von den Vorstellungen des BGH im ADAC-Urteil verstanden wird, der darin eine „Haftungsgrundlage für die Gesellschaftsverbindlichkeiten“ gesehen hat. Reuter geht demgegenüber davon aus, dass ihr Zweck in einer „Risikobeteiligung“ der Mitglieder liege.248 Diese sorge auf ähnliche Weise wie die persönliche Haftung des Einzelkaufmanns dafür, dass das wirtschaftliche Interesse der letztlich entscheidenden natürlichen Personen in einem Mindestmaß mit dem Wohlergehen der Kapitalgesellschaft verknüpft werde, um so auf eine risikobewusste Unternehmenspolitik hinzuwirken.249 Aus Reuters Perspektive verstößt die Beteiligung von Vereinen an Kapitalgesellschaften gegen diesen Grundsatz, weil es den für die Unternehmenspolitik letztlich (mittelbar) verantwortlichen natürlichen Personen – den Vereinsmitgliedern – mangels eines Kapitalbeitrags an der erforderlichen Risikoempfindlichkeit fehle. Dies gelte auch bei Minderheitsbeteiligungen, weil auch der Minderheitsgesellschafter „durch die Ausübung seiner Rechte, insbeson244 

s. o., § 2 B.3.a)aa). Vgl. insoweit z. B. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn. 21. 246 Vgl. Flume, Jur. Person, § 4 II (S. 114); Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 667; Henze, Non Profit Law Yearbook 2004 (2005), S. 17, 26 f.; Reuter, ZIP 1984, 1052, 1055 f. 247 s. Reuter, ZIP 1984, 1052, 1056; kritisch zur Argumentation des BGH auch K. Schmidt, Verbandszweck, S. 129. 248  s. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 11 f., 37 ff.; ders., ZIP 1984, 1052, 1056 ff. 249 MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 11. 245 

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dere durch den Widerstand gegenüber gesellschaftsfremden Sonderinteressen der Mehrheit, zum Schutz der Gläubiger“ beitrage.250 Daneben ist aber auch eine verbreitete Gegenauffassung zu verzeichnen, nach der die Interessen der Gläubiger der Tochtergesellschaft für die Frage der Zurechnung des Geschäftsbetriebs zum Verein grundsätzlich keine Rolle spielen sollen, weil sie sich nicht im Schutzbereich des Rechtsformzwangs befänden 251 und auch das Konzernrecht keine bestimmte Haftungsverfassung des herrschenden Unternehmens fordere.252 (2)  Schutz der Vereinsmitglieder Neben den Interessen der Geschäftsgläubiger sehen Teile der Literatur auch den Aspekt des Mitgliederschutzes als berührt an,253 wobei besonders die Gefahr hervorgehoben wird, dass die Mitglieder Einfluss auf und Kontrolle über das Geschehen in ihrem Verein verlören.254 Hierbei handelt es sich um einen vereinsrechtlichen Ausläufer des Mediatisierungsarguments, das im Aktienrecht im Rahmen der Diskussion um die Holzmüller-Rechtsprechung für Fragen der gesellschaftsinternen Kompetenzverteilung besondere Bedeutung gewonnen hat.255 Daneben wird das Mitgliedsschutzargument insbesondere von Reuter noch in einer weiteren Facette vertreten,256 die sich in etwa wie folgt darstellt: Verfolge der Verein hauptsächlich eigenwirtschaftliche Zwecke, versage das zentrale Mitgliederschutzrecht des Vereinsrechts, die Austrittsdrohung nach § 39 BGB, weil es die Vereinsführung nicht mehr präventiv zur Rücksichtnahme auf die Vorstellungen der Minderheit angehörender Mitglieder anhalten könne. Denn dann komme es dem Verein nicht in erster Linie auf die Erhaltung des Mitgliederbestandes an, sondern auf die Erhaltung des Vereinsvermögens.257 In diesem Fall sei nur noch ein (vom Vereinsrecht nicht vorgesehenes) mit Abfindungspflichten verbundenes Reuter, ZIP 1984, 1052, 1058. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 41; Leuschner, Konzernrecht, S. 160 ff.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 182 f.; Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 228; ähnlich Karsch, Fußballbundesligaverein, S. 59 f. 252 Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 41; Lettl, Wertrecht, S. 81 f. 253  s. zur Gegenauffassung – Berücksichtigung des Mitgliederschutzgedankens durch „Typenverfeinerung“ über die Fortentwicklung des Vereinsrechts statt für Rechtsformzwang – K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 14 f.; ders., Verbandszweck, S. 98 f.; ähnlich auch Leuschner, Konzernrecht, S. 164 ff. 254 s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn. 21; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 41; Lettl, Wertrecht, S. 84 ff.; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 25; Segna, Vorstandskontrolle, S. 71 ff. 255  Vgl. zu diesem Themenkomplex näher unten, § 5. 256 s. Reuter, NZG 2008, 881, 883, 886; MünchKomm/ders. §§ 21, 22 Rn. 11 ff.; s.a. Henze, Non Profit Law Yearbook 2004 (2005), 17, 37. 257 s. Reuter, NZG 2008, 881, 883. 250 

251  s.

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Austrittsrecht geeignet, die Führung des Vereins auf die Vorstellungen der (zur Minderheit gehörenden) Mitglieder des Vereins anzuhalten. Deswegen müsse sichergestellt sein, dass der Verein Zwecke verfolgt, für die seine Führung auf die ideelle Unterstützung von möglichst vielen Mitgliedern angewiesen ist.258 Weil sich an dem Leerlauf des § 39 BGB nichts ändere, wenn der Verein die eigenwirtschaftlichen Zwecke in der Form eines auf eine Tochtergesellschaft ausgegliederten Geschäftsbetriebes verfolge, sei auch dies von vornherein nur im Rahmen des Nebenzweckprivilegs zulässig, ohne dass es auf die von der h.M. vertretene Zurechnung nach konzernrechtlichen Grundsätzen ankomme.259 (3)  Schutz der Gläubiger des Vereins Ein Schwerpunkt der Kritik am ADAC-Urteil bündelt sich schließlich in dem Vorwurf, der Bundesgerichtshof habe übersehen, dass (auch oder nur) der Schutz der Gläubiger des Vereins für die Frage der Zurechnung zu berücksichtigen sei.260 Zur Begründung wird darauf verwiesen, die Stellung als herrschendes Unternehmen gefährde das Vereinsvermögen, etwa durch Abflüsse an die Tochtergesellschaften oder durch konzernrechtliche Haftungstatbestände.261 (4) Sozialschutz Gelegentlich finden sich auch noch (ergänzende) Verweise auf den Sozialschutz, worunter namentlich die Vorschriften über die unternehmerische Mitbestimmung subsumiert werden.262 bb)  Rechtstechnische Anknüpfungspunkte Die Frage, ob und wenn ja unter welchen genauen Voraussetzungen eine Zurechnung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs einer Beteiligungsgesellschaft zu erfolgen hat, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Auch hier trifft Reuter, NZG 2008, 881, 886. Reuter, NZG 2008, 881, 886. 260  Die Bedeutung des Schutzes der Vereinsgläubiger betonend etwa Balzer, ZIP 2001, 175, 182; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn. 21; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 41; ders., ZGR 2006, 137, 154 f.; Hammen, in: FS Raiser, 661, 667; Lettl, Wertrecht, S. 82 f.; Leusch­ner, Konzernrecht, S. 151 ff.; Menke, Betätigung, 187 ff.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1906 f.; ders., Vorstandskontrolle, S. 69; Wagner, NZG 1999, 463, 474; a.A. aber MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 12, 37 (mit Fn. 135) – allein der Schutz der Geschäftsgläubiger sei relevant. 261  s. etwa Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 41; ders., ZGR 2006, 137, 154 f. sowie die Nachweise in der vorigen Fn. 262  s. namentlich Reuter, ZIP 1984, S. 1052, 1059; MünchKomm/ders. §§ 21, 22 Rn. 17 f.; für (ergänzenden) Rückgriff auf Mitbestimmungsgesichtspunkte auch Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 41; skeptisch dagegen K. Schmidt, Verbandszweck, S. 127; ders., AcP 182 (1982), 1, 22 f.; ablehnend Flume, Jur. Person, S. 107 mit Fn. 48; Leuschner, Konzernrecht, S. 167. 258 s. 259 s.

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man wieder auf Problemannäherungen, die rechtstechnisch nicht zur Zurechnungsthematik gehören, sondern an die eigene Tätigkeit des Vereins (mit Bezug auf die Beteiligungsgesellschaften) anknüpfen. Nicht immer wird zwischen beiden Ebenen klar getrennt. (1)  Grundsätzliche Unbedenklichkeit von Minderheitsbeteiligungen Minderheitsbeteiligungen des Vereins an Gesellschaften, die wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, werden im Ergebnis ganz überwiegend für „unschädlich“ gehalten.263 (a)  Die Unbedenklichkeit als Zurechnungsfrage Um ein Zurechnungsproblem geht es dabei insoweit, als für die Beantwortung der Frage, ob der Verein über einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. der §§ 21, 22 BGB verfügt, die wirtschaftliche Betätigung der Beteiligungsgesellschaft herangezogen wird.264 Soweit die Literatur die Frage der Zurechnung bei Minderheitsbeteiligungen explizit anspricht, wird sie regelmäßig verneint.265 Zur Begründung wird insbesondere darauf hingewiesen, dass aus einer bloßen Minderheitsbeteiligung im Normalfall keine besonderen Haftungsrisiken des Vereins resultieren, die eine Zurechnung unter Gläubigerschutzgesichtspunkten geboten erscheinen lassen könnten. Eine Sonderstellung nimmt die Position Reuters ein, der mit Rücksicht auf Gesichtspunkte des Schutzes der Geschäftsgläubiger sowie des Mitgliederschutzes anders als die herrschende Ansicht jede Gesellschaftsbeteiligung unter Einschluss von Minderheitsbeteiligungen an Kapitalgesellschaften, Kommanditbeteiligungen und stillen Beteiligungen für eintragungsschädlich hält,266 soweit sie

263  So die Begriffsbildung bei K. Schmidt, Verbandszweck, S. 123; ders., AcP 182 (1982), 1, 21; i.E. ebenso, (teils mit sogleich noch zu behandelnden Einschränkungen) Fiedler, Konzernhaftung, S. 127 f.; Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 106, 114); Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 40; Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 665; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 188; Schießl, Ausgliederung, S. 147; Sprengel, VereinskonzernR, S. 273; RGRK/Steffen § 21 Rn. 6; Reichert/van Look, VereinsR, Rn. 110; abweichender Ansatz bei MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 11 ff., 37 ff.; ders., ZIP 1984, 1052, 1057, 1061. 264  Aus dieser Perspektive wird die Beteiligungsbildung z. B. behandelt von Fiedler, Konzernhaftung, S. 127 f.; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 188; Schießl, Ausgliederung, S. 147; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 123. 265  s. die Angaben in der vorigen Fn. 266  So explizit Reuter, ZIP 1984, 1052, 1057; s. daneben noch MünchKomm/ders. §§ 21, 22 Rn. 11 f., 15 und 37 ff.; s. dazu auch bereits oben, § 2 B.IV.2.b)aa)(1) und (2); vgl. auch Leuschner, Konzernrecht, S. 155 ff., wonach Minderheitsbeteiligungen sowie Beteiligungen als Genussrechtsinhaber oder stiller Gesellschafter zur Zurechnung führen sollen, wenn sie nicht mit „Eigenkapital unterlegt“ sind.

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nicht durch das Nebenzweckprivileg gedeckt sind.267 Reuters Position dürfte im Hinblick auf Minderheitsbeteiligungen, die keine Möglichkeit unternehmerischer Einflussnahme eröffnet, allerdings nicht den Zurechnungsansätzen zuzurechnen sein, denen es (im Sinne eines Zuordnungsdurchgriffs) um die Frage geht, unter welchen Voraussetzungen die wirtschaftliche Betätigung der Untergesellschaft dem Verein für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung wie eine eigene Tätigkeit zuzurechnen ist. Vielmehr zielt er, auch wenn er seine Schutzzwecküberlegungen gelegentlich auch in Zurechnungserwägungen kleidet,268 insoweit darauf, eine an die eigene vermögensverwaltende Tätigkeit des Vereins anknüpfende weitere Fallgruppe des Wirtschaftsvereins zu etablieren.269 Würde man auch im Hinblick auf Minderheitsbeteiligungen eine Zurechnungslösung verfolgen, hätte man sich im Übrigen der praktisch kaum sinnvoll zu bewältigenden Frage zu stellen, in welchem Umfang denn die Tätigkeit einer Beteiligungsgesellschaft, an der der Verein ggfs. nur ganz marginal beteiligt ist, ihm für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung (unter Einschluss der Prüfung anhand des Nebenzweckprivilegs) zuzurechnen ist.270 (b)  Die Unbedenklichkeit als Frage der eigenen Tätigkeit des Vereins Kommt eine Zurechnung der Tätigkeit der Beteiligungsgesellschaft nicht in Betracht, wird die davon getrennt zu haltende Frage praktisch, wie vor dem Hintergrund der §§ 21, 22 BGB die eigene Tätigkeit des Vereins zu bewerten ist, die dieser in Bezug auf die Gesellschaftsbeteiligungen entfaltet.271 Mit diesem Perspektivwechsel ändert sich zugleich auch die Bezugsgröße für eine etwaige Ergeb267 Im Ergebnis werden die praktischen Auswirkungen von Reuters Auffassung jedenfalls in einem gewissen Umfang dadurch relativiert, dass er das Nebenzweckprivileg eher großzügig versteht und auch nicht auf Zweckverwirklichungsbetriebe beschränkt: vgl. MünchKomm/ders. §§ 21, 22 Rn. 19 ff.; ders., ZIP 1984, 1052, 1060 ff. 268  s. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 39 (in Bezug auf Holdingvereine) in Auseinandersetzung mit der von ihm abgelehnten „konzernrechtlichen Zurechnung“: „Ein schlüssiges Argument für die Zurechnung der Wirtschaftstätigkeit von Tochter-AGs oder ­- GmbHs ergibt sich jedenfalls unter dem Gesichtspunkt Gläubigerschutz allein daraus, dass die Ausgliederung das entscheidende Defizit der wirtschaftlichen (Haupt-)Tätigkeit des Idealvereins, nämlich die fehlende Risikoempfindlichkeit der den Verein tragenden natürlichen Personen, nicht behebt. Die Ausstattung der Tochter-GmbH mit Vermögen in Höhe des Stammkapitals ändert nichts daran, dass keine der für ihre Politik unmittelbar oder mittelbar verantwortlichen Personen einen Verlust erleidet, wenn sie scheitert […].“ 269  s. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 15, 40 ff. 270  Nicht angesprochen auch bei Leuschner, Konzernrecht, S. 155 ff., nach dessen Ansatz im Falle der Fremdfinanzierung von (Minderheits-)Beteiligungen (Genussrechten; stillen Beteiligungen) eine Zurechnung zu bejahen sein soll. 271  Vgl. aus dieser Perspektive der eigenen Betätigung des Vereins etwa Reichert/van Look, VereinsR, Rn. 110; RGRK/Steffen § 21 Rn. 6; s.a. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 40, aber ohne klare Abgrenzung zur Zurechnungsfrage; tendenziell in einander übergehende Behandlung beider Aspekte auch bei Sprengel, VereinskonzernR, S. 273.

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niskorrektur anhand des Nebentätigkeitsprivilegs; die wirtschaftliche Betätigung der Beteiligungsgesellschaft kann – mangels Zurechnung – in diesem Fall keine Rolle mehr spielen. Unter welchen Voraussetzungen die Tätigkeiten, die der Verein selbst in Bezug auf die Beteiligungsgesellschaften entfaltet, als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einzuordnen sind, ist nicht so klar, wie dies auf den ersten Blick scheint.272 Im Ausgangspunkt wird aber ganz überwiegend davon ausgegangen, dass der Erwerb von Beteiligungen, die ausschließlich zum Zwecke der Vermögensanlage, d.h. der Verwaltung eigenen Vermögens des Vereins erfolgen, als unproblematisch einzuordnen ist.273 Dies wird man dann konsequenter Weise insgesamt auf den Erwerb, die Verwaltung durch Wahrnehmung der Gesellschafterrechte und auch die gelegentliche Veräußerung im Rahmen einer Umschichtung des Anlageportfolios beziehen müssen. Warum die Verwaltung eigenen Vermögens keine auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtete Betätigung darstellen soll, wird vielfach nicht näher dargelegt. Soweit Begründungen gegeben werden, lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze identifizieren. Ein Begründungsstrang verdankt sich einer Anleihe bei § 14 AO, wonach ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur dann vorliegt, wenn die fragliche Tätigkeit „über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht.“ Angesichts des Wortlauts der §§ 21, 22 BGB liegt es bei einem begrifflich orientierten Ansatz nahe, diese steuerrechtliche Definition auch für die Vereinsklassenabgrenzung nutzbar zu machen.274 Näher an der herrschenden Meinung zur Vereinsklassenabgrenzung als diese begriffliche Anleihe beim Steuerrecht liegt der Rückgriff auf die von K. Schmidt begründete Lehre einer systematisch-teleologischen Typenbildung.275 Die Verwaltung eigenen Vermögens lässt sich keiner der drei in Umsetzung dieses Ansatzes gebildeten Fallgruppen des Wirtschaftsvereins zuordnen. Insbesondere sind auch die Fallgruppen einer unternehmerischen Tätigkeit an einem inneren oder äußeren Markt nicht erfüllt, weil dies eine planmäßig anbietende Teilnahme am Marktgeschehen voraussetzen würde.276 Vor diesem Hintergrund muss es zumindest auf den ersten Blick verwundern, wenn in der Literatur gleichwohl verbreitet gesagt wird, dass in der Vermögensverwaltung nicht der Hauptzweck bzw. die Haupttätigkeit des Vereins liegen dür-

272 

s.a. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 41: Meinungsstand „recht undurchsichtig“. etwa Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 40; Reichert/van Look, VereinsR, Rn. 110; RGRK/Steffen § 21 Rn. 6; Sprengel, VereinskonzernR, S. 273. 274  So explizit Reichert/van Look, VereinsR, Rn. 108; dagegen aber Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 106): Vereine i.S. des § 21 BGB seien nur Vereine mit idealen Tendenzen; vgl. auch Reuter, NZG 2008, 881, 882. 275  s. o., A.I.2.b). 276 Vgl. Reuter, NZG 2008, 881, 882, der daher für die Bildung einer weiteren Fallgruppe des vermögensverwaltenden Vereins eintritt: MünchKomm/ders., §§ 21, 22 Rn. 15, 40 ff.; vgl. zur ähnlich gelagerten Diskussion um den Gewerbebegriff Baumbach/Hopt, HGB, § 1 Rn. 13. 273  s.

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fe.277 Denn wenn sich die Verwaltung eigenen Vermögens auf Basis der systematisch-teleologischen Typenbildung nicht als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb qualifizieren lässt, stellt sich die Frage, warum sie gleichwohl am Nebenzweckprivileg zu messen sein soll, dessen Bedeutung als Korrektiv nur dann relevant werden kann, wenn überhaupt eine grundsätzlich eintragungsschädliche Tätigkeit vorliegt. Letztlich verbergen sich hinter dieser Aussage – soweit zu ihrer Begründung überhaupt Näheres ausgeführt wird – wohl im Einzelnen ganz verschiedene Positionen. Bei Flume versteht sich das Verbot der Vermögensverwaltung als Haupttätigkeit vor dem Hintergrund, dass er unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte der §§ 21, 22 BGB als nichtwirtschaftlichen Verein i.S. des § 21 BGB nur solche Vereine ankerkennt, die tatsächlich ideelle Tendenzen verfolgen (Idealverein im engeren Sinne). Den Gegensatz bildet nach seiner Auffassung die Betätigung in wirtschaftlichen Geschäften, zu denen – in Ermangelung einer idealen Tendenz – auch die Vermögensverwaltung zu rechnen sei.278 Nach dieser Ansicht, die allerdings von der herrschenden Meinung nicht geteilt wird,279 erscheint es in der Tat konsequent, die Vermögensverwaltung von Anfang an am Nebenzweckprivileg zu messen. Aber auch bei Stimmen, die sich der Problematik von der Position der herrschenden Ansicht zur Vereinsklassenabgrenzung her nähern, findet sich das Postulat, die Vermögensverwaltung dürfe nicht die Haupttätigkeit des Vereins ausmachen. Diese beschränken sich inhaltlich aber zumeist auf den Sonderfall, dass die Vermögensverwaltung gerade im Interesse der Mitglieder erfolgt bzw. sogar Gewinnausschüttungen zu Gunsten der Mitglieder stattfinden.280 Auf die mit einer solchen Zwecksetzung einhergehenden spezifischen Probleme des Gläubiger- und Mitgliederschutzes sei das Vereinsrecht, das weder Ausschüttungssperren noch Ausschüttungsgarantien kenne, im Gegensatz zum Handelsvereinsrecht in keiner Weise zugeschnitten, so dass derartige Gestaltungen unter teleologischen Gesichtspunkten generell auf die entsprechenden Rechtsformen des Handelsvereinsrechts verwiesen werden müssen.281 Ein anderer Erklärungsansatz für das gleiche Ergebnis liegt darin, dass in derartigen Gestaltungen eine Fallgruppe des wirtschaftlichen Vereins mit anbietender Tätigkeit an einem inneren Markt (Vermögensverwaltung als angebotene Leistung) zu sehen sei.282 Wo 277  So im Ergebnis (teils noch mit einschränkenden Zusätzen, jedenfalls aber mit z.T. stark voneinander abweichen Begründungen) etwa Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 106); Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 40; Hammen, in: FS Raiser, 661, 665; Reichert, VereinsR, Rn. 137; Reuter, NZG 2008, 881, 883, 886; Sprengel, VereinskonzernR, S. 273; Reichert/ van Look, VereinsR, Rn. 110. 278 s. Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 106). 279  Sympathien aber z. B. bei Reuter, NZG 2008, 881, 882. 280  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 40; Reichert/van Look, Vereinsrecht, Rn. 110; vgl. auch K. Schmidt, Verbandszweck, S. 123 f.; ders., AcP 182 (1982), 1, 21. 281  K. Schmidt, Verbandszweck, S. 124; ders., AcP 182 (1982), 1, 21; dem folgend auch Lettl, AcP (203) 2003, 149, 177; s.a. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 40. 282  So etwa Hemmerich, Möglichkeiten, S. 68 ff.; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 40; Reichert/van Look, VereinsR, Rn. 110.

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es dagegen an einer solchen Einschränkung auf die Sonderkonstellation von Vereinen fehlt, die Vermögensverwaltung im Mitgliederinteresse betreiben,283 bleibt auf Basis der h.A. unerklärt, warum die Vermögensverwaltung ganz generell nicht auch die Haupttätigkeit des Vereins ausmachen darf. Die Probe aufs Exempel wäre etwa in dem Fall eines Vereins zu sehen, dessen Tätigkeit überwiegend auf die Vermögensverwaltung entfällt, während er sich Übrigen unter Nutzung der erzielten Überschüsse Maßnahmen der Förderung z. B. des Amateursports widmet. Die herrschende Ansicht müsste hier – unbeschadet der Rede davon, dass die Vermögensverwaltung nicht Haupttätigkeit sein darf – zur Annahme eines nichtwirtschaftlichen Vereins gelangen: Denn wenn sich die Vermögensverwaltung keiner der systematisch-teleologisch gebildeten Typen des Wirtschaftsvereins zuordnen lässt, ändert sich daran auch nichts, wenn sie die Tätigkeit des Vereins quantitativ dominiert. Flume würde für das geschilderte Beispiel dagegen mangels ideeller Haupttätigkeit des Vereins vom Vorliegen eines Wirtschaftsvereins ausgehen.284 Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man mit Reuter auf Basis seiner Überlegungen zum Gläubiger- und Mitgliederschutz davon ausgeht, die von K. Schmidt entwickelten drei Typen von Betätigungsformen, die ausschließlich den Rechtsformen des Handelsvereinsrechts vorbehalten sind, sei um die Fallgruppe des Vereins zur hauptsächlichen Verwaltung eines Vermögens zu erweitern.285 (2)  Anknüpfung an Mehrheits-, Abhängigkeits- oder Konzernverhältnis Den Schwerpunkt der Diskussion um die Eintragungsschädlichkeit von Gesellschaftsbeteiligungen betrifft Gestaltungen, in denen die Beteiligungshöhe über eine schlichte Minderheitsbeteiligung hinausgeht und unternehmerischen Einfluss vermittelt. Dabei stehen Zurechnungsüberlegungen fast ganz im Vordergrund. Es fehlt bislang jedoch an einem einheitlichen Maßstab. (a)  Schlichte Mehrheitsbeteiligung So wird gelegentlich bereits eine schlichte Mehrheitsbeteiligung für ausreichend gehalten, ohne dass es darauf ankommen soll, ob der Verein Unternehmer ist oder ob sich die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG widerlegen lassen würde.286

283  s. z. B. Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 665; Reichert, VereinsR, Rn. 137; Anlehnung an Flumes Begründung wohl bei Sprengel, VereinskonzernR, S. 273. 284 s. Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 106). 285 s. Reuter, NZG 2008, 881, 883, 886; MünchKomm/ders. §§ 21, 22 Rn. 15, 40 ff.; s. dazu auch bereits oben, § 2 B.IV.b)aa)(2). 286  So ausdrücklich Lettl, Wertrecht, S. 84, 89.

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(b)  Abhängigkeitsverhältnis i.S. von § 17 AktG K. Schmidt hält demgegenüber das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses i.S. des § 17 AktG für maßgeblich,287 ist also für die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung offen, so dass nach seiner Auffassung auch eine Mehrheitsbeteiligung zumindest nicht zwingend zur Zurechnung führt. Trotz der Anknüpfung an den Abhängigkeitsbegriff des § 17 AktG will er allerdings nicht voraussetzen, dass der herrschende Verein den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff ausfüllen muss.288 Es gehe nicht um konzernrechtliches Schutzrecht gegenüber einem herrschenden Unternehmen, sondern vorgelagert um die Qualifizierung des Vereins als Unternehmen. Diese sei wegen der damit einhergehenden Haftungsrisiken bereits dann gerechtfertigt, wenn der Verein die Möglichkeit habe, beherrschenden Einfluss auszuüben.289 (c)  Abhängigkeitsverhältnis und Unternehmenseigenschaft Ein weiterer Teil der Literatur knüpft wie K. Schmidt an den Abhängigkeitstatbestand an, fordert aber zusätzlich, dass es sich beim Mutterverein um ein Unternehmen im Sinne des Konzernrechts handeln muss.290 (d)  Ausübung von Leitungsmacht i.S. des § 18 Abs. 1 AktG Nach einer wieder anderen Ansicht ist über die bloße Abhängigkeit hinaus die Ausübung von Leitungsmacht i.S. von § 18 Abs. 1 AktG zu fordern.291 Das überschneidet sich mit der Anknüpfung an den Abhängigkeitstatbestand, soweit die Vermutungsregelung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG von der Abhängigkeit auf den Konzern schließt. Ist die Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG widerlegt, scheidet nach dieser Ansicht eine Zurechnung jedoch aus. Von den Vertretern dieser Ansicht wird dabei (zumindest implizit) vorausgesetzt, dass es sich beim herrschenden Verein um ein Unternehmen i.S. des konzernrechtlichen Unternehmensbegriffs handelt.

s. etwa K. Schmidt, Verbandszweck, S. 127 f.; ders., AcP 182 (1982), 1, 23. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 128. 289 s. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 128; ders., AcP 182 (1982), 1, 23; i.E. auch Fiedler, Konzernhaftung, S. 125 ff., aber mit systematisch nicht befriedigender Begründung (faktische Beherrschung genüge nicht, Zurechnung soll sich aber daraus rechtfertigen, dass sich der Verein typischerweise gegenüber den kreditgebenden Banken verbürgen müsse). 290 s. Balzer, ZIP 2001, 175, 182; Habersack, in: Scherrer, Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 51 ff.; Henze, Non Profit Law Yearbook 2004 (2005), 17, 35; Küting/Strauß, Konzern 2013, 390, 395 ff.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1906; Wagner, NZG 1999, 469, 474; wohl auch Sprengel, VereinskonzernR, S. 274 ff. 285 f.; Küting/Strauß, Der Konzern, S. 390, 400 mit Fn. 127. 291  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 42; Schießl, Ausgliederung, S. 151 f.; wohl auch Flume, Jur. Person, § 4 III (S. 114); Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn. 21 (S. 541): Zurechnung „jedenfalls in Konzernen (§ 18 AktG)“. 287 

288 s.

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Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass nicht immer ganz deutlich wird, was von den Vertretern dieser Ansicht mit der Bezugnahme auf die „Ausübung von Leitungsmacht“ genau gemeint ist. So ist bei Hadding zwar zunächst ganz allgemein von Leitungsmacht i.S. des § 18 AktG die Rede, so dass eigentlich bereits die schlichte Aufnahme einheitlicher Leitung genügen müsste. Konkretisierend wird dann aber gesagt, im faktischen Konzern müsse der Verein „geschäftsleitend in der Tochtergesellschaft tätig geworden sein, ohne angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft zu nehmen“.292 Darin liegt jedoch keine Umschreibung des (engen oder weiten) Begriffs der einheitlichen Leitung, sondern die Wiedergabe eines Teils des (überholten) Haftungstatbestands des qualifiziert faktischen Konzerns in der Fassung der TBB-Entscheidung.293 Nur vor diesem Hintergrund ergibt auch die Aussage Sinn, mit der Ausübung von Leitungsmacht werde die „Risikoschwelle zu einer konzernrechtlichen Haftung des Vereins überschritten“.294 Denn im vertragslosen Aktienkonzern kommt es nach dem Haftungskonzept der §§ 311, 317 AktG gerade nicht darauf an, ob über die einfache Abhängigkeit hinaus auch konzernstiftende einheitliche Leitung gegeben ist. Andererseits grenzt sich Hadding aber auch von einer Ansicht ab, die allein im Vertragskonzern und bei qualifiziert faktischer Konzernierung eine Zurechnung vornehmen will,295 so dass letztlich offen bleiben muss, worauf er genau abstellt.296 (e)  Beherrschungsvertrag und qualifiziert faktischer Konzern Wie soeben bereits angesprochen wird gelegentlich auch das Vorliegen eines qualifizierten Konzerntatbestandes gefordert. So wollen Steinbeck und Menke eine Zurechnung nur bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages bzw. im qualifiziert faktischen Konzern vornehmen,297 weil sich die Rechtslage unter Haftungsgesichtspunkten bei Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines einfachen Konzerns nicht wesentlich von derjenigen bei Vorliegen einer Minderheitsbeteiligung unterscheide. Leuschner bejaht eine Zurechnung bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages, bei der Übernahme einer Position als unbeschränkt persönlich haftender Gesellschafter sowie bei Gestaltungen auf vertraglicher Grundlage, die 292 

s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 42 (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. den ersten Leitsatz der Entscheidung BGHZ 122, 123: „Der eine GmbH beherrschende Unternehmensgesellschafter haftet entsprechend den AktG §§ 302, 303, wenn er die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübt, die keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt, ohne daß sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren ließe.“ 294  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 42. 295  s. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 42 mit Fn. 201. 296 Auch bei Schießl, Ausgliederung, S. 152 ff. finden sich Formulierungen, die im Grunde nur zu den überkommenen Haftungsgrundsätzen des qualifiziert faktischen Konzerns analog § 302 AktG passen, obwohl er diesen ausdrücklich gesondert behandelt. 297 s. Menke, Betätigung, S. 200 ff.; Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 229; gegen eine Zurechnung selbst unter diesen Voraussetzungen Hemmerich, Möglichkeiten, S. 137 ff. 293 

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zur Übernahme einer unbeschränkten Haftung für unternehmerische Risiken führen.298 (f)  Eigene beteiligungsbezogene Tätigkeit des Vereins Was die eigene, beteiligungsbezogene Tätigkeit des Vereins als Ansatzpunkt für die Feststellung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs angeht, war darauf bereits ein erstes Mal im Zusammenhang mit der Frage der Eintragungsschädlichkeit von Minderheitsbeteiligungen einzugehen.299 Die Frage, wie die eigene (beteiligungsbezogene) Tätigkeit des Vereins im Hinblick auf die §§ 21, 22 BGB zu bewerten ist, stellt sich aber natürlich ganz genauso, wenn Mehrheitsbeteiligungen des Vereins in Rede stehen.300 Sie wird hier nur vielfach von geringerer praktischer Bedeutung sein, jedenfalls soweit man mit einer der soeben dargestellten Ansichten zu dem Ergebnis gelangt, dem Verein sei – eintragungsschädlich – der nicht durch das Nebenzweckprivileg gedeckte wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Tochtergesellschaft zuzurechnen. Darin liegt jedoch kein Grund, sie vollständig auszublenden, wie dies in der Literatur nicht selten geschieht.301 In der Sache ist zunächst –soweit es auch bei dem Erwerb der Mehrheitsbeteiligung nur um die Verwaltung des eigenen Vermögens des Vereins geht – auf das bereits im Zusammenhang mit Minderheitsbeteiligungen des Vereins Ausgeführte zu verweisen.302 Soweit hierzu überhaupt ein klares Meinungsbild festzustellen ist,303 dürften sich die in der Literatur insoweit geäußerten Ansichten jeweils auch auf die Tätigkeit des Vereins bei Verwaltung einer Mehrheitsbeteiligung übertragen lassen. Davon abgesehen zeigt der Sachverhalt des ADAC-Urteils aber, dass das mögliche Spektrum beteiligungsbezogener eigener Aktivitäten des Vereins bei Mehrheitsbeteiligungen deutlich breiter ist. So hatte der ADAC seiner Tochtergesellschaft bei ihrer unternehmerischen Tätigkeit vielfältige Hilfstätigkeiten geleistet, die in dieser Form praktisch nur dann vorstellbar sind, wenn eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt. Hinzu kommen spezifische Maßnahmen der Gruppenleitung, die jedenfalls einen beherrschenden Einfluss voraussetzen.304 Hinsichtlich all dieser Maßnahmen liegt die entscheidende Frage darin, inwieweit sich eine derartige Unterstützungstätigkeit gegenüber einer Tochtergesellschaft mit Hilfe der von der h.M. praktizierten

Leuschner, Konzernrecht, S. 159. s. o., § 2 B.IV.2.b)bb)(1)(b). 300  Dies entspricht dem vom BGH in der ADAC-Entscheidung verfolgten zweigleisigen Argumentation: vgl. dazu oben, § 2 B.IV.2.a)aa)(2). 301  Auch die Behandlung dieses Aspekts durch das ADAC-Urteil ist in der Literatur zumeist ausgeblendet worden: s. Hammen, in: FS Raiser, S. 661, 671. 302  s. o., § 2 B.IV.2.b)bb)(1)(b). 303  s. zu den diesbezüglichen Problemen gleichfalls oben, § 2 B.IV.2.b)bb)(1)(b). 304 s.a. Servatius, KTS 2008, 347, 350. 298 s. 299 

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systematisch-teleologischen Typenbildung überhaupt als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb qualifizieren lässt.305 3. Stellungnahme K. Schmidt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zurechnungsfrage nur teilweise ein Problem des tatsächlichen und rechtlichen Befundes, im Übrigen aber ein Wertungsproblem sei.306 Dem wird bei der Stellungnahme Rechnung zu tragen sein. a)  Zur Schutzrichtung der Zurechnungsoperation Für die Frage der Zurechnung der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Tochtergesellschaft zum Verein ist jedenfalls auf die Schutzinteressen der Gläubiger des Vereins abzustellen. Darüber hinaus sind unter gewissen Voraussetzungen auch die Interessen der Gläubiger der Tochtergesellschaft berücksichtigungsfähig, ohne das dieser Gesichtspunkt aber selbständiges Gewicht gewinnt. Der Mitgliederschutz hat demgegenüber für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung. Gleiches gilt für den Sozialschutz. aa)  Schutz der Vereinsgläubiger Im Einheitsverein wird für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung in zutreffender Weise leitend auf die Schutzinteressen der Gläubiger abgestellt.307 Die Schutzinteressen der Vereinsgläubiger bleiben für die Vereinsklassenabgrenzung auch dann maßgeblich, wenn der Verein über eine Tochtergesellschaft verfügt, die ihrerseits Gläubiger hat.308 Beispielhaft verdeutlichen lassen sich diese Überlegungen anhand der Konstellation eines eingetragenen Vereins, der seiner Tochter-AG, die über einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfügt, über einen Beherrschungsvertrag verbunden ist. Trotz der grundsätzlich getrennten Rechtssphären eröffnet dies dem Verein einerseits weitgehende Befugnisse, in die Leitung der konzernierten Gesellschaft einzugreifen, führt aber nach § 302 AktG auch zu einer Einstandspflicht, die das gesamte Risiko der unternehmerischen Tätigkeit der Tochter umfasst. Diese Gestaltung ist nach ihren Rechtsfolgen einer eigenen wirtschaftlichen Betätigung des Vereins so ähnlich, dass eine Zurechnung unabweisbar 305  Insoweit kritisch zur ADAC-Entscheidung K. Schmidt, NJW 1983, 543, 545; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 51; vgl. auch Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 43 mit Fn. 205, die Rechtsprechung des BGH sei insoweit „unklar“. 306 s. K. Schmidt, NJW 1983, 543, 545; ebenso Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 196; Schießl, Ausgliederung, S. 146. 307  Vgl. die Nachweise oben, § 2 A.II.2.b). 308 Vgl. die Nachweise oben, § 2 IV.2.b)aa)(3); a.A. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 12, 37 (mit Fn. 135), der allein die Interessen der Geschäftsgläubiger, d.h. der Gläubiger der Tochtergesellschaft, für tangiert hält.

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erscheint. Wenn es dem Verein aus Gläubigerschutzgründen wegen der damit verbundenen Risiken versagt ist, einen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu unterhalten, muss das gleiche auch dann gelten, wenn ihn die Risiken eines solchen Geschäftsbetriebs aus der Sphäre einer vertraglich beherrschten Tochter treffen. bb)  Schutz der Gläubiger der Tochtergesellschaft Bejaht man die Zurechnung bereits mit Rücksicht auf den Schutzbedarf der Vereinsgläubiger, hat die Frage, ob auch den Schutzinteressen der Gläubiger der Tochtergesellschaft Rechnung getragen werden muss, nur noch ergänzende Bedeutung. Davon abgesehen ist sie auch schwieriger zu beurteilen. Zu dem wenig klaren Stand der Diskussion hat dabei auch die nicht immer glückliche Argumentation des Bundesgerichtshofs im ADAC-Urteil beigetragen,309 die in der Literatur zu Recht kritisiert worden ist.310 Wenn man mit dem BGH die gläubigerschützende Funktion der §§ 317 Abs. 4 i.V.m. 309 Abs. 4 S. 3 AktG dadurch als beeinträchtigt ansieht, dass es dem Haftungssubjekt „eingetragener Verein“ u.a. an einer zwingenden Mindestkapitalausstattung fehlt, lässt sich dieses Defizit nicht sinnvoll mit der Erwägung überwinden, dass § 317 AktG neben der Haftung des herrschenden Unternehmens auch die Haftung der gesetzlichen Vertreter dieses Unternehmens vorsieht und dass dies Schwächen der Haftung des Unternehmens ausgleiche. Denn das Gesetz ordnet Unternehmens- und Vertreterhaftung parallel an.311 Auch wenn das Kompensationsargument des BGH nicht überzeugt, ist damit noch nicht gesagt, dass die Schutzinteressen der Gläubiger der Tochtergesellschaft zwingend für die Zurechnungsfrage zu berücksichtigen sind. Denn die Argumentation des Bundesgerichtshofs ist bereits auf einer vorgelagerten Ebene Zweifeln ausgesetzt. Auf dieser geht es um die Frage, ob sich aus den vom Bundesgerichtshof als Ausgangspunkt in Bezug genommenen konzernrechtlichen Vorschriften überhaupt spezifische Anforderungen an das Haftungssubjekt ableiten lassen, oder – anders gewendet – ob die vom Bundesgerichtshof vorausgesetzte Ausgleichsbedürftigkeit der identifizierten Defizite durch den normativen Anknüpfungspunkt überhaupt vorgegeben wird. Dagegen spricht, dass die konzernrechtliche Unternehmenshaftung unabhängig von Rechtsform und Haftungsverfassung des herrschenden Unternehmens angeordnet wird. Das Konzernrecht nimmt als Haftungssubjekt – vereinfacht gesagt – was es eben bekommen kann, unter Einschluss etwa von natürlichen Personen, privaten Stiftungen, juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Unternehmergesellschaften mit Minimalkapital, allen möglichen Rechtsträgern des ausländischen Rechts und eben auch Vereinen.312 Dies ist ge309 

s. o., § 2 B.IV.2.a)aa)(1). Vgl. die Nachweise oben, § 2 B.IV.2.b)aa)(1). 311 s. Reuter, ZIP 1984, 1052, 1056; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 129. 312 s. allg. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 2 Rn. 9 m.w.N.; Hüffer/Koch, AktG, § 311 Rn. 8; s. zur Unternehmenseigenschaft von Vereinen auch schon ausführlich oben, § 2 B.III.4.a). 310 

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meint, wenn Hadding und andere sagen, dass das Konzernrecht keinen Anspruch auf eine bestimmte Haftungsverfassung vermittelt, und daraus schließen wollen, die Interessen der Gläubiger der Tochtergesellschaft seien für die Zurechnungsfrage nicht zu berücksichtigen.313 Aus Perspektive dieser Ansicht ist die vom Bundesgerichtshof aufgeworfene Frage nach der Kompensation einer Schwäche des Vereins als Haftungssubjekt daher von vornherein falsch gestellt.314 So gesehen schadet es dann auch nicht, wenn sie nicht überzeugend beantwortet wird. Bei näherer Betrachtung liegt aber auch in der Erkenntnis, dass sich aus konzernrechtlichen Haftungsnormen – Entsprechendes gilt für die allgemein-gesellschaftsrechtlichen Einstandspflichten, die den Verein in Gruppenzusammenhängen treffen können – keine besonderen Anforderungen an die Haftungsverfassung des herrschenden Unternehmens ableiten lassen, noch keine endgültige Antwort hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Schutzinteressen der Tochtergläubiger für die Zurechnungsfrage. Denn klar ist damit nur, dass der Bedarf für eine Zurechnung nicht unmittelbar aus dem Zweck der konzernrechtlichen Haftungsanordnungen selbst abgeleitet werden kann. Dagegen ist noch keine Aussage über die Frage getroffen, ob sich eine entsprechende Wertung – unter Einbeziehung der für sich genommen neutralen konzernrechtlichen Haftungsordnungen – nicht unmittelbar aus den §§ 21, 22 BGB entnehmen lässt.315 Legt man auch für diese Frage den Vertragskonzern als gedanklichen Ausgangspunkt zugrunde, lässt sich das nicht ganz von der Hand weisen. Zwar erhalten die Geschäftsgläubiger durch die Zwischenschaltung der Kapitalgesellschaft einen Primärschuldner in einer der Rechtsformen, die das Gesetz für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe vorgesehen hat. Durch die Einbindung in den Vertragskonzern und die organisationsrechtlichen Auswirkungen des Unternehmensvertrages wird die rechtliche Selbständigkeit der Tochter aber recht weitgehend überformt. Das zeigt sich an der rechtlich abgesicherten Möglichkeit der Weisungserteilung und der Durchbrechung wichtiger gläubigerschützender Vorschriften auf der Ebene der Tochtergesellschaft (vgl. §§ 291 Abs. 3 AktG, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG), auf die § 302 AktG mit der Verlagerung des vollen unternehmerischen Risikos auf den Verein als Gruppenspitze reagiert. Die Gläubiger der Tochtergesellschaft befinden sich damit zwar nicht in exakt der gleichen Lage wie die Gläubiger des Vereins. Auch ihre Gläubigerinteressen richten sich aber nun primär auf den Verein und dessen Leistungsfähigkeit. Insgesamt sind damit die Ähnlichkeiten zwischen der Rechtsstellung der Vereinsgläubiger und der Gläubiger der Tochtergesellschaft aber so stark ausgeprägt, dass es gerechtfertigt erscheint, die Schutzinteressen beider Gläubigergruppen auch für die Zwecke der 313 

s. o., § 2 B.IV.2.b)aa)(1). So ausdrücklich Lettl, Wertrecht, S. 82. 315  Aus hiesiger Perspektive daher nicht konsequent genug Lettl, Wertrecht, S. 80 ff., der ausdrücklich ankündigt, die Frage der Zurechnung sei alleine eine des Normzwecks der §§ 21, 22 BGB (S. 80), dann aber seine Überlegungen mit einer Begründung abschließt, die sich sachlich in der Feststellung erschöpft, dass die Vorschriften des Konzernrechts keine Zurechnung gebieten. 314 

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Vereinsklassenabgrenzung in gleicher Weise zu berücksichtigen.316 Dies zeigt, dass jedenfalls in bestimmten Konstellationen auch die Schutzinteressen der Gläubiger der Tochtergesellschaft für die Zurechnungsfrage zu berücksichtigen sind, freilich – weil in den betreffenden Situationen stets auch das Interesse der Vereinsgläubiger betroffen ist – ohne dass dem eigenständige Bedeutung zukommt. Nicht zu folgen ist dagegen den weitergehenden Überlegungen, die Reuter im Hinblick auf den Schutz der Geschäftsgläubiger anstellt.317 Die von ihm verfolgte These, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften müssten letztlich immer an die – durch einen eigenen Investitionsbeitrag aktivierten – Interessen natürlicher Personen als Anteilseigner rückgebunden sein, hat im geltenden Recht keine hinreichende Basis.318 Für die Vorschriften des Konzernrechts wurde bereits dargelegt, dass sich aus ihnen keine Vorgaben für Rechtsform und Haftungsverfassung von herrschenden Unternehmen ableiten lassen. Aber auch die Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts über die Aufbringung und Erhaltung eines Grund- bzw. Stammkapitals, an die Reuter anknüpfen möchte,319 geben für einen solchen Grundsatz nichts her. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob man ihr Ziel in der Schaffung einer Haftungsgrundlage oder, so die Ansicht Reuters, in der Risikobeteiligung der Mitglieder sieht. Denn auch dann bezieht sich die Anordnung einer solchen Risikobeteiligung nur auf den Gesellschafter selbst, d.h. im Falle der Gründung einer Kapitalgesellschaft durch einen Verein auf diesen. Dagegen besagen die Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts nicht, dass der Gesellschafter, sofern nicht ohnehin natürliche Person, über natürliche Personen als Mitglieder verfügen muss, die ihrerseits einen Kapitalbeitrag erbracht haben. Zulässig ist die Gesellschaftsgründung etwa vielmehr auch durch private Stiftungen und juristische Personen des öffentlichen Rechts. Auch nach ausländischem Recht gegründeten Rechtsträgern, die den von Reuter genannten Bedingungen nicht entsprechen, steht der Erwerb von Beteiligungen an deutschen Kapitalgesellschaften ohne jede Einschränkung offen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Reuters These von der positiven Verhaltenssteuerung durch Rückbindung an persönlich investierte natürliche Personen auch für sich genommen Zweifeln unterliegt. Unterstellt man die Möglichkeit, dass die Risikobeteiligung durch einen eigenen Kapitalbeitrag der Mitglieder dazu führen kann, dass diese auf eine risikobewusste Unternehmensführung hin316  Besonders plastisch lässt sich dies am Beispiel eines Vereins zeigen, der – von vornherein eintragungsunschädlich – einen Teil seiner nichtwirtschaftlichen Betätigung auf eine beherrschungsvertraglich gebundene GmbH ausgegliedert hat. Deren Gläubiger sind durch die Aufnahme eines das Nebenzweckprivileg sprengenden wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs des Vereins im Ergebnis genauso betroffen wie die Vereinsgläubiger selbst, und zwar unabhängig davon, ob der Verein diese Tätigkeit selbst aufnimmt oder ob er sie über eine wiederum unternehmensvertraglich verbundene weitere Tochtergesellschaft ausübt. 317 s. Reuter, ZIP 1984, 1052, 1057; näher dazu oben, § 2 B.IV.2.b)bb)(1). 318 s.a. Fiedler, Konzernhaftung, S. 126; ablehnend auch Leuschner, Konzernrecht, S. 160 ff. 319  Vgl. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 11.

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wirken, ist dieser Grundsatz jedenfalls durch die Einführung der UG durchbrochen, weil damit bis zum Mindesteinsatz von einem Euro ein beliebiger Zuschnitt des einzusetzenden Minimalkapitals möglich wird. Das deutsche Recht lässt damit (anfänglich) kapitallose bzw. mit einem Anfangskapital ausgestattete Kapitalgesellschaften zu, das auch bei optimistischer Sichtweise nicht mit der Erwartung einer Verhaltenssteuerung durch eigene Risikobeteiligung belastet werden kann. Abgesehen davon verlangt das Gesetz auch bei einer GmbH oder AG mit dem Mindeststamm- bzw. Mindestgrundkapital von € 25.000 bzw. € 50.000 nicht, dass der einzelne Gesellschafter oder Aktionär mehr als einen Euro investiert.320 Fehlt es aber an einem auch die individuelle Mindestbeteiligung absichernden Mechanismus, unterläuft auch dies die These, das Kapitalgesellschaftsrecht setzte in systematischer Weise darauf, letztverantwortliche natürliche Personen über den Hebel eigener wirtschaftlicher Betroffenheit auf ein bestimmtes Verhalten zu verpflichten. Eine weitere Ausformung dieses Einwandes folgt daraus, dass wegen der Fixierung der Mindestkapitalziffer auf den Betrag von € 25.000 bzw. € 50.000 keine systematische Beziehung zwischen eigenem Risikobeitrag des Gesellschafters und den von der Gesellschaft eingegangenen Risiken hergestellt werden kann. Reuter erkennt diesen strukturellen Schwachpunkt im System fixer Mindestkapitalziffern, soweit er feststellt, als Haftungsgrundlage sei das Grundbzw. Stammkapital von seiner gesetzlich garantierten Größe her weder geeignet noch bestimmt.321 Aus genau dem gleichen Grund lässt sich damit aber auch der Gedanke einer systematischen Verhaltenssteuerung des Kapitalgesellschafters nicht sinnvoll verbinden. cc) Mitgliederschutz Für die Zurechnungsfrage grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist der Gesichtspunkt des Schutzes der Vereinsmitglieder. Der insoweit von Teilen der Literatur angesprochene Schutzbedarf aufgrund der Mediatisierung des Mitgliedereinflusses ist nicht spezifisch mit der Frage der Vereinsklassenabgrenzung verknüpft, sondern ergibt sich generell (betätigungsübergreifend) als Folge der Gründung oder des Erwerbs von Tochtergesellschaften. Dies zeigt sich daran, dass die angesprochene Problematik auch dann auftritt, wenn eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, die durch einen eingetragenen Verein ohne weiteres selbst ausgeübt werden kann, auf eine Tochtergesellschaft ausgelagert wird. Hier lässt sich aber mit einem Zurechnungsdurchgriff nicht helfen, weil dem Verein keine Tätigkeit zugerechnet werden kann, die ihm nach §§ 21, 22 BGB verwehrt wäre. Die Lösung dieses Mitgliederschutzproblems ist daher sinnvollerweise auf einer anderen Ebene, nämlich in der Auslegung und Fortbildung des Vereinsrechts zu suchen,322 zumal auch das

320 

Vgl. § 5 GmbHG, § 8 Abs. 2 S. 1,2, Abs. 3 S. 3 AktG. §§ 21, 22 Rn. 11. 322  s. dazu noch ausführlich unten, § 7 D. 321 MünchKomm/Reuter

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Kapitalgesellschaftsrecht auf die Bewältigung dieser Problematik nicht spezifisch eingerichtet ist.323 Gleiches gilt im Ergebnis auch für die von Reuter vertretene Fassung des Mitgliederschutzarguments, wonach ein Leerlaufen der Austrittsdrohung nach § 39 BGB vermieden werden müsse, um die Vereinsführung zur Rücksichtnahme auf die Vorstellungen der zur Minderheit gehörenden Mitglieder anzuhalten.324 Zunächst ist nicht ganz einsichtig, warum Reuter das von ihm identifizierte Problem der Verhaltenssteuerung der Vereinsführung nur als ein Problem des Minderheitenschutzes und allein unter dem Gesichtspunkt des leerlaufenden Austrittsrechts behandelt. Denn wenn der Vorstand, wie Reuter schildert, weder auf die ideellen noch die materiellen Beiträge der Vereinsmitglieder angewiesen ist, liegt zunächst einmal kein spezifisches Minderheitenschutzproblem vor, sondern es geht um das Problem der Rückbindung der Verwaltung an den Mitglieder(mehrheits)willen. Dessen Lösung liegt aber in erster Linie nicht in der (ggfs. gemeinschaftlichen) Wahrnehmung des individuellen Austrittsrechts, sondern auf der Ebene der kollektiven Kompetenzen der Mitgliederversammlung, etwa durch die Erteilung von Weisungen oder die Nutzung der Möglichkeit, den Vorstand abzuberufen. Hier müsste dementsprechend auch eine ggfs. erforderlich werdende Fortentwicklung des Vereinsrechts ansetzen. Ein spezifisches Minderheitenschutzproblem kann auf dieser Basis nur dann entstehen, wenn neben dem Vorstand auch die Mitgliedermehrheit den Interessen der Minderheit nicht ausreichend Rechnung trägt. Insoweit trifft Reuters Ansatz – wo die Austrittsdrohung versagt, bleibt der Anwendungsbereich von § 21 BGB verschlossen – auf das generelle Problem, dass § 39 BGB als einziges zwingendes Instrument des individuellen Mitgliederschutzes in einer großen Vielzahl von (historisch gewachsenen) Fallgestaltungen versagt, die schwerlich alle aus dem Anwendungsbereich von § 21 BGB ausgeschlossen werden können. Denn die Austrittsdrohung greift als Instrument zur Disziplinierung von Mehrheit und Vereinsführung letztlich bei allen Vereinen nicht, die in der Vergangenheit zur Vermögensbildung in der Lage gewesen sind und die die Mitglieder an den daraus resultierenden Vorteilen partizipieren lassen können.325 Dies dürfte z. B. auch für viele Sportvereine gelten, weil sich wegen der vielfach erforderlichen Grundstücke und Anlagen auch eine substantielle Minderheit der Mitglieder häufig schon aus finanziellen Gründen nicht zu einer Alternativgründung in der Lage finden 323  Insbesondere bestehen insoweit Parallelen zwischen Verein und GmbH, vgl. auch noch § 6. 324 s. Reuter, NZG 2008, 881, 883, 886. 325  s. für eine überzeugende Skizzierung der Problemlage bereits im Jahr 1899, Leist, Vereinsherrschaft, S. 4 ff.; gesehen wird dieser Aspekt im Grundsatz auch bei MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 16, der aber meint, solche Situationen blieben der Ausnahmefall, während sie im Verein mit Geschäftsbetrieb den Regelfall bilden. Aus hiesiger Perspektive handelt es sich aber um ein viel weiter reichendes Problem, das nicht für Vereine mit Geschäftsbetrieb spezifisch ist; s.a. das Beispiel sogleich im Text.

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wird.326 Zugespitzt lässt sich formulieren: Die von Reuter identifizierte Problemlage ist kein spezifisches Problem des Vereins mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb, sondern ein Problem des vermögenden Vereins – und insoweit ein Problem einer großen Teilmenge aller Idealvereine. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerechter, Reuters Bedenken im Hinblick auf den Mitgliederschutz durch die Fortentwicklung des Vereinsrechts Rechnung zu tragen.327 Auch wenn der Mitgliederschutz damit nicht generell als Schutzgut der Vereinsklassenabgrenzung zu berücksichtigen ist, gibt es doch besondere Gestaltungen, die auch mit Rücksicht auf den Mitgliederschutz auf das Kapitalgesellschaftsrecht zu verweisen sind. Dies gilt namentlich für Gestaltungen, in denen die Vereinsmitgliedschaft in einer Weise gestaltet wird, dass sie die Qualitäten eines GmbH-Anteils oder einer Aktie nachahmt, indem sie von einem Kapitalbeitrag abhängige Gewinnansprüche vermittelt. K. Schmidt hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass das Vereinsrecht, das „weder gläubigerschützende Ausschüttungsverbote noch mitgliederschützende Ausschüttungsgarantien“ kennt, auf derartige Gestaltungen und die damit verbundenen Schutzinteressen – unter Einschluss der Schutzinteressen der Mitglieder – institutionell nicht zugeschnitten ist.328 Da in derartigen Fällen aber zugleich immer auch das Schutzinteresse der Gläubiger mitbetroffen ist, gewinnt der Gesichtspunkt des Mitgliederschutzes insoweit keine selbständige Bedeutung. dd) Sozialschutz Es erscheint schließlich auch nicht sachgerecht, eine grundlegende Frage wie die Vereinsklassenabgrenzung mit Hilfe einer Spezialmaterie wie der unternehmerischen Mitbestimmung zu bewältigen, deren Geltungsanspruch auch im Bereich der Handelsvereine auf einen Ausschnitt von Rechtsträgern beschränkt ist, die 326  Alternativ zur Neugründung kann zwar auch der Wechsel in einen anderen Verein in Betracht kommen. Die Effektivität der Austrittsdrohung ist aber bereits immer schon dann beeinträchtigt, wenn der Wechsel in einen Alternativverein nicht ohne nennenswerte nachteilige Effekte möglich ist, wie sie in der Praxis häufig auftreten werden (z. B. längere Anfahrt, höhere oder weitere Kosten, etwa erneute Zahlung einer signifikanten Aufnahmegebühr, Verlust sozialer Kontakte etc.). 327  Dies entspricht dem Vorschlag K. Schmidts, der für eine Typenverfeinerung plädiert, vgl. ders., AcP 182 (1982), 1, 14 f.; ders., Verbandszweck, S. 98 f. 328  K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 21; ders., Verbandszweck, S. 123 f.; ähnlich Lettl, AcP 203 (2003), 149, 177; vgl. auch OLG Stuttgart OLGZ 1971, 465; vgl. auch bereits die Nachweise oben, § 2 B.IV.2.b)bb)(1)(b); als nicht plausibel bezeichnet wird die Argumentation K. Schmidts von Leuschner, Konzernrecht, S. 165 (mit Fn. 146), und zwar mit dem Argument, auch im Kapitalgesellschaftsrecht bestehe kein „Ausschüttungsverbot“; dabei nimmt er Bezug auf MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 42, der darauf hinweist, es gebe selbst im Aktienrecht als dem strengsten Recht kein Verbot von Gewinnausschüttungen. Genau deshalb liegt es aber nahe, K. Schmidt nicht zu unterstellen, er habe – statt von z. B. von Vorschriften wie den §§ 30 ff. GmbHG, §§ 57, 62 AktG – von einem nicht existierenden Gewinnausschüttungsverbot reden wollen.

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eine besonders hohe Arbeitnehmerzahl aufweisen.329 Zudem ist zu berücksichtigen, dass § 1 Abs. 4 Nr. 1 MitbestG selbst bei den grundsätzlich erfassten Rechtsformen die Nichtanwendung des Mitbestimmungsgesetzes anordnet, wenn das Unternehmen politische, koalitionspolitische, konfessionelle, karitative, erzieherische, wissenschaftliche oder künstlerischen Zwecke verfolgt. In diesem Fall ist bei der Muttergesellschaft ein Konzernaufsichtsrat auch dann nicht zu bilden, wenn die Tochtergesellschaften keine privilegierten Zwecke verfolgen.330 In der Praxis wären daher zahlreiche eingetragene Vereine selbst dann von der Geltung des Mitbestimmungsgesetzes ausgeschlossen, wenn § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG auch den Verein erfassen würde. b)  Zu den Zurechnungsvoraussetzungen Hinsichtlich der Zurechnungsvoraussetzungen lassen sich zunächst zwei Pole festlegen: Bloße Minderheitsbeteiligungen genügen für die Rechtfertigung der Zurechnung jedenfalls nicht (aa)), während der Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages jedenfalls ausreicht (bb)). Für den dazwischen liegenden Bereich bereitet die Stellungnahme größere Probleme (cc)). aa)  Einfache gesellschaftsrechtliche Beteiligungen Mit dem ganz überwiegenden Teil der Literatur ist davon auszugehen, dass bei einfachen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen, die keinen beherrschenden Einfluss eröffnen, grundsätzlich keine Zurechnung erfolgt. Derartige Gesellschaftsbeteiligungen sind unter dem Gesichtspunkt der Verwaltung eigenen Vermögens vielmehr grundsätzlich als zulässig anzusehen.331 Die Vermögensverwaltung darf allerdings nicht dem Zweck dienen, Gewinne zu erzielen, um diese an die Mitglieder auszuschütten.332 Auf die mit einer solchen Zwecksetzung einhergehenden spezifischen Probleme des Gläubiger- und Mitgliederschutzes ist das Vereinsrecht, das weder Ausschüttungssperren noch Ausschüttungsgarantien kennt, im Gegensatz im Handelsvereinsrecht in keiner Weise zugeschnitten, so dass derartige Gestaltungen unter teleologischen Gesichtspunkten generell auf die entsprechenden Rechtsformen des Handelsvereinsrechts verwiesen werden müssen.333 tendenziell auch K. Schmidt, Verbandszweck, S. 127; ders., AcP 182 (1982), 1, 22 f.; ablehnend auch Flume, Jur. Person, § 4 II (S. 107) mit Fn. 48. 330  s. MünchKommAktG/Gach § 1 MitbestG Rn. 37. 331  Vgl. die Nachweise oben bei § 2 B.IV.2.b)bb)(1). 332  Vgl. Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn. 40; Lettl, AcP (203) 2003, 149, 172 ff.; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 123 ff.; ders., AcP 182 (1982), 1, 21. 333 s. Lettl, AcP (203) 2003, 149, 177; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 124; s.a. Soergel/ Hadding §§ 21, 22 Rn. 40: Fallgruppe des wirtschaftlichen Vereins mit anbietender Tätigkeit an einem inneren Markt (Vermögensverwaltung als angebotene Leistung); weitergehend MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 40 ff., wonach generell auch vereinsförmige Gemeinschaftseinrichtungen nicht unter § 21 BGB passen sollen. 329  So

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

bb)  Vertragskonzern und haftungsrechtlich vergleichbare Gestaltungen Schließt der Verein mit einer AG oder GmbH einen Unternehmensvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 AktG, führt dies zur direkten oder analogen Anwendung von § 302 AktG und damit zu einer systematischen Verlagerung des Unternehmensrisikos der Tochtergesellschaft auf den Mutterverein. Eine Zurechnung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Tochter zum Verein für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung ist vor diesem Hintergrund unabweisbar.334 Auf der Basis der Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern schien es unter Zurechnungsgesichtspunkten konsequent, dem Vertragskonzern den qualifiziert faktischen Konzern gleichzustellen, an den sich gleichfalls die Pflicht zum Verlustausgleich nach § 302 AktG (analog) knüpfte.335 Nach der Aufgabe dieses Rechtsinstituts, die sich nach zutreffender Ansicht auch auf den Aktienkonzern erstreckt,336 ist dafür jedoch die Basis entfallen. Wegen der damit verbundenen Übernahme des vollen wirtschaftlichen Risikos gilt im Übrigen auch für die Beteiligung an einer OHG oder die Übernahme der Komplementärposition in einer KG bzw. KGaA dasselbe wie bei Abschluss eines Unternehmensvertrages i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG.337 Auch schuldrechtliche Verpflichtungen, die zur uneingeschränkten Übernahme der unternehmerischen Risiken eines Beteiligungsunternehmens oder eines Dritten führen, müssen vor diesem Hintergrund zur Folge haben, dass dessen Geschäftsbetrieb dem Verein für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung zugerechnet werden muss.338 Wenn es entscheidend auf die Übernahme unbeschränkter Haftungsrisiken aus unternehmerischer Tätigkeit ankommt, kann die Art und Weise der Übernahme dieser Risiken keine entscheidende Rolle spielen. cc)  Zurechnung unterhalb der Schwelle des Vertragskonzerns Oberhalb der Schwelle einer beherrschenden Einfluss vermittelnden Beteiligung und unterhalb der Schwelle vertraglicher Konzernierung ergeben sich für eine sinnvolle Bestimmung des Zurechnungstatbestandes erhebliche Schwierigkeiten.

334  s. bereits oben, B.IV.3.a)aa); Fiedler, Konzernhaftung, S. 125; Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 195; Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 229 f.; Leuschner, Konzernrecht, S. 159. 335  So denn auch Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 203 ff.; Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 229; Leuschner, Konzernrecht, S. 159. 336  s. o., § 2 B.III.4.c)aa). 337 s.a. Fiedler, Konzernhaftung, S. 125; Flume, Jur. Person, § 4 II 1 (S. 107); K. Schmidt, Verbandszweck, S. 124 f.; Sprengel, VereinskonzernR, S. 271; Sauter/Schweyer/Waldner, Verein, Rn. 46. 338 s.a. Leuschner, Konzernrecht, S. 159.

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(1)  Zur Anknüpfung an die Unternehmenseigenschaft Das lässt sich zunächst anhand der Frage verdeutlichen, ob die Zurechnung davon abhängig gemacht werden sollte, dass es sich bei dem herrschenden Verein um ein Unternehmen im Sinne des Konzernrechts handelt,339 wie dies in der Literatur verschiedentlich gefordert wird.340 Dieser Ansatz ist von dem nachvollziehbaren Bestreben getragen, den Zurechnungstatbestand mit einem zusätzlichen qualitativen Merkmal anzureichern, das die Zurechnung auf solche Gestaltungen beschränken soll, die nachteilige Eingriffe (und damit zugleich auch daraus resultierende Einstandspflichten des Vereins) zumindest nach der tradierten Ansicht, die Grundlage des Aktienkonzernrechts bildet, besonders nahe legen, während die Zurechnung bei schlichter Beherrschung als zu weitgehend empfunden wird.341 Eine auch systematisch überzeugende Durchführung dieses Gedankens trifft jedoch auf Schwierigkeiten. Das lässt sich am Beispiel von Vereinen verdeutlichen, die ausschließlich an einer oder mehreren Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH beteiligt sind und mit diesen auch keinen Unternehmensvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 AktG geschlossen haben. Man kann hier zwar auf die Unternehmenseigenschaft abstellen und danach fragen, ob der Verein eine oder mehrere maßgebliche Beteiligungen hält.342 Nur stellt man dann auf einen Umstand ab, der für mögliche Einstandspflichten des herrschenden Vereins nach gegenwärtigem Entwicklungsstand bedeutungslos ist. Denn die Normen des Aktienkonzernrechts, für die die Einordnung als Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn relevant wäre, finden insoweit keine (analoge) Anwendung. Gehaftet wird – unabhängig von der Unternehmenseigenschaft des Vereins – wegen Treuepflichtverletzungen und nach § 826 BGB wegen existenzvernichtender Eingriffe. In dieser Situation lässt sich die Sinnhaftigkeit einer Differenzierung nach der Unternehmenseigenschaft jedenfalls nicht mit Unterschieden im einschlägigen Haftungsregime belegen.343 Es bliebe die Möglichkeit, unbeschadet mangelnder Auswirkungen auf der Ebene der anwendbaren Haftungstatbestände an die Wertung anzuknüpfen, die dem konzernrechtlichen Unternehmensbegriff zugrunde liegt und sozusagen abstrakt auf die Zuspitzung möglicher Interessenkonflikte durch eine anderweitige unternehmerische Bindung abzustellen. Die Rechtfertigung, für Zurechnungszwecke an die Unternehmenseigenschaft anzuknüpfen, wäre dann in der als Folge der typisierten Konfliktlage erhöhten Wahrscheinlichkeit zu sehen, dass sich der Verein durch Verletzungen der Treuepflicht oder Verstöße gegen das Verbot der Existenzver339  s. zu den Voraussetzungen, unter denen der Verein als Unternehmen im Sinne des Konzernrechts einzuordnen ist, oben III.4.a). 340  Vgl. die Nachweise oben, § 2 B.IV.2.b)bb)(2)(c). 341  s. etwa Habersack, in: Scherrer, Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 52; vgl. auch Henze, Non Profit Law Yearbook 2004 (2005), S. 17, 35. 342  Die Abgrenzungsfrage entfällt, wenn man alle Idealvereine per se als Unternehmen behandelt: dagegen oben, B.III.4.a)cc). 343 s.a. Leuschner, Konzernrecht, S. 158.

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

nichtung besonderen Haftungsrisiken aussetzt. Besonders überzeugend erscheint eine solche „normunabhängige“ Anknüpfung an die Unternehmenseigenschaft des herrschenden Vereins freilich nicht, zumal wenn man als mitschwingendes Motiv für den Abbruch der Fortentwicklung des GmbH-Konzernrechts seit der Entscheidung in Sachen Bremer Vulkan zumindest auch in Betracht zieht, dass zuvor „die Interessengefährdung durch eine auch anderweit engagierte Obergesellschaft zu hoch und durch die einflussreichen Privatgesellschafter zu niedrig bewertet wurde, weil auch die Muttergesellschaften ihre Töchter vielfach unterstützen und beherrschende Kapitalgesellschafter ihr Unternehmen erheblich schädigen können.“344 Vor diesem Hintergrund ist einer „normunabhängigen“ Anknüpfung an den Unternehmensbegriff nicht zu folgen. (2)  Mehrheit, Abhängigkeit, Konzern Was die (sonstigen) Voraussetzungen einer Zurechnung angeht, ist zunächst festzuhalten, dass entgegen vereinzelten Stimmen im Schrifttum keinesfalls schon jede Mehrheitsbeteiligung genügen kann. Es gibt Konstellationen – darauf basiert auch die Fassung von § 17 Abs. 2 AktG als widerlegliche Vermutung – in denen eine Mehrheitsbeteiligung keinen beherrschenden Einfluss vermittelt.345 In diesen Fällen kann sie auch unter Zurechnungsaspekten nicht anders als eine Minderheitsbeteiligung eingeordnet werden. Aber auch dann, wenn die aus der Mehrheitsbeteiligung fließenden Möglichkeiten der Einflussnahme uneingeschränkt zur Verfügung stehen, kann dies die Zurechnung nicht rechtfertigen, und zwar unabhängig davon, ob man zusätzlich auf den Unternehmensbegriff abstellt oder nicht. Die einleitenden Überlegungen (oben, § 4 B.III., insb. 1.a)cc)) haben gezeigt, dass das bloße Innehaben einer herrschenden Position im deutschen Recht für sich genommen noch keine Einstandspflichten des herrschenden Unternehmens oder Kapitalgesellschafters auslöst. Auf solche Einstandspflichten kommt es bei der Frage der Zurechnung der wirtschaftlichen Betätigung von Beteiligungsgesellschaften im Rahmen der Vereinsklassenabgrenzung aber gerade an, weil (erst) hierdurch die zu berücksichtigenden Schutzinteressen der Gläubiger in besonderer Weise berührt werden.346 Das gilt für die Vereinsgläubiger wie für die Gesellschaftsgläubiger und auch unabhängig von der konkreten Ausformung der Einstandspflicht als Außenoder Innenhaftung.347 Daher kann auch die Anknüpfung an die Beherrschung die 344 s. Wiedemann, ZGR 2011, 183, 217, der dies als eine mögliche Motivation des Bundesgerichtshofs in Betracht zieht; s. andererseits aber auch Wazlawik, NZI 2009, 291, 294 f., mit Hinweis darauf, dass die Fälle, in denen die Existenzvernichtungshaftung relevant geworden ist, durchgehend Eingriffe eines noch anderweitig unternehmerisch tätigen Gesellschafters betrafen. 345 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 17 Rn. 19 ff. 346  s. zur Bestimmung der Schutzrichtung oben, § 2 B.IV.3.a). 347  Für die Vereinsgläubiger ist dies ohnehin gleichgültig und das Interesse der Gesellschaftsgläubiger ist auch dann noch hinreichend berührt, wenn sie über eine Innenhaftung des Vereins gegenüber der Gesellschaft mittelbar geschützt werden.

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Zurechnung keinesfalls per se, sondern allenfalls mit Hilfe der Zusatzüberlegung rechtfertigen, dass aus der mit der Beherrschung verbundenen Möglichkeit der Einflussnahme ein Haftungsrisiko resultiert, weil mit der Möglichkeit der Einflussnahme auch die Möglichkeit eines haftungsbegründenden Verhaltens einhergeht. Bereits in dieser bloßen Gefahr eine hinreichende Basis für eine Zurechnungsdurchgriff zu sehen, kann bei der gebotenen wertenden Betrachtung aber nicht überzeugen. Eine solche Fassung des Zurechnungstatbestandes wäre zu weitgehend und auch zu undifferenziert. Erfasst wären auch ganz unbedenkliche Konstellationen, etwa wenn sich der Verein gegenüber der Beteiligungsgesellschaft generell passiv verhält. Aber auch dann, wenn ein Verein seine Gesellschafterrolle aktiver interpretiert, muss das keinesfalls mit unbeherrschbaren Haftungsrisiken einhergehen. Ist der Verein etwa Alleingesellschafter einer GmbH und kommt deswegen eine Haftung wegen Treuepflichtverletzungen nicht in Betracht, greift eine Haftung für nachteilige Einflussnahmen vorbehaltlich der Erstattungspflicht nach §§ 30, 31 GmbHG nur in Fällen der Existenzvernichtung, was schon angesichts des doppelten Schädigungsvorsatzes ein beherrschbares Risiko sein dürfte.348 Darüber hinaus will die Anknüpfung an Haftungsrisiken, die aus der bloßen Möglichkeit einer (rechtswidrigen) Einflussnahme resultieren, auch generell nicht einleuchten, weil es keinen sachlichen Grund dafür gibt, dem Verein von vornherein die Befähigung dazu abzusprechen, seine Einflussnahmemöglichkeiten in einer rechtmäßigen Weise auszuüben.349 Schon mangels empirischer Belege verfängt auch das von Fiedler vorgebrachte Argument nicht, der herrschende Verein müsse sich typischerweise gegenüber wichtigen Gläubigern verbürgen.350 Liegt es im Einzelfall so, dass der Verein auf schuldrechtlicher Basis wesentliche unternehmerische Risiken seiner Tochtergesellschaft übernimmt, sollte aber auch dies wie die Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG zur Zurechnung führen.351 Damit ist im Prinzip auch bereits die Stellungnahme zu der Ansicht vorweggenommen, die auf die tatsächliche Ausübung von Leitungsmacht i.S. von § 18 AktG abstellen will. Dies schließt immerhin aus, dass einem Verein, der seine Gesellschafterrolle ganz passiv auslegt, die wirtschaftliche Betätigung der Beteiligungsgesellschaft zugerechnet wird und ist insoweit gegenüber der Anknüp348  Zu weit gehend daher die nivellierende Darstellung der Haftungsunterschiede bei GmbH und AG bei Küting/Strauß, Konzern 2013, 390, 400, die die Übertragung des anhand des Aktienkonzerns entwickelten Zurechnungskonzepts auf die GmbH als Untergesellschaft rechtfertigen soll (nicht hinreichend adressiert wird dabei auch die Frage, warum es auch bei der GmbH auf die Unternehmenseigenschaft ankommen soll, obgleich diese für sämtliche in Betracht kommende Haftungstatbestände irrelevant ist). 349  I.E. entspricht dies der Position von Menke, Wirtschaftliche Betätigung, S. 200 ff.; s.a. Steinbeck/Menke, SpuRt 1998, 226, 228 f.; §§ 21, 22 Rn. 39 fasst seine Einwände gegen die Zurechnungslösung dahin zusammen, dass die Normativbedingungen des Handelsrechts nicht dazu dienen, die Fähigkeit von AG, GmbH oder eG zur Erfüllung von Schadensersatzpflichten sicherzustellen. 350  Fiedler, Konzernhaftung, S. 126 ff. 351  s. bereits soeben, B.IV.3.b)cc).

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fung an die schlichte Abhängigkeit jedenfalls vorzugswürdig. Für einen überzeugenden Zurechnungstatbestand ist damit aber noch nicht viel gewonnen. Denn auch bei „Ausübung von Leitungsmacht“ ist – ganz abgesehen von dem Streit um die zutreffende Bestimmung des Begriffs der einheitlichen Leitung352 – eine große Bandbreite ganz unterschiedlicher Verhaltensweisen denkbar, die keinerlei Einstandspflichten auslösen. Hierin liegt das entscheidende Legitimationsdefizit dieser Ansicht, das sich auch durch eine dramatisierende Darstellung der Haftungsrisiken nicht überzeugend verdecken lässt.353 Eine Variante liegt darin, dass trotz der allgemein gehaltenen Anknüpfung an die „Ausübung von Leitungsmacht“ der Tatbestand auf eine Weise konkretisiert wird, die auf eine qualifiziert faktische Konzernierung hinausläuft oder zumindest bereits eine Nachteilszufügung umfasst.354 Auf der Basis der aufgegebenen Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern hätte eine solche Fassung des Zurechnungstatbestandes wegen der daran anknüpfenden vollen Verlustausgleichspflicht analog § 302 AktG durchaus Sinn ergeben.355 Nach Aufgabe dieses Rechtsinstituts als haftungsbegründendem Tatbestand erscheint es aber wenig sinnvoll, die Zurechnung von einer besonders qualifizierten Wahrnehmung der Leitungsmacht abhängig zu machen, zumal gerade die überzeugende Bestimmung des Tatbestandes zu den zentralen Problemen gehört hat, die zum Scheitern des Rechtsinstituts des qualifiziert faktischen Konzerns geführt haben.356

Emmerich/Habersack, KonzernR, § 4 Rn. 13 ff. s. etwa Schießl, Ausgliederung, S. 153, der insoweit z. B. ausführt: „Aufgrund der tatsächlichen Ausübung der Leitungsmacht wirkt durch das Konzernrecht das wirtschaftliche Risiko der Betätigung der Tochtergesellschaft auf den Verein als herrschendes Unternehmen zurück. […] Mit der tatsächlichen Wahrnehmung der aufgrund des Beherrschungstatbestandes gegebenen Einflussmöglichkeiten zum Nachteil des abhängigen Unternehmens hält der Verein auch nach der Ausgliederung das unternehmerische Risiko weiter in den Händen.“ – Zunächst legen diese Formulierungen unzutreffend nahe, die Ausübung von Leitungsmacht erfolge stets zum Nachteil des abhängigen Unternehmens. Auch führt nicht jede Nachteilszufügung zur Haftung. Bei der AG ist sie im Rahmen von § 311 AktG zulässig, bei der Einmann-GmbH bis zur Grenze der Existenzvernichtung. Schließlich führen die potentiell einschlägigen Haftungstatbestände (Treuepflicht, § 826 BGB, §§ 311, 317 AktG) anders als § 302 AktG auch nicht zu einer Verlagerung des vollen Unternehmensrisikos auf die Gruppenspitze, sondern „nur“ zur Schadensersatzpflicht. 354  Dies betrifft etwa Soergel/Hadding, §§ 21, 22 Rn. 42 und dazu bereits oben, B.IV.2.b) bb)(3); s.a. Reichert/van Look, VereinsR, Rn. 112a: „Die Beherrschung kann auf einem Unternehmensvertrag oder – faktisch – auf einer Mehrheitsbeteiligung und Ausübung von Leitungsmacht (…) unter Missbrauch der Gesellschafterstellung zum Nachteil der beherrschten Gesellschaft beruhen.“ 355  Folgt man der Literaturansicht, die für die Haftungsgrundsätze des qualifiziert faktischen Konzerns zumindest im Aktienkonzernrecht noch Raum sieht, gilt dies nach wie vor bei abhängigen Aktiengesellschaften; vgl. zum Streitstand oben, § 2 B.III.4.c)aa). 356 s. Hüffer, in: FS Goette, S. 191, 199 f. 352 Vgl. 353 

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c)  Eigene beteiligungsbezogene Betätigung des Vereins Angesichts der mit der Zurechnungsfrage verbundenen Zweifelsfragen verdient ein zurechnungsfreier Problemzugang, wie ihn der Ansatz bei der eigenen beteiligungsbezogenen Tätigkeit des Vereins bietet, besondere Aufmerksamkeit. Zu weitgehende Erwartungen sollte man damit allerdings nicht verbinden,357 da er seinerseits nicht frei von Problemen ist. aa)  Verwaltung eigenen Vermögens Auszugehen ist zunächst davon, dass das Halten von Minderheitsbeteiligungen unter dem Gesichtspunkt der Vermögensverwaltung keinen eintragungsschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins begründet. Dabei ist im Ergebnis gleichgültig, ob man zur Begründung auf den Rechtsgedanken des § 14 AO zurückgreift, oder ob man sich auf den Standpunkt zurückzieht, die Verwaltung eigenen Vermögens entspreche mangels planmäßig anbietender Teilnahme am Marktgeschehen keiner der drei unter systematisch-teleologischen Gesichtspunkten gebildeten Typen des Wirtschaftsvereins.358 Dem Vorschlag Reuters, als weitere Fallgruppe des Wirtschaftsvereins den vermögensverwaltenden Verein anzuerkennen, ist im Hinblick auf die Einwände gegen die von ihm verfolgten Schutzzwecküberlegungen nicht zu folgen.359 An diesem Ausgangspunkt kann sich auch dann nichts ändern, wenn statt Minderheits-Mehrheitsbeteiligungen in Rede stehen. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Verein auch die Mehrheitsbeteiligung wie eine Finanzanlage behandelt und seine Gesellschafterrechte nur in diesem Rahmen ausübt. Die vorgenannten Grundsätze gelten jedoch nur, solange die Satzung keine Gewinnansprüche der Mitglieder vorsieht. Insoweit ist in der Literatur überzeugend dargelegt worden, dass das Vereinsrecht auf die Bewältigung der Interessenkonflikte, die aus derartigen Gestaltungen resultieren, institutionell nicht zugeschnitten ist, so dass ihnen die Rechtsform des eingetragenen Vereins verschlossen bleiben muss.360 bb)  Unternehmerische Hilfstätigkeiten Schwieriger zu beurteilen ist es, wenn ein Verein für seine Tochtergesellschaften – und sei es auch nur im Anfangsstadium – umfangreiche, teils unentgeltliche Hilfstätigkeiten entfaltet, wie dies in dem der ADAC-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt der Fall war. Der Bundesgerichtshof hat darin zwar umstandslos einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins erblickt.361 Doch ist dies in der Literatur auf deutliche Kritik gestoßen. Reuter meint, wenn den mit der Optimistischer aber wohl Servatius, KTS 2008, 347, 350. Vgl. dazu bereits oben, § 2 B.IV.2.b)bb)(1)(b). 359  s. insoweit oben, § 2 B.IV.3.a)bb) und cc). 360  Vgl. oben, § 2 B.IV.3.a)cc) (a.E.). 361  Vgl. oben, § 2 B.IV.2.aa)(2). 357 

358 

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Sperrwirkung des § 22 BGB verfolgten Anliegen schon durch die Ausgliederung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs Rechnung getragen sei, sei dies nicht verständlich, weil durch die Hilfstätigkeit keines dieser Anliegen zusätzlich beeinträchtigt werde.362 K. Schmidt bemängelt, dass die zugrunde gelegte Definition des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs die Vorgaben der von ihm begründeten Typenlehre nicht (voll) berücksichtige.363 Geschäftstätigkeit in Wirtschaftsdingen mache noch keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb aus. Er hält es aber für möglich, die „(Rück-)Auslagerung von Unternehmenstätigkeiten nicht aus dem Verein, sondern (von der Tochter-AG) auf den Verein als das mögliche Zurechnungsmoment anzusehen“.364 Das steht allerdings in Widerspruch zum Ansatz des BGH, dem es insoweit gerade nicht um eine Zurechnungsoperation, sondern allein um die Bewertung der eigenen Tätigkeit des Vereins gegangen ist. Ungeachtet der Kritik ist der Ansatz des Bundesgerichtshofs aber durchaus konsequent. Rechtfertigen lässt er sich auf Basis der Überlegung, dass in den „Hilfstätigkeiten“ des ADAC durchgehend marktgängige Leistungen lagen, die die Tochtergesellschaft andernfalls entgeltlich von Dritten hätte beziehen müssen. Hätte der ADAC entgeltlich für Dritte Marktforschung betrieben oder Werbeaktionen durchgeführt, ihnen Daten potentieller Kunden verkauft, Geschäftsräume vermietet, Darlehen eingeräumt oder Personal überlassen, würde auch niemand daran zweifeln, dass solche Tätigkeiten einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen können. Dann ist auch nicht einzusehen, warum sich daran etwas ändern soll, wenn diese Leistungen gegenüber einer Tochtergesellschaft erbracht werden. Das gilt auch, soweit diese Leistungen z.T. unentgeltlich oder besonders günstig erbracht werden. Dann fehlt es mangels (voller) Gegenleistung der Tochter zwar an einem Leistungsaustausch, wie er für den unternehmerischen Volltypus des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs kennzeichnend ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass sich die gegenüber der hundertprozentigen Tochtergesellschaft unentgeltlich oder vergünstigt erbrachten Leistungen mittelbar wertsteigernd auf die vom Verein gehaltenen Anteile auswirken, so dass sich auch diese als (atypisches) Austauschgeschäft begreifen lassen. Dies spricht dafür, beide Konstellationen auch gleich zu behandeln, zumal die Unterschiede auch aus Perspektive der Vereinsgläubiger keine entscheidende Rolle spiele dürften. Erbringt der Verein für eine Tochtergesellschaft marktgängige Leistungen, begründet dies folglich einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der eintragungsschädlich ist, wenn er nicht durch das Nebenzweckprivileg gedeckt ist.

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s. MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 51. K. Schmidt, NJW 1983, 543, 545. 364  K. Schmidt, NJW 1983, 543, 545, mit Verweis auf seine Überlegungen in Rpfleger 1972, 349. 363 s.

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cc)  Konzernleitende Maßnahmen Darüber hinaus stellt sich die bislang noch wenig thematisierte Frage, wie konzern- bzw. gruppenleitende Maßnahmen des herrschenden Vereins im Hinblick auf die Vereinsklassenabgrenzung zu bewerten sind. Servatius hat hierzu in Reaktion auf das Kolpingwerk-Urteil vorgeschlagen, die „Konzernleitung gegenüber den abhängigen Gesellschaften als nach außen gerichtete unternehmerische Tätigkeit anzusehen“.365 Man müsse nur den für die Bejahung relevanten Markt aus der „konzernrechtlichen Innenperspektive heraus beurteilen und hierdurch dem durch die gesetzgeberische Differenzierung der verschiedenen Vereinsklassen zum Ausdruck kommenden Schutzanliegen Rechnung tragen“.366 Jedenfalls bei Konzernstrukturen verdeutlichten „§ 302 AktG und die Ausgleichs- und Schadensersatzpflichten des herrschenden Unternehmens als tragfähige Grundlage für eine entsprechende Rechtsfortbildung, dass es für den Gläubigerschutz nicht nur auf das Vermögen der Konzerntochter ankomme.“367 Zunächst wird man Servatius darin folgen können, dass die Konzernleitung gegenüber abhängigen Gesellschaften als eine nach außen gerichtete Tätigkeit anzusehen ist. Denn die Abhängigkeit ändert nichts an der rechtlichen Selbständigkeit der Tochtergesellschaften. Der Volltypus des unternehmerischen Vereins setzt allerdings nicht nur eine außengerichtete Tätigkeit voraus; erforderlich ist vielmehr, dass planmäßig auf Dauer entgeltliche Leistungen an einem äußeren Markt angeboten werden. Die Konzernleitung lässt sich unter diese Definition in Ermangelung eines Marktes für Konzernleitungsmaßnahmen aber kaum sinnvoll subsumieren.368 Davon abgesehen, bleibt das Problem, dass der konkrete Umfang der Konzernleitung stark variieren und auch nur ganz marginal ausfallen kann. Bildet aber nur diese eigene Tätigkeit des Vereins die Basis für Qualifikationsfrage, besteht daher die Möglichkeit, dass sie – ihre Einordnung als wirtschaftliche Betätigung i.S.v. §§ 21, 22 BGB einmal unterstellt – durch das Nebenzweckprivileg auch dann gedeckt wäre, wenn dies für den (dem Verein zugerechneten) Geschäftsbetrieb der Tochtergesellschaft ausscheiden müsste.369 Dies zeigt, dass sich die von Servatius angestrebten Ergebnisse systematisch zuverlässig nur im Wege des Zuordnungsdurchgriffs herleiten lassen, nicht durch die Anknüpfung an die eigene Tätigkeit des Vereins. Auch das von ihm im Kern verfolgte Argument – die Anknüpfung Servatius, KTS 2008, 347, 350. Servatius, a.a.O. 367  Servatius, a.a.O. 368  Insoweit besteht auch ein entscheidender Unterschied zu den vorstehend behandelten Hilfstätigkeiten des ADAC e.V. 369  Umgekehrt bestünde die Möglichkeit, dass der Verein bei intensiver Konzernleitung auch dann als Wirtschaftsverein zu qualifizieren wäre, wenn die Tätigkeit der Tochter-­ GmbH nichtwirtschaftlich ausgerichtet ist, so dass ihre Zurechnung nicht zur Qualifikation des Vereins als Wirtschaftsvereins führen würde. Auch dies zeigt, dass Anknüpfung an die Konzernleitung als solche wenig geeignet ist, sinnvolle Ergebnisse zu produzieren. 365 

366 

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

an das aus der Konzernleitung resultierende Haftungspotential des Vereins für Risiken der Untergesellschaft – scheint strukturell auf ein Durchgriffsargument hinauszulaufen. Insoweit ist aber an den dazu bereits getroffenen Ausführungen festzuhalten: Soweit § 302 AktG im Vertragskonzern zur Anwendung gelangt, ist darauf für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung mit der Zurechnung der Tätigkeit der Tochtergesellschaft zu reagieren. Auf die eigene (konzernleitende) Tätigkeit des Vereins und deren Umfang kommt es dann nicht mehr an. Im Übrigen können die abstrakten Ausgleichs- und Schadensersatzpflichten des (faktischen) Konzernrechts nach hier vertretener Ansicht weder eine Zurechnung tragen, noch rechtfertigen sie es, in der Konzernleitung selbst einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu erblicken.

C.  Zwischenbemerkung zum weiteren Vorgehen Folgt man einer in der Literatur verbreiteten Ansicht, dann hält sich die von den Vereinen des professionellen Fußballsports entfaltete Geschäftstätigkeit schon seit langem nicht mehr in den Grenzen des Nebenzweckprivilegs.370 Berücksichtigt man zudem die Kritik, die im Schrifttum verbreitet am ADAC-Urteil des Bundesgerichtshofs geübt worden ist, gerät überdies noch in Zweifel, ob bzw. unter welchen Bedingungen die Rechtsformverfehlung durch Ausgliederung auf eine Kapitalgesellschaft vermieden werden kann. Das mag die methodenkritisch motivierte Frage nahe legen, warum denn einerseits der Untersuchungsgegenstand auf den eingetragenen Verein verengt wird, andererseits aber der rechtstatsächliche Schwerpunkt ausgerechnet bei solchen Erscheinungsformen des eingetragenen Vereins gesucht wird, die nach verbreiteter Überzeugung einen pathologischen Fall desselben darstellen. Dazu ist vorsorglich zu sagen, dass praktisch relevante Rechtsprobleme nicht mit einem Hinweis darauf übergangen werden können, dass es sie nach Ansicht mancher Stimmen eigentlich gar nicht geben sollte. Das gilt erst Recht, wenn es um eine Praxis geht, die über Jahrzehnte von Vereinsbehörden und Registergerichten toleriert worden ist und die durch ein höchstrichterliches Judikat abgesichert wird, an dessen Revidierung offenbar weder der Bundesgerichtshof noch der Gesetzgeber ein gesteigertes Interesse haben.371 Unabhängig davon stellen sich ohnehin immer die gleichen Sachfragen, gleichgültig, ob nun eine geduldete Rechtsformverfehlung vorliegt oder nicht. Es spricht also auch inhaltlich nichts dagegen, das praktische Anschauungsmaterial nach pragmatischen Gesichtspunk370 Vgl. etwa bereits Heckelmann, AcP 179, 39 ff.; Knauth, Rechtsformverfehlung, S. 93 ff.; K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1, 3; ders., Verbandszweck, S. 194 ff.; Küting/Strauß, Konzern 2013, 390, 392; s. daneben aus jüngerer Zeit etwa Burghardt, Beteiligung, S. 102; Habersack, in: Scherrer, Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 53; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 26, 44 (jedenfalls die Vereine der 1. Bundesliga); ders., NZG 2008, 650, 651; Schießl, Ausgliederung, S. 45 f.; Staudinger/Weick § 21 Rn. 15; Erman/Westermann § 21 Rn. 5; s.a. NK-BGB/Heidel/Lochner § 21 Rn. 34. 371  s. dazu bereits oben, B.II.3.a)bb).

D.  Zusammenfassung und Ergebnisse

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ten aus einem Bereich zu wählen, der im Bereich der Satzungsgestaltung gleichermaßen variantenreiche und gut zugängliche Anschauungsbeispiele liefern kann. Im Übrigen ist nicht gesagt, dass die zutreffende Lösung einer etwaigen Rechtsformverfehlung im Bereich des Berufssports allein darin liegen kann, die damit zusammenhängenden Aktivitäten ganz aus dem Verein oder von ihm gehaltenen Gesellschaften zu verbannen. Vielmehr wird mit guten Gründen erwogen, in dieser Konstellation einen jener atypischen Fälle zu sehen, in denen eine Konzessionierung nach § 22 BGB erfolgen könnte.372 Auch auf den konzessionierten Verein sind die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse aber grundsätzlich übertragbar.

D.  Zusammenfassung und Ergebnisse 1. Mit K. Schmidt ist der wirtschaftliche vom nichtwirtschaftlichen Verein anhand einer systematisch-teleologisch orientierten Typenbildung vorzunehmen, die allerdings durch das Nebenzweckprivileg eine Durchbrechung erfährt. 2. Gegen die Übernahme der Position eines Gesellschafters in einer Personengesellschaft oder Mitglieds einer Körperschaft durch einen Verein lassen sich keine grundsätzlichen Einwände erheben. 3. Die Übernahme einer solchen Position kann sich allerdings auf die Vereinsklassenabgrenzung auswirken. Der Sache nach geht es dabei um die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dem Verein im Wege eines Zuordnungsdurchgriffs ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb der Untergesellschaft als eintragungsschädlich zugerechnet werden kann. 4. Von vornherein unproblematisch ist insoweit die Beteiligung an Personengesellschaften oder Körperschaften, die ihrerseits nichtwirtschaftliche Zwecke i.S.d. § 21 BGB verfolgen, weil dem Verein in diesem Fall nichts zugerechnet werden kann, was seiner Eintragungsfähigkeit schaden könnte. Ebenso verhält es sich, wenn sich die wirtschaftliche Betätigung der Beteiligungsgesellschaft bei unterstellter Zurechnung im Rahmen des Nebenzweckprivilegs hält. 5. In allen anderen Fällen wird die Frage der Zurechnung relevant. Für diese ist ebenso wie im Rahmen der Vereinsklassenabgrenzung im Einheitsverein leitend auf die Schutzinteressen der Vereinsgläubiger abzustellen. Daneben ist auch den Interessen der Gläubiger der Beteiligungsgesellschaft Rechnung zu tragen, ohne dass dem aber selbständige Bedeutung zukommt. Grundsätzlich keine Berücksichtigung finden Gesichtspunkte des Mitglieder- und Sozialschutzes. 6. Die Frage, wann mit Rücksicht auf die Schutzinteressen der Vereinsgläubiger dem Verein für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung die wirtschaftliche Betätigung der Beteiligungsgesellschaft zuzurechnen ist, ist zunächst eine Fra372  Die Diskussion kann im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter vertieft werden; s. näher Nahrwold, S. 195 ff.; MünchKomm/Reuter §§ 21, 22 Rn. 26; ders., npoR 2012, 101, 105; s.a. Küting/Strauß, Konzern 2013, 390, 400 ff.

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§ 2  Der eingetragene Verein als Gruppenspitze

ge der Einstandspflichten, die den Verein als Gesellschafter in Gruppensachverhalten gegenüber der Beteiligungsgesellschaft (oder ihren Gläubigern) treffen können, im Übrigen aber eine positivrechtlich nicht abschließend determinierte Wertungsfrage. 7. Was zunächst mögliche Einstandspflichten des Vereins angeht, gelten gegenüber den Einstandspflichten, die sich für Personengesellschaften, Körperschaften oder natürliche Personen in Gruppensachverhalten ergeben können, keine Besonderheiten. Einstandspflichten des Vereins kommen daher zunächst unter dem Gesichtspunkt einer Durchgriffshaftung in Betracht (insoweit aber nur unter engen Voraussetzungen), wegen Treuepflichtverletzungen, nach § 117 AktG sowie nach § 826 BGB unter dem Gesichtspunkt eines existenzvernichtenden Eingriffs. Im Vertragskonzern trifft den Verein insbesondere die Verlustausgleichpflicht nach § 302 AktG. Im faktischen Konzern ist er unter den Voraussetzungen des § 317 AktG Schadensersatzansprüchen der abhängigen Gesellschaft ausgesetzt. 8. Hinsichtlich der angesprochenen Wertungsfrage ist zu differenzieren: a) Eine Zurechnung der wirtschaftlichen Betätigung der Beteiligungsgesellschaft zum Verein hat dann zu erfolgen, wenn der Verein das volle unternehmerische Risiko der Beteiligungsgesellschaft trägt, ohne dass es eine Rolle spielt, wie dieses Risiko rechtstechnisch auf den Verein übergeleitet wird. In Betracht kommt der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages i.S.d. § 291 AktG mit der Rechtsfolge des § 302 AktG, die Übernahme unbeschränkter Gesellschafterhaftung in GbR, OHG oder KG sowie (unabhängig von der Gesellschafterstellung des Vereins) die rechtsgeschäftliche Risikoübernahme durch Bürgschaften, Garantien und vergleichbare Verpflichtungen. b) Unterhalb dieser Schwelle sind zunächst einfache gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, die keinen beherrschenden Einfluss vermitteln, als unbedenklich anzusehen. c) Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung gilt dies darüber hinaus auch für Gestaltungen zwischen diesen Polen, bei denen dem Verein zwar eine beherrschende Stellung zukommt, er diese aber nicht in einer Weise ausübt, die dazu führt, dass er für das wirtschaftliche Risiko der Beteiligungsgesellschaft einzustehen hat. Das gilt auch dann, wenn der Verein ein Unternehmen im Sinne des Konzernrechts ist sowie bei Ausübung von Leitungsmacht i.S. von § 18 AktG. 9. Auch was die eigene beteiligungsbezogene Betätigung des Vereins angeht, ist zu differenzieren. Die Verwaltung eigenen Vermögens durch den Verein begründet grundsätzlich keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Anknüpfungspunkte für eine wirtschaftliche Tätigkeit können sich jedoch daraus ergeben, dass der Verein gegenüber seinen Tochtergesellschaften unternehmerische Hilfs­tätigkeiten erbringt, bei denen es sich um marktgängige Leistungen handelt, die auch gegenüber Dritten hätten erbracht werden können. Dagegen ist die Tätigkeit der Konzernleitung als solche kein sinnvoller Anknüpfungspunkt für die Vereinsklassenabgrenzung.

§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive Die historische Entwicklung des BGB-Vereinsrechts ist, ohne in allen Einzelheiten vollständig erschlossen zu sein, bereits Gegenstand zahlreicher ausführlicher Untersuchungen.1 Sie ist zudem hinsichtlich zahlreicher ihrer Details für diese Arbeit auch gar nicht von Belang, so dass sich die Darstellung insoweit auf Grundzüge beschränken kann (A.). Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit rechtfertig allerdings einen näheren Blick auf die bislang nur wenig untersuchte Entstehung des Regelungskomplexes, der die Binnenorganisation des Vereins ausmacht (B.). Abschließend bietet der Zusammenhang Gelegenheit, zum vereinsrechtlichen Leitbild des Gesetzgebers Stellung zu nehmen (C.).

A.  Grundlinien der Entwicklung Aus gesellschaftshistorischer Perspektive lässt sich die Entstehung eines „Vereinslebens“ in Deutschland in nennenswertem Umfang erst auf die Endphase des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation datieren. In einer Übergangsphase von ständischer Bindung zu bürgerlicher Gesellschaft werden in den Jahren 1770 – 1800 eine große Zahl von privaten Zusammenschlüssen mit vereinsähnlichen Zügen gegründet, die im weitesten Sinne der Verfolgung geselliger und kultureller Zwecke zugeordnet werden können.2 Mit dem Vormärz treten vor allem im Rahmen der Arbeiterbewegung eine zunehmende Anzahl politisch motivierter Vereinigungen hinzu.3 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschleunigt sich die Entwicklung.4 Auch der überregionale Organisationsgrad der Vereine steigt. Dies gilt etwa für Berufs- und Interessenverbände, die um die Zeit der Reichsgründung verstärkt in das Blickfeld treten und standespolitische Außenaktivi1  Umfassende Darstellungen finden sich bei Kögler, Arbeiterbewegung, S. 52 – 11, sowie Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 125 – 190; s. zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 559 ff.; vgl. im Übrigen mit unterschiedlichen Schwerpunkten HKK/Bär, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. I, §§ 21 – 79; ders., Forum historiae iuris 1998, Rn. 151 ff.; ders., Vereinsautonomie, S. 127 ff.; Mummenhoff, Gründungssysteme, S. ff.; Oppenheimer, Jher. Jb. 47, S. 99 f.; Staudinger/Weick, Vorbem. Zu §§ 21 ff. Rn. 6 ff; s.a. Teubner, Organisationsdemokratie, S. 6 ff. 2 Vgl. Bär, Vereinsautonomie, S. 39; HKK/ders, §§ 21 – 79 Rn. 5; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. I, S. 318 spricht von einem „wahren Vereinsgründungsfieber“; s. zu den gesellschaftspolitischen Hintergründen dieser Entwicklung Nipperdey, Verein, S. 1 ff. 3 s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 12 ff.; s.a. Bär, Vereinsautonomie, S. 42. 4 s. Bär, Vereinsautonomie, S. 45.

§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

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täten aufnehmen.5 Die bekanntlich keineswegs nur am Turnsport interessierten Turnerschaften organisieren sich in der „Deutschen Turnerschaft“, die bereits im Jahr 1869 1546 Vereine mit 128.000 Mitgliedern zählt und eine stark wachsende Tendenz aufweist.6 Für andere Sportarten ist eine vergleichbare Entwicklung zu verzeichnen.7 Auch außerhalb des Sports organisieren überregionale Verbände im späten 19. Jahrhundert bereits ganz erheblich Mitgliederzahlen, die im Einzelfall auch bereits jenseits der Millionengrenze liegen.8 Von einer kohärenten gesetzlichen Regelung des Vereinsrechts war die Rechtsentwicklung zu diesem Zeitpunkt jedoch noch weit entfernt. Verbreitet wird die Rechtslage bis zur Schaffung des BGB als ausgesprochen zerrissen und uneinheitlich qualifiziert.9 Die Ursachen dafür waren vielfältig, auch unabhängig davon, dass es zur Rechtseinheit in Deutschland zu diesem Zeitpunkt ohnehin noch ein weiter Weg war. Die Entwicklung des Rechts der Idealvereine traf auf besondere Schwierigkeiten. Mit den Personenvereinigungen zu wirtschaftlichen Zwecken teilten die Idealvereine zunächst die Probleme, die im 19. Jahrhundert allgemein mit der Entwicklung des dogmatischen Konzepts der juristischen Person als Rechtsfigur und Betätigungsform privater Personenvereinigungen einhergingen. Hierhin gehört der ausdauernd geführte Theorienstreit um die Rechtsnatur der juristischen Person, geprägt vor allem durch die Fiktionstheorie des Romanisten Savigny und die deutschrechtlich geprägte Theorie der realen Verbandspersönlichkeit Otto von Gierkes.10 Eng damit verwoben war auch die intensiv geführte Diskussion um die Frage, unter welchen Voraussetzungen juristischen Personen die Rechtsfähigkeit zukommen soll.11 Insoweit wurde traditionell um Notwendigkeit und Art staatlicher Beteiligung gestritten und zwischen dem System der freien Körperschaftsbildung sowie dem Konzessionssystem bzw. dem Registrierungssystem (auch: System der Normativbestimmungen) unterschieden.12 Die Intensität der historischen 5 s. Nipperdey, Geschichte 1866 – 1918, S. 576 ff.; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 49. 6 s. Nipperdey, Geschichte 1866 – 1918, Bd. I, S. 172; s.a. Bär, Vereinsautonomie, S. 44 ff.

Nipperdey, Geschichte 1866 – 1918, Bd. I, S. 172 ff. So zählen etwa die im „Kyffhäuser-Bund der Deutschen Landeskriegerverbände“ zusammengefassten regionalen Kriegerverbände im Jahr 1901 mehr als 1,9 Millionen Mitglieder: s. Bär, Vereinsautonomie, S. 45; Nipperdey, Geschichte 1866 – 1918, Bd II, S. 578. Zwar bezieht sich diese Angabe damit auf einen Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten des BGB, man wird aber davon ausgehen dürfen, dass die Millionengrenze bereits deutlich früher überschritten wurde. 9 s. Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 39 m.w.N.; Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff. Rn. 12. 10  s. übersichtsweise Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 5 ff.; Wiedemann, GesR, § 4 I 1 (S. 191 ff.), sowie die bei K. Schmidt, GesR, § 8 II 2 (S. 187) in Fn. 27 nachgewiesene Literatur. 11  s. dazu Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 14 ff., 35 ff. 12 s. K. Schmidt, GesR, § 8 II 5 a) (S. 192); Wiedemann, GesR I, § 4 II (S. 205 ff.). Treffender als eine Dreiteilung erscheint aus heutiger Perspektive, Registrierungssystem und Konzessionssystem als Unterfälle eines Systems konstitutiver staatlicher Mitwirkung zu verstehen, dem dann im Sinne einer Zweiteilung das System der freien Körperschaftsbil7 s. 8 

A.  Grundlinien der Entwicklung

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Debatte ist dabei nur vor dem rechtspolitischen Hintergrund verständlich. Mit der Fiktionstheorie erscheint die juristische Person als Ergebnis einer gesetzgeberischen Entscheidung und damit zugleich auch eines legislatorischen Ermessens.13 Sie war damit in besonderer Weise geeignet, dem obrigkeitsstaatlichen Misstrauen vor allem gegenüber demokratisch organisierten Verbänden mit gesellschaftspolitischen Zielen zum Ausdruck zu verhelfen.14 Die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit betonte dagegen die soziale Realität des Verbandes, der als handlungsfähiger Organismus begriffen wird und dem als solchem Rechtsfähigkeit zustehen soll. Rechtspolitisch geht es dabei also um das Postulat der Vereinigungsfreiheit unter Zuerkennung juristischer Persönlichkeit.15 Mit dieser Erkenntnis richtet sich der Blick auf die politischen Rahmenbedingungen, die einer liberalen Vereinsgesetzgebung für lange Zeit im Wege standen. Der absolutistische Staat wie später der Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts begegnete privaten Vereinigungen mit erheblicher Skepsis.16 Diese galt allerdings weniger solchen Vereinigungen, die auf ein kommerzielles Betätigungsfeld zielten, wenn auch die dem Umfang nach zuvor nicht gekannte Fähigkeit der Aktiengesellschaften zur Kapitalakkumulation zumindest in der Frühzeit des Rechtsinstituts auf Vorbehalte stieß.17 Mit besonderem Misstrauen betrachtete der Staat dagegen die nichtkommerziellen Zusammenschlüsse, da hier auch stets mit politischer Opposition zu rechnen war.18 Dementsprechend war das Vereinsrecht des 19. Jahrhundung gegenübergestellt werden kann: s. Wiedemann, a.a.O.; s. zum fehlenden Gegensatz zwischen Konzessions- und Registrierungssystem unter Hinweis darauf, dass sich Normativbedingungen zwanglos mit beiden Systemen verbinden ließen auch K. Schmidt, a.a.O.; historisch betrachtet lässt sich aber doch zumindest vergröbernd sagen, dass die Forderungen nach der Einführung eines Systems der Normativbedingungen (Registrierungssystem) regelmäßig auf die rechtsstaatliche Einfassung des Gründungsvorgangs zielten und sich damit gegen die mit den Konzessionssystemen eben häufig noch einhergehende Staatswillkür oder zumindest doch das restriktivere Verständnis der Vereinigungsfreiheit wandten. Insoweit erscheinen Konzessionssystem und System der Normativbedingungen durchaus als Gegensätze, indem sie nämlich schlagwortartig gegensätzliche Gravitationspunkte in der Diskussion um die Vereinigungsfreiheit bezeichnen: vgl. exemplarisch die Ausführungen in den Motiven, Mugdan, Bd. I, S. 401 f.; zumindest andeutungsweise auch K. Schmidt, Verband, S. 60; s. zudem Schubel, Verbandssouveränität, S. 554. 13 So Wiedemann, GesR I, § 4 I 1 a (S. 192). In diesen Kontext gehört auch der Zusammenhang zwischen Fiktionstheorie und dem Erfordernis der Einzelverleihung; s. dazu Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 35. 14 s. Wiedemann, a.a.O. 15 Vgl. K. Schmidt, GesR, § 8 II 3 (S. 189 f.); Wiedemann, GesR I § 4 I 1 b (S. 193 f.). 16  s. zur Entwicklung der Vereinigungsfreiheit in Deutschland etwa Schultze, Vereinigungsrecht, S. 240 ff. Wiedemann, GesR I, § 12 I 1 (S. 661 ff.). 17 s. Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 27 f.; eine durchgehende Abkehr vom teils sehr restriktiv gehandhabten Konzessionssystem fand im Aktienrecht erst ab 1860 statt: s. zur Entwicklung überblicksweise Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 35 ff.; Schmoeckel, Rechtsgeschichte, Rn. 274 ff. 18 s. Wiedemann, GesR I, § 12 I 1 (S. 661); s.a. MünchKomm/Reuter, Vor. § 21 Rn. 54.

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

derts vor allem durch intensive Staatsintervention in Form ausdrücklicher Verbote oder Genehmigungsverfahren geprägt.19 Der disparate Umgang mit Vereinigungen zu wirtschaftlichen und ideellen Zwecken ist bis in die Motive zum BGB hinein nachweisbar. So wird dort etwa gegen die Erlangung der Rechtsfähigkeit ohne staatliche Konzessionierung nach dem „System der Normativbedingungen“ ausgeführt:20 „Die Annahme des Systems ist aber andererseits nicht ohne schwere Bedenken. Bringt das BGB es zur Geltung, so stellt es allen gegenwärtigen und künftigen Vereinen, die nicht offensichtig unerlaubte Zwecke verfolgen, einen Freibrief auf eine selbständige Vermögenssphäre aus. Solches mag unbedenklich befunden werden bei Gesellschaften zu kaufmännischen und gewerblichen Unternehmungen. Der privatrechtliche Geschäftsverkehr ist der Boden, auf dem diese Gesellschaften sich bewegen; das Geschäftsinteresse normirt ihr Gebahren, der Geschäftsgewinn und der wirthschaftliche Vorteil der Einzelnen bildet das Endziel ihrer Bestrebungen. Nicht so bei den hier fraglichen Vereinen. Dazu bestimmt, der Gesellschaft die freie Bethätigung der Lösung öff. Aufgaben zu ermöglichen, bewegen sie sich in einer das Gemeinwohl unmittelbar berührenden Sphäre. Sie können ihm je nach der Stellung, die sie den öff. Verhältnissen gegenüber einnehmen, und nach ihren sonstigen Tendenzen ebenso wohl schädlich als förderlich sein.“21

Angesichts dieser Vorbehalte kann es auch nicht überraschen, dass die (reichs-) einheitliche Regelung der Idealvereine gegenüber den Vereinen zu wirtschaftlichen Zwecken ins Hintertreffen geraten war. So haben Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien im ADHGB von 1861 bereits eine erste einheitlich Regelung gefunden,22 bevor noch die Vorarbeiten am BGB überhaupt beginnen.23 Die Genossenschaftsgesetzgebung datiert auf die Jahre 1867 und 1868.24 Während der Arbeiten der zweiten Kommission wird durch das GmbHG von 1892 19  s. HKK/Bär, §§ 21- 79, Rn. 14. Freilich gab es auch, vor allem im frühen 19. Jahrhundert, auch Phasen, in denen der Staat die Entwicklung des Vereinswesens gefördert oder mit Vereinen kooperiert hat: s. Nipperdey, Verein, S. 32 ff. 20  Motive bei Mugdan, Bd. 1, S. 401. 21  Dass es solche – keineswegs durchweg verbotenen – „gemeinschädlich wirkenden“ Vereine „namentlich auf dem politischen, religiösen und sozialen Gebiete“ bereits und auch unabhängig von der Ausstattung mit juristischer Persönlichkeit Bestandteil der sozialen Wirklichkeit waren, ist der ersten Kommission dabei durchaus bewusst gewesen. Sie wollte aber zumindest verhindern, dass derartige Vereine freien Zugang zur juristischen Persönlichkeit und damit zur selbständigen Vermögensfähigkeit erhalten sollten, weil sie ihrer Ansicht nach erst damit „einen festen Halt, Stetigkeit der Organisation und die Gewähr dauernden Bestandes“ erlangen würden: Motive bei Mugdan, Bd. 1, S. 401. Zur Fragwürdigkeit dieses Arguments s. Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 138 f. 22  Die allerdings zunächst noch jeweils der einzelstaatlichen Umsetzung bedurfte: s. Schmoeckel, Rechtsgeschichte, Rn. 162. 23  s. Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff., Rn. 11. 24  s. Staudinger/Weick, a.a.O. Die Jahreszahlen beziehen sich auf das preußische Genossenschaftsgesetz von 1867 und dessen Übernahme im Norddeutschen Bund im Folgejahr. Im Jahr 1889 erfolgt die Übernahme in ein Reichsgesetz: Schmoeckel, Rechtsgeschichte, Rn. 272.

A.  Grundlinien der Entwicklung

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schließlich die GmbH ins Leben gerufen.25 Für alle diese Gesellschaftsformen – für die AG allerdings erst nach der Reform von 187026 – gelten nun unter Abkehr vom Konzessionssystem jeweils liberale Gründungsvoraussetzungen nach dem System der Normativbedingungen (Registrierungssystem), die die Gesellschaftsgründung zu einem vorhersehbarem Prozess machen und von staatlichen Ermessenserwägungen freistellen. Eine Reihe von vergleichbar liberalen Anstrengungen für das Recht der nichtwirtschaftlichen Vereine – etwa der Dresdener Entwurf von 186627 sowie insbesondere die von Hermann Schulze-Delitzsch28 betriebenen Initiativen29 – waren dagegen auch noch unmittelbar vor Beginn der Vorarbeiten für das BGB vor allem wegen der politischen Vorbehalte30 erfolglos geblieben.31 Auch im Rahmen s. dazu Schmoeckel, Rechtsgeschichte, Rn. 282 ff. Schmoeckel, Rechtsgeschichte, Rn. 278. 27  Es handelte sich dabei um den Versuch, nach Fertigstellung des ADHGB auch das Schuldrecht einer vereinheitlichten Lösung zuzuführen. Trotz dieser inhaltlichen Beschränkung beschäftigte sich der Entwurf unter dem Schlagwort der Kollektivgesellschaft jedoch auch ausführlich mit Vereinigungsformen, die im Geltungsbereich des ALR und des gemeinen Rechts als Mischformen zwischen Körperschaft und Sozietät ausgebildet worden waren. Der Regelungsvorschlag sah auch eine „Nichterwerbsgesellschaft“ vor, die auch die Gründung von Idealvereinen nach dem System der Normativbedingungen ermöglicht hätte. Allerdings waren für Vereine, die auf öffentliche Angelegenheiten zielten, weitgehende landesrechtliche Vorbehalte vorgesehen: s. zum Ganzen HKK/Bär, §§ 21 –79 Rn. 18; Kögler, Arbeiterbewegung, S. 51; Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 100 ff. Im BGB ist die Normierung der Nichterwerbsgesellschaft nicht weiter verfolgt worden, weil es sich dabei in Wahrheit um mit „Vermögensfähigkeit ausgestattete Vereine, mithin nichts anderes als juristisch Personen“ handele: s. Protokoll der 283. Kommissionssitzung v. 18. 01. 1884 in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 219. 28  s. zur Person etwa Boettcher, ZfgG 33 (1983), 91 ff. 29  Die ersten Anläufe unternahm Schulze-Delitzsch im preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag des Norddeutschen Bundes im Jahr 1869, weitere 1871 und 1872 im Deutschen Reichstag. S. zum Inhalt der Entwürfe und den Gründen ihres Scheiterns ausführlich und mit umfassenden Nachweisen Oppenheimer, Jher. Jb. 47 (1904), 99, 102 ff.; Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 109 ff. Mittelbar hatte Schulze-Delitzsch aber insoweit Erfolg, als sein Entwurf in das bayerische Gesetz über die privatrechtliche Stellung von Vereinen vom 29. April 1869 einging und auch auf das Vereinsrecht des BGB Einfluss gewann; s. zur Entwicklung des bayerischen Vereinsgesetzes ausführlich Rump, Gesetz, S. 17 ff. 30  Der Dresdner Entwurf erledigte sich allerdings schon durch die Auflösung des Deutschen Bundes im Juni 1866: s. Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 108. 31  Eingeschränkte Ausnahmen sind allerdings für Sachsen und Bayern zu verzeichnen, die bereits 1868 und 1869 zum System der Normativbedingungen wechselten. In Sachsen blieb allerdings das Erfordernis einer Sondergenehmigung für Vereine aufrechterhalten, deren Zweck sich auf öffentliche Angelegenheiten bezog (§ 72 Abs. 2 des Gesetzes v. 15. Juni 1868): s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 49 f.; Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 81. Anders lag es in Bayern: zwar fordert auch das Bayerische Gesetz vom 29. April 1869 über die privatrechtliche Stellung von Vereinen in Art. 2 Abs. 2 eine staatliche Genehmigung „in denjenigen Fällen, in welchen eine solche gesetzlich erforderlich ist“, doch ist dies sprach25 

26 s.

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

der Vorarbeiten zum BGB selbst stand man einem solchen Vorhaben – in dem Zitat aus den Motiven ist dies bereits angeklungen – noch geraume Zeit mit großer Zurückhaltung gegenüber. Die im Februar 1874 durch Bundesratsbeschluss eingesetzte Vorkommission hatte zunächst empfohlen, einen allgemeinen Abschnitt über das Recht der juristischen Personen in das BGB aufzunehmen.32 Der Entwurf, den der für den Allgemeinen Teil zuständige, in Zeitverzug geratene Redaktor Albert Gebhard33 im Jahr 1881 schließlich vorlegte, enthielt insoweit jedoch lediglich einen Gliederungspunkt als Platzhalter.34 Zudem hatte die 1. Kommission auf seinen Vorschlag hin bereits 1879 beschlossen, „Normativbestimmungen, durch deren Beobachtung Personenvereine juristische Persönlichkeiten erlangen, nicht aufzunehmen“.35 Leitend waren auch hier die politischen Bedenken gegenüber einem freiheitlichen Vereinswesen.36 Dementsprechend sahen die von Gebhard schließlich nachgelieferten Vorschriften37 über die juristische Person insoweit auch lediglich vor, dass für Verlust und Erwerb der Rechtsfähigkeit das Landesrecht maßgeblich sei.38 In der Begründung hierzu,39 die ohne wesentliche Veränderung lich unrichtig, weil bloß auf Anzeigepflichten gegenüber den Polizei- bzw. Verwaltungsbehörden bezogen: s. Rump, Gesetz, S. 54 ff.; unzutreffend daher die Gleichsetzung mit der Rechtslage in Sachsen bei Kögler, a.a.O., S. 50. 32 s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 53; Mummenhoff, Gründungssysteme, S. 44 f; Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 130, jeweils mit weiteren Nachweisen. 33  Zur Person s. Jahnel, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Materialien, S. 73 sowie Schubert, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. XIV ff. 34  Gebhard verband dies mit der Anmerkung, dass die diesbezüglichen Paragraphen vorbehalten blieben: s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 53. 35 s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 59 mit Fn. 51; Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 134. Nachdruck der Beschlussvorlage bei Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 2, S. 811; schon zu diesem Zeitpunkt sprachen sich bereits verschiedene Stimmen in der Kommission für die Einführung des Systems der Normativbedingungen im BGB aus, die aber keine Mehrheit fanden: vgl. Protokoll der Kommissionssitzung v. 02. 11. 1879, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 153 f. 36 s. Kögler, a.a.O. 37  Zunächst nummeriert als §§ 801 – 8025, später leicht überarbeitet und mit Gründen versehen als §§ 1 – 27: s. Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 503 ff. u. 510 ff. Der Zeitpunkt der Fertigstellung des (überarbeiteten) Regelungsvorschlags und der dazugehörenden Begründung ist nicht bekannt, doch berücksichtigt Gebhard Gesetzgebung und Rechtsprechung bis zur Mitte des Jahres 1883, so dass von einer Fertigstellung erst kurz vor der Durchberatung der Vorschriften über die Juristische Person im Januar 1884 auszugehen ist: vgl. Kögler, a.a.O., S. 59. 38  s. § 4 Abs. 1 des Vorentwurfs in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 510. Mit den geschilderten Ausnahmen Sachsens und Bayerns hätte dies die Fortgeltung der landesrechtlichen Konzessionssysteme unterschiedlichster Ausgestaltung bedeutet. Die in § 4 Abs. 2 enthaltene subsidiäre Festschreibung des Konzessionssystems für den Fall fehlender landesgesetzlicher Regelungen wurde hingegen nicht in den Entwurf der 1. Kommission übernommen: zu den Gründen Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 139. 39  Nachdruck in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 515 ff.

A.  Grundlinien der Entwicklung

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auch Bestandteil der Motive wurde, folgte er dem bekannten, durch politische Bedenken motivierten40 Argumentationsmuster.41 Die Vorschriften zur juristischen Person und insbesondere die fehlende reichs­ einheitliche Regelung zum Erwerb der Rechtsfähigkeit der Vereine zogen nach der Veröffentlichung von erstem Entwurf und Motiven im Jahr 1888 ganz erhebliche Kritik aus Wissenschaft und Öffentlichkeit auf sich,42 wurden aber andererseits von der ganz überwiegenden Mehrheit der Bundesregierungen gebilligt.43 Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage kann es nicht verwundern, dass der Umgang mit dieser Regelungsthematik der 2. Kommission außerordentlich schwer fiel und zu einem zentralen, vielfach vertagten Problemfeld der Beratungen wurde.44 Die Kompromisslösung sah schließlich eine reichseinheitliche Lösung nach dem Registrierungssystem vor, allerdings nach wie vor mit erheblichen Kautelen zu Lasten der religiösen, politischen und sozialpolitischen Vereine.45 Die zivilrechtliche Frage von Erlangung und Erhalt der Rechtsfähigkeit blieb auf diese Weise eng mit eigentlich dem öffentlichen Recht angehörenden Erwägungen des Polizeirechts verschränkt. Nachdem der 2. Entwurf im Oktober 1895 in den Bundesrat gekom40 Nur Otto von Gierke, einer der profiliertesten Kritiker des 1. Entwurfs, sah weniger die Rücksichtnahme auf politische Vorbehalte am Werk; vielmehr unterstellte er der 1. Kommission, die sich offiziell einer Stellungnahme im Streit um Fiktionstheorie und Theorie der realen Verbandspersönlichkeit enthalten hatte (s. Motive bei Mugdan, Bd. I, S. 404), unterschwellige romanistische Tendenzen und eine damit einhergehende Präferenz des Konzessionssystems: vgl. ders., Gutachten 19. DJT, Bd. 2, S. 259 ff.; Bd. 3 (Diskussionsbericht), S. 219, 221 f.; s. dazu noch Kögler, Arbeiterbewegung, S. 62 ff.; Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 144 f. 41 Vgl. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 596 ff.; zur Übernahme in den Motiven s. Mugdan, Bd. 1, S. 399 f. 42 s. ausführlich Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 142 ff.; Kögler, Arbeiterbewegung, S. 61 ff.; für eine zeitgenössische Zusammenstellung der Kritik s. Reichsjustizamt, Zusammenstellung, Bd. I, S. 65 ff.; Bd. VI, S. 49 ff. 43 s. Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 152 ff. 44 Das Meinungsbild in der 2. Kommission variierte ganz erheblich. Vorgeschlagen wurde eine reichseinheitliche Lösung nach dem System der freien Körperschaftsbildung, bzw. nach dem System der Normativbedingungen (teils ohne, teils mit Sonderbestimmungen für bestimmte Vereinsgruppen), ebenso wie ein Festhalten am 1. Entwurf: s. Vormbaum, Rechtsfähigkeit, S. 154 ff.; s.a. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 90 ff. Die mit der 2. Kommission teilweise personenidentische sog. Vorkommission des Reichsjustizamtes hatte sich insoweit für eine Beibehaltung des 1. Entwurfs ausgesprochen: s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 79; zur Vorkommission als solcher Schubert, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Materialien, S. 54. 45  Vgl. § 55 E II: „Die Verwaltungsbehörde kann gegen die Eintragung Einspruch erheben, wenn der Verein nach dem öff. Vereinsrechte unerlaubt ist oder verboten werden kann oder wenn er einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt.“; eine Parallele Vorschrift für die Auflösung eingetragener Vereine enthielt § 40 E II; vgl. Prot. bei Mugdan, S. 646 ff.; s. dazu noch Kögler, Arbeiterbewegung, S. 83 f.; HKK/Bär, §§ 21 – 79 Rn. 26.

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

men und dort in den Justizausschuss überwiesen worden war, erfuhren diese Kautelen noch einmal eine weitere Verschärfung.46 Die Denkschrift, die diesen nun als Reichstagsvorlage bezeichneten Dritten Entwurf in den Reichstag begleitet, setzt sich ein weiteres Mal ausführlich mit dem Für und Wider einer reichseinheitlichen Regelung und deren Ausgestaltung auseinander.47 Auch soweit das Vereinsrecht im Reichstag debattierte wurde, lag in diesem Bereich der Schwerpunkt der Auseinandersetzung, die im Übrigen durchaus mit einer gewissen, der politischen Dimension des Vereinsrechts angemessenen Schärfe geführt wurde.48 Gleiches galt für den Ausschuss, an den der Reichstag den Entwurf zur weiteren Beratung überwies.49 Wesentliche Änderungen ergeben sich allerdings mangels mehrheitsfähiger Alternativlösungen nicht mehr, so dass das Vereinsrecht schließlich im Kern in der Form in Kraft trat, die es in der 2. Kommission erhalten hatte.50

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung Die ausgreifende Diskussion um die Öffnung der Juristischen Person durch die Einführung eines Systems der Normativbedingungen wird dafür verantwortlich gemacht, dass andere regelungsbedürftige Bereiche des Vereinsrechts nicht die erforderliche Aufmerksamkeit erfuhren.51 Zu diesen Bereichen wird auch das Innenrecht des Vereins gerechnet.52 Immerhin ist aber festzustellen, dass von Beginn an zumindest Ansätze für Organisationsregeln vorhanden waren, die zudem im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch weiter ausgebaut worden sind.53 46 s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 107. U.a. sollte das behördliche Ermessen, gegen die Eintragung eines Vereins i.S. von § 55 E II Einspruch zu erheben, der Überprüfung im Einspruchsverfahren entzogen werden (ebenso das Auflösungsrecht der Behörde): s. Sitzungsprotokoll des Justizausschusses v. 7. 10. 1895 in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 351 f. 47  s. Denkschrift bei Mugdan, Bd. I, S. 826 ff. 48 Vgl. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 108 ff. (zur 1. Lesung), 112 f. (zur zweiten Lesung). 49  Erneut bricht der Streit um freie Körperschaftsbildung und (diskriminierungsfreies) Normativsystem wieder auf, doch findet sich im Angesicht des Drucks der Landesregierungen, der im Ausschuss durch den Staatssekretär des Reichsjustizamts vermittelt wird, keine Mehrheit für eine liberalere Fassung: s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 110 f. 50 s. Kögler, Arbeiterbewegung, S. 113. 51  Vgl. insb. Bär, Forum historiae iuris 1998, Rn. 178; HKK/ders., §§ 21 – 79 Rn. 19, 27; s.a. Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB 20 ff. 52  Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 53 Eine nähere Darstellung der Entwicklung des Binnenorganisationsrechts findet sich, soweit ersichtlich, nur bei Bär, Vereinsautonomie, S. 127 ff. (jedoch auf Ansätze beschränkt), sowie bei Schubel, Verbandssouveränität, S. 525 ff., unter dem spezifischen Blickwinkel, inwieweit sich körperschaftsrechtliche (Neu-)Entwicklungen des späten 19. Jahrhunderts im Bereich des Binnenorganisationsrechts, die Schubel unter dem Begriff der Verbandssouveränität erfasst, bei der Schaffung des BGB-Vereinsrechts niedergeschlagen haben. Auch in der zeitgenössischen Literatur ist das Organisationsrecht nur wenig

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung

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I.  Vorentwurf „Juristische Personen“ des Redaktors Gebhard Gebhards Vorschläge für die über juristische Personen im BGB aufzunehmenden Vorschriften fallen insgesamt recht spartanisch aus.54 Das ist jedenfalls zum Teil dem Kontext des Regelungsvorschlages geschuldet. Denn das Vorhaben, allgemeine Vorschriften für juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts aufzustellen, war einerseits extern durch die bereits bestehende Vielzahl der zu respektierenden reichseinheitlichen Spezialgesetze begrenzt,55 andererseits intern durch den bewussten Verzicht auf die Möglichkeit, im BGB selbst eine eigenständige Körperschaftsform zu normieren und die damit einhergehende Fortgeltung der landesrechtlichen Vorschriften. Im Grunde war damit die Schaffung bloßer Allgemeinplätze mit einem eng begrenzten Anwendungsbereich vorgezeichnet.56 Was die Ausgestaltung des Innenrechts der juristischen Personen anging, vertrat der Redaktor Gebhard in der von ihm vorgelegten Entwurfsbegründung eine besonders restriktive Position:57 „Keine allgemeinen Vorschriften sind zu geben bezüglich der inneren Verhältnisse der Personenvereine, im Besonderen bezüglich des Erwerbs und der Verlust der Mitgliedschaft […], sowie der Rechte und Pflichten, welche den Mitgliedern als solchen zustehen; die besonderen Bestimmungen, deren es auf dem Gebiete des Privatrechts in dieser Hinsicht bedarf, stehen mit dem individuellen Zwecke und der Eigenart der Körperschaften in untrennbarem Zusammenhange und können deshalb nur in den Statuten oder in Spezialgesetzen getroffen werden, welche die rechtliche Stellung einzelner Körperschaften oder gewisser Körperschaftsarten regeln.“58

Gleichwohl sparen Gebhards Regelungsvorschläge die „inneren Verhältnisse“ der juristischen Personen nicht völlig aus.59 Sie üben sich aber hinsichtlich der geregelten Sachbereiche in großer Zurückhaltung und sind überdies fast durchgehend dispositiv ausgestaltet. berücksichtigt worden: s. ders., Verbandssouveränität, S. 534; die prominente Ausnahme bildet Otto von Gierke, Gutachten 19. DJT, Bd. 2, S. 259, 264 ff.; ders., Entwurf, S. 148 ff.; ders., Personengemeinschaften, S. 22 ff.; s. für eine Übersicht über weitere Stellungnahmen Reichsjustizamt, Zusammenstellung, Bd. I, S. 90 ff.; Bd. VI, S. 53 ff. 54  Sie werden hier in der überarbeiteten und als §§ 1 – 27 nummerierten Fassung in Bezug genommen: vgl. Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 503 ff. u. 510 ff. 55 s. für eine Zusammenfassung des insoweit zu vergegenwärtigenden Stands der Reichsgesetzgebung Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 538 ff. 56  Selbst das Verhältnis zwischen den zwingenden Vorschriften des Entwurfs und landesrechtlichen Vorschriften wollte Gebhard noch der weiteren Prüfung im Rahmen der Beratung des Einführungsgesetzes zum BGB vorbehalten: s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 563 f. 57  Kritisch dazu unter Verweis auf die Reformdiskussion im Aktienrecht Schubel, Verbandssouveränität, S. 527; dieser selektive Ansatzpunkt wird aber dem Anliegen des Vorentwurfs, Rechtsregeln für sämtliche Körperschaften unter Einschluss derjenigen des öffentlichen Rechts aufzustellen, kaum gerecht. 58 s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 562 f. 59  So auch Schubel, Verbandsouveränität, S. 527.

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

Dem in den §§ 5 – 13 des Vorentwurfs (VE) enthaltenen organisationsrechtlichen Teil der von ihm vorgeschlagenen Bestimmungen stellt Gebhard in § 5 VE zunächst den Leitgedanken voraus, dass sich die Verfassung der Körperschaften nach ihrem Statut richtet, sofern sie nicht auf Reichs- oder Landesgesetz beruht.60 Nähere Ausführungen dazu, welche Fragen im Statut zu regeln sind, enthält der Entwurf nicht. Im Hinblick auf die Organisation der Körperschaften legt der Entwurf ein duales Organmodell zugrunde,61 bei dem der Vorstand als Vertretungsorgan, die Generalversammlung als Beschlussorgan fungiert.62 Was die interne Kompetenzverteilung angeht, liegt dem Vorentwurf nach Gebhards Begründung die Vorstellung zugrunde, dass es sich bei der Generalversammlung um das höchste Organ der Körperschaft handelt.63 Eine wichtige Konkretisierung erfährt dieser Gedanke durch die zwingend ausgestaltete Vorschrift des § 7 VE, nach der die Bestellung des Vorstands jederzeit widerrufen werden kann.64 Eine gewisse Einschränkung erfährt die Bedeutung von § 7 VE für die Machtposition der Mitgliederversammlung allerdings wieder dadurch, dass nirgendwo zwingend festgelegt ist, dass Bestellung und Abberufung des Vorstands notwendig durch die Mitgliederversammlung zu erfolgen haben.65

60  Der zeitgenössische (und auch heute noch oft referierte) Streit um Rechtsnatur bzw. Geltungsgrund des Statuts der juristischen Person wird von Gebhard umfassend dargestellt, ohne dass er aber eine gesetzliche Stellungnahme für erforderlich hält: s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil I, S. 599 ff.; zu der dem Vorentwurf zugrunde gelegten Position s. ders., a.a.O., S. 607. 61 Soweit hier von einem Organmodell bzw. Organen die Rede ist – auch Gebhards Begründung sowie die Motive zum 1. Entwurf verwenden diese Begriffe –, bedeutet dies nicht, dass sich den Materialien eine direkte Stellungnahme in der zeitgenössischen Kontroverse zwischen „Vertretertheorie“ (Savigny) und „Organtheorie“ (Gierke) zugunsten der letzteren entnehmen ließe. Eine ausdrückliche Festlegung fehlt, Gebhard tendiert eher zu vertretungsrechtlichen Vorstellungen: vgl. ders., in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 581 f.; die 1. Kommission identifiziert den Vorstand sogar ausdrücklich mit einem gesetzlichen Vertreter (eines infans oder furiosus): s. Sitzungsprotokoll vom 4. 1. 1884, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 161; krit. daher immer wieder Gierke, Personengemeinschaften, S. 23 f.; ders., Gutachten 19. DJT, Bd. 2, S. 259, 263 ff.; aus heutiger Sicht erscheint der Streit weitgehend überholt: vgl. Schürnbrand, Organschaft, S. 18 ff. m.w.N. 62 s. von Gierke, Personengemeinschaften, S. 22 (zum insoweit nicht anders zu beurteilenden 1. Entwurf). 63  s. etwa Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 610. 64  Dies scheint ganz weitgehend dem zeitgenössischen Stand des Körperschaftsrechts entsprochen zu haben. Zur Begründung der Vorschrift beschränkt sich Gebhard jedenfalls darauf, diesen zu referieren: s. ders., in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 634 f.; s.a. Schubel, Verbandssouveränität, S. 528. 65  § 7 VE selbst enthält keine Regelung, § 9 VE, nach dem für die körperschaftsinterne Willensbildung die Generalversammlung der Mitglieder zuständig ist, ist nachgiebiges

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung

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Im Übrigen sagt der Entwurf über die körperschaftsinterne Kompetenzverteilung wenig Ausdrückliches. Soweit sich die Vorschriften mit den Befugnissen des Vorstands befassen, regeln sie im Wesentlichen nur Voraussetzungen und Grenzen seiner Außenkompetenz.66 Der Entwurf nimmt dabei allerdings eine zurückhaltende Position ein und bindet die Vertretungsmacht des Vorstands gem. § 6 Abs. 2 VE an die Verfassung des Vereins. Damit ist zunächst die Außengrenze der Vertretungsmacht bezeichnet. Gebhard steht nämlich insoweit auf dem Boden der ultra-vires-Lehre. Dies bedingt, dass die Organe des Vereins einen diesen bindenden Willen von vornherein „nur innerhalb der Zwecksphäre der Vereinigung auf der Grundlage der Vereinsordnung zu Stande bringen“ können.67 Neben der Bindung an den Vereinszweck bzw. den Vereinsgegenstand lässt die Rückbindung an die Satzung aber auch noch eine darüber hinausgehende Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands durch entsprechende Regelungen zu.68 Gebhard nimmt durchaus zur Kenntnis, dass bei „Vereinen und Gesellschaften mit kommerziellem Geschäftsbetriebe“ – namentlich gilt dies nach dem ADHGB für die Aktiengesellschaft – spezialgesetzliche Vorschriften dem Vorstand eine unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht einräumen und er sieht die damit verbundenen Vorteile für die Rechtssicherheit.69 Doch hält er selbst eine weniger weit reichende Regelung des Inhalts, dass die Vertretungsmacht des Vorstands nur insoweit unbeschränkt ist, als die Satzung nicht ausdrücklich Abweichendes bestimmt, für die Regelungszwecke des Entwurfs bereits für zu weitgehend: Angesichts der Verschiedenheit der verfolgten Vereinszwecke sei für eine solche Regelung, die für den Verein „in hohem Maße gefährlich“ sein würde, kein Raum.70 Zur Zuständigkeit des Vorstands bei der körperschaftsinternen Willensbildung äußert sich der Vorentwurf hingegen nicht ausdrücklich. Insbesondere wird der Vorstand nicht von vornherein als Geschäftsführungsorgan ausgestaltet und mit den dafür erforderlichen Entscheidungskompetenzen ausgestattet. Auch aus den Vorschriften über die Mitgliederversammlung ergeben sich keine vernünftigen Recht. Gebhard selbst äußert sich zu dieser Frage, soweit ersichtlich, nicht. Erst im 1. Entwurf findet sich eine ausdrückliche Regelung (§ 44 Abs. 3, 7 E I). 66  s. §§ 6, 8, 13 VE. Dies gilt vorbehaltlich der Vorschrift von § 10 VE, nach der der Vorstand die Generalversammlung beruft und leitet. Auch diese Kompetenz kommt ihm aber nur zu, soweit die Satzung hierzu nicht andere Personen ermächtigt. 67 s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1 S. 610, unter Verweis auf Re­ naud, Aktiengesellschaften, S. 571 (dort u. ff. mit ausführlicher Kritik an der abweichenden Entscheidung des ADHGB für die Aktiengesellschaft). Gebhard sieht also nicht nur die Vertretungsmacht des Vorstands als durch den Vereinszweck beschränkt an, sondern die Verpflichtungsfähigkeit und damit die Rechtsfähigkeit des Vereins insgesamt. Dies entspricht der ultra-vires-Lehre im engeren Sinn: vgl. näher K. Schmidt, GesR, § 8 V 2 (S. 214 ff.); Wiedemann, GesR I, § 14 IV 1 (S. 813). 68 s. Gebhard, a.a.O. 69  Die entsprechenden Regelungen werden umfassend referiert: s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 611 ff. 70 s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 610 f.

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

Anhaltspunkte für eine Kompetenzabgrenzung.71 Vielmehr bestimmt § 9 Abs. 1 VE lediglich, soweit es auf den Willen der Mitglieder ankomme, werde dieser durch Beschlussfassung festgestellt, nicht jedoch, wann dies der Fall ist.72 Vorbehaltlich abweichender Regelungen ist der Wille der Mitglieder im Wege der Beschlussfassung in der Generalversammlung der stimmberechtigten Mitglieder zu ermitteln (§ 9 Abs. 2 VE). Für die Verabschiedung von Beschlüssen genügt die einfache Mehrheit (§ 12 Abs. 1 VE). Allerdings bleibt die Mehrheitskompetenz der Generalversammlung im Grundsätzlichen beschränkt: Änderungen oder Ergänzungen des Statuts sowie die Auflösung bedürfen der Zustimmung sämtlicher Mitglieder der Körperschaft, wenn die Satzung nichts anderes vorsieht (§ 12 Abs. 2 VE).73 Auch hier nimmt die Entwurfsbegründung zur Kenntnis, dass für spezialgesetzlich normierte Körperschaftsformen abweichend entschieden wird, zieht sich aber wiederum auf den Standpunkt zurück, angesichts des Ziels, Regeln von allgemeiner Tragweite aufzustellen, sei für eine Vorschrift dieses Inhalts im BGB kein Raum.74

II.  Erster Entwurf Die 1. Kommission hält an den zentralen Gestaltungsprinzipien des Gebhard’schen Entwurfs fest,75 nimmt aber im Detail verschiedentlich Änderungen vor, die auch das Organisationsrecht und die körperschaftsinterne Kompetenzverteilung betreffen. 1. Vorstand Dies gilt zunächst die Stellung des Vorstands, dessen rechtlich Position die 1. Kommission deutlicher konturiert. So ergänzt § 44 Abs. 1 E I die Vorschrift des § 6 Abs. 1 VE um die ausdrückliche Feststellung, dass für jede Körperschaft ein Vorstand bestellt werden muss,76 und legt sich im Anschluss daran auf die Position fest, dass es sich bei diesem um den gesetzlichen Vertreter der Körperschaft handele, vergleichbar dem Vormund eines infans oder furiosus.77 Der Kommission geht 71 

Die 1. Kommission moniert dies und bessert nach: s.u. § 3 B.II.2.c). Auch die Entwurfsbegründung liefert keine näheren Hinweise: s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 636. 73  Es soll also nicht etwa nur die Zustimmung aller in der Generalversammlung erschienenen Mitglieder erforderlich sein: s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 639. 74 s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 639; s.a. Schubel, Verbandssouveränität, S. 528 f. 75  Dies gilt insbesondere für den Verzicht auf die reichseinheitliche Regelung der Erlangung der Rechtsfähigkeit. 76  Insoweit zustimmend von Gierke, Personengemeinschaften, S. 24. 77  s. Sitzungsprotokoll v. 4. 1. 1884, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 161 f. 72 

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung

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es dabei um die Institutionalisierung eines Vertretungsorgans für die juristische Person. Nach dem bis dahin erreichten Stand der Rechtsentwicklung waren juristische Personen ohne verfassungsmäßigen Vorstand durchaus zulässig und auch praktisch existent.78 Zugleich lehnt die 1. Kommission damit alternative Vorschläge ab, die erforderliche Vertretungsmacht etwa durch ad hoc im Beschlusswege zu bestellende Vertreter oder dadurch zu beschaffen, dass den Mitgliedern Gesamtvertretungsmacht eingeräumt wird. Dies erscheint ihr vor allem im Hinblick auf Körperschaften mit großem Mitgliederbestand als zu schwerfällig und auch im Verkehrsinteresse – mit besonderem Augenmerk auf die passive Vertretung der juristischen Person – als unzureichend.79 Auch was den Umfang der Vertretungsmacht angeht, weicht der 1. Entwurf in § 44 Abs. 1, 4 E I nicht unwesentlich von § 6 Abs. 2 VE ab.80 Mit der Neufassung, die im Wesentlichen bereits § 26 Abs. 1 BGB entspricht, geht nämlich ein Wechsel auf das von Gebhard noch ausdrücklich abgelehnte Modell einer im Ausgangspunkt unbeschränkten Vertretungsmacht des Vorstands einher, die durch eine entsprechende Gestaltung der Satzung lediglich beschränkt werden kann. Dabei spricht die gesetzliche Regelung die Unbeschränktheit der Vertretungsmacht zwar nicht ausdrücklich aus. Doch ergibt sich im Gegenschluss aus der in § 44 Abs. 4 E I geregelten Möglichkeit, die Vertretungsmacht des Vorstands durch die Satzung zu beschränken, dass diese die Vertretungsmacht eben nicht schon per se, d.h. insbesondere nicht durch die stets erforderliche Festlegung des Vereinszwecks, beschränkt. Auch die Kommission ist ersichtlich davon ausgegangen, dem Vorstand durch die geschaffene Regelung im Grundsatz unbeschränkte Vertretungsmacht eingeräumt zu haben.81 Mit § 44 Abs. 2 E I schafft die 1. Kommission im Wege der Verweisung auf die auftragsrechtlichen Vorschriften der §§ 585, 588 – 596 E I außerdem eine subsidiäre Regelung für die im Vorentwurf ungeregelt gebliebene Frage der Rechte und Pflichten des Vorstands gegenüber der Körperschaft.

78  Die 1. Kommission bezieht sich insoweit auf die Real- und Altgemeinden, Sitzungsprotokoll v. 4. 1. 1884, a.a.O., S. 161; weiteres Beispiel bei von Gierke, Personengemeinschaften, S. 24. 79  s. Sitzungsprotokoll v. 4. 1. 1884, a.a.O., S. 161; Motive bei Mugdan, Bd. I, S. 404. 80  Abs. 1, 4 lauten soweit hier relevant: „ […] Der Vorstand ist der gesetzliche Vertreter der Körperschaft sowohl gegenüber Dritten als auch den Mitgliedern der Körperschaft. […] Die Vertretungsmacht des Vorstands kann durch die Verfassung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden.“ 81  Vgl. Motive bei Mugdan, Bd. 1, S. 405 f.; vgl. zudem einen auf diesem Verständnis basierenden Antrag Jacubezkys, wiedergegeben bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 327; gleichsinniges Verständnis der Regelungsintention der Kommission in der zeitgenössischen Rezeption des E I bei von Gierke, Personengemeinschaften, S. 24; Schloßmann, Jahrb. für Dogm. Bd. 27 (1889), S. 1, 56 ff. (der jedoch meint, die Regelungsintention komme in der gesetzlichen Regelung nicht hinreichend zum Ausdruck); aus der frühen Kommentarliteratur zum BGB s. etwa Hölder, BGB AT, § 26 Anm. 4 a); Planck, BGB, § 26 Anm. 3.

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

2. Mitgliederversammlung a) Beschlussfassung Der 1. Entwurf hält am (erweiterbaren) dualen Organmodell des Vorentwurfs mit der Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan fest. Ausdrücklich geregelt wird nun aber, dass ein auf der Zustimmung aller Mitglieder beruhender Beschluss auch außerhalb der Versammlung gefasst werden kann (§ 48 Abs. 3 E I). Für die Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung bleibt es beim Mehrheitsprinzip, das wie im Vorentwurf in der „Verfassungsänderung“ seine Grenze findet; hier müssen alle Mitglieder unter Einschluss derjenigen zustimmen, die in der Versammlung nicht erschienen sind (§ 48 Abs. 5 E I).82 Sämtliche Regelungsgehalte des § 48 Abs. 1 – 5 E I, d.h. einschließlich der Regelungen über die Satzungsänderung, werden durch § 48 Abs. 6 E I für satzungsdispositiv erklärt. b) Bestellung des Vorstands Anders als der Vorentwurf äußert sich der 1. Entwurf nun auch ausdrücklich dazu, dass der Vorstand durch Beschluss der Mitglieder bestellt wird (§ 44 Abs. 3 E I). Die 1. Kommission ist der Ansicht, es erscheine angemessen, diese wichtige Folge des in § 48 Abs. 1 E I ausgesprochenen Grundsatzes, dass die inneren Angelegenheiten der Körperschaft durch den Willen der Mitglieder bestimmt werden, besonders zum Ausdruck zu bringen.83 Man wollte die Machtfülle der Generalversammlung auch in dieser Richtung scharf hervortreten lassen.84 Auch insoweit herrscht aber Gestaltungsfreiheit; der Wille der Mitglieder ist also keineswegs zwingend maßgeblich: Wie § 44 Abs. 7 E I ausdrücklich klarstellt, handelt es sich bei § 44 Abs. 3 E I um nachgiebiges Recht, so dass auch eine anderweitige Bestellung des Vorstands in Betracht kommt.85 Eine durchgreifende Änderung erfährt § 7 VE über die jederzeitige Widerruflichkeit der Bestellung des Vorstands. Die Vorschrift wird durch die 1. Kommission ersatzlos gestrichen. Dabei lässt sie sich ganz ähnlich dem von Gebhard selbst häufiger verwendeten Argumentationsmuster von dem Gedanken leiten, angesichts der Verschiedenheit der zu regelnden Körperschaften erscheine sie als allgemeine Regel – zumal als unabdingbare Vorschrift – nicht zweckmäßig.86 Es gebe Körperschaften, „welche eine solche Stetigkeit der Leitung durch eine und dieselbe 82  Deutliche Kritik bei von Gierke, Personengemeinschaften, S. 22, 29: praktisch unbrauchbar und darauf angelegt, durch die Verfassung außer Kraft gesetzt zu werden. 83  s. Motive bei Mugdan, Bd. 1, S. 405. 84  s. Sitzungsprotokoll v. 9. 1. 1884 in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 173. 85  s. Motive bei Mugdan, Bd. 1, S. 405; der Regelung zustimmend und mit einem Anwendungsbeispiel (gesetzliche Berufung des Gemeindevorstands als Vorstand einer örtlichen Agrargenossenschaft) von Gierke, Personengemeinschaften, S. 24. 86 Vgl. Sitzungsprotokoll v. 7.  1. 1884, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 166.

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Hand erforderten, dass eine beliebige Entsetzung des Vorstandes weder mit deren Zweck noch mit deren Interessen vereinbar sei.“87 Im Übrigen sei keine Körperschaft daran gehindert, die jederzeitige Widerruflichkeit der Vorstandsfunktion in der Verfassung wirksam vorzusehen.88 c) Kompetenzverteilung im Innenverhältnis Der 1. Entwurf enthält im Gegensatz zum Vorentwurf in § 48 Abs. 1 E I nun auch eine – durch § 48 Abs. 6 E I gleichfalls dispositiv gestellte – Regelung der vereinsinternen Kompetenzverteilung, die in der Sache durch die ebenfalls neu eingefügte Verweisung auf das Auftragsrecht bereits nahe gelegt,89 gleichwohl aber noch einmal ausdrücklich ausgesprochen wird. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist in den inneren Angelegenheiten der Körperschaft der Wille der Mitglieder maßgebend. Satz 2 stellt zudem ausdrücklich klar, dass sich auch der Vorstand bei seiner Geschäftsführung nach dem Willen der Mitglieder zu richten hat. Die Regelung ging auf einen im Laufe der Debatte des § 9 VE durch den Kommissionsvorsitzenden Pape eingebrachten Antrag zurück.90 Die Kommission hielt sie für erforderlich, weil die Frage, wann es auf den Willen der Mitglieder ankomme, im Rahmen einer generellen Regelung der Verhältnisse der Körperschaften einer Entscheidung bedürfe.91 Soweit in körperschaftsrechtlichen Spezialgesetzen auf eine entsprechende Regelung verzichtet werde, habe dies seinen Grund darin, dass dieselben eingehende Einzelbestimmungen darüber enthielten, so dass dort eine „ausdrückliche prinzipielle“ Entscheidung überflüssig werde.92 In der Sache wurden dabei zwei unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten erwogen. Einerseits sei es möglich, die im Außenverhältnis wirksame Regelung – Bindung des Vorstands an die Mitwirkung der Mitgliederversammlung nur bei ausdrücklicher Satzungsregelung – auch für das Innenverhältnis vorzusehen, wie dies auch nach einer verbreiteten Ansicht im Aktienrecht der Fall sei.93 Dort stünden nämlich der Generalversammlung nur diejenigen Befugnisse zu, die ihr durch das Gesetz oder das Statut ausdrücklich beigelegt werden.94 Alternativ könne angeordnet werden, dass nach innen der s. Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884, a.a.O; Motive bei Mugdan, Bd. I, S. 405. s. Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884, a.a.O. 89  Der durch die Verweisung in Bezug genommene § 590 E I entspricht im Hinblick auf die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Vorschrift von § 665 BGB. 90  s. Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 169. 91  s. Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884, a.a.O., S. 169 f. 92  s. Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884, a.a.O., S. 169. 93  s. Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884, a.a.O., S. 170. 94  s. Sitzungsprotokoll v. 9. 1. 1884, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 174; diese Ausführungen beziehen sich auf das zeitgenössische Aktienrecht des ADHGB in der Fassung der Novelle von 1870: s. Schubel, Verbandssouveränität, S. 531. Hinzuweisen ist darauf, dass zumindest nach der Novelle von 1884 die These von der Omnipotenz der Generalversammlung (verstanden als die Befugnis, auch eigentlich dem Vorstand zu87 

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

„Wille der Mitglieder maßgebend sei, der Vorstand diesem Willen zu gehorchen habe, somit die sogenannte Generalversammlung das oberste Organ der Körperschaft sei.“95 Für die letztgenannte Ansicht sprach sich die Kommission deswegen aus, weil es sich dabei um die „natürlichere und dem Wesen der Körperschaft entsprechendere“ handele, die auch damit harmoniere, dass der Vorstand durch den Willen der Mitglieder bestellt und abberufen werde.96 Damit entscheidet sich die Kommission für eine Generalzuständigkeit der Mitgliederversammlung. Sie kann den Vorstand bindende Entscheidungen in allen Fragen treffen, über die sie eine Entscheidung treffen möchte. Die Fassung von § 48 Abs. 1 E I durch die 1. Kommission ist von Hölder dahingehend kritisiert worden, durch sie werde die Selbständigkeit des Vorstandes bei der Besorgung der ihm zu eigenen Erledigung zugewiesenen Geschäfte gefährdet.97 Diese habe er unter Einhaltung von Vereinsverfassung und -interessen wahrzunehmen, nicht aber nach dem Willen der Mitglieder.98 Ansonsten wäre der Vorstand genötigt, auch in Sachen seiner eigenen Kompetenz Vereinsbeschlüsse zuzulassen und seine Amtsführung danach zu richten, „während doch die verfassungsmäßige Überweisung bestimmter Kompetenzen an den Vorstand ihn befugt und verpflichtet, dieselben selbständig wahrzunehmen, es wäre denn ausdrücklich die Möglichkeit eines Eingriffes durch Vereinsbeschlüsse vorbehalten.“99 Dem hat von Gierke entgegengehalten, da es sich bei § 48 Abs. 1 E I um nachgiebiges Recht handele, sei die Befürchtung Hölders unbegründet.100 Allerdings scheint es nicht so, dass Hölder dieser Umstand entgangen wäre.101 Der Einwand Hölders mag daher möglicherweise eher darauf zu zielen, dass angesichts der in § 48 Abs. 1 S. 2 E I ausdrücklich getroffenen Regelung eine bloße Zuständigkeitszuweisung an den Vorstand nun nicht mehr ohne Weiteres als Zuweisung zur weisungsfreien Wahrnehmung verstanden werden kann, während für das gleiche Ergebnis sonst ein ausdrücklicher Satzungsvorbehalt zugunsten der Mitgliederversammlung erforderlich gewesen wäre. Damit wäre letztlich das Problem der Satzungsauslegung angesprochen, dessen Bedeutung umso stärker hervortritt, je größer die Gestaltungsfreiheit bei der körperschaftsinternen Kompetenzverteilung ausfällt.102 gewiesene Entscheidungen, etwa im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung, an sich zu ziehen) an Boden gewinnt; hinzu kommt die später auch durch das Reichsgerichts rezipierte Diskussion um ungeschriebene Zuständigkeiten der Generalversammlung für bestimmte, herausgehobene Geschäftsführungsakte: s. näher Schubel, Verbandssouveränität, S. 368 ff.; s. zu der Rechtsprechung des Reichsgerichts noch ausführlich unten, § 5 E.I.1. 95  Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884, a.a.O., S. 170. 96  Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884, a.a.O., S. 170. 97 s. Hölder, AcP 73 (1888), 1, 46 f. 98 s. Hölder, AcP 73 (1888), 1, 46 f. 99  Hölder, AcP 73 (1888), 1, 46 f. 100 s. von Gierke, Personengemeinschaften, S. 27; ders., Entwurf, S. 150. 101  s. ausdrücklich ders., AcP 73 (1888), 1, 46. 102  s. zu konkreten Beispielen aus dem Vereinsrecht noch unten, § 7 D.

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung

133

III.  Zweiter Entwurf Mit dem 2. Entwurf wird der überfällige Paradigmenwechsel vollzogen und die Erlangung der Rechtsfähigkeit des Vereins im BGB selbst nach dem System der Normativbedingungen (Registrierungssystem) geregelt.103 Zugleich entscheidet sich die 2. Kommission dafür, für die Verfassung des Vereins mit der Folge nicht mehr auf das Landesrecht zu verweisen, dass diese sich nun nur noch nach Reichsrecht und dem Statut richtet.104 Nun, da das BGB die grundlegende Entscheidung über die Erlangung der Rechtsfähigkeit selber trifft, hält die 2. Kommission es für vorzugswürdig, den Verschiedenheiten des Landesrechts auch in untergeordneten Angelegenheiten keinen Raum mehr zu gewähren.105 Im Ergebnis wachsen die Anforderungen an die Vereinsgesetzgebung auf Reichsebene in zweifacher Hinsicht: Einerseits fällt mit den Ländern eine alternative Regelungsebene von vornherein aus. Andererseits entfällt mit dem Wechsel zum System der Normativbedingungen zugleich auch die Möglichkeit, einen Verzicht auf gesetzliche Vorgaben für das Organisationsrecht des Vereins mit der Erwartung zu verbinden, der daraus resultierende Gestaltungsspielraum werde durch „fürsorglichen Zwang“ der Konzessionsbehörden zugunsten eines wohlgeordneten Statuts genutzt.106 Die 2. Kommission ist sich zumindest in Ansätzen der daraus resultierenden Anforderungen bewusst.107 Es verwundert daher nicht, wenn die organisations- und kompetenzrechtlichen Vorschriften im 2. Entwurf nicht nur verschiedentliche Änderungen, 103  s. zu den Details, insbesondere den verbleibenden Beschränkungen, bereits oben § 3 A. (a.E.). 104  Vgl. § 43 E I einerseits (noch weitgehend identisch mit § 6 VE) und § 24 E II andererseits. 105  s. (auch zu den von der Minderheit vorgebrachten Gegenargumenten) Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 607. 106 Ob eine solche Erwartung in der Praxis der landesgesetzlichen Konzessionssysteme überhaupt jemals eine gesicherte Basis hatte, ist allerdings bislang keine gesicherte Erkenntnis. Immerhin schien Gebhard bei der Abfassung des Vorentwurfs davon auszugehen: In der Diskussion um Für und Wider des Konzessionssystems dient ihm die „den staatlichen Organen zufallende Arbeitslast“, die aus dem Erfordernis resultiert, auf ein „klares, wohlgeordnetes Statut“ sowie die Beseitigung von Lücken und Mängeln hinzuwirken zu müssen, als Beleg dafür, dass das Konzessionssystem auch für den Staat „missliche Seiten“ habe: s. ders., in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 595; s. dazu namentlich Schubel, Verbandssouveränität, S. 526 f. Für die Aktiengesellschaft ist die parallele Fragestellung besser untersucht, jedoch umstritten: vgl. Landwehr, ZRG Germ. Abt. 99 (1982), 1, 21 ff. (keine Einflussnahme der Konzessionsbehörden); dagegen mit überzeugenden Argumenten Schubel, Verbandssouveränität, S. 90 ff., 130 ff.; s.a. Fleischer, in: Aktienrecht Bd. II, S. 430, 433. 107  s. etwa Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 624 im Hinblick auf Vorschriften über die Einberufung der Mitgliederversammlung: Nachdem die Bezugnahme in § 43 E I auf das Landesrecht gestrichen worden sei, „sei es, wenn keine Lücke entstehen solle, erforderlich, für den Fall des Fehlens statuarischer Bestimmungen reichsgesetzliche Dispositivvorschriften über die Verfassung zu geben.“

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

sondern auch insgesamt eine detailliertere Regelung erfahren.108 Gleichwohl darf man dies, jedenfalls soweit es das Binnenorganisationsrecht angeht, nicht im Sinne eines grundsätzlichen Neuansatzes missverstehen. Vielmehr baut der 2. Entwurf ganz weitgehend auf dem bisherigen Normensatz auf, den er teils modifiziert, teils um bislang ungeregelt gebliebene Einzelaspekte ergänzt. Dazu zählen etwa die Vorschriften über Sonderrechte der Mitglieder oder die Bestellung besonderer Vertreter.109 Inhaltlich orientiert sich der 2. Entwurf neben dem Aktien- und Genossenschaftsrecht nun auch am gerade erst veröffentlichten Entwurf eines GmbH-Gesetzes.110 Darüber hinaus lässt sich verschiedentlich ein Rückgriff auf Regelungen der bayerischen und sächsischen Vereinsgesetzgebung nachweisen.111 Dies liegt nahe, da es sich bei diesen Ländern um die einzigen handelt, in denen zu dieser Zeit bereits Vereinsgesetzgebung in Kraft ist, die auf dem System der Normativbedingungen aufbaut. 1. Vorstand Was die rechtsdogmatische Einordnung des Vorstands angeht, formuliert der 2. Entwurf nun etwas zurückhaltender, dass der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat (§ 25 Abs. 2 E II).112 Im Übrigen bleibt der Vorstand zwingend vorgeschriebenes Organ,113 seine Vertretungsmacht mit Außenwirkung beschränkbar.114 Auch die subsidiäre Verweisung auf das Auftragsrecht bleibt erhalten.115 Weitere Änderungen betreffen seine Bestellung, worauf sogleich im Zusammenhang mit den Kompetenzen der Mitgliederversammlung zurückzukommen ist.

s. a. Schubel, Verbandssouveränität, S. 535. s. § 29 E II und § 33 E II. 110 s. Schubel, Verbandssouveränität, S. 535. 111  So bereits im Jahr 1895 Rump, Gesetz, S. 34, dessen Kommentierung des Bayer. Gesetzes über die privatrechtliche Stellung von Vereinen vom 29. April 1869 auch im Übrigen vielfach instruktive Quervergleiche zu 1. und 2. Entwurf sowie zum sächsischen Vereinsrecht zieht. 112  Es sollte damit dem Missverständnis begegnet werden, der Entwurf lege sich im Streit um das Wesen der juristischen Person – Organ- und Vertretertheorie sind nur spezielle Erscheinungsformen des Streits zwischen der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit und Fiktionstheorie – auf eine bestimmte Theorie fest: s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 609. 113  s. § 25 Abs. 1 E II. 114  s. § 25 Abs. 2 E II. 115  Statt wie im E I die Verweisung in das Auftragsrecht „auf die Rechte und Pflichten des Vorstandes gegenüber der Körperschaft“ zu beziehen, spricht § 26 Abs. 3 E II nun davon, dass die auftragsrechtlichen Vorschriften auf die „Geschäftsführung des Vorstands“ Anwendung fänden. Dass damit eine sachliche Änderung einhergehen sollte, wird aus den Materialien jedoch nicht ersichtlich. 108 

109 

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung

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2. Mitgliederversammlung a) Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung Der 2. Entwurf modifiziert auch die Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung. Die bereits vom 1. Entwurf zugelassene und an die Zustimmung aller Mitglieder gebundene Beschlussfassung außerhalb der Mitgliederversammlung wird um ein Schriftformerfordernis ergänzt.116 Einschneidender als diese bloß formale Änderung erscheint die Regelung von § 32 Abs. 1 E II, nach der nun erstmals auch das dispositive Vereinsrecht Satzungsänderungen nicht mehr an die Zustimmung sämtlicher Mitglieder knüpft, sondern Entscheidungen der Mitgliederversammlung mit qualifizierter Mehrheit zulässt. Ausgenommen bleiben Änderungen des Vereinszwecks. Ebenso wie zuvor § 48 Abs. 6 E I erklärt nun § 37 E II die Vorschriften über die Beschlussfassung unter Einschluss der Regelungen über die Satzungsänderung in vollem Umfang für abdingbar. Eine zwingende Grenze für Mehrheitsbeschlüsse zieht demgegenüber § 33 E II, der zwingend bestimmt, dass Sonderrechte der Mitglieder ohne deren Zustimmung nicht durch Beschlüsse der Mitgliederversammlung beeinträchtig werden können. Später von der 1. Kommission gebilligt,117 hatte Gebhard die Regelung der jura singulorum noch mit der Begründung abgelehnt, der in der Literatur aufgestellte Grundsatz, dass diese nur mit dem Willen der Berechtigten aufgehoben oder geändert werden könnten, sei ohne eine allgemeine Definition der Sonderrechte legislatorisch unverwertbar.118 Eine solche scheide aber aus, da sie nicht in der Lage sei, den bei den verschiedenen Arten von Korporationen bestehenden Besonderheiten Rechnung zu tragen. Im Übrigen konnte sich Gebhard auf den Standpunkt zurückziehen, dass jedenfalls die auf dem Statut beruhenden Einzelrechte nach seinem Vorentwurf generell schon durch das Einstimmigkeitserfordernis für Satzungsänderungen geschützt seien.119 Nachdem der 2. Entwurf damit bricht, erscheint die Aufnahme einer Vorschrift über mehrheitsfeste Sonderrechte konsequent. Einer Definition der Sonderrechte sieht sich aber auch die 2. Kommission nicht gewachsen und stellt die nähere Ausgestaltung des Begriffs Wissenschaft und Praxis anheim.120 Zwei weitere neu eingefügte Vorschriften betreffen die bislang ungeregelte Frage, wann die Mitgliederversammlung einzuberufen ist. So bestimmt § 34 E II nun zwingend, dass die Mitgliederversammlung außer in den durch die Satzung bestimmten Fällen immer dann zu berufen sei, wenn das Interesse des Vereins dies erfordere. Die 2. Kommission sucht damit den Anschluss an den zeitgenössischen 116 

s. § 31 Abs. 2 E II. Sitzungsprotokoll v. 7. 1. 1884 in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 173. 118 s. Gebhard, in: Schubert (Hrsg.), Vorlagen, AT Teil 1, S. 643. 119 s. Gebhard, a.a.O. 120  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 623. 117  s.

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

Stand des Verbandsrechts und ist zugleich der Ansicht, diese Regelung entspreche der „Natur der Sache“.121 Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift erblickt sie in erster Linie in der Regresspflicht des Vorstands.122 Nähere Ausführungen dazu, wie man sich die konkrete Anwendung vorzustellen hat, fehlen jedoch. Einen Antrag, der jedem einzelnen Mitglied die Möglichkeit eröffnen würde, sich durch das Amtsgericht zur Einberufung der Mitgliederversammlung ermächtigen zu lassen, wenn der Vorstand seiner Einberufungspflicht nicht nachkommt, lehnt sie dagegen ab.123 Auf einer ähnlichen Linie liegt auch § 35 E II. Die Vorschrift sieht die Pflicht zur Einberufung der Mitgliederversammlung vor, wenn zehn Prozent der Mitglieder dies verlangen.124 Auch § 35 E II gehört nicht zur Liste derjenigen Vorschriften, die durch § 37 E II abdingbar gestellt werden, doch ergibt sich bereits aus Vorschrift selbst, dass die Satzung auch ein höheres oder niedrigeres Quorum vorsehen kann.125 Inhaltlich behandelt die 2. Kommission § 35 E II nicht unter dem Gesichtspunkt eines Minderheitsrechts – dem Wortlaut nach könnte die Einberufung durch die Satzung sogar von einem Mehrheitserfordernis abhängig gemacht werden –, sondern unter demjenigen des Ausschlusses von Individualrechten: Es soll nicht schon jedem einzelnen Mitglied das Recht zugestanden werden, die Einberufung der Generalversammlung herbeizuführen.126 b) Bestellung und Abberufung des Vorstands Auch der 2. Entwurf normiert ausdrücklich, dass der Vorstand durch Beschluss der Mitgliederversammlung bestellt wird.127 Auch hier bleibt die Regelung abdingbar.128 Nähere Ausführungen zu anderweitigen Gestaltungen der Vorstandsbestel121  Eine entsprechende Vorschrift existierte bereits für die Aktiengesellschaft (§ 236 Abs. 2 ADHGB 1884), die Genossenschaft (§ 42 Abs. 2 GenG 1889) und war auch im Entwurf des GmbHG vorgesehen: s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 624. Gleichsinnig auch § 23 Abs. 2 des bayer. Gesetzes über die privatrechtliche Stellung von Vereinen vom 29. April 1869; dazu Rump, Gesetz, S. 134 ff. 122  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 624 f. 123  s. Protokolle bei Mugdan, S. 624 f.: Der Antrag „lege die Gefahr der Schikane, einer unnöthigen Belästigung des Gerichtes und der Vereinsmitglieder und einer wenig wünschenswerthen Einmischung des Gerichtes in die inneren Angelegenheiten der Vereine nahe.“ 124 Die Norm ist wiederum orientiert am Genossenschafts- und Aktienrecht (§§ 43 Abs. 1, 3 GenG, 237 Abs. 1, 3 ADHGB) und findet auch im bayerischen Vereinsgesetz (§ 23 Abs. 2) eine Entsprechung; s.a. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 625. 125  Soweit § 35 E II die Möglichkeit eines höheren Quorums eröffnet, weicht dies mit Rücksicht auf die „große Verschiedenartigkeit der in Betracht kommenden Vereine“ allerdings vom genossenschaftsrechtlichen Vorbild ab: s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 625; dies entspricht auch dem bayerischen Vereinsgesetz: s. Rump, Gesetz, S. 134. 126  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 625. 127  § 26 Abs. 1 E II. 128  § 37 E II.

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung

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lung oder gar zu Grenzen für solche Gestaltungen finden sich in diesem Zusammenhang unmittelbar nicht.129 Was die Abberufung des Vorstands angeht, vollzieht die 2. Kommission allerdings einen Wandel, der mit einer Modifikation wieder zu der Regelung des Gebhard’schen Vorentwurfs zurückführt.130 Die Bestellung des Vorstands wird nun gem. § 26 Abs. 1 S. 1 E II jederzeit widerruflich gestellt. Diese Vorschrift ist zwingend,131 abgesehen von der durch § 26 Abs. 1 S. 2 E II eingeräumten Möglichkeit, die Widerruflichkeit durch die Satzung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu binden. Auch mit dieser Regelung sucht die 2. Kommission den Anschluss an den Stand der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung.132 Die jederzeitige Widerruflichkeit entspreche dem Stand des Aktien- und Genossenschaftsrechts und habe auch in der Vereinsgesetzgebung Sachsens und Bayerns ein Vorbild.133 Den vorgenannten Vorschriften fehlt seinerzeit allerdings noch die in § 26 E II enthaltene Möglichkeit, die Abberufung durch die Satzung an einen wichtigen Grund zu binden. Hier übernimmt der 2. Entwurf fast wortlautgleich die Vorschrift von § 38 Abs. 2 des 1891 bereits im Entwurf vorliegenden GmbH-Gesetzes,134 welches seinerseits insoweit durch personengesellschaftsrechtliche Vorstellungen geprägt ist.135 In der Sache hält die 2. Kommission die zwischenzeitlich angestellte Überlegung, dass manche Körperschaften die „Stetigkeit der Leitung durch ein und dieselbe Hand“ erforderten,136 im Rahmen des neuen Regelungskonzepts, das auf die Normierung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts fast vollständig verzichtet,137 nicht mehr für durchgreifend: Nachdem man sich „nunmehr auf die Ordnung derjenigen Vereinigungen beschränkt habe, welche sich auf dem Boden des Privatrechts bewegten, müsse anerkannt werden, dass es hier jedenfalls für die Regel nicht in der Absicht der Mitglieder liege, unauflöslich an den Vorstand gebunden sein zu wollen und auf eine selbständige Vermögensverwaltung zu verzich-

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s. aber noch sogleich im Text. s. dazu oben, § 3 B.I. 131  Die 2. Kommission fügt sie der Liste der abdingbaren Vorschriften in § 37 E II nicht hinzu. 132  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 610. 133  s. § 24 Abs. 3 GenG (1889) und Art. 227 Abs. 3 ADHGB (1884) sowie für Bayern Art. 12 Abs. 2 G. v. 29. April 1869 einerseits (dazu Rump, Gesetz, S. 112) und Sachsen § 18 Abs. 3 G. v. 15. Juni 1868. 134  s. zur Entstehungsgeschichte des GmbHG etwa Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 1, 22 ff. 135  s. §§ 101, 157 ADHGB i.d.F. von 1869 für OHG und KG sowie § 638 E I für die GbR; vgl. Sitzungsprotokoll v. 15. 12. 1891 in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 291; Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 611. 136  So die Argumentation der 1. Kommission, s.o., § 3 B.II.2.b). 137  Lediglich einige Einzelvorschriften werden durch § 77 E II noch auf Körperschaften des öffentlichen Rechts bezogen. 130 

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

ten.“138 Was die 2. Kommission hier fürchtet, ist also eine Verselbständigung der Vorstandstätigkeit ohne Rückbindung an den Vereinszweck. Dessen Durchführung werde in bedenklicher Weise gefährdet, wenn es nicht möglich sein sollte, die dem Vorstande erteilte Machvollkommenheit wieder zurückzunehmen.139 Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen dazu, in welchem Verhältnis die Widerruflichkeit der Vorstandsbestellung zu mitgliedschaftlichen Sonderrechten stehen soll, die § 33 E II der Gestaltungsmacht der Mitgliederversammlung eigentlich entzieht. Im Hinblick darauf hat die 2. Kommission nämlich zunächst Bedenken, sich überhaupt dazu durchzuringen, die Widerruflichkeit der Vorstandsbestellung als zwingende Regelung auszugestalten und lehnt einen ersten darauf gerichteten Antrag ab.140 Eine dispositive Regelung sei vorzugswürdig, weil unter Umständen der Vorstand durch die Berufung ein unentziehbares Sonderrecht auf die Vertretung und die Führung der Geschäfte erwerben könne, etwa wenn jemand, der dem Verein Vermögen zugewendet habe, sich die Vorstandsstellung statutenmäßig auf längere Zeit sichern wolle.141 Erst in einer späteren Sitzung entscheidet sie sich dafür, die Widerruflichkeit vorbehaltlich des Erfordernisses eines durch die Satzung vorgesehenen wichtigen Grundes zwingend auszugestalten.142 Begründet wird dies nun mit der Einsicht, auch ein statutenmäßiges Sonderrecht auf Führung und Vertretung eines Vereins müsse dem Interesse des Vereins weichen, wenn der bestellte Vertreter sich grobe Pflichtverletzungen zu Schulden kommen lasse, zur Geschäftsführung unfähig werde, oder ein ähnlicher Grund vorliege.143 Dem Gedanken, dass das Vorstandshandeln an das Vereinsinteresse rückgebunden werden muss, wird also eine so starke Bedeutung beigemessen, dass er sich auch gegenüber eigentlich unentziehbaren Sonderrechten einzelner Mitglieder durchsetzt. Was allerdings fehlt, sind nähere Ausführungen dazu, ob im Falle der Abberufung eines Vorstandsmitglieds, das sich auf ein satzungsmäßiges Sonderrecht stützen kann, wie sonst eine einfache Mehrheit genügt, oder ob eine satzungsändernde Mehrheit erforderlich ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Abberufung des Vorstands ebenso wie dessen Bestellung nicht zwingend der Mitgliederversammlung zustehen muss. Dies macht die Ablehnung eines An138 

s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 610. s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 610. 140 Vgl. den Antrag Nr. 126 des bayerischen Kommissionsmitglieds Jacubetzky, Sitzungsprotokoll v. 7. 12. 1891, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 272. Der Antrag war darauf gerichtet, für die Widerruflichkeit die zwingende auftragsrechtliche Vorschrift des § 597 E I in Bezug zu nehmen. Zur Rolle Jacubetzkys in der 2. Kommission allgemein Schubert, in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Materialien, S. 58 f. 141  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 610. 142  Der Antrag (Nr. 149) geht wiederum auf Jacubetzky zurück: s. Sitzungsprotokoll v. 15. 12. 1891 in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 291. Inhaltlich soll nach diesem Antrag nun nicht mehr auf das Auftragsrecht (freie Widerrufbarkeit), sondern auf das Recht der GbR Bezug genommen n werden, wo § 638 E I den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis an das Vorliegen eines wichtigen Grundes bindet. 143  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 611. 139 

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung

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trags deutlich, der darauf zielte, die Widerruflichkeit der Vorstandsbestellung nur zuzulassen, wenn die Bestellung durch die Mitgliederversammlung erfolgt ist.144 Diesen Regelungsvorschlag hält die Kommissionsmehrheit für zu eng gefasst, da es auch vorkommen könne, dass die Vorstandswahl in die Hände eines anderen Organs als der Generalversammlung gelegt sei, sie etwa einem Aufsichtsrat überlassen bleibe. Dann müsse aber auch diesem Organ die Befugnis zuerkannt werden, die Bestellung zu widerrufen.145 Hierbei handelt es sich zugleich um eine der seltenen Stellen, wo sich den Materialien Näheres dazu entnehmen lässt, welche alternativen Möglichkeiten der Vorstandsbestellung dem Gesetzgeber überhaupt vorgeschwebt haben. c) Kompetenzverteilung im Innenverhältnis Die Regeln über die Kompetenzverteilung im Innenverhältnis bleiben – unter Einschluss ihrer Dispositivität (vgl. § 37 E II) – im 2. Entwurf im Kern unverändert erhalten. Die vorgenommenen Änderungen sind weitgehend formaler Natur. § 48 Abs. 1 E I, der in den inneren Angelegenheiten den Willen der Mitglieder für maßgebend erklärte und dies in Satz 2 ausdrücklich auch auf die Geschäftsführung des Vorstands bezogen hatte, wird durch die etwas differenziertere Regelung des § 31 Abs. 1 E II ersetzt. Danach werden die Angelegenheiten des Vereins, soweit sie nicht vom Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. § 48 Abs. 1 S. 2 E I wird ersatzlos gestrichen. Die mit diesen Modifikationen in der Sache verbundenen Änderungen halten sich jedoch in engen Grenzen. Zum Teil werden damit lediglich Regelungsgehalte mit in den ersten Absatz einbezogen, die zuvor in einem nachfolgenden Absatz enthalten waren.146 Soweit die Zuständigkeit der Generalversammlung nun nur noch auf die „Angelegenheiten“ des Vereins und nicht mehr auf die „inneren Angelegenheiten“ bezogen wird, soll dies der Unbestimmtheit des Begriffs der inneren Angelegenheiten Rechnung tragen, zumal die Regelung ohnehin nur dazu diene, die Mitgliederversammlung als das regelmäßige Beschlussorgan anzuerkennen.147 Zudem sei zu berücksichtigen, dass für gewisse Angelegenheiten dieser Art (also „innere“ Angelegenheiten) – etwa die Berufung und Leitung der Mitgliederversammlung – dem Vorstand die entscheidende Stimme zustehe.148 144 s. Sitzungsprotokoll vom 7.  12. 1891 in: Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 272. 145  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 610. 146  Dies gilt etwa für die Feststellung, dass die Willensbildung durch Beschlussfassung der Mitgliederversammlung erfolgt (§ 48 Abs. 2 E I). 147  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 621. 148  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 621. Besonders einleuchtend ist die Argumentation insoweit nicht. Zunächst umfasst der Begriff der „Angelegenheiten“ des Vereins als der allgemeinere Begriff auch die „inneren“ Angelegenheiten. Die vorgenommene Begriffsänderung beseitigt das identifizierte Problem daher nicht. Zudem sind die bei-

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

Keine besondere Bedeutung dürfte auch dem Umstand beizumessen sein, dass die in § 48 Abs. 1 S. 2 E I normierte Befugnis, dem Vorstand Weisungen für dessen Geschäftsführung zu erteilen, gestrichen wird. Die 2. Kommission begründet dies mit der knappen Erwägung, dass die Vorschrift teils – nämlich im Hinblick auf § 44 Abs. 2 E I – entbehrlich, teils aber auch in ihrer „allgemeinen Fassung nicht einwandfrei“ erscheine.149 Der erste Teil dieses Arguments ist ohne Weiteres nachvollziehbar. § 44 Abs. 2 E I (§ 26 Abs. 3 E II) verweist für die Rechte und Pflichten des Vorstands in das Auftragsrecht und nimmt dabei auch § 590 E I (§ 596 E II) in Bezug, aus dem sich ergibt, dass der Beauftragte grundsätzlich weisungsgebunden handelt. Es besteht ersichtlich kein Anlass, die darin liegende Aussage für die Stellung des Vorstands durch eine weitere Vorschrift im Vereinsrecht zu verdoppeln. Schwieriger zu sagen ist dagegen, warum die 2. Kommission die Regelung darüber hinaus in ihrer allgemeinen Form nicht für „einwandfrei“ hielt. Beispiele für mögliche Einwände werden in den Protokollen nicht genannt. Möglicherweise haben die Kommissionsmitglieder aber auch an dieser Stelle den Gedanken verfolgt, dass dem Vorstand in manchen Angelegenheiten wie der Einberufung und Leitung der Mitgliederversammlung die „entscheidende Stimme“ zustehe. Auch hier kann dies allerdings nur in dem Umfang gelten, in dem der Vorstand Pflichten zu erfüllen hat, die ihm gesetzlich zwingend auferlegt sind. Jedenfalls wird man festhalten können, dass § 590 E I von vornherein einem etwas loseren Konzept der Weisungsgebundenheit folgt, als dies in § 48 Abs. 1 S. 2 E I dem Wortlaut nach der Fall war.150 Indem die 2. Kommission die letztgenannte Vorschrift streicht, spricht sie sich für die flexiblere der beiden Alternativen aus und vermeidet von vornherein einen möglichen Normkonflikt im Gesetz. Zudem eröffnet die bloß entsprechende Anwendbarkeit des Auftragsrechts einen weiteren Spielraum dafür, etwaigen Besonderheiten des Körperschaftsrechts Rechnung zu tragen. Insgesamt wird man sagen können, dass die an § 48 Abs. 1, 2 E I vorgenommenen Änderungen eher klarstellend-redaktionellen Charakter tragen, als dass ihnen inhaltliche

spielhaft genannten „inneren Angelegenheiten“, in denen dem Vorstand die entscheidende Stimme zustehen soll, nicht besonders glücklich gewählt. Ausnahmen von der Zuständigkeit des Vorstands für die Einberufung und Leitung der Mitgliederversammlung ergeben sich schon aus dem Gesetz (§ 35 Abs. 2 E II). Auch allgemein erscheinen Beschlüsse der Mitgliederversammlung, die diese Angelegenheiten betreffen (etwa über Anträge zur Geschäftsordnung oder zum Zeitpunkt der nächsten Mitgliederversammlung), keineswegs von vornherein ausgeschlossen. Soweit der Vorstand nach §§ 34, 35 E II die Mitgliederversammlung zwingend einzuberufen hat, kann ihn allerdings auch ein anderslautender Beschluss der Mitgliederversammlung nicht binden. Dies wäre dem Gesetz im Wege der Auslegung aber auch unter Beibehaltung der alten Fassung zu entnehmen gewesen: Denn von den ihm zwingend auferlegten Pflichten kann den Vorstand weder Beschluss noch Satzungsregelung befreien. 149  s. Protokolle a.a.O, S. 621. 150  § 590 E I regelt wie die Nachfolgevorschrift von § 665 in erster Linie die Befugnis des Auftragnehmers, unter bestimmten Bedingungen von Weisungen abzuweichen.

B.  Binnenorganisation und Kompetenzverteilung

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Nuancierungen, wie etwa eine tendenzielle Stärkung des Vorstands, zu entnehmen wären.151 Auf weitere Vorschriften zur internen Kompetenzverteilung verzichtet der 2. Entwurf ebenso wie der erste. Das gilt nicht nur für zwingende oder auch nur dispositive direkte Regelungen der Binnenordnung, sondern auch für die Möglichkeit, Vorgaben für die Ausgestaltung der Satzung vorzusehen und damit die Vereinsgründer selbst zu einer eigenständigen Regelung anzuhalten. Während etwa das bayerische Vereinsgesetz von 1869 zwingend vorsah, dass die Satzung Bestimmungen über die dem Vorstand in der Leitung der inneren Vereinsangelegenheiten zustehenden Befugnisse enthalten (Art. 3 Abs. 6) und auch die zur Zuständigkeit der Generalversammlung gehörenden Gegenstände bezeichnen müsse (Art. 3 Abs. 9),152 beschränkt der 2. Entwurf die Vorgaben für die Satzung auf einige wenige Aspekte, die überdies zumeist als bloße Sollvorschriften ausgestaltet werden.153

IV.  Änderungen bis zum Inkrafttreten Bis zum Inkrafttreten des BGB werden am Vereinsrecht nur noch wenige Änderungen vorgenommen.154 Für die an dieser Stelle näher interessierenden, das Binnenorganisationsrecht betreffenden Vorschriften sind insoweit lediglich einige redaktionelle Änderungen ohne sachliche Bedeutung zu verzeichnen.

V. Ergebnisse Nach einer ersten, recht losen Skizze in Gebhards Vorentwurf gewinnt das Binnenorganisationsrecht des Vereins bereits im 1. Entwurf eine deutlich konkretere Gestalt. Bereits hier werden die wesentlichen Elemente der Zuständigkeitsordnung normiert: die Grundsätzliche Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung, ihre Überordnung gegenüber dem Vorstand einschließlich der damit einhergehenden Weisungsbindung sowie die umfassende Dispositivität der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung. An diesen Grundsätzen hält auch der 2. Entwurf ungeachtet zahlreicher Detailänderungen im Kern fest. Zudem baut er das Machtgefälle zwischen Mitgliederversammlung und Vorstand noch weiter aus, indem er die freie Widerruflichkeit der Vorstandsbestellung zum gesetzlichen Regelfall erhebt, von dem die Satzung nur durch das Erfordernis eines wichtigen Grundes, nicht aber vollständig abweichen kann. Dieser Umstand bildet zugleich eines der wenigen Indizien dafür, dass sich der historische Gesetzgeber, auch wenn er eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Frage der Reichweite statuarischer Gestaltungsfreiheit

Vgl. aber auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 536. Siehe dazu Rump, Gesetz, S. 74, 79. 153  s. § 51, 52 E II. 154  s. bereits oben, § 3 A. 151 

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

unterlässt,155 zumindest in Ansätzen Gedanken darüber gemacht hat, ob den Gestaltungsspielräumen, die die weitgehende Abdingbarkeit des Vereinsrechts eröffnet, nicht auch Grenzen gesetzt werden müssen. Deswegen ist es von besonderer Bedeutung, dass die von der 2. Kommission gegebene Begründung für die Widerrufbarkeit der Vorstandsbestellung einen verallgemeinerungsfähigen Kern enthält. Sinn der Widerrufbarkeit ist es danach, die Durchführung des Vereinszwecks zu sichern, diesen mit anderen Worten gegen die Fehlsteuerung durch eine an Eigenoder Drittinteressen orientierte Geschäftsführung eines nicht effektiv kontrollierbaren Vorstands zu schützen – und zwar selbst dann, wenn die Wahrnehmung der Organfunktion ein statuarisch abgesichertes Sonderrecht darstellt.

C.  Zum Leitbild des Gesetzgebers Abschließend bietet die Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung des Vereinsrechts Gelegenheit für eine klarstellende Bemerkung zum Leitbild des Gesetzgebers. Verbreitet wird dieses dergestalt charakterisiert, der Gesetzgeber habe die Vorschriften des Vereinsrechts allein auf kleine, örtlich geprägte Vereine mit einem überschaubaren Kreis untereinander bekannter Mitglieder zugeschnitten.156 In diesem Zusammenhang fällt dann auch das Wort von den „Skat-, Kegel-, Sauf- und Rauchvereinen“, die dem Gesetzgeber als Leitbild gedient hätten.157 Das damit in Bezug genommene Zitat stammt allerdings nicht aus dem Kreis der mit den Vorarbeiten unmittelbar befassten Personen. Es handelt sich vielmehr um einen Ausschnitt aus einem Redebeitrag des SPD-Abgeordneten Arthur Stadthagen im Rahmen der 2. Lesung.158 In seiner Stellungnahme führte Stadthagen aus: „Ich kann mich nicht zurückhalten mit der Bitte, sich klar zu überlegen, ob es nicht richtiger sei, die ganze privatrechtliche Gestaltung des Vereinsrechtes zu streichen, als hier anzuerkennen, daß in Deutschland die Rechtsfähigkeit nur in Skat-, Kegel-, Sauf- und Rauchvereinen gegeben werden soll, daß aber in dem Augenblicke, wo ein Verein sich erkühnt, ernsten kulturellen Zielen seine Aufmerksamkeit zu widmen, die Rechtsfähigkeit entzogen werden kann“.159

Ersichtlich ging es Stadthagen also nicht darum, die vereinsrechtlichen Vorschriften dahingehend zu qualifizieren, sie seien lediglich auf kleine und kleinste Personenvereinigungen zugeschnitten. Sinn seiner Aussage ist nicht die dogma­ Schubel, Verbandssouveränität, S. 539 ff. Vgl. etwa Segna, NZG 2002, 1048; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 211; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 1; Terner, RNotZ 2008, 94, 95; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 24. 157  s. z. B. Säcker, Repräsentation, S. 2; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 1. 158  Stadthagen ist zu diesem Zeitpunkt der einzige Jurist in der SPD-Reichstagsfraktion; vgl. zu Person und Wirken Hamburger, Juden im öffentlichen Leben Deutschlands, S. 480 ff. 159  Vgl. das Protokoll der 109. Sitzung vom 19. 06. 1896 bei Mugdan, Bd. I, S. 995. 155 s. 156 

C.  Zum Leitbild des Gesetzgebers

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tische Analyse, sondern die Absicht, die politische Dimension des Gesetzentwurfs im Vereinsrecht noch einmal polemisch zuzuspitzen. In der Sache sagt er damit nichts anderes als etwa der Zentrumsabgeordnete Rintelen, der schon im Rahmen der 1. Lesung bemängelt hatte, es verletzte das Rechtsgefühl aufs tiefste, wenn Vereine, die nur dem Vergnügen nachgingen, ohne Schwierigkeiten Korporationsrechte erhalten könnten, während dies mit ernsten Problemen sich befassenden Assoziationen teilweise sehr erschwert würde.160 Auf die Aussage Stadthagens lässt sich die Feststellung, man sei sich schon zur Zeit der Entstehung des BGB darüber im Klaren gewesen, dass die §§ 21 ff. BGB nicht über den lokalen Kleinverein hinaus passten, also kaum stützen.161 Auch der Versuch, die Ansicht, dem Gesetzgeber habe bei der Schaffung des Vereinsrechts eine überschaubare Vereinigung von Bürgern zur Verfolgung privater Zwecke vor Augen gestanden, anhand eines Rückschlusses aus den vereinsrechtlichen Vorschriften herzuleiten, erscheint in den Ergebnissen nicht zwingend.162 Das gilt vor allem deswegen, weil die ohnehin schon recht sparsamen organisationsrechtlichen Vorschriften ganz weitgehend dispositiv ausgestaltet sind, so dass erhebliche Gestaltungsspielräume entstehen, die ohne weiteres dazu genutzt werden können, die Rechtsform des Vereins an ganz unterschiedliche Einsatzfelder anzupassen. Daher lässt sich etwa aus dem Verweis darauf, dass das Vereinsrecht lediglich Vorstand und Mitgliederversammlung als notwendige Organe vorsehe und eine so wenig differenzierte Organisationsstruktur nur für die Erfordernisse lokal begrenzter Vereine genüge,163 kein zwingendes Argument für das Leitbild gewinnen. Die Organisationsstruktur kann ohne weiteres durch die Einrichtung zusätzlicher Organe, wie etwa eines Aufsichtsrats oder einer Delegiertenversammlung, an die Bedürfnisse einer größeren Personenvereinigung angepasst werden.164 In den gleichen Zusammenhang gehört auch das Argument, Kögler, Arbeiterbewegung, S. 108. So aber z. B. Segna, NZG 2002, 1048 mit Fn. 3. 162  Vgl. in dieser Richtung aber z. B. Säcker, Repräsentation, S. 5; Schmidt, Mitgliedschaft, S. 2 ff. 163  s. z. B. U. Schmidt, Mitgliedschaft, S. 3 m.w.N. 164  Die Möglichkeit, dass Vereine über einen Aufsichtsrat verfügen können, ist bei der Beratung des Vereinsrechts zwanglos zugrunde gelegt worden: s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 610. Für die Einrichtung einer Delegiertenversammlung enthalten die Materialien – soweit ersichtlich – keinen entsprechenden Hinweis; s. allgemein zur Zulässigkeit der Entsendung von Vertretern in die Mitgliederversammlung Mugdan Bd. I, S. 625. Gleichwohl scheint die Annahme, dass die vereinsrechtlichen Vorschriften die Einrichtung einer Delegiertenversammlung erlaubten, bereits für die ersten Rezipienten des 2. Entwurfs selbstverständlich gewesen zu sein. So führt der preußische Landwirtschaftsminister in seinen Voten v. 03.07. und 24. 08. 1894 Bedenken gegen die Durchführbarkeit von Mitgliederversammlungen bei Vereinen mit großer bzw. überregionaler Mitgliedschaft an, hält aber auch die Einrichtung einer Delegierten- bzw. Vertreterversammlung mit den vereinsrechtlichen Vorschriften für vereinbar und das von ihm benannte Problem damit für lösbar: s. Jakobs/ Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 2, S. 1328 ff., 1347, 1349 f. 160 Vgl. 161 

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§ 3  Die vereinsrechtliche Binnenorganisation in rechtshistorischer Perspektive

aus dem Fehlen von Vorschriften über das Vereinsinnenleben lasse sich schließen, der Gesetzgeber habe gemeint, die Freiwilligkeit des Beitritts, die gesetzlich garantierte Austrittsfreiheit sowie die Möglichkeit, Konkurrenzvereine zu gründen, genüge den Erfordernissen des vorgestellten Vereinstyps. Dies treffe jedoch nur auf den typischen Geselligkeitsverein zu, den der Betroffene ohne größere Konsequenzen verlassen könne, nicht aber auf Vereine, bei denen ein faktischer Zwang zur Mitgliedschaft bestehe, wie etwa solche, bei denen die Mitgliedschaft Voraussetzung für eine sinnvolle Berufsausübung ist.165 Daran ist richtig, dass die Drohung mit Austritt und Gründung von Konkurrenzvereinen dort nicht zur Rückbindung eines Leitungsorgans an die Mitgliederinteressen oder die Rücksichtnahme einer Mitgliedermehrheit auf die Interessen der Minderheit führt, wo das Drohpotential sachlich begrenzt ist, weil sich das Mitglied durch den Austritt mehr schadet als nützt. Doch ist das ein ganz allgemeines Problem, dessen Auftreten nicht auf einen bestimmten Vereinstyp beschränkt ist. Es kann im Grunde überall dort schon auftreten, wo es einem Verein im Lauf der Zeit gelingt, Vermögensbildung zu betreiben und die Mitglieder von der daraus resultierenden Leistungsfähigkeit profitieren zu lassen.166 Treten Mitglieder hier aus, sind sie zukünftig von den Vorteilen dieser Leistungsfähigkeit, zu der sie unter Umständen durch jahrelange Beitragszahlungen beigetragen haben, regelmäßig ohne geldwerte Entschädigung ausgeschlossen, ohne sich die gleichen Vorteile durch eine Vereinsneugründung unverzüglich wieder verschaffen zu können. Das kann z. B. auch auf einem Sportverein zutreffen, der in jahrelangen Anstrengungen die einzige Sportanlage am Ort errichtet hat. Der Gesetzgeber hat hier also in Bezug auf die Durchschlagskraft der Austrittsdrohung keine Vereinstyp übersehen, sondern allenfalls, dass ihr ganz allgemein Grenzen gesetzt sein können. Soweit man aus den vereinsrechtlichen Vorschriften einen Rückschluss auf die Vorstellungen des Gesetzgebers ziehen möchte, liegt daher die Feststellung näher, der Gesetzgeber habe sich nicht auf einen bestimmen Vereinstyp festlegen wollen. Dieses Ergebnis passt nicht nur besser zur zeitgenössischen Rechtswirklichkeit, sondern stimmt auch mit zumindest gelegentlich in den Materialien enthaltene Äußerungen überein, die sich jeweils auf die große Vielfalt der in Betracht kommenden Gestaltungsmöglichkeiten beziehen und auf dieser Basis für legislative Zurückhaltung plädieren.167 Damit ist nicht gesagt, dass die vereinsrechtlichen Vorschriften nicht auch lückenhaft sein könnten und dass diese Lücken bei bestimmten Vereinstypen spürbarer werden, als dies bei anderen der Fall ist.

Schmidt, Mitgliedschaft, S. 2 f. m.w.N. Die relevanten Zusammenhänge sind bereits vor dem Inkrafttreten des BGB im Jahr 1899 klar erkannt und plastisech beschrieben worden von Leist, Vereinsherrschaft, S. 5 ff. 167  s. etwa Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 625; s. dazu, dass der Gesetzgeber auch die (damals schon überregional organisierten) Berufs- und Fachvereine im Blicke hatte a.a.O., S. 603. 165 Vgl. 166 

§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial – Vereine aus dem Bereich der höchsten deutschen Fußballligen Die rechtstatsächliche Darstellung beschränkt sich auf eine Auswahl von Satzungen von Vereinen, die (unmittelbar oder über Tochtergesellschaften) in den höchsten deutschen drei deutschen Fußballspielklassen aktiv sind. Schon aus der Beschränkung auf diese Stichprobe wird deutlich, dass Ziel der rechtstatsächlichen Darstellung nicht ein möglichst umfassender Überblick über das Phänomen von Idealvereinen ist, die als Konzern- oder Gruppenspitze in Erscheinung treten. Insofern kann auf andere Darstellungen verwiesen werden.1 Vielmehr geht es darum, anhand einer begrenzten Stichprobe praktisches Anschauungsmaterial für den Fortgang der Untersuchung zu gewinnen, das es erlaubt die Untersuchungsfrage näher zu konkretisieren und weiter aufzufächern. Für diesen Zweck ist die gewählte Stichprobe besonders geeignet, weil die darin enthaltenen Satzungen in exemplarischer Weise eine große Bandbreite an Gestaltungsvarianten abdecken. Sie betreffen Vereine mit und ohne Tochtergesellschaften und reichen von eher schlichten Konstruktionen, die ähnlich wie die gesetzliche Ausgangslage nur wenige Zuständigkeitsfragen konkret ansprechen, bis hin zu sehr ausdifferenzierten Klauselwerken, die auch spezifisch auf Gruppenkontexte bezogene Regelungen enthalten. Die Darstellung wendet sich im Folgenden in einem einleitenden Abschnitt nach einigen terminologischen Klarstellungen zunächst den relevanten Verbandsstrukturen zu, die für das bessere Verständnis der nachfolgenden Ausführungen von Bedeutung sind (A.). Nachfolgend wird überblicksweise dargelegt, in welchem Umfang Vereine der Fußballbundesligen als Spitze von Gruppenstrukturen fungieren (B.). Die anschließende Sichtung konkreter Satzungsgestaltungen konzentriert sich im Schwerpunkt auf Fragen der vereinsinternen Kompetenzverteilung und berücksichtigt dabei insbesondere solche Klauseln, die sich im weitesten Sinn mit Maßnahmen der Gruppenbildung und -leitung befassen (C.). Der abschließende Abschnitt unternimmt den Versuch, die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse für die Konkretisierung der Untersuchungsfrage fruchtbar zu machen (D.).

1  s. z. B. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 II Rn. 3 ff.; Fiedler, Konzernhaftung, S. 15 ff.; Sprengel, VereinskonzernR, S. 30 ff.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

A. Vorbemerkungen I. Terminologie Soweit im Folgenden von den Vereinen der 1. oder 2. Bundesliga die Rede ist (oder, nach offiziellem Sprachgebrauch:2 der „Bundesliga“ bzw. der „2. Bundesliga“), geschieht dies zur sprachlichen Vereinfachung, ist aber sachlich nicht immer ganz zutreffend. Denn viele Vereine haben ihre Lizenzspielerabteilungen auf Kapitalgesellschaften ausgegliedert, die selbst Lizenznehmerin des Ligaverbandes und damit Teilnehmerin der jeweiligen Liga sind .3 Für die betreffenden Teilnehmer der Lizenzligen wird im Folgenden auch der dafür üblich gewordene Begriff der „Spielbetriebsgesellschaft“ verwendet.4 Die Auslagerung der Lizenzabteilungen auf Kapitalgesellschaften ist im Übrigen nicht auf die beiden höchsten Spielklassen beschränkt. Vergleichbare Vorgänge gibt es auch in der zur Saison 2008/09 neu eingeführten 3. Bundesliga (offiziell:5 „3. Liga“) sowie in den Regionalligen, da auch hier Kapitalgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen zum Spielbetrieb zugelassen sind.6 Im Regelfall sind diese Spielbetriebsgesellschaften gesellschaftsrechtlich immer noch mit dem Mutterverein verbunden, der aufgrund verbandsrechtlicher Vorgaben (sog. „50+1-Regel“)7 grundsätzlich die Mehrheit der Stimmrechte halten muss. Zwei Teilnehmerinnen der Lizenzligen – die Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH und die VfL Wolfsburg Fußball GmbH – haben sich allerdings ganz aus vereinsrechtlichen Bezügen gelöst und sind überhaupt nicht mehr mit ihrem ursprünglichen Mutterverein verbunden. Stattdessen handelt es sich um hundertprozentige Konzerntöchter von Wirtschaftsunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (Bayer AG und Volkswagen AG).8

II.  Relevante Verbandsstrukturen Zum besseren Verständnis erscheint ein kurzer Blick auf die relevanten Verbandsstrukturen angezeigt.9 Im Bereich des organisierten Fußballsports fasst der Deutschen Fußball-Bund (DFB) e.V. als Dachverband die entsprechenden Landes- und Regionalverbände zusammen.10 Als Dachverband ist der DFB nach § 4 Nr. 1 lit. g) seiner Satzung auch dafür verantwortlich, die drei höchsten Spielklassen (Bundes2 

Vgl. z. B. DFB-Satzung 4 Nr.1 lit. g). Vgl. §§ 7 f. Ligaverband-Satzung. 4  Vgl. z. B. Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499. 5  Vgl. z. B. DFB-Satzung 4 Nr. 1 lit. g). 6  Darauf kann nachfolgend nicht näher eingegangen werden; s. aber noch sogleich, § 4 B.I.3.e). 7  s. dazu sowie zu den Ausnahmen noch näher sogleich, § 4 B.I.3.a). 8 s. Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499, 500. 9  s. für eine graphische Darstellung Weiler, Mehrfachbeteiligungen, S. 45. 10  s. § 7 Nr. 2 lit. a) der DFB-Satzung. 3 

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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liga, 2. Bundesliga und 3. Liga), als seine Vereinseinrichtungen zu organisieren. Hinsichtlich der 1. und 2. Bundesliga führt er diese Aufgabe allerdings nicht mehr selbst aus, sondern überlässt sie im Rahmen einer im Jahr 2000 begonnenen Neuordnung des Lizenzfußballs im Wesentlichen dem „Die Liga – Fußballverband e.V.“ (Ligaverband). Im Ligaverband, der seinerseits ordentliches Mitglied des DFB ist,11 sind die lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der 1. und 2. Bundesliga zusammengeschlossen,12 die vor Gründung des Ligaverbandes bis zum Jahr 2001 dem DFB noch unmittelbar als (außerordentliche) Mitglieder angehörten.13 Der Ligaverband übernimmt auf Grundlage von §§ 16 a) – d) der DFB-Satzung sowie eines zwischen DFB und Ligaverband geschlossenen Grundlagenvertrages den Betrieb der ihm vom DFB für diesen Zweck überlassenen Vereinseinrichtungen „Bundesliga“ und „2. Bundesliga“.14 In diesem Rahmen kommen dem Ligaverband, der sein operatives Geschäft durch seine Tochtergesellschaft DFL Deutsche Fußball Liga GmbH führen lässt,15 vielfältige Aufgaben zu. Unter anderem ist er unter Beachtung der durch den DFB aufgestellten Vorgaben auch für die Lizenzerteilung verantwortlich.16 Die mit der Spielklasse der „3. Liga“ verbundenen Aufgaben nimmt der DFB dagegen nach wie vor selbst wahr.17 Die Regionalliga als vierte Spielklasse wird seit der Saison 2012/2013 nicht mehr durch den DFB als Bundesspielklasse geführt, sondern obliegt der Verantwortung der jeweiligen Regionalund Landesverbände, die insgesamt fünf Regionalligen betreiben.

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen Die Vereine der höchsten Spielklassen sind heute auf vielfältige Weise in Gruppenstrukturen eingebunden. So haben eine Vielzahl von Vereinen ihre Lizenzspielerabteilungen auf Tochtergesellschaften ausgegliedert (I.). Darüber hinaus verfügen die meisten Vereine über eine Reihe von weiteren Untergesellschaften, die Vertriebs-, und Vermarktungsaufgaben übernehmen sowie weitere vereins- und nichtvereinsbezogene Dienstleistungen erbringen (II.).

11 

s. § 7 Nr. 2 Ziffer IV der DFB-Satzung. s. § 7 Ligaverband-Satzung. 13  Vgl. insoweit die Präambel der Ligaverband-Satzung. 14  Nach dem Grundlagenvertrag geschieht die Überlassung in Form eines Pachtvertrages. 15  s. § 4 Nr. 2 Ligaverband-Satzung. 16  Vgl. § 16a Nr. 3 DFB-Satzung; § 4 Nr. 1 lit. c) Ligaverband-Satzung sowie die durch den Ligaverband erlassene Lizenzierungsordnung nebst Anhängen. 17  s. DFB-Satzung 4 Nr. 1 lit. g) sowie § 1 der für die 3. Liga vom DFB erlassenen Vereinsordnung („Statut 3. Liga“). 12 

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

I.  Auslagerung von Lizenzspielerabteilungen 1.  Wege in die Rechtsform der Kapitalgesellschaft Es existieren unterschiedliche Wege, die Lizenzspielerabteilungen von Sportvereinen auf Kapitalgesellschaften auszulagern.18 Zunächst bestehen seit dem Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes von 1994 auch für eingetragene Vereine umfassende Möglichkeiten, von umwandlungsrechtlichen Strukturmaßnahmen Gebrauch zu machen, sofern ihre Satzung ihnen dies nicht untersagt.19 In der Praxis wird allerdings regelmäßig nicht gewollt sein, dass der Verein bei einer Umwandlungsmaßnahme als eigenständiger Rechtsträger untergeht. Das gilt für die vorliegend behandelten Vereine schon mit Rücksicht auf die verbandsrechtlichen Vorgaben, die vorsehen, dass der Verein grundsätzlich die Mehrheit der Stimmrechte an der Spielbetriebsgesellschaft behalten muss (sog. „50+1-Regel“).20 Aber auch, wo eine Ausnahme von dieser Regel gilt, wird man den Verein i.d.R. mit Rücksicht auf seine weiteren Aktivitäten erhalten wollen. Daher dürfte bei den hier untersuchten Vereinen für die Umwandlungsformen der Verschmelzung oder des Formwechsels i.d.R. kein Bedarf bestehen.21 Der Verein gehört gem. § 124 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 UmwG aber auch zu den spaltungsfähigen Rechtsträgern. Von den Varianten der Spaltung führt die Aufspaltung (§ 123 Abs. 1 UmwG) wiederum zur Auflösung des übertragenden Rechtsträgers, so dass unter diesem Gesichtspunkt von vornherein nur der Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG) und der Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG) praktische Bedeutung zukommen. Abspaltung und Ausgliederung wiederum unterscheiden sich in erster Linie dadurch, dass bei der Abspaltung die Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger den Anteilsinhabern (hier: den Vereinsmitgliedern) des übertragenden Rechtsträgers zukommen, während bei der Ausgliederung der übertragende Rechtsträger (hier: der Verein) selbst die Anteile übernimmt.22 Damit passt aber regelmäßig allein die Spaltung in der Form der Ausgliederung zum praktischen Gestaltungsbedarf, weil nur so die verbandsrechtlich geforderten Mehrheitsverhältnisse hergestellt werden können.23 Die Ausgliederung

18  Vgl. dazu etwa Balzer, ZIP 2001, 175, 176 ff.; Habersack, in: Scherrer, Sportkapitalgesellschaften, S. 45 ff.; Heermann, ZIP 1998, 1249, 1250 ff.; Müller, Berufsfußball, S. 137 ff. 19  Vgl. insoweit die entsprechenden Vorbehalte in §§ 99 Abs. 1 (Verschmelzung), 149 Abs.1 (Abspaltung) und 272 Abs. 2 UmwG (Formwechsel). 20  s. sogleich, § 4 B.I.3.a). 21  Bei beiden Umwandlungsformen könnte der Verein nicht als solcher fortbestehen. Die Verschmelzung führt zur Auflösung des übertragenden Rechtsträgers, auf die auch nicht verzichtet werden kann: s. Lutter/Drygala in: Lutter, UmwG § 2 Rn. 25. Beim Formwechsel erhält der alte Rechtsträger unter Wahrung seiner Identität eine neue Rechtsform, so dass ein Fortbestand des alten Rechtsträgers in seiner früheren Rechtsform per se ausgeschlossen ist. 22  s. z. B. Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 21 ff. 23  Vgl. auch Balzer, ZIP 2001, 175, 176.

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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kann zur Aufnahme oder zur Neugründung erfolgen.24 In beiden Fällen erfolgt der Vermögenstransfer vom Verein auf die Kapitalgesellschaft im Wege einer (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge.25 Daneben bleibt die Möglichkeit einer klassischen Ausgliederung, bei der durch Einzelübertragung Vermögensgegenstände als Sacheinlage gegen Anteilsübernahme in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden.26 In der Praxis sind sowohl der Weg über das Umwandlungsgesetz als auch der über eine Einzelübertragung bei der Gründung von Spielbetriebsgesellschaften bereits beschritten worden.27 Beide Alternativen sind jeweils mit unterschiedlichen Vorund Nachteilen verbunden.28 Eine weitere Gestaltungsvariante findet sich bei der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH, bei der die Spielbetriebsgesellschaft den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des TSG Hoffenheim 1899 e.V. lediglich gepachtet haben soll.29 2.  Motive für die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung Für die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung auf eine Kapitalgesellschaft gibt es vielfältige Motive. Die Literatur nennt z. B. das Ziel, die Führungsstrukturen zu professionalisieren, die Haftungsabschirmung des Vereins, die Erschließung neuer Kapitalquellen sowie die Beseitigung einer bestehenden Rechtsformverfehlung.30 Man wird dies unterschiedlich zu gewichten haben. Das Verdikt der Rechtsformverfehlung dürfte nur selten zur Handlungsmotivation beitragen, solange in der Praxis nicht mit einer Löschung aus dem Vereinsregister nach § 395 FamFG zu rechnen ist und zumal angesichts der anhaltenden Kritik am ADAC-Urteil des Bundesgerichtshofs auch im Fall der Ausgliederung nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden kann, dass damit eine etwaige Rechtsformverfehlung tatsächlich 24  s. § 123 Abs. 3 Nr. 1 und 2. Im ersten Fall existiert der aufnehmende Rechtsträger bereits, im zweiten Fall wird er im Rahmen der Ausgliederung neu geschaffen. 25  Vgl. dazu Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 7 ff. 26  Dies wird durch die Vorschriften des UmwG nicht ausgeschlossen: s. nur Semler/ Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 2; Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. Rn. 55; s.a. Balzer, ZIP 2001, 175, 176 f. 27 s. Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499. 28  s.a. Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 11; Kallmeyer/Kallmeyer/Sickinger, UmwG, § 123 Rn. 17; aus steuerlicher Sicht werden beide Varianten grundsätzlich gleich behandelt, s. Semler/Stengel/Moszka, UmwG, Anhang UmwStG Rn. 603. 29 s. Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499; s.a. § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH vom 20. 07. 2007 (im elektronischen Handelsregister abgerufen am 19. 11. 2014): Unternehmensgegenstand ist der Betrieb berufsmäßig ausgeübten Fußballsports „im Rahmen einer Anpachtung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes der TSG 1899 Hoffenheim e.V.“ 30  Vgl. dazu etwa Balzer, ZIP 2001, 175; Müller, Berufsfußball, S. 169; Kebekus, Alternativen, S. 57 ff.; Punte, Kapitalgesellschaft, S. 34 ff.; Wagner, NZG 1999, 469, 475 ff.; Weiler, Mehrfachbeteiligungen, S. 79 ff.; Weber, GmbHR 2013, 631 ff.; Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 450 f.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

rechtssicher beseitigt ist.31 Auch die Professionalisierung des Managements führt nicht zwingend zu den Rechtsformen des Kapitalgesellschaftsrechts. So schließt das Vereinsrecht z. B. eine hauptamtliche und entsprechend vergütete Tätigkeit der Vorstandsmitglieder nicht aus.32 Auch kann das flexible Innenrecht des Vereins dazu genutzt werden, um z. B. Organstruktur und Kompetenzverteilung an die Aktiengesellschaft anzunähern.33 Gleichwohl eröffnet der Einsatz von Kapitalgesellschaften natürlich zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten. Nicht zu bezweifeln ist auch, dass die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung dazu beitragen kann, den Mutterverein von den wirtschaftlichen Risiken abzuschirmen, die mit deren Betrieb einhergehen. Der deutlichste Vorteil, der sich mit einem Rechtsformwechsel der Lizenzabteilung verbindet, dürfte aber im Bereich der weitergehenden Finanzierungsoptionen liegen, die sich mit diesem Schritt eröffnen. Denn erst durch den Einsatz von Kapitalgesellschaften wird es möglich, Beteiligungskapital zu akquirieren. Damit können Kapitalgeber angesprochen werden, die nur im Tausch gegen Anteilsrechte zur Investition bereit sind. 3.  Verbandsrechtliche Vorgaben für die Ausgliederung von Lizenzspielerabteilungen Seit dem Jahr 1998 existieren die verbandsrechtlichen Voraussetzungen dafür, auch Kapitalgesellschaften für die Teilnahme am Spielbetrieb von Bundesliga und 2. Liga zu lizenzieren.34 Gleiches gilt inzwischen auch für die 3. Liga und die Regionalligen, was nachfolgend nicht gesondert dargestellt wird.35 Für die Lizenzierung von Kapitalgesellschaften gelten eine Reihe besonderer Voraussetzungen, die demgemäß auch bei der Umstrukturierung der Vereine zu beachten sind: a)  Sog)  „50 + 1-Regel“ Die meistdiskutierte Beschränkung für den Einsatz von Kapitalgesellschaften ergibt sich aus der sogenannten „50+1-Regel“, die Vorgaben im Hinblick auf die 31 

Vgl. dazu § 2 B.IV. Entsprechende Satzungsklauseln existieren bei den meisten der noch in der Bundesliga verbliebenen Lizenznehmern in der Rechtsform des e.V.: vgl. etwa §§ 15 , 17 Abs. 10 der Satzung des VfB Stuttgart; § 8 der Satzung von Schalke 04; Art. 2 Abs. 3, 5 der Satzung des SC Paderborn; eingeschränkte Möglichkeit einer Vergütung dagegen bei Mainz 05 (s. § 1 Nr. 5 der Satzung: „grundsätzlich ehrenamtlich“, doch kann für ein Mitglied des geschäftsführenden Vorstands eine angemessene Aufwandsentschädigung festgelegt werden); noch restriktiver § 2 Abs. 7 der Satzung des SC Freiburg; s. zur Frage, ob für die Vorstandsvergütung ein Satzungsvorbehalt gilt Arnold, in: FS Reuter, S. 3 ff. 33 Eine solche Satzungsgestaltung wird durch die verbandsrechtlichen Vorgaben tendenziell nahegelegt; s. sogleich, § 2 C.I.2.; s.a. Segna, ZIP 1997, 1901, 1902; Wagner, NZG 1999, 469, 471. 34 Vgl. Balzer, ZIP 2001, 175, 176. 35  s. aber noch zusammenfassend unten, § 4 B.I.3.e). 32 

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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Beteiligungsstruktur der Spielbetriebsgesellschaft enthält.36 Sie soll den beherrschenden Einfluss des Muttervereins auch nach der Ausgliederung absichern, beschränkt damit aber zugleich die Möglichkeit der Akquise von Beteiligungskapital. Sie steht häufig im Zentrum vereins- und verbandspolitischer Auseinandersetzungen. Die Interessenlage ist einzelfallabhängig, lässt sich unter Inkaufnahme von Verallgemeinerungen aber wie folgt beschreiben: Für die Vereinsmitglieder ist die Wahrung der „50+1-Regel“ regelmäßig ein zentrales Anliegen. Sie fürchten einen Ausverkauf an – möglicherweise auch dubiose oder primär an ihrer Selbstdarstellung interessierte – Investoren, jedenfalls aber den Verlust ihres Einflusses und der traditionellen Vereinskultur. Wirtschaftsunternehmen und vermögenden Privatpersonen, die aus unterschiedlichsten Grünen dazu bereit sind, in Fußballclubs zu investieren, ist sie dagegen ein Dorn im Auge, weil sie einen (rechtlich gesicherten) Kontrollerwerb ausschließt. Zwischen Vereinsmitgliedern und Investoren stehen die Vereinsfunktionäre, die mit einem Auge die Interessen der Mitglieder und die Vereinstradition im Blick zu halten haben, mit dem anderen den sportlichen Erfolg und dessen finanzielle Basis sowie die Tätigkeit der „Konkurrenz“, die z.T. von Durchbrechungen der „50+1-Regel“ profitiert („lex Leverkusen“), z.T. auch von Gestaltungen, bei denen einem Wirtschaftsunternehmen oder einer Privatperson ohne formalen Verstoß gegen die „50+1-Regel“ faktisch ein beherrschender Einfluss zukommt. Darüber hinaus wird die Rechtmäßigkeit der 50+1-Regel auch im Hinblick auf die Vorschriften des europäischen Kartellrechts sowie die Kapitalverkehrsfreiheit bezweifelt, was im Rahmen dieser Arbeit indes nicht vertieft werden kann.37 aa) Grundregel Grundlage der „50+1-Regel“ ist die Regelung des § 16c der DFB-Satzung, die im Abschnitt über die besonderen Rechte und Pflichten des Ligaverbandes und seiner Mitglieder enthalten ist. Die in § 16c der DFB-Satzung enthaltenen Vorgaben sind für die Lizenzierungspraxis des Ligaverbandes als Mitglied des DFB verbindlich und von ihm in seine eigene Satzung übernommen worden.38 Nach § 16c Nr. 2 Abs. 1 der DFB-Satzung kann eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich nur dann eine Lizenz für die Lizenzligen erwerben, wenn ein Verein „mehrheitlich an ihr beteiligt“ ist, der über eine eigene Fußballabteilung verfügt und der im Zeitpunkt, in dem sich die Kapitalgesellschaft erstmals für eine Lizenz bewirbt, sport-

36  Vgl. dazu näher etwa Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 ff.; Lammert, SpuRt 2014, 98, 99 ff.; Punte, Kapitalgesellschaft, S. 103 ff.; Summerer, SpuRt 2008, 234 ff.; Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 453 f., je m.w.N. 37  Vgl. dazu mit unterschiedlichen Schwerpunkten Deutscher, SpuRt 2009, 97 ff.; Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187, 189 ff.; Klees, EuZW 2008, 391 ff.; Punte, Kapital­ gesellschaft, S. 113 ff.; Stopper, WRP 2009, 413 ff.; Summerer, SpuRt 2008, 234 ff.; zuvor bereits Heermann, WRP 2003, 724 ff. 38  Vgl. § 8 Ligaverband-Satzung.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

lich für die Teilnahme an einer Lizenzliga qualifiziert ist.39 Wichtig ist insoweit, dass die verbandsrechtlichen Vorgaben die „mehrheitliche“ Beteiligung nicht als Kapitalmehrheit, sondern als Stimmenmehrheit definieren. Denn „mehrheitlich beteiligt“ ist der Mutterverein, wenn er „über 50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteil in der Versammlung der Anteilseigner verfügt“.40 bb)  Privilegierung der KGaA Besonderheiten gelten für Tochtergesellschaften in Form einer (GmbH & Co.) KGaA. Hier muss zwingend der Mutterverein oder eine von ihm zu 100 % beherrschte Tochter die Stellung des Komplementärs einnehmen.41 Ist dies der Fall, darf der Stimmenanteil des Muttervereins auf unter 50 % absinken, wenn auf andere Weise sichergestellt ist, dass er eine vergleichbare Stellung wie ein Mehrheitsgesellschafter hat.42 Dies soll insbesondere voraussetzen, dass dem Komplementär die ihm kraft Gesetzes eingeräumte Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis uneingeschränkt zustehen.43 Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Verein überhaupt keine Kommanditaktien übernehmen muss und seine kapitalmäßige Beteiligung auf Null absenken kann,44 solange seine Rechte als Komplementär bzw. die der von ihm gehaltenen Komplementärgesellschaft dem gesetzlichen Regelfall entsprechen.45 Umgekehrt scheint nach dem Verständnis des Ligaverbandes bzw. der DFL jede Beeinträchtigung dieser Rechte zugunsten eines Dritten zu schaden, auch wenn dieser nur über eine Minderheitsbeteiligung am Kommanditkapital verfügt.46

39  Gleichlautend § 8 Nr. 2 Abs. 1 Ligaverband-Satzung. Zu den Motiven der 50+1-Klausel Deutscher, SpuRt 2009, 97, 98; Summerer, SpuRt 2008, 234, 236. 40  s. § 16c Nr. 2 Abs. 2 DFB-Satzung; § 8 Nr. 2 Abs. 2 Ligaverband-Satzung. 41  s. § 16c Nr. 2 Abs. 2 DFB-Satzung; § 8 Nr. 2 Abs. 2 Ligaverband-Satzung. 42  s. § 16 Nr. 2 Abs. 2 DFB-Satzung; § 8 Nr. 2 Abs. 2 Ligaverband-Satzung. 43  s. § 16 Nr. 2 Abs. 2 DFB-Satzung; § 8 Nr. 2 Abs. 2 Ligaverband-Satzung. 44  Die Übernahme der Position des Komplementärs setzt keine Vermögenseinlage voraus: s. nur Spindler/Stilz/Bachmann, AktG, § 278 Rn. 15; MünchKommAktG/Perlitt, § 278 AktG Rn. 42. 45 Weitergehend Küting/Strauß, Der Konzern 2013, 390, 400, wonach die verbandsrechtlichen Vorgaben voraussetzten sollen, dass das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionäre gegen außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen (§§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. 164 HGB) ausgeschlossen sein muss, wenn der Stimmrechtsanteil unter 50 % sinkt. 46  So scheiterte nach Presseberichten bei der TSV 1860 München GmbH & Co. KGaA im Jahr 2009 die Einbindung eines Investors zunächst an den im Vorfeld durch die DFL geäußerten Zweifeln an der verbandsrechtlichen Zulässigkeit der beabsichtigten vertraglichen Ausgestaltung, die dem Investor offenbar konkreten Einfluss auf die personelle Besetzung der sportlichen Leitung eingeräumt hätte: s. etwa FAZ v. 10. 02. 2009, S. 28.; FAZ v. 12. 02. 2009, S. 30; Stuttgarter Zeitung v. 27. 02. 2009, S. 38.

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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cc)  „50+1-Regel“ und faktischer Einfluss Dritter: Die Fälle Hoffenheim und RB Leipzig Da die „50+1-Regel“ ausdrücklich auf die Stimmenmehrheit, nicht aber auf die Kapitalmehrheit abstellt, kann sie nicht verhindern, dass Spielbetriebsgesellschaften zwar nicht rechtlich, wohl aber wirtschaftlich-faktisch unter den dominierenden Einfluss eines Dritten geraten.47 Das setzt zwar voraus, dass sich ein Geldgeber findet, der mehr Kapital zur Verfügung stellt, als sich in seinen gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechten niederschlägt. Die Praxis zeigt aber, dass dies nicht ausgeschlossen ist. Zu verweisen ist insbesondere auf die bei der TSG 1899 Hoffenheim anzutreffenden Verhältnisse.48 Hier steht die Spielbetriebs-GmbH wirtschaftlich ganz unter dem dominierenden Einfluss eines einzelnen Geldgebers, des SAP-Mitbegründers Dietmar Hopp, der nach eigenen Angaben einen Betrag von etwa 240 Millionen Euro in die Entwicklung des Clubs investiert und so die Entwicklung aus der Bedeutungslosigkeit zum Bundesligateilnehmer ermöglicht hat.49 Dies schlägt sich auch in den Beteiligungsverhältnissen nieder. So verfügt der Mutterverein TSG Hoffenheim 1899 e.V. lediglich über einen Geschäftsanteil in Höhe von 4 % des Stammkapitals der Spielbetriebs-GmbH von 2.500.000 Euro, während Dietmar Hopp die verbleibenden 96 % hält. Hinzu kommen gleichfalls Dietmar Hopp zuzurechnende atypische stille Beteiligungen und Sondereinlagen in Höhe von rund 240 Millionen Euro im Jahr 2013.50 Allerdings bestimmt die Satzung der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH, dass dem Mutterverein unabhängig vom Nennbetrag seiner Geschäftsanteile stets 51 % der Stimmrechte zustehen.51 Damit werden die verbandsrechtlichen Anforderungen, die nicht auf die kapitalmäßige Beteiligung, sondern ausdrücklich auf die Stimmenmehrheit abstellen, im Ergebnis gewahrt. In der Literatur wird das zwar mit der Begründung in Abrede gestellt, § 16c Nr. 2 der DFB-Satzung sei dahin zu verstehen, dass auch Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 456 f. m.w.N. dazu umfassend Lammert, SpuRt 2008, 137 ff.; s.a. Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499 f. 49  s. Spiegel Online vom 11. 01. 2011 (unter http://www.spiegel.de/sport/fussball/hoffenheim-geldgeber-hopp-steckte-240-millionen-euro-in-den-verein-a-738803.html), zuletzt abgerufen am 25. 11. 2014; vgl. zum Investitionsvolumen auch Lammert, SpuRt 2008, 137, 138; Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 457 f. 50  s. Lagebricht der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH für das Wirtschaftsjahr 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013, unter 3. (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de); s.a. Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 454. 51  § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages bestimmt u.a.: „Solange der Gesellschafter TSG Hoffenheim e.V. Geschäftsanteile hält, gewähren diese unabhängig von ihrem Nennbetrag so viele Stimmen, dass sie mindestens 51 v.H. der Gesamtstimmenzahl ausmachen.“ (Gesellschaftsvertrag der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH vom 20. 07. 2007, im elektronischen Handelsregister abgerufen am 19. 11. 2014); s.a. Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499, 500; Lammert, SpuRt 2008, 137, 138; s. zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit derartiger Gestaltungen nur Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 17 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 47 Rn. 67 ff. 47 s.a.

48  Vgl.

154

§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

die faktische Kontrolle durch einen finanziellen Förderer verhindert werden solle.52 Doch ist dies nicht damit zu vereinbaren, dass die verbandsrechtlichen Vorgaben ausdrücklich gerade nicht auf die Höhe der kapitalmäßigen Beteiligung abstellen, sondern ganz bewusst allein auf gesellschaftsrechtlich vermittelte Entscheidungsmacht in Form der Stimmenmehrheit. Dass dies kein Redaktionsversehen ist, zeigt die Privilegierung der KGaA, bei der zur Wahrung der „50+1-Regel“ die Übernahme der Komplementärposition ausreicht, die bekanntlich die Übernahme einer Vermögenseinlage nicht erfordert. Für eine erweiternde Auslegung der „50+1-Regel“, die statt der gesellschaftsrechtlich gesicherten Einflussnahmemöglichkeiten auf faktischen Einfluss vermittelnde Finanzierungsbeiträge zum Eigen- oder Fremdkapital abtstellt, bleibt vor diesem Hintergrund kein Raum. Davon zu trennen ist die Frage, ob die „50+1-Regelung“ in ihrer gegenwärtigen Form das Ziel, den Einfluss des Muttervereins auf die Spielbetriebsgesellschaft zu sichern, in gelungener Weise verwirklicht. Daran wird man mit guten Gründen Zweifeln können. Denn auch die rein wirtschaftliche Dominanz einer Person oder eines Unternehmens kann faktisch zum gleichen Ergebnis führen, wie die (verbotene) Übernahme der Stimmenmehrheit. Zugleich zeigt das Beispiel Hoffenheim aber auch, auf welche Schwierigkeiten der Versuch stoßen würde, eine weitergehende Regelung zu schaffen. So würde sich an der faktischen Abhängigkeit von Dietmar Hopp auch dann nichts ändern, wenn ihm auch die Übernahme der Kapitalmehrheit verwehrt geblieben wäre, repräsentiert das Stammkapital doch nur etwa 1 % des ihm zuzurechnenden Gesamtbeitrages zur Finanzierung der TSG Hoffenheim. Eine weitergehende Regelung dürfte daher keine Rücksicht darauf nehmen, ob Finanzmittel als Eigen- oder Fremdkapital oder in Form unentgeltlicher Zuwendungen erbracht werden.53 Daran wird zugleich deutlich, dass es um ein allgemeines Problem geht, das auch auftreten kann, wenn Lizenznehmer keine Kapitalgesellschaft, sondern noch der Verein selbst ist.54 Dass Friktionen mit dem Leitgedanken der „50+1-Regel“ auch beim eingetragenen Verein auftreten können, zeigt das Beispiel des Vereins RasenBallsport „RB“ Leipzig, dessen abgekürzter Vereinsname ebenso wie Vereinswappen und -farben darauf angelegt sind, Assoziationen zum zentralen Finanzier, dem Getränkehersteller „Red Bull“, zu wecken.55 Die österreichische Red Bull GmbH tritt dabei als Hauptsponsor auf, erbringt darüber hinaus umfassende Finanzierungsbeiträge und übernimmt für den Verein wesentliche Bereiche des operativen Geschäfts.56 Daneben war bis vor kurzem die Vereinsverwaltung mit Angestellten der Red Bull Lammert, SpuRt 2008, 137, 139. Vgl. mit eingehenden Überlegungen zu Optimierungspotentialen der 50+1-Regel Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 456 ff. 54  Vgl. auch Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 454. 55  s. dazu auch Lammert, SpurRt 2014, 98 f.; Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 458. 56 s. Lammert, SpurRt 2014, 98 f. 52 s. 53 

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

155

GmbH besetzt.57 Schließlich ist auch der Zugang zur Vereinsmitgliedschaft sehr restriktiv ausgestaltet und überwiegend mit Vertrauenspersonen aus dem Umkreis von Red Bull besetzt.58 Die DFL hat vor der Lizenzerteilung zur Saison 2014/15 verschiedene Änderungen verlangt,59 die wirtschaftliche Abhängigkeit von Red Bull aber offenbar nicht zum Anlass genommen, einen Verstoß gegen die „50+1-Regel“ festzustellen.60 dd)  Ausnahmen von der „50+1-Regel“: Die (modifizierte) „lex Leverkusen“ Auch die bereits erwähnte Ausnahmestellung von Leverkusen und Wolfsburg, jeweils Gesellschaften m.b.H., an denen auch mittelbar kein Verein mehr beteiligt ist, kann aufgrund der verbandsrechtlichen Vorgaben erklärt werden. So lässt § 16c Nr. 2 Abs. 5 der DFB-Satzung Ausnahmen vom Erfordernis einer mehrheitlichen Beteiligung des Muttervereins im Wege einer Entscheidung des DFB-Präsidiums auf Antrag des Ligaverbandes in Fällen zu, in denen ein „Wirtschaftsunternehmen seit mehr als 20 Jahren den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat“.61 Die Anteile an der Tochtergesellschaft dürfen nicht weiterveräußert werden, soll die Lizenz nicht entzogen werden. Eine unentgeltliche Rückübereignung an den (ehemaligen) Mutterverein bleibt zulässig.62 57 s. Schacherbauer, SpuRt 2014, S .143, 147 mit einer graphischen Übersicht; s.a. Lammert, SpuRt 2014, 98, 99; im Rahmen der Lizenzerteilung für die 2. Bundesliga in der Saison 2014/15 hat die DFL indes auf eine Neubesetzung des Vorstands hingewirkt: s. FAZ-Online vom 03. 07. 2014 (abrufbar unter: http://www.faz.net/-gtn-7r6j1), zuletzt abgerufen am 18. 11. 2014. 58  Die öffentlich genannten Zahlen variieren zwischen sieben und elf ordentlichen Mitgliedern mit Wahl- und Stimmrecht: vgl. Lammert, SpuRt 2014, 98, 99; Schacherbauer, SpuRt 2014, 143, 144; Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 458. Nach § 7 Abs. 4 der Satzung (Fassung vom 12. Juni 2014) können Aufnahmeanträge ohne Begründung abgelehnt werden. Offenbar soll der restriktive Zugang einer „feindlichen Übernahme“ z. B. durch massenhaften Beitritt von Mitgliedern anderer Fußballvereine vorbeugen; eine ähnliche Furcht besteht offenbar auch beim TSV Hoffenheim, der sich gegen die Erweiterung des Kreises der stimmberechtigten Mitglieder gleichfalls weitgehend abschottet: Stimmberechtigte ordentliche Mitglieder sind nur diejenigen, deren Aufnahmeantrag vor dem 12. 12. 2008 stattgegeben wurde (s. § 2 Nr. 6 lit. a der Satzung). Später eintretende Mitglieder können diesen Status nur noch dadurch erreichen, dass sie für fünf Jahre förderndes Mitglied des Vereins werden und darüber hinaus für den gleichen Zeitraum aktiv am Vereinssport teilnehmen (s. § 2 Nr. 6 lit. b der Satzung). 59  Dazu gehörte neben der Änderung des Logos die Forderung nach der mehrheitlichen Besetzung des Vorstands mit von Red Bull unabhängigen Personen: s. FAZ-Online vom 03. 07. 2014 (abrufbar unter: http://www.faz.net/-gtn-7r6j1), zuletzt abgerufen am 18. 11. 2014. 60  s. für eine nähere Diskussion der mit dem Fall RB Leipzig verbundenen Fragen Lammert, SpuRt 2014, 98 ff.; Schacherbauer, SpuRt 22014, 143 ff. 61  Gleichlautend § 8 Nr. 2 Abs. 5 Ligaverband-Satzung. 62  s. § 16c Nr. 2 Abs. 5 DFB-Satzung; § 8 Nr. 2 Abs. 5 Ligaverband-Satzung.

156

§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

Diese Regelung ist erstmalig auf Bayer 04 Leverkusen angewendet worden und war wohl ursprünglich auch allein auf die „Werksclubs“ Leverkusen und Wolfsburg zugeschnitten.63 Für sie ist daher die Bezeichnung als „lex Leverkusen“ üblich geworden ist.64 Diese Bezeichnung ist für die aktuelle Fassung der Regelung nicht mehr ganz so treffend, weil inzwischen eine Stichtagsregelung entfallen ist, die die Ausnahmevorschrift mit einer Art Einzelfallgesetzcharakter versah. So sahen die §§ 16c Nr. 2 Abs. 5 DFB-Satzung, 8 Nr. 2 Abs. 5 Ligaverband-Satzung in ihrer ursprünglichen Fassung vor, dass die geforderte über zwanzigjährige Förderung bereits vor dem 1. 1. 1999 erfolgt sein musste, womit neue Anwendungsfälle ausgeschlossen waren. In dieser Fassung hat sie das „Ständige Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen“65 indes im Jahr 2011 für nichtig erklärt, weil sie mit dem allgemeinen vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar sei.66 Anlass war eine Klage der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, die zuvor mit einem auf Abschaffung der 50+1-Regel gerichteten Satzungsänderungsantrag im Ligaverband am Widerstand der Mehrheit gescheitert war.67 DFB und Ligaverband haben ihre Satzungen nach Erlass des Schiedsspruches entsprechend geändert. In Zukunft sind daher weitere Anwendungsfälle für die (modifizierte) „lex Leverkusen“ zu erwarten.68 b)  Verbot von Untereinanderbeteiligungen; kein Mehrfachbeteiligungsverbot Die Lizenzvereine und Spielbetriebsgesellschaften dürfen weder unmittelbar noch mittelbar an anderen Spielbetriebsgesellschaften der Lizenzligen, der 3. Liga oder den Regionalligen beteiligt sein (Verbot von Untereinanderbeteiligungen).69 Dabei gilt als mittelbare Beteiligung einer Spielbetriebsgesellschaft auch eine Beteiligung ihres Muttervereins an anderen Spielbetriebsgesellschaften.70 Generell verboten sind also nur mittelbare und unmittelbare Beteiligungen der Lizenznehmer untereinander, während ein allgemeines Verbot von Mehrfachbeteiligungen Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 454. s. z. B. Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499, 500; Klees, EuZW 2008, 391 mit Fn. 1; Summerer, SpuRt 2008, 234, 238; Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 454. 65  Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts folgt aus § 13 der Ligaverband-Satzung und den auf dessen Basis abgeschlossenen Schiedsgerichtsverträgen zwischen den Mitgliedern des Ligaverbands einerseits und dem Ligaverband, der DFL und dem DFB andererseits. 66 Ständiges Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen, Schiedsspruch vom 25. 08. 2011, SpuRt 2011, 259 ff.; s. dazu näher Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 454. 67  s. Frankfurter Rundschau v. 12. 11. 2009, S. 28; Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499, 500. 68  s. zu den Folgefragen Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 455 ff. 69  s. § 16c Nr. 2 Abs. 3 DFB-Satzung; § 8 Nr. 2 Abs. 3 Ligaverband-Satzung; dazu näher Punte, Kapitalgesellschaft, S. 182 ff. 70  s. § 16c Nr. 2 Abs. 3 DFB-Satzung; § 8 Nr. 2 Abs. 3 Ligaverband-Satzung. 63 s.a.

64 

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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Dritter demgegenüber nicht besteht.71 Auch hier wirken sich aber die durch die 50+1-Regel gesetzten Grenzen aus, die zum Ergebnis haben, dass Mehrfachbeteiligungen stets nur als Minderheitsbeteiligungen zulässig sind.72 Aus dieser Perspektive gewinnt die 50+1-Regel also auch den Charakter eines (qualifizierten) Mehrfachbeteiligungsverbotes.73 c) Mindestkapitalausstattung In der auf Basis von § 5 Nr. 1 a) Ligaverband-Satzung als Bestandteil des „Liga­ statuts“ erlassenen Lizenzierungsordnung (LO) werden eine Reihe von Anforderungen aufgestellt, die nach der Intention der Regelung dem Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit des Lizenznehmers dienen sollen. Gemäß § 8 Nr. 9 LO wird insoweit von Kapitalgesellschaften ein gezeichnetes Kapital in Höhe von mindestens 2,5 Mio. Euro gefordert. Die tatsächliche Höhe des Stamm- bzw. Grundkapitals der für Bundesliga und 2. Liga lizenzierten Spielbetriebsgesellschaften übertrifft diese Mindestanforderung im Durchschnitt noch deutlich.74 d) Entsenderechte § 4 Nr. 10 LO bestimmt außerdem, dass ein Recht, Mitglieder in den Aufsichtsrat bzw. ein anderes Kontrollorgan zu entsenden, nur dem Mutterverein eingeräumt werden darf. Im Rahmen einer Sollbestimmung wird zudem die Voraussetzung aufgestellt, dass der Mutterverein in dem Kontrollorgan der Kapitalgesellschaft mehrheitlich vertreten sein soll. e)  3. Liga und Regionalligen Zum Spielbetrieb der unmittelbar durch den DFB organisierten 3. Liga können Kapitalgesellschaften unter ganz ähnlichen Bedingungen zugelassen werden, wie

71 s.a. Punte, Kapitalgesellschaft, S. 171 f.; Summerer, SpuRt 2008, 234, 237; Weber/ Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 459; Weiler, Mehrfachbeteiligungen, S. 123. 72 s.a. Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 459, auch zu den Folgeproblemen, die sich insoweit aus den erweiterten Ausnahmen von der 50+1-Regel nach der modifizierten lex Leverkusen ergeben. 73  Auch die Rechtmäßigkeit von Mehrfachbeteiligungsverboten lässt sich im Hinblick auf das europäische Kartellrecht sowie die Kapitalverkehrsfreiheit bezweifeln. Immerhin existiert insoweit aber – allerdings nur zu einer inhaltlich abweichend ausgestalteten Regelung der UEFA – eine Entscheidung der Europäischen Kommission, die ein derartiges Mehrfachbeteiligungsverbot nicht als Verstoß gegen Art. 81 EG wertet: s. COMP/37806: ENIC/ UEFA; s. zu dieser Entscheidung auch Heermann, WRP 2003, 724, 726 ff.; Klees, EuZW 2008, 391; s. zur Kompatibilität der Kommissionsentscheidung mit späterer EuGH-Rechtsprechung (insbesondere EuGH Rs. C-519/04 v. 18. 07. 2006 (Meca-Medina) auch Weißbuch Sport (KOM(2007) 391 endg.), Anh. I, S. 80. 74  Nähere Angaben bei Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499, 500.

158

§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

sie zuvor für die 1. und 2. Bundesliga geschildert worden sind.75 Gleiches gilt im Bereich der von den zuständigen Regional- und Landesverbänden betriebenen Regionalligen.76 Von der Darstellung der Einzelheiten wird abgesehen. 4.  Praktische Gestaltungen (Saison 2014/2015) In der Saison 2014/2015 waren von den 56 Teilnehmern der Bundesliga, der 2. Bundesliga und der 3. Liga insgesamt 25 in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft organisiert.77 Je höher die Liga, umso deutlicher wird der Trend zur Kapi­ talgesellschaft, auch wenn sich der damit verbundene vereinsinterne Diskussionsprozess teils über viele Jahre hinzieht. Dies zeigt sich etwa am Beispiel des HSV, bei dem eine im Jahr 2005 gestartete Initiative des Vorstands, die Lizenzspielerabteilung in eine Aktiengesellschaft auszugliedern, zunächst am entschiedenen Widerstand der Mitglieder scheiterte.78 Die Entscheidung für die Ausgliederung fiel erst knapp zehn Jahre später im Jahr 2014 in der Folge einer sportlichen und finanziellen Krise. Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung zwischen e.V. und Kapitalgesellschaft in den höchsten drei Spielklassen (Saison 2014/2015): Lizenznehmer in der Rechtsform eines e.V.

Lizenznehmer in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft

Bundesliga

5

13 5

2. Bundesliga

13

3. Liga

13

7

Gesamt

31

25

a)  Rechtsform der Untergesellschaft Als Rechtsformen finden gelegentlich die Aktiengesellschaft und häufiger die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Verwendung. Die Statistik wird aber dominiert durch die KGaA, und zwar ausschließlich in der Sonderform der GmbH & Co. KGaA. Die nachfolgend abgebildete Tabelle zeigt die Verteilung in den höchsten drei Spielklassen (Saison 2014/2015):

75 Die für die 3. Liga einschlägigen verbandsrechtlichen Vorgaben in § 9 Nr. 1 des DFB-Statuts 3. Liga verweisen insoweit auf § 16c Nr. 2 DFB-Satzung. Geringere Anforderungen gelten allerdings für die Kapitalausstattung: s. § 9 Nr. 4 DFB-Statut 3. Liga. 76  Vgl. exemplarisch das „Statut für die Regionalliga West“ des Westdeutschen Fußballund Leichtathletikverbandes e.V., das in § 9 Abs. 1 die „50+1-Regelung“ normiert und in § 9 Abs. 2 die Regelung des DFB-Statuts für die 3. Liga entsprechend für anwendbar erklärt. 77  s. für statistisches Material etwa auch Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499; Burghardt, Beteiligung, S. 115 ff.; Weber/Küting/Strauß, Konzern 2014, 449, 450. 78  s. aus den Presseberichten etwa Hamburger Abendblatt v. 29. 06. 2005, S. 25; FAZ v. 12. 07. 2005, S.  31.

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen Bundesliga

2. Bundesliga

3. Liga 2

GmbH

4

2

AG

3



GmbH & Co. KGaA

6

3

159

Gesamt 8 3

5

14

aa) GmbH Die Rechtsform der GmbH ist wegen der Flexibilität ihres Organisationsrechts und der Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer in besonderer Weise für den Einsatz als Konzernuntergesellschaft geeignet. Für die Zwecke der Kapitalsammlung bieten Aktiengesellschaft und KGaA dagegen umfassendere Optionen, zumindest soweit es um die Einbindung einer größeren Zahl von Anlegern geht. Dazu passt, dass die Rechtsform der GmbH bei Bayer Leverkusen und dem VfL Wolfsburg eingesetzt wird, bei denen es sich jeweils um hundertprozentige Tochtergesellschaften von Wirtschaftsunternehmen handelt. Hier steht die Konzerneinbindung im Vordergrund, während die Kapitalsammelfunktion ganz zurücktritt. Daneben findet die GmbH in der Bundesliga noch bei der TSG 1899 Hoffenheim Verwendung, bei der zwar noch der Mutterverein die Mehrheit der Stimmrechte hält, wo aber wegen der wirtschaftlichen Dominanz eines einzelnen Geldgebers eine ähnliche Interessenlage bestehen dürfte.79 Sonst ist die Rechtsform der GmbH im Lizenzfußball wenig verbreitet. In der Bundesliga findet sie sich nur noch bei Borussia Mönchengladbach, in der 2. Bundesliga beim FC Ingolstadt und beim FSV Frankfurt, in der 3. Liga beim SV Wehen Wiesbaden und dem SC Fortuna Köln. bb) Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft wird noch seltener genutzt als die GmbH. In der Bundesliga sind nur die Lizenzspielerabteilungen von Bayern München, Eintracht Frankfurt und seit 2014 auch des Hamburger Sportvereins als AG organisiert. In der 2. Bundesliga und der 3. Liga finden sich bislang überhaupt keine Aktiengesellschaften.80 Das dürfte damit zusammenhängen, dass die AG als Rechtsform unflexibler und kostenintensiver ist und auch administrativ höhere Anforderungen stellt.81 Wo zu Hoffenheim bereits oben, § 4 B.I.3.a)cc); ausführlich Lammert, SpuRt 2008, 137 ff. 80  s. für ältere statistische Angaben auch Bayer/Hoffmann/Matthes, AG-Report 2009, 499. Hinzuweisen ist allerdings auf den 1. FC Kaiserslautern, wo die Vereinssatzung nicht nur die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung auf eine Kapitalgesellschaft zulässt, sondern sich ganz konkret auf die Ausgliederung auf eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft – „1. FC Kaiserslautern Fußball Aktiengesellschaft“ – festlegt (s. Art. 2 Abs. 5, 7 der Satzung mit Stand vom 09. 12. 2004). Die Ausgliederung ist bislang jedoch nicht vollzogen worden, wird aber immer wieder ins Gespräch gebracht: s. aus der Tagespresse etwa FAZ v. 07. 04. 2008, S. 32. 81  s. ausführliche Abwägung der Vor- und Nachteile bei Wagner, NZG 1999, 469, 475 f. 79 s.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

neues Kapital nicht am organisierten Kapitalmarkt, sondern durch strategische Investoren erschlossen werden soll, ist die AG gegenüber der GmbH auch bei der Kapitalakquise nicht im Vorteil. cc)  GmbH & Co)  KGaA Die geringe Verbreitung der Aktiengesellschaft dürfte zudem auch der großen Anziehungskraft geschuldet sein, die die Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien auf die Teilnehmer der höchsten Fußballspielklassen ausübt.82 Sie ist in Bundesliga und 2. Bundesliga inzwischen vierzehnmal vertreten,83 jeweils in der Spezialvariante der GmbH & Co. KGaA,84 bei der die Rolle des Komplementärs nicht durch den Verein selbst, sondern durch eine von ihm zu diesem Zweck gegründete GmbH ausgefüllt wird.85 Das steht ganz im Gegensatz zur geringen Verbreitung, die die KGaA außerhalb des Lizenzfußballs gefunden hat, wo sie eher eine Randerscheinung geblieben ist.86 Während die KGaA also den Gestaltungsbedarf der Praxis sonst offenbar nur selten trifft, ist sie für ausgliederungswillige Bundesligavereine sehr attraktiv. Das liegt in erster Linie daran, dass sich mit ihr ähnliche Vorteile wie mit der Aktiengesellschaft verbinden, andererseits aber auch Nachteile vermeiden lassen, die mit dieser Rechtsform vor dem Hintergrund der „50+1-Regel“ einhergehen. So eröffnet die KGaA wie die AG den Zugang zum organisierten Kapitalmarkt, was bislang allerdings erst von Borussia Dortmund 82  s. ausführlich zu Vor- und Nachteilen der GmbH & Co. KGaA als Spielbetriebsgesellschaft Weber, GmbHR 2013, 631 ff. 83  Einsatz als Tochtergesellschaft in der Bundesliga bei: 1. FC Köln, Hertha BSC Berlin, Borussia Dortmund, Hannover 96, SV Werder Bremen, FC Augsburg; 2. Bundesliga: SpVgg Greuther Fürth, Eintracht Braunschweig, TSV 1860 München; 3. Liga: Arminia Bielefeld, MSV Duisburg, VfL Osnabrück, SSV Jahn Regensburg, Borussia Dortmund II. 84  s. zur Zulässigkeit der GmbH & Co. KGaA s. grundlegend BGH NJW 1997, 1923; s.a. Grunewald, GesR, § 11 Rn. 3; K. Schmidt, GesR, § 32 III 2 (S. 975). 85  Gegen die Übernahme der Komplementärfunktion durch den Verein selbst spricht, dass die Zulässigkeit der „GmbH & Co. KGaA“ höchstrichterlich gesichert ist (s. vorige Fn.), die eines „e.V. & Co. KGaA“ dagegen nicht. Zudem bietet die zwischengeschaltete GmbH einen zusätzlichen Haftungsschild. Das ist auch für die Vereinsklassenabgrenzung von Bedeutung, weil die Übernahme der Komplementärfunktion durch den Verein selbst wegen der damit verbundenen unbeschränkten Haftung nach §§ 278 Abs. 2 AktG, 128 HGB die Zurechnung des Geschäftsbetriebs der KGaA zum Verein zur Folge hätte: s.o., § 2 B.IV.3.b) cc). Zumindest der (verwandte) Fall einer „e.V. & Co. KG“ ist ungeachtet dessen im Kreis der untersuchten Vereine anzutreffen, wenn auch nicht mit der Funktion einer Spielbetriebsgesellschaft. So gehört zu den unmittelbaren Beteiligungen von Schalke 04 auch die „FC Schalke 04 Rechteverwertungsgesellschaft e.V. & Co. KG“, s. die Angaben über die unmittelbaren Beteiligungen des Vereins im Konzerngeschäftsbericht 2013. 86  Eine amtliche Statistik fehlt, in der Literatur wird für das Jahr 2009 die Zahl von 236 KGaA genannt, für das Jahr 2015 die Zahl von ca. 300: vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 278 Rn. 2. Die Verbreitung hat sich offenbar auch nach der Klärung der Zulässigkeit der GmbH & Co. KGaA durch BGH NJW 1997, 1923 nicht wesentlich erhöht: vgl. Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 3 Rn. 39.

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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genutzt worden ist.87 Anders als in der AG ist es in der KGaA zur Wahrung der „50+1-Regel“ jedoch nicht erforderlich, dass der Mutterverein die Mehrheit der Aktien hält, weil nach den verbandsrechtlichen Vorgaben die Übernahme der Komplementärposition mit den damit verbundenen Kompetenzen bei Geschäftsführung und Vertretung genügt.88 Der Verein ist damit nicht gezwungen, Kommanditaktionär zu werden. Auch die Stellung des Komplementärs kann er – abgesehen vom Mindeststammkapital der zwischengeschalteten GmbH – ohne Kapitaleinsatz erlangen, weil eine Vermögenseinlage des Komplementärs zwar möglich, aber keineswegs zwingend ist.89 Die Folge ist, dass die Fähigkeit der KGaA zur Aufnahme von Eigenkapital nicht durch die Finanzkraft des Muttervereins beschränkt wird. Dieser muss weder bei der Gründung noch bei späteren Kapitalerhöhungen eine mehrheitssichernde Zahl von Kommanditanteilen übernehmen.90 Hinzu kommt, dass die KGaA als Rechtsform größere Gestaltungsspielräume eröffnet, als dies bei der Aktiengesellschaft der Fall ist.91 b)  Anteilsbesitz an der Spielbetriebsgesellschaft Die Anteilsinhaberschaft an den Spielbetriebsgesellschaften gestaltet sich recht unterschiedlich, was nachfolgend nur exemplarisch dargestellt werden soll.92 Die 87  Die Aktien der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA sind seit dem 31. 10. 2000 börsennotiert, mit begrenztem Erfolg. Der Platzierungspreis von 11 Euro wurde nie wieder erreicht; stattdessen hat sich der Wert über die nächsten zehn Jahre zunächst kontinuierlich abwärts bis unter die Ein-Euro-Marke entwickelt: s. zu dieser Entwicklung z. B. FAZ v. 22. 08. 2009, S. 18. Erst der wiederkehrende sportliche Erfolg hat ab 2010 eine Trendumkehr eingeleitet. In 2014 pendelt der Kurs zwischen vier und fünf Euro. Gegenwärtig scheint kein anderer Teilnehmer der Lizenzligen konkrete Pläne für einen Börsengang zu verfolgen. Auch nach einer im Jahr 2009 erstellten Studie einer Unternehmensberatung messen die Profiklubs einem Börsengang nur eine ganz nachrangige Bedeutung unter den in Betracht kommenden Finanzierungsformen zu: s. Erhardt/Hovemann, Finanzen, S. 13. 88  s. bereits oben, § 4 B.I.3.a)bb). 89  s. Spindler/Stilz/Bachmann, AktG, § 278 Rn. 15; MünchKommAktG/Perlitt, § 278 AktG Rn. 42. 90  Anders als bei der GmbH dürfen Kapitaleinsatz und Stimmrechtsumfang in der AG grundsätzlich nicht auseinanderfallen, weil § 12 Abs. 2 AktG den Einsatz von Mehrstimmrechten untersagt. Im Ansatz lässt sich ein ähnlicher Effekt zwar durch die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien erzielen, doch begrenzt § 139 Abs. 2 AktG deren Einsatz auf die Hälfte des Grundkapitals; zudem lebt das Stimmrecht unter bestimmten Voraussetzungen wieder auf (§ 140 Abs. 2 AktG): s.a. Balzer, ZIP 2001, 175, 179; Habersack, in: Scherrer, Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 62. 91  Für das Innenverhältnis zwischen Komplementär(en) und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre verweist § 278 Abs. 2 AktG auf das satzungsstrenge Aktienrecht, sondern auf das weitgehend dispositive Recht der Kommanditgesellschaft: vgl. K. Schmidt, GesR, § 32 III 5 (S. 976 f.); das Verhältnis von § 278 Abs. 2 AktG zu Abs. 3, der auf das Aktienrecht verweist, ist allerdings in den Einzelheiten str., vgl. übersichtsweise Spindler/Stilz/ Bachmann, AktG, § 278 Rn. 22 ff. 92  s. für eine Übersicht mit Stand von 2006 Weiler, Mehrfachbeteiligungen, S. 89.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

Sonderfälle der ganz aus vereinsrechtlichen Zusammenhängen herausgelösten hundertprozentigen Konzerntöchter VfL Wolfsburg-Fußball GmbH und Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH wurden bereits erwähnt,93 ebenso wie der Fall der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH, bei der nahezu das gesamte Stammkapital der Spielbetriebs-GmbH von Dietmar Hopp gehalten wird.94 Auch auf die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA als bislang einzige börsennotierte Spielbetriebsgesellschaft wurde bereits hingewiesen.95 Hier befindet sich noch ein Anteil von 5,53 % in der Hand des Muttervereins. Größere Aktienpakete werden von einer Einzelperson (8,5 %) sowie von Wirtschaftsunternehmen gehalten, die Borussia Dortmund zugleich als Sponsoren oder Ausrüster verbunden sind (Evo­ nik: 14,78 %; Signal Iduna: 5,43 %; Puma: 5,0 %). Die verbleibenden Anteile von rund 60 % befinden sich im Streubesitz.96 Auch sonst lassen sich zahlreiche Beispiele für externe Beteiligungen nennen. So befinden sich etwa bei der Bayern München AG noch 75 % der Anteile in der Hand des Muttervereins; Audi, Adidas und die Allianz AG halten ein Paket von jeweils 8,33 %.97 Auch die Aktien der zweiten in der Bundesliga vertretenen Aktiengesellschaft, der Eintracht Frankfurt Fußball AG, werden schon seit dem Jahr 2000 nicht mehr allein vom Mutterverein gehalten.98 Dieser verfügt lediglich noch über 62,9 % der Anteile; 28,5 % hält eine Beteiligungsgesellschaft (Freunde der Eintracht AG), 5 % hält die BHF Bank, 3,6 % die Steubing AG.99 Nur die Anteile der dritten und jüngsten Spielbetriebsgesellschaft in der Rechtsform der AG, der HSV Fußball AG, befinden sich gegenwärtig noch vollständig in der Hand des Muttervereins. Auch bei den Spielbetriebsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH trifft man neben dem Mutterverein verbreitet auf weitere Gesellschafter. Abgesehen von den Sonderfällen Leverkusen und Wolfsburg gilt das zunächst für die TSG Hoffenheim sowie für den Drittligisten SC Fortuna Köln, wo sogar in beiden Fällen die Kapitalmehrheit bei Dritten liegt und nur die Stimmenmehrheit beim Verein ver93 

s. o. § 4 B.I.3.a)dd). s. o., § 4 B.I.3.a)cc). 95  s. o., § 4 B.I.4.a)cc). 96  Sämtliche Zahlen sind Angaben der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA auf Basis ihr vorliegenden Stimmrechtsmitteilungen: s. die Angaben unter www.bvb.de (abgerufen am 04. 11. 2014). 97  s. FAZ v. 16. 02. 2002, Wirtschaft, S. 16. 98  Bereits im Jahr 2000 wurden 49,9 % der Aktien an eine US-amerikanische Sportagentur veräußert: vgl. FAZ v. 01. 07. 2000, S. 88; diese zog sich jedoch schon kurze Zeit später aus ihrem Investment zurück, wodurch sich der Anteil des Vereins zunächst wieder auf 72 % erhöhte. Den verbleibenden Anteil von rund 28 % übernahm eine Beteiligungsgesellschaft, die später in eine Aktiengesellschaft umgewandelte „Freunde der Eintracht GmbH“: s. FAZ v. 01. 11. 2002, S. 67. 99  s. die Angaben auf der Vereinshomepage, abrufbar unter www.eintracht-frankfurt.de (zuletzt abgerufen am 04. 11. 2014). 94 

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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blieben ist.100 Beim FC Ingolstadt hält die quattro GmbH, eine Tochtergesellschaft der Audi AG, knapp 20 % der Anteile.101 Nur bei den Spielbetriebsgesellschaften von Borussia Mönchengladbach und Wehen Wiesbaden ist der Mutterverein noch Alleingesellschafter. Bei den Spielbetriebsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KGaA bieten die Beteiligungsverhältnisse nicht nur – wie dargelegt – bei Borussia Dortmund ein buntes Bild. Bei Hertha BSC Berlin hat der Finanzinvestor KKR Anfang 2014 eine Beteiligung von knapp 10 % der Kommanditaktien übernommen.102 Bei Hannover 96 hält der Mutterverein noch 15,66 % der Kommanditaktien, während die verbleibenden 84,34 % der Anteile bei der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG liegen.103 Die letztgenannte Gesellschaft bündelt ihrerseits acht Unternehmen bzw. Unternehmer, die sich auf diese Weise mittelbar an der Spielbetriebsgesellschaft beteiligen.104 Der FC Augsburg ist am Grundkapital seiner Spielbetriebs-KGaA fast gar nicht mehr beteiligt.105 Vom Grundkapital der Spielbetriebsgesellschaft des TSV 1860 München hält ein Investor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ca. 49 % des stimmberechtigten Grundkapitals bzw. – unter Berücksichtigung von stimmrechtslosen Vorzugsaktien – 60 % des Grundkapitals.106 Schließlich hält auch bei einer Reihe von Spielbetriebs-GmbH & Co. 100  Die Gesellschafterliste der Fortuna Köln Spielbetriebs-GmbH vom 17. Januar 2011 (im elektronischen Handelsregister abgerufen 20. 11. 2014) weist für den Mutterverein nur noch einen Anteil von weniger als 0,25 % am Stammkapital aus; zu Hoffenheim s. bereits oben, § 4 B.I.3.a)cc). 101  s. Gesellschafterliste der FC Ingolstadt 04 Fußball GmbH vom 24. 05. 2013 (im elektronischen Handelsregister abgerufen am 18. 11. 2014). 102  s. Pressemitteilung von Hertha BSC Berlin, abrufbar unter www.herthabsc.de (zuletzt abgerufen am 04. 11. 2014). 103  s. die Angaben unter V.4 im Anhang des Jahresabschlusses der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2013 (abrufbar unter www.ebundesanzeiger.de). 104  s. Handelsregisterauszug der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG (abgerufen am 18. 11. 2014); neben den Anteilen an der Spielbetriebsgesellschaft hält diese Gesellschaft auch sämtliche Anteile an der Stadiongesellschaft (Hannover 96 Arena GmbH & Co. KG), s. unter V.3 (Angaben über den Anteilsbesitz an verbundenen Unternehmen) des Anhangs zum Jahresabschluss der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG zum 30. Juni 2013 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 105  Für die Fußball-Club Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA verzeichnet das Protokoll der ordentlichen Hauptversammlung vom 22. Januar 2013 bezogen bei einem Grundkapital von 8.250.000 Euro eine Verteilung der Kommanditaktien wie folgt: Mutterverein: 50.000 Aktien (ca. 0,6 %); Walter Seinsch (Präsident des Muttervereins): 1.100.000 Aktien (ca. 13,3 %); FCA Investoren- und Beteiligungs-GbR, bestehend aus zwei Gesellschaftern: 7.100.000 (ca. 86,1 %). 106  s. die Angaben im Lagebericht der TSV 1860 GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2013 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de); Hintergrund für diese etwas umständlich anmutende Gestaltung könnte die Auffassung sein, dass die verbandsrechtlichen Vorgaben (dazu oben, § 4 B.I.3.a)cc)) bei der KGaA einen Stimmrechtsanteil von weniger als 50 % nur zulassen, wenn die Satzung das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionäre gegen ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen ausschließt: s. Küting/Strauß, Konzern 2013, 390, 400.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

KGaA der Mutterverein neben den Anteilen an der Komplementärin auch immer noch sämtliche Kommanditaktien, etwa beim 1. FC Köln,107 bei Werder Bremen,108 Greuther Fürth,109 Eintracht Braunschweig,110 Arminia Bielefeld111 oder dem MSV Duisburg112.

II.  Sonstige Untergesellschaften Sowohl bei Vereinen mit als auch bei solchen ohne ausgegliederte Lizenzspielerabteilung finden sich vielfach noch eine Reihe weiterer Tochtergesellschafen oder Gesellschaftsbeteiligungen. Auch hier sind für bestimmte Konstellationen verbandsrechtliche Vorgaben zu beachten (1.). Die praktischen Gestaltungen, auf die man insoweit trifft, fallen wiederum ganz unterschiedlich aus (2.). 1.  Verbandsrechtliche Vorgaben Besondere verbandsrechtliche Vorgaben gelten nur für den Fall, dass Lizenzvereine bzw. Spielbetriebsgesellschaften Aufgaben der Vermarktung auf eine andere Gesellschaft übertragen. Hier verlangen § 16c Nr. 2 Abs. 4 DFB-Satzung und § 8 Nr. 2 Abs. 4 Ligaverband-Satzung übereinstimmend, dass die Lizenznehmer, also Vereine und Spielbetriebsgesellschaften, an der Vermarktungsgesellschaft mehrheitlich beteiligt sind, sofern diese selbst Verträge über die Vermarktung des Lizenznehmers im eigenen oder in dessen Namen schließt. Sofern die Lizenz bei einer Spielbetriebsgesellschaft liegt, genügt es, wenn der Mutterverein eine mehrheitliche Beteiligung an der Vermarktungsgesellschaft hält. Eine Ausnahme vom Mehrheitserfordernis besteht generell dann, wenn zwischen Lizenznehmer und Vermarktungsgesellschaft vertraglich sichergestellt wird, dass der Lizenznehmer den jeweiligen Vertragsabschlüssen im Bereich der Werbung, des Sponsorings, der Fernseh-, Hörfunk- und Online-Rechte sowie der Überlassung von Nutzungsrechten vorab zustimmen muss.113 107  s. die Angaben auf der Vereinshomepage, abrufbar unter www.fc-koeln.de (abgerufen am 04. 11. 2014). 108  s. die Angaben auf der Vereinshomepage, abrufbar unter www.werder.de (abgerufen am 04. 11. 2014). 109  s. die Angaben im Lagebericht der Spielvereinigung Greuther Fürth GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2013 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 110  s. die Angaben im Lagebericht der Eintracht Braunschweig GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2013 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 111  s. die Angaben im Anhang des Jahresabschlusses der DSC Arminia Bielefeld GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2013 unter III.1 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 112  s. die Angaben im Anhang des Jahresabschlusses der MSV Duisburg GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien zum 30. 06. 2013 unter 5.3 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 113  s. § 16c Nr. 2 Abs. 4 DFB-Satzung und § 8 Nr. 2 Abs. 4 Ligaverband-Satzung.

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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2.  Praktische Gestaltungen a)  Verfolgte Zwecke Die Zwecke, die von den Lizenzvereinen oder den Spielbetriebsgesellschaften durch den Einsatz (weiterer) Tochtergesellschaften verfolgt werden, gestalten sich ganz unterschiedlich. Verbreitet erbringen diese Gesellschaften Dienstleistungen, die in irgendeiner Form mit dem professionellen Spielbetrieb verbunden sind, etwa bei der Vermarktung, dem Betrieb der Gastronomie oder des Stadions. Es gibt allerdings auch Vereine bzw. Spielbetriebsgesellschaften, die Anteile an Gesellschaften halten, deren Gegenstand mit dem professionellen Fußballsport nicht mehr ganz so eng zusammenhängt. Hier dienen die Gesellschaftsbeteiligungen eher der wirtschaftlichen Diversifizierung. So hielt die Spielbetriebsgesellschaft des SV Werder Bremen in ihrem Jahresabschluss zum Geschäftsjahr 2007/08 z. B. ausdrücklich fest, dass sie ihre wirtschaftlichen Aktivitäten erfolgreich „über den Fußball hinaus entfaltet und ihre unternehmerischen Aktivitäten diversifiziert“ habe.114 Zu den von den Beteiligungsgesellschaften ausgeübten Aktivitäten gehörten z. B. Dienstleistungen im Gesundheitssektor.115 Auch die Borussia Mönchengladbach GmbH ist an einer Sportrehabilitations-GmbH mehrheitlich beteiligt.116 Darüber hinaus hält sie rund 39 % an der PPG Nordpark GmbH,117 einem Gemeinschaftsunternehmen mit der Stadt Mönchengladbach, das Parkplatz- und Messeflächen – u.a. auch im Nutzungszusammenhang mit dem Fußballstadion – unterhält und vermarktet.118 Die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA hält eine 33 %-Beteiligung an einem Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, eine Mehrheitsbeteiligung an einem Reisebüro und ist zudem Alleingesellschafterin eines IT-Dienstleisters.119

114  s. die Angaben im Jahresabschluss der SV Werder Bremen GmbH & Co KGaA zum 30. 06. 2008 unter A.2. (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 115  Die Spielbetriebsgesellschaft hielt im Geschäftsjahr 2007/2008 ausweislich der Angaben im Jahresabschluss (vorige Fn.) 100 % der Anteile an der Sporthep „Werder“ GmbH, die ein Zentrum für Sporttherapie und Rehabilitation unterhielt und ihrerseits noch an einem Rehazentrum sowie einer Einrichtung für postkurative Therapie beteiligt war. Weitere Beteiligungen bestanden an einem Wach- und Sicherheitsdienst und einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft. Inzwischen hat die SV Werder Bremen GmbH & Co. KGaA ihr Beteiligungsportfolio allerdings bereinigt: s. die Angaben im Anhang des Konzernabschlusses zum 30. Juni 2013 unter 2.2 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 116 s. die Angaben im Lagebericht der Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH zum 31. 12. 2012 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 117  s. die Angaben a.a.O. (vorige Fn.). 118  s. die Angaben im Lagebericht der PPG-Nordpark GmbH zum 31. 12. 2011 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 119  s. die Angaben zur Unternehmensstruktur im Lagebericht der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2014 (www.bundesanzeiger.de).

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

b) Beteiligungsstrukturen Mit Rücksicht auf die Frage, ob der Verein als Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn einzuordnen ist,120 ist auch ein Blick auf die konkrete Ausgestaltung der Beteiligungsstrukturen von Interesse.121 Denn liegt eine Mehrzahl von einflusseröffnenden Beteiligungen vor, kommt es für die Bejahung der vom konzernrechtlichen Unternehmensbegriff vorausgesetzten anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung darauf an, ob diese zentralisiert von einer Tochtergesellschaft gehalten werden, oder ob der Verein zumindest eine weitere einflusseröffnende Beteiligung unmittelbar selbst hält.122 Beide Gestaltungsvarianten sind in der Praxis vorzufinden. aa)  Anteilsbesitz in Holdingstruktur Ganz verbreitet finden sich Holdingstrukturen oder jedenfalls eine Zentralisierung des Anteilsbesitzes. Hier übt der Verein den Anteilsbesitz an weiteren Gesellschaften über eine zwischengeschaltete Gesellschaft aus, so dass er lediglich an einer einzigen Gesellschaft unmittelbar beteiligt ist.123 Diese Konstruktionsform verwenden insbesondere Vereine, die die Lizenzmannschaft auf eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert haben. Weitere Gesellschaftsbeteiligungen werden dann in der Regel von dieser Spielbetriebsgesellschaft gehalten. Diese ist dann zwar keine Holdinggesellschaft im engeren Sinne, da sie über einen eigenes, i.d.R. recht umfangreiches operatives Geschäft verfügt,124 doch ist der Zentralisierungseffekt der 120 

s. dazu oben, § 2 B.III.4.a). ist nicht beabsichtigt, im Folgenden die Beteiligungsstrukturen der Vereine, die selbst oder über ihre Spielbetriebsgesellschaften an den Lizenzligen teilnehmen, vollständig darzustellen, zumal keineswegs alle relevanten Informationen über öffentliche Register zugänglich sind oder von den Vereinen anderweitig veröffentlicht werden. Überdies sind auch lediglich die Grundmuster von Interesse. 122  s. o., § 2 B.III.4.a)dd); nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung kommt es für die Zwecke der Vereinsklassenabgrenzung bzw. die Zurechnung der Tätigkeit der Tochtergesellschaft zum Mutterverein allerdings grundsätzlich nicht darauf an, ob es sich bei diesem um ein Unternehmen im Sinne des Konzernrechts handelt oder nicht. Relevant bleibt die Abgrenzung aber insbesondere für die Frage, ob die §§ 311 ff. AktG zur Anwendung gelangen, wenn die Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer AG oder einer KGaA geführt wird. 123  Bei formaler Betrachtung halten Vereine, die über eine Tochter-GmbH die Position des Komplementärs in der Spielbetriebs-KGaA besetzen und zugleich Kommanditaktien an dieser halten, zwar bereits Beteiligungen an zwei Unternehmen; dies allein genügt aber nach ganz herrschender Ansicht noch nicht für die Bejahung einer anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung, sofern sich die Komplementärgesellschaft auf die Leitung der KGaA beschränkt: s. nur Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 23 m.w.N. 124  Der Begriff der Holding wird dahin verstanden, dass damit ausschließlich oder doch zumindest vorwiegend Anteilsbesitz verwaltende Gesellschaften bezeichnet werden: so z. B. MünchHdb. GesR I/v. Ditfurth § 29 Rn. 1. Hier wird er in erster Linie verwendet, um den Effekt der Zentralisierung zu beschreiben, der auch in dem Fall eintritt, dass die betreffende Gesellschaft selbst operativ tätig ist. 121  Es

B.  Fußballvereine in Gruppenstrukturen

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gleiche. So fungiert etwa die 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA als Alleingesellschafterin der 1. FC Köln Marketing und Vertriebs GmbH sowie der 1. FC Köln Gaststätten GmbH.125 Die FC Bayern München AG ist Alleingesellschafterin der Allianz Arena München Stadion GmbH, der Allianz Arena Payment GmbH, der Arena Stadion Beteiligungs GmbH & Co. KG und hält überdies einen 50 %-Anteil an der FC Bayern Tours GmbH.126 Ähnliche Strukturen finden sich z. B. auch bei Borussia Dortmund,127 Borussia Mönchengladbach,128 Hertha BSC129 oder dem HSV.130 Von den Vereinen ohne ausgegliederte Lizenzspielerabteilung war als Beispiel für zentralisiert gehaltene Beteiligungsstrukturen Schalke 04 zu nennen, dessen Tochtergesellschaften ursprünglich zunächst unter der FC Schalke 04 Holding GmbH & Co. KG verortet waren.131 Im Rahmen einer Neustrukturierung des Konzerns im Jahr 2012 wurde die Holdingebene indes eliminiert, so dass der Verein nunmehr Beteiligungen an einer Mehrzahl von Tochtergesellschaften unmittelbar hält.132 bb)  Verzicht auf Holdingstruktur Verschiedentlich verzichten Vereine aber auch darauf, Beteiligungsrechte bei einer einzigen Tochtergesellschaft zu konzentrieren. Das gilt, wie soeben dargelegt, inzwischen z. B. auch für Schalke 04. Ähnlich sieht die Struktur beim FSV Mainz 05 aus. Hier tritt der Verein als Alleingesellschafter der MSM Media Sportservice

125  s. die Angaben (unter I.1) im Anhang des Konzernabschlusses der 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2013 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 126  s. die Angaben (unter E.4) im Anhang des Jahresabschlusse der FC Bayern München AG zum 30. 06. 2013 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 127  s. die Aufstellung des Anteilsbesitzes im Anhang des Konzern- und Jahresabschluss der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2014 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 128  s. die Angaben im Lagebericht der Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH zum 31. 12. 2012 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 129  s. die Angaben (unter III.2) zu Anteilen an verbundenen Unternehmen im Anhang des Jahresabschlusses der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA zum 30. 06. 2013 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 130  Schon vor der in 2014 vorgenommenen Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung auf die (in diesem Zusammenhang umbenannte) Tochtergesellschaft HSV Sport AG fungierte diese als Holdinggesellschaft für zwei GmbH & Co. KG: s. die Angaben im Anhang des Konzernabschlusses des HSV e.V. zum 30. 06. 2014 (abrufbar unter www.hsv.de) sowie im Anhang des Jahresabschlusses der HSV Sport AG zum 30. 06. 2013 (abrufbar unter www. bundesanzeiger.de). 131  s. die Angaben zu den Beteiligungsverhältnissen im Anhang des Jahresabschlusses dieser Gesellschaft zum 31. 12. 2008 (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de). 132 Vgl. die Angaben auf der Homepage „www.schalke04.de“ zur „Neuen Konzern­ struktur“ sowie das Diagramm der Konzernstruktur (zuletzt abgerufen am 05. 11. 2014); s.a. die Angaben im Konzernlagebericht (unter 1.c) des FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. zum 30. 06. 2013 (gleichfalls abrufbar unter www.schalke04.de).

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

„Mainz 05“ GmbH133 sowie der Mainz 05-Reha GmbH auf.134 Ein ähnliches Bild zeigt sich beim VfB Stuttgart. Hier findet sich zwar unter den Tochtergesellschaften auch eine als Beteiligungs-GmbH firmierende Gesellschaft, doch ist diese lediglich an einer einzigen weiteren Gesellschaft, der VfB Stuttgart Marketing GmbH, beteiligt.135 Ihre Bezeichnung bezieht sich auch gar nicht auf eine etwaige Holdingfunktion, vielmehr ist es Zweck der Beteiligungs-GmbH, Kapital in Form stiller Beteiligungen zu akquirieren.136 Der Geschäftsanteil an der Marketing GmbH ist der Beteiligungs-GmbH dabei augenscheinlich nur deshalb zugeordnet worden, um ihr einen kontinuierlichen Einkommensstrom zu verschaffen und dadurch die Kapitalakquise zu erleichtern.137 Daneben ist der Verein Alleingesellschafter der VfB Stuttgart Stadion GmbH,138 die das Stadion betreibt. Mit dieser Gesellschaft hat der Mutterverein zudem einen Ergebnisabführungsvertrag geschlossen.139 Neben weiteren Tochtergesellschaften (VfB Stuttgart Marketing GmbH; VfB RehaWelt GmbH) hat der VfB Stuttgart zudem auch noch eine GmbH & Co. KGaA gegründet, ohne dass diese bislang aber irgendeine erkennbare operative Tätigkeit entwickelt hätte.140

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine Auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Satzungen der Lizenzvereine – d.h. der Vereine, die noch selbst als Lizenznehmer am Spielbetrieb der Bundesligen teilnehmen – bestehen in einem gewissen Umfang verbandsrechtliche Vorgaben (I.). Soweit dadurch die Gestaltungsfreiheit nicht eingeschränkt wird, decken die Sat133  s. Gesellschafterliste vom 31. 12. 1994 (im elektronischen Handelsregister abgerufen am 18. 11. 2014). 134  s. Gesellschafterliste vom 19. 02. 2009 (im elektronischen Handelsregister abgerufen am 18. 11. 2014). 135  Im Jahresabschluss der VfB Stuttgart Beteiligungs-GmbH zum 31. 12. 2011 ist als einzige Beteiligung ein Anteil in Höhe von 92,5 % an der VfB Stuttgart Marketing GmbH verzeichnet. 136 s. Schmidt, in: Zieschang/Klimmer, Unternehmensführung, S. 48. 137  Zwischen der Marketing GmbH und der Beteiligungs-GmbH ist ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen worden: vgl. Nachtrag v. 27. 09. 2014 zum Gewinnabführungsvertrag v. 26. 06. 2003 (im elektronischen Handelsregister abgerufen am 19. 11. 2014). 138  s. Gesellschafterliste vom 08. 12. 2010 (im elektronischen Handelsregister abgerufen am 19. 11. 2014). 139  s. Ergebnisabführungsvertrag zwischen dem Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893 e.V. und der VfB Stuttgart Stadion GmbH vom 17. 07. 2011 (im elektronischen Handelsregister abgerufen am 19. 11. 2014). 140  Vgl. die Angaben im Jahresabschluss zum 31. 12. 2011. Die Gesellschaft scheint offenbar im Zusammenhang mit in der Vergangenheit verfolgten Ausgliederungsplänen gegründet worden: s. zu diesen etwa FAZ v. 31. 01. 2003, S. 32; FAZ v. 23. 09. 2003, S. 35; s. zu den Gründen für die Aufgabe der Pläne Stuttgarter Zeitung v. 14. 12. 2006, S. 40.

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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zungen der Lizenzvereine und der Muttervereine der Spielbetriebsgesellschaften eine große Bandbreite von Gestaltungsvarianten ab (II.).

I.  Verbandsrechtliche Vorgaben Vorgaben für die Ausgestaltung der Vereinssatzungen ergeben sich unmittelbar weder aus der Satzung des DFB noch aus der Satzung des Ligaverbandes. Sie sind aber Bestandteil der von § 5 Nr. 1 a) Ligaverband-Satzung vorgesehenen Lizenzierungsordnung (LO), auf deren Basis der Ligaverband bzw. dessen geschäftsführende Tochtergesellschaft, die DFL GmbH, das dem Ligaverband anvertraute Lizenzierungsverfahren für die Teilnahme an Bundesliga und 2. Bundesliga durchführt.141 Nicht ganz zweifelsfrei ist allerdings, ob die Vorgaben der LO wirksam sind. Denn trotz der eigenständigen Regelung außerhalb der Satzungsurkunde des Ligaverbandes ist davon auszugehen, dass es sich bei den Regelungsgegenständen der Lizenzierungsordnung um solche handelt, die einer satzungsförmigen Regelung bedürfen.142 Dafür spricht entscheidend, dass von der Lizenzerteilung bzw. ihrem Entzug oder Erlöschen der Erwerb und insbesondere auch das Ende der Vereinsmitgliedschaft im Ligaverband abhängen.143 Damit sind durch die Lizenzierungsordnung die autonomen Grundentscheidungen betroffen, die das Vereinsleben bestimmen und die daher zwingend satzungsförmig zu regeln sind.144 Verstöße gegen diesen sogenannten „Satzungsvorbehalt“ führen grundsätzlich zur Nichtigkeit der entsprechenden Regelung.145 Eine Ausnahme wird zwar zum Teil dann für möglich gehalten, wenn auch die außerhalb der Satzung im formellen Sinn getroffenen Regelungen den Anforderungen der §§ 33, 71 BGB entsprechen.146 Der 141 

s.a. § 16c Nr. 1 DFB-Satzung; § 4 Nr. 1 c Ligaverband-Satzung. Ergebnis ebenso Holzhäuser, Vereinslizenzierung, S. 80 ff., 96 (zusammenfassend); Weber, Strukturen, S. 110; s. allgemein zu der in den Details umstrittenen Abgrenzung Soergel/Hadding, § 25 Rn. 4 ff.; MünchKomm/Reuter, § 25 Rn. 4 ff.; Staudinger/ Weick, § 25 Rn. 3 ff. je m.w.N. 143  s. §§ 7, 8 Ligaverband-Satzung. 144  Vgl. dazu Soergel/Hadding, § 25 Rn. 1; MünchKomm/Reuter, § 25 Rn. 4; Staudinger/ Weick, § 25 Rn. 3. 145  s. etwa RGZ 73, 187, 192; BGHZ 47, 172, 178; BGHZ 105, 306, 313; MünchKomm/ Reuter § 25 Rn. 14; Staudinger/Weick § 25 Rn. 7; zur Begründung wird zumeist § 71 BGB herangezogen, dazu kritisch Kohler, Regelungen, S. 146 ff. 146  So insb. Soergel/Hadding § 25 Rn. 10a; Staudinger/Weick § 25 Rn. 7 mit dem einschränkenden Hinweis, die Vereinsordnung müsse dann in der Satzung ausdrücklich zum Satzungsbestandteil erklärt werden. Einen derartigen ausdrücklichen Hinweis enthält die Satzung des Ligaverbandes nicht. Zwar ist auch für Änderungen der Lizenzierungsordnung ein Beschluss der Mitgliederversammlung mit satzungsändernder Mehrheit erforderlich (s. §§ 25 Nr. 2 f), 27 Nr. 3 Ligaverband-Satzung). Es bleibt aber offen, ob auch die übrigen Einschränkungen gelten sollen, die die Satzung für Satzungsänderungen aufstellt. So können Anträge auf Satzungsänderung z. B. nur alle drei Jahre auf der Generalversammlung erfolgen, sie müssen früher eingereicht und sie können nicht als Dringlichkeitsanträge be142  Im

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

Ligaverband hat die Lizenzierungsordnung bislang aber offenbar nicht zur Eintragung im Vereinsregister angemeldet.147 Die Frage, ob die Lizenzierungsordnung vereinsrechtlich wirksam ist, verliert allerdings dadurch an praktischer Bedeutung, dass die Geltung der darin enthaltenen Anforderungen regelmäßig auch individualvertraglich abgesichert wird.148 Festzuhalten ist, dass sich alle Vorgaben der Lizenzierungsordnung, die sich auf die Ausgestaltung der Vereinssatzung beziehen, nur an Lizenzvereine richten, d.h. solche Vereine, die sich noch selbst um die Erteilung einer Lizenz bewerben. Für Vereine, die die Lizenzspielerabteilung auf eine Kapitalgesellschaft ausgelagert haben, welche dann selbst die Lizenz für die Teilnahme an einer der Lizenzligen beantragt, gelten sie also von vornherein nicht. Im Übrigen unterscheidet die Lizenzierungsordnung zwischen zwingend einzuhaltenden Mindestanforderungen an die Satzungsgestaltung (§ 4 Nr. 9 Abs. 1 LO) und darüber hinausgehenden Sollanforderungen (§ 4 Nr. 9 Abs. 2 LO i.V.m. Anh. III zur LO). Entsprechend Vorgaben gelten auch für die Vereine der 3. Liga,149 was nachfolgend nicht gesondert dargestellt wird. 1. Mindestvorgaben § 4 Nr. 9 Abs. 1 LO stellt nähere Anforderungen an den Bestellungsmodus für den Vereinsvorstand. Danach müssen Lizenzvereine sicherstellen oder sich dazu verpflichten, „dass die Mitgliederversammlung den Vorsitzenden und gegebenenfalls auch die übrigen Mitglieder des Vorstandes wählt, nachdem zuvor ein Wahlausschuss den Vorsitzenden bzw. die Mitglieder des Vorstandes vorgeschlagen hat“. Alternativ muss die Satzung sicherstellen, dass ein von der Mitgliederversammlung in seiner Mehrheit gewähltes Vereinsorgan den Vorsitzenden und ggfs. auch die übrigen Mitglieder des Vorstands bestellt. 2. Sollvorgaben Daneben bestimmt § 4 Nr. 9 Abs. 2 LO, dass „über diese Mindestvoraussetzungen hinaus“ die Satzung den Rahmenbedingungen für die Satzung eines Lizenzvereins entsprechen soll, wie sie in Anhang III zur Lizenzierungsordnung geregelt handelt werden; s.a. auch Weber, Strukturen, S. 110, der sich für seine Auffassung, der Satzungsgeber habe der Lizenzierungsordnung Satzungsqualität eingeräumt, allein auf das qualifizierte Mehrheitserfordernis stützt. 147 s. Weber, Strukturen, S. 110, Fn. 795, unter Hinweis auf eine insoweit durch den Ligaverband erteilte Auskunft. 148  s. insb. § 2 des zwischen dem Lizenznehmer und dem Ligaverband abgeschlossenen Lizenzvertrages (Anhang I zur Lizenzierungsordnung, abrufbar z. B. unter www.bundesliga.de (zuletzt abgerufen am 05. 11. 2014); s. zur Rechtmäßigkeit derartiger Vereinbarungen ausführlich Holzhäuser, Vereinslizenzierung, S. 92 ff. 149  s. DFB-Statut 3. Liga und Regionalliga, Abschnitt: „Richtlinien für das Zulassungsverfahren“ unter C.I.1.g) mit Bezugnahme auf Anhang III LO.

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sind (nachfolgend als „Rahmenbedingungen“ oder „Anhang III LO“ bezeichnet). Diese Rahmenbedingungen enthalten umfassendere Vorgaben, die ausweislich einer Vorbemerkung dem Ziel dienen sollen, „eine einheitliche und den gewachsenen Erfordernissen des Lizenzfußballs gerecht werdende Führungsstruktur“ zu etablieren. Im Anschluss daran werden zunächst vier Organe – Mitgliederversammlung, Wahlausschuss, Aufsichts-/Verwaltungsrat und Vorstand – aufgelistet, deren Besetzung und Zuständigkeiten näher umschrieben werden. a) Mitgliederversammlung In Bezug auf die Mitgliederversammlung halten die Rahmenbedingungen fest, diese sei das „oberste Organ“ des Lizenzvereins. Als Kompetenz der Mitgliederversammlung wird die Befugnis genannt, auf den „Vorschlag eines Wahlausschusses einen Aufsichtsrat/Verwaltungsrat“ zu wählen und diesen sowie den Vorstand zu entlasten. Die Zuständigkeit für die Wahl des Vorstands wird ihr nicht ausdrücklich zugewiesen, wohl aber das Recht zu dessen Abberufung aus wichtigem Grund. Erst aus der Zusammenschau mit den Vorgaben, die den Vorstand betreffen, ergibt sich, dass es allein die Mitgliederversammlung sein soll, die – allein bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – zur vorzeitigen Abberufung des den Vorstand berechtigt sein soll. Darüber hinaus wird der Mitgliederversammlung die Alleinzuständigkeit für Satzungsänderungen und die Auflösung des Vereins zugewiesen. b) Wahlausschuss Auch die Mitglieder des Wahlausschusses sollen durch die Mitgliederversammlung gewählt werden. Wählbar sind allerdings nur „langjährige Vereinsmitglieder.“ Soweit ein Ehrenrat besteht, kann auch dieser die Aufgaben des Wahlausschusses übernehmen. Dem Wahlausschuss werden abgesehen von der bereits erwähnten Kompetenz, der Mitgliederversammlung den Wahlvorschlag für die Besetzung des Aufsichts- oder Verwaltungsrats zu unterbreiten, keine weiteren Zuständigkeiten zugewiesen. c)  Aufsichts- oder Verwaltungsrat Die Ausführungen in Bezug auf den Aufsichtsrat konkretisieren zunächst die Modalitäten seiner Wahl: Die Mitgliederversammlung muss ihn lediglich in seiner Mehrheit wählen. Es bleibt also Raum dafür, einzelne Aufsichtsratsmitglieder auf andere Weise, etwa durch Kooptation oder durch Benennung durch ein anderes Organ zu bestimmen. Wichtigstes Recht des Aufsichtsrates ist die Bestellung des Vorstandsvorsitzenden. Darüber hinaus bestellt der Aufsichtsrat auch die weiteren Vorstandsmitglieder, die nach den Rahmenbedingungen allerdings der Vorstandsvorsitzende vorzuschlagen hat.150 Im Übrigen beschränkt sich die Funktion 150  Der Aufsichtsrat muss dem Vorschlag jedoch nicht entsprechen. In diesem Fall hat der Vorstandsvorsitzende einen neuen Vorschlag zu unterbreiten. Falls diesem gleichfalls

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

des Aufsichtsrates auf die Kontrolle der Geschäftsführung des Vorstands und die Bestellung eines Abschlussprüfers. Daneben muss der Aufsichtsrat den dem Ligaverband vorzulegenden Finanzplan genehmigen. Für Ausgaben, die über die darin enthaltenen Ansätze hinausgehen, ist seine Einwilligung erforderlich. Gleiches gilt generell für Grundstücksgeschäfte. d) Vorstand Für den Vorstand sieht Anhang III LO eine Zahl von mindestens drei und höchstens fünf Mitgliedern vor. Seine Amtszeit soll wenigstens drei und maximal fünf Jahre betragen. Dabei kann das Vorstandsamt ebenso haupt- wie ehrenamtlich ausgestaltet sein. Der Vorstand stellt das Vertretungsorgan des Vereins dar. Darüber hinaus wird ausdrücklich gesagt, der Vorstand leite den Verein „eigenverantwortlich“.151 3. Bewertung Zwar stellt die in Anhang III LO vorgegebene Rahmenordnung den Vorgaben über die Ausgestaltung der Satzung gleich zu Anfang den Leitsatz voran, es handle sich bei der Mitgliederversammlung um das „oberste Organ“ des Lizenzvereins. Doch scheint der gemeinsame Sinn der Pflicht- und Sollvorgaben für die Satzungsgestaltung der Lizenzvereine zu einem nicht unwesentlichen Teil auch darin zu liegen, den Einfluss der womöglich als wenig berechenbar angesehenen Mitgliederversammlung im Vergleich zur gesetzlichen Ausgangslage zurückzuschneiden.152 Das ist in gewisser Weise nachvollziehbar, handelt es sich bei Mitgliederversammlungen von Fußballvereinen doch in der Regel um an sich schon nicht einfach zu handhabende Großveranstaltungen, die zudem in der ganz überwiegenden Mehrzahl nicht von Mitgliedern besucht werden, die innerhalb des Vereins aktiv Sport treiben, sondern von Fußballfans, die zu ihrem Verein vielfach eine emotional geprägte Bindung haben.153 Auf dieser Linie liegt es, wenn der unmittelbare Einnicht entsprochen wird, hat der Aufsichtsrat einen neuen Vorstandsvorsitzenden zu bestellen. Nach Abschluss der Vorstandsbestellung liegt die vorzeitige Abberufung des Vorstands nicht mehr in der Kompetenz des Aufsichtsrats. Ihm bleibt aber die Möglichkeit, eine außerordentliche Mitgliederversammlung mit dem Ziel einberufen, den Vorstand abzuberufen, sofern nach seiner Auffassung ein wichtiger Grund dafür vorliegt. 151  Darüber hinaus detaillieren die Rahmenbedingungen Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat, die Pflicht zur Erstellung des jährlichen Finanzplans, des Jahresabschlusses und eines Lageberichts. 152  Vgl. insoweit auch den Tenor der Presseberichte zu Hintergrund und Auswirkungen der ursprünglich noch durch den DFB zu Beginn der 1990iger Jahre eingeführten Mustersatzung für Lizenzvereine: taz v. 07. 12. 1994, S. 15; FAZ v. 27. 04. 1996, S. 31; FAZ v. 01. 04. 2000, S. 38: „Anstoß für die Mustersatzung waren oft emotionsgeladene Mitgliederversammlungen in rauchgeschwängerter und bierseliger Atmosphäre, aus denen Präsidien und andere Gremien der Vereine gelegentlich als Zufallsprodukte hervorgingen.“ 153  Inwieweit diese Ausgangslage eine generelles Misstrauen gegenüber der Mitgliederversammlung rechtfertigt, ist allerdings durchaus zweifelhaft. Immerhin scheint die Durch-

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fluss der Mitgliederversammlung schon im Hinblick auf die Wahl des Vorstands reduziert wird, weil nach der Mindestvorgabe des § 4 Nr. 9 Abs. 1 LO auch bei der direkten Wahl durch die Mitgliederversammlung zumindest die Wahlvorschläge von einem anderen Organ als der Mitgliederversammlung stammen müssen. Der Gedanke lässt sich aber auch im Hinblick auf die Ausgestaltung der Vorstandskompetenzen fortsetzen. Soweit die Rahmenbedingungen die Vorgabe enthalten, der Vorstand leite den Verein eigenverantwortlich, zielt dies der Formulierung nach ersichtlich auf eine Parallele zu § 76 Abs. 1 AktG, der für das Aktienrecht die alleinige Leitungskompetenz dem Vorstand zuweist und damit zugleich Geschäftsführungsweisungen der Hauptversammlung ausschließt.154 Gleichzeitig ist aber auch festzuhalten, dass sich Sinn und Zweck der Rahmenbedingungen keineswegs auf das Ziel reduzieren lassen, die Kompetenzen der Mitgliederversammlung einzugrenzen. So lassen sich schon den Mindestanforderungen in § 4 Nr. 9 Abs. 1 LO auch Anforderungen an ein Mindestniveau „demokratischer Legitimation“ des Vorstands entnehmen. Denn der Vorstand muss entweder durch die Mitgliederversammlung direkt gewählt werden oder doch zumindest von einem in seiner Mehrheit durch sie legitimierten Vereinsorgan. Das setzt der Fremdbestimmung durch vereinsexterne Dritte von vornherein Grenzen. Die in Anhang III LO formulierten Rahmenbedingungen setzen diese Tendenz fort, etwa indem die vorzeitige Abberufung des Vorstands zur alleinigen Kompetenz der Mitgliederversammlung erklärt wird. Auch die durch Anh. III LO vorgesehene Einführung eines gesonderten Kontrollorgans hat mit einer Beschränkung der Rechte der Mitgliederversammlung nichts zu tun, sondern ist als Versuch zu werten, die Verwaltungsstrukturen der Lizenzvereine zu verbessern.

II.  Satzungsvarianten im Überblick: gesetzestypische und verbandsrechtlich geprägte Vereine Zahlreiche Vereine haben ihre Satzungen bereits mehr oder weniger stark den verbandsrechtlichen Vorgaben angenähert. Das gilt nicht nur für Lizenzvereine, sondern auch für Vereine, bei denen eine Tochtergesellschaft Lizenznehmerin des Ligaverbandes ist und für die daher die Einhaltung der verbandsrechtlichen Vorgaben nicht erforderlich wäre. Dies dürfte historisch bedingt sein: Die bei der erstmaligen Einführung von Vorgaben für die Satzungsgestaltung von Lizenzver-

führung von Mitgliederversammlungen von Fußballvereinen in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle keine nennenswerten Probleme zu bereiten, wenn auch in Einzelfällen in der Presse schon über chaotische Zustände oder sogar über Handgreiflichkeiten berichtet worden ist: s. FAZ v. 01. 04. 2000, S. 38; FAZ v. 13. 12. 2006, S. 31 (bezüglich einer Mitgliederversammlung des HSV: „Medien ausgeschlossen, Führung verhöhnt, Vorstand nicht entlastet, Versammlung abgebrochen“). 154 s. nur Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 25; MünchKommAktG/Spindler § 76 Rn. 1 m.w.N.; ausführlicher unten § 5 D.I.2.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

einen – damals noch durch den DFB – gesetzte Frist lief zum 31. 05. 1996 ab,155 d.h. etwa zwei Jahre, bevor überhaupt die verbandsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilungen auf Kapitalgesellschaften geschaffen wurden.156

III.  Satzungsvarianten – Einzelaspekte 1. Organisationsstruktur Im Regelfall haben sich die Lizenz- und Muttervereine der drei höchsten deutschen Spielklassen vom zweiorganigen Grundmodell bestehend aus Mitgliederversammlung und Vorstand gelöst und komplexere Strukturen herausausgebildet. In der Regel finden sich neben der Mitgliederversammlung und dem Vorstand noch eine Art von Aufsichtsorgan, meist auch ein Wahlausschuss und einen Ehrenrat sowie im Einzelfall noch weitere Organe mit besonderen Funktionen und Zuständigkeitsbereichen. a)  Mitgliederversammlung; Delegiertenversammlung Trotz teils erheblicher Mitgliederzahlen verzichten die Mutter- und Lizenzvereine der drei höchsten Spielklasse durchgehend auf die Einrichtung von Delegiertenversammlungen.157 Eine Ausnahme bildete der TSV 1860 München,158 der seine Satzung im Jahr 2013 aber geändert hat und vom Delegierten- zum Mitgliedersystem zurückgekehrt ist.159 Daneben sieht auch § 19a der Satzung Borussia Mönchengladbachs die Möglichkeit vor, eine – aus lediglich drei Personen bestehende – Delegiertenversammlung zu bestellen, deren Funktion sich jedoch ausschließlich auf die Durchführung von Umwandlungsmaßnahmen beschränkt und deren Amtsdauer mit dem Abschluss der Umwandlungsmaßnahme endet.

155 Offenbar hatte lediglich ein Lizenzverein um eine Nachfrist für die Umsetzung nachsuchen müssen: s. FAZ v. 27. 04. 1996, S. 31. 156  s. dazu oben, § 2 B.I.3. 157  Zwar sehen einige Satzungen die Wahl von Delegierten vor, doch geht es dabei um die Repräsentation des Fußballvereins in einem Dachverein: vgl. z. B. § 19 der Satzung des 1. FC Nürnberg; § 10 Nr. 1 lit. n der Satzung des MSV Duisburg. 158  In der Fassung der Satzung, die vor den am 25. 04. 2013 beschlossenen Satzungsänderungen galt, verdrängte die Delegiertenversammlung die Mitgliederversammlung nahezu vollständig; dieser blieb lediglich die Kompetenz, über die Auflösung des Vereins zu entscheiden. 159  Über die Wirksamkeit der durch die Delegiertenversammlung vom 25. 04. 2013 gefassten satzungsändernden Beschlüsse besteht allerdings noch Streit; für Nichtigkeit aufgrund eines Ladungsmangels LG München I, Urteil vom 25. 07. 2014 (unveröffentlicht), s. beck-aktuell, Mitteilung vom 28. 07. 2014, becklink 1033743.

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b) Vorstand Viele Satzungen sehen statt eines Vorstandes die Einrichtung eines „Präsidiums“ vor.160 Das ist zunächst nur ein terminologischer Unterschied. Darüber hinaus wird aber teils auch noch insoweit differenziert, als dass nur bestimmte Mitglieder des Vorstands oder des Präsidiums den „Vorstand im Sinne von § 26 BGB“ bilden.161 So findet sich etwa bei Hertha BSC ein „erweitertes Präsidium“, bei Mainz 05 ein „erweiterter Vorstand“; Vorstand im Sinne von § 26 BGB ist aber im ersten Fall das „Präsidium“, im zweiten Fall ein „geschäftsführender Vorstand“, die jeweils zum Teil abweichend besetzt sind.162 Derartige Konstruktionen eröffnen die Möglichkeit, in den Prozess der vereinsinternen Willensbildung allgemein oder zumindest für bestimmte, durch die Satzung näher bezeichnete Sachbereiche weitere Personen einzubeziehen, denen im Außenverhältnis keine Vertretungsbefugnis zukommen soll.163 So dient das „erweiterte“ Vereinsorgan im Fall von Herta BSC und Mainz 05 etwa dazu, anderen im Verein vertretenen Sportarten, die sonst durch die Fußballabteilung marginalisiert würden, einen gewissen Einfluss auf der Leitungsebene zu verschaffen.164 Allerdings kann bei solchen Konstruktionen die interne Kompetenzabgrenzung je nach Satzungsgestaltung erhebliche Schwierigkeiten bereiten.165 160  Dies gilt z. B. für den FC Bayern (§ 15 der Satzung), Borussia Mönchengladbach (§ 29 der Satzung), Eintracht Frankfurt (§ 21 der Satzung); Arminia Bielefeld (§ 12 der Satzung), FC St. Pauli (§ 21 der Satzung) oder 1860 München (§ 11 der Satzung). 161 s. zu dieser Praxis im Vereinsrecht allgemein Sauter/Schweyer/Waldner, Verein, Rn. 250, 308; Stöber/Otto, Vereinsrecht, Rn. 376. 162  s. für Hertha BSC §§ 19 Nr. 2, 5, 12 der Satzung; für Mainz 05 s. §§ 9 Nr. 2, 12 Nr. 1, 2 der Satzung. 163  Seit BGHZ 69, 250 (mit Anm. Kirberger, NJW 1978, 415) wird in Abkehr von einer älteren Ansicht durch die h.M. nicht mehr vertreten, dass die Wirksamkeit einer Vertretungshandlung bei einem eingetragenen Verein mit mehrgliedrigem Vorstand stets davon abhänge, dass zuvor ein satzungsgemäßer Vorstandsbeschluss gefasst worden sei. Zwischen dem Organ, das vereinsintern für die Willensbildung hinsichtlich der Geschäftsführung zuständig ist, und dem vertretungsberechtigten Vorstand muss also keine Identität bestehen: vgl. zur Diskussion MünchKomm/Arnold, § 26 Rn. 4; Sauter/Schweyer/Waldner, Verein, Rn. 250; Stöber/Otto, Vereinsrecht, Rn. 374 f. 164  s. für Mainz 05 §§ 14, 18 der Satzung; für Hertha BSC s. § 19 Nr. 12 der Satzung. Eine ähnliche Gestaltung weist die Satzung Werder Bremens auf: hier besteht neben dem geschäftsführenden Präsidium (Vorstand im Sinne des § 26 BGB) das um die Abteilungsvorsitzenden, den Jugend- und den Sportreferenten ergänzte Präsidium (s. § 20 der Satzung). 165  Dies gilt insbesondere dann, wenn der „Vorstand im Sinne des § 26 BGB“ nicht bloß als Vertretungsorgan begriffen wird, sondern auch und neben dem erweiterten Vorstand als Instanz vereinsinterner Willensbildung fungiert. So regelt etwa die Satzung des 1. FSV Mainz 05 zunächst ausführlich die Leitungs- und Geschäftsführungskompetenzen des geschäftsführenden Vorstands, um dann im Hinblick auf den mindestens viermal jährlich einzuberufenden erweiterten Vorstand auszuführen (§ 14 der Satzung): „Er entscheidet in den Angelegenheiten, die ihm in dieser Satzung ausdrücklich zugewiesen sind, sowie in

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

c) Aufsichtsrat Bei vielen Vereinen ist neben dem Vorstand ein eigenständiges Vereinsorgan mit Kompetenzen vor allem im Bereich der Kontrolle des Vorstands eingerichtet worden,166 das je nach Satzung als Aufsichtsrat,167 Verwaltungsrat168, Beirat,169 Wirtschafts(bei)rat170 oder Mitgliederrat171 bezeichnet wird. Der Umfang der Befugnisse, mit denen dieses Kontrollorgan ausgestattet ist, variiert allerdings recht stark. Oftmals ist die Ausgestaltung zunächst an die Vorgaben in Anhang III LO angelehnt.172 Dementsprechend weisen eine Reihe von Satzungen dem Aufsichtsorgan die Kompetenz zu, einen Wirtschaftsprüfer zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts einzusetzen,173 den jährlichen Finanzplan zu genehmigen,174 über Überschreitungen der darin enthaltenen Ansätze zu entscheiden,175 oder sie machen die Vornahme von grundstücksbezogenen Rechtsgeschäften von seiner Zustimmung abhängig.176 Häufig finden sich aber auch über Grundstücksgeschäfte hinausgehende Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats, die z.T. auch sehr weit reichen. Bei Schalke 04 bedarf der Vorstand etwa u.a. für den Abschluss von Darlehensverträgen, Stundungsvereinbarungen und darauf bezogenen Sicherungsgeschäften, sowie für alle diejenigen Rechtsgeschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats, deallen dem Vorstand, der Mitgliederversammlung oder dem Ältestenrat zugewiesenen Angelegenheiten.“ Die Gefahr von internen Kompetenzkonflikten liegt hier offenkundig nahe. 166  Z.T. fällt der Grad der Verselbständigung bzw. die Ausstattung mit eigenständige Kompetenzen jedoch so schwach aus, dass sich die Qualifikation als Aufsichtsorgan nur unter Vorbehalt verwenden lässt; dazu noch sogleich im Text. 167  s. z. B. die Satzungen des VfB Stuttgart (§ 17); Schalke 04 (§ 7); Borussia Mönchengladbach (§ 23); Hannover 96 (§ 16); Hertha BSC (§ 15); VfL Bochum (§ 18). 168  s. z. B. die Satzungen des FC Bayern München (§ 17), TSV 1860 München (§ 13); MSV Duisburg (§ 13); Eintracht Frankfurt (§ 23). 169  s. die Satzungen des 1.FSV Mainz 05 (§ 19) und des HSV (§ 19); bei Eintracht Frankfurt tritt ein (mit eingeschränkten Kompetenzen ausgestatteter) Beirat (§ 24) neben den Verwaltungsrat als primäres Kontrollorgan. 170  s. z. B. die Satzungen der SpVgg Greuther Fürth (§ 15) sowie von Borussia Dortmund (§ 20). 171  § 24 der Satzung des 1. FC Köln. 172  s. dazu bereits oben, § 2 C.I.2. 173  s. z. B. VfL Bochum (§ 18 Nr. 5); Kaiserslautern (§ 13 Abs. 5 lit. a); Schalke 04 (§ 7.5 Abs. 2); Hansa Rostock (§ 21 Abs. 7); 1. FC Nürnberg (§ 16 Nr. 12 lit e). 174  s. z. B. Hannover 96 (§ 15 Nr. 5); VfB Stuttgart (§ 17 Nr. 7 d); VfL Bochum (§ 18 Nr. 4); Eintracht Frankfurt (§ 24 Nr. 1.5); Schalke 04 (§ 7.5); Borussia Mönchengladbach (§ 25 Abs. 2 b). 175  s. z. B. Hannover 96 (§ 16 Nr. 6 b); VfB Stuttgart (§ 17 Nr. 7 lit. d); Borussia Mönchengladbach (§ 25 Abs. 3). 176  s. z. B. VfB Stuttgart (§ 17 Nr. 7 lit. g); Eintracht Frankfurt (§ 24 Nr. 2.2); Borussia Mönchengladbach (§ 25 Abs. 3); Hertha BSC (§ 17 Nr. 2 lit. a); Schalke 04 (§ 7.5).

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ren Laufzeit zwei Jahre überschreitet oder die einen einmaligen oder jährlichen Gegenstandswert von mehr als 300.000,- € haben.177 Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat dazu befugt, im Wege des Mehrheitsbeschlusses auch den Abschluss weiterer Rechtsgeschäfte im Einzelfall oder generell von seiner Einwilligung abhängig zu machen.178 Ähnliche ausgestaltete Befugnisse haben etwa auch die Aufsichtsräte des VfL Bochum, des 1. FC Kaiserslautern oder von Fortuna Düsseldorf.179 Über ausdrücklich benannte Spezialkompetenzen hinaus finden sich verbreitet auch allgemeine Kompetenzzuweisungen des Inhalts, dass der Aufsichtsrat den Vorstand bei seiner Tätigkeit zu überwachen oder zu kontrollieren habe.180 Es ist allerdings nicht immer so, dass dem „Kontrollorgan“ auch eine allgemeine Überwachungsfunktion zukommt. So beschränkt sich etwa die Kompetenz des Wirtschaftsrats von Borussia Dortmund auf die Entgegennahme des halbjährlichen Vorstandsberichts, die Auswahl des Wirtschaftsprüfers sowie auf einige Zustimmungserfordernisse.181 Auch bei anderen Vereinen finden sich Organe mit schwacher Kompetenzausstattung, die teils eher im Grenzbereich zu bloß beratenden Gremien anzusiedeln sind. So sieht die Satzung von Mainz 05 einen Beirat vor, dem zwar die Befugnis zusteht, jederzeit die Geschäftsbücher des Vereins einzusehen. Doch liegt seine Aufgabe allein in der Beratung des Vorstands, dem er lediglich Empfehlungen zu geben berechtigt ist.182 Dies wird nur sehr eingeschränkt dadurch kompensiert, dass durch die Mitgliederversammlung zwei Kassenprüfer gewählt werden, die im Vorfeld der Mitgliederversammlung eine Belegprüfung der Kasse vorzunehmen haben.183 Eine vergleichbare Einrichtung, die zugleich der einzige in der Satzung enthaltene Ansatz für die Ausbildung eines Kontrollorgans ist, findet sich auch beim SV Werder Bremen. Hier sind zwei Revisoren aus dem Kreis der Vereinsmitglieder zu wählen, die neben der Kassenführung auch die Jahresrechnung zu prüfen und der Mitgliederversammlung darüber Bericht zu erstatten haben.184 Eine andere oder weitergehende Form der Kontrolle des Vorstands kennt die Satzung nicht. Ähnlich sieht es bei der TSG Hoffenheim aus, deren Satzung neben Vorstand und Mitgliederversammlung kein weiteres Organ vorsieht und die die Kontrolle auf eine jährliche Kassenprüfung beschränkt.185 177 

s. § 7.5 der Satzung. s. § 7.5 der Satzung. 179  s. für Bochum § 18 Nr. 4 der Satzung; für Kaiserslautern s. Art. 13 Abs. 5 lit. b) der Satzung; für Düsseldorf s. § 14 Abs. 3 der Satzung; vgl. außerdem mit ähnlicher Ausgestaltung auch die Satzungen des SC Paderborn (§ 15 Abs. 5 lit. b) und des FC Augsburg (§ 13.7). 180  So z. B. die Satzung des VfB Stuttgart (§ 17 Nr. 7); des FC Schalke 04 (§ 7.5 der Satzung); Hannover 96 (§ 16 Nr. 6 lit. a); Eintracht Frankfurt (§ 24 Nr. 1.4); Hertha BSC (§ 17 Nr. 1); 1. FC Köln (§ 24.1); Borussia Mönchengladbach (§ 25 Abs. 2). 181  s. § 21 der Satzung. 182  s. § 19 der Satzung. 183  s. § 17 der Satzung. 184  s. § 33 der Satzung. 185  s. § 15 der Satzung. 178 

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

Gelegentlich ist die Ausgestaltung des Überwachungsorgans auch in besonderer Weise durch das Anliegen geprägt, die Repräsentation der Mitglieder in der Verwaltung zu stärken. So sieht die Satzung des 1. FC Köln einen „Mitgliederrat“ vor, dessen 15 Mitglieder unmittelbar von der Mitgliederversammlung aus dem Kreis der Vereinsmitglieder gewählt werden und der im Wesentlichen die Aufgaben eines Aufsichtsrats übernimmt.186 Der Mitgliederrat entsendet zudem zwei Mitglieder in den „Gemeinsamen Ausschuss“, bei dem es sich um eine Art Schnittstellenorgan handelt, dass sich Mitgliedern mehrerer anderer Organe zusammensetzt, und dem besondere Mitwirkungsrechte bei der Beteiligungsverwaltung zukommen.187 d) Wahlausschuss Sofern die Mitgliederversammlung den Vorstand unmittelbar wählt, ist von der Gruppe der Lizenzvereine nach § 4 Nr. 9 LO zwingend ein Wahlausschuss einzurichten, dem dann die Aufgabe zukommt, der Mitgliederversammlung Wahlvorschläge zu unterbreiten.188 Dementsprechend findet sich ein solcher Wahlausschuss, dessen Funktion teils auch von anderen Organen mitübernommen wird, in der Gruppe der Lizenzvereine der Bundesliga und 2. Bundesliga etwa beim 1. FC Nürnberg,189 beim VfB Stuttgart190 ober beim 1. FSV Mainz 05,191 wo die Vereinssatzungen jeweils eine Direktwahl des Vorstands vorsehen.192 Auch bei einer Reihe von Muttervereinen, deren Satzungen eine Direktwahl des Vorstands vorsehen, existiert ein derartiger Wahlausschuss,193 obgleich die Muttervereine, die nicht selbst Lizenznehmer sind, den Anforderungen von § 4 Nr. 9 LO nicht genügen müssten. Viele Vereine, seien es Lizenz- oder Muttervereine von Lizenznehmern, haben inzwischen allerdings von einer Direktwahl des Vorstands durch die Mitgliederversammlung Abstand genommen. Gleichwohl sind verbreitet auch dort, wo die Mitglieder nur den Aufsichts- oder Verwaltungsrat direkt wählen, Wahlaus-

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s. zum Mitgliederrat und dessen Wahl §§ 22 f., 17 ff. der Satzung des 1. FC Köln. s. § 25 der Satzung; dazu noch näher unten, § 4 C.III.3.e). 188  s. o., § 4 C.I.2.b). 189  s. § 18 der Satzung. 190  s. § 15 Nr. 3 der Satzung (Wahl des Präsidenten auf Vorschlag des Aufsichtsrats). 191  Nach § 19a der Satzung schlägt eine Wahlkommission eine Person für das Amt des Vorstandsvorsitzenden vor, die dann ihrerseits weitere Personen für die Besetzung der restlichen Positionen des Vorstands vorzuschlagen hat. 192  Nicht immer werden allerdings sämtliche Mitglieder des Vorstands direkt durch die Mitgliederversammlung gewählt. Nach der Satzung des VfB Stuttgart nur der Präsident direkt gewählt, während die übrigen Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat bestellt werden (§ 15 Nr. 4). Das Vorschlagsrecht des Wahlausschusses reicht dann dementsprechend nur soweit, wie eine Direktwahl durch die Mitgliederversammlung stattfindet. 193 Dies gilt etwa für den FC Bayern München (§ 17 Nr. 3: Verwaltungsbeirat als Wahlausschuss); Werder Bremen (§ 19); Borussia Dortmund (§ 19). 187 

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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schüsse eingerichtet worden.194 In der Sache werden damit die von § 4 Nr. 9 LO alternativ vorgeschlagenen Satzungsgestaltungen zur Reduktion des unmittelbaren Einflusses der Mitglieder auf die Vorstandsbesetzung miteinander kombiniert. e)  Sonstige Organe Neben den vorgenannten Organen finden sich in der Regel noch eine Reihe weiterer Organe innerhalb des Vereins, die sich grob zwei Gruppen zuordnen lassen. So existiert nahezu durchgehend eine Art von Ältesten- oder Ehrenrat, dem vor allem Kompetenzen im Bereich der Lösung von vereinsinternen Konflikten sowie der Verhängung von Sanktionen zugewiesen sind. Daneben verfügen viele Vereine auch über Organe unterschiedlicher Bezeichnung, deren Zweck darauf zielt, besonderen Sachverstand – etwa in sportlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht – im Verein zu bündeln oder als wichtig erachtete Beziehungen, etwa zur Lokalpolitik oder zu Sponsoren, zu pflegen.195 2.  Kompetenzregelnde Satzungsinhalte (ohne spezifischen Konzern- oder Gruppenbezug) Für die Frage nach den Zuständigkeiten der einzelnen Organe des Vereins sind ausdrückliche Kompetenzzuweisungen und -abgrenzungen, die in der Satzung selbst enthalten sind, wegen der weitgehenden Nachgiebigkeit des BGB-Vereinsrechts von besonderer Bedeutung. Die hier untersuchten Satzungen enthalten zahlreiche einschlägige Regelungen, deren genaue Bedeutung allerdings nicht immer leicht zu ermitteln ist. Soweit Kompetenzzuweisungen Bezüge zu Fragen der Gruppenbildung oder Gruppenleitung aufweisen, werden diese nachfolgend in einem eigenen Abschnitt geschlossen im Zusammenhang mit anderen konzern- bzw. gruppenbezogenen Klauseln dargestellt werden (sogleich 3.). a)  Kompetenzzuweisungen an die Mitgliederversammlung Alle untersuchten Satzungen enthalten mehr oder weniger ausführliche Regelungen über die Kompetenzen der Mitgliederversammlung.

194  So etwa bei Eintracht Frankfurt (§ 16 Nr. 3); Schalke 04 (§ 6. 3. 1.1. Abs. 2); Borussia Mönchengladbach (§ 22: Ehrenrat als Wahlausschuss); Hansa Rostock (§ 22); Fortuna Düsseldorf (§ 25). 195  So hat z. B. der Verwaltungsbeirat des FC Bayern München gem. § 17 Nr. 8 der Satzung auch die Aufgabe, Kontakte zu solchen Gruppen oder Personen aus Politik, Sport, Medien und Wirtschaft herzustellen und zu pflegen, die für das Wohl des Clubs wichtig sind; ähnliche Funktion des Beirats in § 27.2 der Satzung des 1. FC Köln. Z.T. wird die Funktion der Kontaktpflege auch in den Aufsichtsrat integriert – die Satzung Kaiserlauterns sieht etwa vor, dem Oberbürgermeister sowie dem für den Fachbereich Sport zuständigen Landesminister eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat anzudienen.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

aa)  Allgemeine Rangzuweisung – die Mitgliederversammlung als „oberstes“ Organ Nahezu in allen untersuchten Satzungen der höchsten drei Spielklassen findet sich in den Bestimmungen über die Mitgliederversammlung einleitend der auch in Anhang III LO enthaltene Hinweis, die Mitgliederversammlung sei das „oberste“ oder „höchste“ Organ des Vereins. Dies ist im Ausgangspunkt allerdings keine Kompetenzzuweisung, sondern eine Aussage mit deskriptivem Charakter. Ob bzw. inwieweit sie zutrifft, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Satzung und insbesondere davon ab, ob und in welchem Umfang die Rechte der Mitgliederversammlung im Vergleich zur gesetzlichen Ausgangslage beschnitten werden.196 Allenfalls dort, wo die Zuständigkeitsregelung der Satzung Unklarheiten oder Lücken aufweist, kann der Bezeichnung der Mitgliederversammlung als „oberstem Organ“ im Rahmen der (ergänzenden) Satzungsauslegung ein gewisser normativer Gehalt zukommen. Das hat allerdings gegenüber dem Rückgriff auf die dispositive gesetzliche Ausgangslage keinen Mehrwert, weil sich die Stellung der Mitgliederversammlung auch dort nicht anders darstellt. bb)  Zuweisung spezieller Kompetenzen Die Mehrzahl der hier untersuchten Satzungen enthält zudem mehr oder weniger umfangreiche Kataloge, die einzelne, genau umrissene Kompetenzen der Mitgliederversammlungen auflisten.197 Typischerweise beziehen sich die Kompetenzzuweisungen auf die folgenden Sachbereiche: (1) Wahlen Eine überall gewährleistete Kernkompetenz der Mitgliederversammlung liegt nach den untersuchten Satzungen darin, die Mitglieder des Vorstands entweder unmittelbar zu wählen oder zumindest die Mehrheit der Mitglieder des Organs, welches den Vorstand bestellt. Sofern weitere Vereinsorgane vorhanden sind, hat die Mitgliederversammlung auch auf deren Besetzung verbreitet Einfluss.198 196  Auf Basis der gesetzlichen Ausgangslage (s. zu dieser ausführlich unten, § 7 A.) trifft die Bezeichnung der Mitgliederversammlung als „oberstes Organ“ in vollem Umfang zu. 197  Z.T. ergeben sich diese Kompetenzkataloge auch nur mittelbar aus dem satzungsmäßig festgelegten Mindestinhalt der Tagesordnung der ordentlichen Mitgliederversammlung. 198 Im Einzelfall existieren aber ganz unterschiedliche Regelungen. Manche Organe werden durch die Inhaber bestimmter Ehrenämter innerhalb des Vereins besetzt, manche Organe werden teils von der Mitgliederversammlung gewählt, teils von anderen Organen oder Organmitgliedern bestellt, manche Organe können sich auch im Wege der Kooptation erweitern. Auch für die Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat sind häufig Mischformen vorgesehen: vgl. z. B. § 17 Abs. 2 der Satzung von Eintracht Frankfurt, wonach die Mitgliederversammlung den Präsidenten wählt, während die weiteren Präsidiumsmitglieder vom Verwaltungsrat gemeinsam mit dem Wahlausschuss bestellt werden.

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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(2)  Entgegennahme von Berichten; Entlastung Darüber hinaus wird vielfach ausdrücklich ausgesprochen, dass die Entgegennahme der Jahresberichte der Leitungsorgane bzw. der Berichte über den Jahresabschluss in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt. Auch die Zuständigkeit für die Entlastung des Vorstands und, soweit vorhanden, des Aufsichtsorgans sowie ggfs. weiterer Organe wird in der Satzung regelmäßig ausdrücklich aufgeführt. (3) Mitgliedsbeiträge Manche Satzungen schreiben schließlich auch ausdrücklich fest, dass die Zuständigkeit für die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge sowie anderer finanzieller Belastungen (Aufnahmegebühren, Umlagen), in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fallen.199 Dies ist allerdings keineswegs durchgehend so geregelt: Teilweise wird die Bestimmung der Höhe der Beiträge auch der Verwaltung zugewiesen.200 (4)  Satzungsänderungen; Auflösung Häufig wird zudem auch die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung für die Änderung der Satzung und die Auflösung des Vereins besonders hervorgehoben. In diesem Zusammenhang sind allerdings auch Satzungsklauseln zu verzeichnen, die zwar nicht die Satzungsänderung an sich, wohl aber Satzungsänderungsinitiativen aus dem Kreis der Mitglieder nur unter erschwerten Voraussetzungen zulassen. So hatten nach einer – zwischenzeitlich allerdings geänderten 201 – Regelung in der Satzung des 1. FC Köln nur zwei Zehntel der stimmberechtigten Mitglieder gemeinsam das Recht, Satzungsänderungsanträge zu stellen. Da zugleich das Erfordernis bestand, derartige Anträge so rechtzeitig zu stellen, dass sie mit der Tagesordnung bekannt gemacht werden können, hätte sich dazu eine Gruppe von etwa 10.000 Personen außerhalb der Mitgliederversammlung koordinieren müssen – ein faktisch kaum zu überwindendes Hindernis. Eine in zeitlicher Hinsicht relativ starre Beschränkung enthält die Satzung Borussia Mönchengladbachs: Danach dürfen Anträge auf Satzungsänderung nur dann in die Tagesordnung aufgenommen 199 

s. z. B. die Satzung des VfB Stuttgart (§ 9 Nr. 1); ebenso Werder Bremen (§ 13 Nr. 1 c)); Hannover 96 (§ 8 Nr. 2 – mit Ausnahme der Beiträge der Fördermitglieder, die der Vorstand festsetzt); 1. FC Nürnberg (§ 11 Nr. 1); Hansa Rostock (§ 9 Abs. 2); Union Berlin (§ 9 Nr. 2). 200  s. z. B. § 9 Abs. 1 der Satzung von Hertha BSC: Festsetzung der Höhe des Mitgliedsbeitrags durch das Präsidium mit Zustimmung des Aufsichtsrats; § 10 Abs. 2 der Satzung von Borussia Mönchengladbach: Festsetzung durch das Präsidium; § 11 Nr. 2 der Satzung des HSV: Festsetzung durch das Präsidium; § 8.1 der Satzung des FC Augsburg: Festsetzung durch den Vorstand. 201  Seit einer im Dezember 2012 beschlossenen Satzungsänderung kann gemäß § 15.2 der Satzung jedes einzelne Mitglied einen Satzungsänderungsantrag stellen.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

werden, wenn sie dem Präsidium bis zum 31. Dezember des Vorjahres vorgelegen haben,202 obgleich die ordentliche Mitgliederversammlung nach § 15 Abs. 1 der Satzung erst im zweiten Kalenderquartal stattfinden soll. cc)  Generalklauselartige Kompetenzzuweisungen Zum Teil werden der Mitgliederversammlung in der Satzung neben einzelnen, genau umschriebenen Kompetenzen auch noch allgemeiner gefasste Befugnisse zugewiesen, die bis hin zu generalklauselartigen Zuständigkeitsbeschreibungen reichen. Diese betonen häufiger die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung für die grundlegenden Entscheidungen des Vereinslebens. So heißt es etwa in § 12 Nr. 1 der Satzung des Karlsruher Sportvereins: „Die Mitgliederversammlung beschließt als oberstes Vereinsorgan über die grundlegenden Aufgaben und Ziele des Vereins, seine Organisation und bestimmt die allgemeinen Richtlinien der Vereinsarbeit.“

Nahezu gleichlautende Formulierungen finden sich z. B. in den Satzungen des 1. FC Kaiserslautern, des SC Paderborn, des FC Ingolstadt und des FC Rot-Weiß Erfurt.203 Etwas knapper formuliert § 18 Nr. 2 der Satzung Eintracht Frankfurts: „Die Mitgliederversammlung beschließt über die grundlegenden Aufgaben und Ziele des Vereins. […]“

In ähnlicher Weise bestimmt § 15 Abs. 1 S. 2 der Satzung des Drittligisten SG Sonnenhof Großaspach: „Sie [sc. Die Mitgliederversammlung] entscheidet über alle grundsätzlichen Angelegenheiten des Vereins vorbehältlich einer anderweitigen Regelung in dieser Satzung.“

Die Mitgliederversammlung des HSV ist u.a. zuständig für die Beschlussfassung über „ […] alle erheblichen Veränderungen der Vereinsorganisation […]“.204

Gelegentlich finden sich generalklauselartige Zuständigkeitsbeschreibungen auch in Form von Formulierungen, die an § 32 Abs. 1 BGB angelehnt sind. Beim FC Augsburg obliegt der Mitgliederversammlung etwa „die Beschlussfassung und Kontrolle in allen Vereinsangelegenheiten, soweit die Satzung diese Aufgaben nicht anderen Vereinsorganen übertragen hat. […]“205

202  s. § 16 Abs. 6 der Satzung. Ähnlich § 14 Abs. 6 der Satzung Hansa Rostocks: Eingang bis Ende des Geschäftsjahres, das jeweils am 30.06. eines Jahres endet. 203  s. § 9 Abs. 2 der Satzung des SC Paderborn; Art. 9 Abs. 2 der Satzung des 1. FC Kaiserslautern; § 12 Nr. 1 der Satzung des FC Ingolstadt; Art. 9 Abs. 2 der Satzung des FC Rot-Weiß Erfurt. 204  s. § 14 Nr. 2 i). 205  s. § 12.1 der Satzung.

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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Vergleichbare Klauseln enthalten z. B. auch die Satzungen von Hertha BSC206 oder Erzgebirge Aue.207 Wie weit bei derartigen Klauseln die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung konkret reicht, lässt sich naturgemäß nur unter Einbeziehung der Klauseln sagen, die Kompetenzzuweisungen zugunsten anderer Organe enthalten. Manchmal werden über den enumerierten Zuständigkeitskatalog hinausgehende allgemeine Befugnisse der Mitgliederversammlung auch nur dadurch angedeutet, dass in Bezug auf diese Kompetenzen gesagt wird, sie stünden der Mitgliederversammlung „insbesondere“ zu.208 Weiter findet sich in einer Reihe von Satzungen unter den enumerierten Zuständigkeiten auch die Befugnis, über „vorliegende“ oder „eingereichte“ Anträge zu entscheiden, ohne dass die denkbaren Gegenstände solcher Anträge eingeschränkt würden.209 In beiden Fällen ist implizit vorausgesetzt, dass es über die ausdrücklich angeführten Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung noch weitere Entscheidungskompetenzen gibt. In beiden Fällen wird man allein daraus aber regelmäßig nicht schließen können, dass der Mitgliederversammlung Entscheidungskompetenzen schlechterdings im Hinblick auf jede Sachmaterie zukommen sollen. Vielmehr wird es auch insoweit darauf ankommen, ob die Satzung bestimmte Kompetenzen – abschließend – in die Zuständigkeit eines anderen Organs überweist. Welchen genauen Bedeutungsgehalt diese auf eine weitergehende Entscheidungszuständigkeit der Mitgliederversammlung hindeutenden Formulierungen haben, wird sich also gleichfalls regelmäßig nur in der Gesamtschau aller kompetenzregelnden Bestimmungen der Satzung ermitteln lassen. Gelegentlich deutet sich diese Erkenntnis auch in den verwendeten Formulierungen an, etwa in § 15 Nr. 8 der Satzung des 1. FC Nürnberg, der zugleich eine sachliche Präzisierung enthält. Dort heißt es: „Die Mitgliederversammlung entscheidet ferner, soweit die Entscheidung nicht anderen Organen des Vereins übertragen ist und soweit sie nicht die laufende Verwaltung betreffen, über Anträge, die ihr zur Beschlussfassung vorgelegt werden.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Die sachliche Präzisierung – keine Beschlusskompetenz in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung – stimmt die Allgemeinzuständigkeit der Mitgliederversammlung zugleich in kohärenter Weise mit den Vorstandskompetenzen ab. Denn mit § 15 Nr. 8 korrespondiert die Regelung des § 17 Nr. 6 über die Geschäftsführung des Vorstands. Danach gilt:

206 

s. § 11 Nr. 2 a) der Satzung. s. § 12 Abs. 1 der Satzung. 208  s. z. B. folgende Satzungen: Borussia Mönchengladbach (§ 14); VfB Stuttgart (§ 13 Nr. 3); Werder Bremen (§ 13 Nr. 1); HSV (§ 14 Nr. 2). 209  s. z. B. Hannover 96 (§ 11 Nr. 2 f)); Hoffenheim (§ 9 Nr. 4 e)); FC Bayern München (§ 13 Nr. 6); Schalke 04 (§ 6.1 Abs. 3 lit. h); VfL Bochum (§ 15 Nr. 2 lit. g); Fortuna Düsseldorf (§ 11 Abs. 2 lit. i). 207 

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

„Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung den Verein zu leiten und die Geschäfte zu führen. In den Fragen der laufenden Geschäftsführung unterliegt der Vorstand nicht den Weisungen der Mitgliederversammlung […]“.

Aus der Zusammenschau dieser beiden Satzungsregelungen ergibt sich, dass sich die latente Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung zwar nicht auf die Geschäfte der laufenden Verwaltung erstreckt, dass sie aber in allen darüber hinausgegengehenden Angelegenheiten zur Entscheidung befugt bleibt und dem Vorstand insoweit auch Weisungen für seine Geschäftsführung erteilen kann. Denn obgleich diesem die Leitung des Vereins gemäß § 17 Nr. 6 S. 1 der Satzung in Anlehnung an § 76 AktG „in eigener Verantwortung“ – und damit zur weisungsfreien Wahrnehmung – zugewiesen wird, macht der Umkehrschluss aus § 17 Nr. 6 S. 2 i.V.m. § 15 Nr. 8 doch klar, dass dies eben nur für Geschäfte der laufenden Verwaltung gelten soll. dd) Weisungsbefugnisse Ähnlich wie die soeben dargelegte Klausel der Satzung des 1. FC Nürnberg sprechen auch einige andere der untersuchten Satzungen die Befugnis der Mitgliederversammlung aus, dem Vorstand oder anderen Vereinsorganen Weisungen zu erteilen, woraus sich zugleich wieder Rückschlüsse auf den Kompetenzbereich der Mitgliederversammlung ziehen lassen. Dies gilt etwa für die Satzung von Energie Cottbus, deren § 11 Abs. 2 lautet: „Die Mitgliederversammlung kann dem Präsidium und dem Verwaltungsrat Weisung erteilen.“

In der Regelung des § 18 über die Aufgaben des Präsidiums wird zwar ausgeführt, dass dem Präsidium „die grundsätzlich eigenverantwortliche Leitung des Vereins und die Führung seiner Geschäfte“ obliegt (Abs. 1 – Hervorhebung hinzugefügt); außerdem heißt es weiter in Abs. 2, das „Präsidium entscheidet über die ideellen, sportlichen und sonstigen Belange des Vereins […].“ § 18 Abs. 3 der Satzung hält aber auch in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich fest: „Das Präsidium ist an Weisungen der Mitgliederversammlung und des Verwaltungsrats gebunden.“

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die – sachlich nicht beschränkte – Weisungsbefugnis der Mitgliederversammlung sich auf den gesamten Bereich der Geschäftsführung beziehen soll – bis hinein in den Bereich der laufenden Verwaltung. Das Präsidium des FC St. Pauli ist zwar nach § 22 Nr. 1 der Satzung für „alle Angelegenheiten des Vereins eigenverantwortlich zuständig, soweit sie nicht durch diese Satzung einem anderen Vereinsorgan zugewiesen sind“. Zugleich bestimmt aber § 13 Nr. 5 im Zusammenhang mit der Regelung der Kompetenzen der Mitgliederversammlung: „Im Übrigen ist die Mitgliederversammlung auch berechtigt, Aufträge an die Organe des Vereins zu erteilen, die ihr operatives Geschäft betreffen.“

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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Auch dies wird man im Sinne einer allgemeinen Entscheidungs- und Weisungsbefugnis bezogen auf den gesamten Bereich der Geschäftsführung zu verstehen haben. b)  Kompetenzzuweisungen an die Verwaltung aa) Aufsichtsorgan Beispiele für die recht stark variierende Kompetenzausstattung von Organen, die sich in einem weiten Sinn als Aufsichtsorgane zusammenfassen lassen, sind bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der Organstruktur der untersuchten Vereine näher dargelegt worden,210 worauf an dieser Stelle verweisen werden kann. Soweit dem Aufsichtsorgan gelegentlich besondere Funktionen im Zusammenhang mit der Gruppenbildung oder -leitung zugewiesen werden, ist darauf gesondert im Zusammenhang mit den übrigen Klauseln mit Gruppenbezug zurückzukommen.211 bb)  Vorstand; Präsidium Hinsichtlich der Vorstandskompetenzen werden in den untersuchten Satzungen die gleichen Regelungstechniken eingesetzt, wie sie auch für die Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung Verwendung finden. Neben speziellen Kompetenzzuweisungen treten solche mit generalklauselartigem Charakter. (1)  Zuweisungen spezieller Kompetenzen Spezielle Aufgabenzuweisungen finden sich z. B. vielfach hinsichtlich der Vorbereitung und Einberufung der Mitgliederversammlung,212 dem Entwurf eines Finanz- oder Haushaltsplans,213 der Erstellung des Jahresabschlusses,214 manchmal aber auch für wichtige Entscheidungen im sportlichen Bereich wie die Einstellung und Entlassung von Trainern und Übungsleitern,215 oder, bereits etwas allgemeiner, der „Regelung aller Angelegenheiten einer Lizenzabteilung für Fußball“.216 210 

s. o., § 4 C.III.1.c). s. dazu sogleich, § 4 C.I.3. 212  So z. B. die Satzung von Hertha BSC Berlin (§ 19 Nr. 8 a)) ; ebenso Borussia Mönchengladbach (§ 31 Abs. 2 lit. a); Werder Bremen (§ 23 lit. a); Hansa Rostock (§ 26 Abs. 2 Nr. 1). 213  So z. B. die Satzung von Hertha BSC Berlin (§ 19 Nr. 8 lit. b); ebenso Schalke 04 (§ 8. 6. 2); VfB Stuttgart (§ 16 Nr. 4); Werder Bremen (§ 23 lit. b); Hansa Rostock (§ 26 Abs. 2 Nr. 3). 214  So z. B. die Satzung von Hertha BSC Berlin (§ 19 Nr. 8 c); ebenso VfB Stuttgart (§ 16 Nr. 3). 215  So z. B. die Satzungen Borussia Mönchengladbachs (§ 31 Abs. 2 lit. e); Werder Bremens (§ 23 Abs. 2 lit. f); Hansa Rostocks (§ 26 Abs. 2 Nr. 7). 216  So die Satzung Hansa Rostocks (§ 26 Abs. 2 Nr. 8). 211 

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

(2)  Generalklauselartige Kompetenzzuweisungen Neben relativ eng umrissenen Aufgaben und Befugnissen werden dem Vorstand regelmäßig auch generalklauselartig formulierte Kompetenzen für die Leitung des Vereins und die Führung der Geschäfte zugewiesen. Derartige Klauseln existieren in unterschiedlichen Varianten. Ein recht allgemein gehaltenes Beispiel enthält z. B. § 23 Abs. 1 der Satzung von Werder Bremen: „Das Präsidium ist zuständig für die Leitung des Vereins und dessen Verwaltung, soweit nicht die Abteilungen selbst zuständig und verantwortlich sind.“

Ähnlich allgemein formuliert die Satzung der TSG Hoffenheim in § 10 Nr. 3 S. 1: „Der Gesamtvorstand leitet den Verein.“

Die Satzung des FSV Frankfurt formuliert schlicht: „Dem Präsidium obliegt die Geschäftsführung des Vereins.“217

§ 15 Nr. 3 b) der Satzung von Hannover 96 beschreibt die allgemeine Zuständigkeit des Vorstands dagegen etwas detaillierter: „Der Vorstand entscheidet über alle ideellen, sportlichen und sonstigen Belange.“218

Daneben treten Regelungen, die besondere Ausschnitte aus dem Bereich der Geschäftsführung besonders erwähnen und betonen, dass der Vorstand auch für diese zuständig ist. In der Sache geht es dabei um die Materie der Richtlinienkompetenz bzw. der grundlegenden vereinspolitischen Entscheidungen, die andere Satzungen ausdrücklich als Kompetenz der Mitgliederversammlung herausstellen.219 So heißt es in § 13 Nr. 1 der Satzung des FSV Mainz 05: „Der geschäftsführende Vorstand ist berechtigt für: a) die Gesamtleitung des Vereins, b) die Bestimmung der Geschäftspolitik […].“

Gelegentlich finden sich aber auch Satzungsbestimmungen über die Zuständigkeit des Vorstands, die mit umgekehrter Wirkrichtung darauf zielen, dessen Zuständigkeiten zu begrenzen. So heißt es in der Satzung des Drittligisten SG Sonnenhof Großaspach: „Das Präsidium leitet den Verein. Es ist für die Erledigung der Vereinsaufgaben zuständig und grenzt die Geschäftsbereiche seiner Mitglieder durch einen Geschäftsverteilungsplan ab. Das Präsidium erledigt in eigener Zuständigkeit die laufende Geschäftsführung nach diesem Geschäftsverteilungsplan. Zur laufenden Geschäftsführung gehört insbesondere auch die Erfüllung steuerlicher, vertraglicher und sonstiger behördlicher Pflichten, die Pflichten als Arbeitgeber und die Verwaltung des Vereinsvermögens.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

217  Ähnlich z. B. auch § 15 Nr. 5 S. 1 der Satzung des FC Bayern München; § 11. 3. 2. der Satzung des TSV 1860 München; § 18 Nr. 3 S. 1 der Satzung des HSV. 218  Ähnlich z. B. auch § 25 Nr. 1 der Satzung von Union Berlin; § 8.5 der Satzung von Schalke 04; § 15 Nr. 3 c der Satzung von Hannover 96. 219  s. insoweit bereits oben, § 4 C.III.2.a)cc).

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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Dies ist im Zusammenhang mit der bereits wiedergegebenen Zuständigkeitsregelung zugunsten der Mitgliederversammlung zu sehen,220 wonach diese über „alle grundsätzlichen Angelegenheiten vorbehältlich einer anderweitigen Regelung in dieser Satzung entscheidet“. Die „eigene Zuständigkeit“ des Vorstands erstreckt sich daher nicht auf Maßnahmen von grundsätzlicher Bedeutung, die über die laufende Geschäftsführung hinausgehen. Eine ähnliche Abgrenzung findet sich in Bezug auf den weisungsfreien Tätigkeitsbereich des Vorstands auch in der Satzung des 1. FC Nürnberg.221 Auch die Satzung von 1860 München knüpft für die Begrenzung der Zuständigkeit des Vorstands an eine ähnliche Differenzierung an. Nach § 11. 3. 6 Abs. 1 lit. d) i.V.m. Abs. 3 bedarf das Präsidium bei der „Vornahme von Geschäften, die über den Rahmen des üblichen Geschäftsverkehrs hinausgehen […]“

nicht nur der Zustimmung des Verwaltungsrats, sondern auch zusätzlich noch der Zustimmung durch die Mitgliederversammlung, sofern die Vorgänge oder Geschäfte nicht schon aus der von der Mitgliederversammlung genehmigten Jahres-Haushaltsplanung ersichtlich waren. (3)  Zuweisung von Kompetenzen zur „eigenverantwortlichen“ Wahrnehmung Einige Satzungen stellen im Zusammenhang mit den generalklauselartigen Kompetenzzuweisungen an den Vorstand auch heraus, dass diesem Leitung und Geschäftsführung zur „eigenverantwortlichen“ Wahrnehmung zugewiesen sind. Diese Formulierung findet sich nicht nur bei Lizenzvereinen, bei denen sie der Sollvorgabe von Anhang III LO entspricht, sondern auch bei zahlreichen Muttervereinen, bei denen nicht mehr der Verein, sondern die Spielbetriebs-Tochtergesellschaft Lizenznehmerin ist. So lautet § 31 Abs. 1 der Satzung von Borussia Mönchengladbach etwa: „Dem Präsidium obliegt die eigenverantwortliche Leitung des Vereins und die Führung seiner Geschäfte.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

In § 8.5 der Satzung von Schalke 04 heißt es: „Der Vorstand entscheidet eigenverantwortlich über die ideellen, sportlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Belange des Vereins, soweit diese Befugnisse nicht satzungsgemäß anderen Vereinsorganen vorbehalten sind.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Beim SC Freiburg formuliert § 8 Nr. 5 der Satzung: „Der Geschäftsführende Vorstand hat in eigener Verantwortung den Verein so zu leiten, wie es dessen Wohl, die Förderung seiner Mitglieder und die sportlichen Interessen erfordern.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Derartige an § 76 Abs. 1 AktG angelehnte Formulierungen sind jedenfalls im Ausgangspunkt dahin zu verstehen, dass dem Vorstand ein Zuständigkeitsbereich zugewiesen werden soll, den er allein und frei von Weisungen anderer Organe aus220  221 

s. o., § 4 C.III.2.a)cc). s. dazu bereits oben, § 4 C.III.2.a)cc).

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

zufüllen hat.222 Dabei ist allerdings in zweifacher Hinsicht Zurückhaltung geboten. Erstens zeigen die beiden bereits oben im Zusammenhang mit der Regelung von Weisungsrechten der Mitgliederversammlung angeführten Beispiele (FC Energie Cottbus, FC St. Pauli),223 dass Satzungen die Vorstandskompetenzen in Bezug auf die Leitung des Vereins auch als „eigenverantwortlich“ bzw. „grundsätzlich eigenverantwortlich“ beschreiben können, obwohl die Satzung der Mitgliederversammlung zugleich die Befugnis einräumt, dem Vorstand im gesamten Bereich der Geschäftsführung Weisungen zu erteilen. Im Einzelfall kann also die Satzungsauslegung ergeben, dass es trotz der terminologischen Anlehnung an § 76 Abs. 1 AktG nicht gewollt ist, auch dessen sachlichen Bedeutungsgehalt zu übernehmen. Zweitens besteht die Möglichkeit, dass dem Vorstand zwar in der Tat ein (im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG) eigenverantwortlich wahrzunehmendes Aufgabenfeld zugewiesen werden soll, dieses aber nicht den gesamten Bereich der Geschäftsführung abdeckt, sondern z. B. lediglich den Bereich der laufenden Verwaltung. Derartige Differenzierungen innerhalb des Bereichs der Geschäftsführung können in der Satzung ausdrücklich geregelt sein. Dies zeigt das Beispiel des 1. FC Nürnberg, aus dessen Satzung hervorgeht, dass die Zuweisung der Geschäftsführungsaufgabe zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung nur die laufende Verwaltung betrifft, während im Übrigen Entscheidungen der Mitgliederversammlung und damit einhergehende Weisungen möglich bleiben.224 Ein weiteres Beispiel, das allerdings nicht zwischen der laufenden Verwaltung und darüber hinausgehenden Maßnahmen, sondern zwischen bestimmten Sachbereichen differenziert, ergibt sich aus der Satzung des FC Bayern München. Dort heißt es in § 15 Nr. 5 in Bezug auf die Geschäftsführung: „Dem Präsidium obliegt die Geschäftsführung des Clubs. Die Geschäftsführung für den Bereich Fußball (vereinsunmittelbarer und ausgegliederter Bereich) ist ausschließlich Aufgabe des Präsidiums. […].“ (Hervorhebung hinzugefügt)

Die Zuweisung der Geschäftsführung für den Bereich Fußball zur ausschließlichen Wahrnehmung bedeutet sachlich nichts anderes als die Zuweisung zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung. Zugleich ergibt sich im Umkehrschluss daraus, dass nur der Bereich Fußball in die ausschließliche Kompetenz des Präsidiums überwiesen wird, dass Entscheidungen der Mitgliederversammlung über Geschäftsführungsangelegenheiten im Übrigen möglich bleiben sollen.225 Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass auch die Zuweisung der Geschäftsführungsaufgabe für den Bereich Fußball als ausschließliche Kompetenz des Präsidiums an anderer Stelle der Satzung wieder eingeschränkt wird, soweit es um die 222  s. zu § 76 Abs. 1 AktG und dessen Bedeutung im Rahmen der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft noch näher unten, § 5 D.I.2. 223  s. o., § 4 C.III.2.a)dd). 224  Dieses Beispiel wurde bereits im Zusammenhang mit den Kompetenzen der Mitgliederversammlung behandelt, s.o. § 4 C.III.2.a)cc). 225 Auch die unmittelbar die Mitgliederversammlung betreffenden Satzungsklauseln beschränken die Entscheidungskompetenzen der Mitgliederversammlung insoweit nicht.

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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Veräußerung von Anteilen an der Spielbetriebsgesellschaft geht und dafür die Zustimmung der Mitgliederversammlung angeordnet wird (dazu noch sogleich näher unter 3.). Letzteres, d.h. die Durchbrechung grundsätzlich eigenverantwortlicher Geschäftsführungskompetenzen bei Maßnahmen der Gruppenbildung oder -leitung, ist eine Regelungstechnik, die bei einer Vielzahl der untersuchten Satzungen zum Einsatz gelangt.226 So formuliert § 21.1 der Satzung des 1. FC Köln etwa: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung gemeinschaftlich die Geschäfte des Vereins zu führen und unterliegt in Angelegenheiten, die direkt oder indirekt die Rechte des Vereins hinsichtlich seiner Beteiligungsgesellschaften betreffen, keinen Weisungen anderer Organe des Vereins. Die Rechte des Gemeinsamen Ausschusses bleiben unberührt.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Dem gemeinsamen Ausschuss kommen dann wiederum umfassende Zustimmungsrechte bei der Gruppenleitung zu (§ 25.4 der Satzung).227 Nicht immer gehen Beschränkungen der eigenverantwortlichen Leitungsmacht des Vorstands so deutlich aus der Satzung hervor, wie dies in den vorstehend beschriebenen Beispielen der Fall ist. Manchmal ergeben sich derartige Beschränkungen auch erst in der Zusammenschau mehrerer zuständigkeitsrelevanter Regelungen im Rahmen der systematischen Auslegung der Satzung. Anhaltspunkte dafür bestehen z. B. bei Vereinen, die zwar einerseits dem Vorstand die Geschäftsführung zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zuweisen, die zugleich aber der Mitgliederversammlung ausdrücklich die Entscheidung über „die grundlegenden Aufgaben und Ziele des Vereins, seine Organisation und die allgemeinen Richtlinien der Vereinsarbeit“ vorbehalten, wie dies z. B. beim Karlsruher Sport-Club der Fall ist.228 Dies spricht dafür, dass der Vorstand über Geschäftsführungsmaßnahmen, die diese Sphäre betreffen, gerade nicht aus eigener Verantwortung entscheiden kann. Bestärkt wird dieses Verständnis der Satzung im Falles des KSC noch dadurch, dass die dem Vorstand zugewiesene Allgemeinzuständigkeit subsidiär ausgestaltet ist und nur Vereinsaufgaben erfasst, deren Erledigung „satzungsgemäß nicht anderen Vereinsorganen vorbehalten ist“.229 Aber auch ohne einen derartigen Zusatz dürfte die Satzungsauslegung zum gleichen Ergebnis führen, weil die Kompetenzzuweisung zugunsten der Mitgliederversammlung insoweit spezieller ist. c)  Satzungsgestaltungen ohne klare Regelung der Kompetenzverteilung Auch wenn die untersuchten Satzungen – wie vorstehend dargestellt – vielfach recht detaillierte Vorschriften hinsichtlich der Kompetenzverteilung enthalten, soll dies keinesfalls den Eindruck erwecken, dass stets eine lückenlose oder kohä226 

s. auch dazu noch sogleich, § 4 C.III.3. s. insoweit auch noch unten, § 4 C.III.3.e). 228  s. § 12 Nr. 1 der Satzung des KSC (s. zum Wortlaut bereits oben, § 4 C. III.2.a)cc).); ähnlich z. B. auch § 9 Abs. 2 der Satzung des SC Paderborn. 229  s. § 18 Nr. 1 der Satzung des KSC; ähnlich § 14 Abs. 1 der Satzung des SC Paderborn. 227 

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

rente Regelung der Zuständigkeitsordnung vorzufinden ist, die einen Rückgriff auf die gesetzliche Ausgangslage und deren genaues Verständnis entbehrlich machen würde. Das betrifft z. B. Satzungen wie die von Borussia Dortmund, die zwar (zumindest mittelbar) einige spezielle Kompetenzen von Mitgliederversammlung und Vorstand normiert, die aber keine allgemeinen, generalklauselartig formulierten Zuständigkeitszuweisungen einsetzt, so dass die genaue Zuständigkeitsverteilung für viele Entscheidungen der Satzung nicht unmittelbar entnommen werden kann. Auch beim Vorhandensein derartiger allgemeiner Klauseln können Zuständigkeitsfragen aber offen bleiben, z. B. wenn Satzungen generalklauselartige Zuständigkeitszuweisungen zugunsten mehrerer Organe einsetzen, ohne die Zuständigkeitsbereiche trennscharf gegeneinander abzugrenzen.230 Dies gilt etwa für den Fall, dass – wie z. B. in der Satzung des FC Erzgebirge Aue – Mitgliederversammlung und Vorstand subsidiäre allgemeine Entscheidungskompetenzen zugewiesen werden („soweit nicht anderen Organen übertragen“).231 Genauso problematisch wie überlappende subsidiäre Allgemeinzuständigkeiten sind natürlich auch überlappende Allgemeinzuständigkeiten, von denen keine für subsidiär erklärt wird.232 3.  Satzungsklauseln mit Konzern- bzw.  Gruppenbezug Bei einer Reihe von Vereinen aus den höchsten deutschen Fußballspielklassen schlägt sich schon in der Satzung nieder, dass es sich es sich um einen Verein mit Konzern- bzw. Gruppenbezügen handelt. Es gibt allerdings nach wie vor eine auch Vereine, die ihre Lizenzspielerabteilung bereits auf eine Tochtergesellschaft ausgegliedert haben oder die sonst über Beteiligungsgesellschaften verfügen, deren Satzung aber keinen Hinweis darauf enthält, dass es sich um einen Verein in einer Gruppenstruktur handelt.233 Umgekehrt bereiten sich einige Vereine, die ihre Lizenzspielerabteilung noch nicht ausgegliedert haben, bereits auf diese Möglichkeit vor.234 a)  Allgemeine „Konzernöffnungsklauseln“ Viele der untersuchten Satzungen enthalten Klauseln, die bereits Zusammenhang mit der Darstellung von Zweck und Aufgaben des Vereins festhalten, dass der 230 

Vgl. insoweit z. B. auch die Satzungen von Darmstadt 98, SC Paderborn, Hoffenheim und Werder Bremen (s. zu Bremen auch noch eingehender unten, § 4 C. III.3.g)). 231  Vgl. § 12 Abs. 1 – die Mitgliederversammlung entscheidet über zur Beschlussfassung vorgelegte Anträge, soweit die Zuständigkeit nicht anderen Organen übertragen ist; § 17 Abs. 3: der Vorstand führt die Geschäfte und Rechtsgeschäfte des Vereins, soweit sie nicht durch diese Satzung einem anderen Vereinsorgan zugewiesen sind. 232  Vgl. insoweit noch zur Satzung Werder Bremens unten § 4 C.III.3.g). 233  Dies gilt etwa für die Satzungen der TSG Hoffenheim und von Hannover 96 und abgesehen von einer in § 15 Nr. 2 der Satzung behandelten Randfrage auch für den VfB Stuttgart. 234  Dies gilt z. B. für den 1. FC Kaiserslautern oder den SC Freiburg.

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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Verein auch Gesellschaften gründen oder sich an Gesellschaften beteiligen kann. Der Sache nach handelt es sich um Regelungen, wie sie als sogenannte „Konzern-“ bzw. „Konzernöffnungsklauseln“ in den Statuten vieler Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mbH standardmäßig enthalten sind. So lautet die § 2.5 der Satzung des 1. FC Köln beispielsweise: „Der Verein kann Gesellschaften gründen oder sich an Gesellschaften beteiligen, falls dies die Gemeinnützigkeit des Vereins nicht gefährdet.“

Ähnlich heißt es in § 2 Abs. 5 S. 1 der Satzung von Borussia Mönchengladbach:235 „Der Verein hat das Recht, Gesellschaften (auch erwerbswirtschaftlicher Art) zu gründen oder sich an solchen Gesellschaften zu beteiligen.“

Etwas enger begrenzt wird der Spielraum für Beteiligungen z. B. durch § 2 Abs. 2 der Satzung von Schalke 04:236 „Der Verein kann zur Sicherstellung des Spielbetriebes Sportstätten erwerben und betreiben oder sich an Gesellschaften beteiligen, deren Zweck auf den Erwerb, die Errichtung oder den Betrieb von Veranstaltungsstätten gerichtet ist.“

Gelegentlich wird auch bereits im Rahmen der Konzernöffnungsklausel geregelt, wer für die Entscheidung über die Gruppenbildung auf der Ebene des Vereins zuständig ist. So heißt es in der Satzung von Arminia Bielefeld in § 18 („Tochtergesellschaften“) unter 18.2 S. 1: „Die Einrichtung von Tochtergesellschaften bedarf der Zustimmung der Mitgliederversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen […].“

Derartige Zuständigkeitsregelungen schon im Zusammenhang mit einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel sind aber eher die Ausnahme. Etwas häufiger wird der Aspekt der Zuständigkeit allerdings bei einem Sonderfall der Konzernöffnungsklausel angesprochen. Dabei handelt es sich um die sogleich näher darzustellenden „Ausgliederungsklauseln“, die sich spezifisch auf die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung beziehen. Im Übrigen werden Zuständigkeitsregelungen in Bezug auf Gruppenbildungsmaßnahmen häufig nicht vorab, sondern unmittelbar im Zusammenhang mit der Kompetenzausstattung einzelner Organe normiert. Bei Fehlen allgemeiner Konzernöffnungs- oder spezieller Ausgliederungsklauseln sind derartige Zuständigkeitsregelungen gelegentlich auch der einzige Hinweis der Satzung darauf, dass die Gründung von oder die Beteiligung an Gesellschaften von der Satzung als zulässig angesehen werden.237 235 

Ganz ähnlich z. B. auch noch § 18.1 der Satzung von Arminia Bielefeld. gleichlautend § 2.2 Abs. 2 der Satzung des FC Augsburg; ähnlich auch § 2 Abs. 7 der Satzung von Borussia Mönchengladbach. 237  Vgl. z. B. § 14 Nr. 2 lit. i) der Satzung des HSV, der die Mitgliederversammlung u.a. für zuständig erklärt für die „Beschlussfassung über erhebliche Änderungen der Vereinsorganisation sowie die Gründung von oder die Beteiligung an Gesellschaften, gleichfalls die Kündigung/Aufgabe von Gesellschaften/Beteiligungen, soweit es sich um Vorgänge von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite handelt […].“ 236  Nahezu

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

b)  Spezifische Ausgliederungsklauseln aa)  Zulässigkeit der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung Teils neben, teils statt der allgemeinen Konzernöffnungsklauseln enthalten viele Satzungen spezielle Klauseln, die sich spezifisch auf die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung beziehen. So heißt es in § 3 Abs. 7 der Satzung des VfL Bochum: „Der Verein ist berechtigt, durch Gründung einer Kapitalgesellschaft den Lizenzspielerbetrieb unter Beachtung der Richtlinien, Ordnungen und Satzungen des deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) und des Ligaverbandes auszugliedern.“

Ähnlich, aber etwas allgemeiner formuliert § 2 Nr. 4 der Satzung des FC Ingolstadt: „Der Verein kann einzelne Tätigkeitsbereiche oder Abteilungen ausgliedern und in rechtlich selbständigen juristischen Personen betreiben.“

Vergleichbare Ausgliederungsklauseln enthalten z. B. auch die Satzungen des SC Freiburg238 oder Borussia Dortmunds.239 Gelegentlich nehmen Ausgliederungsklauseln auch bloß auf einen bereits erfolgten Ausgliederungsvorgang Bezug und stellen damit zugleich dessen Zulässigkeit klar. So lautet etwa § 3.3 der Satzung des 1. FC Köln: „Der Verein hat die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe einschließlich des Lizenzspielerbereichs in Beteiligungsgesellschaften ausgegliedert.“

Ähnliche Klauseln, die z.T. auch gar nicht mehr den Ausgliederungsvorgang, sondern nur das Ergebnis festhalten, enthalten z. B. auch die Satzungen des HSV (§ 6 Nr. 1, 3), von Borussia Mönchengladbach (§ 2 Abs. 6) oder von Bayern München. § 3 Nr. 3 von dessen Satzung lautet z. B.: „Der Club ist Mehrheitsaktionär der FC BAYERN MÜNCHEN AG.“

Schließlich sind auch Satzungen zu verzeichnen, die die Zulässigkeit der Ausgliederung von Vereinsaktivitäten nicht ausdrücklich aussprechen, die aber spezifische, die Ausgliederungsentscheidung oder den Umgang mit ausgegliederten Bereichen betreffende Regelungen enthalten, so dass die Zulässigkeit des Betriebs der Lizenzspielerabteilung durch eine Tochtergesellschaft auf diese Weise mittelbar klargestellt wird.240 bb)  Vorgaben hinsichtlich der Rechtsform der Zielgesellschaft Über die Zulassung der Ausgliederung als solcher nehmen derartige Regelungen häufig noch eine Reihe weiterer Vorgaben auf. So finden etwa gelegentlich 238 

s. § 2 Nr. 8 der Satzung. s. § 2 Abs. 9 der Satzung. 240  s. z. B. § 8 der Satzung von Eintracht Frankfurt über die „Grenzen der Ausgliederung“; § 10 Nr. 2 lit. e) der Satzung von Mainz 05. 239 

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

193

noch Bestimmungen über die Rechtsform des Zielrechtsträgers, beispielsweise in § 3 Nr. 6 der Satzung von Werder Bremen: „Auf der Grundlage der geltenden Satzung und Ordnungen des DFB, der DFL und anderer Sportverbände darf der gesamte steuerpflichte wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Vereins in eine Kapitalgesellschaft (Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Komplementär-GmbH (GmbH & Co. KGaA)) ausgegliedert werden.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Fast wortgleich formuliert dies § 2 Abs. 9 der Satzung von Borussia Dortmund. Dagegen erlaubt § 2 Abs. 6 der Satzung des 1. FC Kaiserslautern lediglich die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung „in eine Tochtergesellschaft ‚1. FC Kaiserslautern Fußball Aktiengesellschaft‘“ (Hervorhebung hinzugefügt). cc)  Beschränkung auf Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz Eine Konkretisierung der Ausgliederungsmodalitäten regelt § 3 Nr. 3 der Satzung von Eintracht Braunschweig. Danach muss eine etwaige Ausgliederung „nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes“ erfolgen. Darin liegt zugleich eine kompetenzielle Vorgabe, weil die Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz zwingend einen mit einer ¾-Mehrheit zu fassenden Beschluss der Mitgliederversammlung erfordert.241 dd)  Kompetenzielle Vorgaben für die Ausgliederungsentscheidung Auch sonst finden sich kompetenzielle Vorgaben für die Entscheidung über die Ausgliederung schon unmittelbar in der Ausgliederungsklausel, zumeist unter gleichzeitiger Anordnung eines qualifizierten Mehrheitserfordernisses. So fordert die in § 2 Nr. 8 der Satzung des SC Freiburg enthaltene Ausgliederungsklausel einen Beschluss der Mitgliederversammlung mit einer ¾-Mehrheit. § 2 Abs. 5 der Satzung von Fortuna Düsseldorf sowie § 3 Nr. 3 der Satzung des Karlsruher Sportvereins schreiben für die Ausgliederung einen mit ⅔-Merhheit zu fassenden Beschluss der Mitgliederversammlung vor.242 Die gleiche Mehrheit fordert auch § 18.2 der Satzung von Arminia Bielefeld, wobei dieses Mehrheitserfordernis – wie bereits dargelegt243 – ganz allgemein für die „Einrichtung von Tochtergesellschaften“ gilt. ee)  Vorgaben für die Beteiligungshöhe am Zielrechtsträger Vielfach enthält die Ausgliederungsklausel auch eine Bezugnahme auf die verbandsrechtlichen Vorgaben, insbesondere die „50+1-Regel“. Das geschieht teils in Form von Verweisen auf die relevanten Statuten.244 Teils wird daneben oder statt 241  s. zu den durch das UmwG eröffneten Möglichkeiten bereits oben, § 4 B.I.1.; s. zu den kompetenziellen Vorgaben des Umwandlungsgesetzes zudem § 7 A.III.1.b). 242  Ebenso z. B. § 8 der Satzung von Eintracht Frankfurt. 243  s. o., § 4 C.III.3.a). 244  s. z. B. die von § 3 Abs. 7 der Satzung des VfL Bochum gewählte Formulierung (wiedergegeben oben, § 4 C.III.3.b)aa)).

194

§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

eines solchen Verweises aber auch der konkrete Regelungsgehalt der „50+1-Regel“ in die Ausgliederungsklausel aufgenommen wird. So heißt es etwa in § 3 Nr. 3 der Satzung des Karlsruher Sportvereins: „Eine Ausgliederung […] darf nur dann erfolgen, wenn der Verein mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligt ist. Von einer mehrheitlichen Beteiligung ist dann zu sprechen, wenn der Verein über 50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt.“

§ 6 Nr. 1 der Satzung des HSV hält fest:245 „Der Verein ist Aktionär der HSV Fußball AG (vormals HSV Sport AG). Sein Anteil darf eine Beteiligung in Höhe der Hälfte aller Aktien zzgl. einer Aktie nicht unterschreiten.“

Die Satzung des TSV 1860 München orientiert sich in § 3.2 an den Vorgaben der „50+1-Regel“ im Hinblick auf die Rechtsform der GmbH & Co. KGaA und beschränkt sich auf Vorgaben für den Anteilsbesitz an der Komplementär-GmbH:246 „Der Verein ist Kommanditaktionär der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA sowie alleiniger Gesellschafter der TSV München von 1860 Geschäftsführungs- GmbH, der Komplementärin der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA. Sein Geschäftsanteil an der Komplementärin der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA muss 100 % des Stammkapitals und der Stimmrechte ausmachen.“

§ 18.3 der Satzung Arminia Bielefelds schreibt die „50+1-Regel“ nicht nur für die Spielbetriebsgesellschaft, sondern für sämtliche Tochtergesellschaften fest und fordert darüber hinaus auch die Mehrheit im Kontrollorgan:247 „Der Verein muss an jeder Tochtergesellschaft mehrheitlich beteiligt sein, d.h. in der Haupt- oder Gesellschafterversammlung über 50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils sowie über die Mehrheit in dessen Kontrollorgan verfügen […].“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Die Aufnahme derartiger konkreter Regelungen anstatt einer Verweisung auf verbandsrechtliche Vorgaben hat selbständige Bedeutung, soweit sie über die „50+1-Regel“ hinausgehen, im Übrigen dann, wenn es bei der „50+1-Regel“ zu Änderungen kommt, wie die dies zuletzt in der Folge der Klage von Hannover 96 der Fall gewesen ist.248 In diesem Fall wird der vorherige Rechtszustand in der Satzungsregelung konserviert. Enthält die Satzung dagegen lediglich eine (dynamische)249 Verweisung auf die verbandsrechtlichen Vorgaben, hat dies zur Folge, dass sich der betreffende Verein die erweiterte Ausnahmeregelung zur „50+1-Regelung“ unmittelbar zunutze machen kann, wenn er die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. 245 

Ganz ähnlich formuliert auch § 3 Nr. 3 der Satzung des FC Bayern München. s. dazu oben, § 4 B.I.3.a)bb). 247  s. ebenso § 8 der Satzung von Eintracht Frankfurt. 248  Aufgabe der Stichtagsregelung für Ausnahmen nach der „lex Leverkusen“ und damit Öffnung für weitere Anwendungsfälle, s.o., § 4 B.I.3.a)dd). 249  Mit einer statischen Verweisung kann dagegen der gleiche Effekt erzielt werden wie mit einer ausdrücklichen Übernahme von Regelungsgehalten der „50+1-Regel“ (d.h. die Konservierung der zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Anforderungen); ob eine statische oder eine dynamische Verweisung vorliegt, ist Frage der Auslegung im Einzelfall. 246 

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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c)  (Weitere) Kompetenzzuweisungen im Zusammenhang mit der Gruppenbildung Soweit die Satzung regelt, dass der Verein Gesellschaften gründen oder Beteiligungen an Gesellschaften erwerben kann bzw. dass der Verein einzelne Abteilungen auf solche Gesellschaften ausgliedern kann, ist damit noch nicht gesagt, welche Instanz innerhalb des Vereins dazu befugt ist, die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. Insoweit enthalten die untersuchten Satzungen häufig noch zusätzliche Regelungen, die – wie dargelegt – teilweise bereits in den spezifischen Ausgliederungsklauseln bzw. in einem Fall auch in der allgemeinen Konzernöffnungsklausel enthalten sind. Andere Satzungen sprechen dieselbe Zuständigkeitsfrage im Zusammenhang mit der Regelung der Kompetenzausstattung einzelner Organe an. aa)  Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung Z.T. begründen auch diese weiteren Regelungen Entscheidungszuständigkeiten zugunsten der Mitgliederversammlung, und zwar insbesondere hinsichtlich der Ausgliederungsentscheidung. Nach § 10 Nr. 2 lit. e) der Satzung von Mainz 05 ist die Mitgliederversammlung zuständig für: „[…] Die Beschlussfassung über die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung und wesentliche Veränderungen der Vereinsstruktur. Ein Beschuss zur Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung (Vereinsabspaltung) bedarf einer 3/4 Mehrheit der anwesenden Mitglieder.“

Bei Union Berlin ist die Mitgliederversammlung nach § 12 Nr. 3 lit. g zuständig für die: „Gründung von oder Beteiligung an Kapital- und Personengesellschaften zur Ausgliederung von Vereinsabteilungen.“

In § 14 Nr. 2 lit. i) der Satzung des HSV heißt es, dass die Mitgliederversammlung zuständig ist für die: „Beschlussfassung über erhebliche Veränderungen der Vereinsorganisation sowie die Gründung von oder die Beteiligung an Gesellschaften, gleichfalls die Kündigung/Aufgabe von Gesellschaften/Beteiligungen, soweit es sich um Vorgänge von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite handelt […].“

bb)  Kompetenzzuweisungen zugunsten des Vorstands Gelegentlich finden sich aber auch ausdrückliche Kompetenzzuweisungen zugunsten des Vorstands. So lautet § 15 Nr. 4 der Satzung des FSV Frankfurt etwa: „Dem Präsidium obliegt die Geschäftsführung des Vereins. […] Es ist weiter befugt, alle für die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung und weiterer Mannschaften notwendigen Beschlüsse zu fassen, soweit gesetzliche Regelungen nicht zwingend eine Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung vorsehen.“

Eine vergleichbare Regelung enthält § 3 Nr. 1 der Satzung von Jahn Regensburg:

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

„Der Vorstand ist auf Beschluss der Mitgliederversammlung über die Ausgliederung ermächtigt, die Entscheidung zu treffen und durchzuführen, dass sich der Verein (sog. „Mutterverein“) an einer Kapitalgesellschaft […] beteiligt, auf die Teile der jeweiligen Sportabteilung, der Fußballabteilung, wie insbesondere die Lizenzspielerabteilung (Profiabteilung), oder die ganze oder Teile der Jugendabteilung ausgegliedert werden. Der Vorstand ist ermächtigt, alle notwendigen Maßnahmen und Entscheidungen zu treffen, die zur Umsetzung und Durchführung notwendig und angemessen sind, um die Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft vorzunehmen und durchzuführen. Hierzu gehören ausdrücklich auch die Gründung einer eigenen Kapitalgesellschaft oder die Beteiligung des Vereins an anderen Kapitalgesellschaften.“

cc)  Kumulative Mitwirkungserfordernisse mehrerer Organe Gelegentlich ist schließlich auch die Mitwirkung mehrerer Organe erforderlich. So hat nach § 11. 3. 6 Abs. 1 lit. b) der Satzung des TSV 1860 München das Präsidium die zunächst die vorherige Zustimmung des Verwaltungsrats einzuholen bei: „Erwerb und Gründung von Gesellschaften; Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen an Gesellschaften sowie Änderungen der Beteiligungsquote und Teilnahme an Kapitalerhöhungen gegen Einlagen an Gesellschaften; Beschlussfassung in Anteilseignerversammlungen der Gesellschaften über Satzungsänderungen; […].“

Nach der Zustimmung des Verwaltungsrats ist bei den genannten Vorgängen nach § 11. 3. 6 Abs. 3 aber noch zusätzlich die Zustimmung der Mitgliederversammlung erforderlich, wenn die Vorgänge oder Geschäfte nicht schon aus der von der Mitgliederversammlung genehmigten Jahres-Haushaltsplanung ersichtlich waren oder sie von der Mitgliederversammlung bereits im Vorhinein beschlossen wurden. d)  Verfügungen über Gesellschaftsanteile (insbesondere an der Spielbetriebsgesellschaft) und Maßnahmen gleicher Wirkung Einen weiteren Regelungsschwerpunkt der Klauseln mit Gruppenbezug bildet der Sachbereich der Verfügungen über Anteile an Tochtergesellschaften sowie sonstiger Maßnahmen, die sich auf die Beteiligungshöhe auswirken können. Anlass für eine intensivere Regelungsdichte geben auch hier in erster Linie die ausgegliederten Lizenzspielerabteilungen. Neben den bereits geschilderten Klauseln, die die „50+1-Regelung“ oder noch weitergehende Vorgaben für die Beteiligungshöhe in der Satzung festschreiben,250 treten vielfach Klauseln, die sicherstellen sollen, dass die Beteiligungsquote an der Spielbetriebsgesellschaft, auch soweit sie nicht in der Satzung festgeschrieben ist, generell oder zumindest im Hinblick auf bestimmte Schwellenwerte nicht ohne Beteiligung der Mitgliederversammlung geändert werden darf.

250 

Vgl. bereits oben, § 4 C. III.3.b)ee).

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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aa)  Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung Teilweise wird die Zustimmung der Mitgliederversammlung bei jeder Veräußerung von Anteilen vorgeschrieben. Dies gilt z. B. für Borussia Mönchengladbach, wo sämtliche Anteilsveräußerungen an der Spielbetriebs-GmbH der Zustimmung der Mitgliederversammlung mit einer ⅔-Mehrheit bedürfen.251 Bei den Spielbetriebsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KGaA wird der Einfluss der Mitgliederversammlung z.T. nur hinsichtlich der Anteile an der Komplementär-GmbH festgeschrieben. Insoweit verlangt z. B. § 17a Abs. 1 der Satzung Borussia Dortmunds für jede Verfügung über Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH einen Zustimmungsbeschluss der Mitgliederversammlung mit ¾-Merheit.252 Auch § 11 Nr. 2 lit. j) der Satzung von Hertha BSC sieht die Zustimmung der Mitgliederversammlung für jede Veräußerung von Anteilen an der Komplementär-GmbH der Spielbetriebs-KGaA vor, ohne dafür allerdings eine qualifizierte Mehrheit anzuordnen. Eine abweichende Regelung trifft § 13 Nr. 1 lit. h) der Satzung Werder Bremens. Danach ist die Mitgliederversammlung zuständig für die „Beschlussfassung mit satzungsändernder Mehrheit über die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, die zum Verlust der Anteilsmehrheit des Vereins führen.“

Diese Klausel wird man sowohl auf die Anteile an der Komplementär-GmbH als auch die Kommanditaktien der Spielbetriebs-KGaA zu beziehen haben. Hinsichtlich der Kommanditaktien geht sie also weiter als die Satzungen von Hertha BSC und Borussia Dortmund, die insoweit keine Mitwirkungszuständigkeit anordnen; hinsichtlich der Anteile an der Komplementär-GmbH bleibt sie dagegen dahinter zurück, weil erst die Berührung der Mehrheitsschwelle zuständigkeitsbegründend wirkt. Eine mehrfach abgestufte Regelung enthält die Satzung des 1. FC Köln. Diese begründet in § 21.3 zunächst Zustimmungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung, die je nach berührter Beteiligungsschwelle unterschiedliche Mehrheiten erfordern: „Der Vorstand bedarf im Innenverhältnis der Zustimmung der Mitgliederversammlung a mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen bei einer Maßnahme, die dazu führen würde, dass Dritte insgesamt mehr als 25 Prozent der Anteile an der 1. FC Köln Verwaltungs GmbH oder der 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA hielten; b mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bei einer Maßnahme, die dazu führen würde, dass Dritte insgesamt mindestens 50 Prozent der Anteile an der 1. FC Köln Verwaltungs GmbH oder der 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA hielten.“ (Hervorhebung hinzugefügt). 251 

s. § 2 Abs. 6 der Satzung. Zustimmungserfordernis ist dabei sogar als Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands im Sinne des § 26 Abs. 1 S. 3 BGB ausgestaltet: s. noch sogleich, § 4 C.III.3.f). 252 Das

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

Dieses Zustimmungserfordernis zugunsten der Mitgliederversammlung ergänzt § 25.4 lit. k) noch um ein Zustimmungserfordernis zugunsten des Gemeinsamen Ausschusses, eines besonderen Organs, dem Mitwirkungsbefugnisse in Bezug auf die Spielbetriebs-GmbH & Co. KGaA zugewiesen werden. Danach bedarf der Vorstand der Zustimmung des Gemeinsamen Ausschusses für alle „Maßnahmen, die dazu führen, dass ein Dritter Anteile an der 1. FC Köln Verwaltungs GmbH oder der 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA hält oder seine Beteiligung erhöht.“

Völlig frei ist der Vorstand also bei keiner Maßnahme, die zu einer Beteiligung Dritter an der Spielbetriebsgesellschaft oder deren Komplementärin führt oder die eine solche Beteiligung erhöht. Auch hinsichtlich der Spielbetriebsgesellschaften in der Rechtsform der AG finden sich ganz unterschiedliche Regelungen. Die Satzung des 1. FC Kaiserslautern schreibt bereits jetzt – vor erfolgter Ausgliederung – vor, dass jede Verfügung über Aktien einer künftigen Spielbetriebs-AG der Zustimmung der Mitgliederversammlung mit einer Mehrheit von ⅔ der abgegebenen Stimmen bedarf.253 Beim FC Bayern München besteht ein qualifiziertes Zustimmungserfordernis zugunsten der Mitgliederversammlung, soweit eine Maßnahme des Vorstands in der Hauptversammlung der Spielbetriebs-AG die Beteiligungsschwelle von 70 % berührt;254 darüber hinaus bedürfen auch Maßnahmen, die zur Entstehung qualifizierter Minderheitsbeteiligungen führen, ihrer Zustimmung: „Für die Zustimmung zu einer Kapitalerhöhung bei der FC Bayern München AG oder für Entscheidungen, durch die ein Gesellschafter der FC Bayern München AG allein oder zusammen mit einem Unternehmen des gleichen Konzerns eine Beteiligung von mehr als 20 % des Kapitals oder Stimmrechte von mehr als 20 % erhält oder durch die die Anteile oder Stimmrechte des FC Bayern München e.V. unter die Grenze von 70 % sinken, bedürfen die Vertreter des FC Bayern München e.V. in der Hauptversammlung der FC Bayern München AG der Zustimmung der Mehrheit der Präsidiumsmitglieder und einer Dreiviertelmehrheit der Mitgliederversammlung.“

Soweit die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung danach nicht ausgelöst ist, bedarf das Präsidium aber stets noch der Zustimmung des Verwaltungsbeirats für alle Maßnahmen, die sich wie Verfügungen über Anteile an der Spielbetriebs-AG oder Kapitalerhöhungen auf die Stimmrechte des Muttervereins auswirken können.255 Eine differenzierte Zuständigkeitsregelung für die Veräußerung von Beteiligungen enthält § 14 Nr. 2 lit. h) der Satzung des Hamburger Sportvereins. Danach ist die Mitgliederversammlung zunächst zuständig für die „Zustimmung zu Entscheidungen, durch die ein Gesellschafter der HSV Fußball AG allein oder mit einem anderen Unternehmen eine Beteiligung von 25 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte erhält oder durch die die Anteile oder Stimmrechte des 253 

s. § 2 Abs. 6 u. 8 der Satzung. s. § 12 Nr. 1 der Satzung des FC Bayern München. 255  s. § 17 Nr. 6 der Satzung. 254 

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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HSV e.V. auf einen Anteil von 75 % oder darunter sinken, ebenso für die Beschlussfassung über eine entsprechende Kapitalerhöhung […].“

Neben dieser Klausel, die neben dem Schutz der satzungsändernden Mehrheit an der Spielbetriebsgesellschaft auch (und unabhängig davon) Maßnahmen im Auge hat, die zur Entstehung einer Sperrminorität in Bezug auf diese Spielbetriebsgesellschaft führen, ist die Mitgliederversammlung des HSV nach § 14 Nr. 2 lit. i) aber auch zuständig für die „Beschlussfassung über erhebliche Veränderungen der Vereinsorganisation sowie die Gründung von oder die Beteiligung an Gesellschaften, gleichfalls die Kündigung/Aufgabe von Gesellschaften/Beteiligungen, soweit es sich um Vorgänge von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite handelt.“

Die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung ist also nicht auf Veränderungen der Anteilsquote an der Spielbetriebsgesellschaft beschränkt, sondern erstreckt sich unter den dargelegten Voraussetzungen auch auf Beteiligungen an anderen Gesellschaften. Zugleich lassen sich aus dieser zweiten Regelung auch zusätzliche Mitwirkungsbefugnisse in Bezug auf Veränderungen der Anteilsquote an der Spielbetriebsgesellschaft ableiten, etwa wenn diese durch die betreffende Maßnahme unter die 50 %-Schwelle sinken würde. Beide Klauseln setzen nach § 17 Nr. 5 der Satzung einen qualifizierten Beschluss der Mitgliederversammlung voraus. bb)  Kompetenzzuweisungen zugunsten der Verwaltung Die Satzung von Hertha BSC weist dem Präsidium die Zuständigkeit für die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Vereins (§ 19 Nr. 8 d)) zu und regelt in § 17 Nr. 3 lit. d) zudem, dass es bei der Beschlussfassung im „Rahmen der Ausübung der Beteiligungsrechte des Vereins an seinen Tochtergesellschaften“ der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf für: „d) Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA oder deren Rechtsnachfolger.“

Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Zustimmung der Mitgliederversammlung lediglich für Veräußerungen von Anteilen an der Komplementär-GmbH der Spielbetriebs-KGaA ausdrücklich vorgesehen ist (§ 11 Nr. 2 lit. k), spricht dies in der Zusammenschau dafür, dass der Mitgliederversammlung in Bezug auf die Veräußerung von Kommanditaktien grundsätzlich keine Mitwirkungsbefugnisse zukommen sollen. Auch aus den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen lässt sich nichts anderes ableiten. Denn die Mitgliederversammlung ist nach § 11 Nr. 2 lit. a) für die „Beschlussfassung über alle Angelegenheiten des Vereins“ nur zuständig, soweit nicht ein anderes Organ zuständig ist. Als eine derartige anderweitige Zuständigkeitszuweisung wird man § 19 Nr. 8 d) i.V.m. § 17 Nr. 3 lit. d) aber zu verstehen haben, die das Präsidium nach § 19 Nr. 7 der Satzung zudem eigenverantwortlich wahrzunehmen hat.

200

§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

e)  Maßnahmen der Gruppenleitung Neben Verfügungen über Gesellschaftsanteile und sonstigen Maßnahmen, die sich auf die Beteiligungshöhe auswirken können, befasst sich eine Reihe der untersuchten Satzungen auch ausdrücklich mit der Kompetenzverteilung hinsichtlich weiterer Maßnahmen, die im weitesten Sinne der Beteiligungsverwaltung bzw. der „Gruppenleitung“ zugerechnet werden können. aa) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung So weist eine Reihe von Satzungen der Mitgliederversammlung Kompetenzen in Bezug auf Gruppenleitungsmaßnahmen zu. (1)  Umfassende Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung Klauseln, die umfassende Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung bei Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung festschreiben, sind eher selten, kommen aber gelegentlich vor. So obliegt der Mitgliederversammlung von Eintracht Braunschweig, bei der die Lizenzspielerabteilung auf eine GmbH & Co. KGaA ausgegliedert ist, nach § 15 Nr. 10 lit. j) auch „die Beschlussfassung über die wesentlichen Geschäftsführungsangelegenheiten der nach § 3 Abs. 3 gegründeten Tochtergesellschaften, namentlich über: – die Wahl und Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 17 Abs. 2, – die Änderung ihrer Satzung, – die Kapitalerhöhung und -herabsetzung, – die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse, – die Auflösung der Gesellschaft, – die Zustimmung zu einem Verschmelzungsvertrag, einer Vermögensübertragung oder Umwandlung“.

Eine ähnliche Regelung – allerdings beschränkt auf Angelegenheiten der Komplementär-GmbH – findet sich in § 12 Nr. 1 lit. l) der Satzung des Drittligisten VfL Osnabrück, der seine Lizenzspielerabteilung gleichfalls auf eine GmbH & Co. KGaA ausgegliedert hat: „Die Mitgliederversammlung beschließt über folgende Geschäftsführungsangelegenheiten der VfL Osnabrück Geschäftsführungs GmbH: – die Änderung der Satzung der VfL Osnabrück Geschäftsführungs GmbH, – die Kapitalerhöhung und -herabsetzung der VfL Osnabrück Geschäftsführungs GmbH, – die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse der VfL Osnabrück Geschäftsführungs GmbH, – die Auflösung der VfL Osnabrück Geschäftsführungs GmbH,

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

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– die Zustimmung zu einem Verschmelzungsvertrag, einer Vermögensübertragung oder Umwandlung hinsichtlich der VfL Osnabrück Geschäftsführungs GmbH, – die Verfügung über Geschäftsanteile der VfL Osnabrück Geschäftsführungs GmbH.“

Zu den etwas umfassender angelegten Klauseln über Mitwirkungsrechte der Mitgliederversammlung gehört auch § 11. 3. 6 Abs. 1 lit. b) i.V.m Abs. 3 der Satzung des TSV 1860 München, der bereits im Zusammenhang mit der Kompetenzverteilung bei Anteilsveräußerung dargestellt worden ist. Danach bedarf das Präsidium neben der Zustimmung des Verwaltungsrats auch der Zustimmung der Mitgliederversammlung bei Änderungen der „Beteiligungsquote und Teilnahme an Kapitalerhöhungen gegen Einlagen an Gesellschaften“ sowie ganz allgemein bei der Beschlussfassung in Anteilseignerversammlungen der Gesellschaften über Satzungsänderungen“. (2)  Besetzung der Organe von Tochtergesellschaften Neben derartige umfassende Kompetenzzuweisungen treten sachlich stärker beschränkte Mitwirkungsrechte, etwa hinsichtlich der Ausübung der Rechte des Vereins bei der Besetzung von Organen der Tochtergesellschaft. So ist die Mitgliederversammlung von Werder Bremen nach § 13 Nr. 1 lit. d) etwa für die Wahl von Kandidaten für Organe von Kapitalgesellschaften zuständig, an denen der Verein beteiligt ist und für die er Wahlvorschläge unterbreiten kann. (3)  Entgegennahme von Berichten betreffend die Beteiligungsgesellschaften Eine den Informationsfluss in der Vereinsgruppe betreffende Regelung enthält § 15 Nr. 3 der Satzung des HSV; diese Klausel sieht vor, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Tochter-AG in der Mitgliederversammlung des Muttervereins einen Bericht zur sportlichen und wirtschaftlichen Situation der AG abgeben. Allerdings kann eine derartige Vorgabe in der Satzung des Muttervereins die Organe der Tochter-AG als einer rechtlich vom Verein zu trennenden Körperschaft nicht wirksam binden. Inwieweit die Begründung einer entsprechenden Berichtspflicht gegenüber der Mitgliederversammlung in der Satzung der AG verankert werden könnte, ist zumindest zweifelhaft.256 Jedenfalls ist eine derartige Regelung dort bei genauerer Betrachtung nicht enthalten.257 Derartige Umsetzungsprobleme vermeidet § 19 Nr. 5.2 der Satzung Eintracht Frankfurts, indem er das Präsidium des Vereins dazu verpflichtet, über den Jahresabschluss von Tochtergesellschaften zu 256 

Vgl. MünchKommAktG/Kubis § 131 Rn. 180. der Satzung der HSV Fußball AG trägt zwar u.a. die Überschrift „Bericht im Hamburger-Sport-Verein e.V.“. Doch ist eine der Überschrift entsprechende Regelung in § 6 nicht enthalten oder jedenfalls missglückt. § 6 Abs. 4 (als einzige Berichtspflichten enthaltende Regelung des § 6) adressiert lediglich die Berichterstattung des Vorstands gegenüber den „Aktionären“ in der „Hauptversammlung“, nicht etwa gegenüber Vereinsmitgliedern in der Mitgliederversammlung des Muttervereins. 257  § 6

§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

202

berichten. Ähnliche Regelungen, die die Information der Mitgliederversammlung über ausgelagerte Bereiche der Vereinstätigkeit sicherstellen sollen, enthalten auch eine Reihe weiterer Satzungen.258 bb) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Verwaltung Häufiger als Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung finden sich aber Kompetenzzuweisungen zugunsten der Verwaltung, und zwar vielfach in Form einer pauschalen Zuweisung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte. Die häufigsten Durchbrechungen derartiger allgemeiner Zuständigkeitszuweisungen betreffen die z.T. schon soeben unter (d)) angesprochenen Mitwirkungsrechte der Mitgliederversammlung bei Maßnahmen, die die Beteiligungshöhe an der Spielbetriebsgesellschaft verändern. (1)  Umfassende Kompetenzzuweisungen Gemäß § 23 Abs. 2 lit. g) der Satzung Werder Bremens gehört zu den Aufgaben des Präsidiums ganz allgemein die „Wahrnehmung/Ausübung der Gesellschafterrechte des Vereins in den Kapitalgesellschaften […]“,

was im Folgenden hinsichtlich der Benennung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH und der Entsendung bzw. Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrats der KGaA noch weiter konkretisiert wird.259 Ähnlich formuliert dies § 17a Abs. 2 der Satzung Borussia Dortmunds in Bezug auf die Wahrnehmung der Rechte aus den Anteilen an der Komplementär-Gesellschaft der Spielbetriebs-KGaA, ergänzt um die inhaltliche Vorgabe, dass der Vorstand auch künftig die Alleingesellschafterstellung des Vereins in dieser GmbH sicherzustellen hat.260 Dies sichert das bereits dargestellte Zustimmungserfordernis zugunsten der Mitgliederversammlung bei Verfügungen über die Anteile an dieser Gesellschaft gegen Maßnahmen ab, die wie etwa eine Kapitalerhöhung unter Wahrnehmung des Bezugsrechts durch einen Dritten zum gleichen Ergebnis wie eine Anteilsveräußerung führen. Ausdrücklich anders entscheidet sich insoweit die Satzung des FSV Frankfurt, deren § 15 Nr. 4 lautet: „Dem Präsidium obliegt die Geschäftsführung des Vereins. Es vertritt den Verein in Gesellschafterversammlungen, insbesondere der FSV Frankfurt 1899 Fußball GmbH 258 

s. z. B. § 19 Nr. 6 der Satzung des MSV Duisburg. hinsichtlich der zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder der KGaA aber das nach § 13 Nr. 1 lit. d) bestehende Vorschlagsrecht der Mitgliederversammlung; zu den Mitwirkungsrechten der Mitgliederversammlung bei Veräußerung von Gesellschaftsanteilen s. § 13 Nr. 1 lit. h) der Satzung. 260 Dies sichert das Zustimmungserfordernis zugunsten der Mitgliederversammlung gegen Umgehungen ab; insbesondere könnte auch eine Kapitalerhöhung unter Wahrnehmung des Bezugsrechts durch einen Dritten zum gleichen Ergebnis wie eine Anteilsveräußerung führen. 259  Beachte

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

203

und ist befugt, über Kapitalerhöhungen zu beschließen und weitere Gesellschafter zur Übernahme des Kapitalerhöhungsbetrages zuzulassen.“

(2)  Besetzung der Organe von Tochtergesellschaften Bei Eintracht Frankfurt tritt in § 22 Nr. 5 neben eine allgemeine Zuständigkeitszuweisung an den Vorstand die Verankerung von Doppelmandaten bei der Besetzung von Organen der Tochtergesellschaften: „Das Präsidium vertritt den Verein in den Haupt- und Gesellschafterversammlungen seiner Tochtergesellschaften. Das Präsidium übt das nach den Satzungen oder Gesellschaftsverträgen zustehende Entsenderecht in die Gremien der Tochtergesellschaften im Benehmen mit Verwaltungsrat und Beirat aus. Die vom Präsidium entsandten Mitglieder müssen dem Präsidium und/oder dem Verwaltungsrat und/oder dem Beirat angehören. […].“

Derartige Doppelmandate sind auch bei anderen Vereinen vorgesehen. Nach der Satzung des FC Bayern München sind z. B. Präsident und Vizepräsident des Vereins geborene Mitglieder des Aufsichtsrats der Spielbetriebs-AG, ebenso wie der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats.261 Ähnliche Regelungen enthalten z. B. auch die Satzungen von Greuther Fürth,262 dem MSV Duisburg263 oder dem FC Ingolstadt.264 (3)  Zustimmungsvorbehalte zugunsten weiterer Organe Eine sehr detaillierte Regelung enthält die Satzung des 1. FC Köln, die dem Vorstand im Ausgangspunkt die Geschäftsführung als eigenverantwortliche Aufgabe zuweist und ihn dabei auch ausdrücklich auch in solchen Angelegenheiten weisungsfrei stellt, die „direkt oder indirekt die Rechte des Vereins hinsichtlich seiner Beteiligungsgesellschaften betreffen […]“ (§ 21.1 S.1 der Satzung). Unberührt bleiben nach § 21.1 S. 2 der Satzung aber die Rechte des „Gemeinsamen Ausschusses“,265 dessen Zustimmung der Vorstand nach § 25.4 für „Maßnahmen und Geschäfte von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung auf der Ebene wesentlicher Beteiligungsgesellschaften“ im Innenverhältnis bedarf. Dazu zählt § 25.4 der Satzung „insbesondere“:

261  s. §§ 15 Nr. 5, 17 Nr. 4 der Satzung. Die weiteren vom Verein zu bestellenden Vorstandsmitglieder werden durch den Verwaltungsbeirat benannt: s. § 17 Nr. 5. 262  s. § 16 Nr. 9 der Satzung. 263  s. 19 Nr. 9 der Satzung. 264  s. § 18 Nr. 4 der Satzung. Mit umgekehrter Wirkrichtung ist der Vorstand hier zudem dazu verpflichtet, die Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH zu Mitgliedern des erweiterten Vorstands des Vereins zu ernennen (§ 19 Nr. 2). 265  Der Gemeinsame Ausschuss wird nach § 25 der Satzung aus den drei Mitgliedern des Vorstands, zwei Mitgliedern des Mitgliederrats, einem Beiratsmitglied und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Spielbetriebs-GmbH & Co. KGaA gebildet.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

„a) Berufung und Abberufung der Mitglieder von Geschäftsführungsorganen sowie Abschluss, Änderung und Beendigung entsprechender Anstellungsverträge; b) Wahl der Mitglieder von Aufsichtsorganen; c) Abschluss, Änderung und Beendigung wirtschaftlich besonders bedeutender Sponsoren- und Vermarktungsverträge; d) Abschluss, Änderung und Beendigung wirtschaftlich besonders bedeutender Arbeitsverträge mit Spielern und Trainern der Lizenzspielermannschaft der 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA; e) Abschluss wirtschaftlich besonders bedeutender Transfervereinbarungen; f) Genehmigung der Jahresplanung (bestehend aus Investitions- und Finanzplanung) sowie einer Überschreitung der genehmigten Jahresplanung um mehr als 20 Prozent auf der Ausgabenseite; g) Feststellung des Jahresabschlusses; h) Erlass und Änderung von Satzungen, Gesellschaftsverträgen und etwaiger Geschäftsordnungen für die jeweilige Geschäftsführung; i) Abschluss, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen im Sinne von §§ 291 ff. Aktiengesetz; j) Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz, k) Maßnahmen, die dazu führen, dass ein Dritter Anteile an der 1. FC Köln Verwaltungs GmbH oder der 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA hält oder seine Beteiligung erhöht.“

In ähnlicher Weise bedarf auch das Präsidium von Hertha BSC, das nach § 19 Nr. 8 lit. d) die Beteiligungsrechte des Vereins wahrnimmt, für eine Vielzahl von Maßnahmen der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 17 Nr. 3).266 (4)  Zuständigkeitsregelungen im Hinblick auf Enkelgesellschaften Gelegentlich kommt es schließlich auch vor, dass eine Satzung ausdrückliche Zuständigkeitsregelungen für Maßnahmen vorsieht, die die nächsttiefere Ebene der Gruppenstruktur betreffen. So formuliert § 19 Nr. 2 der Satzung des MSV Duisburg unmittelbar im Anschluss an die allgemeine Konzernöffnungsklausel: „Der Vorstand regelt in der Satzung der Tochtergesellschaften die Gründung und den Erwerb weiterer Gesellschaften (Enkelgesellschaften).“267

In diesen Zusammenhang dürften auch die bereits angeführten Zuständigkeitskataloge in den Satzungen von Eintracht Braunschweig und dem VfL Osnabrück gehören, soweit sie der Mitgliederversammlung die Befugnis zuweisen, über die „Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse“ der Spielbetriebsgesellschaften zu entscheiden.268 266 Erfasst sind u.a. Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz, Liquidation, Besetzung von Organen, Verfügungen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, Erwerb und Veräußerungen von Anteilen an der Spielbetriebsgesellschaft etc. 267  Zudem werden auch die Berichtspflichten in der Mitgliederversammlung des Vereins auf die Angelegenheiten der Enkelgesellschaft erstreckt (§ 19 Nr. 6). 268  Vgl. die bereits oben bei § 4 C.III.3.e)aa)(1) wiedergegebenen Klauseln; es bleiben allerdings gewisse Zweifel, ob damit in beiden Fällen tatsächlich die Beteiligungsverhält-

C.  Satzungsgestaltungen der Vereine

205

f)  Beschränkungen der Vertretungsmacht (§ 26 Abs. 1 S. 3 BGB) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass einige der untersuchten Satzungen von der durch § 26 Abs. 1 S. 3 BGB eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen, die interne Kompetenzverteilung auf die Vertretungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis durchschlagen zu lassen. Dies gilt gerade auch bei Maßnahmen mit Gruppenbezug. So bindet § 17 Nr. 3 lit. i) und j) der Satzung des Karlsruher SC die Vertretungsmacht des Vorstands mit Wirkung gegen Dritte an die Zustimmung des Aufsichtsrats, soweit es um die „Gründung von Tochtergesellschaften, einschließlich deren Kapitalveränderungen“ sowie die „Übernahme, Abtretung und Veränderung von Beteiligungen“ geht. Bei Borussia Mönchengladbach ist die Vertretungsmacht des Vorstands u.a. bei der Gesellschaftsgründung und der Beteiligung an Gesellschaften sowie bei Veräußerungen von Anteilen an der Spielbetriebs-GmbH durch das Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats beschränkt.269 Nach § 17a Abs. 1 der Satzung von Borussia Dortmund ist die Vertretungsmacht des Vorstands in Bezug auf Verfügungen über Anteile an der Komplementär-­ GmbH der Spielbetriebsgesellschaft durch die qualifizierte Zustimmung der Mitgliederversammlung beschränkt. g)  Satzungsgestaltungen ohne (vollständige) Regelung von gruppenbezogenen Maßnahmen Die Vielzahl der dargestellten Regelungen mit „Gruppenbezug“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass keineswegs alle Satzungen derartige Regelungen enthalten.270 Andere beschränken sich auf die Regelung von Teilaspekten, z. B. der grundsätzlichen Zulässigkeit der Gründung oder des Erwerbs von Gesellschaften, ohne aber zu regeln, welches Organ insoweit oder im Hinblick auf Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung entscheidungsbefugt ist.271 Eine Vielzahl von Satzungen konzentriert sich ganz auf die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung, ohne eine Aussage über Zuständigkeiten für Maßnahmen der Gruppenbildung und Gruppenleitung außerhalb dieses Kontextes zu treffen.272 Auch wenn für einen Teilbereich wie die ausgegliederte Lizenzspielerabteilung Zuständigkeitsregeln vorhanden nisse der Spielbetriebsgesellschaft gemeint sind, und nicht die Beteiligungsverhältnisse an der Spielbetriebsgesellschaft. 269  s. § 29 Abs. 4 lit. b) i.V.m. § 2 Abs. 5, 6. 270  Dies gilt z. B. für die Satzungen der TSG Hoffenheim, des SC Paderborn, des SV Darmstadt 98 oder von Hannover 96; allenfalls eine Randfrage regelt die Satzung des VfB Stuttgart (vgl. § 15 Nr. 2 der Satzung). 271  s. z. B. die Satzung von Schalke 04; die Satzung des FC Augsburg regelt allein die Zulässigkeit der Beteiligung an Gesellschaften, deren Zweck in der Errichtung oder im Betrieb von Sportstätten liegt, obgleich die Lizenzspielerabteilung auf eine GmbH & Co. KGaA ausgegliedert worden ist. 272  Dies gilt z. B. für die Satzung des SC Freiburg, von Werder Bremen, Borussia Dortmund und Mainz 05.

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

sind, muss das nicht heißen, dass diese ansatzweise vollständig sind.273 Gleiches kann natürlich auch dann gelten, wenn sich die Satzung nicht auf den Ausgliederungsfall beschränkt, sondern ganz allgemein spezielle Vorgaben für Maßnahmen der Gruppenbildung und Gruppenleitung regelt. Soweit ausdrückliche, speziell auf Gruppensachverhalte zugeschnittene Regelungen fehlen oder Lücken aufweisen, die nicht im Wege der Auslegung unter Rückgriff auf diese speziellen Regelungen geschlossen werden können, stellt sich die Frage, ob sich eine Antwort auf die Zuständigkeitsfrage nicht ggfs. aus allgemein formulierten Zuständigkeitszuweisungen zugunsten des Vorstands oder der Mitgliederversammlung entnehmen lässt. Auch dies führt aber häufig nicht weiter, weil es derartigen Vorschriften fehlt oder weil sie keine klare Zuständigkeitsabgrenzung erlauben.274 Die Problematik lässt sich am Beispiel der Satzung Werder Bremens verdeutlichen. Diese regelt wie dargelegt, dass das Präsidium für die „Wahrnehmung/ Ausübung“ der Gesellschafterrechte des Vereins in den Kapitalgesellschaften des Vereins (d.h. der Spielbetriebs-GmbH & Co. KGaA und deren Komplementär-­ GmbH) zuständig ist (§ 23 Abs. 2 lit. g). Außerdem regelt sie in § 13 lit. g), dass die Mitgliederversammlung zuständig für die Beschlussfassung über die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen ist, die zum Verlust der „Anteilsmehrheit“ des Vereins führt. Dies lässt eine Fülle von Fragen offen. So ist bereits nicht klar geregelt, welches Organ entscheidungszuständig ist, wenn Anteile nicht veräußert, sondern z. B. verpfändet werden, was im Verwertungsfall gleichfalls dazu führen kann, dass die Mehrheitsschwelle betroffen ist. Dieses Problem mag sich zwar wegen der Ähnlichkeit zur Konstellation der Veräußerung noch im Wege der (ergänzenden) Auslegung beheben lassen. Ungeklärt bleibt aber z. B. die Zuständigkeit für sonstige Anteilsveräußerungen, die die „Anteilsmehrheit“ nicht betreffen, die aber – z. B. weil es sich um die erstmalige Aufnahme Dritter handelt oder weil der Verlust der satzungsändernden Mehrheit droht – zu einem wesentlichen Einflussverlust des Muttervereins führen können. Bei derartigen Maßnahmen geht es weder um die „Wahrnehmung/Ausübung“ von Gesellschafterrechten „in“ den Kapitalgesellschaften (Zuständigkeit des Präsidium), noch ist die Schwelle der Anteilsmehrheit berührt (Zuständigkeit der Mitgliederversammlung). Fraglich ist darüber hinaus z. B. auch, ob die „Wahrnehmung/Ausübung“ von Gesellschafterrechten in der Spielbetriebs-GmbH & Co. KGaA z. B. auch den Fall der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft erfassen soll. Zudem beziehen sich sämtliche Satzungsregelungen mit Gruppenbezug auf die ausgegliederte Lizenzspielerabteilung (bzw. die Zulässigkeit von deren Ausgliederung). Nicht ausdrücklich geregelt sind daher auch alle Fragen der Zuständigkeit für Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen, die nicht die Lizenzspielerabteilung betreffen. Auch die allgemeinen Satzungsvorschriften mit zuständigkeitsregelndem Gehalt helfen kaum weiter. Zwar wird in § 23 der Satzung in Bezug auf den Vorstand gesagt, dass er für die Leitung des Vereins und dessen Verwaltung zuständig ist. 273  274 

s. dazu noch sogleich im Text die Ausführungen zu Werder Bremen. s. bereits oben, § 4 C.III.2.c).

D.  Ableitungen für den weiteren Fortgang der Untersuchung

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Es findet sich aber kein Hinweis darauf, dass ihm Leitung und Verwaltung als eigenverantwortliche oder ausschließliche Aufgabe zugewiesen werden sollen. Es fehlt damit an einer hinreichenden Abgrenzung zu den Befugnissen der Mitgliederversammlung, die § 13 Nr. 1 als das „beschließende Organ“ ausweist und deren Entscheidungsbefugnisse sie nicht weiter eingrenzt.275 Eine klare Antwort auf die oben gestellten Zuständigkeitsfragen lässt sich daher auch diesen Regelungen nicht entnehmen.

D.  Ableitungen für den weiteren Fortgang der Untersuchung Die dargestellten Satzungsregelungen geben Gelegenheit dazu, die Untersuchungsfrage nach der Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein und im Verein als Gruppenspitze noch einmal aufzugreifen und weiter zu konkretisieren. So lässt sich zunächst bei allen Satzungsklauseln mit kompetenzregelndem Gehalt die Frage stellen, was eigentlich nach der gesetzlichen Ausgangslage gilt, wenn eine solche Regelung nicht vorhanden ist .

I.  Konkretisierung der Frage nach der Zuständigkeitsordnung im Verein 1.  Zuständigkeitsfragen ohne spezifischen Gruppenbezug Anlass für eine Konkretisierung der Zuständigkeitsfrage ergibt sich zunächst im Hinblick darauf, dass einige Satzungen eine besondere, abstrakt umschriebene Zuständigkeitskategorie für Entscheidungen vorsehen, die für den Verein von besonders herausgehobener Bedeutung sind und über das Alltagsgeschäft hinausgehen. Dies betrifft Formulierungen wie die „grundlegenden Aufgaben und Ziele des Vereins“, die „Organisation“ des Vereins oder die „erheblichen Veränderungen der Vereinsorganisation“, die „grundsätzlichen Angelegenheiten“, die „allgemeinen Richtlinien der Vereinspolitik“ oder die „Bestimmung der Geschäftspolitik“, die die untersuchten Satzungen – sofern sie entsprechende Regelungen enthalten – ganz überwiegend in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung überweisen.276 Auf einer ähnlichen Linie liegt die besondere Regelung von Maßnahmen oder Entscheidungen jenseits der „laufenden Geschäftsführung“,277 von Maßnahmen, die 275  Soweit ihr in § 13 Nr. 1 der Satzung spezielle Zuständigkeiten zugewiesen werden, stehen ihr diese „insbesondere“ zu, haben also keinen abschließenden Charakter. 276  s. o., § 4 C.III.2.a)cc); (betreffend Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung); Zuständigkeit des Vorstands für die „Bestimmung der Geschäftspolitik“ aber bei Mainz 05 (§ 13 Nr. 1 der Satzung): s.o. § 4 C.III.2.b)bb)(2). 277  An diese Unterscheidung knüpft die Satzung des 1. FC Nürnberg das Recht der Mitgliederversammlung, dem Vorstand Weisungen zu erteilen: s. §§ 15 Nr. 8 und 17 Nr. 6 der

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§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

über den „üblichen Geschäftsverkehr des Vereins hinausgehen“278 oder von „außergewöhnlichen Geschäften oder […] Angelegenheiten, die für den Verein oder seine Beteiligungsgesellschaften von besonderer Bedeutung sind“.279 Zu Fragen ist also: Welches Organ ist für derartige Entscheidungen über besonders grundlegende bzw. über die laufende Verwaltung hinausgehende Maßnahmen zuständig, wenn die Satzung dazu schweigt? 2.  Zuständigkeitsfragen mit spezifischem Gruppenbezug Die Überlegungen lassen sich im Hinblick auf Satzungsklauseln fortsetzen, die einen Bezug zur Gruppenbildung oder -leitung aufweisen. a)  Satzungsregelungen über die grundsätzliche Zulässigkeit der Gruppenbildung So führen die in vielen Satzungen enthaltenen „Konzernöffnungsklauseln“ sowie die spezielleren „Ausgliederungsklauseln“280 zu der Frage, ob die Gründung von Tochtergesellschaften bzw. der Erwerb von Beteiligungen an Gesellschaften und die Verlagerung von Tätigkeitsbereichen oder Abteilungen des Vereins auf diese nur zulässig sein soll, wenn die Satzung derartige Klauseln enthält. Dann müsste vor der Vornahme derartiger Maßnahmen zunächst die Satzung geändert und ein entsprechender Beschluss der Mitgliederversammlung eingeholt werden. b)  Zuständigkeit für Maßnahmen der Gruppenbildung Auch bei Existenz einer allgemeinen Konzernöffnungs- oder einer spezielleren Ausgliederungsklausel in der Satzung stellt sich die weitere Frage, welches Organ innerhalb des Vereins über die Gründung oder den Erwerb einer Tochtergesellschaft bzw. die Ausgliederung von Tätigkeitsbereichen entscheidet. Denn diese Frage ist allein durch die Existenz derartiger Klauseln, die in der Grundkonstellation lediglich regeln, dass der Verein Gesellschaften gründen oder sich daran beteiligen bzw. Ausgliederungen auf Tochtergesellschaften vornehmen darf, noch nicht beantwortet. Natürlich kann die Satzung die Frage der Zuständigkeit auch speziell regeln, wie dies bei vielen der untersuchten Satzungen bereits in der KonSatzung; dazu bereits oben, § 4 C.III.2.a)cc). Bei der SG Sonnenhof Großaspach beschränkt sich die Aufgabenerledigung des Vorstands „in eigener Zuständigkeit“ auf die laufende Geschäftsführung: s.o., § 4 C.III.2.b)bb)(2). 278  Bei 1860 München ist für derartige Maßnahmen nach § 11. 3. 6 Abs. 1 lit. f) sowohl die Zustimmung des Verwaltungsrates als auch der Mitgliederversammlung (§ 11. 3. 6 Abs. 3 S. 1). 279  An diese Unterscheidung knüpft § 15 Nr. 2 der Satzung des VfB Stuttgart im Zusammenhang mit der Vertretungsregelung die Verpflichtung im Innenverhältnis, eine Entscheidung des Gesamtvorstands einzuholen. 280  s. dazu oben., § 4 C.III.3.a). und b).

D.  Ableitungen für den weiteren Fortgang der Untersuchung

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zernöffnungs- oder Ausgliederungsklausel oder an anderer Stelle der Satzung der Fall ist.281 Möglicherweise lässt sich im Einzelfall auch einer allgemeinen, nicht auf die Gruppenbildung zugeschnittenen Regelung über die Zuständigkeit von Mitgliederversammlung und Vorstand eine klare Antwort auf die Zuständigkeitsfrage entnehmen. Wo dies aber nicht der Fall ist, führt auch dies zu der Frage zurück, welche Zuständigkeitsverteilung sich auf der Grundlage der gesetzlichen Ausgangslage ergibt. c)  Maßnahmen der Gruppenleitung Verfügt ein Verein bereits über eine Tochtergesellschaft, stellt sich ein weiterer Satz von Zuständigkeitsfragen, die den Umgang mit diesen Anteilen und die Ausübung der damit verbundenen Rechte und Einflussnahmemöglichkeiten betreffen. Insoweit lässt sich von Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung bzw. Maßnahmen der Gruppenleitung (im weiten Sinne)282 sprechen. Auch dieser Fragensatz lässt sich unter Rückgriff auf die bei den untersuchten Satzungen vorzufindenden Gestaltungen noch weiter konkretisieren. Beginnt man mit dem Gesichtspunkt, der bei der Gestaltung der untersuchten Satzungen offenbar am stärksten im Vordergrund gestanden hat, ist zunächst die Frage zu nennen, wer vereinsintern über Verfügungen zu entscheiden hat, die Anteile an Tochtergesellschaften betreffen.283 Die untersuchten Satzungen zeigen dabei auch, dass diese Frage noch Raum für Abstufungen und Differenzierungen bietet. Orientiert man sich daran, führt dies zu einer Reihe von Unterfragen: Wer ist zuständig für Verfügungen über Gesellschaftsanteile, die zum Verlust der (Stimmen-)Mehrheit an dieser Gesellschaft führen oder (z. B. bei der Verpfändung aufgrund einer nachfolgenden Verwertung) führen (können)? Wer ist zuständig für Verfügungen, die zum Verlust der satzungsändernden Mehrheit führen (können)? Wer ist zuständig für Verfügungen, die dazu führen, dass ein anderer Anteilseigner oder eine Gruppe von miteinander verbundenen Anteilseignern eine Sperrminorität erlangen? Wer ist zuständig für die erstmalige Aufnahme Dritter? Wer ist zuständig für die Entscheidung über Verfügungen, die nicht in die vorstehenden Kategorien fallen? Hinsichtlich der Wahrnehmung der Rechte aus Gesellschaftsanteilen betrifft die Zuständigkeitsfrage das gesamte Spektrum an Maßnahmen, für die auf der Ebene der Tochtergesellschaften ein Beschluss des Mitgliederorgans erforderlich oder zumindest möglich ist. Das gilt z. B. für Kapitalerhöhungen, für die viele der untersuchten Satzungen gleichfalls ausdrückliche Regelungen vorsehen, weil erkannt wird, dass Kapitalerhöhungen unter Zulassung Dritter die gleichen Ef281 

s. o., § 4 C.III.3.a) und b)dd). An späterer Stelle wird zwischen Maßnahmen der Gruppenbildung und -leitung noch genauer differenziert und insbesondere die Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausübung unter funktionalen Gesichtspunkten mit den Gruppenbildungsmaßnahmen zusammengefasst. Für die hier verfolgte Sammlung von Zuständigkeitsfragen kommt es darauf noch nicht an. 283  Vgl. oben, § 4 C.III.3.d). 282 

210

§ 4  Rechtstatsächliches Anschauungsmaterial

fekte auf die Beteiligungshöhe wie Verfügungen über Gesellschaftsanteile haben können.284 Es gilt aber genauso auch wie eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, von denen die untersuchten Satzungen z. B. die Wahl und Entlastung von Organen,285 Änderungen der Satzung oder die Auflösung der Gesellschaft,286 Änderungen ihrer Beteiligungsstruktur,287 Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz,288 Abschluss, Änderung und Beendigung wirtschaftlich besonders bedeutsamer Verträge,289 die Feststellung des Jahresabschlusses290 oder den Abschluss von Unternehmensverträgen i.S.d. §§ 291 ff. AktG291 besonders erwähnen und ganz unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen unterwerfen.292 Auch im Hinblick auf alle diese Aspekte stellt sich daher die Frage, welche Zuständigkeitsverteilung sich auf der Basis der gesetzlichen Ausgangslage ergibt, wenn sich der Satzung selbst keine Zuständigkeitsregelung entnehmen lässt.

II.  Gestaltbarkeit der Zuständigkeitsordnung durch die Satzung Zugleich verdeutlicht die große Vielfalt der Zuständigkeitsregelungen in den Satzungen der untersuchten Stichprobe, dass eine Untersuchung der Zuständigkeitsordnung des Vereins nicht bei der gesetzlichen Ausgangslage stehen bleiben kann, sondern die Frage einbeziehen muss, in welchem Umfang die Zuständigkeitsordnung durch die Satzung gestaltbar ist. Dass insoweit gerade auch im Zusammenhang mit gruppenbezogenen Maßnahmen Klärungsbedarf besteht, zeigt sich exemplarisch an einer Satzungsformulierung, die dem Vereinsvorstand die 284 

Vgl. im Einzelnen oben unter § 4 C.III.3.d) und e). z. B. §§ 15 Nr. 10 lit. j), 17 Nr. 2 der Satzung von Eintracht Braunschweig; § 13. 3. 6 Abs. 1 lit. c) und e) der Satzung des TSV 1860 München; § 13 Nr. 1 lit. d) und § 23 lit. g) der Satzung Werder Bremens; § 22 Nr. 5 der Satzung Eintracht Frankfurts; §§ 15 Nr. 5, 17 Nr. 4 und 5 der Satzung Bayern Münchens; § 25.4 lit. a) und b) der Satzung des 1. FC Köln; § 17 Nr. 3 lit. b) der Satzung von Hertha BSC. 286  Vgl. z. B. § 15 Nr. 10 lit. j) von Eintracht Braunschweig; § 10 Nr. 1 lit. l) der Satzung des VfL Osnabrück; § 13. 3. 6 Abs. 1 lit. b) der Satzung des TSV 1860 München; § 25.4 lit. h) der Satzung des 1. FC Köln. 287  Vgl. z. B. § 15 Nr. 10 lit. j) von Eintracht Braunschweig; § 10 Nr. 1 lit. l) der Satzung des VfL Osnabrück; § 17 Nr. 3 lit. e) der Satzung von Hertha BSC. 288  Vgl. z. B. § 15 Nr. 10 lit. j) von Eintracht Braunschweig; § 10 Nr. 1 lit. l) der Satzung des VfL Osnabrück; § 25.4 lit. j) der Satzung des 1. FC Köln; § 17 Nr. 3 lit. a) der Satzung von Hertha BSC. 289  s. z. B. § 25.4 lit. c) bis e) der Satzung des 1. FC Köln (bezüglich Sponsoren- und Vermarktungsverträge, Arbeitsverträge mit Spielern und Trainern der Lizenzmannschaft und Transfervereinbarungen); § 17 Nr. 3 lit. c) der Satzung von Hertha BSC (bezüglich Grundstücksgeschäfte). 290  s. § 25.4 lit. g) der Satzung des 1. FC Köln. 291  s. § 25.4 lit. i) der Satzung des 1. FC Köln. 292  Vgl. dazu im Einzelnen oben unter § 4 C.III.3.e). 285  Vgl.

D.  Ableitungen für den weiteren Fortgang der Untersuchung

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Befugnis einräumt, alle für Ausgliederung der Lizenzspielermannschaft und weiterer Mannschaften erforderlichen Beschlüsse zu fassen, „soweit gesetzliche Regelungen nicht zwingend eine Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung vorsehen.“293

III.  Bedeutung der Satzungsauslegung Schließlich deutet sich angesichts der Vielfältigkeit der in den Blick genommenen Satzungsgestaltungen auch an, dass der Erkenntniswert allgemeiner Einsichten zur Zuständigkeitsordnung des Vereins in der Praxis auch schnell auf Grenzen stoßen kann, weil statt allgemeiner Rechtsfragen konkrete Auslegungsfragen in den Vordergrund treten. Deren Beantwortung ist naturgemäß einzelfallabhängig und kann daher im Rahmen dieser Untersuchung nur exemplarisch aufgenommen werden.

293 

s. § 15 Nr. 4 der Satzung des FSV Frankfurt.

§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft Das Aktienrecht sieht – orientiert am Leitbild der industriellen Publikumsgesellschaft (A.) – eine zwingend ausgestaltete Organstruktur vor (B.), die Basis für eine ausdifferenzierte innerorganisatorische Machtverteilung ist (C.). Deren Grundlagen sind nachfolgend zunächst etwas näher in den Blick zu nehmen (D.), bevor sich die Untersuchung der Frage zuwendet, inwieweit das Aktienrecht Raum für ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung lässt (E.).

A.  Gesetzliches Leitbild Das Aktienrecht ist durch seine Entwicklung als das Recht der industriellen Publikumsgesellschaft gekennzeichnet.1 Bis heute ist es vom Leitbild einer Gesellschaft geprägt, die sich zur Durchführung kapitalintensiver Unternehmungen an einen großen Kreis von Anlegern wendet.2 Zwar unterliegt auch das Aktienrecht gewissen Tendenzen zu einer differenzierenden Regelbildung.3 So sind einerseits eine Reihe von Sondervorschriften für kleinere Aktiengesellschaften geschaffen worden,4 andererseits bestehen besondere Regeln für börsennotierte AG, die zwar weitgehend in kapitalmarktrechtlichen Spezialgesetzen normiert sind,5 punktuell 1 Vgl. K. Schmidt, GesR, § 26 III 1 (S. 770); s. ausführlich zur hist. Entwicklung des deutschen Aktienrechts im 19. Jahrhundert GroßkommAktG/Assmann Einl. Rn. 13 ff., 30 ff., sowie die umfassenden Beiträge von Deutsch, Kießling, Bergfeld, Pahlow, Lieder und Hofer in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. I, S. 46 ff., 98 ff., 126 ff., 168 ff., 237 ff., 287 ff., 318 ff., 388 ff. 415 ff. 2 s. Grunewald, GesR, § 10 Rn. 3; KölnerKomm/Zöllner, Einl. Rn. 76, 87. 3  Ausführlicher Überblick bei Bayer, Gutachten E 67. DJT, S. 42 ff.; s.a. ders., in: FS Hopt, S. 373, 383 ff. 4  Den Ausgangspunkt bildet das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ (BGBl. I 1994, S. 1961), das allerdings entgegen dem etwas missverständlichen Titel keine eigenständige Rechtsform etabliert und dem auch kein einheitlich definierter Begriff einer „kleinen AG“ zugrunde liegt (s. klarstellend Seibert, ZIP 1994, 914). Stattdessen knüpft das Gesetz die gewährten Erleichterungen je nach Regelungszusammenhang an ganz unterschiedliche Voraussetzungen (fehlende Börsennotierung, namentliche Kenntnis der Aktionäre, vollständige Präsenz auf der Hauptversammlung, Anzahl der Arbeitnehmer o.ä.): vgl. dazu etwa Bayer, Gutachten E 67. DJT, S. 43 ff.; Bösert, DStR 1994, 1423 ff.; Böcker, RNotZ 2002, 130, 131; Hüffer/Koch, AktG, § 3 Rn. 5. 5  s. dazu Bayer, Gutachten E 67. DJT, S. 54 f.; Grunewald, GesR, § 10 Rn. 6; MünchKommAktG/Habersack Einl. Rn. 190; Wilhelm, KapitalgesR, Rn. 700.

B. Organstruktur

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aber auch bereits Eingang in das Aktienrecht selbst gefunden haben.6 Doch bleibt diese Tendenz zu einer dreifachen Gliederung ohne entscheidende Auswirkungen auf die hier interessierenden Grundfragen der Binnenorganisation und der Kompetenzverteilung.

B. Organstruktur Das Gesetz sieht für die Aktiengesellschaft zwingend drei Organe vor: Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat. Die Zuständigkeit dieser Organe ist ganz weitgehend gesetzlich klar definiert und gegeneinander abgegrenzt. Der Grundsatz der Satzungsstrenge7 zementiert die auf diese Organtrias bezogene Kompetenzstruktur. Soweit fakultative Gremien wie ein Beirat oder ein Verwaltungsrat eingerichtet werden sollen, dürfen diesen nach allgemeiner Ansicht jedenfalls keine Kompetenzen zugewiesen werden, die nach dem Aktiengesetz in die Zuständigkeit der zwingend vorgeschriebenen Organe fallen.8 Vorbehaltlich dessen hält ein Teil des Schrifttums die Ausbildung fakultativer Gremien mit ergänzenden organschaftlichen Kompetenzen – etwa im Bereich der Beratung oder Kontrolle des Vorstandes – für zulässig.9 Wohl überwiegend wird allerdings davon ausgegangen, dass auch dies nicht möglich sei, weil das Aktiengesetz insoweit eine abschließende Regelung enthalte.10 Fakultative Gremien könnten in diesem Fall nur auf

6  s. ausführlich Bayer, Gutachten E 67. DJT, S. 46 ff.; ders., in: FS Hopt, S. 373, 383 ff.; daneben MünchKommAktG/Habersack Einl. Rn. 181 ff.; MünchKommAktG/Heider § 3 Rn. 40 ff.; Hüffer, AktG, § 3 Rn. 5; K. Schmidt in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Einl. Rn. 16; s. allgemein zum Verhältnis von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht auch Lutter, in: FS Zöllner, S. 363 ff. 7  s. zu diesem Grundsatz allgemein Grunewald, GesR, § 10 Rn. 13, 18 f. (S. 245 ff.); Hirte, ZGR Sonderheft 13, S. 61, 63 ff.; Kübler/Assmann, GesR, § 14 III 1 b) (S. 177); zur Entstehungsgeschichte Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. II, S. 995, 998 ff.; für Grundsatzkritik s. Mertens, ZGR 1994, 426 ff.; den Stand der rechtspolitischen Diskussion zusammenfassend Bayer, Gutachten E 67. DJT, S. 36 ff.; Beuthien, NZG 2010, 333, will stattdessen vom Prinzip der „Gesetzesstrenge“ sprechen, weil nicht die Satzung, sondern das Gesetz streng sei; damit nun noch Einfluss auf die Begriffsbildung zu nehmen, scheint jedoch wenig aussichtsreich. 8 s. Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 36, 38; KölnerKomm/Kraft § 23 Rn. 85; Großkomm­ AktG/Röhricht § 23 Rn. 190; Schürnbrand, Organschaft, S. 53; Münch. Hdb. AG/Wiesner, § 19 Rn. 10. 9  s. etwa Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330; GroßkommAktG/Kort Vor. § 76 Rn. 17; Voormann, Beirat, S. 67 ff.; Münch. Hdb. AG/Wiesner, § 19 Rn. 11; wohl auch Flume, Jur. Person, § 11 II (S. 381). 10 s. Münch. Hdb. AG/Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 23; GroßkommAktG/Hopt/Roth § 95 Rn. 42 ff., 46; K. Schmidt, § 14 III 3 (S. 418); KölnerKomm/Mertens/Cahn Vor. § 76 Rn. 17 f.; MünchKommAktG/Pentz § 23 Rn. 169; Schürnbrand, Organschaft, S. 53 f.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

schuldrechtlicher Basis eingerichtet werden,11 womit zugleich gesagt wäre, dass ihnen keine Organqualität zukommt.12 Ob nun für die satzungsmäßige Ausbildung weiterer Gremien mit Organqualität gar kein Raum ist, oder ob dies zwar möglich ist, diese aber nur mit marginalen organschaftlichen Kompetenzen ausgestattet werden können, kann hier letztlich offen bleiben. Denn auch dann, wenn letzteres möglich sein sollte, sind die dafür geltenden Gestaltungsspielräume jedenfalls so eng, dass diese Variante für die Frage nach der Kompetenzabgrenzung der Gesellschaftsorgane in der Aktiengesellschaft ohne entscheidende Bedeutung bleibt.

C. Strukturprinzipien: Machtbalance statt Hierarchie Angesichts der ausdifferenzierten Zuständigkeitsstruktur in der AG, die jedem der Organe einen eigenen, zwingend ausgestalteten Kompetenzbereich zuweist, lassen sich pauschale Aussagen über eine interne Hierarchie zwischen den Organen kaum sinnvoll treffen.13 Gleichwohl wird auch in neuerer Zeit noch manchmal gesagt, bei der Hauptversammlung handle es sich um das oberste Organ der Aktiengesellschaft.14 Uneingeschränkt zutreffend ist damit aber allenfalls der bis zur Reform von 1937 geltende Stand des Aktienrechts auf der Grundlage des ADHGB, insbesondere ab der Aktiennovelle von 1884,15 bzw. später des HGB von 189716 beschrieben.17 Vor der Abschaffung des Konzessionssystems durch die Aktiennovelle von 187018 ist für die Stellung der Gesellschaftsorgane zueinander primär 11  Dies gilt auch dann, wenn die Einrichtung eines Beirats in der Satzung vorgesehen ist, worin dann die Anweisung an den Vorstand liegt, ein solches Gremium auf schuldrechtlicher Basis einzurichten: s. Münch. Hdb. AG/Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 24. 12  Organe können nur durch Organisationsakt, d.h. durch Gesetz oder Statut, nicht aber auf schuldrechtlicher Basis eingerichtet werden: s. Wiedemann, in: FS Schilling, S. 105, 107 ff.; ausführlich Schürnbrand, Organschaft, S. 55 ff. 13 Vgl. Goette, AG 2006, 522 f.; Fleischer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. I, S. 430, 437; Spindler/Stilz/Hoffmann § 118 Rn. 6; Hüffer/Koch, AktG, § 118 Rn. 4. 14  So etwa bereits im Titel seiner Monographie von Rechenberg, Die Hauptversammlung als oberstes Organ der Aktiengesellschaft, 1986; im Text allerdings differenzierter und stattdessen den Begriff des „Basisorgans“ vorschlagend (zusammenfassend S. 158 ff.); außerdem Flume, Jur. Person, § 7 I 1 (S. 189); Münch. Hdb. AG/Semler § 34 Rn. 4 (3. Aufl.); s.a. GroßkommAktG/Mülbert Vor. §§ 118 – 147 Rn. 43 m.w.N. 15  RGBl 1884, 123. 16  RGBl 1897, 219. 17 s. grundlegend zur historischen Entwicklung der aktienrechtlichen Binnenorganisation Schubel, Verbandssouveränität, §§ 2 – 8; insb. zur Reform von 1884 ders., a.a.O., S. 327 ff.; s.a. Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 53, 86 ff.; s. speziell zu den Hauptversammlungskompetenzen auch Fleischer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht, S. 432 ff. 18  BGBl des Norddeutschen Bundes 1870, 375.

C.  Strukturprinzipien: Machtbalance statt Hierarchie

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der regulierende Einfluss der Konzessionsbehörden maßgeblich.19 Erst nach 1870 kommt es allein auf die Gesetzeslage sowie darauf an, wozu die durch diese eingeräumten Gestaltungsspielräume praktisch genutzt werden. In der Literatur wird die Generalversammlung bereits zu diesem Zeitpunkt als das oberste Organ der Gesellschaft apostrophiert,20 was sich darauf stützen lässt, dass ihr nach der dispositiven Gesetzeslage gegenüber dem Vorstand, dessen Bestellung sie überdies jederzeit widerrufen konnte,21 Weisungsbefugnis zukam.22 In der Praxis zeigte sich allerdings ein Trend dazu, die Generalversammlung durch entsprechende Satzungsgestaltungen und Vorratsbeschlüsse beinahe vollständig zu marginalisieren.23 Die gesetzliche Regelung stand dem nicht entgegen: sie regelt die Kompetenzen der Generalversammlung wie die Binnenorganisation insgesamt ohnehin nur rudimentär und zudem weitgehend dispositiv.24 Als sich in der zeitgenössischen Debatte um die Ursachen der Krise des Aktienwesens in den Gründerjahren 25 die Aufmerksamkeit schließlich auch auf die Binnenorganisation der Aktiengesellschaften richtet, wird unter anderem auch die praktische Ausgestaltung der Rolle der Generalversammlung als Problem erkannt.26 Mit der Aktiennovelle von 1884 zielt der Gesetzgeber daher auch darauf ab, die Generalversammlung vor allem durch die Zuordnung zwingender Kompetenzen zu stärken und die Durch-

19  s. dazu, dass die Einflussnahme der Konzessionsbehörden auch die Binnenorganisation der Gesellschaften umfasste, Schubel, Verbandssouveränität, S. 130 ff. u. 256 ff. mit umfassenden Nachweisen. 20  s. z. B. Renaud, Actiengesellschaften (1875), S. 498. 21  s. Art. 227 Abs. 3 ADHGB (§ 231 Abs. 3 HGB 1897); dazu Fleischer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. II, S. 433. 22  Der h.M. entsprach es, aus der Vorschrift von Art. 231 Abs. 1 ADGHB (bzw. § 235 Abs. 1 HGB 1897), nach der Beschränkungen der Vertretungsmacht durch Beschlüsse der Generalversammlung den Vorstand im Innenverhältnis binden, die Weisungsbefugnis der Generalversammlung abzuleiten, s. etwa Staub, HGB (1906), § 235 Anm. 3; später bestritten von Arnold, Aufschlusspflicht, S. 39 ff. 23 Die Praxis kannte etwa Gesellschaften ohne Einfluss der Generalversammlung auf die Besetzung der Leitungsorgane und ohne sogar ohne Satzungskompetenz: s. nur Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 53, 86; Schubel, Verbandssouveränität, S. 290 f.; 334. 24 Vgl. Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 86; Schubel, Verbandssouveränität, S. 183 ff., 283, sowie 285 f. (zu möglichen Gründen für das Fehlen zwingender Regeln); Fleischer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. II, S. 433; s. zu Bestrebungen, die Generalversammlungskompetenzen schon auf der Grundlage des geltenden Rechts zu stärken Auerbach, Actienwesen, S. 178 ff.; dazu Schubel, Verbandssouveränität, S. 334, f. 25  s. dazu nur Schubel, Verbandssouveränität, S. 287 ff.; s. für eine Zusammenfassung der Missstände im Aktienwesen auch die Allgemeine Begründung zum Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften v. 7. März 1884, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 407, 414. 26 s. Schubel, Verbandssouveränität, S. 330 ff., 338 ff.; Gesetzesbegründung, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 464.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

setzung von Aktionärsrechten zu erleichtern,27 obschon er im Grunde ein Bild des Aktionärs pflegt, das sich nicht gerade durch ein übermäßiges Vertrauen in dessen Fähigkeiten zur sachgerechten Entscheidung auszeichnet.28 Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt lässt sich daher mit einer gewissen Berechtigung von der Generalversammlung als dem obersten Gesellschaftsorgan sprechen. Das Handelsgesetzbuch von 1897 hat an der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft keine grundlegenden Änderungen mehr vorgenommen.29 Mit der Aktienrechtsreform von 1937 haben sich dann aber die Befugnisse der Generalversammlung jedoch zugunsten der Vorstandskompetenzen entscheidend reduziert, insbesondere ihre Kompetenz-Kompetenz wurde beseitigt.30 Daran ist weder durch das Aktienge27  s. zu den Zielen im Hinblick auf die Binnenorganisation die Gesetzesbegründung, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 407, 416; Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 85 ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 345 ff. 28  s. Gesetzesbegründung, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 407, 412: „Die Aktionäre (…) wollen eigene Thätigkeit nicht aufwenden, eine Verantwortlichkeit über den Umfang ihrer Einlage nicht tragen, möglichst hohe Dividenden beziehen und die Möglichkeit haben, sich in jedem Augenblick durch den Verkauf der Aktie von dem Unternehmen zurückzuziehen. (…) In den meisten Fällen werden die Generalversammlungen, auch soweit in ihnen der Wille der Aktionäre richtig zur Geltung gelangt, sich weniger von dem Interesse sachlicher Förderung des Unternehmens leiten lassen, als von dem durch die Rücksicht auf Dividenden, Kursstand und Verkäuflichkeit der Aktien bestimmten Interesse des Augenblicks.“ Der Gesetzgeber schildert im gleichen Zshg. allerdings auch strukturelle Nachteile, die sich mit der Verwaltung der AG verbinden. Insgesamt wendet er sich an dieser Stelle also gerade nicht spezifisch gegen die Aktionäre und ihre Versammlung, sondern es geht in erster Linie darum, rechtsformspezifische Nachteile darzustellen, die aber wegen der mit AG verbundenen gesamtwirtschaftlichen Vorteile hinzunehmen sind, soweit sie der Gesetzgeber nicht abmildern kann. 29  Vgl. zu dessen Auswirkungen auf das Aktienrecht Pahlow, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. I, S. 415 ff.; Schubert, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB 1897, Bd. 1, S. 66 ff. 30  Die historische rechtspolitische Debatte hatte dabei neben Sachargumenten wie der fehlenden Sachkunde und Präsenz der Aktionäre auch die Umsetzung nationalsozialistischen Gedankenguts, insbesondere des „Führerprinzips“ im Auge: vgl. aus dem Bereich der Vorarbeiten im Ausschuss für Aktienrecht der „Akademie für Deutsches Recht“ den 1. Bericht des Vorsitzenden Kißkalt vom April 1934, in: Schubert, Akademie, S. 473, 484 ff.; zum Gesetz selbst Klausing, AktienG 1937, Einleitung S. 59; s.a. (jedoch hinsichtlich der politischen Motivation weniger explizit) die Amtl. Begründung zum AktG 1937, abgedruckt ebd., S. 56 f.; rückblickend Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. I, S. 619, 624 ff.; B. Mertens, ZNR 2007, 88, 90 ff.; Fleischer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. II, S. 430, 435; heute wird dazu ganz überwiegend die Position vertreten, das Aktiengesetz von 1937 habe im Wesentlichen Tendenzen der Reformdebatte aus Weimarer Zeit aufgegriffen und diese im Grunde nur mit nationalsozialistischer Terminologie verbrämt: s. beispielhaft aus der Allg. Begründung RegE zum Aktiengesetz 1965 bei Kropff, AktG 1965, S. 13: „Das geltende Aktiengesetz von 1937 ist der Schlussstein der etwa um 1925 einsetzenden Bestrebungen gewesen, das bis dahin im Handelsgesetzbuch geregelte Aktienrecht zu erneuern. Die Reformforderungen zielten darauf ab, das Aktienrecht den durch den ersten Weltkrieg und die Nachkriegszeit veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Hinzu kam

C.  Strukturprinzipien: Machtbalance statt Hierarchie

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setz von 196531 noch durch spätere Reformen Entscheidendes geändert worden.32 Heute lässt sich die Hauptversammlung daher als „oberstes Organ“ allenfalls noch in dem recht eingeschränkten Sinne bezeichnen,33 dass sie die von ihr zu bestellenden Mitglieder des Aufsichtsrats wählt und abberuft, im Rahmen von § 84 Abs. 3 AktG Einfluss auf die Abberufung des Vorstands nehmen kann und allgemeiner, dass sie allein über Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck verfügen kann und so als einziges Organ verbindliche Vorgaben auch für die Tätigkeit anderer Organe zu formulieren in der Lage ist.34 Für die hier verfolgten Zwecke soll die Hauptversammlung aber auch in diesem eingeschränkten Sinn nicht als oberstes Organ der Gesellschaft bezeichnet werden. Denn damit entstünden überflüssige terminologische Spannungen zum GmbH- und Vereinsrecht, wo der entsprechenden Qualifikation des Mitgliederorgans eine viel weitergehende Bedeutung zukommt. später das Bemühen, den Missständen zu begegnen, die sich während der Wirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre gezeigt hatten. Zahlreiche Änderungen, die zu diesen Zwecken schon die Entwürfe des Reichsjustizministeriums von 1930 und 1931 vorsahen, sind in das Aktiengesetz von 1937 übergegangen. Auch die sonstigen Neuerungen, die in das Aktiengesetz Eingang gefunden haben, können nicht als typisch nationalsozialistisch bezeichnet werden.“; vgl. daneben auch noch Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 71, 73 f.; Schubert, ebd., S. 9, 67; ders., Akademie, Einl. S. XXV ff.; GroßkommAktG/ Assmann Einl. Rn. 152, 159 ff.; aus der Nachkriegslit. s. Schmalz, Verfassung, S. 95 ff.; s.a. BGHZ 159, 30, 39, 43 f., (Gelatine I); kritisch zu der These, die starken Kompetenzverschiebungen im Bereich der Binnenorganisation durch das Aktienrecht 1937 knüpften mehr oder weniger nahtlos an bereits in Weimarer Zeit prävalente Vorstellungen an B. Mertens, ZNR 2007, 88, 92 ff.; vgl. auch exemplarisch den Bericht von Hachenburg über das Ergebnis der Beratungen im aktienrechtlichen Arbeitsausschuss v. 7. 3. 1933, abgedruckt in: Schubert/ Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 823, 824, 825 ff. 31  Bei der großen Aktienrechtsreform von 1965, die zumindest anfänglich auch dadurch motiviert gewesen ist, das Aktienrecht von nationalsozialistischem Gedankengut zu bereinigen, ist nicht ernsthaft erwogen worden, die Beschneidung der Hauptversammlungskompetenzen grundsätzlich zu revidieren, weil sich im Rahmen der Debatte zügig die Erkenntnis durchsetzte, dass die daraus resultierende Kompetenzverteilung grundsätzlich sachgerecht ist: vgl. dazu nur Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. I, S. 670, 699 f. m.w.N. Die Kompetenzverteilung unter den Organen blieb daher in der Grundstruktur unberührt; s. zu einzelnen Modifikationen zur Stärkung der Hauptversammlung aber GroßkommAktG/Assmann Einl. Rn. 195, 201. In rechtspolitischer Hinsicht mag als Motiv auch zu berücksichtigen sein, dass eine Rückverlagerung von Kompetenzen von der Verwaltung auf die Hauptversammlung mittelbar auch den Einfluss der zwischenzeitlich eingeführten unternehmerischen Mitbestimmung reduziert hätte: vgl. B. Mertens, ZNR 2007, 88, 112. 32  Zum aktuellen Stand näher sogleich, § 6 D. 33  Die Bezeichnung als „oberstes Organ“ gänzlich ablehnend etwa Goette, AG 2006, 522; Fleischer, Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. II, S. 430, 437 m.w.N.; Spindler/Stilz/ Hoffmann § 118 Rn. 6; Hüffer/Koch, AktG, § 118 Rn. 4. 34  In diesem Sinne GroßkommAktG/Mülbert Vor. §§ 118 – 147 Rn. 43; Münch. Hdb. AG/ Semler § 34 Rn. 4 (3. Aufl.). In der Begründung ähnlich GroßkommAktG/Kort Vor. § 76 Rn. 13, der dafür aber den Begriff des „Basisorgans“ verwenden will (im Anschluss an von Rechenberg, Hauptversammlung, S. 158 ff.).

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

D.  Die Kompetenzverteilung zwischen den Organen I. Vorstand Der Vorstand wird wie der Aufsichtsrat als „Handlungsorgan“ der Gesellschaft bezeichnet und insoweit von der Hauptversammlung als „Willensbildungsor­gan“ abgegrenzt.35 Doch lässt sich die Abgrenzung nicht mit dieser Trennschärfe durchführen, weil auch die Verwaltungsorgane innerhalb des ihnen zugewiesenen Aufgabenbereichs für die Bildung des Gesellschaftswillens zuständig sind,36 während umgekehrt auch die Hauptversammlung die Funktion eines Handlungsorgans übernehmen kann, soweit ihre Beschlüsse ohne zusätzliche Vollzugsmaßnahmen Wirkung entfalten.37 1.  Leitung und Geschäftsführung Nach § 76 AktG hat der Vorstand die Aktiengesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Neben den Begriff der Leitung stellt das Gesetz in § 77 AktG den auch noch andernorts verwendeten Begriff der Geschäftsführung, ohne das Verhältnis beider zueinander zu klären.38 Dementsprechend wird dazu Unterschiedliches vertreten.39 Während vor allem im älteren Schrifttum zwischen beiden Begriffen nicht weiter differenziert wurde,40 geht man heute ganz überwiegend davon aus, dass der Begriff der Leitung einen besonders herausgehobenen Ausschnitt aus dem Feld der Geschäftsführung bezeichnet.41 Der Sinn eines selbständigen Leitungsbegriffs wird dabei in erster Linie darin gesehen, solche Kompetenzen zu kennzeichnen, die undelegierbar vom Vorstand selbst als Kollegialorgan wahrzunehmen sind.42 Insoweit betrifft die Abgrenzung zwischen Leitung und Geschäftsführung also ersichtlich einen Problembereich, der für die hier verfolgte s. etwa Hüffer/Koch, AktG, § 118 Rn. 3. Zutreffend GroßkommAktG/Mülbert Vor. §§ 118 – 147 Rn. 41. 37 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 232 mit Fn. 358; Nitschke, Personengesellschaft, S. 94 f. 38 s. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 9; Spindler/Stilz/ders. § 76 Rn. 12. 39  Vgl. zur Übersicht GroßkommAktG/Kort § 76 Rn. 28. 40  Vgl. für das ältere Schrifttum die Nachweise bei Spindler/Stilz/Fleischer § 76 Rn. 13 sowie GroßkommAktG/Kort a.a.O. (vorige Fn.); s. aus jüngerer Zeit etwa noch Semler, Leitung, Rn. 3 ff. 41 s. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 11; Spindler/Stilz/ders. § 76 Rn. 14; ders., ZIP 2003, 1, 3; GroßkommAktG/Kort § 76 Rn. 29; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 8; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn § 76 Rn. 4; MünchKommAktG/Spindler § 77 Rn. 5; Münch. Hdb. AG/Wiesner § 19 Rn. 16; s.a. Henze, BB 2000, 209. Nachweise für noch andere Ansätze bei GroßkommAktG/Kort a.a.O. 42 Vgl. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 11; Spindler/Stilz/ders. § 76 Rn. 14, 18 ff.; Henze, BB 2000, 209 ff; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 8; GroßkommAktG/ 35 

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D.  Die Kompetenzverteilung zwischen den Organen

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Fragestellung ohne Bedeutung ist. Gelegentlich wird aber auch die Ansicht vertreten, die Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung könne auch für die Kompetenzabgrenzung zwischen den Organen fruchtbar gemacht werden.43 Offenbar soll damit konkret aber nur gesagt sein, dass wegen der im Leitungsbegriff zum Ausdruck gelangenden Befugnis des Vorstands, auch über die Richtung der Gesellschaft im Ganzen zu bestimmen, die Annahme ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten nicht allein auf die wirtschaftliche, ggfs. sogar existentielle Bedeutung einer Maßnahme gestützt werden kann.44 Dem ist der Sache nach nicht zu widersprechen,45 doch hat diese Schlussfolgerung im Ergebnis nichts mit der Verselbständigung des Leitungsbegriffs zu tun. 2.  Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit Nach § 76 AktG hat der Vorstand die Gesellschaft darüber hinaus unter eigener Verantwortung zu leiten. Dies sichert die Leitungskompetenz des Vorstands dagegen ab, dass Hauptversammlung oder Aufsichtsrat Leitungsaufgaben entweder unmittelbar an sich ziehen oder auf deren Wahrnehmung mittelbar durch die Erteilung von Weisungen Einfluss nehmen.46 Die in diesem Sinne zu verstehende Eigenverantwortlichkeit des Vorstands ist jedoch nicht auf die Leitung – im Sinne der soeben geschilderten Differenzierung verstandenen als herausgehobener Teil der Geschäftsführung – beschränkt. Vielmehr gilt sie für die Geschäftsführung des Vorstands insgesamt.47 Insoweit ist also die Abgrenzung eines Bereichs von Leitungsmaßnahmen aus dem Feld der Geschäftsführung ohne Relevanz. Bestätigt wird dies durch die §§ 111 Abs. 4 S. 1 und 119 Abs. 2 AktG, die die Vorschrift von § 76 Abs. 1 AktG flankieren und systematisch ergänzen,48 und in denen jeweils unmittelbar der Begriff der Geschäftsführung in Bezug genommen wird. So bestimmt § 111 Abs. 4 S. 1 AktG, dass Maßnahmen der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden dürfen, § 119 Abs. 2 AktG, dass die Hauptversammlung nur über Fragen der Geschäftsführung entscheiden kann, wenn der Vorstand dies beantragt. Kort § 76 Rn. 34; KölnerKomm/Mertens/Cahn § 76 Rn. 4; MünchKommAktG/Spindler § 77 Rn. 5; Münch. Hdb. AG/Wiesner § 19 Rn. 16. 43  So insb. GroßkommAktG/Kort § 76 Rn. 30 f.; 79; § 77 Rn. 4; s.a. Münch. Hdb. AG/ Wiesner § 19 Rn. 16. 44  s. GroßkommAktG/Kort § 76 Rn. 31. 45  s. noch ausführlich unten, § 5 E. 46  Gleiches gilt für einzelne Aktionäre oder Aktionärsgruppen sowie außenstehende Dritte: vgl. zum Ganzen Fleischer ZIP 2003, 1; Spindler/Stilz/ders. § 76 Rn. 57 f.; Hüffer/ Koch, AktG, § 76 Rn. 25; GroßkommAktG/Kort § 76 Rn. 43; KölnerKomm/Mertens/Cahn § 76 Rn. 44; MünchKommAktG/Spindler § 76 Rn. 22. 47  s. z. B. KölnerKomm/Mertens/Cahn § 76 Rn. 44; Kübler/Assmann, GesR § 15 III 4 (S. 205). 48 Vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1; MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 96; MünchKommAktG/Spindler § 76 Rn. 22.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

3.  Grenzen der Eigenverantwortlichkeit Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Vorstandshandelns gilt allerdings nicht schrankenlos. a)  Begrenzungsfunktion des Unternehmensgegenstandes Zunächst ist zu beachten, dass der Vorstand seine Leitungsmacht von vornherein nur im Rahmen des gem. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG satzungsmäßig festzulegenden Unternehmensgegenstands entfalten kann.49 Insoweit geht also die Satzungskompetenz der Hauptversammlung der Leitungskompetenz des Vorstands vor.50 Der Unternehmensgegenstand kann dabei nach heute wohl herrschender Ansicht nicht nur als Überschreitungs-, sondern in Form eines Unterschreitungsverbotes auswirken, sofern die Auslegung der Satzung ergibt, dass ein Tätigkeitsfeld nicht nur exemplarisch erwähnt, sondern verbindlich festgeschrieben werden soll.51 Die durch die Satzung gesetzte Schranke für die Leitungstätigkeit des Vorstands gilt dabei nach heute nahezu einhelliger Ansicht auch in der Unternehmensgruppe.52 Der Vorstand darf also Tochtergesellschaften nicht zu dem Zweck einsetzten, unternehmerische Tätigkeiten in Branchen zu entfalten, die vom Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft nicht gedeckt sind. Umgekehrt kann sich dieser Grundsatz der konzernweiten Zurechnung aufgrund des Unterschreitungsverbots auch dahin auswirken, dass die Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung nicht ohne Änderung des Unternehmensgegenstandes vorgenommen werden darf.53 Darüber hinaus beschränkt der Unternehmensgegenstand auch die Möglichkeit der Beteiligungsbildung an sich. Dies gilt zunächst für den Erwerb kapitalistischer 49  s. etwa Spindler/Stilz/Fleischer § 76 Rn. 60; ders., ZIP 2003, 1, 2; Grunewald, GesR, § 10 Rn. 50; GroßkommAktG/Kort § 76 Rn. 45; MünchKommAktG/Spindler § 76 Rn. 24; GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 67; bei einem sehr eng gefassten Unternehmensgegenstand können sich allerdings Friktionen mit dem Konzept der autonomen Leitungsmacht des Vorstands ergeben; vgl. näher Spindler/Stilz/Fleischer § 76 Rn. 60 und § 82 Rn. 33 m.w.N.; GroßkommAktG/Röhricht § 23 Rn. 85; s.a. OLG Stuttgart NZG 2006, 790 u. dazu Priester, in: FS Hüffer, S. 777 ff. 50  s. GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 67. 51  s. etwa OLG Köln AG 2009, 416, 417; OLG Stuttgart AG 2005, 693, 695 f.; Emmerich/ Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 31; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 227; MünchKommAktG/Stein § 179 Rn. 106; Timm, Aktiengesellschaft, S. 26; GroßkommAktG/ Wiedemann § 179 Rn. 60; mit zurückhaltender Tendenz Hüffer/Koch, AktG, § 179 Rn. 9a. 52 s. etwa Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 271; KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 60; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 7; Liebscher, ZGR 2005, 1, 5; ders., Konzernbildungskontrolle, S. 65 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 375; MünchKomm­ AktG/Spindler § 82 Rn. 39; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 276; Westermann, ZGR 1984, 352, 360 f. 53  s. MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 66; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 31.

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Beteiligungen,54 sofern es sich nicht lediglich um Finanzanlagen handelt, die der kurzfristigen Anlage von Finanzmitteln dienen und die dementsprechend jederzeit liquidiert werden können.55 Letztere werden nach ganz herrschender Ansicht als Hilfsgeschäfte zur Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes von diesem stets mit abgedeckt.56 Für kapitalistische Beteiligungen jenseits kurzfristiger Finanzanlagen wird dagegen eine besondere Gestattung durch die Satzung für erforderlich gehalten.57 Dieses Erfordernis wird dabei in erster Linie aus der Überlegung abgeleitet, dass eine derartige Betätigung einen eigenen Geschäftszweig darstellt („Vermögensanlage“)58 und daher von einem Unternehmensgegenstand, der sich etwa auf die Produktion von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen erstreckt, nicht mehr gedeckt sein kann.59 Diese Überlegung zeigt, dass für die Frage, ob der Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft eingehalten ist, bei kapitalistischen Beteiligungen allein auf das Tätigkeitsprogramm der Obergesellschaft („Vermögensanlage“) abgestellt wird, während das Tätigkeitsfeld der Untergesellschaft unberücksichtigt bleibt. Dementsprechend entfällt das Erfordernis einer Gestattung durch die Satzung auch dann nicht, wenn sich die Beteiligungsgesellschaft in der gleichen Branche betätigt. Daraus folgt umgekehrt, dass dann, wenn die Satzung kapitalistische Beteiligungen erlaubt, auch solche Beteiligungen erworben werden dürfen, die vom Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft nicht gedeckt sind.60 Dies unterscheidet kapitalistische von unternehmerischen Beteiligungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie – in erster Linie aufgrund der Höhe der Beteiligung – die Möglichkeit unternehmerischer Einflussnahme eröffnen.61 Dies rechtfertigt es, die Tätigkeit der Beteiligungsgesellschaft der Obergesellschaft als eigene unternehmerische Betätigung zuzurechnen und damit den

54  s. etwa Götz, AG 1984, 85, 90; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 47, 268; KölnerKomm/Koppensteiner Vor. § 291 Rn. 61; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 67 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 421 ff.; Timm, Aktiengesellschaft, S. 96; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 375; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 139 ff.; GroßkommAktG/ Wiedemann § 179 Rn. 63; a.A. (allerdings ohne nähere Begründung) von Rechenberg, Hauptversammlung, S. 79. 55  s. zur genauen Abgrenzung Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 429 ff. 56  s. KölnerKomm/Koppensteiner, Vor. § 291 Rn. 61; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 67; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 422; GroßkommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 63. 57  s. die Nachweise in den vorhergehenden Fn. 58  s. GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 63. 59 s. Hommelhoff, Konzernleitung, S. 46 ff.; KölnerKomm/Koppensteiner, Vor. § 291 Rn.61; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 432 mit umfassenden Nachweisen; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 375; GroßkommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 63. 60 s. Groß, AG 1994, 266, 268; KölnerKomm/Koppensteiner, Vor. § 291 Rn. 61; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 375. 61  s. zur genaueren Abgrenzung unternehmerischer von kapitalistischen Entscheidungen Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 422 ff.; daneben Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 381 f.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

gleichen Grenzen durch den Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft zu unterwerfen, wie sie für deren unmittelbare Aktivitäten gelten. Der ganz überwiegende Teil der Literatur und die Rechtsprechung belassen es für unternehmerische Beteiligungen allerdings nicht bei dieser Grenze. Vielmehr halten sie auch insoweit – d.h. für die Ausbildung von unternehmerischen Beteiligungen innerhalb des Unternehmensgegenstandes der Obergesellschaft – eine ausdrückliche Gestattung durch die Satzung für erforderlich.62 Insoweit wird mit unterschiedlichen Begründungen angenommen, dass der Vorstand im Rahmen seiner Pflicht, den Unternehmensgegenstand auszufüllen,63 diesen grundsätzlich unmittelbar auszufüllen hat.64 Die Gelantine-Entscheidungen zeigen, dass sich nun auch der Bundesgerichtshof diesen Standpunkt – wenn auch ohne nähere Diskussion – zu eigen macht. Dies ergibt sich zwar nur mittelbar, aber doch mit hinreichender Klarheit aus seinen Überlegungen zu der Frage, ob sich die Existenz einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel auf die von ihm angenommenen ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung auswirkt. Insoweit führt der Bundesgerichtshof aus: „Mit der Aufnahme einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel in die Satzung erweitern die Aktionäre lediglich den Handlungsspielraum des Vorstandes, der dementsprechend nicht gehalten ist, den Unternehmensgegenstand ausschließlich durch eigene operative Tätigkeit der Aktiengesellschaft zu verwirklichen, sondern dafür auch zu gründende oder zu erwerbende Gesellschaften oder Beteiligungen einsetzen darf.“65 62  Heute wohl h.M., s. BGHZ 159, 30, 46 (Gelatine I); noch offen gelassen in BGHZ 83, 122, 130 (Holzmüller); Groß, AG 1994, 266, 269; Blasche, DB 2011, 517, 520; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 31; Emmerich/ders., KonzernR § 9 Rn. 1 (S. 114); Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 159; KölnerKomm/Koppensteiner Vorbem. § 291 Rn. 17 ff. (Ausgliederung), Rn. 62 (Beteiligungserwerb); Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 5; Kropff, ZGR 1984, 112, 130 f.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 68 ff.; Lutter, in: FS K. Schmidt, S. 1065, 1069; ders. FS Stimpel, S. 825, 847; Rehbinder, in: FS Coing, Bd. II, S. 423, 433; MünchKommAktG/Stein § 179 Rn. 112 f.; Timm, Konzernspitze, S. 89; GroßkommAktG/ Wiedemann § 179 Rn. 64; ders., ZGR 1975, 385, 416; KölnerKomm/Zöllner § 179 Rn. 121; a.A. etwa Götz, AG 1984, 85, 90 f; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 227 f.; Hübner, in: FS Stimpel, S. 291, 294; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 267 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 379; Reichert, ZHR Sonderheft 68 (1999), 25, 40 f.; für einen umfassenden Überblick über den Meinungsstand vgl. Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 447 ff., der seinerseits eine allgemeine Konzernklausel für entbehrlich hält, weil er noch weitergehend meint, dass oberhalb einer Bagatellschwelle die Aufnahme einer speziellen, auf die konkrete Veränderung der Unternehmensstruktur zugeschnittene Satzungsklausel erforderlich sei (a.a.O., S. 490 ff.); dagegen überzeugend MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1078. 63  Hierzu besteht nach h.M. ebenfalls eine Verpflichtung: s. etwa Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 31 mit umfassenden Nachweisen; ders., KonzernR, § 9 I (S. 114); Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 300 ff.; differenzierend Hüffer/Koch, AktG, § 179 Rn. 9a; aus der Rechtsprechung etwa OLG Stuttgart NZG 2003, 778, 783 (KGaA); für die AG etwa LG Köln AG 2008, 327, 331 und nachgehend OLG Köln AG 2009, 416, 417 f. 64  Vgl. für einen Überblick über die Begründungsansätze Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 458 ff. 65  BGHZ 159, 30. 46.

D.  Die Kompetenzverteilung zwischen den Organen

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Die h.A. entnimmt dem Unternehmensgegenstand also mit anderen Worten auch eine Vorgabe für die Unternehmensstruktur. Dem wird man mit der Erwägung beipflichten können, dass die durch den Einsatz von Beteiligungsgesellschaften vermittelte Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes eine andere Sach- und Rechtsqualität aufweist, als die unmittelbare Geschäftsführung.66 Insoweit wird auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Art der Beteiligungsbildung – Ausgliederung, Bargründung oder Dritterwerb – keinen entscheidenden Einfluss auf die rechtliche Beurteilung haben kann.67 Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass entsprechende Satzungsklauseln in der Praxis allgemein weit verbreitet sind.68 An dieser Anforderung wird die Gruppenbildung also nur selten scheitern, was zugleich die Bedeutung des geschilderten Meinungsstreites relativiert. In der Praxis stellt sich daher die Frage, ob die Aktionäre bei der Bildung von Beteiligungen mitwirken müssen, in erster Linie als Frage danach, ob die betreffende Maßnahme auf Grund einer ungeschriebenen Zuständigkeit auch ad hoc der Mitwirkung der Hauptversammlung bedarf. b)  Sonstige Grenzen Im Übrigen hat der Vorstand zwar nach § 83 Abs. 2 AktG die von der Hauptversammlung beschlossenen Maßnahmen auszuführen, doch gilt dies ausdrücklich nur für solche, die diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossen hat. Ein Weisungsrecht der Hauptversammlung außerhalb der ihr ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen folgt daraus also gerade nicht.69 An Beschlüsse über Fragen der Geschäftsführung ist der Vorstand daher nach § 83 Abs. 2 AktG nur gebunden, wenn er von der nach § 119 Abs. 2 AktG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Frage der Hauptversammlung zur Entscheidung vorzulegen.70 Eine Vorlagepflicht des Vorstands besteht insoweit auch für besonders wichtige oder riskante Geschäftsführungsmaßnahmen grundsätzlich nicht.71 66  So etwa GroßkommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 64; ähnlich KölnerKomm/Koppensteiner, Vor. § 291 Rn. 62; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 69 f.; MünchKomm­ AktG/Stein, § 179 Rn. 113. 67 s. Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 69; KölnerKomm/Koppensteiner, Vor. § 291 Rn. 62 (obgleich in der Problemdarstellung zwischen Ausgliederung und Dritterwerb differenziert wird); GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 64; insoweit gleicher Ansicht auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 376. 68  s. etwa Hübner, in: FS Stimpel, S. 291, 294; Jansen, Konzernbildung, S. 311 ff. (mit empirischer Erhebung); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rn. 34; MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 113; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 413 ff, 450. 69 s. Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 27. 70  In diesem Fall bindet der Beschluss wie eine Weisung, sofern die Hauptversammlung nicht lediglich eine Empfehlung ausspricht: s. Grunewald, GesR, § 10 Rn. 111; Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 15; GroßkommAktG/Kort § 76 Rn. 44; MünchKommAktG/Spindler § 76 Rn. 22. 71  s. Spindler/Stilz/Fleischer § 76 Rn. 52; MünchKommAktG/Spindler § 76 Rn. 22; s. aber auch noch zu dem später aufgegebenen Versuch durch BGHZ 83, 122, aus § 119 Abs. 2

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Daneben bestehen trotz der grundsätzlichen Trennung der Funktionsbereiche auch Möglichkeiten des Aufsichtsrats, auf die Geschäftsführung des Vorstands durch Zustimmungsvorbehalte Einfluss zu nehmen, worauf sogleich noch näher einzugehen sein wird.

II. Aufsichtsrat Wie der Vorstand ist der Aufsichtsrat Handlungs- und Willensbildungsorgan der Gesellschaft.72 Die funktionsprägende Kompetenz des Aufsichtsrates liegt dabei in der Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands, wie dies § 111 Abs. 1 AktG verdeutlicht.73 Neben die Überwachungskompetenz treten die ähnlich bedeutsame Personalkompetenz (§ 84 AktG) sowie zahlreiche weitere Aufgaben, die dem Aufsichtsrat durch eine Reihe von Einzelvorschriften übertragen werden.74 Wenn insgesamt auch die Kontrollfunktion dominiert, so ist der Aufsichtsrat darauf jedoch nicht beschränkt. Entgegen der kategorisch anmutenden Bestimmung des § 111 Abs. 4 S. 1 AktG wird er vielmehr in beschränktem Umfang auch im Bereich der Geschäftsführung tätig. Dies gilt etwa im Rahmen seiner Personalkompetenz nach § 84 AktG, wo er unmittelbar und an Stelle des Vorstands geschäftsführend tätig wird.75 Zudem ist Bestandteil der Überwachung nicht nur die vergangenheitsbezogene Kontrolle bereits erfolgter Geschäftsführungsmaßnahmen, sondern auch die auf zukünftige Leitungsmaßnahmen gerichtete Beratung des Vorstands.76 Dies ermöglicht es dem Aufsichtsrat, jedenfalls im Hinblick auf wichtige unternehmerische Entscheidungen an der Leitungsaufgabe zu partizipieren.77 In den gleichen Zusammenhang gehört auch die Vorschrift von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, nach der durch die Satzung oder den Aufsichtsrat zu bestimmen ist, dass der Vorstand für bestimmte Geschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf.78 Derartige Zustimmungsvorbehalte begründen zwar lediglich eine Art AktG eine Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung abzuleiten unten, § 5 E.II.1 und E.V.4.a). 72  s. dazu, dass sich nicht nur die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan bezeichnen lässt bereits oben, § 5 D.I. 73  Vgl. MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 1; GroßkommAktG/Hopt § 111 Rn. 24; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 1; s.a. Grunewald, GesR, § 10 Rn. 80. 74 Aufzählungen bei MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 2; GroßkommAktG/ Hopt/Roth § 111 Rn. 25; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 1. 75 s. GroßkommAktG/Hopt/Kort § 111 Rn. 67; MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 99, dort auch noch zu weiteren Konstellationen, in denen der Aufsichtsrat Aufgaben im Bereich der Geschäftsführung wahrnimmt. 76 s. MünchKommAG/Hoffmann-Becking § 29 Rn. 32; GroßkommAktG/Hopt/Roth § 111 Rn. 61; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 13. 77  Vgl. GroßkommAktG/Hopt/Roth § 111 Rn. 61; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 13. 78  Zu weiteren Konstellationen, in denen der Aufsichtsrat Aufgaben im Bereich der Geschäftsführung wahrnimmt s. MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 99.

D.  Die Kompetenzverteilung zwischen den Organen

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Vetorecht des Aufsichtsrats und eröffnen ihm folglich nicht die Möglichkeit, in eigener Initiative gefasste Leitungsvorstellungen zu verwirklichen;79 doch kann auch durch eine präventiv ausgeübte Kontrolle ein nicht unerheblicher Einfluss auf das Vorstandshandeln gewonnen werden.80 Auch insoweit lässt sich also von einer Teilhabe des Aufsichtsrats an der Geschäftsführung sprechen.81 Soweit der Aufsichtsrat im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben – mit einer von § 120 Abs. 2 AktG verwendeten Formulierung – an der Verwaltung der Gesellschaft beteiligt ist, unterliegt er im Verhältnis zur Hauptversammlung den gleichen grundsätzlichen Freiheiten und Schranken wie der Vorstand. So bildet einerseits auch für seine Verwaltungstätigkeit der durch die Satzung festgelegte Unternehmensgegenstand einen verbindlichen Rahmen.82 Andererseits ist auch er aber nicht an Weisungen der Hauptversammlung gebunden.83

III. Hauptversammlung Die Primärfunktion der Hauptversammlung liegt in ihrer Eigenschaft als Willensbildungsorgan.84 Nach der Vorschrift von § 119 Abs. 1 AktG, in der sich wiederum das vom Aktiengesetz verfolgte Konzept der Funktionentrennung aktualisiert,85 ist die Hauptversammlung zur Willensbildung grundsätzlich allerdings nur in den ihr durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich zugewiesenen Fällen berufen. Außerhalb dieser Zuständigkeitsbereiche findet die für die Aktiengesellschaft relevante Willensbildung durch Vorstand und Aufsichtsrat statt. Insoweit lässt sich die Hauptversammlung über den Begriff des Willensbildungsorgans also nicht funktional gegen die Verwaltungsorgane abgrenzen.86 Die Besonderheit der Hauptversammlung liegt vielmehr darin, dass sie das Gesellschaftsorgan darstellt, in dem sich die Verbandsmitglieder organisieren und welches als einziges nicht zwin79 s. Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 33; GroßkommAktG/Kort § 76 Rn. 43; MünchKomm­ AktG/Habersack § 111 Rn. 97. 80 s. Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 33; Spindler/Stilz/Spindler § 111 Rn. 66. Es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass die prinzipielle Funktionentrennung nicht über § 111 Abs. 4 S. 2 AktG unterlaufen werden darf. Dies schließt etwa die Anordnung von Generalvorbehalten ebenso wie Vorbehalte im Bereich alltäglicher Geschäftsführungsmaßnahmen aus: vgl. mit Unterschieden im Detail MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 106; GroßkommAktG/Hopt/Roth § 111 Rn. 639 ff.; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 40 ff. 81 Vgl. MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 13 f.; Münch. Hdb. AG/HoffmannBecking § 29 Rn. 51; GroßkommAktG/Hopt/Roth § 111 Rn. 79 ff. 82  s. GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 58; vgl. auch bereits oben (§ 5 D.I.3.) die entsprechenden Ausführungen zum Vorstand. 83  s. GroßkommAktG/Hopt/Roth § 111 Rn. 78. 84  Hinzu tritt eine Vertretungsfunktion mit eng beschränktem Umfang: s. Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 12; GroßkommAktG/Mülbert Vor §§ 118 – 147 Rn. 20 ff. 85 s. Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 1. 86  s. GroßkommAktG/Mülbert Vor. §§ 118 – 147 Rn. 41 u. bereits oben, § 5 D.I.

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gend an Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck gebunden ist, sondern ­darüber im Rahmen der erforderlichen Mehrheiten verfügen kann.87 1.  Gesetzliche Kompetenzen Gesetzliche Kompetenzzuweisungen finden sich in zahlreichen Vorschriften des Aktiengesetzes.88 Aus diesen Normen ergeben sich auch diejenigen Zuständigkeiten, die im Katalog des § 119 Abs. 1 AktG exemplarisch aufgeführt werden.89 Außerhalb des Aktiengesetzes beinhaltet insbesondere das Umwandlungsgesetz Kompetenzzuweisungen an die Hauptversammlung.90 Die gesetzlichen Zuständigkeiten der Hauptversammlung werden üblicherweise in wiederkehrende Maßnahmen, Strukturmaßnahmen sowie „sonstige“ Maßnahmen unterteilt, die sich einer Zuordnung zu den beiden erstgenannten Kategorien entziehen.91 Zu den wiederkehrenden Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, gehören die in § 119 Abs. 1 Nr. 1 – 4 genannten Materien, also die Beschlüsse über die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder nach § 101 Abs. 1 AktG,92 die Verwendung des Bilanzgewinns nach § 174 AktG, die Entlastung der Mitglieder der Verwaltungsorgane gem. § 120 Abs. 1 AktG, sowie die Wahl des Abschlussprüfers gem. § 318 Abs. 1 HGB.93 Zu den Strukturmaßnahmen sind zunächst die von § 119 Abs. 1 Nr. 5, 6 und 8 AktG erwähnten Maßnahmen zu rechnen. Erfasst werden insoweit Satzungsänderungen (Nr. 5), Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und -herabsetzung (Nr. 6), die gesondert aufgeführt werden, obwohl in ihnen gleichfalls Satzungsänderungen liegen,94 sowie die Auflösung der Gesellschaft (Nr. 8). Über die in § 119 Abs. 1 AktG erwähnten Maßnahmen hinaus enthält das Aktiengesetz weitere Kompetenzzuweisungen, die Strukturmaßnahmen betreffen.95 Dazu gehören etwa Fortsetzungsbeschlüsse nach § 274 AktG und Verträge über die Verpflichtung zur 87 

Vgl. GroßkommAktG/Mülbert Vor. §§ 118 – 147 Rn. 42. überblicksweise die Auflistungen bei Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 5 ff.; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 11 ff.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 12 ff. 89  s. MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 9; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 10. 90  s. zu Beispielen sogleich im Text. 91 s. Grunewald, AG 1990, 133 f.; Hüffer/Koch, AktG § 119 Rn. 5; MünchKommAktG/ Kubis § 119 Rn. 11 ff.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 11; für eine Einteilung in „Einfluss- Finanz- und Strukturentscheidungen“ Lutter, in: FS Stimpel, 825, 837. 92 Dies gilt vorbehaltlich der mitbestimmungsrechtlichen Sonderregeln und etwaiger Entsenderechte (§ 101 Abs. 2 AktG). 93  Hinzu kommen noch die Vorschrift des § 120 Abs. 4 über die Billigung des Vergütungssystems bei börsennotierten Gesellschaften sowie die Vorschrift des § 286 Abs. 1 AktG, die allerdings nur die KGaA betrifft: s. MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 12. 94 s. Hüffer/Koch, AktG § 119 Rn. 5. 95  s. übersichtsweise Hüffer/Koch, AktG § 119 Rn. 7; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 15; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 14. 88  s.

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Übertragung des Gesellschaftsvermögens im Ganzen nach § 179a AktG. Hinzu kommen konzernrechtliche Maßnahmen wie der Abschluss und die Änderung von Unternehmensverträgen gem. §§ 293, 295 AktG und die Eingliederung nach §§ 319 f. AktG.96 Weitere Kompetenzzuweisungen für Strukturmaßnahmen finden sich in den Vorschriften des Umwandlungsgesetztes. Danach ist im Ergebnis für jede der durch dieses Gesetz zur Verfügung gestellten Umwandlungsmaßnahmen – also Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel – ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich.97 Neben wiederkehrenden und Strukturmaßnahmen existieren noch verschiedenen Sonderfälle, die sich einer Zuordnung zu einer dieser beiden Kategorien entziehen.98 Dazu gehört etwa aus dem Maßnahmenkatalog des § 119 Abs. 1 AktG nach dessen Nr. 7 die Bestellung von Sonderprüfern gem. §§ 142 ff. AktG.99 Hinzu tritt eine ganze Reihe weitere Befugnisse, die über das Aktiengesetz verstreut geregelt sind.100 2.  Durch Satzung zugewiesene Kompetenzen Ohne besondere Bedeutung ist die von § 119 Abs. 1 AktG vorausgesetzte Möglichkeit, dass der Hauptversammlung weitere Zuständigkeiten durch eine ausdrückliche Regelung in der Satzung zugewiesen werden können. Denn wegen der zwingenden gesetzlichen Kompetenzverteilung verbleiben dafür nur geringfügige Gestaltungsspielräume.101 3.  Pflichten zur Einberufung der Hauptversammlung Nach § 121 Abs. 1 AktG muss der Vorstand die Hauptversammlung nicht nur in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen, sondern auch immer dann einberufen werden, wenn das Wohl der Gesellschaft dies erfordert. Eine parallele Bestimmung enthält § 111 Abs. 3 AktG auch für den Aufsichtsrat. Beide Regelungen sind aber nicht im Sinne einer generalklauselartigen Zuständigkeitserweiterung der Hauptversammlung zu verstehen. Sie setzten vielmehr jedenfalls grundsätzlich voraus, dass bereits eine anderweitig begründete Beschlusskompetenz der Grunewald, GesR, § 10 Rn 112; Hüffer/Koch, AktG § 119 Rn. 7. für die Verschmelzung §§ 13, 65, 73 UmwG; für die verschiedenen Varianten der Spaltung §§ 125 i.V.m. 65, 73 AktG; für die Vermögensübertragung §§ 176 Abs. 1 i.V.m. 65 u. 177 Abs. 1 i.V.m. 125, 65; für den Formwechsel §§ 193 f. UmwG. 98 s. Hüffer/Koch, AktG § 119 Rn. 8 f.; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 10; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 11, 16. 99 s. Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 8. 100  s. für eine Auflistung Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 9; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 15 f.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 5. 101 s. Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 10, auch mit Bsp. für verbleibende Gestaltungsmöglichkeiten. 96 s.

97  s.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Hauptversammlung gegeben ist.102 Weder Aufsichtsrat noch Vorstand sind danach verpflichtet, die Hauptversammlung mit Angelegenheiten zu befassen, die außerhalb ihrer Zuständigkeit liegen.103 Insbesondere eine auf §§ 111 Abs. 3, 121 Abs. 1 AktG gestützte Pflicht, die Hauptversammlung mit Geschäftsführungsfragen zu befassen, besteht daher nicht. Dies hat zur Folge, dass die in § 121 Abs. 1 AktG enthaltene Regelung ganz überwiegend als obsolet angesehen wird, soweit sie auf das Wohl der Gesellschaft rekurriert.104

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen Neben den auf Gesetz und Satzung gestützten Zuständigkeiten der Hauptversammlung werden in Literatur und Rechtsprechung schon seit geraumer Zeit auch ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten diskutiert (I.). In der als Holzmüller-Urteil bekanntgewordenen grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1982 hat auch der Bundesgerichtshof derartige Zuständigkeiten anerkannt (II.). Das Urteil ist in der Folge von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung aufgegriffen und auf eine Reihe ganz unterschiedlicher Sachverhalte angewendet worden. Der Bundesgerichtshof selbst hat sich dagegen erst über 20 Jahre später in den Gelatine-Urteilen aus dem Jahr 2004 erneut grundlegend zu den in der Holzmüller-Entscheidung aufgestellten Grundsätzen äußern und deren Anwendungsbereich weiter präzisieren können (III.). In der Zwischenzeit hatte aber das Holzmüller-Urteil hat in der rechtswissenschaftlichen Literatur zu einer kaum überschaubaren Flut von einerseits kritischen, andererseits befürwortenden und die Rechtsprechung ausbauenden Stellungnahmen geführt. Auf dieser Basis hat sich ein ausdifferenzierter Streitstand entwickelt. Die Gelatine-Urteile haben die Diskussion zwischenzeitlich allerdings deutlich beruhigt und wichtige Streitfragen zumindest für die Praxis geklärt, was die Darstellung des Streitstandes nicht unwesentlich entlastet (IV.). Zu den danach noch verbleibenden Streitfragen wird Stellung zu nehmen sein, soweit sie für den Fortgang der Arbeit relevant sind (V.). Neben die grundsätzliche

102  Vgl. MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 90; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 30, § 121 Rn. 5; MünchKommAktG/Kubis § 121 Rn. 9, 21; Münch. Hdb. AG/Bungert § 36 Rn. 5, 12; Spindler/Stilz/Spindler § 111 Rn. 61. 103  Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob Vorstand und Aufsichtsrat die Hauptversammlung auch zu bloßen Unterrichtungszwecken oder zur Erörterung bestimmter Vorgänge einberufen dürfen, was unterschiedlich beurteilt, für den Vorstand inzwischen aber überwiegend bejaht wird: vgl. näher Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 31, § 121 Rn. 5; Münch­ KommAktG/Kubis § 119 Rn. 6, § 121 Rn. 10, 21; Münch. Hdb. AG/Bungert § 36 Rn. 6. 104  Sie wird auch nicht für die Fälle benötigt, in denen das Gesetz zwar eine gesetzliche Zuständigkeit der Hauptversammlung statuiert, nicht aber auch ausdrücklich eine Einberufungspflicht ausspricht, da sich die Einberufungspflicht auch in diesen Fällen bereits aus § 121 Abs. 1 Var. 1 AktG ergibt: s. Hüffer/Koch, AktG, § 121 Rn. 3, 5; s.a. bereits Begründung RegE bei Kropff, AktG 1965, S. 168.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Stellungnahme tretende Folge- und Vertiefungsfragen bleiben einem gesonderten Abschnitt vorbehalten (VI.).

I.  Entwicklungslinien bis zum Holzmüller-Urteil Die Diskussion um ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten reicht weit zurück.105 Bereits unter Geltung des ADHGB 1884 bzw. des HGB 1897 entfaltete sich eine erste Kontroverse. Freilich bezog sich diese auf eine normative Ausgangsbasis, die sich mit der Aktienrechtsreform von 1937 grundlegend und dauerhaft ändern sollte. Gleichwohl ist auch die frühe Diskussion für den weiteren Fortgang dieser Untersuchung von Interesse, weil in ihr noch Verbindungslinien zwischen Aktienrecht, GmbH- und Vereinsrecht gegenwärtig sind, die zwar später durch die weitere Entwicklung des Aktienrechts gekappt werden, für GmbH und Verein aber nach wie vor fruchtbar gemacht werden können. Aus diesem Grund ist diese frühe Diskussion in einem ersten Abschnitt ausführlicher in Bezug zu nehmen (1.). In der Folge lebt die Diskussion erst unter dem Aktiengesetz von 1965 erneut auf. Sie nähert sich der Problematik dabei aus einem ganz anderen, nämlich spezifisch konzernrechtlich geprägten Blickwinkel. Dies ist in einem zweiten Abschnitt nachzuvollziehen (2.). 1.  Reichsgerichtliche Entscheidungen zum Aktiengesetz von 1884 Die Diskussion um ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten und damit einhergehende Einberufungspflichten in der Aktiengesellschaft lässt sich bis zu zwei um die Jahrhundertwende ergangenen Urteilen des Reichsgerichts – Grubenbahn106 und Melasse107 – zurückverfolgen, deren Folge ein erster intensiverer wissenschaftlicher Diskurs dieser Frage war,108 einschließlich ihrer Aufnahme auf die Tagesordnung des 27. Deutschen Juristentages.109 Zwar sind beide Entscheidungen noch auf der Grundlage des Aktiengesetzes von 1884 ergangen, so dass sie 105  s. etwa Fleischer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. II, 430, 438 ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 368 ff. 106  RGZ 35, 83 (1895). 107  RG Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XI (1902), 266 (verkürzter Abdruck); vollständiger Abdruck im Folgejahr, RG Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 197 (mit Anm. Endemann). 108  Beide Entscheidungen betreffen neben dem Vorstand auch den Aufsichtsrat und unterwerfen ihn im Verhältnis zur Generalversammlung den gleichen Schranken und Einberufungspflichten. Die folgenden Ausführungen stellen dies im Interesse der Übersichtlichkeit nicht gesondert dar, zumal es darauf auch nicht weiter ankommt. 109  Vgl. insoweit die Anm. von Endemann, a.a.O. (vorige Fn.); Simon, DJZ 1904, 778; s. außerdem die Gutachten von Lehmann und Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57 ff. sowie 80 ff.; Darstellungen der reichsgerichtlichen Urteile in der jüngeren Lit. bei Fleischer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. II, S. 430, 438 ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 368 ff., 372 ff.; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 108 ff.

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sich auf rechtliche Rahmenbedingungen beziehen, die sich bereits mit dem Aktiengesetz von 1937 grundlegend und endgültig geändert haben. Interessant sind sie diese Entscheidungen aber gleichwohl, weil sie in eine Zeit gehören, in der die Verbindungslinien zwischen dem Aktienrecht und dem GmbH- bzw. Vereinsrecht noch offener zu Tage liegen und die Diskussion zumindest in Ansätzen eine durchaus rechtsformübergreifende ist. So zieht etwa Hermann Staub in seinem Gutachten für den 27. Deutschen Juristentag eine Parallele zwischen § 236 Abs. 2 ADHGB und § 49 Abs. 2 des wenige Jahre zuvor in Kraft getretenen GmbH-Gesetzes und spricht sich für eine gleichsinnige Auslegung aus.110 Der zweite Gutachter, Karl Lehmann, bezieht sich zusätzlich noch auf § 44 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes sowie § 36 BGB und betont ganz allgemein, die aufgeworfene Frage sei im Grunde für alle Körperschaften relevant, die des Handelsrechts, wie auch die des Bürgerlichen Rechts.111 Diese Einschätzung hat sich zumindest insoweit als treffend erwiesen, als dass sich bestimmte, seinerzeit auf das Aktienrecht bezogene Diskurselemente bis heute in der Diskussion um die Kompetenzen der Verwaltung vor allem im GmbH-Recht, aber auch im Vereinsrecht wiederfinden. a)  Die Reichsgerichtsentscheidungen „Grubeneisenbahn“ und „Melasse“ Die Grubenbahn-Entscheidung betraf eine klagende Aktiengesellschaft, deren früherer Vorstand einen wohl substantiellen Teil des Gesellschaftsvermögens, nämlich ein Teilstück einer Grubenbahn, unentgeltlich an den Staat übertragen hatte, ohne dies zuvor der Beschlussfassung der Generalversammlung zu unterbreiten.112 Zur Begründung ihres Handelns beriefen sich die beklagten Vorstandsmitglieder darauf, dass nur so der Anschluss der Grube an das staatliche Eisenbahnnetz auch künftig habe sichergestellt werden können, weil die Grube andernfalls aufgrund eines durch das zuständige Ministerium neu projektierten Streckenverlaufs ganz umgangen worden wäre.113 Das Berufungsgericht sah in der Übertragung an sich unter diesen Voraussetzungen keinen haftungsbegründenden Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (Art. 241 110 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 88; s. zur Auslegung noch näher ders., GmbHG (1903), § 49 Anm. 6. Staub weist allerdings auch darauf hin, dass die Vorschrift des GmbH-Rechts im Gegensatz zur aktienrechtlichen Vorschrift abdingbar ausgestaltet sei. Entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag seien möglicherweise nicht zweckmäßig, aber ohne Weiteres wirksam: s. ders., Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 88 und näher GmbHG (1903), § 49 Anm. 3, 17. 111 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 79; s.a. ders., Diskussionsbericht, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 187; ders., DJZ 1904, 961, 962; dem folgend z. B. Wenck, Einberufung, S. 116 f. 112 Das Verhältnis des Werts dieses Teilstücks im Verhältnis zum Gesamtvermögen wird im Urteil nicht näher dargelegt; s. aber Schubel, Verbandssouveränität, S. 374 f. mit dem Versuch einer Annäherung. 113  RGZ 35, 83, 85.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Abs. 2, 3 ADHGB).114 Das Reichsgericht ist dem in seiner Entscheidung nicht entgegengetreten. Übereinstimmend gingen das Reichsgericht wie auch die Vorinstanz in ihren Entscheidungen aber davon aus, dass die fehlende Einbeziehung der Generalversammlung in Anbetracht der in Art. 236 Abs. 2 ADHGB enthaltenen Verpflichtung des Vorstands, diese außer in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen immer dann zu berufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint,115 objektiv und subjektiv pflichtwidrig gewesen sei, obwohl die Veräußerung weder gegen das Statut noch gegen einen Generalversammlungsbeschluss verstieß.116 Während aber das Berufungsgericht gemeint hatte, diese Pflichtwidrigkeit könnte nicht als Ursache eines etwa durch die Veräußerung entstanden Schadens angesehen werden, weil sich keine Gewissheit darüber verschaffen lasse, dass die damit befasste Generalversammlung die Veräußerung verboten haben würde,117 sah das Reichsgericht die Beweislast insoweit bei den Beklagten und hob das angefochtene Urteil dementsprechend auf.118 In dem der Melasse-Entscheidung119 zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Vorstand einer Aktiengesellschaft, die entsprechend ihrem Unternehmensgegenstand eine Zuckerfabrik betrieb, erhebliche Ausgaben in Höhe von rund 80.000,Mark auf die Einführung eines neuen und bislang unerprobten Melasseentzuckerungsverfahrens aufgewandt, ohne dieses zur Produktionsreife führen zu können. Die Einführung des Verfahrens hätte zur Folge gehabt, dass nicht nur wie bislang die eigene Melasseproduktion verwertet worden wäre, sondern in einem erheb114 

RGZ 35, 83, 85. angeführte Vorläufervorschrift von § 121 Abs. 1 AktG, lautete zum damaligen Zeitpunkt: „Die Generalversammlung ist, außer den im Gesetze oder im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich bestimmten Fällen, zu berufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint.“ 116  RGZ 35, 85 f. 117  RGZ 35, 83, 84 f. 118 RGZ 35, 83, 86 f. Zusammenfassend formuliert das Reichsgericht: „Aus der Vorschrift des Art. 236 H.G.B., wonach der Vorstand die Generalversammlung zu berufen hat, so oft dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint, und der Vorschrift des Art. 241 Abs. 2, wonach die Mitglieder des Vorstandes bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beobachten haben, ergibt sich vielmehr die Folge, dass, falls der Abschluss eines Rechtsgeschäftes es ist, welcher im Interesse der Gesellschaft die Einberufung der Generalversammlung erfordert, die Mitglieder des Vorstandes ihren Pflichten zuwiderhandeln, wenn sie den Abschluss dieses Rechtgeschäftes, sofern die Befragung der Generalversammlung ausführbar ist, ohne dieselbe vornehmen, und dass sie der Gesellschaft schadensersatzpflichtig sind, wenn aus diesem nach Art. 231 Abs. 2 für die Gesellschaft bindenden Geschäfte der Gesellschaft ein Schade erwächst, es sei denn etwa, dass sie zu erweisen vermöchten, auch die Generalversammlung würde, wenn befragt, die Vornahme des Geschäftes beschlossen haben.“ 119  RG Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XI (1902), 266 (verkürzter Abdruck); vollständiger Abdruck im Folgejahr, RG Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 197 (mit Anm. Endemann). 115  Die

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lichen Umfang Zukäufe hätten getätigt werden müssen.120 Trotz dieser „Umwälzung des Betriebes“121 und obwohl auch das Statut vorsah, dass die Entscheidung für Investitionen für Neubauten und Anlagen mit einem Investitionsvolumen über 25.000 Mark der Generalversammlung vorbehalten war, wurde diese mit der Sache nicht befasst. Das Reichsgericht entzog sich nun der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob eine etwaige Haftung des Vorstands wegen der statutenwidrigen Umgehung der Generalversammlung erst für Schäden oberhalb eines Betrages von 25.000 Mark in Betracht komme, mit der Begründung, die Frage eines Verstoßes gegen die Satzung sei nicht entscheidend. Vielmehr ergebe sich die Verantwortlichkeit des Vorstands für den Schaden bereits daraus, dass dieser schon nach den gesetzlichen Vorschriften (Art. 236 Abs. 2, 241 Abs. 2 ADHGB) verpflichtet sei, „sich vor Einlassung auf wichtige, kostspielige, riskante und deshalb das Interesse der Aktionäre in besonderem Maße berührende Unternehmungen der Einwilligung der Generalversammlung zu versichern“ und andernfalls auf eigene Gefahr handele.122 Anders als in der Grubenbahn-Entscheidung stellt sich das Reichsgericht nunmehr außerdem auf den Standpunkt, eine Entlastung der Vorstandsmitglieder käme auch dann nicht in Betracht, wenn der Nachweis erbracht werden könne, dass die Generalversammlung im Fall ihrer Befragung in der gleichen Weise entschieden haben würde.123 b)  Erste Rezeption und Diskussion auf dem 27. Deutschen Juristentag Obwohl in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, löste die Grubenbahn-Entscheidung zunächst kein nennenswertes Echo aus. Sie wurde erst im Zusammenhang mit der Melasse-Entscheidung, von der sich Literatur und Praxis in einem viel

120  Aus dem Urteil ergibt sich nicht, ob mit der „eigenen Produktion“ die Produktion der AG, oder, – was gleichfalls denkbar ist –, die Produktion der Mitglieder der Verwaltung oder der Aktionäre gemeint ist. Dafür könnte sprechen, dass die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrates vortragen, sie hätten sich als „Landwirte ohne kaufmännische und technische Kenntnisse“ auf externen Rat verlassen müssen (s. RG Monatsschr. für Handelsrecht XII (1903), 197, 198 f.). Aus einer derartigen Besetzung der Leitungsgremien wird man vorsichtig man darauf schließen dürfen, dass der AG eine genossenschaftliche Struktur zugrunde gelegen hat. 121  So die durch das RG referierte Bewertung des Berufungsgerichts, RG Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 197, 200. 122  RG Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 197, 200. 123 Stattdessen stellt das Reichsgericht den allgemeinen Satz auf, Vorstand und Aufsichtsrat handelten „immer auf ihre Gefahr, wenn sie ohne Einwilligung der Generalversammlung unternehmen, was sie nur mit dieser Einwilligung unternehmen dürfen, und können deshalb den Ersatz des entstandenen Schadens nicht durch die Berufung darauf abwehren, dass der Schaden auch entstanden sein würde, wenn sie die Generalversammlung befragt hätten, weil diese eingewilligt hätte (…)“, s. RG Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 197, 200.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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größeren Maße herausfordert sahen, in größerem Umfang diskutiert.124 Die Rezeption der Melasse-Entscheidung wurde wiederum zunächst dadurch wesentlich bestimmt, dass das Urteil nur in einer Zusammenfassung veröffentlicht wurde, deren Sachverhaltsdarstellung sich auf einen einzigen Satz beschränkt und weder den „umwälzenden“ Charakter der Maßnahme noch die statuarischen Beschränkungen erwähnte.125 Dadurch geriet die beinahe uferlose und praktisch wenig brauchbare Formel von der Einberufungspflicht bei wichtigen, kostspieligen oder riskanten Geschäften ganz in den Vordergrund der Aufmerksamkeit.126 Mit der vollständigen Veröffentlichung trat dann bereits eine gewisse Beruhigung der Diskussion ein, weil sich angesichts des vollständigen Sachverhalts Ansatzpunkte für die These boten, das Reichsgericht habe unter dem Eindruck dieses konkreten Sachverhalts seinen Entscheidungsgründen eine zu allgemeine Fassung gegeben.127 In der näheren Diskussion um die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt Pflichten zur Befassung der Generalversammlung geben könne, sofern das Statut oder das Gesetz für den konkreten Fall keine Regelung bereithalten, waren sich die Juristentagsgutachter Lehmann und Staub und mit ihnen die ganz überwiegende Mehrzahl der Stimmen aus der Literatur im Ergebnis jedoch darüber einig, dass von derartigen Pflichten auszugehen sei.128 Lehmann war insoweit der Ansicht, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand zur Einberufung der Generalversammlung berechtigt oder verpflichtet ist, durch kein Gesetzbuch eingehend beantwortet werde.129 Zwar würden wie in den meisten Gesetzen auch im Aktienrecht einzelne Fälle zwingender Einberufungspflichten hervorgehoben. Wo dies nicht der Fall sei und auch das Statut keine nähere Regelung enthalte, sei die Einberufungspflicht daher der allgemeinen gesetzlichen Regelung des Art. 236 Abs. 2 ADHGB zu entnehmen,130 die in § 49

s. zur Rezeptionsgeschichte auch Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 82 f. s. RG Monatsschr. für Handelsrecht XI (1902), 266. 126  Diese Formel fordert scharfe Kritik heraus: s. exemplarisch Simon, DJZ 1904, 778 ff. 127  So etwa die Anm. von Endemann, Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 201. 128 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 62 ff.; Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 86; dieser Standpunkt entspricht auch der Position des Berichterstatters Rehm sowie der Mehrheit der Diskussionsbeiträge: s. Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166 ff.; s. für eine Zusammenfassung hinsichtlich der Diskussion auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 385; s. außerdem noch Endemann, Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 201; dezidiert anderer Ansicht Simon, DJZ 1904, 778 ff. 129 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 62. 130  Während das RG insoweit Art. 236 Abs. 2 ADHGB in der Fassung von 1884 angewendet hatte, nimmt Lehmann Art. 237 Abs. 1 ADHGB 1870 und § 253 Abs. 2 HGB 1897 in Bezug, die aber nahezu wortgleich abgefasst sind und keinen Anhalt für inhaltliche Divergenzen bieten. Der Einfachheit halber wird im Text daher durchgehend von § 236 ADHGB gesprochen. 124  125 

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Abs. 2 des GmbH-Gesetzes, § 44 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes131 sowie in der von ihm als besonders wichtig hervorgehobenen Vorschrift des § 36 BGB eine Parallele finde. Angesichts der Allgemeinheit der Gesetzesformulierung sei für deren Konkretisierung die rechtliche Stellung des Vorstandes im Auge zu behalten. Für diese greift Lehmann auf die vereinsrechtliche Vorschrift des § 27 Abs. 3 BGB und den darin enthaltenen Verweis auf das Auftragsrecht zurück: dass hinter den aktienrechtlichen Vorschriften des HGB das Recht des BGB über die Körperschaften stehe, unterliege nämlich kaum einem Zweifel.132 Dies sei allerdings nicht dahin zu verstehen, dass der Vorstand als Auftragnehmer der Generalversammlung anzusehen sei. Die Verweisung beziehe sich vielmehr nur auf das Verhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft.133 Dem insoweit in Bezug genommenen § 665 BGB liege der Satz zugrunde, dass der Beauftragte den Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten habe, seien diese ausdrücklich erteilt oder implizit in der Übertragung der Geschäftsführung enthalten.134 Sofern explizite Weisungen durch das Statut oder die Generalversammlung nicht vorlägen, stelle sich also die Frage, ob die dem Vorstand übertragene Geschäftsführung implizite Weisungen enthalte. Eine erste Grenze werde insoweit durch den statuarischen Zweck der Gesellschaft gezogen. Die eigentlich schwierige Frage sei, ob der Vorstand innerhalb dieses Zweckes die uneingeschränkte Geschäftsführung haben solle.135 Angesichts der in der Praxis häufig sehr umfassend gewählten Unternehmensgegenstände wäre die Stellung des Vorstandes in diesen Fällen eine außerordentlich freie.136 Gegen eine solche Annahme spreche nun aber entscheidend die Gesetzesformel, nach der die Einberufung zu erfolgen habe, wenn das Interesse der Gesellschaft es erfordere. Unzweifelhaft habe das Gesetz damit nicht bloß die Fälle gemeint, wo Statut oder Beschluss der Generalversammlung die Einberufung ausdrücklich geböten, sondern es habe eine nicht aufzählbare Menge von Fällen auf eine Formel bringen wollen, nach der der Vorstand sich nach Lage des Falles mit der Generalversammlung als dem obersten Organ der Gesellschaft in Verbindung zu setzen habe.137 Derartige auf den Wortlaut von Art. 236 Abs. 2 ADHGB (§ 253 Abs. 2 HGB 1897) bezogene Argumente finden sich in der Diskussion immer wieder.138 131  Lehmann bezieht sich auf das Genossenschaftsgesetz von 1889; eine entsprechende Vorschrift war auch bereits in § 31 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes von 1868 enthalten. 132 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 67. 133 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 66, 71 in Abgrenzung zum älteren, noch sozietätsrechtlich orientierten Verständnis der Aktiengesellschaft. 134  Der Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 665 BGB wurde für das Aktienrecht reaktiviert von Schwab, Prozessrecht, S. 39, wenn auch in etwas anderem Zusammenhang. 135 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 69. 136 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 69. 137 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 69. 138  s. etwa auch das Referat von Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166, 167 f., 178; aus der Diskussion noch Rießer und Geißmar, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, s. 192 u. 194 f.; s. daneben noch Lehmann, DJZ 1904, 961, 963.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Staub fällt es dagegen zunächst schwerer, sich zu einem Begründungsansatz durchzuringen. Er skizziert zunächst das beschauliche Dasein, welches Art. 236 Abs. 2 ADHGB (§ 253 Abs. 2 HGB 1897) über Jahrzehnte geführt habe, bis durch die beiden geschilderten reichsgerichtlichen Entscheidungen in das Bewusstsein getreten sei, welche Gefahren die Vorschrift in sich berge, und welche schwierige und schwer umgrenzbare Pflicht sie den Gesellschaftsorganen auferlege.139 Unzweifelhaft sei eine Pflicht zur Einberufung der Generalversammlung gegeben, wenn eine bestimmte Maßnahme im Interesse der Gesellschaft geboten sei, die Machtbefugnis des Vorstands zu ihrer Vornahme aber nicht ausreiche, etwa im Fall einer Statutenänderung, einer Kapitalmaßnahme oder der Auflösung der Gesellschaft.140 Die große Frage aber sei, ob es damit sein Bewenden habe. Der Wortlaut von Art. 236 Abs. 2 ADHGB scheine zunächst dafür zu sprechen. So werde man nämlich bei allen denjenigen Geschäften, zu denen die Machtbefugnisse des Vorstandes ausreichten, streng genommen niemals im Voraus sagen können, dass das Gesellschaftsinteresse eine Befragung der Generalversammlung erfordere. Denn man könne im Voraus gar nicht wissen, ob die Hauptversammlung eine bessere Entscheidung treffen werde, als der Vorstand selbst.141 Gleichwohl kommt Staub aber doch zu dem Ergebnis, dass über die genannten Fälle hinaus noch weitere unter Art. 236 Abs. 2 ADHGB zu subsumieren seien. Es gebe nämlich Konstellationen, in denen es der Stellung des Vorstandes als Verwalter fremden Vermögens entspreche, dass dieser die Generalversammlung als das oberste Willensorgan der Gesellschaft befragen müsse.142 Staub löst also das eingangs geschilderte Dilemma, nach der das Interesse der Gesellschaft die Einberufung der Generalversammlung nicht erfordern könne, wenn der Vorstand die betreffende Maßnahme selbst vorzunehmen in der Lage sei, dadurch auf, dass er dessen Geschäftsführungskompetenzen implizit als begrenzt ansieht.143 Beide Gutachter kommen danach, was den Grundsatz angeht, zu dem gleichen Ergebnis wie zuvor das Reichsgericht: Es gibt einen durch § 236 Abs. 2 ADHGB (253 Abs. 2 HGB 1897) generalklauselartig beschriebenen Kreis von Maßnahmen auch im Bereich der Geschäftsführung, die der Vorstand nicht aus eigener Machtvollkommenheit vornehmen darf, sondern die die Einbeziehung der Generalversammlung erforderlich machen. Genauso sind sie sich aber auch darüber einig, dass die Reichweite, die diesem Grundsatz durch das Reichsgericht in der Melasse-Entscheidung zugemessen wird, würde man den Wortlaut der gewählten Formulierung ernst nehmen, zu unakzeptablen Ergebnissen führen würde. Vor allem Staub operiert hier auch mit ganz praktischen Erwägungen: Folgte man dem ReichsgeStaub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 81. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 85. 141 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 86. 142 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 86 f. 143  Diese Reduktion wird übersehen von Brodmann, AktienR, § 253 Rn. 2 (S. 326 f.), weswegen auch der Staub gegenüber erhobene Vorwurf der Inkonsequenz verfehlt ist; zutreffendes Verständnis von Staub bei Wenck, Einberufung, S. 117. 139 s.

140 s.

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richt, würde das Gesellschaftsleben lahm gelegt, weil dem Vorstand nichts von Relevanz zu tun bliebe, da auch das normale Gesellschaftsleben wichtige, kostspielige und riskante Geschäfte mit sich bringe.144 Auf die Stellung eines ausführenden Bürokraten reduziert, wäre die Position des Vorstands im Übrigen auch nur noch für subalterne Persönlichkeiten begehrenswert, kaum aber mehr für intelligente und tüchtige Personen.145 Auch Lehmann, der sich weniger an wirtschaftlichen Aspekten, als vielmehr an rechtlichen Überlegungen orientiert, gesteht immerhin zu, es wäre mit einem geordneten Geschäftsgang geradezu unvereinbar, wenn der Vorstand sich von der Generalversammlung über jede Einzelheit Instruktionen einholen wollte.146 Diese praktischen Einwände sind repräsentativ für viele der hörbar werdenden Stimmen.147 Hingewiesen wird etwa auch darauf, das Wirtschaftsleben erfordere häufig schnelle und diskrete Entscheidungen.148 Überdies sei in vielen Bereichen fraglich, ob die Generalversammlung überhaupt über die erforderliche Sachkunde verfüge, da zum Erwerb der Aktionärsstellung lediglich der Einsatz von Kapital erforderlich wäre.149 Die Präsenz der Aktionäre sei gering, ihre Grundhaltung unkritisch, so dass bei schwierigen Entscheidungen mit Zufallsmehrheiten zu rechnen sei.150 Neben diese wirtschaftlich-praktischen Erwägungen treten damit eng verbundene Überlegungen, die auf funktional-organisationsrechtliche Aspekte zielen. So wird etwa auf den Charakter der Generalversammlung als „unständiges“ Organ hingewiesen. Auch seien Generalversammlung und Vorstand jeweils Organe derselben Körperschaft mit jedenfalls bis zu einem gewissen Grade selbständig nebeneinander bestehenden Kompetenzen, unbeschadet des Umstandes, dass die Generalversammlung das übergeordnete Organ sei.151 Dementsprechend wollen beide Gutachter die Schwelle, ab der die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich wird, höher ansetzen, als dies die missverständliche Formulierung des Reichsgerichts in der Melasse-Entscheidung nahelegen könnte. Lehmann zeichnet sich dabei durch eine relativ konservative Linie aus, die Bezug auf die ältere aktienrechtliche Literatur152 und die darin angelegte UnterStaub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 84. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 84. 146 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT. Bd. I, S. 57, 71. 147 s.a. Endemann, Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 201 f.; Rehm, Verhandlungen 2. DJT, Bd. IV, S. 166, 167; Simon, DJZ 1904, 778 f. 148 s. Endemann, Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), 202; Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166, 169 f.; Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 85. 149 s. Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166, 169, 175; Simon, DJZ 1904, 778, 779. 150 s. Simon, DJZ 1904, 778, 779 f. 151 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT. Bd. I, S. 57, 71; noch stärkere Betonung der Selbstständigkeit der Organe (ohne Anerkennung der Überordnung der Generalversammlung) bei Simon, DJZ 1904, 778, 783; ders., Bilanzen, S. 17. 152  Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 71 f. bezieht sich etwa auf Brinckmann/Endemann, Handelsrecht, S. 195; Pöhls, Actiengesellschaften, S. 195; Renaud, Actiengesellschaften, S. 505, 550; die beiden erstgenannten beziehen sich auf den Rechtsstand 144 s. 145 s.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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scheidung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Maßnahmen nimmt.153 Was Lehmann allerdings schuldig bleibt, sind konkretisierende Erläuterungen, aus denen klar werden würde, ob er sich auch in einer Linie mit den z.T. recht weitreichenden Konsequenzen sieht, die die ältere Literatur aus eben dieser Differenzierung ziehen möchte.154 Staub dagegen zieht für die Vorlagepflichten etwas engere Grenzen, bleibt im Ausgangspunkt jedoch auch der Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften verhaftet, wobei er darauf verweist, dies sei eine aus § 116 HGB durchaus geläufige Differenzierung.155 Allerdings modifiziert er sie in einem einschränkenden Sinn. Dabei weist er zunächst alle regelmäßigen, d.h. gewöhnlichen Geschäfte uneingeschränkt dem Vorstand zu, auch wenn diese „wichtig, kostspielig und riskant“ sind.156 Auch außergewöhnliche Geschäfte sollen aber grundsätzlich in die Kompetenz des Vorstandes fallen und eine Einberufungspflicht nur dann auslösen, wenn der Vorstand begründete Zweifel daran haben muss, dass die Generalversammlung das betreffende Geschäft genehmigen wird.157 Ob Staub in diesem zusätzlichen Erfordernis eine besonders hohe Hürde sieht, darf allerdings bezweifelt werden.158 Unabhängig von Zweifeln an der Genehmigung des Geschäfts durch die Generalversammlung will Staub Vorlagepflichten erst für solche ungewöhnlichen Geschäfte annehmen, welche aus dem regelmäßigen Geschäftsgang derart heraustreten, dass sie für den ganzen Bestand der Gesellschaft, bzw. für ihre Fundamente von Bedeutung sind. Konkret nennt er etwa die vor Schaffung des ADHGB; Brinckmann/Endemann behandeln dabei nur die Vertretung der Gesellschaft nach außen, während Pöhls eine Antwort auf die Frage sucht, welche Materien an sich, d.h. vorbehaltlich einer abweichenden Regelung durch das Statut, kraft „Natur der Sache“ von der Generalversammlung zu entscheiden sind. In ähnlicher Weise macht Renaud, dessen Ausführungen bereits für die Rechtslage unter dem ADHGB Geltung beanspruchen, die Unterscheidung für die Frage nach dem allgemeinen Wirkungskreis der Generalversammlung fruchtbar, und zwar mit im Detail recht weit reichenden Ergebnissen (Ermächtigung erforderlich bei Grundstücksgeschäften, Neubauten, Aufnahme von Anleihen, Abschluss von Vergleichen). 153 s. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT. Bd. I, S. 72 f. (zusammenfassend), mit einer Modifikation für den Fall, dass das Statut den Aufsichtsrat als ein dem Vorstand übergeordnetes und ihm gegenüber weisungsbefugtes Organ ausgestaltet hat. 154  s. insbesondere zu Renaud die Angaben in der vorvorigen Fn. 155 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 86 ff. 156 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 86. 157 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 87. 158  Staub, GmbHG, § 49 Rn. 6 geht nämlich davon aus, dass schon bei gewöhnlichen Geschäften sehr oft Zweifel an der Genehmigung durch die Generalversammlung bestehen werden, weil sich im geschäftlichen Leben Verlustgefahr und Gewinnaussicht „auf Schritt und Tritt“ gegenüberstehen. Genau aus diesem Grund will er derartige Zweifel bei gewöhnlichen Geschäften auch nicht als Vorlagegrund genügen lassen. Man wird auf dieser Basis annehmen dürfen, dass Staub für ungewöhnliche Geschäfte erst recht vom häufigen Vorliegen solcher Zweifel ausgeht.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Aufnahme einer Obligationsanleihe, die einen erheblichen Teil des Stammkapitals erreicht, den Verkauf von Betriebsgegenständen in erheblichem Umfang oder die Begründung einer Betriebsgemeinschaft.159 Soweit in der Diskussion noch weiter einschränkende Ansichten geäußert werden, ist diesen im Rahmen der Debatte während des Juristentages kein Erfolg beschieden.160 Dies gilt etwa für die Position des Referenten Rehm, der sich dafür ausspricht, die Einberufungspflicht der Generalversammlung auf Konstellationen zu beschränken, in denen anlog zum Fall eines Verlusts in Höhe des hälftigen Grundkapitals ein Ereignis oder eine geplante Maßnahme den Bestand der Gesellschaft gefährden.161 Rehm war der Ansicht, es müsse zwar wegen § 236 Abs. 2 ADHGB Einberufungspflichten auch außerhalb des gesetzlich oder statuarisch geregelten Zuständigkeitsbereichs der Generalversammlung geben, weil der Einberufungsgrund des Gesellschaftsinteresses sonst obsolet sei.162 Für eine § 116 HGB entsprechende Differenzierung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften fehle es jedoch gerade an einer entsprechenden Regelung im Aktienrecht.163 Mit Rücksicht auf das Wesen der Aktiengesellschaft könne daher nur in ganz beschränktem Umfang von derartigen Einberufungspflichten ausgegangen werden.164 Auch die noch weiter reichende Kritik Simons hat sich nicht durchgesetzt.165 Dieser hatte neben den auch sonst geäußerten Verweisen auf die abweichenden Bedürfnisse der Praxis zu begründen versucht, dass sich die Zuständigkeit der Generalversammlung mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung auf die Fälle beschränken müsse, die in Gesetz und Statut benannt seien.166 Denn jedes der verschiedenen Organe habe seine besonderen verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten, die wechselseitig zu beachten seien.167 Lehmanns über das Vereinsrecht 159 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 86 f.; ähnlich bereits Endemann, Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht XII (1903), S. 201 (ungewöhnliche Unternehmungen als Fälle, die fast auf eine Änderung des Unternehmensgegenstandes hinauslaufen). 160 s. dazu im Einzelnen die Diskussionsbeiträge, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 181 ff.; inwieweit im Verlauf der Debatte überhaupt ein gewisser Grundkonsens erzielt wurde, ist allerdings gar nicht leicht zu erfassen und wird auch durch die sehr allgemeine und praktisch wenig brauchbare Formel, die schließlich auf Vorschlag Rießers Annahme findet, nicht erleichtert; s. dazu noch näher Schubel, Verbandssouveränität, S. 385; außerdem Wenck, Einberufung, S. 118 f. 161 s. Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166, 177 f. 162 s. Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166, 178. 163 s. Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166, 172. 164  Dabei steht das „Wesen der AG“ bei Rehm als Kürzel für die seine Argumentation durchziehenden rechtstatsächlichen bzw. wirtschaftlich orientierten Überlegungen: s. Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166, 169 ff. 165 s. Simon, DJZ 1904, 778 ff. 166 s. Simon, DJZ 1904, 778, 780 ff. 167 s. Simon, DJZ 1904, 778, 783; s.a. bereits ders., Bilanzen, S. 16 ff.

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vermittelten Rückgriff auf das Auftragsrecht hält Simon angesichts der ausführlichen Regelung der Aktiengesellschaft im HGB für fragwürdig. Jedenfalls sei aber der aus § 665 BGB gezogene Schluss, in Ermangelung ausdrücklicher Weisungen dürfe der Vorstand ungewöhnliche Unternehmungen nur mit der Zustimmung der Generalversammlung als des maßgebenden Organs vornehmen, eine petitio principii. Denn es fehle an einem Nachweis dafür, dass die Generalversammlung für die Beschlussfassung über statuarisch zugelassene Geschäfte auch dann maßgebend sei, wenn Gesetz oder Statut dies nicht ausdrücklich vorsähen.168 Im Ergebnis gelangt Simon damit für den Einberufungsgrund des Gesellschaftsinteresses zu einer Auslegung von § 236 Abs. 2 ADHGB, die der seiner Nachfolgebestimmung in § 121 Abs. 1 AktG entspricht, soweit dort vom Wohl der Gesellschaft die Rede ist: die Vorschrift verfügt über so gut wie keinen eigenständigen Gehalt.169 Was den praktischen Gehalt von Simons Ausführungen angeht, hat ihn die spätere Rechtsentwicklung zwar nachdrücklich bestätigt. Bedenkt man aber den legislatorischen Aufwand, der dafür erst noch erforderlich war,170 macht dies verständlich, warum seiner Ansicht in der zeitgenössischen Diskussion der Erfolg noch versagt geblieben ist. Im Übrigen ist zu verzeichnen, dass die Diskussion während des Juristentages im Hinblick auf ihr Ergebnis wenig fruchtbar verläuft. Während man sich in der Ablehnung des reichsgerichtlichen Judikats einig ist, fällt die positive Formulierung eines gemeinsamen Standpunkts schwerer. Annahme findet nach einer eher mäandernden Diskussion schließlich ein Antrag Rießers, der letztlich wenig mehr bietet als konkretisierungsbedürftige Allgemeinplätze.171 In der Literatur hat Rießers Vorschlag denn auch nirgends Gefolgschaft gefunden.172

168 s. Simon, DJZ 1904, 778, 783. Simon erkennt im Übrigen durchaus an, dass es Konstellationen gibt, in denen die Kompetenzen der Generalversammlung gegen die Umgehung durch den Vorstand geschützt werden müssen. So dürfe der Vorstand etwa nicht eine neue Fabrikanlage auf Kredit bestellen, wenn dies für die Generalversammlung die Zwangslage begründe, das Grundkapital zu erhöhen, um die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abzuwenden: a.a.O., 783. 169  s. dazu auch bereits oben, § 5 D.III.3. 170  s. zu den Änderungen durch das AktienG 1937 noch sogleich, § 5 E.I.2.a). 171  s. Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 206: „Die Einberufung einer Generalversammlung gehört zu den in erster Linie dem Vorstande einer Aktiengesellschaft obliegenden Handlungen der Geschäftsführungen. Demgemäß hat, wie über alle anderen Fragen der Geschäftsführung, so auch über die Frage, ob und wann die Einberufung der Generalversammlung im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist, der Vorstand, eventuelle der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft nach seinem pflichtgemäßen Ermessen im Rahmen der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, je nach Lage des einzelnen Falles und unter Berücksichtigung aller Interessen der Gesellschaft zu entscheiden.“ 172  s. z. B. Brodmann, AktienR, § 253 Rn. 2 („Die Formel des 27. Juristentages sagt eigentlich gar nichts“); Staub/Pinner, HGB (8. Aufl. 1906), § 253 Rn. 4; Wenck, Einberufung, S. 118 f.; vgl. auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 385.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

c) Diskussionsanalyse Hält man die wesentlichen Ergebnisse der Diskussion fest, dann zeigt sich, dass die Frage, wann die Einberufung der Generalversammlung wegen einer vom Vorstand geplanten Maßnahme im Gesellschaftsinteresse liegt, jenseits ausdrücklicher Regelungen durch Gesetz oder Satzung immer unter Rückgriff auf den gleichen Begründungsmechanismus beantwortet wird. Ansatzpunkt ist nicht etwa eine nähere Bestimmung des Begriffs des Gesellschaftsinteresses. Das ist nachvollziehbar, weil dies unweigerlich in das von Staub geschilderte Dilemma führt, dass sich im Vorhinein kaum sinnvoll sagen lässt, ob die Generalversammlung eine sachgerechtere Entscheidung treffen wird, als sie vom Vorstand zu erwarten ist. Stattdessen wird übereinstimmend gesehen, dass sich die Frage nur über die Kompetenzebene sinnvoll beantworten lässt.173 Da es aber gerade um Maßnahmen geht, für die Gesetz oder Satzung keine ausdrückliche Zuständigkeit der Generalversammlung vorsehen, liegt die entscheidende Frage mithin darin, ob sich Kompetenzbeschränkungen des Vorstands, die eine Einbeziehung der Generalversammlung erforderlich machen, auch außerhalb der durch Gesetz und Statut ausdrücklich festgelegten Grenzen begründen lassen. Erst an dieser Stelle scheiden sich die Geister. Zu trennen ist in einem ersten Schritt zwischen der Position Simons, der solche Grenzen generell nicht anerkennen will, sowie derjenigen fast aller anderen, die übereinstimmend von der Existenz solcher Grenzen ausgehen. Im letztgenannten Fall variiert die genaue Begründung, läuft aber letztlich darauf hinaus, dass aus der allgemeinen gesetzlichen Rollenverteilung zwischen Vorstand und Generalversammlung gewisse implizite Grenzen für den dem Vorstand erteilten Handlungsauftrag abgeleitet werden. Dies ergänzt sich mit unmittelbar auf § 236 Abs. 2 ADHGB (253 Abs. 2 HGB 1897) bezogenen Argumenten, wobei hier vor allem das Argument der obsoleten Norm dominiert.174 Dieses Argument existiert in zwei Varianten, die sich in Abhängigkeit davon ergeben, welche Fälle unter die Einberufungspflicht in den gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich ausdrücklich bestimmten Fällen subsumiert werden. Ein Teil der Literatur will zu dieser Konstellation neben den Fällen, wo das Gesetz tatsächlich die Einberufung der Generalversammlung – wie etwa bei dem hälftigen Verlust des Grundkapitals – explizit anordnet, auch diejenigen rechnen, wo lediglich eine bloße Kompetenzzuweisung zugunsten der Generalversammlung ausgesprochen wird.175 Wird so verfahren, stellt sich die Frage, welchen Sinn denn dann noch die Einberufungspflicht im Gesellschaftsinteresse haben soll, wenn man nicht von ungeschriebenen Zuständigkeiten ausgeht, in der Tat besonders eindringlich.176 Die überwiegende Ansicht entscheidet jedoch noch Vgl. auch Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 124. s. z. B. Lehmann, DJZ 1904, 961, 963; Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 166, 178; Staub/Pinner, HGB (8. Aufl. 1906), § 253 Rn. 4; Wenck, Einberufung, S. 117. 175  So etwa Rehm, Verhandlungen 27. DJT, Bd IV, S. 166 f.; nur für die GmbH auch Staub, GmbHG (1903), § 49 Anm. 5. 176  s. etwa Rehm, a.a.O. (vorige Fn.). 173  174 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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anders und erfasst die Konstellation der bloßen Kompetenzzuweisung im Rahmen der Einberufungspflicht im Gesellschaftsinteresse.177 In diesem Fall können also gesicherte Anwendungsfälle des Einberufungsgrundes des Gesellschaftsinteresses benannt werden. Gleichwohl ist auch hier der Zugriff auf das Redundanzargument nicht ganz versperrt, wenn es dazu auch eines weiteren Zwischenschrittes bedarf. Dieser liegt in der Erkenntnis, dass die Anordnung einer Einberufungspflicht für die Fälle, in denen eine Entscheidung erforderlich wird, die Gesetz oder Statut ausdrücklich in die Zuständigkeit der Generalversammlung verweisen, lediglich eine Wiederholung des allgemeinen Sorgfaltsgebots bedeutet.178 Auch hier lässt sich danach also sagen, dass die Einberufungspflicht im Gesellschaftsinteresse überhaupt erst dann einen eigenständigen Sinn gewinnt, wenn man sie als eine Generalklausel begreift, die dazu dient, Lücken der ausdrücklichen Kompetenzverteilung zu füllen.179 § 253 Abs. 2 HGB 1897 fungiert bei diesem Verständnis also als eine gesetzliche Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands.180 Die verbleibenden Zweifelsfragen resultieren aus dem Umstand, dass es sich um eine inhaltlich unbestimmte Grenze handelt, deren konkreter Verlauf erst im Wege der Gesetzesauslegung näher bestimmt werden kann. d) Stellungnahme Betrachtet man zusammenfassend die grundlegenden Tendenzen aus der facettenreich geführten Diskussion um die Grubeneisenbahn- und Melasse-Entscheidungen, dann werden verschiedene, teils gegenläufige aktienrechtliche Entwicklungslinien sichtbar. So entspricht es zum Zeitpunkt der Diskussion einerseits bereits weitgehend gesichertem Erkenntnisstand, dass es sich bei Generalversammlung und Vorstand jeweils um eigenständige Organe der Aktiengesellschaft handelt, die auch jeweils dazu in der Lage sind, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den für den Verband relevanten Willen zu bilden. Auch die Generalversammlung wird also, anders als dies noch nach den älteren, sozietätsrechtlich geprägten Vorstellungen von der inneren Organisation der Aktiengesellschaft der Fall war,181 nicht mehr mit der Aktiengesellschaft in eins gesetzt und ist daher auch nicht schon allein aus diesem Grund der Prinzipal des Vorstands. Als eines von mehreren ei177  So etwa Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 85; Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 75; Wenck, Einberufung, S. 116 m.w.N. 178  So sehr klar Wenck, Einberufung, S. 117: „Im ersten Fall bedeuten die § 253 usw. nichts weiter als eine Wiederholung des allgemeinen Sorgfaltsgebots der §§ 241 H.G.B. usw., im zweiten Falle enthalten sie außerdem eine Ergänzung von Lücken der ausdrücklichen Kompetenzverteilung in der Richtung, dass für gewisse Gegenstände, die sonst zwar auf der Generalversammlung von Aktionären vorgebracht werden könnten, aber nicht vor diese gebracht werden müssten, an Stelle dieser „potentiellen“ Zuständigkeit eine „aktuelle“ Zuständigkeit gesetzt wird.“ 179 s. Wenck, Einberufung, S. 117. 180  So ausdrücklich auch Staub/Pinner, HGB (8. Aufl. 1906), § 235 Rn. 5. 181  s. dazu aus dem älteren Schrifttum Schumacher, Organisation, S. 33 ff.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

genständigen Organen befindet sich das (in diesem Sinne) degradierte Mitgliederorgan vielmehr dogmatisch gesehen bereits mit dem Vorstand auf einer Ebene. Aus diesem Blickwinkel betrachtet spricht also nichts dagegen, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Praxis und der beschränkten funktionalen Leistungsfähigkeit der Generalversammlung den Vorstand von deren Einflussnahme jedenfalls im Bereich der Geschäftsführung vollständig zu emanzipieren. Andererseits aber ist das Verständnis der Rolle des Vorstands in der Rechtswissenschaft immer noch stark durch auftragsrechtliche Vorstellungen geprägt. Zwar werden diese nun nicht mehr unmittelbar auf das Verhältnis von Generalversammlung und Vorstand bezogen, wohl aber auf dasjenige von Gesellschaft und Vorstand. Insoweit wird aber der relevante Wille der Gesellschaft immer noch durch die Generalversammlung als dem höchsten Organ der Gesellschaft gebildet. Die Begründung zur Aktiennovelle von 1884 bringt dies unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts exemplarisch zum Ausdruck: „Der Wille der Aktiengesellschaft, als der organisierten Gesammtheit der Aktionäre, findet seinen Ausdruck allein in der Generalversammlung der Aktionäre.“182 Damit bleibt in der Sache aber die traditionelle Rollenverteilung erhalten, welche die Stellung des Vorstands gegenüber der Generalversammlung als eine abhängige und nachgeordnete konturiert.183 Mit der Aktiennovelle von 1884 – insoweit durch das HGB von 1897 fortgeführt – wird dieser überkommene dogmatische Ansatz unter dem Gesichtspunkt des Selbstschutzes der Aktionäre zudem konzeptionell neu aufgeladen.184 Er wird nun als Begründung dafür herangezogen, dass der Generalversammlung die „Beschlussfassung und Entscheidung in allen das Wesen der Gesellschaft berührenden Angelegenheiten“ unentzieh- und undelegierbar vorbehalten bleiben muss.185 Dieses Postulat beruht dabei nicht auf dem abstrakt orientierten Bestreben, das tradierte dogmatische Konzept um seiner selbst willen besser zu entfalten, sondern vielmehr auf ganz pragmatischen Erwägungen. Die Aktionäre sollen dazu in die Lage gesetzt werden, ihre eigenen Interessen selbst zu schützen, was zugleich die zu Tage getretenen Missstände im Aktienwesen verhindern helfen soll und damit das öffentliche Interesse betrifft: Es müsse verhindert werden, „dass die wesentlichen Gesellschaftsrechte nur in den Händen weniger Personen ruhen, den eigentlichen Aktionären aber alle rechtlichen Befugnisse in Betreff der Leitung der Gesellschaft entzogen sind, so dass sie selbst bei nachtheiligen Gebahrungen ihrer Organe durch eigenes Eingreifen nicht Abhülfe schaffen können.“186 Damit s. Gesetzesbegründung, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 464. s. ausführlich Wenck, Einberufung, S. 122 ff. 184 s. dazu und zum Folgenden ausführlich Schubel, Verbandssouveränität, 327 ff., 345 ff. 185  s. Gesetzesbegründung, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 464. 186  s. Gesetzesbegründung, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrecht, S. 464; s. dort auch näher zu den Bestimmungen, die in Umsetzung dieses Gedankens zwingend ausgestaltet worden sind. Klarstellend ist hinzuzufügen, dass Art. 236 Abs. 2 ADHGB nicht zu den Vorschriften gehört, die insoweit ausdrücklich in Bezug genommen werden. 182 

183 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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besteht insgesamt ein Rechtszustand, in dem Anknüpfungspunkte für eine autonomere Interpretation der Vorstandsrolle zwar bereits angelegt sind, die Argumente für eine engere Rückbindung des Vorstandshandelns an die Beschlussfassung der Generalversammlung aber nach wie vor überwiegen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme, Art. 236 Abs. 2 ADHGB seien Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Vorstand mit Rücksicht auf die übergeordnete Stellung der Generalversammlung über bestimmte, herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen nicht ohne die vorherige Einbeziehung der Generalversammlung entscheiden darf, durchaus als stimmig. 2.  Die Diskussion unter Geltung des Aktiengesetzes von 1965 a)  Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten Die weitere Rechtsentwicklung schränkt den Raum für die Annahme ungeschriebener (oder unbestimmter) General- bzw. Hauptversammlungszuständigkeiten deutlich ein. Insoweit gewinnt der von Simon bereits um die Jahrhundertwende de lege lata verfochtene Gedanke der Selbständigkeit der Leitungstätigkeit des Vorstands entscheidenden Einfluss auf die Reformdebatte. Dies gilt zwar noch nicht für die Weimarer Zeit, wohl aber, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen, für die Reformdebatte ab 1933.187 Mit der Aktienrechtsreform von 1937,188 deren Kernstück eine neue Organisationsverfassung bildet,189 werden diese Vorstellungen in konkrete gesetzliche Regelungen gegossen. § 70 AktG 1937 normiert nun die Eigenverantwortlichkeit der Leitungstätigkeit des Vorstandes, abgesichert durch die Vorschrift des § 103 Abs. 2 AktG 1937, die zusätzlich ausdrücklich besagt, dass die Hauptversammlung über Geschäftsführungsfragen nur entscheiden kann, wenn der Vorstand dies verlangt. Dementsprechend wird auch die Nachfolgeregelung der Vorschrift des § 235 Abs. 1 HGB 1897 (Art. 231 Abs. 1 ADHGB) modifiziert, die ganz allgemein bestimmte, dass der Vorstand unbeschadet seiner im Außenverhältnis unbeschränkbaren Vertretungsmacht im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft dazu verpflichtet ist, bei der Vertretung der Gesellschaft die Beschränkungen einzuhalten, die die Generalversammlung ihm durch Beschluss gesetzt hat. Nach der Neuregelung wird die Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis nur noch dann wirksam beschränkt, wenn der Vorstand selbst gem. § 103 Abs. 2 AktG 1937 nach einem Beschluss in der betreffenden Angelegenheit verlangt hat.190 Zudem entfällt die gesetzliche Regelung, die Rechtsprechung und Literatur bislang vorwiegend als Anknüpfungspunkt für die Annahme von ungeschriebenen Zuständigkeiten verwendet hatten. Die Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung, wenn das Interesse der Gesellschaft dies erfordert, ist in § 106 Abs. 1 AktG 1937 187 

s. dazu bereits oben, § 5 C. (a.E.). s. dazu auch bereits oben § 5 C. (a.E.). 189 s. Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht Bd. I, S. 619, 647. 190  s. § 74 Abs. 1 AktG 1937. 188 

244 § 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

nicht mehr enthalten. Stattdessen formuliert diese Vorschrift nun nur noch, die Hauptversammlung sei in den durch Gesetz und Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen einzuberufen. In der Literatur wird zwar immer noch allgemein vertreten, aufgrund der allgemeinen Sorgfaltspflicht gelte „selbstverständlich“ auch für den Vorstand, was für den Aufsichtsrat in § 95 Abs. 4 AktG noch ausdrücklich geregelt ist:191 die Verpflichtung, die Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft dies verlange.192 Doch wird nicht daran gezweifelt, dass die Neujustierung der gesellschaftsinternen Kompetenzverteilung es nun nicht mehr zulässt, mit Hilfe dieses Tatbestands ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung zu begründen.193 Das praktische Anwendungsfeld für Fälle, in denen das Gesellschaftswohl noch die Einberufung der Hauptversammlung erfordern kann, ist damit ausgesprochen schmal.194 Darüber hinaus ist zu verzeichnen, dass die Literatur auf die Neuformulierung der Einberufungspflicht nun allgemein damit reagiert, auch die Fälle bloßer Kompetenzzuweisungen an die Hauptversammlung unter die „ausdrücklich bestimmten“ Einberufungspflichten zu subsumieren.195 Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden, durch kategorisch anmutende Gesetzesformulierungen abgesicherte Kehrtwende, die auch das Aktiengesetz von 1965 nicht grundlegend revidiert hat, musste die Frage nach ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten erst wieder neu und unter einem anderen – konkret: konzernrechtlichen – Blickwinkel entdeckt werden. Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass sich der Gesetzgeber von 1965 hinsichtlich der Einberufungsgründe wieder an die frühere Fassung des Handelsgesetzbuches annähert und nunmehr in § 121 Abs. 1 AktG zusätzlich anordnet, die Hauptversammlung sei einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft dies erfordere. Die Gesetzesbegründung stellt hierzu zwar ausdrücklich fest, dies entspreche dem vor 1937 geltenden Recht.196 Dies ist im Hinblick auf den Wortlaut der gesetzlichen Formulierung auch 191  Vgl. § 95 Abs. 4 AktG 1937, wo nun statt vom „Interesse“ vom „Wohl“ der Gesellschaft die Rede ist, ohne dass sich aus der Abweichung in der Wortwahl ein Bedeutungsunterschied ergeben soll: vgl. Schlegelberger/Quassowski, AktG (1937) § 95 Rn. 25. 192 s. Baumbach, AktG, 4. Aufl. 1939, § 106 sub 2); Schlegelberger/Quassowski, AktG (1937) § 106 Rn. 2; ebenso Teichmann/Koehler, AktG (1937), § 106 Rn. 1; s. aus der späteren Literatur etwa noch Godin/Wilhelmi, AktG (2. Aufl. 1950), sub II.1; Baumbach/Hueck, AktG, 7. Aufl. 1951, § 106 sub 2). 193  s. Schlegelberger/Quassowski, AktG (1937) § 106 Rn. 2, § 95 Rn. 25; Baumbach, AktG, 7. Aufl. 1951, § 106 sub 2) (wo die Einberufung in Fällen von ungewöhnlichen Geschäften von besonderer Tragweite allerdings als „durchaus angebracht“ bezeichnet wird). 194  Genannt werden etwa eine Art von Streitschlichterfunktion der Hauptversammlung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, oder die nach außen sichtbare Dokumentation der Einigkeit zwischen Verwaltung und Aktionären in einer schwierigen Wirtschaftslage: s. Schlegelberger/Quassowski, AktG (1937), § 95 Rn. 25 a.E. 195  s. etwa Baumbach, AktG, 4. Aufl. 1939, § 106 sub 2); Schlegelberger/Quassowski, AktG (1937) § 106 Rn. 2; s. dazu, dass dies vereinzelt bereits nach dem früheren Recht der Fall war oben, § 5 E.I.1.c). 196  s. Begründung RegE bei Kropff, AktG 1965, S. 169.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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sicherlich richtig, wenn man davon absieht, dass in § 253 Abs. 2 HGB 1897 statt vom „Wohl“ vom „Interesse“ der Gesellschaft die Rede war. Dagegen kann dieser auch nicht weiter erläuterten Aussage nicht die Bedeutung beigemessen werden, es solle der vor 1937 geltende Rechtszustand auch insoweit wiederhergestellt werden, als die herrschende Ansicht der Vorgängervorschrift einen kompetenzregelnden Inhalt zugemessen bzw. in ihr zumindest einen Hinweis auf nicht ausdrücklich geregelte Kompetenzschranken des Vorstands gesehen hat.197 Denn dies stünde in einem nicht überbrückbaren Widerspruch zu dem übergeordneten Ziel, dass die durch das AktG 1937 neugeordnete Kompetenzverteilung in der AG durch die Reform von 1965 im Kern gerade nicht angetastet werden sollte.198 Der in der ersten Hälfte der 1970er Jahren einsetzende Erkenntnisprozess ist vor allem mit einer Reihe von konzernrechtlich orientierten Veröffentlichungen von Marcus Lutter verbunden.199 Dabei geht es anfangs um recht speziell gelagerte Sachverhalte. So beziehen sich Lutters Überlegungen etwa auf die Voraussetzungen, unter denen die in den späten 1960er Jahren aufkommenden drittemittierten (internationalen) Optionsanleihen zulässig sein können.200 Hierbei scheint hinter der im konkreten Fall befürworteten Einzelanalogie zu § 221 Abs. 1 AktG ein für die weitere Diskussion zentrales Grundmotiv zum ersten Mal auf, geht es auf einer allgemeineren Ebene doch um die Frage, ob nicht in bestimmten, vom Gesetz jedenfalls nicht unmittelbar geregelten Konstellationen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bestehen müssen, weil ihr sonst in Gruppensachverhalten Kompetenzen vorenthalten würden, die ihr in der Einheitsgesellschaft ohne weiteres zustehen. Kurze Zeit später greift Lutter diesen Gedanken nun schon in deutlich allgemeinerer Form wieder auf. So identifiziert er im Rahmen einer Untersuchung zu Gesellschafterrechten beim Abschluss fusionsähnlicher Unternehmensverbindungen eine Reihe von Sachverhalten, die in analoger Anwendung aktienrechtlicher Normen eine (ungeschriebene) Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung begründen sollen.201 Über die Ebene der Einzelanalogie hinaus wendet sich Lutter dabei zusammenfassend dagegen, dass das „Vakuum geregelter Kompetenzen“ mit der Begründung durch die Verwaltung ausgefüllt werde, die entsprechenden 197 

s. ausführlich oben, § 5 E.I.1. Vgl. nur Kropff, AktG 1965, S. 165. 199 s. Lutter, AG 1972, 125 ff.; ders., DB 1973, Beil. 21; ders., in: FS Barz, S. 199 ff.; ders., in: FS Harry Westermann, S. 347 ff. Ansätze für eine mit Lutters Thesen verwandte (und von ihm auch in Bezug genommene) Diskussion finden sich allerdings bereits in den 1950er Jahren im Zusammenhang mit der Frage, welche Anforderungen an den Abschluss von Organschaftsverträgen zu stellen sind: vgl. hierzu Flume DB 1956, 455 ff.; Ballerstedt, DB 1956, 813, 837, 839; Duden, BB 1957, 49 ff.; Hueck, DB 1959, 223 ff.; s. daneben noch zur Zustimmung der Hauptversammlung zu Ausgliederungsmaßnahmen Kropff, in: FS Gessler, S. 119 f., 124 f. (jedoch nur de lege ferenda); s.a. aus Perspektive des US-amerikanischen Rechts Eisenberg, Structure, S. 215 ff.; ders., Calif. L. Rev. Vol. 57 (1969) 1, 86 ff. 200  Lutter, AG 1972, 125 ff.; vgl. zu diesem Finanzierungsinstrument aus heutiger Sicht MünchKommAktG/Habersack § 221 Rn. 41 ff. 201 s. Lutter, DB 1973, Beil. 21; vgl. dazu auch die Besprechung von Ulmer, AG 1975, 15. 198 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Maßnahmen gehörten zur Leitung der Gesellschaft.202 Auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Hauptversammlungszuständigkeit komme eine Globalzuweisung aller ungeregelten Tatbestände an die Verwaltung nicht in Betracht, weil dies Prinzipien der Mitgliedschaft ebenso widerspreche wie den Zielen des Gesetzes.203 In der Sache lehnt Lutter also das gängige Dogma von der Allzuständigkeit der Verwaltung bei Fehlen ausdrücklicher Kompetenzen der Hauptversammlung für den Fall ab, dass die Gesellschaftsstruktur selbst durch die jeweilige Maßnahme betroffen ist.204 Mit einem weiteren Beitrag erstreckt Lutter seine Überlegungen systematisch auf verschiedene Anwendungsfälle der Frage, ob nicht durch bestimmte Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung durch die Leitung einer als Konzernobergesellschaft fungierenden AG in Wahrheit Entscheidungskompetenzen wahrgenommen werden, die nach der gesetzlichen Struktur der AG der Hauptversammlung zustehen.205 In diesem Rahmen spricht er sich etwa für Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bei Kapitalmaßnahmen in und der Veräußerung von Mitgliedschaften an Tochtergesellschaften von Aktiengesellschaften aus.206 Zugleich verdeutlicht der Titel dieses Beitrags – „Zur Binnenstruktur des Konzerns“ – den größeren Zusammenhang, um den es Lutter bei seinen Stellungnahmen geht: Die Entwicklung eines konzernverfassungsrechtlichen Ansatzes, der das Ziel beinhaltet, die als organisatorische Einheit verstandene Konzernunternehmung anhand des Vorbilds der Einheitsgesellschaft einer systematischen rechtlichen Regelung zuzuführen.207 Lutters Vorstöße bildeten einerseits die Grundlage für weiterführende Ansätze, stießen andererseits aber auch auf eher zurückhaltende Reaktionen.208 Insgesamt blieb die literarische Diskussion aber noch überschaubar.209 Erst in der Folge der Holzmüller-Entscheidung sollte sie entscheidend an Fahrt gewinnen. Lutter, DB 1973, Beil. 21, S. 15. Lutter, a.a.O. 204  So (die Position Lutters zusammenfassend) Ulmer, AG 1975, 16. 205 s. Lutter, in: FS Harry Westermann, S. 347, 350; dort findet auch – soweit ersichtlich – erstmals der Terminus der „Mediatisierung“ Verwendung, s. a.a.O., S. 352, 365. 206 s. Lutter, in: FS Harry Westermann, S. 347, 364 ff.: Pflicht zu Veräußerungsangebot an die Aktionäre der Obergesellschaft oder Weiterleitung von Bezugsrechten analog § 186 Abs. 1, 2, 5 AktG 1965, die nur analog § 186 Abs. 3, 4 AktG 1965 durch qualifizierten Hauptversammlungsbeschluss ausgeschlossen werden kann. 207  s. insb. noch Lutter, in: FS Stimpel, S. 825 ff.; zuletzt Lutter, in: FS K. Schmidt, S. 1065 ff. 208  s. für eine Weiterentwicklung von Lutters Ansätzen insbesondere die Monographien seiner Schüler Timm, Konzernspitze und Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, sowie U.H. Schneider, in: FS Bärmann, S. 347 ff.; ders., ZHR 143 (1979), 485; ders., BB 1981, 249; s. außerdem noch für skeptischere bzw. differenzierte Stellungnahmen Sonnenschein, BB 1975, 1088; Rehbinder, in: FS Coing Bd. II, S. 423 ff; Vollmer, BB 1997 Beil. 4; Ulmer, AG 1975, 15. 209  Martens, ZHR 147 (1983) 377, 379 bezeichnet schon die dem Holzmüller-Urteil vorhergehenden Arbeiten als „literarische Materialschlacht.“ Relativ zu der durch die Entscheidung ausgelösten Debatte waren das aber noch beschauliche Zustände. 202 s. 203 s.

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b)  Durchsetzung ungeschriebener Kompetenzen: Klagerechte des Einzelaktionärs? Neben die Diskussion um die Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten tritt ein weiterer Problemkomplex. Dabei geht es um die Frage, wie die Beachtung derartiger Zuständigkeiten praktisch durchgesetzt werden kann. Diese Frage stellt sich ersichtlich nicht nur für den Bereich der ungeschriebenen Zuständigkeiten, sondern sie gilt für den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung insgesamt. Im Hinblick auf diese Problematik ist der Boden des Holzmüller-Urteils vor allem durch einen Beitrag von Brigitte Knobbe-Keuk aus dem Jahr 1975 bereitet worden, die sich darin der Frage widmet, ob und inwieweit einzelne Gesellschafter gegen gesetzes- oder satzungswidrige Maßnahmen der Geschäftsführung vorgehen können.210 Sie geht dabei unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts davon aus, dass historisch ein allgemeines Recht des Aktionärs auf gesetzes- und satzungskonformes Verhalten der Verwaltung anerkannt gewesen sei.211 Mit der Einführung der Anfechtungsklage durch die Aktiennovelle von 1884 sei die prozessuale Durchsetzung dieses Rechts für einen Teilausschnitt gesetzlich geregelt, aber keineswegs das Recht als solches beseitigt worden,212 weswegen ein Klagerecht des Aktionärs auch über den Bereich hinaus anzuerkennen sei, in dem die Hauptversammlung als Organ der Gesellschaft fungiere.213 Mit Rücksicht auf die Zuständigkeitsordnung der AG möchte Knobbe-Keuk den konkreten Anwendungsbereich dieses Rechts allerdings enger fassen.214 So könne der Aktionär mit Rücksicht auf die innere Ordnung der AG solche Maßnahmen nicht untersagen lassen, die zwar gegen allgemeine gesetzliche Vorschriften verstießen, zugleich aber in den Bereich der allein dem Vorstand zustehenden Geschäftsführungsmaßnahmen gehörten.215 Etwas anderes gelte aber für den Fall, dass der Vorstand durch die betreffende Handlung das ihm durch Gesetz und Satzung gesteckte Kompetenzfeld – wie etwa im Fall der Überschreitung des Unternehmensgegenstandes216 – verlasse. Insoweit stehe dem Aktionär daher ein klageweise durchsetzbarer Anspruch gegen die Gesellschaft auf Unterlassung bzw. Beseitigung zu.217

Knobbe-Keuk, in: FS Ballerstedt, S. 239 ff.; i.E. ähnlich Großfeld, JZ 1981, 234 ff.; s. zuvor auch schon ders. 211 s. Knobbe-Keuk, in: FS Ballerstedt, S. 239, 244 ff.; s.a. schon Mestmäcker, Verwaltung, S. 8 (jedoch ohne eingehendere Behandlung); ob ein solches Recht tatsächlich jemals in dem durch die Formulierung nahegelegten Umfang bestanden hat ist allerdings zweifelhaft: vgl. Zöllner, ZGR 1988, 392, 421 f. 212 s. Knobbe-Keuk, in: FS Ballerstedt, S. 239, 248 ff. 213 s. Knobbe-Keuk, in: FS Ballerstedt, S. 239, 251. 214 s. Knobbe-Keuk, a.a.O., S. 239, 251 ff. 215 s. Knobbe-Keuk, a.a.O., S. 239, 252 f. 216  s. zu dieser Gefahr bereits Hachenburg, JW 1916, 745 (für die GmbH). 217 s. Knobbe-Keuk, a.a.O., S. 239, 252 f. 210 s.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Knobbe-Keuks Beitrag, der für die deutsche Rechtswissenschaft den Beginn einer langwierigen Kontroverse um die Klagerechte des Einzelaktionärs markierte,218 stieß bereits vor dem Holzmüller-Urteil auf ein kontroverses Echo.219 Jedenfalls im Ergebnis nahe bei Knobbe-Keuks Ansatz lag dabei der Vorschlag, eine – allerdings unmittelbar gegen das Organmitglied gerichtete – Klagemöglichkeit des Einzelaktionärs nicht verbandsrechtlich, sondern deliktsrechtlich zu begründen.220 Überwiegend wurde aber der Idee einer Klagemöglichkeit des Einzelaktionärs, wie auch immer begründet, mit Skepsis begegnet. Bemängelt wurde vor allem ihre Vereinbarkeit mit der verbandsinternen Zuständigkeitsordnung. So wurde etwa eingewandt, die Befugnis von Seiten der Gesellschafter auf den Vorstand einzuwirken, könne allenfalls der Gesellschaftergesamtheit, nicht aber dem einzelnen Verbandsmitglied zustehen.221 Andererseits wurde betont, die Kontrolle des Vorstands auf die Einhaltung der verbandsinternen Zuständigkeitsordnung falle zumindest in erster Linie in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrates.222 Vermittelnde Ansichten traten hinzu. So fand sich etwa der Standpunkt, die Geltendmachung von Kompetenzüberschreitungen stehe lediglich in erster Linie dem Aufsichtsrat zu, könne bei dessen Untätigkeit aber auch vom Einzelaktionär im Rahmen eines Ersatzaufsichtsrechts für die Gesellschaft gegen das verletzende Organ geltend gemacht werden.223

II.  Das Holzmüller-Urteil des Bundesgerichtshofs 1. Entscheidungsinhalt Der dem Holzmüller-Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1983 zugrunde liegende Sachverhalt ist hinreichend bekannt und sei hier nur kurz in Erinnerung gerufen:224 der Kläger, der als Minderheitsaktionär mit knapp 8 % an der beklagten Aktiengesellschaft beteiligt war, wendete sich dagegen, dass diese einen Hafenbetrieb, der ca. 80 % des Gesellschaftsvermögens und damit dessen bei weitem

218  Für rechtsvergleichende Vorarbeiten s. aber auch schon Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 224 ff. 219 Zusammenfassend Großfeld/Brondics, JZ 1982, 589, 590; Teichmann, in: FS Mühl, S. 663, 665; für ein Meinungspanorama nach der Holzmüller-Entscheidung s. Schwab, Prozessrecht, § 1 B, S. 15 ff.; Pflugradt, Leistungsklagen, S. 17 ff. 220  So insb. Mertens, AcP 178 (1978), S. 227, 443 f.; ders., AG 1978, 309, 310. 221  s. z. B. Wiedemann, GesR I, § 8 IV 2 (S. 463 f.), auch mit Zweifeln hinsichtlich der Tatbestandsseite (fehlende Überzeugungskraft der Beschränkung der Kontrollrechte auf den schmalen Sektor der Gegenstandsüberschreitung). 222 s. Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 ff., 310 f. 223 s. Lutter, AcP 1980, 84, 140 ff.; Timm, AG 1980, 172, 185. 224  BGHZ 83, 122; s.a. das eine Rechtsfortbildung noch verweigernde Urteil der Vorinstanz OLG Hamburg JZ 1981, 231 m. Anm. Großfeld.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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wertvollsten Gegenstand repräsentierte,225 auf eine zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer KGaA übertrug. Er vertrat dabei die Auffassung, zu dieser Übertragung sei trotz einer Satzungsklausel, nach der die Aktiengesellschaft zur Konzernbildung und auch dazu berechtigt sein sollte, ihren Betrieb ganz oder teilweise ihren Tochtergesellschaften zu überlassen, ein zustimmender Beschluss der Hauptversammlung erforderlich gewesen. Ohne einen solchen sei die Übertragung nichtig, hilfsweise die AG zur Rückabwicklung oder doch zumindest dazu verpflichtet, zu allen Maßnahmen in der Tochtergesellschaft, für die eine Kapitalmehrheit von ¾ erforderlich sei, jedenfalls aber für Kapital­ erhöhungsmaßnahmen, die Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten einzuholen.226 Der Bundesgerichtshof ist dieser Argumentation in Teilen gefolgt. Dies gilt zunächst für die Frage, ob die Übertragung des Hafenbetriebs der Zustimmung der Hauptversammlung bedurft hätte. Insoweit vertritt er die Ansicht, die in der Satzung enthaltene Konzernklausel entbinde den Vorstand nur vom Erfordernis einer förmlichen Satzungsänderung, nicht aber zwingend auch von der Einholung eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses.227 Zwar sei die vorgenommene Maßnahme formal nicht nur durch die Satzung, sondern auch durch die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands gedeckt gewesen. Doch gebe es grundlegende Entscheidungen, die so tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingriffen, dass der Vorstand nicht annehmen könne, er dürfe sie ohne Beteiligung der Hauptversammlung in eigener Verantwortung treffen.228 Vielmehr geht der Bundesgerichtshof für diese Fälle davon aus, dass sich die nach § 119 Abs. 2 AktG grundsätzlich in das Ermessen des Vorstands gestellte Möglichkeit, die Hauptversammlung mit einer Geschäftsführungsangelegenheit zu befassen, zu einer Vorlagepflicht mit der Folge verdichtet, dass der Vorstand seine Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er von der Möglichkeit des § 119 Abs. 2 AktG keinen Gebrauch macht.229 Im Hinblick auf die Rechtsfolge ist insoweit zu beachten, dass der Bundesgerichtshof damit allein eine Weichenstellung für die interne Kompetenzverteilung vornimmt, nicht hingegen für die durch § 82 AktG abgesicherte Vertretungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis.230 Daher konnte der Kläger trotz der bejahten Hauptversammlungskompetenz mit seinem auf die Feststellung der Nichtigkeit der Übertragung gerichteten Hauptantrag auch keinen Erfolg haben. Ebenso blieb dem ersten Hilfs225 Vgl. zu den Zahlenangaben auch die Sachverhaltsschilderung in der Vorinstanz, OLG Hamburg JZ 1981, 231. 226  BGHZ 83, 122, 125. 227  BGHZ 83, 122, 130 f. 228  BGHZ 83, 122, 131. 229  BGHZ, a.a.O. 230  BGHZ 83, 122, 132 f.; darüber hinaus lehnte der BGH auch eine direkte und analoge Anwendung von § 361 AktG a.F. (§ 179a AktG n.F.) ab, so dass sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit auch nicht aus dieser Vorschrift herleiten ließ.

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antrag der Erfolg versagt, obwohl der Bundesgerichtshof einen Anspruch darauf, die kompetenzwidrig vorgenommene Maßnahme zu revidieren grundsätzlich für gegeben und nur in analoger Anwendung der Monatsfrist von § 246 Abs. 1 AktG für ausgeschlossen hielt.231 Durchgedrungen ist der Kläger dagegen mit einem Teil des zweiten Hilfsantrags, der der Sache nach auf die Einbeziehung der Hauptversammlung der Beklagten in der Konzernleitung zielte. Insoweit beschäftigt sich der entscheidende Senat zunächst ausführlich mit den Konsequenzen für die Aktionäre der Obergesellschaft, die die Verlagerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auf die Tochtergesellschaft mit sich bringt. Diese verlören dadurch die Möglichkeit, im Rahmen der gemäß § 119 AktG der Hauptversammlung vorbehaltene Befugnisse den Einsatz des abgespaltenen Betriebskapitals, das Risiko seines Verlusts und die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen.232 Stattdessen verschöben sich diese Befugnisse auf den Vorstand der Obergesellschaft, der die Gesellschafterrechte im Tochterunternehmen ausübe. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass der Vorstand durch Unternehmensverträge mit Dritten oder die Aufnahme fremder Gesellschafter die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft vollends aushöhle.233 Im Hinblick auf diese Gefahren ging der BGH davon aus, dass das geltende Aktienrecht, welches für Konzernsachverhalte in erster Linie den Schutz der außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft in den Blick nehme, keinen hinreichenden Schutz biete. Ob deswegen allerdings den in der Literatur ausgearbeiteten Vorschlägen für eine konzernspezifische Binnenordnung zu folgen sei, nach denen sich unter bestimmten Voraussetzungen die Mitspracherechte der Aktionäre bis in das abhängige Unternehmen verlängern, will der Bundesgerichtshof nicht generell entscheiden. Vielmehr möchte er seine weiteren Ausführungen ausdrücklich nur auf die Konstellation bezogen wissen, dass die Verwaltung den substanz- und ertragsmäßig bei weitem wertvollsten Teil des Betriebsvermögens auf eine zu diesem Zweck errichtete, zu 100 % beherrschte Tochtergesellschaft übertragen hat.234 Jedenfalls in einer solchen Lage sei der Schutz der Aktionäre vor der Gefahr geboten, dass der Vorstand die von ihm geschaffene Lage dazu ausnutze, durch grundlegende Entscheidungen in der Tochtergesellschaft die bereits durch die Ausgliederung verkürzten Aktionärsrechte noch weiter zu schmälern.235 Insoweit weise das Aktienrecht in der Tat eine Lücke auf, die in Anlehnung an seine Systematik und Wertungen zu schließen sei. Hierbei sei insbesondere die schon im geltenden Recht angelegte Tendenz des Aktienrechts zu berücksichtigen, die Minderheitsaktionäre auf vielfältige Weise vor einer Entwertung ihrer Mitgliedschaft durch mittelbare oder unmittelbare Eingriffe der Mehr231 

BGHZ 83, 122, 136. BGHZ 83, 122, 136. 233  BGHZ 83, 122, 137. 234  BGHZ 83, 122, 139. 235  BGHZ, a.a.O. 232 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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heit und einer von dieser beeinflussten Verwaltung zu schützen.236 Im Hinblick darauf möchte der BGH jedem einzelnen Aktionär gegen die Obergesellschaft einen Anspruch darauf zugestehen, bei grundlegenden, für seine Rechtsstellung bedeutsamen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft über die Hauptversammlung der Obergesellschaft so beteiligt zu werden, als handle es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft selbst.237 Allerdings kam der BGH angesichts der gestellten Anträge von einer Ausnahme abgesehen umhin, im Einzelnen dazu Stellung zu nehmen, welche konkreten Maßnahmen in der Tochtergesellschaft denn einen derartigen Anspruch begründeten. Denn der Antrag des Klägers, sämtliche Maßnahmen, die in der Tochtergesellschaft eine ¾-Mehrheit erforderten, einem Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Hauptversammlung der Obergesellschaft zu unterwerfen, ging dem BGH jedenfalls zu weit, weil es sich dabei nicht zwingend stets um Angelegenheiten handele, die für die Aktionäre der Obergesellschaft von besonderer Bedeutung seien.238 Stattzugeben war damit nach Ansicht des Bundesgerichtshofs lediglich dem zweiten, konkreter gefassten Teil des Hilfsantrages, der auf die Feststellung der Pflicht zielte, die Aktionäre der Obergesellschaft bei Kapitalerhöhungsmaßnahmen in der Tochtergesellschaft über die Hauptversammlung der Beklagten am Entscheidungsprozess zu beteiligen.239 In solchen Fällen sei eine interne Beteiligung des obersten Beschlussorgans zum Schutz der Aktionäre unentbehrlich, und zwar auch dann, wenn die Verwaltung das Bezugsrecht der Obergesellschaft als des einzigen Aktionärs der Tochtergesellschaft voll auszunutzen beabsichtige. Die danach notwendigen Zustimmungsbeschlüsse seien nach den gleichen Regeln und mit denselben Mehrheiten zu fassen, wie sie für entsprechende Maßnahmen in der Obergesellschaft zu beachten wären.240 Neben diesen in erster Linie auf die materiell-rechtliche Begründung einer ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung bezogenen Ausführungen hat der Bundesgerichtshof auch zu den Fragen Stellung genommen, die mit der gerichtlichen Durchsetzung einer solchen Zuständigkeit einhergehen. Dabei geht er von der These aus, dass dem Aktionär gegenüber der Gesellschaft ein verbandsrechtlicher Anspruch darauf zusteht, dass diese seine Mitgliedschaftsrechte achtet und es damit auch unterlässt, sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus zu beeinträchtigen.241 Dieser Anspruch werde verletzt, wenn der Vorstand die Hauptversammlung und damit auch die einzelnen Aktionäre bei einer Entscheidung von der nach der Sachlage gebotenen Mitwirkung ausschließe.242 Daraus wird zunächst deutlich, dass der Bundesgerichtshof die Klagemöglichkeit des Aktionärs verbandsrechtlich und nicht deliktsrechtlich begründen möchte, wie 236 

BGHZ, a.a.O. BGHZ, 83, 122, 140. 238  BGHZ 83, 122, 140 f. 239  BGHZ 83, 122, 141 ff. 240  BGHZ 83, 122, 144. 241  BGHZ 83, 122, 133. 242  BGH, 83, 122, 133. 237 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

dies in der Literatur als Alternative vorgeschlagen worden war.243 Zugleich wird klar, dass der Bundesgerichtshof dem Aktionär eine Klage aus eigenem Recht einräumen möchte, es folglich nicht um eine Prozessstandschaft für die Gesellschaft geht. Den Vorschlag Lutters, der Aktionär könne im Wege eines Ersatzaufsichtsrechts für die Gesellschaft gegen das kompetenzwidrig handelnde Organ klagen, lehnt er dementsprechend ausdrücklich ab.244 Im Hinblick auf den Klagegegner legt sich der Bundesgerichtshof schließlich ausdrücklich auf die Gesellschaft fest, weil der Vorstand, auch wenn er die Hauptversammlung pflichtwidrig nicht beteilige, als Organ der Gesellschaft handele, so dass es deren Sache sei, für Abhilfe zu sorgen.245 Bedenken, die Zulassung einer solchen Klage bewirke eine Störung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung, begegnet er mit dem Hinweis, von einer solchen Störung könne schwerlich gesprochen werden, wenn die Klage gerade den Zweck haben solle, die vom Vorstand verletzte Ordnung zu erhalten oder wiederherzustellen.246 2.  Durch die Holzmüller-Entscheidung aufgeworfene Folgefragen Die Holzmüller-Entscheidung des Bundesgerichtshofs warf eine Vielzahl von Folgefragen auf, die in der Literatur z.T. intensiv diskutiert wurden. Dies betraf etwa die Frage, ob die vom Bundesgerichtshof identifizierte Kategorie der grundlegenden Entscheidungen, die wegen ihrer hohen Eingriffsintensität die Zuständigkeit der Hauptversammlung auslösen, auf Maßnahmen der Konzernbildung und –leitung beschränkt sein sollte, oder ob sie auch darüber hinaus Bedeutung für Maßnahmen in der Einheitsgesellschaft beanspruchte. Im Bereich der Konzernbildung war ungeklärt, ob nur die Auslagerung von Betriebsteilen auf Tochtergesellschaften in den Anwendungsbereich der aufgestellten Grundsätze fallen sollte, oder ob auch andere Maßnahmen der Konzern- bzw. Gruppenbildung – namentlich die Bargründung und der Beteiligungserwerb – erfasst werden sollten. Soweit es um Ausgliederungssachverhalte geht, war ungeklärt, unter welchen genauen, quantitativ und/oder qualitativ zu bemessenden Umständen die Auslagerung eines Betriebsteils die Zustimmungspflicht begründet. Zweifel bestanden auch noch im Hinblick auf die Mehrheitsanforderungen, die für Beschlüsse gelten sollen, die auf der Grundlage der Holzmüller-Doktrin gefasst werden. Dies galt allerdings weniger für die Mitwirkung der Hauptversammlung der Obergesellschaft an Maßnahmen in der Untergesellschaft, für die der Bundesgerichtshof augenscheinlich jeweils an die konkret zu treffende Maßnahme anknüpfen wollte.247 Probleme be243 

s. dazu bereits oben, § 5 E.I.2.b). BGHZ 83, 122, 135. 245  BGHZ 83, 122, 134. 246  BGHZ 82, 122, 134. 247  s. BGHZ 83, 123, 140 (Beteiligung an der Maßnahme in der Untergesellschaft so (d.h. insbesondere mit dem gleichen Quorum), als handelte es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft selbst); s.a. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 50. 244 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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reiteten aber mitwirkungsbedürftige Maßnahmen in der Obergesellschaft. Hier schien zwar die Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG recht deutlich gegen ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis zu sprechen, da für auf dieser Grundlage gefasste Beschlüsse im Normalfall schlicht die Grundregel von § 133 Abs. 1 AktG gilt.248 Ganz eindeutig war dies aber nicht, weil der Sinn der Bezugnahme auf § 119 Abs. 2 AktG auch ganz isoliert darin gesehen werden konnte, einen normativen Ansatzpunkt für die Verankerung einer intern wirkenden Vorlagepflicht zu schaffen.249 Auch die weitere Überlegung des Bundesgerichtshofs, ob die Mitwirkungsansprüche der Aktionäre der Obergesellschaft hinsichtlich bedeutsamer Maßnahmen in der Tochtergesellschaft entfallen könnten, wenn die Hauptversammlung der Ausgliederung mit satzungsändernder Mehrheit zugestimmt habe,250 blieb ambivalent. Man konnte sie dahin verstehen, der BGH gehe doch davon aus, dass schon der Ausgliederungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit zu treffen sei.251 Genauso ließ sie sich aber mit einer Systematik vereinbaren, die jedenfalls einen mit einfacher Mehrheit gefassten Ausgliederungsbeschluss voraussetzt und nur die weitereichende Mitwirkung an der Konzernleitung vom Fehlen eines qualifizierten Ausgliederungsbeschlusses abhängen lassen will. Im Bereich der Konzernleitung verzichtete der Bundesgerichtshof zudem ausdrücklich auf eine Entscheidung darüber, ob eine Mitwirkung an der Konzernleitung auch außerhalb des konkret entschiedenen Sachverhalts vorstellbar ist.

III.  Fortentwicklung der Rechtsprechung Das Holzmüller-Urteil hat in der Literatur kontroverse Reaktionen hervorgerufen, worauf noch näher einzugehen sein wird. Im Interesse einer geschlossenen Darstellung ist zunächst aber die weitere Entwicklung der Rechtsprechung nachzuvollziehen. Das entlastet zugleich bei der Auseinandersetzung mit der Literatur auch von einer näheren Darstellung solcher Fragen, die durch die Fortentwicklung der Rechtsprechung praktisch obsolet geworden sind. 1.  Instanzgerichtliche Rechtsprechung Bevor der BGH erneut Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt, ist die Holzmüller-Entscheidung in einer Reihe von Judikaten zunächst durch die instanzgerichtli248  So ist die Anknüpfung des Bundesgerichtshofs an § 119 Abs. 2 AktG in der Literatur denn auch verbreitet verstanden worden: s. etwa Joost, ZHR 163 (1999), 164, 171; Goette, AG 2006, 522, 524; Hübner, in: FS Stimpel, S. 791, 795; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 297; Liebscher, ZGR 2005, 1, 6; Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 174; Wasmann, DB 2002, 1096, 1097; Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, S. 133, 137. 249  In diese Richtung Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 (mit Fn. 39); s.a. Altmeppen, DB 1998, 49, 51. 250  BGHZ 83, 122, 140. 251  So offenbar Joost, ZHR 163 (1999), 164, 172.

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che Rechtsprechung aufgegriffen worden. Diese ist dabei dem Bundesgerichtshof durchweg gefolgt, soweit es um die Frage der Existenz ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten ging, ohne dass sich in der Sache aber eine einheitliche Linie entwickelt hätte.252 2.  Die Macrotron-Entscheidung des BGH Anders als die instanzgerichtliche Rechtsprechung fand der Bundesgerichtshof selbst über lange Zeit keine Gelegenheit dazu, sich erneut zur Holzmüller-Doktrin zu äußern. In der Macrotron-Entscheidung aus dem Jahr 2002 bejahte er zwar erneut eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit, stützte dies aber anders als die Vorinstanzen 253 und Teile der Literatur254 nicht auf die Holzmüller-Doktrin, sondern verfolgte dabei einen alternativen Begründungsansatz.255 Der Entscheidung lag die Frage zugrunde, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand einer AG den Rückzug von der Börse in Form eines regulären Delistings betreiben kann. Der BGH hielt hierfür neben einem wertgerechten Abfindungsangebot einen mit einfacher Mehrheit zu fassenden Hauptversammlungsbeschluss für erforderlich.256 Zur Begründung führte er aus, dass dies nicht etwa daraus folge, dass durch 252 Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für unterschiedliche Maßnahmen bejahend etwa LG Frankfurt AG 1993, 287; OLG München AG 1995, 232; LG Frankfurt AG 1998, 45; OLG Celle NZG 2001, 409; LG Duisburg AG 2003, 390; i.E. ablehnend, weil es im konkreten Fall an den Voraussetzungen für eine ungeschriebene Zuständigkeit auf der Grundlage der Holzmüller-Doktrin fehlen sollte: OLG Köln NJW-RR 1993, 804; LG Düsseldorf AG 1999, 94; LG Heidelberg AG 1999, 135; neuerdings – nach der „Gelatine“-Rechtsprechung – mit restriktiverer Linie OLG Frankfurt NZG 2005, 558; OLG Stuttgart AG 2005, 693; OLG Hamm NZG 2008, 155; OLG Köln AG 2009, 416; nach wie vor großzügig dagegen Schleswig-Holsteinisches OLG NZG 2006, 951 mit ablehnender Bespr. Kort, AG 2006, 272; vgl. aus jüngerer Zeit auch noch die Auseinandersetzung um die Frage, ob die Entscheidung über den Erwerb der Dresdener Bank durch die Commerzbank wegen der damit verbundenen erheblichen Konsequenzen (dazu näher Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 92) der vorherigen Zustimmung der Hauptversammlung bedurft hätten: bejahend LG Frankfurt BB 2010, 980 mit ablehnender Anmerkung Wagner, BB 2010, 984; Gubitz/Nikoleyczik, NZG 2010, 539 ff.; dem LG zustimmend dagegen Spindler, in: FS Goette, S. 513, 518 f.; verneinend OLG Frankfurt NZG 2011, 62 als Berufungsinstanz; dem zustimmend Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91 ff. 253  Vgl. LG München BB 1999, 2634; OLG München DB 2001, 747. 254  s. z. B. Grupp, Börseneintritt, S. 193; Henze, Delisting, S. 133 ff., 147; Hüffer, AktG (10. Aufl.), § 119 Rn. 24; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 293 f.; Kleindiek, in: FS Bezzenberger, 653, 655 ff., 664; Lutter/Leinkugel, ZIP 1998, 805, 806; Lutter/Schmidt/Spindler, AktG, § 119 Rn. 51 m.w.N. 255  BGHZ 153, 47; s. für eine umfassende Sachverhaltsdarstellung und nähere Diskussion Picot, Delisting, S. 38 ff.; s.a. BGH DStR 2010, 609. 256 Zeitweilig konnte offenbar sogar davon ausgegangen werden, dies entspreche einhelliger Ansicht: vgl. etwa die aus dem Jahr 2000 stammende Aussage Kleindieks, in: FS Bezzenberger, S. 653, 655, die Gegenansicht werde von „niemandem mehr verfochten“; ebenfalls eine Hauptversammlungszuständigkeit bejahend etwa Benecke, WM 2004, 122, 1124 f.; Grupp, Börseneintritt, S. 191 ff.; Hellwig, ZGR 1999, 781, 799; M. Henze, Delisting,

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

255

das Delisting in die Innenstruktur der AG oder die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre eingegriffen werde. Es liege nämlich nicht so, dass die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs durch die Mediatisierung seiner Mitgliedschaftsrechte geschwächt werde.257 Doch betreffe der Rückzug von der Börse den nach Art. 14 Abs. 1 GG als Bestandteil des Aktieneigentums geschützten Verkehrswert der Aktie, der bei börsennotierten Gesellschaften auch die jederzeitige Möglichkeit der Veräußerung des Aktienanteils einschließe.258 Dieser Schutz sei auch im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären zu beachten. Da aber der Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes nicht in den Händen der Geschäftsleitung, sondern der Hauptversammlung liege, sei für Entscheidungen darüber auch die Hauptversammlung zuständig.259 Angesichts des Umstands, dass der BGH im Jahr 2013 mit der Frosta-Entscheidung die durch Macrotron begründete Rechtsprechungslinie aufgegeben hat,260 soll die Frage der Überzeugungskraft der Macrotron-Entscheidung, ihr genaues Verhältnis zur Holzmüller-/Gelatine-Doktrin und die damit verbundene Diskussion in der Literatur im Folgenden indes nicht weiter vertieft werden. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Entscheidungszuständigkeit für den Rückzug von der Börse letztlich eine Spezialfrage betrifft, die beim Verein keine unmittelbare Entsprechung hat, so dass die aus einer eingehenderen Behandlung zu erwartenden Erträge für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ohnehin kaum ins Gewicht fallen dürften. Mit Rücksicht darauf wird auch auf eine Darstellung der Reaktionen verzichtet, die die Frosta-Entscheidung in der Literatur gefunden hat.261 3.  Die Gelatine-Entscheidungen Nach der Macrotron-Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof erst im Rahmen der beiden Gelatine-Urteile aus dem Jahr 2004 Gelegenheit dazu, sich erneut zur S. 133 ff.; Kleindiek, in: FS Bezzenberger, S. 653, 655 ff.; Klenke, WM 1995, 1089, 1099; Lutter, in: FS Zöllner Bd. I, S. 363, 378 ff.; Pluskat, WM 2002, 833, 834 f.; Lutter/Schmidt/ Spindler, AktG, § 119 Rn. 51; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 475; der von Kleindiek, a.a.O. identifizierte seltene Fall juristischer Einigkeit hatte aber nicht allzu lange Bestand: gegen eine Hauptversammlungszuständigkeit etwa Michael Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575 f.; Böttcher/Blasche, NZG 2006, 569, 571; Bungert, BB 2000, 53, 55; Habersack, AG 2005, 137, 141; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 239 ff.; s.a. ders., in: FS Raiser, S. 145, 146 f.; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 129; weitere Nachweise für beide Ansichten bei Picot, Delisting, S. 40, 46. 257  BGHZ 153, 47, 54. 258  BGHZ 153, 47, 54 f., insbesondere unter Berufung auf BVerfGE 100, 289 (DAT/Altana). 259  BGHZ 153, 47, 55. 260  BGH NZG 2013, 1342; s. vorhergehend BVerfGE 132, 99, in der das BVerfG die Macrotron-Rechtsprechung als zulässige, jedoch nicht durch Arlt. 14 GG gebotene Rechtsfortbildung angesehen hat. 261  s. für eine Diskussion der Frosta-Entscheidung und ihrer Konsequenzen z. B. Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150; Habersack, JZ 2014, 147; Lochner/Schmitz, AG 2014, 489; Winter/Keßler, Der Konzern 2014, 69.

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Holzmüller-Thematik zu äußern.262 Beide – nahezu identisch begründete und mit denselben Leitsätzen versehene263 – Urteile betreffen je eine Anfechtungsklage gegen jeweils einen auf derselben Hauptversammlung der beklagten Aktiengesellschaft gefassten Beschluss. Die Beklagte, die im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Gelatine tätig war, verfügte sowohl über ein eigenes operatives Geschäft als auch über verschiedene Beteiligungsgesellschaften. Ihre Satzung enthielt eine Konzernklausel und zudem eine Bestimmung, nach der alle Beschlüsse der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit des vertretenen Kapitals zu treffen seien, sofern Satzung oder Gesetz nicht zwingend etwas anderes vorschrieben. Inhaltlich ging es einerseits um die Genehmigung einer ohne Mitwirkung der Hauptversammlung durchgeführten Umstrukturierung, bei der der Vorstand im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung die Anteile an zwei hundertprozentigen Auslandstöchtern in eine weitere hundertprozentige Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH eingebracht hatte.264 Während eine dieser Auslandstöchter nur marginale Bedeutung hatte, trug die andere mit bis zu 30 % zum Vorsteuerergebnis des Konzerns bei. Die Hauptversammlung erteilte der Verwandlung von Tochterin Enkelgesellschaften die begehrte Genehmigung mit einer Mehrheit von knapp unter 70 % des vertretenen Kapitals. Mit einer vergleichbaren Mehrheit ließ sich der Vorstand dazu ermächtigen, eine durch die Beklagte gehaltene Beteiligung von 49 % der Anteile an einer GmbH & Co. KG in eine hundertprozentige Tochtergesellschaft einzubringen.265 Die KG, die in vielfältigen Beziehungen zur Beklagten stand, trug mit ca. 25 % zum Konzernergebnis bei.266 Im Rahmen ihrer Anfechtungsklagen vertraten die Kläger die Ansicht, für beide Beschlüsse sei statt dessen eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 75 % des vertretenen Grundkapitals erforderlich gewesen. Der Bundesgerichtshof hat sich der Argumentation der Kläger im Ergebnis nicht zu eigen gemacht, weil er eine Zuständigkeit nach der Holzmüller-Doktrin im konkreten Fall nicht für gegeben hielt.267 Er hat die Gelegenheit allerdings dazu genutzt, sich ausführlicher mit dieser Doktrin unter den Aspekten ihres Schutzzwe262  BGHZ 159, 30; BGH NZG 2004, 575. Im Hinblick auf diese Urteile ist vielfach auch von „Gelatine I“ und „Gelatine II“ die Rede. Nur besteht in Literatur und Rechtsprechung offenbar keine Einigkeit darüber, welches Urteil welches ist. Ginge man angesichts des identischen Entscheidungsdatums nach dem Aktenzeichen, wäre BGH NZG 2004, 575 (II ZR 154/02) als „Gelatine I“ und BGHZ 159, 20 (II ZR 155/02) als „Gelatine II“ zu bezeichnen. Häufig findet sich aber auch gerade die umgekehrte Bezeichnung. 263  Soweit die Begründungen sich decken beziehen sich die Nachweise im Folgenden daher der Einfachheit halber allein auf BGHZ 159, 30. 264  BHGZ 159, 30, 32 f.; gegen diese Maßnahme ging einer der Kläger in einem (zwischenzeitlich ausgesetzten) separaten Verfahren vor. 265  BGH NZG 2004, 575. 266  Darüber hinaus trug sie mit 43,6 % zum Umsatz und den sonstigen Erträgen bei, mit 31 % zur Bilanzsumme sowie mit 55,3 % zur Mitarbeiterzahl des Konzerns: vgl. Bungert, BB 2004, 1345. 267  s. näher BGHZ 159, 30, 46 ff.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

257

ckes, ihrer Rechtsgrundlage, ihren konkreten Voraussetzungen und den durch sie begründeten Anforderungen an die Beschlussmehrheit auseinanderzusetzen. Was zunächst ihren Schutzzweck angeht, führt der Bundesgerichtshof aus, sie könne nicht für die in der Literatur – vor allem von Lutter – vertretene Lehre von der „konzernspezifischen Binnenordnung“ in Beschlag genommen werden, nach der es nicht nur in der Aktiengesellschaft, sondern auch in dem von ihr geführten Konzern einen weiten Bereich grundlegender Geschäftsführungsaufgaben gebe, der in die Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft falle.268 Soweit ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen zu einem stärkeren Einfluss der Hauptversammlung auf die Konzernbildung und -leitung führten, handle es sich lediglich um einen Reflex der vom Senat für erforderlich erachteten Mitwirkung der Aktionäre. Diese sei aber angesichts der vom historischen Gesetzgeber intendierten „wohlaustarierten Kompetenzverteilung“ in der Aktiengesellschaft eng zu beschränken.269 Es gehe lediglich darum, besonderen, vom Gesetzgeber übersehenen Fallgestaltungen Rechnung zu tragen, in denen das Handeln des Vorstands zwar durch die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands formal noch gedeckt sei, die aber so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und ihr im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingriffen, dass ihre Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichten. Mit der notwendigen Mitwirkung der Hauptversammlung werde dabei zweierlei bezweckt: einerseits werde der Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre begegnet, die damit verbunden sei, dass entscheidend wichtige Teile des Unternehmens der Gesellschaften auf nachgelagerte Beteiligungsgesellschaften ausgegliedert werden. Zugleich werde der Schutz des Anteilseigners vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Minderung des Werts ihrer Beteiligung gewährleistet.270 Über diese allgemeinen Ausführungen hinaus sieht der Bundesgerichtshof keinen Anlass dazu, sich abschließend dazu zu äußern, bei welchen Maßnahmen der Vorstand jenseits geschriebener Kompetenzzuweisungen dazu gehalten ist, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen.271 Jedenfalls könne sich aber ein Mediatisierungseffekt, den der Vorstand angesichts der von diesem ausgehenden tiefgreifenden Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Aktionäre, „deren ihm anvertrautes Geld“ er „bei seiner Leitungstätigkeit zu verwalten“ habe,272 nicht ohne Zustimmung der Hauptversammlung herbeiführen dürfe, über die Holzmüller-Konstellation hinaus wegen der dabei ebenfalls eintre-

268 

BGHZ 159, 30, 39. BGHZ 159, 30, 39 f. 270  BGHZ 159, 30, 40. 271  BGHZ 159, 30, 41. 272  Für diese treuhandrechtliche Anfärbung der Argumentationslinie nimmt der BGH Bezug auf den 1. Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, in: Schubert, Akademie, S. 485. Dort wird dieser Aspekt allerding, was der BGH nicht erwähnt, im Kontext des „Führerprinzips“ diskutiert. 269 

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tenden (weiteren) Machtverschiebung auch bei einer Umstrukturierung ergeben, wie sie dem Rechtsstreit zugrunde liege.273 Diese Ausführungen ergänzt das Urteil um einige Überlegungen zum normativen Anknüpfungspunkt (in der Terminologie des BGH: Rechtsgrund) der Rechtsfigur der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten. Dabei gibt der Bundesgerichtshof die in der Literatur weitgehend kritisch beurteilte Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG ausdrücklich auf, obwohl damit, was in der Literatur häufig nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, im Wesentlichen nur hätte betont werden sollen, dass die der Hauptversammlung zugesprochenen ungeschriebenen Zuständigkeiten allein auf das Innenverhältnis beschränkt seien.274 Die in der Literatur favorisierte Einzel- oder Gesamtanalogie möge demgegenüber zwar auf der Tatbestandsseite besser passen. Allerdings passten die gesetzlich geregelten Fälle häufig von der Rechtsfolge her nicht, weil sie dem Vorstand neben der Geschäftsführungsbefugnis auch die Vertretungsmacht entzögen.275 Stattdessen möchte der Bundesgerichtshof nun die „zutreffenden Elemente beider Ansätze“ miteinander kombinieren: die lediglich das Innenverhältnis betreffende Wirkung einerseits sowie die Orientierung der in Betracht kommenden Fallgestaltungen an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen andererseits, was dann dogmatisch als das Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung anzusehen sei.276 Wenn das Urteil auch keine abschließende Stellungnahme zu den Kategorien von Maßnahmen enthält, die potentiell eine Holzmüller-Zuständigkeit begründen können, so trifft der Bundesgerichtshof doch immerhin nähere Ausführungen dazu, was für eine Eingriffsintensität derartige Maßnahmen aufweisen müssen. Erneut in Abgrenzung zu Tendenzen in der Literatur, den Anwendungsbereich ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten weit zu fassen, stellt sich der Bundesgerichtshof dabei auf den Standpunkt, es könne nicht schon jede die Rechtsstellung der Aktionäre beeinträchtigende Maßnahme in Betracht kommen, sofern sie nur eine Bagatellgrenze überschreite.277 Auch die in der Literatur mit unterschiedlichen Bezugspunkten vorgeschlagenen Schwellenwerte zwischen 10 % und 50 % griffen zu niedrig.278 Vielmehr könne die vom Gesetz vorgesehene Kompetenz- und Arbeitsteilung erst dann durchbrochen werden, wenn der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung in der Holzmüller-Entscheidung erreiche.279 Zur Begründung knüpft das Urteil vertiefend an die bereits im Zusammenhang mit dem 273 

BGHZ 159, 30, 41. 159, 30, 42; dahingehende Vermutung bereits bei GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 71; s.a. Goette, AG 2006, 522, 524. 275  BGHZ 159, 30, 42. 276  BGHZ 159, 30, 43 mit Bezugnahme auf Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 780. Der Sache auch bereits Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 853. 277  BGHZ 159, 30, 43. 278  BGHZ 159, 30, 45. 279  BGHZ 159, 30, 45. 274  BGHZ

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Schutzzweck angestellten Überlegungen zur „wohlaustarierten“ aktienrechtlichen Kompetenzverteilung an. Referiert werden insoweit die altbekannten Argumente von der mangelnden Eignung der Hauptversammlung für Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen, auf die der Gesetzgeber von 1937 seine Struktur­ entscheidungen gestützt habe, und auch die schon in der Debatte um die Melasse-Entscheidung des Reichsgerichts ubiquitär betonte Gefahr der Lähmung der Gesellschaft, die nun um das Motiv der „global vernetzten Wirtschaftsordnung“ ergänzt wird.280 Vor diesem Hintergrund kämen ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung nur für solche Maßnahmen in Betracht, die an die Kernkompetenz der Hauptversammlung rührten, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen und die in ihren Auswirkungen nahezu einem Zustand entsprächen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden könne. Diese Nähe der ungeschriebenen Zuständigkeiten zur Satzungsänderung wirkt sich auch im Hinblick auf das erforderliche Quorum aus: insoweit verlangt der Bundesgerichtshof eine Dreiviertel-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals.281 Daran soll sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs weder durch eine Konzernklausel etwas ändern, noch könne das erforderliche Quorum durch andere Satzungsklauseln herabgesetzt werden. Angesichts der Schwere der möglichen Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte sei das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit nicht anders als in den Fällen der §§ 179a Abs. 1 S. 2, 293 Abs. 1 S. 3, 319 Abs. 2 S. 3 AktG zwingend.282 Auch das Gelatine-Urteil hat neben allen klarstellenden Aussagen – in der Schilderung der Urteilsgründe ist dies bereits angeklungen – Fragen offen gelassen.283 Dazu mag man mit denjenigen, die die Berufung auf eine offene Rechtsfortbildung als bloße Ergebnisbeschreibung werten,284 auch die Rechtsgrundlage der Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung rechnen.285 Zumindest zweifelhaft ist auch noch, ob der Bundesgerichtshof die Mediatisierung von Mitgliederrechten als notwendige Bedingung gewertet wissen will. Das Urteil lässt eine gewisse Nähe zu dieser Position erkennen, ohne sich aber eindeutig dafür auszusprechen.286 Mangels Erheblichkeit ist auch offengeblieben, auf welche Bezugsgrößen sich das We280 

BGHZ 159, 30, 44. BGHZ 159, 30, 45. 282  BGHZ 159, 30, 46. 283 s.a. Habersack, AG 2005, 137, 138. 284 So Liebscher, ZGR 2005, 1, 23; kritisch auch Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337 285  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 40. 286  Auch die Lit. nimmt insoweit unterschiedlich Stellung: vgl. einerseits Goette, AG 2006, 522, 525, mit der expliziten Aussage, die Entscheidung beinhalte keine Festlegung; ebenso Reichert, AG 2005, 150, 154; andererseits Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 40 sowie Habersack, AG 2005, 137, 143 (Bekenntnis des BGH zur Mediatisierung als Tatbestandsvoraussetzung); gleiches Verständnis bei Lutter, in: FS K. Schmidt, S. 1065, 1074. Auch die Argumentation im Macrotron-Urteil bietet bereits einen Ansatzpunkt für die Schlussfolgerung, der BGH sehe in der Mediatisierung eine notwendige Vor281 

260

§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

sentlichkeitskriterium richtet. Nähere Anhaltspunkte für Mitwirkungsrechte im Bereich der Konzernleitung fehlen ganz.287 4.  Nichtannahmebeschluss zur Beteiligungsveräußerung Den bisherigen Schlusspunkt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Holzmüller-Doktrin bildet ein kurz gefasster Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde aus dem Jahr 2006.288 In dieser Entscheidung ging es um eine in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebene Brauerei, die ihren Brauerreibetrieb einige Jahre zuvor auf eine AG & Co. KG ausgegliedert und nun ohne Zustimmung ihrer Hauptversammlung die Hälfte ihrer Kommanditbeteiligung an dieser Tochtergesellschaft veräußert hatte.289 Die Klägerin war mit ihrer Ansicht, hierfür hätte zwingend ein Hauptversammlungsbeschluss eingeholt werden müssen, in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wies der Bundesgerichtshof zurück und führte dabei aus, weder sei die Grenze des § 179a AktG überschritten, noch liege bei der in Frage stehenden (Teil-)Beteiligungsveräußerung anders als in den Fällen der sog. Gelatine-Rechtsprechung ein Mediatisierungseffekt vor.290 Über diese kurze Stellungnahme hinaus fehlt es an einer näheren Begründung und auch an einer Auseinandersetzung mit den zur Konstellation der Beteiligungsveräußerung vertretenen Ansichten in der Literatur.

IV.  Überblick über den Stand der Diskussion Das Holzmüller-Urteil hat in der rechtswissenschaftlichen Literatur eine ausgreifende Kontroverse heraufbeschworen,291 die jedenfalls in ihren Ausläufern noch bis heute anhält und nach wie vor auch neue Impulse erhält.292 Dabei fieaussetzung für eine Holzmüller-Zuständigkeit: vgl. Habersack, a.a.O.; wohl eindeutig nun BGH DStR 2007, 586, s. dazu sogleich im Text. 287 s.a. Reichert, AG 2005, 150, 157 f. 288  BGH DStR 2007, 586; kritisch zur Abhandlung der relevanten Frage in Form eines Nichtzulassungsbeschlusses MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 35. 289  s. für eine ausführlichere Sachverhaltsschilderung die Entscheidung der Vorinstanz, OLG Stuttgart, AG 2005, 693 sowie Hofmeister, NZG 2008, 47 f. 290  BGH DStR 2007, 586 f. 291 s. die Literaturübersichten bei Emmerich/Habersack, Aktienkonzernecht, Vorbem. zu § 311; MünchKommAktG/Kubis vor § 119; Münch. Hdb. AG/Krieger vor § 70; Großkomm­A ktG/Mülbert § 119 Rn. 19 ff. 292 s. insoweit beispielhaft aus der neueren Diskussion: Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 f., mit dem Vorschlag, Holzmüller-Zuständigkeiten der Hauptversammlung mit dem Gedanken einer einschneidenden Veränderung des zwischen Aktionär und AG bestehenden Investmentkontrakts zurückzuführen (vgl. insoweit allerdings auch schon Mecke, Konzernstruktur, S. 189 ff. und kritisch dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 382 f.); Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008) 231 ff. mit der These, die Holzmüller-Doktrin aufzugeben, weil es den zur Begründung herangezogenen Mediatisierungseffekt in Wahrheit nicht gebe;

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

261

len die Stellungnahmen in den ersten Jahren noch überwiegend ablehnend aus.293 Demgegenüber besteht heute bei allen Unterschieden im Einzelnen im Grundsatz doch weitgehend Einigkeit darüber, dass im Aktienrecht tatsächlich ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen existieren.294 Die kritischen bzw. gänzlich ablehnenden Stimmen befinden sich demgegenüber in der Minderzahl.295 Umstritten geblieben ist jedoch der Schutzzweck dieser Mitwirkungsbefugnisse, ihre normative Anknüpfung, und, eng verbunden damit, die Grenzen ihres Geltungsbereichs und ihre konkreten Voraussetzungen. In der Praxis hat diese Situation zunächst verbreitete Unsicherheit ausgelöst und im Ergebnis dazu geführt, dass für eine Vielzahl von Maßnahmen vorsorglich Hauptversammlungsbeschlüsse eingeholt wurden.296 Auch die neueren Urteile des Bundesgerichtshofs, die immerhin der Position der Rechtsprechung klarere Konturen verliehen und damit der Praxis einen Zuwachs an Rechtssicherheit verschafft haben,297 konnten keineswegs alle der zuvor noch offenen Fragen klären. Der Meinungsstand im Schrifttum stellt sich nach wie vor als recht unübersichtlich dar.298 Die noch vor den Gelatine-Urteilen getroffene Feststellung Mülberts, Konsens in einzelnen Sachfragen ergebe sich häufiger aus zufälligen punktuellen Übereinstimmungen als aus konzeptionellen s. daneben noch Paefgen, ZHR 172 (2008), 42 ff., der einerseits Holzmüller/Gelatine grundsätzlich ablehnt, andererseits aber für eine umfassende Klagemöglichkeit des Aktionärs zur Abwehr rechtswidrigen Verwaltungshandelns plädiert. 293  s. für gänzlich ablehnende oder doch überwiegend kritische Stellungnahmen etwa Beusch, in: FS Werner, S. 1 ff.; Götz, AG 1984, 85 ff.; Martens, ZHR 147 (1983), 377 ff.; Heinsius, ZGR 1984, 383 ff.; Semler BB 1983, 1566 ff; Sünner, AG 1983, 169 ff.; Ulmer, Entwicklungen, S. 17, 49; Werner, ZHR 147 (1983), 429 ff.; Westermann, ZGR 1984, 352, 363 ff.; vgl. für Zusammenfassungen des ablehnenden Grundtenors der Stellungnahmen der ersten Jahre die Angaben bei Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 772; Lutter, in: FS Stimpel, S. 825; zustimmend aus dieser Zeit dagegen Geßler, ebd., S. 771 ff.; Hübner, in: FS Stimpel, S 791, 792 ff.; Lutter, ebd., S. 825, 843 ff. 294  s. etwa Altmeppen, DB 1998, 49, 50 f.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 33 ff.; Emmerich/ders., KonzernR, § 9 IV 1 (S. 119 f.); Goette, AG 2006, 522 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 19; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279 ff.; MünchKommAktG/ Kubis § 119 Rn. 41 ff.; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 9 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 61 ff.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 21 ff.; Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), S. 25, 44 ff.; K. Schmidt, GesR, § 28 V 2 b (S. 871); Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 29 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 50 ff. 295 s. Bernhardt, DB 2000, 1873 ff., 1881; Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231 ff.; Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 382 ff.; KölnerKomm/ders., Vorb. § 291 Rn. 44 ff.; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 66 ff.; Simon, DStR 2004, 1528, 1529 f. 296 s. Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 232. 297  Sie sind insoweit verbreitet auf Zustimmung gestoßen, s. etwa für Gelatine etwa Arnold, ZIP 2005, 1573, 1579; Götze, NZG 2004, 585, 589; Habersack, AG 2005, 137, 149; Liebscher, ZGR 2005, 1, 33; Reichert, AG 2005, 150, 160; Fuhrmann, AG 2004, 339, 342; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339; Weißhaupt, AG 2004, 585, 591; für BGH DStR 2007, 586, s. Frhr. von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 26. 298 s.a. Liebscher, ZGR 2005, 1, 6 f.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Gemeinsamkeiten,299 hat noch immer eine gewisse Gültigkeit, auch wenn die nunmehr durch den Bundesgerichtshof sehr hoch angesetzten tatbestandlichen Voraussetzungen die praktische Bedeutung der verbleibenden Unklarheiten weitgehend relativieren. Die folgende Darstellung konzentriert sich darauf, die Grundzüge zu ordnen .

V. Stellungnahme An den Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ungeschriebene Zuständigkeiten zukommen, gehören Überlegungen zu dem Schutzzweck, die mit der Zubilligung dieser Zuständigkeiten verfolgt werden (a). Dabei zeigt sich in Übereinstimmung mit der Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass derartige Zuständigkeiten nicht von der rechtlich zu verfassenden Konzernunternehmung her gedacht werden können, sondern nur auf der Basis von aktionärsschützenden Überlegungen zu rechtfertigen sind. Dies leitet zu den organisationsrechtlichen Verwerfungen über, die mit bestimmten Maßnahmen auf der Ebene der (künftigen) Obergesellschaft einhergehen (b), weil sich aus den daraus resultierenden faktischen Beschränkungen der Rechte der Aktionäre bzw. der Hauptversammlung die zentralen Gesichtspunkte für die Begründung aktionärsschutzbezogener ungeschriebener Zuständigkeiten ergeben (c). Damit sind die zentralen Weichenstellungen für die normative Verankerung der Zuständigkeit bereits vorgeprägt (d). Im Anschluss daran sind verschiedene Einzelfragen einer vertieften Betrachtung zu unterziehen. 1.  Zum Schutzzweck der Holzmüller/Gelatine-Doktrin Um die Deutungshoheit des mit dem Holzmüller-Urteil verfolgten Schutzzwecks konkurrieren im Wesentlichen zwei unterschiedliche Konzeptionen.300 Dabei geht es einerseits um Ansätze, die die rechtliche Ordnung der Konzernunternehmung in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen (a). Der Gegenentwurf operiert strikt rechtsträgerbezogen und konzentriert sich auf die Fortentwicklung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Aktionäre (b). a)  Konzernverfassungsrechtliche Ansätze Im Vordergrund der konzernverfassungsrechtlich orientierten Ansätze steht die Vorstellung des Konzerns bzw. der Konzernunternehmung als einer rechtlich regelungsbedürftigen Einheit. Im Gegensatz zu den in der älteren Literatur verMülbert, Aktiengesellschaft, S. 383 f. s. für eine übersichtsweise Darstellung der Schutzzweckdiskussion Goette, AG 2006, 522 ff.; Emmerich/Habersack, Vor § 311 Rn. 34; ders., AG 2005, 138 ff.; GroßkommAktG/ Mülbert, § 119 Rn. 31 ff. 299 s.

300 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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tretenen Einheitstheorien geht es den neueren Ansätzen dabei jedoch nicht mehr darum, den Konzern selbst zum Rechtssubjekt zu erheben.301 Beibehalten werden aber Vorstellungen, die die Konzernunternehmung als Einheit von den einzelnen Rechtsträgern abheben und für diese dann eigenständige Organisationsregeln zu entwickeln suchen,302 wobei nach Lutters Vorstellung die Organe des herrschenden Unternehmens zugleich die Funktion von Konzernorganen übernehmen.303 Der Bundesgerichtshof ist einer Vereinnahmung seiner Rechtsprechung durch konzernverfassungsrechtliche Ansätze in der Gelatine-Entscheidung in sehr deutlicher Weise entgegengetreten. Dem ist im Ergebnis zu folgen.304 Der zentrale Einwand läuft dabei darauf hinaus, dass sich derartige konzernverfassungsrechtliche Ansätze wegen der damit verbundenen z.T. sehr weitreichenden Ableitungen nur schwerlich in das geschriebene Aktienrecht einpassen lassen.305 Für die Bewältigung der mit der Gruppenbildung verbundenen Konsequenzen für die Aktionäre der Obergesellschaft ist ein derart weitreichender Ansatz auch gar nicht erforderlich. Vielmehr lassen sich die auftretenden Probleme auf zufriedenstellende Weise auch allein durch Überlegungen zur Zuständigkeitsabgrenzung auf der Ebene der Obergesellschaft lösen, ohne dass dazu notwendig ist, „systematisch in der Rechtsfigur des Konzerns zu denken“306.307 b)  Rechtsträgerbezogener Aktionärsschutz Der Gegenentwurf zu den konzernverfassungsrechtlichen Ansätzen zielt auf den Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft und will zu diesem Zweck die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft fortentwickeln, operiert also mit einem strikt rechtsträgerbezogenen Konzept.308 Bei aller betonten Distanz darf allerdings auch der gemeinsame Grund nicht übersehen werden, den diese Konzeption und die konzernverfassungsrechtlichen Ansätze teilen. So schließen die unterschiedlichen Erklärungsansätze Übereinstimmungen in einzelnen Ergebnissen keineswegs aus. Gemeinsam ist ihnen auch die Erkenntnis, dass die gesetzliche 301 Vgl. zur älteren Lit. etwa Mülbert, S. 20 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 15 f. 302  Die Diskussion zusammenfassend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 34 f., mit ausführlicher Darstellung auch der Unterschiede im Detail (S. 25 ff.; 397 ff.); vgl. zu den Vertretern konzernverfassungsrechtlicher Ansätze bereits oben, Fn. § 5 E.I.2.a). 303 s. Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 829 ff.; Timm, Aktiengesellschaft, S. 47; vgl. dazu auch Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 16. 304  Ebenso z. B. Goette, DStR 2004, 927 f.; ders., AG 2006, 522; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 34. 305 s. Goette, AG 2006, 522; ausführliche Diskussion bei Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 25 ff., 51 ff. 306  Formulierung von Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 834. 307 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 17; s.a. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 51 ff. 308  s. GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 32; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 34.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft lückenhaft ist und unter bestimmten Gründen fortgebildet werden kann. Gleiches gilt für die Erkenntnis, dass sich ein Bedarf dazu zumindest vorzugsweise in Konzern- bzw. Gruppensachverhalten aktualisiert.309 Deswegen ist es auch möglich, dass das Erfordernis, die Hauptversammlung in gesetzlich nicht geregelten Fällen intern an Entscheidungen zu beteiligen, deren Einfluss auf die Konzernbildung und –leitung zu stärken vermag.310 Nur erklärt sich dies eben nicht daraus, dass die Hauptversammlung der Obergesellschaft als Konzernorgan tätig wird, sondern ist die Folge einer in der Obergesellschaft vorgenommenen Zuständigkeitsabgrenzung. Im Übrigen existieren auch im Bereich der aktionärsschützenden Konzeptionen ganz unterschiedliche Unterströmungen, deren Bedeutung nicht nur theoretischer Natur ist, sondern die sich auch auf die konkret erzielten Ergebnisse auswirken. Dabei geht es einmal um die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes mit Hilfe der Holzmüller-Doktrin ganz allgemein auf individualrechtliche Beeinträchtigungen der Mitgliedschaft reagiert werden kann, oder ob stärker darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass sich der Aktionärsschutz grundsätzlich im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung verwirklicht (aa)).311 Eine weitere Kontroverse hat ihren Schwerpunkt bei der Frage nach dem konkreten Schutzobjekt des Aktionärsschutzes. Während ganz überwiegend die mitgliedschaftlichen Herrschaftsrechte im Mittelpunkt der Überlegungen stehen, verlagert sich nach anderer Ansicht der Schutzziel ganz auf die Vermögensposition des Aktionärs (bb)).312 Daneben wird unter Schutzzweckgesichtspunkten schließlich mit einer etwas anderen Schwerpunktsetzung auch noch über die Frage diskutiert, ob die Holzmüller/ Gelatine-Doktrin spezifisch mit den Gesichtspunkten des Minderheitenschutzes verbunden ist. Darauf ist abschließend einzugehen (cc)). 309  Gelegentlich wird ein Kausalzusammenhang des Inhalts nahegelegt, weil die Holzmüller-Doktrin nicht Ausdruck eines konzernverfassungsrechtlichen Ansatzes sei, könne sie auch außerhalb des Bereichs der Konzernbildungs- und -leitungsmaßnahmen Bedeutung gewinnen: s. z. B. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 34; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 293. Dazu ist erstens zu sagen, dass auch Vertreter konzernverfassungsrechtlicher Ansätze es durchaus für möglich halten, die Holzmüller-Doktrin in der Einheitsgesellschaft zum Einsatz gelangen zu lassen: s. z. B. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225 ff.; dies ermöglicht der übergreifende Gesichtspunkt der Strukturänderung in der Unternehmung, die sowohl die Unternehmung der Einheitsgesellschaft wie auch die Konzernunternehmung sein kann: vgl. dazu auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 384 f., 399. Zweitens ist durch die Zurückweisung konzernverfassungsrechtlicher Ansätze noch nicht positiv belegt, dass die Holzmüller-Doktrin auch in Sachverhalten ohne Konzern- bzw. Gruppenbezug Bedeutung gewinnen kann. Dies ist vor allem eine Frage der Lückenhaftigkeit der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung. Für den Nachweis solcher Lücken scheinen Gruppensachverhalte wegen der damit einhergehenden Auswirkungen auf die Zuständigkeitsordnung aber besonders geeignet. 310  BGHZ 159, 30, 39. 311  s. dazu Goette, AG 2006, 522, 523 f.; MünchKommAktG/Spindler (3. Aufl.) § 76 Rn. 37. 312  s. Emmerich/Habersack, Vor § 311 Rn. 34; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 33.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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aa)  Die Bedeutung des Mitgliedschaftsinteresses für die Zuständigkeitsbegründung In der Literatur findet sich die Ansicht, wonach für die Notwendigkeit, die Aktionäre in eine bestimmte Entscheidung einzubeziehen, unmittelbar auf den Gedanken der Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsinteresses zurückgegriffen werden kann.313 Der Eingriff in das Mitgliedschaftsinteresse gewinnt hierbei den Charakter eines selbständigen Begründungstopos für ungeschriebene Zuständigkeiten314 bzw. Vorlagepflichten315 des Vorstands. Aus der Perspektive der auf eine restriktive Anwendung der Holzmüller-Doktrin bedachten Stimmen begründen solche Ansätze die Gefahr untunlicher Ausdehnungstendenzen.316 Gegen sie sprechen aber auch dogmatische Bedenken. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Kompetenzabgrenzung die auf einer typisierenden Betrachtung beruhende gesetzgeberische Wertung enthalte, wonach mit der dadurch vorgenommenen Aufgabenteilung den Mitgliedschaftsinteressen der Aktionäre bereits Rechnung getragen ist.317 Ein mehr oder weniger freier Zugriff auf das Mitgliedschaftsinteresse zur Erzeugung von Entscheidungskompetenzen wegen eines Eingriffs in den Kernbereich der Mitgliedschaft318 oder von Vorlagepflichten wegen einer übermäßigen Inanspruchnahme der Vorstandskompetenzen, die die zu respektierende „Individualschutzzone“319 der Aktionäre beeinträchtigt,320 verträgt sich damit nicht. Systematisch folgerichtig ist die Frage nach ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnissen der Hauptversammlung auch unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes vielmehr dahin zu stellen, ob die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung ausnahmsweise unter Durchbrechung der grundsätzlich zu akzeptierenden gesetzlichen Kompetenzverteilung fortzubilden ist, was den sorgfältigen Nachweis einer entsprechenden Regelungslücke erforderlich macht.321 Dabei ist dann aber nicht individualrechtlich auf die Betroffenheit des einzelnen Aktionärs abzustellen, sondern auf die kollektive Betroffenheit der Verbandsmitglieder, d.h. konkret auf die mit einer bestimmten Maßnahme einhergehenden Einflussverluste der Gesamtheit der Aktionäre.322 313  s. insbesondere Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 293 ff.; ders., AktG § 119 Rn. 18, 24; s.a. Liebscher, ZGR 2005, 1, 19 ff.; nahegelegt werden solche Vorstellungen auch durch die z.T. sehr weit geratenen und individualrechtlich ansetzenden Formulierungen des Holzmüller-Urteils: BGHZ 83, 122, 131. 314 s. Liebscher, ZGR 2005, 1, 19 ff. 315  So der Ansatz von Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 293 ff.; ders., AktG § 119 Rn. 18, 24. 316 s. Goette, AG 2006, 522, 523 f. 317 s. Goette, AG 2006, 522, 523; s.a. MünchKommAktG/Spindler (3. Aufl.) § 76 Rn. 37. 318 s. Liebscher, ZGR 2005, 1, 19. 319  So in Umschreibung von Hüffers Ansatz K. Schmidt, NZG 2003, 601, 602. 320 s. Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 293 ff.; ders., AktG § 119 Rn. 18, 24. 321 s. Goette, AG 2006, 522, 523 f. 322  s. GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 70; vgl. auch noch unten, § 5 E.VI.2.c).

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

bb)  Schutz der Mitwirkungsrechte oder des Vermögens? Soweit die Fortbildung der Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes in Rede steht, ist dafür von entscheidender Bedeutung, welche Position dem Aktionär innerhalb des aktienrechtlichen Gesamtgefüges zukommt. Hier konkurriert der tradierte Ansatz, der die Position des Aktionärs aus Sicht der Verbandsmitgliedschaft erfasst,323 mit dem Gegenentwurf Mülberts, der die Rolle des (Klein-)Aktionärs als Kapitalanleger und damit dessen vermögensmäßigen Schutz in den Vordergrund rückt.324 Nach Mülberts Ansatz kommen den Aktionären der (künftigen) Obergesellschaft ungeschriebene Mitwirkungsrechte auf der Grundlage einer Gesamtanalogie zu den §§ 293 Abs. 2 S. 1, 320 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 319 Abs. 2 S. 1 AktG, §§§ 13 Abs. 1, 125 UmwG nur, aber auch immer dann zu, wenn eine Maßnahme in Rede steht, in deren Zuge Dritte Aufnahme in eine Untergesellschaft der Gruppe finden und damit die Gefahr einer Quersubventionierung des Anteilserwerbs von Alt- zu Neuaktionären besteht.325 Im Ergebnis führt dies zu nicht unerheblichen Abweichungen von der Position der herrschenden Ansicht. So verengt sich zunächst einmal den Kreis der Maßnahmen, die als zuständigkeitsbegründend in Betracht kommen, weil alle Vermögensverlagerungen auf hundertprozentige Tochtergesellschaften oder Umstrukturierungen, die solche Tochtergesellschaften betreffen, keine ungeschriebenen Zuständigkeiten begründen können.326 Auf der anderen Seite werden nach Mülberts Ansicht aber auch solche Maßnahmen von ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnissen erfasst, die wie etwa die Teilveräußerung einer Beteiligung nach herrschender Ansicht mangels Mediatisierungseffektes keine ungeschriebenen Zuständigkeiten begründen können.327 Festzuhalten ist zunächst einmal, dass Mülberts Ansatz mit den wesentlichen Ergebnissen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Dies gilt zunächst für den Ausschluss von Vermögensverlagerungen auf hundertprozentige Tochtergesellschaften oder solche Umstrukturierungen, in deren Rahmen es nicht zur Aufnahme Dritter kommt. Denn sowohl in der Holzmüller-Entscheidung als auch in den Gelatine-Urteilen hat der Bundesgerichtshof gerade im Hinblick auf solche Maßnahmen die Annahme ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse zumindest grundsätzlich für möglich

323  s. dazu Habersack, AG 2005, 137, 139 ff.; ders., Mitgliedschaft, S. 326 ff.; Großkomm­ AktG/Mülbert Vor §§ 118 – 147 Rn. 196. 324  s. GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 33; für die Entwicklung der Grundposition Mülberts s. ders., Aktiengesellschaft, 2. Teil, S. 97 ff., 103 ff. (zusammenfassend 152 f.). 325 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 416 ff., 430 ff. 326 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 416 ff. 327 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 434 f.; s. zur Gegenansicht vorläufig nur BGH DStR 2007, 586, 587; Goette, AG 2006, 522, 527 Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 43.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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gehalten.328 Auch soweit Mülberts Ansatz über Mediatisierungsfälle hinausreicht, solange die Maßnahme nur zur Aufnahme Dritter in eine Untergesellschaft führt,329 ist das mit der Rechtsprechung nicht mehr vereinbar. Der bereits geschilderte Nichtannahmebeschluss aus dem Jahr 2006, der die Annahme einer ungeschriebenen Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin für den Fall einer Teilveräußerung einer Beteiligung mit der Begründung zurückweist, es fehle in diesem Fall an einem Mediatisierungseffekt,330 lässt dies ganz deutlich werden. Mülberts Ansatz hat sich in der Praxis damit also insgesamt nicht durchsetzen können. Für eine Korrektur besteht kein Anlass. So bestehen bereits gegen Mülberts Ausgangsthese eines anlegerbezogenen und damit rein vermögensmäßig auszugestaltenden (Klein-)Aktionärsschutzes durchgreifende Bedenken,331 die sich auch in ganz überwiegend ablehnenden Stellungnahmen der Literatur niedergeschlagen haben.332 Sie ist mit den Grundentscheidungen des Aktiengesetzes de lege lata nicht vereinbar. Auch wenn gerade in der neueren Gesetzgebung Tendenzen dazu zu verzeichnen sind, den Bestandsschutz der Mitgliedschaft einzuschränken und durch den Schutz des in der Mitgliedschaft verkörperten Vermögenswertes zu ersetzten,333 geht das Aktiengesetz in seiner Grundkonzeption nach wie vor nicht vom Bild des (Klein-)Aktionärs als bloßem Anleger, sondern als Verbandsmitglied aus, dessen Rechtsposition vor allem auch durch seine Mitwirkungsrechte geprägt wird.334 Diese Grundentscheidung kann dann, wenn es darum geht, die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes fortzuentwickeln, konsequenterweise nicht ausgeblendet werden. 328  In

der Holzmüller-Entscheidung stand eine Ausgliederung auf eine 100 %ige Tochtergesellschaft in Rede, in den Gelatine-Entscheidungen ging es um Einbringung einer 100 %igen Tochtergesellschaft (BGHZ 159, 30) bzw. eines 49 %igen Gesellschaftsanteils (BGH NZG 2004, 575) in eine weitere 100 %ige Tochtergesellschaft. 329  s. zur Teilveräußerung einer Beteiligung Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 435. 330  s. BGH DStR 2007, 586, 587 sowie ausführlicher zum Sachverhalt die Entscheidung der Vorinstanz, OLG Stuttgart, AG 2005, 693; s.a. Goette, AG 2006, 522, 527. 331  Hinzu kommen berechtigte Zweifel daran, ob die von Mülbert als Analogiegrundlage herangezogenen §§ 293 Abs. 2 S. 1, 320 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 319 Abs. 2 S. 1 AktG, 13 Abs. 1, 65 UmwG tatsächlich ausschlaggebend auf dem Gedanken beruhen, die Altaktionäre gegen eine Quersubventionierung der Neugesellschafter zu schützen: s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 46. 332  Ablehnend etwa Bayer, NJW 2000, 2609, 2615; Habersack, Mitgliedschaft, S. 326 ff.; ders., AG 2005, 137, 139 f.; Hüffer, in: FS Kropff, 128, 132 ff.; 142 f.; Tröger, NZG 2002, 211, 213; vgl. auch Wiedemann, in: FS K. Schmidt, S. 1731, 1740 f.; offengelassen von Hirte, WM 1997, 1001, 1007 (jedoch grds. mit Mülberts Position sympathisierend); ähnlich wie Mülbert dagegen Schiessl, AG 1999, 442, 445 ff. (jedoch de lege ferenda); Teichmann, AG 2004, 67, 75 f. 333  s. dazu Habersack, AG 2005,137, 140; Wiedemann, in: FS K. Schmidt, S. 1731, 1738 f. 334  Für die Details der Diskussion sei verwiesen auf Habersack, AG 2005, 137, 139 f.; Hüffer, in: FS Kropff, 128, 132 ff.; s. daneben auch Wiedemann, in: FS K. Schmidt, S. 1731, 1740 f.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

cc) Minderheitenschutz Gelegentlich wird die Holzmüller-Doktrin auch unter dem Aspekt des Minderheitenschutzes verortet oder mit diesem zumindest in Verbindung gebracht.335 Gewisse Ansätze dafür finden sich bereits im Holzmüller-Urteil selbst.336 Der Bundesgerichtshof hat diesen Aspekt in den Gelatine-Urteilen allerdings nicht wieder aufgegriffen, der Vorsitzende des damals entscheidenden Senats hat sich generell skeptisch geäußert.337 Die Literatur nimmt denn auch vielfach eine ablehnende Position ein.338 Dabei dürfte sich allerdings zumindest ein Teil der Auseinandersetzung bereits aus bloß terminologischen Differenzen erklären: Es bestehen schlicht nicht weiter reflektierte Unterschiede in der Auffassung darüber, welche Rechtstechniken sich als Instrumente des Minderheitsschutzes ansprechen lassen. Diese Unterschiede sind für sich genommen wenig verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass mit dem Begriff des Minderheitenschutzes zunächst einmal nur eine Zielrichtung angegeben ist, aber keine einheitliche juristische Kategorie bezeichnet werden kann.339 Verdeutlichen lässt sich das Problem etwa am Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit, wie dies von der Rechtsprechung und einem weiten Teil der Literatur für Holzmüllerbeschlüsse befürwortet wird. Qualifizierte Mehrheitserfordernisse lassen sich, auch wenn andere Instrumente für den Minderheitenschutz von größerer Bedeutung sein mögen,340 immerhin doch auch als (schematisch ansetzende) Elemente eines sachlichen341 bzw. institutionellen342 Minderheitenschutzes verstehen: je höher das erforderliche Quorum, umso stärker fällt die Integration aller Mitglieder in die Gemeinschaft aus.343 Wer hingegen betont, dass auch in solchen Fällen die (qualifizierte) Mehrheit jeden entgegenstehenden Minderheitswillen überspielen kann, wird sich von der Verbindungslinie zwischen Quorum und Minderheitenschutz nicht überzeugen lassen.344 Ähnliches gilt für die jedem Mitglied eröffnete Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz gegen Holzmül335  s. etwa Altmeppen, DB 1998, 49, 50; Flume, Jur. Person, § 8 V 4 (insb. S. 312); Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 159 ff.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 171; Rehbinder, ZGR 1983, 92, 94; Westermann, in: FS Koppensteiner, S. 259, 269, 276. 336  s. BGHZ 83, 122, 139 f. 337 s. Goette, AG 2006, 522, 523. 338 s. Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 298; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 39 („Irrweg“), 56; Sünner, AG 1983, 169, 172; Wasmann, DB 2002, 1097; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 444 ff. 339  s. nur K. Schmidt, GesR § 16 III 1 (S. 466 ff). 340  s. zum Minderheitenschutz ausführlich und systematisierend K. Schmidt, GesR, § 16 III (S. 466 ff.); Wiedemann, GesR I, § 8 I 4 (S. 419 ff.); vgl. außerdem im Wege eines Systemvergleichs von Treuepflicht, Sachlichkeitsgebot und Gleichbehandlungsgrundsatz (jeweils auch mit ihren Bezügen zum Minderheitenschutz), ders., WM 2009, 1 ff. 341  So die Kategorisierung bei Wiedemann, GesR I, § 8 I 4 b (S. 420 f.). 342  So die Kategorisierung bei K. Schmidt, GesR, § 16 III 2 a (S. 468). 343 s. Wiedemann, GesR I, § 8 I 4 b (S. 420). 344  s. MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 41.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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ler-Maßnahmen zu suchen, die ohne den erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss getroffen werden, bzw. die Möglichkeit, einen etwa gefassten Beschluss im Klagewege anzugreifen. Hierbei handelt es sich im Ausgangspunkt um Individualschutzrechte, die jedem einzelnen Mitglied zustehen. Darauf bezogen lässt sich natürlich sagen, dass es bei der Vorlagepflicht für Holzmüllermaßnahmen nicht um Minderheitsschutz im „rechtstechnischen“ Sinn geht,345 soweit man darunter nämlich formelle Minderheitsrechte versteht, die das Gesetz nicht einzelnen Gesellschaftern, sondern einem bestimmten Anteilsquorum zuweist.346 Beschränkt man sich hingegen nicht auf Minderheitsrechte im technischen Sinn, besteht Raum für die Einsicht, dass praktisch auch und gerade allgemeine Mitgliedschaftsrechte wie insbesondere Klagerechte eine minderheitsschützende Funktion übernehmen können.347 Damit ist aber natürlich nicht gesagt, dass die Holzmüller-Doktrin allein oder auch nur vorrangig der Bewältigung von Mehrheits-/Minderheitskonflikten zuzuordnen wäre. Dies wird vor allem daran deutlich, dass das vom Bundesgerichtshof im Holzmüller-Urteil identifizierte Kernproblem – die Gefahr einer nicht ausreichend legitimierten Kompetenzverschiebung zwischen Hauptversammlung und Verwaltung durch Ausgliederungsvorgänge – gerade auch in der Publikumsgesellschaft mit atomisierter Eignerstruktur nicht entfällt.348 Diese Gefahrenlage kann sich bei Existenz eines Mehrheitsgesellschafters und einem im Einvernehmen mit diesem handelnden Vorstand dann zwar in einer Weise zuspitzen, die besonders die Interessen der Minderheit betrifft.349 Dies ändert jedoch nichts daran, dass es im Ausgangspunkt um ein allgemeines Problem der Kompetenzabgrenzung geht, das je nach Ausgestaltung der Beteiligungsstruktur eben auch die Gestalt eines Minderheitsschutzproblems annehmen kann. 2.  Organisationsrechtliche Effekte der Gruppenbildung a)  Gruppenbildung als bloßer Aktiventausch? Die Gruppenbildung – gleich ob durch Ausgliederung von Unternehmensteilen auf eine zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft, durch eine Bargründung oder durch Beteiligungserwerb – hat zur Folge, dass an die Stelle von Finanz- bzw. Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 298. s. näher K. Schmidt, GesR, § 16 III 2 c (S. 469); Wiedemann, GesR I, § 8 I 4 a (S. 419 f.). 347 s. K. Schmidt, § 16 III 2 b (S. 468). Die Intensität der Schutzwirkung hängt dann vor allem von der weiteren Frage ab, ob und ggfs. in welchem Umfang im Rahmen einer Anfechtungsklage unter dem Gesichtspunkt der Treuepflichtverletzung eine materielle, die Interessen der Minderheit berücksichtigende Inhaltskontrolle des Beschlusses erfolgen darf: vgl. allgemein Hüffer/Koch, AktG, § 243 Rn. 24 ff.; s.a. Westermann, in: FS Koppensteiner, S. 259, 276. 348 s. Baums, AG 1994, 1, 2, mit praktischen Beispielen; Habersack, Mitgliedschaft, S. 299 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 417. 349  Vgl. die Nachweise vorige Fn., insb. Baums, a.a.O. 345 So 346 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Sachmitteln, die zuvor für die unmittelbare Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes in der Obergesellschaft zur Verfügung gestanden haben, Gesellschaftsanteile an einer Beteiligungsgesellschaft treten. Bilanzrechtlich betrachtet stellt sich damit die Gruppenbildung schlicht als ein Aktiventausch dar.350 Doch erschöpft sich ihre Bedeutung nicht allein darin. Vielmehr darf inzwischen nahezu als allgemein anerkannt gelten, dass mit der Gruppenbildung organisationsrechtliche Effekte einhergehen, die einerseits die Leitungsmacht des Vorstands, andererseits die Kompetenzen der Hauptversammlung betreffen. b)  Beschränkungen der Leitungsmacht des Vorstands Verbreitet wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit der Gruppenbildung eine Beschränkung der Leitungsbefugnisse des Vorstands im Hinblick auf die Verwaltung des in die Beteiligungsgesellschaft übergeleiteten Vermögens einhergeht, weil der uneingeschränkten Ausübung von Leitungsmacht auf der Ebene der Untergesellschaft faktische wie rechtliche Hindernisse entgegenstehen können.351 Die Gesichtspunkte, die dabei zu berücksichtigen sein können, sind allerdings außerordentlich vielgestaltig. Die Literatur nennt als maßgebliche Einflussgrößen die Frage, ob lediglich ein faktischer Konzern besteht oder ob die Möglichkeiten der Einflussnahme durch einen Beherrschungsvertrag oder sogar eine Eingliederung verfestigt worden sind, ob die Untergesellschaft über einen mitbestimmten Aufsichtsrat verfügt, ob dort konzernfreie Gesellschafter existieren, welche Rechtsform die Beteiligungsgesellschaft aufweist und schließlich auch das personen- und erfolgsabhängige individuelle Standing des Leiters der abhängigen Gesellschaft.352 Die Stärke des die Leitungsmacht beschränkenden Effektes wird daher von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Beispielhaft lässt sich das an den Unterschieden zwischen faktischen Konzernverhältnissen einerseits und dem Vertrags- oder Eingliederungskonzern andererseits verdeutlichen. Im faktischen Aktienkonzern bleibt der Vorstand der Untergesellschaft nach § 76 AktG zur eigenverantwortlichen Leitung seiner AG berechtigt. Er darf unter den Voraussetzungen des § 311 AktG der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens nachgeben, ist dazu rechtlich aber nicht verpflichtet.353 In dieser Konstellation ist der Verlust 350 Vgl. Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 164; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 43; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 30; s.a. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 53. 351  Vgl. namentlich Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 109 ff., 148 ff.; vgl. daneben auch KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 32; Kropff, ZGR 1984, 112, 116 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 44 ff.; Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 838 f.; Mecke, Konzernstruktur, S. 60 ff.; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 97 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 12 ff.; insoweit zustimmend auch Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 236. 352  Vgl. im Einzelnen die Nachweise in der vorigen Fn. 353  Ganz h.M.: s. MünchKommAktG/Altmeppen § 311 Rn. 25; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 18 Rn. 4; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 24 Rn. 17; Emmerich/

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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an rechtlich abgesicherter Leitungsmacht des Vorstands im Vergleich mit der Lage in der Einheitsgesellschaft also ganz deutlich spürbar. Im Vertragskonzern ändert sich dies, weil hier der Vorstand der Obergesellschaft gegenüber demjenigen der Untergesellschaft nach §§ 308 AktG weisungsbefugt ist und daher in den Grenzen des Beherrschungsvertrages auch über rechtlich abgesicherte Leitungsmacht verfügt. Auch hier ist aber noch einschränkend zu berücksichtigen, dass die Bedeutung des Tochtervorstandes als eigenverantwortliches Leitungsorgan zwar überlagert, nicht aber vollständig beseitigt wird.354 Die Eigenverantwortlichkeit besteht insbesondere fort, soweit keine Weisungen erteilt worden sind.355 Darüber hinaus trifft die Folgepflicht unter den Voraussetzungen des § 308 Abs. 2 S. 2 AktG bei nachteiligen Weisungen auf Grenzen, ebenso wie bei solchen Weisungen, die gegen die Satzung der Untergesellschaft verstoßen oder die ihre Existenz gefährden.356 Ähnlich stellt sich die Lage im Eingliederungskonzern dar. Auch hier verfügt der Vorstand der Obergesellschaft über ein Weisungsrecht, während den Vorstand der Untergesellschaft eine damit korrespondierende Folgepflicht trifft (§ 323 Abs. 1 AktG). Die Überlagerung der eigenverantwortlichen Stellung des Vorstands der Untergesellschaft reicht freilich noch weiter, weil es an einer § 308 Abs. 2 S. 2 AktG vergleichbaren Vorschrift für den Eingliederungskonzern fehlt.357 Für die Begründung ungeschriebener Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung ist dem Gesichtspunkt des Leitungsmachtverlusts allerdings mit Zurückhaltung zu begegnen. Denn es handelt sich hierbei um Verlustposten in derjenigen Kompetenzsphäre, die dem Vorstand zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen und damit dem Zugriff der Hauptversammlung ohnehin weitgehend entzogen ist.358 Vergleichbares gilt für Beschränkungen, die mit der Gruppenbildung für die Befugnisse des Aufsichtsrats einhergehen mögen.359 ders., AktienkonzernR, § 311 Rn. 10 mit umfassenden Nachweisen; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 52. 354  s. Begründung RegE bei Kropff, AktG 1965, S. 403; Fleischer, in: Fleischer, VorstandsR, § 18 Rn. 4; Hüffer/Koch, AktG, § 308 Rn. 20 ff. 355 Eine erhebliche Einschränkung der Eigenverantwortlichkeit liegt – gemessen am Verständnis des § 76 AktG für die Einheitsgesellschaft – allerdings darin, dass bei wichtigen Angelegenheiten verbreitet von einer Vorlagepflicht ausgegangen wird: s. MünchKommAktG/Altmeppen § 308 Rn. 159; Hüffer/Koch, AktG, § 308 Rn. 20; Münch. Hdb. GesR/ Krieger § 71 Rn. 161 m.w.N. 356  s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 23 Rn. 35 ff. 357 Nach h.M. sind sogar existenzgefährdende Weisungen zulässig: s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 10 Rn. 52; MünchKommAktG/Grunewald § 323 Rn. 3; Münch. Hdb. AG/Krieger § 74 Rn. 48; zweifelnd Hüffer/Koch, AktG, § 323 Rn. 3; eine Grenze ist aber bei sittenwidrigen Weisungen erreicht, zu denen auch die Fallgruppen des existenzvernichtenden Eingriffs zu rechnen sind: s. MünchKommAktG/Grunewald § 323 Rn. 5. 358  s. einstweilen Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 237 u. näher noch sogleich, § 5 E.V.3.a). 359  s. auch dazu Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 237; s. allgemein zu den Veränderungen der Kontrollbedingungen Mecke, Konzernstruktur, S. 62 ff.

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c)  Beschränkung der Hauptversammlungs- bzw. Aktionärskompetenzen Daneben wirken sich die Maßnahmen der Gruppenbildung aber auch verkürzend auf die Kompetenzen der Aktionäre bzw. der Hauptversammlung der Obergesellschaft aus, was im Grundsatz seit langem anerkannt ist und schlagwortartig als „Mediatisierungseffekt“ bezeichnet wird.360 Während die Aktionäre den Einsatz des unmittelbar in der Ausgangsgesellschaft investierten Vermögens und die Verwendung seiner Erträge in den Schranken der ihnen nach § 119 AktG zustehenden Rechte auch unmittelbar beeinflussen und kontrollieren können, wird die Einflussnahme auf das in eine Beteiligungsgesellschaft verlagerte Vermögen nur noch durch die dafür gewährten Beteiligungsrechte vermittelt. Die Wahrnehmung dieser Rechte ist aber nach herkömmlicher Auffassung alleinige Aufgabe der Verwaltung der Ausgangsgesellschaft. Wiedemann hat für diesen Vorgang den plastischen Vergleich ins Spiel gebracht, die Anlage von Gesellschaftsvermögen in einer Tochtergesellschaft entspreche der Abtretung von Mitgliedschaftsrechten an einen Treuhandgesellschafter, weil mit beiden Maßnahmen die Zurückstufung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse in bloß schuldrechtlich-treuhänderisch gebundene einhergehe.361 aa)  Beschränkung der Informations- und Kontrollrechte Die Verkürzung der Informations- und Kontrollrechte wird für gewöhnlich vor allem anhand des Auskunftsrechts des Aktionärs nach § 131 AktG, der Sonderprüfung nach § 142 ff. AktG und des Rechts der Entlastungsverweigerung diskutiert.362 (1)  Das Auskunftsrecht nach § 131 AktG Verbreitet wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass mit der Gruppenbildung eine Einschränkung des Auskunftsrechts der Aktionäre einhergeht.363 Inso360  Vgl. BGHZ 83, 122, 131 f., 136 f.; BGHZ 159, 30, 40; s.a. BGHZ 153, 47, 54; zu den für das deutsche Recht grundlegenden Vorarbeiten Lutters s. bereits oben, § 5 E.I.2.a); s. daneben etwa Baums, AG 1994, 1, 2 f. (in Bezug auf Vorzugsaktionäre); Emmerich/Habersack, KonzernR, § 7 Rn. 2 ff.; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 34; ders., AG 2005, 137 ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 155 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 16; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 167 f.; KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 32; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 46 ff.; Mecke, Konzernstruktur, S. 62 ff.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 32; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 30; K. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 119 Rn. 30; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 66 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 53 f. 361 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 53 f. 362  s. übersichtsweise Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 70 ff. 363 s. etwa Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 156; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 168; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 30; s.a. Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 66 ff.; im Hinblick auf die Handhabung des Auskunftsrechts in der Praxis a.A. Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 234 f.

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weit wird angeführt, dieses erstrecke sich zwar auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen, wie § 131 Abs. 1 S. 2 AktG klarstellend festhält, nicht aber zwangsläufig auch auf die Angelegenheiten der Beteiligungsgesellschaft selbst.364 Diese Differenzierung ist im Ausgangspunkt zwar zutreffend. Mit gegenläufigem Effekt ist jedoch zu berücksichtigen, dass Angelegenheiten der Beteiligungsgesellschaft abhängig von ihrer Bedeutung auch zu Angelegenheiten der Obergesellschaft selbst werden können.365 Jedenfalls in solchen Fällen besteht also unter den weiteren Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG in rechtlicher Hinsicht ein ungeschmälerter Auskunftsanspruch. Im Hinblick auf dessen Verwirklichung ist aber wieder zu berücksichtigen, dass der Vorstand dafür auch über die erforderlichen Informationen verfügen oder sich diese zumindest beschaffen können muss. Die Informationsbeschaffung in der Unternehmensgruppe stellt sich rechtlich aber wieder in einem ganz anderen Licht dar als in der Einheitsgesellschaft.366 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligungsgesellschaften die Rechtsform einer Aktiengesellschaft aufweisen.367 Namentlich im faktischen Aktienkonzern und in Fällen einfacher Abhängigkeit ist der Vorstand auf das aus der Aktionärsposition fließende, nur in der Hauptversammlung auszuübende Auskunftsrecht nach § 131 AktG beschränkt, sieht man von den auf die Konzernrechnungslegung bezogenen Informationspflichten nach § 294 Abs. 3 HGB und informellen Informationsmöglichkeiten durch personelle Verflechtungen einmal ab.368 Ob die rechtlichen Grenzen praktisch zum Tragen kommen, ist wieder eine andere Frage. Vielfach wird es so liegen, dass der Vorstand der Beteiligungsgesellschaft schon aus eigenem Interesse für einen ausreichenden Informationsfluss sorgt.369 Insgesamt erscheint damit ein differenzierendes Zwischenfazit angezeigt: die Informationsrechte der Aktionäre der Obergesellschaft können dadurch eine – durchaus als Reduktion zu verstehende – veränderte rechtliche Prägung gewinnen, dass die Informationsbeschaffung des Vorstands selbst in der Unternehmensgruppe eine andere Ausgestaltung erfährt als in der Einheitsgesellschaft. Inwieweit sich das auch in praktischen Unterschieden niederschlägt, ist dagegen schwierig zu sagen, weil es von den Umständen des Einzelfalles abhängt.

364 s. Joost, ZHR 163 (1999), 164, 168; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 30.

s. bereits die Kropff, AktG 1965, S. 185 f.; daneben Hüffer/Koch, AktG, § 131 Rn. 16; MünchKommAktG/Kubis § 131 Rn. 70; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 68; KölnerKomm/Kersting § 131 Rn. 252. 366 s. überblicksweise Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 18 Rn. 31 ff.; spezifisch im Hinblick auf den Mediatisierungseffekt Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 69 ff. 367  Deren genauer Verlauf ist zumindest in den Einzelheiten unklar: s. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 18 Rn. 32. 368 s. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 18 Rn. 36; s.a. MünchKommAktG/ Altmeppen § 311 Rn. 424 ff. 369 s. Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 234. 365 

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(2)  Recht zur Bestellung eines Sonderprüfers Im Ansatz ähnlich ist die Rechtslage im Bereich der Sonderprüfung nach § 142 ff. AktG.370 Auch das Sonderprüfungsrecht stößt auf Grenzen, weil es nicht auf den Konzern als solchen, sondern nur auf ein einzelnes Konzernunternehmen bezogen sein kann. Dies hat zur Folge, dass sich das Einsichtsrecht des Sonderprüfers nach § 145 Abs. 1 AktG nur auf die Bücher, Schriften etc. des zu prüfenden Unternehmens bezieht.371 Anders liegt die Sache allerdings für das Auskunftsrecht nach § 145 Abs. 2 AktG, weil hier in Abs. 3 eine konzernweite Erstreckung explizit angeordnet wird. Da derartige Auskünfte aber nicht notwendig gleichermaßen zuverlässig sind wie durch eigene Einsichtnahme des Sonderprüfers erlangte Informationen,372 rechtfertigen bereits die Einschränkungen im Bereich des Einsichtsrechts die Feststellung, dass sich die Kontrollrechte der Aktionäre im Vergleich zur Einheitsgesellschaft reduzieren. (3)  Recht zur Entlastung bzw. Entlastungsverweigerung Schließlich wird unter dem Gesichtspunkt der Kontrollrechte noch darauf hingewiesen, auch das Recht der Hauptversammlung, über die Entlastung der Verwaltung zu entscheiden, werde durch die Gruppenbildung beschränkt: den Aktionären sei nur noch eine mittelbare Entlastung der Verwaltung der Untergesellschaft über die Entlastung der eigenen Verwaltung möglich.373 In dieser Aussage liegt allerdings bereits wieder ein Hinweis darauf, dass auch hier kompensatorische Effekte zu berücksichtigen sind. Im Hinblick auf das in die Beteiligungsgesellschaft verlagerte Vermögen ist die Hauptversammlung der Obergesellschaft in der Tat nicht mehr für die Entlastung der dieses Vermögen unmittelbar verwaltenden Organe zuständig. Stattdessen gewinnt sie aber die Möglichkeit, in die Entscheidung über die Entlastung der Verwaltung der Obergesellschaft die Frage einzubeziehen, wie diese mit den Beteiligungsgesellschaften und den ihr insoweit zustehenden Rechten umgeht.374 Anerkannt ist, dass den Vorstand der Obergesellschaft gegenüber dieser jedenfalls die Pflicht trifft, die sich aus der Beteiligung ergebenden Einflussrechte 370 Vgl. Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 71 f; s. allgemein zur Sonderprüfung im Konzern Schneider, AG 2008, 305, 307 ff. 371  H.M.: s. Ausschussbericht bei Kropff, AktG 1965, S. 211; Hüffer/Koch, AktG, § 145 Rn. 5; K. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 145 Rn. 18; für konzernweite Erstreckung dagegen Schneider, AG 2008, 305, 307 ff. 372  s. K. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 145 Rn. 18. 373 s. Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 156; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 71; in den gleichen Zusammenhang dürfte dann auch die Möglichkeit eines Vertrauensentzuges gehören, wenn man nicht ohnehin davon ausgeht, dass dieser mit einer verweigerten Entlastung notwendig einhergeht: vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn. 38 mit Nachweisen zu dem insoweit bestehenden Streit. 374  Vgl. auch Lutter, in: FS H. Westermann, S. 347, 357; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 71.

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entsprechend den allgemein für ihn geltenden Sorgfaltsanforderungen wahrzunehmen und dabei die Interessen der Gesellschaft, namentlich ihre Rentabilität zu wahren.375 Der Vorstand ist damit im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zumindest zur Kontrolle der Geschäftsführung innerhalb der Untergesellschaft verpflichtet.376 Entscheidet er sich darüber hinaus für eine intensivere Einflussnahme, können naturgemäß auch dabei auftretende Mängel einen Ansatzpunkt für die Entlastungsverweigerung bieten. Allerdings trifft den Vorstand keine Verpflichtung dazu, auf die Geschäfte der Untergesellschaften intensiven Einfluss auszuüben oder sie auch nur unter einheitliche Leitung zu stellen.377 Vielmehr kommt ihm hinsichtlich der Ausbildung der gruppeninternen Leitungsstruktur ein weites unternehmerisches Ermessen zu.378 Entscheidet sich der Vorstand in diesem Rahmen für eine dezentrale Gruppenorganisation, bedeutet dies aber keineswegs, dass er sich gegenüber einer drohenden Entlastungsverweigerung aufgrund von Fehlentwicklungen in der Untergesellschaft auf die rechtliche Selbständigkeit dieser Gesellschaft und die ihres Leitungsorgans berufen kann.379 Denn auch in einem solchen Verzicht liegt eine von ihm zu verantwortende Leitungsentscheidung, die die Hauptversammlung in ihr Urteil darüber, ob der Vorstand unternehmerisch zweckmäßig gehandelt hat und weiterhin das Vertrauen der Aktionäre genießen soll, einbeziehen darf.380 bb)  Beschränkung des Rechts zur Entscheidung über die Gewinnverwendung Ein zentraler Verlustposten im Kompetenzbereich der Hauptversammlung ergibt sich in Gruppenbildungsfällen im Hinblick auf ihr durch § 58 AktG konturiertes Recht, über die Gewinnverwendung zu entscheiden.381 In der Einheitsgesell375  s. MünchKommAktG/Spindler § 76 Rn. 42; s. daneben Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 311 Rn. 87; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 49. 376 s. Fleischer, VorstandsR, § 18 Rn. 21; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 311 Rn. 87, je m.w.N. 377  H.M., vgl. einstweilen Fleischer, VorstandsR, § 18 Rn. 7 ff.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 311 Rn. 11, 87; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 49 f.; s. näher – auch zu der namentlich von Hommelhoff entwickelten Vorstellung einer intensiven Konzernleitungspflicht – unten, § 5 E.V.3.a). 378 s. Fleischer, VorstandsR, § 18 Rn. 21. 379  So aber Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 71. 380  Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn man den Inhalt des Entlastungsbeschlusses zutreffend in einer weitgehend im freien Ermessen der Hauptversammlung liegenden Bescheinigung sieht, dass die Verwaltung ihre unternehmerischen Entscheidungen zweckmäßig getroffen und dabei eine „glückliche Hand“ bewiesen hat: vgl. BGHZ 94, 324, 326 f. (für die GmbH); GroßkommAktG/Mülbert, AktG, § 120 Rn. 23 ff.; MünchKommAktG/Kubis § 120 Rn. 15; K. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 120 Rn. 31 jeweils mit Nachweisen auch zur Gegenansicht (Bescheinigung der Verwaltung als im Wesentlichen gesetzes- und satzungsmäßig). 381  Vgl. BGHZ 83, 122, 136 f.; MünchKommAktG/Bayer § 58 Rn. 58 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 58 Rn. 16; KölnerKomm/Koppensteiner Vor. § 291 Rn. 33, 77; Beck AG-HB/Liebscher § 15 Rn. 42; ders., Konzernbildungskontrolle, S. 47 f.; Lutter, in: FS Westermann, 347,

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

schaft beschließt die Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns, doch ist sie dabei an den festgestellten Jahresabschluss gebunden, § 174 Abs. 1 S. 1 u. 2 AktG. Die Feststellung obliegt aber regelmäßig der Verwaltung (§ 172 AktG), die dabei gem. § 58 Abs. 2 AktG bis zu 50 % des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen kann. Dies hat zur Folge, dass den Aktionären der Bilanzgewinn über die dadurch markierte Grenze hinaus durch die Verwaltung nicht entzogen werden kann. Steht die AG an der Spitze einer Unternehmensgruppe, ändert sich das Bild. Der Umgang mit Gewinnen, die in den Tochtergesellschaften erwirtschaftet werden, richtet sich nun nach den dort getroffenen Entscheidungen. Soweit es sich bei den Tochtergesellschaften um Aktiengesellschaften handelt, kann also bereits deren Verwaltung nach § 58 Abs. 2 AktG für die Thesaurierung eines Betrages in Höhe der Hälfte des Jahresüberschusses sorgen.382 Daneben kann der Vorstand der Obergesellschaft, der deren Aktionärsrechte in der Untergesellschaft wahrnimmt, über die Hauptversammlungskompetenz nach §§ 58 Abs. 3, 172 AktG weitere Beträge in Gewinnrücklagen einstellen.383 Handelt es sich bei der Tochtergesellschaft um eine GmbH, tritt der Kompetenzzuwachs des Vorstands der Konzernmutter noch etwas stärker hervor, weil dort die in § 58 Abs. 2 AktG liegende Beschränkung der Entscheidungskompetenzen des Mitgliederorgans keine Entsprechung findet.384 So oder so hat es der Vorstand der Muttergesellschaft im Ergebnis in der Hand, den Rückfluss von Gewinnen an die Muttergesellschaft ganz zu verhindern. Auf den Konzern bezogen kann er damit auch die Grenze für die Rücklagenbildung überschreiten, die der Verwaltung in der Einheitsgesellschaft durch § 58 Abs. 2 AktG gesetzt wird. Ob sich dieser Ausgangsbefund in Bezug auf die Kompetenzen der Aktionäre der Obergesellschaft aber tatsächlich uneingeschränkt als Verlustposten niederschlägt, ist damit noch nicht gesagt. Dies hängt vielmehr davon ab, wie genau auf diesen Befund zu reagieren ist. Diese Frage ist, obwohl darüber seit geraumer Zeit gestritten wird,385 immer noch nicht ausdiskutiert.386 Höchstrichterliche 361 ff.; ders., in: FS Stimpel, S. 825, 852; Timm, Konzernspitze, S. 90 f.; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 73 ff.; zumindest insoweit einen Mediatisierungseffekt anerkennend auch Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 237 f., der aber an Stelle einer ungeschriebenen Entscheidungszuständigkeit für eine konzerndimensionale Anwendung von § 58 AktG plädiert; vgl. auch Münch. Hdb. AG/ders., § 47 Rn. 11 ff. 382  Vgl. zum Sonderproblem der Anwendung von § 58 Abs. 2 AktG bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages MünchKommAktG/Bayer § 58 Rn. 52 ff.; K. Schmidt/Lutter/ Fleischer, AktG, § 58 Rn. 26; Hüffer/Koch, AktG, § 58 Rn. 15 je mit m.w.N. 383  s. MünchKommAktG/Bayer § 58 Rn. 59 f. 384 s.a. Lutter, in: FS Goerdeler, S. 327, 332. 385 s. für einen Überblick über den Meinungsstand MünchKommAktG/Bayer, § 58 Rn. 63 ff.; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, § 58 Rn. 28; Hüffer/Koch, AktG, § 58 Rn. 16a; Münch. Hdb. AG/Hoffmann-Becking § 47 Rn. 13 ff. 386  Für eine Wiederaufnahme der Diskussion und die Entwicklung eines konzerndimensionalen Verständnisses von § 58 Abs. 2 AktG plädierend zuletzt Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 237.

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Entscheidungen fehlen.387 Die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass nachteilige Auswirkungen für die Aktionäre der Obergesellschaft als Folge der wortlautgetreuen Anwendung von § 58 AktG auf jeder Stufe des Konzerns hinzunehmen sind.388 Demgegenüber steht ein Teil der Literatur auf dem Standpunkt, dass § 58 Abs. 2 AktG allein auf die Einheitsgesellschaft zugeschnitten ist und die daraus resultierende verdeckte Lücke geschlossen werden kann, indem die in der Norm enthaltene Wertung für Gruppensachverhalte adaptiert wird.389 Für die Umsetzung dieses Gedankens wird dann allerdings auf unterschiedliche Wege verwiesen. Am weitesten reicht die Ansicht, die in den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen seien bei der Obergesellschaft auf die der Disposition der Verwaltung überlassene Hälfte des Jahresüberschusses anzurechnen, wobei eine Verletzung dieses Grundsatzes zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses analog § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG führen soll.390 Von Lutter ist dagegen unter Vermeidung der Nichtigkeitsfolge des § 256 Abs. 1 AktG vorgeschlagen worden, aus § 58 AktG lediglich eine bei § 93 Abs. 1 AktG anzusiedelnde Pflicht der Verwaltung der Obergesellschaft abzuleiten, für eine vollständige Überleitung des (anteiligen) Jahresüberschusses der Untergesellschaften auf die Konzernmutter zu stimmen.391 Sofern im Einzelfall in einer Untergesellschaft aus besonderen Gründen eine über die gesetzliche Rücklagenbildung hinausgehende Thesaurierung erforderlich wird, wandelt sich die Pflichtenbindung nach dieser Ansicht dahin, bei Feststellung des Jahresabschlusses der Obergesellschaft § 58 Abs. 2 AktG nicht mehr vollständig auszuschöpfen, sondern angemessen zu berücksichtigen, dass auf der Ebene der Untergesellschaft bereits eine Rücklagenbildung stattgefunden hat.392 Lutters Vorschlag hat in der Literatur verschiedentlich Gefolgschaft gefunden,393 wobei allerdings sein hierarchisierendes Konzept aus einer primär geltenden „Überleitungspflicht“ und einer lediglich deren Lücken füllenden „Berücksichtigungspflicht“ trotz der ausdrücklichen Bezugnahme auf ihn nicht selten gegen weicher formulierte Gesamtansätze getauscht wird, die lediglich allgemein die Pflicht der 387 

Vgl. auch K. Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, § 58 Rn. 28. Beusch, in: FS Goerdeler, S. 25, 27 ff.; Drinhausen, in: Heidel, Aktienrecht, § 58 Rn. 32; GroßkommAktG/Henze § 58 Rn. 57 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 58 Rn. 17; dies ist auch die Position den Bericht des Rechtsausschusses im Zshg. mit der Einführung von § 58 Abs. 2a AktG: BT-Drucks. 10/4268, S. 124; s. aber auch KölnerKomm/Lutter § 58 Rn. 39: nur „private Meinungsäußerung“. 389 Vgl. neben den nachfolgenden Einzelnachweisen überblicksweise MünchKomm­ AktG/Bayer § 58 Rn. 64; Münch. Hdb. AG/Hoffmann-Becking § 47 Rn. 13 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 58 Rn. 16a. 390  s. dazu Götz, AG 1984, 85, 93; Geßler, AG 1985, 257 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rn. 23; s.a. Hübner, in: FS Stimpel, S. 791, 799. 391 s. Lutter, in: FS H. Westermann, S. 85, 93 f.; ders., in: FS Goerdeler, S. 327, 334 ff.; ders., KölnerKomm/Lutter § 58 Rn. 41 ff. 392 s. Lutter, in: FS H. Westermann, S. 85, 93 f. 393  s. MünchKommAktG/Bayer § 58 Rn. 69; Spindler/Stilz/Cahn/v.Spannenberg, AktG, § 58 Rn. 78; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, § 58 Rn. 29 m.w.N. 388 s.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Verwaltung betonen, auf das Dividendeninteresse ihrer Aktionäre auch bei der Rücklagenbildung in Tochtergesellschaften Rücksicht zu nehmen.394 Für den vorliegenden Zusammenhang genügt die Feststellung, dass die Vorstellung einer strikten Anrechnung der Rückstellungen im Gesamtkonzern auf eine auf den Konzernjahresüberschuss bezogene Thesaurierungshöchstquote mit der Nichtigkeitsfolge analog § 256 AktG zu Recht eine Minderansicht geblieben ist, die auch in der Praxis keinen Niederschlag gefunden hat.395 Angesichts des Umstands, dass dieser Position ein Modell zugrunde liegt, das die rechtlich gegliederte Konzernunternehmung unter gänzlicher Vernachlässigung der Rechtsträgergrenzen als Einheit behandelt, und angesichts der Distanz, die der Bundesgerichtshof in den Gelatine-Entscheidungen gegenüber konzernverfassungsrechtlichen Ansätzen zum Ausdruck gebracht hat,396 ist auch nicht zu erwarten, dass sich daran in näherer Zukunft etwas ändert. Im Hinblick auf die sonst vertretenen Ansichten ist lediglich festzustellen, dass die Mediatisierung der Aktionärsrechte gerade nicht vermieden wird. Für die Position der h.M. versteht sich das von selbst. Es gilt aber auch für die vermittelnde Position. Denn auch auf deren Grundlage ändert sich nichts daran, dass – mit den Worten Wiedemanns – an die Stelle einer eigenen Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung der Obergesellschaft die bloß schuldrechtlich-treuhänderisch gebundene Entscheidungsbefugnis des Vorstands tritt. cc)  Kapitalerhöhungen auf der Ebene der Tochtergesellschaft Einen weiteren zentralen Anknüpfungspunkt für die Mediatisierungsthese bilden Kapitalerhöhungen auf der Ebene der Tochtergesellschaft.397 In der Einheitsgesellschaft erfordern solche Maßnahmen schon deswegen einen Beschluss der Hauptversammlung, weil sie notwendig mit einer Satzungsänderung einhergehen. § 186 Abs. 1 S. 1 AktG sichert dabei den Altaktionären ein Bezugsrecht auf die neuen Aktien, was sowohl für die Vermögens- wie die Herrschaftsrechte des Aktionärs relevant ist.398 So erhält das Bezugsrecht die bisher bestehenden Beteiligungsquoten und die damit verbundene Stimmkraft, was namentlich im Hinblick auf sonst verlustbedrohte Sperrminoritäten praktische Bedeutung erlangen kann. Werden Aktien mit einem Abschlag zum Börsenkurs bzw. zu ihrem „inneren“ 394  s. z. B. K. Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, § 58 Rn. 29; s.a. MünchKommAktG/ Bayer § 58 Rn. 69 (s. aber auch Rn. 70: Thesaurierung in Tochtergesellschaften erfordert sachlichen Grund). 395  s. zu den Gründen MünchKommAktG/Bayer § 58 Rn. 68; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, § 58 Rn. 29; Münch. Hdb. AG/Hoffmann-Becking, § 47 Rn. 15. 396  s. dazu bereits oben, § 5 E.III.3. 397 s. Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 49 ff.; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 82 ff. 398  s. zusammenfassend Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 7 ff.; Hüffer, AktG, § 186 Rn. 2; MünchKommAktG/Schürnbrand § 186 Rn. 1; Wilhelm, KapitalsgesR, Rn. 557.

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Wert ausgegeben, sichert das Bezugsrecht den Altaktionären den darin liegenden Vermögensvorteil und beugt zugleich Verwässerungseffekten vor.399 Soll das Bezugsrecht ausgeschlossen werden, verlangt auch dies einen qualifizierten Hauptversammlungsbeschluss (§ 186 Abs. 3 AktG).400 Erfolgt die Kapitalerhöhung auf der Ebene einer Tochtergesellschaft, werden die genannten Kompetenzen dagegen durch den Vorstand der Obergesellschaft wahrgenommen. Was das konkret bedeutet, hängt davon ab, ob das Bezugsrecht der Obergesellschaft ausgeübt oder gem. § 186 Abs. 3 AktG ausgeschlossen wird. (1)  Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss Im letztgenannten Fall werden die Gefahren für die Aktionäre der Obergesellschaft besonders deutlich. Werden im Rahmen der Kapitalerhöhung Dritte in die Gesellschaft aufgenommen, besteht namentlich die Gefahr einer Quersubventionierung der Neugesellschafter und einer damit einhergehenden Verwässerung des Anteilswerts der Altgesellschafter.401 Dagegen lässt sich nicht sinnvoll einwenden, ein unstreitig hinzunehmender Verwässerungseffekt ergebe sich auch dann, wenn der Vorstand ohne Ausgliederung einen rechtlich unselbständigen Betriebsteil zu billig an einen Dritten veräußert.402 Natürlich können auch solche (und weitere) Maßnahmen den Wert der Mitgliedschaft des Aktionärs beeinträchtigen. Der Unterschied liegt darin, dass das Aktiengesetz der letztgenannten Gefahr von vornherein allein durch die Pflichtenbindung des Vorstands Rechnung trägt, während die Gefahr eines Verwässerungseffekts durch Quersubventionierung von Alt- zu Neugesellschaftern in der Einheitsgesellschaft durch die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung adressiert wird.403 Damit verbleibt es bei der eigentlichen Frage, inwieweit es zulässig sein kann, dass ein Vorstand durch Maßnahmen der Beteiligungsbildung in diese gesetzliche Zuständigkeitsordnung eingreift und gesellschaftsrechtliche Kompetenzen, die zuvor den Aktionären bzw. der Hauptversammlung unmittelbar zustanden, in von ihm selbst (treuhänderisch pflichtgebunden) wahrzunehmende Rechte umwandelt.404 (2)  Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss Nimmt die Obergesellschaft das Bezugsrecht dagegen in vollem Umfang wahr, lässt sich eine Gefährdung der in der Mitgliedschaft verkörperten VermögensrechHirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 7 ff.; Wilhelm, KapitalsgesR, Rn. 557. Zu den weiteren (materiellen) Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss s. Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 25 ff. 401  s. BGHZ 83, 122, 137, 142 f.; insoweit zustimmend auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 431; s.a. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 34. 402  So neuerdings wieder Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 235 f.; zuvor bereits Götz, AG 1984, 85, 87. 403  Vgl. dazu namentlich Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 431. 404 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 53. 399 s.

400 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

te mangels Gefahr einer Quersubventionierung nicht in gleicher Weise begründen. In der Holzmüller-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof gleichwohl die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte auch für diese Konstellation besonders herausgestellt. Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof zunächst an, den Aktionären entgehe die Chance, ihre Beteiligung quantitativ und wertmäßig dadurch zu verbessern, dass sie selbst weiteres Kapital in „ihrem“ Unternehmen anlegen. Darin liegt allerdings kein tragfähiges Argument.405 Zutreffend wird aber darauf hingewiesen, dass auch mit einer Kapitalerhöhung in einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft eine mit der ursprünglichen Ausgliederung funktional vergleichbare Beeinträchtigung der Aktionärsrechte einhergeht.406 Nur erschöpft sich dieser Gedanke eben in der Erkenntnis, dass der Sachverhalt, der dem Mediatisierungseffekt zugrunde liegt – Tausch von unmittelbar gehaltenen Vermögenswerten gegen Gesellschaftsanteile – nicht allein auf Ausgliederungsmaßnahmen beschränkt ist. Darauf wird im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen noch zurückzukommen sein. Für die im vorliegenden Zusammenhang verfolgte Frage, worin genau sich der Kompetenzverlust der Aktionäre bei derartigen Sachverhalten niederschlägt, ergeben sich aus dieser Einsicht dagegen naturgemäß keine weiteren Rückschlüsse. (3)  Kompensation des Mediatisierungseffekts durch konzerndimensionale Mitwirkungsbefugnisse? Haben danach Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft im Hinblick auf die Verkürzung der Aktionärsrechte jedenfalls dann ein eigenständiges Gewicht, wenn sie unter Ausschluss des Bezugsrechts erfolgen, stellt sich ähnlich wie bei der Diskussion um die konzerndimensionale Anwendung von § 58 Abs. 2 AktG die Frage, ob nicht auch hier gegenläufige Effekte in die Betrachtung einzustellen sind. Im Anschluss an die Holzmüller-Entscheidung407 wird auch in der Literatur in der Tat verbreitet die Ansicht vertreten, dass auch Kapitalerhöhungsmaßnahmen in einer Tochtergesellschaft unter im Einzelnen streitigen Voraussetzungen einen Beschluss der Hauptversammlung der Obergesellschaft erforderlich machen kön-

405  Entsteht durch die Kapitalerhöhung zusätzlicher Kapitalbedarf auf der Ebene der Obergesellschaft, der seinerseits nur durch eine Kapitalerhöhung gedeckt werden kann, ist die Beteiligung der Aktionäre der Obergesellschaft bereits auf diese Weise sichergestellt. Ist der Finanzbedarf durch Eigen- oder Fremdmittel zu decken, liegt die Sache nicht anders als bei Finanzierungsentscheidungen in der Einheitsgesellschaft: auch hier existiert keinerlei Anhaltspunkt für einen Investitionsvorrang der Aktionäre; s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 100; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 452 f.; vgl. ausführlich auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 401 f. 406 Auch dies kommt in der Holzmüller-Entscheidung bereits in Ansätzen zum Ausdruck: s. BGHZ 83, 122, 143; s. daneben Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 176; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 370 ff.; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 91. 407  s. BGHZ 83, 122, 143 f. und dazu ausführlich bereits oben, § 5 E.II.1.

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nen.408 Auch hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass der Vorstand der Obergesellschaft allein im Innenverhältnis der Pflicht unterliegt, einen etwa erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss einzuholen und sich an dessen Vorgaben zu halten.409 Verzichtet er darauf, kann darin eine (schadensersatzbewehrte) Pflichtverletzung liegen, ohne dass dies aber etwas an der Wirksamkeit der in der Tochtergesellschaft durchgeführten Kapitalerhöhung ändert.410 Weitergehende Vorschläge, die auf die Annahme eines unmittelbaren, kraft Gesetztes geltenden Bezugsrechts der Aktionäre der Obergesellschaft hinauslaufen können, haben sich dagegen nicht durchsetzen können.411 Im Ergebnis ist damit festzuhalten: Auch soweit im Hinblick auf Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft von Mitwirkungsbefugnissen der Aktionäre der Obergesellschaft auszugehen sein sollte, ändert dies jedenfalls nichts an dem für die Mediatisierungsthese zentralen Befund, dass an die Stelle gesellschaftsrechtlicher Befugnisse der Aktionäre – pflichtengebundene – Kompetenzen des Vorstands treten. dd) Zwischenfazit Nach allem erscheint es zumindest im Grundsatz nicht als zutreffend, wenn in der Literatur von einem „Mediatisierungsaxiom“ gesprochen wird.412 Denn der Mediatisierungseffekt wird von Rechtsprechung und Literatur gerade nicht als unbewiesene Behauptung vorausgesetzt, vielmehr ist er bis in die Einzelheiten diskutiert und hinreichend nachgewiesen.413 3.  Die organisationsrechtlichen Effekte als Begründungshebel für ungeschriebene Zuständigkeiten Soweit die Diskussion um ungeschriebene Zuständigkeiten im Aktienrecht bei den organisationsrechtlichen Verwerfungen ansetzt, die mit der Gruppenbildung einhergehen, stehen regelmäßig die Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre bzw. der Hauptversammlung im Zentrum des Interesses. Daneben existiert in der 408  s. etwa mit Unterschieden im Einzelnen Habersack, AG 2001, 545 f.; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 184 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 56; MünchKommAktG/Schürnbrand § 182 Rn. 85. 409 s. Habersack, WM 2001, 545 f.; Kort, AG 2002, 369, 374; MünchKommAktG/ Schürnbrand § 182 Rn. 89. 410  s. MünchKommAktG/Schürnbrand § 182 Rn. 89. 411  Vgl. mit Nachweisen auch zu der vereinzelt vertretenen Gegenansicht; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 418; MünchKommAktG/Schürnbrand § 182 Rn. 85, Rn. 186 Rn. 38; GroßkommAktG/Wiedemann § 186 Rn. 67. 412  So aber Paefgen, ZHR 172 (2008), 42. 413  Eine andere Frage ist natürlich, ob der Mediatisierungseffekt geeignet ist, die Annahme ungeschriebener Zuständigkeiten zu tragen; darauf, nicht auf die Zuständigkeitsverschiebung an sich, scheint denn die missverständliche Rede vom Mediatisierungsaxiom auch letztlich zu zielen: s. Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 70.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Literatur aber auch ein Ansatz, der die auf Seiten der Verwaltung eintretenden Leitungsmachtverluste als solche – ganz unabhängig von möglichen Rückwirkungen auf die Rechte der Aktionäre – in den Vordergrund der Aufmerksamkeit rückt. Dazu ist vorab Stellung zu nehmen (a), bevor die Darstellung zu den Auswirkungen auf die Hauptversammlungskompetenzen zurückkehrt (b). a)  Zur Bedeutung der Reduktion der Leitungsmacht des Vorstands Ein Vorschlag, der Mitwirkungsrechte der Aktionäre in Gruppensachverhalten vor allem unter dem Gesichtspunkt des Leitungsmachtverlustes des Vorstands entwickelt, ist die namentlich von Hommelhoff begründete Lehre einer Konzernleitungspflicht.414 Ausgehend von einem konzernverfassungsrechtlichen Ansatz, dessen Basis in der Annahme liegt, es handle sich bei Konzernen um organisatorische Einheiten, die es rechtlich zu ordnen gelte,415 entwickelt Hommelhoff die These, dass die gesetzliche Zuweisung der Leitungsaufgabe an den Vorstand diesen auf eine bestimmte Leitungsintensität verpflichtet, die nicht davon abhängt, ob er einer Einheits- oder einer Konzernobergesellschaft vorsteht.416 Konsequenz dieser Annahme ist es, dass der Vorstand der Obergesellschaft die Tochtergesellschaften unter seiner Leitung zu einem einheitlichen Konzern zusammenzuführen und das „gesamte Konzerngeschehen bis in alle Einzelheiten der Tochteraktivitäten hinein durch seine Vorgaben“ zu leiten hat.417 Eine so verstandene konzernübergreifende intensive Leitungspflicht gerät nun zwangsläufig in ein Spannungsverhältnis zu den bereits geschilderten Gegenkräften aus dem Recht der Untergesellschaften.418 Wo der Vorstand die ihn treffende Leitungspflicht gegenüber diesen Hindernissen nicht durchsetzen kann oder auf ihre Durchsetzung verzichten will, soll dies nur unter der Voraussetzung zulässig sein, dass der Leitungsauftrag zuvor unter Mitwirkung der Hauptversammlung reduziert worden ist („Leitungs-Strukturbeschluss“).419 Instrumente dafür bilden dabei je nach Konzernierungsform der Eingliederungsbeschluss, der Beherrschungsvertrag, oder, beim faktischen Konzern, eine „Konzernierungserklärung“ des Vorstands der herrschenden Gesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft.420 Auch wenn Hommelhoffs Konzept nicht unmittelbar an den Beteiligungserwerb anknüpft,421 führt es im praktischen Ergebnis doch gleichfalls zu einer Art Gruppenbildungskontrolle durch die Hauptversammlung, weil der Vorstand einerseits ein bloßes Abhängigkeitsverhältnis stets in ein Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982. für einen Überblick über konzernverfassungsrechtliche Grundkonzeptionen Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 17 ff., u. insb. zur Position Hommelhoffs S. 27 ff. 416 s. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 41 ff., 417 (zusammenfassend). 417 s. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 419. 418  s. zu diesen Gegenkräften bereits näher oben, § 5 E.V.2.b). 419 s. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 419 ff., (zusammenfassend). 420 s. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 422 ff. (zusammenfassend). 421  Kritisch dazu Kropff, ZGR 1984, 112, 129 ff. 414 s.

415  s.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Konzernverhältnis überführen muss, jede Konzernierungsform aber ihrerseits eines Leitungs-Strukturbeschlusses als Grundlage bedarf.422 In der Literatur hat sich die Idee einer derart weitreichenden Konzernleitungspflicht, wie sie die Basis für Hommelhoffs Ansatz bildet, bislang nicht durchsetzen können.423 Dafür gibt es eine Reihe überzeugender Gründe.424 Im Zentrum steht dabei die Erkenntnis, dass die Stellung des Vorstands insgesamt deutlich freier ist, als dies Hommelhoff vorschwebt. Bereits in der Einheitsgesellschaft verfügt der Vorstand über weitreichende Delegationsmöglichkeiten.425 Dezentralisierungstendenzen weist beispielsweise auch die verbreitete und generell für zulässig gehaltene Spartenorganisation auf.426 Allgemeiner lässt sich dieser Gedanke dahin formulieren, dass dem Geschäftsführer zwar durch § 76 AktG Leitungsverantwortung auferlegt wird, ohne dass er dabei aber von vornherein an eine bestimmte innerorganisatorische Umsetzung gebunden wäre, die nur mit der Zustimmung der Hauptversammlung abgeändert werden könnte.427 Verfügt der Vorstand aber im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner Leitungsverantwortung über einen autonomen Ermessensspielraum, kann dies auch in Gruppensachverhalten nicht unberücksichtigt bleiben. Es besteht dann nämlich kein Raum für die Annahme einer Konzernleitungspflicht, die dem Vorstand letztlich weitergehende Beschränkungen auferlegen würde, als sie in der Einheitsgesellschaft gelten. Damit entfällt aber auch die Basis für die Forderung, schon die Reduktion der Leitungsbefugnisse per se müsse von einem entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss gedeckt sein.428 422  Vgl. auch die Einordnung von Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 423; die Verbindungslinie bereits zum Beteiligungserwerb wird bei Hommelhoff auch darin deutlich, dass er fordert, der Vorstand dürfe Beteiligungen nur unter dem Vorbehalt eines Rücktritts für den Fall erwerben, dass die Hauptversammlung die Konzernierungsentscheidung versagt: s. ders., Konzernleitungspflicht, S. 455 ff. 423  Ablehnend etwa – mit Unterschieden im Einzelnen – MünchKommAktG/Altmeppen § 309 Rn. 51 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 18 Rn. 10 ff.; Flume, Jur. Person, S. 90 mit Fn. 97; Götz, ZGR 1998, 524, 526 ff.; MünchKommAktG/Grunewald § 323 Rn. 11 (für den Eingliederungskonzern); Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 311 Rn. 11; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 47; KölnerKomm/Koppensteiner Vor. § 291 Rn. 66, 71 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 27 ff.; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 76 Rn. 27; MünchKommAktG/Spindler § 76 Rn. 42; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 76. 424  s. für einen konzisen Überblick Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 18 Rn. 10 ff. 425 s. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 18 Rn. 12; s.a. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 76. 426 s. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 18 Rn. 12; s.a. KölnerKomm/Koppensteiner, Vor. § 291 Rn. 71; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 29. 427 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 76; s.a. Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 236 f. 428  Nicht weiterführend erscheint auch der Ansatz von Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 111 f. (mit nicht überzeugender Inbezugnahme von Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 53 (vgl. stattdessen ders., a.a.O., S. 76)), der sich zwar gleichfalls gegen Hommelhoffs Vorstellung einer Konzernleitungspflicht wendet, gleichwohl aber ein Schutzbedürfnis der

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Dies gilt für Hommelhoffs Ansatz nicht anders als für denkbare Weiterentwicklungen, die das Mitwirkungserfordernis nicht erst auf die jeweiligen Konzernierungsvorgänge beziehen, sondern bereits auf die Beteiligungsbildung selbst erstrecken.429 b)  Zur Bedeutung der Reduktion der Hauptversammlungskompetenzen Kann damit eine etwaige Reduktion der Leitungsmacht für sich genommen430 wegen der dem Vorstand insoweit ohnehin zustehenden Autonomie einen Bedarf für die Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Gruppenbildung nicht rechtfertigen, verlagert sich der Fokus auf die Auswirkungen, die mit der Gruppenbildung für die Rechte der Aktionäre bzw. der Hauptversammlung einhergehen. Diese liefern in der Tat einen besseren Anknüpfungspunkt für die Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten der Hauptversammlung, weil die organisationsrechtlichen Verwerfungen hier die Form eines Kompetenztransfers annehmen, der ihre Rechte zugunsten derjenigen des Vorstands verkürzt. Anhand des Mediatisierungseffektes lässt sich dabei verdeutlichen, dass eine Maßnahme, der man sonst unter dem Gesichtspunkt eines reinen Aktiventausches allein den Charakter einer gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahme zugemessen hätte, zugleich die Qualität einer Strukturmaßnahme gewinnt. Dies rechtfertigt es, insoweit von Maßnahmen mit Doppelcharakter zu sprechen, die zugleich Eigenschaften eines Geschäftsführungs- und eines Organisationsaktes aufweisen.431 In den Gelatine-Entscheidungen bringt der Bundesgerichtshof den hybriden Charakter solcher Maßnahmen mit der Umschreibung zum Ausdruck, es gehe um Geschäftsführungsmaßnahmen, die aufgrund ihrer tiefgreifenden Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre einer Satzungsänderung zumindest nahekommen.432 Der strukturändernde Charakter mediatisierender Maßnahmen liefert nun den entscheidenden Anknüpfungspunkt Aktionäre aufgrund der Verkürzung der Leitungsmacht des Vorstands annimmt, weil diese ihr Investment „dem unmittelbar leitenden Vorstand anvertraut“ hätten (Hervorhebung hinzugefügt). Angesichts der dem Vorstand ohnehin eingeräumten autonomen Ermessensspielräume bei der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgabe kann es insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen geben. 429  Vgl. insoweit auch Kropff, ZGR 1984, 112, 129 f. 430  Zu berücksichtigen ist aber, dass zumindest gewisse Wechselwirkungen zwischen Leitungsmachtverkürzung und Aktionärs- bzw. Hauptversammlungskompetenzen nicht ausgeschlossen sind. Das zeigt sich an den geschilderten Auswirkungen der Gruppenbildung – und die damit u.U. einhergehenden Beschränkungen der Informationsbeschaffung durch den Vorstand – auf die Informationsmöglichkeiten der Aktionäre in der Hauptversammlung nach § 131 AktG: s.o., § 5 E.V.2.c)aa)(1). 431  s. zu diesem Doppelcharakter insbesondere Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 53. 432  s. BGHZ 159, 30, 44, 45; womöglich wäre es vorzugswürdig, statt des Hinweises auf die Satzungsnähe die Nähe zu den Strukturmaßnahmen zu betonen, da nicht jede Satzungsänderung auch strukturell relevant ist: vgl. GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 45 f; s. für einen ähnlichen Gedankengang auch schon BGHZ 83, 122, 140; präziser Goette, AG 2006, 522, 527: es gehe nicht um „außergewöhnliche Maßnahmen der Unternehmensleitung“, sondern um den Schutz vor „Strukturveränderungen […], welche die Kompetenz-

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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für die Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten, weil in ihm die Verbindungslinien zu den gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen zusammenlaufen und damit der Weg für eine Rechtsfortbildung in Anlehnung an diese eröffnen.433 4.  Normative Verankerung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin Die vorstehenden Überlegungen nehmen die zentrale Weichenstellung für die normative Begründung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeit bereits vorweg. Für eine stimmige normative Verankerung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin kommt nur ein Lösungsweg in Betracht, der sich an den geschriebenen Strukturkompetenzen der Hauptversammlung orientiert. Die noch in der Holzmüller-Entscheidung verfolgte Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG lässt sich vor diesem Hintergrund nicht halten, was denn auch der Bundesgerichtshof in der Gelatine-Entscheidung so gesehen hat (a)). Vorzugswürdig erscheint demgegenüber das von der Literatur ganz überwiegend befürwortete Konzept einer (Teil-)Gesamtanalogie (b)). Der Bundesgerichtshof hat sich stattdessen zwar für den Rückgriff auf eine offene Rechtsfortbildung entschieden, was in der Literatur überwiegend kritisch aufgenommen worden ist. Doch unterscheidet sich der Ansatz des BGH bei näherer Betrachtung in den konkreten Ergebnissen kaum von der Gesamtanalogie (c)). Die Überlegungen zur normativen Absicherung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin schließen mit einem Blick auf § 121 AktG (d)) sowie das UmwG (e)). a)  Vorlagepflicht gem. § 119 Abs. 2 AktG Die im Holzmüller-Urteil vorgenommene Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG gehörte zu den meistkritisierten Weichenstellungen der Entscheidung.434 Demgegenüber haben sich nur wenige Stimmen in der Literatur dem Bundesgerichtshof angeschlossen,435 auch wenn eine wesentliche Weichenstellung dieser Anknüpzuweisung der Hauptversammlung berühren.“ Ähnlich Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 40. 433  s. zur zentralen Bedeutung des Mediatisierungseffekts insoweit vor allem Emmerich/ Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 34; ders., AG 2005, 137, 142 ff.; s.a. Goette, AG 2006, 522, 527; Reichert, AG 2005, 150, 152 ff.; K. Schmidt/Lutter/Spindler § 119 Rn. 30 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 53 f. 434  Ablehnend z. B. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 39; Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 773 ff.; Heinsius, ZGR 1984, 383, 393 ff.; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 217 f.; Hübner, in: FS Stimpel, S. 791, 795; Joost, ZHR 183 (1999), 164, 169 ff.; MünchKomm­A ktG/Kubis (2. Aufl.) § 119 Rn. 40; Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 843 ff.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 384 ff.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 21 f, 23; ders., Aktiengesellschaft, S. 395 f.; Rehbinder, ZGR 1983, 92, 98 f.; K. Schmidt, GesR, § 28 V 2 b (S. 871 f.); Ulmer, Entwicklungen, S. 16 f.; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 437 ff.; Westermann, ZGR 1984, 352, 363 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 52. 435  s. etwa Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575; Flume, Jur. Person, § 8 V 4 (S. 310 f.); Groß, AG 1996, 111, 112 f.; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 284 ff.; s.a. ders., AktG, § 119 Rn. 18, 24; Reichert, ZHR Sonderheft 68 (1999), 25, 45 f.; s.a. ders., AG 2005, 150, 152 f. (noch

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

fung – die Beschränkung der Mitwirkung auf das Innenverhältnis – fast allgemein akzeptiert worden ist.436 Durch die Neujustierung der formalen Anknüpfung in den Gelatine-Urteilen ist diesem Aspekt der Holzmüller-Kontroverse der Boden allerdings bereits weitgehend entzogen.437 Die gegen eine Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG erhobenen Vorbehalte waren vielgestaltig. Herauszuheben ist hier vor allem der zutreffende Hinweis, dass es widersprüchlich erscheint, eine Norm, die nach ihrem Wortlaut wie ihrer systematischen Stellung ganz auf Geschäftsführungsmaßnahmen zugeschnitten ist, zur Begründung für eine Mitwirkung der Hauptversammlung bei Maßnahmen heranzuziehen, die zwar als Maßnahmen mit Doppelcharakter auch Berührungspunkte zur Geschäftsführung haben, deren Besonderheit aber gerade darin liegt, dass sie wegen ihrer strukturellen Auswirkungen über bloße Geschäftsführungsakte hinausgehen.438 Auch unter historischen und teleologischen Gesichtspunkten erscheint die Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG problematisch. Denn diese Vorschrift gehört wie § 119 Abs. 1 AktG als Nachfolgenorm zu § 103 AktG 1937 zu dem Kreis derjenigen Vorschriften, die die Beseitigung der umfassenden Vormachstellung der Generalversammlung und ihrer Entscheidungszuständigkeit auch für Geschäftsführungsmaßnahmen absichern sollten.439 Normprägend für § 119 Abs. 2 AktG ist unter historisch-teleologischen Gesichtspunkten also gerade das Vorlagerecht des Vorstands, so dass die Vorschrift auch in dieser Hinsicht für die Begründung einer (ausnahmsweisen) Vorlagepflicht eher ungeeignet erscheint.440 b) (Teil-)Gesamtanalogie Die Literatur hat sich neben gelegentlich vertretenen Einzelanalogien441 bislang ganz überwiegend dafür ausgesprochen, ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung im Wege einer Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Zuständigkeiten der Hauptversammlung für Strukturentscheidungen zu begründen.442 mit § 119 Abs. 2 AktG sympathisierend, gleichwohl aber die Neuanknüpfung des BGH akzeptierend). 436  s.a. BGHZ 159, 30, 42. 437 Nach den Gelatine-Entscheidungen noch mit § 119 sympathisierend aber Hüffer, AktG (10. Aufl.), § 119 Rn. 18 und noch deutlicher Rn. 24 im Zshg. mit dem Delisting, das sich aus Hüffers Perspektive als Holzmüller-Fall darstellt. 438 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 52; s. daneben Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 39; MünchKommAktG/Kubis (2. Aufl.) § 119 Rn. 40; K. Schmidt, GesR, § 28 V 2 b (S. 871 f.). 439  s. dazu bereits oben, § 5 E.I.2.a; s.a. Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 774; daneben Martens, ZHR 147 (1983), 377, 384. 440  So nun auch BGHZ 159, 30, 42. 441 Vgl. den Überblick bei Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 415 ff.; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807. 442 s. Kropff, ZGR 1984, 112, 122; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 84 f.; Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 181 ff.; ders., in: FS K. Schmidt, S. 1065; 1073; GroßkommAktG/

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Letzteres ist gegenüber der Einzelanalogie vorzugswürdig, da keine der in Frage kommenden Vorschriften für sich genommen als Begründungsbasis ausreicht.443 Auch eine Analogie allein zu umwandlungsrechtlichen Vorschriften lässt sich nicht überzeugend begründen.444 Aus dem Aktiengesetz wird dabei als Analogiebasis auf die Vorschriften der §§ 179, 179a, 186 Abs. 3, 293 Abs. 1 Nr. 3, 293 Abs. 2, 319 Abs. 2 AktG oder eine Auswahl derselben zurückgegriffen, teils noch ergänzt um §§ 125, 65 UmwG.445 Einer solchen Analogie steht insbesondere die Vorschrift des § 119 Abs. 1 AktG, die nur davon spricht, dass die Hauptversammlung in den durch Gesetz und Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen beschließt, nicht entgegen,446 obgleich sie sich auf den ersten Blick wie ein Analogieverbot liest. Diese Norm ist wie eine Reihe anderer Vorschriften Ausdruck des konzeptionellen Wandels seit dem AktG 1937, der darauf zielt, die prinzipielle Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung durch eine System enumerativ bestimmter Einzelkompetenzen zu ersetzen.447 Zu diesem Zweck war es notwendig, die auf der Grundlage des alten Aktienrechts bestehende Ermessenskompetenz der Hauptversammlung zu beseitigen, vorbehaltlich zwingender gesetzlicher oder in der Satzung getroffener Regelungen alle Angelegenheiten der Gesellschaft durch ihre Beschlüsse frei zu ordnen.448 Mit der latenten Allzuständigkeit und der darauf basierenden Einstufung der Hauptversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan entfällt zugleich auch der zentrale Ansatzpunkt für die Ableitung eines die Vorstandskompetenzen begrenzenden Entscheidungsvorrangs der Hauptversammlung in konkreten Fragen der Geschäftsführung, wie dies in den Reichsgerichtsfällen Grubenbahn und Melasse praktiziert worden war.449 Beide Varianten – der Zugriff der Hauptversammlung auf die Geschäftsführung nach ihrem freien Ermessen und die aus der Stellung der Hauptversammlung abgeleitete generalklauselartige Pflicht des Vorstands, ihr für Geschäftsführungsmaßnahmen mit herausgehobener Bedeutung eine Entscheidungsprärogative einzuräumen – hätten die konzeptionelle Neuordnung des AktG 1937 ersichtlich gefährdet.450 Sieht man die Vorschrift des § 119 Abs. 1 AktG vor Mülbert § 119 Rn. 21 ff.; ders., Aktiengesellschaft, S. 430 ff.; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 195; K. Schmidt, GesR, § 28 V 2 b (S. 872); Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 177 ff., 185 ff.; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807; ders., AG 2004, 585, 586; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 55. 443 Vgl. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 45; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 83 ff.; ders., ZGR 2005, 1, 22 f., Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 415 ff.; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 54. 444  s. ausführlich Priester, ZHR 163 (1999), 187, 191 f. 445  Vgl. im Einzelnen die Nachweise in den vorhergehenden Fn. 446 s. dazu ausführlich Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 87 ff.; daneben Mecke, Konzernstruktur, 162 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 396 f. 447  s. zu diesem Wandel bereits oben., § 5 C und E.I.2.a). 448  s. etwa Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 103 Rn. 1. 449  s. o., § 5 E.I.1. 450 s. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 89.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

dem Hintergrund dieser historisch-teleologischen Überlegungen, wird deutlich, dass es sich dabei keinesfalls um ein striktes Analogieverbot handelt. Es geht der Norm allein darum, die nach der alten Rechtslage bestehenden breiten Einfallstore für ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten zu schließen, die das Enumerationskonzept von vornherein obsolet gemacht hätten. Damit ergeben sich aus § 119 Abs. 1 AktG keine durchgreifenden Einwände gegen eine restriktive, an die ausdrücklich geregelten Zuständigkeiten der Hauptversammlung angelehnte Fortbildung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung.451 Auch hinsichtlich der für die Analogiebildung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke bestehen keine Bedenken. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Perspektive des Gesetzgebers des AktG 1937 wie die des AktG 1965 im Hinblick auf Maßnahmen der Gruppenbildung primär durch die Gefahren für die abhängige Gesellschaft geprägt war, so dass er im Hinblick auf die damit einhergehenden organisationsrechtlichen Verschiebungen zu Lasten der Aktionäre der Obergesellschaft bzw. ihres Organs, der Hauptversammlung, einer Anschauungslücke unterlag.452 Die These, die Basis der Holzmüller-Doktrin bilde eine Gesamtanalogie zu den geschriebenen Strukturkompetenzen der Hauptversammlung, bedarf im Hinblick auf die Ausfüllung der festgestellten Lücke noch der weitergehenden Erörterung. Denn während die gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen der Hauptversammlung deren Mitwirkung regelmäßig auch zum Wirksamkeitserfordernis für die betreffende Maßnahme erheben, geht die ganz herrschende Ansicht für die Holzmüller-Doktrin davon aus, diese lasse die Vertretungsmacht des Vorstands vorbehaltlich der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht unberührt.453 Doch ist dies im Ergebnis kein Widerspruch. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis im Wege einer Teilanalogie erzielt werden kann,454 mag diese Rechtsfigur auch „wissenschaftlich unterbelichtet“ sein.455 Es ist im Rahmen 451 s. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 90 f.; Mecke, Konzernstruktur, S. 164; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 397; im Ergebnis ebenso Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 779. 452  s. BGHZ 159, 30, 40; Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 780 f.; Goette, AG 2006, 522, 525; Henze, BB 2001, 53, 60; ders., in: FS Ulmer, S. 211, 219; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 284; ders., AktG, § 119 Rn. 18a; Reichert, AG 2005, 150, 154; Röhricht, in: VGR, Gesellschaftsrecht 2004, S. 7 f.; Zimmermann/Pentz, in: FS Welf Müller, S. 151, 160 f. 453  Vgl. jeweils m.w.N. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 53 (selbst jedoch zweifelnd: „keineswegs selbstverständlich“); Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 18 f.; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 102; K. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 119 Rn. 47; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 15. 454  So ausdrücklich oder der Sache nach Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337 mit Fn. 48 (dort auch mit Hinweis auf Rechtsprechung des BGH, in der auf Teilanalogien zurückgegriffen wird); Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 40 mit Fn. 195; Habersack, AG 2005, 137, 142; Liebscher, ZGR 2005, 1, 20 f.; Lutter, in: FS K. Schmidt, S. 1065, 1075 mit Fn. 44; Reichert, AG 2005, 150, 153; Spindler, in: FS Goette, S. 512, 514 f.; Weißhaupt, AG 2004, 585, 586; eine Teilanalogie als inkonsequent ablehnend dagegen Wilhelm, KapitalgesR Rn. 1089. 455 So Fleischer, NJW 2004, 2235, 2237 mit Fn. 48; ders., GmbHR 2008, 673, 676.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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eines Analogieschlusses nicht zwingend geboten, die in Bezug genommenen Vorschriften hinsichtlich sämtlicher Rechtsfolgen entsprechend anzuwenden.456 Vielmehr genügt es, die Referenzvorschrift nur insoweit heranzuziehen, wie dies Regelungslücke und Vergleichbarkeit der Interessenlage gebieten. Insoweit wird aber zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelungslücke im Rahmen der Holzmüller-Problematik allein im Hinblick auf die Kompetenzfrage besteht und dass auch unter Rechtsschutzaspekten ein Durchschlagen einer Kompetenzverletzung auf das Außenverhältnis nicht geboten ist.457 Dies verhindert zugleich den Konflikt mit § 82 Abs. 1 AktG und macht damit eine Antwort auf die Frage entbehrlich, ob auch eine Geschäftsführungsmaßnahme, die nicht durch das Gesetz selbst zur Strukturmaßnahme erhoben wird, sondern nur in vergleichender Gesamtschau der gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen als solche zu werten ist, geeignet wäre, die im Verkehrsinteresse grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht des Vorstands zu beschneiden.458 c)  Offene Rechtsfortbildung Von der Begründungslinie über eine Gesamtanalogie hat sich der Bundesgerichtshof mit dem Rückgriff auf eine offene Rechtsfortbildung in den Gelatine-Entscheidungen zumindest terminologisch abgesetzt.459 In der Literatur ist dies fast so verbreitet kritisiert worden wie die ursprüngliche Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG.460 Man wird diesen Streit jedoch nicht überbewerten dürfen.461 Denn in der Sache lässt sich kaum übersehen, dass die vom Bundesgerichtshof bevorzugte offene Rechtsfortbildung ganz nahe bei der von der Literatur favorisierten Gesamtanalogie liegt. Ebenso wie die Befürworter einer Gesamtanalogie, möchte sich der BGH nämlich tatbestandlich an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen der Hauptversammlung orientieren.462 Den Weg über die offene Rechtsfortbildung wählt er nur deswegen, weil er meint, auf diese Weise der angestrebten Beschränkung der Mitwirkungskompetenz auf das Innenverhältnis, die zuvor über die Anknüpfung an § 119 Abs. 2 AktG sichergestellt wurde, besser begründen zu 456 s. Fleischer, NJW 2004, 2235, 2237; Liebscher, ZGR 2005, 1, 21; Weißhaupt, AG 2004, 585, 586. 457 s. Liebscher, ZGR 2005, 1, 21. 458  Darauf abstellend etwa Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 221; Timm, Aktiengesellschaft, S. 198 f. 459  s. BGHZ 159, 30, 42 f.; in der Literatur zuvor nur Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 780 f.; Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 429 ff. 460  s. z. B. Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337; Jerczynski, Zuständigkeiten, S. 139 ff.; Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381, 384; Liebscher, ZGR 2005, 1, 18, 20; Lutter, in: FS K. Schmidt, S. 1075 mit Fn. 44; Weißhaupt, AG 2004, 585, 586 u. schon vor Gelatine ders., NZG 1999, 804, 807; weniger kritisch Spindler, in: FS Goette, 512, 514 f.; tendenziell zustimmend auch Habersack, AG 2005, 137, 143. 461  So auch Spindler, in: FS Goette, S. 512, 514 f. 462  s. BGHZ 159, 30, 43.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

können.463 Vom Ergebnis her unterscheidet sich aber auch die Beschränkung auf das Innenverhältnis nicht vom Standpunkt der herrschenden Meinung,464 die lediglich der Ansicht ist, dieses Ergebnis methodisch korrekter über eine Teilanalogie begründen zu können.465 Angesichts des damit bestehenden weitgehenden inhaltlichen Konsenses soll hier auf eine eingehendere Stellungnahme verzichtet werden, zumal beide dogmatischen Begründungswege Kompromisscharakter tragen.466 d)  § 121 AktG Wegen der insoweit bestehenden Verbindungslinien zum GmbH- und Vereinsrecht soll schließlich noch auf den gelegentlich geäußerten Vorschlag eingegangen werden, einen Anknüpfungspunkt für die verpflichtende Mitwirkung der Hauptversammlung bei bestimmten Maßnahmen des Vorstands in § 121 Abs. 1 AktG zu suchen.467 Diese Norm hat gegenüber § 119 Abs. 2 AktG immerhin den Vorteil, dass sie ihrem Wortlaut nach überhaupt für die Ausbildung einer Vorlagepflicht geeignet erscheint.468 Inhaltlich kann aber auch § 121 AktG keinen eigenständigen Beitrag zur Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten leisten. Schon in der historischen Diskussion um die Reichsgerichtsentscheidungen Grubenbahn und Melasse hat sich im Hinblick auf die Vorläufervorschriften von § 121 AktG gezeigt, dass sich der Gedanke einer im Gesellschaftsinteresse oder -wohl bestehenden Pflicht, dem Mitgliederorgan vorab die Abstimmung über eine vom Vorstand geplante Maßnahme zu ermöglichen, nicht sinnvoll anhand des Begriffs des Gesellschaftsinteresses oder -wohls entwickeln lässt, sondern eine kompetenziell orientierte Betrachtung erfordert.469 Nur wenn sich sagen lässt, dass der Vorstand eine zum Wohl der erforderlichen Maßnahme nicht aus eigener Machtvollkommenheit 463 

s. BGHZ 159, 30, 43. Vgl. dazu etwa Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 104 m.w.N.; Reichert, ZHR Sonderheft 68, (1999), S. 25, 45; s.a. BGHZ 159, 30, 42. 465 s. Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337 mit Fn. 48; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 40 mit Fn. 200; Habersack, AG 2005, 137, 142; Liebscher, ZGR 2005, 1, 21; Lutter, in: FS K. Schmidt, S. 1065, 1075 mit Fn. 44; s.a. bereits ders., in: FS Stimpel, S. 825, 846; Reichert, AG 2005, 150, 153; MünchKommAktG/Spindler § 76 (3. Aufl.) Rn. 37; Weißhaupt, AG 2004, 585, 586; eine Teilanalogie als inkonsequent ablehnend dagegen Wilhelm, KapitalgesR Rn. 1089. 466 s.a. Spindler, in: FS Goette, S. 512, 514 f. 467  s. insbesondere Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 776 ff.; für eine Vorlagepflicht bei konzernbildenden Maßnahmen nach § 121 AktG auch Jansen, Konzernbildungskontrolle, S. 220 f., wobei ein danach ergehendes Votum der Hauptversammlung aber unverbindlich sein soll, solange der Vorstand nicht zugleich nach § 119 Abs. 2 AktG vorgeht; dazu soll nach Jansens Ansicht allerdings keine Pflicht bestehen; vgl. daneben noch Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 79 f.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 52. 468  Darauf zielt wohl auch der Hinweis von Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 52. 469  Vgl. dazu sowie zum Folgenden bereits die Erkenntnisse aus der Diskussion um die Melasse- und Grubenbahn-Entscheidungen des Reichsgerichts, § 5 E.I.1. 464 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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vornehmen darf, weil dafür ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich ist, ist er zur Einberufung der Mitgliederversammlung nach § 121 AktG verpflichtet.470 Darüber, was der Vorstand aus eigener Machtvollkommenheit darf oder nicht, gibt § 121 AktG aber keine Auskunft. Angesichts der durch das AktG 1937 getroffenen und durch das AktG 1965 übernommenen grundsätzlichen Weichenstellungen471 lässt sich § 121 AktG anders als seine Vorgängervorschriften auch nicht mehr als Hinweis auf die übergeordnete Stellung der Mitgliederversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan und eine daraus abzuleitende Entscheidungsprärogative hinsichtlich ungewöhnlicher oder sonst herausgehobener Maßnahmen verstehen, die den eigenverantwortlich wahrnehmbaren Handlungsspielraum des Vorstands beschränkt. Damit führt der Blick auf § 121 AktG wieder zu der Begründung einer Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung in Gesamtanalogie zu den gesetzlichen Strukturkompetenzen der Hauptversammlung zurück.472 e)  Auswirkungen des Umwandlungsrechts Mit dem Inkrafttreten des UmwG 1994 hat erstmalig eine Form der Ausgliederung eine gesetzliche Regelung erfahren. Dies hat die Diskussion um die Holzmüller-Doktrin um die Frage erweitert, ob und wenn ja welche Konsequenzen sich aus dieser gesetzlichen Regelung für die Holzmüller-Doktrin ergeben.473 Einigkeit besteht zunächst darüber, dass durch das Umwandlungsgesetz die traditionelle Form der Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsfolge nicht unzulässig wird.474 Die naheliegende Frage, ob für die Begründung der Hauptversammlungszuständigkeit an Stelle der Holzmüller-Doktrin nunmehr auf eine analoge Anwendung von §§ 65, 125 UmwG zurückzugreifen ist, wird dagegen ganz überwiegend und mit überzeugenden Gründen verneint.475 Insoweit steht zwar nicht ein angeblich § 1 Abs. 2

470  Vgl. zu den Einberufungspflichten nach § 121 AktG auch Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 278 f. 471  s. o., § 5 C und E.I.2.a). 472  I.E. ebenso Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 80. 473  Ein weiter Teil der Diskussion um die Bedeutung des Umwandlungsrechts für die Holzmüller-Doktrin gilt der hier nicht zu behandelnden Frage der Informationsrechte der Aktionäre: s. dazu überblicksweise Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 52; s. näher im Hinblick auf die Zuständigkeitsbegründung (mit unterschiedlichen Ansätzen) Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 218 ff.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 179 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 394; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 197 ff.; K. Schmidt, GesR, § 28 V 2 b (S. 872); ders., ZGR 1995, 675, 676 ff. 474  Dies ergibt sich bereits eindeutig aus den Gesetzesmaterialien: BT-Drucks. 12/6699 S. 77 ff.; s. daneben z. B. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 41; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 394; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 190 f.; K. Schmidt, ZGR 1995, 675, 676. 475 s. etwa Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 218 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 394; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 191 f.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

UmwG zu entnehmendes Analogieverbot entgegen,476 doch fehlt es jedenfalls an einer planwidrigen Regelungslücke.477 Demgegenüber bestehen keine Bedenken dagegen, die Vorschriften des UmwG über die Ausgliederung im Rahmen der hier befürworteten Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen heranzuziehen, weil insofern die strikteren Voraussetzungen einer Einzelanalogie nicht erfüllt zu sein brauchen.478

VI.  Folge- und Vertiefungsfragen Akzeptiert man im Grundsatz, dass Maßnahmen der Beteiligungsbildung im Wege einer Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen die Mitbestimmung der Hauptversammlung erfordern können, führt dies unter einer Reihe verschiedener Gesichtspunkte zu weitergehenden Fragen. In tatbestandlicher Hinsicht besteht zunächst noch das Erfordernis, einen quantitativen Schwellenwert einschließlich der relevanten Bezugsgrößen zu bestimmen (1.). Zudem ist aber auch noch ein vertiefender Blick auf die in qualitativer Hinsicht erfassten Maßnahmen erforderlich (2.). Gesondert sind dabei Maßnahmen zu betrachten, die auf der Ebene einer Untergesellschaft durchgeführt werden (3.). Im Anschluss richtet sich der Blick auf zwei im Zusammenhang mit der Holzmüller-Doktrin wiederholt diskutierte Einzelfragen: dabei geht es einerseits darum, inwieweit Flexibilisierungsmöglichkeiten durch Satzung oder Hauptversammlungsbeschluss bestehen (4.), andererseits um die Frage, ob Holzmüller-Beschlüsse einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen (5.). Der Abschnitt schließt mit einem Überblick über die Rechtsschutzmöglichkeiten des Aktionärs (6.). 1.  Die Bestimmung des quantitativen Schwellenwertes Ein zentraler Aspekt der Diskussion um ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung lag von Beginn an in der Frage, ab welchem genauen quantitativen Schwellenwert Maßnahmen des Vorstands der Mitwirkung der Hauptversammlung bedürfen. Mit der Entscheidung für eine offene Rechtsfortbildung ist dies genauso wenig präjudiziert wie durch die Annahme einer Gesamtanalogie. Vielmehr unterliegen die als Analogie- oder Rechtsfortbildungsbasis in Betracht kommenden Vorschriften ganz unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien. Während Finanzierungsmaßnahmen unabhängig von ihrer Größenordnung die 476 s. Joost, ZHR 163 (1999), 164, 179 f.; Priester, ZHR 163 (1999). 187, 191 f.; a.A. Bungert, NZG 1998, 367, 368. 477 s. Priester, ZHR 163 (1999), 187, 191 f. 478  Z.T. wird dies auch unter dem Gesichtspunkt der „Ausstrahlungswirkungen“ des Umwandlungsgesetzes diskutiert: vgl. Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 218 ff.; i.E. auch K. Schmidt, GesR, § 28 V 2 b (S. 872), allerdings vor allem unter Rückgriff auf den Gedanken eines „Umgehungsschutzes“ des UmwG; skeptisch gegenüber allen aus dem Umwandlungsgesetz abgeleiteten Argumenten Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 394.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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qualifizierte Mitwirkung der Hauptversammlung erforderlich machen, setzen andere Regelungen wie die der §§ 179a, 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG Verfügungen voraus, die im Wesentlichen das gesamte Vermögen der Gesellschaft betreffen.479 Einigkeit hat in der Diskussion stets darüber bestanden, dass nicht schon jede die Rechtsstellung der Aktionäre beeinträchtigende Maßnahme für die Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit genügen kann.480 Umstritten war lediglich, wo genau die Grenze gezogen werden sollte. Vor allem die Vertreter konzernverfassungsrechtlicher Ansätze tendierten dazu, den zu bestimmenden Grenzwert eher im Sinne einer Bagatellschwelle zu verstehen und dementsprechend niedrig anzusetzen,481 weil sich nur so das diesem Ansatz immanente Streben nach einer systematischen Verrechtlichung des Konzerns sinnvoll verwirklichen lässt. Der Bundesgerichtshof ist diesem konzeptionellen Ansatz in den Gelatine-Entscheidungen entgegen getreten und hat den Streit im unter Bezugnahme auf den Sachverhalt des Holzmüller-Urteils im Sinne eines sehr hohen Schwellenwertes entschieden.482 Dem wird man im Grundsatz folgen können. Sieht man mit dem Bundesgerichtshof das übergeordnete Ziel nicht in der rechtlichen Verfassung eines als organisatorische Einheit verstandenen Konzerns, sondern im Schutz der Aktionäre vor der Mediatisierung ihres Einflusses und einer darauf basierenden etwaigen Schwächung ihres Beteiligungswertes,483 führt dies zu der Folgefrage, wie dieses Schutzziel in das Gesamtgefüge des Aktiengesetzes eingepasst werden kann. Insofern ist es völlig zutreffend, wenn der Bundesgerichtshof darauf hinweist, dass eine auf dem Schutzgedanken basierende Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung angesichts der „wohlaustarierten Kompetenzverteilung“ des Aktiengesetzes nur im Sinne einer Ausnahmeregelung in Betracht kommen kann.484 Mit Rücksicht darauf können die hier in Rede stehenden Maßnahmen mit „Doppelcharakter“ rechtlich erst dann als Strukturmaßnahmen mit einer daraus resultierenden Hauptversammlungszuständigkeit behandelt werden, wenn die Beteiligungsbildung zumindest den wesentlichen Teil des Vermögens der Gesellschaft betrifft. Auf das gleiche Ergebnis läuft es hinaus, wenn in der Literatur gesagt wird, dass Maßnahmen der Beteiligungsbildung schwerpunktmäßig die Vermögens- und nicht die Finanzstruktur der Gesellschaft betreffen und deswegen sachlich der Normengruppe der Gesamtvermögensgeschäfte näherstehen, so dass eine stärkere Anlehnung an deren Tatbestand angezeigt erscheint.485 Auf den ersten Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 55. etwa Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 46; Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 846 ff.; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 203 ff. m.w.N.; s.a. BGHZ 159, 30, 43. 481  s. z. B. Lutter, in: FS Barz, S. 199, 214; ders., in: FS Stimpel, S. 825, 850; ebenfalls niedrig ansetzend Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 787; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 181 f. 482  s. BGHZ 159, 30, 42 f. 483  s. BGHZ 159, 30, 42 f. 484  s. BGHZ 159, 30, 39, 43 ff. 485 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 56 f. 479 Vgl. 480  s.

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Blick scheinen dem zwar aus dem UmwG 1994 abzuleitende Wertungen entgegenzustehen, weil das dort geregelte Ausgliederungsverfahren das Erfordernis einer qualifizierten Zustimmung der Hauptversammlung noch nicht einmal unter einen Bagatellvorbehalt stellt. Doch ist bei einem Rückgriff auf die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes insoweit Zurückhaltung geboten, da dieses insoweit eher einer „systematisch-ordnenden Regelungstechnik“ folgt, bei der die „besondere Technik der Vermögensübertragung im Außenverhältnis“ in Form der Gesamtrechtsnachfolge das zentrale Anknüpfungskriterium bildet.486 Nicht zu beanstanden ist es auch, wenn der Bundesgerichtshof sich für die weitere Konkretisierung des Schwellenwertes am Sachverhalt der Holzmüller-Entscheidung orientiert und damit für erforderlich hält, dass 75 – 80 % des Vermögens der Gesellschaft von der Maßnahme betroffen sind. Dies gilt namentlich vor dem Hintergrund, dass die Festlegung eines exakten Grenzwertes ohne eine unmittelbar greifende gesetzliche Grundlage stets mit einem gewissen Maß an Willkür einhergehen muss. Offen bleibt damit nur noch, anhand welcher genauen Bezugsgrößen der Schwellenwert zu ermitteln ist. Insoweit erscheint es unter Vermeidung schematischer Ansätze vorzugswürdig, im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung vorzugehen, die sich nicht von vornherein auf einen einzelnen Parameter beschränkt.487 2.  In qualitativer Hinsicht erfasste Maßnahmen a)  Gleichwertigkeit aller Formen der Beteiligungs(fort)bildung Die bisherigen Überlegungen haben zumindest im Ansatz bereits gezeigt, dass es für die Entstehung eines Mediatisierungseffektes allein darauf ankommt, dass zunächst unmittelbar gehaltene Vermögensgegenstände gegen Gesellschaftsanteile getauscht werden. Daher hängt der Mediatisierungseffekt auch nicht davon ab, ob die Gruppenbildung durch Ausgliederung, Beteiligungserwerb oder Bargründung von statten geht.488 Genauso wenig ist er dadurch bedingt, dass erstmalig eine Gruppe gebildet wird.489 Alle genannten Maßnahmen wirken also auch dann mediatisierend, wenn die Obergesellschaft bereits über Tochtergesellschaften verfügt. Gleiches gilt für Kapitalerhöhungen in Untergesellschaften unter Bezugsrechtsausübung, bei denen die Obergesellschaft gleichfalls (weitere) unmittelbar gehaltene Vermögenswerte gegen (weitere) Gesellschaftsanteile (im untechnischen Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 394. Bungert, BB 2004, 1345, 1347; Goette, AG 2006, 522, 526; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 47; s.a. Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339; Liebscher, ZGR 2005, 1, 15 f. 488 Vgl. Baums, AG 1994, 1, 10; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 42; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 162 ff.; Goette, AG 2006, 522, 527; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 86; ders., ZGR 2005, 23 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 370 ff.; Spindler, in: FS Goette, S. 512, 518; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 56, 74. 489  Vgl. dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 372. 486 s. 487 s.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Sinne) „eintauscht“.490 Der mit der so verstandenen Gruppen(fort)bildung verbundene primäre Mediatisierungseffekt tritt allerdings nicht ein, sondern liegt in Bezug auf den hingegebenen Vermögensgenstand schon vor, wenn es sich bei dem eingebrachten Vermögensgegenstand seinerseits um Beteiligungsrechte handelt. Derartige Fälle, die nicht die Frage nach einem primären Mediatisierungseffekt, sondern einem weiteren Mediatisierungseffekt aufwerfen (dazu sogleich, b)), sind also nicht gemeint, wenn vom Tausch unmittelbar gehaltenen Vermögens gegen Beteiligungsrechte die Rede ist. Auch im Hinblick auf das Erfordernis, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen, sind alle Formen der Beteiligungs(fort)bildung gleichwertig.491 Dies wird von einem Teil der Literatur und Rechtsprechung namentlich im Hinblick auf den Beteiligungserwerb bestritten.492 Die dafür gegebenen Begründungen können jedoch nicht überzeugen. Dies gilt zunächst für den Hinweis, die Aktionäre müssten eben mit dem Beteiligungserwerb rechnen, wenn die Satzung eine entsprechende Klausel enthalte und seien bereits durch diese hinreichend geschützt.493 Denn die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze zielen gerade darauf, ein Zustimmungserfordernis für Maßnahmen zu begründen, die sich innerhalb des durch die Satzung festgelegten Rahmens halten.494 Auch das Argument, es handele sich beim Beteiligungserwerb lediglich um die Investition liquider Mittel, auf deren Verwendung die Aktionäre auch bei anderen Investitionsmaßnahmen keinen Einfluss haben,495 trifft die Sache nicht, weil mit dieser Formulierung der dem Beteiligungserwerb zugrunde liegende Mediatisierungseffekt überspielt wird. In diesem Punkt liegt aber der entscheidende sachliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von Beteiligungserwerb und sonstigen Investitionsmaßnahmen. Nicht weiterführend ist schließlich auch die Ansicht des OLG Frankfurt, das zwar anerkennt, dass auch mit dem Beteiligungserwerb ein Mediatisierungseffekt verbunden ist, jedoch meint, Beteiligungserwerb und Ausgliederung seien nicht vergleichbar, weil bei dieser bereits vorhandene unternehmerische Aktivitäten aus dem Einflussbereich der Hauptversammlung ausgelagert werden, während bei jenem solche Aktivitäten 490 s. Baums, AG 1994, 1, 10; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 371; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 74. 491  Vgl. die Nachweise in den vorhergehenden Fn. 492  s. OLG Frankfurt NZG 2011, 62, 63; OLG Frankfurt AG 2008, 862; Götze, NZG 2004, 585, 588; Groß, AG 1994, 266, 271 ff.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 183; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 10; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 71; Reichert, AG 2005, 150, 156 f.; Renner, NZG 2002, 1091, 1093; für weitere Nachweise vgl. die Literaturübersicht bei MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 11130 mit Fn. 1645. 493 s. Joost, ZHR 163 (1999), 164, 183; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 10. 494  s. BGHZ 159, 30, 46; Goette, AG 2006, 522, 526; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 42. 495  In diese Richtung OLG Frankfurt, NZG 2011, 62; Groß, AG 1994, 266, 271 ff.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 183; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 10; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 71; Reichert, AG 2005, 150, 156 f.; Renner, NZG 2002, 1091, 1093; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 447.

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hinzukommen.496 Natürlich ist es richtig, dass sich beide Formen der Gruppenbildung im äußeren Vorgang unterscheiden. Nur können diese Unterschiede eben in keiner Weise erklären, warum der Mediatisierungseffekt einmal von Bedeutung sein soll, das andere Mal aber nicht. Für die rechtliche Beurteilung sind sie damit also ohne Relevanz. b)  Die „Verenkelung“ als mediatisierende Maßnahme? Schwieriger fällt der Nachweis eines Mediatisierungseffekts dagegen in einer Fallkonstellation, wie sie den Gelatine-Entscheidungen zugrunde liegt. Denn bringt die Obergesellschaft eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft in eine andere Tochtergesellschaft ein, so dass durch die Umhängung im Ergebnis eine Enkelgesellschaft entsteht, betrifft dies eine Konstellation, in der die Aktionärsrechte durch die schon zuvor erfolgte Verlagerung von Gesellschaftsvermögen auf die Tochtergesellschaft bereits mediatisiert sind. Zur Klarstellung ist in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinzuweisen, dass die oben gebildete Fallgruppe der Kapitalerhöhung in der Tochter unter Bezugsrechtsausübung nur den Fall meint, dass unmittelbar gehaltene Vermögenswerte, die nicht ihrerseits schon mediatisiert sind (also unter Ausschluss von Beteiligungsrechten), in die Tochter eingebracht werden. Es geht also – dies zur Klarstellung – nur in dem formalen um eine Maßnahme, die sich im soeben (a)) beschriebenen Sinn als Maßnahme der Gruppenfortbildung ansprechen lässt, weil ein unmittelbar gehaltener Vermögensgegenstand gegen Beteiligungsrechte getauscht wird. Nur handelt es sich bei dem hingegebenen Vermögensgegenstand eben auch schon um Beteiligungsrechte. Der Bundesgerichtshof hat in den Gelatine-Entscheidungen allerdings darauf verwiesen, es liege ein „weiterer“ Mediatisierungseffekt vor, weil es insoweit zu einer „weiteren Machtverschiebung“ zu Lasten der Aktionäre der Muttergesellschaft komme.497 Der BGH erläutert dies dahin, dass mit der „beabsichtigten Übertragung eine weitere hierarchische Ebene geschaffen und damit der Einfluss der herrschenden Obergesellschaft und deren Hauptversammlung auf die Führung der Geschäfte, aber auch auf die Entscheidung über die Gewinnverwendung und andere Maßnahmen“ abnimmt.498 Denn die Leitungsorgane der „verenkelten“ Gesellschaft erhielten den Rahmen für ihr Handeln nun nicht mehr durch den von der Hauptversammlung kontrollierten Vorstand der Muttergesellschaft, sondern von dem Vertretungsorgan der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft vorgegeben.499

496  s. OLG Frankfurt, NZG 2011, 62, 63 f., unter Bezugnahme auf Renner, NZG 2002, 1091, 1092. 497  s. BGHZ 159, 30, 41 u. eingehender 47. 498  s. BGHZ 159, 30, 47. 499  s. BGHZ 159, 30, 47; dem BGH grundsätzlich zustimmend etwa Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 45; Spindler, in: FS Goette, S. 512, 520.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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In der Literatur wird dieser Standpunkt verbreitet in Zweifel gezogen.500 Ein zentraler Angriffspunkt ist dabei die These des vom Bundesgerichtshof angenommenen Leitungsmachtverlustes des Vorstands der Muttergesellschaft. Ein solcher trete wegen des Weisungsrechts aus § 37 GmbHG nämlich zumindest dann nicht in einem nennenswerten Umfang ein, wenn es sich wie in den Gelatine-Fällen bei der zwischengeschalteten Gesellschaft um eine hundertprozentige Tochter in der Rechtsform einer GmbH handele.501 Anders liege es mangels Weisungsrechts nur dann, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft die Rechtsform einer AG habe,502 jedenfalls sofern mit dieser kein Beherrschungsvertrag geschlossen worden sei.503 Eine weitere Variante dieses Ansatzes liegt darin, einen etwaigen Leitungsmachtverlust als kompensiert anzusehen, wenn die zur Enkelgesellschaft herabgestufte vormalige Tochter über einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Muttergesellschaft verbunden bleibt.504 Auf der Linie solcher Überlegungen liegt es auch, wenn als inkonsequent kritisiert wird, dass der BGH den Transfer von Geschäftsanteilen von einer Tochtergesellschaft auf eine andere ganz allgemein für zulässig halten will.505 Denn sei die erste Gesellschaft eine GmbH, die zweite eine AG, reduziere der Transfer die Einflussmöglichkeiten des Muttervorstands deutlich.506 500  Einen (hinreichenden) Mediatisierungseffekt in der durch den BGH entschiedenen Konstellation verneinend Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576; Götze, NZG 2004, 585, 589; Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 385; Simon, DStR 2004, 1482, 1485; vgl. auch bereits Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 179, für eine vergleichbare Konstellation (Ausgliederung von Tochter auf Enkelgesellschaft); zumindest eine gewisse Skepsis wird darüber hinaus aber auch bei solchen Stimmen spürbar, die dem Bundesgerichtshof für den Fall der „Verenkelung“ noch folgen wollen, für die nächsttiefere Ebene der „Verurenkelung“ einen (hinreichenden) Mediatisierungseffekt aber doch verneinen: s. Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 10; Beck AG-HB/Liebscher § 15 Rn. 50; Marsch-Barner, in: FS Schwark, S. 105, 109, 112. 501 s. Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576; Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 385; Simon, DStR 2004, 1482, 1485; bei „satzungsmäßig abgesichertem Einfluss auf die zwischengeschaltete Einpersonen-GmbH“ auch Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 45; ausreichend dürfte es angesichts der umfassenden Einflussnahmemöglichkeiten der Gesellschafter in der GmbH mit Normalstatut aber bereits sein, wenn die Satzung diese Rechte nicht verkürzt. 502  Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576; Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 385. 503  Für die Gleichbehandlung von 100 %iger Tochter-GmbH und vertraglich beherrschter AG Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576; einen Leitungsmachtverlust bei Ausgliederung auf 100 %ige Tochtergesellschaften „wegen der faktischen Konzernierung“ unabhängig von der Rechtsform ablehnend Simon, DStR 2004, 1482, 1485; doch überzeugt dies angesichts der rechtlich ganz unterschiedlich abgesicherten Einflussmöglichkeiten in Vertragskonzern und faktischem Konzern nicht recht. 504 s. Bungert, BB 2004, 1345, 1348; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 45; a.A. noch ders., AG 2005, 137, 143; offen gelassen Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 36. 505  Vgl. BGHZ 159, 30, 47; ebenso Bungert, BB 2004, 1345, 1348; Goette, AG 2006, 522, 527; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 45. 506 s. Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 385 mit Fn. 27; s.a. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 92.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Die geäußerte Kritik erfasst zunächst zutreffend, dass der Leitungsmachtverlust des Vorstands der Muttergesellschaft bei Umstrukturierungsmaßnahmen je nach den konkreten Umständen ganz unterschiedlich ausfallen kann. Nach der hier vertretenen Ansicht kann aber isoliert aus einem etwaigen Leitungsmachtverlust des Vorstands ohnehin kein Mitwirkungsanspruch der Hauptversammlung abgeleitet werden. Der der Einflussnahme der Hauptversammlung entzogene Autonomiebereich, den das Aktiengesetz dem Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Leitungskompetenzen in der Einheitsgesellschaft einräumt, setzt sich insoweit in der Unternehmensgruppe fort.507 Den Ausgangspunkt der Überlegungen müssen daher die Konsequenzen bilden, die die Umstrukturierungsmaßnahme auf die Kompetenzen der Aktionäre bzw. der Hauptversammlung hat, wobei es natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass insoweit auch Rückwirkungen aus einem Leitungsmachtverlust des Vorstands in die Überlegungen einzubeziehen sind. Soweit dies der Fall ist, müsste dann in der Tat auch das konkrete Ausmaß des Leitungsmachtverlustes unter Einschluss kompensatorischer Aspekte geklärt werden. Damit ist also zunächst die Frage zu beantworten, ob sich die hier in Rede stehenden Umstrukturierungsmaßnahmen prinzipiell in einer vergleichbaren Weise auf die Rechte der Aktionäre auswirken, wie die Beteiligungsbildung auf der ersten Stufe.508 Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs sind insoweit wenig ergiebig. Dies gilt zunächst für das Argument, der Einfluss der herrschenden Obergesellschaft und deren Hauptversammlung auf die Führung der Geschäfte der vormaligen Tochter nehme ab.509 Hieran ist insbesondere der durch diese Formulierung nahegelegte Eindruck fragwürdig, Einflussverluste der Obergesellschaft seien Einflussverlusten der Hauptversammlung gleichzusetzen. Es kann durchaus sein, dass die Obergesellschaft mit der Verenkelung Einfluss auf die Geschäftsführung verliert.510 Auf die Organebene runtergebrochen handelt es sich dabei aber um Einfluss, dessen Wahrnehmung in die alleinige Kompetenz des Vorstands der Obergesellschaft fällt. Die Hauptversammlung hat dagegen schon in der Einheits-AG keinen unmittelbaren Einfluss auf die Führung der Geschäfte. Erst recht gilt dies für Geschäftsführungsmaßnahmen in der Tochtergesellschaft. Dann kann aber auch die Schaffung einer weiteren Hierarchiestufe keinen Unterschied machen. Die weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs deuten allerdings darauf hin, dass er bei den Verlustpositionen der Hauptversammlung wohl nur auf deren mittelbare Möglichkeiten der Einflussnahme, d.h. ihre Kontrollrechte abstellen will.511 507 

s. dazu ausführlich oben, § 5 E.V.3.a). Götze, NZG 2004, 585, 589; Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 385. 509  BGHZ 159, 30, 47. 510  Dies setzt voraus, dass sie überhaupt noch (rechtlich abgesicherten) Einfluss auf die Geschäftsführung der Untergesellschaft gehabt hat. Dies liegt im AG-Vertragskonzern oder bei einer Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH anders als bei einer einfach abhängigen oder faktisch konzernierten AG. 511  s. BGHZ 159, 30, 47: „Denn die Leitungsorgane dieser Gesellschaft erhalten den Rahmen für ihr Handeln nunmehr nicht mehr durch den von der Hauptversammlung kontrollierten Vorstand der Muttergesellschaft […]“ – Hervorhebung hinzugefügt. 508 Verneinend

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Auch insoweit ist aber zweifelhaft, ob mit der Verenkelung tatsächlich ein spürbarer Mediatisierungseffekt einhergeht. Verdeutlichen lassen sich diese Zweifel besonders gut anhand des Sonderprüfungsrechts nach §§ 142 ff. AktG. Da sich das Einsichtsrecht des Sonderprüfers nach § 145 Abs. 1 AktG nur auf die Obergesellschaft bezieht,512 liegt die entscheidende Beschränkung der Kontrollrechte bereits in der Beteiligungsbildung auf der ersten Stufe. Ob die Beteiligung dann später noch auf eine tiefere Ebene verlagert wird, ist völlig belanglos. Was die Auskunftsrechte des Sonderprüfers angeht, sorgt § 145 Abs. 2 AktG dagegen ohnehin für die Erstreckung auf die gesamte Gruppe, so dass die Frage, auf welcher Ebene eine Beteiligung angesiedelt ist, wiederum keine Rolle spielt. Hinsichtlich der Auskunftsrechte des Aktionärs nach § 131 AktG ist zu berücksichtigen, dass Angelegenheiten einer Beteiligungsgesellschaft abhängig von ihrer Bedeutung auch zu Angelegenheiten der Obergesellschaft selbst werden können, so dass sie vom Auskunftsanspruch umfasst werden.513 Dabei kommt es erneut nicht darauf an, auf welcher Gruppenebene die Beteiligung angesiedelt ist. Auch insoweit kann sich die Verenkelung also nicht mediatisierend auswirken. Anders mag dies sein, soweit es um die mit der Verwirklichung des Auskunftsanspruches zusammenhängenden potentiellen Probleme der Informationsbeschaffung in der Unternehmensgruppe geht.514 Es ist nicht auszuschließen, dass sich diese mit zunehmender Tiefenstaffelung verstärken. Auch dies lässt sich aber nicht pauschal sagen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Schließlich ergeben sich auch im Bereich der Entlastung aufgrund der Verenkelung keine substantiellen Einschränkungen der Rechte der Hauptversammlung der Obergesellschaft. Bereits mit der Beteiligungsbildung auf der ersten Stufe ist Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorstandshandelns nicht mehr die unmittelbare Verwaltung der betroffenen Vermögenswerte, sondern der Umgang der Verwaltung mit den Beteiligungsgesellschaften. Durch die Verenkelung ändert sich daran nichts Entscheidendes. Abgesehen von dem (mittelbaren) Einflussverlust auf die Geschäftsführung stellt der Bundesgerichtshof als weiteren Verlustposten den Einflussverlust der Hauptversammlung auf die Entscheidung über die Gewinnverwendung und „andere Maßnahmen“ besonders heraus. Im Unterschied zur Geschäftsführung dürften mit diesen anderen Maßnahmen solche gemeint sein, bei denen die Hauptversammlung in der Einheitsgesellschaft ebenso wie bei der Entscheidung über die Gewinnverwendung über ein unmittelbares Mitspracherecht verfügt. Auch insoweit ist die Annahme eines Mediatisierungseffektes aber fragwürdig. Bereits die Beteiligungsbildung auf der ersten Stufe führt dazu, dass die Hauptversammlung der Obergesellschaft das Recht, über die mit Hilfe des in die Beteiligungsgesellschaft verlagerten Vermögens erzielten Gewinne zu entscheiden, vollständig verliert. Und das gleiche gilt für alle anderen Entscheidungsrechte, die ihr insoweit zugestanden haben mögen. Was die Hauptversammlung an Rechten aber schon 512 

s. o., § 5 E.V.2.c)aa)(2). s. bereits oben, § 5 E.V.2.c)aa)(1). 514  s. o., § 5 E.V.2.c)aa)(1). 513 

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verloren hat, kann ihr nicht mehr entzogen werden. Auch in Bezug auf die vorgenannten Rechte der Hauptversammlung kann die Verenkelung also wieder allenfalls für den Verlust mittelbaren Einflusses der Hauptversammlung von Bedeutung sein, weil der unmittelbare Einfluss bereits mit der Beteiligungsbildung auf der ersten Stufe entfallen ist. Versucht man den Verlust mittelbaren Einflusses anhand der Rücklagenbildung in der Gruppe zu konkretisieren, stößt man jedoch erneut auf Schwierigkeiten. Auch hier kommen als Instrumente mittelbarer Einflussnahme nur die Kontrollrechte der Hauptversammlung in Betracht.515 Man müsste nun aufzeigen können, dass und wie diese Rechte es einerseits ermöglichen, den Vorstand der Muttergesellschaft bei der Rücklagenbildung in der Tochtergesellschaft (mittelbar) zu beeinflussen, während sie andererseits aber nicht dazu taugen, einen vergleichbaren Einfluss – auch vermittelt durch den Vorstand der Muttergesellschaft – auf die Rücklagenbildung in der Enkelgesellschaft zu entfalten. Doch ist nicht ersichtlich, wie sich eine solche Differenzierung überzeugend leisten ließe.516 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten: Bei genauerem Hinsehen fällt es ausgesprochen schwer, belastbare Anhaltspunkte für die vom Bundesgerichtshof angenommene „weitere Machtverschiebung“ zu Lasten der Aktionäre zu finden. Der Bundesgerichtshof begnügt sich in den Gelatine-Entscheidungen im Hinblick auf das qualitative Element der Holzmüller-Doktrin mit Effekten, denen bestenfalls eine diffuse Mediatisierungswirkung zukommt. Sie sind unter Wertungsgesichtspunkten mit den organisationsrechtlichen Verwerfungen bei Maßnahmen der Beteiligungsbildung auf der „ersten Stufe“ nicht vergleichbar. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit für „Verenkelungsmaßnahmen“ abzulehnen. Auf die in der Literatur außerdem diskutierte Frage, ob nicht zumindest dann dem BGH zu widersprechen wäre, wenn der Vorstand der Muttergesellschaft durch die Verenkelung nicht entscheidend an Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaft verliert, weil er entweder gegenüber der Tochtergesellschaft hinsichtlich der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte in der Enkelgesellschaft weisungsbefugt ist, oder aufgrund eines unmittelbar mit der Enkelgesellschaft geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, kommt es daher gar nicht mehr an. Ein anderes Ergebnis erscheint auch nicht auf der Grundlage des Hinweises von Habersack gerechtfertigt, dass sich die Gefahr einer übermäßigen Rücklagenbildung durch die Verenkelung verdoppelt.517 Das ist zunächst dahin zu präzisieren, 515  Zumindest ist der Aspekt der Kontrolle der einzige Anhaltspunkt, der sich aus der Begründung des BGH ergibt: vgl. BGHZ 159, 30, 47. 516  Soweit es um die Entlastung geht, kann diese nach dem hier verfolgten Verständnis als eine weitgehend im freien Ermessen der Hauptversammlung liegende Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Verwaltung (s.o., § 5 E.V.2.c)aa)(3)) unabhängig davon verweigert werden, ob eine übermäßige Rücklagenbildung in einer Tochtergesellschaft oder auf einer tieferen Gruppenebene stattfindet. Dort mag der Vorstand die relevanten Entscheidungen nicht selbst treffen; er kann sich dadurch aber nicht der Verantwortung für die von ihm geschaffene Gruppen- und Finanzierungsstruktur entziehen.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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dass schon die Gruppenbildung auf der 1. Stufe die Gefahr der übermäßigen Rücklagenbildung in Bezug auf das gesamte ausgelagerte Vermögen bzw. die damit erzielten Gewinne begründet. Mit der Verenkelung erhöht sich dann lediglich noch die Zahl der gruppeninternen Instanzen, auf denen sich die Gefahr einer übermäßigen Rücklagenbildung verwirklichen kann. Da sich aber allein auf der ersten Ebene die entscheidende Minderung der Rechte der Hauptversammlung abspielt, für die es für den Mediatisierungseffekt entscheidend ankommt, trägt die spätere Addition einer weiteren Instanz nicht genügend eigenständiges Gewicht, um erneut eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung begründen zu können. 517

c)  Maßnahmen ohne Mediatisierungseffekt Ob auch Maßnahmen ohne Mediatisierungseffekt das Erfordernis eines qualifizierten Hauptversammlungsbeschlusses auslösen können, ist nach wie vor streitig. Während sich die Rechtsprechung in den Gelatine-Urteilen noch nicht eindeutig festgelegt hatte,518 spricht der bereits geschilderte Nichtannahmebeschluss aus dem Jahr 2006 eine relativ eindeutige Sprache.519 Ein Teil der Literatur folgt dem und will die Holzmüller/Gelatine-Doktrin strikt auf mediatisierende Maßnahmen beschränken.520 Daneben finden sich aber immer auch noch weitergehende Ansätze. So spricht sich etwa Hüffer dafür aus, „Individualschutz bei Maßnahmen von herausragender Bedeutung“ zu gewähren.521 Dahinter steht die Vorstellung, dass der Vorstand die ihm zustehenden Kompetenzen „übermäßig“ in Anspruch nehmen kann und dass dies zu einem tiefen Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und ihr darin verkörpertes Vermögensinteresse führt.522 Diese Ansicht 517 s. Habersack, AG 2005, 137, 143; s.a. Emmerich/ders., AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 35, 45. 518  s. zu den ganz unterschiedlichen Interpretationen des Urteils in der Literatur bereits oben, § 5 E.III.3. (a.E.). 519  s. BGH DStR 2007, 586; dazu gleichfalls bereits oben, § 5 E.III.4. 520  So etwa Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 34; ders., AG 2005, 137, 142 ff.; Reichert, AG 2005, 150, 155 ff.; Spindler, in: FS Goette, S. 512, 516; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 50 ff.; wohl auch Goette, AG 2006, 522, 525 ff.; einschränkend Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 30 (Mediatisierung sei vorrangige, aber nicht ausschließliche Rechtfertigung). 521  So die Zwischenüberschrift „3.“ bei Hüffer, AktG (10. Aufl.), § 119 Rn. 16 (s. insoweit auch noch die Zwischenüberschrift V.1 in der von Koch betreuten 11. Aufl., die sich aber – abgesehen von einigen kritischen Anmerkungen zur Rechtsprechung (Rn. 19, 27, 29) – weitgehend von Hüffers Position und den damit verbundenen Besonderheiten löst und auf die Linie des BGH einschwenkt); s.a. ders., in: FS Ulmer, S. 279 ff. mit ausführlicher Entwicklung seines Standpunktes; ähnliche Ansätze finden sich bei Fleischer, ZHR 165, 513, 524 f.; ders., NJW 2004, 2335, 2336; Liebscher, ZGR 2005, 1, 19 ff.; Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 840; ders./Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230 f. 522 s. Hüffer, AktG (10. Aufl.), § 119 Rn. 18; gleichfalls den Eingriff in die Mitgliedschaft als eigenständigen Anknüpfungspunkt in den Vordergrund stellend Fleischer, ZHR 165, 513, 524 f.; Liebscher, ZGR 2005, 1, 19.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

hat insbesondere die Konsequenz, dass auch Veräußerungsmaßnahmen – gleich, ob es um Beteiligungsbesitz oder sonstige Vermögensgegenstände geht – einer Zustimmungspflicht unterworfen werden können.523 Dem ist jedoch nicht zu folgen. Gegen die generalklauselartige Verselbständigung des Mitgliedschaftsinteresses als eines neben der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung stehenden Begründungshebels für ungeschriebene Zuständigkeiten ist zunächst einzuwenden, dass damit die Gefahr neuer Ausdehnungstendenzen einhergeht, denen der Bundesgerichtshof in den Gelatine-Entscheidungen gerade entgegentreten wollte.524 Stattdessen ist davon auszugehen, dass sich – um eine Formulierung Goettes zu verwenden – die Wahrung des Mitgliedschaftsrechts grundsätzlich durch und im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung verwirklicht.525 Akzeptiert man dies als Ausgangspunkt, kann die gesetzliche Zuständigkeitsordnung durch ungeschriebene Zuständigkeit grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Maßnahmen folgerichtig fortgebildet werden, die ihrerseits in die gesetzliche Zuständigkeitsordnung und den dadurch vermittelten Schutz der Aktionäre störend eingreifen.526 Der Ansatz, Individualschutz durch ungeschriebene Zuständigkeiten bei Maßnahmen von herausragender Bedeutung zu gewähren, genügt diesen Anforderungen nicht, wie sich anhand der angesprochenen Veräußerungsmaßnahmen zeigen lässt. Diese stellen in allen Varianten einen bloßen Aktiventausch dar, der ohne Auswirkungen auf die Kompetenzen der Aktionäre bzw. der Hauptversammlung bleibt. Soweit es um die Veräußerung von Beteiligungsbesitz geht, kommt hinzu, dass hierbei der durch die Beteiligungsbildung zunächst eingetretene Mediatisierungseffekt sogar wieder revidiert wird.527 Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Gefahr einer Abgabe der Beteiligung unter Wert besteht, was sich verwässernd auf den Wert der Anteile der Aktionäre der Obergesellschaft auswirken kann. Denn die Gefahr einer Reduktion des Anteilswerts durch nachteilige Maßnahmen des Vorstands geht mit seiner Geschäftsführung insgesamt einher und gilt namentlich für jede Form des Aktiventausches, ist also nicht auf Beteiligungsveräußerungen beschränkt. Stets wird ihr aber nur durch die schadensersatzbewehrten Sorgfaltspflichten des Vorstands nach § 93 AktG Rechnung getragen.528 Derartigen Maßnahmen fehlt damit auch dann, wenn sie die für die Gelatine-Doktrin erforderliche 523 So ausdrücklich Hüffer, AktG (10. Aufl.), § 119 Rn. 18a, mit verschiedenen Beispielen (abweichend jetzt Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 22); dies entsprach vor den Gelatine-Entscheidungen der ganz herrschenden Ansicht: s. für eine umfassende Übersicht über das Meinungsspektrum die Nachweise bei Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 43 mit Fn. 215. 524 s. Goette, AG 2006, 522, 523; s.a. Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 47; vgl. zudem bereits oben, § 5 E.V.1.b)aa). 525 s. Goette, AG 2006, 522, 524. 526 s.a. Spindler, in: FS Goette, S. 512, 519; vgl. zudem bereits oben, § 5 E.V.1.b)aa). 527 s. Goette, AG 2006, 522, 527; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 43; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 185 f.; KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 91. 528 s. Groß, AG 1994, 266, 275 f.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 44; ders., WM 2001, 545, 548; Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, S. 133, 153 f.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Wesentlichkeitsschwelle überschreiten, die organisationsrechtliche Relevanz und damit die Qualität einer Strukturmaßnahme, aus der sich erst die hinreichende Basis dafür ergibt, die Zuständigkeiten der Hauptversammlung in Anlehnung an die gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen fortzubilden.529 Nichts anderes gilt auch bei Teilveräußerungen von unternehmerischen Einfluss vermittelnden Beteiligungen, und zwar auch dann, wenn mit der Beteiligungsabgabe der Verlust einer qualifizierten Mehrheit oder einer sonst relevanten Beteiligungsschwelle einhergeht.530 Dass sich damit die Einflussmöglichkeiten des Vorstands reduzieren, ist unschädlich, da das Aktiengesetz den Vorstand nicht auf eine bestimmte Leitungsintensität verpflichtet.531 Eine Grenze ist erst dann erreicht, wenn die Beteiligung aufgrund der Anteilsabgabe zu einer kapitalistischen Beteiligung herabsinkt und die Satzung das Halten solcher Beteiligungen nicht gestattet, oder wenn der Unternehmensgegenstand durch die Veräußerung der Beteiligung dauerhaft unterschritten wird.532 Dabei handelt es sich aber um allgemeine Schranken, die sich aus dem Unternehmensgegenstand ergeben und die mit der hier behandelten Frage nach Zuständigkeitsgrenzen innerhalb desselben nichts zu tun haben. Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich der Anwendungsbereich der Holzmüller/Gelatine-Doktrin im Wesentlichen auf Maßnahmen der Gruppenbildung (im weiten Sinn)533 beschränkt.534 3.  Gruppenbildung und Gruppenleitung Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass eine Reihe verschiedener Maßnahmen existiert, die sich unter dem Gesichtspunkt der Gruppen(fort)bildung erfassen lassen und die wegen der damit einhergehenden kompetenziellen Verwerfungen sämtlich ungeschriebene Zuständigkeiten nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auslösen können. Daneben bildet in der Literatur die Frage einen eigenständigen Diskussionsschwerpunkt, ob weitere Maßnahmen, die unter dem Schlagwort der 529  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 43; vgl. auch Goette, AG 2006, 522, 527. 530  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 44; KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 93. 531  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 44; KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 93; s. dazu auch bereits ausführlich oben, § 5 E.V.3.a); a.A. etwa Fuchs, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, S. 259, 268 f.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 447; Timm, Aktiengesellschaft, S. 135 ff.; Götze, NZG 2004, 585, 588. 532 s. Baums, AG 1994, 1, 10; KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 91 m.w.N. 533  s. zu den insoweit als gleichwertig zu erachtenden Maßnahmen oben, § 5 E.VI.2.a). 534  Daneben wird gelegentlich auch noch in Sonderkonstellationen über die Existenz eines Mediatisierungseffektes diskutiert. Dies gilt etwa für Maßnahmen, die staatliche Beihilfen erforderlich machen und dadurch mittelbar zu erheblichen Einschränkungen der Rechte der Altaktionäre führen können: s. dazu Spindler, in: FS Goette, S. 512, 518 f.; s. zur einschlägigen Rspr. und Lit. auch bereits oben, § 5 E.III.1. Für den Fortgang dieser Arbeit ist dieser Spezialfall nicht weiter von Bedeutung und bedarf daher auch keiner Stellungnahme.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Konzernleitungsmaßnahmen, bzw. nach der hier bevorzugten Terminologie,535 der Gruppenleitungsmaßnahmen zusammengefasst werden, ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen begründen können. Mit der Unterscheidung zwischen Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen verknüpfen sich eine Reihe von Problemen, die punktuell teils schon in der bisherigen Untersuchung angesprochen worden sind, die hier aber im Interesse der Verständlichkeit im Zusammenhang behandelt werden sollen. Es geht dabei zunächst um die Frage der Abgrenzung von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen unter Einschluss ihrer Sinnhaftigkeit (a)). Daneben wirft das Verhältnis dieser Maßnahmen zueinander in zweifacher Hinsicht Fragen auf, soweit nämlich in beide Richtungen darüber diskutiert wird, ob Mitwirkungsbefugnisse bei dem einen Maßnahmentyp Mitwirkungsbefugnisse bei dem anderen Maßnahmentyp entbehrlich werden lassen (b), c)). Schließlich geht es darum, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse bei Gruppenleitungsmaßnahmen in Betracht kommen (d)). a)  Die Abgrenzung zwischen Gruppenbildungsund Gruppenleitungsmaßnahmen In Anlehnung an Vorarbeiten in der Literatur536 hat der Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung eine relative deutliche Trennung zwischen Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen vorgenommen,537 die in der Folge verbreitet aufgegriffen worden ist.538 Dieser Trennung ist vor allem deswegen Beachtung zu schenken, weil sie nach einem verbreiteten Verständnis in der Literatur auch im Sinne zweier inhaltlich voneinander zu unterscheidender Ansätze zu verstehen ist.539 In der Tat liefern die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in der Holzmüller-Entscheidung dafür einige Anhaltspunkte. So erwähnt er § 119 Abs. 2 AktG als normativen Bezugspunkt allein im Zusammenhang mit der Ausgliederung, während davon im Zusammenhang mit der Gruppenleitung überhaupt keine Rede mehr ist. Stattdessen nimmt er dort den Gedanken ungeschriebener Zuständigkeiten der Hauptversammlung in Bezug,540 was in der Literatur gemein535 

Vgl. bereits § 2 B.I. s. dazu übersichtsweise Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 364 f. 537  BGHZ 83, 122, 131 ff. einerseits, 136 ff. 538  Vgl. z. B. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 1 ff.; Hopt, Gesellschaftsrecht, Rn. 1242 f.; KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 32 ff. u. 60 ff. einerseits, 83 ff. andererseits; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 59 f. (tendenziell kritisch); Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807 unterscheidet Konzernleitungskontrolle und „eigentlichen Holzmüllerbeschluss“; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 40 ff.; s. zum Ganzen auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 364 ff. 539  s. etwa Henssler, in: FS Zöllner, Bd. 1, S. 203, 210 f.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 404 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 368 f. Hopt, Gesellschaftsrecht, Rn. 1242 f.; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807. 540  s. BGHZ 83, 122, 137. 536 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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hin dahin verstanden worden ist, der BGH gehe hier von einer echten Hauptversammlungszuständigkeit an Stelle einer bloßen Vorlagepflicht des Vorstands aus.541 Konsequenzen hat das auch für den Bereich der Rechtsfolgen. Denn während der überwiegende Teil der Literatur die Bezugnahme auf § 119 Abs. 2 AktG im Sinne eines mit einfacher Mehrheit zu fassenden Hauptversammlungsbeschlusses verstanden hat, geht es dem Bundesgerichtshof im Bereich der Gruppenleitung darum, den Aktionären der Obergesellschaft den Anspruch zu gewähren, an bestimmten Maßnahmen so beteiligt zu werden, als handele es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft selbst, was dann ggfs. auch zu abweichenden Mehrheitserfordernissen führen würde.542 Auch was die inhaltlichen Anforderungen angeht, operiert der Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung zumindest mit unterschiedlichen Formulierungen.543 Während er im Hinblick auf Maßnahmen der Beteiligungsbildung danach fragt, ob diese „tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen“,544 soll eine Entscheidungszuständigkeit der Aktionäre bei Leitungsmaßnahmen bei „grundlegenden, für ihre Rechtsstellung bedeutsamen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft“ in Betracht zu ziehen sein.545 Man wird sich angesichts der Weite der verwendeten Formulierungen allerdings darüber streiten können, ob sich daraus in der Sache tatsächlich zwingend ein unterschiedlicher Maßstab ableiten lässt.546 Angesichts dieser tatsächlichen oder vermeintlichen Unterschiede gewinnt die Frage an Bedeutung, wie genau Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen voneinander abzugrenzen sind. Man könnte die Unterscheidung zunächst dahin verstehen, Gruppenbildungsmaßnahmen bezögen sich auf die erstmalige Bildung eines Konzerns bzw. einer Gruppe, Gruppenleitungsmaßnahmen seien alle Maßnahmen mit Gruppenbezug nach bereits erfolgter Gruppenbildung.547 Dies trifft allerdings nicht das vom Bundesgerichtshof zugrunde gelegte Verständnis. Denn in dem der Holzmüller-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt bil541 Vgl. Martens, ZHR 147 (1983), 377, 404 ff.; Rehbinder, ZGR 1983, 92, 103; s.a. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 368, der als Begründung für diese konzeptionelle Varianz vermutet, der Bundesgerichtshof habe die vorbereitende Diskussion in der Literatur zur Frage ungeschriebener Zuständigkeiten (unzutreffender Weise) dahin verstanden, dass sie allein den Bereich der Konzernleitung betreffe; zu den Unterschieden zwischen einer Vorlagepflicht nach § 119 Abs. 2 AktG und dem Konzept einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit s. Martens, ZHR 147 (1983), 377, 384 ff. (namentlich unter Hinweis auf das unterschiedlich zu beurteilende Initiativrecht). 542  s. BGHZ 83, 122, 140. 543  s. näher Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 369. 544  s. BGHZ 83, 122, 131. 545  BGHZ 83, 122, 140. 546  So zumindest tendenziell aber wohl Henssler, in: FS Zöllner, Bd. 1, S. 203, 210 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 369. 547  So wohl Hopt, Gesellschaftsrecht, Rn. 1241 ff.; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 59.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

dete die ausgliedernde Aktiengesellschaft bereits einen Konzern mit einer GmbH, die ihrerseits maßgeblich an zwei ausländischen Tochtergesellschaften beteiligt war, ohne dass dies den Bundesgerichtshof daran gehindert hätte, die in Frage stehende Ausgliederungsmaßnahme ihrerseits dem Bereich der Gruppenbildung zuzuordnen.548 Die vom Bundesgerichtshof verwendete Abgrenzungstechnik ist also dahin zu verstehen, dass sie bei der konkreten Untergesellschaft ansetzt. Tritt diese im Rahmen der in Rede stehende Maßnahme neu hinzu, gehört der Vorgang zu den Gruppenbildungsmaßnahmen. Dagegen betreffen Gruppenleitungsmaßnahmen alle Veränderungen mit Bezug zu bereits vorhandenen Untergesellschaften.549 Nach den bereits im Zusammenhang mit den Gruppenbildungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnissen ist die formale Unterscheidung zwischen Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen zu modifizieren, weil sie nicht mit den zugrunde liegenden Sachproblemen korrespondiert.550 So haben die Überlegungen zur Behandlung von (effektiven) Kapitalerhöhungen in bestehenden Tochtergesellschaften gezeigt, dass derartige Maßnahmen den Gruppenbildungsmaßnahmen im Sinne der formalen Abgrenzung funktional entsprechen, weil bei ihnen gleichfalls sonstiges zunächst unmittelbar gehaltenes Gesellschaftsvermögen zum Erwerb von Mitgliedschaften eingesetzt wird. Es erscheint daher schon unter Ordnungsgesichtspunkten nicht sinnvoll, sie mit Hilfe einer anderen terminologischen Kategorie zu erfassen. Stattdessen sollte in Bezug auf solche Maßnahmen besser von „erweiterter“ Konzern- bzw. Gruppenbildung,551 von Gruppenbildungsmaßnahmen im weiteren Sinn gesprochen werden.552 Gelegentlich werden alle zu dieser Kategorie gehörenden Maßnahmen nachfolgend in einem zusammenfassenden Sinn auch als Maßnahmen der Gruppen( fort)bildung bezeichnet. Als Gruppenleitungsmaßnahmen sind dann im Sinne einer Residualkategorie alle übrigen gruppenbezogenen Maßnahmen zu erfassen, die nicht zu den Gruppenbildungsmaßnahmen im weiteren Sinn gehören. Der Klarheit halber ist darauf hinzuweisen, dass neben die durch den Bundesgerichtshof begründete – hier modifiziert verwendete – Terminologie in der Literatur eine Vielzahl abweichender oder ergänzender Begrifflichkeiten tritt. Statt von Gruppenleitungsmaßnahmen wird teils auch von der „Umstrukturierung im Unternehmensverbund“553 oder von „Gruppenumbildungsmaßnahmen“554 gesprochen. Zumindest der letztgenannte Begriff ist in der Literatur auch noch anderweitig 548 

s. BGHZ 83, 122, 130. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 365 ff.; 441. 550  s. dazu insbesondere Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 364 ff. 551 So Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 74. 552 In ähnlicher Weise spricht Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 361 und passim, von „Ausgliederungsvorgängen im weiteren Sinn“. 553  s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 83. 554 s. Mülbert, Aktiengesellschaft S. 441 und passim (Begriffsbildung allerdings nicht deckungsgleich mit Konzernleitungsmaßnahmen im formalen Sinn). 549 s.a.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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belegt,555 sodass er zur Vermeidung von Missverständnissen in dieser Arbeit vermieden werden soll. Gelegentlich wird auch der Begriff der Gruppen- bzw. Konzernfortbildung, in einem anderen als dem soeben geschilderten Sinn verstanden, wenn damit Maßnahmen bezeichnet werden, die eine vorhandene Unternehmensverbindung vertiefen, etwa indem eine abhängige Gesellschaft konzernstiftender einheitlicher Leitung unterstellt oder ein Unternehmensvertrag mit ihr abgeschlossen wird.556 b)  Vorrang der Gruppenleitungs- vor der Gruppenbildungskontrolle? Von Lutter ist zu Beginn der Diskussion um ungeschriebene Zuständigkeiten unter Geltung des Aktiengesetzes 1965 im Hinblick auf die von ihm entwickelten Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei der Leitung der Untergesellschaft557 die Ansicht vertreten worden, die Mediatisierung des Einflusses der Hauptversammlung bei der Ausgliederung auf eigene – hundertprozentige – Tochtergesellschaften rechtfertige eine Einbeziehung der Hauptversammlung nicht.558 In der Literatur ist dieser Vorrang der Mitwirkung bei der Gruppenleitung vor der Mitwirkung bei der Gruppenbildung auf Kritik gestoßen,559 und auch Lutter hat seine ursprüngliche Ansicht später ausdrücklich aufgegeben.560 Das ist schon deswegen zutreffend, weil die mit der Gruppenbildung einsetzenden kompetenziellen Verwerfungen durch etwaige Mitwirkungsrechte bei später in der Tochtergesellschaft zu treffenden Maßnahmen keinesfalls vollwertig ausgeglichen werden können.561 Dies ergibt sich zwanglos aus den entsprechenden Überlegungen, die hier bereits im Zusammenhang mit dem Nachweis des Mediatisierungseffektes angestellt worden sind.562 Der zentrale Einwand lässt sich dahin zusammenfassen, dass selbst dann, wenn man in großzügiger Weise von solchen Mitwirkungszuständigkeiten ausgeht, doch immer entscheidende Differenzen verbleiben, schon weil bei der Durchführung auf die Selbständigkeit der beteiligten Rechtsträger Rücksicht genommen werden muss. Anders wäre dies nur bei einem strikt durchgeführten Durchgriffsmodell, bei dem der Obergesellschaft unter Vernachlässigung der Rechtsformgrenzen unmittelbare, in der Untergesellschaft 555 

s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 19, wo damit insb. das Umhängen von Beteiligungen im Konzern bezeichnet wird und dies als Variante der Gruppenbildungsmaßnahmen den Gruppenleitungsmaßnahmen gegenüber gestellt wird; ebenso Spindler, in: FS Goette, S. 513, 520. 556  s. Scholz/Emmerich, GmbHG (10. Aufl.), Anh. § 13 Rn. 63b. 557 s. Lutter, in: FS H. Westermann, S. 347, 361 ff. 558 s. Lutter, in: FS Barz, S. 199, 211 f.; noch weitergehend Götz, AG 1984, 85, 92 ff. 559  Vgl. etwa Mecke, Konzernstruktur, S. 231 f.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 55 f.; Rehbinder, in: FS Coing Bd. II, S. 423, 427. 560 s. Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 848 (Fn. 97). 561  So denn auch Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 848. 562  s. o., § 5 E.V.2.c).

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gleichsam „dinglich“563 wirkende Entscheidungszuständigkeiten zugewiesen werden. Dies wird aber, sieht man einmal von gewissen Ansätzen für Einzelfragen ab, zumindest in jüngerer Zeit nirgendwo mehr ernsthaft vertreten. Daher kann sich allenfalls umgekehrt die Frage stellen, ob neben Mitwirkungsrechten bei der Gruppenbildung zusätzlich auch noch Mitwirkungsrechte bei Gruppenleitungsmaßnahmen begründbar sind. c)  Vorrang der Gruppenbildungs- vor der Gruppenleitungskontrolle? In der Literatur wird verbreitet darüber diskutiert, ob ein Vorrang der Gruppenbildungs- vor der Gruppenleitungskontrolle besteht.564 Anders als die schlagwortartige Verfestigung dieser Fragestellung es nahelegt, werden dabei allerdings ganz unterschiedliche Sachfragen diskutiert. Zum Teil geht es denjenigen, die von einem solchen Vorrang ausgehen, lediglich um die Aussage, dass bei der Begründung von Mitwirkungsrechten bei der Gruppenleitung größere Zurückhaltung geboten sei als bei der Gruppenbildung. Die Gründe dafür variieren und reichen von Effektivitätsgesichtspunkten565 über die Annahme, eine „laufende Konzernleitungskontrolle“ führe zu einer „potentiellen Dauergefährdung der Untergesellschaft und der auf sie bezogenen Interessen“566 bis zu der Vorstellung, dass Gruppenleitungsmaßnahmen eine geringere Eingriffsintensität aufwiesen als die ursprüngliche Gruppenbildung.567 Eine andere Facette der These vom Vorrang der Gruppenbildungs- vor der Gruppenleitungskontrolle berührt der Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung, indem er die i.E. dann allerdings offen gelassene Frage aufwirft, ob die von ihm angenommenen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bei der Konzernleitung auch dann zu bejahen seien, wenn diese bereits bei der Konzernbildung mitgewirkt hat.568 Tatsächlich lehnt ein Teil der Literatur unter dem Gesichtspunkt „volenti non fit iniuria“ Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung bei der Gruppenleitung ab, wenn diese bereits an der Gruppenbildung mitgewirkt hat.569 Dagegen wendet sich die herrschende Ansicht Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 71. Vgl. z. B. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 87; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 74; Mülbert, Aktiengesellschaft, 367 f.; Rehbinder, in: FS Coing Bd. II, S. 423, 427; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 264; Westermann, ZGR 1984, 352, 367; s.a. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. II, S. 203, 217 f. (für die GmbH). 565 s. Kropff, ZGR 1984, 112, 131. 566 s. Rehbinder, in: FS Coing, Bd. II, S. 423, 427; Ansätze dazu auch bei Westermann, ZGR 1984, 352, 366. 567 s. Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 848; Westermann, ZGR 1984, 352, 367; s.a. Reichert, ZHR Sonderheft 68 (1999), 25, 72 f., der für die Reichweite ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten berücksichtigen möchte, ob die „Verselbständigung operativer Einheiten in eine Tochtergesellschaft gerade mit Billigung der Hauptversammlung erfolgt ist.“ 568  s. BGHZ 83, 122, 140. 569 s. Becker/Fett, WM 2001, 549, 552 f.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 407, 426 f.; Sünner, AG 1983, 169, 172; K. Schmidt/Lutter/Spindler § 119 Rn. 37; tendenziell auch Kiesewetter/Spengler, Konzern 2009, 451, 454. 563 s.a. 564 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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mit dem Einwand, dies sei der Sache nach ein dauerhafter Kompetenzverzicht, der mit den Grundwertungen des Aktienrechts unvereinbar sei, wofür namentlich die §§ 71 Nr. 8 und 202 AktG angeführt werden.570 Dieses Argument scheint in der Tat schwierig zu widerlegen, sofern man erst einmal zu der Annahme gelangt ist, es gebe im Bereich der Gruppenleitung ungeschriebene Zuständigkeiten. Genau bei der Begründung dieser Mitwirkungszuständigkeiten liegen aber die eigentlichen Probleme, wie nachfolgend noch darzulegen sein wird. d)  Gruppenleitungsmaßnahmen als Ansatzpunkt für ungeschriebene Zuständigkeiten Versteht man Gruppenleitungsmaßnahmen in einem weiten Sinn und rechnet zu ihnen mit der eingangs angeführten Definition jede Maßnahme mit Bezug zu einer bereits vorhandenen Beteiligungsgesellschaft, sofern es sich dabei nicht schon um eine Gruppenbildungsmaßnahme im weiteren Sinn handelt,571 erfasst dies eine Reihe ganz verschiedenartiger Vorgänge. So lässt sich unter diese Definition etwa auch die Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung oder eines Anteiles daran subsumieren. Die damit zusammenhängenden Fragen wurden bereits behandelt. Eine Hauptversammlungszuständigkeit besteht hierfür mangels Mediatisierungseffektes nicht. Insoweit kann also nach oben verwiesen werden.572 Gleiches gilt für „Verenkelungsmaßnahmen“, die man ebenfalls als Maßnahmen mit Bezug zu einer bereits bestehenden Untergesellschaft, d.h als Gruppenleitungsmaßnahmen ansprechen könnte.573 Eine kurze Stellungnahme genügt, soweit die angeführte Definition auch konzernstiftende oder -intensivierende Maßnahmen umfasst. Was den Abschluss von Unternehmensverträgen mit der Untergesellschaft angeht, ergibt sich die Lösung bereits aus der gesetzlichen Regelung (§ 293 Abs. 2 AktG). Soweit es um die Aufnahme einheitlicher Leitung oder die Verdichtung dieser Leitung mit der Folge eines qualifizierten Konzernverhältnisses geht, kommt ein Mitwirkungsanspruch der Hauptversammlung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin nicht in Betracht, weil der eigentliche kompetenzverkürzende Vorgang bereits mit dem Gruppenbildungsvorgang – der Ausgliederungsmaßnahme, dem Beteiligungserwerb etc. – abgeschlossen ist.574 Den im Folgenden näher darzustellenden Schwerpunkt der Diskussion um die Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung bei Konzernleitungsmaßnahmen bilden daher Maßnahmen in der Untergesellschaft, bei denen die Obergesellschaft in ihrer Funktion als Gesellschafterin zur Mitwir570 MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 70; Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 849; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 368; s.a. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 87. 571  s. dazu oben, § 5 E.VI.2.a). 572  s. o., § 5 E.VI.2.c). 573  s. o., § 5 E.VI.2.c). 574  s. nur KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 66; Münch. Hdb. AG/Krieger § 69 Rn. 25 (3. Aufl.); s. zu den von Hommelhoff entwickelten Thesen zu Mitwirkungsbefugnissen der Hauptversammlung unter dem Gesichtspunkt der Konzernleitungspflicht auch bereits oben, § 5 E.V.3.a).

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

kung berufen ist. Diese Maßnahmen stehen auch im Zentrum der die Konzernleitungskontrolle betreffenden Ausführungen der Holzmüller-Entscheidung.575 aa) Überblick Über die Begründung von Mitwirkungsbefugnissen der Hauptversammlung bei der Gruppenleitung ist in der Literatur bislang weniger diskutiert worden als über Mitwirkungsrechte bei der Gruppenbildung. Die Meinungslage ist relativ unübersichtlich.576 Die Rechtsprechung trägt kaum etwas zur Klärung bei. Ansatzweise Einigkeit besteht allenfalls über einen Kreis von Maßnahmen, die keinesfalls die Mitwirkung der Hauptversammlung der Obergesellschaft erfordern.577 Im Übrigen ist zutreffend bemerkt worden, dass sich gesicherte und anerkannte Ergebnisse vorläufig kaum festhalten lassen.578 bb)  Die unterschiedlichen dogmatischen Ansätze Ein Grund für die Unübersichtlichkeit ist auch die Vielfalt der vertretenen dogmatischen Ansätze. Wie im Bereich der Gruppenbildungskontrolle finden sich konzernverfassungsrechtliche ebenso wie aktionärsschutzbezogene Konzeptionen. Daneben existiert aber auch eine Stellungnahme, die für einen speziell gelagerten Sachverhalt – eine als Holding fungierende Aktiengesellschaft entfaltet ihre gesamte unternehmerische Tätigkeit allein über eine hundertprozentige Tochtergesellschaft – mit einer weitreichenden Durchgriffsthese operiert. Zudem finden sich noch eine Vielzahl von im Einzelnen sehr umstrittenen Vorschlägen, die Mitwirkungsrechte der Aktionäre bei der Gruppenleitung auf der Basis von Einzelanalogien zu begründen suchen.579 Auf die mit diesen Analogievorschlägen verbundenen facettenreichen und kaum konsolidierten Meinungsstand kann und muss im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht detaillierter eingegangen werden, da diese für die Identifikation von potentiell rechtsformüberschreitenden Begründungsmustern für ungeschriebene Mitwirkungsrechte des Mitgliederorgans einer Körperschaft naturgemäß nicht die gleiche Bedeutung haben können, wie die auf einer allgemeineren Basis operierende Ansätze. Schließlich ist auch noch auf eine Reihe von Stimmen hinzuweisen, die Mitwirkungsbefugnissen bei der Gruppenleitung generell ablehnend gegenüberstehen.580 575 

s. BGHZ 83, 122, 136 ff. S. für einen Überblick über die in diesem Zusammenhang diskutierten Einzelfragen KölnerKomm/Koppensteiner Vor. § 291 Rn. 83 ff. 577  Vgl. die Übersicht bei MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1185 (unter Auswertung der aktienrechtlichen Lit.); Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 45; s.a. bereits BGHZ 83, 122, 140 f. 578 s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 84; ähnlich Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 23: „nicht abschließend geklärt“. 579  Vgl. dazu etwa KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 95, 102 f., 105 m.w.N. 580 Ablehnend Baums, AG 1994, 1, 10; Becker/Fett, WM 2001, 549, 552 f.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 70 ff., 73 f.; mit einigen punktuellen Ausnahmen auch KölnerKomm/ Koppensteiner Vor § 291 Rn. 83 ff.; weitgehend restriktiv auch Götze, NZG 2004, 585, 588. 576  Vgl.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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(1)  Konzernverfassungsrechtliche Ansätze Wer den dogmatischen Ausgangspunkt bei der Konzernunternehmung sieht und die Hauptversammlung der Obergesellschaft als deren Grundorgan betrachtet, welches immer dann zur Mitwirkung berufen ist, wenn die Struktur der Konzernunternehmung betroffen ist, wird auch im Bereich der Gruppenleitung tendenziell zu einem weiten Bereich zustimmungspflichtiger Maßnahmen gelangen.581 Diese konzernverfassungsrechtlichen Ansätze haben sich jedoch i.E. zu Recht nicht durchsetzen können. Auch spezifisch im Hinblick auf Gruppenleitungsmaßnahmen ist keine abweichende Beurteilung angezeigt.582 (2)  Aktionärsschützende Ansätze Auf den Aktionärsschutz ausgerichtete Ansätze existieren im Bereich der Konzernleitung in zwei verschiedenen Varianten. Ansatzpunkt für Aktionärsschutz kann zunächst der mit der Gruppenbildung einhergehende ursprüngliche Mediatisierungseffekt sein. Es geht dann darum, die Folgen dieser Mediatisierung durch die Zuerkennung von Mitwirkungsbefugnissen möglichst wieder auszugleichen.583 Ein abweichender Ansatz liegt darin, auf die Auswirkungen der Maßnahme in der Untergesellschaft selbst abzustellen, diese sozusagen selbständig und unabhängig von der ursprünglichen Mediatisierung daraufhin zu untersuchen, ob sie sich in einer Weise nachteilig auf die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft auswirkt, die – weil wertungsmäßig nicht anders zu beurteilen als ein primärer Mediatisierungseffekt – für sich genommen die Zuerkennung einer ungeschriebenen Mitwirkungsberechtigung rechtfertigt. Man gelangt auf diese Weise für Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen zu einem einheitlichen Ansatz.584 Die entscheidende Frage geht dann dahin, ob die in Rede stehenden Gruppenleitungsmaßnahmen im Hinblick auf die mit ihnen einhergehenden Auswirkungen den Maßnahmen der Gruppenbildung im weiteren Sinn hinreichend ähnlich sind, um sie gleichfalls als mitgliedschaftsrelevante Strukturmaßnahmen zu qualifizieren und dann auf diesen Befund eine ungeschriebene Zuständigkeit in Anlehnung an die gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen zu stützen. Von einem Teil der Literatur wird dies für eine Reihe von Konzernleitungsmaßnahmen in der Tat bejaht, ohne dass allerdings über die Ergebnisse Einigkeit herrscht.585 Darauf wird noch näher einzugehen sein.586 Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 832 ff., 849. s. o., § 5 E.V.1.a). 583  Dieser Begründungsansatz für Konzernleitungsmaßnahmen klingt auch in der Holzmüller-Entscheidung an (s. noch sogleich, § 5 E.VI.3.d.(1)), allerdings nicht exklusiv, sondern vermischt mit dem zweiten Begründungsansatz (dazu sogleich im Text). 584  s. z. B. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 48; Münch. Hdb. AG/ Krieger § 70 Rn. 43 f.; Beck AG-HB/Liebscher § 15 Rn. 52. 585  Vgl. vorläufig Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 48 f.; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 43 ff. 586  s. ausführlich sogleich, § 5 E.VI.3.d)dd). 581 s. 582 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

(3)  Durchgriffserwägungen bei Holdinggesellschaften mit nur einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft Im Rahmen der Diskussion um Mitwirkungsbefugnisse bei der Gruppenleitung erfährt die Konstellation, dass eine Aktiengesellschaft ihre gesamten unternehmerischen Aktivitäten über eine einzige, hundertprozentige Tochtergesellschaft ausübt, besondere Aufmerksamkeit.587 Fungiert eine Aktiengesellschaft auf diese Weise als reine Holding, bejahen Teile der Literatur zunächst Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung in Anlehnung an § 186 Abs. 3, 4 AktG, soweit es um die Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft geht. Dies gilt unabhängig davon, ob dies durch Anteilsveräußerung oder im Wege einer Kapitalerhöhung geschieht.588 Gleiches soll für Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG gelten,589 die Vermögensübertragung nach §§ 179a AktG,590 für den Abschluss einer Gewinngemeinschaft und den Abschluss eines Teilgewinnabführungsvertrages591 sowie nach einer vereinzelten Ansicht zudem auch für die Auflösung der Tochtergesellschaft.592 Trotz der einheitlichen Anknüpfung an den gleichen Sachverhalt handelt es sich bei den angeführten Literaturansichten um ganz heterogene Positionen.593 Lutter und Timm etwa geht es nicht darum, diesen speziellen Sachverhalt in einer gesonderten rechtlichen Kategorie zu erfassen. Vielmehr stellt er im Rahmen ihrer deutlich weiterreichenden, konzernverfassungsrechtlich geprägten Überlegungen nur einen besonders plausiblen Beispielsfall dar, ohne dass er aber zugleich das Ende des erfassten Spektrums kennzeichnen soll.594 Auch der Ansatz von Götz reicht deutlich weiter, sieht er ein Schutzbedürfnis der Aktionäre der Obergesellschaft und damit Bedarf für Mitwirkungsrechte im Rahmen der Gruppenleitung überall dort, wo „in Konzernuntergesellschaften Entscheidungen gefällt werden, die, wenn sie in gleicher Art und Auswirkung auf der Ebene der Konzernobergesellschaft getroffen würden, die Mitwirkung ihrer Hauptversammlung erforderlich“ 587  s. etwa KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 95, 102 f., 105; Mecke, Konzernstruktur, S. 258 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 442 f. 588  s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 95 (Anteilsveräußerung), 102 (Kapitalerhöhung); Lutter, in: FS Westermann, S. 347, 365; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 442 f.; Timm, Aktiengesellschaft, S. 138. 589 s. Götz, AG 1984, 88, 92 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 442 f. m.w.N.; für § 292 Abs. 1 Nr. 3 auch KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 103. 590 s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 103; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 442 f. 591 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 442 f.; a.A. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 105. 592 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 443. 593 Zumindest tendenziell andere Darstellung des Meinungsspektrums bei KölnerKomm/Koppensteiner Vor. § 291 Rn. 103; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 442 f. 594 s. Lutter, in: FS Westermann, S. 347, 365; Timm, Aktiengesellschaft, S. 138; ähnlich auch Mecke, Konzernstruktur, S. 260.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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machten.595 Eine Beschränkung auf die hier behandelte Sachverhaltskonstellation ergibt sich für ihn daher allein zufällig, d.h. nicht ansatzimmanent dort, wo die Vorschriften des Aktiengesetzes, deren Anwendung in Rede steht, einen Gesamtvermögensbezug voraussetzen (vgl. §§ 292 Abs. 1 Nr. 3, 179a AktG).596 Diese konzernverfassungsrechtlich geprägten Ansätze bedürfen im gegenwärtigen Zusammenhang keiner gesonderten Stellungnahme. Ihnen kann, wie bereits dargelegt, ganz allgemein nicht gefolgt werden.597 Etwas anderes gilt für einen Begründungsansatzansatz Mülberts, der ganz auf die Behandlung von Holdinggesellschaften zugeschnitten ist, die ihre Aktivitäten über eine einzige, hundertprozentige Tochtergesellschaft betreiben. Mülbert vertritt die Auffassung, die Aktionärsmitwirkung beruhe in den genannten Fällen nicht auf einer konzernunternehmungsweiten Ausdehnung der Hauptversammlungskompetenzen, sondern auf einer Art Durchgriff zugunsten der Aktionäre, bei der die durch die Zwischenschaltung eines eigenen Rechtsträgers bedingte formale Trennung von Gesellschaft und ihrem unternehmerisch eingesetzten Vermögen wieder aufgehoben werde.598 Blickt man nur auf die Rechtsfolgen, fällt die Feststellung von Unterschieden zwischen diesen beiden Konzepten allerdings nicht ganz leicht. Denn in beiden Fällen gelangen auf der Ebene der Obergesellschaft Normen im Hinblick auf Sachverhalte zur Anwendung, die in der Untergesellschaft verwirklicht werden, wobei in beiden Fällen auf eine die Rechtsformgrenzen überschreitende Einheitsvorstellung zurückgegriffen wird.599 Unterschiede bestehen aber doch im Hinblick auf die dogmatische Fundierung dieser Einheitsvorstellung, die sich auch auf die Abgrenzung des Tatbestands auswirkt. Operiert man mit Durchgriffserwägungen, betont dies angesichts der Bedeutung, die dem Trennungsprinzip im deutschen Gesellschaftsrecht grundsätzlich zugemessen wird,600 stets auch den Ausnahmecharakter eines solchen Vorgehens und legt damit eng gefasste Tatbestandsvoraussetzungen nahe. Zielt man dagegen auf die rechtliche Verfassung der Konzernunternehmung, dann bildet die Einheitsvorstellung nicht den Ausnahmefall, sondern die Grundregel, die dementsprechend auch auf einer breiteren Basis zur Anwendung gelangt. Mülberts Durchgriffsthese kann im Ergebnis jedoch nicht überzeugen. So wird nicht hinreichend klar, auf welchen konkreten Erwägungen die von ihm befürwortete Durchbrechung des Trennungsprinzips eigentlich beruht. Ein im Verbandsrecht etabliertes Durchgriffsmodell, das tatbestandlich allein an die in Rede stehende Holdingkonstruktion anknüpfen würde, steht jedenfalls nicht zur VerfüGötz, AG 1984, 85, 88. Götz, AG 1984, 85, 88. 597  s. dazu bereits soeben, § 5 E.VI.3.d)bb)(1) und allgemeiner oben, § 5 E.V.1.a). 598 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 443. 599 s. allgemein zum Zusammenhang zwischen Konzernrecht und Durchgriffslehre Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 18 ff. 600  s. dazu allgemein Wiedemann, GesR I, § 4 I 2 b (S. 198). 595 

596 s.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

gung. Der entscheidende Einwand ist aber derjenige mangelnder Konsequenz im Hinblick auf die erfassten Vorgänge in der Untergesellschaft. Ist alleinige Basis für die „materielle Gleichsetzung beider Gesellschaften“, dass die Obergesellschaft (nahezu) ihr gesamtes Vermögen in einer Tochtergesellschaft konzentriert hat,601 lässt sich nicht mehr überzeugend begründen, wieso sich die Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung in Bezug auf Maßnahmen in der Untergesellschaft nicht auf ihr gesamtes Zuständigkeitsprogramm erstrecken sollten. Genau dies will Mülbert jedoch vermeiden und schließt etwa formale Satzungsentscheidungen wie die Sitzverlegung und die Firmenänderung, aber auch Entscheidungen über die Bestellung von Organmitgliedern vom Zuständigkeitsdurchgriff aus.602 Auch die Entscheidung über die Gewinnverwendung soll offenbar nicht erfasst werden, obwohl doch gerade hier ein Durchschlagen auf die Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft kaum verneint werden kann. Auf welcher Basis diese Unterscheidung stattfinden soll, muss dabei im Dunkeln bleiben, weil Mülberts Ansatz insoweit keine Differenzierungsmöglichkeiten bereitstellt. Eine gewisse Verwandtschaft zu Mülberts Durchgriffsansatz findet sich in den Stellungnahmen Koppensteiners, der Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung zwar nicht explizit auf den Durchgriffsgedanken, sondern vielmehr auf Einzelanalogien stützt, diese aber wiederum nur dann für begründbar hält, wenn eine Aktiengesellschaft ihre gesamten unternehmerischen Aktivitäten über eine hundertprozentige Tochtergesellschaft entfaltet.603 So sollen namentlich die Veräußerung eines Anteils an der Tochtergesellschaft an Dritte604 sowie die Aufnahme Dritter in die Tochtergesellschaft im Wege einer Kapitalerhöhung605 entsprechend den in § 186 Abs. 3, 4 AktG niedergelegten Wertungen behandelt werden.606 Jedenfalls im Hinblick auf die analoge Anwendung von § 186 AktG bleibt aber im Dunkeln, warum ein Analogieschluss allein in der geschilderten Holdingkonstellation in Betracht kommen soll.607 Die Probleme einer analogen Anwendung dieser Vorschrift liegen zunächst auf einer ganz anderen Ebene. So stellt sich nämlich die Frage, ob die Norm ihrem Zweck nach überhaupt einer Anwendung auf die Aufnahme Dritter in eine Tochtergesellschaft zugänglich ist. Nach wohl allgemeiner Ansicht verfolgt § 186 AktG Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 443 f. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 443. 603  s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 95, 102 f., 105. 604  s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 95. 605  s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 102. 606  s. daneben noch KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 103: Analogie zu § 179a AktG; Rn. 105: Analogie zu §§ 291 Abs. 1, 293 Abs. 1 (jedoch wohl praktisch kaum relevant) und 292 Abs. 1 Nr. 3, 293 Abs. 1 AktG. 607  Demgegenüber ergeben sich bei den §§ 179a AktG, 292 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. 293 Abs. 1 AktG – sollten sie denn analog anzuwenden sein, was gesondert zu begründen wäre – aus der Norm selbst Anhaltspunkte dafür, dass jeweils das gesamte Vermögen bzw. alle Betriebe der Gruppe betroffen sein müssen. 601 s.

602 s.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Aktionärsschutz in zweifacher Hinsicht:608 So geht es erstens um den Erhalt der Beteiligungsstruktur im Sinne der konkreten quotalen Beteiligung an der Gesellschaft und zweitens um den Schutz des Vermögenswertes der Mitgliedschaft vor Verwässerung durch die Abgabe von Mitgliedschaften unter Wert. Keiner dieser Zwecke lässt sich aber im Hinblick auf die Zusammensetzung der Beteiligungsstruktur der Untergesellschaft aktivieren. Im Hinblick auf den Vermögensschutz ist zu berücksichtigen, dass § 186 AktG die Aktionäre wie geschildert nur vor einer ganz spezifischen Gefahr für den Wert ihrer Mitgliedschaft schützt, während Vermögensumschichtungen in der Gesellschaft grundsätzlich allein in die Zuständigkeit der Verwaltung fallen.609 Vor diesem Hintergrund kann die Veräußerung eines Anteils an einer Untergesellschaft aber nicht anders bewertet werden als die Veräußerung eines beliebigen anderen Vermögensgegenstandes.610 Auch die Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft im Wege einer Kapitalerhöhung stellt sich insoweit lediglich als bloße Vermögensumschichtung dar.611 Jeweils besteht die Gefahr der Abgabe eines Vermögensgegenstandes unter Wert, der im Rahmen der allgemeinen Pflichtenbindung des Vorstands zu begegnen ist.612 Auch die zweite Zweckrichtung des § 186 AktG, der Erhalt der konkreten Beteiligungsquote mit den daraus resultierenden Möglichkeiten der Einflussnahme, ist nicht direkt berührt, weil sich die Anteile der Aktionäre der Obergesellschaft und ihre Stimmrechtsquoten durch Maßnahmen auf der Ebene der Tochtergesellschaft nicht unmittelbar verschieben.613 Anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 186 AktG droht ihnen z. B. also weder der Verlust von Sperrminoritäten oder Minderheitsrechten und genauso wenig besteht die Möglichkeit, dass die Obergesellschaft durch den Bezugsrechtsausschluss selbst in eine Abhängigkeitslage gerät.614 Anders lässt sich dies nur dann sehen, wenn man die rechtsträgerbezogene Perspektive durch eine konzernunternehmungsbezogene Sichtweise ersetzt. Denn dann gilt es, die quotale Beteiligung der Aktionäre in Bezug auf die rechtsform­ übergreifend gedachte Konzernunternehmung zu wahren.615 Der Umstand, dass der Einfluss der Aktionäre bereits durch die Gruppenbildung mediatisiert ist, spielt dann keine Rolle mehr, weil es sich dabei um eine rechtsträgerbezogene Sichtweise handelt, die durch den Wechsel des Anknüpfungspunktes gerade überspielt

608 s. Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 7 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 2; Lutter, in: FS Harry Westermann, S. 347, 364; GroßkommAktG/Wiedemann § 186 Rn. 2 ff. 609 s. Groß, AG 1994, 266, 275 f.; Lutter, in: FS Harry Westermann, S. 347, 364 f. 610 s. Groß, AG 1994, 266, 276. 611 s. Lutter, in: FS Harry Westermann, S. 347, 365; s.a. Götz, AG 1984, 85, 87. 612  So im Ergebnis auch Götz, AG 1984, 85, 87; Groß, AG 1994, 266, 276; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 70 ff. 613 s. Baums, AG 1994, 1, 9; Götz, AG 1984, 85, 87 f. 614 s. Baums, AG 1994, 1, 9. 615  So denn auch Lutter, in: FS Harry Westermann, S. 347, 365; vgl. dazu auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 400 f.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

wird.616 § 186 AktG lässt sich mit anderen Worten nur vermittels eines konzernverfassungsrechtlichen Ansatzes für die Zuständigkeitsbegründung nutzbar machen. Daher kann an dieser Stelle auf die allgemeine Stellungnahme zu diesen Ansätzen verwiesen werden.617 Auch wenn man sich über diese prinzipiellen Bedenken erst einmal hinwegsetzt, will aber jedenfalls nicht recht einleuchten, warum die Anwendung von § 186 AktG dann tatbestandlich auf Holdingkonstruktionen mit einer einzigen, hundertprozentigen Tochtergesellschaft beschränkt bleiben soll. Der Hinweis, anders zu entscheiden „hieße, die Wertung von § 186 III, IV doch zu weit zu überdehnen“,618 liefert jedenfalls keine hinreichende Erklärung. Letztlich scheint damit auch Koppensteiners Ansatz eher auf Durchgriffserwägungen zu beruhen als auf echten Analogieschlüssen. Insoweit gelten die gegenüber Mülberts Position erhobenen Einwände entsprechend. Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass es keinen Anlass dafür gibt, die hier behandelten Holdinggesellschaften unter Durchgriffserwägungen einer gesonderten rechtlichen Behandlung zuzuführen. Verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse für die Beurteilung der Mitwirkungsrechte des Mitgliederorgans der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe ergeben sich insoweit also nicht. (4)  Ablehnende Stellungnahmen Schließlich finden sich in der Literatur auch noch Stimmen, die Mitwirkungsbefugnisse bei der Konzernleitung insgesamt ablehnen.619 Die angeführten Gründe variieren. Sie sind zum Teil genereller Natur und erstrecken sich über die Gruppenleitung hinaus auch schon auf die Gruppenbildung.620 Daneben wird verbreitet auf die praktischen Schwierigkeiten hingewiesen, die damit einhergehen, wenn der Hauptversammlung Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung eingeräumt werden.621 Andere betonen die Selbständigkeit der an der Unternehmensverbindung beteiligten Rechtsträger und gründen darauf die Behauptung, Rechtsformgrenzen markierten grundsätzlich auch die entscheidungsrelevanten Zuständigkeitsgrenzen.622 Dies ist allerdings in dieser Allgemeinheit nur richtig, soweit es um unmitLutter, in: FS Harry Westermann, S. 347, 365. s. o., § 5 E.V.1.a); s. daneben speziell im Hinblick auf die hier diskutierte Problematik noch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 400 f. 618  s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 95. 619 s. Baums, AG 1994, 1, 10; Becker/Fett, WM 2001, 549, 552 f.; Flume, Jur. Person, § 8 V 4 (S. 313 f.); Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 70 ff., 73 f.; mit wenigen, tatbestandlich eng begrenzten Ausnahmen auch KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 83 ff. 620 s. Flume, Jur. Person, § 8 4 (313 f.). 621  Becker/Fett, WM 2001, 549, 552; Heinsius, ZGR1984, 383, 397 f.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 426 f.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 72 f.; s.a. Grunewald, JA 1992, 11, 14; dies., GesR, § 10 Rn. 116. 622  So insbesondere Martens, ZHR 147 (1983), 377, 411; s.a. Rehbinder, in: FS Coing, Bd. II, S. 423, 427 f.; sympathisierend KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 87; Betonung der Selbständigkeit der beteiligten Rechtsträger auch bei Becker/Fett, WM 2001, 549, 552. 616 Vgl. 617 

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telbare Entscheidungszuständigkeiten geht, wenn sich also die Zuständigkeit der Hauptversammlung der Muttergesellschaft unter Umgehung der Hauptversammlung der Untergesellschaft direkt auf die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte in der Untergesellschaft beziehen soll.623 Ein solcher „echter“ Zuständigkeitsdurchgriff ist unter dem Gesichtspunkt des Trennungsprinzips in der Tat bedenklich und jedenfalls dann, wenn an der Untergesellschaft außenstehende Gesellschafter beteiligt sind, unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Regelmäßig wird heute aber für die rechtliche Konstruktion von Mitwirkungsbefugnissen bei der Gruppenleitung ein anderer Ansatz gewählt. Diesen kennzeichnet die Frage, wer innerhalb der Obergesellschaft über die Ausübung von Mitwirkungsrechten entscheidet, die dieser in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin zustehen. Ebenso wenig wie das Innehaben dieser Rechte das Trennungsprinzip in Frage stellt, wird es durch die Diskussion darüber in Frage gestellt, wer innerhalb der Obergesellschaft über die Ausübung dieser Rechte entscheiden soll.624 Die eigentliche Frage bleibt also auch insoweit, ob innerhalb der Obergesellschaft eine Ausnahme von dem Grundsatz in Betracht zu ziehen ist, dass der Hauptversammlung über die ihr ausdrücklich zugewiesenen Zuständigkeiten hinaus keine weiteren Entscheidungszuständigkeiten zukommen. Anders gewendet ist also danach zu fragen, ob die Erwägungen, die bei der Gruppenbildung wegen der damit einhergehenden Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre die Annahme einer ungeschriebenen Strukturkompetenz der Hauptversammlung gerechtfertigt haben, ebenso die Annahme einer Mitwirkungskompetenz bei der Gruppenleitung tragen. An diesem Punkt setzen die Einwände Wiedemanns an, der die Ansicht vertritt, die Rechtsidee, die die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung der Obergesellschaft für die Konzernbildung begründe, trage deren verlängerte Zuständigkeit für die Konzernleitung nicht.625 Der Vorgang der Mediatisierung sei stets notwendig von einem Verlust an unmittelbarer Rechtsmacht und einem kompensatorischen Treueverhältnis begleitet. Überall bedürfe aber nur der Weg in das Treuhandeigentum der Einwilligung des Rechtsinhabers, während die Rechtsordnung die Durchführung der Vermögensverwaltung und deshalb auch die Wahrnehmung der Konzernleitung dem Treuhandband zwischen bisherigem und neuem Rechtsinhaber anvertraue.626 Diese treuhandrechtlich inspirierte Parallelüberlegung beschreibt auf anschauliche Weise die Ergebnisse, die sich – mit anderer Begründung – auch aus den nachfolgenden Überlegungen ergeben (s. sogleich, dd)). Außerhalb des Aktienrechts stößt ihre Überzeugungskraft allerdings schnell an Grenzen. Darauf wird im Zusammenhang mit der Darstellung der Rechtslage im GmbH- und Vereinsrecht zurückzukommen sein.

Vgl. dazu auch Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 71 f. Vgl. insoweit auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 387 mit Fn. 121. 625 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 73 f.; dem folgend Baums, AG 1994, 1, 10; ähnlich bereits Martens, ZHR 147 (1983), 377, 417. 626 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 73. 623 

624 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

cc)  Die Position des Bundesgerichtshofs Mit den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Frage ungeschriebener Mitwirkungszuständigkeiten in der Holzmüller-Entscheidung verbindet sich eine Reihe von Unklarheiten. Nicht ganz zu Unrecht meint Martens, die Entscheidungsgründe ließen „delphische Orakelkunst“ erkennen.627 Unmittelbar trägt die Gelatine-Rechtsprechung zu diesem Problemkomplex nichts weiter bei. Nach der hier verfolgten Lesart lassen sich aber doch immerhin einige klärende Ableitungen treffen. (1) Holzmüller Die Ausführungen der Holzmüller-Entscheidung sind einerseits durch das Bemühen gekennzeichnet, sich bei der Rechtsfortbildung gewisse, am entschiedenen Einzelfall orientierte Beschränkungen aufzuerlegen.628 Andererseits greift das Urteil zur Begründung sehr weit aus und nimmt dabei Bezug auf Literaturansätze, die mit weitreichenden Implikationen einhergehen,629 so dass ein deutlich über den Einzelfall hinausweisendes Anwendungspotential aufscheint.630 Daraus resultieren zahlreiche Zweifelsfragen. Die Unsicherheiten beginnen mit der Frage nach dem zugrunde gelegten dogmatischen Konzept. In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, der Bundesgerichtshof verfolge in dieser Passage des Urteils einen konzernverfassungsrechtlichen Ansatz.631 Diese Auffassung ist im Ergebnis aber nicht gerechtfertigt, weil auch in diesem Teil des Urteils die Überlegungen zum Aktionärsschutz auf der Ebene der Obergesellschaft die Argumentation dominieren.632 Der Anlass der Verunsicherung dürfte hier darin zu sehen sein, dass der Bundesgerichtshof zunächst ausführlich unter Bezugnahme auf Lutter, Timm und U.H. Schneider auf Gedanken im „neueren Schrifttum“ eingeht, die in einem übergreifenden Sinn in den konzernverfassungsrechtlichen Kontext gehören.633 Doch macht sich der Bundesgerichtshof die konzernverfassungsrechtliche Fundierung dieser Ansicht nicht zu eigen und referiert sie noch nicht einmal, wenn man einmal davon absieht, dass er im Wesentlichen zu Zwecken der Distanzierung das Schlagwort von der Martens, ZHR 147 (1983), 377, 405. BGHZ 83, 122, 138 ff.; s. zum angestrebten Charakter einer Einzelfallentschädigung auch Brandes, WM 1984, 289, 294; Fleck, LM Nr. 1 zu § 118 AktG, sub 5 u. 6. 629  s. BGHZ 83, 122, 136 ff. 630  s. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 85; Martens, ZHR (1983), 377, 404. 631  So wohl Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807; ähnlich auch schon Martens, ZHR 147 (1983), 377, 404 ff.; s.a. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 85. 632 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 401; Lutter, in: FS K. Schmidt, S. 1065, 1075; s.a. das in der Gelatine-Entscheidung wiedergegebene Verständnis des Holzmüller-Urteils: BGHZ 159, 30, 39 mit Bezugnahme auf BGHZ 83, 122, 138. 633  Vgl. BGHZ 83, 122, 136 ff. 627 s.

628  s.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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„konzernspezifischen Binnenordnung“ erwähnt.634 Rückgriff nimmt er nur auf die Problembeschreibung – den Mediatisierungseffekt – sowie auf den Lösungsansatz, die Aktionäre der Muttergesellschaft in bestimmten Fällen intern an der Entscheidung über Maßnahmen in der Untergesellschaft zu beteiligen.635 Dies fügt sich ohne weiteres auch in den Rahmen eines rechtsträgerbezogenen, auf Aktionärsschutz ausgerichteten Ansatzes ein. Denn die Problembeschreibung – der Mediatisierungseffekt – lässt sich von der konzernverfassungsrechtlichen Konzeption problemlos ablösen und bildet regelmäßig auch für die auf rechtsträgerbezogenen Aktionärsschutz ausgerichteten Konzeptionen den Ausgangspunkt der Überlegungen.636 Ebenfalls nicht konzeptgebunden ist die eingesetzte Rechtstechnik, d.h. die Beteiligung der Aktionäre der Obergesellschaft über eine Beschlussfassung in deren Hauptversammlung, die dann den Vorstand bei der Ausübung der Beteiligungsrechte in der Untergesellschaft bindet. Sie kann unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes ebenso zum Einsatz gelangen wie im Rahmen konzernverfassungsrechtlicher Ansätze.637 Schnittmengen sind schließlich selbstverständlich auch in den konkreten Ergebnissen denkbar, also hinsichtlich der Anwendungsfälle, in denen diese Rechtstechnik zum Einsatz gelangt.638 Allerdings schleicht sich in die Begründung des Bundesgerichtshofs dann doch auch ein Gedanke ein, der sich an der Ordnung der Konzernunternehmung orientiert. Dies gilt für den Versuch, die von ihm befürwortete Hauptversammlungszuständigkeit bei Kapitalerhöhungen unter Ausübung des Bezugsrechts durch die Obergesellschaft mit dem Argument eines angeblichen Investitionsvorrechts der Aktionäre in „ihrem“ Unternehmen zu begründen.639 Doch ergänzt der Bundesgerichtshof diese Erwägung gleich wieder um einen Gedanken, der zum Aspekt des Aktionärsschutzes zurückführt, weil er nämlich darauf hinweist, dass durch die Kapitalerhöhung der Obergesellschaft weitere Betriebsmittel „entzogen und einem anderen Rechtsträger mit der Folge zugeführt“ werden, dass sich „Schwergewicht und Risiken des Kapitaleinsatzes und die entsprechenden Machtbefugnisse der 634 

s. BGHZ 83, 122, 140. s. BGHZ 83, 122, 139 f. 636 s.a. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 16 der darin gerade den bleibenden Ertrag der konzernverfassungsrechtlichen Forschungsrichtung sieht. 637 s. exemplarisch zur Möglichkeit einer Übereinstimmung in den Ergebnissen bei gleichzeitigen tiefgreifenden konzeptionellen Unterschieden auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 400. 638  Das soll natürlich keineswegs heißen, dass Unterschiede im dogmatischen Unterbau bedeutungslos sind. So legt eine konzernverfassungsrechtliche Perspektive den systematischen Ausbau der ungeschriebenen Zuständigkeiten nahe, weil nur so das angestrebte Ziel, der Entwurf von Rechtsregeln zur Ordnung der Konzernunternehmung, sinnvoll verwirklicht werden kann. Dagegen bleibt der rechtsträgerbezogene Aktionärsschutz notwendig den Prinzipien verhaftet, die die Zuständigkeitsordnung auf der Ebene der Einheitsgesellschaft prägen, was bei der Zuerkennung ungeschriebener Zuständigkeiten ein restriktives Vorgehen bedingt. 639  s. BGHZ 83, 122, 143 und dazu überzeugend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 401 f. 635 

320

§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

Verwaltung noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagern.“640 Aus dieser Stelle wird zugleich deutlich, dass auch der Bundesgerichtshof zumindest ansatzweise die funktionale Vergleichbarkeit der erstmaligen Ausgliederung und einer späteren Kapitalerhöhung erkennt, die hier zum Anlass genommen worden ist, dafür eine nach einheitlichen Maßstäben zu beurteilende Fallgruppe auszubilden.641 Dieser Gesichtspunkt leitet über zu einer weiteren Quelle von Unsicherheiten, die die Frage betrifft, nach welchen Kriterien die Konzernleitungsmaßnahmen ausgewählt werden sollen, die einer Mitwirkung der Hauptversammlung der Obergesellschaft bedürfen.642 Hierzu finden sich in den Urteilsgründen unterschiedliche, allesamt recht vage Ausführungen. Die einschlägigen Maßnahmen werden danach gekennzeichnet als: „Rechtsakte in der Tochtergesellschaft“, die sich „auf die Mitgliedschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft nachteilig auswirken“;643 „grundlegende Entscheidungen in der Tochtergesellschaft“, die die „ohnehin schon durch die Ausgliederung verkürzten Aktionärsrechte mittelbar noch weiter […] schmälern“;644

Daneben ist die Rede von: „grundlegenden, für ihre Rechtsstellung bedeutsamen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft“;645 „Angelegenheiten von besonderer Bedeutung für die Aktionäre, deren Gestaltung deswegen vielfach auch in die Obergesellschaft durchschlagen wird“646

Das Gegenbeispiel bilden Maßnahmen, „die sich nur unwesentlich oder gar nicht auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Obergesellschaft und ihrer Aktionäre auswirken“;647

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass ohne die Zuerkennung von Mitwirkungsrechten „die Betriebsverlagerung für die Verwaltung ein allzu leicht gangbarer Weg [wäre], das gesetzlich gesicherte Recht der Aktionäre auf Mitwirkung in bestimmten wichtigen Angelegenheiten auszuschalten.“648 Alle diese Formeln sind in hohem Maße unbestimmt und dementsprechend variabel auslegbar. Gleichwohl scheinen sie nicht immer denselben Maßstab zu umschreiben. Für diese These bestehen weitere Anhaltspunkte, wenn man sie vor dem Hintergrund der allgemeinen Gefahrenskizze betrachtet, die der Bundesge640 

s. BGHZ 83, 122, 143. s. etwa auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 414; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 74; s. zudem bereits oben, § 5 E.VI.2a). 642  Vgl. etwa Götz, AG 1984, 85, 86; Grunewald, JA 1992, 11, 14; Heinsius, ZGR 83, 393, 397; Mülbert, Aktiengesellschaft, 414. 643  BGHZ 83, 122, 139. 644  BGHZ 83, 122, 139. 645  BGHZ 83, 122, 140. 646  BGHZ 83, 122, 140. 647  BGHZ 83, 122, 140. 648  BGHZ 83, 122, 139. 641 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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richtshof für Mediatisierungsfälle anfertigt.649 Danach ist unter Gefahrgesichtspunkten erstens der Mediatisierungseffekt zu verzeichnen, der dazu führt, dass mit dem übertragenen Vermögen wichtige Entscheidungen aus der Ober- in die Tochtergesellschaft verlegt werden.650 „Darüber hinaus“ besteht aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch noch die zusätzliche „Gefahr, dass der Vorstand namentlich durch Unternehmensverträge mit einem Dritten oder durch Aufnahme fremder Gesellschafter, etwa im Wege einer Kapitalerhöhung, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft vollständig aushöhlt“651. Der Bundesgerichtshof verfolgt hier offenbar zwei selbständige Gedankengänge, die im Folgenden beide in die Begründung ungeschriebener Mitwirkungszuständigkeiten bei der Konzernleitung eingehen, ohne dass ihr Verhältnis zueinander aber wirklich geklärt wird. Der erste Begründungsstrang setzt dabei auf der Idee auf, ungeschriebene Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung als eine (erweiterte)652 Reaktion auf die ursprüngliche mediatisierende Maßnahme zu konstruieren. Dieser Gedanke gelangt in der Argumentation des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck, soweit er meint, ohne die Zuerkennung von ungeschriebenen Mitwirkungsrechten bei der Konzernleitung könne das gesetzlich abgesicherte Recht der Aktionäre auf Mitwirkung bei bestimmten wichtigen Maßnahmen durch Ausgliederungsmaßnahmen allzu leicht ausgeschaltet werden.653 Stellt man allerdings nur auf die Kompensation der Mediatisierung ab, würde dieser Gedanke im Hinblick auf jede Maßnahme greifen, die ohne die Ausgliederung von der Hauptversammlung gefasst worden wäre. Dementsprechend müsste die Entscheidungshoheit für sämtliche Maßnahmen, die dieses Kriterium erfüllen, wieder auf die Ebene der Obergesellschaft zurückgeführt werden. Das geht unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes aber selbst dann zu weit, wenn man sich auf die Situation der Ausgliederung des wertvollsten Betriebszweigs beschränkt, weil auch dann noch Sachverhalte erfasst würden, die sich diesem Gesichtspunkt nicht sinnvoll zuordnen lassen. Es bedarf hier noch also eines zusätzlichen Selektionskriteriums, das es erlaubt, einen Bezug zwischen der Maßnahme und den Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft herzustellen. Übermäßige Anforderungen wären an dieses Kriterium nicht zu stellen, da die wesentliche Begründungslast durch den ursprünglichen Mediatisierungseffekt getragen wird. Eine erste vage Annäherung an dieses zusätzliche Selektionskriterium liegt in der Rede von den „bestimmten wichtigen“ Mitwirkungsrechten, die durch die Ausgliederung nicht ausgeschaltet werden dürften.654 Seiner negativen Abgrenzung dient die Kategorie der Maßnah-

649 

s. BGHZ 83, 122, 137. BGHZ 83, 122, 137. 651  BGHZ 83, 122, 137 (Hervorhebung hinzugefügt). 652  Erweitert ist die Reaktion, wenn auch eine Mitwirkung bei der Gruppenbildung bejaht wird. 653  s. BGHZ 83, 122, 139. 654  s. BGHZ 83, 122, 139. 650 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

men, die sich „nur unwesentlich oder gar nicht auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Obergesellschaft“ auswirken.655 Neben diesen Begründungsstrang tritt ein zweiter, offenbar als selbständig verstandener Ansatz, der bei der „darüber hinaus“ – also zusätzlich – bestehenden Gefahr ansetzt, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft würden durch bestimmte weitere Maßnahmen des Vorstands „vollständig ausgehöhlt.“ Dieses Bild impliziert, dass die initiale Mediatisierung und bestimmte spätere Maßnahmen des Vorstands qualitativ gleichwertig sind, indem sie das gleiche Bezugsobjekt, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, sozusagen portionsweise abtragen. Zugleich wird damit die Vorstellung geweckt, allein die Auswirkungen dieser nachfolgenden Maßnahme könnten die Annahme eines ungeschriebenen Mitwirkungsrechts im Sinne einer selbsttragenden Begründung rechtfertigen, ohne dass noch auf die ursprüngliche Mediatisierung rekurriert werden müsste. Dementsprechend wird man an diese Maßnahmenkategorie höhere Anforderungen stellen müssen. Auf diesen Gesichtspunkt scheint der Bundesgerichtshof zu zielen, wenn er nach „grundlegenden Entscheidungen in der Tochtergesellschaft“ fahndet, die die „ohnehin schon durch die Ausgliederung verkürzten Aktionärsrechte mittelbar noch weiter […] schmälern“.656 Die vom Bundesgerichtshof konkret mit dieser Kategorie verbundenen Beispiele, der Abschluss eines Unternehmensvertrages sowie die Aufnahme Dritter im Rahmen einer Kapitalerhöhung,657 können jedoch nicht überzeugen, weil sie rechtsqualitativ mit dem durch die Ausgliederung selbst verbundenen Mediatisierungseffekt nicht auf einer Ebene liegen.658 Passend ist das Bild des „Aushöhlens“ nur insoweit, als eine Kapitalerhöhung unter Ausübung des Bezugsrechts in Rede steht, weil sie sich in der gleichen Weise auf die Rechtsstellung der Aktionäre der Obergesellschaft auswirkt, wie die ursprüngliche mediatisierende Maßnahme, weil auch sie auf der Hingabe unmittelbar gehaltenen Vermögens gegen Mitgliedschaften basiert. Nur ist es eben aus dieser Perspektive ganz irreführend, von einer grundlegenden Maßnahme in der Tochtergesellschaft zu sprechen. Denn die Ansatzpunkte für die Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten liegen hier ganz auf den Vorgängen in der Obergesellschaft. Dass mit diesen zugleich eine Kapitalerhöhung auf der Ebene der Untergesellschaft verbunden ist, ist funktional betrachtet ein zufälliger, weil durch eine Reihe anderer Gestaltungen ersetzbarer und damit für den Begründungszusammenhang ganz nebensächlicher Umstand.

655 

s. BGHZ 83, 122, 140. s. BGHZ 83, 122, 140. 657  s. BGHZ 83, 122, 137. 658  Gleiches gilt für die außerdem in Betracht gezogenen Beispiele, die Auflösung der Untergesellschaft und die Weiterübertragung des Gesellschaftsvermögens (a.a.O., 140); s. zu allen Maßnahmen noch näher sogleich im Rahmen der Stellungnahme. 656 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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(2) Gelatine Die Gelatine-Entscheidung enthält keine unmittelbar auf den Fragenkreis der Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung zugeschnittene Stellungnahme. Dies führt zu der Frage, ob das Urteil zumindest mittelbare Rückschlüsse erlaubt. Insoweit ist zunächst zu verzeichnen, dass der Bundesgerichtshof nicht nur die in der Holzmüller-Entscheidung getroffenen Ausführungen zur Ausgliederung in Bezug nimmt, sondern auch auf Urteilspassagen, die die Mitwirkungsrechte der Aktionäre bei der Konzernleitung behandeln, ohne sich davon ausdrücklich zu distanzieren.659 Auf den ersten Blick scheint dies für eine mittelbare Bestätigung des Holzmüller-Urteils auch im Hinblick auf die Überlegungen zur Mitwirkung bei der Konzernleitung zu sprechen. Die weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs rechtfertigen es jedoch, diese These einer genaueren Überprüfung zu unterziehen. Besonders aufschlussreich ist insoweit, dass der Bundesgerichtshof die ursprünglich ganz deutliche Trennung zwischen der Behandlung beider Bereiche – Gruppenbildung und -leitung – nun zugunsten eines einheitlichen konzeptionellen Ansatzes aufzugeben scheint. Wichtigstes Indiz dafür ist, dass der Bundesgerichtshof bei seinem Rückblick auf die Holzmüller-Entscheidung diese dahin ausdeutet, beide dort betroffenen Fallgestaltungen, Ausgliederung und Kapitalerhöhung, seien einheitlich auf der Grundlage von § 119 Abs. 2 AktG entschieden worden.660 Mit dieser bislang wenig beachteten Aussage kassiert der Bundesgerichtshof ein wesentliches Strukturmerkmal der Holzmüller-Entscheidung, die die Vorlagepflicht entsprechend § 119 Abs. 2 AktG nur auf die Ausgliederungsentscheidung bezieht und die hinsichtlich der Gruppenleitungsmaßnahmen – auf freilich ihrerseits nicht ganz klare Weise661 – stattdessen mit dem Gedanken ungeschriebener Zuständigkeiten der Hauptversammlung operiert.662 Nimmt man sie ernst, ergeben sich daraus weitreichende Ableitungen, weil man dann konsequenterweise auch den Wechsel von § 119 Abs. 2 AktG zu einer offenen Rechtsfortbildung und die im Zusammenhang damit aufgestellten Voraussetzungen einheitlich auf alle Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin beziehen muss, unab659 

s. BGHZ 159, 30, 38; s.a. noch 40, 46. Die einschlägige Passage in BGHZ 159, 30, 38 lautet: „Er hat dabei das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung nicht auf die Ausgliederungsmaßnahme selbst beschränkt (BGHZ 83, 122, 131 f.), sondern auf die spätere Entscheidung über eine Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft erweitert (BGHZ 83, 122, 141 ff.). Die Pflicht des Vorstands, in diesen beiden Fallgestaltungen die Aktionäre der Muttergesellschaft an der Entscheidung zu beteiligen, hat der Senat nicht aus einer Anlehnung an die gesetzlich festgelegten Tatbestände hergeleitet, nach denen eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist; vielmehr hat er […] § 119 Abs. 2 AktG als die maßgebende Norm bezeichnet, aus welcher sich die intern wirkende Beschränkung der Handlungsmacht des Vorstands ableitet (BGHZ 83, 122, 131).“ (Hervorhebung hinzugefügt). 661  s. dazu oben, § 5 E.VI.3.d)cc)(1). 662  s. zu diesen beiden unterschiedlichen Begründungsansätzen und den daran anknüpfenden Stellungnahmen in der Literatur bereits oben, § 5 E.IV.3.a). 660 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

hängig davon, ob sie sich als Gruppenbildung oder Gruppenleitung darstellen. Auch bei der Gruppenleitung kommen ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse also nur dann in Betracht, wenn die betreffenden Maßnahmen „so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen […], dass diese Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen.“663 Dieser Einheitsansatz muss sich dann konsequenterweise auch bis in den Bereich der Rechtsfolgen fortsetzen. Daher kann im Bereich der Mitwirkung bei der Konzernleitung das einzuhaltende Mehrheitserfordernis auch nicht mehr daraus resultieren, dass die Beteiligung der Aktionäre so erfolgt, wie wenn es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft selbst handeln würde. Vielmehr muss dann auch hier generell das im Wege der Gesamtanalogie bzw. der offenen Rechtsfortbildung hergeleitete Erfordernis eines mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Hauptversammlungsbeschlusses gelten, wobei von dem qualifizierten Mehrheitserfordernis in Anlehnung an die §§ 179a Abs. 1 S. 2, 293 Abs. 1 S. 3, 319 Abs. 2 S. 3 AktG durch die Satzung nicht abgewichen werden kann.664 Dies kann durchaus auch praktische Konsequenzen haben. Während im letzten Fall stets zwingend mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden ist, kann die Anwendung der für die Obergesellschaft geltenden Regeln durchaus zu einem abweichenden Ergebnis führen, wenn z. B. deren Satzung für Kapitalerhöhungen nur eine einfache Kapitalmehrheit vorsieht (§ 182 Abs. 1 S. 2 AktG). Auf der Grundlage dieses einheitlichen Ansatzes konnte sich der Bundesgerichtshof auch weitergehende Überlegungen dazu ersparen, auf welcher Ebene – Gruppenbildung oder Gruppenleitung – die von den Klägern angegriffenen Maßnahmen eigentlich anzusiedeln waren. Da es darum ging, Anteile an Tochtergesellschaften im Wege von Sachkapitalerhöhungen in offenbar bereits bestehende und nicht erst im Zusammenhang mit diesem Vorhaben gegründete Tochtergesellschaften einzubringen, hätte man dies nach der noch in der Holzmüller-Entscheidung zugrunde gelegten formalen Differenzierung durchaus als Konzernleitungsmaßnahme interpretieren können. dd) Stellungnahme Da den konzernverfassungsrechtlichen Ansätzen nicht zu folgen ist665 und auch für Durchgriffserwägungen bei Holdinggesellschaften mit nur einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft kein Anlass besteht,666 ist nur noch eine nähere Auseinandersetzung mit dem erforderlich, was hier als „aktionärsschützenden Ansatz“ bezeichnet worden ist.667 Insoweit ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass zwischen zwei verschiedenen Konzeptionen unterschieden werden muss:668 Die erste 663 

BGHZ 159, 30, 40. s. BGHZ 159, 30, 46. 665  s. bereits oben, § 5 E.VI.3.d)bb)(1) und (3). 666  s. auch dazu bereits oben, § 5 E.VI.3.d)bb)(3). 667  s. oben, § 5 E.VI.3.d)bb)(2). 668  s. oben, § 5 E.VI.3.d)bb)(2). 664 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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zielt dabei darauf ab, die durch die ursprüngliche mediatisierende Maßnahme eingetretenen Kompetenzverschiebungen durch Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung soweit wie möglich zu kompensieren (Kompensationsgedanke). Der zweite Ansatz zielt auf die Identifikation von Maßnahmen in der Untergesellschaft, die ihrerseits – bezogen auf die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft – einen eigenen (weiteren) Mediatisierungseffekt aufweisen, um daran eine eigenständig begründete Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung auf der Ebene der Obergesellschaft abzuleiten (Legitimationsgedanke). Im Ergebnis lässt sich auf beiden Wegen die Berechtigung ungeschriebener Zuständigkeiten im Bereich der Konzernleitung nicht überzeugend nachweisen. Für den ersten Ansatz fehlt es an einer überzeugenden Begründung, für den zweiten an überzeugenden Anwendungsfällen. Steht im Zentrum der Begründung ungeschriebener Mitwirkungsrechte bei der Konzernleitung der Gedanke des Ausgleichs für die Kompetenzverschiebungen, die mit dem durch die Ausgliederung oder eine äquivalente Maßnahme ausgelösten ursprünglichen Mediatisierungseffekt einhergehen, führt dies zwangsläufig zu einem weiten Kreis erfasster Maßnahmen. Unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes lässt sich dann grundsätzlich für jede Maßnahme in der Untergesellschaft ein Mitwirkungsrecht begründen, die (1) ohne die ursprüngliche mediatisierende Maßnahme in die Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft gefallen wäre, es sei denn (2), ihre Durchführung in der Untergesellschaft wirkt nur unwesentlich auf die Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft zurück. Ist die erste Voraussetzung erfüllt, sind Maßnahmen, die nicht auch die zweite Voraussetzung erfüllen, allerdings nur schwierig vorstellbar.669 Dies verdeutlichen auch die Beispiele, die der Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung bei seiner Suche nach Maßnahmen identifiziert hat, die sich nur unwesentlich oder gar nicht auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Obergesellschaft und ihrer Gesellschafter auswirken.670 Mitwirkungsrechte der Aktionäre müssten daher z. B. auch in Bezug auf Gewinnverwendungsbeschlüsse bestehen, die in der Un669  Allerdings darf die erste Voraussetzung nicht leichtfertig bejaht werden. Dies geschieht, soweit der BGH in der Holzmüller-Entscheidung als weitere mögliche Beispiele für Maßnahmen, die eine Mitwirkungszuständigkeit auslösen können, die Weiterveräußerung des Vermögens der Untergesellschaft nach § 361 AktG a.F. oder die Auflösung der Untergesellschaft identifiziert. Denn in der Holzmüller-Entscheidung war die für § 179a AktG (§ 361 AktG a.F.) relevante Schwelle aus der Perspektive der Obergesellschaft gerade nicht überschritten. Wieso dann eine Mitwirkungsberechtigung der Aktionäre der Obergesellschaft entstehen soll, wenn die Untergesellschaft das ausgelagerte Vermögen weiterüberträgt, ist unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes nicht plausibel zu erklären. Die Auflösung der Untergesellschaft ist aus Perspektive der Obergesellschaft am ehesten mit der Aufgabe bzw. Veräußerung des betroffenen Unternehmensbereichs vergleichbar. Derartige Maßnahmen fallen aber auch in der Einheitsgesellschaft in die alleinige Verantwortung des Vorstands, sofern dadurch nicht eine dauerhafte Satzungsunterschreitung bewirkt wird; vgl. bereits § 5 E.VI.2.c). 670  s. BGHZ 83, 122, 140 f. (Sitzverlegung, Firmenänderung, Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten).

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

tergesellschaft gefasst werden, weil davon mittelbar ihre Gewinnansprüche auf der Ebene der Obergesellschaft abhängen. Bei konsequenter Durchführung hätte dies zur Folge, dass fast die gesamte Zuständigkeitsordnung der Obergesellschaft auf die Mitwirkung an Maßnahmen in der Untergesellschaft projiziert würde. Eine so weit reichende Rechtsfortbildung kann aber nicht einfach ohne jede normative Absicherung nur auf das mehr oder weniger vage Schutzbedürfnis der Aktionäre und die „Sinnfälligkeit und Wirksamkeit dieser lückenergänzenden Zuerkennung von Aktionärsansprüchen“671 gestützt werden. Denn dabei geraten die vom Bundesgerichtshof in der Gelatine-Rechtsprechung zutreffend betonten Grundentscheidungen, die die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung prägen, viel zu sehr aus dem Blick. Dies gilt auch dann noch, wenn man derart weitreichende Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung nur im Hinblick auf Maßnahmen in solchen Tochtergesellschaften zuerkennt, deren Vermögen durch eine mediatisierende Maßnahme unter Überschreitung der in der Gelatine-Entscheidung festgelegten Wesentlichkeitsschwelle entstanden ist.672 Eine überzeugende Begründung für Mitwirkungsbefugnisse bei der Gruppenleitung kann daher allenfalls entlang der gleichen Linien gefunden werden, wie sie für ungeschriebene Mitwirkungsrechte bei der Gruppenbildung entwickelt worden sind. Genau dies entspricht nach der hier verfolgten Lesart auch den Ableitungen, die aus der Gelatine-Rechtsprechung für die Begründung von ungeschriebenen Mitwirkungsrechten bei der Gruppenleitung zu ziehen sind. Daraus ergibt sich das anzuwendende Suchprogramm: Zu identifizieren sind Gruppenleitungsmaßnahmen, die es wegen ihrer Auswirkungen auf der Ebene der Obergesellschaft gerechtfertigt erscheinen lassen, sie entsprechend den gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen dem Erfordernis einer zwingenden qualifizierten Zustimmung der Hauptversammlung zu unterwerfen. Nimmt man dieses Anforderungsprofil jedoch ernst, dann zeigt sich, dass Gruppenleitungsmaßnahmen schon rechtsqualitativ durchweg nicht auf der gleichen Ebene liegen wie Gruppen(fort)bildungsmaßnahmen. Dies gilt namentlich dann, wenn man die gebotene rechtsträgerbezogene Betrachtungsweise beibehält. Hier kursieren in der Literatur allerdings auch dort, wo eigentlich keine konzernverfassungsrechtlichen Ansätze verfolgt werden, irreführende Formulierungen. So spricht etwa Habersack davon, „wesentliche Strukturentscheidungen“ in ihrerseits „wesentlichen“ Tochtergesellschaften lösten die Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft aus.673 Nach dieser Formulierung tritt also die Feststellung einer wesentlichen Strukturänderung in einer bedeutenden Untergesellschaft an die Stelle des Nachweises konkreter AusMartens, ZHR 147 (1983), 377, 405 ff., 408. konsequent müsste man diesen Tochtergesellschaften wohl noch jene hinzurechnen, deren Bedeutung erst im Laufe der Zeit, etwa durch organisches Wachstum oder durch weitere Vermögensverlagerungen von Mutter zu Tochter, eine entsprechende Bedeutung erlangt. 673  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 48; ähnlich MünchKomm­ AktG/Kubis § 119 Rn. 79. 671 s.

672  Systematisch

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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wirkungen auf die Obergesellschaft und die Rechte ihrer Aktionäre, d.h. an die Stelle der Feststellung einer Strukturmaßnahme auf der Ebene der Obergesellschaft selbst. Eine solche Verkürzung der Argumentation ist im Prinzip aber nur dann plausibel, wenn eine die einzelnen Gesellschaften übergreifende Einheitsvorstellung zugrunde gelegt und die Strukturänderung auf diese Einheit bezogen wird. Es geht dann eben nicht mehr um eine Strukturmaßnahme auf der Ebene der Obergesellschaft, sondern um nachhaltige Änderungen der „Konzernstruktur“.674 Ähnliche Assoziationen zur Einheit der Konzernunternehmung und der auf diese bezogenen Zuständigkeiten der Hauptversammlung weckt der Hinweis von Spindler, die Zuständigkeit der Hauptversammlung könne sich grundsätzlich in „alle Unternehmensteile eines Konzerns erstrecken“, soweit der betreffende Unternehmensteil von wesentlicher Bedeutung für die „Gesamtgesellschaft“ ist.675 Die wenig glückliche Begriffsneubildung „Gesamtgesellschaft“ verdeutlicht das zugrunde liegende Dilemma exemplarisch, weil sie mit dem Begriffsteil „Gesellschaft“ offenkundig noch auf eine rechtsträgerbezogene Betrachtungsweise zielt, auf der die ausweislich des anderen Begriffsteils zugleich angestrebte Einheitsvorstellung aber gar nicht zu verwirklichen ist. Im Einzelnen soll die Problematik anhand der folgenden Fallgruppen verdeutlicht werden. (1)  Beteiligungsveräußerungen in Ober- und Untergesellschaft Bereits geschildert und hier wegen der systematischen Zusammenhänge nur in Erinnerung zu rufen ist, dass Beteiligungsveräußerungen nach zutreffender Ansicht mangels Mediatisierungseffekt keiner ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung unterliegen.676 Derartige Maßnahmen lassen die Machtbefugnisse der Aktionäre der Obergesellschaft unberührt und führen im Gegenteil dazu, dass der durch die ursprüngliche Maßnahme eingetretene Mediatisierungseffekt revidiert wird. Dies gilt nach der hier vertretenen Ansicht gleichermaßen auch dann, wenn Teilveräußerungen von Beteiligungen und damit einhergehende Möglichkeiten des Einflussverlustes der Obergesellschaft in Rede stehen.677 Für Beteiligungsveräußerungen auf der Ebene der Untergesellschaft gilt nichts anderes.678 Hier wird häufig – namentlich bei nur faktisch beherrschten Aktiengesellschaften – noch hinzukommen, dass die Beteiligungsveräußerung ohnehin alleinige Sache der Verwaltung der Untergesellschaft ist, so dass der Obergesellschaft insoweit überhaupt keine rechtlich abgesicherten Entscheidungsbefugnisse zukommen und daher auch nicht über deren interne Verteilung diskutiert werden kann. 674 

So denn auch Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 48. s. K. Schmidt/Lutter/Spindler § 119 Rn. 36. 676  s. o., § E.VI.2.c). 677  Eine Grenze ist erst erreicht, wenn die Beteiligung keinen unternehmerischen Einfluss mehr ermöglicht und die Satzung der Muttergesellschaft bloße Finanzbeteiligungen nicht gestattet, s.o., § 5 D.I.3.a). 678 Im Ergebnis ebenso Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 44; Spindler, in: FS Goette, S. 513, 520. 675 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

(2)  Kapitalerhöhungen unter Wahrnehmung des Bezugsrechts Auch im Hinblick auf Kapitalerhöhungen in der Tochter unter Ausübung des Bezugsrechts durch die Mutter sind die wesentlichen Gesichtspunkte bereits ausgeführt worden.679 Wie für alle anderen mediatisierenden Maßnahmen können auch hier ungeschriebene Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung in Betracht kommen. Sie gehören – s.o. – aber nicht zum Gesichtspunkt der Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung. Zu ergänzen ist an dieser Stelle lediglich, dass insoweit auch die gleiche Wesentlichkeitsschwelle gelten muss. Maßgeblich ist dabei nicht etwa, dass es sich bei der betroffenen Untergesellschaft um eine „wesentliche“ Beteiligung handelt.680 Maßgeblich ist vielmehr, dass das im Zuge der Kapitalerhöhung in die Untergesellschaft verlagerte Vermögen die Wesentlichkeitsschwelle überschreitet. Eine diese Schwelle unterschreitende Kapitalerhöhung ist dagegen nicht anders zu behandeln als eine Ausgliederung desselben Umfangs auf eine zu diesem Zweck gegründete (weitere) Tochtergesellschaft. Denn in beiden Fällen überschreitet die mediatisierende Maßnahme – und nur auf diese kann es ankommen – die Wesentlichkeitsschwelle nicht.681 (3)  Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts Geht es dagegen um Kapitalerhöhungen, in deren Rahmen Dritte in die Untergesellschaft aufgenommen werden, spricht sich die Literatur verbreitet für eine Beteiligung der Hauptversammlung der Obergesellschaft aus.682 Dem ist jedoch nicht zu folgen. Mit dieser Konstellation ist bei der Aktiengesellschaft weder ein Mediatisierungseffekt verbunden, noch existieren andere hinreichende Ansatzpunkte dafür, darin eine Maßnahme zu sehen, die wegen ihrer Auswirkungen auf der Ebene der Obergesellschaft (unter Einschluss der Rechte ihrer Aktionäre) in eine Reihe mit den gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen gestellt oder sonst als satzungsnah beschrieben werden könnte. Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass sich die Aufnahme Dritter durchaus auf die Ebene der Obergesellschaft auswirken kann. So ist es möglich, dass die Obergesellschaft an Einfluss auf die Untergesellschaft verliert. Zudem kann dann, wenn die Ausgabe der neuen Mitgliedschaften zu einem Preis unter ihrem inneren Wert erfolgt, der Wert der Beteiligung sinken. 679 

s. oben, § 5 E.VI.2.a) und 3.a). Dies wird aber in der Literatur verbreitet als maßgeblicher Bezugspunkt angesehen, soweit es um Gruppenleitungsmaßnahmen geht: s. z. B. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 48 f.; ders., AG 2005, 137, 148; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 225; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 44; K. Schmidt/Lutter/Spindler § 119 Rn. 37. 681  Abweichend wird dies zu beurteilen sein, wenn die Kapitalerhöhung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einer Ausgliederung oder einer anderen mediatisierenden Maßnahme stattfindet u. ggfs. sogar auf einem einheitlichen Plan beruht. 682 So etwa Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 182 ff.; MünchKommAktG/ Kubis § 119 Rn. 82; Westermann, ZGR 1984, 352, 376. 680 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Damit verschlechtert sich die Vermögenslage der Obergesellschaft, was dann mittelbar auch auf den Wert der Aktien durchschlägt und damit die Vermögensinteressen der Aktionäre der Obergesellschaft berührt. Beide Effekte können jedoch eine Einbeziehung der Hauptversammlung der Obergesellschaft nicht rechtfertigen. Insoweit verhält es sich nicht anders als bei der (Teil-)veräußerung von Beteiligungen, die exakt die gleichen Probleme aufwirft.683 Ebenso wenig wie dort kann es hier eine entscheidende Rolle spielen, dass sich der Einfluss der Obergesellschaft reduziert, wenn diese z. B. eine satzungsändernde oder sonst relevante Mehrheit verliert.684 Es handelt sich insoweit um Verlust solchen Einflusses, der in den vom Vorstand eigenverantwortlich wahrzunehmenden Kompetenzbereich fällt und der für sich genommen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung nicht begründen kann.685 Schließlich ergibt sich auch die Gefahr, dass bei einer Kapitalerhöhung die Neugesellschafter Anteile unter dem wahren Wert erwerben können und dass dies mittelbar den Wert der Anteile der Aktionäre der Obergesellschaft reduziert, in ganz vergleichbarer Weise bei der (Teil-)Beteiligungsveräußerung, ohne dass dies dort zur Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit führt. Aus der Perspektive der Obergesellschaft geht es hier – wie bei der Veräußerung anderer Vermögensgegenstände – stets nur um Vermögensumschichtungen, die bis zur Grenze des § 179a AktG in die Zuständigkeit des Vorstands fallen. Eine Basis für ungeschriebene Mitwirkungsrechte ergibt sich daraus nicht. Dass allein die Beteiligungsabgabe demediatisierend wirkt, ist kein hinreichender Anlass, dies anders zu sehen.686 Denn das bloße Fehlen eines Demediatisierungseffekts liefert noch keine positive Begründung für die Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit. (4)  Auflösung der Tochtergesellschaft und Weiterübertragung des Gesellschaftsvermögens In Fortführung eines durch die Holzmüller-Entscheidung ins Spiel gebrachten Beispiels687 nennen zahlreiche Literaturstimmen die Auflösung der Tochtergesellschaft als Ansatzpunkt für ungeschriebene Mitwirkungsrechte der Haupt683  Zutreffend KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 102; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 46; ebenfalls für Gleichbehandlung (aber mit umgekehrten Ergebnis) MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 78; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 183; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 431 ff., 434 f.; aus hiesiger Perspektive nicht konsequent daher Emmerich/ Habersack, AktienkonzernR, einerseits Vor § 311 Rn. 49 (Kapitalerhöhung ohne vollumfängliche Ausübung des Bezugsrechts zustimmungspflichtig) und andererseits Rn. 43 (keine Mitwirkung bei der Beteiligungsveräußerung). 684  s. o., § 5 E.VI.2.c). 685  s. o., § 5 E.V.2.b und 3.a). 686 Darauf offenbar entscheidend abstellend Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 43 (insb. im Hinblick auf die abweichende Behandlung der Kapitalerhöhung unter Aufnahme Dritter). 687  s. BGHZ 83, 122, 140.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

versammlung der Obergesellschaft.688 Es ist allerdings auch hier nicht ersichtlich, welche nachteiligen Folgen dies für die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft haben soll.689 Im Ergebnis ist ein solcher Vorgang mit der Totalveräußerung der Beteiligung vergleichbar, für die sich eine ungeschriebene Mitwirkungsbefugnis auch nicht begründen lässt.690 Anlass für eine abweichende Beurteilung kann sich auch hier daher allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Satzungsänderung ergeben, wenn die Auflösung der Tochtergesellschaft zu einer dauerhaften Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes führt. Auch die Weiterübertragung des Vermögens der Untergesellschaft i.S. eines Gesamtvermögensgeschäfts nach § 179a AktG bietet keine Anhaltspunkte für die Begründung einer ungeschriebenen Mitwirkungszuständigkeit auf der Ebene der Obergesellschaft.691 Dies gilt umso mehr, als dass ein Gesamtvermögensgeschäft auf der Ebene der Tochtergesellschaft nicht bedeuten muss, dass es sich dabei auch aus Perspektive der Obergesellschaft um ein Gesamtvermögensgeschäft handelt. Es kann aber nicht das Ziel einer die kompetenzrechtlichen Grundentscheidungen des Aktienrechts respektierenden Rechtsfortbildung sein, der Hauptversammlung der Obergesellschaft in der Unternehmensgruppe mehr Rechte zu verschaffen, als sie bei einer entsprechenden Sachverhaltsgestaltung in der Einheitsgesellschaft haben würde. (5)  Verenkelung und äquivalente Maßnahmen; Formwechsel Ausgliederungsmaßnahmen auf der Tochterebene zeitigen die gleichen Ergebnisse wie die zur Verenkelung führenden Umstrukturierungsmaßnahmen, die den Gegenstand der Gelatine-Urteile bildeten. Es gilt das dazu bereits Gesagte.692 Hier ist das durch den Begriff der Mediatisierung nahegelegte Bild der „Mittelbarmachung“ zwar nicht völlig unzutreffend, weil eine weitere Gesellschaftsebene eingezogenen wird; ein genauerer Blick auf die Konsequenzen zeigt aber, dass dieser zusätzliche Mediatisierungseffekt gegenüber der ursprünglichen Mediatisierung für die Rechte der Aktionäre, bzw. ihres Organs der Hauptversammlung693 von so nachrangiger Bedeutung ist, dass auf dieser Basis die Ausbildung einer unge688 

s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49; Münch. Hdb. AG/Krieger § 69 Rn. 42 (3. Aufl.); MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 79. 689 Zutreffend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 413. 690  Jedenfalls in sich konsequent daher MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 68, 79, der auch die Veräußerung unternehmenswesentlicher Beteiligungen einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit unterwerfen möchte. 691 A.A. offenbar BGHZ 83, 122, 140; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 79, je mit weiteren Nachweisen. 692  s. o., § 5 E.VI.2.a). 693  Der Einflussverlust der Obergesellschaft als solcher ist dagegen nicht anders zu bewerten als bei der Teilveräußerung der Beteiligung oder der Aufnahme Dritter im Wege einer Kapitalerhöhung.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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schriebenen Zuständigkeit nicht in Betracht kommen kann.694 Gleiches gilt dementsprechend auch für Kapitalerhöhungen auf der Ebene einer Enkelgesellschaft unter Ausübung des Bezugsrechts durch die Tochter und den Erwerb von Beteiligungen durch eine Tochtergesellschaft. Keinen Ansatzpunkt für die Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten bildet schließlich auch der Rechtsformwechsel einer Tochtergesellschaft. Zwar mag z. B. mit dem Wechsel von einer GmbH zur AG ein Einflussverlust der Obergesellschaft einhergehen. Dieser ist aber nicht anders zu gewichten als Einflussverluste, die mit der Teilveräußerung von Beteiligungen, der Aufnahme Dritter in Wege einer Kapitalerhöhung oder Verenkelungsmaßnahmen einhergehen. Denn es geht insoweit primär um den Verlust innerhalb der Einflusszone des Vorstands der Obergesellschaft, so dass es an den erforderlichen Rückwirkungen auf die Kompetenzen der Hauptversammlung fehlt. (6) Unternehmensverträge Besonders umstritten verläuft die Diskussion im Bereich der Unternehmensverträge. Sie kann hier nur exemplarisch für den Bereich der Verträge i.S. des § 291 Abs. 1 AktG aufgenommen werden.695 Derartige Verträge kann die Untergesellschaft als verpflichtete wie als berechtigte Gesellschaft schließen. In der ersten Variante wird der Vertragsschluss im Regelfall mit der Muttergesellschaft erfolgen.696 In diesem Fall ergibt sich die Notwendigkeit, auch deren Hauptversammlung zu beteiligen, bereits aus § 293 Abs. 2 AktG. Kommt es doch zu einem Vertragsschluss mit einem Dritten, liegt darin jedenfalls aus der Perspektive der Aktionäre der Obergesellschaft grundsätzlich kein weitergehender Eingriff in ihre Rechte, als er mit einer gänzlichen Veräußerung der Beteiligung einhergehen würde. Eine Mitwirkungszuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ist daher nicht angezeigt.697 Allerdings wird sich bei Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages mit einem Dritten unabhängig von der Beteiligungshöhe regelmäßig nicht mehr sagen lassen, dass sich die Obergesellschaft vermittels dieser Beteiligung selbst unternehmerisch betätigt. Die Beteiligung gewinnt dann ggf. den Charakter einer bloßen Finanzanlage, die als solche von der Satzung der Obergesellschaft zugelassen sein muss.698 Ist die Hauptversammlung der Oberge694 

s. o., § 5 E.VI.2.b). Im Übrigen sei verwiesen auf KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 105. 696  s.a. KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 105; der BGH hat dagegen in der Holzmüller-Entscheidung vor allem die Gefahren eines Vertragsschlusses mit Dritten ins Auge gefasst: s. BGHZ 83, 122, 137. 697  Im Grundsatz ebenso auch KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 105 (allerdings mit Bejahung einer Einzelanalogie zu § 293 Abs. 1 AktG für den Fall, dass die Untergesellschaft im Wesentlichen das gesamte Vermögen der Obergesellschaft ausmacht); a.A. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 293 Rn. 11, § 292 Rn. 16. 698  s. o., § 5 D.I.3.a). 695 

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

sellschaft aus diesem Grund mit der Angelegenheit zu befassen, hat dies allerdings nichts mit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin zu tun. Auch der Fall, dass eine Tochtergesellschaft als berechtigter Teil einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit einer weiteren Gesellschaft699 schließt, wird in der Literatur als Ansatzpunkt für die Begründung einer ungeschriebenen Mitwirkungszuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin gesehen.700 Der Abschluss eines solchen Vertrages hat allerdings für sich genommen für die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft keine Bedeutung. Dies zeigt sich auch daran, dass über eine Mitwirkung der Hauptversammlung der Obergesellschaft ernsthaft wohl nur für den Fall diskutiert wird, dass zwischen dieser und der Tochtergesellschaft bereits ein Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrag besteht.701 Als maßgeblicher Gesichtspunkt rückt damit in den Vordergrund, dass der Abschluss eines weiteren Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages durch die Tochter ein unbeschränktes Verlustübernahmerisiko nach § 302 AktG begründet, das über den bereits bestehenden Haftungsverbund zwischen Tochter und Mutter auf diese durchwirken kann. Auch insoweit ist aber nicht ersichtlich, wie sich diese Risikoerhöhung als Eingriff in die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft erfassen und in eine Reihe mit den gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen stellen ließe. Mit der Begründung eines Haftungsverbunds zwischen Tochter und Mutter übernimmt diese die unbeschränkte Haftung auch für die künftigen Risiken einer unternehmerischen Tätigkeit, die sie selbst nicht unmittelbar steuert. Der Herstellung eines solchen Haftungsverbunds wohnt stets auch die Gefahr inne, dass sich die konkret zu tragenden Risiken als Folge der unternehmerischen Tätigkeit der Tochter vergrößern. Derartige Risikoerhöhungen können sich z. B. daraus ergeben, dass die Tochtergesellschaft ein neues, mit besonderen Risiken verbundenes Geschäftsfeld erschließt. Daneben ist es aber eben auch möglich, dass die Tochter im Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigung risikoerhöhend wirkende Gewinnabführungs- und/oder Beherrschungsverträge abschließt. Es besteht kein hinreichender Anlass, zwischen den verschiedenen Arten der Risikoerhöhung zu differenzieren. Zwar lässt sich sagen, dass es im ersten Fall um von der Tochtergesellschaft selbst gesteuerte Risiken geht, während im zweiten Fall die Übernahme künftiger Risiken aus einer unternehmerischen Tätigkeit in Rede steht, die die Tochtergesellschaft nicht selbst steuert. Gemeinsam ist aber beiden Varianten der Risikoerhöhung, dass sie jeweils Ausdruck einer unternehmerischen Entscheidung der Tochtergesellschaft sind, sich in ihnen also jeweils das Risiko verwirklicht, für das sich die Aktionäre der Obergesellschaft mit ihrer Zustimmung zur Herstellung

699  Auch hier wird als anderer Vertragsteil regelmäßig nur eine Konzerngesellschaft in Betracht kommen: s. Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 235. 700  s. MünchKommAktG/Altmeppen § 293 Rn. 115; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 22. 701  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 225; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 45.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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des Haftungsverbandes zwischen Mutter und Tochter abstrakt geöffnet haben.702 Wollte man anders entscheiden, müsste man im Übrigen alle Maßnahmen, die im Ergebnis dazu führen, dass die Tochtergesellschaft unbeschränkt für die künftigen Risiken einer fremden unternehmerischen Betätigung einzustehen hat, als nicht von der Zustimmung zum Vertrag zwischen Mutter und Tochter gedeckt ansehen. Dies hätte dann auch für die Abgabe von harten Patronatserklärungen, Liquiditätszusagen, Verlustdeckungs- oder Verlustübernahmezusagen durch die Tochtergesellschaft zu gelten, weil sich deren Wirkungen weitgehend mit denen des § 302 AktG decken.703 Für solche Maßnahmen ist aber nach ganz herrschender Ansicht noch nicht einmal dann die Zustimmung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft erforderlich, wenn sie unmittelbar von der Mutter abgegeben werden.704 Schließlich spricht gegen die Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auch noch entscheidend, dass dem Wesentlichkeitskriterium kein sinnvolles Anwendungsgebiet zugewiesen werden kann, wenn gerade die Entstehung zusätzlicher Verlustausgleichsrisiken den entscheidenden Gesichtspunkt für die Zuerkennung einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit darstellen soll.705 Denn zwischen der Größe dieses Risikos und der „Wesentlichkeit“ der Gesellschaften, die es bis in die Obergesellschaft hinein vermitteln, besteht kein logischer Zusammenhang. Auch wenn eine unwesentliche verlustausgleichsberechtigte Tochter einen Beherrschungsvertrag mit einer unwesentlichen Enkelgesellschaft schließt, können daraus je nach Lage des Falles für die Obergesellschaft existenzbedrohende Haftungsrisiken resultieren. Dies alles zeigt, dass sich die mit dem Abschluss eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrages einhergehenden Probleme nicht sinnvoll unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin erfassen lassen. Dem entspricht, dass der ganz überwiegende Teil der Literatur die Problematik auch nicht unter diesem Blickwinkel, sondern demjenigen einer Einzelanalogie zu § 293 Abs. 2 AktG diskutiert,706 was insbesondere von der Rücksichtnahme auf das Wesentlichkeitskriterium befreit. Die Frage, ob eine Einzelanalogie angezeigt ist, bedarf im gegenwärtigen Zusammenhang zwar keiner Stellungnahme. Man wird auch sie im Ergebnis aber ablehnend zu beantworten haben, wenn man der hier vertretenen Ansicht folgt, dass die ursprüngliche 702 

Ähnlich Münch. Hdb. AG/Krieger § 71 Rn. 23. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 302 Rn. 10. 704 s. etwa OLG Celle WM 1984, 494, 497; MünchKommAktG/Altmeppen § 291 Rn. 163 f.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 12 Rn. 16; Hüffer/Koch, AktG, § 291 Rn. 28; Münch. Hdb. AG/Krieger § 73 Rn. 3; a.A. etwa Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 421 ff., mit konsequenter Erstreckung auch auf entsprechende Maßnahmen der Tochtergesellschaft, a.a.O., S. 447 f. 705  An dem Wesentlichkeitskriterium auch insoweit ausdrücklich festhaltend z. B. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 225. 706  Für eine Übersicht über den Diskussionsstand s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 293 Rn. 12; Hüffer/Koch, AktG, § 293 Rn. 20; KölnerKomm/Koppensteiner § 293 Rn. 45. 703 Vgl.

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Zustimmung zu dem Vertrag zwischen Mutter und Tochter auch die Begründung zusätzlicher Verlustausgleichsrisiken durch die Tochter mit abdeckt.707 (7)  Zusammenfassende Überlegungen Damit zeigt sich: Sieht man einmal vom Sonderfall der Kapitalerhöhung unter Wahrnehmung des Bezugsrechts durch die Obergesellschaft ab, lässt sich im Bereich der (formal abgegrenzten) Gruppenleitungsmaßnahmen jedenfalls im Rahmen eines kursorischen Überblicks keine weitere Maßnahme feststellen, die sich auf die Rechte der Aktionäre bzw. der Hauptversammlung derart nachhaltig auswirkt, dass dies die Annahme einer ungeschriebenen Zuständigkeit rechtfertigen könnte. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, weil die Rechte der Aktionäre in der Aktiengesellschaft ohnehin eng beschränkt sind. Sind sie darüber hinaus noch durch eine Maßnahme der Beteiligungsbildung bereits mediatisiert, bleibt im Hinblick auf Maßnahmen in der Untergesellschaft kein ausreichender Anknüpfungspunkt mehr, der die Annahme einer weiteren, erneut zuständigkeitsauslösenden Verkürzung der Aktionärsrechte auf der Ebene der Obergesellschaft tragen könnte. Insofern legt die durch den Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung in bildhafter Ausdrucksweise beschworene Gefahr, solche Maßnahmen könnten die Rechte der Aktionäre endgültig „aushöhlen“,708 die falschen Rückschlüsse nahe. Denn ausgehöhlt werden können Rechte der Aktionäre nur dort, wo noch eine ausreichende Angriffsfläche vorhanden ist. Genau diese Annahme verkennt aber die Bedeutung des mit der Beteiligungsbildung einhergehenden Verlusts unmittelbarer Rechtsmacht der Hauptversammlung. Nach der Mediatisierung können sich die durch diesen Verlust begründeten Gefahren verwirklichen; die Kompetenzen der Aktionäre bzw. des Mitgliederorgans werden dadurch aber nicht mehr entscheidend beeinträchtigt. 4.  Flexibilisierungsmöglichkeiten durch Satzung oder HV-Beschluss Die Frage, ob im Bereich ungeschriebener Zuständigkeiten der Hauptversammlung die Handlungsmöglichkeiten des Vorstands durch Satzungsgestaltung oder im Beschlusswege erweitert werden können, hat bisher – verglichen mit der Begründung solcher Zuständigkeiten – deutlich weniger Aufmerksamkeit erfahren.709 Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bislang nur Nebenaspekte behandelt.710 Die Diskussion in der Literatur unterscheidet eine Reihe verschiede707 

Ähnlich Münch. Hdb. AG/Krieger § 71 Rn. 23. s. BGHZ 83, 122, 137. 709  s. näher und mit Unterschieden im Einzelnen Grunewald, AG 1990, 133; Emmerich/ Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 51; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 807 ff.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 62 f., 68; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 57; GroßkommAktG/ders., § 179 Rn. 77. 710  s. BGHZ 159, 30, 46 bezüglich der Bedeutung einer Konzernklausel sowie zur Frage der Abdingbarkeit des qualifizierten Mehrheitserfordernisses. 708 

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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ner Gestaltungsvarianten. Während sie einem pauschalen Zuständigkeitstransfer nahezu allgemein ablehnend gegenüber steht, werden hinreichend konkret gefasste Ermächtigungsbeschlüsse überwiegend für zulässig gehalten. a)  Zulässigkeit eines pauschalen Zuständigkeitstransfers Eine Regelung des Inhalts, dass ungeschriebene Zuständigkeiten von der Hauptversammlung auf die Verwaltung übertragen werden sollen, ist theoretisch sowohl als Gegenstand einer Satzungsklausel als auch eines schlichten Hauptversammlungsbeschlusses denkbar. aa)  Transfer durch Satzungsregelung Die Frage nach der Zulässigkeit eines pauschalen Transfers von ungeschriebenen Zuständigkeiten auf die Verwaltung aktualisiert sich naturgemäß nur anhand solcher Satzungsklauseln, die einen solchen Transfer zum Gegenstand haben. Insoweit ist zunächst der Klarheit halber darauf hinzuweisen, dass allgemeinen Konzernklauseln ein solcher Regelungsgehalt bei der gebotenen objektiven Auslegung von vornherein nicht zuzumessen ist.711 Denn derartige Klauseln sprechen typischerweise nicht von der Befugnis des Vorstands zur Gruppenbildung, sondern sie normieren regelmäßig lediglich eine entsprechende Berechtigung der Aktiengesellschaft.712 Sie verhalten sich also gar nicht unmittelbar zur gesellschaftsinternen Zuständigkeitsordnung und damit auch nicht zu ihrer Änderung. Gleichwohl werden sie bei diesem Verständnis nicht bedeutungslos, wenn man mit der auch hier vertretenen Ansicht davon ausgeht, dass Gruppenbildungsmaßnahmen generell einer Ermächtigung durch die Satzung bedürfen.713 Insoweit erweitern allgemeine Konzernklauseln den Handlungsrahmen des Vorstands unterhalb der Schwelle, ab der die Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ausgelöst wird,714 während sie oberhalb dieser Schwelle zwar nicht die Mitwirkung der Hauptversammlung, aber eben eine formelle Satzungsänderung entbehrlich machen.715 711  Z.T. wird dies anders gesehen, so dass schon in Bezug auf allgemeine Konzernklauseln die Frage gestellt wird, ob ein genereller Zuständigkeitstransfer zulässig sein kann: s. z. B. Mecke, Konzernstruktur, S. 206; vgl. auch BGHZ 159, 30, 46 (Gelatine I), wo offen gelassen wird, warum genau sich die Aktionäre durch eine Konzernklausel des „mit der Anerkennung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten bezweckten Schutzes“ nicht begeben. 712  s. zu typischen Formulierungen allgemeiner Konzernklauseln anhand praktischer Beispiele Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 413 ff. 713  s. dazu Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 1 ff. sowie ausführlich oben, § 5 D.I.3.a). 714  Vgl. BGHZ 159, 30, 46. 715 s. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 808; vgl. auch Goette, AG 2006, 522, 525 f.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 62.

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Dessen ungeachtet sind natürlich auch Satzungsregelungen denkbar, die auf eine generelle Änderung der (fortgebildeten) gesetzlichen Zuständigkeitsordnung abzielen (pauschale Delegation auf den Vorstand).716 In der Literatur werden sie jedoch nahezu allgemein für unzulässig gehalten.717 Das ist angesichts der gesetzlich ganz weitgehend fixierten Zuständigkeitsordnung des Aktienrechts im Ergebnis auch überzeugend: Wenn die gesetzlich ausdrücklich geregelten Zuständigkeiten der Hauptversammlung zwingend ausgestaltet sind, muss dies ebenso für solche Zuständigkeiten gelten, die im Wege der Gesamtanalogie oder der offenen Rechtsfortbildung unter Anlehnung an diese zwingenden Zuständigkeiten entwickelt werden.718 Dieser Befund bedarf allerdings noch einer ergänzenden Überlegung. Zwingend sind die aktienrechtlichen Kompetenzzuweisungen nach § 23 Abs. 5 S. 1 AktG nämlich dann nicht, wenn das Gesetz Abweichungen ausdrücklich zulässt. Man kann die weiteren Implikationen dieses Gesichtspunkts nun nicht mit dem Hinweis abschneiden, dass das Aktiengesetz für die in Rede stehende Problematik Abweichungen eben nicht erlaubt. Denn dass das Gesetz geschriebene Kompetenzverlagerungsbefugnisse für ungeschriebene Zuständigkeiten bereithält, wird man nicht erwarten dürfen. Es ist daher umgekehrt danach zu fragen, ob nicht ebenso wie die gesetzliche Zuständigkeitsordnung auch gesetzlich normierte Öffnungen dieser Zuständigkeitsordnung fortzubilden sind.719 Das Aktiengesetz hält nun eine ganze Reihe von Vorschriften bereit, die die Möglichkeit vorsehen, durch die Satzung bzw. einen satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung Kompetenzen von dieser auf die Verwaltung zu übertragen.720 Doch ergibt sich daraus angesichts der konkreten Ausgestaltung dieser Vorschriften keine hinreichend tragGrunewald, AG 1990, 130, 134 mit einer Beispielsformulierung. Grunewald, AG 1990, 130, 134 f.; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 100; Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 847; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 808; Mecke, Konzernstruktur, S. 206; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2038; GroßkommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 77; ders., Unternehmensgruppe, S. 57; z.T. a.A. Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 100 für den Fall, dass in die Satzung anlässlich eines konkret anstehenden Ausgliederungsvorhabens eine allgemeine Konzernklausel aufgenommen wird; dies überzeugt nach hier vertretener Ansicht schon deswegen nicht, weil sich eine solche Klausel ihrem objektiven Erklärungsgehalt nach gar nicht zur gesellschaftsinternen Zuständigkeitsordnung verhält; weitergehend Martens, ZHR 147 (1983), 377, 393; aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung s. LG Stuttgart AG 1992, 236; der Bundesgerichtshof hatte bislang erst die Gelegenheit, das von ihm in den Gelatine-Entscheidungen aufgestellte qualifizierte Mehrheitserfordernis unter Hinweis auf die §§ 179a Abs. 1 S. 2, 293 Abs. 1 S. 3, 319 Abs. 2 S. 3 AktG für satzungsfest zu erklären: s. BGH 159, 30, 46. Die in Bezug genommenen Vorschriften sind allerdings insoweit aufschlussreich, als dass sie jeweils Sachverhalte betreffen, für die das Gesetz auch keine Zuständigkeitstransfers zulässt. 718  Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 719  Vgl. auch Grunewald, AG 1990, 133, 136; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 231; Lutter/ Leinekugel, ZIP 1998, 805, 811 ff.; GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 63; Großkomm­ AktG/Wiedemann § 119 Rn. 77; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2038. 720  s. §§ 58 Abs. 2 S. 2; 202 Abs. 1, 2; 203 Abs. 2, 237 Abs. 6 AktG; vgl. auch Großkomm­ AktG/Mülbert § 119 Rn. 63, 68. 716 s. 717 s.

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fähige Basis dafür, die Zulässigkeit eines pauschalen Transfers ungeschriebener Zuständigkeiten für möglich zu halten.721 Diskutiert wird über die Bedeutung dieser Vorschriften denn auch nur im Hinblick auf die sogleich zu behandelnde Frage der Zulässigkeit von (hinreichend konkret gefassten) Ermächtigungsbeschlüssen. bb)  Transfer durch Hauptversammlungsbeschluss Auch für einen Kompetenztransfer durch einen „schlichten“722 Hauptversammlungsbeschluss gibt es gesetzliche Vorbilder.723 Auch diese können nach ihrer konkreten Ausgestaltung aber einen pauschalen Transfer der Zuständigkeit für ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung nicht rechtfertigen. Im Übrigen wäre es auch wertungsmäßig kaum stimmig, wenn durch einen schlichten Hauptversammlungsbeschluss ein Kompetenztransfer in einem Umfang möglich wäre, der einer Regelung durch die Satzung verschlossen bleibt. b)  Zulässigkeit eines beschränkten Zuständigkeitstransfers Im Gegensatz zu einem pauschalen Zuständigkeitstransfer hält die Literatur konkretere Regelungen im Bereich ungeschriebener Zuständigkeiten überwiegend für zulässig, wenn sich die Ansichten in den Einzelheiten zum Teil deutlich unterscheiden.724 aa) Analogiebasis Soweit sich die Literatur für die Zulässigkeit eines beschränkten Kompetenztransfers durch einen Ermächtigungsbeschluss ausspricht, wird als Analo721  s. dafür, dass dies im Ergebnis allg. Ansicht entspricht, MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 100. 722 Hier verwendet als Gegenbegriff zu satzungsförmigen Ermächtigungsbeschlüssen, d.h. insbesondere auch ohne eine Festlegung hinsichtlich der erforderlichen Mehrheit, da das AktG insoweit variiert: vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 einerseits und § 221 Abs. 2 AktG andererseits. 723  s. §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 221 Abs. 2 AktG. 724 Vgl. Arnold, ZIP 2005, 1573, 1578; Bungert, BB 2004, 1345, 1351; Groß, AG 1996, 111, 144; Grunewald, AG 1990, 133, 135 ff.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 51; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 231; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 99 ff.; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 12; Beck AG-HB/Liebscher § 15 Rn. 58; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 811 ff.; Marsch-Barner, in: FS Schwark, S. 105, 116; Reichert, AG 2005, 150, 159; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 41 f.; Westermann, in: FS Koppensteiner, S. 259, 274 f.; eine gesetzliche oder richterrechtliche Grundlage für erforderlich haltend GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 77; unentschieden Zeidler, NZG 1998, 91, 92 f.; zurückhaltend GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 63, 68 (allenfalls satzungsförmiger Ermächtigungsbeschluss möglich); weitgehend ablehnend Tröger, ZIP 2001, 2029, 2037 ff.; generell ablehnend Mecke, Konzernstruktur, S. 206 ff.; KölnerKomm/Koppensteiner Vor § 291 Rn. 57; ablehnend für den Fall einer holzmüllerpflichtigen Beteiligungsveräußerung (die allerdings nach hier vertretener Ansicht mangels Mediatisierung von der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin ohnehin nicht erfasst wird) Schockenhoff, NZG 2001, 921, 925.

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giebasis ganz überwiegend auf die Vorschriften über das genehmigte Kapital abgestellt,725 namentlich in Verbindung mit einer Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluss, §§ 202 Abs. 2, 203 Abs. 2 AktG, daneben aber auch auf § 221 Abs. 2 AktG.726 Vereinzelt wird auch eine Gesamtanalogie zu den §§ 58 Abs. 2 S. 2, 202 Abs. 2, 203 Abs. 2, 237 Abs. 6 AktG ins Spiel gebracht.727 bb)  Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung des Beschlusses Auch die Frage, welche Anforderungen an den Beschlussinhalt zu stellen sind, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Ausgehend vom Leitbild der Zustimmung zu einer konkreten Maßnahme auf Basis abschlussreifer Verträge sind unterschiedliche Abstufungen denkbar. Während sich ein Teil der Literatur eher an den strengeren Anforderungen der Holzmann-Entscheidung728 orientieren will,729 sehen andere das Vorbild eher im liberaleren Regime der Siemens/ Nold-Entscheidung.730 cc)  Einfacher oder satzungsförmiger Beschluss; Beschlussmehrheit Schließlich lässt sich auch darüber diskutieren, ob ein Ermächtigungsbeschluss, so er denn für zulässig gehalten wird, nur satzungsförmig oder auch in Form eines schlichten Hauptversammlungsbeschlusses erfolgen kann. Der Hintergrund dieser Unterscheidung ist in den Vorschriften des Aktienrechts zu sehen, die als Analogiebasis in Betracht kommen. Diese setzen teils eine Satzungsänderung voraus (§§ 58 Abs. 2 S. 2, 202 Abs. 2, 203 Abs. 2, 237 Abs. 6 AktG), teils lassen sie auch einen schlichten Hauptversammlungsbeschluss genügen, wobei die erforderlichen Mehrheiten allerdings divergieren (§§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 221 Abs. 2 AktG).731 Dass damit zwei unterschiedliche Gestaltungsalternativen existieren, tritt in der Diskussion um die Zulässigkeit von Ermächtigungsbeschlüssen nicht immer hinreichend deutlich hervor.732 Überwiegend scheint aber trotz der Bezugnahme auf die §§ 202 725 s. Grunewald, AG 1990, 133, 135 ff.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 51; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 812 f.; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2037 f.; GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 77. 726  s. MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 99; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 812; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2038. 727  s. GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 63, 68; mit Hinweis auf § 58 Abs. 2 S. 2 AktG auch Reichert, AG 2005, 150, 159. 728  BGHZ 83, 319. 729  So auch noch nach der Siemens/Nold-Entscheidung Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 232; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 815 mit Fn. 91. 730  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 51; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 12; Reichert, AG 2005, 150, 159; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 41. 731  s.a. GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 68. 732  s.a. GroßkommAktG/Mülbert § 119 Rn. 61 ff.

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Abs. 2, 203 Abs. 2 AktG ein schlichter Hauptversammlungsbeschluss für zulässig gehalten zu werden.733 Fest steht nach der Gelatine-Entscheidung wegen des dort für zwingend erklärten Mehrheitserfordernisses jedenfalls, dass auch ein schlichter Hauptversammlungsbeschluss mit einer qualifizierten Mehrheit gefasst werden müsste. c) Stellungnahme Die Fragestellung rührt an einen Kernkonflikt des Aktienrechts. Maßnahmen, die wegen ihrer Qualität als Satzungsänderung oder Strukturmaßnahme unstreitig der Mitwirkung des Mitgliederorgans bedürfen, können ohne weiteres zugleich auch „zum notwendigen Instrument der Geschäftspolitik“ gehören und müssen sich insofern an „markt- und unternehmensbezogenen Maßstäben orientieren“.734 Dass sich aus dieser Doppelnatur Friktionen ergeben können, liegt auf der Hand. Soweit die Zuständigkeit der Hauptversammlung ausgelöst ist, unterliegt die Entscheidungsfindung den damit verbundenen Modalitäten, die vor allem durch die Schwerfälligkeit des Organs geprägt sind: Die Hauptversammlung tritt im gesetzlichen Regelfall nur einmal jährlich zusammen. Auch eine außerordentliche Hauptversammlung unterliegt einem gewissen zeitlichen Vorauf, der sich aus der Notwendigkeit der vorbereitenden Planung und der – weitgehend zwingenden735 – Einberufungsfrist des § 123 Abs. 1 AktG ergibt. Zudem verbinden sich mit ihrer Durchführung nicht unerhebliche Kosten.736 Hauptversammlungsentscheidungen beanspruchen damit Ressourcen, die den ökonomischen Sinn der zu treffenden Maßnahme unterlaufen können. Dies nimmt das Aktienrecht nun teilweise hin, teils ist dies aber auch Ansatzpunkt für Regelungen wie die der §§ 202 Abs. 2, 203 Abs. 2 AktG, die die Möglichkeit eines partiellen Kompetenztransfers eröffnen. Sie beseitigen die Zuständigkeit der Hauptversammlung nicht generell, ermöglichen aber eine vorgezogene und in einem gewissen Umfang abstrakte Zustimmung zu noch zu treffenden Maßnahmen. Mit dieser Kompromissformel sollen sie der Gefahr begegnen, dass die Unzulänglichkeiten der Hauptversammlung als Entscheidungsorgan die notwendige unternehmerische Flexibilität der Aktiengesellschaft über Gebühr beschränken. Dieser Telos war insbesondere für die Einführung der verbreitet als Referenzpunkt herangezogenen Vorschriften über das genehmigte Kapital maßgeblich.737 Auf ihn hat auch der Bundesgerichtshof zurückgegriffen, als er die Anforderungen an die Einrichtung eines genehmigten Kapitals unter Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluss in der 733  s. z. B. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 51 m.w.N.; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 12. 734  Vgl. (wenn auch in etwas anderem Zshg.) Wiedemann, WM 2009, 9. 735 Vgl. § 121 Abs. 6 AktG, dessen Voraussetzungen allerdings angesichts der Realstruktur der meisten Aktiengesellschaften nur selten zu erfüllen sein werden. 736  s. zu Kostenschätzungen z. B. Claussen, AG 2001, 161, 163; MünchKommAktG/ Kubis § 118 Rn. 26. 737 s. Teichmann/Köhler, AktG 1937, §§ 169 – 171 Rn. 1.

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Siemens/Nold-Entscheidung erheblich liberalisiert hat.738 Er steht folgerichtig auch im Zentrum der Bestrebungen, eine vergleichbare Vorgehensweise im Bereich der ungeschriebenen Zuständigkeiten nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin zu ermöglichen.739 Die Ausgangslage ist insoweit nicht anders: Ebenso wie die geschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten können auch die ungeschriebenen den Doppelcharakter eines Organisationsakts und einer unternehmerischen Leitungsentscheidung tragen. Sie bergen folglich jedenfalls im Grundsatz auch das gleiche Konfliktpotential. Ein Anschluss an die in §§ 202, 203 AktG gefundene Lösung scheint sich zumindest mittelbar auch auf die Argumentation des Bundesgerichtshofs in den Gelatine-Entscheidungen stützen zu können. Denn ganz ähnlich wie im Siemens/Nold-Urteil betont der Bundesgerichtshof auch dort die Notwendigkeit unternehmerischer Flexibilität.740 Doch ist der Erkenntniswert dieser Parallele, auf die die Literatur verbreitet hinweist,741 im Ergebnis recht begrenzt, weil das Flexibilitätsargument in ganz unterschiedlicher Funktion zum Einsatz gelangt und insoweit eher Unterschiede als Gemeinsamkeiten in den Blick rückt. So geht es in der Siemens/Nold-Entscheidung darum, Vorschriften auszukonturieren, die gleichsam als nachgelagerte Stellschraube hinter der umfassenden, größenordnungsunabhängigen Hauptversammlungszuständigkeit für Finanzierungsmaßnahmen ansetzen, und die von vornherein darauf angelegt sind, auf dieser Basis für einen Flexibilitätszuwachs zu sorgen, der sich wegen der quantitativen Begrenzung in § 202 Abs. 3 S. 1 AktG jedoch nicht auf Extremfälle erstreckt. Diese verbleiben uneingeschränkt in der Zuständigkeit der Hauptversammlung. Dagegen wird das Flexibilitätsargument in den Gelatine-Entscheidungen auf einer vorgelagerten Ebene dazu eingesetzt, die (ungeschriebene) Hauptversammlungszuständigkeit schon tatbestandlich zu beschränken und sie von vornherein für quantitativ extrem liegende Sachverhalte zu reservieren. Dies wirft unter praktischen und systematischen Gesichtspunkten die Frage auf, ob sich das Flexibilitätsargument damit nicht schon verbraucht hat.742 Praktisch ist zu berücksichtigen, dass Maßnahmen, die nun nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin noch zustimmungspflichtig sind, ihrer Größenordnung nach Ausnahmecharakter tragen und daher auch in dynamischen

738 

s. BGH NJW 1997, 2815 f. Grunewald, AG 1990, 133, 134; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806 f. 740  Insoweit führt der Bundesgerichtshof (BGHZ 159, 30, 44) aus: „In einer global vernetzten Wirtschaftsordnung, in der es darauf ankommt, sich bietende Chancen umgehend zu nutzen oder aufkommenden Gefahren sogleich zu begegnen, wäre eine zu enge Bindung an jeweils einzuholende Entschließungen der nicht ständig präsenten, sondern regelmäßig nur mit erheblichem Aufwand an Zeit und Kosten einzuberufenden Hauptversammlung gänzlich unpraktikabel und hätte eine Lähmung der Gesellschaft zur Folge.“ 741  s. z. B. Reichert, AG 2005, 150, 159; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 41. 742 Bereits vor Gelatine dafür, dem Flexibilitätsbedürfnis in erster Linie durch eine sachgerechte tatbestandliche Beschränkung der Holzmüller-Doktrin Rechnung zu tragen Tröger, ZIP 2001, 2029, 2037 ff., 2041. 739 s.

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Unternehmen absoluten Seltenheitswert haben werden.743 Zugleich wird man mit der für derartige Einschätzungen gebotenen Vorsicht davon ausgehen dürfen, dass sie wegen ihrer Größenordnung ohnehin einer längeren Planungsphase unterliegen. Dies muss nicht notwendig bedeuten, dass stets genügend Zeit zur Verfügung steht, um bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung zuzuwarten. Doch wird regelmäßig zumindest die Durchführung einer außerordentlichen Hauptversammlung nicht aus zeitlichen Gründen ausscheiden müssen. In dem mit der Einberufung einer solchen Versammlung verbundenen Zeitrahmen wird man aber die maßgebliche Referenzgröße sehen müssen,744 zumal sich auch die damit verbundenen Zusatzkosten angesichts des Gewichts der Maßnahme, über die zu entscheiden ist, relativieren. In systematischer Hinsicht treten die strukturellen Unterschiede in den Blick. So ist nicht hinreichend nachvollziehbar, warum eine Flexibilisierungsregelung, die auf einer umfassenden Hauptversammlungszuständigkeit aufsetzt, ihrerseits aber quantitativ begrenzt ist, ohne eine vergleichbare Begrenzung auf eine tatbestandlich von vornherein – gerade auch wegen des Flexibilitätsbedürfnisses der Verwaltung – ganz eng gefasste Hauptversammlungszuständigkeit übertragen werden sollte. Insoweit stellt sich auch die Frage, ob der Platz, den die Rechtsprechung den Holzmüller-Zuständigkeiten in den Gelatine-Urteilen zugewiesen hat, nicht doch näher bei solchen Tatbeständen liegt, für welche das Aktienrecht eben keine Flexibilisierungsmöglichkeiten vorsieht. Dafür spricht auch die Auswahl der Vorschriften, auf die sich der Bundesgerichtshof für seine These stützt, dass von der von ihm postulierten qualifizierten Mehrheit durch Satzungsregelung nicht abgewichen werden kann (§§ 179a Abs. 1 S. 2, 293 Abs. 1 S. 319 Abs. 2 S. 3 ­A ktG).745 Vor diesem Hintergrund erscheint es insgesamt überzeugender, im Bereich der Holzmüller/Gelatine-Doktrin abstrakte Ermächtigungsbeschlüsse nach dem Vorbild der Siemens/Nold-Entscheidung für unzulässig zu halten. 5.  Notwendigkeit einer Inhaltskontrolle? Unstreitig müssen Holzmüller-Beschlüsse den allgemein für Beschlüsse geltenden Anforderungen genügen, d.h. sie müssen also insbesondere der allgemeinen Treupflicht und dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragen.746 Gelegentlich wird darüber hinaus noch die Ansicht vertreten, derartige Beschlüsse bedürften in Anlehnung an die vom Bundesgerichtshof in der Kali + Salz-Entscheidung747 743  Dies dürfte selbst dann gelten, wenn man von einem Bedürfnis der Praxis ausgeht, angesichts der verbleibenden Zweifel an der genauen Berechnung des Schwellenwertes einen gewissen Sicherheitsabstand einzuhalten: so etwa Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339. 744  So auch Tröger, ZIP 2001, 2029, 2039. 745  BGHZ 159, 30, 46. 746 Vgl. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 51; Liebscher, ZGR 2005, 1, 32; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 810; s. allgemein dazu MünchKommAktG/Hüffer/ Schäfer § 243 Rn. 44 ff. 747  BGH NJW 1978, 1316, 1317; Übertragung auf das genehmigte Kapital mit Bezugsrechtsausschluss in BGH NJW 1982, 2444 (Holzmann).

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aufgestellten Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss der sachlichen Rechtfertigung, müssten also im Rahmen einer allgemeinen Inhaltskontrolle als erforderlich und angemessen sein.748 Dem ist jedoch mit der herrschenden Ansicht in der Literatur entgegenzutreten.749 Eine materielle Beschlusskontrolle des geschilderten Inhalts hat sich für das Aktienrecht bislang nicht als allgemeines Rechtsinstitut durchsetzen können.750 Für eine Vielzahl von Beschlussgegenständen hat die Rechtsprechung einen Rückgriff darauf inzwischen vielmehr ausdrücklich abgelehnt.751 Für die Übertragung auf die Holzmüller-Doktrin fehlt es damit an einer hinreichenden Basis. 6.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen Rechtsschutz der Aktionäre gegenüber einer Verwaltung, die die vorstehend geschilderten ungeschriebenen Kompetenzen der Hauptversammlung missachtet, ist auf unterschiedlichen Ebenen vorstellbar. a)  Gegen die Verwaltung gerichtete Maßnahmen Zunächst können sich Vorstand und Aufsichtsrat gem. §§ 93, 116 AktG gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen.752 Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hängt allerdings davon ab, dass auch ein nachweisbarer Schaden vorliegt, woran es bei Kompetenzverstößen praktisch häufig fehlen wird.753 Zudem obliegt die Durchsetzung eines etwaigen Anspruchs grundsätzlich nicht den Aktionären, sondern dem Vorstand bzw. Aufsichtsrat (§ 112 AktG). Die Aktionäre können die Geltendmachung aber durch einen Hauptversammlungsbeschluss erzwingen und für die Geltendmachung einen besonderen Vertreter einset748  Dafür etwa Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 162 ff.; Münch. Hdb. AG/Krieger § 69 Rn. 13 (abweichend jetzt ders. a.a.O. in der Folgeauflage, § 70 Rn. 13); Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 57. 749 s. Baums, AG 1994,1, 5 f.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 51; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 224; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 60; Semler/Stengel/ Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 38; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 192 ff.; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 810, ders., AG 2004, 585, 587. 750  s. nur Wiedemann, WM 2009, 1, 7: „Der sachliche Grund als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung wirksamer Mehrheitsbeschlüsse hat in der deutschen Rechtsprechung nur ein vorübergehendes Aufflackern erlebt, wurde dann sogleich eingedämmt und glimmt jetzt nur noch in der Kapitalerhöhung weiter.“ 751  Vgl. den Überblick bei Wiedemann, WM 2009, 1, 7; s. daneben zur Relativierung der Kali + Salz-Rechtsprechung durch die Siemens/Nold-Entscheidung MünchKommAktG/ Hüffer/Schäfer § 243 Rn. 51. 752  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 54; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 221; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 15. 753 s. Altmeppen, DB 1998, 49, 52; Habersack, Mitgliedschaft, S. 299 mit Fn. 75; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 221; Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 15; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 94.

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zen (§ 147 Abs. 1, 2 AktG). Klagerechte einzelner Aktionäre bestehen nur unter den Voraussetzungen des § 148 AktG, die in der Praxis freilich nur selten erfüllt sein werden.754 Daneben ist für eine actio pro socio des Aktionärs, verstanden als Befugnis, im Wege der Prozessstandschaft Sozialansprüche der Gesellschaft geltend zu machen, kein Raum.755 Ob der Aktionär wegen Kompetenzüberschreitungen zu Lasten der Hauptversammlung gegenüber Verwaltungsmitgliedern Ansprüche aus der Verletzung eigener Rechte geltend machen kann, hängt mangels einer in diesem Verhältnis bestehenden gesellschaftsrechtlich vermittelten Sonderverbindung davon ab, ob seine Mitgliedschaft gegenüber dem Handeln der Verwaltung nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geschützt ist. Nach der hier verfolgten, sogleich noch näher darzulegenden Ansicht ist dies jedoch zu verneinen. Schließlich kann das Fehlverhalten der Verwaltung auch einen Anlass für die Verweigerung der Entlastung bieten.756 b)  Ansprüche des Aktionärs gegen die AG Der Bundesgerichtshof hat an den in der Holzmüller-Entscheidung begründeten Klagerechten des Einzelaktionärs wegen Kompetenzüberschreitungen der Verwaltung stets festgehalten und seine Rechtsprechung insoweit bereits vor den Gelatine-Urteilen bestätigt bzw. auf eine weitere Konstellationen ausgedehnt.757 Auch in der Literatur kann es heute im Ergebnis ganz weitgehend als akzeptiert gelten, dass jedem Aktionär die Befugnis zukommt, gegen Kompetenzübergriffe der Verwaltung gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen.758 Konkret hat danach jeder Aktionär das Recht, die Aktiengesellschaft auf Unterlassung bzw. Beseitigung in Anspruch zu nehmen, wenn der Vorstand eine Maßnahme unter Missachtung der Kompetenzen der Hauptversammlung durchführt.759 Dieser Anspruch kann auch im Wege s. näher Lochner, in: Heidel, Aktienrecht, § 147 Rn. 3 ff., 10 ff. Nahezu einhellige Ansicht: s. etwa Spindler/Stilz/Casper Vor §§ 241 ff. Rn. 29; Hüffer/Koch, AktG, § 148 Rn. 2; Schwab, Prozessrecht, S. 111 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 408. 756 s. Liebscher, ZGR 2005, 1, 11. 757 In BGH NJW 1997, 2815, 2816 (Siemens/Nold) wird unter Bezugnahme auf das Holzmüller-Urteil obiter dictum davon ausgegangen, dass Klagerechte (Unterlassungsanspruch bzw. Feststellungsklage) des Einzelaktionärs für den Fall in Betracht kommen, dass der Vorstand bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss die durch den Ermächtigungsbeschluss gesetzten Grenzen überschreitet; bestätigt nach Gelatine in BGH DStR 2005, 2092 (Mangusta/Commerzbank II). 758 s. Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 316 („nahezu unstrittig“); Bayer, NJW 2000, 2609, 2610 f. Spindler/Stilz/Casper, AktG, Vor §§ 241 ff. Rn. 15; Flume, Jur. Person, § 8 IV 4 (S. 309 ff.); Habersack, Mitgliedschaft, S. 304 ff.; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 54; ders., DStR 1998, 533, 534 ff.; GroßkommAktG/Hopt § 93 Rn. 458; Großkomm­ AktG/Mülbert Vor §§ 118 – 147 Rn. 208 ff., 212 ff.; K. Schmidt, GesR, § 21 V 3 (S. 648 f.); Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 94; ausführlich Schwab, Prozessrecht, S. 5 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 425 ff.; tendenziell kritisch Grunewald, GesR, § 10 Rn. 214. 759 Ist die Maßnahme bereits durchgeführt und eine Rückabwicklung nicht möglich, bleibt allein die Feststellungsklage: s. MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 103; Sem754  755 

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des einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt werden.760 Dem damit erreichten Entwicklungsstand ist beizupflichten. aa)  Verbandsrechtlicher Begründungsansatz Dabei ist auch im Hinblick auf den Begründungsansatz dem durch den Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung eingeschlagenen Weg zu folgen. Danach ergibt sich der geltend zu machende Anspruch bereits auf verbandsrechtlicher Grundlage unmittelbar aus dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis zwischen Aktionär und Gesellschaft und ist dementsprechend auch in diesem Verhältnis geltend zu machen.761 Auch in der Literatur wird die Existenz eines solchen verbandsrechtlich begründeten Anspruchs unbeschadet einiger Streitigkeiten im Detail762 inzwischen fast allgemein akzeptiert.763 Die konkrete materiell-rechtliche Grundlage des Abwehranspruchs bildet dabei das mitgliedschaftliche Recht auf Teilhabe am Willensbildungsprozess.764

ler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 95 (auch zu den Problemen im Zshg. mit der Rückabwicklung). 760  s. OLG Hamm NZG 2008, 155, 156; ausführlich Markwardt, WM 2004, 211 ff., mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; s. daneben Liebscher, ZGR 2005, 1, 11; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 94. 761  s. BGHZ 83, 122, 133 f. 762  So geht etwa Schwab, Prozessrecht, S. 8 ff., 38 ff. davon aus, dass es um die Durchsetzung eines Primäranspruchs geht, der auf Erfüllung des Rechts auf Entscheidungsteilhabe gerichtet ist; die h.A. geht dagegen von einem Sekundäranspruch aus, der aus der Verletzung der Mitgliedschaft bzw. einzelner daraus fließender Rechte resultiert: s. z. B. Habersack, DStR 1998, 533, 535; K. Schmidt, GesR, § 21 V 3 a (S. 649); die inhaltlichen Konsequenzen der konstruktiven Unterschiede dürften in erster Linie darin liegen, dass das Klagerecht des Aktionärs bei Schwab von vornherein sachlich enger fokussiert ist (nämlich auf die Durchsetzung der Zuständigkeitsordnung), während die Vorstellung eines Abwehranspruchs gegenüber Beeinträchtigungen der Mitgliedschaft nicht zwingend auf Kompetenzverletzungen beschränkt ist; es kommt hier vielmehr noch darauf an, wie der Kreis der einem Individualklagerecht zugänglichen Verletzungen des Mitgliedschaftsrechts näher bestimmt wird. Soweit es – wie in dieser Arbeit – allein um Fragen der Zuständigkeitsordnung geht, dürften die Differenzen daher nicht zum Tragen kommen. 763 s. Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 316; Bayer, NJW 2000, 2609, 2610 f. Spindler/Stilz/ Casper, AktG, Vor §§ 241 ff. Rn. 15; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 54; ders., DStR 1998, 533 ff.; K. Schmidt, GesR, § 21 V 3 a (S. 648 f.); Schwab, Prozessrecht, S. 36; Zöllner, ZGR 1988, 392, 425 ff.; abweichend Wiedemann, Organverantwortung, S. 53 ff., der von einer organschaftlichen Mitgliedsklage ausgeht, bei der der Aktionär die Hauptversammlung repräsentiert und zu deren Lasten erfolgende Kompetenzübergriffe geltend macht, was einen Rückgriff auf „künstliche Individualrechte“ wie das Recht auf Entscheidungsteilhabe entbehrlich machen soll. 764 Vgl. Habersack, Mitgliedschaft, S. 297 ff.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 459 f., 474 f.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 426.

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bb)  Deliktsrechtlicher Begründungsansatz Offener ist die Diskussion, soweit es um die Frage geht, ob neben dem verbandsrechtlichen Anspruch auch deliktsrechtliche bzw. quasinegatorische Ansprüche nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB765 in Betracht zu ziehen sind.766 Praktische Bedeutung hat dies in erster Linie für Ansprüche im Verhältnis von Aktionären gegenüber den Organwaltern, weil es dort an einer Sonderverbindung fehlt und deswegen grundsätzlich767 allein gesetzliche Ansprüche zum Tragen kommen können.768 Der Diskussionsstand ist recht unübersichtlich. So wird von einigen Stimmen zunächst generell verneint, dass es sich bei der Mitgliedschaft um ein „sonstiges Recht“ i.S. von § 823 Abs. 1 BGB handele.769 Die überwiegende Ansicht entscheidet heute jedoch jedenfalls im Grundsatz anders.770 Innerhalb dieser Ansicht muss aber weiter differenziert werden: Die Rechtsprechung und mit ihr ein Teil der Literatur beziehen § 823 Abs. 1 BGB auch auf das Verbandsinnenverhältnis, d.h. auf das Ver-

765  Im Folgenden wir der Anspruch aus § 1004 BGB nicht mehr gesondert erwähnt; für ihn gilt im Ergebnis das gleiche wie für § 823 Abs. 1 BGB. 766  Vgl. übersichtsweise Spindler/Stilz/Casper, AktG, Vor §§ 241 ff. Rn. 15 ff.; MünchKommAktG/Spindler § 93 Rn. 303 ff. 767 Daneben sind Vorstöße im Schrifttum zu verzeichnen, die Mitglieder über das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in die zwischen einer Körperschaft und ihren Organwaltern geschlossenen Verträge einzubeziehen; vgl. dazu kritisch Habersack, Mitgliedschaft, S. 205 ff. 768 s. Bayer, NJW 2000, 2609, 2612; Spindler/Stilz/Casper, AktG, Vor §§ 241 ff. Rn. 18; Grunewald, GesR, 2 A VII 2 b (S. 222); Bedeutung auch für das Innenverhältnis gewinnt der Streit allerdings dann, wenn man auf verbandsrechtlicher Grundlage nur einen (verschuldensabhängigen) Schadensersatzanspruch für möglich hält, nicht aber einen (verschuldensunabhängigen) Beseitigungsanspruch: so namentlich Zöllner, ZGR 1988, 392, 428 f.; ähnlich auch Habersack, Mitgliedschaft, S. 5 f.; doch wird man einen solchen Beseitigungsanspruch durchaus auch auf mitgliedschaftlicher Basis aus der Treuepflicht des Verbandes begründen können: s. Reuter, AcP 197 (1997), 322, 323. 769 s. Hadding, in: FS Kellermann, S. 91, 104 f.; Helms, Schadensersatzansprüche, S. 76 ff., S.120 f. (zusammenfassend); Menke, Betätigung, S. 96 ff., 109 ff.; Schwab, Prozessrecht, S. 22 ff.; die genannten Autoren bestreiten auf einer vorgelagerten Ebene bereits, dass es sich bei der Mitgliedschaft (im Unterschied zu den einzelnen daraus fließenden Mitgliedschaftsrechten) überhaupt um ein subjektives Recht handele: Hadding, a.a.O., 91, 103 f.; Helms, a.a.O., S. 64 ff.; Menke, a.a.O., S. 105 ff.; Schwab, a.a.O., S. 19 ff. 770  s. BGH NJW 1990, 2877 f., 2879 f. (Schärenkreuzer) = BGHZ 110, 323, unter zweifelhafter Bezugnahme auf RGZ 100, 274, 278 und RGZ 158, 248, 255 (vgl. die zutreffende Kritik an der Absicherung der Feststellung, die Mitgliedschaft sei ein sonstiges Recht bei Hadding, in: FS Kellermann, S. 91, 99 ff.; Helms, Schadensersatzansprüche, S. 82 ff.); zumindest grundsätzlich für eine Qualifikation der Mitgliedschaft als sonstiges Recht auch Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Spindler/Stilz/Casper, AktG, Vor §§ 241 ff. Rn. 16; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 99; Habersack, Mitgliedschaft, S. 117 ff.; MünchKomm/Arnold § 38 Rn. 16; ders., in: FS Lange, S. 710 ff.; K. Schmidt, JZ 1991, 157, 158 ff.; ders., § 21 V 4 (651 f.); MünchKommAktG/Spindler § 93 Rn. 303; Wiedemann, Übertragung, S. 39.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

hältnis der Gesellschafter untereinander und gegenüber den Organen.771 Der wohl überwiegende Teil der Literatur teilt diese Ansicht dagegen nicht und bezieht den durch § 823 Abs. 1 BGB gewährten Schutz allein oder zumindest grundsätzlich nur auf das Verhältnis zu Dritten.772 Die hierfür gegebenen Begründungen variieren. Teilweise werden die besonderen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen gegenüber § 823 Abs. 1 BGB als abschließende Sonderregelung verstanden.773 Teilweise wird auch nur der Bestand des Mitgliedschaftsrechts als solcher für geschützt gehalten,774 der anders als die daraus abzuleitenden Einzelbefugnisse durch rechts- oder satzungswidrige Maßnahmen im Verbandsinnenverhältnis oft gar nicht betroffen ist. Ein etwas komplexeres Argument liefert Reuter:775 Zwar sei die Mitgliedschaft kein Herrschaftsrecht, doch ließen sich im Einzelfall auch andere als absolute Rechte unter das Tatbestandsmerkmal des „sonstigen Rechts“ subsumieren, wofür er exemplarisch auf Ehe und Elternrecht verweist, deren Schutz über § 823 Abs. 1 BGB anerkannt sei, obwohl es sich dabei nicht um Herrschaftsrechte handele. In ähnlicher Weise könne auch die Mitgliedschaft als ein sonstiges Recht erfasst werden, das aber wie die Ehe im Innenverhältnis nur relative Rechte und Pflichten produziere und deswegen nur gegenüber Dritten nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt sei. Im Ergebnis ist mit dem überwiegenden Teil der Literatur davon auszugehen, dass § 823 Abs. 1 BGB die Mitgliedschaft jedenfalls im Verbandsinnenverhältnis – d.h. gegenüber Mitgesellschaftern und Organwaltern – nicht schützt. Die Rechtslage lässt sich mit derjenigen im Rahmen einer Forderungsbeziehung vergleichen:776 771  s. BGH NJW 1990, 2877, 2878, 2879 f.; Bayer, NJW 2000, 2609, 2611 f.; Spindler/ Stilz/Casper, AktG, Vor §§ 241 ff. Rn. 18; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 54; ders., Mitgliedschaft, S. 117 ff., 171 ff., 297 ff. 772 s. Binge, Gesellschafterklagen, S. 62 ff., Grunewald, GesR, § 8 Rn. 78 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 141 f.; MünchKomm/Arnold § 38 Rn. 19; ders., in: FS Lange, S. 707, 721 ff.; ders., AcP 197 (1997), 322, 324 ff.; MünchKommAktG/Spindler § 93 Rn. 303 ff., 306 ff.; MünchKomm/Wagner § 823 Rn. 173; Wiedemann, Übertragung, S. 39; s.a. ders., GesR I, § 8 IV 2 (S. 464); Zöllner, ZGR 1988, 392, 430; s.a. Schwab, Prozessrecht, S. 33 (der aber auch schon die Qualifikation der Mitgliedschaft als subjektives und sonstiges Recht ablehnt); zweifelnd und mit Tendenz zu einer differenzierenden Lösung Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 II 4 e (S. 395 f.). 773  In diese Richtung Grunewald, Gesellschafterklage, S. 100; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 65; Wiedemann, Übertragung, S. 39; s.a. ders., GesR I, § 8 IV.1.c)dd) (S. 464); mit einem differenzierenden Ansatz zumindest für partiellen Vorrang des Gesellschaftsrechts Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 II 4 e (S. 395 f.). 774  Vgl. GroßkommAktG/Hopt § 93 Rn. 470 ff.; vgl. auch Binge, Gesellschafterklagen, S. 63; als sicherer Anwendungsfall des Schutzes nach § 823 Abs. 1 BGB herausgestellt wird die Bestandsvernichtung bei K. Schmidt, JZ 1991, 157, 159, der darüber hinaus aber auch noch Kompetenzübergriffe in die Teilhabezuständigkeiten erfassen möchte. 775 s. Reuter, in: FS Lange, S. 707, 710 ff., 721 ff.; ders., AcP 197 (1997), 323, 324 ff.; Münch­Komm/Reuter (6. Aufl.) § 38 Rn. 17 ff.; ähnlich MünchKomm/Wagner § 823 Rn. 172 f. 776 Vgl. zu dem nachfolgend geschilderten Gedankengang Helms, Schadensersatzansprüche, S. 103; Reuter, in: FS Lange, S. 707, 722; ders., AcP 197 (1997), 322, 329 f.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 430.

E.  Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen

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Forderungsverletzungen des Schuldners führen zum Eingreifen des Leistungsstörungsrechts, nicht aber zur Anwendbarkeit von § 823 Abs. 1 BGB, solange der Schuldner nicht außer der Forderung auch ein anderes, in § 823 Abs. 1 BGB genanntes Recht oder Rechtsgut verletzt. So ist etwa der Mieter, der die gemietete Sache beschädigt, nach § 823 Abs. 1 BGB für eine Eigentumsverletzung verantwortlich (vorbehaltlich der Verschlechterung im Rahmen des zulässigen Mietgebrauchs).777 Anders aber als die Eigentümerposition, die dem Mietverhältnis vorausliegt und unabhängig von diesem existiert, wird im Verbandsverhältnis die zu schützende Position durch dieses erst begründet.778 Insoweit wird zutreffend gesagt, dass das Mitgliedschaftsverhältnis die Rechte- und Pflichtenbeziehung des Mitglieds zum Verband ist und sich darin erschöpft. Für die Vorstellung, der Verein verletzte neben den aus der Mitgliedschaft resultierenden Rechten und Pflichten auch diese selbst, lässt dies keinen Raum.779 Selbst wenn man also die Mitgliedschaft gegenüber Außeneingriffen nach § 823 Abs. 1 BGB für geschützt hält, was immer noch erheblichen Zweifeln unterliegt,780 lässt sich dieser Schutz nicht sinnvoll auf das Innverhältnis erstrecken. Das vom BGH vorgebrachte und in der Literatur teils aufgegriffene Argument, auch sonst schließe die Existenz einer Sonderverbindung den Schutz des Deliktsrechts nicht aus, sondern modifiziere ihn allenfalls,781 geht daher an der Sache vorbei, weil vorausgesetzt wird, was erst nachzuweisen ist.782 Der Ausschluss des § 823 Abs.1 BGB trifft auch sachlich das richtige, weil auf diese Weise die differenzierten Vorgaben des Verbandsrechts nicht überspielt werden. Gerade im Hinblick auf Ansprüche von Aktionären gegenüber Verwaltungsmitgliedern wäre es kaum stimmig, wenn über die Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB, der vermittels des Begriffs des „sonstigen Rechts“ die Mitgliedschaft als zu schützende Rechtsposition ja nicht selbst schafft, sondern diese nur so aufgreifen kann, wie sie das Verbandsrecht zur Verfügung stellt, Anspruchsbeziehungen im Verhältnis von Verbandsmitglied zu Organwalter begründet, obwohl das Verbandsrecht selbst von der Ausbildung einer Sonderverbindung in diesem Verhältnis gerade absieht.783

777  Bsp. nach Zöllner, ZGR 1988, 392, 430; ähnlich auch Helms, Schadensersatzansprüche, S. 103; MünchKomm/Arnold § 38 Rn. 19. 778 s. Zöllner, ZGR 1988, 392, 430. 779  s. MünchKomm/Arnold § 38 Rn. 19; ders., in: FS Lange, S. 707, 722; Zöllner, ZGR 1988, 392, 430; dem folgend auch Helms, Schadensersatzansprüche, S. 103; MünchKomm/ Wagner § 823 Rn. 173; s.a. MünchKommAktG/Spindler § 93 Rn. 307. 780  Die Frage kann im Rahmen des hier verfolgten Untersuchungsanliegens letztlich offen bleiben; vgl. hinsichtlich der erheblichen Bedenken einer Einordnung als absolutes Recht bzw. Herrschaftsrecht die umfassende Problembehandlung bei Helms, Schadensersatzansprüche, S. 76 ff.; Menke, Betätigung, S. 96 ff., 109 ff.; Schwab, Prozessrecht, S. 22 ff. 781  s. BGH NJW 1990, 2877, 2278; Bayer, NJW 2000, 2609, 2612 m.w.N. 782 s. Reuter, in: FS Lange, S. 707, 722. 783  Vgl. auch Reuter, AcP 197 (1997), 322, 330.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

cc)  Mögliche Verletzungshandlungen In der Literatur ist zutreffend darauf hingewiesen worden, dass sich die Ansprüche des Aktionärs gegenüber der AG auf Wahrung der Kompetenzordnung nicht sinnvoll auf den Fall beschränken können, dass der Vorstand eine bestimmte Maßnahme vornimmt, ohne den für deren Durchführung erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss einzuholen.784 Genauso muss dem Aktionär ein Anspruch darauf zustehen, dass Maßnahmen unterbleiben, für die ein Hauptversammlungsbeschluss zwar eingeholt wurde, dieser aber ablehnend ausgefallen ist.785 Der Anspruch auf die Respektierung der Hauptversammlungskompetenzen setzt sich insoweit in dem Anspruch auf Respektierung der Hauptversammlungsentscheidungen fort.786 Dessen positive Seite liegt in der Verpflichtung des Vorstands, durch die Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossene Maßnahmen auch auszuführen (§ 83 Abs. 2 AktG). Als Kehrseite des Individualanspruchs gegen Kompetenzübergriffe erscheint es nur konsequent, auch von einem Individualrecht auf Vollzug wirksam gefasster Beschlüsse auszugehen.787 Denn auch dann, wenn der Vorstand eine durch die Hauptversammlung beschlossene Maßnahme nicht ausführt, obwohl er dazu verpflichtet ist, setzt er seine eigene Entscheidung an diejenige des zuständigen Organs und verletzt damit auch das Mitgliedsrecht des Aktionärs auf Entscheidungsteilhabe.788 dd)  Grenzen des Klagerechts Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung des Klagerechts ist mit dem Bundesgerichtshof davon auszugehen, dass die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG zwar nicht analog heranzuziehen ist, dass es aber unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Treuepflicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen kann, wenn der Aktionär erst nach Ablauf eines Zeitraums Rechtsschutz sucht, der zu der vorgenannten Frist ganz außer Verhältnis steht.789 c) Anfechtungsklage Holt der Vorstand dagegen die Zustimmung der Hauptversammlung ein, besteht die Möglichkeit der Anfechtung des Beschlusses, wenn dieser den Anforde784 

s. übersichtsweise Schwab, Prozessrecht, S. 11.

785 s. Habersack, Mitgliedschaft, S. 340; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 474 ff.;

Schwab, Prozessrecht, S. 11; Zöllner, ZGR 1988, 392, 415. 786 Eingängig Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 475. 787 s. Habersack, Mitgliedschaft, S. 339; daneben auch Binge, Gesellschafterklagen, S. 118 f.; Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 33; Schwab, Prozessrecht, S. 11; Zöllner, ZGR 1988, 392, 415 f. (positive Konsequenz aus der Holzmüller-Entscheidung). 788 s. Zöllner, ZGR 1988, 392, 416. 789  s. BGHZ 83, 122, 136; ebenso die ganz h.A. in der Lit.: s. etwa Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 54; Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rn. 94.

F. Ergebnisse

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rungen nicht genügt, die sich aus der Holzmüller-Doktrin ergeben.790 Dies betrifft namentlich die erforderliche qualifizierte Mehrheit – dies war die Konstellation der Gelatine-Entscheidungen –, die ausreichende Information der Hauptversammlung im Vorfeld des Beschlusses791 und schließlich die allgemeinen Anforderungen, die sich aus der Treuepflicht und dem Gleichbehandlungsgebot ergeben.792 Liegt ein (anfechtbarer) Beschluss vor, tritt die Holzmüller-Klage gegenüber der Anfechtungsklage als dem spezielleren Rechtsbehelf zurück.793 Es gilt dann insoweit nichts anderes als bei den gesetzlich geregelten Beschlusskompetenzen der Hauptversammlung.

F. Ergebnisse 1. Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft ist durch den Grundsatz der Machtbalance zwischen den Organen geprägt, der auf einer ausdifferenzierten und gesetzlich weitgehend zwingend festgelegten Zuständigkeitsverteilung aufsetzt. 2. Diese durch das Aktiengesetz 1937 eingeführte gesetzgeberische Grundentscheidung verwehrt den Rückgriff auf die Begründungsansätze für ungeschriebene Zuständigkeiten des Mitgliederorgans, die durch das Reichsgericht in den Entscheidungen Grubenbahn und Melasse und im Anschluss daran in der Literatur unter Rückgriff auf die Stellung der Generalversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan und ihre latente Allzuständigkeit entwickelt worden waren. Sie steht jedoch einer restriktiven Fortentwicklung der Hauptversammlungskompetenzen in Anlehnung an die geschriebenen Zuständigkeiten nicht entgegen. 3. Zentraler Ansatzpunkt für diese Fortentwicklung ist der Befund, dass mit der Ausbildung von Beteiligungen auf der Ebene der Obergesellschaft kompetenzrechtliche Verwerfungen der Zuständigkeitsordnung einhergehen, die die Rechte der Aktionäre bzw. der Hauptversammlung verkürzen und zu einem entsprechenden Machtzuwachs des Vorstands führen (Mediatisierungseffekt). Soweit dem Vorstand die Entscheidung über die Beteiligungsbildung uneingeschränkt zusteht, hat er es damit selbst in der Hand, gesellschaftsrechtliche Befugnisse der Aktionäre in eigene, wenn auch treuhänderisch-pflichtgebundene Kompetenzen zu überführen. Im Hinblick auf die damit verbundenen Gefahren für die Aktionäre unterlag der Gesetzgeber einer Anschauungslücke. 790 

s. Münch. Hdb. AG/Krieger § 70 Rn. 15. zu diesem sehr umstrittenen Themenkomplex übersichtsweise Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 52; MünchKommAktG/Kubis § 119 Rn. 54 ff., jeweils m.w.N. 792  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 51. 793 s. Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 316; Bayer, NJW 2000, 2609, 2612; Habersack, Mitgliedschaft, S. 228 f.; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 289 f. 791  s.

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§ 5  Referenzrahmen Teil 1: Die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft

4. Die unter dem Schlagwort des Mediatisierungseffekts zusammengefassten organisationsrechtlichen Auswirkungen der Beteiligungsbildung rechtfertigen es, derartige Maßnahmen nicht nur als Geschäftsführungsakte einzuordnen, sondern ihnen zugleich auch den Charakter von Strukturmaßnahmen zuzumessen. Dies öffnet die Verbindungslinien zu den gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen der Hauptversammlung. 5. Demgegenüber haben die mit der Beteiligungsbildung u.U. einhergehenden Einschränkungen der Leitungsbefugnisse des Vorstands für die Begründung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten keine selbständige Bedeutung. 6. Die Begründung einer ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung ist auf der geschilderten Grundlage allerdings erst dann gerechtfertigt, wenn die Mediatisierung des wesentlichen Teil des Vermögens der Gesellschaft betrifft. Die genaue Festlegung des Schwellenwerts ist dabei letztlich nur dezisionistisch durchzuführen. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Festlegung auf die dem Sachverhalt der Holzmüller-Entscheidung zugrunde liegende Größenordnung ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. 7. Die normative Verankerung der ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung kann im Wege einer (Teil-)Gesamtanalogie geleistet werden. Zumindest im Ergebnis bestehen keine nennenswerten Unterschiede zu der vom Bundesgerichtshof in den Gelatine-Entscheidungen bevorzugten offenen Rechtsfortbildung. 8. Die geschilderten Auswirkungen der Beteiligungsbildung auf die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft ergeben sich überall dort, wo zunächst unmittelbar gehaltene Vermögensgegenstände der Obergesellschaft gegen Gesellschaftsanteile getauscht werden. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beteiligungsbildung im Wege der Ausgliederung, der Bargründung oder des Dritterwerbs stattfindet. Gleiches gilt für den Ausbau von Beteiligungen durch Kapitalerhöhungen. Alle diese Fälle sind daher auch rechtlich gleich zu behandeln. 9. Bei Maßnahmen ohne Mediatisierungseffekt kommt die Annahme ungeschriebener Zuständigkeiten auf der Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin nicht in Betracht. 10. Gleiches gilt für Maßnahmen wie die Einbringung einer Tochtergesellschaft in eine andere Tochtergesellschaft im Wege einer Sachkapitalerhöhung („Verenkelung“). Denn eine solche Verenkelung weist keine hinreichende, mit der Beteiligungsbildung auf der ersten Stufe vergleichbare Mediatisierungswirkung auf. 11. Auch für Maßnahmen auf der Ebene der Tochtergesellschaft gelten die geschilderten Grundsätze. Sie können wie etwa eine Kapitalerhöhung unter Ausübung des Bezugsrechts durch die Muttergesellschaft einen Mediatisierungseffekt auslösen und unterliegen dann den gleichen Grundsätzen wie Ausgliederung,

F. Ergebnisse

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Bargründung oder Dritterwerb. Sofern dies aber nicht der Fall ist, kommt eine ungeschriebene Mitwirkungszuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft nicht in Betracht. 12. Die ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin können weder durch Satzungsregelung noch durch Hauptversammlungsbeschluss pauschal an den Vorstand delegiert werden. Auch für eine partielle Auflockerung der Zuständigkeitsordnung durch Ermächtigungsbeschluss nach dem Vorbild der Vorschriften über das genehmigte Kapital besteht kein Raum. 13. Für eine Inhaltskontrolle eines Hauptversammlungsbeschlusses, der auf der Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin erforderlich wird, besteht kein Anlass. 14. Werden die Mitwirkungsrechte der Aktionäre nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in der Form missachtet, dass überhaupt keine Beschlussfassung in der betreffenden Angelegenheit erfolgt, kann jeder einzelne von ihnen die AG auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch nehmen. Wird dagegen ein Beschluss gefasst, der den Anforderungen der Doktrin nicht genügt, verlagern sich die Rechtsschutzmöglichkeiten auf die Anfechtungsklage.

§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH Das Recht der GmbH folgt entsprechend seinem historischen Auftrag einem deutlich flexibleren Regelungsmodell als das Aktienrecht (A.). Dabei baut es im dispositiven Ausgangspunkt auf einem einfacheren Organisationsmodell auf (B.) und folgt auch im Hinblick auf die Kompetenzverteilung einem abweichenden Strukturprinzip, welches der Gesellschafterversammlung die Position als oberstes Gesellschaftsorgan zuweist (C.). Diese Grundentscheidung prägt die gesamte Zuständigkeitsordnung und führt im Ergebnis nach konventionellem Verständnis dazu, dass die Gesellschafterversammlung in einem viel weitergehenden Umfang als die Hauptversammlung der AG in die Entscheidungsprozesse der Gesellschaft einbezogen werden muss (D.). Dieser ganz anderen Ausgangslage ist es geschuldet, dass die Frage, ob sich die Holzmüller/Gelatine-Doktrin auch in das GmbH-Recht übertragen lässt, erst verhältnismäßig spät in den Blick gefasst und dann sehr kontrovers diskutiert worden ist (E.). Im Rahmen der Stellungnahme ist in erster Linie zu zeigen, dass der Mediatisierungseffekt auch im GmbH-Recht ein hinreichendes Gewicht trägt, um darauf die Ausbildung ungeschriebener Zuständigkeiten zu stützen (F.). Bei den abschließend zu betrachtenden Folgefragen stehen Überlegungen dazu im Mittelpunkt, ob das gegenüber dem Aktienrecht deutlich flexiblere Innenrecht der GmbH nicht zu Modifikationen führen muss, wenn es um die Frage der Zulässigkeit abweichender Regelungen geht (G.).

A.  Gesetzliches Leitbild Die im späten 19. Jahrhundert einsetzende rechtspolitische Diskussion um die Einführung einer neuen Gesellschaftsform für die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen oszillierte bekanntlich zwischen zwei Modellen: Einem individualistischen, welches die Einführung einer Personengesellschaft mit beschränkter Haftung im Sinn hatte,1 und einem kollektivistischen, das sich näher an die Aktiengesellschaft anzulehnen suchte.2 Letzteres hat sich zwar im Gesetzgebungsverfahren durchgesetzt.3 Doch war das Gesetz wegen der darin 1  Dieser Ansatz wurde vor allem durch den Entwurf des Abgeordneten Oechelhäuser repräsentiert; Nachdruck bei Schilling, in: FS Otto Kunze, S. 205. 2  s. näher Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 1, 4 ff.; Ulmer/Ulmer, GmbHG, Einl. A Rn. 3 ff. 3  Die Gesetz gewordene Fassung geht im Wesentlichen auf den zuständigen Referenten des Reichsjustizamts, Eduard Hoffmann, zurück: näher Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 1, 22 ff.

B. Organstruktur

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vorgesehenen privatautonomen Gestaltungsspielräume jedenfalls im Bereich des Innenverhältnisses von vornherein auch für die individualistische Nutzung durch „inkorporierte Mitunternehmergemeinschaften“ offen.4 Oechelhäuser hat dies als Berichterstatter für den 17. Deutschen Handelstag plastisch dahin beschrieben, der Entwurf finde Formeln, „worauf sich jede denkbare gesellschaftliche Variation, von der strengen Individualgesellschaft bis zu einer in ihrem Organismus vereinfachten Actiengesellschaft auf bauen lässt. Der ganze weite Raum zwischen der offenen Handelsgesellschaft und der Actiengesellschaft wird mit einmal überbrückt.“5 Die Praxis hat von der Gestaltungsfreiheit in der Folge überwiegend zur Verwirklichung von Zusammenschlüssen des personalistischen Typs Gebrauch gemacht.6

B. Organstruktur Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass die Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Grundmodell lediglich zwei Organe kennt.7 Umstritten ist hingegen, ob das zweite Organ neben dem Geschäftsführer in der Gesellschaftergesamtheit8 oder, was vorzugswürdig erscheint, in der Gesellschafterversammlung9 zu sehen ist.10 Größere praktische Bedeutung hat die Frage allerdings zumeist nicht.11 Aufgrund seiner größeren Flexibilität lässt das GmbH-Recht anders als das Aktienrecht auch die Einrichtung fakultativer Organe durch gesellschaftsvertragliche

4  s. Scholz/Westermann, GmbHG, Einl. Rn. 2 ff.; Wiedemann, GesR I, § 1 II 2 a (S. 28); s.a. Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 1, 22 ff. 5  Zitiert nach Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 1, 24. 6 s. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, Einl. Rn. 4; Fleischer, GmbHR 2008, 673, 674; Hüffer, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 531; Ulmer/Ulmer, GmbHG, Einl. A Rn. 8.; Wiedemann, GesR I, § 1II 2 a (S. 28). 7  s. nur Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 3; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, Vor. § 35 Rn. 2. Zudem mag man im Rahmen von § 15a Abs. 3 InsO auch den einzelnen Gesellschafter als (subsidiäres, auf einen einzigen Zweck beschränktes) Organ ansehen: vgl. Schürnbrand, Organschaft, S. 135 f. m.w.N. 8  So etwa Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner-Schnorbus, GmbHG, § 45 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 45 Rn. 2, 4; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 2; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 5. 9  Dafür etwa Hüffer, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 526 ff.; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 6; Schürnbrand, Organschaft, S. 128 ff.; Ulmer/Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. 28; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 4; auch die neuere Rspr. des BGH weist in diese Richtung: vgl. etwa BGH NJW 1997, 1338 ff. sowie BGH NJW 2006, 706 ff. 10  Ausführlicher Überblick über den Streitstand bei Hüffer, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 523 ff.; Schürnbrand, Organschaft, S. 123 ff. 11  s. Michalski/Römermann, GmbHG, § 45 Rn. 12; s. aber auch (mit praktischen Beispielen) Schürnbrand, Organschaft, S. 125 ff.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

Regelung zu.12 Möglich ist auf diese Weise etwa die Einrichtung eines Beirates auf organschaftlicher, nicht nur schuldrechtlicher Basis.13 Ebenso besteht die Möglichkeit, durch die Einrichtung eines Aufsichtsrats die Organstruktur der Aktiengesellschaft nachzubilden. Für die Einrichtung dieses fakultativen Organs sorgt das GmbH-Recht in § 52 GmbHG bereits vor.14 Unter spezialgesetzlich geregelten Voraussetzungen wird die Einrichtung eines Aufsichtsrats verpflichtend.15 Im Folgenden bleiben zusätzlich eingerichtete Organe, seien sie nun fakultativ oder obligatorisch, jedoch weitgehend außer Betracht. Denn die für diese Arbeit wesentlichen Probleme, die sich im Bereich der Kompetenzabgrenzung zwischen Mitgliederorgan und Verwaltung ergeben können, lassen sich in der Regel am Grundmodell aufzeigen.

C.  Grundlagen der Kompetenzverteilung Anders als das Aktienrecht kennt das GmbH-Recht für die Binnenorganisation eine klare Hierarchie: So ist allgemein anerkannt, dass es sich bei der Gesellschafterversammlung um das oberste Organ der Gesellschaft handelt.16 Ihre Basis findet diese Einschätzung in der Zuständigkeitsverteilung im gesetzlichen Regelfall. Danach ist für die Gesellschafterversammlung schon im Ausgangspunkt ein viel größerer Kompetenzbereich vorgesehen, als dies für die Hauptversammlung im Aktienrecht der Fall ist.17 Hinzu kommt, dass es an einer § 76 Abs. 1 AktG vergleichbaren Regelung fehlt, die die Geschäftsführung gegen die Einflussnahme der Gesellschafterversammlung durch Weisungen abschirmt, deren Zulässigkeit für das GmbH-Recht im Übrigen auch aus § 37 Abs. 1 GmbHG hervorgeht. Auch eine § 23 Abs. 5 AktG vergleichbare Regelung existiert nicht. Daher kann die gesetzliche Ausgangslage sogar noch weiter zugunsten der Gesellschafterversammlung 12 H.M., s. z. B. Ulmer/Hüffer, GmbHG. § 45 Rn. 14; Schürnbrand, Organschaft, S. 50 ff.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 13; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 3; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 17; für den zur Aktiengesellschaft geführten Streit s. bereits oben, § 5 B. 13 A.A. Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 635: zusätzliches Gesellschaftsorgan stets nur als Aufsichtsrat i.S. von § 52 GmbHG zulässig; dagegen überzeugend Schürnbrand, Organschaft, S. 51 f. 14  s. daneben auch §§ 29 Abs. 4, 35a Abs. 1, 42a Abs. 1 GmbHG. 15  Entsprechende Vorschriften finden sich vor allem im Mitbestimmungsrecht: vgl. nur Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG § 52 Rn. 2; s. aber auch § 18 Abs. 2 KAGB. 16  Einhellige Ansicht: vgl. etwa BGHZ 89, 48, 56; BGH NJW 1997 1985, 1986; BGH NZG 2004, 962, 964; Goette, AG 2006, 522; Grunewald, GesR, § 13 Rn. 55; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 15; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 45 Rn. 3; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 2; Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1286; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 5; ders., GesR, § 36 I 2 (S. 1068); Ulmer/Ulmer, ­GmbHG, Einl. A Rn. 28; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 7. 17  s. zu den umstrittenen Details aber näher sogleich, D.

D.  Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise

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modifiziert werden. Die Gesellschafter haben es damit anders als die Aktionäre der AG ganz weitgehend selbst in der Hand, über die Kompetenzen ihres Organs zu bestimmen. § 45 Abs. 1 GmbHG hält dies ausdrücklich fest. Die schwächere Stellung des Verwaltungsorgans zeigt sich auch noch auf einer anderen Ebene. Während der Vorstand der AG vom Aufsichtsrat gem. § 84 AktG für fünf Jahre bestellt wird und diese Bestellung nach § 84 Abs. 3 AktG nur aus wichtigem Grund widerrufen werden kann,18 fällt die Bestellung der Geschäftsführer nach § 46 Nr. 5 GmbHG unmittelbar in den Verantwortungsbereich der Gesellschafter, denen im gesetzlichen Regelmodell nach § 38 GmbHG auch die jederzeitige Möglichkeit eines Widerrufs offensteht.

D.  Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise Wegen der Gestaltungsspielräume, die das GmbH-Recht den Gesellschaftern einräumt,19 kommt es für die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung auf die gesetzliche Ausgangslage nur dann an, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht in zulässigerweise von ihr abweicht. Derartige Abweichungsmöglichkeiten und die damit verbundenen Sonderfragen sollen hier allerdings zunächst ausgeblendet werden.20 Die Darstellung konzentriert sich daher zunächst nur auf das Modell der gesetzlichen Kompetenzordnung aus zwingenden und dispositiven Regeln. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsordnung der GmbH ihrerseits im GmbH-Gesetz nur unzulänglich geregelt ist.21 Dementsprechend ist bereits die Ausgestaltung des Regelstatuts der GmbH in den Einzelfragen umstritten. Während das GmbH-Gesetz ausdrückliche Kompetenzzuweisungen zugunsten der Gesellschafterversammlung in größerer Zahl bereithält (I.), ist es bei der Ausgestaltung der Rolle des Geschäftsführers deutlich zurückhaltender (II.). Daraus resultiert ein kompetenzielles Dunkelfeld, das Raum für Streitigkeiten über die genaue Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung bereits im Bereich der Geschäftsführungsmaßnahmen eröffnet – d.h. deutlich vor der Schwelle, ab der sich von (satzungsändernde Mehrheiten erfordernden) Grundlagengeschäften sprechen lässt (III.).

18  § 84 Abs. 3 S. 2 AktG eröffnet den Gesellschaftern allerdings mittelbar die Möglichkeit der Einflussnahme. 19  s. nur § 45 Abs. 1 GmbHG. 20  Auf sie wird zurückzukommen sein, wenn es um die Frage geht, inwieweit die nachfolgend skizzierte Zuständigkeitsordnung (unter Einschluss der in das GmbH-Recht transferierten Holzmüller-Doktrin) einer Regelung im Gesellschaftsvertrag zugänglich ist: unten G. 21  s. Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 1.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

I.  Gesetzliche und gesetzesanaloge Kompetenzzuweisungen zugunsten der Gesellschafterversammlung Als unproblematisch erscheint zunächst die Frage der Zuständigkeit für diejenigen Maßnahmen, für die das GmbH-Gesetz ausdrückliche Kompetenzzuweisungen enthält.22 Hierzu gehören etwa die zwingend dem Gesellschafterorgan vorbehaltenen Entscheidungen über den Bestand der Gesellschaft (§ 60 GmbHG), über Änderungen des Gesellschaftsvertrages unter Einschluss von Kapitalmaßnahmen (§ 53 ff. GmbHG), sowie über Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz.23 § 46 GmbHG normiert darüber hinaus eine Reihe weiterer Zuständigkeiten, die allerdings von § 45 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich dispositiv gestellt werden. Daneben sind Analogien zum Aktiengesetz zu berücksichtigen. So ist nach der zutreffenden h.A. auch § 179a AktG auf die GmbH anwendbar.24 Gleiches gilt für § 293 Abs. 125 und Abs. 2 AktG.26 Die Anwendbarkeit von § 293 Abs. 2 AktG auf die GmbH wird allerdings von einem Teil der Literatur unter Hinweis darauf bestritten, diese Norm stelle in erster Linie eine Reaktion auf die Möglichkeit dar, dass außenstehende Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft gem. § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG in Aktien des herrschenden Unternehmens abzufinden sind.27 Diese Ansicht kann sich zwar auf die Begründung zum nie Gesetz gewordenen Regierungsentwurf von 1972 zum GmbH-Konzernrecht stützen.28 Neben der insoweit abweichenden Begründung zum Regierungsentwurf des Aktiengesetzes von 196529 spricht aber entscheidend gegen eine derartige Verengung des Normzwecks, dass § 293 22  s. für eine Auflistung spezialgesetzlicher Regelungen außerhalb des § 46 GmbHG Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rn. 72 ff. 23  Für die Verschmelzung ergibt sich die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung aus §§ 13 Abs. 1, 50 Abs. 1 UmwG, für die Spaltung aus § 125 i.V.m. §§ 13 Abs. 1, 50 Abs. 1 UmwG und für den Formwechsel aus §§ 233, 240 oder 252 UmwG. 24  s. etwa MünchKommGmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 1082; Scholz/Priester, ­G mbHG, § 53 Rn. 176; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG § 179a Rn. 4; MünchKommAktG/Stein § 179a Rn. 14; Ulmer/Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 43, 165 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 26; ders., ZGR 1992, 173, 185; obiter dictum auch BGH NJW 1995, 596. 25  Im Hinblick auf die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einer GmbH, die einen Unternehmensvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 AktG als verpflichteter Teil abschließt, ist lediglich umstritten, ob es bei der Dreiviertel-Mehrheit entsprechend §§ 293 Abs. 1 AktG, 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG sein Bewenden hat, oder ob darüber hinaus eine Zweckänderung vorliegt, die die entsprechende Anwendung von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB rechtfertigt: vgl. näher Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 293 Rn. 42 ff. m.w.N. 26  Ganz h.M.: s. BGH NJW 1989, 295, 297 f. (Supermarkt); NJW 1992, 1452, 1453; Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 194; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 293 Rn. 9, 36, 46; Hüffer/Koch, AktG, § 293 Rn. 17; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 53; Spindler/Stilz/Veil, AktG, § 293 Rn. 37. 27  s. namentlich MünchKommAktG/Altmeppen § 293 Rn. 104 f., 107 ff. m.w.N. 28  s. BT-Drucks. 6/3088, S. 211. 29  s. Begründung RegE bei Kropff, AktG 1965, S. 381, die in erster Linie auf die Verlustübernahmepflicht des § 302 AktG bzw. die Pflicht zur Sicherheitsleistung nach § 303

D.  Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise

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Abs. 2 AktG nach inzwischen wohl einhelliger Ansicht auch dann zur Anwendung gelangt, wenn in der Untergesellschaft überhaupt keine außenstehenden Aktionäre vorhanden sind, die in Aktien der Obergesellschaft abzufinden sein könnten.30 Daher ist mit Rechtsprechung und herrschender Ansicht davon auszugehen, dass der tragende Gesichtspunkt der Vorschrift des § 293 Abs. 2 AktG in den Risiken liegt, die sich aus der Obergesellschaft aufgrund des Vertragsabschlusses aus § 302 f. AktG ergeben. Da die Anwendung dieser Normen auch auf eine herrschende GmbH gesicherter Erkenntnis entspricht,31 ergibt sich für diese aus dem Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen folglich eine entsprechende Gefahrenlage, die dann auch die analoge Anwendung von § 293 Abs. 2 AktG rechtfertigt.

II.  Gesetzliche Kompetenzzuweisungen zugunsten der Geschäftsführer? Die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks erfordert regelmäßig die Vornahme rechtsgeschäftlicher und sonstiger Handlungen für die Gesellschaft. Beide Teilbereiche lassen sich unter dem Begriff der Geschäftsführung zusammenfassen.32 Ausführlicher befasst sich das GmbHG nur mit der Frage der Vertretung der GmbH im Rechtsverkehr. Für diese zu sorgen, erklärt es zur Aufgabe der Geschäftsführer, die es im Interesse des Rechtsverkehrs mit unbeschränkter Vertretungsmacht ausstattet. Dagegen fehlt es an einer Regelung, die die Geschäftsführer auch über den Sachbereich der Vertretung hinaus als Handlungsorgan der Gesellschaft ausweist. Ebenso wenig existiert eine ausdrückliche Regelung für die Geschäftsführungsbefugnis, d.h. die Frage, in welchem Umfang die Geschäftsführer von ihrer Vertretungsmacht Gebrauch machen oder sonst für die Gesellschaft handeln dürfen.33 Man wird jedoch auch ohne eine solche ausdrückliche Regelung unterstellen dürfen, dass das Gesetz von einer Konzeption ausgeht, bei der der Geschäftsführer nicht umsonst so genannt wird und jedenfalls mit einem Teilausschnitt aus dem

AktG abstellt und § 305 nur für den Fall erwähnt, dass überhaupt außenstehende Aktionäre vorhanden sind. 30  s. BGH NJW 1989, 295, 297 f.; NJW 1992, 1452, 1453. 31  §§ 302 f. AktG operieren nicht rechtsformspezifisch, sondern verpflichten den „anderen Vertragsteil“. Sie gelten daher unmittelbar auch für GmbH, wenn es sich bei der beherrschten Gesellschaft um eine AG oder KGaA handelt. Darüber hinaus entspricht die analoge Anwendung der Vorschriften auch auf GmbH, die Unternehmen anderer Rechtsform beherrschen, der h.M.: s. stellvertretend Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 302 Rn. 25 mit umfassenden Nachweisen. 32  s. Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider § 37 Rn. 3; für die GbR MünchKomm/Ulmer/Schäfer, § 709 Rn. 9; allgemein Flume, Jur. Person, § 10 II 1 (S 357); Wiedemann, GesR, § 10 II 1 (S. 525). 33 s. Grunewald, GesR, § 13 Rn. 54.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

Bereich der Geschäftsführungsaufgaben im weiten Sinn34 originär in dem Sinne betraut ist, dass er in diesem Bereich für die Gesellschaft Entscheidungen treffen kann und handeln darf, ohne dass eine Beteiligung der Gesellschafterversammlung erforderlich wird.35 Zutreffend wird dafür neben der gesetzlichen Bezeichnung des Organs36 auch auf § 37 Abs. 1 GmbHG verwiesen.37 Wenn das Gesetz in dieser Vorschrift zum Ausdruck bringt, dass sich die Geschäftsführer im Innenverhältnis an die Beschränkungen zu halten haben, die durch den Gesellschaftsvertrag oder ad hoc durch Beschluss der Gesellschafterversammlung festgelegt werden, ist dies nur vor dem Hintergrund einer an sich bestehenden Geschäftsführungsbefugnis verständlich.38 § 37 Abs. 1 GmbHG allein lässt allerdings keine zwingenden Rückschlüsse auf den konkreten Umfang dieser Geschäftsführungsbefugnis zu. Die Vorschrift ergibt Sinn vor dem Hintergrund einer umfassenden, ebenso wie vor dem einer inhaltlich beschränkten originären Geschäftsführungsbefugnis. Sie kann für sich genommen also auch die These, die Geschäftsführer müssten über eine „weitreichende“ Geschäftsführungsbefugnis verfügen, nicht überzeugend stützen.39

III.  Die Kompetenzabgrenzung im gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Bereich In Übereinstimmung mit dem Vorstehenden ist ganz anerkannt, dass es einen Bereich der Geschäftsführung geben muss, für den die Geschäftsführer bei der GmbH mit Regelstatut originär zuständig sind, in dem sie also tätig werden können, ohne dass dies eine wie auch immer geartete Beteiligung der Gesellschafterversammlung erforderlich macht. Unstreitig erstreckt sich dieser Bereich auf 34  In einem weiten Sinn gehören zur Geschäftsführung nicht nur die Maßnahmen der laufenden Verwaltung – insoweit wird z.T. auch der Begriff der Geschäftsführung im engen Sinn verwendet –, sondern auch die Bestimmung der Unternehmenspolitik und alle ungewöhnlichen Maßnahmen, die sich von der laufenden Verwaltung abheben: s. Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 2 f. 35  Mit „originär“ soll also nicht gesagt sein, dass ihnen diese Befugnis zur eigenverantwortlichen, d.h. weisungsfreien Wahrnehmung zugewiesen ist; vgl. auch Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 6. 36  So schon Feine, GmbH, § 36 I (S. 495). 37  s. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 28; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 16 f.; ebenso lässt sich auch auf § 35 GmbHG abstellen (s. Grunewald, GesR, § 13 Rn. 54 mit Fn. 1): Wäre die Vertretungsmacht des Geschäftsführers im Außenverhältnis nicht wenigstens in einem Teilausschnitt auch von der Geschäftsführungsbefugnis gedeckt, wäre er im gesetzlichen Grundmodell auf die Rolle eines bloßen Vollzugsorgans reduziert, was sich kaum sinnvoll begründen ließe. Ebenso wenig wie § 37 GmbHG (dazu sogleich im Text), stützt § 35 GmbHG aber einen Rückschluss auf den konkreten Umfang der Geschäftsführungsbefugnis. 38  s. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 28. 39  So aber Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 28.

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die laufenden Geschäfte (1.). Jenseits dieses Bereichs werden die Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis streitig diskutiert. Kristallisationspunkte bilden dabei die Begriffe der „Grundsätze der Geschäftspolitik“ (2.) und der „ungewöhnlichen Maßnahme“ (3.). Mit dem zweiten Schlagwort verbindet sich ein tragfähiger Ansatz, dessen Grundlagen nachfolgend näher zu analysieren sind (4.). Der Abschnitt schließt mit einem Blick auf den Begriff des Grundlagengeschäfts, auf den gelegentlich auch im GmbH-Recht zurückgegriffen wird, um Zuständigkeitsgrenzen zu markieren (5.). 1.  Laufende Geschäfte Einigkeit besteht im Ausgangspunkt darüber, dass jedenfalls Maßnahmen der laufenden Geschäftsführung in den originären Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung fallen.40 Die Geschäftsführer sind zwar auch in diesem Bereich der Geschäftsführung weisungsgebunden, müssen sich für ihr Tätigwerden aber eben nicht der vorherigen Zustimmung des Gesellschafterorgans versichern. 2.  Grundsätze der Geschäftspolitik Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik nicht zu den Kompetenzen der Geschäftsführung gehört, sondern in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt.41 Gestützt wird dies auf eine Gesamtschau verschiedener Kompetenznormen, deren Kreis aber nicht immer identisch bestimmt wird.42 Für diese Ansicht wird verbreitet auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs in Bezug genommen, in dem dieser – obwohl dies nach Lage

40  s. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 20; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 127 ff.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber § 37 Rn. 6; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 4; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 11; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 6. 41 s. Eisenhardt, in: FS Pfeiffer, S. 839, 842; Goette, DStR 1998, 938, 940, 942; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 124 ff.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 8; Ulmer/ Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 8; K. Schmidt, GesR, § 36 I 2 b (S. 1069), der die Änderung der Geschäftspolitik allerdings unter den Grundlagenentscheidungen aufführt; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider GmbHG, § 37 Rn. 5 ff., 10 m.w.N.; differenzierend Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 22 f.; s.a. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 8 (der eine solche Zuständigkeit zwar ablehnt, in den betreffenden Konstellationen aber i.d.R. eine Gesellschafterzuständigkeit für außergewöhnliche Maßnahmen für begründet hält). 42 Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, a.a.O., bezieht sich etwa auf § 46 Nr. 1, 5, 6, 7 GmbHG sowie die Pflicht der Geschäftsführer, solche Maßnahmen zu unterlassen, von denen anzunehmen ist, dass sie die Gesellschafter missbilligen werden; Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, a.a.O., nennt §§ 42a Abs. 2, 29 Abs. 2, 46 Nr. 5, 7, 49 Abs. 2 GmbHG; die gleiche Normenkette nur ohne § 49 Abs. 2 GmbHG wird angeführt bei Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 8, der sich dann in der Begründung aber auch auf § 49 Abs. 2 GmbHG stützt.

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des Falles gar nicht erforderlich gewesen zu sein scheint43 – festgestellt hat, dass Maßnahmen und Entscheidungen, die im Rahmen einer umfassenden Neuorientierung des Geschäftsbetriebs getroffen werden, schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht zur Zuständigkeit des Geschäftsführers gehören.44 Konkret ging es dabei um ein Software produzierendes Unternehmen, welches seine Datenverarbeitungsprogramme bislang in einer Art Symbiose auf einen einzigen Hardware-Hersteller zugeschnitten hatte und auch zusammen mit dessen Produkten vertrieb, dessen Geschäftsführer nun aber ohne Beschluss der Gesellschafterversammlung Maßnahmen eingeleitet hatte, die auf eine Öffnung für andere Herstellerfirmen abzielten.45 Die Vertreter der Gegenansicht46 verweisen vor allem auf die Abgrenzungsschwierigkeiten, die mit der Unterscheidung zwischen der Festlegung der Grundlagen der Geschäftspolitik und der Ausfüllung dieser Grundlagen einhergehen.47 So habe in der bisherigen Diskussion keinerlei Klarheit darüber erzielt werden können, was man unter den Grundsätzen der Geschäftspolitik überhaupt zu verstehen habe.48 Hiergegen wenden nun die Befürworter dieser Zuständigkeitskategorie ein, die Gesellschafter legten Umfang und Gegenstand der unternehmenspolitischen Grundsätze durch Beschlüsse fest. Dadurch werde eine Linie gezeichnet, aus der die Geschäftsführer entnehmen könnten, was zur Geschäftspolitik zähle.49 Sollte es im konkreten Fall tatsächlich Beschlüsse geben, die den Geschäftsführern eine Orientierung über die Grundsätze der Unternehmenspolitik ermöglichen, dürfte das Problem der Rechtsunsicherheit in der Tat entfallen. Allerdings wären die Geschäftsführer an solche Beschlüsse ohnehin gebunden, ohne dass man dazu an der Beschränkung ihrer originären Zuständigkeit ansetzen müsste. Auch wird man nicht davon ausgehen können, dass stets entsprechende Beschlüsse vorhanden sind, da das GmbH-Gesetz den Gesellschaftern eine dahingehende Verpflichtung nicht auferlegt.50 Für diesen Fall, d.h. dann, wenn die Gesellschafter die „unternehmens­ politische Kompetenz“ von sich aus nicht oder nur unvollständig wahrnehmen, soll dann allerdings auch wieder gelten, dass die Geschäftsführer selbständig aktiv 43  Es findet sich neben den das Urteil prägenden Ausführungen zu den Geschäftsführerkompetenzen im Regelstatut der Hinweis auf eine die konkrete Maßnahme erfassende Klausel im Gesellschaftsvertrag: s. BGH ZIP 1991, 509, 510 (r. Sp.). 44  s. BGH ZIP 1991, 509, 510 mit krit. Bespr. Kort, ZIP 1991, 1274; einschränkende Auslegung des Urteils bei Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 15. 45  s. BGH ZIP 1991, 509, 510. 46 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 8; Kort, ZIP 1991, 1274, 1276 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 13 f.; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 64 ff. 47 s. Kort, ZIP 1991, 1274, 1276; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 8; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 13; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 65 f. 48  s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 8. 49  s. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 8. 50  s. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 14.

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werden müssen und die Unternehmenspolitik formulieren und festsetzen sollen.51 Im Ergebnis wird unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit für die „Grundsätze der Geschäftspolitik“ also nicht mehr gesagt, als dass sich die Geschäftsführer an etwaige Gesellschafterbeschlüsse zu halten haben.52 Unter diesen Umständen erscheint es insgesamt vorzugswürdig, auf eine eigenständige Kategorie der „Grundsätze der Unternehmenspolitik“ ganz zu verzichten. Damit soll nicht gesagt sein, dass das eingangs geschilderte Urteil des Bundesgerichtshofs im Ergebnis unzutreffend entschieden ist. Denn das abrupte Abweichen von dem zentralen, langjährig praktizierten Geschäftsmodell wird i.d.R. die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen erforderlich machen.53 Insoweit lässt sich auch durchaus davon sprechen, dass die Gesellschafterversammlung unter dem Gesichtspunkt ihrer „Richtlinienkompetenz“ einbezogen werden muss. 3.  Ungewöhnliche („qualifizierte“) Geschäftsführungsmaßnahmen Sieht man von der Kategorie der „Grundsätze der Geschäftspolitik“ einmal ab, dann bildet der Terminus der „un- oder außergewöhnlichen“ Maßnahmen den Gravitationspunkt der Diskussion um die Frage, welche Grenzen der originären Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsleitungsorgans im Regelmodell gezogen sind. Die Orientierung an dieser aus dem Personengesellschaftsrecht stammenden Kategorie ist allerdings umstritten, was sich teils auch in abweichenden Begrifflichkeiten niederschlägt. Soweit es darum geht, diese Differenzen ohne implizite Festlegung mit einem neutralen Begriff zu überspannen, soll im Folgenden auch schlicht von „qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen“ gesprochen werden.54 Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind einleitend drei Konstellationen abzugrenzen, die teils in die Diskussion um qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen einbezogen werden, aus unterschiedlichen Gründen aber besser gesondert erfasst werden (a)). Im Übrigen betrifft die Diskussion Fragen ganz unterschiedlichen Ebenen liegen, was zunächst in einer einleitenden Zwischenüberlegung herauszuarbeiten ist (b)). Auf dieser Basis ist das Meinungsspektrum in Literatur (c)) und Rechtsprechung (d)) näher darzustellen. a)  Abzugrenzende Kategorien Die Diskussion um die Begrenzung der originären Befugnisse der Geschäftsführung wird dadurch erschwert, dass vor allem der Terminus der „ungewöhnlichen 51 s. Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 126; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 37 Rn. 8; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 8. 52  s.a. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 14. 53 Ebenso Jungkurth, Konzernleitung, S. 60; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber § 37 Rn. 11; s.a. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 15. 54  Anlehnung an die Begriffsbildung bei Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 8.

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Maßnahme“ manchmal als eine Art Sammelbegriff für eine Reihe von ganz unterschiedlichen Konstellationen eingesetzt wird, in denen das Geschäftsführung­sorgan in seinen Entscheidungsbefugnissen beschränkt ist.55 Zumindest drei Konstellation lassen sich dabei herausfiltern, weil für sie eigenständige Begründungsansätze existieren. Die weitere Diskussion wird dadurch nicht unerheblich entlastet.56 aa)  Zweck- oder gegenstandswidrige Maßnahmen Gelegentlich werden auch solche Maßnahmen zu den ungewöhnlichen gerechnet, die sich als zweck- oder gegenstandswidrig darstellen.57 Diese Gleichstellung von ungewöhnlichen und zweckwidrigen Maßnahmen hat im Recht der Personenhandelsgesellschaften wegen der ursprünglichen Gleichstellung beider Fälle in einer Vorläufervorschrift von § 116 HGB (Art. 103 ADHGB 1869) eine gewisse Tradition,58 entspricht aber auch dort nicht mehr der herrschenden Meinung.59 Derartige Maßnahmen sind schlicht satzungswidrig und dürfen schon aus diesem Grund von dem Geschäftsführer nicht vorgenommen werden. bb)  Verstöße gegen Grundsätze der Geschäftspolitik Auch Geschäfte die den von Gesellschafterversammlung festgelegten Grundsätzen der Geschäftspolitik widersprechen, sind nicht in der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahmen zu erfassen.60 Sie sind schlicht weisungswidrig und müssen aus diesem Grund unterbleiben.61 Da sich die in Teilen der Literatur postulierte Zuständigkeit für die „Grundsätze der Unternehmenspolitik“ bei genauerer Be-

55 Vgl. insoweit vor allem Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11; Scholz/U.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 15 ff.; ähnlich für das Recht der Personenhandelsgesellschaften auch Baumbach/Hopt, HGB, § 116 Rn. 2 (Gleichsetzung von ungewöhnlichen Geschäften und Geschäften, die außerhalb des Unternehmensgegenstandes liegen). 56  Vgl. auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 7. 57  s. etwa Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11; Meyer-Landrut/Miller, GmbHG, § 35 – 38 Rn. 74; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 17. 58  Art. 103 ADHGB ordnete für ungewöhnliche wie auch für zweckwidrige Geschäfte einen Beschluss sämtlicher Gesellschafter an; s. aus der älteren Literatur u. Rspr. z. B. noch RGZ 158, 302, 308; Lehmann/Ring, HGB (1902), S. 245; Staub, HGB (8. Aufl. 1906), § 116 Anm. 2; s. daneben aus der neueren Lit. Baumbach/Hopt, HGB, § 116 Rn. 2; K. Schmidt, GesR, § 47 V 1 c (S. 1392); Wiedemann, GesR II, § 8 II 2 (S. 692). 59  s. MünchKommHGB/Grunewald § 164 Rn. 9; MünchKommHGB/Jickeli § 116 Rn. 6; Schlegelberger/Martens, HGB, § 116 Rn. 5 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Drescher, HGB, § 116 Rn. 4; Schulze-Osterloh, in: FS Hadding, S. 637, 642 f.; Staub/Schäfer, HGB, § 116 Rn. 8; tendenziell auch Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 114 Rn. 5. 60  s. aber Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11; Meyer-Landrut/Miller, GmbHG, § 35 – 38 Rn. 74; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 18; U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 115. 61  Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn.

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trachtung in der Aussage erschöpft,62 dass die Geschäftsführung Weisungen der Gesellschafterversammlung beachten muss, ist eine weitergehende Abgrenzung zwischen der Kategorie der „Grundsätze der Geschäftspolitik“ und der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahmen nicht erforderlich. Davon abgesehen lässt auch im Hinblick auf ungewöhnliche Maßnahmen davon sprechen, dass diese die „Richtlinienkompetenz“ der Gesellschafterversammlung betreffen. cc)  Maßnahmen, bei denen mit Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen ist Daneben ist die Pflicht, die Gesellschafterversammlung mit einer Maßnahme zu befassen, heute nahezu allgemein auch für den Fall anerkannt, dass die Geschäftsführer mit dem Widerspruch der Gesellschafter rechnen müssen.63 Der zutreffende Grund für diese Vorlagepflicht ist in einer Vorwirkung des Weisungsrechts gem. § 37 Abs. 1 GmbHG zu sehen:64 Weil die Gesellschafterversammlung grundsätzlich dazu in der Lage wäre, ihren übergeordneten Willen gegenüber einer durch die Geschäftsführung geplanten Maßnahme per Weisungsbeschluss durchzusetzen, darf diese nicht gegen einen (mutmaßlich) entgegenstehenden Willen der Gesellschafterversammlung handeln. Zum Teil wird nun auch diese Konstellation den ungewöhnlichen Maßnahmen zugerechnet oder doch zumindest auf der gleichen dogmatischen Ebene mit ihnen verortet.65 Zwar lässt sich insoweit eine gewisse Verwandtschaft nicht abstreiten, weil in beiden Fällen die Vorwirkung des Weisungsrechts eine Rolle spielt.66 Gleichwohl scheint es aber unter systematischen Aspekten vorzugswürdig, solche Maßnahmen, bei denen mit einem Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen ist, in einer gesonderten Kategorie zu erfassen. Gründe dafür lassen sich jedenfalls auf der Tatbestandsseite finden; folgt man im Hinblick auf die Behandlung ungewöhnlicher (qualifizierter) Geschäftsführungs62 

s. o., § 6 B.D.III.2. z. B. BGH NJW 1984, 1461, 1462; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535; Roth/ A­ltmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 8; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 11; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 10; Roth, ZGR 1985, 265, 268; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 99 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 10. 64  s. neben Roth, ZGR 1985, 265, 268 z. B. noch Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 8; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 10; Ziemons, Haftung, S. 17; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 99 ff. 65 s. in dieser Richtung etwa Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 16; Scholz/K. Schmidt/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22; wohl auch Eisenhardt, in: FS Pfeiffer, S. 839, 843 f.; Vermengungstendenzen in der Rechtsprechung bei BGH NJW 1984, 1461, OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 544 und OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540; vgl. ausführlich zu dieser Kategorie mit umfassendem Überblick über das Meinungsspektrum Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 91 ff. 66  s. insoweit zur Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme noch ausführlich unten, § 6.D.III.4.c)dd). 63 Vgl.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

maßnahmen der h.M., die insoweit von einem positiven Beschlusserfordernis ausgeht, betreffen die Unterschiede darüber hinaus auch die Rechtsfolgenseite. Tatbestandlich mag zwar insoweit eine Verwandtschaft zur Fallgruppe der außergewöhnlichen Maßnahmen bestehen, weil sich gerade bei solchen Zweifel an der Billigung durch die Gesellschafter aufdrängen können.67 Im Einzelfall kann mit einem Widerspruch der Gesellschafter aber auch bei ganz gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen zu rechnen sein, die grundsätzlich nach allen Ansichten in den originären Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführungsorgans fallen. Denn auch hier steht den Gesellschaftern im Einzelfall ohne weiteres die Befugnis zu, ihrem abweichenden Willen durch einen Weisungsbeschluss verbindlich Ausdruck zu verschaffen (§ 37 Abs. 1 GmbHG).68 Umgekehrt muss auch nicht im Hinblick auf jede außergewöhnliche Maßnahme mit dem Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen sein. Tatbestandlich kommt es damit im Ergebnis also allein auf den erwarteten Widerspruch an, nicht auf den besonderen Charakter der Geschäftsführungsmaßnahme. Auf der Rechtsfolgenseite ist zu berücksichtigen, dass zumindest die herrschende Ansicht für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen von einem positiven Beschlusserfordernis ausgeht,69 die Mehrheit der Gesellschafter also für die geplante Maßnahme votieren muss. Auf der Basis eines zu erwartenden Widerspruchs lässt sich ein solches positives Beschlusserfordernis dagegen nach zutreffender Ansicht nicht begründen.70 Gehört die geplante Maßnahme grundsätzlich in die Zuständigkeit der Geschäftsführung, muss es vielmehr ausreichend sein, wenn den Gesellschaftern Gelegenheit gegeben wird, ihren Widerstand durch einen Gesellschafterbeschluss verbindlich zu artikulieren. In der Sache liegt darin dann ein Weisungsbeschluss i.S. des § 37 Abs. 1 GmbHG, gerichtet auf die Unterlassung der geplanten Maßnahme. Für einen solchen Beschluss bedarf es nach § 47 Abs. 1 GmbHG der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.71 Daraus folgt, dass in diesem Fall die Mehrheit der Gesellschafter gegen die Maßnahme votieren muss. Findet sich eine entsprechende Mehrheit nicht, hat auch die Befürchtung eines Widerspruchs keine Grundlage mehr. Es spricht dann nichts mehr dagegen, dass die Geschäftsführung ihre Kompetenzen nach ihren eigenen Vorstellungen wahrnimmt. auch Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 104. Umstritten ist lediglich, ob ihre Einflussnahme ein Ausmaß erreichen darf, welches die Geschäftsführer zu bloßen Vollzugsorganen ohne jede selbständige Befugnisse degradiert: vgl. Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 44 ff. m.w.N. 69  Dies gilt ungeachtet des im Einzelnen bestehenden Streits um die zutreffende Begründung eines solchen Beschlusserfordernisses und die genaue tatbestandliche Abgrenzung: s.u., § 6 D.III.3.b)aa). A.A. – auch bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen muss die Gesellschafterversammlung nur Gelegenheit zu ablehnenden Weisungen erhalten – namentlich Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 129 ff. Auch in diesem Fall rechtfertigen aber immer noch die Unterschiede auf der Tatbestandsseite die hier verfolgte Abschichtung. 70 s. Roth, ZGR 1985, 265, 268; vgl. auch Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 102 f. 71 Vgl. Roth, ZGR 1985, 265, 268. 67  Vgl. 68 

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Der Unterschied zeigt sich, wenn die Stimmen für und gegen die Maßnahme im Verhältnis 50:50 verteilt sind. Bestünde ein positives Beschlusserfordernis, müsste die Maßnahme unterbleiben. Kommt es nur darauf an, dass kein ablehnender Weisungsbeschluss erteilt wird, kann die Geschäftsführung die Maßnahme vornehmen, weil ein solcher mangels Mehrheit nicht zustande kommen kann. Dementsprechend kann die Befürchtung eines entgegenstehenden Gesellschafterwillens die Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers von vornherein nur dann beschränken, wenn damit zu rechnen ist, dass die Maßnahme mehrheitlich abgelehnt wird,72 wobei allerdings etwaigen Stimmverboten Rechnung zu tragen ist, so dass im Einzelfall auch der entgegenstehende Wille eines Minderheitsgesellschafters relevant werden kann.73 Insoweit wird zutreffend gesagt, dem mutmaßlich entgegenstehenden Willen könne kein größeres Gewicht zukommen, als dem geäußerten.74 Diese Zusammenhänge werden in Literatur und Rechtsprechung nicht immer klar genug gesehen. So hat der Bundesgerichtshof eine Geschäftsführerin deswegen zur Einholung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung für verpflichtet gehalten, weil sie an dieser Zustimmung gezweifelt hatte.75 Zur Begründung dieses Satzes führt der Bundesgerichtshof dann aber lediglich aus, ein Geschäftsführer dürfe seine Vertretungsmacht nicht gegen den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter gebrauchen.76 Ein entgegenstehender Wille der Gesellschafter war aber im konkreten Fall aber schon deswegen nicht zu besorgen, weil Zweifel allein an der Zustimmung eines von zwei mit je 50 % beteiligten Gesellschaftern bestanden.77 Entgegenzutreten ist daher auch allen Formulierungen in der Literatur, aus denen nicht eindeutig hervorgeht, dass nur ein mutmaßlich entgegenstehender Mehrheitswille relevant werden kann.78 Abschließend bleibt die wenig diskutierte Frage zu beantworten, unter welchen Umständen die Geschäftsführung von einem (mutmaßlich) entgegenstehenden Roth, ZGR 1985, 265, 268. des Erfordernisses, Stimmverboten Rechnung zu tragen, zutreffend OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540 f. (mit im Übrigen abzulehnender Annahme eines positiven Beschlusserfordernisses bei Maßnahmen, bei denen mit der Ablehnung der Gesellschafter zu rechnen ist; dazu noch sogleich im Text). 74 s. Spahn, AG 1988, 335, 339, im Anschluss an Roth, a.a.O. 75  s. BGH NJW 1984, 1461, 1462; es kam auf diesen Begründungsstrang allerdings nicht entscheidend an, weil der BGH einen positiven Gesellschafterbeschluss bereits unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme für erforderlich erachtete, s. eingehender unten, § 6.D.III.3.d)aa); abzulehnende Vermischung der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme und der Kategorie der Maßnahmen, bei denen mit dem Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen ist, bei OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540. 76  BGH, a.a.O. 77 Zutreffend Roth, ZGR 1985, 265, 268; ihm folgend Spahn, AG 1988, 335, 339 gegen OLG Frankfurt AG 1988, 335 (dieses seinerseits unter Berufung auf BGH NJW 1984, 1461). 78  Mit wünschenswerter Klarheit z. B. Roth/Altmeppen, § 37 Rn. 8 (wenn „mit dem Widerspruch einer Gesellschaftermehrheit zu rechnen“ ist (Hervorhebung hinzugefügt)); unklar dagegen z. B. Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 13 („Zweifel an Billigung“). 72 s.

73 Hinsichtlich

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Willen der Gesellschafterversammlung auszugehen hat. Eine klare Antwort auf diese Frage ergibt sich, wenn die Geschäftsführung positiv weiß, dass ein Mehrheitsgesellschafter eine bestimmte Maßnahme ablehnt. Ebenso dürfte die Sache liegen, wenn die Gesellschafterversammlung sich in der Vergangenheit bereits gegen vergleichbare Maßnahmen ausgesprochen hat und sich die Umstände nicht wesentlich verändert haben. In beiden Fällen ergeben sich belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschafterversammlung einen ablehnenden Weisungsbeschluss erlassen würde, wenn sie mit der Maßnahme befasst wäre. Jenseits vergleichbar belastbarer Anhaltspunkte sollte von einer Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis aufgrund eines entgegenstehenden Willens der Gesellschafterversammlung nicht ausgegangen werden. Bloße Zweifel an der Billigung eines Geschäfts durch die Gesellschafterversammlung können schon deswegen nicht genügen, weil derartige Zweifel selbst im Bereich gewöhnlicher Geschäfte kaum einmal ganz sicher ausgeschlossen werden können.79 Schon unter funktionellen Gesichtspunkten müssen daher an die tatbestandlichen Voraussetzungen der hier diskutierten Geschäftsführungsschranke strenge Anforderungen gestellt werden. b)  Systematisierende Zwischenüberlegung Wenn man es ganz allgemein und vom Ergebnis her formuliert, wird für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen über die Frage diskutiert, ob die Geschäftsführer auch dann, wenn diese vom Unternehmensgegenstand gedeckt sind, Beschränkungen zu beachten haben, die die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung erforderlich machen. Diese vorsichtige Formulierung „vom Ergebnis her“ ist deswegen angezeigt, weil ein Teil der Literatur auf dem Standpunkt steht, die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer sei innerhalb des Unternehmensgegenstandes unbeschränkt, gleichwohl aber unter Berufung auf § 49 Abs. 2 GmbHG für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen von einer Vorlagepflicht ausgeht. Auch darin liegt aber im Ergebnis eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis. Im Einzelnen stellen sich eine Reihe zwar nicht unverbundener, gedanklich aber doch voneinander zu trennender Fragen. Sie betreffend die rechtstechnische Ausgestaltung solcher Schranken (aa), ihre normative Absicherung (bb), sowie ihre tatbestandlichen Voraussetzungen (cc). aa)  Rechtstechnische Ausgestaltung von Geschäftsführungsschranken Die Geschäftsführungsbefugnisse des GmbH-Geschäftsführers sind im Ergebnis beschränkt, wenn er bestimmte Maßnahmen nur auf der Grundlage eines positiven Gesellschafterbeschlusses vornehmen darf. Gleich zu bewerten ist das (alternative) Erfordernis eines Freigabebeschlusses der Gesellschafterversammlung.80 Innerhalb dieser Fallgruppe lässt sich weiter danach fragen, wie das Ers. insoweit auch bereits Staub, GmbHG (1. Aufl., 1903), § 49 Rn. 6. auch Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 127; dies wird im Folgenden nicht mehr gesondert erwähnt. 79 

80  Vgl.

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fordernis eines positiven Gesellschafterbeschlusses für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen rechtskonstruktiv verankert wird. Man kann sich hierfür auf den Standpunkt stellen, die Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers sei insoweit von vornherein beschränkt, die betreffende Maßnahme liege daher von vornherein in der alleinigen Zuständigkeit der Gesellschafter. Insoweit ließe sich von einem echten Kompetenzvorbehalt sprechen, wie dies etwa auch für die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme i.S. des § 116 Abs. 2 HGB vertreten wird.81 Denkbar ist daneben aber auch das Modell eines Zustimmungsvorbehalts, wie es etwa § 111 Abs. 4 AktG zugrunde liegt. Auch auf diese Weise könnte das Erfordernis eines positiven Gesellschafterbeschlusses rechtskonstruktiv unterlegt werden. Im Hinblick auf weitere Rechtsfolgen jenseits des Erfordernisses eines positiven Gesellschafterbeschlusses kommt dieser Unterscheidung für das GmbH-Recht zwar keine besondere Bedeutung zu.82 Gleichwohl soll die Unterscheidung im Folgenden zunächst zugrunde gelegt werden, weil sich dies für die Erfassung des Meinungstandes in Literatur und Rechtsprechung anbietet. Daneben lässt sich von einer Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis im Ergebnis auch dann sprechen, wenn die Geschäftsführung vor der Verwirklichung einer Maßnahme diese der Gesellschafterversammlung vorlegen muss, um ihr die Gelegenheit zu geben, einen ablehnenden Weisungsbeschluss zu erlassen. Diese Variante soll im Folgenden in Anlehnung an die Begriffe des Kompetenz- und des Zustimmungsvorbehalts als „Vetovorbehalt“ bezeichnet werden. Zwar kann die Geschäftsführung in diesem Fall die betreffende Maßnahme vornehmen, wenn eine anderslautende Weisung ausbleibt, so dass sie in sachlicher Hinsicht grundsätzlich über die für die Vornahme dieser Maßnahme erforderliche Geschäftsführungsbefugnis verfügen muss. Doch ist dies eben nur eine Befugnis unter Vorbehalt, von der die Geschäftsführung nicht ohne vorherige Einschaltung des Mitgliederorgans Gebrauch machen darf. Auch hier ist also das rechtliche Dürfen der Geschäftsführung im Innenverhältnis – und mithin die Geschäftsführungsbefugnis – im Ergebnis als beschränkt anzusehen. Folgt man dieser Variante, liegt der wesentliche Unterschied zu den beiden zuvor geschilderten (Kompetenzvorbehalt; Zustimmungsvorbehalt) darin, dass die geplante Maßnahme nicht von einem Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung getragen sein muss. Ausreichend ist es vielmehr schon, wenn sich keine Mehrheit für eine Ablehnung findet. Damit gleicht dieser Vorbehaltstyp, soweit es um die Rechtsfolgenseite geht, der bereits geschilderten Kategorie der Maßnahmen, bei denen mit einem Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen ist.83

81 s. A. Hueck, OHG, § 10 II 6 (S. 123); Wiedemann, GesR II, § 8 II 2 (S. 692): Gesellschafter behalten „volle Zuständigkeit mit Eigeninitiative, Ermessensentscheid und Weisungsbefugnis“; tendenziell a.A. Schlegelberger/Martens, HGB, § 116 Rn. 3. 82  s. dazu noch ausführlich unten, § 6.D.III.4.c)bb). 83  s. zur Abgrenzung, die jedenfalls über die Tatbestandsseite bewerkstelligt werden kann, bereits oben, § 6 D.III.3.a)cc).

§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

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bb)  Normative Grundlagen ungeschriebener Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis Eingangs dieses Abschnitts hatten wir zunächst festgestellt, dass die im GmbHGesetz vorgegebene Grundstruktur es nahelegt, dass es einen originären Kompetenzbereich der Geschäftsführung geben muss, in dem die Geschäftsführung für die Gesellschaft tätig werden kann, ohne die Gesellschafterversammlung einbeziehen zu müssen.84 Wenn man dies als Ausgangspunkt akzeptiert, bedarf die weitere Annahme, dieser Bereich unterliege auch außerhalb des gesetzlich ausdrücklich geregelten Bereiches Beschränkungen zugunsten der Gesellschafterversammlung, eines normativen Anhaltspunktes oder allgemeiner einer Verankerung in der Systematik des GmbH-Gesetzes. Dies gilt für das Erfordernis eines positiven Gesellschafterbeschlusses (Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalt), aber ebenso auch für das Erfordernis einer bloßen Vorlagepflicht i.S. eines Vetovorbehalts. cc)  Tatbestandliche Voraussetzungen der Geschäftsführungsgrenzen Sofern man davon ausgeht, dass die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer auf irgendeine der zuvor geschilderten Weisen beschränkt ist, ist darüber hinaus zu diskutieren, ab welcher tatbestandlichen Schwelle diese Beschränkung greifen soll. Die Diskussion um diesen Fragenkreis beansprucht den wesentlichen Teil der Aufmerksamkeit, die dem gesamten Fragenkomplex in der Literatur gewidmet wird. c)  Das Meinungsspektrum in der Literatur Das Meinungsspektrum in der Literatur lässt sich ganz weitgehend auf den allgemeinen Nenner bringen, dass die Befugnisse der Geschäftsführung hinsichtlich der Vornahme qualifizierter Geschäftsführungsmaßnahmen auch ohne ausdrückliche Regelung in Gesetz oder Statut im Ergebnis – wie auch immer, warum auch immer – Beschränkungen unterliegen.85 Im Übrigen sind für alle vorstehend 84 

s. o., D.II. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 22 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 13; Eisenhardt, in: FS Pfeiffer, S. 839, 842 ff.; Grunewald, GesR, § 13 Rn. 56; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 ff.; ders., ZIP 1983, 383, 385; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 49 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 10 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 10 ff.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rn. 14 f.; Meyer-Landrut/Miller, GmbHG, §§ 35 – 38 Rn. 74; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 90 ff.; Roth, ZGR 1985, 265, 267 f.; ders./Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 7 f., § 49 Rn. 9; Ziemons/Jaeger/ Schindler, GmbHG, § 49 Rn. 39 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 115; Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22; Scholz/Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 15 ff.; Ziemons, Haftung, S. 14; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 129 ff. (s. zur Berechtigung der Einordnung Zitzmanns in den hier relevanten Zshg. noch sogleich, cc)(1)); Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11; s. für gleichlautende Stimmen aus der älteren Lit. noch unten, 85 Vgl.

D.  Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise

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aufgegliederten Einzelfragen Differenzen zu verzeichnen. Diese sind allerdings nicht immer einfach herauszupräparieren, weil in vielen Stellungnahmen auf eine differenzierte Erörterung der Thematik verzichtet wird und sich auch aus den in Bezug genommenen Referenzen nicht immer ein klares Bild ergibt. Die Verortung einzelner Stimmen innerhalb des Meinungsspektrums versteht sich daher ohne Absolutheitsanspruch. aa)  Rechtstechnische Ausgestaltung Die ganz überwiegende Anzahl der Stellungnahmen in der Literatur steht im Ergebnis auf dem Standpunkt, dass die Kompetenzen des Geschäftsführers bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen durch das Erfordernis eines positiven Gesellschafterbeschlusses beschränkt sind. Unter diesen Stimmen überwiegen wieder diejenigen, die das Beschlusserfordernis rechtskonstruktiv mit der Vorstellung eines Kompetenzvorbehalts verbinden.86 In diesem Sinn ist dann die Rede davon, dass außergewöhnliche Maßnahmen in die (gemeint ist: alleinige) Zuständigkeit der Gesellschafter fallen,87 oder, anders gewendet, dass sie sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Geschäftsführungszuständigkeit des Geschäftsführers halten.88 Daneben finden sich aber auch Bemerkungen, die eher auf einen Zustimmungsvorbehalt hindeuten.89 Es erscheint allerdings schwierig, an der bloßen Aussage, bestimmte Maßnahmen bedürften der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, konzeptionelle Unterschiede festzumachen. Denn es ist auch möglich, dass damit lediglich das Erfordernis eines positiven Gesellschafterbeschlusses bezeichnet sein soll, und dieses ergibt sich eben genauso, wenn man von einem Kompetenzvorbehalt ausgeht. An manchen Stellen scheinen mit dem Verweis auf ein Zustimmungserfordernis aber doch auch abweichende konzeptionelle Vorstellungen einherzugehen. Deutlich wird dies etwa an Formulierungen wie der, der Geschäftsführer müsse sich „auch im eigenen Zuständigkeitsbereich“ bei grundsätzlich bedeutsamen oder außergewöhnlichen Geschäften der Zustimmung der Gesellschafter vergewissern90 bzw. auch bei solchen Maßnahmen, die „eigentlich“

§ 6 D.III.4.a); a.A. – keine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnisse – Kort, ZIP 1991, 1274 ff. 86 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 22 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 13; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 124, 126 f.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 10; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 10; Scholz/ U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 15. 87  s. z. B. Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 13; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 15. 88  So z. B. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 10. 89 s. etwa Feine, GmbH, § 36 I (S. 495); Meyer-Landrut/Miller, GmbHG, §§ 35 – 38 Rn. 74; Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 84, 90; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 7; Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22; Ziemons, Haftung, S. 14, 20. 90  s. z. B. Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

in seiner Kompetenz liegen.91 Durch den Verweis auf den „eigenen Zuständigkeitsbereich“ oder die „eigentlich“ bestehende Kompetenz des Geschäftsführers wird deutlich, dass es dieser Ansicht nicht darum geht, für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen einen Kompetenzvorbehalt zu etablieren. Gleichzeitig weisen die verwendeten Formulierungen aber darauf hin, dass eine verbindliche Pflicht bestehen soll, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen.92 Insoweit erscheint es im Hinblick auf die rechtliche Konstruktion also gerechtfertigt, von Zustimmungsvorbehalten auszugehen. Von beiden Varianten abzugrenzen ist die Position von Axel Zitzmann. Dieser hat in der bislang einzigen monographischen Abhandlung der Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers die Ansicht vertreten, vorbehaltlich ausdrücklicher Beschränkungen durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Weisung stehe dem Geschäftsführer die Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich uneingeschränkt zu.93 Der von Zitzmann stark betonte Gegensatz zu den zuvor geschilderten Ansichten wird allerdings dadurch nicht unerheblich relativiert, dass er sehr wohl – wenn auch nur unter engen Voraussetzungen – von einer Vorlagepflicht für bestimmte herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen ausgeht.94 Zitzmann möchte diese Vorlagepflichten allerdings nicht als Regelung der Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführung verstanden wissen, sondern ordnet sie der Überwachungsfunktion der Gesellschafterversammlung zu.95 Der Klarheit halber ist darauf hinzuweisen, dass Zitzmann dies nicht im Sinne einer bloßen Informationspflicht versteht, die womöglich sogar auch nachgelagert erfüllt werden könnte. Vielmehr soll die Geschäftsführung die betreffenden Maßnahmen überhaupt nur vornehmen dürfen, nachdem sie sie der Gesellschafterversammlung vorgelegt hat.96 Dabei bezieht diese vorgelagerte Einbeziehung ihren Sinn gerade daraus, dass die Gesellschafterversammlung die Maßnahme auch untersagen kann.97 Es handelt sich bei Zitzmanns Position m.a.W. um das, was in der systematischen Zwischenüberlegung als Vetovorbehalt gekennzeichnet worden ist.98 Ein solcher Vetovorbehalt stellt sich nach dem hier vertretenen Verständnis und entgegen der Einschätzung von Zitzmann99 – der allerdings selbst einen Zustimmungsvorbehalt nicht als Beschränkung der

91 

So Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 90. s. Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22; dem folgend Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 84. 93 s. Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 63 ff.; eine Ausnahme will Zitzmann aber für solche Maßnahmen gelten lassen, die – auch nur mittelbar – in ausdrücklich geregelte Kompetenzen der Gesellschafter eingreifen, s. ders., a.a.O., S. 35 ff. 94 s. Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 129 ff. 95 s. Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 129 ff., 181 (zusammenfassend). 96 s. Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 156. 97 s. Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 156, 165, 181. 98  s. o., § 6 D.III.3.b)aa). 99  s. bereits oben, § 6 D.III.3.b)aa). 92 

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Geschäftsführungsbefugnis ansehen möchte100 – im Ergebnis aber sehr wohl als eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführungsorgans dar. Dies rechtfertigt es auch, Zitzmanns Position als eine bloße Variante unter den verschiedenen Standpunkten zur Ausgestaltung der Schranken zu verstehen, die für die Befugnisse des Geschäftsführers gelten. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die in der Literatur geäußerten Stellungnahmen zum Teil nicht unerhebliche Einordnungsprobleme aufwerfen. Dies gilt für die bereits erwähnte Aussage, es sei die „Zustimmung“ der Gesellschafterversammlung erforderlich,101 oder etwa dann, wenn nur von einer „Vorlagepflicht“ des Geschäftsführers die Rede ist, was sich mit allen drei Vorbehaltstypen vereinbaren lässt.102 Von Günter H. Roth wird, um ein komplexeres Beispiel zu nennen, die Ansicht vertreten, die Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer könne es gebieten, dass sie den Gesellschaftern bei „schwerwiegenden“ Angelegenheiten die Möglichkeit verschaffen, Weisungen zu erteilen, auch wenn sie „an sich“ in eigener Geschäftsführungszuständigkeit entscheiden könnten.103 Dies soll „vor allem“ dann der Fall sein, wenn die Geschäftsführer Maßnahmen ergreifen wollen, mit denen die Geschäftsführer mutmaßlich nicht einverstanden sind.104 Zugleich vertritt Roth aber auch die Ansicht, dass die Vornahme außergewöhnlicher Geschäfte die Befugnisse der Geschäftsführer übersteigt, so dass derartige Maßnahmen bereits aus diesem Grund einer Entscheidung durch die Gesellschafter bedürfen.105 Letzteres stellt einen klaren Hinweis auf das Erfordernis eines positiven Gesellschafterbeschlusses dar, wie er sich mit der Vorstellung eines Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalts verbindet, und bildet daher keine Besonderheit.106 Auch der Hinweis auf das Erfordernis, Gelegenheit zu Weisungen zu geben, wenn die Gesellschafter mit einer Maßnahme mutmaßlich nicht einverstanden sind, lässt sich innerhalb der bislang zugrunde gelegten Systematik verorten.107 Diese relativ klare Linie wird aber verwischt, soweit Roth generell davon spricht, bei „schwerwiegenden“ Maßnahmen könne es die Sorgfaltspflicht gebieten, den Gesellschaftern Gelegenheit zu Weisungen zu gewähren und soweit er diese Konstellation darüber hinaus in Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 164 u. passim. Hier kann trotz Erwähnung des Wortes „Zustimmung“ unklar bleiben, ob ein Kompetenz- oder ein Zustimmungsvorbehalt verfolgt wird. 102  s. z. B. Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 37 Rn. 11. 103 s. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 9. 104 s. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 9. 105 s. Roth/Altmeppen, § 49 Rn. 9. 106  Die konkrete Formulierung deutet auf die Annahme eines Kompetenzvorbehaltes hin; an anderer Stelle äußert sich Roth dagegen eher im Sinne eines Zustimmungsvorbehalts: s. ders./Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 7; die Unterschiede zwischen den beiden Vorbehaltstypen fallen im GmbH-Recht aber letztlich nicht ins Gewicht: s.u., § 6 D.III.4.c)aa) und bb). 107  Es handelt sich dabei um eine gesondert von den qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen zu erfassende Fallgruppe, die auf die Vorwirkung des Weisungsrechts zurückzuführen ist: s.o., § 6 D.III.3.a)cc). 100 s. 101 

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eine (unklare) Beziehung zum Fall der mutmaßlichen Ablehnung setzt. Dies wirft zahlreiche Fragen auf. Sollen „schwerwiegender“ Charakter einer Maßnahme und mutmaßliche Ablehnung miteinander korrespondieren? Ist die mutmaßliche Ablehnung nur dann relevant, wenn es sich um eine schwerwiegende Maßnahme handelt? Kann eine schwerwiegende Maßnahme umgekehrt auch dann vorlagebedürftig sein, wenn keine Anhaltspunkte für eine mutmaßliche Ablehnung bestehen? Wie unterscheiden sich „schwerwiegende“ und „außergewöhnliche“ Maßnahmen, für die ja ohnehin ein positiver Gesellschafterbeschluss erforderlich ist? Kann es sinnvoll sein, unterhalb der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme, die einen positiven Gesellschafterbeschluss erforderlich macht, noch eine Kategorie der schwerwiegenden Maßnahme zu etablieren, bei denen den Gesellschaftern die Möglichkeit eines ablehnenden Weisungsbeschlusses eröffnet werden muss? Mangels klarer Positionierung Roths muss eine nähere Auseinandersetzung mit allen diesen Fragen unterbleiben. bb)  Normative Grundlagen Die normative Begründung für die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnisse des GmbH-Geschäftsführers fällt in der Regel recht knapp aus.108 Auch die Verbindungslinien zu den historischen Wurzeln der Diskussion erscheinen weitgehend gekappt.109 Manchmal wird die Existenz von Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis mehr vorausgesetzt als erklärt.110 Wo sich Erklärungsansätze finden, sind sie nicht immer nachvollziehbar.111 Soweit Normen genannt werden, dominieren die Verweise auf § 49 Abs. 2 GmbHG.112 Teils im Zusammenhang mit § 49 Abs. 2 GmbHG, teils als für sich stehenden Ansatz finden sich aber auch Be108  Eingehende Behandlung der Thematik aber bei Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 85 ff., 107 ff. 109  s. aber auch Hommelhoff, ZGR 1978, 123 f., 126 f.; Jansen, Konzernbildungskontrolle, S. 344 ff.; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 107 ff.; vgl. zum frühen Schrifttum auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 506 ff. 110  s. z. B. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 10 f.; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 15 ff. 111  Zirkelschlüssig z. B. Meyer-Landrut/Miller, GmbHG, §§ 35 – 38 Rn. 70, 73 f., der zunächst einen Kompetenzvorbehalt für die Grundzüge der Unternehmenspolitik begründet und sich dabei u.a. darauf stützt, dass die Geschäftsführungsbefugnis auf gewöhnliche Handlungen beschränkt sei, um dann anzufügen, aus dieser Kompetenz für die Grundzüge der Unternehmenspolitik folgten „notwendigerweise“ weitere Schranken für die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer, namentlich im Bereich ungewöhnlicher Maßnahmen. 112  Vgl. etwa Eisenhardt, in: FS Pfeiffer, S. 839, 842 ff.; Ettinger/Reiff, GmbHR, 2007, 617, 618 f.; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 49 Rn. 20; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 123, 127; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 10; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rn. 14; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 8; Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 91; Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 20, 22; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11.

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zugnahmen auf die nachgeordnete Stellung des Geschäftsführers im Kompetenzgefüge der GmbH.113 Daneben wird aber auch auf § 49 Abs. 2 GmbHG als alleinigen Begründungsansatz abgestellt.114 Unternimmt man den Versuch, diesen etwas diffusen Befund anhand der drei Vorbehaltstypen zu ordnen, ergibt sich das folgende Bild: Soweit von einem echten Kompetenzvorbehalt ausgegangen wird, finden sich häufig Hinweise auf das allgemeine Kompetenzgefüge, womit offensichtlich das Ziel verfolgt wird, die These von der Kompetenzbeschränkung abzusichern. Daneben beziehen sich die Vertreter des Kompetenzvorbehalts oft aber gleichzeitig auch noch auf § 49 Abs. 2 GmbHG. Wo die Ansicht verfolgt wird, die Geschäftsführungsbefugnis stehe dem Geschäftsführer uneingeschränkt zu, gleichwohl könne aber für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich werden, wird dies offenbar allein auf § 49 Abs. 2 GmbHG gestützt. Das gleiche gilt für die Annahme eines Vetovorbehalts. cc)  Tatbestandliche Voraussetzungen Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für das Erfordernis eines positiven Gesellschafterbeschlusses bzw. für die Pflicht, Gelegenheit zur Fassung eines ablehnenden Gesellschafterbeschlusses zu geben, findet sich in der Literatur ein breites Meinungsspektrum. Wo etwa terminologisch an die in § 116 HGB angelegte Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Maßnahmen angeknüpft wird, deutet sich damit zumeist bereits auch eine inhaltliche Weichenstellung an, nämlich die mehr oder weniger enge Orientierung an den für die Anwendung der handelsrechtlichen Vorschrift erarbeiteten Abgrenzungskriterien.115 In diesem Sinne werden ungewöhnliche Maßnahmen dahin beschrieben, dass sie wegen ihrer Bedeutung für Gesellschaft oder Gesellschafter oder ihres unternehmerischen Risikos Ausnahmecharakter haben.116 Die Parallelität dieser Formulierung zur Definition des ungewöhnlichen Geschäfts im Recht der Personenhandelsgesellschaften liegt dabei auf der Hand.117 An konkreten Beispielen nennt das GmbH-rechtliche 113  s. z. B. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 10; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 124; vgl. daneben noch Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 88 f. m.w.N. 114  s. Michalski/Römermann, GmbHG, § 84, 90 ff.; Scholz/Seibt, § 49 Rn. 22; Ziemons, Haftung, S. 14 ff; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 129 ff. 115 s. etwa mit nicht unerheblichen Unterschieden im Einzelnen Roth/Altmeppen, ­GmbHG, § 37 Rn. 23; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 123; ders., ZIP 1983, 383, 385; Ulmer/ Hüffer, GmbHG, § 49 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 10 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 11; Roth, ZGR 1985, 265, 267 f.; Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22. 116 s. etwa Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 19; s.a. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/ Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 12. 117  Vgl. zu § 116 HGB nur RGZ 158, 302, 308; BGH BB 1955, 143; BGH NJW 1980, 1463, 1464; OLG Köln NJW-RR 1995, 547, 548; MünchKommHGB/Jickeli, § 116 Rn. 8 ff., 17.

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Schrifttum etwa den Verkauf eines bedeutenden Betriebs- oder Betriebsteils, die Gewährung eines großen Kredits, die Beteiligung eines stillen Gesellschafters, die Übertragung von Anteilen an wesentlichen Tochtergesellschaften oder Maßnahmen der Beteiligungsbildung durch Ausgliederung oder Beteiligungserwerb.118 Im Übrigen findet sich nicht selten der Hinweis, allgemeingültige Kriterien ließen sich nur schwierig aufstellen.119 Daneben existiert auch eine Ansicht, vertreten etwa durch Paefgen und Zöllner/ Noack, die die originären Kompetenzen der Geschäftsführer weiter fassen will und die sich deswegen ausdrücklich dagegen ausspricht, auf die für § 116 HGB entwickelten Maßstäbe zurückzugreifen.120 Um auch die terminologische Nähe zum Personengesellschaftsrecht zu meiden, wird insoweit z.T. statt von außer- oder ungewöhnlichen Maßnahmen auch von „grundlegenden“ Maßnahmen gesprochen.121 Gleichwohl soll auch hier die Geschäftsführungsbefugnis gewissen Grenzen unterworfen sein. Für deren Bestimmung soll aber – jedoch mit nicht unerheblichen Abstrichen – auf die Anforderungen zurückzugreifen sein, die der Bundesgerichtshof für die Mitwirkung der Hauptversammlung in den Gelatine-Entscheidungen aufgestellt hat.122 Die Distanz zur Gegenansicht ist allerdings nicht leicht zu halten, wenn man sich erst einmal dafür entscheidet, Abstriche zuzulassen und die Kategorie der grundlegenden Maßnahmen auch für solche unterhalb der Holzmüller/ Gelatine-Schwelle zu öffnen. So formuliert etwa Paefgen, auch weniger gravierende Entscheidungen seien den Gesellschaftern vorzulegen, wenn es sich um „unvorhergesehene Prinzipienfragen handelt, denen aufgrund ihres Ausnahmecharakters besondere Bedeutung für die unternehmerische Risikoeinschätzung zukommt, so dass sich den Geschäftsführern ernsthafte Zweifel aufdrängen müssen, ob die Gesellschafter ihnen ein Geschäft dieses Zuschnitts zur eigenverantwortlichen Entscheidung überlassen wollten.“123 Dies ist von den gängigen Definitionen der

118  Vgl. den Überblick bei Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 19; zur Zuständigkeit bei Unternehmens(ver)käufen s.a. Haas/Müller, GmbHR, 2004, 1169, 1174 ff.; zur Beteiligungsbildung s. vorläufig nur Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 42 ff. sowie näher unten mit umfassenden Literaturnachweisen § 6 E. 119  s. etwa Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 11; differenzierend nach den im Unternehmen geübten Gepflogenheiten Roth/Altmeppen, ­GmbHG, § 37 Rn. 23. 120  s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 12. 121  s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9. 122 s. etwa Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, ­GmbHG, § 37 Rn. 11; gegen eine Differenzierung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Geschäften auch Wiedemann, GesR I, § 6 III 2 mit Fn. 24 (S. 336). 123  s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; vgl. auch bereits in der Vorauflage Hachenburg/Mertens, § 37 Rn. 10.

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ungewöhnlichen Maßnahme nicht mehr weit entfernt.124 Praktisch kaum besser zur Abstandswahrung geeignet ist die Formel, „nur das für die Gesellschafter Unvorhergesehene und nicht Erwartete“ sei zwingend vorlagepflichtig.125 Denn auch dabei handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der für die Abgrenzung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Geschäften im Rahmen von § 116 HGB von wesentlicher Bedeutung ist.126 Blickt man auf die Einzelableitungen aus diesen beiden Alternativformeln, soll danach etwa die Durchführung einer Due Diligence durch einen potentiellen externen Erwerber von Anteilen,127 die Veräußerung des Unternehmens oder wesentlicher Teile desselben, sowie die Ausgliederung solcher Unternehmensteile – vorbehaltlich der Ausgliederung auf eine hundertprozentige Tochtergesellschaft – der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen.128 Aber auch die BGH NJW 1984, 1461 zugrunde liegende Sachverhaltsgestaltung wird als positives Beispiel in Bezug genommen.129 Neben der genauen Abgrenzung zur Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme geht mit der Positionierung von Paefgen und Zöllner/Noack ein weiteres Problem einher. Die ausdrückliche Bezugnahme auf die Holzmüller-Doktrin wirft nämlich die von ihnen nicht aufgegriffene Frage auf, ob diese damit insgesamt in Bezug genommen sein soll, und das heißt insbesondere nicht nur hinsichtlich ihrer zuständigkeitsbegründenden Funktion, sondern auch hinsichtlich der von ihr geforderten Mehrheit. Jedenfalls dann ginge es den Autoren inhaltlich nicht mehr um Zuständigkeitsabgrenzungen im Bereich der Geschäftsführung und damit um die Thematik, die traditionell im Rahmen der Abgrenzung von gewöhnlichen und ungewöhnlichen Entscheidungen und Maßnahmen verhandelt wird. Vielmehr stünde dann – legt man die Position der Rechtsprechung zugrunde – die Bestimmung von Grenzen in Rede, deren Überschreiten die Qualität der betreffenden Maßnahme in die Nähe einer Satzungsänderung und aus diesem Grund aus der Zuständigkeit der Geschäftsführung rückt. Zugleich würde dies bedeuten, dass die betreffenden Autoren mit der Übertragung in das GmbH-Recht auch die Doktrin selbst – jedenfalls gemessen an ihrem Verständnis durch Rechtsprechung und h.M. post Gelatine – transformieren wollten, wie sich an der Ausdehnung des Kreises der einbezogenen 124  Dies sieht auch Paefgen, a.a.O., und verweist (in Fn. 20) auf die ähnlichen Formulierungen u.a. bei Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider und Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, jedoch ohne zu thematisieren, ob dadurch nicht die eigentlich intendierte Abgrenzung zu der Position dieser Autoren in Frage gestellt wird. 125  So Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11, die daneben auch sagen, die geplante Maßnahme müsse mit besonderem Risiko verknüpft sein oder substantiell in die Rechte der Gesellschafter eingreifen; unklar bleibt aber, wie sich dies zur Kategorie des „Unvorhergesehenen u. nicht Erwarteten“ verhält. 126  s. nur MünchKommHGB/Jickeli § 116 Rn. 8. 127 s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; ebenso Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11. 128  s. Ulmer/Paefgen, a.a.O. 129  s. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11; s. dazu noch näher sogleich, § 6 D.III.3.d).

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Maßnahmen unterhalb der Gelatine-Schwelle bzw. auf nicht mediatisierende Maßnahmen wie Beteiligungsveräußerungen zeigt. Auf diese und ähnliche Abgrenzungsprobleme wird noch unter systematischen Aspekten in einem gesonderten Abschnitt zurückzukommen sein (unten, E.II. u. III.). Weitere Varianten für die Bestimmung des Auslösungskriteriums für eine Vorlagepflicht finden sich bei Zitzmann, der unter Anknüpfung an § 49 Abs. 3 GmbHG eine Vorlagepflicht nur in solchen Fällen annehmen möchte, in denen eine durch die Geschäftsführung geplante Maßnahme zum Verlust der Hälfte des Stammkapitals führen könnte,130 sowie bei Ziemons, die unter Anknüpfung an § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG eine Vorlage für erforderlich hält, wenn die Maßnahme für Rentabilität und Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein könnte.131 d)  Überblick über die neuere Rechtsprechung Die frühesten Vorläufer der GmbH-rechtlichen Rechtsprechung liegen in der aktienrechtlichen Rechtsprechung des Reichsgerichts (Grubenbahn und Melasse).132 Auf diese Verbindungslinie wird noch zurückzukommen sein.133 Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich zunächst auf die Rechtsprechung zum GmbHG. aa)  Einschlägige Judikatur Soweit ersichtlich findet die These, dass die Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers gewissen Beschränkungen unterliegt, erstmals in einem Urteil des OLG München aus dem Jahr 1940 Eingang in die Rechtsprechung zum ­GmbH-Gesetz.134 In diesem Fall ging das OLG gestützt auf § 49 Abs. 2 GmbHG davon aus, dass der Geschäftsführer einer GmbH die von ihm betriebene kostenintensive Sanierung eines später zwangsversteigerten Anwesens, das im Wesentlichen den einzigen Vermögensgegenstand der Gesellschaft darstellte, von der Gesellschafterversammlung hätte genehmigen lassen müssen, weil es sich dabei um ein bedeutendes Geschäfts gehandelt habe, welches aus dem Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebs herausfällt.135 In der Sache liegt darin eine deutliche Anlehnung an die Definitionen, wie sie auch für die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme verwendet werden. Rechtskonstruktiv scheint das OLG München den verwendeten Formulierungen nach von einem Zustimmungsvorbehalt auszugehen.

Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 160 ff. Ziemons, Haftung, S. 16. 132  RGZ 35, 83 (Grubenbahn); RG Holdheims Monatsschrift für XI (1902), 266 (Melasse); vollst. Abdruck in Bd. XII (1903), 197; s. zu diesen Entscheidungen und der damit verbundenen Diskussion bereits oben, § 5 E.I.1. 133  Sogleich, § 6 D.III.4.a). 134  HRR 1940, Nr. 1357. 135  OLG München HRR 1940, Nr. 1357. 130 s. 131 s.

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In einem Urteil aus dem Jahr 1973 legt schließlich auch der Bundesgerichtshof ganz selbstverständlich die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen, nach § 49 Abs. 2 GmbHG vorlagepflichtigen Maßnahmen zugrunde. Nähere Ausführungen zur Abgrenzung enthält das Urteil jedoch nicht, weil die Frage, ob der Ankauf des Geschäftsbetriebs eines anderen Unternehmens zum Preis von 4 Mio. DM zu den ungewöhnlichen Geschäften zählte, im Ergebnis offen bleiben konnte, da die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung bereits durch eine einschlägige Satzungsklausel begründet war.136 Auch rechtskonstruktiv wird die § 49 Abs. 2 GmbHG entnommene Vorlagepflicht nicht weiter konkretisiert.137 Ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1983 erwähnt zwar den Begriff der ungewöhnlichen Maßnahme nicht, spricht aber davon, dass ein Vorhaben nach § 49 Abs. 2 GmbHG zustimmungsbedürftig sei, welches nach seiner Größenordnung und Bedeutung über den bisherigen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehe und deren Interessen in besonderem Maße berühre, weil mit ihm ein wesentlicher Geschäftszweig unter Aufwand erheblicher Gesellschaftsmittel auf eine neue tatsächliche und rechtliche Grundlage gestellt werden solle.138 Konkret ging es um die von der Geschäftsführerin einer GmbH veranlasste Zahlung von 600.000 DM an ein anderes Unternehmen, welches mit Hilfe dieses Betrages in die Lage versetzt werden sollte, Produktionsanlagen für Löschpulver zu errichten und die GmbH mit diesem an Stelle eines Gesellschafters zu beliefern, von dem sie es bisher bezogen hatte.139 Auch hier klingt in der Formulierung des BGH deutlich die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme an. Rechtskonstruktiv wird nicht ganz klar, ob der Bundesgerichtshof von einem Kompetenz- oder einem Zustimmungsvorbehalt ausgeht. Jedenfalls fordert er aber einen positiven Gesellschafterbeschluss.140 Aus dem Jahr 1991 stammt das bereits geschilderte Urteil des Bundesgerichtshofs, das in wenigen knappen Sätzen die Ansicht vertritt, Maßnahmen und Entscheidungen, die auf eine umfassende Neuorientierung des Geschäftsbetriebes – konkret: die Öffnung einer Software für andere Plattformen – zielen, gehörten 136  BGH NJW 1973, 1039; die Klausel, die sich auf „Beteiligungen an anderen Unternehmen“ bezog, wurde vom BGH so ausgelegt, dass sie auch den Unternehmenskauf im Wege eines asset deals erfasste. 137  Das Urteil spricht lediglich davon, dass ungewöhnliche Geschäfte nach § 49 Abs. 2 GmbHG auch ohne Satzungsbestimmung der Gesellschafterversammlung „zu unterbreiten“ seien. 138  BGH NJW 1984, 1461; s. dazu ausführlich Roth, ZGR 1986, 265 ff. Ergänzend stützt sich der Bundesgerichtshof auf die Erwägung, ein Beschluss der Gesellschafterversammlung sei auch deswegen erforderlich gewesen, weil ein Geschäftsführer seine Vertretungsmacht nicht gegen den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter gebrauchen dürfe. Diese Begründung konnte aber bezogen auf den konkreten Sachverhalt nicht überzeugen, weil die Geschäftsführerin selbst 50 % der Gesellschaftsanteile hielt: vgl. dazu Roth, a.a.O., und bereits oben, § 6 D.III.3.a)cc). 139  BGH NJW 1984, 1461 f. 140  BGH NJW 1984, 1461, 1462 spricht von einem „zustimmenden Mehrheitsbeschluss“.

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nicht zur Zuständigkeit des Geschäftsführers.141 Der Formulierung nach operiert der Bundesgerichtshof hier rechtskonstruktiv mit einem echten Kompetenzvorbehalt. Die normative Begründung erschöpft sich in einem Verweis auf „allgemeine Grundsätze“. Den bisherigen Abschluss der höchstrichterlichen Rechtsprechung bildet ein Urteil aus dem Jahr 2005. In diesem Fall hatte der von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Alleingeschäftsführer der klagenden GmbH zunächst als alleiniger Gesellschafter eine weitere GmbH, die Beklagte, gegründet und dann für beide Gesellschaften handelnd ohne Beschluss der Gesellschafterversammlung einen notariellen Kaufvertrag geschlossen. Dieser beinhaltete die Übertragung des gesamten Produktionsbereichs der Klägerin und betraf damit ca. 92 % ihrer bisherigen Geschäftstätigkeit.142 Zwar enthielt auch die Satzung der Klägerin eine Klausel, wonach für die Vornahme über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehender Geschäfte der Geschäftsführer die Einwilligung der Gesellschafterversammlung einzuholen habe.143 Doch scheint es dem Bundesgerichtshof im Urteil weniger darum gegangen zu sein, unter diese Klausel zu subsumieren, als vielmehr darum, einen allgemeinen Grundsatz aufzustellen. In den Urteilsgründen wird die Klausel jedenfalls nicht mehr angesprochen. Stattdessen führt der Bundesgerichtshof ganz allgemein aus, dass ein Beschluss „angesichts der die Grundlagen der Gesellschaft betreffenden Bedeutung des Vertrages unerlässlich war“.144 Einen normativen Ansatzpunkt nennt das nur sehr knapp begründete Urteil allerdings nicht. Ergänzend lässt sich der Eindruck, das Urteile ziele über den Einzelfall hinaus, auch auf einen „quasiamtlichen“ Leitsatz stützen, den der Vorsitzende des erkennenden Senats für eine Veröffentlichung des Urteils verfasst hat.145 Darin heißt es, dass die „Veräußerung des größten Teils des Gesellschaftsvermögens einer GmbH eine ungewöhnliche Maßnahme [ist], zu der der Geschäftsführer der Mitwirkung der Gesellschafterversammlung auch dann bedarf, wenn in der Maßnahme keine Änderung des Unternehmensgegenstandes liegen sollte, die nur auf dem Wege einer Satzungsänderung beschlossen werden kann.“146 Aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist schließlich noch ein Urteil des OLG Karlsruhe hervorzuheben.147 Das OLG hält hierin die Vornahme einer einmaligen Sonderzahlung an alle Arbeitnehmer der Gesellschaft in Höhe von insgesamt 4,5 Mio. DM für eine Maßnahme, die eines positiven Gesellschafterbeschlusses 141 

BGH ZIP 1991, 509; s. dazu bereits oben, § 6 D.III.2. BGH DStR 2005, 1066. 143  s. BGH a.a.O. 144  BGH a.a.O. 145  s. BGH DStR 2005, 1066, 1. LS. 146  BGH DStR 2005, 1066. 147  OLG Karlsruhe NZG 2000, 264; s. daneben auch noch OLG Frankfurt, NJW-RR 1989, 544 (mit unzutreffender Bezugnahme auf Roth, ZGR 1985, 268, für die Feststellung, ungewöhnliche Maßnahmen seien auch solche, bei denen mit einem Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen sei). 142 

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bedarf. Hinsichtlich der Begründung lässt das Gericht aber offen, ob dies darauf zurückzuführen ist, dass es sich um eine ungewöhnliche Maßnahme handelt, die von vornherein in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt, oder ob eine Zustimmungspflicht aus § 49 Abs. 2 GmbHG abzuleiten ist.148 Letzteres begreift das Urteil also offenkundig als einen alternativen Begründungsweg. bb)  Analyse der Rechtsprechung Die Rechtsprechung lässt sich auf den allgemeinen Nenner bringen, dass die Befugnisse des GmbH-Geschäftsführers bereits innerhalb des Unternehmensgegenstandes jedenfalls im Ergebnis gewissen Grenzen unterliegen, die eine Beteiligung der Gesellschafterversammlung erforderlich machen können. Jenseits dieser allgemeinen Feststellung bleiben einige Unklarheiten. Rechtskonstruktiv lässt sich immerhin sagen, dass die Judikatur durchgehend von einem positiven Beschlusserfordernis auszugehen scheint. Manche Formulierung deutet dabei mehr auf einen Kompetenzvorbehalt hin, andere legen wieder eher einen Zustimmungsvorbehalt nahe. Hingegen spricht nichts dafür, dass die Rechtsprechung dann, wenn sie die Beteiligung der Gesellschafterversammlung für erforderlich hält, lediglich von einem Vetovorbehalt ausgehen möchte. Dies gilt selbst dann, wenn sie sich zur Begründung auf den Begründungsstrang der „Zweifel an der Billigung durch die Gesellschafter“ stützt, der nach der hier vertretenen Ansicht ein positives Beschlusserfordernis gerade nicht begründen kann.149 Was die normative Verankerung angeht, halten sich Verweise auf § 49 Abs. 2 GmbHG und die wenig aufschlussreichen „allgemeinen Grundsätze“ des GmbH-Rechts die Waage. Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen lässt sich die Rechtsprechung – cum grano salis – auf Varianten des Begriffs der ungewöhnlichen Maßnahme festlegen. 4.  Detailanalyse und Stellungnahme zur Behandlung qualifizierter Geschäftsführungsmaßnahmen Bei der Durchsicht von Literatur und Rechtsprechung hat sich gezeigt, dass eine genaue Bestimmung der Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung im Bereich qualifizierter Geschäftsführungsmaßnahmen unterhalb der Schwelle der Gegenstandsänderung noch mit einer Vielzahl von Zweifelsfragen verbunden ist. Zugleich scheint die Diskussion nicht selten auch durch Missverständnisse geprägt zu sein. Zur Klärung der Verhältnisse trägt es nicht unerheblich bei, die gegenwärtige Debatte auf ihre historischen Wurzeln zurückzuführen (a)). Dies erleichtert es auch, die bereits damals gewonnenen Er148  Das OLG formuliert (a.a.O., 267) nach § 49 Abs. 2 GmbHG sei die Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn dies im „Interesse der Gesellschafter“ (Hervorhebung hinzugefügt) erforderlich erscheine. Ob darin nur ein Flüchtigkeitsfehler oder aber eine besondere Auslegung der Norm liegen soll, bleibt mangels weitergehender Erläuterungen unklar. 149  s. bereits § 6 D.III.3.a)cc).

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kenntnisse für die aktuelle Diskussion wieder fruchtbar zu machen. Bevor dies geschieht, ist in einem Zwischenschritt ein Nebenpfad der Diskussion zu behandeln, der Erkenntnisse für das GmbH-Recht unmittelbar aus einem Vergleich mit dem Personengesellschaftsrecht ableiten möchte (b)). Nachfolgend ist zu den verbleibenden Fragen Stellung zu nehmen (c)). a)  Verbindungslinien zu den Grubenbahn- und MelasseEntscheidungen des Reichsgerichts Blickt man auf die Begründung des Entwurfs eines GmbH-Gesetzes von 1891, fehlt jede nähere Erläuterung dazu, in welchem Sinn die Vorschrift des späteren § 49 Abs. 2 GmbHG150 zu verstehen sein könnte.151 Doch ist dies kaum überraschend, wenn man bedenkt, dass auch die Probleme der aktienrechtlichen Vorschrift des Art. 236 Abs. 2 ADHGB (§ 253 Abs. 2 HGB 1897), dem § 49 Abs. 2 GmbHG nachgebildet ist, erst wenige Jahre später durch die Reichsgerichtsentscheidungen Grubeneisenbahn (1895) und Melasse (1902) deutlicher hervortreten sollten.152 Die Arbeiten am GmbH-Gesetz fallen also noch in den Zeitraum, in dem das aktienrechtliche Vorbild, um Staubs Worte zu benutzen, ein „beschauliches Dasein“ führte,153 so dass mit einer problembewussten Auseinandersetzung mit dem Norminhalt auch im GmbH-Recht kaum zu rechnen war. Auch das frühe Schrifttum zum GmbH-Recht trägt dementsprechend zum genaueren Verständnis von § 49 Abs. 2 GmbHG nichts weiter bei.154 Unmittelbar nachdem aber die Diskussion im Aktienrecht infolge der Melasse-Entscheidung aufbricht, kommt es auch zu einem Transfer des Meinungsstandes in das Recht der GmbH, was angesichts der Parallelität von § 49 Abs. 2 GmbHG und § 253 Abs. 2 HGB 1897 (Art. 236 Abs. 2 ADHGB) auch nicht verwundern kann. So finden sich etwa die wesentlichen Ergebnisse, die Staub im Jahr 1904 in seinem zum Aktienrecht erstatteten Gutachten für den 27. Deutschen Juristentag präsentiert, bereits in der 1903 erscheinenden ersten Auflage seines Kommentares zum GmbH-Recht.155 Auch für das GmbH-Recht wendet sich Staub also gegen die reichsgerichtliche Formel von der Einwilligungsbedürftigkeit wichtiger, kostspieliger und riskanter Unternehmungen.156 Auch hier plädiert er stattdessen dafür, nur solche Maßnahmen der Entscheidung der Gesellschafter vorzubehalten, die für den gesamten Bestand der 150 

In der Zählung des Entwurfs entspricht § 49 Abs. 2 GmbHG noch § 50 Abs. 2. s. Entwurf GmbHG, 1891, S. 99 ff. zu §§ 49 bis 52 GmbHG-Entwurf. 152  s. dazu ausführlich oben, § 5 E.I.1. 153 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 81. 154  s. z. B. Förtsch, GmbHG, 2. Aufl. 1899, § 49 Abs. 2; vgl. auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 507. 155 s. Staub, GmbHG, § 37 Anm. 3 a.E. und ausführlich § 49 Anm. 6; unzutreffend insoweit Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 108, der meint, erst Max Hachenburg habe die Ausführungen aus Staubs Gutachten in der von ihm besorgten 3. Auflage des Kommentars übernommen. 156 s. Staub, GmbHG, § 49 Anm. 6; zum Aktienrecht s. bereits oben, § 5 E.I.1.b). 151 

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Gesellschaft oder doch zumindest ihre Fundamente von Bedeutung sind,157 lediglich ungewöhnliche Geschäfte im Sinne von § 116 HGB hingegen nur unter der zusätzlichen Bedingung, dass begründete Zweifel an der Billigung der Gesellschafterversammlung bestehen.158 Auf vergleichbare Weise wird der aktienrechtliche Diskussionsstand auch in der sonstigen Literatur für das GmbH-Recht rezipiert.159 Ähnlich wie bei Staub bleibt dabei die zum Aktienrecht vertretene Linie erhalten. Während also die vom Reichsgericht verwendete Formel von den wichtigen, kostspieligen und riskanten Geschäften schon deswegen als zu weitgehend abgelehnt wird, weil derart zu qualifizierende Geschäfte auch zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu rechnen sein können, besteht doch weitgehend Einigkeit darüber, dass die Geschäftsführungsbefugnis Beschränkungen unterworfen ist, auf die § 49 Abs. 2 GmbHG zumindest einen Hinweis liefert.160 Teilweise wird dabei etwas großzügiger mit der Kategorie des ungewöhnlichen Geschäfts operiert, ohne dass wie bei Staub für diese Maßnahmenkategorie zusätzlich gefordert würde, dass Zweifel an der Billigung des Geschäfts durch die Gesellschafter bestehen müssen.161 Dies liegt wieder mehr auf der Linie, wie sie für das Aktienrecht z. B. von Lehmann vertreten worden ist.162 Im Einzelnen ist aber zu differenzieren. So knüpft etwa Feine zunächst an den Begriff des ungewöhnlichen Geschäfts an,163 legt sich bei den konkreten Beispielen dann aber doch nur auf solche fest, die sich 157  Als Beispiele nennt Staub u.a.: die Aufnahme einer Obligationsanleihe, die in ihrem Nennbetrag einen erheblichen Teil des Stammkapitals erreicht, den Verkauf von Betriebsgegenständen in erheblichem Umfang, die Veräußerung des Geschäfts oder gar des ganzen Vermögens und die Gründung einer Betriebsgemeinschaft. 158 s. Staub, GmbHG, § 49 Anm. 6; aus dieser Stelle wird nicht ganz klar, ob die Gesellschafter in diesem Fall lediglich Gelegenheit haben sollen, eine ablehnende Weisung zu erteilen, oder ob es auf einen positiven Zustimmungsbeschlusses bedarf; in die letzte Richtung deutet aber Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 81, 87. Auch hier gilt aber, dass es nur schwierig nachvollziehbar ist, wie aus Zweifeln an der Billigung einer Maßnahme ein positives Beschlusserfordernis abzuleiten ist, wenn man nicht für die Maßnahme als solche Mitwirkungsrechte der Gesellschafterversammlung für gegeben hält, s. bereits oben, § 6 D.III.3.a)cc) und (zu BGH NJW 1984, 1461) D.III.3.d)aa). 159  s. daneben etwa noch Brodmann, GmbHG, 1. Aufl. 1924, u. 2. Aufl. 1930, § 49 Rn. 2; Crüger/Crecelius, GmbHG, 6. Aufl. 1922, S. 211; Feine, GmbH, § 36 I (S. 495) sowie ausführlich § 39 II 3 (S. 534 f.); Staub/Hachenburg, GmbHG, 3. Aufl. 1909, § 49 Anm. 6; bereits von Anfang an rechtsformübergreifend argumentierend Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 57, 59 ff. 160  Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 161  So etwa Feine, GmbH, § 36 I (S. 495), § 39 II 3 (S. 534 f.); der Sache nach auch Brod­ mann, GmbHG, § 49 Rn. 2. 162  s. o., § 5 E.I.1.b). 163 s. Feine, GmbH, § 36 I (S. 495), der die Kompetenzen des Geschäftsführers innerhalb des durch Gesellschaftszweck und -gegenstand gesteckten Rahmens wie folgt beschreibt: „In der Regel kann er alle normalen Handlungen in diesem Bereich vornehmen; zu außergewöhnlichen oder außerhalb des Gesellschaftszwecks liegenden ist er immer verpflichtet, die Genehmigung der Gesellschafter einzuholen“.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

im Wesentlichen mit Staubs Kategorie der fundamentalen Maßnahmen decken.164 Nur soweit er auch die „erhebliche Erweiterung oder Umstellung des Geschäfts“ für vorlagepflichtig hält, geht er über die von Staub genannten Beispiele hinaus. Etwas deutlicher über Staubs Kriterien hinaus zielt Brodmann, der die Befragung der Gesellschafter bereits dann für erforderlich hält, wenn es um ein „bedeutsames Geschäft geht, welches aus dem Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebs herausfällt.“165 Diese Formulierung Brodmanns findet schließlich Eingang in das bereits geschilderte Urteil des OLG München aus dem Jahr 1940,166 welches dann wieder zum Referenzpunkt der Kommentarliteratur zum GmbHG wird und damit die Tendenz verstärkt, die Grenzen für die originären Kompetenzen der Geschäftsführung mit der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme zu umschreiben.167 Auf dieser Basis verfestigt sich schließlich das Meinungsbild, so dass in der 6. Auflage des von Staub begründeten Kommentars zum GmbHG schließlich als „h.M.“ festgestellt werden kann, eine Einberufung der Gesellschafterversammlung nach § 49 Abs. 2 GmbHG sei erforderlich, wenn es um ungewöhnliche Geschäfte gehe, die aus dem Rahmen des bisherigen Betriebs herausfallen.168 Hommelhoff spricht 1978 dann bereits von einem seit Jahrzehnten unangefochtenen Rechtssatz und einer gewohnheitsrechtlichen Ausprägung des Normalstatuts der GmbH.169 In der Folge gerät diese vermeintlich gesicherte Erkenntnis in der Literatur dann zwar wieder in Streit, doch lässt sich bis hierhin festhalten: Die für das GmbH-Recht vertretene These von der Begrenzung der Geschäftsführungsbefugnisse bei ungewöhnlichen bzw. qualifizierten Maßnahmen resultiert aus dem Transfer eines zum Aktienrecht in Auslegung von § 253 Abs. 2 HGB 1897 (bzw. Art. 236 Abs. 2 ADHGB) entwickelten Meinungsstandes, der für das GmbH-Recht auch dann noch fortgeschrieben wird, nachdem die gesetzlichen Grundlagen dafür im Aktienrecht in Folge des AktG 1937 schon lange entfallen sind. b)  Rückschlüsse aus dem Personengesellschaftsrecht? Neue Impulse für die Diskussion sind in der Literatur demgegenüber nur selten zu verzeichnen. Zu nennen ist aber der Versuch, Argumente gegen eine unbefangene Anknüpfung an die personengesellschaftsrechtliche Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme aus einem Vergleich zwischen GmbH- und Personengesellschaftsrecht zu beziehen.170 So wird etwa gesagt, eine Anlehnung an 164  Feine, GmbH, § 39 II 3 (S. 534 f.) nennt wie Staub die Aufnahme von Anleihen, die Begründung einer Betriebsgemeinschaft und die Veräußerung des Geschäfts als Beispiele. 165 s. Brodmann, GmbHG, § 49 Rn. 2. 166  OLG München HRR 1940, Nr. 1357. 167  s. Hachenburg/Schmidt, GmbHG, 6. Aufl. 1959, § 49 Rn. 6. 168  s. Hachenburg/Schmidt, GmbHG, 6. Aufl. 1959, § 49 Rn. 6. 169 s. Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 123; s.a. ders., ZIP 1983, 383, 385. 170  Vgl. etwa Kort, ZIP 1991, 1274, 1277 f.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 7, 12.

D.  Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise

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die Kompetenzregelung des Personengesellschaftsrechts sei im Hinblick auf die Unterschiede zum GmbH-Recht nicht veranlasst: Denn bei Personengesellschaften könnten Geschäftsführer weder bestellt noch abberufen werden, noch könnte die Gesellschafterversammlung bindende Vorgaben machen oder Weisungen erteilen.171 Damit soll offenbar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Stellung der geschäftsführenden Gesellschafter in der OHG prinzipiell stärker ist als diejenige des Geschäftsführers in der GmbH, so dass die sachliche Begrenzung der Geschäftsführungsbefugnis in § 116 Abs. 2 HGB auch nur vor diesem Hintergrund gerechtfertigt ist. Während die Position des geschäftsführenden Personengesellschafters zutreffend charakterisiert wird,172 ist die daraus für das GmbH-Recht gezogene Schlussfolgerung keineswegs zwingend. Genauso ließe sich argumentieren, dass es gerade wegen der vergleichsweise schwächeren Position, die der Geschäftsführer im Kompetenzgefüge der GmbH einnimmt, nicht angezeigt erscheint, ihm – und sei es auch nur im dispositiven Ausgangspunkt – uneingeschränkte Geschäftsführungsbefugnisse einzuräumen. Mit gleicher Stoßrichtung ließe sich z. B. auch darauf verweisen, dass mit der unbeschränkten persönlichen Haftung der geschäftsführenden Gesellschafter im Personengesellschaftsrecht ein besonderes Element der Verhaltenssteuerung existiert, für das es beim GmbH-Geschäftsführer keine unmittelbare Entsprechung gibt.173 Dagegen könnte man nicht einwenden, dass die GmbH-Gesellschafter kein unbeschränktes Haftungsrisiko trifft und sie deswegen auch weniger schutzbedürftig sind als ein Personengesellschafter. Denn auch den gleichfalls mit einem begrenzten Risiko agierenden Kommanditgesellschaftern stehen Mitspracherechte bei ungewöhnlichen Geschäften zu (§§ 164, 116 Abs. 2 HGB).174 Gleichfalls nicht weiterführend ist das Argument, es sei nicht einsichtig, warum den GmbH-Geschäftsführern im Gegensatz zum Regelungsansatz des Handelsgesetzbuchs nur Gesamtgeschäftsführungsbefugnis eingeräumt wird, wenn sie doch ohnehin auf die laufende Verwaltung beschränkt sind.175 Dieser Ansatz wird nicht näher erläutert, scheint aber auf der unausgesprochenen Prämisse zu beruhen, es gebe eine logische oder auch nur eine sinnvolle Verknüpfung zwischen einer Beschränkung des sachlichen Umfangs der Geschäftsführungsbefugnis und ihrer personellen Ausgestaltung. Dies ist aber zweifelhaft. Auch bei bereits sachlich Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 12; ähnlich Kort, ZIP 1991, 1274, 1277 f. 172  s. nur Wiedemann, GesR II, § 4 II 4 (S. 340). 173  Vgl. auch Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 11. 174  Entgegen der missverständlichen Formulierung von § 164 HGB steht den Kommanditisten nach ganz h.M. nicht bloß ein Widerspruchsrecht zu; vielmehr verbleibt es auch insoweit bei der Regelung des § 116 Abs. 2 HGB: s. bereits RGZ 58, 305; Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rn. 2. 175  s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 7; gewisse Zugeständnisse daran finden sich auch bei Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 10. 171  s.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

beschränkter Geschäftsführungsbefugnis kann es seinen guten Sinn haben, die Entscheidungsfindung im verbleibenden Bereich auf eine breitere Basis zu stellen.176 Dass diese Position auch dem Handelsgesetzbuch nicht fremd ist, zeigt ein genauerer Blick auf die Regelung der §§ 114 f. HGB. Wichtig ist hier zunächst die Erkenntnis, dass die Einzelgeschäftsführungsbefugnis nach § 115 Abs. 1 Hs. 1 HGB durch das Widerspruchsrecht in § 115 Abs. 1 Hs. 2 HGB nicht unwesentlich beschränkt wird. Das Widerspruchsrecht hat dabei eine ganz ähnliche Funktion wie das Zustimmungsrecht im Rahmen der Gesamtgeschäftsführung, wenn es auch einen etwas flexibleren Lösungsweg verfolgt.177 Auch das HGB sieht also bereits unterhalb der Schwelle des § 116 Abs. 2 HGB Bedarf für die Möglichkeit, die Selbstständigkeit der einzelnen Geschäftsführer wieder herunterzuregeln und eine Rückbindung an die übrigen Geschäftsführer herbeizuführen. Darüber hinaus geht das HGB ausweislich der in § 115 Abs. 2 HGB enthaltenen Auslegungsregel davon aus, dass die Gesellschafter selbst es noch weitergehend für nötig halten können, für den Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung im Gesellschaftsvertrag generell Gesamtgeschäftsführung anzuordnen.178 Das HGB kennt also trotz der Beschränkung des sachlichen Umfangs der Geschäftsführungsbefugnis durch § 116 Abs. 2 HGB nur eine durch § 115 Abs. 1 Hs. 2 HGB begrenzte Einzelgeschäftsführung, deren gesellschaftsvertragliche Preisgabe sogar bereits gesetzlich antizipiert wird. Aus dieser gesetzlichen Ausgangslage lässt sich ersichtlich kein entscheidendes Argument für die These gewinnen, die Anordnung von Gesamtgeschäftsführung sei nur verständlich, wenn der sachliche Umfang der Geschäftsführung auch außergewöhnliche Maßnahmen umfasse. Es ist auch keineswegs so, dass man die Unterschiede zwischen GmbH und Personenhandelsgesellschaften hinsichtlich der personellen Ausgestaltung der Geschäftsführung nicht anders erklären könnte als unter Rückgriff auf den sachlichen Umfang der Geschäftsführungsbefugnis. Besondere Anforderungen wird man an eine solche Begründung ohnehin nicht stellen dürfen, wenn man berücksichtigt, dass es lediglich um graduelle und nicht um kategoriale Unterschiede geht.179 Vor diesem Hintergrund lässt sich die selbständigere Stellung der geschäftsführenden Personengesellschafter hinreichend plausibel damit erklären, dass ihre Geschäftsführungsbefugnisse unmittelbar auf ihrer

176  Eine ernsthafte Fehlsteuerung des Unternehmens der Gesellschaft ist ohne weiteres auch allein auf der Basis von Entscheidungen denkbar, die sämtlich zum Bereich des Gewöhnlichen gehören. 177  s. MünchKommHGB/Rawert § 115 Rn. 9; MünchKomm/Ulmer/Schäfer § 711 Rn. 1. 178  Jenseits des Bereichs der gewöhnlichen Geschäftsführung gilt ohnehin § 116 Abs. 2 HGB; s. MünchKommHGB/Rawert § 115 Rn. 46. 179 Als Beschränkung der Einzelgeschäftsführung ist das bereits erwähnte Widerspruchsrecht (§ 115 I Hs. 2 HGB) zu berücksichtigen; für die Gesamtgeschäftsführung ist umgekehrt darauf hinzuweisen, dass diese die Geschäftsführer nicht dazu zwingt, ständig gemeinsam zu handeln, sondern auch für Aufgabenteilungen offen ist, solange hierdurch die Kontrollfunktion der Gesamtgeschäftsführung nicht aufgehoben wird: s. Wiedemann, GesR II, § 4 II 4 b (S. 339); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 28 ff.

D.  Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise

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Gesellschafterstellung basieren (Leitbild der Mitunternehmergesellschaft).180 Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass der Vergleich mit der Rechtslage im Personengesellschaftsrecht – jedenfalls soweit es die hier behandelten Aspekte betrifft – die Diskussion nicht entscheidend befördert. c)  Stellungnahme zu den verbleibenden Fragen Für die Stellungnahme ergibt sich eine erste wichtige Erkenntnis daraus, dass der Unterscheidung von Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalten für das GmbHRecht im Hinblick auf die damit jeweils verbunden Implikationen auf der Rechtsfolgenseite keine besondere Bedeutung zukommt (aa)). Die weiteren Überlegungen zeigen, dass sich die mangelnde Bedeutung der Unterscheidung auch im Bereich der normativen Begründung fortsetzt (bb)). Nachdem auf diese Weise die Unterschiede zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt relativiert sind, ist auch der Vetovorbehalt in die vergleichende Analyse aufzunehmen (cc)). Im Folgenden gilt es schließlich zu begründen, warum die Befugnisse des Geschäftsführers im Bereich qualifizierter Geschäftsführungsmaßnahmen sinnvollerweise überhaupt unter Vorbehalt zu stellen sind (dd)), welcher Art dieser Vorbehalt sein soll (ee)), worin seine normative Basis liegt (ff)) und unter welchen tatbestandlichen Voraussetzungen er greift (gg)). aa)  Zur Rechtsfolgenseite der Unterscheidung zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt Bei der Unterscheidung zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalten handelt es sich um eine Differenzierung, der man ihre Berechtigung unter allgemeinen verbandsrechtlichen Gesichtspunkten sicher nicht absprechen kann. Es stellt sich aber sehr wohl die Frage, welche Bedeutung ihr für eine GmbH mit Normalstatut zukommt. Zitzmann etwa legt großen Wert auf die Meinungsnuancen, die sich insoweit für den Bereich qualifizierter Geschäftsführungsmaßnahmen in Literatur und Rechtsprechung feststellen lassen, weil er daran den Vorwurf knüpft, es fehle der h.M. an einem widerspruchsfreien Konzept.181 Nimmt man allerdings die Rechtsfolgen dieser beiden Ansätze in den Blick, sind echte Widersprüche kaum auszumachen.182 Vielmehr laufen sie auf das Gleiche hinaus: Die in Rede stehende Maßnahme bedarf eines positiven Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Darüber hinaus bestehen zwischen einem Kompetenz- und einem Zustimmungsvorbehalt grundsätzlich natürlich noch weitere Unterschiede. So gehen mit einem echten Kompetenzvorbehalt regelmäßig auch Initiativrecht und Vgl. insoweit näher Wiedemann, GesR II, § 4 II 4 (S. 340). z. B. Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 124 und passim (jedoch ohne hinreichende Auseinandersetzung mit der Frage, welche Unterschiede mit dieser Differenzierung eigentlich auf der Rechtsfolgenseite einhergehen). 182  Vgl. auch Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rn. 93 für die Aussage, dass sich Kompetenzvorbehalt und Zustimmungsvorbehalt ganz nahe stehen. 180 

181  s.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

Weisungsbefugnis einher.183 Aus diesem Grund muss für das Aktienrecht betont werden, dass es bei den aus § 111 Abs. 4 AktG fließenden Möglichkeiten der Einflussnahme lediglich um Zustimmungsvorbehalte geht, weil hier der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands auf dem Spiel steht. Ebenso ist die genaue Qualifikation für § 116 Abs. 2 HGB von Bedeutung. Hier besagt die Einordnung als Kompetenzvorbehalt, dass die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter hinsichtlich ungewöhnlicher Maßnahmen auch selbst die Initiative ergreifen und Entscheidungen treffen können, die von den eigentlich weisungsfrei tätigen geschäftsführenden Gesellschaftern dann umzusetzen sind.184 Diese Handlungsmöglichkeiten bleiben den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern dagegen vorenthalten, wenn man auch § 116 Abs. 2 HGB nur im Sinne eines Zustimmungsvorbehaltes versteht.185 Im GmbH-Recht werden diese Unterschiede zwischen der Annahme eines Kompetenz- und eines Zustimmungsvorbehalt dagegen gar nicht erst relevant. Denn hier ist nahezu unbestritten, dass die Gesellschafter für den gesamten Bereich der Geschäftsführung über ein Initiativ- und ein Weisungsrecht verfügen.186 Die These, rechtskonstruktiv sei die Unterscheidung zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalten für das GmbH-Recht (zumindest weitgehend) bedeutungslos, bedarf allerdings noch der zusätzlichen Absicherung. Denn neben den möglichen Konsequenzen dieser Unterscheidung für die Rechte der Gesellschafter ist auch im Blick zu halten, wie sie sich auf die Rechtsstellung der Geschäftsführung einschließlich ihrer Pflichtenbindung auswirkt. Geht man für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen von der Existenz eines Zustimmungsvorbehalts aus, kann nicht zweifelhaft sein, dass die Geschäftsführung selbst dazu berechtigt ist, solche Maßnahmen von sich aus anzuregen und dass sie dazu je nach Lage des Falles auch verpflichtet sein kann. Denn mit der Annahme eines Zustimmungsvorbehalts soll gerade gesagt sein, dass solche Maßnahmen im Grundsatz ihrer Sachkompetenz unterliegen. Aber auch dann, wenn man von einem Kompetenzvorbehalt ausgeht, ist dies im Ergebnis nicht anders zu entscheiden.187 Die Geschäftsführer sind vielmehr generell als berechtigt und je nach den Umständen auch als verpflichtet anzusehen, Entscheidungen über Maßnahmen anzuregen, die außerhalb ihrer Kompetenzen liegen. Dies gilt nicht allein für den Fall, dass es um Kompetenzvorbehalte im Bereich der Geschäftsführung geht, sondern viel weitergehend auch hinsichtlich solcher Maßnahmen, die wie etwa eine Kapitalerhöhung Wiedemann, GesR II, § 8 II 2 (S. 692). So etwa Wiedemann, GesR II, § 8 II 2 (S. 692); s. daneben A. Hueck, OHG, § 10 II 6 (S. 123). 185  So z. B. Schlegelberger/Martens, HGB, § 116 Rn. 3. 186  A.A. soweit ersichtlich wohl allein Wiedemann, GesR I, § 6 III 2 a bb (S. 335 f.), der davon ausgeht, dass die Gesellschafter Weisungen in einzelnen Geschäftsführungsfragen vorbehaltlich einer besonderen Regelung im Gesellschaftsvertrag nur dann erteilen können, wenn die Geschäftsführer diese an sie herantragen. 187 s.a. Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 127, jedoch ohne nähere Begründung. 183 s. 184 

D.  Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise

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oder eine Erweiterung des Unternehmensgegenstandes als Satzungsänderungen unzweifelhaft in die Grundlagenzuständigkeit des Mitgliederorgans fallen. Blickt man insoweit zum Vergleich auf das Aktienrecht, dann wird dort von niemandem bezweifelt, dass der Vorstand auch die Initiative im Hinblick auf Maßnahmen ergreifen darf, über die allein die Hauptversammlung zu entscheiden hat.188 Je nach Aktionärsstruktur wird dies häufig sogar die einzig realistische Form für solche Initiativen darstellen. Weniger Aufmerksamkeit ist im Aktienrecht dagegen über lange Zeit der Frage gewidmet worden, ob dazu auch eine (haftungsbewehrte) Pflicht des Vorstands bestehen kann. Sie ist mit Wolfgang Servatius, der sich mit der Frage monographisch befasst hat, aber gleichfalls zu bejahen.189 In der GmbH mag der Frage, inwieweit die Geschäftsführer dazu berechtigt und ggfs. auch verpflichtet sind, derartige Organisationsmaßnahmen anzuregen, rechtspraktisch eine geringere Bedeutung zukommen, weil die Gesellschafter in einer Vielzahl von GmbH des personalen Typs umfassend an der Leitung der Geschicke der Gesellschaft teilnehmen und selbst initiativ werden. Gleichwohl ist es der Geschäftsführung auch hier nicht verwehrt, solche Maßnahmen von sich aus ins Spiel zu bringen. Ebenso kann mit diesem Recht auch in der GmbH eine haftungsbewehrte Verpflichtung korrespondieren.190 Dabei kann es nun keinen Unterschied machen, ob es sich um Kompetenzen handelt, die nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in die alleinige Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fallen, oder ob man die mangelnde Zuständigkeit des Geschäftsführungsorgans erst im Wege der Auslegung herleitet. Auch im Hinblick auf den Leitungsauftrag des GmbH-Geschäftsführers spielt es danach im Ergebnis also keine entscheidende Rolle, ob man für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen von einem Kompetenz- oder einem Zustimmungsvorbehalt ausgeht.

188 

S. 57.

Vgl. etwa MünchKommAktG/Kubis § 121 Rn. 7; Wiedemann, Unternehmensgruppe,

189 s. Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 274 ff., unter Anknüpfung an die Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung wenn das Wohl der Gesellschaft dies erfordert (§ 121 Abs. 1 AktG); s. dazu auch Peltzer, NZG 2005, 752, mit der Bemerkung, diese Frage sei vorher nirgends in dieser Schärfe gesehen worden; es ist aber immerhin daran zu erinnern, dass z. B. schon Staub, Verhandlungen 27. DJT, BD I, S. 80, 85 vor mehr als 100 Jahren offenbar in allgemeinem Konsens mit der zeitgenössischen Literatur als unstreitigen Kern der Einberufungspflicht im Gesellschaftsinteresse (Art. 236 Abs. 2 ADHGB, § 253 Abs. 2 HGB 1897) den Fall herausgestellt hat, dass eine im Interesse der Gesellschaft liegende Maßnahme – Staub nennt als Beispiele Statutenänderungen, Kapitalmaßnahmen und die Auflösung der Gesellschaft – die Machtbefugnisse des Vorstands überschreitet. Die gleichen Beispielskategorien finden sich auch bei Servatius, a.a.O., S. 285 ff., ergänzt um konzern- und umwandlungsrechtliche Gestaltungen. 190 s. etwa Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 49 Rn. 13, § 43 Rn. 15.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

bb)  Zur Bedeutung der Unterscheidung zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt für die normative Begründung Wenn es schon im Hinblick auf die damit jeweils implizierten Rechtsfolgen keine Rolle spielt, ob die Geschäftsführungsbefugnisse der Geschäftsführung bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen durch einen Kompetenz- oder einen Zustimmungsvorbehalt beschränkt sind, stellt sich umso dringlicher die Frage, ob die Differenzierung nicht wenigstens für die normative Begründbarkeit solcher Schranken von Bedeutung ist. Für die Vertreter eines Kompetenzvorbehalts ist klar, worum es geht. Zu begründen ist, dass bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen, obwohl innerhalb des Unternehmensgegenstandes, von vornherein nicht zur Kompetenz der Geschäftsführung gehören. Dabei kommt man mangels einschlägiger Spezialregelung letztlich nicht umhin, für die Begründung auf die allgemeine Stellung von Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung im Kompetenzgefüge der GmbH zurückzugreifen und daraus weitergehende Konsequenzen abzuleiten. Erscheint die Vornahme einer Maßnahme angezeigt, die in den so begründeten Kompetenzvorbehalt fällt, dann ist die Geschäftsführung – vorbehaltlich der ggfs. nach § 48 Abs. 2 GmbHG bestehenden Alternative – nach § 49 Abs. 2 GmbHG zur Einberufung der Gesellschafterversammlung verpflichtet. § 49 Abs. 2 GmbHG spielt insoweit also keine andere Rolle, als dies bei Zuständigkeiten der Fall ist, die der Gesellschafterversammlung kraft ausdrücklicher Regelung obliegen. Dies hindert aber nicht, der Norm zumindest ergänzende Bedeutung zuzumessen. Sie lässt sich aufgrund ihrer Weite problemlos auch als generalklauselartig formulierter Hinweis auf die Existenz ungeschriebener Gesellschafterzuständigkeiten im Bereich qualifizierter Geschäftsführungsmaßnahmen verstehen.191 Vor diesem Hintergrund ist es auch zu sehen, wenn von denjenigen, die augenscheinlich von einem Kompetenzvorbehalt für ungeschriebene Geschäftsführungsmaßnahmen ausgehen, zur Begründung (auch) § 49 Abs. 2 GmbHG Bezug genommen wird. Die Argumentationsstruktur bei Annahme eines Kompetenzvorbehalts lässt sich also dahin zusammenfassen, dass bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen ein Gesellschafterbeschluss erforderlich wird, weil diese Maßnahmen nicht von der Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers gedeckt sind. Die These vom Zustimmungsvorbehalt folgt dagegen einer anderen Struktur, weil sich damit die Vorstellung verbindet, er beziehe sich auf Maßnahmen, die jedenfalls grundsätzlich im Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers liegen.192 Hier muss also eine Begründung für das Erfordernis eines positiven Gesellschafterbeschlusses gefunden werden, obwohl die Maßnahme von der Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers uneingeschränkt gedeckt ist. Eine nachvollziehbare Begründung für diese These ist jedoch nicht ersichtlich und kann 191  Vgl. insoweit mit ausführlicher Behandlung dieses Aspekts bereits die historische Diskussion zu den Reichsgerichtsentscheidungen Grubenbahn und Melasse: oben, § 5 E.I.1. 192  So wohl Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 20, 22; Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 90.

D.  Die Zuständigkeitsordnung in der GmbH nach konventioneller Sichtweise

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insbesondere auch nicht von § 49 Abs. 2 GmbHG geleistet werden,193 wenn man die Norm gerade nicht im oben geschilderten Sinn als Hinweis auf ungeschriebene Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis verstehen möchte. Denn es lässt sich nicht erklären, warum es im Interesse der Gesellschaft geboten sein soll, zu einer bestimmten Maßnahme trotz bestehender Zuständigkeit der Geschäftsführung die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Man läuft hier in das vor mehr als 100 Jahren von Staub aufgezeigte Dilemma: Kann die Geschäftsführung eine Entscheidung aus eigener Machtvollkommenheit treffen, lässt sich nie sicher sagen, dass es im Interesse der Gesellschaft geboten ist, die Entscheidung gleichwohl in die Hände der Gesellschafterversammlung zu legen. Denn dazu müsste feststehen, dass von dieser eine sachgerechtere Entscheidung zu erwarten ist.194 Im eigenen (als unbeschränkt gedachten) Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers lassen sich aus § 49 Abs. 2 GmbHG daher keine Vorlagepflichten ableiten.195 Diese Problemlage lässt sich allein dadurch auflösen, dass man die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis – die im Ergebnis ja auch bei Annahme eines Zustimmungsvorbehalts vorliegen würde – an den Ausgangspunkt der Argumentation setzt.196 Zu begründen ist also auch hier zunächst, warum die Befugnisse der Geschäftsführung auch ohne ausdrückliche Regelung durch Gesetz oder Statut Beschränkungen unterliegen sollen, die es ihr verbieten, bestimmte Maßnahmen vorzunehmen, wenn sie dafür nicht vorab einen positiven Gesellschafterbeschluss eingeholt hat. Dafür können keine grundsätzlich anderen Überlegungen herangezogen werden als diejenigen, die bereits im Zusammenhang mit der Begründung eines Kompetenzvorbehalts angestellt worden sind. Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten: Die Rede von einem Zustimmungsvorbehalt ist unschädlich, wenn damit nicht mehr gesagt sein soll, als dass für eine bestimmte Maßnahme ein positiver Gesellschafterbeschluss erforderlich ist. Denn dann ist klar, dass auf dieselbe Begründung zurückgegriffen werden kann wie für die Annahme eines Kompetenzvorbehalts. Dagegen leidet die Annahme eines Zustimmungserfordernisses trotz uneingeschränkter Geschäftsführungsbefugnis an einem Begründungsdefizit, weil dann nicht nachvollziehbar wird, woraus sich dieses Zustimmungserfordernis ergibt. Dieses Zwischenergebnis ist nun noch um eine Hilfsüberlegung zu ergänzen: Selbst wenn man hinsichtlich der Rechtsfolgengleichheit eine andere Ansicht vertreten würde, etwa weil man 193 So aber wohl Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 20, 22; Michalski/Römermann, ­GmbHG, § 49 Rn. 90. 194 s. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 86; dazu bereits oben, § 5 E.I.1.b). 195  s.a. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 49 Rn. 13. 196  Im Ansatz klingt die These, dass sich Annahme eines Zustimmungserfordernisses auf § 49 Abs. 2 allein nicht stützen lässt, auch bei Stimmen durch, die dem Geschäftsführer die Geschäftsführungsbefugnis auch für qualifizierte Maßnahmen uneingeschränkt zusprechen möchten: vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11, wo zur Begründung der Vorlagepflicht nach § 49 Abs. 2 GmbHG darauf verwiesen wird, dass der Geschäftsführer das Unternehmen nicht in eigener, sondern von der Gesellschafterversammlung abgeleiteter Verantwortung leitet.

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

meint, ein Kompetenzvorbehalt bedeute anders als ein Zustimmungsvorbehalt ein vollständiges Befassungs- und Anregungsverbot für die Geschäftsführung, wäre es nicht gerechtfertigt, zur These vom Zustimmungserfordernis trotz gegebener Geschäftsführungszuständigkeit zurückzukehren. Denn dies würde das Begründungsdefizit nicht beheben. Der rechtsdogmatisch zutreffende Ansatzpunkt läge auch hier bei der Kompetenzausstattung des Geschäftsführungsorgans. Auf dieser Ebene wäre dann zu begründen, dass die Geschäftsführungsbefugnis im Hinblick auf bestimmte Maßnahmen derart beschränkt ist, dass deren Durchführung eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf, ohne dass sich dies aber als vollständiges Befassungs- oder Anregungsverbot auswirkt. Das heißt m.a.W.: Sowohl Kompetenz- als auch Zustimmungsvorbehalt stellen Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis dar und sind auch als solche zu begründen. Dies schließt allerdings differenzierende Lösungen für die Art und Weise der Beschränkung keineswegs aus. cc)  Der Vetovorbehalt im Verhältnis zu Kompetenzund Zustimmungsvorbehalt Die hier als Vetovorbehalt bezeichnete Position Zitzmanns unterscheidet sich von den anderen Vorbehaltsvarianten, weil an die Stelle eines positiven Beschlusserfordernisses das negative Erfordernis eines fehlenden Ablehnungsbeschlusses tritt, zu dessen Erteilung der Gesellschafterversammlung vorab Gelegenheit zu gewähren ist.197 In dieser graduellen Abstufung erschöpfen sich die Unterschiede auf der Rechtsfolgenseite. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass nach Zitzmanns Lösung die Gesellschafterversammlung nicht gezwungen ist, eine inhaltliche Entscheidung über die Maßnahme zu treffen.198 Denn auch bei Annahme eines positiven Beschlusserfordernisses besteht für sie die Möglichkeit, die Befugnisse des Geschäftsführers ohne inhaltliche Festlegung durch einen Freigabebeschluss zu erweitern.199 Daneben ist vor allem zu betonen, dass sich auch die Annahme eines Vetovorbehalts jedenfalls im Ergebnis als eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis darstellt.200 Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man den Vetovorbehalt unter dem Gesichtspunkt des Kontroll- und Überwachungsrechts der Gesellschafterversammlung erfasst.201 Anders gesehen wird dies jedoch offenbar von Zitzmann, der von der nicht weiter begründeten Prämisse ausgeht, die Zuordnung einer Regelung zu den „Überwachungsbestimmungen“ verbiete es, darin eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers zu sehen. Zitzmann schließt daraus, weder die von ihm verfolgte Konstruktion eines Vetovorbehalts noch ein Zustimmungs197 

s. bereits oben, § 6 D.III.3.b)aa). Dies betonend Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 158. 199  s. namentlich Hommelhoff, ZGR 1978, 126 f. 200  s. bereits oben, § 6 D.III.3.b)aa). 201 Vgl. Zitzmann, Vorlagepflichten, S.129 ff., 152 ff. 198 

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vorbehalt i.S.d. § 111 Abs. 4 AktG begrenzten die Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers.202 Schon die Prämisse beruht aber auf einem grundlegenden Fehlverständnis. Ganz allgemein ist es vielmehr so, dass mit der Rückführung einer bestimmten Pflicht des Geschäftsführungsorgans auf die Überwachungsfunktion eines anderen Gesellschaftsorgans weder feststeht noch ausgeschlossen ist, dass sich mit dieser Pflicht eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis verbindet. Vielmehr kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an. Z. B. lassen sich nachgelagerte Berichtspflichten gegenüber einem anderen Organ der Überwachungsfunktion zuordnen, ohne dass man diese Pflichten sinnvoll als Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis qualifizieren könnte. Anders sieht es dagegen bei der Pflicht aus, bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen nicht durchzuführen, ohne zuvor die Zustimmung eines anderen Gesellschaftsorgans einzuholen. Das aktienrechtliche Beispiel in § 111 Abs. 4 AktG verdeutlicht, dass sich solche Pflichten unmittelbar als Ausformungen der Überwachungsaufgabe eines Kontrollorgans begreifen lassen. Zugleich wirkt eine solche Pflicht aber ganz offenkundig als eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis, weil das rechtliche Dürfen des Vorstands im Innenverhältnis für bestimmte Maßnahmen an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden wird. Dass darin eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis liegt, ist für das Aktienrecht denn auch völlig unbestritten und kommt im Übrigen auch im Gesetz selbst deutlich genug zum Ausdruck (§ 82 Abs. 2 AktG).203 Überwachung der Geschäftsführung und Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis schließen sich also nicht aus. Vielmehr sind Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis gerade umgekehrt ein anerkanntes Mittel der (präventiven) Kontrolle der Geschäftsführung.204 Auf den Vetovorbehalt angewendet ergibt sich: Die Begründung aus dem Überwachungsrecht der Gesellschafterversammlung kann für sich genommen keine Auskunft darüber geben, ob es sich dabei um eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis handelt. Entscheidend ist stattdessen, wie sich die damit einhergehenden Pflichten auf das rechtliche Dürfen des Geschäftsführers im Innenverhältnis auswirken. Insoweit lässt sich nun aber nicht abstreiten, dass das rechtliche Dürfen des Geschäftsführers durch das Erfordernis beschränkt wird, der Gesellschafterversammlung bei bestimmten Maßnahmen vorab die Möglichkeit zu eröffnen, die Durchführung der Maßnahme zu untersagen. Diese Beschränkung ist gegenüber einem Kompetenz- bzw. einem Zustimmungsvorbe-

Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 164. A.A. aber offenbar – m.E. nicht vertretbar – Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 164; § 82 Abs. 2 AktG spricht ausdrücklich aus, dass der Vorstand zur Einhaltung der Beschränkungen verpflichtet ist, die u.a. Satzung und Aufsichtsrat für die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands getroffen haben. Dazu gehören nach völlig unbestrittener Ansicht auch Zustimmungsvorbehalte i.S. des § 111 Abs. 4 AktG: s. nur MünchKommAktG/Habersack, § 82 Rn. 37, 40. 204  s. dazu auch Hüffer, NZG 2007, 47, 52 f. 202 s. 203 

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halt etwas weniger einschneidend, weil die zu überwindenden Hindernisse etwas niedriger liegen.205 Doch tut dies dem beschränkenden Charakter keinen Abbruch. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich Konsequenzen auch für die Anforderungen an die normative Begründung eines Vetovorbehalts. So genügt es auch hier nicht, schlicht auf die in § 49 Abs. 2 GmbHG normierte Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung im Gesellschaftsinteresse zu verweisen, sofern man diese Vorschrift gerade nicht als Hinweis auf die ungeschriebenen Schranken der Geschäftsführungsbefugnis begreifen möchte. Denn ist eine Maßnahme von der originären Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers gedeckt, kann er sie also ohne Einschränkung aus eigener Machtvollkommenheit vornehmen, dann ist nicht begründbar, warum es im Interesse der Gesellschaft geboten sein soll, gleichwohl die Gesellschafterversammlung als Entscheidungsorgan zu aktivieren, um ihr vorab die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Willen an die Stelle des Willens des Geschäftsführungsorgans zu setzen. Es gilt insofern nichts anderes als für die – übrigens gleichfalls auch mit dem Überwachungsgedanken in Verbindung gebrachte206 – These, es sei für eine Maßnahme die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich, obwohl sie von der Zuständigkeit des Geschäftsführers gedeckt ist. Auch hier gehört daher die mit dem Vetovorbehalt einhergehende Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis an den Ausgangspunkt der Begründung. Hinzuzufügen ist, dass diese Modifikation in der Begründung keineswegs zwingend mit den rechtlichen Konsequenzen unvereinbar ist, die sich mit Zitzmanns Position verbinden. Es gilt auch hier, was als Hilfsüberlegung bereits in Bezug auf den Zustimmungsvorbehalt gesagt worden ist: Die Notwendigkeit, die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnisse unmittelbar an der Kompetenzausstattung des Geschäftsführungsorgans festzumachen, schließt differenzierende Lösungen für die Art und Weise der Beschränkung keineswegs aus. dd)  Entscheidung über das „Ob“ einer Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt: Mit allen in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Vorbehaltstypen gehen im Ergebnis Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis einher; jeweils besteht eine sinnvolle Begründungsmöglichkeit nur dann, wenn sie unmittelbar bei der Kompetenzausstattung des Geschäftsführers ansetzt. Damit ist vorrangig die Frage zu beantworten, ob es der zutreffenden Auslegung des GmbH-Gesetzes entspricht, dass die Befugnisse des Geschäftsführers innerhalb des Unternehmensgegenstandes auch ohne ausdrückliche Regelung in Statut oder Gesetz als beschränkt anzusehen sind. Nur wenn 205  Die Geschäftsführung ist bereits dann zur Vornahme der Maßnahme befugt, wenn die Gesellschafterversammlung die Vorlage nicht zum Erlass einer ablehnenden Weisung nutzt. Dies ist dann der Fall, wenn wenigstens 50 % der Stimmen in der Gesellschafterversammlung der Maßnahme positiv oder neutral gegenüberstehen. 206  Zum Kontrollgedanken s.a. Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22.

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man dies bejaht, stellen sich die weitergehenden Fragen, wie diese Beschränkung rechtstechnisch ausgestaltet ist und welche tatbestandlichen Voraussetzungen für sie gelten. Im Ergebnis ist dabei mit der ganz überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur von inhärenten Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis auszugehen.207 Dabei ist zunächst der einleitend dargestellte Befund (oben, § 6 D.II.) zugrunde zu legen, dass sich aus den Regelungen des GmbH-Gesetzes zwar eindeutig darauf schließen lässt, dass der Geschäftsführer zur Geschäftsführung für die GmbH im Grundsatz befugt ist, nicht aber darauf, dass es sich dabei um eine unbeschränkte Befugnis handelt. Für die Beantwortung der dadurch aufgeworfenen Auslegungsfrage können die grundlegenden Wertungen, die sich aus der Systematik des GmbH-Gesetzes für die gesellschaftsinterne Machtverteilung ergeben, nicht unberücksichtigt bleiben. Insoweit ist zu beachten, dass das GmbHG einem klaren hierarchischen Ansatz folgt, der die Gesellschafterversammlung also oberstes Organ installiert, das aufgrund seines umfassenden Weisungsrechts dazu in der Lage ist, auch sämtliche in der Gesellschaft anfallenden Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen an sich zu ziehen und die Geschäftsführung durch Weisungsbeschluss daran zu binden. Damit korrespondierend übt der Geschäftsführer eine abgeleitete Funktion aus, die vorbehaltlich zwingender gesetzlicher Pflichten in allen ihren Aspekten für die Einflussnahme der Gesellschafterversammlung offen ist. Die latente Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung tritt nun in ein Spannungsverhältnis zu der originären Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers. Denn soweit diese reicht, kann der Geschäftsführer ohne Rücksprache Entscheidungen treffen und umsetzen, die vermittels der dadurch erzeugten rechtlichen oder faktischen Bindungswirkungen die übergeordneten Entscheidungskompetenzen der Gesellschafterversammlung praktisch aushebeln. Solche Bindungswirkungen können sich aus jedem Rechtsgeschäft und auch aus jeder sonstigen Maßnahme ergeben, die nicht umstandslos revidierbar ist. Spannungen zur übergeordneten Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung gehen mit der Einrichtung eines Geschäftsführungsorgans mit originären Kompetenzen also notwendig einher. Sie sind daher im Grundsatz hinzunehmen. Erkennt man aber keinerlei Grenzen der originären Geschäftsführungsbefugnis an, würde dies bedeuten, dass der Geschäftsführer die übergeordneten Entscheidungskompetenzen der Gesellschafterversammlung auch in den grundlegendsten Fragen der Geschäftsführung praktisch leerlaufen lassen könnte.208 Der für das G ­ mbH207  A.A. ausdrücklich vor allem Kort, ZIP 1991, 1274, 1277 f.; Zitzmann, Vorlagepflichten, spricht sich zwar einerseits mit umfassender Begründung dafür aus, dass für die originären Geschäftsführungsbefugnisse des Geschäftsführers keine Schranken bestehen sollen (S. 63 ff., 107 (zusammenfassend)), vertritt dann aber eine Position, die bei Licht besehen doch wieder eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis zur Folge hat (s. dazu bereits oben, § 6 D.III.3.c)aa)); eine ähnliche Einschätzung gilt auch für die Position von Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 7 ff. 208 s.a. Grunewald, GesR, § 13 Rn. 56.

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Recht prägende Grundsatz, wonach die Gesellschafterversammlung aufgrund ihrer latenten Allzuständigkeit auch im Bereich der Geschäftsführung das oberste Entscheidungsorgan darstellt, wäre damit praktisch ganz entwertet. Diesem Befund kann in überzeugender Weise nur dadurch Rechnung getragen werden, dass man für die Bestimmung des Umfangs der originären Geschäftsführungskompetenzen des Geschäftsführers im gesetzlichen Normalfall das Hierarchieprinzip als beschränkendes Element heranzieht. Bei zutreffendem Verständnis der Norm lassen sich diese Überlegungen auch durch einen Rückgriff auf § 49 Abs. 2 GmbHG unterstützen, soweit man sie als einen generalklauselartig formulierten Hinweis auf die impliziten Schranken versteht, denen die Befugnisse des Geschäftsführers auch ohne ausdrückliche Regelung unterliegen. ee)  Rechtstechnische Ausgestaltung einer Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis Da nach der hier vertretenen Ansicht Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt auf das gleiche Ergebnis hinauslaufen (positives Beschlusserfordernis), bleibt hinsichtlich der rechtstechnischen Umsetzung der Schranken der Geschäftsführungsbefugnis allein zu klären, ob von einem solchen positiven Beschlusserfordernis auszugehen ist, oder ob sich die Beschränkung darin erschöpft, dass der Gesellschafterversammlung Gelegenheit zu einer ablehnenden Weisung erteilt werden muss. Dabei ist im Auge zu behalten, dass beide Gestaltungen im Ergebnis ganz nahe beieinander liegen. Im Grunde können sie nur dann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wenn die Stimmen für und gegen die Maßnahme in der Gesellschafterversammlung im Verhältnis 50:50 verteilt sind. Denn nur in diesem Fall kommt es darauf an, ob eine qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahme von einer Gesellschaftermehrheit getragen sein muss, oder ob sie lediglich nicht von einer Mehrheit abgelehnt werden darf. Schon wegen der inhaltlichen Nähe beider Beschränkungsvarianten sind Argumente für oder wider die eine oder andere Lösung schwierig zu gewinnen. Beide sind grundsätzlich in gleicher Weise geeignet, den Wertungen Rechnung zu tragen, die sich aus der latenten Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung als oberstem Entscheidungsorgan in der GmbH ergeben. Folgt man dem soeben geschilderten Begründungsansatz und versteht die originäre Geschäftsführungskompetenz als Ausgangspunkt, der im Hierarchieprinzip lediglich ein Korrektiv findet, liegt aber im Ergebnis doch die Annahme näher, dass bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen lediglich Gelegenheit zum Erlass eines ablehnenden Weisungsbeschlusses gewährt werden muss. Denn seinen zentralen Ausdruck findet das Hierarchieprinzip im Bereich der Geschäftsführung in der latenten Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung, für die das Instrument des Weisungsbeschlusses nach § 37 Abs. 1 GmbHG den Durchsetzungshebel bildet. Wenn diese rechtliche Ausgangslage die Wertungsbasis für die Forderung bildet, die originären Kompetenzen der Geschäftsführung seien zu beschränken, dann kann dies im Ergebnis auch nicht mehr als den Einsatz einer Beschränkungstechnik rechtfertigen, die die Möglichkeit zum Erlass von Weisungsbeschlüssen

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sicherstellt. Für eine weitergehende Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis, wie sie in einem positiven Beschlusserfordernis liegt, besteht dagegen keine hinreichende Basis. ff)  Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäftsführungsschranken Damit verbleibt zuletzt die Frage, wo die Linie für die Beschränkung der originären Zuständigkeiten des Geschäftsführers zu ziehen ist. Nach der hier vertretenen Konzeption geht es dabei genauer gesagt um die Bestimmung der Schwelle, ab der die latente Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung durch das Verbot abzusichern ist, eine Maßnahme umzusetzen, ohne zuvor die Gesellschafterversammlung als Entscheidungsorgan zu aktivieren und ihr damit die Gelegenheit zu einem (ablehnenden) Weisungsbeschluss zu eröffnen. Es handelt sich dabei letztlich um eine Wertungsfrage, woraus sich auch die Schwierigkeiten bei der Konkretisierung des zutreffenden Maßstabs erklären. Insoweit erscheint es schon mangels überzeugender Alternativen vorzugswürdig, sich jedenfalls im Ausgangspunkt an der Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Maßnahmen zu orientieren, wie dies auch in Rechtsprechung und Literatur trotz einigen Distanzierungsversuchen immer noch der ganz überwiegenden Ansicht entspricht.209 Im Personengesellschaftsrecht werden mit einer in Literatur wie Rechtsprechung gebräuchlichen Formulierung ungewöhnliche Geschäfte dahin definiert, dass sie nach Inhalt, Zweck und Umfang bzw. nach ihrer Bedeutung und den mit ihnen verbundenen Gefahren und Risiken über den gewöhnlichen Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft hinausgehen und damit Ausnahmecharakter besitzen.210 Passend ist diese Differenzierung auf einer sehr allgemeinen Ebene zunächst insoweit, als dass sie ein klares Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert. Eine solche Weichenstellung erscheint für den gesetzlichen Regelfall schon unter funktionalen Gesichtspunkten auch für Beschränkungen der originären Geschäftsführungsbefugnis des GmbH-Geschäftsführers angezeigt. Im Ergebnis unbestritten ist auch, dass mit der Anknüpfung an die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme jedenfalls insoweit zutreffende Resultate erzielt werden, als der gesamte Bereich der laufenden Geschäftsführung uneingeschränkt in die originäre Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers einbezogen wird. Die den verbleibenden Bereich der Geschäftsführung betreffenden Streitigkeiten beruhen in erster Linie auf der Befürchtung, die Anknüpfung an den Begriff der ungewöhnlichen Maßnahme würde die Pflicht zur Einbeziehung der Gesellschafterversammlung verfrüht auslösen. Man darf diese Sorge allerdings nicht un209  s. für Kritik an den alternativen Formulierungsvorschlägen von Zöllner/Noack und Paefgen und Zitzmann bereits oben, § 6 D.III.3.c)cc). 210  s. BGH BB 1954, 143; BGH NJW 1980, 1463, 1464; Baumbach/Hopt, HGB, §116 Rn. 2; MünchKommHGB/Jickeli § 116 Rn. 7 ff.; Schlegelberger/Martens, HGB, § 116 Rn. 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Drescher, HGB, § 116 Rn. 4; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 116 Rn. 1.

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besehen auf die zu § 116 Abs. 2 HGB vorliegende Kasuistik stützen.211 Z. B. mag die „Schließung einer Filiale“212 im Einzelfall durchaus unter § 116 Abs. 2 HGB zu subsumieren sein. Dies ist aber nicht verallgemeinerbar, da der Bezugspunkt für die Bestimmung dessen, was zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört, für jeden Einzelfall variiert. Immer kommt es auf den Zuschnitt des konkreten Unternehmens an.213 Insoweit ist neben der Größe des Geschäftsbetriebs etwa auch zu berücksichtigen, welchen konkreten Zuschnitt die bisherige Geschäftstätigkeit gehabt hat bzw. wie und unter Billigung welcher Risiken die Geschäfte bislang mit Zustimmung aller Beteiligten geführt worden sind.214 Keinesfalls sollte mit der Anlehnung an die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme die Vorstellung verbunden werden, dass damit die Mitwirkung der Gesellschafterversammlung letztlich für jedes besonders große oder langfristige Geschäft215 oder sogar überhaupt für jedes riskante Geschäft216 erforderlich wird. Auch hier lohnt ein Rückblick auf die reichsgerichtliche Diskussion um die Melasse-Entscheidung. Diese hat den Begriff des ungewöhnlichen Geschäfts gerade als Gegenbegriff zu der allgemein abgelehnten These etabliert, bereits jedes „wichtige, kostspielige oder riskante“ Geschäft könne eine Einbeziehung des Mitgliederorgans erfordern.217 Dies beruhte gerade auf der Vorstellung, dass auch solche Geschäfte durchaus noch in den Rahmen des Gewöhnlichen gehören können. Von dieser Traditionslinie ist auch für die GmbH nicht abzuweichen. Dies ist im Übrigen bei zutreffendem Verständnis auch gar nicht die Folge einer Anlehnung an § 116 Abs. 2 HGB. So ergibt sich schon aus der konventionellen Definition der ungewöhnlichen Maßnahme, dass gerade nicht jedes riskante Geschäft ein ungewöhnliches Geschäft ist. Ein solches Verständnis wäre praktisch auch völlig ungeeignet, weil fast keine unternehmerische Tätigkeit denkbar ist, die nicht zumindest mit geringfügigen Risiken einhergeht. Maßgeblich ist dementsprechend auch nur, ob Gefahren in Kauf genommen werden, mit 211 So aber tendenziell Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 12 und deutlicher noch in einer früheren Auflage Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG (17. Aufl.), § 37 Rn. 6 lit. f. 212  Als (abschreckendes) Bsp. für § 116 Abs. 2 HGB genannt bei Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG (17. Aufl.), § 37 Rn. 6 lit. f. 213  s. BGH BB 1954, 143, 145; Baumbach/Hopt, HGB, § 116 Rn. 2; MünchKommHGB/ Jickeli § 116 Rn. 10; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 116 Rn. 1; Staub/Schäfer, HGB, § 116 Rn. 4. 214  s. Staub/Schäfer § 116 Rn. 4; ähnlich für die GmbH Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 23; s.a. Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22 a.E. 215  So aber die Befürchtung von Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG (17. Aufl.), § 37 Rn. 6 lit. f. 216  So aber Ziemons, Haftung, S. 15, die auf dieser unzutreffenden Basis meint, die h.M. sei widersprüchlich, wenn sie trotz Anknüpfung an den Begriff des ungewöhnlichen Geschäfts im Rahmen von § 43 GmbHG davon ausgehe, der Geschäftsführer könne auch risikoreiche Geschäfte vornehmen, wenn er sich nur an den vorgegebenen Sorgfaltsmaßstab halte; ähnlich auch bereits Kort, ZIP 1991, 1274, 1278. 217  s. o., § 6 D.III.4.a) und § 5 E.I.1.b).

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denen anhand des für den konkreten Geschäftszuschnitt Üblichen nicht gerechnet werden konnte. Vergleichbares gilt auch für besonders „große“ oder „langfristige“ Geschäfte. Darüber hinaus ist für § 116 HGB ganz allgemein ein Verständnis zu befürworten, wonach der Kreis der gewöhnlichen Maßnahmen auf Basis einer unternehmensbezogenen Betrachtung hinreichend großzügig zu bemessen ist, um genügend Raum für die Entfaltung der Dynamik zu gewähren, von der unternehmerische Betätigung vielfach geprägt ist.218 Die Bezugnahme auf den „bisherigen Geschäftsbetrieb“ darf danach nicht als ein statisches Korsett missverstanden werden, sondern muss bereits dem Umstand Rechnung tragen, dass kontinuierliche Anpassungen der unternehmerischen Betätigung – anders als sprunghafte Entwicklungen – zum Bereich des Gewöhnlichen gehören.219 Liegt eine Maßnahme dagegen nicht außerhalb dessen, womit angesichts des konkreten Geschäftszuschnitts (auf Basis der geschilderten dynamischen Betrachtung) noch zu rechnen war, dann führt auch ihre Seltenheit oder ihre überdurchschnittliche Bedeutung nicht zu ihrer Qualifikation als ungewöhnlich.220 Eine solche Position ist durchaus auch mit der Rechtsprechung zu § 116 Abs. 2 HGB vereinbar, die Maßnahmen, die innerhalb des Unternehmensgegenstandes liegen, grundsätzlich nur sehr zurückhaltend als ungewöhnlich einordnet.221 Bei zutreffendem Verständnis von § 116 Abs. 2 HGB dürfte damit bereits ein großer Teil des Konfliktpotentials entfallen. Demgegenüber könnten die in der Literatur genannten Alternativvorschläge nicht überzeugen. Zu restriktiv erscheint zunächst der Ansatz Zitzmanns, der in Anlehnung an § 49 Abs. 3 GmbHG nur für solche Maßnahmen eine Vorlagepflicht begründen möchte, die zum Verlust der Hälfte des Stammkapitals führen können.222 Davon abgesehen, dass der Geltungsbereich dieser Vorschrift inzwischen durch § 5a Abs. 4 GmbHG beschränkt wird, wird sie schon in ihrem eigentlichen Anwendungsbereich zutreffend als defizitär angesehen.223 Es gibt keinen vernünftigen Grund, diese Unzulänglichkeiten in § 49 Abs. 2 GmbHG hineinzutragen.224 Zitzmanns Ansatz bleibt auch dann abzulehnen, wenn man sich von der Umsetzung über § 49 Abs. 3 GmbHG löst und ihn auf den Ausgangspunkt zurückführt, nur bestandsgefährdende Maßnahmen rechtfertigten die Einbeziehung der Ge218  s. in diese Richtung vor allem MünchKommHGB/Jickeli § 116 Rn. 8. mit der weiteren Bemerkung, ungewöhnlich könnten nur solche Geschäfte sein, mit denen bei gegebenem Geschäftszuschnitt nicht zu rechnen ist. 219  s. MünchKommHGB/Jickeli § 116 Rn. 8. 220  s. MünchKommHGB/Jickeli § 116 Rn. 8. 221  So die Einschätzung bei MünchKommHGB/Jickeli § 116 Rn. 8, 17; Staub/Schäfer § 116 Rn. 5, 10. 222 s. Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 160 ff. 223 s. Veil, ZGR 2006, 374, 381 f. m.w.N. 224  Im Gegenteil ist darüber nachzudenken, inwieweit die Defizite des § 49 Abs. 3 durch § 49 Abs. 2 GmbHG ausgeglichen werden können, etwa durch Bejahung einer Einberufungspflicht aus § 49 Abs. 2 GmbHG bei erheblichen Verlusten, die aber die Schwelle des § 49 Abs. 3 noch nicht erreichen, s. Veil, a.a.O., S. 382; Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 23.

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sellschafter.225 Diese einseitige Fixierung auf die Existenzfrage veranschlagt die aus dem Hierarchieprinzip abzuleitenden Mitentscheidungsansprüche der Gesellschafter deutlich zu niedrig. Grundsätzlich gangbarer, weil weniger restriktiv erscheint der Ansatz von Ziemons, die sich der Frage der Auslösungskriterien für die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung über das Aktienrecht und die dort in § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG normierte Pflicht des Vorstands nähert, dem Aufsichtsrat über solche Geschäfte Bericht zu erstatten, die für die Rentabilität und Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können.226 Die gedankliche Parallelität zu den hier diskutierten Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers ergibt sich daraus, dass die Information des Aufsichtsrats nach § 90 Abs. 2 Nr. 4 AktG möglichst so rechtzeitig zu geschehen hat, dass der Aufsichtsrat vorab Gelegenheit hat, zu ihnen Stellung zu nehmen und sie ggfs. auch durch einen ad hoc erklärten Zustimmungsvorbehalt verhindern kann. Ein näherer Blick auf diese Berichtspflicht zeigt aber, dass sich damit gegenüber der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme keine echten Erkenntnisfortschritte verbinden. Zunächst sind Geschäfte, die ihrer Art nach prinzipiell geeignet sind, Berichtspflichten nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG auszulösen, außerordentlich vielfältig. Bereits die Gesetzesbegründung führt insoweit an: den Erwerb sowie die Veräußerung eines Betriebs- oder Betriebsteils, die Gründung und Schließung einer Zweigniederlassung sowie die Aufnahme eines größeren Auftrags.227 Die Literatur fügt (teils mit deutlichen inhaltlichen Überschneidungen) hinzu: den Abschluss langfristiger Liefergeschäfte, generell größere Investitionen, die Veräußerung oder den Erwerb von Unternehmen oder Betrieben, die Gründung von Niederlassungen und die Expansion in neue Geschäftsfelder und Märkte.228 Letztlich kommt es aber auch gar nicht auf die Art des in Frage stehenden Geschäfts an, sondern auf dessen „erhebliche Bedeutung“ für Rentabilität und Liquidität, was wiederum in einer Einzelfallbetrachtung zu klären ist.229 Für diese sollen nun einerseits Größe, Branchenzugehörigkeit und Situation der Gesellschaft, andererseits Art, Ausmaß und Risiko des Geschäfts in den Blick zu nehmen sein.230 Bezeichnenderweise wird dabei auch der Frage Bedeutung zugemessen, welche Art und welchen Umfang von Geschäften die Gesellschaft ansonsten üblicherweise durchführt.231 Insgesamt wird damit hinreichend deutlich, dass sich mit der Bezugnahme auf § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG weder ein grundsätzlich anderer Maßstab verbindet als mit dem Rückgriff auf die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme, noch dass die Konkretisierung weniger Probleme bereitet. Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 152 ff. Ziemons, Haftung, S. 16. 227 s. Kropff, AktienG 1965, S. 117. 228  s. die Aufzählung bei K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rn. 26 m.w.N. 229  s. K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rn. 26. 230  s. K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rn. 26. 231  s. K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rn. 26. 225 s.

226 s.

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Eine ergänzende Überlegung soll den Gedankengang abschließen, ob nähere Kriterien für die Bestimmung des Maßstabs für Vorlagepflichten im GmbH-Recht durch Anleihen beim Aktienrecht zu gewinnen sein könnten. Neben § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG könnte ein Ansatzpunkt für einen Erkenntnistransfer nach der heutigen Rechtslage nämlich auch in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG gesehen werden. Diese Vorschrift begründet seit ihrer im Jahr 2002 in Kraft getretenen Neufassung eine Verpflichtung zur Einführung von Zustimmungsvorbehalten.232 Der Transmissionsriemen wäre dann die These, dass Maßnahmen, für die im Aktienrecht verpflichtend ein Zustimmungsvorbehalt aufzustellen ist, im GmbH-Recht aufgrund des Hierarchieprinzips einer Vorlagepflicht unterfallen. Auch die Anknüpfung an § 111 Abs. 4 S. 2 AktG verhilft letztlich aber nicht zu einem Erkenntnisgewinn, weil die Konkretisierung dieser Regelung gleichfalls mit erheblichen Problemen verbunden ist. Bezeichnenderweise hat der Gesetzgeber auf inhaltliche Vorgaben verzichtet, weil diese nicht allgemeingültig gelingen können.233 Ziffer 3.3 DCGK bezieht § 111 Abs. 4 S. 2 AktG auf „Geschäfte von grundlegender Bedeutung“, die jedenfalls bei solchen Entscheidungen oder Maßnahmen gegeben sein sollen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern. Dies führt mit der Erweiterung um den Begriff der Vermögenslage wieder zu den Überlegungen zurück, die schon für die Auslegung von § 91 Abs. 1 Nr. 4 AktG anzustellen sind. Für die erzielbaren Erkenntnisfortschritte gelten die obigen Ausführungen daher sinngemäß. 5.  Grundlagengeschäfte; Eingriff in Gesellschafterrechte Neben dem Begriff der ungewöhnlichen Maßnahme wird in der Diskussion gelegentlich auch der Begriff des Grundlagengeschäfts bzw. der Argumentationstopos des „Eingriffs in Gesellschafterrechte“ in Bezug genommen. Dazu ist zu Abgrenzungszwecken Stellung zu beziehen. a)  Der Begriff des Grundlagengeschäfts Namentlich von Kort ist vertreten worden, für die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der Gesellschafterversammlung und des Geschäftsführers im gesetzlich nicht geregelten Bereich sei allein der Begriff der Grundlagengeschäfts234 maßgeblich, den er als Gegenbegriff zur Geschäftsführung (unter Einschluss au-

s. dazu nur Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 35. Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 36 m.w.N. 234  Sprachlich eng damit verwandt, aber etwas anders gemeint ist der von Paefgen ins Spiel gebrachte Terminus der grundlegenden Maßnahme: s. Ulmer/ders., GmbHG, § 37 Rn. 9; Paefgen zielt damit in allerdings nicht ganz klarer Weise darauf ab, sowohl Holzmüller-Maßnahmen als auch einen – herausgehobenen – Teilausschnitt solcher Geschäftsführungsmaßnahmen zu erfassen, die konventionell der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahmen zugeschlagen werden. 232 

233 Vgl.

400

§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

ßergewöhnlicher Maßnahmen) einsetzt.235 Korts Ansatz ist – aus den geschilderten Gründen 236 – in der Sache entgegenzutreten, soweit er sich gegen die Existenz von Beschränkungen der originären Geschäftsführungsbefugnisse des GmbHGeschäftsführers (Vorlagepflichten für ungewöhnlichen Maßnahmen) wendet. Zu befürworten ist demgegenüber die damit zugleich verfolgte terminologische Abgrenzung, den Begriff des Grundlagengeschäfts nicht mit dem Sachbereich der Geschäftsführung (unter Einschluss der außergewöhnlichen Maßnahmen) zu vermengen; das erscheint schon deswegen sinnvoll, weil es sich beim Begriff des Grundlagengeschäfts um einen etwas schillernden Begriff handelt,237 der nicht immer einheitlich verwendet wird 238 und der daher eher Verwirrung stiftet, als dass er zur Klärung zuständigkeitsrechtlicher Fragen beiträgt. Im Übrigen dürfte er dem Schwerpunkt nach auf Maßnahmen zielen, die wie Satzungsänderungen sowie Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz oder der Abschluss von Unternehmensverträgen i.S. der §§ 291 ff. AktG in der Tat nicht zum Bereich der Geschäftsführung rechnen.239 Auch im Bereich derartiger Maßnahmen dürfte der Begriff des Grundlagengeschäfts für die Diskussion zuständigkeitsrechtlicher Fragen übrigens entbehrlich sein, bzw. dazu keinen eigenständigen Beitrag liefern. So kann für die vorgenannten Sachmaterien z. B. bereits auf gesetzliche Regelungen bzw. Analogien zu gesetzlichen Regelungen 240 zurückgegriffen werden, sodass der Qualifikation dieser Maßnahmen als Grundlagengeschäft für die Zuständigkeitsfrage keine eigenständige Bedeutung zukommt.241 Dies gilt auch, soweit im Hinblick auf andere gesetzlich geregelte Zuständigkeiten die Qualifikation als Grundlagengeschäft umstritten ist;242 für die Zuständigkeit ist dann die gesetzliche Regelung entscheidend, nicht die Subsumtion unter den Begriff des Grundlagengeschäfts. Kort, ZIP 1991, 1274, 1276. s. o., § 6 D.III.4.c)dd). 237  So die Qualifikation von Wiedemann, GesR II, § 4 I 1 c (S. 295). 238  Vgl. für ein enges Begriffsverständnis z. B. Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 639 ff. gegen Voormann, Beirat, S. 103 ff.; s. daneben Wiedemann, GesR II, § 4 I 1 c (S. 295 ff.). 239  Vgl. etwa Grunewald, GesR, § 13 Rn. 91; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 118; Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 639. 240  s. dazu bereits oben, § 6 D.I. 241  Im Bereich gesetzlich geregelter Zuständigkeiten wird unter dem Gesichtspunkt des Grundlagengeschäfts z.T. über die Frage diskutiert, ob bzw. inwieweit von der gesetzlichen Regelung abgewichen werden darf, etwa bei Kompetenztransfers auf Beiräte: s. dazu mit unterschiedlichen Ergebnissen z. B. Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 639 ff.; Voormann, Beirat, S. 103 ff. 242  Dies gilt etwa für einige der in § 46 GmbHG aufgezählten Zuständigkeiten der Gesellschafter: Einordnung von § 46 Nr. 5 GmbHG als Grundlagenmaßnahmen etwa bei Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 19; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 37 Rn. 4; dagegen Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 639; Einordnung von § § 46 Nr. 6 u. 8 als Geschäftsführungsmaßnahme bei Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 4; für Grundlagenmaßnahme Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 20. 235 s. 236 

E.  Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin

401

Auch soweit gesetzlich nicht geregelte Materien, wie insbesondere Holzmüllersachverhalte in Rede stehen – auf diese scheint auch Kort mit dem Begriff des Grundlagegeschäfts primär abzuzielen 243 –, ist für deren zuständigkeitsrechtliche Behandlung nicht die begriffliche Zuordnung zum Terminus des Grundlagengeschäfts maßgeblich. Vielmehr bedarf die Frage, ob die Holzmüller-Doktrin auch für das GmbH-Recht Bedeutung entfaltet, einer genauen Untersuchung, die sich auch auf das Verhältnis zur Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme erstrecken muss. Darauf ist sogleich in einem gesonderten Abschnitt zurückzukommen. b)  Der Topos vom Eingriff in Gesellschafterrechte Neben dem Terminus des Grundlagengeschäfts wird zur Zuständigkeitsabgrenzung auch auf die Frage zurückgegriffen, ob eine Maßnahme in Gesellschafterrechte eingreift bzw. die Mitgliedschaft als solche betrifft.244 Darin soll möglicherweise nichts weiter liegen, als eine weitere Bezugnahme auf die Holzmüller-Doktrin, wo diese Überlegung zum festen Begründungsrepertoire gehört. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Für die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme ist die Bedeutung des Argumentationstopos vom Eingriff in Gesellschafterrechte dagegen fraglich. Häufig wird sich hier anderweitig begründen lassen, ob eine Maßnahme ungewöhnlich ist und deswegen die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung erfordert. Wo dies nicht der Fall ist, wirft dies erneut die Frage nach dem genauen Verhältnis der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme und der Holzmüller-Doktrin bzw. allgemeiner den Grundlagen- und Strukturentscheidungen.

E. Überblick: Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/ Gelatine-Doktrinin das GmbH-Recht E.  Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrinin das GmbH-Recht

Die Frage, ob auch in der GmbH Beschränkungen für die Kompetenzen der Verwaltung zu verzeichnen sind, wie sie der Bundesgerichtshof für das Aktienrecht in den Urteilen Holzmüller und Gelatine etabliert hat, ist dagegen über lange Zeit kaum eingehender diskutiert worden. Dafür scheint es zumindest auf den ersten Blick auch recht einsichtige Gründe zu geben, die allerdings gegenläufige Tendenzen aufweisen. Einerseits verfügt die GmbH-Rechtsdogmatik wie bereits dargestellt über eigene tradierte Begründungsansätze, soweit es um die Begründung von Mitwirkungserfordernissen zugunsten der Gesellschafterversammlung jenseits ausdrücklicher gesellschaftsvertraglicher oder gesetzlicher Regelungen geht. Es scheint daher auf den ersten Blick gar nicht einzusehen, wieso der aus Kort, ZIP 1991, 1274, 1276; ähnlich auch Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 118. s. etwa Kort, ZIP 1991, 1274, 1276; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 12; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 35 ff. 243 s. 244 

402

§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

dieser Perspektive viel umständlichere Begründungsansatz der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf das GmbH-Recht zu übertragen sein sollte. Andererseits scheint die Begründung von Mitwirkungserfordernissen bei der Gruppenbildung für das GmbH-Recht aber auch viel weniger dringlich zu sein, weil die damit einhergehenden Verwerfungen im Bereich der Zuständigkeitsordnung zumindest nach Ansicht einiger Stimmen eine geringere Intensität aufweisen. Beide Gesichtspunkte sollen einleitend in Form von zwei Arbeitshypothesen aufbereitet werden (I.), die es im Anschluss näher zu überprüfen gilt. Ungeachtet dessen hat sich inzwischen aber auch für das GmbH-Recht eine Diskussion entwickelt, die ihrem Grundtenor nach darauf zielt, die Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf das GmbH-Recht zur übertragen. Diese Position wirft im Hinblick auf die tradierten Begründungslinien für ungeschriebene Geschäftsführungsgrenzen jedoch schwierige Abgrenzungsfragen auf. Im Ergebnis entsteht dadurch Raum für eine konzeptionelle Varianz, die so im Aktienrecht keine Parallele hat. Die Verortung einzelner in der Literatur geäußerter Positionen ist deswegen nicht selten auch mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Aus diesem Grund wird daher zunächst eine systematisierende Zwischenüberlegung eingeschoben (II.), die es erlauben soll, den Meinungstand geordnet zu erfassen (III.).

I.  Zwei Thesen zur (mangelnden) Relevanz von Holzmüller/Gelatine im GmbH-Recht Fragt man sich, warum die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf das GmbH-Recht über lange Zeit kaum intensiver diskutiert worden ist, so bieten sich zwei unterschiedliche, tendenziell allerdings gegenläufige Begründungsansätze an (1. u. 2.). Mit beiden Thesen verbinden sich weitergehende Fragen (3.), denen im Folgenden nachzugehen sein wird. 1.  Einbeziehungserfordernis des Mitgliederorgans leichter begründbar – Holzmüller-Doktrin ohne eigenständige Relevanz? Ein erster Begründungsansatz greift auf die Erkenntnis zurück, dass sich die Ausgangsvoraussetzungen dafür, ungeschriebene Einbeziehungserfordernisse zugunsten Mitgliederorgans zu begründen, im Aktienrecht und im GmbH-Recht ganz grundlegend unterscheiden.245 Im Aktienrecht sieht man sich bei diesem Unterfangen mit einer im Einzelnen durchgeregelten und fast durchgehend zwingend normierten Zuständigkeitsordnung konfrontiert, die die Organzuständigkeiten relativ strikt gegeneinander abgrenzt. Die Fortbildung dieser Zuständigkeitsordnung erfordert einen hohen Begründungsaufwand und ist auch dann nur in engen Grenzen möglich. Im GmbH-Recht bestehen dagegen wegen der latenten Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung an der potentiellen Entscheidungskompe245  Vgl. dazu auch Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f.; Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1287; Reichert, AG 2005, 150, 159.

E.  Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin

403

tenz des Mitgliederorgans für Gruppenbildungsmaßnahmen von vornherein keine Zweifel. Die Begründungslast für die Annahme einer Pflicht des Geschäftsführers, die Gesellschafterversammlung als Entscheidungsorgan auch dort einzubeziehen, wo es an einer ausdrücklichen Regelung fehlt, reduziert sich damit auf die Frage, ob diese potentiellen Zuständigkeiten unter gewissen Umständen durch Beschränkungen der originären Befugnisse des Geschäftsführungsorgans abzusichern sind. Zugleich geht dieser reduzierte Begründungsaufwand im GmbH-Recht mit einer besseren Ausgangsbasis für die Herleitung solcher Schranken einher.246 Dem entspricht es, wenn die tradierte GmbH-Rechtsdoktrin unbeschadet aller Differenzen hinsichtlich der normativen Begründung und der genauen rechtstechnischen Ausgestaltung für – gewisse – qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen seit jeher von der Existenz solcher Schranken ausgeht.247 Bezieht man sich isoliert auf die Begründung des Einbeziehungserfordernisses für das Mitgliederorgan, ergibt sich damit: Dort, wo das Aktienrecht mit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin hin will, ist das GmbH-Recht auf seine Weise schon lange angelangt. In diesem Sinne wird etwa gesagt, für das GmbH-Recht ergebe sich eine der Holzmüller/Gelatine-Doktrin strukturell ähnliche, aber weiterreichende Verpflichtung zur Einbeziehung des Mitgliederorgans schon aus § 49 Abs. 2 GmbHG,248 die Holzmüller-Problematik stelle sich bei der GmbH als Frage nach zwingenden Vorlagepflichten des Geschäftsführers,249 oder aber der Schutz der Gesellschafter vor gruppenbildenden Maßnahmen füge sich nahtlos in die gesetzliche Organisationsverfassung der GmbH ein.250 Verbreitet werden diese Zusammenhänge auch verkürzt in einem Erst-Recht-Schluss zusammengefasst: Wenn eine geplante Maßnahme selbst im Aktienrecht die Einbeziehung des Mitgliederorgans erfordert, müsse dies erst recht der Fall sein, wenn es um die Durchführung der gleichen Maßnahme in der GmbH gehe.251 Dem entspricht, dass auch diejenigen, die der Vorstellung von ungeschriebenen Beschränkungen der Geschäftsführerbefugnisse reserviert gegenüberstehen, solche aber jedenfalls für Fälle bejahen möchten, die im Aktienrecht unter die Holzmüller-Doktrin subsumiert werden.252

246 

s. dazu näher oben, § 6 D.III.4. s. ausführlich oben, § 6 D.III.2., 3. u. 4.a). 248  So z. B. Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22. 249 So Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 520. 250  s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 9; § 29 Rn. 10; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 49; ähnlich auch Binge, Gesellschafterklage, S. 97 f.; Ulmer/ Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 68; s.a. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232. 251  Vgl. Emmerich/Habersack, § 9 Rn. 9 f. u. § 29 Rn. 10; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Roth/Altmeppen, § 45 Rn. 8; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 12; vgl. auch Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 618, 620. 252  s. insb. Kort, ZIP 1991, 1274, 1276 ff.; s.a. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 37 Rn. 12. 247 

404

§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

2.  Geringere Dringlichkeit für die Begründung von Einbeziehungserfordernissen – fehlender Mediatisierungseffekt? Daneben findet sich aber auch die These, dass die Begründung von Einbeziehungserfordernissen für Gruppenbildungsmaßnahmen im GmbH-Recht viel weniger dringlich erscheint. Einen frühen Ausdruck hat sie etwa in der Aussage Lutters gefunden, die Probleme des Holzmüller-Falles seien betont aktienrechtlicher Natur und für die GmbH „ohne systematische Relevanz“, weil das Hierarchieprinzip durch Maßnahmen konzernrechtlicher Art nicht wesentlich tangiert werde und es damit an der für das Aktienrecht festgestellten Möglichkeit fehle, Einflusszonen zu verändern.253 In der Sache stellt dies für das GmbH-Recht die Existenz oder doch zumindest die Stärke des Mediatisierungseffekts in Frage, der im Aktienrecht nach dem in dieser Arbeit zugrunde gelegten Verständnis das zentrale Motiv für die Ausbildung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten darstellt. Die Berechtigung dieses Gesichtspunkts lässt sich angesichts der Kompetenzstruktur der GmbH jedenfalls nicht von vornherein von der Hand weisen, verfügt die Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft aufgrund ihrer latenten Allzu­ ständigkeit und des ihr zustehenden Weisungsrechts doch zumindest im Grundsatz über effektive Mittel, um auch auf die Wahrnehmung von Gesellschafterrechten Einfluss zu nehmen, die an anderen Gesellschaften bestehen. In der neueren Literatur findet der geschilderte Gesichtspunkt regelmäßig nur in Form von kurzen Andeutungen Ausdruck, die inhaltlich auf die Aussage hinauslaufen, die im Aktienrecht unter dem Schlagwort des Mediatisierungseffektes verhandelte Problematik stelle sich im GmbH-Recht nicht in der gleichen Schärfe.254 Daneben sind Stellungnahmen zu Detailfragen zu vermerken, die zumindest implizit auf der Prämisse zu beruhen scheinen, dass die Auswirkungen von Gruppenbildungsmaßnahmen im GmbH-Recht doch nicht in jeder Hinsicht mit denen im Aktienrecht vergleichbar sind und daher auch bei den Mitwirkungserfordernissen Differenzierungen gerechtfertigt erscheinen. Dies gilt namentlich dann, wenn gesagt wird, die Mitwirkung der Gesellschafterversammlung in der GmbH sei entbehrlich, wenn die Ausgliederung eines Unternehmensteils auf eine hundertprozentige Tochtergesellschaft bzw. (spezieller) eine hundertprozentige Tochterge-

253 s. Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 835 f., 840 f.; dem folgend Wehlmann, Kompetenzen, S. 42; gleichwohl wird man Lutter nicht auf die Position festlegen können, die von ihm zur Aktiengesellschaft angestellten Überlegungen seien unter keinem Gesichtspunkt auf die GmbH zu übertragen: vgl. etwa schon ders., in: FS Barz, S. 199, 215 ff., und inzwischen auch explizit für eine Übertragung der Holzmüller-Grundsätze auf das GmbH-Recht ders./ Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f. – allerdings beschränkt Lutter die Holzmüller-Doktrin auch nicht auf Mediatisierungsfälle. 254  s. z. B. Jungkurth, Konzernleitung, S. 37; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 42.

E.  Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin

405

sellschaft in der Rechtsform einer GmbH in Rede stehe und zur Begründung auf das fortbestehende Weisungsrecht verwiesen wird.255 3. Folgefragen Im Hinblick auf beide der zuvor angeführten Thesen drängen sich weitergehende Fragen auf. a)  Zur mangelnden Relevanz der Holzmüller-Doktrin im GmbH-Recht Was die These von der mangelnden eigenständigen Relevanz der Holzmüller-Doktrin für das GmbH-Recht angeht, stellt sich die Frage, ob hier nicht zumindest in der Folge der Gelatine-Entscheidungen eine differenziertere Betrachtung angezeigt ist. Entbehrlich kann eine genaue Unterscheidung nur dann sein, wenn alle denkbaren Holzmüller/Gelatine-Konstellationen tatbestandlich auch von der tradierten GmbH-rechtlichen Doktrin erfasst werden und diese außerdem die gleichen Rechtsfolgen nach sich zieht. aa) Rechtsfolgenseite Ansatzpunkte für mögliche Unterschiede ergeben sich in erster Linie auf der Rechtsfolgenseite.256 Allerdings gilt dies nicht für die generelle Notwendigkeit, die Gesellschafterversammlung in die zu treffende Entscheidung einzubeziehen, weil sich diese auf beiden Begründungswegen herleiten lässt. Fragt man genauer, wie das Einbeziehungserfordernis rechtstechnisch ausgestaltet ist, ergeben sich zumindest dann keine Unterschiede, wenn man hinsichtlich des Umgangs mit qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen der herrschenden Ansicht folgt. Jeweils ist dann ein positiver Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich. Eine marginale Differenz ist dann festzustellen, wenn man es mit der hier verfolgten Ansicht bei ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen für ausreichend hält, der Gesellschafterversammlung Gelegenheit zum Erlass eines ablehnenden Weisungsbeschlusses zu gewähren. Durchgreifende Unterschiede ergeben sich dagegen insoweit, als mit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin nach nunmehr höchstrichterlich gesicherter Erkenntnis ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis einhergeht. Die Einordnung der erfassten Maßnahme als „satzungsnah“, die die Basis für dieses Mehrheitserfordernis darstellt, lenkt den Blick zudem auch auf die weiterge255 s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; ebenso Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, ­ mbHG, § 37 Rn. 11, mit einer Gegenausnahme für den Fall, dass in der Tochtergesellschaft G aufgrund der Anzahl der Arbeitnehmer nach mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften ein Aufsichtsrat zu bilden ist; s.a. Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 618, 621, die aber dann, wenn die Ausgliederungsmaßnahme 50 % der Bilanzsumme betrifft, doch wieder eine Zustimmungspflicht der Gesellschafterversammlung annehmen wollen; s. zu diesen noch näher unten, § 6 E.III.3.d). 256  s. näher Reichert, AG 2005, 150, 159 f.

406

§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

hende Frage, ob daraus auch Ableitungen für die gesellschaftsvertraglichen Gestaltungsspielräume zu ziehen sind. Auch insoweit könnte sich also ein Unterschied zur Kategorie der qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen ergeben.257 bb) Tatbestandsseite Auch die Tatbestandsseite rechtfertigt einen näheren Blick. Hier ist zu berücksichtigen, dass sich die Holzmüller-Doktrin nach zutreffender Ansicht nur auf Strukturmaßnahmen mit gleichsam satzungsändernder Qualität bezieht, was sich auf der Tatbestandsseite darin niederschlägt, dass nur Maßnahmen mit mediatisierender Wirkung und auch diese nur oberhalb einer hoch ansetzenden quantitativen Schwelle erfasst werden. Die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme, die darauf abzielt, die Mitwirkung der Gesellschafter über den Bereich der Grundlagenund Strukturentscheidungen hinaus bis in einen (herausgehobenen) Teilbereich der Geschäftsführung hinein abzusichern, setzt dagegen grundsätzlich weder einen Mediatisierungseffekt voraus, noch stellt sie in quantitativer Hinsicht vergleichbar hohe Anforderungen. Damit bestehen unzweifelhaft auch tatbestandlich Unterschiede zwischen Holzmüller- und traditioneller GmbH-Rechtsdoktrin. Allerdings können die genannten Unterschiede der Holzmüller-Doktrin einen eigenständigen tatbestandlichen Anwendungsbereich im GmbH-Recht nur dann sichern, wenn sich vermittels dieser Doktrin Sachverhalte erfassen ließen, die sich nicht zugleich auch als ungewöhnliche Maßnahmen darstellen lassen. Durch den Hinweis auf tatbestandliche Unterschiede ist die Antwort auf diese Frage nicht präjudiziert. Denn damit ist noch nicht gesagt, ob die tatbestandlichen Unterschiede auf ein Spezialitätsverhältnis zurückzuführen sind, bei dem sich Holzmüller-Maßnahmen lediglich als Sonderfälle ungewöhnlicher Maßnahmen darstellen, oder ob sie (zumindest partiell) zu einem Verhältnis der Alternativität führen, bei dem der Tatbestand der Holzmüller-Doktrin ein Anwendungsfeld erfasst, welches der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme verschlossen bleibt. Unter Wertungsgesichtspunkten scheint letzteres indes kaum zu begründen. Eine andere Frage liegt aber darin, wie genau Holzmüller-Sachverhalte mit dem tatbestandlichen Instrumentarium der konventionellen GmbH-Rechtsdoktrin erfasst werden können. Geht es um den Erwerb von Unternehmensbeteiligungen, stellen sich keine besonderen Probleme. Hier ist unter Berücksichtigung des bisherigen Unternehmenszuschnitts der erwerbenden Gesellschaft und dem Umfang der Transkation sowie den damit verbundenen Risiken festzustellen, ob die Maßnahme ungewöhnlich ist, etwa weil es sich um eine sprunghafte Erweiterung der Unternehmenstätigkeit handelt oder weil sich der Verschuldungsgrad substantiell erhöht. Eine solche Maßnahme kann mit anderen Worten problemlos unter den gleichen Gesichtspunkten erfasst werden wie etwa eine Erweiterung der unternehmerischen Betätigung, die nicht mit einer Gruppenbildung einhergeht. Die Frage ist, ob darüber hinaus auch der Gruppenbildung als solcher ein eigenständiges Gewicht zukommt. Das Problem tritt in voller 257 

s. zu dieser Frage näher unten, G.I.2.

E.  Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin

407

Schärfe hervor, wenn man das Beispiel modifiziert und allein die Ausgliederung eines bereits bestehenden Unternehmensteils in eine zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft in den Blick nimmt. Denn eine solche Maßnahme ändert weder den Umfang noch erhöht sie das Gesamtrisiko der unternehmerischen Betätigung. Man kann sich nun pauschal auf den Standpunkt zurückziehen, eine solche Maßnahme sei eben ihrer Art nach ungewöhnlich. Das ist zunächst aber nicht mehr als eine begrifflich orientierte Behauptung, die auch in ihrer Allgemeinheit zweifelhaft ist, weil zumindest bei größeren oder komplexer organisierten Unternehmen nicht sinnvoll davon gesprochen werden kann, hier sei angesichts des üblichen Zuschnitts der Geschäftstätigkeit schlechterdings nicht mit Ausgliederungsmaßnahmen zu rechnen. Für eine inhaltlich aussagekräftige Begründung ist vielmehr zunächst auf den Gesichtspunkt zurückzugehen, der dem dogmatischen Kürzel der „ungewöhnlichen Maßnahme“ zugrunde liegt. Es ist also zu klären, ob es im Hinblick auf Ausgliederungsmaßnahmen generell oder unter bestimmten Voraussetzungen angezeigt ist, die latenten Entscheidungsbefugnisse der Gesellschafterversammlung unter wertender Berücksichtigung ihrer übergeordneten Stellung im Gesellschaftsgefüge durch eine Vorlagepflicht abzusichern. Will man dies sinnvoll beantworten, kommt man nicht umhin, auf die Erkenntnisse zurückzugreifen, die die aktienrechtliche Diskussion unter dem Schlagwort des Mediatisierungseffekts für die Auswirkungen solcher Maßnahmen entwickelt hat. Hat die Gruppenbildung im GmbH-Recht eine vergleichbare organisationsrechtliche Wirkung wie im Aktienrecht, werden insbesondere die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung zugunsten der Befugnisse der Geschäftsführung verkürzt, dann spricht dies in entscheidender Weise dafür, für solche Maßnahmen eine Vorlageverpflichtung vorzusehen: Denn hat eine Maßnahme selbst eine kompetenzregulierende Wirkung, ist das Hierarchieprinzip in seinem Kern berührt. Damit zeigt sich: Soweit sich die Holzmüller-Doktrin überhaupt in das GmbH-Recht übertragen lässt, können die davon erfassten Sachverhalte tatbestandlich im Prinzip auch mit der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme erfasst werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es umgekehrt auch konsequent, wenn diejenigen Stimmen, die den für das Aktienrecht festgestellten Mediatisierungseffekt für das GmbH-Recht aufgrund dessen besonderer Struktur zumindest unter bestimmten Voraussetzungen verneinen, für diese Konstellation auch die Annahme einer ungewöhnlichen Maßnahme ablehnen.258 Im Ergebnis bleibt es damit dabei, dass sich die Ansatzpunkte für eine eigenständige Bedeutung der Holzmüller-Doktrin auf die Rechtsfolgenseite konzentrieren. b)  Zur These vom fehlenden Mediatisierungseffekt Auch die These vom (partiell) fehlenden Mediatisierungseffekt wird einer genauen Überprüfung zu unterziehen sein. Sollte sich ein solcher Effekt für das 258  s. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11 (Ausgliederung auf 100 %ige Tochtergesellschaft wegen des Weisungsrechts nach § 37 Abs. 1 GmbHG nicht ungewöhnlich).

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

GmbH-Recht generell nicht feststellen lassen, fehlt von vornherein die Begründungsbasis dafür, der Holzmüller-Doktrin für das GmbH-Recht eine eigenständige Bedeutung zuzumessen. Zugleich fehlte dann aber auch, wie soeben dargestellt, ein wesentlicher Ansatzpunkt dafür, Maßnahmen der Beteiligungsbildung, die allein der rechtlichen Binnendifferenzierung eines Unternehmens dienen, im Rahmen der traditionellen GmbH-Rechtsdoktrin als „ungewöhnliche Maßnahmen“ einzuordnen. Sollte ein Mediatisierungseffekt dagegen nur unter bestimmten Voraussetzungen fehlen, dann erfordert dies eine exakte Abgrenzung der relevanten Kriterien.

II.  Systematisierende Zwischenüberlegung Schon bei der Darstellung des Meinungsstandes zu der Frage, ob die originären Kompetenzen des Geschäftsführers in der GmbH bei außergewöhnlichen Maßnahmen gewissen Schranken unterliegen, hat sich vor allem an den Stellungnahmen von Paefgen und Zöllner/Noack zweierlei gezeigt:259 Erstens lassen sich offenbar schon die Grundlagen der Kompetenzverteilung im GmbH-Recht nicht mehr darstellen, ohne auf die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung Bezug zu nehmen. Zweitens ergeben sich daraus diffizile Abgrenzungsfragen in Bezug auf das Verhältnis von Holzmüller-Doktrin und der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme. Unternimmt man den Versuch, das mögliche Verhältnis von traditioneller GmbH-Rechtsdoktrin und Holzmüller-Grundsätzen zu klären, ergeben sich in der Theorie zahlreiche Varianten. Schon bei kursorischer Durchsicht der Literatur zeigt sich allerdings, dass jede dieser Positionen in der Literatur tatsächlich auch Vertreter gefunden hat. An dieser Stelle soll es aus Gründen der Übersicht zunächst aber nur um die Entwicklung des heuristischen Instrumentariums gehen. Dabei wird zunächst zwischen drei Grundpositionen unterschieden, für die ein konventionelles Verständnis beider Institute zugrunde gelegt wird (1.), und Varianten dieser Grundpositionen, die entstehen, wenn man Modifikationen auf Tatbestands- bzw. Rechtsfolgenseite zulässt (2.). 1. Grundpositionen Es lässt sich zunächst vertreten, für die GmbH komme allein die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme zur Anwendung (a). Die Gegenposition liegt darin, auch im GmbH-Recht allein mit der Holzmüller-Doktrin zu operieren (b). Schließlich lassen sich beide Institute auch miteinander kombinieren (c). Im Rahmen der Darstellung dieser Grundpositionen wird dabei zugrunde gelegt, dass es sich bei Holzmüller-Doktrin und der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme um zwei verschiedene Rechtsinstitute handelt, wobei die Differenzen die Tatbestands- und Rechtsfolgenseite betreffen. Vorausgesetzt wird dabei, dass die Holzmüller-Doktrin nur mediatisierende Maßnahmen oberhalb der Gelatine-Schwelle erfasst und 259 

s. zu diesen oben, § 6 D.III.3.c)cc).

E.  Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin

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zu einem qualifizierten Beschlusserfordernis führt. Für die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme wird unterstellt, dass sie nicht auf mediatisierende Maßnahmen beschränkt ist, sie aber auch nicht prinzipiell ungeeignet wäre, diese zu erfassen, und dass sie auf der Rechtsfolgenseite jedenfalls nicht mehr fordert, als einen mit einfacher Mehrheit gefassten Gesellschafterbeschluss.260 a)  Alleinige Anwendung der Kategorie der Vorlagepflicht für „ungewöhnliche Maßnahme“ Man kann sich zunächst auf den Standpunkt stellen, es habe im GmbH-Recht mit der Kategorie der „ungewöhnlichen Maßnahme“ sein Bewenden (Grundposition Nr. 1), etwa weil man ihr schon für das Aktienrecht ablehnend gegenübersteht oder weil man sich auf den Standpunkt stellt, es fehle im GmbH-Recht an dem erforderlichen Mediatisierungseffekt. In der Konsequenz dieses Ansatzes liegt es allerdings dann, die Einbeziehung der Gesellschafter in Entscheidungen über gruppenbildende Maßnahmen über diese Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme sicherzustellen. Es wurde bereits dargelegt, dass dem rechtskonstruktiv nichts entgegensteht.261 Im Ergebnis würde diese Ansicht bedeuten: Tatbestandlich werden Gruppenbildungsmaßnahmen bereits unterhalb der Gelatine-Schwelle erfasst; auf der Rechtsfolgenseite wäre nach der hier vertreten Ansicht lediglich eine Vorlage an die Gesellschafterversammlung zu fordern, um dieser die Möglichkeit einer ablehnenden Weisung zu eröffnen.262 Folgte man insoweit der herrschenden Ansicht,263 wäre weitergehend ein positiver Gesellschafterbeschluss erforderlich, der aber anders als bei Heranziehung der Holzmüller-Doktrin mit einer einfachen Mehrheit getroffen werden könnte. b)  Alleinige Anwendung der Holzmüller-Doktrin Daneben ist auch eine Position denkmöglich, die für die Zuständigkeitsbegründung allein auf die Anwendung der in das GmbH-Recht transferierten Holzmüller-Doktrin setzt oder doch unmittelbar auf die danach relevanten Aspekte zurückgreift (Grundposition Nr. 2). Dann wäre unter den gleichen hohen Voraussetzungen wie im Aktienrecht eine Zuständigkeit des Mitgliederorgans begründet, das zudem wie im Aktienrecht mit satzungsändernder Mehrheit zu entscheiden hätte. Zugleich würde negiert, dass die Gesellschafterversammlung unterhalb dieser Schwelle in Gruppenbildungsmaßnahmen einbezogen werden müsste.

260  Nach der hier vertretenen Ansicht besteht noch nicht einmal ein positives Beschlusserfordernis; vielmehr ist es erforderlich und ausreichend, durch eine Vorlage einen ablehnenden Weisungsbeschluss der Gesellschafterversammlung zu ermöglichen, bei dessen Ausbleiben die Maßnahme vorgenommen werden darf: s.o., § 6 D.III.4.c)ee). 261  s. o., § 6 E.I.3.a)bb). 262  s. o., § 6 D.III.4.c)ee). 263  s. o., § 6 D.III.3.c)aa).

§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

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c)  Kombination von Holzmüller-Doktrin und ungewöhnlicher Maßnahme Schließlich lassen sich Holzmüller-Doktrin und die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme auch miteinander kombinieren (Grundposition Nr. 3). Im Hinblick auf gruppenbildende Maßnahmen würde dies bedeuten: Unterhalb der in den Gelatine-Entscheidungen etablierten Wesentlichkeitsschwelle könnte die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahme erforderlich werden.264 Wird diese Schwelle überschritten, wäre ein positiver Gesellschafterbeschluss erforderlich, der mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden müsste. Steht man mit der h.A. auf dem Standpunkt, dass auch für ungewöhnliche (qualifizierte) Geschäftsführungsmaßnahmen ein positiver Gesellschafterbeschluss erforderlich ist, erscheint es auch möglich, für die Zuständigkeitsbegründung allein mit der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme zu operieren und die Holzmüller-Doktrin erst dann ins Spiel zu bringen, wenn die Frage nach der erforderlichen Mehrheit relevant wird. Letztlich liegt darin nicht mehr als der Verzicht auf eine genaue tatbestandliche Abgrenzung zwischen ungewöhnlicher Maßnahme und Holzmüller-Doktrin für die Fälle, in denen es wegen der teilidentischen Rechtsfolgen beider Institute (positives Beschlusserfordernis) darauf nicht weiter ankommt. Es handelte sich also lediglich um eine pragmatisch begründete Nachlässigkeit bei der Durchführung der geschilderten Kombinationslösung, nicht um eine eigenständige Position. 2.  Varianten der Grundpositionen Für alle Grundpositionen bestehen Modifikationsmöglichkeiten. Innerhalb eines gewissen Spielraums lassen sich derartige Modifikationen noch als Varianten der geschilderten Grundpositionen ansprechen. Nicht alle dieser Modifikationen erscheinen dabei allerdings in gleicher Weise sinnvoll bzw. konzeptionell nachvollziehbar begründbar. a)  Varianten von Grundposition Nr.  1 Die erste Grundposition – alleinige Geltung der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme – lässt sich zunächst variieren, indem die tatbestandlichen Anforderungen an das Vorliegen einer solchen Maßnahme modifiziert werden. Hier kommt in erster Linie in Betracht, diese Anforderungen an dem in den Gelatine-Urteilen etablierten Schwellenwert zu orientieren und damit in quantitativer Hinsicht in Richtung der Holzmüller-Doktrin zu verschieben. Theoretisch denkbar wäre es, daneben auch das Mediatisierungserfordernis zu übertragen, es also zu einer zwingenden Voraussetzung für die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme zu erheben. Insoweit fällt es allerdings schwer zu sehen, wie sich diese relativ 264 

s. dazu bereits oben, § 6 E.I.3.a)bb).

E.  Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin

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spezielle qualitative Anforderung in den – viel breiter ansetzenden – tradierten Begründungsansatz einpassen ließe. Das gleiche gilt für die Überlegung, auf der Rechtsfolgenseite einen qualifizierten Gesellschafterbeschluss vorzusehen. Auch dafür bietet sich bei herkömmlichem Verständnis der Vorlagepflichten für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen kein Ansatz. Denn bei diesen geht es nach zutreffendem Verständnis darum, die Position der Gesellschafterversammlung als oberstes Entscheidungsorgan auch im Bereich herausgehobener Geschäftsführungsmaßnahmen abzusichern. Das qualifizierte Mehrheitserfordernis ist dagegen Bestandteil eines viel engeren Begründungsansatzes, bei dem es letztlich um eine (Teil-)analogie zu gesetzlichen Strukturmaßnahmen geht, die nur mit einer satzungsändernden Mehrheit beschlossen werden können. b)  Varianten von Grundposition Nr.  2 Auch für Position 2 – alleinige Geltung der Holzmüller-Doktrin – lässt sich eine Variante bilden, wenn man nämlich diese zwar in das GmbH-Recht transferiert, sie aber zugleich im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen modifiziert. Insoweit kommt wegen der im Aktienrecht aufgestellten ohnehin schon strengen Anforderungen nur eine Öffnung nach „unten“ sinnvoll in Betracht. Inhaltlich stehen dafür unterschiedliche Wege offen. So könnte man sich theoretisch etwa auf den Standpunkt stellen, dass im GmbH-Recht auch nichtmediatisierende Maßnahmen wie etwa Beteiligungsveräußerungen einzubeziehen wären. Zusätzlich könnten auch die quantitativen Voraussetzungen niedriger angesetzt werden, als der Bundesgerichtshof dies in den Gelatine-Entscheidungen getan hat. Diese Variationsmöglichkeit besteht auch für den Fall, dass am Mediatisierungserfordernis festgehalten wird. Auch Modifikationen auf der Rechtsfolgenseite erscheinen möglich, indem auf das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit verzichtet wird. Zur Begründung aller dieser Modifikationen könnte jeweils auf entsprechende Positionen aus der ausdifferenzierten aktienrechtlichen Diskussion zur Holzmüller-Doktrin zurückgegriffen werden. Der Preis hierfür läge zunächst darin, dass die relativ klare Struktur, die die Holzmüller-Doktrin in der jüngeren Rechtsprechung zum Aktienrecht gewonnen hat, für das GmbH-Recht wieder aufgegeben und die Diskussion ganz neu eröffnet werden müsste. Werden die geschilderten Modifikationen auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite gleichzeitig vorgenommen, kommt hinzu, dass es dann eines Rückgriffs auf die Holzmüller-Doktrin aus praktischer Sicht eigentlich gar nicht bedürfte, sofern man nur die zuständigkeitsbegründende Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme anerkennen würde. Der Sinn einer solchen Position läge dann im Grunde nur noch darin, für ein identisches Ergebnis auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite eine andere begriffliche Einkleidung anzubieten. c)  Varianten von Grundposition Nr.  3 Auch für Position 3 – gleichzeitige Geltung von Holzmüller-Doktrin und Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme – bestehen Variationsmöglichkeiten und

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

zwar in größerem Umfang, weil nämlich mit der Kombination der Grundpositionen auch die Möglichkeit eröffnet wird, deren jeweilige Varianten miteinander zu kombinieren. Nimmt man zunächst nur die Tatbestandsseite in den Blick, können etwa einerseits die Anforderungen an ungewöhnliche Maßnahmen verschärft und andererseits die Anforderungen an Holzmüller-Maßnahmen verringert werden. Abgrenzungsprobleme liegen dann besonders nahe. Auf der Rechtsfolgenseite sind die Variationsmöglichkeiten eingeschränkter, sofern man mit der hier vertretenen Ansicht davon ausgeht, dass sich ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis aus dem tradierten Begründungsansatz der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme nicht überzeugend ableiten lässt. Sofern man für die Holzmüller-Doktrin auf der Rechtsfolgenseite mit einem einfachen Mehrheitserfordernis operieren möchte, stellen sich diese konzeptionellen Probleme zwar nicht in gleicher Weise. Man nivelliert so aber die Unterschiede zwischen der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme und der Holzmüller-Doktrin auf der Rechtsfolgenseite, was wieder die Frage nach dem Sinn der parallelen Geltung der beiden Kategorien aufwirft. Denn praktisch relevant wäre diese nur dann noch, wenn sich mit Hilfe der Holzmüller-Doktrin Maßnahmen erfassen lassen, die nicht zugleich auch als ungewöhnliche Maßnahmen angesprochen werden können. Dies ist aber, wie bereits dargelegt wurde, nicht der Fall.265 3.  Exemplarische Anwendung Die Vielfalt möglicher Positionen zeigt, dass der Inbezugnahme der Holzmüller-Doktrin im GmbH-Recht mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen ist, solange nicht ganz deutlich wird, was genau damit gesagt sein soll. Dies wird etwa anhand der bereits angerissenen Probleme deutlich, die mit der genauen Verortung der Stellungnahmen von Paefgen und Zöllner/Noack einhergehen.266 Angesichts der geäußerten Vorbehalte gegen die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme und der gleichzeitigen Bezugnahme auf die Holzmüller-Doktrin scheint zumindest auf den ersten Blick eine Zuordnung zur Grundposition Nr. 2 nahezuliegen (alleinige Geltung der Holzmüller-Doktrin). Jeweils müsste es aber um eine Variante dieser Grundposition gehen, da die genannten Autoren von den tatbestandlichen Anforderungen abweichen, die sich aus der aktienrechtlichen Rechtsprechung für die Holzmüller-Doktrin ergeben. Diese Abweichungen betreffen sowohl die quantitativen Anforderungen als auch, wie sich an den angeführten Beispielen zeigt, das qualitative Element (Mediatisierungseffekt).267 Bei Licht besehen bleibt also von den prägenden Elementen der Holzmüller-Doktrin überhaupt nichts übrig, zumal 265 

s. o., § 6 E.I.3.a)bb). s. o., § 6 D.III.3.c)cc). 267 Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9 nennt als Maßnahmen ohne mediatisierende Wirkung etwa die Beteiligungsveräußerung oder die Durchführung einer Due Diligence durch einen potentiellen (externen) Erwerber; das letztgenannte Beispiel findet sich auch bei Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11. 266 

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auch von einem qualifizierten Beschlusserfordernis auf der Rechtsfolgenseite keine Rede ist. Damit scheint eher eine Zuordnung zu Grundposition Nr. 1 (alleinige Anwendung der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme) in Betracht zu ziehen zu sein, und zwar mit tendenziell in Richtung Gelatine-Schwelle verschobenen quantitativen tatbestandlichen Anforderungen. Hingegen wird man wohl ausschließen dürfen, dass den genannten Autoren ein Konzept vorschwebt, welches die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme und die Holzmüller-Doktrin kombiniert (Grundposition Nr. 3 und Varianten). Denn jeweils wird das Bild einer einheitlichen Kategorie gezeichnet, die jedenfalls Holzmüller-Sachverhalte und in einem gewissen Umfang noch daran orientierte, diese aber unterschreitende Gestaltungen einschließt. Dies lässt keinen sinnvollen Raum für die Differenzierungen, die für die Kombinationspositionen auf der Tatbestandsseite erforderlich sind und ist dementsprechend auch nicht geeignet, eine tragfähige Grundlage für Differenzierungen auf der Rechtsfolgenseite zu schaffen.

III.  Die Positionen in der Literatur Angesichts der Vielzahl von in Betracht kommenden Positionen ist bei der Ordnung des Meinungsbildes in der Literatur eine differenzierende Vorgehensweise angezeigt. Vielfach verbleiben mangels eindeutiger Positionierung auch Zweifelsfragen, so dass das sich die nachfolgenden Zuordnungsversuche ohne Absolutheitsanspruch verstehen. 1.  Grundposition Nr.  1 und Varianten In der Literatur besteht ganz weitgehende Einigkeit zunächst darüber, dass Maßnahmen der Beteiligungsbildung, gleich welcher Art, als ungewöhnliche bzw. in sonstigem Sinne qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahme einzuordnen sein können und dann unter diesem Gesichtspunkt die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung erfordern.268 Dagegen scheinen allerdings noch erhebliche Unsicherheiten darüber zu bestehen, ob solche Maßnahmen stets oder doch nur bei 268  Für Erfassung als ungewöhnliche bzw. qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahme (mit erheblichen Unterschieden im Einzelnen): Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 69; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 60 f.; Haas/Müller, GmbHR 2004, 1169, 1175; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 9; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 50 f.; Jansen, Konzernbildungskontrolle, S. 341 ff.; Jungkurth, Konzernleitung, S. 46 ff.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 43; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1091 ff.; ders., Konzernbildungskontrolle, S. 165 ff.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 91; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 8 f.; § 53 Rn. 6; Scholz/Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 22; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 432; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 220 f.; Wicke, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 13; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 37 Rn. 11; ausdrücklich a.A. Kort, ZIP 1991, 1274, 1278.

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Überschreitung bestimmter Schwellenwerte als ungewöhnliche Maßnahmen zu gelten haben.269 Einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage existiert nicht, sieht man von einer missverständlichen Passage des Holzmüller-Urteils einmal ab.270 Ganz unabhängig von den geschilderten Detailstreitigkeiten ist mit solchen Stellungnahmen noch keine sichere Zuordnung zu der hier als Grundposition Nr. 1 bezeichneten Ansicht möglich (alleinige Anwendung der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme). Denn dazu bedarf es der zusätzlichen Information, dass ein Transfer der Holzmüller-Doktrin in das GmbH-Recht abgelehnt wird. Wo diese nicht zu gewinnen ist, bleibt daneben auch Raum für die Kombinationstheorien (Grundposition Nr. 3). 269  s. etwa Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11: „wesentliche Unternehmensteile“ bzw. Orientierung an der Größenordnung der Maßnahme im Holzmüller-Urteil; ähnlich auch jeweils Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9 sowie Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11, die aber ohne genauere Angaben jeweils betonen, dass auch Maßnahmen unterhalb der Holzmüller-Schwelle in Betracht kommen; deutlich weiter dagegen Rowedder/Schmidt/Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 43: Beteiligungserwerb bzw. Ausgliederung sei „häufig, vielleicht sogar im Regelfall“ ungewöhnliche Maßnahme (abweichendes Konzept nunmehr in der Folgeauflage, Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 45 f., einerseits Anlehnung an Gelatine-Rechtsprechung, unterhalb dieser Schwelle – unter genereller Ablehnung eines Einbeziehungserfordernisses zugunsten der Gesellschafterversammlung unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen – nur dann, wenn die Maßnahme den Grundsätzen der Geschäftspolitik widerspricht oder mit Widerspruch der Mehrheit der Gesellschafter zu rechnen ist); für generelle Einordnung als ungewöhnliche Maßnahme Jansen, Konzernbildungskontrolle, S. 349; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 221; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 432; wohl auch Haas/Müller, ­GmbHR 2004, 1175; eher niedrigschwellig ansetzend auch Jungkurth, Konzernleitung, S. 47 f., der fragt, ob die Konzernbildung „20 – 25 % der Aktivseite der Bilanz der herrschen Gesellschaft“ betrifft bzw. für eine „deutlich geringer“ ansetzende Vorlagepflicht plädiert, wenn im Rahmen der Maßnahme externe Gesellschafter aufgenommen werden; noch enger Münch-­ KommGmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 1094: Daumenregel sei eine „Größenordnung von 5 – 10 % des Gesellschaftsvermögens“; s.a. ders., Konzernbildungskontrolle, S. 167 ff.; wohl für generelle Vorlagepflicht, jedenfalls aber keine Übertragung der für die AG entwickelten Schwellenwerte Scholz/Emmerich, Anh. § 13 Rn. 61; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 51: zumindest Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses zustimmungspflichtig, jedenfalls sei der Kreis zustimmungsbedürftiger Maßnahmen nicht enger als im Aktienrecht zu ziehen (s. Fn. 189); ohne konkretisierende Stellungnahme, aber wohl jede Gruppenbildungsmaßnahme einschließend z. B. Ulmer/Casper, Anh. § 77 Rn. 70. 270  s. BGHZ 83, 122, 132, wo in Bezug auf die Ausgliederungsmaßnahme gesagt wird: „Damit ging sie über den gewöhnlichen Rahmen von Handlungen der Geschäftsführung, zu denen gemeinhin auch die Gründung und der Erwerb einer Tochtergesellschaft und deren Ausstattung mit dem notwendigen Kapital gerechnet werden, weit hinaus.“ (Hervorhebung hinzugefügt). – Diese Aussage wird gelegentlich verallgemeinernd auf sämtliche Handelsgesellschaften erstreckt: s. z. B. OLG Koblenz NJW-RR 1991, 487, 488. Dem ist nicht zu folgen, da der Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung ersichtlich nicht unter § 116 Abs. 2 HGB oder den Begriff der ungewöhnlichen Maßnahme im Sinne des GmbH-Rechts subsumieren wollte.

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Ganz einfach kann eine Zuordnung zu Grundposition Nr. 1 dort erfolgen, wo für Gruppenbildungsmaßnahmen neben der Begründung eines Zustimmungserfordernisses über die traditionelle GmbH-Rechtsdoktrin ein Rückgriff auf die Holzmüller-Grundsätze ausdrücklich abgelehnt wird. Beispielhaft dafür steht Standpunkt Koppensteiners, der die Bildung von Beteiligungen durch Ausgliederung oder Dritterwerb bei Vorhandensein einer Konzernöffnungsklausel allein mittels der Kategorien der außergewöhnlichen Maßnahme erfassen will.271 Die Notwendigkeit eines Beschlusses mit satzungsändernder Mehrheit sieht Koppensteiner demgegenüber nur dann gegeben, wenn der Gesellschaftsvertrag noch keine Ermächtigung zur Beteiligungsbildung enthält.272 Letzteres entspricht der bereits geschilderten und auch in dieser Arbeit vertretenen Position, wonach im Aktien- wie im GmbH-Recht die Ausbildung von Beteiligungen generell durch das Statut legitimiert sein muss.273 Ist aber eine solche Klausel einmal vorhanden, soll es nach Koppensteiners Ansicht allein noch darauf ankommen, ob die betreffende Maßnahme als ungewöhnliche Maßnahme eingeordnet werden muss.274 Für das auf die Holzmüller-Doktrin gestützte Unterfangen, trotz einer allgemeinen Beteiligungsklausel einen Gesellschafterbeschluss mit qualifizierter Mehrheit zu fordern, sieht Koppensteiner daneben keinen Raum.275 Schwieriger sind Stellungnahmen zu einzuordnen, die für Gruppenbildungsmaßnahmen Vorlagepflichten annehmen und dafür auf die tradierten Begründungsansätze der GmbH-Rechtsdoktrin zurückgreifen, in diesen Zusammenhang womöglich auch die aktienrechtliche Rechtsprechung erwähnen, die sich aber nicht ausdrücklich zu einem Transfer der Holzmüller-Doktrin als solcher verhalten. Dieser Befund trifft auf die große Mehrheit der angeführten Literaturstellen zu. Hier sind allenfalls mittelbare Schlussfolgerungen möglich, sofern unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflichten bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen sehr hohe, an der Holzmüller-Schwelle orientierte Anforderungen gestellt werden.276 In derartigen Fällen scheint die Vermutung berechtigt, dass 271  s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 43 ff. (abweichend nunmehr Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, Anh. § 52 Rn. 45 f.: Übertragung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin, unterhalb dieser Schwelle ggfs. Vorlagepflicht nach allgemeinen Grundsätzen (insoweit aber mit sehr restriktivem Ansatz); i.E. ganz ähnlich wie Koppensteiner auch Jansen, Konzernbildungskontrolle, S. 349 f.; Jungkurth, Konzernleitung, S. 42 ff., 46 ff.; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 220 f.; für überflüssig gehalten wird die Holzmüller-Doktrin im GmbH-Recht auch von Michalski/ Servatius, Syst. Darst. 4, Rn. 433. 272  s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 44 f. 273  s. o., § 5 D.I.3.a) und zur GmbH s. noch § 6.F.II.1. 274  s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 43; s.a. Jungkurth, Konzernleitung, S. 47 f. 275 So ausdrücklich Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 45 a.E. 276  Dies betrifft etwa Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11.

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eine parallele Geltung der Holzmüller-Doktrin wegen der sonst entstehenden Abgrenzungsprobleme nicht mehr in Betracht zu ziehen sein soll. Doch setzt dies natürlich voraus, dass überhaupt sicher festgestellt werden kann, dass es bei der Bezugnahme auf die Holzmüller-Doktrin um eine tatbestandliche Konkretisierung der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme geht und nicht um den nicht Transfer der Doktrin selbst.277 2.  Grundposition Nr.  2 und Varianten Ähnlich verbreitet wie der Ansatz, Gruppenbildungsmaßnahmen über die Vorlagepflichten für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen zu erfassen, ist inzwischen der Versuch, die Holzmüller-Doktrin als ein eigenständiges Institut in das GmbH-Recht zu transferieren.278 Eine Zuordnung zu Grundposition Nr. 2 (alleinige Geltung der Holzmüller-Doktrin) ist allerdings auf dieser Basis allein nicht möglich. Vielmehr bedarf es dazu zusätzlich der Information, dass die traditionelle Begründungslinie von Vorlagepflichten für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen generell abgelehnt wird. Zumindest vereinzelt finden sich solche Ansichten. So hat sich etwa Kort ausdrücklich dafür ausgesprochen, eine Beschränkung der Befugnisse der Geschäftsführung unter dem Aspekt der ungewöhnlichen Maßnahme sei gänzlich abzulehnen, sehr wohl sei aber auch für das GmbH-Recht bei Ausgliederungen wesentlicher Unternehmensteile eine Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für Grundlagenentscheidungen unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller-Doktrin anzuerkennen.279 Dies scheint auf eine exakte Übertragung der aktienrechtlichen Doktrin in das GmbH-Recht abzuzielen. 3.  Grundposition Nr.  3 und Varianten In zunehmendem Umfang finden sich schließlich auch Stellungnahmen, die klare Bekenntnisse zu einer der Kombinationstheorien darstellen oder die diesen doch mit einer gewissen Sicherheit zugerechnet werden können. Hierzu gehören

277  s. zu den Problemen, die sich insoweit mit der Einordnung von Paefgen und Zöllner/ Noack verbinden bereits oben, § 6 D.III.3.c)cc). 278  Vgl. mit erheblichen Unterschieden im Einzelnen etwa Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 70; Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621 ff.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 10; s.a. Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 51; Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 211 ff.; Kort, ZIP 1991, 1274, 1278; Liebscher, ZGR 2005, 1, 2; ders., Konzernbildungskontrolle, S. 161 ff.; MünchKommGmbHG/ders., Anh. § 13 Rn. 1098 ff.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f.; Ulmer/Müller, GmbHG, § 29 Rn. 88; Priester, in: FS Westermann, S. 1281 ff.; Reichert, AG 2005, 150, 159 f., (a.A. aber noch ders., ZHR-Sonderheft 68 (1999), S. 25, 48 f.); Ulmer/U.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 64b; s.a. Zöllner, ZGR 1992, 173, 178 f.; vgl. daneben auch bereits Lutter, in: FS Barz, S. 199, 215 ff. 279  s. etwa Kort, ZIP 1991, 1274, 1278.

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namentlich die Stellungnahmen von Lutter/Leinekugel280, Priester,281 Liebscher,282 U.H. Schneider283 und einigen anderen. a)  Ansatz von Lutter/Leinekugel Lutter und Leinekugel haben sich bereits in einer vor den Gelatine-Entscheidungen liegenden Stellungnahme für einen Transfer der Holzmüller-Doktrin in das GmbH-Recht ausgesprochen.284 Dabei legen sie eine Holzmüller-Konzeption zugrunde, die nicht auf Mediatisierungsfälle beschränkt ist, sondern die tatbestandlich alle Maßnahmen erfassen soll, die die bisherige Erscheinung und Struktur der Gesellschaft wesentlich verändern und die daher bei wertender Betrachtung als Strukturmaßnahme einzuordnen sein sollen.285 Über derartige Maßnahmen soll allein die Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit beschließen. Lutter und Leinekugel gehen davon aus, dass sich diese Konzeption auch auf die GmbH übertragen lässt. Im Hinblick auf die Zuständigkeitsbegründung halten sie die Holzmüller-Doktrin im GmbH-Recht allerdings für weitgehend entbehrlich, weil dort unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme ohnehin von einer Zuständigkeit der Gesellschafter auszugehen sei.286 Die Holzmüller-Doktrin wird hier nur zur Verstärkung herangezogen, soweit es um die Abmessung eines Mindestbereichs geht: um Wertungswidersprüche zu vermeiden, dürften die Vorlagepflichten eines Geschäftsführers keinesfalls enger gezogen werden, als die eines AG-Vorstandes, ohne dass dies aber weitergehende Vorlagepflichten ausschließt.287 Eine eigenständige Bedeutung messen sie der Holzmüller-Doktrin daher nur insoweit zu, als dass diese auch im GmbH-Recht eine Beschlussfassung mit satzungsändernder Mehrheit erfordern soll, während es für „einfache“ ungewöhnliche Maßnahmen bei einer Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit verbleibt.288 Man wird auf dieser Basis auch im Hinblick auf gruppenbildende Maßnahmen unterstellen dürfen, dass für diese gleichfalls je nach ihrem Umfang eine differenzierte Erfassung nach diesem Schema in Betracht kommt.289

Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225 ff. Priester, in: FS Westermann, S. 1281 ff. 282  s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1123 ff.; s. auch schon ders., Konzernbildungskontrolle, S. 163 ff. 283 s. Schneider, GmbHR 2014, 113 ff. 284 s. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 ff. 285 s. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230. 286 s. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f. 287 s. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232. 288 s. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232. 289  Die Stellungnahme von Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225 ff., bezieht sich im Kern auf Hauptversammlungskompetenzen bei dem Verkauf von Unternehmensteilen, so dass zu Gruppenbildungsmaßnahmen keine explizite Stellung bezogen werden muss. 280 s. 281 s.

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b)  Ansatz von Priester Auch Priester spricht sich in ganz klarer Weise für die Übertragung der Holzmüller-Doktrin in das GmbH-Recht aus. Dabei geht es ihm ausdrücklich nicht darum, die überkommene Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme tatbestandlich zu modifizieren, wie dies bei manchen anderen Bezugnahmen auf die Holzmüller-Doktrin durchaus nahe liegt.290 Vielmehr spricht sich Priester eindeutig für den Transfer der Holzmüller-Grundsätze als eigenständiges Rechtsinstitut aus, d.h. insbesondere auch unter vollständigem Einschluss der Rechtsfolgenseite (qualifiziertes Mehrheitserfordernis; Funktion als Gestaltungsgrenze).291 Was die Vorlagepflichten auf Grundlage der traditionellen GmbH-Rechtsdoktrin angeht, führt Priester keine Einzelheiten aus und nimmt auch keine genaue tatbestandliche Abgrenzung zur (transferierten) Holzmüller-Doktrin vor. Er legt insoweit aber offenkundig ein konventionelles Verständnis zugrunde und scheint davon auszugehen, dass an Holzmüller-Maßnahmen deutlich höhere Anforderungen zu stellen sind als an lediglich ungewöhnliche Maßnahmen.292 Man wird daher davon ausgehen dürfen, dass er auch auf Basis der traditionellen Doktrin Gesellschafterzuständigkeiten bei Gruppenbildungsmaßnahmen für möglich hält, was es insgesamt rechtfertigt, seine Position den Kombinationstheorien zuzuschlagen. Es handelt sich bei der von ihm vertretenen Position allerdings um eine solche, die nach der hier verfolgten Systematik den Varianten der Grundposition Nr. 3 zuzuordnen ist. Denn jedenfalls für das GmbH-Recht möchte Priester die Holzmüller-Doktrin dahin modifiziert wissen, dass sie nicht allein auf mediatisierende Maßnahmen beschränkt ist.293 Darin liegt seiner Intention nach aber keine Distanzierung von der These, dass die Holzmüller-Doktrin nur satzungsänderungsäquivalente Maßnahmen erfasst. Basis der Modifikation ist vielmehr die – von ihm im Übrigen auch schon für die AG befürwortete – Annahme, dass es Maßnahmen gibt, die eine solche Qualifikation auch rechtfertigen, ohne dass ihnen ein Mediatisierungseffekt zukommt. An der in den Gelatine-Urteilen festgelegten Wesentlichkeitsschwelle scheint Priester dagegen wohl auch für das GmbH-Recht festhalten zu wollen.294 Auch unter diesem Gesichtspunkt muss die hier vorgenommene Zuordnung zu den Kombinationstheorien also nicht in Frage gestellt werden, weil damit genügend Raum für Abstufungen auf der Tatbestandsseite verbleibt. s. o., § 6 D.III.3.c)cc) bezüglich der Stellungnahmen von Zöllner/Noack und Paefgen. Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1287 ff. 292 s. Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1286 f. 293 s. Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1287 ff.; insoweit ganz ähnlich wie Lutter/ Leinekugel, ZIP 1998, 225 ff. 294 s. Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1288 f., der im Hinblick auf die von ihm vorgeschlagene Erweiterung auf nichtmediatisierende Maßnahmen ausführt, wegen der vom „BGH in ‚Gelatine‘ – mit Recht – hoch angelegten Wesentlichkeitsschwelle dürfte es sich um Ausnahmefälle handeln“; abweichendes Verständnis von Priesters Position bei U. H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 117 (mit Fn. 25). 290 

291 s.

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c)  Ansatz von Liebscher Liebscher vertritt die Ansicht, dass Gruppenbildungsmaßnahmen in der Regel als ungewöhnliche Maßnahmen zu qualifizieren sind und daher schon nach der traditionellen GmbH-Rechtsdoktrin in die Zuständigkeit der Gesellschafter fallen.295 Im Sinne einer Daumenregel möchte er danach ein Vorlageerfordernis bejahen, sobald 5 – 10 % des Gesellschaftsvermögens durch die Transaktion betroffen sind.296 Insoweit soll, wie stets bei außergewöhnlichen Maßnahmen, ein Beschluss mit einfacher Mehrheit genügen.297 Zugleich spricht sich Liebscher ausdrücklich auch für eine Übertragung der Holzmüller-Doktrin als eigenständiges Rechtsinstitut aus,298 nimmt also für mediatisierende Maßnahmen unter den quantitativen Voraussetzungen der Gelatine-Entscheidungen das zwingende Erfordernis eines qualifizierten Gesellschafterbeschlusses an.299 Im Ergebnis handelt es sich bei Liebschers Ansatz also um einen klaren Anwendungsfall der Grundposition Nr. 3 ohne weitergehende Modifikationen. d) Ansatz von U) H) Schneider Nach Auffassung von U.H. Schneider soll bei Übertragungsvorgängen von mehr als 10 % des Gesellschaftsvermögens auf eine Tochtergesellschaft mit Rücksicht auf den damit einhergehenden Mediatisierungseffekt eine ungewöhnliche Maßnahme vorliegen, die nur auf Grundlage eines mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung vorgenommen werden darf.300 Betrifft die Verlagerung den wesentlichen Teil des Gesellschaftsvermögens, wird nach Schneiders Auffassung ein qualifizierter Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich.301 Schneider stützt sich dafür allerdings nicht auf die Erwägung, es liege insoweit eine „satzungsnahe“ Maßnahme vor, weil er – weitergehend – mit Rücksicht auf die mit der Vermögensverlagerung einhergehenden Verwerfungen der Entscheidungs- und Finanzierungsordnung sogar eine die konkrete Maßnahme abbildende Satzungsänderung für erforderlich hält.302 Eine allgemeine Beteiligungsklausel oder eine „Absichtsklausel“ genügten insoweit nicht.303 Abweichend von den in den Gelatine-Entscheidungen etablierten Schwellenwerten 295 

s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1091. s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1094. 297  s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1157. 298  s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1123 ff. 299  s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1155. 300 s. U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 115 f. 301 s. U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 117. 302 s. U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 117; etwas anders Scholz/ders./S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 79 (zweite dort gebildete Fallgruppe), wo unter ausdrücklicher Anknüpfung an die Holzmüller/Gelatine-Doktrin lediglich ein mit qualifizierter Mehrheit zu fassender Gesellschafterbeschluss gefordert wird. 303 s. U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 118. 296 

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hält er einen qualifizierten Gesellschafterbeschluss bereits dann für erforderlich, wenn 50 % des Vermögens der Obergesellschaft auf die Tochter übertragen werden sollen.304 Insgesamt ist Schneiders Auffassung damit gleichfalls der (modifizierten) Grundposition 3 zuzurechnen, wobei sich die Abweichungen im Wesentlichen auf die niedriger ansetzende Auslösungsschwelle beschränken. Die Unterschiede im Begründungsansatz – Erfassung als Satzungsänderung statt als satzungsnahe Maßnahme, die einen Beschluss mit satzungsändernder Mehrheit erfordert – beschränken sich im Wesentlichen auf weitergehende formale Anforderungen. e)  Ansatz von Ettinger/Reiff Trotz einiger Besonderheiten zu den Kombinationstheorien zu rechnen ist auch die von Ettinger/Reiff insbesondere in Hinblick auf die Behandlung von Ausgliederungsmaßnahmen entwickelte Position.305 Ihren Ausgangspunkt suchen die Autoren dabei in den Vorlagepflichten nach der konventionellen GmbH-Rechtsdoktrin, für die § 49 Abs. 2 GmbHG als normativer Ansatzpunkt herangezogen wird. Diese Norm entziehe sich aber abstrakten Definitionsversuchen, so dass sie immer nur fallbezogen konkretisiert werden könne.306 Eine verallgemeinerungsfähige Lehre aus der Gelatine-Entscheidung sei insoweit, dass Maßnahmen, die in die Organisationsstruktur der Gesellschaft eingriffen, zustimmungsbedürftig seien und damit eine Einberufungspflicht aus § 49 Abs. 2 GmbHG auslösten.307 Bezogen auf die als Beispiel herangezogenen Ausgliederungsfälle differenzieren Ettinger/Reiff dabei nach der Rechtsform des aufnehmenden Rechtsträgers, nach der Frage, ob an dem aufnehmenden Rechtsträger Dritte beteiligt sind, sowie auf einer nachrangigen Ebene auch nach dem Volumen der Transaktion. Erfolgt eine Ausgliederung auf eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, soll es darauf ankommen, ob es sich dabei um eine GmbH308 oder eine AG handelt.309 Im ersten Fall soll es nach Ettinger/Reiff an einem Eingriff in die Organisationsstruktur fehlen, weil die Gesellschafter über ihr Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer ihrer Gesellschaft mittelbar auch die Geschäftsführung der als GmbH ihrerseits für Gesellschafterweisungen offenen Tochtergesellschaft steuern können.310 Trotzdem soll sich aber allein wegen des Umfangs der Maßnahme eine Zustimmungspflicht aus § 49 Abs. 2 GmbHG ergeben, wenn sie zumindest 50 % der Bilanzsumme 304 s. U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 117; abweichend Scholz/ders./S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 79 (zweite dort gebildete Fallgruppe): ab 80 % des betroffenen Vermögens sei Beschluss der Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit nötig. 305 s. Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617 ff. 306 s. Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 619. 307 s. Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621. 308  Die Verf. stellen dem die Ausgliederung auf eine GmbH & Co. KG gleich. Dies wird im Folgenden nicht mehr gesondert berücksichtigt. 309 s. Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621. 310 s. Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621 in Anknüpfung an Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9.

E.  Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin

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betrifft. Hingegen soll die Ausgliederung auf eine Tochter-AG wegen der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands die Entscheidungsbefugnisse der Gesellschafter mindern und daher grundsätzlich einen Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich machen, der nur in Bagatellfällen (10 – 20 % der Bilanzsumme) entbehrlich sein kann.311 Gleiches soll unabhängig von der Rechtsform gelten, sobald auf einen Rechtsträger ausgegliedert wird, an dem Dritte beteiligt sind, weil dann selbst bei einer zu Satzungsänderungen berechtigenden Mehrheitsbeteiligung das Weisungsrecht durch die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten beschränkt werde.312 Was die erforderlichen Mehrheiten angeht, halten Ettinger/Reiff unabhängig vom Umfang der Ausgliederungsmaßnahme grundsätzlich einen Beschluss mit einfacher Mehrheit für ausreichend. Allein die letzte Konstellation erfordere eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit, weil eine Ausgliederung unter Beteiligung von Dritten vom wirtschaftlichen Ergebnis einer Kapitalerhöhung entspreche, die nur mit einer satzungsändernden Mehrheit beschlossen werden könne.313



Zu einigen der von Ettinger/Reiff vorgenommenen Weichenstellungen ist bereits an dieser Stelle Position zu beziehen. Zunächst erscheint es nicht folgerichtig, allein im letztgenannten Fall eine qualifizierte Mehrheit zu fordern, wenn man sich auf die Begründungslogik der Autoren einlässt. Denn auch die organisationsrechtlich vermittelte Minderung der Entscheidungs- bzw. Weisungsbefugnisse der Gesellschafter bei Ausgliederungen auf eine Tochter-AG entspricht „im Ergebnis“ einem Zustand, für den in der Einheitsgesellschaft eine gesellschaftsvertragliche Beschränkung der Gesellschafterrechte bzw. eine Stärkung der Stellung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschafterversammlung, d.h. gleichfalls eine Satzungsänderung erforderlich wäre. Auch in diesem Fall müssten Ettinger/Reiff also vorbehaltlich der von ihnen unterstellten Bagatellgrenze einen qualifizierten Gesellschafterbeschluss fordern. Nicht klar wird auch, warum eine Ausgliederung auf eine hundertprozentige Tochter-GmbH ab einer Wesentlichkeitsschwelle von 50 % der Bilanzsumme doch eines Gesellschafterbeschlusses bedarf, obwohl die zuvor zum Maßstab erklärten organisationsrechtlichen Verwerfungen für diesen Fall gerade verneint werden. Der Hinweis auf § 49 Abs. 3 GmbHG trägt zu einer Begründung jedenfalls nichts Entscheidendes bei.314 f)  Weitere Vertreter der Kombinationstheorien Neben den bereits geschilderten findet sich im neueren Schrifttum eine zunehmende Anzahl weiterer Stimmen, die sich nach dem hier verfolgten Verständnis den Kombinationstheorien zuordnen lassen.315 Zum Teil handelt es sich dabei Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621 f. Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621 f. 313 s. Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621 f. 314  A.A. aber offenbar Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 621 f. 315  s. etwa Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 68 ff.; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 61, 63; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 9 f.; Ulmer/Hüffer, § 46 311 s.

312 s.

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zwar um Stellungnahmen, die sich nur für einzelne Ableitungen – insbesondere das qualifizierte Mehrheitserfordernis – auf die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung beziehen, sonst aber vom Standpunkt der tradierten GmbH-Rechtsdoktrin mit der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme operieren.316 Es wurde aber bereits dargelegt, dass solche Äußerungen unter systematischen Gesichtspunkten keine eigenständige Erfassung rechtfertigen, weil hier lediglich darauf verzichtet wird, dort rechtliche Konsequenzen aus dem Transfer der Holzmüller-Doktrin in das GmbH-Recht zu ziehen, wo identische Ergebnisse – nämlich hinsichtlich der Pflicht zur Einbeziehung des Mitgliederorgans – bereits mit konventionellen Mitteln darstellbar sind.317 Es ist nach dem hier vertretenen Verständnis daher nicht sinnvoll, solche Stimmen zu einer Ansicht zusammenzufassen, die etwa Gruppenbildungsmaßnahmen „lediglich“ als ungewöhnliche Maßnahmen versteht und trotzdem eine qualifizierte Mehrheit fordert.318 Ein Problem, das gerade im Zusammenhang mit den Kombinationsansätzen immer wieder auftritt, ist die genaue Abgrenzung zwischen Maßnahmen, über die die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit entscheiden kann, sowie solchen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern. Verbreitet ist insoweit zunächst die Ansicht anzutreffen, dass Gruppenbildungsmaßnahmen per se ungewöhnlich und damit generell vorlagepflichtig seien.319 Im Hinblick auf die erforderliche Mehrheit wird dann aber nur gesagt, soweit diese Maßnahmen „strukturändernden Charakter“ haben, bedürfe es mit Blick auf die entsprechende Rechtslage im Aktienrecht eines mit qualifizierter Mehrheit abgegebenen Beschlusses.320 Es liegt nun nahe, dies dahin zu verstehen, dass damit die in der aktienrechtlichen Rechtsprechung normierte Wesentlichkeitsschwelle in Bezug genommen sein soll, ein Gesellschafterbeschluss mit qualifizierter Mehrheit also erst oberhalb dieser Schwelle fällig wird. Ganz sicher ist dies allerdings angesichts der unklaren Formulierungen nicht.321 Rn. 118 a.E., § 47 Rn. 15 (s.a. § 49 Rn. 20); Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 49 ff.; Reichert, AG 2005, 150, 159 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/ Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 45 f. 316  s. etwa Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 69 ff.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 9 f.; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 49 ff. 317  s. o., § 6 E.II.1.c). 318  So aber MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1157. 319  s. Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 69; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 61, 63; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 10 (jede Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses); ebenso Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 51. 320  So Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 10; ähnlich Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 51; s.a. Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 63: „struktur­ ändernde außergewöhnliche Maßnahmen“; Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 70 (mit klarer Bezugnahme auf die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung). 321 Abweichendes Verständnis wohl bei MünchKommGmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 1157. Sofern tatsächlich gesagt sein soll, dass jede als vorlagepflichtig identifizierte Gruppenbildungsmaßnahme einen qualifizierten Gesellschafterbeschluss erfordert, gerät

F.  Entwicklung des eigenen Standpunkts

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F.  Entwicklung des eigenen Standpunkts Eine sinnvolle Stellungnahme zur Übertragbarkeit der Holzmüller/GelatineDoktrin in das GmbH-Recht muss angesichts der Bedeutung, die dem Mediatisierungseffekt für die Begründung dieser Doktrin im Aktienrecht zukommt, bei der Frage ansetzen, ob sich auch für das GmbH-Recht ein derartiger Effekt identifizieren lässt (I.). Die insoweit erzielten Erkenntnisse sind dann systematisch für die Beurteilung der zuständigkeitsrechtlichen Erfassung von Gruppenbildungsmaßnahmen (II.) und Gruppenleitungsmaßnahmen (III.) fruchtbar zu machen.

I.  Der Mediatisierungseffekt im GmbH-Recht Inwieweit Maßnahmen der Gruppenbildung (im weiteren Sinn) auch im GmbHRecht zu einem Mediatisierungseffekt führen, ist jedenfalls in den Details umstritten (1.). Eine Ursache dafür liegt darin, dass das GmbH-Recht in größerem Umfang Ansatzpunkte für kompensatorische Effekte bietet, die den Mediatisierungseffekt abfedern können (2.). In diesem Zusammenhang darf aber auch nicht aus dem Blick verloren werden, dass die kompensatorischen Effekt ihrerseits gewissen Beschränkungen unterliegen (3.). 1.  Meinungsstand in der Literatur Der Meinungsstand zu der Frage, ob Gruppenbildungsmaßnahmen im GmbHRecht vergleichbare organisationsrechtliche Auswirkungen zukommen, wie dies im Aktienrecht der Fall ist, ist nicht ganz übersichtlich. Ein weiter Teil der Literatur erkennt einen Mediatisierungseffekt auch für das GmbH-Recht aber jedenfalls im Grundsatz an (a)),322 häufig jedoch ohne nähere Diskussion der organisationsrechtlichen Unterschiede zwischen GmbH und Aktiengesellschaft. Soweit die Undie hier vorgenommene Einordnung als „Kombinationsansatz“ naturgemäß an eine Grenze, weil dann für die Behandlung aller Gruppenbildungsmaßnahmen einheitliche Tatbestandsvoraussetzungen und einheitliche Rechtsfolgen zur Anwendung gelangen. 322  So explizit oder der Sache nach – allerdings vielfach mit großen Unterschieden in der Reaktion auf diesen Befund – Binge, Gesellschafterklagen, S. 100; Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 68; Münch. Hdb. GmbHG/Decher/Kiefner § 68 Rn. 13; Scholz/Emmerich, Anh. § 13 Rn. 58; Jungkurth, Konzernleitung, S. 37 ff.; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 49; Henssler, in: FS Zöllner, Bd. 1, S. 203, 211; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 242; Kort, ZIP 1991, 1274, 1278; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1175 f.; ders., Konzernbildungskontrolle, S. 168; Lutter, ZGR Sonderheft 6, S. 192, 215; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 4, Rn. 432; U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 127 f.; s.a. ders., in: Der GmbH-Konzern, S. 78, 80 ff.; ders., GmbHR 2014, 113, 115 ff.; Scholz/ders./S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 79; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 197 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 518 f.; Wehlmann, Kompetenzen, S. 53 f.; Wicke, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 13; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 60 f.; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Beurskens, GmbHG, Schlussanhang KonzernR Rn. 100.

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terschiede zum Aktienrecht in den Blick genommen werden, führt dies zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen: Einige Stimmen gehen davon aus, der Mediatisierungseffekt sei im GmbH-Recht stärker (b)),323 während andere im Gegensatz dazu nur einen schwächeren Mediatisierungseffekt annehmen wollen (c)).324 a)  Mediatisierungseffekt auch im GmbH-Recht Für das GmbH-Recht werden für den Nachweis eines Mediatisierungseffektes ganz ähnliche Ansatzpunkte in Betracht gezogen, wie dies auch für das Aktienrecht der Fall ist. So wird etwa ganz allgemein darauf hingewiesen, dass sich die unmittelbaren Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Gesellschafter der Obergesellschaft in Bezug auf das ausgelagerte Vermögen reduzierten.325 Konkret wird auf Verkürzungen des Auskunfts- und Einsichtnahmerechts der Gesellschafter nach § 51a GmbHG,326 des Rechts zur Feststellung des Jahresabschlusses und der Entscheidung über die Gewinnverwendung,327 des Rechts der Geschäftsführerbestellung, -abberufung und Entlastung,328 des Rechts der Entscheidung über die Aufnahme neuer Gesellschafter329 und schließlich auch des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung verwiesen.330 b)  Mediatisierungseffekt im GmbH-Recht stärker? Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird, der Mediatisierungseffekt gruppenbildender Maßnahmen falle in der GmbH stärker als in der Aktiengesell323 s. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 242; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 4, Rn. 432; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 199; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Beurskens, GmbHG, Schlussanhang KonzernR Rn. 100; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 61. 324  s. Münch. Hdb. GmbHG/Decher/Kiefner § 68 Rn. 13; Jungkurth, Konzernleitung, 37; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 42; s.a. Ulmer/Casper, Anh. § 77 Rn. 68. 325  s. Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 68; Münch. Hdb. GmbH/Decher/Kiefner § 68 Rn. 13; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 58; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 49; Jungkurth, Konzernleitung, S. 37; MünchKommGmbHG/ Liebscher Anh. § 13 Rn. 1175 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 42; U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 117, 127; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 60. 326 s. Jungkurth, Konzernleitung, S. 39. 327  s. Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 68; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 58; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 49; Henssler, in: FS Zöllner, Bd. 1, 203, 208 ff.; Jungkurth, Konzernleitung, S. 39; U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 117, 127 f.; Scholz/ders./U.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 79; Wehlmann, Kompetenzen, S. 54; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 60. 328 s. Jungkurth, Konzernleitung, S. 41. 329 s. Jungkurth, Konzernleitung, S. 41; U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 117, 127; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 208. 330 s. Jungkurth, Konzernleitung, S. 38 f.; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 61.

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schaft aus, wird zur Begründung auf die weitergehenden Rechte der GmbH-Gesellschafter abgestellt, die eine breitere Angriffsfläche für den Mediatisierungseffekt böten.331 Leitend ist hier also die Vorstellung, dass derjenige, der über ein Mehr an Rechten verfügt, durch die mit der Beteiligungsbildung einhergehenden Kompetenzverschiebungen auch mehr Rechte verlieren und daher in seiner Rechtsstellung stärker betroffen sein kann. Im Zentrum dieser Überlegungen steht dabei das Weisungsrecht, das der Gesellschafterversammlung im Gegensatz zur Hauptversammlung in der Aktiengesellschaft den Zugriff auf den gesamten Bereich der Geschäftsführung eröffnet.332 c)  Mediatisierung im GmbH-Recht schwächer? Gerade das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung bildet aber auch einen wichtigen Ansatzpunkt für diejenigen, die meinen, in der GmbH stelle sich die Mediatisierungsproblematik nicht mit der gleichen Schärfe wie im Aktienrecht. Leitend ist insoweit der Gedanke, dass die Gesellschafterversammlung über das Weisungsrecht dem Geschäftsführer Vorgaben auch für die Beteiligungsverwaltung machen kann.333 Dieser Aspekt dürfte auch den Kern der Ansicht bilden, wonach Ausgliederungen auf hundertprozentige Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH nicht der Mitwirkung der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft bedürfen.334 Neben dem Weisungsrecht wird auch in die Betrachtung einbezogen, dass die Geschäftsführung unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme verpflichtet sein kann, die Entscheidungsprärogative der Gesellschafterversammlung auch im Hinblick auf Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung zu wahren.335 2.  Mediatisierungseffekt und kompensatorische Effekte Die genaue Erfassung der organisationsrechtlichen Verwerfungen, die durch Gruppenbildungsvorgänge ausgelöst werden, ist im GmbH-Recht etwas kompli331 s. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 242; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 171; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 61, Baumbach/Hueck/Zöllner/Beurskens, GmbHG, Schlussanhang KonzernR Rn. 100. 332  s. zur Mediatisierung des Weisungsrechts Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 432; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 61; vgl. auch noch Jungkurth, Konzernleitung, S. 38, der aber gleichwohl insgesamt zu der Ansicht gelangt, der Mediatisierungseffekt sei im GmbH-Recht weniger stark. 333 s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 42; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 197; vgl. auch bereits Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 835 f., 840 f. 334  s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11; s. dazu auch bereits oben, § 6 E.I.2. 335 s. Jungkurth, Konzernleitung, S. 37, 40 f.; s.a. U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 117, 127.

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zierter als im Aktienrecht, weil hier in größerem Umfang Wechselbezüge zu berücksichtigen sind. Dies ist auch die Ursache der geschilderten Divergenzen in der Literatur. Für die Stellungnahme soll im Ausgangspunkt zwischen der Kompetenzverschiebung an sich und kompensierenden Effekten unterschieden werden. a)  Ausgangspunkt: Kompetenzverschiebende Wirkung der Gruppenbildung – Mediatisierungseffekt betrifft auch die GmbH Lässt man mögliche kompensierende Effekte erst einmal außer Betracht, kann im rechtstechnischen Ausgangspunkt nicht zweifelhaft sein, dass selbst der Ausgliederungsvorgang auf eine hundertprozentige Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH zu einer Veränderung der Zuständigkeitsstruktur in der Obergesellschaft führt und sich insoweit auch mediatisierend auf die Rechte der Gesellschafter auswirkt. Denn durch den Ausgliederungsvorgang werden Vermögenswerte, welche zuvor unmittelbar von der Obergesellschaft gehalten worden sind, in die Untergesellschaft verlagert und nunmehr dort verwaltet. Für die Zuständigkeitsordnung der GmbH mit Regelstatut bedeutet dies: Während sich vor der Ausgliederung alle Kompetenzen in Bezug auf die Verwaltung des Vermögens entlang der geschilderten allgemeinen Grenzen zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung der Obergesellschaft verteilten, geht es danach um die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Obergesellschaft als Gesellschafterin der Untergesellschaft und der Verwaltung der Untergesellschaft. In der Obergesellschaft fällt die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten nun aber grundsätzlich als Maßnahme der laufenden Verwaltung in die Zuständigkeit der Geschäftsführung.336 Verkürzend lässt sich daher im Hinblick auf die Entscheidungszuständigkeiten für die Verwaltung des umgeleiteten Vermögens sagen: An die Stelle der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft tritt diejenige der Geschäftsführung der Obergesellschaft, während deren ursprüngliches Kompetenzprogramm auf die Verwaltung der Untergesellschaft übergeht. Der Mediatisierungseffekt betrifft dabei grundsätzlich den gesamten Kompetenzbereich, der den Gesellschaftern bzw. der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft zusteht. Da dieser in der Tat weiter ist als in der AG, lässt sich auf dieser Basis tatsächlich auch sagen, der Mediatisierungseffekt falle in der GmbH stärker aus. Mediatisiert wird so etwa auch das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung.337 Denn Weisungen können unmittelbar immer nur dem eigenen Geschäftsführer erteilt werden, nicht aber dem Leitungsorgan der Untergesellschaft, ganz unabhängig davon, ob dessen rechtliche Stellung überhaupt weisungsoffen ausgestaltet ist. 336 Vgl. Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 58; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 11; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 6; Münch. Hdb. GmbH/ Decher/Kiefner § 68 Rn. 13; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 4; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 518 f.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 74; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 60. 337 Zutreffend Jungkurth, Konzernleitung, S. 38 f.; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 432; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 61.

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b)  Kompensatorische Effekte Das geschilderte Grundmodell nimmt allerdings noch gewisse Vergröberungen in Kauf und kann deswegen vorläufig nur insoweit als zutreffend angesehen werden, soweit es die Grundtendenz der Kompetenzverschiebung anzeigt. Für ein genaueres Bild sind darüber hinaus noch kompensatorische Effekte einzubeziehen, die der kompetenzverkürzenden Wirkung der Gruppenbildung entgegenwirken können. Insoweit bestehen einerseits Parallelen zum Aktienrecht, wie sich namentlich anhand der Informationsrechte der Gesellschafter zeigen lässt. Denn ganz ähnlich wie im Aktienrecht gibt es auch im GmbH-Recht Ansatzpunkte für ein Verständnis dieser Rechte, welches Gruppensachverhalten zumindest in einem gewissen Rahmen Rechnung trägt.338 Andererseits sind an dieser Stelle auch Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die so im Aktienrecht keine Entsprechung haben. Dies liegt daran, dass die Geschäftsführung der Obergesellschaft in der GmbH mit Regelstatut Entscheidungen über die Ausübung von Einflussmöglichkeiten und Rechten aus Gesellschaftsbeteiligungen von vornherein nur insoweit autonom treffen kann, als es nicht um ungewöhnliche Maßnahmen geht, für die eine Vorlagepflicht gilt (aa)). Selbst bei gewöhnlichen Maßnahmen hat sie darüber hinaus auch noch Weisungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung zu beachten (bb)). Darüber hinaus kommen Mitwirkungsrechte der Gesellschafterversammlung bei der Gruppenleitung auch noch unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in Betracht (cc)). aa)  Die Vorlagepflichten bei ungewöhnlichen Maßnahmen Wenn es darum geht, wie die als Gruppenspitze fungierende GmbH die aus dieser Position resultierenden Möglichkeiten der Einflussnahme bzw. die ihr zukommenden Gesellschafterrechte ausübt, stellt sich im Grundsatz wie bei jeder anderen auf der Ebene der Obergesellschaft anstehenden Entscheidung die Frage, ob die Geschäftsführung eigenständig handeln darf oder ob es unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen – andere Gesichtspunkte sollen hier außer Betracht bleiben339 – der Einbeziehung der Gesellschafterversammlung

338  s. näher Jungkurth, Konzernleitung, S. 79 ff.; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1177; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 8; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 51a Rn. 12 u. Schlussanhang KonzernR Rn. 101; s. zum Aktienrecht bereits oben, § 5 E.V.2.c)aa)(1). 339  Denkbar ist z. B. auch die Anknüpfung an einen im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrages ergibt, dass auch die Ausübung von Beteiligungsrechten an einer Untergesellschaft davon erfasst sein soll: vgl. BGH WM 1973, 170 (für eine Kommanditgesellschaft). Weiter sind Mitwirkungsrechte denkbar, wenn der (gruppenweit verbindliche) Unternehmensgegenstand der Obergesellschaft tangiert ist, etwa weil die Tätigkeit der Untergesellschaft in einen davon nicht mehr abgedeckten Bereich ausgeweitet werden soll. Schließlich ist es auch noch denkbar, Mitwirkungsrechte in

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§ 6  Referenzrahmen Teil 2: Die Zuständigkeitsordnung der GmbH

bedarf.340 Es geht also keineswegs um (ohnehin kaum begründbare) Durchgriffszuständigkeiten, wie dies gelegentlich verwendete Formulierungen nahelegen („Erweiterung der Kompetenzen der Gesellschafter in die Konzerngesellschaften hinein“),341 sondern schlicht darum, die Kompetenzordnung der Obergesellschaft auch dort zu beachten, wo es um Entscheidungen mit Gruppenbezug geht. In der Literatur werden insoweit wiederkehrend bestimmte (nicht immer überschneidungsfreie) Fallgruppen genannt, in denen regelmäßig eine Vorlagepflicht unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme gegeben sein soll. Dazu gehören etwa Kapitalerhöhungen in einer Tochtergesellschaft,342 der Abschluss von Unternehmensverträgen durch Tochtergesellschaften,343 die Beteiligung Dritter an Tochtergesellschaften,344 die Veräußerung wesentlicher Vermögensteile der Tochtergesellschaft,345 „wesentliche Umstrukturierungen und große Investitionsvorhaben“,346 sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch die Rücklagenbildung in der Tochtergesellschaft.347 Diese Fallgruppen bieten eine gewisse Orientierung, bedürfen allerdings auch noch unter verschiedenen Gesichtspunkten einer näheren Betrachtung, die aber einstweilen noch zu rückzustellen ist.348 An dieser Stelle, wo es lediglich um die Darstellung der Existenz von kompensatorischen Effekten unBezug auf Maßnahmen auf der Ebene der Tochtergesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller-Doktrin zu begründen (s. dazu näher noch sogleich, § 6 F.III.2.). 340  Vgl. Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 93; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 64a; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 11; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 52; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 43, 86 f. (abweichend nunmehr aber Rowedder/Schmidt/Leithoff/Koppensteiner/ Schnorbus, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 48, der Vorlagepflichten für ungewöhnliche Maßnahmen generell nicht akzeptieren möchte; s. aber für die Annahme von Mitwirkungsrechten bei der Gruppenleitung auf Basis der Holzmüller-Rechtsprechung Rn. 50; Koppensteiner hält dagegen an der Auffassung der Vorauflage fest: s. a.a.O., Fn. 163); Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f.; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1182; s.a. OLG Karls­ ruhe, NZG 2000, 264, 266 f. 341  So etwa Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 268. 342  s. Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 64a; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 11; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 52. 343  s. Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 64a; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 11; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 52. 344  s. Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 93; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 64a; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 52. 345  s. Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 93; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 64a; Haas/Müller, GmbHR 2004, 1169, 1175; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 86. 346  s. Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 93. 347 s. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 218; wohl weitergehend Scholz/Emmerich, GmbHG (10. Aufl.), Anh. § 13 Rn. 64b, jedoch unter Berufung auf die abzulehnende Gesellschafterkompetenz, über die „Grundsätze der Konzernpolitik“ zu entscheiden; s. zu den gegen diese Kategorie sprechenden Gründen oben, § 6 D.III.2. 348  Näher unten, § 6 F.III.1.

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ter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts geht, genügt vorläufig der Hinweis auf die vorbezeichneten Stellungnahmen aus dem Schrifttum. bb)  Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung Neben der Möglichkeit, einen Weisungsbeschluss zu erlassen, wenn die Geschäftsführung die Gesellschafterversammlung einberuft, weil die Vornahme einer ungewöhnlichen Maßnahme in Rede steht, kann diese auch von sich aus aktiv durch Weisungsbeschlüsse in die Geschäftsführung eingreifen und ihre Vorstellungen von der Wahrnehmung der Einflussmöglichkeiten durchsetzen, die sich aus der Beteiligung an der Untergesellschaft ergeben.349 Auf diese Weise hat sie es in der Hand, auch solche Entscheidungen im Bereich der Beteiligungsverwaltung an sich zu ziehen, die eigentlich im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftsführung in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung gehören und die diese daher nicht von sich aus vorlegen müssen. cc)  Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung auf Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin Bereits im gegenwärtigen Zusammenhang ist der sogleich noch eingehender zu erläuternde Umstand zu erwähnen, dass es im GmbH-Recht – anders als nach hier vertretener Auffassung im Aktienrecht350 – auch möglich ist, Mitwirkungsrechte der Gesellschafterversammlung im Hinblick auf die Gruppenleitung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin zu begründen.351 Auch insoweit geht es allerdings nicht darum, die mittels eines konzernverfassungsrechtlichen Ansatzes die Befugnisse der Gesellschafterversammlung auf der Obergesellschaft die gesamte Gruppe zu erstrecken, sondern um die erforderliche Beteiligung der Gesellschafterversammlung an rechtsverkürzenden (mediatisierenden) Maßnahmen oberhalb einer quantitativ zu bestimmenden Erheblichkeitsschwelle. Die kompensierende Wirkung derart begründeter Zuständigkeiten ist also von vornherein auf einen abgegrenzten Sachbereich beschränkt. 3.  Grenzen der kompensatorischen Effekte Zumindest auf den ersten Blick scheinen Weisungsrecht und Vorlagepflicht die mit der Gruppenbildung einhergehenden Kompetenzverschiebungen ganz weitgehend ausgleichen zu können. Doch zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es sich dabei aus verschiedenen Gründen nicht um einen vollwertigen Ausgleich handelt. Dabei geht es einerseits um prinzipiell greifende Grenzen, andererseits um einzelfallabhängige gegenläufige Faktoren. s. z. B. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 218. s. insoweit bereits § 5 E.VI.3.d)dd). 351  s. dazu noch ausführlicher unten, § 6 F.III.2. 349  350 

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a)  Interne treuhänderische Pflichtenbindung vs. unmittelbare gesellschaftsrechtliche Befugnisse Aufschlussreich ist zunächst die Parallele zu der für das Aktienrecht geführten Diskussion um das Verhältnis von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungskontrolle. Auch hier hat sich entgegen zunächst anderslautender Thesen gezeigt, dass Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Gruppenleitung die Mitwirkung bei der Gruppenbildung nicht ersetzen können.352 Zentral war hierfür die Einsicht, dass Mitwirkungsrechte notwendig entlang der Rechtsformgrenzen verlaufen müssen, d.h. nur eine interne Bindung der Verwaltung der Obergesellschaft bei der Beteiligungsverwaltung erzeugen und damit an dem Kerntatbestand des Mediatisierungseffektes, der Umwandlung unmittelbarer gesellschaftsrechtlicher Befugnisse der Gesellschafter in schuldrechtlich-treuhänderisch gebundene Kompetenzen der Verwaltungsorgane, nichts ändern.353 Das lässt sich auch auf das GmbH-Recht übertragen.354 Besonders augenfällig wird der Verlust an unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Befugnissen z. B. bei der Aufnahme neuer Gesellschafter, die in der Einheits-GmbH grundsätzlich nicht wirksam ohne die Mitwirkung der Altgesellschafter aufgenommen werden können; in der Untergesellschaft kann der Geschäftsführer ihre Aufnahme dagegen in Wahrnehmung der Gesellschafterrechte der Obergesellschaft ohne weiteres selbst herbeiführen, auch wenn er der Obergesellschaft zuvor keine Gelegenheit zur Beschlussfassung gegeben hat.355 Denn die Vorlagepflicht unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme betrifft allein die Frage gesellschaftsinternen Pflichtenbindung der Geschäftsführung.356 Gleiches gilt für die Einhaltung der Grenzen, die sich aus einem Weisungsbeschluss ergeben, der anlässlich einer Vorlage oder ad hoc erteilt wird. Durch die Gruppenbildung kommt es damit trotz Weisungsrecht und Vorlagepflicht notwendig zu einer Machtverschiebung zu Gunsten der Geschäftsführung und auf Kosten der Gesellschafterversammlung. Dieser Effekt betrifft den gesamten Kompetenzbereich der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft und wird in Konstellationen, in denen ihre Mitwirkung (ausnahmsweise) für die Außenwirksamkeit einer Maßnahme relevant wird, nur besonders plastisch deutlich. b)  Gegenläufige Faktoren Daneben ist zu berücksichtigen, dass auch die Entscheidungshoheit im Innenverhältnis durch die genannten kompensatorischen Effekte nur im Idealfall – namentlich bei hundertprozentigen Tochtergesellschaften in der Rechtsform der

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s. o., § 5 E.VI.3.b). s. o., § 5 E.VI.3.b). 354 Ebenso Jungkurth, Konzernleitung, S. 37. 355 s. U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 117, 127. 356 s. U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 117, 127. 353 

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GmbH – (zumindest annähernd) abgesichert ist. Je nach Fallgestaltung unterliegen nämlich auch die kompensatorischen Effekte begrenzenden Faktoren. aa)  Gesellschaftsvertragliche Regelungen auf der Ebene der Obergesellschaft Offenkundig ist, dass die kompensierende Wirkung von Weisungsrecht und Vorlagepflicht entfällt, wenn der Gesellschaftsvertrag der Obergesellschaft insoweit Regelungen trifft, die vom gesetzlichen Regelfall abweichen, z. B. indem nur ein Katalog bestimmter Maßnahmen für vorlagepflichtig erklärt wird, während die Geschäftsführung im Übrigen eigenverantwortlich entscheiden darf. bb)  Beschränkungen aus dem Recht der Untergesellschaft Darüber hinaus können sich Einschränkungen auch aus dem Recht der Untergesellschaft ergeben. (1)  Beschränkungen der Vorlagepflicht Steht dort eine Entscheidung an, die in die alleinige Zuständigkeit des Leitungsorgans der Untergesellschaft fällt, dann wird das Mitgliederorgan – und damit die Obergesellschaft – mit dieser Maßnahme nicht befasst. Dies gilt auch dann, wenn sich die Maßnahme aus der Perspektive der Obergesellschaft als ungewöhnlich darstellt.357 Zwar ist es zutreffend, dass es für die Qualifikation einer Maßnahme als gewöhnlich oder ungewöhnlich grundsätzlich auf die Perspektive der Obergesellschaft ankommt. Daraus lässt sich aber keine Durchgriffszuständigkeit für die Entscheidung über solche Maßnahmen ableiten, bei denen die Obergesellschaft überhaupt nicht zur Mitwirkung berufen ist.358 In diesen Fällen kann die Geschäftsführung der Obergesellschaft also auch keine Vorlagepflicht gegenüber der Gesellschafterversammlung treffen. Hier stößt also die kompensatorische Wirkung der Vorlagepflichten auf eine aus dem Organisationsrecht der Untergesellschaft resultierende Schranke.359 (2)  Grenzen für das Weisungsrecht Auf ähnliche Weise kann auch das Weisungsrecht der Gesellschafter der Obergesellschaft auf Grenzen aus dem Recht der Untergesellschaft stoßen. Diese können bereits aus der Rechtsform der Untergesellschaft resultieren, eine Konsequenz statuarischer Regelungen darstellen oder sich im Einzelfall aus der Notwendigkeit 357  Bsp.: (nicht unternehmensgegenstandsrelevante) Veräußerung eines wichtigen Geschäftsfeldes durch eine in einem einfachen Abhängigkeitsverhältnis stehende Aktiengesellschaft. 358  A.A. für das Personengesellschaftsrecht Schlegelberger/Martens, HGB, Anh. § 105 Rn. 17 (beschränkt auf 100 %ige Tochtergesellschaften); dagegen zutreffend MünchKommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 96. 359  s. zur Diskussion um die Bedeutung solcher Effekte im Aktienrecht oben, § 5 E.V.2.b).

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ergeben, unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht auf die Belange etwa vorhandener außenstehender Gesellschafter in der Untergesellschaft Rücksicht nehmen zu müssen. In praktischer Hinsicht ist zudem zu berücksichtigen, dass ein auf der Ebene der Obergesellschaft ergangenen Weisungsbeschluss stets noch in eine die Geschäftsführung der Untergesellschaft bindende Weisung umgesetzt werden muss.360 Denn mangels Durchgriffszuständigkeit bindet ein auf der Ebene der Obergesellschaft gefasster Weisungsbeschluss die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft nicht unmittelbar. Vielmehr muss die Geschäftsführung der Obergesellschaft die Gesellschafterrechte in der Untergesellschaft in Übereinstimmung mit der Weisung ausüben und dort für eine entsprechende Beschlussfassung sorgen. Dies macht grundsätzlich die Einberufung einer Gesellschafterversammlung erforderlich, wofür die in § 51 Abs. 1 GmbHG normierte Frist zu wahren ist. Ein Verzicht auf die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung und die Einhaltung der damit einhergehenden Formalien ist nur dann gesichert, wenn es sich um eine 100 %ige Tochtergesellschaft handelt. In allen anderen Fällen ist damit zu rechnen, dass die Notwendigkeit der Beschlussumsetzung im Einzelfall dazu führt, dass das Weisungsrecht der Gesellschafter der Obergesellschaft im Verhältnis zur Einheitsgesellschaft an Effektivität einbüßt.361 c)  Spezifische Gesichtspunkte des Minderheitenschutzes Daneben ist für die Beurteilung der kompensatorischen Wirkung von Vorlagepflicht und Weisungsrecht zu berücksichtigen, dass über den Erlass von Weisungsbeschlüssen im Bereich der Geschäftsführung gem. § 47 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich mit einfacher Mehrheit beschlossen wird, unabhängig davon, ob es um gewöhnliche oder ungewöhnliche Maßnahmen geht. Soweit in der Untergesellschaft eine Maßnahme in Rede steht, für die es in der Obergesellschaft einer qualifizierten Mehrheit bedurft hätte, kann daher nach der Beteiligungsbildung vermittels des Weisungsrechts eine einfache Mehrheit über deren Vornahme entscheiden.362 Die Bedeutung von Sperrminoritäten in der Obergesellschaft wird damit überspielt. In dieser Konstellation wird deutlich, dass mit der Beteiligungsbildung nicht nur eine Kompetenzverschiebung zwischen den Organen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung einhergeht, sondern dass sich auch die Machtverteilung innerhalb der Gesellschafterversammlung ändern kann. Neben den Entscheidungen, für die das GmbH-Gesetz eine qualifizierte Mehrheit vorsieht, ergibt sich eine parallele Problematik überall dort, wo die Satzung für Jungkurth, Konzernleitung, S. 38; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 61. Jungkurth, Konzernleitung, S. 38; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 61. 362  Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn in der Tochtergesellschaft eine Gruppenleitungsmaßnahme vorgenommen werden soll, für die ein Mitwirkungsrecht der Obergesellschaft auf der Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin begründet werden kann, weil dann mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden muss. 360 s. 361 s.

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die Ebene der Obergesellschaft besondere Gestaltungen zum Schutz der Minderheit vorsieht und sich diese nicht im Wege der Auslegung auf die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte an der Untergesellschaft erstrecken lassen.363 Praktische Beispiele für solche Gestaltungen lassen sich in der Rechtsprechung finden. Besteht z. B. auf der Ebene der Obergesellschaft ein gesellschaftsvertraglich abgesichertes Voll- oder auch nur ein Mindestausschüttungsgebot,364 kann davon nur durch Satzungsänderung oder ggfs. durch einen satzungsdurchbrechenden Beschluss abgewichen werden. Damit kommt den Minderheitsgesellschaftern bei Beteiligungen oberhalb der 25 %-Grenze eine Blockadeposition zu, die verloren geht, wenn sich der gesellschaftsvertraglichen Klausel keine Vorgaben für die Ausschüttungspolitik in der Gesellschaftsgruppe entnehmen lassen.365 Durch Vorlagepflichten und Weisungsrechte kann dies nicht ausgeglichen werden, weil die Minderheit die dafür erforderlichen Beschlussmehrheiten nicht zustande bringen kann. Ähnlich verhält es sich, wenn die Position der Minderheit dadurch abgesichert wird, dass sie die Hälfte der Mitglieder eines Aufsichtsrates entsenden kann, dessen Zustimmung es für bestimmte, im Gesellschaftsvertrag festgelegte Geschäftsführungsmaßnahmen auf der Ebene der Obergesellschaft bedarf.366 4.  Zwischenergebnis und weiteres Vorgehen Insgesamt ergibt sich damit für die GmbH ein differenziertes Bild. In Parallele zum Aktienrecht liegt zunächst die wesentliche Folge von Maßnahmen der Beteiligungsbildung darin, dass an die Stelle eigener gesellschaftsrechtlicher Kompetenzen der Gesellschafter treuhänderisch-pflichtgebundene Rechte der Geschäftsleitung treten. Der Kompetenzzuwachs der Geschäftsleitung betrifft dabei uneingeschränkt ihr rechtliches Können, soweit sie nämlich als Vertretungsorgan im Außenverhältnis dafür zuständig ist, die aus der Gesellschafterstellung fließenden Rechte auszuüben. Der Umfang dessen, was sie rechtlich darf, wächst dagegen Vgl. auch U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, 117, 127. Vgl. den Sachverhalt der Entscheidung OLG Köln DB 1997, 1713, die freilich gerade im Hinblick auf die Annahme eines in der Satzung enthaltenen Vollausschüttungsgebots durch die Revisionsinstanz korrigiert wurde (BGH DStR 1997, 788, 790 mit Anm. Goette). 365  Für eine solche gruppenweite Geltung des – vermeintlich durch den Gesellschaftsvertrag statuierten – Vollausschüttungsgebots aber OLG Köln DB 1997, 1713, 1714; da bei zutreffender Auslegung des Gesellschaftsvertrages kein Vollausschüttungsgebot bestand, musste der Bundesgerichtshof zur Frage der gruppenweiten Geltung keine Stellung nehmen: s. BGH DStR 1997, 788, 790; vgl. zur Problematik auch noch Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 220 f. 366  Vgl. die der Entscheidung OLG Koblenz, NJW-RR 1991, 487 zugrunde liegende Gestaltung; dort wurde das Problem freilich bereits durch eine Klausel im Gesellschaftsvertrag entschärft, die ausdrücklich vorsah, dass auch die Ausübung von Gesellschafterrechten aus der Beteiligung an anderen Gesellschaften der Zustimmung durch den Aufsichtsrat bedarf, soweit es um Angelegenheiten der im Katalog der zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäfte bezeichneten Art geht: s. OLG Koblenz, a.a.O., 489. 363 

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nicht in gleichem Umfang mit, weil sie grundsätzlich dazu verpflichtet bleibt, der Gesellschafterversammlung ungewöhnliche Maßnahmen zur Entscheidung vorzulegen und daraufhin oder unabhängig davon ergehende Weisungen der Gesellschafterversammlung einzuhalten. Wegen des umfassen Charakters der daraus resultierenden Möglichkeiten der Einflussnahme verbleibt insoweit ein Unterschied zu den Auswirkungen der Beteiligungsbildung im Aktienrecht selbst dann, wenn man auch dort den Aktionären der Obergesellschaft großzügige Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung zumisst.367 Die Relevanz der kompensatorischen Effekte darf aber auch nicht überbewertet werden. Ihre Bedeutung ist prinzipiell beschränkt, weil sie sich grundsätzlich nur auf das Innenverhältnis beziehen und damit am Grundtatbestand des Mediatisierungseffektes nichts ändern können. Im Einzelfall kann zudem eine Reihe weiterer einschränkender Faktoren zu berücksichtigen sein. Welche Bedeutung dieser Befund für die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das GmbH-Recht hat, soll nachfolgend im systematischen Zusammenhang für Gruppenbildungs-, Gruppenleitungs- und sonstige Maßnahmen erörtert werden.

II.  Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenbildungsmaßnahmen Im Ausgangspunkt ist zunächst auch für das GmbH-Recht anerkannt, dass sich Grenzen für die Kompetenzen des Geschäftsführungsorgans bei der Gruppenbildung bereits auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages ergeben können (1.). Anders als im Aktienrecht kennt das GmbH-Recht unterhalb dieser Schwelle mit der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen bereits ein Institut, das prinzipiell auch für die Erfassung von Gruppenbildungsvorgängen geeignet ist (2.a)). Darüber hinaus stellt sich die entscheidende Frage dahin, ob es unter dem Gesichtspunkt des Mediatisierungseffektes gerechtfertigt sein kann, auch im GmbH-Recht von einer ungeschriebenen Zuständigkeit i.S. der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auszugehen (2.b)). 1.  Gesellschaftsvertragliche Grenzen der Gruppenbildung Wie für die Aktiengesellschaft368 gilt zunächst allerdings auch für die GmbH, dass die Bindung an den Unternehmensgegenstand der Gruppenbildung Grenzen setzt. Auch hier darf also nicht über den Umweg einer Gesellschaftsbeteiligung das durch den Unternehmensgegenstand gesteckte Betätigungsfeld verlassen werden.369 Zudem ist wie nach der heute ganz überwiegenden Ansicht im Aktienrecht auch für die GmbH davon auszugehen, dass schon die Gruppenbildung per se einer 367  Erst recht ergeben sich Differenzen, wenn man solche Mitwirkungsrechte mit der hier vertretenen Ansicht ablehnt: s.o., § 5 E.VI.3.d)dd). 368  s. o., § 5 D.I.3.a). 369  s. speziell zur GmbH noch Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 60; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1069; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 55 f.

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Gestattung durch die Satzung bedarf.370 Die im Folgenden zu schildernden Fragen der Zuständigkeitsabgrenzung werden daher nur dann relevant, wenn die Satzung überhaupt eine entsprechende Öffnungsklausel enthält. Auch im GmbH-Recht scheinen derartige Klauseln allerdings recht weit verbreitet,371 so dass sich auch hier die Frage nach den Mitwirkungsrechten der Gesellschafter bei der Gruppenbildung praktisch in erster Linie als Frage danach stellt, ob die betreffende Maßnahme auch ad hoc die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung erfordert. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass diese Frage keinesfalls schon aufgrund der Existenz einer Konzernklausel entfällt.372 Für die Holzmüller-Grundsätze hat der Bundesgerichtshof in den Gelatine-Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass die Existenz einer Konzernklausel lediglich vom Erfordernis einer sonst ggfs. erforderlichen formellen Satzungsänderung befreit.373 Bringt man die Holzmüller-Doktrin auch im GmbH-Recht zur Anwendung, kann dann nichts anderes gelten. Stützt man sich dagegen für ungeschriebene Beschränkungen der Geschäftsführerbefug370  s. für die AG die Literaturnachweise oben, § 5 D.I.3.a) sowie BGHZ 159, 30, 46 (Gelatine I); speziell zur GmbH, wo diese Frage allerdings seltener ausdrücklich thematisiert wird, s. etwa noch Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 7; Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 69; Ebenroth, Konzernbildungskontrolle, S. 54; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 1; Emmerich/ders., AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 50 f.; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 44 (abweichend Schnorbus in der 5. Aufl. (Rn. 43), während Koppensteiner auch dort an seiner Auffassung festhält (vgl. 5. Aufl., Rn. 43 mit Fn. 133)); MünchKommGmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 1074 ff; ders., Konzernbildungskontrolle, S. 164; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 214 f. (Ausgliederung), 218 ff. (Beteiligungserwerb); Wicke, GmbHG, § 3 Rn. 6; MünchKommGmbHG/ders., § 3 Rn. 19; Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 56 f.; zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der Gegenstandsänderung, i.E. aber gleichwohl die Notwendigkeit einer Konzernklausel aufgrund des Mediatisierungseffektes bejahend Jungkurth, Konzernleitung, S. 34 f., 42 ff.; vgl. auch BGH NJW 1983, 1910; s. zu Überlegungen, ob auch insoweit von einer Bagatellgrenze auszugehen ist, Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 212. 371  s. etwa Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 7; Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 69; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rn. 34. 372 So allerdings Ebenroth, Konzernbildungskontrolle, S. 54, mit Verweis auf OLG Köln, BB 1985, 1583 und OLG Hamm, BB 1986, 1531, die jedoch für die Problematik unter keinem Gesichtspunkt einschlägig erscheinen. Ebenroth, der wie die h.A. von der Notwendigkeit einer allgemeinen Konzernklausel ausgeht, meint offenbar, dass allein diese Klausel die Geschäftsführung bereits umfassend zur Konzernbildung ermächtigt. Dies trifft jedoch nicht zu, da nach üblichem Sprachgebrauch mit dem Terminus der „allgemeinen Konzernklausel“ solche Regelungen angesprochen werden, die von der Befugnis der Gesellschaft zur Konzernbildung handeln (s. nur Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 413 ff.; praktisches Bsp. für die GmbH z. B. noch in BGH NJW 1983, 1910). Darüber, welches Organ innerhalb der Gesellschaft über die Konzernbildung zu entscheiden hat, treffen allgemeine Konzernklauseln also überhaupt keine unmittelbare Aussage. Unzutreffend ist daher auch Ebenroths weitergehender Schluss, die Gesellschafter könnten eine von der Geschäftsleitung geplante Konzernbildungsmaßnahme vermittels einer Weisung nach § 37 GmbHG nur dann verhindern, wenn der Weisungsbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit gefasst wird. 373  s. BGHZ 159, 30, 46; Goette, AG 2006, 522, 526.

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nisse mit der traditionellen GmbH-Rechtsdoktrin auf die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme, kann die Existenz einer Satzungsklausel als eine Regelung auf der Ebene des Unternehmensgegenstandes erst recht keine Rolle spielen. Denn es geht bei dieser Kategorie traditionell gerade darum, Grenzen für die Befugnisse des Geschäftsführers im Hinblick auf solche Maßnahmen zu begründen, die sich innerhalb des Unternehmensgegenstandes halten. 2.  Mitwirkung der Gesellschafterversammlung bei Gruppenbildungsmaßnahmen Zunächst ist klarzustellen, dass sich die nachfolgenden Überlegungen in Übereinstimmung mit den zum Aktienrecht gewonnenen Erkenntnissen auf Gruppenbildungsmaßnahmen im erweiterten Sinn beziehen.374 Eingeschlossen sind neben der Ausgliederung, der Bargründung und dem Beteiligungserwerb also auch Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften, soweit die Obergesellschaft ihr Bezugsrecht ausübt. Denn jeweils geht es darum, dass die (künftige) Obergesellschaft unmittelbar gehaltene Vermögenswerte gegen Gesellschaftsanteile eintauscht, so dass alle Maßnahmen jeweils mit den geschilderten kompetenzverschiebenden Effekten einhergehen. a)  Erfassung als ungewöhnliche Maßnahme (Vetovorbehalt) Bereits in den diesen Abschnitt einleitenden Überlegungen wurde dargelegt, dass Maßnahmen der Gruppenbildung dann als ungewöhnlich und damit grundsätzlich vorlagepflichtig eingeordnet werden können, wenn sich auch für das GmbHRecht ein Mediatisierungseffekt nachweisen lässt.375 Tragend dafür ist der Gedanke, dass es im Hinblick auf Maßnahmen, die es den Geschäftsführern erlauben würden, ihren Zuständigkeitsbereich zu Lasten der Gesellschafterversammlung eigenständig zu erweitern, besonders angezeigt erscheint, die latente Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung unter Berücksichtigung ihrer übergeordneten Stellung im Gesellschaftsgefüge durch eine Vorlageverpflichtung (Vetovorbehalt) abzusichern.376 Denn insoweit ist das Hierarchieprinzip, dessen absichernder Annex die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen ist, im Kern betroffen. Dies gilt unbeschadet etwaiger kompensatorischer Effekte, weil diese – wiederum ganz unabhängig von etwaigen gegenläufigen Umständen des Einzelfalles – den Mediatisierungstatbestand an sich nicht entfallen lassen, sondern lediglich die Pflichtenbindung der Geschäftsführung im Innenverhältnis auskonturieren. Für die Qualifikation als ungewöhnliche Maßnahme ist dies jedenfalls ausreichend. Auf die Würdigung der Unterschiede, die im Bereich der kompensatorischen Effekte zwischen GmbH- und Aktienrecht bestehen, kommt es daher an dieser Stelle nicht an. 374 

s. o., § 5 E.VI.2.a). s. o., § 6 E.I.3.a)bb) und E.II.1.a). 376  s. zum Grundsatz oben, § 6 D.III.4.c)dd). 375 

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Zu klären bleibt daher allein die in der Literatur sehr kontrovers beurteilte Frage, ob Maßnahmen der Gruppenfortbildung generell oder erst ab einer bestimmten quantitativen Grenze als vorlagepflichtig anzusehen sind. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die mediatisierende Wirkung der Gruppenbildung nicht von der Größenordnung der Maßnahme abhängt, andererseits aber auch in Rechnung zu stellen, dass das Hierarchieprinzip durch ganz geringfügige Kompetenzverschiebungen nicht derart entscheidend herausgefordert wird, dass die Weisungsbefugnis der Gesellschafter zwingend durch die Annahme einer Vorlagepflicht abgesichert werden müsste. Dies spricht im Ergebnis dafür, Maßnahmen der Gruppenbildung im Regelfall als ungewöhnlich einzuordnen, zugleich aber eine niedrig anzusetzende Bagatellschwelle anzuerkennen, die im Sinne einer Faustregel bei etwa 10 % des Wertes des Vermögens der Obergesellschaft anzusetzen sein dürfte.377 Jedenfalls besteht kein Anlass dafür, die quantitativen Anforderungen ohne besonderen Grund an den Größenordnungen zu orientieren, wie sie den Entscheidungen Holzmüller und Gelatine zugrunde gelegen haben.378 Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass pauschale Schwellenwerte immer nur einen ersten Anhaltspunkt für die zuständigkeitsrechtliche Einordnung einer Maßnahme bieten können. Denn in der Sache geht es um die Konkretisierung der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme, und diese beinhaltet einen flexiblen Maßstab, der auf die konkreten Verhältnisse in der jeweiligen Gesellschaft Rücksicht nimmt.379 377 In diese Richtung auch Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 43; ganz ohne Erwähnung einer Bagatellschwelle Jansen, Konzernbildungskontrolle, S. 349; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 221; Michalski/Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 432; wohl auch Haas/Müller, GmbHR 2004, 1175; eher niedrigschwellig ansetzend auch Jungkurth, Konzernleitung, S. 47 f., der fragt, ob die Konzernbildung „20 – 25 % der Aktivseite der Bilanz der herrschen Gesellschaft“ betrifft bzw. für eine „deutlich geringer“ ansetzende Vorlagepflicht plädiert, wenn im Rahmen der Maßnahme externe Gesellschafter aufgenommen werden; für Schwellenwert von 10 % des Gesellschaftsvermögens Münch. Hdb. GmbH/Decher/Kiefner § 68 Rn. 14 (zumindest für personalistische GmbH); ebenso U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 115 sowie Scholz/ders./S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 79 (dritte dort genannte Fallgruppe); noch enger MünchKommGmbHG/ Liebscher, Anh. § 13 Rn. 1094: Daumenregel sei eine „Größenordnung von 5 – 10 % des Gesellschaftsvermögens“; s.a. ders., Konzernbildungskontrolle, S. 167 ff.; wohl für generelle Vorlagepflicht, jedenfalls aber keine Übertragung der für die AG entwickelten Schwellenwerte Scholz/Emmerich, Anh. § 13 Rn. 61; differenzierend Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617 ff. (s. zu diesen bereits ausführlicher oben, § 6 E.III.3.d)). 378 Zu hoch ansetzend daher etwa Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 11. 379  s. o., § 6 D.III.4.c)ff); vgl. auch noch U.H. Schneider, in: FS Bärmann, S. 873, 887 (zu § 116 Abs. 2 HGB); mit dem Flexibilitätsaspekt korrespondiert – zumindest ansatzweise – der Vorschlag, für den Schwellenwert zwischen personalistisch und kapitalistisch strukturierten GmbH zu unterscheiden: so tendenziell Münch. Hdb. GmbH/Decher/Kiefner § 68 Rn. 14. Doch sind diese Begriffe ihrerseits konkretisierungsbedürftig und nicht immer einfach voneinander abzugrenzen; auch können Umstände des Einzelfalles differenziertere Lösungen nahelegen, als es dem schlichten Dualismus der Unterscheidung zwischen personalistischen und kapitalistischen GmbH entspricht.

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b)  Erfassung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin aa) Grundsatz Die Feststellung, dass Maßnahmen der Beteiligungsbildung auch im GmbHRecht über eine mediatisierende Wirkung verfügen, beinhaltet die entscheidende Weichenstellung für die Übertragung der Holzmüller-Doktrin in das GmbH-Recht. Durch die Auswirkungen auf die Zuständigkeitsordnung gewinnen Maßnahmen der Beteiligungsbildung auch im GmbH-Recht eine hybride Qualität, die sie zugleich als Geschäftsführungs- und Strukturmaßnahmen erscheinen lassen. Damit öffnen sich auch für das GmbH-Recht die Verbindungslinien zu den gesetzlich geregelten bzw. gesetzesanalog geltenden Strukturkompetenzen des Mitgliederorgans.380 Eine andere Beurteilung erscheint auch nicht im Hinblick auf die Unterschiede angezeigt, die insoweit unter dem Gesichtspunkt der kompensatorischen Effekte zwischen GmbH- und Aktienrecht bestehen. Für das Aktienrecht hat sich die zutreffende Ansicht herausgebildet, dass etwaige Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung – auch solche Rechte müsste man als kompensatorische Effekte einordnen – Mitwirkungserfordernisse bei der Gruppenbildung nicht entfallen lassen.381 Der entscheidende Gesichtspunkt liegt dabei darin, dass solche Rechte Einfluss allein über die Pflichtenbindung des Leitungsorgans im Innenverhältnis vermitteln, ohne dass sich dadurch etwas am Grundtatbestand des Mediatisierungseffekts – des Verlusts unmittelbarer Rechtsmacht auf Seiten der Mitglieder mit einem entsprechenden (treuhänderisch gebundenen) Zuwachs an Rechtsmacht auf Seiten des Leitungsorgans – etwas ändert.382 Dies ist im GmbH-Recht nicht anders. Die kompensatorischen Effekte mögen hier im gesetzlichen Normalfall weiter reichen als in der AG. Das ändert aber nichts daran, dass die Wirkung dieser Effekte wegen ihrer Beschränkung auf das Innenverhältnis strukturellen Grenzen unterliegt. Strukturändernd und damit maßgeblicher Anknüpfungspunkt bleibt also auch im GmbH-Recht der Vorgang der Beteiligungs(fort)bildung an sich. Dies befreit zumindest in diesem Bereich zugleich auch von der praktisch u.U. sehr komplexen Aufgabe, etwaige kompensatorische Effekte mit gegenläufigen Faktoren abgleichen und dann im Einzelfall entscheiden zu müssen, ob sich eine Maßnahme der Beteiligungsbildung auf die Rechte der Gesellschafter in hinreichendem Umfang verkürzend auswirkt.383 380 

Vgl. zu den entsprechenden Überlegungen für das Aktienrecht oben, § 5 E.V.4.b). s. o., § 5 E.VI.3.b). 382  s. o., § 5 E.VI.3.b) und § 6 F.I.3.a). 383  Nicht maßgeblich sind also z. B. die Rechtsform der Untergesellschaft; Ausgestaltungen des Statuts von Unter- oder Obergesellschaft, die Vorlagepflichten oder einer uneingeschränkten Ausübung des Weisungsrechts entgegenstehen könnten; die Existenz besonderer minderheitsschützender Regelungen, die durch die Beteiligungsbildung unterlaufen werden könnten; die Frage, ob die Untergesellschaft über einen mitbestimmten Aufsichtsrat verfügt; die Existenz außenstehender Gesellschafter in der Untergesellschaft; das Bestehen von unternehmensvertraglich abgesicherten Weisungsmöglichkeiten o.ä. 381 

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bb)  Normative Verankerung Methodisch bietet es sich auch für das GmbH-Recht an, im Wege einer (Teil-) Gesamtanalogie vorzugehen.384 Die Analogiebasis ändert sich dabei im Vergleich zum Aktienrecht kaum, da statt §§ 179 AktG und 125, 65 UmwG die §§ 53 GmbHG und 125, 50 UmwG herangezogen werden können und die §§ 186 Abs. 3, 293 Abs. 2, 179a AktG im GmbH-Recht ohnehin analog gelten.385 Auch der Nachweis der für die Analogiebildung erforderliche Anschauungslücke bereitet im GmbH-Recht keine Schwierigkeiten und fällt sogar leichter als im Aktienrecht. Denn während der Gesetzgeber des Aktiengesetzes die aus der Gruppenbildung resultierenden Gefahren zumindest grundsätzlich in den Blick genommen hat und nur im Hinblick auf die damit einhergehenden organisationsrechtlichen Verschiebungen zu Lasten der Aktionäre der Obergesellschaft einer Anschauungslücke unterlag, fehlt es im GmbHG bislang an jedweder Regelung. Soweit dagegen die Vorschriften des AktG unmittelbar auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung Anwendung finden,386 setzt sich die für das Aktienrecht bestehende Anschauungslücke naturgemäß fort. Der Annahme einer Regelungslücke steht es auch nicht entgegen, dass das GmbH-Recht mit der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen über ein eigenständiges Institut verfügt, das die Mitwirkung der Gesellschafterversammlung an der Entscheidung über Maßnahmen der Beteiligungsbildung absichern kann. Denn unter diesem Gesichtspunkt lässt sich allenfalls das Erfordernis eines mit einfacher Mehrheit zu fassenden Gesellschafterbeschlusses begründen,387 der für den mit der Kompetenzverschiebung einhergehenden Machtverlust – auch unter dem Gesichtspunkt des Verlusts von Sperrminoritäten388 – keinen angemessenen Ausgleich bietet. Der Klarheit halber ist hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses noch darauf hinzuweisen, dass die Übertragung der Holzmüller-Doktrin nicht dazu führen kann, nun auch im GmbH-Recht die aktienrechtliche Dreivier384 Ebenso übertragbar erscheint aber auch die vom Bundesgerichtshof in den Gelatine-Entscheidungen präferierte offene Rechtsfortbildung; s. dazu, dass die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen nicht überbewertet werden dürfen bereits oben, § 5 E.V.4.c). 385  s. zu §§ 179a, 293 Abs. 2 AktG bereits oben, § 6 D.I.; zur entsprechenden Anwendung von § 186 Abs. 3 AktG s. Scholz/Priester, GmbHG, § 55 Rn. 54 ff.; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 25; der Sache nach auch Lutter/Hommelhoff/Lutter/ Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 17 ff. 386  s. etwa Emmerich/Habersack, KonzernR, § 29 Rn. 5. 387  Vgl. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1157; Rowedder/Schmidt-Leit­ hoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 44; etwas missverständlich, weil zwei unterschiedliche Ansätze vermischend ist es insoweit, wenn in der Literatur danach gefragt wird, ob die unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme für erforderlich gehaltene Zustimmung der Gesellschafterversammlung strukturändernden Charakter i.S. der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung aufweist und deswegen einer qualifizierten Mehrheit bedarf: so z. B. Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 70; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 10; vgl. zur Einordnung solcher Stimmen bereits oben, § 6 E.II.1.c) und § 6 E.III.3.e). 388  s. zu dieser Problematik bereits oben, § 6 F.I.3.c).

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tel-Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 179 Abs. 2 AktG) zu fordern. Vielmehr kann es nur darum gehen, die im GmbH-Recht für die Satzungsänderung geltende Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen zur Geltung zu bringen.389 Nicht zu folgen ist dagegen dem weiterreichenden Vorschlag U.H. Schneiders, wonach auch bei Vorliegen einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel die konkrete Maßnahme in der Satzung abzubilden ist, so dass bei Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen stets noch ad hoc eine formelle Satzungsänderung erforderlich würde.390 Zwar gilt für das GmbH-Recht ebenso wie für das Aktienrecht der Grundsatz, dass die Satzung die Gruppenbildung an sich zulassen muss, weil der Unternehmensgegenstand grundsätzlich unmittelbar zu verwirklichen ist.391 Ist eine derartige Klausel nicht vorhanden, muss also in der Tat erst die Satzung geändert werden.392 Liegt sie aber vor, besteht für das Erfordernis einer formellen Änderung der Satzung, die konkret auf die anstehende Maßnahme bezogen ist, im GmbH-Recht genauso wenig Anlass wie im Aktienrecht,393 weil die Satzung für Gegenstand und Organisation des Unternehmens nur dem groben Rahmen bildet, dessen konkrete Ausfüllung den Entscheidungen von Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung überlassen bleibt.394 cc)  Quantitativer Schwellenwert Offen bleibt damit nur noch die Frage, ob für das GmbH-Recht ein ebenso hoher quantitativer Schwellenwert wie für das Aktienrecht anzunehmen ist, unterhalb dessen eine Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen nicht in Betracht kommt. Soweit sich die Literatur für eine Übertragung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze in das GmbH-Recht einsetzt, wird ganz überwiegend ohne nähere Begründung auch ein solcher Transfer des für das Aktienrecht etablierten Schwellenwertes befürwortet.395 Das ist allerdings keineswegs selbstverständlich, wenn man berücksichtigt, dass der Bundesgerichtshof in den Gelatine-Entscheidungen den Begründungsschwerpunkt auf die wohlaustarierte 389  So zutreffend unter Hinweis darauf, dass für satzungsnahe Maßnahmen keine strengeren Maßnahmen gelten können als für Satzungsänderungen Ulmer/Hüffer, § 47 Rn. 15. 390 s. U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 117; s. dazu auch schon oben, § 6 E.III.3.d). 391  s. o., § 5 D.I.3.a) (zur AG) und § 6 F.II.1. (zur GmbH). 392  s. o., § 6 F.II.1. 393  Vgl. insoweit auch BGHZ 159, 30, 46; Goette, AG 2006, 522, 526. 394  s. MünchKommGmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 1078; hinzu kommt, dass die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes nach h.M. in der GmbH sogar weitmaschiger ausfallen darf als in der AG: s. Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1289 f. Lehnt man dort das Erfordernis einer auf die konkreten Maßnahme bezogenen Satzungsänderung ab, muss dies für die GmbH also erst recht gelten. 395  s. z. B. Ulmer/Casper, GmbHG, § 46 Rn. 70; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 10; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 118, § 47 Rn. 15; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1155; Reichert, AG 2005, 159 f.

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aktienrechtliche Kompetenzverteilung gelegt hat, die nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden dürfe.396 Eine vergleichbare Rücksichtnahme ist für das GmbHRecht offenkundig nicht erforderlich, weil die Geschäftsführung hier ohnehin in viel stärkerem Maße an die Gesellschafterversammlung rückgebunden ist. Folgt man dem hier vertretenen Standpunkt, muss die Gesellschafterversammlung unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme zwar nicht generell, wohl aber bei einer verhältnismäßig niedrig anzusetzenden Bagatellschwelle (Faustregel: 10 % des Gesellschaftsvermögens) nämlich ohnehin regelmäßig mit Gruppenbildungsmaßnahmen befasst werden. Damit ist allerdings noch keineswegs gesagt, dass ab der gleichen niedrigen quantitativen Schwelle auch die Holzmüller-Doktrin zur Anwendung gelangen kann. Denn auch dann, wenn die Notwendigkeit, die Gesellschafterversammlung in die Entscheidung einzubeziehen, außer Frage steht, bleiben die weiteren damit einhergehenden Konsequenzen – zwingende Entscheidungszuständigkeit der Gesellschafterversammlung und zwingendes qualifiziertes Mehrheitserfordernis – immer noch rechtfertigungsbedürftig. Insoweit erscheint es unter Anknüpfung an die im Aktienrecht getroffenen Weichenstellungen durchaus gerechtfertigt, einen deutlich höheren Schwellenwert anzusetzen. Erst dann, wenn die Maßnahme der Beteiligungs(fort)bildung einen wesentlichen Teil des Vermögens der (künftigen) Obergesellschaft betrifft, gewinnt sie ein solches Gewicht, dass es unter Wertungsgesichtspunkten gerechtfertigt erscheint, sie den gesetzlich oder gesetzesanalog geregelten Strukturentscheidungen gleichzustellen und damit ein zwingendes qualifiziertes Mehrheitserfordernis zu begründen. Das bloße Überschreiten einer niedrigen Bagatellschwelle genügt für die Qualifikation als „satzungsnahe“ Maßnahme demgegenüber nicht. Zum gleichen Ergebnis gelangt man durch die Übertragung des für das Aktienrecht geäußerten Arguments, Maßnahmen der Beteiligungsbildung beträfen schwerpunktmäßig das Vermögen und stünden daher unter Wertungsgesichtspunkten der Normengruppe der Gesamtvermögensgeschäfte näher.397 Ebenso wie im Aktienrecht bleibt die exakte Festlegung des Grenzwerts allerdings auch im GmbH-Recht letztlich ein dezisionistischer Akt. Mit Rücksicht darauf, dass es dem BGH in den Gelatine-Entscheidungen ein besonderes Anliegen war, die „wohlaustarierte Kompetenzordnung“ möglichst nicht zu durchbrechen, wofür es im GmbH-Recht keinen entsprechenden Anlass gibt, sollte man den Schwellenwert dort nicht ganz so extrem hoch festsetzen. Die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung ist unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin vielmehr bereits dann als ausgelöst anzusehen, wenn mehr als die Hälfte des Gesellschaftsvermögens durch die Maßnahme betroffen ist.398

396 

s. BGHZ 159, 30, 39, 43 ff. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 56 f. 398  So i.E. auch U.H. Schneider, GmbHR 2014, 113, 117. 397 s.

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III.  Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen Auch für Gruppenleitungsmaßnahmen, d.h. solche die Untergesellschaft betreffenden Maßnahmen und Entscheidungen, die nicht schon unter dem Gesichtspunkt der (erweiterten) Gruppenbildung erfasst werden können, stellt sich die Frage, wie diese unter zuständigkeitsrechtlichen Gesichtspunkten zutreffend zu erfassen sind. Die Übertragbarkeit des vorstehend für die Gruppenbildung entwickelten zwei­gleisigen Ansatzes setzt voraus, dass auch für Gruppenleitungsmaßnahmen sowohl die Erfassung unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen als auch unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in Betracht kommt. Schon im Zusammenhang mit der Darstellung der „kompensatorischen Effekte“, die dem (primären) Mediatisierungseffekt bei der Gruppenbildung entgegenwirken können, hat ein kursorischer Überblick über das Meinungsspektrum gezeigt, dass für die Begründung von Einbeziehungserfordernissen zugunsten der Gesellschafterversammlung unter dem erstgenannten Gesichtspunkt eine breite Basis existiert.399 Für die Frage, ob derartige Vorgänge auch unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin erfasst werden können, ist das Meinungsbild dagegen deutlich diffuser. Gerade die Antwort auf diese Frage bedarf aber der sorgfältigen Absicherung. Insbesondere kann insoweit nicht einfach auf die Ausführungen zu den Gruppenbildungsmaßnahmen verwiesen werden. Denn schon die Überlegungen zum Aktienrecht, wo mit Gruppenleitungsmaßnahmen generell kein hinreichend gewichtiger (weiterer) Mediatisierungseffekt einhergeht, der eine Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit tragen könnte, haben gezeigt, dass bei der rechtlichen Behandlung von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen kein zwingender Gleichlauf besteht. Deswegen ist nachfolgend in einem ersten Abschnitt darzustellen, dass sich dies für das GmbH-Recht anders darstellt, weil es dort wegen der abweichenden rechtlichen Ausgangslage möglich ist, dass Gruppenleitungsmaßnahmen einen hinreichend gewichtigen (weiteren) Mediatisierungseffekt auslösen, der die Begründung von Entscheidungszuständigkeiten i.S. der Holzmüller/Gelatine-Doktrin selbständig tragen kann (1.). Auf dieser Basis ist zunächst näher aufzugliedern, welche konkreten Gruppenleitungsmaßnahmen sich insoweit unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin erfassen lassen (2.). Im Anschluss wird zur Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen Stellung zu nehmen sein (3.). Die unter diesem Gesichtspunkt zugunsten der Gesellschafterversammlung begründbaren Einbeziehungserfordernisse reichen nicht nur in quantitativer Hinsicht weiter, weil die für die Holzmüller/Gelatine-Doktrin maßgebliche Wesentlichkeitsschwelle nicht erreicht zu werden braucht; sie erfassen auch ein größeres Spektrum, weil der Mediatisierungseffekt zwar eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für die Qualifikation einer Maßnahme als ungewöhnlich bildet. 399 

s. o., § 6 F.I.2.B.aa).

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1.  Zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin auf Gruppenleitungsmaßnahmen a)  Überblick über das Meinungsspektrum In der Literatur wird die Frage nach der Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf Gruppenleitungsmaßnahmen bislang nur selten explizit aufgegriffen. Vielfach beschränken sich die Überlegungen zu „‚Holzmüller‘ im GmbHRecht“400 von vornherein allein auf die Frage, ob die Gruppenbildung an sich einen Beschluss nach Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen erfordert.401 Gelegentlich werden Konzernleitungsmaßnahmen auch nur im Hinblick darauf untersucht, ob Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Gesellschafterversammlung unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen begründet werden können.402 Soweit die Frage doch ausdrücklich behandelt wird, unterscheiden sich die vertretenen Positionen nicht unerheblich. Ruft man sich die Differenzen in Erinnerung, die insoweit schon im Aktienrecht bestehen, kann dies auch kaum verwundern. So hält etwa Koppensteiner insoweit die „Formulierung einer allgemeinen Regel mit zureichendem Aussagegehalt“ noch nicht für möglich.403 Liebscher plädiert im Wesentlichen für die Übernahme des aktienrechtlichen Meinungsstandes,404 der freilich seinerseits kaum als einheitlich bezeichnet werden kann. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht führt die „Übernahme“ des aktienrechtlichen Meinungsstandes darüber hinaus schon deswegen nicht zur Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf gruppenleitende Maßnahmen, weil dies für das Aktienrecht abzulehnen ist. Dies spricht auch gegen die Konzeption von Sonntag, die zudem auch in sich nicht ganz konzise erscheint.405 Sonntag leitet zunächst das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses auf der Ebene der Obergesellschaft im Hinblick auf bestimmte Maßnahmen in den Tochtergesellschaften aus dem Gesichtspunkt der Gesellschafterzuständigkeit für ungewöhnliche Maßnahmen ab.406 Soweit es um die erforderliche Mehrheit geht, stützt er sich dann aber auf die vom Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung getroffenen Ausführungen zur Konzernleitung und meint, es bedürfe eines zustimmenden Beschlusses „der GeSo der Titel des Beitrags von Priester, in: FS Westermann, S. 1281. Vgl. im Einzelnen die Nachweise oben, § 6 E.III. 402  s. z. B. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 11; so auch auf Grundlage eines konzernverfassungsrechtlichen Ansatzes Jungkurth, Konzernleitung, S. 60 ff. 403  s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 87; dem folgend Binge, Gesellschafterklagen, S. 105; auch hinsichtlich der Lösung von Einzelfragen folgt Binge (a.a.O., S. 105 ff.) im Wesentlichen den von Koppensteiner – allerdings zur Aktiengesellschaft – entwickelten Positionen: vgl. insoweit KölnerKomm/Koppensteiner Vor. § 291 Rn. 85 ff. 404  s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1183 ff. 405 s. Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 268 ff. 406 s. Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 269 f. (auch insoweit aber schon mit einigen konzeptionellen Unklarheiten). 400  401 

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sellschafter der Obergesellschaft, der mit den formellen und materiellen Erfordernissen gefasst werden muss, wie ein Beschluss in der Obergesellschaft selbst“.407 Dabei werden aber zwei ganz unterschiedliche Argumentationsansätze auf wenig überzeugende Weise miteinander vermengt. Die Bezugnahme auf die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme passt einerseits nicht zu den von Sonntag für richtig gehaltenen Mehrheitserfordernissen, weil sich diese unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme nicht begründen lassen. Umgekehrt besteht dann, wenn man den vom Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung zur Konzernleitung entwickelten Ansatz auf die GmbH übertragen will, gar kein Anlass mehr, zur Zuständigkeitsbegründung noch auf die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme zurückzugreifen, weil die Zuständigkeit des Mitgliederorgans notwendiger Bestandteil der vom Bundesgerichtshof verfolgten Konzeption ist. Zumindest im Ausgangspunkt ablehnend positioniert sich Henssler unter Bezugnahme auf die zum Aktienrecht vertretene Ansicht, zulässige Konzernbildungsmaßnahmen ließen grundsätzlich keinen Raum für eine Konzernleitungskontrolle.408 Vielmehr erklärten die Gesellschafter mit der Zustimmung zur Konzernbildung ihr Einverständnis mit dieser Form der Unternehmensorganisation und -führung, so dass die Leitung des Konzerns in der Folge vorbehaltlich abweichender Einzelweisungen der Geschäftsführung obliege.409 Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass Hensslers ablehnende Position keineswegs so weit reicht, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn für solche Leitungsmaßnahmen, die sich als außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen qualifizieren lassen, soll doch wieder ein gesonderter Gesellschafterbeschluss erforderlich sein, weil die Gesellschafter mit außergewöhnlichen Eingriffen in ihre Rechtsposition trotz Zustimmung nicht rechnen müssen.410 Steht die Zustimmung zur Gruppenbildung aber schon der Annahme einer Zustimmungspflicht bei ungewöhnlichen Gruppenbildungsmaßnahmen nicht entgegen, dürfte sie sich doch erst recht nicht als Argument gegen ein unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller-Doktrin begründetes Mitwirkungserfordernis ins Feld führen lassen. Letztlich lässt sich Hensslers Position also dahin zusammenfassen, dass Leitungsmaßnahmen nur dann keine Vorlagepflichten auslösen, wenn sie zum Sachbereich der gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen gehören. Schließlich ist noch an die von Wiedemann vor allem mit Blick auf das Aktienrecht entwickelte, jedoch mit einem darüber hinausgehenden, gleichsam verbandsrechtlichen Geltungsanspruch versehene Position zu erinnern,411 nach der ein Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 272. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 217; s. zum aktienrechtlichen Meinungsspektrum bereits oben, § 5 E.VI.3.c). 409 s. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 217. 410 s. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 218. 411  Zumindest scheint er sie auf sämtliche Handelsgesellschaften beziehen zu wollen. So spricht Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 73 ganz allgemein von den Rechten der Hauptoder Gesellschafterversammlung, bzw. – rechtsformneutral – von denen der Mitglieder407 s.

408 s.

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Einbeziehungserfordernis zugunsten des Mitgliederorgans bei der Gruppenleitung generell nicht in Betracht zu ziehen sein soll.412 Neben Praktikabilitätserwägungen ergibt sich Wiedemanns dogmatischer Haupteinwand aus seiner treuhandrechtlichen Ausdeutung des Mediatisierungseffektes als eines Verlusts an unmittelbarer Rechtsmacht, der von einem kompensatorischen Treueverhältnis begleitet wird. Wiedemann ist der Ansicht, bei solchen Fallgestaltungen bedürfe stets nur der Weg in die Treuhand der Zustimmung des Rechtsinhabers, während die Rechtsordnung bei der Durchführung der Vermögensverwaltung – und daher auch bei der Konzernleitung – die inhaltliche Kontrolle dem Treuhandband zwischen bisherigem und neuem Rechtsinhaber anvertraue.413 Hierauf wird sogleich im Rahmen der Stellungnahme noch ausführlicher zurückzukommen sein. b) Stellungnahme aa)  Zur Rechtslage im Aktienrecht Für die Stellungnahme ist der Ausgangspunkt bei der aktienrechtlichen Rechtslage zu suchen. Dort bestehen Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung auf der Basis der Holzmüller/Gelatine-Doktrin nach der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich nicht, weil allein mit Maßnahmen der Gruppenbildung (im weiteren Sinn) eine nennenswerte (faktische) Verkürzung der den Aktionären bzw. der Hauptversammlung zugewiesenen Kompetenzen einhergeht.414 Auch Maßnahmen, die wie die Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft oder u.U. auch ein Formwechsel die Einflussmöglichkeiten der Obergesellschaft insgesamt verkürzen, sind danach nicht als zustimmungspflichtig anzusehen, weil sie im Kern nur die dem Vorstand zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung eingeräumte Kompetenzsphäre betreffen.415 Entgegen der Hommelhoff’schen These von einer intensiven Konzernleitungspflicht, darf der Vorstand aufgrund des ihm eingeräumten breiten Ermessensspielraums auch eigene Einflussnahmemöglichkeiten preisgeben, ohne dafür einen Hauptversammlungsbeschluss einholen zu müssen.416 Gleiches gilt für Verenkelungsmaßnahmen und äquivalente Vorgänge, die man formal zwar gleichfalls den Mediatisierungsvorgängen zurechnen mag, die dem Kompetenzverlust durch die erstmalige Mediatisierung aber jedenfalls keine nennenswerten Verlustposiversammlung; Einbeziehung aller Handelsgesellschaften dann a.a.O., S. 74; ausdrücklich gegen die Ausdehnung der Argumentation auf die GmbH Jungkurth, Konzernleitung, S. 61. 412  Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 73 f.; dem folgend Baums, AG 1994, 1, 10; ähnlich auch Becker/Fett, WM 2001, 549, 552 f. 413 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 73; i.E. ähnlich Baums, AG 1994, 1, 10; s.a. Becker/Fett, WM 2001, 549, 553. 414  s. näher oben, § 5 E.VI.d)dd). 415  s. o., § 5 E.V.3.a). 416  s. o. § 5 E.V.2.b) und E.V.3.a) (zum Einflussverlust des Vorstands im Rahmen der Beteiligungsbildung und dessen mangelnder Bedeutung für die Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten).

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tionen mehr hinzufügen und daher keine geeigneten Anknüpfungspunkte dafür bieten, der Mitwirkung der Obergesellschaft an diesen Maßnahmen den Charakter einer Strukturänderung zuzumessen, über die die Hauptversammlung zwingend und mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden hat.417 bb)  Abweichende Ausgangslage im GmbH-Recht: Weitere Mediatisierungseffekte möglich Für die dem gesetzlichen Regelfall entsprechende GmbH stellt sich die Ausgangslage jedoch abweichend dar. Hier sichern das Weisungsrecht und die damit einhergehenden Vorlagepflichten für ungewöhnliche Maßnahmen der Gesellschafterversammlung mittelbar einen weiten Einflussbereich auch in Bezug auf die unternehmerische Betätigung über Tochtergesellschaften. Als Folge betrifft jede Verkürzung der Rechte und Einflussmöglichkeiten, die der GmbH als Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft zur Verfügung stehen, nicht nur die Sphäre der Verwaltung, sondern auch und gerade die Position der Gesellschafterversammlung als oberstes Entscheidungsorgan, ähnlich wie eine Verkürzung ihrer Entscheidungsrechte im Rahmen einer Satzungsänderung: Ob eine eigenverantwortlich steuerbare Kompetenzenklave der Verwaltung unmittelbar – durch entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrages – auf der Ebene der GmbH entsteht, oder ob eine derartige Kompetenzenklave nur die Verwaltung der Untergesellschaft gegen die (mittelbare) Einflussnahme der Gesellschafterversammlung abschirmt, macht für diese bei wertender Betrachtung keinen wesentlichen Unterschied. Dies spricht entscheidend dafür, der Holzmüller/Gelatine-Doktrin im GmbH-Recht ein weitergehendes Anwendungsgebiet zuzuerkennen, als dies – jedenfalls nach der hier verfolgten Ansicht – für das Aktienrecht angemessen ist. Zwar steht im Gegensatz zum Mediatisierungseffekt bei der Gruppenbildung nicht mehr die Kompetenzverschiebung zwischen Mitgliederorgan und Verwaltung im Vordergrund, weil es um Maßnahmen geht, die die Einflussmöglichkeiten der Obergesellschaft insgesamt verkürzen. Dies kann aber unter Wertungsgesichtspunkten nicht entscheidend ins Gewicht fallen, weil in beiden Fällen die Befugnisse der Gesellschafterversammlung gleichermaßen beeinträchtigt werden. Es sei schließlich noch ausdrücklich klargestellt, dass es auch hier nicht das Ziel sein kann, den ursprünglichen, mit der Gruppenbildung einhergehenden Kompetenzverlust mehr oder minder systematisch durch konzern- oder gruppendimensionale Mitwirkungserfordernisse zu revidieren. Vielmehr geht es darum, im Sinne einer selbstragenden Begründung solche Maßnahmen der Gruppenleitung herauszufiltern, die sich so nachhaltig auf die auch in Bezug auf das mediatisierte Vermögen noch vorhandene Entscheidungsmacht der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft auswirken, dass sie in Anlehnung an die gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen gleichfalls einem qualifizierten Mehrheitserfordernis unterworfen werden können. 417 

s. o., § 5 E.VI.d)dd).

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cc)  Abgrenzung zur Position Wiedemanns Damit entsteht die Notwendigkeit, den hier eingenommenen Standpunkt gegen die bereits geschilderte These Wiedemanns zu verteidigen, Einbeziehungserfordernisse zugunsten des Mitgliederorgans bei der Gruppenleitung könnten generell nicht in Betracht gezogen werden.418 Hier zeigt sich, dass der grundsätzlich durchaus fruchtbare Rückgriff auf treuhandrechtliche Überlegungen außerhalb des Aktienrechts und jenseits von Gruppenbildungsmaßnahmen nicht immer überzeugen kann. Im aktienrechtlichen Ausgangspunkt ist den Ergebnissen Wiedemanns auch nach der hier vertretenen Ansicht nicht zu widersprechen: Allein der ursprüngliche kompetenzverschiebende Vorgang erfordert die Mitwirkung der Aktionäre, während die Ausübung der verschobenen Kompetenzen alleinige Sache der Verwaltung ist. Die Begründung für dieses Ergebnis verlief entsprechend den in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Denkansätzen zweigleisig: Soweit Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung als erweiterte Reaktion auf die mit der ursprünglichen Mediatisierung einhergehende Kompetenzverschiebung gesehen werden, lässt sich diese Vorstellung – auch gefiltert durch das zusätzliche Erfordernis eines rechtlich-wirtschaftlichen Bezugs der Maßnahme zur Obergesellschaft und ihren Aktionären – als zu pauschale Durchbrechung der eigenverantwortlichen Vorstandskompetenzen nicht überzeugend in die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung einfügen. Auch der Ansatz, ganz auf die Auswirkungen der Gruppenleitungsmaßnahme abzustellen und im Sinne einer selbstragenden Begründung danach zu fragen, ob nach den gleichen Kriterien, die an Gruppenbildungsmaßnahmen angelegt werden, auch hier eine ungeschriebene Mitwirkungszuständigkeit begründet werden kann, führt nicht weiter. Der Grund dafür liegt darin, dass sich solche Maßnahmen auf die bereits mediatisierten Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft nicht mehr nachhaltig genug auswirken können, um darauf eine an die gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen angelehnte Hauptversammlungskompetenz zu stützen. Die treuhandrechtliche Parallelüberlegung, dass immer nur der Weg in das Treuhandverhältnis der Mitwirkung bedarf, während die Rechtsordnung bei der Durchführung der Vermögensverwaltung die Kontrolle dem Treuhandband anvertraut, kann dieses Ergebnis anschaulich beschreiben, ohne aber eine wirkliche Erklärung dafür darzustellen. Dies zeigt sich, wenn man das Blickfeld über die Aktiengesellschaft hinaus erweitert. Denn abhängig vom Organisationsstatut der jeweiligen Gesellschaftsform lässt sich ein vollständiger Ausschluss der Gesellschafter von der Mitwirkung an Entscheidungen, die die Gruppenleitung betreffen, nicht begründen. Für die Personenhandelsgesellschaften ergibt sich dies aus § 116 Abs. 2 HGB, weil außergewöhnlich im Sinne dieser Vorschrift ohne Weiteres auch Entscheidungen sein können, die die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten in einer Untergesellschaft betreffen, was dann einen Be-

418 s.

Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 73 f.

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schluss der Gesellschafterversammlung erforderlich macht.419 Ganz ähnlich stellt sich die Rechtslage auch für die GmbH dar, wo die Gesellschafterversammlung selbst unterhalb der Schwelle ungewöhnlicher Maßnahmen noch die Möglichkeit hat, durch Weisungsbeschluss Einfluss zu nehmen. Dies zeigt aber: Der Verlust unmittelbarer Rechtsmacht, der mit der Gruppenbildung für das Mitgliederorgan einhergeht, muss nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Wahrnehmung des damit korrespondierenden Zuwachses an Rechtsmacht bei der Verwaltung allein dem Treuhandband zwischen bisherigem und neuem Rechtsinhaber anvertraut ist. Vielmehr können auch hier im Innenverhältnis noch Entscheidungsbefugnisse des Mitgliederorgans zu berücksichtigen sein. Das Gesellschaftsrecht kennt also durchaus differenziertere Lösungen, als dies die von Wiedemann gezogene treuhandrechtliche Parallele nahelegt. Der Umstand, dass den GmbH-Gesellschaftern auch nach der Gruppenbildung in Bezug auf das mediatisierte Vermögen noch wesentliche Entscheidungsrechte zukommen können, bildet zugleich den Ansatzpunkt für die weiterführenden Überlegungen zur Begründung einer ungeschriebenen, mit einer qualifizierten Mehrheit wahrzunehmenden Entscheidungszuständigkeit. Insoweit ist die treuhandrechtliche Parallelüberlegung von vornherein nicht passend, weil hier gar kein Kompetenztransfer zwischen den Gesellschaftsorganen in Rede steht, sondern ein schlichter Kompetenzverlust der Obergesellschaft und damit der Gesellschafterversammlung als oberstem Gesellschaftsorgan in Bezug auf bereits mediatisiertes Gesellschaftsvermögen. Sie kann daher auch keine limitierende Wirkung entfalten. c) Zwischenergebnis Damit zeigt sich für das GmbH-Recht, dass hier auch gruppenleitende Maßnahmen wegen ihrer kompetenzverkürzenden Rückwirkungen auf die Befugnisse der Gesellschafterversammlung – konkret: ihre Möglichkeit, über das (bei ungewöhnlichen Maßnahmen durch einen Vetovorbehalt abgesicherte) Weisungsrecht auf die Verwaltung der Untergesellschaft und das darin gebundene Vermögen Einfluss zu nehmen – einen (weiteren) Mediatisierungseffekt produzieren können, der als Anknüpfungspunkt für die Begründung von ungeschriebenen Zuständigkeiten i.S. der Holzmüller/Gelatine-Doktrin geeignet ist. 2.  Die Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin Für die Frage, welche konkreten Maßnahmen zu einer Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung führen, ist ebenso wie bei den Gruppenbildungsmaßnahmen zwischen den in qualitativer und den in quantitativer Hinsicht zu stellenden An419  So denn auch Wiedemann, GesR II, § 6 I.4.b) (S. 529); s. daneben etwa Emmerich/Habersack, KonzernR, § 35 Rn. 3; Schlegelberger/Martens, HGB, Anh. § 105 Rn. 16; Münch­ KommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 76 ff.; Westermann/Tröger, Hdb. Personengesellschaften, Rn. I 4011; U.H. Schneider, in: FS Bärmann, 1975, 873 ff.

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forderungen zu unterscheiden. Stets zu beachten ist auch hier, dass es nicht um die Begründung von Durchgriffszuständigkeiten geht. Vielmehr steht nur die interne Zuständigkeitsverteilung auf der Ebene der Obergesellschaft für solche Entscheidungen in Rede, die ihr in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der Untergesellschaft zustehen. a)  Qualitative Anforderungen: Faktische Verkürzungen des Weisungsrechts In qualitativer Hinsicht kommen für die Erfassung durch die Holzmüller/Gelatine-Doktrin nach den Ausführungen zur Frage ihrer grundsätzlichen Anwendbarkeit auf Gruppenleitungsmaßnahmen in der GmbH nur solche Maßnahmen in Betracht, die eine signifikante Rückwirkung auf die Möglichkeit der Gesellschafterversammlung haben, im Rahmen ihrer latenten Allzuständigkeit von ihrem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und auf das in die Untergesellschaft verlagerte Vermögen Einfluss zu nehmen. Dies kann allerdings auf eine Vielzahl von Maßnahmen zutreffen. aa)  Beseitigung und Beschränkung der Weisungsoffenheit der Untergesellschaft In Betracht kommen zunächst alle Maßnahmen, deren Folge es ist, dass die Weisungsoffenheit der Verwaltung der Untergesellschaft beseitigt oder beeinträchtigt wird. Dies erfasst z. B. den Rechtsformwechsel der Untergesellschaft von der GmbH zur AG oder Änderungen des Statuts einer Tochter-GmbH, die die Stellung ihres Geschäftsführers hinsichtlich der Eigenverantwortlichkeit an diejenige eines AG-Vorstands annähern. Zu denken ist auch an den Fall, dass ein Dritter durch einen mit der Tochtergesellschaft geschlossenen Unternehmensvertrag im Sinne der § 291 f. AktG Einfluss auf diese gewinnt.420 bb)  Einflussreduzierende Umstrukturierungen Auch darüber hinaus kommt eine Vielzahl weiterer Maßnahmen in Betracht, die den Einfluss der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft auf die Untergesellschaft reduzieren. Dazu rechnen z. B. auch Verenkelungsmaßnahmen, wie sie den Gelatine-Entscheidungen zugrunde lagen, vorausgesetzt, es gehen dabei entscheidende Einflusspotentiale der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft verloren. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Anteile an einer Tochter-GmbH als Sacheinlage in eine Tochter-AG eingebracht werden. Denn während vorher dem Geschäftsführer der Tochter-GmbH (mittelbar) Weisungen erteilt werden konnten, 420  s. ebenso für § 116 Abs. 2 HGB MünchKommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 92; Westermann/Tröger, Hdb. Personengesellschaften, Rn. I 4013; für die AG (unter dem Gesichtspunkt von Holzmüller-Zuständigkeiten bei der Gruppenleitung) auch Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49 m.w.N.

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stehen nun die AG und deren weisungsunabhängiger Vorstand im Weg. Dagegen würde die Einbringung in eine zweite Tochter-GmbH lediglich die Weisungskette verlängern und die Rechte der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft nicht entscheidend verkürzen. Ganz ähnliche Erwägungen greifen bei Maßnahmen der Beteiligungs(fort)bildung und Beteiligungsverwaltung auf der Ebene der Untergesellschaft, etwa wenn diese Vermögensgegenstände ausgliedert oder Strukturmaßnahmen in ihren Untergesellschaften durchführt. cc) Teilbeteiligungsveräußerungen; Kapitalerhöhungen unter Aufnahme Dritter Soweit es um die Veräußerung von Anteilen an einer Untergesellschaft oder Kapitalerhöhungen in dieser geht, ist jeweils zu differenzieren, weil jeweils nicht in den gegenwärtigen Zusammenhang gehörende Konstellationen auszuscheiden sind. (1) Abgrenzungen Hinsichtlich der Beteiligungsveräußerung betrifft dies den Fall der Vollveräußerung.421 Diese ist dadurch geprägt, dass das mediatisierte Vermögen an die Obergesellschaft zurückfließt und damit den Mediatisierungseffekt in vollem Umfang zurückführt, so dass für die Begründung einer Zuständigkeit nach der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin kein Anknüpfungspunkt mehr besteht. Das ist für das Aktienrecht nach einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 inzwischen ganz weitgehend anerkannt und kann auch für das GmbH-Recht nicht anders zu entscheiden sein.422 Im Hinblick auf die Kapitalerhöhung ist der Fall der Kapitalerhöhung unter Wahrung des Bezugsrechts auszuscheiden. Denn mit einer derartigen Maßnahme verbindet sich ein primärer Mediatisierungseffekt, so dass sie nach den Grundsätzen zu beurteilen ist, die für die Gruppen(fort)bildungsmaßnahmen gelten.423 Damit bleiben die Fälle der Teilveräußerung und der Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechtswahrnehmung durch die Obergesellschaft, die jeweils zur Folge haben, dass Dritte in die Tochtergesellschaft aufgenommen werden oder ihre Beteiligung an dieser ausbauen und die sich unter diesem Gesichtspunkt aus Perspektive der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft einflussreduzierend auswirken können.424 421 s. zu einer gleichfalls auszuscheidenden Teilveräußerungskonstellation noch sogleich im Text, unter § 6 F.III.2.a)cc)(3). 422  s. BGH DStR 2007, 586 und dazu bereits oben, § 5 E.III.4. sowie § 5 E.VI.2.c). 423  Das gilt mit der bereits dargelegten Ausnahme, dass es sich bei dem im Rahmen der Kapitalerhöhung eingebrachten Vermögen seinerseits um Beteiligungsrechte handelt. Dann fehlt der primäre Mediatisierungseffekt, so dass dieser Fall der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausübung den Regeln folgt, die für Gruppenleitungsmaßnahmen gelten: s. zur Einordnung derartiger Verenkelungsmaßnahmen insoweit bereits oben, unter § 6 F.III.2.a)bb). 424 Vgl. zu ähnlichen Erwägung unter dem Gesichtspunkt der Einflussreduktion (allerdings Rahmen von § 116 Abs. 2 HGB auch Schlegelberger/Martens, HGB, Anh. § 105 Rn. 16; MünchKommHGB/Mülbert Anh. KonzernR Rn. 92; Westermann/Tröger Rn. I 4013.

F.  Entwicklung des eigenen Standpunkts

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(2)  Relevante Beteiligungsschwellen Anders als im Aktienrecht, wo der Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft nach hier vertretener Ansicht keine zuständigkeitsbegründende Bedeutung zukommt, weil die entscheidende Verkürzung der Aktionärsrechte (bzw. der Rechte der Hauptversammlung) bereits mit der Beteiligungsbildung stattgefunden hat und der nachfolgende Einflussverlust der Obergesellschaft primär die Kompetenzsphäre des Vorstands betrifft,425 wirkt die Aufnahme Dritter in eine Untergesellschaft jedenfalls dann auf die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung einer GmbH als Gruppenspitze zurück, wenn sich als Folge die Einflussmöglichkeiten der Obergesellschaft spürbar verkürzen. Richtigerweise ist dabei für Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer GmbH bereits an die erstmalige Aufnahme außenstehender Gesellschafter anzuknüpfen, ohne dass dabei die von ihnen erlangte Beteiligungsquote eine Rolle spielt. Denn während in der Einmann-GmbH der Einfluss des Alleingesellschafters erst in den Grundsätzen über den existenzvernichtenden Eingriff eine Grenze findet,426 führt in der mehrgliedrigen GmbH das aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht abzuleitende Schädigungsverbot zu einer bereits früher greifenden Beschränkung für eine nachteilige Einflussnahme des Mehrheitsgesellschafters.427 Geht es dagegen um Tochtergesellschaften in der Rechtsform der AG und ist der Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG eröffnet, richten sich die Bedingungen der Einflussnahme ohnehin einheitlich nach diesen Vorschriften,428 so dass der erstmaligen Aufnahme Dritter in die Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Einflussreduktion keine besondere Bedeutung zuzumessen ist. Für alle weiteren Veränderungen der Beteiligungsstruktur, die mit einem spürbaren Machtverlust einhergehen kommt es dagegen auf die Rechtsform nicht an. Dies betrifft vorbehaltlich besonderer gesellschaftervertraglicher Gestaltungen in der Untergesellschaft, die auch andere Schwellen relevant werden lassen können, den Fall der 75 %-Schwelle (erstmalige Sperrminorität Dritter) und der 50 %-Schwelle (Verlust der einfachen Mehrheit) und der 25 %-Schwelle (Verlust der Sperrminorität).429 (3)  Zur Relevanz der Gegenleistung Bisher noch ausgeblendet geblieben ist der Umstand, dass insbesondere bei der Teilveräußerung, in abgeschwächtem Maße auch bei der Kapitalerhöhung unter 425 

s. o., § 5 E.V.2.b) und 3.a). zuletzt BGHZ 173, 246 ff. (Trihotel); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 Rn. 6 ff. 427  Vgl. insoweit Emmerich/Habersack, KonzernR, § 30 Rn. 7 ff. 428 s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 44 sowie Anh. § 318 Rn. 33 ff.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 31 Rn. 3. 429  Vgl. insoweit auch für das Personengesellschaftsrecht MünchKommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 92; Westermann/Tröger, Hdb. Personengesellschaften, Rn. I 4013; vgl. auch Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49 m.w.N. (im Hinblick auf Kapitalerhöhungen unter Aufnahme Dritter). 426  s.

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Aufnahme Dritter, noch ein weiterer (gegenläufiger) Effekt in die Beurteilung der Auswirkungen der Maßnahme einzubeziehen ist, der die Sachlage verkompliziert. Denn bei der Teilveräußerung fließt im Regelfall im Austausch gegen die Anteile eine Gegenleistung an die Obergesellschaft zurück, was (entsprechend zur Lage bei der vollständigen Veräußerung) einen partiellen Demediatisierungseffekt nach sich zieht. Dafür gibt es bei der Aufnahme Dritter im Wege der Kapitalerhöhung zwar keine direkte Entsprechung, weil hier die Gegenleistung in der Einlage liegt, die an die Untergesellschaft fließt. Gleichwohl kann man sich aber natürlich auch insoweit die Frage stellen, ob die Verkürzung des Einflusses der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft aufgrund der Reduktion ihres Anteilsbesitzes nicht durch diesen Vermögenszufluss ausgeglichen wird. Da die Gegenleistung aber nicht (demediatisierend) an die Obergesellschaft, sondern in die Sphäre des mediatisierten Vermögens fließt, handelt es sich dabei von vornherein um einen schwächeren Effekt, dessen Behandlung zunächst zurückgestellt werden soll. Für die Teilveräußerung fällt die Antwort auf die Frage, welcher der beiden Effekte für die zuständigkeitsrechtliche Einordnung entscheidend sein soll, jedenfalls nicht ganz leicht. Eine simple Lösung könnte darin liegen, die beiden gegenläufigen Effekte der Teilbeteiligungsveräußerung gleichsam gegeneinander aufzurechnen und sie damit in ihren Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre als neutral anzusehen. Dass diese Sichtweise der Problematik aber nicht gerecht wird, lässt sich jedoch anhand eines einfachen Beispiels zeigen. Hält etwa die Obergesellschaft 75 % der Anteile an einer GmbH, über die sich der wesentliche Teil ihrer Geschäftstätigkeit entfaltet,430 verliert sie selbst bei ganz geringfügigen Beteiligungsveräußerungen – etwa in Höhe von einem Prozent – ihre satzungsändernde Mehrheit in dieser Gesellschaft. Dies stellt sich als eine empfindliche Beschränkung ihrer Einflussnahmemöglichkeiten dar und zeitigt mittelbar auch entsprechende Auswirkungen auf die Möglichkeit der Gesellschafterversammlung, über Weisungsbeschlüsse auch das Geschehen in der Untergesellschaft zu steuern. Es lässt sich aber offenkundig nicht sinnvoll sagen, dass dieser Machtverlust durch den Rückfluss der Gegenleistung für 1 % der Gesellschaftsanteile uneingeschränkt kompensiert wird. Dies zeigt anschaulich, dass die weitere Mediatisierung durch Teilbeteiligungsveräußerungen einerseits und die partielle Demediatisierung durch die Rückführung der Gegenleistung andererseits in einem gewissen Sinn zwar gegenläufige Effekte sein mögen, sie aber nicht auf der gleichen, einer schlichten Verrechnung zugänglichen Ebene liegen. Vor diesem Hintergrund dürfte es vorzugswürdig sein, grundsätzlich davon auszugehen, dass jede Beteiligungsveräußerung, mit der ein signifikanter Einschnitt in die Steuerungsmöglichkeiten der Obergesellschaft einhergeht, einen weiteren Mediatisierungseffekt produziert, auf den sich grundsätzlich auch das Erfordernis eines qualifizierten Zustimmungsbeschlusses nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin stützen lässt.

430  Die Bedeutung der Tochtergesellschaft soll der unter § 6 F.III.2.b)cc) und § 6 F.II.2.b) beschriebenen quantitativen Wesentlichkeitsschwelle genügen.

F.  Entwicklung des eigenen Standpunkts

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Eine Grenze sollte allerdings für den Fall gezogen werden, dass der Rückfluss an Vermögenswerten dazu führt, dass die Beteiligung im Verhältnis zum Gesamtvermögen des Vereins nicht mehr von wesentlicher Bedeutung ist und damit die quantitative Wesentlichkeitsschwelle in Höhe von 50 % des Gesamtvermögens (s. noch sogleich, b)) unterschritten wird. Ist dies der Fall, kann die Maßnahme zuständigkeitsrechtlich nicht anders behandelt werden als die Aufnahme Dritter oder die Erweiterung ihrer Beteiligung in einer Tochtergesellschaft, die von vornherein unter der Wesentlichkeitsschwelle bleibt.431 Im Ergebnis dürften damit viele Fälle der Teilbeteiligungsveräußerung ähnlich wie die vollständige Beteiligungsveräußerung zur Folge haben, dass die Annahme einer Zuständigkeit auf Basis der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ausscheidet. Damit sind auch die Weichen für den Umgang mit von den Dritten erbrachten Einlage im Falle der Kapitalerhöhung gestellt. Weil hier die Gegenleistung in die mediatisierte Sphäre fließt, es also nicht einmal zu einer (partiellen) Aufhebung des ursprünglichen Mediatisierungseffekts kommt, muss hier erst recht gelten, dass Gegenleistung und Kompetenzverkürzung nicht miteinander verrechnet werden können. Aus dem gleichen Grund – weil die Gegenleistung in Form der Einlage an die Untergesellschaft und nicht nach oben fließt – kann es in dieser Konstellation überdies grundsätzlich nicht dazu kommen, dass der Wert der Beteiligung als Folge des Dritterwerbs unter die für die Holzmüller/Gelatine-Doktrin relevante Schwelle absinkt.432 In derartigen Konstellationen ist daher mehr Raum für die Begründung von Zuständigkeiten auf Basis der Holzmüller/Gelatine-Doktrin. b)  Quantitative Wesentlichkeitsschwelle Soweit es um die Frage geht, ob neben den qualitativen Anforderungen auch quantitative erfüllt sein müssen, kann sinngemäß auf die Ausführungen zur Gruppenbildung verwiesen werden, weil es rechtstechnisch jeweils um den gleichen Vorgang geht, nämlich die Begründung einer ungeschriebenen Zuständigkeit für Maßnahmen, die wegen ihrer Rückwirkungen auf die durch die gesetzliche Zuständigkeitsordnung abgesicherten Kompetenzen der Gesellschafterversammlung als satzungsnah qualifiziert und in Anlehnung an die gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen behandelt werden können. Auch hier muss die Maßnahme also, soll sie nicht lediglich als ungewöhnliche Maßnahme behandelt werden, nicht nur eine niedrig anzusetzende Bagatellschwelle überschreiten, sondern den wesentlichen Teil des Vermögens der Obergesellschaft betreffen, wobei man dies in Abweichung von den Gelatine-Entscheidungen – wie dargelegt – im GmbH-Recht bereits ab einer Schwelle von mehr als 50 % des Gesellschaftsvermögens bejahen sollte.433 Im 431  Unberührt bleibt die Möglichkeit, unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen eine Vorlagepflicht zu begründen. 432  Anders wäre dies allenfalls dann, wenn die neuen Anteile zu Lasten des Vereins unter ihrem inneren Wert an den Dritten abgegeben werden. 433  s. o., § 6 F.II.2.b)cc).

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Hinblick auf die hier in Rede stehenden Maßnahmen muss also die Reduktion von Einfluss auf eine wesentliche Untergesellschaft in Rede stehen, deren Bedeutung für die Obergesellschaft diese Relevanzschwelle erreicht. 3.  Die Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen Bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der kompensatorischen Effekte, die dem Mediatisierungseffekt (partiell) entgegenwirken, ist dargelegt worden, dass es bei der Erfassung gruppenbezogener Maßnahmen und Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen nicht um die Begründung von Durchgriffszuständigkeiten, sondern schlicht um Ableitungen aus der allgemein (auch in der Einheitsgesellschaft) geltenden Zuständigkeitsordnung der GmbH geht.434 Es stellt sich insoweit die Frage, in welche Entscheidungen die Gesellschafterversammlung mit Rücksicht auf den Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen einzubeziehen ist, die in Bezug auf die Untergesellschaft anstehen. a)  Allgemeine Grundsätze Damit ist zugleich die Beurteilungsperspektive für die Frage vorgegeben, ob für eine bestimmte die Untergesellschaft betreffende Maßnahme oder Entscheidung ein Vetovorbehalt gilt: Maßgeblich ist allein, ob diese aus Sicht der Obergesellschaft als ungewöhnlich zu qualifizieren sind.435 Wie die Maßnahme gemessen an den Verhältnissen der Untergesellschaft zu beurteilen wäre, ist dagegen ohne Bedeutung. Bei der Frage, ob eine konkrete Entscheidung, die die Obergesellschaft in ihrer Funktion als Gesellschafterin zu treffen hat, unter den Vetovorbehalt fällt, kann eine Qualifikation als ungewöhnlich allerdings nicht allein schon deswegen erfolgen, weil sie in der Einheitsgesellschaft so nicht vorkommt.436 Andererseits darf auch nicht schon aufgrund der bloßen Existenz einer Beteiligungs- bzw. Konzernklausel oder eines die Gruppenbildung billigenden Beschlusses davon ausgegangen werden, dass alle die Untergesellschaft betreffenden Maßnahmen als gewöhnlich einzuordnen sind.437 Denn weder ein solcher Beschluss noch eine entsprechende Vertragsklausel sind ihrem typischen Regelungsgehalt nach darauf gerichtet, die Zuständigkeitsordnung innerhalb der Obergesellschaft grundsätzlich – d.h. auch im Hinblick auf die Zuständigkeit bzw. Einbeziehungserfordernisse bei 434 

s. o., § 6 F.I.2.b)aa). Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 91; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 64a; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 52; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 86; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 77. 436  s. MünchKommHGB/Mülbert Anh. KonzernR Rn. 89; Westermann/Tröger Rn. I 4008 (jeweils für die parallele Problematik im Rahmen von § 116 HGB). 437  s. Westermann/Tröger Rn. I 4008. 435 s.

F.  Entwicklung des eigenen Standpunkts

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ungewöhnlichen Maßnahmen – zu ändern.438 Es verbleibt daher bei der Notwendigkeit, die Frage einer Vorlagepflicht im Einzelfall zu prüfen. b)  In qualitativer Hinsicht erfasste Maßnahmen Legt man – wie diese Arbeit – als Maßstab für das Eingreifen eines Vetovorbehalts die Frage zugrunde, ob die Maßnahme als ungewöhnlich einzuordnen ist, hat dies naturgemäß zur Folge, dass der Kreis der in qualitativer Hinsicht erfassten Maßnahmen deutlich über den Anwendungsbereich der Holzmüller/Gelatine-Doktrin hinausgeht, die sich auf mediatisierende Maßnahmen beschränkt. Neben dem Gesichtspunkt der Mediatisierung können daher auch Erwägungen zur Annahme eines Vetovorbehalt führen, wie sie ähnlich auch in der Einheitsgesellschaft zu berücksichtigen sind, etwa weil die in Rede stehende Maßnahme z. B. sprunghaft und grundlegend von den bisher verfolgten Grundsätzen abweicht (z. B. Aufgabe eines Geschäftsfelds) oder weil sie außergewöhnliche Risiken birgt. Orientierung bieten die folgenden Fallgruppen: aa)  Maßnahmen mit (weiterem) Mediatisierungseffekt Bereits die Überlegungen zu den Gruppenbildungsmaßnahmen haben gezeigt, dass der Maßstab der ungewöhnlichen Maßnahme auch dazu geeignet ist, dem Aspekt der mediatisierenden Wirkung einer Maßnahme Rechnung zu tragen.439 Tragend war dafür der Gedanke, dass die Begründung von Vorlagepflichten für ungewöhnliche Maßnahmen gerade auf dem Zweck beruht, das Hierarchieprinzip und insbesondere das dafür wesentliche Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung abzusichern. Vor diesem Hintergrund muss eine Einbeziehung der Gesellschafterversammlung gerade auch für solche Maßnahmen sichergestellt werden, die am Hierarchieprinzip selbst rühren, weil sie dazu geeignet sind, die der Gesellschafterversammlung zugängliche Einflusszone zu verkleinern. Aus diesem Grund können sämtliche der soeben (unter 2.) angeführten Maßnahmen, die mit einem (weiteren) Mediatisierungseffekt einhergehen, auch als ungewöhnliche Maßnahmen einem Vetovorbehalt unterliegen. Eine Abweichung ergibt sich aber im Hinblick auf die quantitativen Anforderungen. Während die Holzmüller/ Gelatine-Doktrin voraussetzt, dass der wesentliche Teil des Vermögens betroffen ist, geht es im Hinblick auf den Vetovorbehalt allein darum, Bagatellmaßnahmen herauszufiltern, weil diese das Hierarchieprinzip nicht entscheidend herausfordern. In Übereinstimmung mit den Ausführung zu den gruppenbildenden Maßnahmen ist insoweit (im Sinne einer Faustregel) von einer Bagatellschwelle von 10 % des Gesellschaftsvermögens auszugehen.440 438  s.a. Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 64a; i.E. wohl auch Henssler, in: FS Zöllner Bd. 1, S. 203, 217 f. 439  s. o., § 6 F.II.2.a). 440  s. o. § 6 F.II.2.a).

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bb)  Gewinnverwendung; andere periodisch wiederkehrende Entscheidungen Zutreffend wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über die Gewinnverwendung in der Tochtergesellschaft nicht per se als ungewöhnlich einzuordnen ist.441 Denn in einer Gesellschaft, die über Unternehmensbeteiligungen verfügt, fallen Gewinnverwendungsentscheidungen regelmäßig an, bei Obergesellschaften mit ausdifferenziertem Anteilsbesitz u.U. auch in so großer Häufigkeit, dass man geradezu von Routinemaßnahmen sprechen muss. Auch speziell im Hinblick auf Thesaurierungsentscheidungen gilt nichts anderes, sofern sie im Rahmen dessen liegen, was der Situation der Untergesellschaft wirtschaftlich angemessen und damit kaufmännisch vertretbar ist.442 Es existiert kein Grundsatz des Inhalts, dass in der GmbH im Regelfall stets eine volle Abschöpfung des Gewinns stattzufinden habe, so dass jede Thesaurierungsentscheidung als ungewöhnlich anzusehen wäre. Vielmehr wird zutreffend gesagt, dass ein gewisses Eigenleben der Tochtergesellschaften zur normalen Entwicklung des Unternehmensverbundes gehört und aus einer Vielzahl von Gründen die Thesaurierung eines Teilgewinns als sinnvoll erscheinen lassen kann.443 Die Bestimmung der genauen Grenzen hängt dabei vom Einzelfall ab und ist folglich einer pauschalen Betrachtung nur schwer zugänglich. Soweit in der Literatur vorgeschlagen wird, Rücklagenbildungen, die 50 % des Jahresergebnisses nicht überschreiten, grundsätzlich dem Kreis der gewöhnlichen Geschäftsführung zuzurechnen,444 sollte man dies daher im Sinne einer bloßen Faustregel verstehen. Auch andere periodisch wiederkehrende Maßnahmen werden sich – jedenfalls im Regelfall – nicht als ungewöhnliche Maßnahmen qualifizieren lassen. Dies gilt insbesondere für die Bestellung von Organmitgliedern und deren Entlastung.

441 s. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 218; s.a. U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 117, 127; a.A. – auf Basis eines konzernverfassungsrechtlichen Ansatzes (Fortschreibung der Zuständigkeitsordnung der Einheitsgesellschaft auf den Konzern als ein einziges Unternehmen) – Jungkurth, Konzernleitung, S. 62 f.; vgl. für die verwandte Diskussion im Personengesellschaftsrecht einerseits Emmerich/Habersack, KonzernR, § 35 Rn. 2 ff.; Priester, DStR 2007, 28, 31 f.; ders., DStR 2008, 1386, 1391; Westermann, ZIP 2007, 2291, 2293 (Thesaurierung in der Untergesellschaft innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums gewöhnliche Maßnahme), andererseits Haar, NZG 2007, 601, 605; MünchKommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 97; Staub/Schäfer, HGB, Anh. § 105 Rn. 84; Westermann/ Tröger, Hdb. Personengesellschaften, Rn. I 4017; Ulmer, in: Ulmer, Probleme, S. 26, 60; Wertenbruch, ZIP 2007, 798, 802 (Thesaurierungsentscheidungen in der Untergesellschaft nach §§ 116 Abs. 2, 164 HGB stets Sache der Gesellschaftergesamtheit der Obergesellschaft); offengelassen in BGH NZG 2007, 259, 262 (OTTO). 442 s. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 218; U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 117, 127 f. 443 s. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 218. 444 s. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 218.

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cc)  Herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen in der Tochtergesellschaft Sofern die Obergesellschaft dazu in ihrer Funktion als Gesellschafterin berufen ist, können auch Entscheidungen über besondere Geschäftsführungsmaßnahmen, die in der Untergesellschaft anstehen, als ungewöhnlich und damit als vorlagepflichtig zu qualifizieren sein. Maßgeblich ist auch hier die Perspektive der Obergesellschaft. Es kann daher nicht genügen, dass z. B. das zur Aufgabe oder Veräußerung anstehende Geschäftsfeld nur aus Sicht der Untergesellschaft eine essentielle Bedeutung hat, die Untergesellschaft (oder das betreffende Geschäftsfeld) für die Obergesellschaft aber nur von untergeordneter Bedeutung ist.445 Gleiches muss auch bei wesentlichen Umstrukturierungen oder großen Investitionsvorhaben auf der Ebene der Untergesellschaft gelten. Es ist in Bezug auf derartige Geschäftsführungsmaßnahmen daher stets die Kontrollüberlegung anzustellen, ob sie sich – auf die Ebene der Obergesellschaft zurückgedacht – dort als ungewöhnlich darstellen würden. dd)  Vollständige Beteiligungsveräußerung; Liquidation Während eine Erfassung der vollständigen Beteiligungsveräußerung unter dem Gesichtspunkte der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ausscheidet,446 ist es ohne Weiteres möglich, insoweit ein Einbeziehungserfordernis unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen zu begründen. Auch dass mit der Veräußerung eine demediatisierende Wirkung einhergeht, schließt dies nicht aus. Maßgeblich sind die gleichen Kriterien, wie sie in der Einheitsgesellschaft für die Aufgabe oder Veräußerung eines Geschäftsfelds gelten würden. Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Liquidation der Untergesellschaft. ee)  Abschluss von Unternehmensverträgen; Risikoerhöhungsgesichtspunkte Hinsichtlich des Abschlusses von Unternehmensverträgen ist zu differenzieren. Handelt es sich um Unternehmensverträge, durch die ein Dritter Einfluss auf die Untergesellschaft gewinnt, ist dies unter dem Gesichtspunkt der Einflussreduktion zu verorten und kann, wenn nicht bereits die Holzmüller/Gelatine-Doktrin greift,447 abhängig von den konkreten Gegebenheiten jedenfalls als ungewöhnliche Maßnahme einem Vetovorbehalt unterliegen. Geht es um den Abschluss eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags mit der Obergesellschaft, ergibt sich die Zuständigkeit ihrer Gesellschafterversammlung bereits aus § 293 Abs. 2 AktG (analog).448 Davon abgesehen wird man den Abschluss von Unternehmens445 

s.a. Rowedder/Schmidt/Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 86. s. o., § 6 F.III.2.a)cc)(1). 447  s. insoweit bereits oben, § 6 F.III.2.a)aa). 448  s. o., § 6 D.I. 446 

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verträgen auf der Ebene der Tochtergesellschaft zumindest in komplexeren Gruppenstrukturen nicht von vornherein als ungewöhnliche Maßnahme einordnen können. Wird etwa zwischen einer (aus Sicht der Mutter) unbedeutenden Tochtergesellschaft als herrschender Gesellschaft und einer ebenso unbedeutenden Enkelgesellschaft ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, ist die Obergesellschaft in ihrer Rolle als Gesellschafterin zwar analog § 293 Abs. 2 AktG zur Mitwirkung berufen.449 Es besteht aber grundsätzlich kein Anlass, die Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft in diese Entscheidung einzubeziehen. Anders kann dies unter dem Gesichtspunkt der Risikoerhöhung zu beurteilen sein, wenn die Muttergesellschaft aufgrund eines Unternehmensvertrages ihrerseits gegenüber der Tochter zum Verlustausgleich verpflichtet ist.450 Denn dann führen die mit dem Vertrag zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft einhergehenden Einstandspflichten mittelbar dazu, dass die Mutter über den Totalverlust ihrer Beteiligung hinaus die unbeschränkte Haftung für fremde unternehmerische Risiken übernimmt.451 Dem steht die relative Bedeutungslosigkeit der Enkelgesellschaft nicht notwendig entgegen, weil diese an der prinzipiellen Unbeschränktheit des übernommenen Risikos nichts ändert.452 Unter den gleichen Voraussetzungen können auch andere Tatbestände (Bürgschaften u.ä.), die der Untergesellschaft die unbeschränkte Haftung für ein fremdes unternehmerisches Risiko aufbürden, als ungewöhnlich einzuordnen sein.

G. Folgefragen Die bisher vorgenommenen Weichenstellungen werfen einige Folgefragen auf. Eines näheren Blicks bedarf vor allem die Frage, ob im GmbH-Recht anders als im Aktienrecht die Möglichkeit besteht, die ungeschriebenen Mitwirkungsrechte des Mitgliederorgans durch Gesellschaftsvertrag oder Beschluss abweichend zu regeln (I.). Für die Frage nach der Notwendigkeit einer materiellen Beschlusskontrolle sowie den Rechtsschutzmöglichkeiten kann dagegen im Wesentlichen auf die Ausführungen zum Aktienrecht verwiesen werden (II. u. III.).

s. BGH NJW 1989, 91; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 293 Rn. 46. für das Recht der Personenhandelsgesellschaften MünchKommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 91; Westermann/Tröger, Hdb. Personengesellschaften, Rn. I 4015. 451  s. MünchKommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 91. 452  Man wird eine Bagatellschwelle, unterhalb derer nicht von einer ungewöhnlichen Maßnahme gesprochen werden kann, daher an den typischerweise von der Enkelgesellschaft getragenen Risiken orientieren müssen. 449 

450 So

G. Folgefragen

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I. Flexibilisierungsmöglichkeiten durch den Gesellschaftsvertrag In der GmbH kann die Zuständigkeitsordnung in einem viel größeren Umfang durch die Gesellschafter gestaltet werden, als dies in der AG der Fall ist. Dies führt zu der Frage, ob sich daraus auch Auswirkungen auf die Disposivität der vorstehend angenommenen ungeschriebenen Mitwirkungsrechte ergeben. 1.  Die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen Soweit es um die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter bei Maßnahmen geht, die sich allein als ungewöhnliche Maßnahmen erfassen lassen, lässt sich der Meinungsstand einfach beschreiben. Denn es ist nahezu allgemein anerkannt, dass Weisungsrecht und Vorlagepflicht bei ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen durch den Gesellschaftsvertrag abbedungen werden können.453 Das ist auch in der Sache überzeugend, weil nicht einzusehen wäre, warum die Gesellschafter ihren Geschäftsführer nicht mit vergleichbarer Eigenverantwortlichkeit ausstatten können sollten, wie sie einem AG-Vorstand nach § 76 AktG von Gesetzes wegen zukommt. Anders formuliert: Die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen ist eine Reaktion auf das Hierarchieprinzip und soll die aus (latenter) Allzuständigkeit und damit einhergehender Weisungsbefugnis folgenden übergeordneten Entscheidungskompetenzen der Gesellschafterversammlung absichern. Wenn und soweit aber latente Allzuständigkeit und damit einhergehende Weisungsbefugnis durch den Gesellschaftsvertrag beseitigt sind, entfällt auch der Anlass für eine Absicherung durch Vorlagepflichten. In Bezug auf die Abdingbarkeit der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen wird daher nur zu anderen Ergebnissen gelangen, wer die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahmen nicht hinreichend von der Kategorie der Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen trennt (dazu sogleich noch näher unter 2.).454 2. Holzmüller/Gelatine-Doktrin Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich daher im Wesentlichen auf die ungeschriebenen Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung, die sich auf der 453  Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 23; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rn. 25 f.; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1095; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 35, § 45 Rn. 7; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 24; im Ausgangspunkt auch Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 23 und Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25 (beide nur mit Einschränkungen bez. Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen, die nach hier vertretener Ansicht aber ohnehin in eine andere dogmatische Kategorie gehören). 454  Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 23 und Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25, die dementsprechend die freie Abdingbarkeit bez. Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen einschränken möchten.

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Basis der in das GmbH-Recht übertragenen Holzmüller/Gelatine-Doktrin ergeben. In den Vordergrund tritt dabei vor allem die Frage eines pauschalen Zuständigkeitstransfers durch den Gesellschaftsvertrag (a)). Daneben lässt sich wie für das Aktienrecht aber auch darüber diskutieren, ob nicht zumindest in Anlehnung an die Vorschriften über das genehmigte Kapital ein beschränkter Zuständigkeitstransfer qua Ermächtigungsbeschluss in Betracht kommt, wofür mit § 55a GmbHG auch ein normativer Anknüpfungspunkt besteht (b)). a)  Möglichkeit eines generellen Zuständigkeitstransfers aa) Literaturüberblick Die Frage, inwieweit das GmbH-Recht im Umgang mit der Entscheidungszuständigkeit in Holzmüller-Sachverhalten flexible Regelungen erlaubt, wird gelegentlich auch in der Literatur in den Blick genommen, jedoch ganz unterschiedlich beantwortet.455 Die wesentliche Ursache für die Varianz liegt dabei darin, dass in der Literatur z.T. Sachverhalte, die im Aktienrecht unter die Holzmüller/Gelatine-Doktrin subsumiert werden, im GmbH-Recht mit Hilfe der Vorlagepflichten für ungewöhnliche oder nach sonstigen Kriterien herausgehobenen Geschäftsführungsmaßnahmen bewältigt werden. (1)  Ausgangspunkt: Erfassung von Holzmüller/Gelatine-Fällen als „ungewöhnliche Maßnahmen“ Bei Paefgen findet sich etwa die Aussage, auch soweit es um Zustimmungsrechte der Gesellschafter i.S. der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung gehe, könne durch eine eindeutige Satzungsregel zugunsten der Geschäftsführerautonomie von dem aktienrechtlichen Regelungsmodell abgewichen werden.456 Dies ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass Paefgen für die GmbH ein Konzept verfolgt, das die Holzmüller/Gelatine-Doktrin ganz in der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme auflöst.457 Bei einem solchen Vorgehen besteht in der Tat kein Anlass, sich darüber Gedanken zu machen, ob die danach gegebenen Mitwirkungsrechte 455  Ausführliche Behandlung insb. bei Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1289 ff.; vgl. daneben noch MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 31, 1097 f., 1183; Ulmer/ Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 118; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 23; Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25; implizit auch Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rn. 26 mit Fn. 57. 456  s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 23. 457  Paefgen, a.a.O., § 37 Rn. 9 spricht statt von „ungewöhnlichen“ zwar von „grundlegenden Maßnahmen“, doch soll dies in erster Linie eine zu große inhaltliche Nähe zu § 116 Abs. 2 HGB vermeiden; Paefgens eigener Definitionsversuch, der sich von § 116 Abs. 2 HGB nicht übermäßig weit absetzt, der konkret benannte, sehr heterogene Kreis potentiell grundlegender Maßnahmen, die normative Anknüpfung an § 49 Abs. 2 GmbH und die fehlende Erwähnung eines qualifizierten Mehrheitserfordernisses sprechen aber gegen ein Verständnis von Paefgens Position, das unbeschadet gewisser Nuancen über das konventio-

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satzungsfest sein könnten, weil die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen eben umstandslos abdingbar ist.458 Es erscheint daher nur konsequent, wenn Paefgen das „ob“ der Abdingbarkeit der Mitwirkungsrechte der Gesellschafter in Holzmüller/Gelatine-Sachverhalten nicht ansatzweise in Frage stellt. Allerdings ist ihm das „wie“ eine einschränkende Überlegung wert. So soll die Einräumung einer „vorstandsähnlichen Stellung“ die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter bei Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen „im Zweifel“ noch nicht beseitigen, sondern darüber hinaus noch einer eindeutigen Regelung durch die Satzung bedürfen.459 Man wird dies aus dem Kontext heraus wohl so verstehen müssen, dass allgemein gehaltene Klauseln – etwa die Freistellung von Weisungsrecht und Vorlagepflicht für ungewöhnliche bzw. grundlegende Maßnahmen oder ein Verweis auf § 76 AktG460 – nicht genügen sollen, sondern darüber hinaus nach Art des überkommenen personengesellschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes eine explizit auf Maßnahmen der Beteiligungsbildung zugeschnittene Bestimmung enthalten sein muss. Eine solche Einschränkung lässt sich bei Paefgens konzeptionellem Ausgangspunkt jedoch nicht überzeugend gewinnen. Wenn es sich bei solchen Maßnahmen tatsächlich lediglich um ungewöhnliche bzw. grundlegende, nach § 49 Abs. 2 ­GmbHG vorlagepflichtige Geschäftsführungsmaßnahmen handelt, dann entfällt die Vorlagepflicht, wenn dem Geschäftsführer durch allgemein gehaltene Klauseln die Kompetenzausstattung eines AG-Vorstands zugewiesen wird. Denn im Aktienrecht bestehen derartige Vorlagepflichten jedenfalls seit dem AktG 1935 nicht mehr. Konsequenterweise müsste daher auf Basis dieser Ansicht eine Klausel genügen, aus der sich im Wege der Auslegung entnehmen lässt, dass dem Geschäftsführer eine solche Rolle zukommen soll. Zusätzliche Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Klausel scheinen demgegenüber mehr Ausdruck eines gewissen Unbehagens in Bezug darauf zu sein, ob solche Sachverhalte tatsächlich allein unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen (grundlegenden) Maßnahme zutreffend erfasst werden können. Noch schwieriger nachvollziehbar als ein über normale Auslegungsregeln hinausgehendes Eindeutigkeitserfordernis ist es, wenn Holzmüller/Gelatine-Sachverhalte einerseits allein unter dem Gesichtspunkt der Gesellschafterzuständigkeit für ungewöhnliche Maßnahmen erfasst, andererseits aber generell für unabdingbar gehalten werden.461 Konsequent durchgeführt ist demgegenüber die Positionierung Koppensteiners. Dieser erfasst Holzmüller/Gelatine-Sachverhalte im GmbH-Recht bei Existenz einer Konzernklausel gleichfalls allein unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnnelle Verständnis der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme hinausgeht: s. bereits oben, § 6 D.III.3.c)cc). 458  s. o., § 6 G.I.1. 459  s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 23; ganz gegen Abdingbarkeit dagegen wohl Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25. 460  s. für weitere Gestaltungsbeispiele für derartige Satzungsklauseln auch Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1290; Reichert, ZHR Sonderheft 68 (1999), 25, 47. 461  So Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25.

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lichen Maßnahme,462 ohne insoweit die Möglichkeit, diese Maßnahmenkategorie in die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Geschäftsführung zu überweisen, irgendwelchen Beschränkungen zu unterwerfen.463 (2)  Ausgangspunkt: Transfer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das GmbH-Recht Auch im Rahmen solcher Stellungnahmen, die sich grundsätzlich für eine Übernahme der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das GmbH-Recht aussprechen, finden sich zur Disposivität der daraus resultierenden Mitwirkungsrechte der Gesellschafter unterschiedliche Ansichten. Hüffer etwa fordert für satzungsnahe Maßnahmen i.S. der Gelatine-Rechtsprechung auch im GmbH-Recht grundsätzlich einen qualifizierten Gesellschafterbeschluss.464 Er fügt jedoch hinzu, es seien insoweit wegen der weitergehenden Satzungsfreiheit der Gesellschafter aber auch andere Lösungen denkbar.465 Näher erläutert oder begründet wird diese Äußerung dann jedoch nicht.466 Der überwiegende Teil der Literatur, der sich für eine Übertragung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das GmbH-Recht ausspricht, kommt dagegen zu dem Ergebnis, dies müsse auch für ihren zwingenden Charakter gelten.467 Dabei wird zumeist davon ausgegangen, dass sich dieses Resultat mehr oder minder zwangsläufig aus dem Transfer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ergibt.468 bb) Stellungnahme Das GmbH-Recht eröffnet den Gesellschaftern erhebliche Spielräume dafür, durch den Gesellschaftsvertrag von der Kompetenzverteilung im gesetzlichen Regelfall abzuweichen. Nimmt man das Verhältnis von Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung in den Blick, besteht einerseits die Möglichkeit, den ohnehin schon großzügig bemessenen Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter zu Lasten der Geschäftsführung noch weiter auszudehnen.469 Andererseits, und dies 462 

s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 43, 45. Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 35. 464  s. Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 118, § 47 Rn. 15. 465  s. Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 118. 466 Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 118 verweist zwar noch auf Rn. 10, 17 ff. der Kommentierung zu § 45 GmbHG; dort finden sich aber nur ganz allgemeine Ausführungen zur Satzungsfreiheit der Gesellschafter, die zu der von Hüffer aufgestellten These nichts Erhellendes beitragen. 467  s. etwa MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 31, 1097 f., 1183; Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1289 f.; Reichert, AG 2005, 150, 159; wohl auch Münch. Hdb. GmbH/Decher/Kiefner, § 68 Rn. 14 (jedoch ohne klare Abgrenzung zur Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme); vgl. auch schon Zöllner, ZGR 1992, 173, 185. 468  s. namentlich die Stellungnahmen von Liebscher und Reichert (vorige Fn.). 469  Umstritten ist insoweit lediglich, ob den Geschäftsführern notwendig ein eigenständiger Aufgabenbereich auch außerhalb der ihnen zwingend zugewiesenen Aufgaben ver463 

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steht hier im Mittelpunkt des Interesses, kann aber auch der Kompetenzbereich der Geschäftsführung erweitert werden.470 Insoweit wird nicht nur gesagt, der Gesellschaftsvertrag könne die Kompetenzverteilung der Aktiengesellschaft nachbilden.471 Vielmehr findet sich gelegentlich auch die Aussage, dem Geschäftsführer könnten sogar weitergehende Kompetenzen eingeräumt werden als dem Vorstand der AG.472 Kontrastiert man dies mit dem für das Aktienrecht geltenden Grundsatz der Satzungsstrenge, erscheint die zwingende Geltung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze im GmbH-Recht keineswegs als völlig selbstverständlich. Die damit aufgeworfene Frage, wie genau die Grenzen der Gestaltungsmacht im GmbH-Recht denn zu bestimmen sind, wird in der Literatur allerdings nicht einheitlich beantwortet. Während einerseits schlicht nach zwingenden positiv-rechtlichen Kompetenzzuweisungen Ausschau gehalten wird,473 verfolgen andere einen weitergehenden Ansatz, der sich jenseits gesetzlich geregelter zwingender Zuständigkeiten am „Wesen“ der GmbH orientiert und in einer Art wertenden Gesamtbetrachtung untersuchen will, ob ein zwingendes Minimum an Gesellschafterkompetenzen unterschritten ist.474 In diesem Zusammenhang ist neben der Bezugnahme auf den Grundsatz der Verbandssouveränität475 insbesondere davon die Rede, die Gesellschafter dürften sich nicht selbst entmündigen476 und die Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan müsse er-

bleiben muss: bejahend etwa: Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 4; Wiedemann, GesR I, § 6 III 2 (S. 336); Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 18; verneinend: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 4; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 12, 18a; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 14. 470 Allg. Ansicht, s. z. B. Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 17; Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 35; Michalski/Lenz, § 37 Rn. 25; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 23; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, § 37 Rn. 24. 471  Vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25 f.; Ulmer/Paefgen, ­G mbHG, § 37 Rn. 23; Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1289; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 4; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 20; a.A. Baumbach/ Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 7. 472 s. etwa Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25; Michalski/Lenz, ­GmbHG, § 37 Rn. 26; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 23. 473 s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 45 Rn. 13 f.; Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 46 Rn. 2; Michalski/Römermann, GmbHG, § 45 Rn. 42; vermittelnd Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 22. 474  s. insb. Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 6 f.; vgl. auch Meyer-Landrut/ Miller/Niehus, GmbHG, § 46 Rn. 2; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 22. 475  s. Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 7; s.a. Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 13. 476  s. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 10; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 7.

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halten bleiben.477 Im gegenwärtigen Zusammenhang kann eine Stellungnahme zu diesem Meinungsstreit unterbleiben. Denn jedenfalls für die in das GmbH-Recht transferierte Holzmüller/Gelatine-Doktrin bieten bereits die gesetzlich bzw. gesetzesanalog geregelten Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung, auf deren Basis diese ungeschriebene Zuständigkeit ja entwickelt worden ist, ausreichende Anhaltspunkte für deren mangelnde Disposivität. Wegen des „satzungsnahen“ Charakters von Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen bietet die Disposivität der Satzungsänderungskompetenz einen geeigneten Ausgangspunkt der Überlegungen. Denn wenn die Geschäftsführung gesellschaftsvertraglich mit Satzungsänderungen betraut werden kann, wird man dies für satzungsnahe Maßnahmen kaum anders entscheiden können. Umgekehrt ergibt sich aus dem Fehlen dieser Möglichkeit ein wichtiges Indiz für die Behandlung „satzungsnaher“ Maßnahmen.478 Was nun die Frage angeht, ob die Geschäftsführung mit Satzungsänderungen betraut werden kann, ist diese mit der soeben getroffenen Feststellung, dass den Gesellschaftern die Kompetenz zur Satzungsänderung nicht entzogen werden kann, noch nicht beantwortet. Denkbar ist nämlich auch, dass die entsprechende Kompetenz der Geschäftsführung i.S. einer konkurrierenden Zuständigkeit lediglich neben die der Gesellschafterversammlung tritt;479 und selbst wenn eine Zuständigkeitsregelung mit verdrängender Wirkung gewollt ist, bedeutet dies zumindest keinen endgültigen Kompetenzentzug, solange der Gesellschafterversammlung die Möglichkeit verbleibt, die Kompetenz durch Satzungsänderung wieder an sich zu ziehen.480 In der Literatur wird es unter diesen Voraussetzungen nun zumindest vereinzelt für möglich gehalten, auch einem anderen Organ Satzungsänderungskompetenzen einzuräumen.481 Auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kommanditgesellschaft wird man diese Ansicht allerdings nicht sinnvoll stützen können,482 weil sich Personengesellschafts- und 477  s. Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 15, 17; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 7; ders., in: FS GmbHG, S. 85, 120; s.a. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 10; kritisch Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 45 Rn. 14; Michalski/ Römermann, GmbHG, § 45 Rn. 41. 478  Betonung der Parallelität von Satzungsänderungskompetenzen und der Zuständigkeit für satzungsnahe Strukturmaßnahmen z. B. auch bei Thümmel, DB 1995, 2461, 2463; Priester, in: FS Westermann, S. 1281, 1291. 479 s. zur Unterscheidung zwischen verdrängenden und konkurrierenden Zuständigkeitsregelungen Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 9; dieser Differenzierung folgend z. B. Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 19; Thümmel, DB 1995, 2461, 2462. 480  Vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 9; umstritten ist, ob dies für Einzelfälle auch ohne formale Satzungsänderung durch einen satzungsdurchbrechenden Beschluss geschehen kann: bejahend z. B. Scholz/K. Schmidt, a.a.O., verneinend Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rn. 20. 481  Für die Möglichkeit einer konkurrierenden Satzungsänderungszuständigkeit eines Beirats Thümmel, DB 1995, 2461, 2463. 482  So aber Thümmel, DB 1995, 2461, 2463 unter Verweis auf BGH GmbHR 1985, 188, 189.

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GmbH-Recht insoweit signifikant unterscheiden. Ein Begründungsansatz dafür, warum es zulässig sein soll, der Geschäftsführung Satzungsänderungskompetenzen einzuräumen, ergibt sich im Personengesellschaftsrecht aus dem Grundsatz der Selbstorganschaft in Verbindung mit der grundsätzlichen Zulässigkeit von Stimmrechtsverzichten durch einzelne Gesellschafter. Weil die Geschäftsführer notwendig stets auch Gesellschafter sind und einzelne Gesellschafter – im Grundsatz auch für Satzungsänderungen und Grundlagenentscheidungen – auf ihr Stimmrecht verzichten können, lässt sich ein „Kompetenztransfer“ von der Gesellschaftergesamtheit auf die Geschäftsführung immer auch als eine zulässige Reduktion des in Bezug auf eine bestimmte Maßnahme stimmberechtigten Gesellschafterkreises ausdeuten.483 Für die GmbH scheidet dieser Ansatz aus, weil die Geschäftsführer hier keineswegs notwendig auch Gesellschafter sein müssen. Etwas anders verläuft die Argumentation, soweit man es im Personengesellschaftsrecht für möglich hält, auch ein teils oder ganz mit Nichtgesellschaftern besetztes Organ – die Diskussion fokussiert sich hier auf Beiräte – mit der (konkurrierenden) Befugnis zu Satzungsänderungen zu versehen.484 Der Grundsatz der Verbandssouveränität ist nach dieser Ansicht nicht betroffen, solange die Gesellschaftergesamtheit neben dem Beirat entscheidungszuständig bleibt.485 Die wohl überwiegende Gegenansicht sieht dagegen schon in jeder Ermächtigung eines nicht allein mit Gesellschaftern besetzten Organs zu Satzungsänderungen und (sonstigen) Grundlagenentscheidungen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verbandssouveränität.486 Dieser Streitstand speist sich aus verbandsrechtlichen Überlegungen und nimmt damit Bezug auf eine den einzelnen Gesellschaftsformen übergeordnete Sachebene, so dass prinzipiell auch eine Übertragung auf das GmbH-Recht in Frage kommt. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass im GmbH-Recht in § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG eine gesetzliche Regelung erfolgt ist, die relativ deutlich gegen die Möglichkeit spricht, einem anderen Organ Satzungsänderungskompetenzen einzuräumen. Zwar wird die Vorschrift nicht ganz explizit für unabdingbar erklärt.487 Doch ergibt die Aussage, eine Änderung des Gesellschaftsvertrages könne „nur“ durch die Gesellschafter erfolgen, ersichtlich keinen Sinn, wenn der Gesellschaftsvertrag diese Zuständigkeit auch einem mit Dritten besetzten Organ einräumen könnte. Ebenso wenig wäre es verständlich, wieso § 53 Abs. 2 GmbHG für den Beschluss zwingend eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen fordert, wenn Satzungsänderungen auch insgesamt einem anderen Organ überantwortet werden können. Für das GmbH-Recht ist daher mit der ganz herrschenden 483  Vgl. m.w.N. Münch. Hdb. KG/Mutter § 8 Rn. 27 f., allerdings für die Kompetenzausstattung eines fakultativen Beirats, wo die Argumentation aber parallel verläuft, solange sich die Mitglieder des Beirats aus dem Gesellschafterkreis rekrutieren. 484  So etwa Grunewald, ZEV 2011, 283, 286; Münch. Hdb. KG/Mutter § 8 Rn. 29. 485  s. die Nachweise in der vorigen Fn. 486  s. MünchKommHGB/Enzinger § 109 Rn. 16; Staub/Schäfer, HGB, § 109 Rn. 52 je m.w.N. 487  Anders z. B. § 51a Abs. 3 GmbHG.

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Ansicht davon auszugehen, dass es sich bei § 53 GmbHG um eine zwingende Regelung handelt und es daher nicht im Betracht kommen kann, der Geschäftsführung oder fakultativen Organen Satzungsänderungskompetenzen einzuräumen.488 Auf eine Stellungnahme zum Grundsatz der Verbandssouveränität und den daraus zu ziehenden Ableitungen kommt es an dieser Stelle folglich gar nicht an. Neben der Zuständigkeit für die Satzungsänderung ist auch für die übrigen Strukturänderungskompetenzen, an die sich die ungeschriebene Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin anlehnt, von einer zwingenden Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung auszugehen.489 Für die Umwandlungsmaßnahmen ergibt sich dies aus dem zwingenden Charakter der einschlägigen Vorschriften des Umwandlungsgesetzes,490 für die Auflösung aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, für den Abschluss von Unternehmensverträgen aus der unmittelbare oder entsprechenden Anwendung der §§ 291 ff. AktG491 und für Gesamtvermögensgeschäfte aus einer Analogie zu § 179a AktG.492 Vor diesem Hintergrund muss konsequenter Weise auch für die in das GmbH-Recht transferierte Holzmüller/Gelatine-Doktrin davon ausgegangen werden, dass eine abweichende Zuständigkeitsregelung durch den Gesellschaftsvertrag nicht in Betracht kommt. cc) Zwischenfazit Zusammenfassend ist damit festzuhalten: Nach der hier vertretenen Ansicht existieren abgesehen von Einzelanalogien zwei allgemeine Kategorien von Maßnahmen, in denen das ungeschriebene Erfordernis der Einbeziehung der Gesellschafterversammlung besteht. Dabei handelt es sich um diejenige der ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen sowie diejenige der Maßnahmen i.S. der Holzmüller/Gelatine-Doktrin. Maßnahmen der letzten Kategorie müssen wegen ihres „satzungsnahen“ Charakters zwingend von der Gesellschafterversammlung 488  Bereits die Entwurfsbegründung behandelt § 53 GmbHG (§ 54 GmbHG-E) als zwingend: s. Entwurf GmbHG, 1891, S. 97; ebenso RGZ 137, 305, 308; BGHZ 43, 261, 264; aus der älteren Lit. s. Feine, GmbH, § 44 III (S. 597); Staub, GmbHG (1903), § 53 Anm. 7; daneben Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 45 Rn. 10; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rn. 62; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 2; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 53 Rn. 55; unter dem Gesichtspunkt der Verbandssouveränität auch Ulmer/Hüffer, § 45 Rn. 13. 489  Die zwingende Zuständigkeit für Strukturänderungen – genannt werden insoweit neben Vertragsänderungen zumeist noch Umwandlungsmaßnahmen, Auflösung und Fortsetzung der Gesellschaft sowie der Abschluss von Unternehmensverträgen – entspricht ganz h.M.: s. Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 45 Rn. 10; Ulmer/Hüffer, § 45 Rn. 21 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 45 Rn. 13; Michalski/Römermann, GmbHG, § 45 Rn. 44; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 2 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 8; s.a. Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 45 Rn. 6 f. 490  s. näher Ulmer/Hüffer, § 45 Rn. 21. 491 s. Ulmer/Hüffer, § 45 Rn. 21; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 45 Rn. 13. 492  s. zu dieser Analogie bereits oben, § 6 D.I.

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mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden. Hingegen besteht bei ungewöhnlichen Maßnahmen, die die Vorlage gegenüber der Gesellschafterversammlung lediglich unter dem Gesichtspunkt eines Vetovorbehalts erforderlich machen, umfassende Gestaltungsfreiheit. Neben dieser Unterteilung (sowie ggfs. zu beachtenden Spezialnormen) haben eine Reihe weiterer generischer Termini, die in der Literatur Verwendung finden, um – zwingende (?) – Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung zu beschreiben, keine selbständige Bedeutung. Dies gilt z. B. für die Begriffe der Grundlagenentscheidung, der strukturändernden Maßnahme, der Änderung der Geschäftspolitik,493 sowie für die Differenzierung zwischen Grundlagenentscheidungen im „engeren“ und „weiteren“ Sinn.494 Insbesondere ist der Verwendung dieser Bezeichnungen entgegenzutreten, soweit sie die hier verfolgte Differenzierung unterlaufen. So ist es nicht weiterführend, sowohl die Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf eine zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft, d.h. einen Holzmüller-Sachverhalt, als auch die BGH ZIP 1991, 509 zugrunde liegende Konstellation (dort so bezeichnete „Änderung der Geschäftspolitik“) einheitlich unter dem Gesichtspunkt der „strukturändernden Maßnahme“495 oder der „Grundlagenentscheidung im weiteren Sinn“496 zu erfassen,497 weil beide Konstellationen ganz unterschiedlichen Regelsätzen gehorchen. Während im ersten Fall die Grundsätze der Holzmüller/Gelatine-Doktrin zur Anwendung gelangen, beinhaltet BGH ZIP 1991, 509 schlicht ein Anwendungsbeispiel für die Gesellschafterzuständigkeit bei ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen.498 b)  Möglichkeit eines beschränkten Zuständigkeitstransfers durch Gesellschafterbeschluss Im Aktienrecht bildet die Zulässigkeit eines genehmigten Kapitals in Verbindung mit der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den zent493  s. zu diesen drei Begriffen etwa K. Schmidt, GesR, § 36 I 2 (S. 1069), wobei die Änderung der Geschäftspolitik (mit Verweis auf BGH ZIP 1991, 509) offenbar als ein Beispiel für eine strukturändernde Maßnahme dienen soll. 494  So etwa Turner, in: FS Sigle, S. 111, 116 f., mit der Bemerkung, Grundlagenentscheidungen im weiteren Sinn stünden zwischen „Grundlagenentscheidungen im engeren Sinn und außergewöhnlichen Maßnahmen“. 495  So aber K. Schmidt, GesR, § 36 I 2 (S. 1069). 496  So aber Turner, in: FS Sigle, S. 111, 116 f. 497  Gleichsetzung von Holzmüller und BGH ZIP 1991, 509 der Sache nach auch bei Thümmel, DB 1995, 2461, 2463. 498  s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber § 37 Rn. 11; s. zu dieser Entscheidung bereits oben, § 6 D.III.2 und D.III.3.d)aa). Auch dann, wenn man anders als hier vertreten die „Änderung der Geschäftspolitik“ als eigenständige Kategorie anerkennt, ist die daraus resultierende Zuständigkeit aber doch nur mit einfacher Beschlussmehrheit wahrzunehmen und darüber hinaus vollständig dispositiv: s.a. Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 24.

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ralen Ansatzpunkt für die These, dass zwar kein pauschaler Transfer der Zuständigkeit für Holzmüller/Gelatine-Entscheidungen auf die Verwaltung in Betracht kommt, aber doch immerhin ein inhaltlich beschränkter Ermächtigungsbeschluss zulässig sein muss.499 Seit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2008500 existiert für eine solche These mit § 55a GmbHG auch im GmbH-Recht ein normativer Anknüpfungspunkt. Im Ergebnis sprechen aber die gleichen Gründe, die auch für das Aktienrecht geltend gemacht worden sind, gegen eine solche Ausnahme. Normprägend ist für § 55a GmbHG ebenso wie für sein aktienrechtliches Vorbild, dass die dadurch ermöglichte Auflockerung der Zuständigkeitsordnung auf einer tatbestandlich umfassenden Zuständigkeit des Mitgliederorgans aufsetzt – jede noch so geringfügige Kapitalerhöhung muss durch die Gesellschafterversammlung beschlossen werden –, die Auflockerung aber gerade nicht bis in den Bereich besonders gewichtiger Kapitalmaßnahmen hineingeführt wird (vgl. § 55a Abs. 2 GmbHG). Die Vorschrift taugt damit nicht als Vorbild für die Flexibilisierung einer (ungeschriebenen) Zuständigkeit, die von vornherein für qualitativ und quantitativ besonders gewichtige Maßnahme reserviert ist.501 Im Übrigen lässt sich eine Gesellschafterversammlung regelmäßig viel zügiger und kostengünstiger als eine Hauptversammlung durchführen, so dass im GmbH-Recht auch generell ein viel geringerer rechtspolitischer Bedarf für den Einsatz von Flexibilisierungstechniken im Interesse des Erhalts der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit der Gesellschaft besteht.502 3.  Mitwirkungserfordernisse bei der Gruppenleitung – ein Sonderfall? Besondere Aufmerksamkeit ist abschließend den Mitwirkungserfordernissen bei der Gruppenleitung zu widmen, weil die bislang entwickelte Argumentation für diese eine differenzierte Beurteilung nahelegt. Dafür ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass für das Aktienrecht nach der hier vertretenen Ansicht Mitwirkungsrechte der Aktionäre bei der Gruppenleitung503 nicht in Betracht kommen, weil die entscheidende Verkürzung ihrer Rechte bereits mit dem ursprünglichen Mediatisierungsvorgang abgeschlossen ist.504 Danach können sich die Gefahren, 499 

s. o., § 5 E.VI.4.b)aa). zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. I S. 2026. 501  s. ausführlich oben, § 5 E.VI.4.c). 502  So wird denn auch bereits die Regelung des § 55a GmbHG in Teilen der Literatur für überflüssig gehalten: s. etwa K. Schmidt, JZ 2009, 10, 17; zweifelnd auch Baumbach/Hueck/ Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55a Rn. 1. 503  Ausgenommen ist stets die Kapitalerhöhung in der Tochter unter Ausübung des Bezugsrechts durch die Mutter, weil es sich hierbei um einen Vorgang handelt, der den Gruppenbildungsmaßnahmen funktional gleichsteht: s.o., § 5 E.VI.2.a) und § 6 F.II.2. 504  s. o., § 5 E.VI.3.d)dd). 500  Gesetz

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die mit dieser Rechtsverkürzung einhergehen, zwar verwirklichen. Dies stellt aber aus der maßgeblichen Perspektive der Obergesellschaft und bezogen auf die dortigen Verhältnisse mangels zusätzlicher Verkürzungen der Mitwirkungsrechte der Aktionäre keine erneute Strukturmaßnahme dar, für die eine (weitere) ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit ausgebildet werden könnte. Für die GmbH sieht dies deswegen anders aus, weil sich hier wegen der latenten Allzuständigkeit und des damit einhergehenden Weisungsrechts der Gesellschafter auch noch der Beteiligungsbildung nachgelagerte Verkürzungen des Einflusses der Ober- auf die Untergesellschaft als mittelbar-faktische Verkürzungen der Gesellschafterrechte in Bezug auf die Verwaltung des mediatisierten Vermögens begreifen lassen.505 Wenn es aber einerseits zutrifft, dass solche Mitwirkungsrechte des Mitgliederorgans bei der Gruppenleitung im Aktienrecht nicht bestehen, andererseits aber der Gesellschaftsvertrag der GmbH eine der AG vergleichbare Zuständigkeitsverteilung schaffen kann,506 dann ist damit zugleich auch gesagt, dass im Ergebnis auch die Mitwirkungsrechte der Gesellschafterversammlung bei der Gruppenleitung durch den Gesellschaftsvertrag beseitigt werden können. Hat die Gesellschafterversammlung von vornherein eine so eingeschränkte Machtposition wie die Aktionäre der AG, fehlt ihr insbesondere das Recht, der Geschäftsführung im Hinblick auf den Umgang mit der Beteiligungsgesellschaft Weisungen zu erteilen, dann lässt sich auch in Bezug auf die GmbH sagen, dass die entscheidende Struktur­ änderung bereits mit der ursprünglichen mediatisierenden Maßnahme stattgefunden hat. Damit lässt sich an dieser Stelle ein entscheidender Unterschied zwischen Gruppenleitungs- und Gruppen(fort)bildungsmaßnahmen festhalten. Während für Gruppen(fort)bildungsmaßnahmen wegen ihrer breitflächigen Auswirkungen auf die Rechte der Gesellschafterversammlung keine (zulässige) Satzungsgestaltung vorstellbar ist, in der sich die Mediatisierung des Gesellschaftsvermögens nicht rechtsverkürzend auswirkt, ist dies im Bereich der Gruppenleitungsmaßnahmen nicht der Fall. Deren mittelbar-faktische rechtsverkürzende Wirkung richtet sich viel spezifischer auf einen Bereich der Rechte der Gesellschafterversammlung, der einer gesellschaftsvertraglichen Regelung zugänglich ist. Aus diesem Grund können die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter nur bei der Gruppenleitung durch eine entsprechende Satzungsgestaltung beseitigt werden. Daran schließt sich unmittelbar die weitergehende Frage an, ob es dann nicht auch möglich sein müsste, der Geschäftsführung durch eine entsprechende Satzungsklausel die uneingeschränkte Zuständigkeit für solche Gruppenleitungsmaßnahmen einzuräumen, für die nach der in das GmbH-Recht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin eine ungeschriebene Zuständigkeit zu bejahen ist. Doch 505 

s. o., § 6 F.III.2.b)aa). Jedenfalls ist das allgemeine Weisungsrecht einschließlich seiner Absicherung durch eine Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen abdingbar: s.o., § 6 G.I.1. Mehr ist im gegenwärtigen Kontext nicht erforderlich, weil sich der fortbestehende Einfluss der Gesellschafterversammlung auf die Verwaltung des mediatisierten Vermögens gerade aus diesem Weisungsrecht ergibt. 506 

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kann diese Frage nicht bejaht werden. Denn dass sich die Gesellschafterversammlung bestimmter Rechte durch Satzungsänderung begeben kann, bedeutet eben noch nicht, dass sie einem anderen Organ die Befugnis einräumen kann, Satzungsänderungen mit diesen Auswirkungen nach seinem eigenen Willen durchzuführen. Auch dies wäre ein Verstoß gegen die zwingende Vorschrift des § 53 GmbHG. Zwar trifft dieser Vergleich nicht exakt die hier zur Beurteilung anstehende Situation, weil es bei der Kompetenz, die der Geschäftsführung einzuräumen wäre, nicht um „echte“ Satzungsänderungen geht. Doch kann man unter Wertungsgesichtspunkten gleichwohl nicht anders entscheiden, wenn man die vorhergehenden Weichenstellungen akzeptiert, dass (1.) die Holzmüller/Gelatine-Doktrin Maßnahmen identifiziert, die wegen ihrer Satzungsnähe und ihrer Verwandtschaft zu den gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen zwingend eines qualifizierten Gesellschafterbeschlusses bedürfen und dass (2.) auch Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung in diese Kategorie fallen können.

II.  Materielle Beschlusskontrolle Eine materielle Beschlusskontrolle im Hinblick darauf, ob die in Rede stehende Maßnahme erforderlich und angemessen ist, ist im GmbH-Recht ebenso wenig veranlasst wie im Aktienrecht.507 Über die stets geltenden Treuepflichten bleibt jedoch auch hier jedenfalls eine Missbrauchskontrolle möglich.508

III. Rechtsschutzaspekte Verletzt die Geschäftsführung die Mitwirkungsrechte der Gesellschafterversammlung, kommen im Prinzip die gleichen Schutzinstrumente in Betracht, wie sie auch im Aktienrecht zur Verfügung stehen. 1.  Gegen die Geschäftsführung gerichtete Maßnahmen Auch im GmbH-Recht können Verletzungen der Mitwirkungsrechte der Gesellschafter gem. § 43 GmbHG Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auslösen.509 Die Geltendmachung dieser Ansprüche ist grundsätzlich Sache der Gesellschaft, die dabei durch einen etwa vorhandenen Aufsichtsrat 507 Ebenso Ulmer/Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 70; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 62; Münch. Hdb. GmbH/Decher/Kiefner § 68 Rn. 15; U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 121, 129; im Grundsatz auch MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1158 f.; zum Aktienrecht s.o., § 5 E.VI.5. 508  U.H. Schneider, ZGR Sonderheft 6, S. 121, 129. 509  s. Scholz/Emmerich, Anh. § 13 Rn. 63a; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/ Schnorbus, GmbHG, Anh § 52 Rn. 47; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1169. Schadensersatzansprüche der Gesellschaft können sich je nach den Umständen unter dem Gesichtspunkt der Treuepflichtverletzung zudem auch gegen hinter der Geschäftsfüh-

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und sonst durch die Gesellschafter vertreten wird (§ 46 Nr. 8 GmbHG). Subsidiär können unter bestimmten Voraussetzungen auch einzelne Gesellschafter – insoweit also weitergehend als im Aktienrecht – den Anspruch im Wege der actio pro socio geltend machen.510 Von der actio pro socio – verstanden als die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft durch die Gesellschafter im Wege der Prozessstandschaft511 – zu unterscheiden sind Ansprüche, die die Gesellschafter aus eigenem Recht aufgrund der Verletzung der Mitgliedschaft geltend machen. Derartige Ansprüche kommen gegen die Geschäftsführer persönlich mangels einer zwischen ihnen und den Gesellschaftern bestehenden Sonderverbindung vorbehaltlich des § 826 BGB nur dann in Betracht, wenn man die Mitgliedschaft zu den sonstigen Rechten i.S. von § 823 Abs. 1 BGB rechnet und den daraus resultierenden Schutz auch auf das Verbandsinnenverhältnis bezieht.512 Schließlich kann in der Kompetenzverletzung ein wichtiger Grund für die Abberufung des Geschäftsführers i.S. von § 38 Abs. 2 GmbHG sowie ein Grund für die Verweigerung der Entlastung liegen.513 2.  Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung gegen die Gesellschaft Ebenso wie im Aktienrecht steht auch im GmbH-Recht jedem einzelnen Gesellschafter das Recht zu, Unterlassung oder Beseitigung der kompetenzwidrigen Maßnahme zu verlangen.514 Da die Gesellschafterversammlung ohnehin über die Möglichkeit verfügt, diese Ziele per Weisungsbeschluss durchzusetzen, kommt der Individualanspruch in erster Linie dann zum Tragen, wenn nicht schon die Mehrheit auf die Kompetenzverletzung reagiert.515 Letzteres wird allerdings häufig der Fall sein, weil die Geschäftsführung, die ja um die Macht der Gesellschafrung stehende Mehrheitsgesellschafter ergeben: s. Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 63a; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1169. 510  s. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 43 Rn. 47 f. mit umfassenden Nachweisen; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1169. 511  s. dazu ausführlich (auch zu anderen Deutungsweisen des Rechtsinstituts) Schwab, Prozessrecht, S. 46 ff. 512  s. dazu die Stellungnahme zur aktienrechtlichen Parallelproblematik, oben, § 5 E. VI.6.a). 513  s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1169. 514  s. Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Anh. § 318 Rn. 51; Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 216; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 43 Rn. 57; MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1171 f.; MünchKommGmbHG/ Reichert/Weller § 14 Rn. 58; s.a. BGH WM 1990, 1240 f., wo anerkannt wird, dass die Missachtung der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung in das Recht des Gesellschafters eingreift, „mit dem Gewicht seiner Stimme über eine bestimmte, der Gesellschafterversammlung zugewiesene Angelegenheit zu entscheiden“ (allerdings im Rahmen einer Feststellungsklage). 515  Vgl. auch Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG (4. Aufl.), Anh. § 52 Rn. 48.

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terversammlung weiß, vor allem dann zu Kompetenzüberschreitungen neigen wird, wenn sie sich durch einen Mehrheitsgesellschafter gedeckt sieht. Praktisch wird sich der Kompetenzschutz daher in erster Linie über den Individualanspruch verwirklichen.516 3. Beschlussanfechtung Hat die Gesellschafterversammlung über die in Rede stehende Maßnahme Beschluss gefasst, besteht für jeden Gesellschafter die Möglichkeit, diesen Beschluss im Wege einer Anfechtungsklage anzugreifen.517 Die Möglichkeit einer Individualklage auf Beseitigung oder Unterlassung, die ihre Rechtfertigung ja gerade daraus bezieht, dass die Gesellschafter durch das Fehlen eines Anfechtungssubstrats rechtlos gestellt werden, muss dann wie im Aktienrecht dahinter zurücktreten.518 4.  Differenzierung zwischen ungewöhnlichen Maßnahmen und Holzmüller/Gelatine-Doktrin? Unter Rechtsschutzgesichtspunkten besteht kein Anlass dafür, Kompetenzverletzungen, die sich unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme ergeben, anders zu behandeln als solche, die aus der Holzmüller/Gelatine-Doktrin resultieren. Das versteht sich von selbst, wenn man in beiden Fällen von einer echten Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung ausgeht. Es gilt aber auch dann, wenn man im Hinblick auf die Kategorie ungewöhnlicher Maßnahmen dem in dieser Arbeit zugrunde gelegten Ansatz folgt, dass insoweit lediglich die Pflicht besteht, der Gesellschafterversammlung Gelegenheit zum Erlass eines ablehnenden Weisungsbeschlusses zu gewähren (Vetovorbehalt).519 Denn auch in diesem Fall überschreitet der Geschäftsführer seine Befugnisse, wenn er ohne die erforderliche Einbeziehung des übergeordneten Entscheidungsorgans zur Tat schreitet. Und ebenso gilt es auch hier, die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung zu schützen, selbst wenn es nicht um eine „volle“ Zuständigkeit geht, sondern lediglich um eine auf Spezialfälle zugeschnittene besondere Absicherung ihrer potentiellen Allzuständigkeit durch eine konkrete Zugriffsmöglichkeit.

516  s. zur praktischen Bedeutung der Gesellschafterklage gegen Kompetenzüberschreitungen auch MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1099. 517  s. MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1171; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, Anh. KonzernR Rn. 100. 518  Für Subsidiarität der Holzmüller-Klage gegenüber anderen Rechtsschutzmöglichkeiten auch MünchKommGmbHG/Liebscher Anh. § 13 Rn. 1173; s. für das Aktienrecht bereits oben, § 5 E.VI.6.c). 519  s. zur dazu ausführlich oben, § 6 D.III.4.c)ee).

H. Ergebnisse

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H. Ergebnisse 1. Sucht man nach einem Strukturprinzip, dann kennzeichnet im gesetzlichen – ganz weitgehend dispositiven – Ausgangspunkt die Funktion der Gesellschafterversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan die Binnenordnung der GmbH. 2. Während das Gesetz zahlreiche Kompetenzen der Gesellschafterversammlung ausdrücklich heraushebt, lässt sich aus ihm nur mittelbar ableiten, dass der Geschäftsführer – entsprechend seiner Bezeichnung – auch das allgemeine Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft ist. Damit geht einher, dass ihm hinsichtlich der Geschäftsführung grundsätzlich ein originärer Zuständigkeitsbereich zusteht. „Originär“ bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass er für die Gesellschaft tätig werden darf, ohne sich bei der Gesellschafterversammlung rückversichern zu müssen. Dagegen ist ihm die Geschäftsführung anders als dem Vorstand der Aktiengesellschaft nicht zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen. Vielmehr kann die Gesellschafterversammlung grundsätzlich jede Frage der Geschäftsführung an sich ziehen und den Geschäftsführer per Weisungsbeschluss an die getroffene Entscheidung binden. 3. Ob die Geschäftsführung auch unbeschadet ausdrücklicher Weisungsbeschlüsse im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Grenzen unterliegt, ist in vielerlei Hinsicht umstritten. a) Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass eine wie auch immer zu definierende Kategorie von Entscheidungen über die „Grundsätze der Geschäftspolitik“ für die Zuständigkeitsabgrenzung keine selbständige Rolle spielt. b) Eine erste ungeschriebene Begrenzung der Geschäftsführungsbefugnis ergibt sich aber daraus, dass die Geschäftsführung Maßnahmen, bei denen sie davon ausgehen muss, dass ihnen die Gesellschafterversammlung widersprechen würde, nicht aus eigener Machtvollkommenheit vornehmen darf. Es handelt sich insoweit um eine Vorwirkung des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung. Weil diese die Maßnahme per Weisungsbeschluss untersagen könnte, darf sie die Geschäftsführung nicht vornehmen, wenn sie davon ausgehen muss, dass die Gesellschafterversammlung bei rechtzeitiger Einschaltung einen solchen Beschluss erlassen würde. Dieser Zusammenhang wirkt auf den Tatbestand der Beschränkung zurück: Entscheidend ist, dass eine Mehrheit die Maßnahme ablehnen würde. Bestehen nur Zweifel daran, dass die Maßnahme eine positive Mehrheit finden würde, greift diese Geschäftsführungsschranke nicht. Da es mithin entscheidend auf den (mutmaßlich) entgegenstehenden Willen ankommt, spielt es auch keine Rolle, ob sich die Maßnahme in irgendeiner Form von den laufenden Geschäften abhebt. Sie betrifft damit potentiell den gesamten Kreis der Geschäftsführungsaufgaben. Wegen dieser sachlichen Weite

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besteht allerdings die Gefahr, dass die von dem Geschäftsführungsorgan zu beachtenden Grenzen konturenlos werden und damit seine Funktionalität untergraben. Den damit einhergehenden Gefahren ist dadurch zu begegnen, dass die Geschäftsführung nur aufgrund belastbarer Anhaltspunkte von einem entgegenstehenden Willen der Gesellschafterversammlung auszugehen hat. Eine „Ratepflicht“ trifft sie nicht. c) Darüber hinaus unterliegt die Geschäftsführung aber auch Schranken im Bereich besonders herausgehobener Geschäftsführungsmaßnahmen. aa) Auch insoweit bildet das Hierarchieprinzip bzw. – konkreter – die latente Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung und die damit einhergehende Weisungsbefugnis den zutreffenden dogmatischen Ansatzpunkt. Denn die übergeordneten (latenten) Entscheidungsbefugnisse der Gesellschafterversammlung geraten in ein Spannungsverhältnis zur originären Geschäftsführungskompetenz des Geschäftsführers. Wäre diese dem Geschäftsführer schrankenlos anvertraut, könnte er auch im Bereich ganz einschneidender Maßnahmen Fakten schaffen und die übergeordneten Entscheidungsbefugnisse des Mitgliederorgans praktisch leerlaufen lassen. Ergänzend kann zur Begründung einer Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auch auf § 49 Abs. 2 GmbHG zurückgegriffen werden, wenn und soweit man die Vorschrift als generalklauselartig formulierten Hinweis auf die Existenz ungeschriebener Geschäftsführungsschranken im Bereich qualifizierter Geschäftsführungsmaßnahmen versteht. bb) Im Hinblick auf die rechtstechnische Umsetzung ist dem aus dieser Überlegung folgenden Begrenzungsanliegen bereits durch die Einrichtung eines Vetovorbehalts (im Unterschied zu einem Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalt) Rechnung getragen. Es genügt, wenn im Hinblick auf die in Rede stehende Maßnahme die Möglichkeit abgesichert wird, dass sich die übergeordnete potentielle Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung durch einen ablehnenden Weisungsbeschluss aktualisiert. Macht die Gesellschafterversammlung davon trotz Vorlage keinen Gebrauch, oder findet der Beschluss keine Mehrheit, ist die Geschäftsführung in ihrer Entscheidung wieder frei. Insoweit unterscheidet sich der hier befürwortete Vetovorbehalt auch von der alternativ in Betracht kommenden Annahme eines Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalts, die jeweils erfordern, dass eine positive Beschlussmehrheit für die geplante Maßnahme votiert. Die Unterschiede werden praktisch wirksam, wenn die Stimmen im Verhältnis 50:50 verteilt sind. cc) Tatbestandlich ist der von dem Vetovorbehalt erfasste Sachbereich mit Hilfe der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme zu konkretisieren. Daraus resultiert zunächst ein klares Regel-Ausnahme-Verhältnis, das dem funktionalen Bedürfnis Rechnung trägt, die originäre Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers nicht übermäßig eng zu fassen.

H. Ergebnisse

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Zugleich lässt sich auf der Grundlage den individuellen Verhältnissen der Gesellschaft Rechnung tragen. Maßstab für die Bewertung einer Maßnahme als gewöhnlich oder ungewöhnlich ist stets der konkrete Zuschnitt des Unternehmens, wobei auch die Handlungsspielräume zu berücksichtigen sind, die der Geschäftsführung in der Vergangenheit eingeräumt worden sind. Ungewöhnlich ist danach insbesondere nicht schon jedes besonders große, langfristige, riskante, seltene oder besonders bedeutsame Geschäft, solange nicht der Rahmen dessen gesprengt wird, mit dem angesichts des konkreten Geschäftszuschnitts und den bislang gewährten Handlungsfreiheiten noch gerechnet werden konnte. Keinesfalls sollte die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme mit irgendwelchen Einzelergebnissen verwechselt werden, die die personengesellschaftsrechtliche Kasuistik liefert. 4. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass auch im GmbH-Recht Raum und Bedarf für einen Transfer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin besteht. a) Die Annahme eines Vetovorbehalts für ungeschriebene Geschäftsführungsmaßnahmen macht die Diskussion um die Möglichkeit eines Transfers der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das GmbH-Recht nicht entbehrlich. Legt man das für das Aktienrecht entwickelte Verständnis zugrunde, führt die Holzmüller/Gelatine-Doktrin in Anlehnung an die gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen zu einer vollwertigen Zuständigkeit des Mitgliederorgans, die mit einer qualifizierten (satzungsändernden) Mehrheit wahrgenommen werden muss und durch das Statut nicht auf ein anderes Organ übertragen werden kann. Dagegen sichert der Vetovorbehalt für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen lediglich das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung ab, ohne ein positives (und erst recht kein qualifiziertes) Beschlusserfordernis zu begründen. Darüber hinaus ist er durch das Statut abzubedingen. b) Für die Übertragung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf das GmbH-Recht spricht entscheidend, dass auch für dieses ein hinreichend intensiver Mediatisierungseffekt festzustellen ist, wenn für dessen Feststellung auch etwas differenziertere Überlegungen als im Aktienrecht anzustellen sind. Die folgenden Ausführungen beschränken sich zunächst auf Maßnahmen der Gruppenbildung. aa) Im Ausgangspunkt betrifft der Mediatisierungseffekt auch im GmbHRecht den gesamten Zuständigkeitsbereich des Mitgliederorgans, der dort sogar viel weiter gefasst ist als in der Aktiengesellschaft. bb) Allerdings trifft er dort stärker als im Aktienrecht auch auf kompensatorische Effekte. Zu berücksichtigen ist hier in erster Linie das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung, das zusätzliche Absicherung durch den Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen findet. Auf diese Weise ist es der Gesellschafterversammlung prinzipiell möglich, ihren Einfluss bis in die Untergesellschaft hinein zu erstrecken. Ergänzt

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wird die kompensatorische Wirkung des Weisungsrechts durch die dieses absichernde Vorlagepflicht bei ungewöhnlichen Maßnahmen, die sich auch dann aktualisieren kann, wenn auf der Ebene der Obergesellschaft eine die Untergesellschaft betreffende Maßnahme oder Entscheidung ansteht. Schließlich tritt als dritter Anknüpfungspunkt für kompensatorische Effekte der Umstand hinzu, dass sich im Hinblick auf bestimmte Gruppenleitungsmaßnahmen auch Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft auf Basis der Holzmüller/Gelatine-Doktrin begründen lassen. cc) Im Hinblick auf die kompensatorischen Effekte darf aber nicht aus dem Auge verloren werden, dass diese ihrerseits auf Grenzen stoßen, die einerseits struktureller Natur sind und andererseits einzelfallabhängig auftreten. Struktureller Natur sind diese Grenzen, weil sie nichts an dem zugrunde liegenden Ausgangsbefund ändern können, der in der faktischen Beschränkung unmittelbarer gesellschaftsrechtlicher Befugnisse liegt, die durch die interne Pflichtenbindung der Verwaltung im Rahmen von Weisungsbeschlüssen und diese sichernden Vetovorbehalten prinzipiell nicht vollwertig ausgeglichen werden kann. Hinzu kommt, dass Weisungsbeschlüsse im Hinblick auf Geschäftsführungsmaßnahmen – seien sie gewöhnlich oder ungewöhnlich – regelmäßig mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Geschäftsführungsakt in der Wahrnehmung von Gesellschafterrechten liegt und sich insoweit auf eine Maßnahme in der Untergesellschaft bezieht, die in der Obergesellschaft eines Gesellschafterbeschlusses mit qualifizierter Mehrheit bedurft hätte. Diese Verschiebung hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses ist vor allem unter Gesichtspunkten des Minderheitenschutzes relevant.

Neben diese prinzipiellen Grenzen der kompensatorischen Effekte treten abhängig von der Gestaltung im Einzelfall auch noch weitere gegenläufige Faktoren. So können gesellschaftsvertragliche Regelungen auf der Ebene der Obergesellschaft das Weisungsrecht (und damit auch den dieses absichernden Vetovorbehalt) ganz oder teilweise ausschließen; daneben treten Widerstände aus dem Recht der Untergesellschaft: mangels Durchgriffszuständigkeit kann eine in der Untergesellschaft anstehende Geschäftsführungsmaßnahme, die dort in die alleinige Zuständigkeit der Verwaltung fällt, keine Vorlagepflicht auf der Ebene der Obergesellschaft auslösen, weil dieser insoweit (in ihrer Funktion als Gesellschafterin) überhaupt keine Mitwirkungsrechte zustehen. In ähnlicher Weise unterliegt das Weisungsrecht Beschränkungen, wenn die Geschäftsführung in der Untergesellschaft nach dem Gesetz oder Statut nicht weisungsoffen ausgestaltet ist oder wenn unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht auf die Interessen anderer Gesellschafter Rücksicht zu nehmen ist.

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5. Auf dieser Basis ergibt sich für die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Maßnahmen der Gruppenbildung die nachfolgende Systematik. Dabei sind Gruppenbildungsmaßnahmen wie im Aktienrecht nicht in einem formalen Sinn, sondern nach materiellen Kriterien vom Bereich der Gruppenleitung abzugrenzen. Danach gehören insbesondere Kapitalerhöhungsmaßnahmen unter Ausübung des Bezugsrechts zum Kreis der Gruppenbildungsmaßnahmen im weiteren Sinn. a) Zunächst bedarf die Gruppenbildung im GmbH-Recht wie auch im Aktienrecht generell der Zulassung durch die Satzung. Derartige Konzernklauseln sind allerdings schon ihrem typischen Regelungsgehalt nach nicht auf die Zuständigkeitsverteilung im Innenverhältnis gerichtet. Daher ist es unbeschadet der Frage, inwieweit die Zuständigkeitsverteilung bei der Gruppenbildung überhaupt einer Regelung durch die Satzung zugänglich ist, eine Frage der allgemeinen Regeln über die Zuständigkeitsverteilung im Innenverhältnis, ob die Geschäftsführung allein entscheiden darf, oder ob die Gesellschafterversammlung in die Entscheidung einzubeziehen ist. b) Für die Begründung eines solchen Mitwirkungserfordernisses kommt zunächst der ungewöhnliche Maßnahmen betreffende Vetovorbehalt in Betracht. Die Qualifikation einer Maßnahme als ungewöhnlich kann dabei je nach dem Umständen mit konventionellen Erwägungen begründet werden, etwa wenn es im Rahmen eines Beteiligungserwerbs zu einer sprunghaften Erweiterung der Geschäftstätigkeit kommt. Daneben kann jedoch auch eine Maßnahme wie die Ausgliederung eines Unternehmensteils allein unter dem Gesichtspunkt des Mediatisierungseffekts als ungewöhnlich einzuordnen sein. Davon ist im Sinne einer Faustregel auszugehen, wenn die Maßnahme mehr als 10 % des Vermögens der Gesellschaft betrifft. c) Darüber hinaus kann es auch aufgrund der in das GmbH-Recht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin erforderlich werden, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung in Form eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses einzuholen. Dafür ist allerdings zu fordern, dass die mediatisierende Maßnahme ähnlich wie im Aktienrecht den wesentlichen Teil des Vermögens der Gesellschaft betrifft. Denn nur vor diesem Hintergrund lässt es sich rechtfertigen, statt von einer (ungewöhnlichen) Geschäftsführungsmaßnahme von einer Strukturmaßnahme auszugehen, die in Anlehnung an die gesetzlich geregelten oder gesetzesanalog geltenden Strukturkompetenzen der Gesellschafterversammlung zwingend eines Gesellschafterbeschlusses mit qualifizierter Mehrheit bedarf. Abweichend von den Gelatine-Entscheidungen sollte man im GmbH-Recht die quantitative Wesentlichkeitsschwelle bereits als erreicht ansehen, wenn die in Rede stehende Maßnahme mehr als 50 % des Gesellschaftsvermögens betrifft. 6. Für die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen gelten vergleichbare Überlegungen.

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a) Sie können einerseits unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung erforderlich machen. b) Andererseits – und insoweit unterscheidet sich die Rechtslage im G ­ mbHRecht von der im Aktienrecht – kann nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auch ein qualifizierter Zustimmungsbeschluss erforderlich werden. Dies rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass in der GmbH mit Regelstatut durch Weisungsrecht und Vorlagepflicht auch im Hinblick auf bereits mediatisiertes Vermögen noch weitreichende Einflussmöglichkeiten eröffnet sind, auf die sich bestimmte Maßnahmen der Gruppenleitung ähnlich rechtsverkürzend auswirken können wie eine die Allzuständigkeit und das Weisungsrecht beschneidende Satzungsänderung in der Einheitsgesellschaft. Ungeachtet des engeren Bezugspunkts lässt sich dies ähnlich wie der primäre Mediatisierungseffekt bei der Gruppenbildung als „weiterer“ Mediatisierungseffekt ansprechen, der die Qualifikation der betreffenden Maßnahme als „satzungsnah“ trägt. Voraussetzung für die Erfassung unter dem Gesichtspunkt einer (mit qualifizierter Mehrheit wahrzunehmenden) Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ist auch insoweit ein hinreichendes quantitatives Gewicht der Maßnahme, d.h. der Wert der Beteiligung muss mindestens 50 % des Gesellschaftsvermögens entsprechen. aa) Als in diesem Sinne mit einem weiteren Mediatisierungseffekt verbunden kommt eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen in Betracht, etwa die Beseitigung der Weisungsoffenheit der Untergesellschaft (Formwechsel; gesellschaftsvertragliche Regelung) sowie Umstrukturierungs­ maßnahmen und Maßnahmen der Beteiligungsbildung und Beteiligungsverwaltung in der Untergesellschaft, die vergleichbare Effekte nach sich ziehen. bb) Darüber hinaus kann sich die Einflussreduktion auch aus der Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft ergeben (Teilbeteiligungsveräußerung; Kapitalerhöhung unter Aufnahme Dritter), wenn dabei eine relevante Beteiligungsschwelle unterschritten wird. Bei der GmbH ist insoweit auch die erstmalige Aufnahme Dritter zu berücksichtigen, während dies bei der AG (im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG) nicht der Fall ist. Im übrigen sind grundsätzlich die 75 %-, die 50 %- und die 25 %-Schwelle maßgeblich. cc) Die vorstehend (bb)) dargelegten Grundsätze gelten mit folgender Einschränkung: Die bei der Teilbeteiligungsveräußerung an die Obergesellschaft gewährte Gegenleistung hat einen Demediatisierungseffekt zur Folge. Dieser bleibt für die Feststellung des weiteren Mediatisierungseffekts grundsätzlich außer Betracht. Vorausgesetzt ist allerdings, dass die Bedeutung der Beteiligung aufgrund dieses Vorgangs nicht unter die quantitative Relevanzschwelle absinkt. Ist dies der Fall, kann der weitere Mediatisierungseffekt nicht anders beurteilt werden, als hätte

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er sich von Anfang an auf eine quantitativ nicht relevante Beteiligung bezogen. Bei der Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft im Wege der Kapitalerhöhung gibt es einen vergleichbaren Effekt dagegen nicht, weil hier die Gegenleistung in Form der Einlage in die mediatisierte Sphäre fließt. Erfolgt die Aufnahme Dritter auf diesem Wege, bleibt die Gegenleistung daher stets außer Betracht. dd) Nicht unter dem Gesichtspunkt der Einflussreduktion zu erfassen ist schließlich die vollständige Veräußerung von Beteiligungen. Hierbei wird der primäre Mediatisierungseffekt vollständig zurückgeführt. Für die Annahme eines weiteren Mediatisierungseffekts ist vor diesem Hintergrund kein Raum mehr. 7. Nichtmediatisierende Maßnahmen rechtfertigen ebenso wenig wie im Aktienrecht die Begründung einer Zuständigkeit auf der Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin. Hier hat es mit dem Vetovorbehalt für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen sein Bewenden. Diese Kategorie ist auf die Existenz eines (weiteren) Mediatisierungseffekts nicht angewiesen und kann daher ein breiteres Spektrum von Maßnahmen erfassen. Dies gilt insbesondere auch für gruppenbezogenen Maßnahmen, mit denen kein (weiterer) Mediatisierungseffekt einhergeht. 8. Während Weisungsrecht und Vetovorbehalt der vollen Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter unterliegen, gilt dies für die Zuständigkeit nach der (transferierten) Holzmüller/Gelatine-Doktrin nicht. Hier kommt weder eine pauschale Übertragung der Kompetenz durch die Satzung noch ein Ermächtigungsbeschluss in Anlehnung an § 55a GmbHG in Betracht. Einen Sonderfall bilden jedoch die auf dieser Doktrin beruhenden Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung. Da sich diese auf eine Verkürzung der auf dem Weisungsrecht beruhenden Möglichkeiten der Einflussnahme stützten, entfallen sie, wenn der Gesellschaftsvertrag die Weisungsbefugnisse der Gesellschafterversammlung beseitigt. 9. Eine materielle Beschlusskontrolle auf Erforderlichkeit und Angemessenheit erfolgt nicht. 10. Rechtsschutz gegen kompetenzwidrige vorgenommene Maßnahmen der Geschäftsführung wird u.a dadurch hergestellt, dass jedem Gesellschafter ein Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung derartiger Maßnahmen eingeräumt wird.

§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins Die Darstellung widmet sich in diesem Paragrafen in einem ersten Schritt der Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein, wobei zunächst die gesetzliche Ausgangslage, d.h. die zwingenden und dispositiven Vorschriften des BGB-Vereinsrechts zugrunde gelegt werden (A.). Ein wesentlicher Schwerpunkt wird dabei darauf liegen, für den Verein zu zeigen, was für das alte Aktienrecht bis 1937 gegolten hat und was in der GmbH immer noch den zutreffenden Erkenntnisstand über die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Geschäftsführung beschreibt: Der Vorstand darf bereits auf Basis der gesetzlichen Ausgangslage bestimmte, herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen nicht vornehmen, ohne die Mitgliederversammlung in die Entscheidung einzubeziehen. Der nachfolgende Abschnitt untersucht die Zuständigkeitsordnung des Vereins in Gruppenzusammenhängen (B.). In diesem Zusammenhang wird sich zeigen, dass auch im Vereinsrecht für die Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin Raum ist, die im Vereinsrecht ebenso wie im GmbH-Recht und anders als im Aktienrecht Bedeutung auch für den Bereich der Gruppenleitungsmaßnahmen entfaltet. Auf dieser Basis entsteht auch für den Verein ein zweigleisiger Ansatz für die Erfassung von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen. Im Anschluss wendet sich die Untersuchung dem Fragenspektrum zu, das durch die Gestaltungsspielräume aufgeworfen wird, die sich aus der besonderen Nachgiebigkeit des Vereinsrechts ergeben (C.). Vor diesem Hintergrund wird auch auf die bereits in § 4 angesprochenen konkreten Satzungsbeispiele aus dem Bereich der Vereine der Fußballbundesligen zurückzukommen sein (D.). Der Abschnitt schließt mit einigen Überlegungen zu den Rechtsschutzmöglichkeiten der Vereinsmitglieder, wenn die Vorgaben der vereinsinternen Zuständigkeitsordnung missachtet werden (E.).

A.  Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein Die Verfassung des Vereins richtet sich nach dem Gesetz, soweit dieses zwingend ist, sonst nach der Satzung (§ 25 BGB). Soweit die Satzung keine Regelung enthält, greift das dispositive Vereinsrecht. Für das an dieser Stelle zu schildernde „gesetzliche Grundmodell“ wird allein auf die zwingenden oder dispositiven gesetzlichen Regelungen zurückgegriffen. Das Grundgerüst, welches das BGB für die Binnenorganisation des Vereins zur Verfügung stellt, weist immer noch die gleiche Gestalt auf, wie sie schon dem Ergebnis der Arbeiten der 2. Kommission entsprochen hat. Es hat bis heute von Seiten des Gesetzgebers keine einschneiden-

A.  Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein

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den Änderungen erfahren.1 Die Darstellung des gesetzlichen Grundmodells kann sich daher auf eine um Einzelaspekte ergänzte Zusammenfassung beschränken. Vertiefter Betrachtung bedarf dabei vor allem die genaue Zuständigkeitsverteilung zwischen Vorstand und Mitgliederversammlung.

I.  Die Organisationsstruktur des Vereins Der Verein verfügt mit Vorstand und Mitgliederversammlung über zwei Organe. Weil mit § 32 Abs. 2 BGB eine Vorschrift existiert, die ähnlich wie § 48 Abs. 2 GmbHG eine Willensbildung durch die Mitglieder auch ohne eine tatsächliche Versammlung der Mitglieder ermöglicht, lässt sich auch für den Verein darüber diskutieren, ob nicht in Wahrheit die Mitgliedergesamtheit das eigentliche Mitgliederorgan darstellt, während es sich bei der Mitgliederversammlung nur das regelmäßige Beschlussverfahren handelt, oder ob der Mitgliedergesamtheit nicht zumindest neben der Mitgliederversammlung Organqualität zuzumessen ist.2 Wie im GmbH-Recht sprechen jedoch auch hier die besseren Gründe dafür, allein der Mitgliederversammlung Organqualität zuzumessen.3 Zumindest gegen die Position, die Mitgliederversammlung sei bloßes Beschlussverfahren, lässt sich dabei im Vereinsrecht auch der Gesetzeswortlaut in Bezug nehmen, weil § 45 Abs. 2 BGB die Mitgliederversammlung ausdrücklich als Vereinsorgan anspricht.4 Aber auch dafür, der Mitgliedergesamtheit bei der Beschlussfassung nach § 32 Abs. 2 BGB neben der Mitgliederversammlung Organqualität zuzusprechen,5 besteht kein Anlass. Vielmehr entscheidet auch hier die Mitgliederversammlung als Organ im Rechtssinn, wenn auch in einem modifizierten Verfahren.6 Zu unterscheiden ist daher wie auch im GmbH-Recht zwischen der Mitgliederversammlung als Rechtsgebilde bzw. als Organ im institutionell-funktionellen Sinn und den tatsächlichen Versammlungen der Mitglieder, in denen es regelmäßig, aber eben nicht notwendig seinen Willen bildet.7

Zu den jüngsten Änderungen des Vereinsrechts s. Terner, DNotZ 2010, 5 ff. für Organqualität der Mitgliedergesamtheit insb. K. Schmidt, GesR, § 24 III 3a (S. 693); ausf. zur Problematik Schürnbrand, Organschaft, S. 133. 3 s. Schürnbrand, Organschaft, S. 133; zur GmbH s. bereits oben, § 6 B, sowie ders., a.a.O., S. 128 ff. 4 s. Schürnbrand, Organschaft, S. 133. Auch die Beschlusszuständigkeit der Mitgliederversammlung spricht das BGB ausdrücklich an (vgl. § 27 Abs. 1: „Die Bestellung des Vorstands erfolgt durch Beschluss der Mitgliederversammlung“), wohingegen das GmbHRecht neutraler von den Entscheidungsbefugnissen der Gesellschafter spricht, s. z. B. § 46 GmbHG. 5  So z. B. wohl Soergel/Hadding § 32 Rn. 42. 6  s. so zur GmbH Schürnbrand, Organschaft, S. 131. 7 s. Schürnbrand, Organschaft, S. 133. 1 

2 s.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

II.  Grundlagen der Kompetenzverteilung: Die Mitgliederversammlung als oberstes Organ Ähnlich wie für die GmbH lassen sich für den Verein zahlreiche Nachweise dafür finden, dass das Mitgliederorgan jedenfalls im gesetzlichen Regelfall das oberste Organ des Verbandes bildet.8 Diese Sichtweise war schon während der Vorarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch prägend,9 sie findet sich in der Rechtsprechung,10 und sie entspricht auch der nahezu einhelligen Auffassung in der Literatur.11 Mit der Einigung auf den Terminus „oberstes Organ“ ist inhaltlich allerdings noch wenig ausgesagt, wenn man bedenkt, dass er selbst für die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft gelegentlich noch Verwendung findet.12 Die Durchsicht der einschlägigen Vorschriften zeigt allerdings, dass die Wortwahl im Vereinsrecht über eine vergleichbare Berechtigung wie im GmbH-Recht verfügt. Dabei wird durch eine Reihe von Regelungen belegt, dass zwischen Mitgliederversammlung und Vorstand ein echtes Rangverhältnis besteht. Im Zentrum steht die Vorschrift des § 27 BGB, die neben der Bestellung des Vorstands durch die Mitgliederversammlung (§ 27 Abs. 1 BGB) insbesondere auch die jederzeitige Widerruflichkeit der Vorstandsbestellung normiert (§ 27 Abs. 2 BGB), und die durch den in Abs. 3 geregelten Verweis auf das Auftragsrecht auch die Weisungsabhängigkeit des Vorstands zum Ausdruck bringt. Die Weisungsabhängigkeit besteht dabei unmittelbar nicht gegenüber der Mitgliederversammlung, sondern gegenüber dem Verein, dessen Wille insoweit aber durch die Mitgliederversammlung gebildet wird.13 Gelegentlich wird allerdings auch eine gewisse Distanz gegenüber der Einordnung der Mitgliederversammlung als oberstes Organ spürbar. Hadding etwa 8 

s. zur GmbH bereits oben, § 6 C. s. Motive bei Mugdan, Bd. I, S. 410, wo ausgeführt wird, die Mitgliederversammlung sei das „oberste Vertretungsorgan der Körperschaft überhaupt“, wobei „Vertretung“ hier in einem weiten Sinn zu verstehen ist und sich auf die Willensbildung im Innenverhältnis bezieht; s. zur Entwicklung der Stellung der Mitgliederversammlung im Organisationsgefüge des Vereins auch bereits oben, § 3. 10  s. etwa BGH NJW 1993, 191, 193; BGHZ 152, 339, 344; OLG Stuttgart NZG 2004, 1020, 1021; OLG Hamburg NZG 2010, 317. 11  s. etwa Flume, JZ 1992, 238, 240; ders., Jur. Person, § 10 I 1 (S. 341); Grunewald, GesR, § 8 Rn. 42; NK-BGB/Heidel/Lochner § 32 Rn. 4; K. Schmidt, GesR, § 24 III 3 a (S. 693); Staudinger/Weick, § 32 Rn. 1; Westermann § 32 Rn. 1; mit einer gewissen Distanz allerdings Soergel/Hadding § 32 Rn. 2, dazu noch sogleich. 12  s. o., § 5 C. 13  s.a. BGH NJW 1993, 191, 193, wo dieser Zusammenhang wie folgt beschrieben wird: „Die rechtliche Stellung eines Beauftragten hat der Vorstand insgesamt ebenso wie jedes einzelne seiner Mitglieder nach dem Gesetz ausschließlich gegenüber dem Verein als Ganzem, verkörpert in seiner Mitgliederversammlung als oberstem Vereinsorgan.“ Im Folgenden wird zur sprachlichen Vereinfachung auch vom Weisungsrecht der Mitgliederversammlung gegenüber dem Vorstand gesprochen werden, ohne dass damit inhaltlich etwas anderes gemeint sein soll. 9 

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spricht davon, die Mitgliederversammlung werde als oberstes Organ bezeichnet, obwohl ihre Zuständigkeit nach § 32 Abs. 1 S. 1 BGB nur subsidiär sei.14 In der Tat spricht diese Norm von der Ordnung der Vereinsangelegenheiten durch Beschlussfassung der Mitgliederversammlung nur für den Fall, dass diese Angelegenheiten nicht von einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind. Gleichwohl lässt sich die Regelung nicht entscheidend gegen die Qualifikation der Mitgliederversammlung als oberstes Organ verwenden. Denn erstens ist es grundsätzlich die Mitgliederversammlung, die im Rahmen ihrer Satzungskompetenz darüber entscheidet, von welcher Instanz innerhalb des Vereins welche Aufgaben zu erledigen sind; und zweitens existieren im gesetzlichen Grundmodell keine Aufgabenzuweisungen an den Vorstand als einziges anderes gesetzliches Vereinsorgan, welche die Kompetenzen der Mitgliederversammlung entscheidend beschränken würden. Zwar ist aus § 27 Abs. 3 BGB zu schließen, dass der Vorstand für den Verein Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen soll. Doch wird aus der zugleich damit ausgesprochenen Verweisung auf das Auftragsrecht wiederum deutlich, dass dies die Entscheidungskompetenz der Mitgliederversammlung nicht endgültig verdrängen soll. Sie bleibt das Organ, in welchem über die Weisungen entschieden wird, die den Vorstand bei seiner Geschäftsführung binden. Ihre Entscheidungshoheit bleibt damit prinzipiell für den gesamten Bereich der Geschäftsführung erhalten. Insoweit verwendet das Gesetz also eine differenzierte Regelungstechnik, die durch das schlichte „Entweder-Oder“ des § 32 Abs. 1 S. 1 BGB gar nicht sachgerecht abgebildet werden kann. Im Übrigen ist die Zuweisung der Geschäftsführungsaufgabe an den Vorstand auch vorbehaltlich spezifischer Weisungsbeschlüsse der Mitgliederversammlung nicht in einem schrankenlosen Sinn zu verstehen, wie im Folgenden noch näher zu begründen sein wird.

III.  Gesetzliche Kompetenzzuweisungen Das BGB regelt die Zuständigkeiten der Organe und damit auch die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen ihnen insgesamt recht spartanisch. Die wenigen ausdrücklichen gesetzlichen Kompetenzzuweisungen sind daher von besonderem Interesse. Gleiches gilt für Kompetenzzuweisungen, die sich im Analogiewege begründen lassen. 1.  Gesetzliche (gesetzesanaloge) Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung Neben den gesetzlichen Kompetenzzuweisungen des BGB und des UmwG sind Analogien zu aktienrechtlichen Vorschriften ins Auge zu fassen.

14 

s. Soergel/Hadding § 32 Rn. 2.

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a) BGB Spezielle Zuständigkeitszuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung enthält das BGB neben den bereits erwähnten §§ 27 Abs. 1 – 3, 32 Abs. 1 S. 1 BGB noch in §§ 33 Abs. 1, 41 BGB für die Änderung der Satzung unter Einschluss des Vereinszwecks und die Auflösung des Vereins. Die letztgenannten Normen fordern nicht nur einen Beschluss des Mitgliederorgans, sie sehen darüber hinaus noch ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis vor. Satzungsänderungen erfordern ebenso wie Auflösungsbeschlüsse eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen, Änderungen des Vereinszwecks sehen noch weitergehend die Zustimmung durch sämtliche Mitglieder vor (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). b) UmwG Unmittelbar einschlägige Kompetenzzuweisungen ergeben sich zudem aus dem Umwandlungsrecht. Von den in § 1 Abs. 1 UmwG aufgeführten Arten der Umwandlung sind für den eingetragenen Verein mit gewissen Beschränkungen die Verschmelzung, die Spaltung und der Formwechsel zugänglich.15 Nur zu den Rechtsträgern, die für eine Vermögensübertragung in Betracht kommen, gehört der Verein ausweislich § 175 UmwG nicht. Sowohl die Verschmelzung wie auch alle Varianten der Spaltung und der Rechtsformwechsel erfordern einen mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Beschluss der Mitgliederversammlung des Vereins.16 Für die Verschmelzung folgt dies aus § 13 Abs. 1, 103 UmwG, für die Spaltung aus § 125 i.V.m. §§ 13 Abs. 1, 103 UmwG und für den Rechtsformwechsel aus § 275 UmwG. § 103 UmwG sieht für die Verschmelzung wie § 33 Abs. 1 S. 1 BGB eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen vor.17 Gleiches gilt daher über § 125 UmwG auch für Spaltungsvorgänge. Im Grundsatz ebenso entscheidet § 275 Abs. 2 UmwG für den Formwechsel, erhöht die Anforderungen aber auf neun Zehntel der abgegebenen Stimmen, wenn sich im Vorfeld der Mitgliederversammlung eine qualifizierte Minderheit gegen den Formwechsel wendet.18 Geht mit dem Formwechsel sogar eine Zweckänderung (i.S. des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB) einher, müssen gem. § 275 UmwG sämtliche Vereinsmitglieder zustimmen.

15  s. für die Verschmelzung §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 99 UmwG, für die Varianten der Spaltung §§ 124 Abs. 1, 149 UmwG und für den Formwechsel §§ 191 Abs. 1 Nr. 4, 272 UmwG; vgl. auch Reichert, VereinsR, Rn. 4423. 16  Anstelle der Mitgliederversammlung soll aber auch eine Delegiertenversammlung beschließen dürfen: s. Hennrichs, in: Lutter, UmwG, § 103 Rn. 5; Reichert, VereinsR, Rn. 4455. 17  § 99 UmwG bestimmt zudem, dass die Satzung der Verschmelzung nicht entgegenstehen darf, was sich im Grunde von selbst versteht. Daher kann ggfs. zusätzlich zur Beschlussfassung nach § 103 UmwG noch eine formale Satzungsänderung erforderlich werden. 18  s. neben § 275 noch § 284 UmwG für den Spezialfall des Formwechsels in eine eingetragene Genossenschaft.

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c)  Analogien zu aktienrechtlichen Vorschriften Ähnlich wie im GmbH-Recht bestehen auch im Vereinsrecht Ansatzpunkte dafür, die analoge Anwendbarkeit aktienrechtlicher Vorschriften in Betracht zu ziehen. aa)  Analogie zu § 179a AktG Dies gilt zunächst für § 179a AktG. Für einen Teil des gesellschaftsrechtlichen Schrifttums ist § 179a AktG Ausdruck eines allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatzes, dessen Geltung dementsprechend auch nicht auf das Aktienrecht beschränkt ist.19 Dem entspricht, dass die Vorschrift nach h.A. auch im GmbH-Recht zur Anwendung gelangt.20 Die Rechtsprechung hat ihr darüber hinaus auch im Personengesellschaftsrecht zur Anwendung verholfen.21 Rechtsprechung zum Vereinsrecht existiert bislang nicht.22 In der Literatur finden sich, soweit ersichtlich, eingehendere Stellungnahmen nur bei Lettl und Leuschner, die einer analogen Anwendung auf den Idealverein mit unterschiedlicher Begründung jeweils ablehnend gegenüberstehen.23 Die besseren Gründe sprechen jedoch dafür, § 179a AktG auch im Vereinsrecht zur Anwendung gelangen zu lassen. (1)  Die Position Lettls Was zunächst die Stellungnahme von Lettl angeht, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass seine Position jedenfalls in ihren Ergebnissen eher im Sinne eines differenzierenden Ansatzes und nicht im Sinne einer vollständigen Ablehnung der Analogie zu § 179a AktG zu verstehen ist. So soll nach seiner Ansicht auch im Vereinsrecht die Entscheidung über die Vermögensübertragung in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fallen: Der Rechtsgedanke, die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung für eine derart grundlegende Entscheidung wie die Übertragung des ganzen Vereinsvermögens sicherzustellen, sei auch auf den Idealverein übertragbar.24 Obwohl Lettl also eine Analogie zu § 179a AktG ablehnt, gelangt er hinsichtlich der Entscheidungszuständigkeit also doch zu dem gleichen 19  s. etwa K. Schmidt, ZGR 1995, 675, 680; ders., GesR, § 30 V 2 c; K. Schmidt/Lutter/ Seibt, AktG, § 179a Rn. 4; MünchKommAktG/Stein § 179a Rn. 14. 20  s. die Nachweise oben, § 6 D.I. 21  s. BGH NJW 1995, 596 (zu § 361 AktG a.F.); zustimmend etwa Staub/Habersack, HGB, § 126 Rn. 16; K. Schmidt, ZGR 1995, 675, 678 ff.; kritisch (jedoch vor allem im Hinblick auf das über § 361 AktG a. F. hinausreichende Erweiterungspotential des Urteils) Grunewald, JZ 1995, 577 f. 22  Die Möglichkeit, über eine analoge Anwendbarkeit dieser Vorschrift nachzudenken, wurde in BGH NJW 2008, 69 wohl übersehen. 23 s. Lettl, AcP 203 (2003), 149, 199 f.; darauf Bezug nehmend MünchKommAktG/Stein § 179a Rn. 14 mit Fn. 22; Leuschner, Konzernrecht, S. 103 ff.; s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 114 f. 24 s. Lettl, AcP 203 (2003), 149, 199.

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Ergebnis wie § 179a AktG, wenn auch die dogmatische Grundlage nicht ganz klar wird. Unterschiede ergeben sich erst, soweit das (zwingende) qualifizierte Mehrheitserfordernis des § 179a AktG in Rede steht, das nach Lettls Ansicht nicht auf den Idealverein zu übertragen sein soll.25 Zur Begründung seiner Auffassung beruft er sich auf das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke. Dafür, dass der Gesetzgeber eine § 179a AktG entsprechende Vorschrift bewusst nicht in das Vereinsrecht aufgenommen hat, soll dabei sprechen, dass § 179a AktG auf einem „speziell auf die AG zugeschnittenen Schutzzweck“ beruht.26 Diesen identifiziert er in dem Schutz der Minderheitsaktionäre vor der Gefahr, dass das Vermögen zu unangemessenen Konditionen auf den Mehrheitsaktionär übertragen wird.27 Diese Gefahr sei für den Idealverein nicht zu befürchten, weil dort eine Mehrheitsbeteiligung eines Mitglieds im aktienrechtlichen Sinn nicht bestehen könne.28 Als Zusatzargument stützt er sich auf eine „materielle Bewertungseinheit“ zwischen § 179a Abs. 1 S. 2 und § 179 Abs. 2 S. 2 AktG, die er aus dem jeweils angeordneten qualifizierten Mehrheitserfordernis ableitet und die sich auf das Vereinsrecht wegen der dort geltenden Dispositivität der satzungsändernden Mehrheit nicht übertragen lasse.29 (2)  Die Position Leuschners Leuschner spricht sich gegen eine Analogie aus, weil er für § 179a AktG von einem sehr eng gefassten Schutzzweckverständnis ausgeht. Die Vorschrift diene allein dem Schutz vor Vermögensverkürzungen, die aber in erster Linie für die Vermögensrechte der Verbandsmitglieder von Bedeutung seien, welche beim Verein typischerweise keine Rolle spielten.30 (3) Stellungnahme Beiden vorgenannten Auffassungen liegt ein zu enges Verständnis des Schutzzwecks von § 179a AktG zugrunde. Zuzugeben ist allerdings, dass sich der Normzweck von § 179a AktG nicht ganz einfach bestimmten lässt.31 Die herrschende Meinung benennt als Schutzziel des § 179a AktG neben den Vermögens­ interessen der Aktionäre32 auch den Schutz ihrer Dispositionsfreiheit, „indem er Lettl, AcP 203 (2003), 149, 199 f. Lettl, AcP 203 (2003), 149, 199. 27 s. Lettl, AcP 203 (2003), 149, 199. 28 s. Lettl, AcP 203 (2003), 149, 199. 29 s. Lettl, AcP 203 (2003), 149, 198, 200. 30 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 106 f.; ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 114. 31  Vgl. dazu ausführlich Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 174 ff. 32  s. z. B. Hüffer/Koch, AktG, § 179a Rn. 1; Schmidt/Lutter/Seibt, § 179a Rn. 2; MünchKommAktG/Stein § 179a Rn. 5, 7; Strohn, in: Henssler/Strohn, GesR, § 179a Rn. 1. 25 s.

26 s.

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sie vor einer ungewollten Preisgabe des Gesellschaftsvermögens und damit der Grundlagen der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft durch die Verwaltung“ bewahre.33 Genannt wird darüber hinaus verbreitet auch der von Lettl ganz in den Vordergrund gestellte Schutz der Minderheit für den Fall einer Vermögensübertragung auf einen Großaktionär (insbesondere in Verbindung mit der anschließenden Auflösung der Gesellschaft),34 der sich freilich mit beiden vorgenannten Gesichtspunkten überschneiden kann. Selbst wenn man gegenüber diesem breiteren Schutzspektrum enger ansetzt und § 179a AktG auf den Vermögensschutz reduziert, lässt sich dies nicht allein mit dem Schutz der individuellen Vermögensrechte der Aktionäre gleichsetzen, wie sich insbesondere aus den Ausführungen Mülberts ergibt, der die Vorstellung von § 179a AktG als einer allein auf den Vermögensschutz bezogenen Norm maßgeblich geprägt hat.35 Vielmehr steht auch dann neben dem Schutz der individuellen Vermögensrechte der Aktionäre der Schutz des Vermögens als der Grundlage des von den Aktionären verfolgten Verbandszwecks in Rede.36 Diese zweite Schutzrichtung des Vermögensschutzes passt aber auch auf den Idealverein, und zwar ungeachtet dessen, dass dort der Verbandszweck nicht auf die Gewinnerzielung durch unternehmerische Tätigkeit gerichtet ist. Denn auch für die Verfolgung eines Zwecks, der nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, bildet die Existenz eines „gewissen Vermögensstocks“37 regelmäßig eine essentielle Voraussetzung; nicht umsonst stand gerade die Vermögensfähigkeit im Zentrum der um das Vereinsrecht geführten rechtspolitischen Diskussion des späten 19. Jahrhunderts.38 Die Bedeutung des Vermögens für die Zweckverfolgung im Idealverein erkennt zwar auch Leuschner an („Vereinsvermögen als Substrat mitgliedschafts-

33  So K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 179a Rn. 2 unter Anknüpfung an Formulierungen der Rechtsprechung (betreffend § 361 AktG a.F.), s. BGHZ 82, 188, 195; BGH NJW 1995, 596; ähnlich MünchKommAktG/Stein § 179a Rn. 6; Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, § 179a Rn. 1. 34  s. Hüffer/Koch, AktG, § 179a Rn. 1; MünchKommAktG/Stein § 179a Rn. 5; Strohn, in: Henssler/Strohn, GesR, § 179a Rn. 1. 35 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 181. 36 s. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 179 f. sowie S. 408; insoweit heißt es in Bezug auf § 361 AktG a.F. und § 179a AktG „Diesen Vorschriften ging bzw geht es darum, die Aktionäre gegen den vollständigen Verlust ihres Gesellschaftsvermögens zu schützen. Darin liegt zum einen ein vermögensbezogener Anlegerschutz, den der Gesetzgeber kraft ausdrücklicher Wertung jedoch auf die Gefahr eines Totalverlusts beschränkt. Daneben soll(te) auch der Gefahr begegnet werden, dass das Gesellschaftsvermögen als das Substrat für die Verfolgung des Verbandszwecks, also die weitere Tätigkeit der Gesellschaft mit Gewinnerzielungsabsicht, vollständig verloren geht.“ 37 So Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 180. 38  s. zur Furcht gerade vor dem „Freibrief auf eine selbständige Vermögenssphäre“ exemplarisch die Ausführungen in den Motiven bei Mugdan, Bd. 1, S. 401 f.; s. allgemein auch bereits oben, § 3 A.

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rechtlicher Herrschaftsrechte“).39 Er meint jedoch, dass die Mitglieder insoweit bereits durch die organschaftlichen Sorgfaltspflichten sowie die Vorlagepflichten des Vorstands ausreichend geschützt seien. Beides will indes nicht einleuchten. So wird nicht ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich, warum die Sorgfaltspflichten der Verwaltung bei den Handelsvereinen kein ausreichendes Schutzniveau begründen, beim Idealverein aber schon, obgleich doch hier der Vorstand im Regelfall deutlich weniger scharf haftet (§ 31a BGB). Was die weiter erwähnten Vorlagepflichten angeht, entsprechen diese der Sache nach in etwa dem, was vorstehend anhand des GmbH-Rechts (§ 6) als Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen entwickelt worden ist.40 Die Existenz derartiger Vorlagepflichten schließt die durch die analoge Anwendung von § 179a AktG zu füllende Regelungslücke jedoch schon deswegen nicht, weil auf der Rechtsfolgenseite ganz erhebliche Unterschiede verbleiben (echter Kompetenzvorbehalt statt Vetovorbehalt; qualifizierte statt einfacher Mehrheit; (begrenzte) Außenwirkung statt rein interner Bindung).41 Bestätigt wird dies dadurch, dass auch im GmbH-Recht, wo nicht nur die Analogie zu § 179a AktG, sondern auch Vorlagepflichten bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen bereits viel besser etabliert sind als im Vereinsrecht, von niemandem vertreten wird, diese machten die analoge Anwendung von § 179a AktG obsolet. Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen zugleich, dass nicht nur Leuschners Auffassung, sondern auch Lettls zentrales Argument gegen eine Analogie zu § 179a AktG auf einem zu engen Normzweckverständnis beruht. Denn die Vorschrift ist, wie dargelegt, keineswegs auf die Bewältigung von Mehrheits-/Minderheitskonflikten beschränkt, auch wenn sich ihre praktische Bedeutung vielfach in einem derartigen Kontext aktualisieren mag. Unabhängig davon ist aber auch der These zu widersprechen, derartige Konflikte seien im Idealverein nicht zu gegenwärtigen. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass Mehrheitsbeteiligungen im „aktienrechtlichen Sinn“, also Kapitalmehrheiten, im Idealverein nicht auftreten können.42 Denn vom Ausschluss von Kapitalmehrheiten kann nicht auf den Ausschluss von Stimmenmehrheiten geschlossen werden. So wird es im Vereinsrecht ganz überwiegend für möglich gehalten, durch eine entsprechende Gestaltung der Satzung einzelnen Mitgliedern Mehrfachstimmrechte als Sonder39 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 107; s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 115. 40  s. zur Übertragbarkeit in das Vereinsrecht noch sogleich, § 7 IV.3. 41  Andernfalls läge in der Vorlagepflicht auch ein Einwand gegen eine analoge Anwendung von § 293 Abs. 2 AktG auf den Verein, die Leuschner jedoch bejaht (a.a.O., S. 102 f.), ohne zu thematisieren, dass insoweit gleichfalls problemlos eine Vorlagepflicht zur Absicherung des Weisungsrechts zu begründen wäre (s. insoweit auch a.a.O., S. 116). 42  So neben Lettl, a.a.O., etwa auch MünchKommAktG/Bayer § 16 Rn. 17; Grunewald, in: FS Raiser, S. 99, 100; GroßkommAktG/Windbichler § 16 Rn. 19 (in Bezug auf den Idealverein); die Frage ist allerdings str., a.A. etwa Hüffer, AktG (10. Aufl.), § 16 Rn. 4 (auch atypische Gestaltungen denkbar; Folgeauflage aber ohne Stellungnahme, s. Hüffer/Koch, AktG, § 16 Rn. 4); Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 16 Rn. 41; zumindest kein kategorischer Ausschluss auch bei Soergel/Hadding § 38 Rn. 16.

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rechte i.S. des § 35 BGB zu gewähren.43 Ganz unabhängig davon sind festgefügte Mehrheits-/Minderheitsverhältnisse und die damit für die Minderheit typischerweise einhergehenden Gefahren auch in Vereinen denkbar, in denen entsprechend dem gesetzlichen Leitbild in der Mitgliederversammlung nach Köpfen abgestimmt wird. Als Beispiel sei ein Sportverein genannt, dessen Fußball spielende Mitglieder (60 %) es leid sind, sich die vereinseigene Sporthalle im Winter mit den Basketund Volleyballern (je 20 %) teilen zu müssen und die deswegen die Übertragung des mit der Sporthalle bebauten Vereinsgrundstücks, das im Wesentlichen das gesamte Vereinsvermögen darstellt, auf einen zu diesem Zweck von ihnen gegründeten reinen Fußballverein betreiben. Auch der in der Einleitung geschilderte Sachverhalt, der der Entscheidung BGH NJW 2008, 69 zugrunde liegt, beruht letztlich auf einem solchen Interessenkonflikt zwischen Mehrheit und Minderheit. Damit bleibt nur noch zu dem von Lettl angeführten Zusatzargument Stellung zu nehmen, das er aus dem Gleichlauf der Mehrheitserfordernisse in § 179a Abs. 1 S. 2 und § 179 Abs. 2 S. 2 AktG beziehen möchte. Zwar trifft es in der Tat zu, dass das Vereinsrecht kein zwingendes Mehrheitserfordernis für Satzungsänderungen kennt. Nur zieht Lettl aus diesem Zusammenhang eine zu weit reichende Schlussfolgerung, wenn er meint, es könne deswegen im Vereinsrecht für Gesamtvermögensgeschäfte i.S. des § 179a AktG kein qualifiziertes Mehrheitserfordernis gelten.44 Denn dabei wird ohne Not die Frage nach der im gesetzlichen Ausgangsfall erforderlichen Mehrheit mit der Frage der Satzungsfestigkeit dieser Mehrheit verquickt und dementsprechend übersehen, dass das Vereinsrecht im Gegensatz zum Aktienrecht eine differenzierte Lösung bereithält. Anders formuliert: Aus dem, was Lettl als „aktienrechtliche Wertungseinheit“ zwischen § 179a Abs. 1 S. 2 und § 179 Abs. 2 S. 2 AktG identifiziert, kann als Vorgabe für das Vereinsrecht allenfalls abgeleitet werden, dass auch dort Gesamtvermögensgeschäfte hinsichtlich der erforderlichen Beschlussmehrheiten ebenso wie Gegenstandsänderungen zu behandeln sind. Da das Vereinsrecht Gegenstandsänderungen anders als Zweckänderungen aus der Kategorie der Satzungsäderungen nicht besonders heraushebt, gilt folglich das von § 33 Abs. 1 S. 1 BGB generell für Satzungsänderungen vorgesehene qualifizierte Mehrheitserfordernis, sofern die Satzung insoweit nichts anderes vorsieht. Mit dieser einschränkenden Maßgabe bestehen gegen eine entsprechende Anwendung von § 179a AktG auf den Verein auch hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses keine Bedenken. 43  H.M.; vgl. etwa MünchKommAktG/Bayer § 16 Rn. 17; Grunewald, in: FS Raiser, S. 99, 100; Hüffer/Koch, AktG, § 16 Rn. 4; MünchKomm/Arnold § 32 Rn. 29 f.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 103; mit einschränkender Tendenz auch Staudinger/Weick § 35 Rn. 15; häufig als Mehrstimmrechte generell ablehnend zitiert wird Flume, Jur. Person, § 7 II 2 (S. 208 f.), dessen Aussage aber womöglich eher dahin zu verstehen ist, dass Mehrstimmrechte grundsätzlich zulässig sind und nur ausgeschlossen sein soll, dass einem einzelnen Mitglied durch ein Mehrheitsstimmrecht die Mehrheitsherrschaft über den gesamten Verein zukommt: so auch K. Schmidt, GesR, § 21 II 1 e (S. 607). 44 s. Lettl, AcP 203 (2003), 149, 199 f.

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bb)  Analogie zu § 293 Abs. 2 AktG Von den konzernrechtlichen Vorschriften des Aktienrechts soll im Folgenden allein § 293 Abs. 2 AktG in den Blick genommen werden.45 Emmerich bejaht die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch auf den Verein, bezieht sich dabei aber nur auf die Konstellation, dass es sich bei der abhängigen Gesellschaft um eine Aktiengesellschaft handelt.46 Doch wird man dabei nicht stehen bleiben können.47 Ist § 293 Abs. 2 AktG überhaupt auf den Verein als berechtigten Teil eines Unternehmensvertrages i.S. des § 291 Abs. 1 AktG anwendbar, muss dies auch dann gelten, wenn es sich bei der abhängigen Gesellschaft um eine GmbH oder um sonst eine dafür in Betracht kommende Rechtsform handelt.48 Denn auch für die AG als herrschendes Unternehmen kommt § 293 Abs. 2 AktG zur Anwendung, wenn es sich bei der abhängigen Gesellschaft nicht um eine AG, sondern etwa um eine GmbH handelt.49 Ebenso hat der Bundesgerichtshof § 293 Abs. 2 AktG analog auf die GmbH als Obergesellschaft zur Anwendung gebracht, die eine Untergesellschaft in der Rechtsform der GmbH beherrscht.50 Die entscheidende Frage liegt mithin allein darin, ob das Zustimmungserfordernis nach § 293 Abs. 2 AktG auch auf den Verein als berechtigten Teil zur Anwendung gebracht werden kann. Sieht man mit der Rechtsprechung und der herrschenden Ansicht in der Literatur den zentralen Grund für die analoge Anwendbarkeit des § 293 Abs. 2 AktG auf die GmbH51 zutreffend in den Risiken, die für das herrschende Unternehmen mit dem Abschluss eines Beherrschungs- und/ oder Gewinnabführungsvertrages insbesondere wegen der daraus resultierenden Verlustausgleichspflicht einhergehen,52 lässt sich dies nicht sinnvoll verneinen,53 da 45  Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass diese Norm im Aktienrecht zu den Vorschriften zu rechnen ist, die die Basis für die Gesamtanalogie bilden, die als normative Absicherung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin dient, so dass ihre entsprechende Anwendbarkeit im Vereinsrecht im Hinblick auf die Frage der Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin von besonderem Interesse ist. 46 s. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn. 18; weitergehend Segna, Vorstandskontrolle, S. 162 f.; Sprengel, VereinskonzernR, S. 243 f. 47  Ohne diese Einschränkung denn auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 162 f.; Sprengel, VereinskonzernR, S. 243 f.; Leuschner, Konzernrecht, S. 102 f. 48  s. zu den als verpflichteter Teil in Betracht kommenden Gesellschaftsformen Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 293 Rn. 38 ff. 49  s. BGH NJW 1992, 1452, 1453; Hüffer/Koch, AktG, § 293 Rn. 17; KölnerKomm/Koppensteiner § 293 Rn. 42. 50  s. BGH NJW 1989, 295 ff. (Supermarkt); auch hier kann es also auf die Rechtsform der Untergesellschaft nicht ankommen: zutreffend Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, § 293 Rn. 9. 51  s. für die Erstreckung auch auf die Kommanditgesellschaft OLG Hamburg NZG 2005, 966; LG Mannheim AG 1995, 142, 143. 52  s. BGH NJW 1989, 295 ff.; NJW 1992, 1452, 1453 sowie bereits ausführlicher oben, § 6 D.I. 53 Ebenso Sprengel, VereinskonzernR, S. 243 f.

A.  Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein

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auch der Verein als herrschendes Unternehmen gemäß § 302 AktG gegenüber dem abhängigen Unternehmen zur Verlustübernahme verpflichtet ist.54 Mit ähnlichen Erwägungen, wie sie vorstehend zur analogen Anwendung von § 179a AktG angestellt worden sind, wird man allerdings auch das von § 293 AktG vorgesehene qualifizierte Mehrheitserfordernis im Vereinsrecht für satzungsdispositiv halten müssen. 2.  Gesetzliche Kompetenzzuweisungen zugunsten des Vorstands Der Vorstand ist für die rechtsgeschäftliche Vertretung des Vereins zuständig und nimmt auch darüber hinaus Geschäftsführungsaufgaben wahr. Sowohl der Umfang der Vertretungsmacht als auch derjenige der Geschäftsführungsbefugnis werfen allerdings Fragen auf. a)  Der Vorstand als Vertretungsorgan Von den Funktionen des Vorstands hat von Beginn der ersten Vorarbeiten zum BGB an die Vertretung des Vereins im Außenverhältnis im Vordergrund gestanden.55 Sie wird durch das BGB auch heute noch besonders hervorgehoben und an der Spitze der den Vorstand betreffenden Normen geregelt. Was den Umfang der Vertretungsmacht angeht, hat sich während der vorbereitenden Arbeiten am BGB eine Kompromisslösung durchgesetzt:56 Die Vertretungsmacht des Vorstands ist im Ausgangspunkt unbeschränkt, doch kann sie anders als bei den Handelsgesellschaften durch die Satzung mit Wirkung für das Außenverhältnis beschränkt werden.57 Die Rechtsprechung verlangt insoweit eine Regelung, aus der sich klar und eindeutig ergibt, dass die Vertretungsmacht des Vorstands beschränkt sein soll.58 Die darin liegenden gesteigerten Anforderungen an die Klarheit einer Klausel, die die Vertretungsmacht beschränken soll, erscheinen systemgerecht. Denn die gesetzliche Ausgangsregel versieht den Vorstand mit unbeschränkter Vertretungsmacht und identifiziert damit die Sorge um die Sicherheit des Rechtsverkehrs als den leitenden Zweck der vereinsrechtlichen Vertretungsregelung. Diesem Leitgedanken ist auch bei der Frage Rechnung zu tragen, ob eine Satzungsklausel als Ausnahme von der im gesetzlichen Ausgangspunkt angeordneten Vertretungsregelung zu verstehen ist. Während dies weitgehend unstreitig ist,59 wird die These von der Unbeschränktheit der Vertretungsmacht unter zwei Gesichtspunkten in Zweifel gezogen. 54 

s. dazu bereits oben, § 2 B.III.4.b)aa)(3). s. o., § 3. 56  s. zur Entwicklung von § 26 BGB bereits ausführlich oben, § 3 B.II.1. und 3. 57  s. zur Gefahr der Handlungsunfähigkeit des Vereins als Grenze einschränkender Satzungsregelungen MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 13. 58  s. BGH NJW 1980, 2799, 2800; BGH NJW-RR 1996, 866; BGH WM 2014, 1960, 1961; BayObLG DNotZ 2009, 49, 50 f. 59  s. nur Palandt/Ellenberger § 26 Rn. 6; Soergel/Hadding § 26 Rn. 21a; MünchKomm/ Arnold § 26 Rn. 14; Bamberger/Roth/Schöpflin § 26 Rn. 14; Staudinger/Weick § 26 Rn. 11. 55 

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

aa)  Beschränkung der Vertretungsmacht durch den Vereinszweck? Insoweit ist zunächst eine Meinungsvariante zu verzeichnen, die eine Verbindung von Vereinszweck und Vertretungsmacht nahelegt und die sich dogmatisch in einem Dunkelfeld zwischen ultra-vires-Doktrin und der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht verorten lässt.60 So ist früh die Ansicht vertreten worden, auch ohne eine besondere Regelung in der Satzung sei die Vertretungsmacht des Vorstands durch den Vereinszweck begrenzt, z.T. verbunden mit der Einschränkung, es müsse sich um eine erkennbare Überschreitung des Vereinszwecks handeln.61 Auch der Bundesgerichtshof hat sich dem in einem Urteil aus dem Jahr 1953 obiter dictum angeschlossen und ausgeführt, dass die „Vertretungsmacht des Vorstands eines rechtsfähigen Vereins, auch wenn sie nicht gemäß § 26 Abs. 2 S. 2 BGB [§ 26 Abs. 1 S. 3 BGB n.F.] durch die Satzung beschränkt ist, durch die Eigenart des Vereinszwecks begrenzt wird und dass der Vorstand den Verein nicht verpflichten kann, soweit das abgeschlossene Geschäft erkennbar außerhalb des Rahmens des Vereinszwecks liegt.“62 Durch diese Aussage wird auch deutlich, dass es nicht etwa um einen Anwendungsfall der gesetzlich vorgesehen Beschränkungsmöglichkeit durch Satzungsregelung, sondern um einen eigenständigen Begründungsansatz geht. Ein Rückgriff auf § 26 Abs. 1 S. 3 BGB wäre mit der Position der Rechtsprechung, die dafür eine klare und eindeutige Regelung in der Satzung fordert, auch gar nicht vereinbar.63 Bis heute finden sich in der Literatur noch verbreitet an diese Entscheidung aus dem Jahr 1953 angelehnte Formulierungen,64 obgleich Gegenstimmen in zunehmendem 60  s. dazu ausführlich K. Schmidt, AcP 184 (1984), 529 ff.; s.a. ders., GesR, § 8 V 2 (S. 214 ff.); s. daneben Bamberger/Roth/Schöpflin § 26 Rn. 12: auf „Idealvereine begrenzte Annäherung an die ultra-vires-Lehre“. 61 s. Oertmann, BGB, § 26 Nr. 4a; v. Tuhr, AT BGB, Bd. 1, § 37 (S. 527), jeweils aber ohne Auseinandersetzung mit Gesetz oder Gesetzgebungsgeschichte; zutreffend für unbeschränkte Vertretungsmacht in der frühen Lit. nach Inkrafttreten des BGB dagegen Hölder, BGB AT, § 26 Anm. 4a; Planck, BGB, § 26 Anm. 3; im gleichen Sinn bereits in Reaktion auf den 1. Entwurf von Gierke, Personengemeinschaften, S. 24; Schloßmann, Jahrb. für Dogm. Bd. 27 (1889), S. 1, 56 ff. 62  s. BGH JZ 1953, 474, 475; die dort in Bezug genommenen Urteile RG Recht 1907 Nr. 2497 sowie RGZ 145, 311, 314 sind für die Ansicht des Bundesgerichtshofs dagegen schon deswegen kaum ergiebig, weil sie juristische Personen des öffentlichen Rechts betreffen, für die die Diskussionslinie ohnehin anders verläuft (vgl. BGHZ 20, 119 ff.; Soergel/ Hadding § 26 Rn. 20; K. Schmidt, GesR, § 8 V 2 (S. 214)); im letztgenannten Fall stützt das RG, a.a.O., S. 314 f. seine Position zudem schwerpunktmäßig auf den Aspekt des Missbrauchs der Vertretungsmacht; ob der Position in BGH JZ 1953, 474, 475 noch zu folgen ist, wird von der Rechtsprechung inzwischen ausdrücklich offengelassen: s. BGH NJW 1980, 2799, 2800; ohne explizite Behandlung des Problems, aber mit klarer Stellungnahme für die grundsätzliche Unbeschränktheit der Vertretungsmacht BGH NJW-RR 1996, 866. 63  s. BGH NJW 1980, 2799, 2800; BGH NJW-RR 1996, 866; BGH WM 2014, 1960, 1961; BayObLG DNotZ 2009, 49, 50 f. 64  s. mit Unterschieden im Einzelnen NK-BGB/Heidel/Lochner § 26 Rn. 4; Palandt/ Ellenberger § 26 Rn. 6; Bamberger/Roth/Schöpflin § 26 Rn. 12; Stöber/Otto, VereinsR, Rn. 448; Erman/Westermann § 26 Rn. 4; Larenz/Wolf, BGB AT, § 10 Rn. 74 f.

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Umfang zu verzeichnen sind.65 Eine aus dem Satzungszweck des Vereins abgeleitete Beschränkung der Organvertretungsmacht ist jedoch nicht begründbar, auch wenn sie durch ein Erkennbarkeitskriterium moderiert wird.66 Sie ist schon mit Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren und steht zudem auch in Widerspruch zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift.67 Die Überschreitung von Vereinszweck- oder Vereinsgegenstand kann gegen eine rechtsgeschäftliche Bindung des Vereins daher allein unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht und damit unter den allgemein für dieses Institut entwickelten Voraussetzungen in Stellung gebracht werden.68 Inwieweit dies zu vergleichbaren Ergebnissen führt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.69 Ein weitergehender Schutz des Vereins zu Lasten des Rechtsverkehrs erscheint angesichts der durch § 26 Abs. 1 S. 3 BGB eröffneten Selbstschutzmöglichkeiten auch nicht veranlasst. bb)  Beschränkung der Vertretungsmacht durch die Zuständigkeitsordnung des Vereins? Neben der These von der Rückbindung der Vertretungsmacht an den Vereinsgegenstand findet sich in der Literatur verbreitet die Ansicht, die Vertretungsmacht des Vorstands sei auch dort beschränkt, wo durch eine Maßnahme in die Zuständigkeit eines anderen Vereinsorgans eingegriffen wird.70 Derartige Denkansätze 65  s. etwa Flume, Jur. Person, § 10 II 2 d (S. 369 ff.); Soergel/Hadding § 26 Rn. 20; K. Schmidt, GesR, § 8 V 2 (S. 215 f.) und § 24 III 2 c (S. 689 f.); ders., AcP 184 (1984), S. 529 ff.; Staudinger/Weick § 26 Rn. 9; MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 14. 66  Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 67  Insofern kann auf die Ausführungen zu § 44 E I verwiesen werden, der im Wesentlichen bereits § 26 BGB entspricht und mit der sich die 1. Kommission von dem noch deutlich von Ultra-vires-Vorstellungen geprägten Ansatz im Vorentwurf Gebhards entfernte: s. o., § 3 B.II.1. 68  s. Soergel/Hadding § 26 Rn. 20; K. Schmidt, GesR, § 8 V 2 (S. 216); ders., AcP 184 (1984), 529 ff.; Staudinger/Weick § 26 Rn. 9. 69 Die Unterschiede auf der Rechtsfolgenseite sind begrenzt: so begründet der Missbrauch der Vertretungsmacht (vorbehaltlich den nach § 138 BGB zu behandelnden Kollusionsfällen) nach wohl noch h.A. lediglich eine Einrede, begrenzt die Vertretungsmacht aber nicht: vgl., auch mit Nachweisen zur Gegenansicht (Anwendung der Regeln über die Vertretung ohne Vertretungsmacht), z. B. Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 519 f.; ob Differenzen auch auf der Tatbestandsebene auftreten, hängt davon ab, wie die Tatbestände jeweils zu konstruieren sind. Dies ist für den Missbrauch der Vertretungsmacht in vielen Einzelheiten umstritten (Bewusstheit der Pflichtwidrigkeit; Nachteilhaftigkeit der Pflichtwidrigkeit; auf Seiten des Geschäftsgegners: einfache oder grobe Fahrlässigkeit oder objektive Evidenz? – vgl. überblicksweise Fleischer, NZG 2005, 529, 530, 534); abhängig davon, wie man hier entscheidet, mag das bloß „erkennbare Handeln außerhalb des Vereinszwecks“ nicht genügen, um den Missbrauchstatbestand zu erfüllen, z. B. wenn man die Erkennbarkeit allein darauf stützt, dass die Satzung hätte eingesehen werden können. 70  So etwa die Formulierung von Palandt/Ellenberger § 26 Rn. 6; ähnlich, zumeist aber mit präziseren bzw. einschränkenden Formulierungen Soergel/Hadding § 26 Rn. 20; NKBGB/Heidel/Lochner § 26 Rn. 4; Prütting/Wegen/Weinreich/Schöpflin § 26 Rn. 2; Bam-

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

sind hier deswegen von Interesse, weil sie auch für die vertretungsrechtlichen Folgen einer in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin Bedeutung entfalten könnten. Auch für diese Ansicht bildet BGH JZ 1953, 474 die Leitentscheidung. Aufgrund ihrer Weite geben die in Bezug genommenen Formulierungen allerdings zu Vorstellungen Anlass, die sich ersichtlich nicht halten lassen. Ist z. B. für bestimmte Geschäfte ein ausdrücklich allein auf das Innenverhältnis bezogener Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Mitgliederversammlung angeordnet, dann greift der Vorstand mit jeder eigenmächtigen Vornahme eines davon erfassten Geschäfts in die Zuständigkeit eines anderen Organs ein, nämlich in die Entscheidungszuständigkeit der Mitgliederversammlung. Ginge man hier davon aus, dass dem Vorstand die Vertretungsmacht fehlt, läge darin ein offener Wertungswiderspruch zu § 26 Abs. 1 S. 3 BGB. Denn eine satzungsmäßige Beschränkung der Vertretungsmacht ist in diesem Fall ja gerade ausdrücklich nicht gewollt.71 Zumeist wird allerdings auch eine engere Formulierung gewählt und davon gesprochen, es müsse in eine gesetzliche72 bzw. in eine zwingende gesetzliche73 Zuständigkeit der Mitgliederversammlung eingegriffen werden. Mit dem Hinweis auf die gesetzliche Zuständigkeit der Mitgliederversammlung dürfte in praktischer Hinsicht in erster Linie ihre Satzungskompetenz angesprochen sein.74 Größere Schwierigkeiten bereitet der Ansatzpunkt der zwingenden gesetzlichen Zuständigkeiten, weil die Frage, welche Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung denn zwingend sind, gerade auch im Hinblick auf die Satzungskompetenz umstritten ist.75 Gleichwohl soll sich offenbar auch der Hinweis auf die zwingenden gesetzlichen Zuständigkeiten primär auf die Satzungskompetenz der Mitgliederversammlung beziehen.76 Auch diese präziser formulierten Ansätze können aber noch zu einem zu weiten Verständnis Anlass geben und damit die Gefahr von Wertungswidersprüchen zu § 26 Abs. 1 S. 3 BGB begründen. Nimmt der Vorstand z. B. ein Rechtsgeschäft vor, welches durch den Satzungszweck oder den in der Satzung festgelegten Gegenstand des Vereins nicht gedeckt ist, lässt sich auch dies zumindest mittelbar als Eingriff in eine gesetzliche Zuständigkeit der Mitgliederberger/Roth/Schöpflin § 26 Rn. 12; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 200; Sauter/Schweyer/ Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 233; tendenziell ablehnend dagegen MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 14; für Lösung allein über Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht Segna, Vorstandskontrolle, S. 115 f. 71  Im Ergebnis nicht anders liegt es auch, wenn unklar bleibt, ob sich der Zustimmungsvorbehalt allein auf das Innenverhältnis beziehen soll. Dies genügt wegen des durch die Rechtsprechung aufgestellten Bestimmtheitserfordernisses für eine wirksame Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 26 Abs. 1 S. 3 BGB nicht, so dass auch hier die Annahme fehlender Vertretungsmacht in einen Widerspruch zu dieser Norm geraten würde. 72  s. etwa Bamberger/Roth/Schöpflin § 26 Rn. 12. 73  s. etwa Soergel/Hadding § 26 Rn. 20; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 201. 74  s. Soergel/Hadding § 26 Rn. 20, der daneben die Auflösung des Vereins und die Bestellung und Abberufung des Vorstands erwähnt. 75  s. dazu noch ausführlicher unten, § 7 C.I.5. 76 s. Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 201.

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versammlung deuten, weil zur Legitimierung einer solchen Maßnahme eigentlich ihre gesetzliche Satzungs(änderungs)kompetenz gefordert wäre.77 Näher zum berechtigten Anliegen der geschilderten Ansicht gelangt man, wenn man dem in der Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs enthaltenen Verweis auf das Personengesellschaftsrecht und die dort vertretene Ansicht folgt, dass sich die Vertretungsmacht der vertretungsberechtigten Gesellschafter nicht auf Grundlagengeschäfte erstreckt.78 Diese Ansicht ist zwar auch in der personengesellschaftsrechtlichen Diskussion mit einigen Zweifelsfragen verbunden.79 In ihrem unproblematischen Kern verweist sie aber auf den einleuchtenden Umstand, dass die organschaftliche Vertretungsmacht dort enden muss, wo es darum geht, den Gesellschaftsvertrag selbst zu ändern.80 Denn dies fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Gesellschafter als Vertragspartner des Gesellschaftsvertrages, kann also nicht mehr Gegenstand eines von § 126 Abs. 1 HGB gedeckten organschaftlichen Handelns für die Gesellschaft sein.81 Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Vertragsänderung allein die Gesellschafter untereinander betrifft, sondern auch dann, wenn wie für den Fall der Aufnahme eines neuen Gesellschafters eine (noch) außenstehende Person betroffen ist. Dies lässt sich ungeachtet der rechtskonstruktiven Unterschiede – an die Stelle der vertragsrechtlichen Konzeption tritt das Modell der organschaftlichen Beschlussfassung82 – im Ergebnis auch auf den Verein übertragen. Die durch § 26 Abs. 1 BGB gewährte Rechtsmacht, bindend für den Verein zu handeln, erstreckt sich schlechterdings nicht auf die Vornahme vereinsinterner Organisationsakte,83 auch wenn dafür, wie etwa bei (satzungsändernden oder sonstigen) Beschlüssen der Mitgliederversammlung, die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen erforderlich wird. Der Vorstand ist le77  In Betracht kommt daneben noch die Möglichkeit eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses, soweit man solche im Vereinsrecht für zulässig hält: vgl. dazu z. B. MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 10 (bejahend); Staudinger/Weick § 33 Rn. 11 (verneinend); jedenfalls würde auch ein solcher Beschluss aber – trotz fehlender gesetzlicher Regelung – eine „gesetzliche“ Zuständigkeit der Mitgliederversammlung betreffen, weil die Zuständigkeit für Entscheidungen über Satzungsdurchbrechungen kompetenziell nicht anders qualifiziert werden kann als die Zuständigkeit für Satzungsänderungen selbst. 78  s. BGH JZ 1953, 474, 475, dort insbesondere unter Bezugnahme auf RGZ 162, 370, 374. 79 In erster Linie liegt dies daran, dass der Begriff der Grundlagenentscheidung im Personengesellschaftsrecht auch zur Kompetenzabgrenzung im Innenverhältnis verwendet wird und dabei Bedeutungen aufgenommen hat, die dann, wenn der Begriff bedeutungsgleich zur Begrenzung der Vertretungsmacht eingesetzt wird, mit den Wertungen des § 126 Abs. 1 HGB konfligieren. 80 s. Hadding, in: FS Lutter, S. 851, 860; so auch bereits RGZ 162, 370, 374. 81 s. Hadding, in: FS Lutter, S. 851, 860. 82  Vgl. näher zu den Unterschieden sowie zu der Frage, ob auch in den Personengesellschaften das Vertragsmodell ganz zugunsten des organschaftlichen Beschlussverfahrens aufgegeben werden kann Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085 ff.; Wiedemann, ZGR 1996, 286 ff.; ders., GesR II, § 4 I 2 (S. 298). 83  s. Bamberger/Roth/Schöpflin § 26 Rn. 12.

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diglich zur Abgabe von Willenserklärungen für den Verein befugt, nicht dagegen für die Vereinsmitglieder im Rahmen der Willensbildung in der Mitgliederversammlung. Der Vorstand kann also unter Berufung auf § 26 Abs. 1 BGB keine organisationsrechtlichen Zuständigkeiten okkupieren, die ihm nicht durch Gesetz oder Satzung zugewiesen sind, z. B. indem er die Satzung ändert, die Auflösung des Vereins beschließt oder als Gesamtvorstand einem zur Einzelgeschäftsführung und –vertretung befugten Vorstandsmitglied eine Weisung nach §§ 27 Abs. 3, 665 BGB erteilt.84 Dies muss auch dann gelten, soweit es um gesellschaftsrechtliche Organisationsakte geht, die nicht nur das Innenverhältnis des Vereins betreffen, sondern Bedeutung auch für Außenstehende entfalten. So kann der Vorstand nicht einfach ein weiteres Vorstandsmitglied bestellen, wenn die Satzung nicht abweichend von § 27 Abs. 1 BGB die Bestellung des Vorstands im Wege der Kooptation zulässt. Ebenso bewirkt ein durch den Vorstand geschlossener Aufnahmevertrag85 mit einer außenstehenden Person nicht die Aufnahme in den Verein, wenn es an der erforderlichen Aufnahmeentscheidung der Mitgliederversammlung oder eines sonst dafür zuständigen Organs fehlt.86 Dies lässt sich nun nicht mehr wie bei den Personengesellschaften damit erklären, dass es sich bei der Aufnahme weiterer Personen um eine Änderung des Gesellschaftsvertrages handelt, bei der es deswegen der über § 126 HGB nicht zu leistenden Vertretung der Gesellschafter bedarf. Vielmehr verlagert sich der Beitritt weiterer Mitglieder bei den Körperschaften in das Verhältnis zwischen Verein und Beitrittswilligem. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsakt handelt, der als solcher nicht von der Vertretungsmacht des § 26 Abs. 1 BGB gedeckt ist.87 Diese Grundsätze sind entsprechend auch für die Kapitalgesellschaften anerkannt.88 84 

s. zu letzterem auch BGH NJW 1993, 191, 193. Erforderlichkeit eines Aufnahmevertrages, falls die Satzung nichts anderes bestimmt s. BGH NJW 1987, 2503; Sauter/Schweyer/Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 71. 86  Enthält die Satzung keine besondere Regelung, entscheidet die Mitgliederversammlung über die Aufnahme weiterer Mitglieder: s. Sauter/Schweyer/Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 71; Stöber, VereinsR (9. Aufl.), Rn. 141; teilweise abweichend Stöber/Otto, VereinsR, Rn. 234: bei auf Fluktuation angelegten größeren Vereinen genüge Vorstandsbeschluss; das für die Umsetzung der Aufnahmeentscheidung zuständige Vereinsorgan kann abweichend bestimmt sein: s. BGH NJW 1987, 2503. Zu unterscheiden ist diese Konstellation vom satzungswidrigen Beitritt, bei dem das zuständige Organ handelt, die Aufnahme aber gegen die in der Satzung niedergelegten Kriterien verstößt; hier ist der Beitritt wirksam: s. Reichert, VereinsR, Rn. 1041; Stöber/Otto, VereinsR, Rn. 242; Sauter/Schweyer/ Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 75. 87  Besser ausgeleuchtet ist dies für die verwandte Frage der vertraglichen Übernahme neuer Stammeinlagen in der GmbH, vgl. z. B. Michalski/Hermanns, GmbHG, § 55 Rn. 86; Scholz/Priester, GmbHG, § 55 Rn. 75, 95; Baumbach/Hueck/Zöllner § 55 Rn. 34; vgl. auch Wiedemann, GesR I, § 10 II 1 (S. 524 f., 526). 88  s. allgemein Wiedemann, GesR I, § 10 II 1 (S. 524 f., 526); für die GmbH s. Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn. 17; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rn. 35; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 45 ff.; Ziemons/Jaeger/Wisskirchen/Kuhn, GmbHG, § 35 Rn. 12; vgl. für die Aktiengesellschaft GroßkommAktG/Habersack § 78 85  Zur

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Weniger klar ist die Rechtslage, soweit es nicht unmittelbar um die Vornahme von Organisationsakten geht, sondern um den Abschluss schuldrechtlicher Verträge, die den Verein zur Vornahme derartiger Organisationsakte verpflichten. Als Beispiel mag der Fall dienen, dass der Vorstand eines Kölner Sportvereins mit einem Getränkehersteller einen Vertrag schließt, der den Verein gegen Zahlung einer bestimmten Geldsumme dazu verpflichtet, den Vereinsnamen in „Sportclub Coca Cola Cologne“ zu ändern.89 Da der Vereinsname zwingender Bestandteil der Satzung ist (§ 57 BGB), zielt der Vertrag also auf die Begründung einer Pflicht zur Satzungsänderung, die zumindest grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt.90 Alternativ mag es darum gehen, einem Sponsor als Gegenleistung für künftige Zuwendungen eine Position als Organmitglied zuzusagen, obwohl die Bestellung in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt. Auch bei diesem Vertrag ist ein gesellschaftsinterner Organisationsakt Verpflichtungsgegenstand. Bei solchen Verpflichtungsverträgen lässt sich nun aber nicht mehr sagen, dass der Vereinsvorstand unmittelbar eine ihm nicht zustehende Zuständigkeit für verbandsinterne Organisationsakte okkupiert, weil durch den Vertrag selbst weder die Satzung geändert noch ein Organmitglied bestellt wird. Soweit man aber zu dem Ergebnis eines den Verein bindenden Vertrages gelangt, ist die Mitgliederversammlung zum Vollzug verpflichtet und damit der ihr eigentlich eingeräumten Autonomie beraubt.91 Für den Bereich der Wirtschaftsvereine besteht für derartige Fälle ganz weitgehend Einigkeit darüber, dass jedenfalls das Vertretungsorgan allein – ohne die Mitwirkung des Mitgliederorgans – die Körperschaft durch solche Verträge nicht zu binden vermag. Zwei Begründungsansätze sind dabei zu unterscheiden. Gelegentlich wird vertreten, dass sich die Körperschaft schlechterdings nicht zur Vornahme derartiger Organisationsakte verpflichten kann, d.h. auch nicht durch oder unter Mitwirkung des Organs, in dessen Zustän-

Rn. 18; Münch­ KommAktG/Stein § 179 Rn. 153; GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 136, 155. 89  Der Plan Eintracht Braunschweigs, einen derartigen Vertrag mit einem Sponsor abzuschließen („Sportverein Jägermeister Braunschweig“), führte auf der Ebene des Dachverbandes DFB zu einer auf Abwehr dieses Vorhabens gerichteten Satzungsänderung; vgl. zu dem daraus resultierenden Rechtsstreit BGH NJW 1987, 1811. 90  s. zu der Frage, inwieweit eine Verlagerung auf ein anderes Vereinsorgan möglich ist, unten § 7 C. 91  Käme sie dem nicht nach, könnte der Verein zur Satzungsänderung verurteilt werden, wobei das Urteil nach § 894 ZPO (analog) vollstreckbar: vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 41; Fleck, ZGR 1988, 105, 115 f.; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 51; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rn. 35; Ulmer/Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 42 (alle zur GmbH); s.a. Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 201; gegen Erfüllungsansprüche und lediglich für Schadensersatzansprüche dagegen Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 50; hält man es aber für möglich, eine Rechtspflicht zur Satzungsänderung zu begründen, erscheint es konsequenter, auch von der gerichtlichen Durchsetzbarkeit dieser Pflicht auszugehen: s. Fleck, a.a.O.

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digkeit die Maßnahme eingreift.92 Diese Position basiert im Wesentlichen auf der Vorstellung, dass die Organisationshoheit des Verbandes vor rechtlich verbindlichem Außeneinfluss generell zu schützen ist.93 Ein zweiter Begründungsansatz verneint die (Allein-)Vertretungsmacht des regulären Vertretungsorgans. Für diejenigen, die schon die Verpflichtungsfähigkeit verneinen, liegt im Hinweis auf die fehlende Vertretungsmacht lediglich ein ergänzender Gesichtspunkt.94 Soweit es aber – regelmäßig unter restriktiven Kautelen95 – grundsätzlich für möglich gehalten wird, dass sich die Körperschaft auch zur Vornahme von Organisationsakten verpflichtet, kommt dieser Frage naturgemäß entscheidende Bedeutung zu. Insoweit herrscht im Ergebnis Einigkeit darüber, dass Vorstand oder Geschäftsführer die Körperschaft jedenfalls nicht allein vertreten können.96 Im Grunde liegt darin eine Erstreckung der bereits geschilderten Begrenzung der organschaftlichen Vertretungsmacht des Vorstands im Bereich gesellschaftsinterner Organisationsakte auf Verpflichtungsgeschäfte über ebensolche Akte. Diese Erstreckung ist insbesondere dann kaum abzuweisen, wenn man mit der h.M. davon ausgeht, dass derartige Verpflichtungsgeschäfte durchsetzbare Primärpflichten begründen und entsprechend § 894 ZPO vollstreckt werden können, so dass der versprochene Organisationsakt letztlich durch ein zusprechendes Urteil ersetzt werden könn92  So für die AG MünchKommAktG/Stein § 179 Rn. 212; GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 136; für den Verein s. Flume, Jur. Person, § 7 I 3 (S. 198); vgl. auch Beuthien/ Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 487 f.; s. für Nachweise der ganz überwiegenden Gegenansicht Weber, Privatautonomie, S. 355 f. 93 s. MünchKommAktG/Stein § 179 Rn. 212; GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 136. Der Ablehnung der Verpflichtungsfähigkeit lässt sich daher nicht allein mit einem Hinweis darauf begegnen, dass auch Satzungsänderungen im Wege der organschaftlichen Beschlussfassung getroffen werden und damit der Körperschaft als Organhandeln zuzurechnen sind (so aber wohl Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 200; s. daneben auch Fleck, ZGR 1988, 104, 112). Denn damit ist lediglich einem konstruktiven Einwand begegnet, wie er im Personengesellschaftsrecht möglich ist, wenn man Änderungen des Gesellschaftsvertrages allein als Änderungen des zwischen den Gesellschaftern bestehenden Vertragsverhältnisses begreift. Die Frage, ob sich der Verein im Grundlagenbereich seiner Organisationshoheit durch schuldrechtliche Verpflichtungen begeben darf, ist damit noch nicht beantwortet. 94  Kumulativ zur fehlenden Verpflichtungsfähigkeit der Körperschaft erfolgt der Hinweis auf die fehlende Vertretungsmacht bei MünchKommAktG/Stein § 179 Rn. 153; GroßkommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 155. 95  Gefordert wird regelmäßig, dass die vertragliche Bindung nur für einen Einzelfall gelten darf und sich auf eine bestimmte Satzungsänderung beziehen muss: vgl. die Nachweise in der folgenden Fn. 96  So – teils mit Unterschieden im Detail – für die Aktiengesellschaft Hüffer, AktG (10. Aufl.), § 179 Rn. 32; für die GmbH Lutter/Hommelhoff/Bayer § 53 Rn. 41; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 51; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rn. 35; Scholz/U. H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 47 ff.; Ulmer/Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 42; für die Genossenschaft s. Beuthien/Beuthien, GenG, § 16 Rn. 5; allgemein auch Weber, Privatautonomie, S. 357 f.

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te.97 Genauso wenig, wie die dem Vorstand eingeräumten Handlungsbefugnisse ihn dazu ermächtigen, in die Zuständigkeit des Mitgliederorgans fallende Organisationsakte selbst vorzunehmen, kann ihm die Rechtsmacht zukommen, einen externen Dritten mit der Kompetenz zu versehen, einen solchen Organisationsakt durchzusetzen. Hierin liegt auch der zutreffende Kern der Ansicht, die sich im Vereinsrecht dafür ausspricht, für die Vertretungsmacht des Vorstands dort eine Grenze zu ziehen, wo in die Zuständigkeit eines anderen Vereinsorgans eingegriffen wird. Es gibt im Vereinsrecht keinen Anlass dafür, von diesem für die Wirtschaftsvereine allgemein anerkannten Grundsatz abzuweichen. Hier wie dort kann es unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht geboten sein, die Vertretungsmacht des Leitungsorgans auf Verpflichtungsgeschäfte über die Vornahme von körperschaftsinternen Organisationsakten zu erstrecken.98 Insoweit spielt es auch keine Rolle, ob lediglich eine gesetzliche oder eine zwingende gesetzliche Zuständigkeit der Mitgliederversammlung betroffen ist. In beiden Fällen ist es dem Dritten zumutbar, die vereinsinterne Zuständigkeitsordnung zu überprüfen. Daher kann sich auch ein Sponsor, dem vom Vorstand als Gegenleistung für die Unterstützung des Vereins die Bestellung zum Vorstandsmitglied zugesichert wird, für die Wirksamkeit dieses Verpflichtungsgeschäfts nicht auf § 26 Abs. 1 BGB berufen, obwohl § 27 Abs. 1 BGB nicht zwingend ist und die Satzung also durchaus auch eine Besetzung der Vorstandsämter durch Kooptation vorsehen könnte.99 Es bleibt die Notwendigkeit, diese Ausnahme von der unbeschränkten Vertretungsmacht des Vorstands sinnvoll zu begrenzen. Zwar kann man derartige Verpflichtungsgeschäfte über Organisationsakte auf einer allgemeinen Ebene durchaus auch als Maßnahmen des Vorstands beschreiben, die die vereinsinterne (gesetzliche) Zuständigkeitsordnung und damit die Entscheidungshoheit der Mitgliederversammlung unterlaufen bzw. in ihre Zuständigkeit eingreifen. Eine solche Formulierung wäre aber als Obersatz ungeeignet, weil dies entgegen dem Grundsatz der unbeschränkten, nur unter den Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 S. 3 BGB beschränkbaren Vertretungsmacht wegen der Vielzahl der darunter subsumierbaren Konstellationen im Ergebnis doch dazu führen würde, dass das Innenverhältnis des Vereins nach außen gekehrt wird. Die eingangs geschilderten Beispiele verdeutlichen dies. Aus diesem Grund ist zu fordern, dass das Verpflichtungsgeschäft unmittelbar auf die Begründung eines Anspruchs über die Vornahme eines Organisationsakts gerichtet sein muss. Verpflichtungen, die lediglich die Satzung verletzten, sie faktisch ändern bzw. Druck zur Änderung der Satzung, aber keinen vollstreckbaren Satzungsänderungsanspruch erzeugen, genügen daher nicht, 97  So Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 41; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 51; Fleck, ZGR 1988, 105, 115 f.; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rn. 35; Ulmer/ Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 42 (alle zur GmbH); zur Aktiengesellschaft s. Hüffer, AktG (10. Aufl.), § 179 Rn. 32 (abweichend Hüffer/Koch, AktG, § 179 Rn. 32); a.A. (nur Schadensersatzpflichten) Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 50. 98  Vgl. auch Wiedemann, GesR I, § 10 II 1 (S. 524 f., 526). 99  Vgl. insoweit nur Staudinger/Weick § 27 Rn. 3.

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um eine Ausnahme von der unbeschränkten Vertretungsmacht des Vorstands unter dem Gesichtspunkt eines Zuständigkeitseingriffs zu begründen.100 Derartige Maßnahmen sind regelmäßig pflichtwidrig, aber wirksam.101 Hier gelten allein die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint auch die zurückhaltende Judikatur des Bundesgerichtshofs als zutreffend, wonach der ohne die Mitwirkung der Mitgliederversammlung erklärte Austritt aus einem Verband von der Vertretungsmacht des Vorstands auch dann gedeckt ist, wenn eine Satzungsklausel die Mitgliedschaft in diesem Verband vorsieht.102 Ebenso ist einem im Jahr 2014 ergangenen Urteil zuzustimmen, in welchem der Bundegerichtshof die Aufnahme eines neuen Vereinsmitglieds durch den Vorstand als wirksam erachtete, obgleich die durch die Satzung für die Entscheidung über die Aufnahme vorgesehene (vereinsinterne) Zuständigkeitsordnung nicht beachtet worden war.103 b)  Der Vorstand als Geschäftsführungsorgan Mit der rechtsgeschäftlichen Vertretung wird dem Vorstand nur ein Ausschnitt der zum Sachbereich der Geschäftsführung gehörenden Aufgaben ausdrücklich zur Wahrnehmung zugewiesen.104 Er fungiert aber darüber hinaus auch als allgemeines Geschäftsführungsorgan des Vereins, ist also im Handeln für den Verein nicht auf die Vornahme von Rechtsgeschäften beschränkt.105 Dies folgt zumindest mittelbar aus § 27 Abs. 3 BGB, wo geregelt wird, dass die §§ 664 – 670 BGB auf 100  Auch diese Differenzierung ist für das Kapitalgesellschaftsrecht bereits gut etabliert: vgl. für die Aktiengesellschaft ausführlich MünchKommAktG/Stein § 179 Rn. 213 ff.; s. daneben Hüffer/Koch, AktG, § 179 Rn. 32; GroßKommAktG/Wiedemann § 179 Rn. 136 a.E., 156; zur GmbH s. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 39; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rn. 33 f.; Ulmer/Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 43; vergleichbare Kriterien verwendet Flume, § 7 I 3 (S. 198 f.) für den Verein, allerdings zur Begrenzung der von ihm vertretenen mangelnden Verpflichtungsfähigkeit des Vereins in Bezug auf Satzungsänderungen. 101  s. zur faktischen Satzungsänderung im Vereinsrecht auch Bamberger/Roth/Schöpflin § 33 Rn. 16. 102  s. BGH NJW 1980, 2799; BGH NJW-RR 1996, 866; zustimmend auch MünchKomm/ Arnold § 26 Rn. 14; kritisch dagegen Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 202 f. 103  s. BGH WM 2014, 1960, 1961, wo zutreffend betont wird, dass Regelungen in der Satzung, die den Handlungsspielraum des Vorstands beschränkten, diesen grundsätzlich nur vereinsintern binden, wenn sich aus der Regelung nicht klar und eindeutig entnehmen lässt, dass auch die Vertretungsmacht des Vorstands beschränkt sein soll. 104  s. dazu, dass rechtsgeschäftliches wie nicht rechtsgeschäftliches Handeln zur Geschäftsführung für einen Verband zu rechnen sind Flume, Jur. Person, § 10 II 1 (S. 357); Wiedemann, GesR I, § 10 II 1 (S. 525). 105 s. Flume, Jur. Person, § 10 II 1 (S. 357) – „allgemeines Handlungsorgan“; Soergel/ Hadding § 26 Rn. 4, 10 – „Geschäftsführungsorgan“; K. Schmidt, GesR, § 24 III 2 (S. 688) – „Leitungsorgan“; Staudinger/Weick § 27 Rn. 22 – „das ordentliche geschäftsführende Or­ gan“; s.a. BGH NJW 1993, 191, 192: gesetzliches „Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan“.

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die Geschäftsführung des Vorstands entsprechende Anwendung finden.106 Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, in welchem Umfang dem Vorstand Geschäftsführungsbefugnis zukommt, er also die ihm zugewiesene Vertretungsmacht ausnutzen oder sonst für den Verein handeln darf. Theoretisch denkbar sind hierfür zunächst zwei Extrempositionen: Der Vorstand darf jegliche Geschäftsführungsmaßnahme vornehmen, rechtsgeschäftlich oder nicht, die sich mit Vereinszweck und -gegenstand vereinbaren lässt und die sich im Rahmen seiner allgemeinen Pflichtenbindung hält; oder er ist „Repräsentativorgan mit bloßer Ausführungsbefugnis“107 und darf ohne Weisung der Mitgliederversammlung von sich aus gar nichts. Die letztgenannte Position lässt sich allerdings nicht allein damit begründen, dass der Vorstand gegenüber der Mitgliederversammlung weisungsgebunden ist,108 wie der vergleichende Blick auf das GmbH-Recht zeigt. Auch dort kann das Mitgliederorgan per Weisungsbeschluss auf die Geschäftsführung bis hinein in den Bereich der laufenden Verwaltung Einfluss nehmen. Zugleich hindert dies aber nicht an der Annahme, dass den Geschäftsführern jedenfalls für die laufende Geschäftsführung eine originäre Geschäftsführungskompetenz zusteht, sie in diesem Rahmen also für die Gesellschaft handeln dürfen (und sollen), ohne sich bei der Gesellschafterversammlung rückversichern zu müssen.109 Auch für den Verein wird man aber dann, wenn man den Vorstand im gesetzlichen Regelfall als allgemeines Handlungs-, Leitungs- oder Geschäftsführungsorgan ansieht, davon ausgehen können, dass ihm ein Mindestmaß an originärer, also selbständig wahrzunehmender, aber eben nicht notwendig von Weisungen freigehaltener Geschäftsführungskompetenz zukommt.110 Umkehrt ist damit auch für den gesetzlichen Regelfalls nicht zwingend gesagt, dass diese Geschäftsführungsbefugnis den 106  s. Soergel/Hadding § 26 Rn. 10. Man mag auch auf § 26 Abs. 1 BGB mit der Begründung abstellen, dass der Begriff der Vertretung hier (auch) in einem untechnischen Sinn verwendet wird: so Flume, Jur. Person, § 10 II 1 (S. 357). In einem ähnlichen Sinn wird z. B. in den Motiven auch die Mitgliederversammlung als das (oberste) Vertretungsorgan des Vereins angesprochen, s. Mugdan, S. 410. 107  Formulierung nach Hüffer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht, Bd. II, S. 339 für den Vorstand des Vereins und den Geschäftsführer der GmbH. 108  So zur Begründung der Qualifikation des Vorstands als Repräsentativorgan mit bloßer Ausführungsbefugnis Hüffer, a.a.O. 109  s. ausführlich oben, § 6 D.III, mit weiteren Einzelheiten. 110  In diesem Sinne – selbständige Wahrnehmung – dürfte auch BGH NJW 1993, 191, 192 zu verstehen sein, wo formuliert wird: „Mit dem Wirksamwerden der Bestellung entsteht für den Vereinsvorstand als gesetzlichem Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur eigenverantwortlichen Führung der Vereinsgeschäfte.“ (Hervorhebung hinzugefügt). Es spricht trotz der sprachlichen Nähe zu § 76 AktG nichts dafür, dass sich der BGH hier in grundsätzlicher Form gegen die Weisungsbindung des Vorstands hat aussprechen wollen, zumal dies keinesfalls in dieser lapidaren Form hätte geschehen können. Überdies steht im Urteil gar nicht das Verhältnis zwischen Vorstand und Mitgliederversammlung in Rede, sondern die Kompetenzen einzelner Mitglieder eines mehrgliedrigen Vorstands; s. zu dieser Entscheidung noch eingehend unten, § 7 A.IV.2.a).

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gesamten Sachbereich möglicher Geschäftsführungsmaßnahmen abdecken muss. Auch insoweit lohnt sich ein vergleichender Blick auf das GmbH-Recht. Dort entspricht es nahezu allgemeiner Ansicht, dass den Befugnissen der Geschäftsführung jenseits des Bereichs der laufenden Verwaltung gewisse Grenzen gezogen sind, deren genauer Verlauf dann allerdings in der Literatur umstritten und in der Rechtsprechung nur punktuell markiert ist.111 Im Hinblick auf die geschilderten Extrempositionen deutet sich damit auch für das Vereinsrecht eine vermittelnde Lösung an. Dies wird im Folgenden näher auszuführen sein.112

IV.  Die Kompetenzabgrenzung in der Detailbetrachtung Was die Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis angeht, existiert eine Reihe allgemein anerkannter oder doch zumindest unproblematischer Schranken (1.). Darüber hinaus lässt sich aber danach fragen, ob der Vorstand bei seiner Geschäftsführung auch vorbehaltlich dieser Grenzen weitere Einschränkungen zu gegenwärtigen hat. Eine Diskussion, wie sie insoweit für das GmbH-Recht vor allem unter Anknüpfung an § 49 Abs. 2 GmbHG über Umfang und Grenzen der Geschäftsführungskompetenzen geführt wird, existiert im Vereinsrecht allenfalls in Ansätzen. Im Gegenteil finden sich nicht selten sogar Aussagen, die eine ganz umfassende Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nahelegen und damit der soeben skizzierten These von einer vermittelnden Lösung zu widersprechen scheinen. Letztlich geht es dabei im Kern aber nur um zu weit geratene Formulierungen, die ihren Sinn aus einem anderen Kontext beziehen. Dies ist vorab zu schildern (2.). Im Anschluss ist die vereinsrechtliche Diskussion aufzunehmen und die Frage zu klären, ob auch für das Vereinsrecht die Entwicklung einer ähnlich differenzierenden Position angezeigt ist, wie sie im GmbH-Recht vertreten wird (3.). 1.  Allgemeine Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands Allgemeine Grenzen für die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands ergeben sich aus der Satzung. Zu beachten sind insbesondere Vereinszweck und -gegenstand, darüber hinaus aber auch jede andere Satzungsregelung, aus der sich Schranken für die Geschäftsführung ergeben. Hinzu treten ad hoc erteilte Weisungen der Mitgliederversammlung. a)  Vereinszweck und -gegenstand Die Handlungsbefugnisse des Vorstands werden zunächst durch den Zweck des Vereins begrenzt, der nach § 57 BGB zu den Mindestbestandteilen der Satzung gehört. § 33 Abs. 1 S. 2 BGB fordert für Änderungen des Vereinszwecks die Zustimmung sämtlicher Vereinsmitglieder. Es besteht allgemein Einigkeit darüber, 111  112 

s. ausführlich oben, § 6 D.III. s. sogleich, § 7 A.IV.3.

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dass der auf diese Weise vor Veränderungen geschützte Vereinszweck eng zu verstehen ist. Umschrieben wird dies zumeist dahin, es handle sich bei dem Zweck in diesem Sinn um den obersten Leitsatz der Vereinstätigkeit, der dessen Charakter präge und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt rechnen könne.113 Regelmäßig bestimmen Vereinssatzungen darüber hinausgehend aber auch, wie das durch den Vereinszweck definierte Vereinsziel zu erreichen ist.114 Insoweit lässt sich in Anlehnung an die Unterscheidung zwischen Unternehmenszweck und –gegenstand vom Vereinsgegenstand in Abgrenzung zum Vereinszweck sprechen. Anders als für AG und GmbH ist für den Verein allerdings nicht ausdrücklich bestimmt, dass die Satzung auch den Gegenstand des Vereins benennen muss. Eine vordringende Ansicht spricht sich gleichwohl dafür aus, dass die Satzung des Idealvereins Angaben enthalten muss, die über den Zweck i.S. des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB hinaus auch den Gegenstand des Vereins verdeutlichen.115 In der Tat sprechen gute Gründe dafür, im Rahmen des § 57 BGB einen umfassenderen Zweckbegriff zugrunde zu legen. Im Rahmen von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB ist ein weites Verständnis des Begriffs des Vereinszwecks dysfunktional, weil eine Zustimmung aller Mitglieder jedenfalls bei größeren Vereinen kaum je zu erreichen sein wird, so dass die erforderliche Anpassungsfähigkeit des Vereins an sich verändernde Verhältnisse verloren zu gehen droht.116 § 57 BGB dient hingegen der Registerkontrolle und muss damit eine Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit des Vereins ermöglichen.117 Angaben allein über das oberste Leitziel genügen dafür jedoch nicht, weil es i.d.R. möglich ist, auch ein ideelles Ziel durch unternehmerische Tätigkeit zu verwirklichen.118 Daher wird man im Rahmen von § 57 BGB auch Angaben darüber fordern müssen, wie das oberste Leitziel des Vereins verwirklicht werden soll, d.h. also Angaben, die man gemeinhin unter den Gegenstandsbegriff subsumiert. Enthält die Satzung Angaben zum Vereinsgegenstand, ist der Vorstand selbstverständlich auch daran gebunden.

113  So oder ähnlich BGH NJW 1986, 1033, 1034; BayObLG NJW-RR 2001, 1260; Palandt/Ellenberger § 33 Rn. 3; Reichert, VereinsR, Rn. 524 ff.; Stöber/Otto, VereinsR, Rn. 59; Sauter/Schweyer/Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 42. 114  s. dazu, dass dies vielfach ohne klare Abgrenzung geschieht Segna, Vorstandskontrolle, S. 123, 127. 115 s. Hemmerich, Möglichkeiten, S. 57 f.; Reichert, VereinsR, 123; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 209 f.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 126 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 35; Sauter/Schweyer/Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 42b. 116  Vgl. auch BGH NJW 1986, 1033, 1034; Grunewald, GesR, § 8 Rn. 51. 117  s. Soergel/Hadding § 57 Rn. 2; MünchKomm/Arnold § 57 Rn. 1; Bamberger/Roth/ Schöpflin § 57 Rn. 5. 118 s. Hemmerich, Möglichkeiten, S. 54; Segna, Vorstandskontrolle, S. 126; Sauter/ Schweyer/Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 42b; dieser Umstand bildete auch einen wesentlichen Grund für die mangelnde Brauchbarkeit der subjektiven Theorie der Vereinsklassenabgrenzung: s. dazu bereits oben, § 2 A.II.2.a).

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b)  Sonstige Satzungsregelungen Über Vereinszweck- und -gegenstand hinaus ist eine Vielzahl weiterer Satzungsregelungen denkbar, die die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands beschränken können. So handelt etwa der Vorstand eines Handballvereins außerhalb seiner Geschäftsführungsbefugnis und damit pflichtwidrig, wenn er mit professionellen Handballspielerinnen entsprechend vergütete Arbeitsverträge abschließt, obwohl der Verein ausweislich einer Bestimmung in der Satzung auf der Grundlage des Amateurgedankens tätig wird.119 Die insoweit existierenden Gestaltungsmöglichkeiten sind hier, wo es um das gesetzliche Regelmodell geht, nicht weiter zu vertiefen. c) Weisungen Darüber hinaus können sich Grenzen für die Geschäftsführungsbefugnis jederzeit auch aus ad hoc erteilten Weisungen ergeben, die die Mitgliederversammlung auf der Basis ihres Weisungsrechts (bzw. des Weisungsrechts des Vereins, für den die Mitgliederversammlung insoweit handelt) gem. § 27 Abs. 3 i.V.m. § 665 BGB beschließt.120 Aus dem Verweis auf das Auftragsrecht ergibt sich zugleich allerdings auch, dass der Vorstand unter bestimmten engen Voraussetzungen von erteilten Weisungen abweichen darf (§ 665 S. 1 u. 2 BGB). d) Grundlagenentscheidungen Auch im Vereinsrecht findet gelegentlich der Terminus der Grundlagenentscheidung Verwendung, wenn es darum geht, die Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands zu beschreiben.121 Der Begriff wird dabei aber teils ganz mit dem Begriff der Satzungsänderung identifiziert,122 verfügt also nicht über den weitergehenden Bedeutungsgehalt, wie er vor allem im Personengesellschaftsrecht mit dem Begriff des Grundlagengeschäfts „im weiten Sinne“ verbunden wird.123 119 

s. BGH NJW 2008, 1589, 1590. ausführlich zur historischen Entstehung der Vorschrift oben, § 3 B.II.2.c) und III.2.c). 121  s. Soergel/Hadding § 26 Rn. 10; s.a. Segna, Vorstandskontrolle, S. 118. 122  s. Soergel/Hadding § 26 Rn. 10. 123 Instruktiv für die Bedeutungsvarianten, in denen der Begriff im Personengesellschaftsrecht in Erscheinung tritt, ist die Differenzierung in BGH NZG 2007, 259, 260 (OTTO): Einerseits „Grundlagengeschäft“ i.S. einer Begriffsbildung, mit der lediglich „negativ abgrenzend zum Ausdruck gebracht wird, es falle nicht in die Zuständigkeit des Geschäftsführungsorgans“; andererseits „Grundlagengeschäft“ i.S. eines Geschäfts, das vergleichbar einer Vertragsänderung die Grundlagen der Gesellschaft berührt; zudem wandelt sich die Begriffsbedeutung auch mit dem Verwendungskontext – so wird z. B. im Rahmen von § 126 HGB, wo über den Begriff des Grundlagengeschäfts die organschaftliche Vertretungsmacht der Geschäftsführung begrenzt werden soll, von Teilen der Lit. ein engeres Begriffsverständnis vertreten: s. z. B. MünchKommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 73 ff.; 120 s.

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Im Grunde geht es damit um den gleichen Gesichtspunkt, der auch schon für die Begrenzung der organschaftlichen Vertretungsmacht nutzbar gemacht worden ist:124 Organisationsakte wie Satzungsänderungen gehören schlicht nicht zum Sachbereich der Geschäftsführung. Sie fallen daher aus der organschaftlichen Vertretungsmacht ebenso wie aus der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands heraus. Man wird zudem ähnlich wie im GmbH-Recht auch Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz sowie den Abschluss von Unternehmensverträgen i.S. der §§ 291 ff. zu den Grundlagenmaßnahmen rechnen können.125 Soweit danach die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung unmittelbar oder in analoger Anwendung der einschlägigen Normen gegeben ist, trägt der Begriff des Grundlagengeschäfts zur Zuständigkeitsabgrenzung allerdings nichts weiter bei. Darüber hinaus wird der Begriff des Grundlagengeschäfts aber auch im Zusammenhang mit Sachverhalten verwendet, die im Aktienrecht unter die Holzmüller/ Gelatine-Doktrin subsumiert werden.126 Ob das inhaltlich gerechtfertigt ist, hängt davon ab, ob derartige Maßnahmen auch im Vereinsrecht unter Wertungsgesichtspunkten auf einer ähnlichen Ebene wie Satzungsänderungen und weitere Maßnahmen, über die grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit zu befinden ist, verortet werden können. Diese Frage lässt sich allerdings nicht auf der begrifflichen Ebene klären, sondern erfordert ähnliche Überlegungen, wie sie auch für den Transfer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das GmbH-Recht angestellt worden sind. Darauf wird also noch zurückzukommen sein. 2.  Parallelität von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht? Vereinzelt ist für das Vereinsrecht in der Rechtsprechung die Position vertreten worden, es bestehe ein notwendiger Zusammenhang zwischen Geschäftsführungskompetenz und Vertretungsmacht.127 Dies soll es insbesondere ausschließen, für die Geschäftsführung ein vom Vorstand i.S. des § 26 BGB zu unterscheidendes Organ vorzusehen. Für eine solche Position ist jedoch kein vernünftiger Grund ersichtlich.128 Sie hat sich in der Literatur nie durchsetzen können und gilt seit BGHZ 69, 250 auch in der Rechtsprechung als überholt.129 Verschiedentlich finden sich in der Literatur aber immer noch Stellungnahmen mit dem Grundtenor, die Geschäftsführungsbefugnis des Vereinsvorstands sei zumindest im Zweifel tendenziell auch Schlegelberger/Martens § 114 Rn. 5; für einheitliches Begriffsverständnis dagegen Staub/Habersack § 126 Rn. 13 ff.; s. allgemein zum „schillernden“ Charakter des Begriffs des Grundlagengeschäfts auch Wiedemann, GesR II, § 4 I 1 c (S. 295). 124  s. o., § 7 A.III.2.a)bb). 125  Zum GmbH-Recht s.o., § 6 D.III.5.a). 126  So für das GmbH-Recht Kort, ZIP 1991, 1274,1 1276; für den Verein auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 118. 127  s. namentlich BayObLG DNotZ 1972, 79. 128  s. MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 4. 129  s. nur MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 3 f. m.w.N.

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mit seiner Vertretungsmacht deckungsgleich.130 Träfe dies zu, wäre die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands angesichts der im gesetzlichen Ausgangspunkt unbeschränkten Vertretungsbefugnis nach § 26 Abs. 1 BGB denkbar weit und eine Übertragbarkeit der GmbH-rechtlichen Lösung – Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis im Bereich außergewöhnlicher Maßnahmen, die von der Vertretungsmacht ohne Weiteres gedeckt wären131 – müsste von vornherein ausscheiden. Dies rechtfertigt einen näheren Blick auf die Begründung dieser Vorstellung. a)  BGH NJW 1993, 191 als geeignete Referenz? Gestützt werden die geschilderten Aussagen regelmäßig auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das wie folgt formuliert:132 „Mit dem Wirksamwerden der Bestellung entsteht für den Vereinsvorstand als gesetzlichem Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur eigenverantwortlichen Führung der Vereinsgeschäfte. Dabei entspricht bei mehrgliedrigem Vorstand, soweit die Satzung die Geschäftsführung nicht abweichend von der Vertretungsregelung gestaltet, der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich dem Umfang der Vertretungsmacht und umgekehrt (vgl. statt aller Soergel-Hadding, BGB, 12. Aufl., § 26 Rdnr. 16 m. w. Nachw., sowie § 27 Rdnr. 22a). Räumt die Satzung mithin einem Vorstandsmitglied eine bestimmte Vertretungsmacht ein, so spricht sie ihm damit regelmäßig zugleich diejenige Geschäftsführungsbefugnis zu, die mit dieser Vertretung untrennbar verbunden ist. Dies gilt schon deshalb, weil jede Vertretungshandlung (Außenverhältnis) zugleich ohne weiteres eine entsprechende Geschäftsführungsmaßnahme (Innenverhältnis) darstellt. In Ermangelung abweichender Bestimmungen ist nicht anzunehmen, daß die Satzung einem Mitglied des Vorstandes im Innenverhältnis untersagen will, was sie ihm im Außenverhältnis ausdrücklich erlaubt.“

In der Tat scheint sich auf diese Passage eine denkbar umfassende Geschäftsführungsbefugnis des Vereinsvorstands stützen zu lassen. Angesichts der Weite der verwendeten Formulierungen133 ist es für die zutreffende Beurteilung des Urteilsinhalts allerdings besonders wichtig, der konkret zur Entscheidung anstehenden Rechtsfrage und dem dieser zugrunde liegenden Sachverhalt Rechnung zu tragen. So ging es in dem Urteil um die Klage eines Vereins gegen ein ehemaliges, mit Einzelvertretungsmacht ausgestattetes Mitglied seines dreiköpfigen Vorstands, welches zugleich alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH war, die von dem Verein einige wirtschaftliche Tätigkeiten übernommen hatte.134 Das beklagte Vorstandsmitglied hatte namens des Vereins für die GmbH eine Bürg130  s. z. B. HK-BGB/Dörner § 27 Rn. 5; Palandt/Ellenberger § 27 Rn. 4; ähnlich auch OLG Schleswig SpuRt 2007, 74 (dagegen aber ausdrücklich BGH NJW 2008, 1589). 131  s. o., § 6 D.III.3. u. 4. (Stellungnahme unter 4.c)dd)). 132  BGH NJW 1993, 191, 192. 133  s. zur Bedeutung der gleichfalls missverständlichen Aussage, der Vorstand habe die Geschäfte „eigenverantwortlich“ zu führen, bereits oben, § 7 A.III.2.b). 134  Konkret ging es um die Herausgabe der Vereinszeitschrift und die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen.

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schaftserklärung ohne Rücksprache mit den übrigen Vorstandsmitgliedern abgegeben, obwohl dieses Geschäft wirtschaftlich eine Größenordnung (5000 DM) überschritt, für die ein zuvor gefasster Vorstandsbeschluss die Zeichnung durch ein weiteres Vorstandsmitglied vorsah. Das Berufungsgericht hatte die Schadensersatzklage allein aufgrund dieses Verstoßes gegen die internen Absprachen innerhalb des Vorstands für begründet gehalten. Der Bundesgerichtshof wollte dies nicht genügen lassen.135 Auf diese Konstellation der Entscheidungsfindung im mehrgliedrigen Vorstand bezieht sich die gegebene Begründung. Insofern, also soweit es die Handlungsbefugnisse des einen Vorstandsmitglieds im Verhältnis zu den anderen Vorstandsmitgliedern betrifft, wird gesagt, der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis entspreche grundsätzlich dem Umfang der Vertretungsmacht und umgekehrt. Inhaltlich nimmt dies Bezug auf die seit langem diskutierte Frage, ob ein Verein mit mehrgliedrigem Vorstand bei der Aktivvertretung durch sämtliche Vorstandsmitglieder vertreten werden muss, oder ob er auch lediglich durch eine Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten werden kann. Bis zum Jahr 2009136 existierte mit § 28 Abs. 1 BGB a.F. (heute § 28 BGB) lediglich eine Vorschrift, die das Mehrheitsprinzip für die Beschlussfassung im Innenverhältnis anordnete. Die h.L. übertrug dies jedoch auch auf das Außenverhältnis und gelangte so zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Vorstandsmitglieder den Verein auch vertreten können müsse,137 so wie es heute der gesetzlichen Regelung entspricht (§ 26 Abs. 2 S. 1 BGB). Diesen für die Gesetzesauslegung etablierten Zusammenhang aktiviert der Bundesgerichtshof mit umgekehrter Stoßrichtung für die Satzungsauslegung und schließt von der dort eingeräumten Einzelvertretungsmacht auf die Entscheidungsfindung im Innenverhältnis zurück:138 „Stattet die Satzung ein Vorstandsmitglied mit Einzelvertretungsmacht aus, so ist deshalb im allgemeinen davon auszugehen, dass dieses auch im Innenverhältnis gegenüber dem Verein unabhängig von einer vorigen Zustimmung anderer Vorstandsmitglieder oder einer Mehrheit des Vorstandes zur Ausführung der entsprechenden Vertretungshandlung berechtigt sein soll. Der Grundsatz, dass § 28 I BGB nicht anwendbar ist, wenn die Satzung Einzelvertretungsmacht vorsieht, hat Gültigkeit nicht nur für das Außenverhältnis […], sondern auch im Innenverhältnis zum Verein […].“

Versteht man die Satzung in diesem Sinn als Verpflichtung auf den Grundsatz der Individualverantwortung, dann erscheint der Vorstandsbeschluss, der oberhalb von 135  Zur Feststellung, ob die Bürgschaftsübernahme unter anderen Gesichtspunkten eine Pflichtverletzung darstellen könnte, hat der Bundesgerichtshof die Sache an die Vorinstanzen zurückverwiesen, s. BGH NJW 1993, 191, 193. 136  s. zu den 2009 in Kraft getretenen Änderungen des Vereinsrechts (Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer Vereinsrechtlicher Änderungen (BGBl I 2009, 3145) sowie das Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen (BGBl I 2009, 3161) überblicksweise Terner, DNotZ 2010, 5 ff., sowie speziell in Bezug auf die hier angesprochene Thematik 11 f. 137  s. Soergel/Hadding § 26 Rn. 16; K. Schmidt, GesR, § 24 III 2 b (S. 688); Staudinger/ Weick § 26 Rn. 12; s.a. MünchKomm/Reuter (6. Aufl.) § 26 Rn. 16 f. 138  s. BGH NJW 1993, 191, 192.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

5000 DM zur Kollektivverantwortung zurückzukehren sucht, als eine durch die Satzung nicht gedeckte und damit unbeachtliche Selbstbeschränkung, die folglich auch nicht per se zur Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns führen kann.139 Dem mag man für die entschiedene Konstellation folgen. Treffender und weniger missverständlich wäre es allerdings gewesen, anstelle des Begriffs des Umfangs der Vertretungsmacht und der Geschäftsführungsbefugnis mit anderen Begriffen zu operieren, etwa von der Art der Vertretungs- und Geschäftsführungsregelung oder ihrer personellen Ausgestaltung zu sprechen. Denn mit dem „Umfang“ der Vertretungsmacht verbindet man in erster Linie nicht ihre personelle Ausgestaltung (Einzel-, Mehrheits- oder Gesamtvertretungsmacht), sondern ganz allgemein die Grenzen der Rechtsmacht, über die der Vorstand als Vertretungsorgan des Vereins im Außenverhältnis verfügt, d.h. den sachlichen Umfang der Vertretungsmacht. Auf ganz ähnliche Weise assoziiert man mit dem Umfang der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands den sachlichen Umfang und nicht die personelle Ausgestaltung (Einzel-, Mehrheitsoder Gesamtgeschäftsführung). Der sachliche Umfang von Vertretungsmacht oder Geschäftsführungsbefugnis stand in dem Urteil aber gar nicht zur Debatte. Dies ist auch allen Stellungnahmen in der Literatur entgegenzuhalten, die das Urteil für die allgemein gefasste These mit Beschlag belegen, der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands entspreche (im Zweifel) seiner Vertretungsbefugnis. Auch der Bundesgerichtshof selbst hat inzwischen die Notwendigkeit erkennen müssen, einer solchen Fehldeutung seiner Judikatur entgegenzuwirken.140 Im Übrigen bleibt darauf hinzuweisen, dass auch der Schluss von der Art der Vertretungsregelung auf die Art der Regelung der Geschäftsführungsbefugnis nicht überhöht werden sollte. Es bestehen prinzipielle Einwände dagegen, Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht unbefangen gleichzuschalten. Natürlich lässt sich sagen, dass jede Vertretungshandlung zugleich eine Geschäftsführungsmaßnahme darstellt,141 weil der Begriff der Geschäftsführung rechtsgeschäftliches und tatsächliches Handeln umfasst. Dies ändert aber nichts daran, dass mit den Begriffen der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht funktionell ganz unterschiedliche Fragestellungen aufgeworfen werden,142 die unterschiedlich 139 

BGH NJW 1993, 191, 192. OLG Schleswig SpuRt 2007, 74, das unter Berufung auf BGH NJW 1993, 191 die These aufstellt, bei Abschluss eines durch die Vertretungsmacht des Vorstands gedeckten Rechtsgeschäfts gelte die Vermutung, dass er im Innenverhältnis hierzu auch berechtigt sei. Die Revisionsinstanz BGH NJW 2008, 1589, 1590 hält diesen Schluss für schon „im Ansatz verfehlt“ und sieht ihn auch nicht durch seine Rechtsprechung in BGH 1993, 191 gedeckt: „Der Senat hat in der genannten Entscheidung lediglich ausgeführt, dass ein pflichtwidriges, zum Schadensersatz verpflichtendes Handeln eines Vorstandsmitglieds eines eingetragenen Vereins nicht bereits darin liegt, dass es für den Verein im Rahmen seiner satzungsmäßigen Einzelvertretungsmacht ein Rechtsgeschäft abschließt, wenn es dabei einem internen, in der Satzung nicht vorgesehenen Vorstandsbeschluss zuwiderhandelt.“ 141  So BGH NJW 1993, 191, 192, im Anschluss an die im Urteil zitierte Stellungnahme von Soergel/Hadding (12. Aufl.) § 26 Rn. 16. 142 Vgl. Wiedemann, GesR I, § 10 II 1 (S. 525). 140  Vgl.

A.  Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein

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beantwortet werden können und die in vielen Zusammenhängen auch unterschiedlich beantwortet werden müssen. So lässt sich selbst für die vom Bundesgerichtshof entschiedene Konstellation – d.h. nur für die These vom Gleichlauf der personellen Ausgestaltung von Geschäftsführung und Vertretung – zeigen, dass es nicht uneingeschränkt möglich ist, von der Einzelvertretungsmacht auf ein „Prinzip der Individualverantwortung“ zu schließen und dieses dann auch im Innenverhältnis verlustfrei zur Geltung zu bringen. Insoweit begründet die Ausgestaltung des Vorstands als Kollegialorgan auch für das zur Einzelvertretung befugte Vorstandsmitglied Bindungen im Innenverhältnis, für die es auf der Ebene der Vertretungsmacht keine Entsprechung gibt. Auch hier wirkt eine verbandsrechtliche Umschau erhellend. Für die Aktiengesellschaft ist etwa das Prinzip der Gesamtverantwortung anerkannt, das seine Bedeutung gerade auch dann entfaltet, wenn Satzung oder Geschäftsordnung vom Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung abweichen, § 77 Abs. 1 S. 1, 2 AktG.143 Nach diesem Grundsatz besteht vereinfacht gesagt auch dann, wenn Satzung oder Geschäftsordnung allgemein oder ressortweise Einzelgeschäftsführungsbefugnis vorsehen, eine allgemeine Kontrollpflicht gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern, die sich in Informationsansprüchen einerseits und der Pflicht zur unaufgeforderten Unterrichtung über wesentliche Vorgänge andererseits niederschlägt, und die von einem Interventionsrecht der kontrollverpflichteten Vorstandsmitglieder begleitet wird.144 In ähnlicher Weise ist der Grundsatz der Gesamtverantwortung auch für die GmbH anerkannt.145 Im Recht der Personenhandelsgesellschaften bildet das Widerspruchsrecht des § 115 Abs. 1 Hs. 2 HGB als Grenze der Einzelgeschäftsführungsbefugnis ein funktionales Äquivalent.146 Dass man diesen verbandsrechtlichen Befund für das Vereinsrecht nicht völlig ausblenden kann,147 sieht auch der Bundesgerichtshof selbst, ohne dass er daraus für den konkreten Fall aber weitere Konsequenzen ziehen muss.148 Zusammenfassend lässt sich damit festhalten: Ist ein Vorstandsmitglied für die Vertre143  s. zum Grundsatz der Gesamtverantwortung etwa Fleischer, NZG 2003, 449; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506 ff. 144  s. zusammenfassend Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512. 145  s. allgemein Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 507; ausführlich Peters, GmbHR 2008, 682 ff.; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 31, § 43 Rn. 35 ff. 146  s. zu dieser Norm bereits oben, § 6 D.III.4.b); für die GbR vgl. die Regelung des § 711 BGB. 147 s. für die Anerkennung des Grundsatzes der Gesamtverantwortung auch im Vereinsrecht etwa Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 507; Reichert, VereinsR, Rn. 2617 f.; MünchKomm/Arnold § 27 Rn. 41; Unger, NJW 2009, 3270, 3271; besonders zwanglos lässt sich dies begründen, wenn man das Prinzip der Gesamtverantwortung mit Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 507 rechtsformunabhängig aus der Besetzung von Kollegialorganen mit gleichberechtigten Mitgliedern ableitet; s.a. Grunewald, GesR, § 8 A Rn. 33 a.E.: jedes Vorstandsmitglied trifft eine generelle Kontrollpflicht hinsichtlich aller maßgeblichen Vereinsaktivitäten. 148  s. BGH NJW 1993, 191, 192, mit der Begründung, dass jedenfalls der konkret in Rede stehende Beschluss (generell Einzelgeschäftsführung nur noch für Geschäfte mit geringfügiger wirtschaftlicher Bedeutung) eine zu weitgehende Beschränkung bedeutet, die

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tung des Vereins nicht an die Mitwirkung seiner Vorstandskollegen gebunden, bedeutet dies keineswegs zwingend, dass es im Innenverhältnis über eine identische Bindungsfreiheit verfügt. Hier ist es vielmehr dazu angehalten, bei bedeutsamen Angelegenheiten149 die übrigen Vorstandsmitglieder von seinem Vorhaben zu informieren und ihnen damit Gelegenheit zu geben, ihrer Gesamtverantwortung gerecht zu werden.150 Weitergehende Schlüsse, insbesondere solche vom sachlichen Umfang der Vertretungsmacht auf den sachlichen Umfang der Geschäftsführungsbefugnis, sind der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu entnehmen. b)  Anderweitige Gründe für den Schluss von der Vertretungs- auf die Geschäftsführungsbefugnis? Sind schon für die Ordnung der Entscheidungskompetenzen innerhalb des Vorstands als Kollektivorgan Rückschlüsse aus der personellen Ausgestaltung der Vertretungsregelung nur in Grenzen möglich, gilt dies erst Recht, wenn aus dem sachlichen Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands als Vereinsorgan auf den sachlichen Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnis und damit auf die Kompetenzabgrenzung zur Mitgliederversammlung zurückgeschlossen werden soll. Insbesondere lassen sich derartige Schlüsse im gesetzlichen Normalfall nicht auf die Regelungsintention einer Satzungsklausel stützten, weil dem Vorstand schon nach dem gesetzlichen Ausgangspunkt in sachlicher Hinsicht unbeschränkte Vertretungsmacht zukommt. Die zu klärende Frage lautet damit, ob die dem Vereinsvorstand gesetzlich eingeräumte unbeschränkte Vertretungsmacht bedeuten soll, dass ihm im Zweifel auch eine unbeschränkte Geschäftsführungsbefugnis zukommt. Die Frage zu stellen heißt aber im Grunde schon, sie zu verneinen. Die klare funktionelle Trennung zwischen Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht im deutschen Verbandsrecht ermöglicht es, den Umfang der Rechtsmacht des Vertretungsorgans im Verkehrsinteresse selbständig festzulegen und damit von den im Innenverhältnis geltenden Beschränkungen abzulösen. Wo dies geschehen ist, lässt sich auch bei Annahme eines Widerspruchrechts der übrigen Vorstandsmitglieder nicht rechtfertigen ließe. 149  Dazu wird man gerade Rechtsgeschäfte rechnen können, wie sie in BGH NJW 1993, 191 in Rede standen, also z. B. riskante Rechtsgeschäfte wie die Übernahme von Bürgschaften, wenn das Risiko nicht in geeigneter Weise beschränkt wird, ebenso wie solche Rechtsgeschäfte, die die Gefahr von Interessenkonflikten begründen (Übernahme einer Bürgschaft für eine Gesellschaft, deren Alleingesellschafter das Vorstandsmitglied ist). 150  Haben sie Zweifel an der Durchführung der Maßnahme, erscheint es denkbar, ihnen ein Widerspruchsrecht in Anlehnung an §§ 115 Abs. 1 HGB, 711 BGB einzuräumen (dazu tendiert BGH NJW 1993, 191, 192); dies wird auch für das GmbH-Recht vertreten: s. etwa Peters, GmbHR 2008, 682, 685; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 30 m.w.N. Alternativ könnte man ihnen das Recht gewähren, die Angelegenheit einer Mehrheitsentscheidung des Vorstands nach § 28 BGB zuzuführen, was näher an der vereinsrechtlichen Systematik bliebe: so für den Fall der Ressortgeschäftsführung Reichert, VereinsR, Rn. 2617; ähnlich zum Aktienrecht Fleischer, in: Fleischer, VorstandsR, § 8 Rn. 24.

A.  Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein

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sich nicht mehr sinnvoll vom Umfang der Vertretungsmacht auf den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis zurückschließen. Voll verwirklicht ist diese Ablösung im Recht der Handelsgesellschaften, deren Vertretungsorgane das Gesetz nicht nur mit unbeschränkter, sondern sogar mit unbeschränkbarer Vertretungsmacht ausstattet. Nimmt man die einzelnen Gesellschaftsformen in den Blick, dann zeigt sich, dass Diskrepanzen zwischen Innen- und Außenkompetenz überall bestehen, die jedoch in unterschiedlichem Umfang akut werden. Überall können Satzung oder Gesellschaftsvertrag durch die Festlegung des Unternehmensgegenstandes Grenzen für die Geschäftsführungsbefugnis des Leitungsorgans festlegen. Bei GmbH und Personenhandelsgesellschaften kann das Statut die Geschäftsführung auch noch innerhalb des Unternehmensgegenstandes regulieren. Hinzu kommt die Möglichkeit der Bindung durch ad hoc erteilte Weisungen des Mitgliederorgans.151 Für die Geschäftsführung des AG-Vorstands kommt als weitere Begrenzung der Geschäftsführungsbefugnis dagegen allein ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG in Betracht. Dieses differenzierte Bild setzt sich fort, wenn man von den Beschränkungsmöglichkeiten durch Satzung, Gesellschafter- oder Aufsichtsratsbeschluss einmal absieht, und nur nach den Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis fragt, die schon im Gesetz selbst angelegt sind. Für die Personenhandelsgesellschaften und die GmbH sind insoweit die Grenzen zu verzeichnen, die sich im Bereich der außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen für erstere aus § 116 Abs. 2 HGB und für letztere aus dem Hierarchieprinzip und ergänzend aus § 49 Abs. 2 GmbHG ergeben,152 während das Aktienrecht einer vergleichbaren Kompetenzbeschränkung des AG-Vorstands eine bewusste Absage erteilt hat. Der Verein unterscheidet sich von den Handelsgesellschaften nun insoweit, als hier die Vertretungsmacht im Ausgangspunkt zwar unbeschränkt, aber eben nicht als unbeschränkbar ausgestaltet worden ist. Die Verselbständigung der Vertretungsmacht im Verkehrsinteresse ist also nicht mit der gleichen Konsequenz durchgeführt. Macht die Satzung nun von der Beschränkungsmöglichkeit Gebrauch, so lässt sich durchaus darauf schließen, dass dadurch auch der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands Grenzen gesetzt sein sollen: Was der Vorstand nicht können soll, soll er auch nicht dürfen. In die umgekehrte Richtung funktioniert der Schluss dagegen nicht. Das Fehlen einer die Vertretungsmacht beschränkenden Satzungsregelung hat keinen spezifischen Erklärungswert. Dies muss schon deswegen gelten, weil ein solches Fehlen auf ganz verschiedene Gründe zurückzuführen sein kann.153 Ist die Vertretungsmacht des Vorstands durch die Satzung nicht beschränkt, 151  Diese können in der GmbH bis in den Bereich gewöhnlicher Maßnahmen der laufenden Verwaltung hineinspielen, während für die OHG vertreten wird, dass den Geschäftsführern insoweit ein autonomer Entscheidungsbereich zusteht, vgl. oben § 6 D.III.4.b). 152  s. o., § 6 D.III.3. und 4. 153  Sie reichen von der Nachlässigkeit bis zum bewussten Verzicht, der seinerseits ganz unterschiedlich motiviert sein kann und sich ohne weiteres auch mit Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis vereinbaren lässt. Z. B. kann dem Verein daran gelegen sein,

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

gilt für den Verein daher nichts anderes als für die Handelsgesellschaften auch: Aus dem Umfang der Vertretungsmacht ergibt sich kein zwingender Schluss auf den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis. Auch „im Zweifel“, d.h. vorbehaltlich spezifischer Satzungsregelungen oder Weisungen der Mitgliederversammlung, lässt sich nicht sagen, die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands sei ebenso unbeschränkt wie die Vertretungsmacht. Die Vertretungsmacht ist dafür, wie der Vergleich mit den unterschiedlichen Lösungen des Aktien-, GmbH- und Personenhandelsgesellschaftsrechts zeigt, schlicht kein geeigneter Indikator. Maßgeblich ist vielmehr die gesetzliche Ausgestaltung des Innenverhältnisses einschließlich ihrer gebotenen Fortbildung. Dafür stehen aber, wie der Vergleich mit den Handelsgesellschaften ebenfalls zeigt, ganz unterschiedliche Regelungsmöglichkeiten zur Verfügung. 3.  Ungeschriebene Einbeziehungsansprüche der Mitgliederversammlung bei qualifizierten Geschäftsführungsmaßnahmen Da es im Vereinsrecht einerseits an einer ausdrücklichen Vorschrift wie § 116 HGB fehlt, andererseits aber auch keinerlei Anstalten getroffen worden sind, eine genau abgegrenzte und strikt ausgeführte Zuständigkeitsordnung zu schaffen, wie sie für das Aktienrecht nach 1937 prägend geworden ist, rückt für die weitere Untersuchung die Frage in den Mittelpunkt, ob sich eine Parallele zur differenzierten Position des GmbH-Rechts begründen lässt. Dabei soll – um Missverständnisse von vornherein zu vermeiden – keine Analogie zum GmbH-Recht zur Diskussion gestellt werden; vielmehr geht es um die Frage, ob die für das GmbH-Recht ermittelten Ergebnisse auch im Vereinsrecht eine (selbständige) Grundlage haben. Unbeschadet des Umstands, dass Vereine und Gesellschaften mit beschränkter Haftung eine andere Realtypik aufweisen, legen dies die Parallelen in der rechtlichen Ausgestaltung der Binnenordnung der beiden Korporationsformen allerdings grundsätzlich nahe. a)  Historische Verbindungslinien zum GmbH- und Aktienrecht In historischer Hinsicht ist zunächst aufschlussreich, dass die 2. Kommission mit der in § 36 Fall 2 BGB geregelten Pflicht, die Mitgliederversammlung immer dann einzuberufen, wenn es das Vereinsinteresse erfordert, ausdrücklich den Anschluss an den zeitgenössischen Stand der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung gesucht hat, und zwar gerade auch unter Einbeziehung des Aktienrechts und des Entwurfs zum GmbHG.154 Wie für den Entwurf zum GmbHG selbst155 muss allerdings berücksichtigt werden, dass diese verbandsrechtliche Anleihe zu einem aus Flexibilitätsgründen Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis, etwa in Form eines Zustimmungsvorbehalts der Mitgliederversammlung, nicht auf die Vertretungsmacht durchschlagen zu lassen. 154  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 624 f., dazu auch bereits oben, § 3 B.III. 155  s. dazu bereits oben, § 6 D.III.4.a).

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Zeitpunkt erfolgte, zu dem die Parallelvorschriften noch das von Staub in seinem Gutachten für den 27. Deutschen Juristentag skizzierte „beschauliche Dasein“ führten.156 Das gesteigerte Bewusstsein für das Potential und die Probleme einer solchen Vorschrift, welches sich in einem nennenswerten Umfang erst nach den Reichsgerichtsentscheidungen Grubeneisenbahn und Melasse entwickelte, kann man der Kommission also nicht unterstellen.157 Immerhin lässt sich aber festhalten, dass ein Ansatzpunkt für die rechtsformübergreifende Auslegung von § 36 BGB, § 49 Abs. 2 GmbHG und die entsprechenden Vorschriften des Aktienrechts vor der Neufassung von 1937 bereits durch die historische Regelungsintention des Gesetzgebers verbürgt ist. Dem entspricht es, dass die Diskussion, die sich nach den genannten Reichsgerichtsentscheidungen entwickelte, zwar in vielen Äußerungen durch eine spezifisch aktienrechtliche Perspektive geprägt war, es aber auch nicht an Hinweisen auf die rechtsformübergreifenden Aspekte der Problematik fehlte.158 Staub etwa plädiert von vornherein für die gleichsinnige Auslegung von Art. 236 Abs. 2 ADHGB (§ 253 Abs. 2 HGB 1897) und § 49 Abs. 2 GmbHG und bringt seinen zu der aktienrechtlichen Judikatur entwickelten Standpunkt umstandslos und ohne weitere Thematisierung des Rechtsformunterschieds auch in seiner Kommentierung zum GmbH-Gesetz zum Einsatz.159 Noch stärker ausgeprägt ist der verbandsrechtliche Ansatz bei Lehmann, der immer wieder auf die verbandsrechtliche Qualität der Problematik hinweist und dabei auch auf § 36 BGB Bezug nimmt.160 In historischer Hinsicht ist damit der Boden dafür bereitet, die ursprünglich zum Aktienrecht entwickelten Vorlagepflichten für herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen, die von dort aus ihren Weg in das GmbH-Recht gefunden haben,161 auch in das Vereinsrecht zu übertragen.162 b) Rechtsprechung Einschlägige Rechtsprechung, die sich zu der hier aufgeworfenen Fragestellung positioniert, ist, soweit ersichtlich, nicht vorhanden. Die Frage scheint bislang nicht Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 81; dazu auch bereits oben, § 5 E.I.1.b). Entscheidungen des Reichsgerichts datieren auf den 28. 05. 1895 (Grubenbahn) sowie den 03. 05. 1902 (Melasse); erst im Anschluss an die zweite Entscheidung gewinnt die Diskussion entscheidend an Fahrt: vgl. bereits oben, § 5 E.I.1.b). Die Arbeiten der 2. Kommission am Allgemeinen Teil sind dagegen fast vollständig schon im Jahr 1892 beendet: vgl. zur zeitlichen Befassung der 2. Kommission mit dem AT die Angaben bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. XVI. 158  s. dazu bereits oben, § 5 E.I.1.b). 159 Vgl. Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 88; ders., GmbHG (1903), § 49 Anm. 6. 160 Vgl. Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 64, 79; s.a. ders., Diskussionsbericht, Verhandlungen 27. DJT, Bd. IV, S. 187; ders., DJZ 1904, 961, 962; dem folgend z. B. Wenck, Einberufung, S. 116 f. 161  s. dazu bereits oben, § 6 D.III.4.a). 162 s.a. v. Tuhr, AT BGB, Bd. 1, § 36 I 2 (S. 507); dazu noch sogleich im Text, § 7 A.IV.3.c)bb). 156 s.

157  Die

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relevant geworden oder für relevant gehalten worden zu sein. Anlass für eine Erörterung des Fragenkreises hätte die in der Einleitung (§ 1) geschilderte Entscheidung aus dem Jahr 2007163 geboten, was in einigen Stellungnahmen im Schrifttum auch bemerkt worden ist.164 Zwar trifft es zu, dass hinsichtlich der streitgegenständlichen Veräußerung des Vereinsgrundstücks weder ein wirksamer Zustimmungsbeschluss der Mitgliederversammlung noch eine rechtlich verbindliche Ablehnung durch diese vorlag.165 Damit sind mögliche Bindungen des Vorstands im Innenverhältnis aber gerade noch nicht abschließend erörtert, weil sich eben ähnlich wie im GmbH-Recht die Frage stellt, ob die in Frage stehende Maßnahme nicht per se der Einbeziehung der Mitgliederversammlung bedurft hätte. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Urteil denn auch in der Literatur von Grunewald und Terner kritisiert worden.166 Terner stellt sich auf den Standpunkt, eine (qualifizierte) Zustimmung der Mitgliederversammlung wäre unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller-Doktrin zwingend erforderlich gewesen.167 Grunewald bemerkt etwas zurückhaltender lediglich, dass der Vorstand bei Maßnahmen, die für den Verein von „essentieller Bedeutung“ sind, die Mitgliederversammlung wohl doch befragen müsse.168 Diese Aussage legt sich nicht auf einen bestimmten dogmatischen Ansatz fest, scheint tendenziell aber eher auf eine Vorlagepflicht zu zielen, wie sie im GmbH-Recht für herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen diskutiert wird, als auf eine Anknüpfung an die Holzmüller/Gelatine-Doktrin.169 c)  Meinungsstand in der Literatur In der Literatur sind Ausführungen zu der Frage, ob die Befugnisse des Vereinsvorstands in ähnlicher Weise wie diejenigen des GmbH-Geschäftsführers im Bereich herausgehobener Geschäftsführungsmaßnahmen beschränkt sind, rar gesät.170 Die historischen Verbindungslinien dürfen heute als ganz verschüttet gelten.171 163  BGH NJW 2008, 69; das gilt ebenso für die Folgeentscheidung in BGH NZG 2013, 466, die zum Erfordernis eines Beschlusses der Mitgliederversammlung erneut Stellung nimmt, aber allein auf die Frage einer faktischen Satzungsänderung abstellt. 164 s.a. Grunewald, GesR, § 8 Rn. 57; Terner, NJW 2008, 16, 20. 165  BGH NJW 2008, 69, 75. 166 s. Grunewald, GesR, § 8 Rn. 57; Terner, NJW 2008, 16, 20. 167 s. Terner, NJW 2008, 16, 20. 168 s. Grunewald, GesR, § 8 Rn. 57. 169  In diese Richtung auch bereits Grunewald, ZIP 1989, 962, 965. 170 Eine Ausnahme bilden namentlich Segna, Vorstandskontrolle, S. 131 ff., sowie Leusch­ner, Konzernrecht, S. 107 ff.; ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 112 ff.; hinzu treten kursorische Ausführungen in den Kommentierungen zu § 36 BGB, in denen eine gewisse Verwandtschaft zur Diskussion um § 49 Abs. 2 GmbHG anklingt, ohne dass die Parallele aber ausdrücklich aufgenommen würde; s. dazu noch sogleich im Text. 171  Anders noch – im Jahr 1910 – v. Tuhr, AT BGB, Bd. 1, § 36 I 2 (S. 507), der für § 36 BGB auf die Darstellung der aktienrechtlichen Kontroverse um die Reichsgerichtsentschei-

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aa)  Beschränkungen für die Problemerkenntnis Im Übrigen wird der Blick auf die Problematik in zweifacher Weise verstellt. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die bereits geschilderten Formulierungen, die auf den verfehlten Schluss vom Umfang der Vertretungsmacht auf den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis hinauslaufen.172 Wer davon ausgeht, dass die Geschäftsführungsbefugnis dem Umfang der Vertretungsmacht folgt, hat keinen Anlass mehr, sich über inhärente Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis Gedanken zu machen. Andererseits spielt auch die zumindest in einzelnen Facetten für das Vereinsrecht geführte Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin eine Rolle. Bereits im GmbH-Recht hat sich gezeigt, dass die Grenzen zwischen der Kategorie der ungewöhnliche Maßnahmen und der Holzmüller-Doktrin abhängig davon, welches Verständnis dieser Institute man zugrunde legt, verschwimmen können. Geht man auf der Basis eines solchen Vorverständnisses von der Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin in das Vereinsrecht aus, hat auch dies zur Konsequenz, dass sich die Frage nach anderweitigen Schranken der Vorstandskompetenzen gar nicht erst stellt. An der geschilderten Stellungnahme Terners173 zu BGH NJW 2008, 69 wird dies beispielhaft deutlich. Wie im Folgenden näher auszuführen sein wird, ist eine solche nicht hinreichend differenzierende Betrachtungsweise allerdings für das Vereinsrecht ebenso wenig angezeigt wie für das GmbH-Recht. bb)  Kursorische Problemannäherungen Orientiert man sich an der Literatur zum GmbH-Recht, wo über Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis bei ungewöhnlichen oder unter sonstigen Gesichtspunkten herausgehobenen Geschäftsführungsmaßnahmen zumeist im Zusammenhang mit § 37 Abs. 1 GmbHG oder § 49 Abs. 2 GmbHG diskutiert wird, wäre zu erwarten, dass sich im Vereinsrecht eine vergleichbare Diskussion im Zusammenhang mit § 27 Abs. 3, 665 BGB oder § 36 BGB entwickelt hätte. Die Problematik wird jedoch zumeist ganz übersehen. Soweit dies anders ist, bleibt es zumeist bei kursorischen Problemannäherungen.174 Die Kommentarliteratur zu § 27 Abs. 3 BGB liefert überhaupt keine Anhaltspunkte.175 Gesehen wird die Möglichkeit, aus dem Weisungsrecht der Mitgliederversammlung Vorlagepflichten des Vorstands für Maßnahmen abzuleiten, für die dungen Grubenbahn und Melasse im HGB-Kommentar von Staub verweist; dazu sogleich noch näher im Text. 172  s. o., § 7 A.IV.2. 173  s. o., § 7 A.IV.3.b). 174  Eingehender aber Segna, Vorstandskontrolle, S. 131 ff. u. Leuschner, Konzernrecht, S. 107 ff. sowie ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 116 ff., dazu jeweils noch näher sogleich, cc). und dd). 175  s. jetzt aber MünchKomm/Reuter Vor § 21 Rn. 162 lit. f, der (wenn auch ohne jede nähere Diskussion) ausführt, bei außergewöhnlichen Maßnahmen folge eine Vorlagepflicht des Vorstands aus §§ 27 Abs. 3, 666 Alt. 1 BGB.

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sie nach Gesetz oder Satzung nicht exklusiv zuständig ist, aber von Grunewald, die diesen Gedanken allerdings im Rahmen einer primär anderen Fragen gewidmeten Untersuchung lediglich streift und nicht weiter vertieft.176 Grunewald führt insoweit aus: „Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ des Vereins, dem ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand zusteht. Daher ist der Vereinsvorstand verpflichtet, bei für das Vereinsleben bedeutsamen Maßnahmen sowie bei solchen, über die laut Satzung von der Mitgliederversammlung entschieden wird, die Mitgliederversammlung zu befragen. Diese Vorlagepflicht ist, soweit sie sich auf für den Verein wesentliche Geschäfte bezieht, abhängig vom Geschäftsumfang des jeweiligen Vereins […].“177 Dies entspricht der Sachlage, wie nach hier vertretener Auffassung auch auf das GmbH-Recht zutrifft (oben, § 6 D.III.4.). Bei Durchsicht der einschlägigen Literatur zu § 36 BGB zeigt sich zunächst, dass die Frage, wann das Interesse des Vereins die Einberufung der Mitgliederversammlung erfordert, bislang kaum intensiver diskutiert worden ist. Nicht selten findet sich lediglich eine Wiederholung des Normtextes ohne konkretisierende Hinweise.178 Wo konkrete Anwendungsbeispiele gegeben werden, treten die zugrunde liegenden Kriterien nicht immer klar hervor. Im Ausgangspunkt gut nachvollziehbar ist zunächst der Ansatz Haddings, wonach der Einberufungsgrund des Vereinsinteresses immer dann gegeben sein soll, wenn eine für das Vereinsleben grundlegende Entscheidung getroffen werden muss, die in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt.179 Das ist im Grunde nichts anderes als das, was Staub vor mehr als hundert Jahren als den unproblematischen Kern von Art. 236 Abs. 2 ADHGB (§ 253 Abs. 2 HGB 1897) herausgearbeitet hat: Die Einberufung des Mitgliederorgans ist immer dann erforderlich, wenn eine „Maßregel durch das Interesse der Gesellschaft geboten erscheint, zu deren Vornahme die Machtbefugnis180 des Vorstandes nicht ausreicht.“181 Insoweit überzeugt auch das von Hadding und anderen gegebene Beispiel der kurzfristig erforderlichen Satzungsänderung, etwa wenn der Vereinszweck unmöglich wird.182 In die gleiche Kategorie wird man Grunewald, ZIP 1989, 962, 965; s.a. dies., GesR, § 8 Rn. 57. Grunewald, ZIP 1989, 962, 965; ganz ähnlich inzwischen auch Leuschner, Konzernrecht, S. 107 ff.; ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 116. 178  So z. B. Palandt/Ellenberger § 36 Rn. 1; Erman/Westermann § 36 Rn. 1; ohne nähere Erläuterung auch MünchKomm/Arnold § 36 Rn. 1 ff. 179  s. Soergel/Hadding § 36 Rn. 4; ähnlich Bamberger/Roth/Schöpflin § 36 Rn. 4; Stöber/Otto, VereinsR, Rn. 642; s.a. NK-BGB/Heidel/Lochner § 36 Rn. 2. 180  Unter dem Terminus der „Machtbefugnis“ sollte man sinnvoller Weise nicht nur die Rechtsmacht des Vorstands im Außenverhältnis, sondern auch seine Bindungen im Innenverhältnis verstehen. Es kann wegen der gebotenen Rücksicht auf die Kompetenzordnung für die Einberufungspflicht grundsätzlich keinen Unterschied machen, ob der Vorstand eine bestimmte Maßnahme allein nicht vornehmen kann, oder ob er sie nicht vornehmen darf; vgl. so für die GmbH Baumbach/Hueck/Zöllner § 49 Rn. 17. 181  Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 85; s.a. bereits oben, § 5 E.I.1.b). 182  s. Soergel/Hadding § 36 Rn. 4; s.a. Bamberger/Roth/Schöpflin § 36 Rn. 4; Staudinger/Weick § 36 Rn. 2. 176 s.

177 s.

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den gleichfalls häufiger genannten Fall einordnen können, dass in der Person eines Organmitglieds ein wichtiger Grund zur Abberufung vorliegt,183 jedenfalls sofern die Mitgliederversammlung für die Abberufung zuständig ist und ein Zuwarten bis zur nächsten regelmäßigen Mitgliederversammlung nicht angezeigt erscheint. Darüber hinaus meint Hadding, die Mitgliederversammlung sei dann einzuberufen, wenn dem Verein ohne Abhaltung der Versammlung ein Schaden drohe.184 Dabei dürfte es sich aber nicht um eine eigenständige Kategorie handeln, da hier bereits die von Staub aufgestellte Grundregel passt.185 Als ein weiteres Beispiel wird häufiger ein „Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Vereinsorganen“ genannt.186 Auch dies dürfte in dem Sinne zu verstehen sein, dass Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung im Vereinsinteresse aktiviert werden müssen.187 Für die Frage, ob § 36 BGB auch im Vereinsrecht als Anhaltspunkt dafür verstanden werden kann, dass die Befugnisse des Vorstands im Bereich besonders herausgehobener Geschäftsführungsmaßnahmen Grenzen unterliegen können, führen die geschilderten Beispiele allesamt nicht weiter. Sie knüpfen jeweils an feststehende (Allein-)Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung an. Daneben finden sich aber auch Bemerkungen, die mehr in die hier verfolgte Richtung zu deuten scheinen. So nennt Hadding als weitere Kategorie der Einberufungspflicht im Vereinsinteresse den Fall, dass Entscheidungen zu treffen sind, für die „die Mitgliederversammlung zwar nicht zuständig ist, die aber die künftige Entwicklung des Vereins entscheidend beeinflussen können.“188 Diese Aussage zielt offenkundig auf eine Vorlagepflicht für bestimmte, herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen, wirft aber gleich wieder neue Fragen auf. So bleibt insbesondere unklar, zu welchem Zweck die Vorlage erfolgen soll. Ist die Mitgliederversammlung tatsächlich unzuständig, kann es wohl nicht darum gehen, ihre Entscheidungskompetenz zu aktivieren.189 Dagegen spricht denn auch Haddings Bezugnahme 183  Beispiel ebenfalls nach Soergel/Hadding § 36 Rn. 4; ebenso auch Bamberger/Roth/ Schöpflin § 36 Rn. 4. 184  s. Soergel/Hadding § 36 Rn. 4. 185  Ist der Vorstand aufgrund der eigenen Kompetenzen in der Lage, den Schaden abzuwenden, lässt sich nicht sinnvoll davon sprechen, dass ohne die Einberufung der Gesellschafterversammlung ein Schaden drohe. 186 Soergel/Hadding § 36 Rn. 4; Bamberger/Roth/Schöpflin § 36 Rn. 4; Staudinger/ Weick § 36 Rn. 2; vgl. auch bereits Staub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 85. 187  Dies bedeutet: Ein Einberufungsgrund ist nicht gegeben, wenn sich der Streit nicht derart nachteilig auf das Vereinsleben auswirkt, dass bis zur nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung zugewartet werden könnte; wenn das eine Organ das andere abberufen und den Streit selbst erledigen kann; wenn ein besonderes Organ für die Lösung des Zuständigkeitskonflikts bestimmt ist. 188  s. Soergel/Hadding § 36 Rn. 4. 189  Anders könnte dies sein, wenn mit „nicht zuständig“ eine fehlende ausdrücklich geregelte Zuständigkeit gemeint sein sollte, so dass zumindest auf die latente Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung zurückgegriffen werden könnte. Das ist von Hadding aber offenbar nicht gemeint.

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auf eine Stellungnahme K. Müllers, der sich zur Parallelvorschrift des § 44 Abs. 2 GenG190 lediglich im Sinne einer unverbindlichen Anhörung des Mitgliederorgans ausspricht.191 Die rechtliche Basis für eine derartige Anhörungspflicht ohne jeden Bezug zu einer (potentiellen) Entscheidungszuständigkeit der Mitgliederversammlung ist indes im Vereinsrecht ebenso fraglich wie im Genossenschaftsrecht.192 Unabhängig davon trägt die Annahme einer solchen Anhörungspflicht jedenfalls nichts zur Beantwortung der im vorliegenden Zusammenhang eigentlich interessierenden Frage bei, was für den Umgang mit Maßnahmen gilt, für die einerseits die Mitgliederversammlung nicht unzuständig ist, über die sie also jedenfalls im Rahmen ihrer latenten Allzuständigkeit Beschluss fassen könnte, die aber andererseits auch nicht durch eine ausdrückliche Regelung aus der Geschäftsführungskompetenz des Vereinsvorstands herausgenommen sind. Vergleichbare Fragen wie die Stellungnahme Haddings wirft auch die Position von Bernhard Reichert auf, der im Ausgangspunkt ganz ähnlich formuliert, die Mitgliederversammlung sei auch dann einzuberufen, „wenn ihr keine Entscheidungskompetenz zukommt, wenn es sich jedoch um ungewöhnliche und für den Verein wichtige Maßnahmen bzw. Vorkommnisse handelt.“193 Reichert, der als Beispiele den Abschluss eines „auch finanziell bedeutsamen Vertrages“ sowie den Anschluss an oder den Austritt aus einem Verband nennt, scheint dabei aber ebenfalls wohl lediglich eine unverbindliche Anhörung vorzuschweben.194 Interessant ist allerdings eine in diesem Zusammenhang von Reichert in Bezug genommene Literaturfundstelle. Dabei handelt es sich um eine bereits aus dem Jahr 1910 stammende Stellungnahme von Andreas von Tuhr.195 Dieser hält den Vorstand dann für verpflichtet, eine Mitgliederversammlung im Vereinsinteresse einzuberufen, wenn eine „zwar in der Kompetenz des Vorstands liegende, aber ungewöhnliche Hadding, a.a.O., mit Verweis auf K. Müller, GenG, § 44 Rn. 12. Müller, GenG, § 44 Rn. 12: Bei Maßnahmen, die die Entwicklung der Genossenschaft entscheidend beeinflussen sei die Einberufung der Generalversammlung trotz fehlender Entscheidungskompetenz „angemessen, um den Meinungsstand unter den Genossen festzustellen.“ Zur Unverbindlichkeitsthese passt, dass im Genossenschaftsrecht anders als bei § 119 Abs. 2 AktG nicht davon ausgegangen wird, dass der Vorstand an den Beschluss des Mitgliederorgans gebunden ist, wenn er eine in seine Entscheidungskompetenz fallende Maßnahme freiwillig vorlegt: s. Beuthien/Beuthien, GenG, § 27 Rn. 7. 192  Im Genossenschaftsrecht steht dieser Annahme auch die wie im Aktienrecht zwingend ausgestaltete eigenverantwortliche Leitungsmacht des Vorstands (§ 27 Abs. 1 S. 1 GenG) entgegen; die Auffassung von Müller, GenG, § 44 Rn. 12 ist – soweit ersichtlich – denn auch vereinzelt geblieben. 193 s. Reichert, VereinsR, Rn. 1257; unter Bezugnahme auf Reichert auch Sauter/ Schweyer/Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 158 (i.S. einer bloßen Informationspflicht gegenüber der Mitgliederversammlung). 194  Letztlich bleibt Reicherts Position aber doch unklar; womöglich soll es trotz fehlender Zuständigkeit der Mitgliederversammlung und der „an sich“ gegebenen Zuständigkeit des Vorstands doch auf deren Zustimmung ankommen. 195 s. v. Tuhr, AT BGB, Bd. 1, § 36 I 2 (S. 507). 190 s. 191 s.

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und für den Verein wichtige Maßregel“ vorgenommen werden soll. Nun gibt auch diese Formulierung Anlass zu Kritik, soweit von Tuhr sich auf Maßnahmen bezieht, die in der Kompetenz des Vorstands liegen. Denn dies führt unmittelbar zu der bereits von Staub für die AG aufgeworfenen Frage, warum denn dann, wenn der Vorstand aus eigener Kompetenz entscheiden könnte, im Vereinsinteresse die Befragung eines anderen Vereinsorgans erforderlich sein sollte.196 Von Tuhr selbst scheint aber entgegen der womöglich missverständlichen Formulierung davon auszugehen, dass der Vorstand die Angelegenheit gerade nicht selbst entscheiden darf, mag es sich auch um einen Akt der Geschäftsführung handeln, die grundsätzlich – abgesehen von den hier behandelten Schranken – in seinen Zuständigkeitsbereich fällt.197 Dafür spricht neben der Betonung der Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs bei Verletzung der Einberufungspflicht in entscheidender Weise, dass er sich für seine Ansicht ausdrücklich auf die zum Aktienrecht, konkret: zu Art. 236 Abs. 2 ADHGB bzw. § 253 Abs. 2 HGB 1897 geführte Kontroverse stützt und die in Staubs HGB-Kommentar vertretene Position in Bezug nimmt.198 Denn es war gerade Staub, der gezeigt hat, dass sich eine Einberufungspflicht im Interesse der Körperschaft bei Geschäftsführungsmaßnamen nur auf der Basis einer (ungeschriebenen) Beschränkung der Vorstandskompetenzen sinnvoll begründen lässt.199 Das zeigt zugleich, dass von Tuhr zu denjenigen gehört, die sich des rechtsformübergreifenden Charakters der Diskussion um die reichsgerichtlichen Entscheidungen Grubeneisenbahn und Melasse noch bewusst gewesen sind und die dementsprechend § 36 Fall 2 BGB als Anhaltspunkt für Beschränkungen verstehen wollen, denen die Kompetenzen des Vorstands im Bereich der Geschäftsführung auch ohne besondere Regelung in Gesetz oder Statut unterliegen. cc)  Die Position Segnas Zumindest die Parallele zur Diskussion im GmbH-Recht findet Beachtung bei Segna, der sich – soweit ersichtlich – neben Leuschner bislang als einziger mit der hier diskutierten Problematik ausführlicher beschäftigt hat.200 Segna geht dabei davon aus, dass sich § 36 Fall 2 BGB Einberufungspflichten auch dann entnehmen lassen, wenn es um Maßnahmen und Entscheidungen geht, die in den „eigenen ZuStaub, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 80, 85 f. v. Tuhr, a.a.O. 198  v. Tuhr, a.a.O., verweist auf „HGB § 253, Staub, Anm. 4“; womit vermutlich die bereits von Könige, Stranz und Pinner betreute 8. Aufl. 1906 in Bezug genommen ist. Dort wird im Anschluss an eine ausführliche Darstellung der gesamten Kontroverse die Position vertreten, der Vorstand sei verpflichtet, die Generalversammlung einzuberufen, wenn es um Entscheidungen geht, die schon qua Gesetz oder Statut in die Zuständigkeit der Generalversammlung fallen, sowie dann, wenn es sich um die Eingehung ungewöhnlicher Geschäfte handelt. Letztere werden tendenziell im Sinne bestandsgefährdender Maßnahmen oder ganz grundlegender Umwälzungen verstanden. 199  s. dazu ausführlich oben, § 5 E.I.1.b). 200 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 131 ff. 196 Vgl. 197 s.

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ständigkeitsbereich“ des Vorstands fallen.201 Damit soll allerdings gesagt sein, dass der Vorstand die betreffenden Maßnahmen gerade nicht aus eigener Machtvollkommenheit vornehmen darf, sondern sie der Mitgliederversammlung vorlegen muss, an deren daraufhin ergehende Entscheidung er dann gebunden ist. Es geht ihm also nicht lediglich um die Verpflichtung zur Einholung eines Meinungsbildes. Die Rede vom „eigenen Zuständigkeitsbereich“ des Vorstands versteht sich also lediglich als Hinweis darauf, dass sich hier Schranken innerhalb des Bereich der Geschäftsführung aktualisieren, ohne dass dies durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich geregelt wäre. Nicht ausdrücklich thematisiert wird dabei, ob stets ein positiver Beschluss der Mitgliederversammlung eingeholt werden muss, was rechtskonstruktiv auf einen ungeschriebenen Kompetenz- bzw. Zustimmungsvorbehalt hinausliefe, oder ob bereits das Ausbleiben eines ablehnenden Weisungsbeschlusses trotz Vorlage der Maßnahme in der Mitgliederversammlung genügt, was als bloßer Vetovorbehalt zu werten wäre.202 Trotz mehrfacher Bezugnahme auf Zitzmann 203 scheint Segna diese Variante aber gar nicht in seine Überlegungen einzubeziehen, sondern stattdessen mehr oder weniger selbstverständlich von einem positiven Beschlusserfordernis auszugehen.204 Im Ergebnis behandelt er die Konstellation der Vorlagepflichten im „eigenen Zuständigkeitsbereich“ des Vorstands also nicht anders als Vorlagepflichten bei solchen Maßnahmen, die Gesetz oder Satzung ausdrücklich aus der Entscheidungskompetenz des Vorstands herausnehmen. Was den Geltungsgrund der Vorlagepflicht und der dieser zugrunde liegenden Kompetenzbeschränkung angeht, verweist Segna auf die Einflussnahme- und Überwachungsrechte der Mitgliederversammlung und ihre Stellung als „oberstes“ Vereinsor­gan.205 Tatbestandlich hält Segna zunächst nur solche Vorhaben für vorlagepflichtig, die als besonders umfangreich anzusehen sind, weil sie die gesamte Finanzkraft des Vereins beanspruchen oder erhebliche, im Vorhinein nicht abschätzbare Folgekosten nach sich ziehen.206 Eine Vorlagepflicht des Vereinsvorstands für alle „ungewöhnlichen“ Geschäftsführungsmaßnahmen lehnt er hingegen ausdrücklich ab.207 Die dafür angeführten Gründe gleichen dabei denjenigen, die auch in der Literatur zum GmbH-Recht gegen eine Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen angeführt worden sind.208 Gleichwohl erkennt aber Segna, Vorstandskontrolle. S. 133 ff. zur Abgrenzung zwischen Kompetenz-, Zustimmungs- und Vetovorbehalt oben, § 6 D.III.3.b)aa) und 4.c)aa)–cc). 203  Zitzmann spricht sich für die GmbH für einen bloßen Vetovorbehalt aus: s. dazu ausführlich oben § 6 D.III.3.c)aa). 204  s. insbesondere Segna, Vorstandskontrolle, S. 135: Entscheidung über erfasste Maßnahmen gehört in die Hände der Mitgliederversammlung. 205 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 133. 206 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 134. 207 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 135 f. 208  s. dazu bereits oben, § 6 D.III.3.c)cc) und 4.c)ff); doch kann das auch im Vereinsrecht nicht überzeugen; s. dazu noch sogleich im Rahmen der Stellungnahme. 201 s.

202  s.

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auch Segna neben der bereits erwähnten Kategorie finanziell besonders belastender Maßnahmen noch eine umfassendere, generalklauselartig umschriebene Kategorie vorlagepflichtiger Maßnahmen an. Diese soll alle diejenigen Maßnahmen erfassen, bei denen „sich dem Vorstand ernsthafte Zweifel aufdrängen müssen, dass die Mitglieder ihm die fragliche Angelegenheit zur eigenverantwortlichen Entscheidung überlassen wollen.“209 Wie dieser Maßstab zu konkretisieren sein soll, sagt Segna allerdings nicht.210 Auch bleibt unklar, wie sich diese zweite Kategorie zur ersten verhält. Der Umstand, dass Segna für die Begründung dieser zweiten Kategorie neu ansetzt, scheint dafür zu sprechen, dass ihm ein selbständiger Geltungsgrund vorschwebt. Segna bezieht sich insoweit auf die aus §§ 27 Abs. 3, 665 BGB abgeleitete Überlegung, der Vorstand dürfe sich nicht über den mutmaßlichen Willen der Mitgliederversammlung hinwegsetzen.211 Dies führe zunächst zu einer Vorlagepflicht für alle solchen Maßnahmen, die dem mutmaßlichen Willen der Mitglieder widersprechen und sei konsequenterweise dahin fortzuführen, „eine Zustimmungsbedürftigkeit auch dann zu bejahen, wenn sich dem Vorstand ernsthafte Zweifel aufdrängen müssen, dass die Mitglieder ihm die fragliche Angelegenheit zur eigenverantwortlichen Entscheidung überlassen wollen.“212 dd)  Die Position Leuschners Die Position Leuschners liegt im Grundansatz auf der Linie, wie sie nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht der Rechtslage im GmbH-Recht entspricht und wie sie ganz ähnlich für den Verein auch schon von Grunewald formuliert worden ist.213 So spricht sich auch Leuschner unter Hinweis auf die Parallele zum GmbH-Recht dafür aus, zur Absicherung des Weisungsrechts der Mitgliederversammlung von einer Vorlagepflicht des Vorstands bei bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen auszugehen, die nicht in eine ihrer exklusiven Zuständigkeiten fallen, sondern auf die sie lediglich im Wege eines Weisungsbeschlusses zugreifen kann.214 Rechtskonstruktiv dürfte Leuschners Position dem entsprechen, was in dieser Arbeit als Vetovorbehalt bezeichnet wird,215 geht er doch im Grundsatz davon aus, dass es genau genommen gar keines Zustimmungsbeschlusses bedürfe, weil die Mitgliederversammlung z. B. auch eine Sachentscheidung verweigern könne, Segna, Vorstandskontrolle, S. 137. Segna, a.a.O., beschränkt sich auf den Hinweis, dass der Umfang der Vorlagepflichten maßgeblich von der Realstruktur des Vereins und von den dem Vorstand belassenen Freiheiten abhängt. 211 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 137. 212 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 137. 213 s. Grunewald, ZIP 1989, 962, 965 sowie bereits soeben, bb). 214 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 107 ff.; s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 116. 215  s. zur Abgrenzung zwischen Kompetenz-, Zustimmungs- und Vetovorbehalt oben, § 6 D.III.3.b)aa) und 4.c)aa)–cc). 209 s. 210 

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wenn sie dem Vorstand das Haftungsrisiko nicht abnehmen möchte.216 Nicht in jeder Hinsicht konsequent erscheint insoweit aber die Aussage, wenn die Mitgliederversammlung in der Sache entscheide und die einfache Mehrheit (gemeint ist: für die Durchführung der Maßnahme) verfehlt werde, stehe dies einer negativen Weisung gleich und verbiete dem Vorstand die Durchführung der Maßnahme.217 Denn auch im Falle einer Pattsituation wird die einfache Mehrheit für die Maßnahme verfehlt. Dieser Fall lässt sich mit einer negativen Weisung aber deswegen nicht gleichsetzen, weil in dem betreffenden Fall auch feststeht, dass ein die Maßnahme untersagender Weisungsbeschluss keine Mehrheit gefunden hätte. Allein darauf kann es für die (folglich zu verneinende) Bindung des Vorstands aber ankommen, wenn man nicht von einem Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalt ausgeht, sondern der Mitgliederversammlung lediglich Gelegenheit geben möchte, ihre übergeordneten Entscheidungsbefugnisse gegenüber abweichenden Vorstellungen der Verwaltung durchzusetzen. Für den Verein ist das allerdings eine etwas spitzfindige Differenzierung, die anders als bei der GmbH praktisch nur selten relevant werden wird.218 Im Hinblick auf den Maßstab der Vorlagepflicht spricht sich Leuschner gegen die im GmbH-Recht verbreitete (und auch in dieser Arbeit verfolgte) Anknüpfung an den Begriff der ungewöhnlichen Maßnahme aus und möchte stattdessen im Anschluss an Segna auf den mutmaßlichen Willen der Mitglieder als maßgebliches Kriterium abstellen. Eine Vorlagepflicht soll danach dann bestehen, wenn zu erwarten ist, dass die Mitgliederversammlung die betreffende Entscheidung durch Ausübung des Weisungsrechts selbst treffen möchte, wobei der mutmaßliche Wille „typisierend anhand der objektiven Auswirkungen der infrage stehenden Maßnahmen auf das einzelne Mitglied zu ermitteln“ sei.219 d) Stellungnahme Im Rahmen der Stellungnahme wird einleitend zu zeigen sein, dass auch im Vereinsrecht eine normative Basis für die Begründung ungeschriebener Schranken der Verwaltungskompetenzen im Bereich der allgemeinen Geschäftsführung existiert (aa)). Daran schließt sich die Frage nach der rechtskonstruktiven Ausgestaltung dieser Schranke (bb)) sowie ihren tatbestandlichen Voraussetzungen an (cc)). Für zahlreiche Einzelheiten wird dabei auf die zum GmbH-Recht gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden können.

Leuschner, Konzernrecht, S. 117. Leuschner, Konzernrecht, S. 117. 218  s. auch noch sogleich, § 7 A.IV.3.c)dd). 219 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 111 f.; s. zur Auffassung Segnas, der neben dem mutmaßlichen Mitgliederwillen allerdings auch noch auf andere Kriterien abstellt, bereits oben, cc). 216 s. 217 s.

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aa)  Zum „ob“ einer Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis Soweit sich einige Stimmen in der historischen Diskussion nach den Gruben­ eisenbahn- und Melasse-Entscheidungen für die Auslegung des Aktienrechts unmittelbar auf Regelungen des frisch in Kraft getretenen BGB berufen wollten (namentlich §§ 27 Abs. 3 i.V.m. 664 ff. BGB),220 musste dies stets von systematischen Zweifeln begleitet sein. Denn es spricht wenig dafür, dass der BGB-Gesetzgeber mit den vereinsrechtlichen Vorschriften tatsächlich beabsichtigte, regelnd in den Bestand des Aktienrechts einzugreifen.221 Dies hindert aber natürlich nicht daran, rechtsformübergreifende Problemlagen zu identifizieren und auch im (historischen) Aktienrecht einen Grundsatz verwirklicht zu sehen, den der Gesetzgeber an anderer Stelle nur deutlicher ausgesprochen hat. Erst recht ist es möglich, die Erkenntnisse, die im Rahmen der historischen Diskussion unmittelbar für das BGB-Vereinsrecht selbst gewonnen worden sind oder die doch auf dieses übertragbar erscheinen, auch für das heutige Verständnis des Vereinsrechts fruchtbar zu machen. Insoweit ist als weiterführend festzuhalten, dass der Ausgestaltung der Position, die der Vorstand im Gesamtgefüge des Vereins im Verhältnis zur Mitgliederversammlung einnimmt, entscheidende Bedeutung zukommt. Demgegenüber tritt die Bedeutung der in § 36 Fall 2 normierte Pflicht, die Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn das Interesse des Vereins es erfordert, in den Hintergrund. Sie ist nur von sekundärer Bedeutung. Der über die Zeitachse durchgeführte Rechtsformvergleich zeigt dies plastisch: Im Aktienrecht haben die Änderungen der Aktienrechtsreform von 1937 die Machtverhältnisse zugunsten des Vorstands verschoben und die Mitwirkung der Hauptversammlung topisch beschränkt.222 Ein generalklauselartig umschriebener Mitwirkungsanspruch der Hauptversammlung bei herausgehobenen Geschäftsführungsmaßnahmen war danach nicht mehr zu begründen, weil diesem Anspruch die materiell-rechtliche Basis entzogen war, die sich aus der latenten Allzuständigkeit der Generalversammlung ergab.223 Aus dieser Perspektive ist die zusätzliche Beseitigung der gesetzlich geregelten Pflicht, die Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Gesellschaftsinteresse dies erfordert, ein überflüssiger Akt gewesen, der in erster Linie als Reaktion darauf zu erklären ist, dass die eigenständige Bedeutung der entsprechenden Vorschriften des alten Aktienrechtes in der Rechtsprechung des Reichsgerichts auf unzutreffende Weise überbetont worden ist. Konsequenter Weise hat denn auch die Wiedereinführung einer vergleichbaren Regelung durch § 121 Abs. 1 Fall 2 AktG 1965 nicht zu einer Rückanknüpfung an den zum alten Aktienrecht erreichten Entwicklungsstand geführt.224 Demgegenüber war der Transfer der alten aktienrechtlichen Doktrin in Vgl. namentlich Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 64, 67 ff. s. dazu und allgemein zur zeitgenössischen Diskussion um das Verhältnis des BGB zum Aktienrecht Schubel, Verbandssouveränität, S. 542 ff. 222  s. o., § 5 E.I.2. 223  s. o., § 5 E.I.2.a). 224  s. dazu bereits oben, § 5 E.I.2.a). 220  221 

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das GmbH-Recht gut begründbar und ist es nach wie vor, weil sich dort an den Grundlagen der Machtverteilung zwischen Mitgliederorgan und Verwaltung bis heute nichts geändert hat. Blickt man nun vor diesem Hintergrund auf die Machtverteilung zwischen Vorstand und Mitgliederversammlung im Vereinsrecht, dann zeigt sich: Im gesetzlichen Ausgangsfall ist dem Vorstand des BGB-Vereins die Rolle eines nach auftragsrechtlichen Grundsätzen tätigen Verwalters fremder Interessen zugewiesen, der innerhalb des Organgefüges gegenüber der Mitgliederversammlung auf einer nachgeordneten Hierarchiestufe steht. Er darf die Geschäfte des Vereins im Ausgangspunkt zwar grundsätzlich selbständig führen, doch ist dies eine Freiheit unter Vorbehalt: Sie kann jederzeit durch Weisungen der Mitgliederversammlung eingeschränkt werden, weil es diese ist, die für den Verein in letzter Instanz verbindlich darüber entscheidet, durch welche konkreten Geschäftsführungsmaßnahmen das Verbandsziel verwirklicht werden soll. Wie im alten Aktienrecht und im GmbH-Recht liegt nun die eigentlich schwierige Frage darin, ob aus dieser Ausgestaltung des Innenverhältnisses bereits auf eine Grenze der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands zurückgeschlossen werden kann, die noch innerhalb der ohnehin geltenden Beschränkungen durch den Vereinszweck und -gegenstand verläuft.225 Ebenso wie für das alte Aktienrecht und für das GmbH-Recht wäre es nun auch für den Verein zumindest formal haltbar, wenn man sich auf den Standpunkt stellte, dass die Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands solange allein durch den Vereinsgegenstand begrenzt sind, bis sich die angesprochenen Vorbehalte in konkreten Satzungsregelungen oder Weisungen aktualisieren. Man würde allerdings in Kauf nehmen, dass der Vorstand dann schon im gesetzlichen Regelfall ohne Einbeziehung der Mitgliederversammlung Entscheidungen treffen dürfte, die für den Verein von ganz einschneidender Bedeutung sind, z. B. weil sie seine Ressourcen umfassend und langfristig binden oder weitgehend verbrauchen, weil sie den Verein existentiellen Risiken aussetzen oder weil sie von der bisherigen Art und Weise, den Vereinsgegenstand zu verwirklichen, auf entscheidende Weise abweichen. Es ist leicht zu sehen, dass der Vorstand auf diese Weise auch die Möglichkeit hätte, die übergeordneten Befugnisse der Mitgliederversammlung praktisch auszuhebeln. Es gilt also auch für den Verein, was schon für die GmbH festzustellen war:226 Die originären Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands – also jene Kompetenzen, die er ohne Rückversicherung bei der Mitgliederversammlung wahrnehmen kann – stehen in einem latenten Spannungsverhältnis zur übergeordneten Entscheidungskompetenz der Mitgliederversammlung. Dieses Spannungsverhältnis muss im Grundsatz hingenommen werden. Denn ausgehend von der latenten Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung entfiele es nur dann vollständig, wenn die originären Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands vollständig beseitigt würden, was schon unter funktionalen Gesichtspunkten nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein kann. Umgekehrt führt aber auch die 225  226 

Vgl. bereits Lehmann, Verhandlungen 27. DJT, Bd. I, S. 64, 69. s. dazu bereits oben, § 6 D.III.4.c)dd).

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vollständige Ablehnung inhärenter Schranken der originären Geschäftsführungsbefugnis zu kaum mehr systemgerechten Ergebnissen, weil dann den Wertungen, die aus den grundlegenden Weichenstellungen des Vereinsrechts resultieren, nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Diesem Befund lässt sich auch für das Vereinsrecht nur dadurch sinnvoll Rechnung tragen, dass man für die Bestimmung des Umfangs der originären Geschäftsführungskompetenzen des Vereinsvorstands das Hierarchieprinzip als beschränkendes Element heranzieht. Vor dem so aufbereiteten Hintergrund lässt sich ergänzend auch auf § 36 Fall 2 BGB zurückgreifen, weil man die Vorschrift als einen im Gesetz angelegten, generalklauselartigen Hinweis auf Beschränkungen der originären Geschäftsführungsbefugnis des Vereinsvorstands verstehen kann, die sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetz oder der Satzung ergeben. bb)  Rechtskonstruktive Ausgestaltung der Beschränkung Geht man davon aus, dass die Geschäftsführungsbefugnisse des Vereinsvorstands mit Rücksicht auf das Hierarchieprinzip ungeschriebenen Schranken unterliegen (vorstehend aa), können diese sich rechtskonstruktiv auf unterschiedlichen Wegen verwirklichen. In Anknüpfung an die für das GmbH-Recht zugrunde gelegten Unterscheidungen lässt sich auch für das Vereinsrecht im Ausgangspunkt zwischen Kompetenz-, Zustimmungs- und Vetovorbehalt differenzieren.227 Wie für das GmbH-Recht sollten aber auch im Vereinsrecht die Unterschiede dieser Beschränkungstechniken nicht überbewertet werden.228 Dies gilt namentlich für die Differenzierung zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt. Jeweils erfordert die Durchführung einer von dem Vorbehalt erfassten Maßnahme einen positiven Beschluss der Gesellschafterversammlung. Auch im Hinblick auf die sonstigen Rechte der Mitgliederversammlung ist die Unterscheidung für das Vereinsrecht unergiebig, weil bereits nach allgemeinen Grundsätzen feststeht, dass ihr für die betreffende Frage in jedem Fall auch ein Initiativ- und Weisungsrecht zukommt.229 Gleiches gilt nach der hier verfolgten Ansicht auch dann, wenn man nicht die Rechte der Mitgliederversammlung, sondern die Pflichtenbindung der Verwaltung in den Blick nimmt. Für das GmbH-Recht ist insoweit die Position entwickelt worden, dass die Geschäftsführer auch dann, wenn man für außergewöhnliche Maßnahmen von einem Kompetenzvorbehalt ausgeht, keinem vollständigen Befassungsverbot unterliegen. Vielmehr können sie auch insoweit – wie im übrigen auch für Satzungsänderungen oder sonstige Maßnahmen, die durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich der Gesellschafterversammlung zugewiesen sind – sogar der Pflicht unterliegen, die Durchführung einer solchen Maßnahme anzuregen 227 

s. o., § 6 D.III.3.b)aa). s. o., § 6 D.III.4.c)aa)–cc). 229  Vgl. zur abweichenden Lage im Recht der Personenhandelsgesellschaften sowie im Aktienrecht, wo die Differenzierung zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt dementsprechend eine weitergehende Bedeutung hat, bereits oben, § 6 D.III.4.c)aa). 228 

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und der Gesellschafterversammlung zur Entscheidung vorzulegen.230 Folgt man dem, kann auch für den Verein nichts anderes gelten. Damit richtet sich der Blick wie im GmbH-Recht auf den Vergleich zwischen einem Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalt einerseits und einem Vetovorbehalt andererseits. Insoweit lässt sich in der Tat ein Unterschied feststellen. Während Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalte einen positiven Beschluss des Mitgliederorgans erfordern, ist einem Vetovorbehalt bereits Rechnung getragen, wenn dem Mitgliederorgan die Gelegenheit eröffnet worden ist, die vom Vorstand ins Auge gefasste Maßnahme zu untersagen. Dementsprechend kann der Vorstand die Maßnahme im letzten Fall bereits dann vornehmen, wenn ihm die Mitgliederversammlung deren Durchführung nicht untersagt, d.h. wenn ein ablehnender Weisungsbeschluss keine Mehrheit findet. Bedeutung gewinnt die Unterscheidung damit namentlich dann, wenn die Stimmen für und wider das Vorhaben im Verhältnis 50:50 verteilt sind.231 Anders als im GmbH-Recht, wo Zweipersonengesellschaften mit paritätischer Verteilung der Stimmrechte einer häufigen Gestaltung entsprechen, wird sich eine solche Stimmenverteilung im Vereinsrecht allenfalls zufällig einmal ergeben. Für das Vereinsrecht wird die Differenzierung zwischen Kompetenz- und Zustimmungsvorbehalt einerseits und Vetovorbehalt andererseits daher regelmäßig nur von theoretischer Bedeutung sein. Der Mangel an praktischen Folgen der Unterscheidung zwischen den einzelnen Vorbehaltstypen reduziert auch die Bedeutung einer Stellungnahme zu der Frage, wie die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnisse des Vereinsvorstands rechtstechnisch umgesetzt werden sollte, macht sie jedoch nicht ganz entbehrlich. Im Ergebnis erscheint es auch insoweit vorzugswürdig, der für das GmbH-Recht entwickelten Lösung zu folgen.232 Wenn die originäre Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet und ihre Beschränkung durch den Rückgriff auf das Hierarchieprinzip lediglich das Korrektiv ist, trägt die Annahme eines Vetovorbehalts dem am besten Rechnung. Denn im Bereich der Geschäftsführung verwirklicht sich das Hierarchieprinzip primär dadurch, dass die Mitgliederversammlung ihre latente Allzuständigkeit durch Weisungsbeschlüsse aktualisiert. Dies kann dann im Ergebnis auch nicht mehr als den Einsatz einer Beschränkungstechnik rechtfertigen, die die Möglichkeit zum Erlass solcher Weisungsbeschlüsse sicherstellt. Das Erfordernis, die Maßnahme müsse durch einen positiven Gesellschafterbeschluss gedeckt sein, geht dagegen über das hinaus, was zur Absicherung des Hierarchieprinzips erforderlich erscheint. cc)  Maßstab der Vorlagepflicht Wie im GmbH-Recht ist es auch im Vereinsrecht nicht ganz einfach, genaue Kriterien für die Auslösung des Vetovorbehalts zu bestimmen, weil es dabei letzt230 

s. o., § 6 D.III.4.c)aa). s. auch hierzu bereits oben, § 6 D.III.4.c)cc). 232  s. o., § 6 D.III.4.c)ee). 231 

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lich um die Wertungsfrage geht, wann die latente Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung durch das Verbot abzusichern ist, eine Maßnahme umzusetzen, ohne zuvor die Mitgliederversammlung als Entscheidungsorgan zu aktivieren und ihr damit die Gelegenheit zu einem Weisungsbeschluss zu eröffnen. Ebenso wie für das GmbH-Recht bietet sich jedoch auch für das Vereinsrecht die Anknüpfung an die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Maßnahmen an. Passend ist dieses Kriterium zunächst insoweit, als es zu einem Regel-Ausnahme-Verhältnis führt, so dass die Mitgliederversammlung als unständiges Entscheidungsorgan funktional nicht überfordert wird. Zugleich ist es hinreichend flexibel, um den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Vereins Rechnung zu tragen, weil diese den Referenzpunkt für die Beurteilung einer Maßnahme oder Entscheidung als gewöhnlich bzw. ungewöhnlich bilden. Als ungewöhnlich und damit vorlagepflichtig sind daher in Anlehnung an die zum Personengesellschaftsrecht vertretene Ansicht solche Maßnahmen anzusehen, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bzw. nach ihrer Bedeutung und den mit ihnen verbundenen Risiken über den gewöhnlichen Rahmen der Vereinstätigkeit hinausgehen und damit Ausnahmecharakter besitzen.233 Wie für das Personengesellschafts- und GmbH-Recht bedeutet dies auch für das Vereinsrecht nicht, dass damit schon jede bedeutendere, langfristig angelegte oder irgendwie riskante Maßnahme als vorlagepflichtig anzusehen ist. Vielmehr muss es auch hier darum gehen, lediglich solche Maßnahmen zu erfassen, mit denen gemessen an dem üblichen Zuschnitt der Vereinstätigkeit nicht gerechnet werden kann.234 Dabei ist neben Art und Umfang der bisherigen Vereins­ tätigkeit auch zu berücksichtigen, wie die Geschäfte bislang mit Zustimmung aller Organe geführt und welche Freiheiten dem Vorstand dabei belassen worden sind.235 Auf diese Weise kann regelmäßig auch der Realstruktur des Vereins in hinreichendem Maße Rechnung getragen werden. Für Vereine kleineren Zuschnitts, die sich zugleich durch ein hohes persönliches Engagement der Mitglieder auszeichnen und die ihre Verwaltung an einer kurzen Leine führen, ergeben sich danach naturgemäß ganz andere Ergebnisse als für den Großverein mit weitgehend desinteressiertem Mitgliederkreis, der der Verwaltung auch in der Vergangenheit erhebliche Entscheidungsfreiräume zugestanden hat. In die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme wird sich auch regelmäßig die von Segna befürwortete Vorlagepflicht integrieren lassen, die ihrem Tatbestand nach darauf abstellt, ob eine Maßnahme als besonders umfangreich anzusehen ist, weil sie die gesamte Finanzkraft des Vereins beansprucht oder nicht abschätzbare Folgekosten nach sich zieht.236 Zweifelhaft ist allerdings das insoweit von Segna gebildete Beispiel des Abschlusses eines Sponsoringvertrages durch einen großen Sportverein, der diesem einerseits Einnahmen in Millionenhöhe garantiert, andererseits aber zur Übertragung von 233 

Für Nachweise s.o., § 6 D.III.3.c)cc). s. o., § 6 D.III.4.c)ff). 235  s. o., § 6 D.III.4.c)ff), mit Nachweisen entsprechender Stellungnahmen zum GmbHund Personengesellschaftsrecht. 236 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 134. 234 

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

Vermarktungsrechten und Repräsentationsleistungen verpflichtet. Hier ist weder ersichtlich, dass die gesamte Finanzkraft des Vereins beansprucht wird, noch drohen nicht abschätzbare Folgekosten. Die Feststellung, dass auch hier die „Zukunft und die Bewegungsfreiheit“ des Vereins in einem Maße zur Debatte stehen, dass „die Entscheidung in die Hände der Mitgliederversammlung gehört“,237 mag zwar zutreffen, lässt sich so aber nicht aus dem von Segna geschilderten Sachverhalt ableiten. Abhängig von den Umständen des Einzelfalles könnte die Anknüpfung an die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme dieses Ergebnis dagegen durchaus stützen.238 Gegen die Anknüpfung an die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Maßnahmen hat sich Segna mit einer Reihe von Argumenten gewendet,239 die sich zumeist so oder ähnlich auch schon für das GmbH-Recht finden lassen. Ebenso wie dort kann auch im Vereinsrecht keines davon die hier befürwortete Anknüpfung im Ergebnis in Frage stellen.240 Dies gilt etwa für den Hinweis, dass sich Anhaltspunkte für eine den §§ 116, 164 HGB entsprechende Unterscheidung für das Vereinsrecht weder dem Gesetz noch den Materialien entnehmen lassen.241 Dieser Einwand gilt zunächst genauso auch für die von Segna befürwortete zuständigkeitsbegründende Kategorie besonders umfangreicher Geschäfte, die die gesamte Finanzkraft des Vereins beeinträchtigen oder nicht abschätzbare Folgekosten nach sich ziehen.242 Dies macht zugleich deutlich, warum der Einwand auch generell an der Sache vorbeigeht: Aus der gesetzlichen Ausgangslage ergibt sich bei zutreffender Sichtweise das Erfordernis, eine Grenze für die originären Vorstandskompetenzen zu ziehen, die im Gesetz wie auch in den Materialien nur der allgemeinen Wertungsbasis nach, aber eben nicht in ihrem konkreten Verlauf angelegt ist. Wie immer man diese Aufgabe auch realisiert, stets liegt es in der Natur der Sache, dass es an einer expliziten, das Ergebnis unmittelbar stützenden gesetzlichen Regelung fehlt. Anders gewendet ist dieser „Einwand“ schlicht die Kehrseite des Problems und steht und fällt mit diesem. Ebenso wenig überzeugt auch das Argument, der Anknüpfung an die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme stehe die mangelnde persönliche Haftung der Vereinsmitglieder und die typischerweise nicht personalistische Verfassung des Vereins entgegen.243 Segna, Vorstandskontrolle, S. 135. Es ist allerdings zu bedenken, dass bei Sportvereinen, die durch Sponsoringverträge Erlöse in der genannten Höhe erzielen können, der Abschluss solcher Verträge vielfach in periodischen Abständen geschieht und selbst beim erstmaligen Abschluss nicht außerhalb dessen liegt, womit bei Vereinen solchen Zuschnitts innerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit noch zu rechnen ist. 239 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 135; ähnlich auch Leuschner, Konzernrecht, S. 111 f. 240  s. zur GmbH bereits oben, § 6 D.III.4.c)ff). 241 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 135. 242 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 134. 243  So aber Segna, Vorstandskontrolle, S. 135; an das Haftungsargument anknüpfend auch Leuschner, Konzernrecht, S. 112. 237 s. 238 

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Schon die Gleichbehandlung von Komplementären und Kommanditisten gem. §§ 116, 164 HGB zeigt, dass es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen unbeschränkter persönlicher Haftung und dem Mitwirkungsanspruch bei ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen gibt. Zudem kann der Realtypik eines Verbandes – also der regelmäßig fehlenden personalistischen Prägung – ohne weiteres auch innerhalb der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme Rechnung getragen werden.244 Gleichfalls nicht weiterführend ist der Hinweis, auch in der amtlichen Begründung zum GmbH-Gesetz komme die Einschätzung zum Ausdruck, dass es aufgrund der beschränkten Haftung der Gesellschafter nicht angezeigt sei, ihnen in Bezug auf die Geschäftsführung die gleichen Rechte einzuräumen wie den Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft, was nach Segnas Ansicht auch auf den Verein zu übertragen sein soll.245 Denn es führt mitnichten zur Gleichstellung von Vereinsmitgliedern und OHG-Gesellschaftern in Bezug auf die Geschäftsführung, wenn die übergeordneten Entscheidungsrechte der Mitgliederversammlung bei ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen durch eine Beschränkung der originären Vorstandskompetenzen abgesichert werden.246 Soweit Segna den Versuch unternimmt, das wohl zuerst von Zöllner für die GmbH entwickelte Argument, die Anordnung von Gesamtgeschäftsführung sei nicht verständlich, wenn zugleich eine Beschränkung auf die gewöhnlichen Geschäfte bestehe, in das Vereinsrecht zu übertragen,247 ist auf die dazu für das GmbH-Recht entwickelte Stellungnahme zu verweisen: Es gibt keine logisch vorgegebene Verknüpfung zwischen einer Beschränkung des sachlichen Umfangs der Geschäftsführungsbefugnis und ihrer personellen Ausgestaltung.248 Als letztes verbleibt damit nur noch der Hinweis auf die Rechtsunsicherheit, die mit dem Rückgriff auf den Maßstab der ungewöhnlichen Maßnahme angeblich einhergehen soll.249 Dass dieser sowohl im Personenhandelsgesellschafts- als auch im GmbH-Recht gut etablierte Maßstab dem Vorstand eine Aufgabe stellt, die „schwierig, mitunter auch unlösbar sein“ soll, ist jedoch nicht zu 244 

s. dazu bereits soeben im Text. Segna, Vorstandskontrolle, S. 135. 246  Der entscheidende Unterschied, auf den auch die von Segna in Bezug genommene amtliche Begründung zielen dürfte, liegt darin, dass OHG-Gesellschafter vorbehaltlich einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung qua Gesellschafterstellung auch zum Geschäftsführungsorgan berufen sind. Das ist weder für den GmbH-Gesellschafter noch für das Vereinsmitglied passend und dort jeweils auch nicht Gesetz geworden. Mit der gesellschaftsinternen Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Organen hat das weiter nichts zu tun. Dies zeigt sich z. B. auch daran, dass die Gesellschafterversammlung in der GmbH der Geschäftsführung auch im Bereich gewöhnlicher Maßnahmen und Entscheidungen Weisungen erteilen kann, während dies der Gesellschaftergesamtheit in OHG und KG gegenüber den geschäftsführungsbefugten Gesellschaftern nach h.A. nicht möglich ist (s. z. B. Hueck, OHG, § 10 V 3 (S. 138 f.); Schlegelberger/Martens, HGB, § 115 Rn. 2; Staub/ Schäfer, HGB, § 105 Rn. 69; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 114 Rn. 15). 247 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 135; ebenso Leuschner, Konzernrecht, S. 112. 248  s. o., § 7 A.IV.2. 249 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 135. 245 s.

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erwarten.250 Das Rechtssicherheitsargument wird überdies auch dadurch entwertet, dass Segna alternativ zur Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen einen Vorlagegrund etablieren möchte, der gleichfalls mit sehr unbestimmten Begriffen operiert,251 will er doch § 36 Fall 2 BGB immer dann eine Vorlagepflicht entnehmen, „wenn sich dem Vorstand ernsthafte Zweifel aufdrängen müssen, dass die Mitglieder ihm die fragliche Angelegenheit zur eigenverantwortlichen Entscheidung überlassen wollen.“252 Segna liefert denn auch keine näheren Anhaltspunkte dafür, anhand welchen Maßstabs diese Voraussetzung zu konkretisieren sein soll. Die von ihm in Bezug genommene GmbH-rechtliche Literatur verwendet ähnliche Formulierungen bezeichnenderweise auch nur als ergänzende Umschreibungen der Kategorie der ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen.253 Im Übrigen kann auch Segnas Ansicht nicht zugestimmt werden, dass die Anknüpfung an die „Vorstellungen der Mitglieder“ zumindest in rechtsdogmatischer Hinsicht vorzugswürdig ist, weil sie „[i]mmerhin […] eine Stütze im Gesetz“ findet.254 Richtig ist zunächst, dass ebenso wie für die GmbH auch für den Verein davon auszugehen ist, dass der Vorstand die Mitgliederversammlung nicht übergehen darf, wenn er im Hinblick auf eine von ihm geplante Maßnahme mit ihrem Widerspruch rechnen muss.255 Dies gilt ganz unabhängig davon, ob es sich dabei um eine unter irgendeinem Gesichtspunkt herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahme handelt. Wie im GmbH-Recht lässt sich diese Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auch für den Verein als eine Art Vorwirkung des Weisungsrechts erklären,256 das in der Tat auch im Gesetz verankert ist. Regelmäßig wird man für einen solchen entgegenstehenden Willen aber belastbare Anhaltspunkte fordern müssen, die nur in Ausnahmefällen vorliegen werden, z. B. wenn sich die Mitgliederversammlung bereits in der Vergangenheit gegen vergleichbare Vorhaben ausgesprochen hat. Den Vorstand trifft also keine Ratepflicht. Nun ist es theoretisch auch denkbar, dass sich der entgegenstehende Wille nicht auf die Maßnahme selbst bezieht, sondern darauf, dass der Vorstand insoweit eine eigenständige Entscheidung treffen darf. Lassen sich für einen solchen Willen belastbare Anhaltspunkte feststellen, muss daher auch in dieser Konstellation die Mitgliederversammlung mit der Maßnahme befasst werden. Erneut kann es dann nicht darauf ankommen, ob es sich um eine gewöhnliche oder um eine unter irgendeinem Gesichtspunkt herausgehobene Maßnahme handelt. In allen diesen Fällen kommt es daher auch nicht auf die Frage an, nach welchen genauen Gesichtspunkten die tatbestandliche So aber Segna, Vorstandskontrolle, S. 136. Das sieht auch Segna selbst: s. ders., a.a.O., S. 137. 252 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 137; dem folgend Leuschner, Konzernrecht, S. 112. 253  s. Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 37 Rn. 10; Scholz/K. Schmidt, GmbHG (8. Aufl.), § 49 Rn. 20. 254 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 137, unter Bezugnahme auf §§ 27 Abs. 3, 665 BGB; s. für die Wiedergabe der Argumentationslinie bereits oben, § 7 A.IV.3.c)cc). 255  Insoweit zutreffend Segna, Vorstandskontrolle, S. 137; s. zur GmbH oben, § 7 A.IV.3.c). 256  s. o., § 6 D.III.3.a)cc); für den Verein ebenso Segna, Vorstandskontrolle, S. 137. 250  251 

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Eingrenzung der originären Vorstandsbefugnisse vorzunehmen ist: Die Grenzen ergeben sich schlicht aus dem anhand konkreter Anhaltspunkte festzustellenden (mutmaßlichen) Willen des Mitgliederorgans. Dieses Modell gerät aber an die Grenzen seiner Überzeugungskraft, wenn es für die Feststellung des (mutmaßlichen) Willens der Mitgliederversammlung an konkreten Anhaltspunkten fehlt. In diesen Fällen ist der „Rückgriff auf die Vorstellungen“ der Mitglieder eine bloße Fiktion, die mehr verdeckt als erklärt, worum es eigentlich geht, nämlich die nach abstrakten, wenn auch auf den konkreten Verein bezogenen Gesichtspunkten zu beantwortende Frage, ob und wenn ja wo die originäre Geschäftsführungsbefugnis des Vereinsvorstands auch innerhalb von Vereinszweck und Vereinsgegenstand auf Beschränkungen zugunsten der Mitgliederversammlung stößt. 4.  Weitere Parallelen zum GmbH-Recht Neben der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen lassen sich weitere Parallelen zu den für das GmbH-Recht gefundenen Lösungen ziehen. a)  Keine Zuständigkeit für die Grundsätze der Vereinspolitik Ebenso wenig wie für das GmbH-Recht ist für das Vereinsrecht eine Zuständigkeitskategorie der „Grundlagen der Vereinspolitik“ zu befürworten.257 Derartige Grundlagen ergeben sich in erster Linie aus dem Vereinszweck und -gegenstand. Soweit darüber hinaus Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vorliegen, die die Vorgaben der Satzung noch weiter konkretisieren, sind selbstverständlich auch diese zu beachten. Wo es an genaueren Vorgaben fehlt, kann und muss der Vorstand grundsätzlich von sich aus tätig werden. Bindungen des Vorstands im Innenverhältnis aktualisieren sich erst dort wieder, wo seine Entscheidungen als ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen zu qualifizieren sind. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn Vereinszweck und –gegenstand in Zukunft auf eine Art und Weise verwirklicht werden sollen, die von dem bislang Praktizierten grundlegend abweicht.258 Daneben hat die Kategorie der Grundlagen der Vereinspolitik keine eigenständige Bedeutung. b)  Vorlagepflichten, wenn mit Widerspruch der Mitgliederversammlung zu rechnen ist Wie bereits im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit Segnas Position zur Anknüpfung an den Begriff der ungewöhnlichen Maßnahme geschildert, 257  Für das Vereinsrecht ebenso Segna, Vorstandskontrolle, S. 138; zum GmbH-Recht s. bereits oben, § 6 D.III.2. 258  Auch hier gilt daher im Ergebnis die bereits für das GmbH-Recht getroffene Feststellung, dass sich die Kategorie der „Grundlagen der Geschäftspolitik“ partiell mit der Kategorie der „ungewöhnlichen Maßnahme“ überschneidet.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

ist ebenso wie für das GmbH-Recht auch für das Vereinsrecht anzuerkennen, dass die Verwaltung solche Maßnahmen, die für sie erkennbar dem Willen des Mitgliederorgans widersprechen, nicht einfach vornehmen darf, ohne sie diesem vorab zur Entscheidung vorzulegen. Hier wie dort handelt es sich um eine Vorwirkung des Weisungsrechts des Mitgliederorgans.259 Diese Kategorie ist mit der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen auch im Vereinsrecht nicht identisch. Differenzen ergeben sich insbesondere auf der Tatbestandsseite, weil ein entgegenstehender Wille des Mitgliederorgans auch dann anzunehmen sein kann, wenn es sich um gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen handelt.260Auf der Rechtsfolgenseite kann ein (mutmaßlich) entgegenstehender Wille der Mitgliederversammlung nur zu der Rechtsfolge führen, dass ihr Gelegenheit zur Erteilung eines ablehnenden Weisungsbeschlusses zu geben ist. Kommt ein solcher mangels Mehrheit nicht zustande, ist der Vorstand in seiner Entscheidung frei. Für die Konstellation eines mutmaßlich entgegenstehenden Willens der Gesellschafterversammlung kommt also die gleiche Rechtsfolge zur Anwendung, wie sie nach der hier vertretenen Ansicht auch für ungewöhnliche Maßnahmen zutreffend ist. Wer dagegen für ungewöhnliche oder sonst herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen einen positiven Gesellschafterbeschluss fordert, gelangt auch auf der Rechtsfolgenseite zu Differenzen.261 Jedenfalls ist von einem (mutmaßlich) entgegenstehenden Willen der Mitgliederversammlung nur dann auszugehen, wenn abzusehen ist, dass diese mehrheitlich gegen die Maßnahme votieren würde und sie daher in der Lage wäre, dem Vorstand die Durchführung der Geschäftsführungsmaßnahme durch Erlass eines Weisungsbeschlusses zu untersagen. Dagegen genügt es für die Annahme eines entgegenstehenden Willens der Mitgliederversammlung nicht, wenn sich lediglich abzeichnet, dass sich keine positive Mehrheit für die Maßnahme findet.262 Allerdings ist dies eine Differenzierung, die für den Verein kaum jemals praktische Bedeutung gewinnen wird.263

V.  Ergebnisse zu Abschnitt A. 1. Der Verein verfügt im gesetzlichen Grundmodell über zwei Organe, Vorstand und Mitgliederversammlung. Wie die Gesellschafterversammlung im GmbHRecht ist die Mitgliederversammlung im Vereinsrecht im gesetzlichen Ausgangsfall „oberstes Organ“ der Körperschaft. Der Vorstand ist der Mitgliederversammlung gegenüber grundsätzlich in allen Belangen der Geschäftsfüh-

259  s. für die GmbH bereits oben, § 6 D.III.3.a)cc), mit umfassenden Nachweisen; ähnlich für den Verein auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 137. 260  s.a. bereits soeben, § 7 A.IV.3.d)cc). 261  s. auch hierzu bereits oben, § 7 A.IV.3.d)bb). 262  So für die GmbH zutreffend Roth, ZGR 1985, 265, 268. 263  Vgl. für die Bedeutung dieser Differenzierung in der Zweipersonen-GmbH oben, § 7 A.IV.3.d)bb).

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rung weisungsabhängig, wie sich aus § 32 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 27 Abs. 3 BGB und dem dort geregelten Verweis auf das Auftragsrecht ergibt. 2. Das BGB-Vereinsrecht enthält nur wenige gesetzliche Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung (vgl. §§ 27 Abs. 1 – 3, 32 Abs. 1 S. 1, 33 Abs. 1, 41 BGB). Gleichwohl ist ihr (potentieller) Zuständigkeitsbereich mit Rücksicht auf ihre latente Allzuständigkeit und das damit einhergehende Weisungsrecht (§ 32 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 27 Abs. 3 BGB) denkbar weit. Hinzu treten spezialgesetzliche Vorschriften des Umwandlungsrechts (§ 103 UmwG i.V.m. verschiedenen Verweisungsnormen) und Analogien zu aktienrechtlichen Vorschriften (§§ 179a, 293 Abs. 2 AktG). 3. Eine Kompetenzzuweisung zugunsten des Vorstands ergibt sich zunächst aus der Vorschrift des § 26 Abs. 1 S. 2 BGB, die ihn als das Vertretungsorgan des Vereins ausweist. Die Vertretungsmacht des Vorstands ist im gesetzlichen Ausgangspunkt unbeschränkt, kann aber durch – eindeutige – Satzungsregelung beschränkt werden, § 26 Abs. 1 S. 3 BGB. Satzungsmäßiger Vereinszweck bzw. –gegenstand sind als solche keine die Vertretungsmacht beschränkenden Regelungen im Sinne des § 26 Abs.1 S. 3 BGB. Soweit sich in der Literatur der Satz findet, die Vertretungsmacht sei auch dort beschränkt, wo durch eine Maßnahme in die Zuständigkeit eines anderen Vereinsorgans eingegriffen werde, ist dies in einem engen Sinne zu verstehen. Mangels Vertretungsmacht unwirksam sind lediglich solche Rechtsgeschäfte, die durchsetzbare Verpflichtungen unmittelbar in Bezug auf vereinsinterne Organisationsakte begründen sollen (z. B. Änderung des Vereinsnamens; Bestellung einer bestimmten Person zum Vorstandsmitglied). Im Übrigen haben Verstöße gegen die vereinsinterne Zuständigkeitsordnung (Missachtung von Zustimmungsvorbehalten; Vornahme von durch den Vereinsgegenstand nicht gedeckten Rechtsgeschäften) grundsätzlich keine Auswirkungen im Außenverhältnis, sofern nicht die allgemeinen Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht zum Tragen kommen. 4. Neben der rechtsgeschäftlichen Vertretung, die dem Vorstand als Ausschnitt aus dem Sachbereich der Geschäftsführung ausdrücklich zugewiesen ist, ist er auch darüber hinaus allgemeines Geschäftsführungsorgan des Vereins (vgl. 27 Abs. 3 BGB). Wie weit die aus dieser Funktion resultierende originäre Geschäftsführungsbefugnis (verstanden als selbständiger Erstzugriff ohne Rückversicherungserfordernis beim Mitgliederorgan – nicht gleichbedeutend mit Weisungsfreiheit) reicht, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. 5. Zu den anerkannten Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands gehören zunächst Vereinszweck und -gegenstand sowie ggfs. weitere einschlägige Satzungsregelungen, darüber hinaus auch von der Mitgliederversammlung im Rahmen ihrer latenten Allzuständigkeit erlassene Weisungen. Die Grenzen der originären Geschäftsführungskompetenz reichen aber noch weiter und betreffen auch Bereiche der Geschäftsführung, für die der Satzung oder Beschlüssen der Mitgliederversammlung keine unmittelbaren Vorgaben zu entnehmen sind. Das gilt auch dann, wenn die Vertretungsmacht des Vorstands im Außenver-

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

hältnis unbeschränkt ist. Denn entgegen einiger missverständlicher Formulierungen in Literatur und Rechtsprechung gilt kein Grundsatz des Inhalts, dass die Geschäftsführungsbefugnis im Zweifel stets der Vertretungsbefugnis entspricht. Lediglich umgekehrt wird man Beschränkungen der Vertretungsmacht als Beschränkungen der Geschäftsführungskompetenz zu deuten haben. Das Fehlen einer die Vertretungsmacht beschränkenden Satzungsregelung hat dagegen keinen spezifischen Erklärungswert für die Kompetenzverteilung. 6. Ähnlich wie im GmbH-Recht gelten auch im Vereinsrecht ungeschriebene Schranken für die originären Geschäftsführungskompetenzen des Leitungsorgans. Anders als im GmbH-Recht wird diese Frage für das Vereinsrecht zwar kaum näher diskutiert; auch an einschlägiger Rechtsprechung fehlt es. Die rechtliche Ausgangslage ist aber im Vereinsrecht nicht anders als im GmbHRecht oder im alten Aktienrecht, zu dem die Reichsgerichtsentscheidungen in Sachen Grubeneisenbahn und Melasse ergangen sind, auch wenn diese historischen Verbindungslinien seit langem als verschüttet gelten müssen. Denn auch im Vereinsrecht stehen die originären Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands in einem Spannungsverhältnis zu den übergeordneten Entscheidungsbefugnissen der Mitgliederversammlung, die sich aus ihrer latenten Allzuständigkeit und der damit einhergehenden Weisungsbefugnis ergeben. Damit diese übergeordneten Entscheidungskompetenzen nicht unterlaufen werden, ist die originäre Geschäftsführungskompetenz des Vorstands mit Rücksicht auf das Hierarchieprinzip zu beschränken. 7. Die Beschränkung der originären Geschäftsführungskompetenzen des Vorstands nimmt rechtskonstruktiv die Form eines Vetovorbehalts an. Zur Absicherung der aus der latenten Allzuständigkeit resultierenden Zugriffsbefugnisse genügt es, wenn die Mitgliederversammlung vorab die Gelegenheit erhält, die betreffende Maßnahme durch Weisungsbeschluss zu untersagen. Ein zustimmender Beschluss ist also nicht erforderlich; ergeht trotz Vorlage keine ablehnende Weisung, ist der Vorstand – anders als bei Annahme eines Zustimmungs- oder Kompetenzvorbehalts – in seiner Entscheidung frei. 8. Weil die Grenze für die originären Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands im Gesetz nur ihrer allgemeinen Wertungsbasis nach, nicht aber in ihrem konkreten Verlauf angelegt ist, unterliegt die genaue Bestimmung der Kriterien, die die Vorlagepflicht auslösen, naturgemäß gewissen Unsicherheiten. Im Ergebnis bietet es sich auch für das Vereinsrecht ebenso wie für das GmbH-Recht an, auf die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Maßnahmen zurückzugreifen. Diese Differenzierung sorgt sie zunächst für ein klares Regel-Ausnahmeverhältnis, das dem funktionalen Bedürfnis Rechnung trägt, die originäre Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nicht übermäßig eng zu fassen. Darüber hinaus bietet sie einen hinreichend flexiblen Maßstab, der den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Vereins Rechnung tragen kann. Dabei ist neben Art und Umfang der bisherigen Vereinstätigkeit auch zu berücksichtigen, wie die Geschäfte bislang im Einvernehmen aller Organe geführt und welche Freiheiten dem Vorstand dabei belassen worden sind. Ungewöhnlich ist

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danach insbesondere nicht schon jede bedeutendere, langfristig angelegte oder irgendwie riskante Maßnahme, solange nicht der Rahmen dessen gesprengt wird, womit angesichts des bisherigen Zuschnitts der Vereinstätigkeit und der dem Vorstand gewährten Freiheiten noch gerechnet werden konnte. Wie für das GmbH-Recht gilt auch für den Verein, dass die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme nicht mit Einzelergebnissen verwechselt werden sollte, die die personengesellschaftsrechtliche Kasuistik liefert. 9. Ebenso wie im GmbH-Recht besteht darüber hinaus eine Vorlagepflicht für solche Maßnahmen, hinsichtlich derer mit Widerspruch der Mitgliederversammlung zu rechnen ist. Auch dabei handelt es sich um eine Vorwirkung des Weisungsrechts, die allerdings ganz unabhängig von der Qualität der in Rede stehenden Maßnahme zum Tragen kommt. Ein (mutmaßlich) entgegenstehender Wille der Mitgliederversammlung ist vom Vorstand auch dann zu berücksichtigen, wenn es sich um eine gewöhnliche Maßnahme handelt. 10. Neben der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme besteht für eine ungeschriebene Zuständigkeit für die „Grundlagen der Vereinspolitik“ im Vereinsrecht ebenso wenig Bedarf wie im GmbH-Recht. Die Grundlagen der Vereinspolitik werden durch Vereinszweck und -gegenstand sowie etwaige Weisungen der Mitgliederversammlung vorgegeben. In diesem Rahmen kann der Vorstand grundsätzlich von sich aus tätig werden. Grenzen für seine originären Geschäftsführungsbefugnisse aktualisieren sich erst dort wieder, wo seine Entscheidungen als ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen zu qualifizieren sind, z. B. weil er Vereinszweck bzw. –gegenstand in Zukunft auf eine Art und Weise verwirklichen möchte, die von dem bislang Praktizierten grundlegend abweicht.

B.  Die Zuständigkeitsordnung im verbundenen Verein (Verein als Gruppenspitze) Hinsichtlich der Zuständigkeitsordnung des Vereins in Gruppenzusammenhängen (hier verstanden als Verein an der Spitze einer Gruppe, einschließlich der erstmaligen Gruppenbildung) ist zunächst die in der Literatur geführte Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das Vereinsrecht in den Blick zu nehmen (I.). Der zweite Abschnitt entwickelt die eigene Position (II.).

I. Überblick: Die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin in das Vereinsrecht Für die Übertragung der Holzmüller-Doktrin in das Vereinsrecht ergibt sich eine dem GmbH-Recht vergleichbare Ausgangslage, worauf im Rahmen einer systematisierenden Vorüberlegung einzugehen ist (1.). In einem nächsten Schritt wird auf dieser Basis das einschlägige vereinsrechtliche Schrifttum aufzuarbeiten sein (2.).

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

1.  Systematische Vorüberlegung Für die Aufarbeitung des vereinsrechtlichen Meinungsstands ist es hilfreich, die Grundsystematik (samt ihren Varianten) in Erinnerung zu rufen, die für das GmbH-Recht für denkbare Positionen in Bezug auf die Bedeutung der Holzmüller-Doktrin entwickelt worden ist.264 Die Diskussion im vereinsrechtlichen Schrifttum ist bislang allerdings viel weniger ausdifferenziert. Dies folgt schon daraus, dass die Möglichkeit, analog zum GmbH-Recht Vorlagepflichten für ungewöhnliche (oder nach Kriterien herausgehobene) Geschäftsführungsmaßnahmen zu entwickeln, im Vereinsrecht weitgehend übersehen wird. Die Ordnungsfunktion der Grundsystematik wird im Vereinsrecht daher weniger stark beansprucht werden. a)  Kumulation von Holzmüller-Doktrin und Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen Akzeptiert man, dass sich auch für das Vereinsrecht eine Pflicht des Vorstands begründen lässt, die Mitgliederversammlung in ungewöhnliche (oder nach sonstigen Kriterien herausgehobene) Geschäftsführungsmaßnahmen einzubeziehen und ihr die Fassung eines Weisungsbeschlusses in diesen Angelegenheiten zu ermöglichen, dann ergibt sich für den Verein im Grundsatz die gleiche Ausgangslage wie für das GmbH: Auf einer ersten Ebene lassen sich ungeschriebene Mitwirkungsansprüche der Mitgliederversammlung unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen begründen. Darüber hinaus stellt sich wie im GmbH-Recht die Frage, ob sich in Anlehnung an die Holzmüller-Doktrin auf einer zweiten, in Tatbestand und Rechtsfolgen verschiedenen Ebene weitere ungeschriebene Zuständigkeiten begründen lassen. Dies hängt nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen in erster Linie davon ab, ob sich auch für das Vereinsrecht ein Mediatisierungseffekt feststellen lässt, wie er für das Aktienrecht und in etwas modifizierter Form auch für das GmbH-Recht feststellbar gewesen ist. Dies unterstellt, lässt sich die für die GmbH entwickelte zweischichtige Struktur ungeschriebener Einbeziehungserfordernisse zugunsten des Mitgliederorgans auch auf den Verein übertragen (entspricht der im GmbH-Recht so bezeichneten „Grundposition 3“). b)  Alleinige Geltung der (transferierten) Holzmüller-Doktrin Zugleich eröffnen sich aber auch im Vereinsrecht wieder Möglichkeiten für Positionen, die allein auf Basis einer der beiden genannten Begründungsansätze für ungeschriebene Mitwirkungsansprüche zurückgreifen. Dafür können ganz unterschiedliche Gründe maßgeblich sein. Wird allein mit der (transferierten) Holzmül264  s. o., § 6 E.II.: Grundposition 1: Einbeziehungserfordernis allein unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche (oder nach sonstigen Kriterien herausgehobene) Geschäftsführungsmaßnahmen; Grundposition 2: alleinige Anwendung der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin; Grundposition 3: Kombination beider Ansätze.

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ler/Gelatine-Doktrin operiert (entsprechend der im GmbH-Recht so bezeichneten „Grundposition 2“), kann dies z. B. schlicht daran liegen, dass der Gedanke ungeschriebener Einbeziehungsansprüche für ungewöhnliche Maßnahmen im Vereinsrecht noch weitgehend unterentwickelt ist und daher unberücksichtigt bleibt. Denkmöglich wären aber auch Positionen, die Vorlagepflichten für bestimmte, herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen im Vereinsrecht rundweg ablehnen, wie dies gelegentlich auch im GmbH-Recht der Fall ist. c)  Alleinige Geltung der Vorlagepflichten für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen Gleichfalls denkbar sind Positionen, die allein mit der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme operieren (entsprechend der im GmbH-Recht so bezeichneten „Grundposition 1“). Der Grund für einen solchen Ansatz könnte darin liegen, dass ein Verständnis von Mitwirkungsrechten bei ungewöhnlichen Maßnahmen und der Holzmüller-Doktrin zugrunde gelegt wird, das weder auf der Tatbestandsnoch der Rechtsfolgenseite entscheidende Unterschiede produziert. Genauso wäre z. B. denkbar, dass die Holzmüller-Doktrin schon für das Aktienrecht abgelehnt wird oder dass die Ansicht vertreten wird, sie ließe sich wegen der sie prägenden Besonderheiten nicht in das Vereinsrecht übertragen. d)  Sonderproblematik: Die besondere Nachgiebigkeit des Vereinsrechts Ein weiterer Aspekt ist im Rahmen der Vorüberlegung hervorzuheben, der außerhalb der vorstehend entwickelten Systematik liegt, gleichwohl aber besonderer Aufmerksamkeit bedarf, weil er so in Aktien- und selbst im GmbH-Recht keine Entsprechung hat. Dabei geht es um die Frage, ob sich die besonders weitreichenden Gestaltungsspielräume, die das Vereinsrecht dem Satzungsgeber für die Gestaltung des Innenverhältnisses einräumt, auch modifizierend auf die in das Vereinsrecht transferierte Holzmüller-Doktrin auswirken. Die nähere Behandlung der damit verbundenen Fragen erfolgt allerdings in einem gesonderten Abschnitt (unten, C.). 2.  Die Diskussion in der Literatur In der Literatur ist die Frage der Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das Vereinsrecht verschiedentlich aufgegriffen worden,265 wenn auch viel 265  Ausführlichere Überlegungen zur Thematik finden sich vor allem bei Segna, Vorstandskontrolle, S. 153 ff.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, 209 ff., 241 ff.; Leuschner, Konzernrecht, S. 82 ff.; vgl. daneben noch – z.T. aber nur kursorisch – Bär, Schranken, S. 342; Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Menke, Betätigung, S. 176 f.; Fuhrmann, Ausgliederung, S. 130 ff.; Habersack, in: Scherrer (Hrsg.), Sportkapitalgesellschaften, S. 54 f.; Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253 f.; Hemmerich, Möglichkeiten, S. 152 ff.; s.a. dies., BB 1983, 26, 31; Hopt, BB 1991, 778, 785; Kebekus, Alternativen, S. 65 ff.; Lettl, Wertrecht, S. 136 ff.; s.a. ders., AcP 203 (2003), 201 ff.; Müller, Berufsfußball, S. 151 ff.; MünchKomm/Arnold § 27

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seltener als im GmbH-Recht. Die Stellungnahmen, die zumeist noch aus der Zeit vor der Gelatine-Entscheidung stammen, sprechen sich ganz überwiegend für eine Übertragbarkeit aus, wobei die verfolgten Begründungen abweichen. Dies ist auch eine Fernwirkung der vielfältigen Ansätze, die die Literatur im Umfeld der Holzmüller-Doktrin schon für das Aktienrecht entwickelt hat. Im Übrigen orientieren sich die Überlegungen zumeist eng an der Sachverhaltsgestaltung, die auch der Holzmüller-Entscheidung zugrunde gelegen hat.266 Gefragt wird i.d.R. nur, ob Ausgliederungsvorgänge im Wege der Einzelrechtsübertragung einer Zustimmung der Mitgliederversammlung bedürfen. Weitere Formen der Beteiligungsbildung bleiben dagegen zumeist unbehandelt, ebenso wie die Frage, ob Einbeziehungserfordernisse auch im Hinblick auf die Ausübung von Gesellschafterrechten in der Untergesellschaft bestehen können. Vielfach bleiben auch die Fragen unbeleuchtet, die sich aus den umfassenden Möglichkeiten der Mitgliederversammlung ergeben, die Kompetenzverteilung im Innenverhältnis einer satzungsautonomen Regelung zuzuführen. Die nachfolgende Auswertung der einschlägigen Literatur zielt in erster Linie auf einen Überblick über das Meinungsspektrum. Soweit sich dies wegen des Zusammenhangs anbietet und für eine systematische Aufarbeitung erforderlich ist, muss allerdings bereits in diesem Rahmen zu verschiedenen Aspekten kritisch Stellung bezogen werden. Die systematische Entwicklung und Darstellung des eigenen Standpunkts bleibt dem nachfolgenden Abschnitt vorbehalten. a)  Der Ansatz von Hemmerich Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt – noch vor der Holzmüller-Entscheidung – hat sich Hemmerich der Frage gewidmet, ob Maßnahmen der Gruppenbildung im Verein allein durch den Vorstand entschieden werden dürfen, oder ob es dazu einer Einbeziehung der Mitgliederversammlung bedarf.267 Grundsätzlich verneint sie dies268 und führt dafür eine Reihe verschiedener Erwägungen an. So gehe mit derartigen Maßnahmen eine entscheidende Verkürzung der Mitgliedschaftsrechte nicht einher.269 Bei Großvereinen seien die Mitglieder gegenüber Fragen der Vereinsorganisation zudem häufig indifferent, so dass es sachgerechRn. 40 und § 33 Rn. 11 (vgl. inzwischen außerdem noch MünchKomm/Reuter Vor. § 21 Rn. 162 lit. f); Schick/Rüd, Stiftung, S. 48 ff.; Schießl, Ausgliederung, S. 78 ff.; Segna, ZIP 1997, 1901, 1908 f.; Scholz, Umwandlung, S. 175; Steinbeck/Menke, NJW 1998, 2169, 2170; Terner, NJW 2008, 16, 19; Wagner, NZG 1999, 469, 475. 266  Ausnahmen bilden vor allem die ausführlicheren Abhandlungen der Thematik bei Sprengel und Segna. 267 s. Hemmerich, Möglichkeiten, S. 147 ff. 268  Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn die Ausgliederung einen so „wichtigen und umfassenden Bereich“ betrifft, dass dessen „Veränderung innerhalb der Vereinsorganisation eine Satzungsänderung darstellen würde“: Hemmerich, Möglichkeiten, S. 158. Es ist allerdings unklar, was genau damit gesagt sein soll. 269 s. Hemmerich, Möglichkeiten, S. 157 (zusammenfassend).

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ter erscheine, ein spezifisches Kontrollorgan einzurichten und mit bestimmten Mitwirkungs- und Kontrollrechten auszustatten.270 Zudem sei zu berücksichtigen, dass selbst das eingehend geregelte Aktienrecht eine Mitwirkung der Hauptversammlung insoweit nicht vorsehe.271 Dass der Vergleich mit dem Aktienrecht auch in die Gegenrichtung funktioniert, konzediert Hemmerich dann aber nach der wenig später ergehenden Holzmüller-Entscheidung in einer weiteren Stellungnahme: Eine solche Zuständigkeit, wie sie der Bundesgerichtshof in der Holzmüller-Entscheidung angenommen habe, sei im Vereinsrecht leichter zu begründen, da es dort an einer zwingenden Ausgestaltung der Zuständigkeitsabgrenzung fehle.272 Vor diesem Hintergrund erwartet sie, dass auch im Vereinsrecht entsprechende Zuständigkeiten entwickelt werden, hält an ihrer skeptischen Haltung zumindest im Hinblick auf Großvereine weiterhin fest.273 b)  Der Ansatz von Sprengel Zu den ausführlicheren Stellungnahmen zur Thematik gehören die Ausführungen von Sprengel. aa)  Darstellung der Konzeption Sprengel widmet einen Abschnitt seiner monographischen Aufarbeitung des Vereinskonzernrechts auch der „Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle“,274 was hier insoweit von Interesse ist, als es um den Verein als Gruppenspitze geht.275 Dabei soll zur Konzernbildungskontrolle der Beteiligungserwerb, die Neugründung von Tochtergesellschaften, die Ausgliederung von Unternehmensteilen sowie der Abschluss von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen zu rechnen sein, zur Konzernleitungskontrolle dagegen Maßnahmen innerhalb der Tochtergesellschaft, wie etwa Kapitalmaßnahmen oder die Aufnahme von Fremdgesellschaftern.276 Im Hinblick auf beide Bereiche untersucht Sprengel die Frage, ob insoweit ungeschriebene Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung bestehen.277

Hemmerich, Möglichkeiten, S. 158. Hemmerich, Möglichkeiten, S. 158. 272 s. Hemmerich, BB 1986, S. 26, 31. 273 s. Hemmerich, BB 1986, S. 26, 31. 274 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, § 7 (S. 191 ff.). 275 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 241 ff. 276 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 216; entsprechend der Konzernbildungskontrolle für die genannten Maßnahmen soll auch noch eine „Konzernfortbildungskontrolle“ zum Einsatz gelangen, wenn Leitungsmacht derart intensiviert wird, dass aus einem einfachen ein qualifiziert faktischer Konzern entsteht: a.a.O., S. 248. 277 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 246 ff. 270 s. 271 s.

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(1) Gruppenbildung Sprengel bejaht dies zunächst im Hinblick auf Konzernbildungsmaßnahmen, ohne dass allerdings ganz deutlich wird, wie genau die Argumentation im Hinblick auf das hier in der systematisierenden Vorüberlegung entfaltete Spektrum von Alternativen verläuft. Betont wird einleitend, dass die Konzernbildung auch im Vereinsrecht zu erheblichen Strukturveränderungen führen kann, die sich insbesondere in der Mediatisierung der Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Mitgliederversammlung niederschlagen.278 Für solche „außergewöhnlichen, die Struktur des Vereins nachhaltig verändernde[n] Maßnahmen“ sei eine Zustimmung der Mitgliederversammlung einzuholen und zwar auch dann, wenn die Satzung bereits eine Konzernöffnungsklausel enthalte.279 Zur Begründung wird auf die Vorschrift des § 33 Abs. 1 BGB verwiesen, die der Mitgliederversammlung die „Entscheidung für Grundlagen- und Strukturentscheidungen“ zuschreibe.280 Zwar könne auch die Satzungsänderungskompetenz durch die Satzung abweichend geregelt werden, doch ändere dies an der originären Alleinzuständigkeit der Mitgliederversammlung nichts.281 Erst zur Bestätigung der so entwickelten Position wird auf die Holzmüller-Doktrin Bezug genommen, die für einen auch im GmbH-Recht verbreitet zu findenden Erst-Recht-Schluss in Anspruch genommen wird:282 Sogar für die Aktiengesellschaft werde seit der Holzmüller-Entscheidung des BGH eine solche ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit angenommen. Wenn dies aber schon für die Aktiengesellschaft zutreffe, die durch Satzungsstrenge und eigenverantwortliche Stellung des Vorstands gekennzeichnet sei, bedürfe die Annahme der Zustimmungsbedürftigkeit solcher Maßnahmen in der GmbH und im Verein keiner besonderen Erörterung mehr.283 Die weiteren Überlegungen beschränken sich auf die Festlegung der Erheblichkeitsschwelle und die Bestimmung der erforderlichen Beschlussmehrheit. Ausgelöst werden soll das Zustimmungserfordernis für eine solche „außergewöhnliche Maßnahme“ nur dann, wenn sie wenigstens 25 % des Umsatzes oder des Gesamtwerts des Vereinsvermögens betrifft, wobei für die Bestimmung des Grenzwertes in §§ 19 ff. AktG eine „gewisse Stütze“ zu finden sein soll.284 Was die erforderliche Beschlussmehrheit angeht, hält Sprengel eine einfache Mehrheit für ausreichend, die die Satzung jedoch erhöhen könne. Zudem sei das Beschlusserfordernis durch eine materielle Beschlusskontrolle zu ergänzen.285 278 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 246; näher zum Mediatisierungseffekt auch schon zuvor, S. 197 ff. 279 s. Sprengel, a.a.O. 280 s. Sprengel, a.a.O. 281 s. Sprengel, a.a.O. 282  s. insoweit zum GmbH-Recht oben, § 6 E.I.1. 283 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 247. 284 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 248. 285 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 249 f.

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(2) Gruppenleitung Was die Mitwirkung in Bezug auf die Konzernleitung angeht, stellt Sprengel sich zunächst die Frage, ob die Mitwirkung bei der Konzernbildung Mitwirkungserfordernisse bei der Konzernleitung ausschließt.286 Dies verneint er mit der Erwägung, zwar setze die Mitgliederversammlung mit ihrer Zustimmung zur Konzernbildung die „Grundsätze der Konzernpolitik“ und bestimme damit auch den Umfang, in dem der Vorstand zu einer Wahrnehmung der Interessen in der Tochtergesellschaft ermächtigt sei; doch könnten solche Maßnahmen nicht von der Ermächtigung als erfasst angesehen werden, die „außergewöhnlichen Charakter“ haben.287 Als Beispiele für solche Maßnahmen werden Entscheidungen über die Gewinnverwendung, Kapitalerhöhungen, der Abschluss von Unternehmensverträgen, die Beteiligung Dritter und die Veräußerung wesentlicher Vermögensteile der Töchter genannt.288 Die weiteren Ausführungen zur Begründung des Zustimmungserfordernisses für konzernleitende Maßnahmen beschränken sich auf den Hinweis, der Begründungsbedarf sei für den Verein weniger erheblich als für die Aktiengesellschaft, weil dem Vorstand keine so „starke, eigenverantwortliche Stellung“ zukomme.289 Dies sei lediglich dann der Fall, wenn die Vereinssatzung dem Vorstand eine stärkere Stellung einräume; selbst dann könne auf eine Mitwirkung der Mitgliederversammlung aber nicht verzichtet werden, allenfalls komme eine Anhebung der Relevanzschwelle in Betracht.290 Im Übrigen wird für die Begründung der Mitwirkungsnotwendigkeit auf die Ausführungen zur Konzernbildungskontrolle verwiesen.291 bb)  Nähere Einordnung des Ansatzes Nimmt man für die Stellungnahme zu Sprengels Position zunächst den Bereich der von ihm so bezeichneten Konzernbildungsmaßnahmen in den Blick, fällt vor allem auf, dass die Argumentation durch zahlreiche Ambivalenzen geprägt ist. Einerseits wird für die Begründung der Zuständigkeit auf eine aus § 33 Abs. 1 BGB abzuleitende Kompetenz für „Grundlagen- und Strukturentscheidungen“ abgestellt. Andererseits ist mehrfach von „außergewöhnlichen Maßnahmen“ oder „unternehmenspolitischen Entscheidungen“ die Rede,292 was zumindest nach der hier verfolgten Systematik auf eine andere Ebene gehört. Auch die Annahme einer einfachen Beschlussmehrheit will dazu, dass maßgeblich auf § 33 Abs. 1 BGB abgestellt wird, nicht recht passen. Die Unstimmigkeiten treten noch deutlicher hervor, wenn für den Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, die SprenSprengel, Vereinskonzernrecht, S. 253 ff., 257 f. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 258 f. 288 s. Sprengel, a.a.O. 289 s. Sprengel, a.a.O. 290 s. Sprengel, a.a.O. 291  s. Sprengel, a.a.O. 292 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 246, 247, 250, 257, 259. 286 s. 287 s.

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gel ohne inhaltliche Differenzierung wie alle Maßnahmen des Beteiligungserwerbs den Konzernbildungsmaßnahmen zurechnet, wegen der insoweit befürworteten Analogie zu § 293 Abs. 2 AktG eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit erforderlich sein soll:293 Es ist nicht einsichtig, warum bei zwei Maßnahmen, die als Konzernbildungsmaßnahmen von Sprengel auf einer einheitlichen systematischen Ebene verortet werden, ein unterschiedliches Mehrheitserfordernis greifen soll, wenn zudem noch die jeweils in Bezug genommenen Referenznormen einheitlich von einem qualifizierten Mehrheitserfordernis ausgehen. Schließlich ist auch nicht einzusehen (und wird auch nicht näher erläutert), inwieweit eine bei 25 % des Umsatzes oder des Werts des Vereinsvermögens anzusetzende Erheblichkeitsschwelle einen systematisch überzeugenden Anhalt in §§ 19 ff. AktG finden soll. Die Ambivalenzen setzen sich im Bereich der Ausführungen zur Konzernleitungskontrolle fort und verstärken sich dort sogar noch. Dort wird begrifflich nur noch mit dem Terminus der „ungewöhnlichen Maßnahme“ operiert.294 Während man dies im Bereich der Konzernbildung noch als unscharfes Synonym für die an § 33 Abs. 1 angelehnte Grundlagen- und Strukturkompetenz für Maßnahmen der Beteiligungsbildung verstehen konnte, erweitert sich nun der Anwendungsbereich dieses Begriffs im Bereich der Konzernleitung auf Maßnahmen wie die Veräußerung wesentlicher Vermögensteile, die sich im Hinblick auf die fehlende mediatisierende Wirkung – auf die ja auch Sprengel im Bereich der Konzernbildung entscheidend abstellt – aber kategorial von den Maßnahmen der Beteiligungsbildung unterscheiden. Der Verweis auf die zur Konzernbildung entwickelte Begründung geht insofern also ins Leere; dementsprechend bleibt letztlich offen, worauf das Mitwirkungserfordernis im Bereich der Konzernleitung eigentlich gestützt werden soll. Unklarheiten ergeben sich schließlich auch im Hinblick auf Sprengels Ausführungen zur Disposivität der von ihm angenommenen ungeschriebenen Zuständigkeiten. Zumindest auf den ersten Blick betreffen die Zweifel auch die Frage, welche Position Sprengel insoweit überhaupt einnimmt. Glaubt man der Zwischenüberschrift, geht es ihm um die Entwicklung einer „Zwingende[n] Entscheidungszuständigkeit“ der Mitgliederversammlung. Daran lässt dann aber zweifeln, dass zur Begründung tragend auf § 33 Abs. 1 BGB und die darin verortete Grundlagenund Strukturkompetenz abgestellt und in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, dass das in besonderem Maße durch Dispositivität geprägte Vereinsrecht auch für die Satzungsänderungskompetenz eine anderweitige Regelung durch die Satzung zulasse. Man würde annehmen, dass der Hinweis auf die Dispositivität der Vorschrift, die als normativer Anker für eine ungeschriebene Zuständigkeit herangezogen wird, sich ohne Angabe besonderer Gründe auch auf diese erstreckt. Genau dies scheint Sprengel aber nicht zu befürworten, ohne dafür freilich eine auch nur ansatzweise überzeugende Begründung zu geben.295 Dass die von ihm entwickelSprengel, Vereinskonzernrecht, S. 243. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 257, 258. 295 Bei Sprengel, a.a.O., findet sich lediglich noch ein Halbsatz mit der Bemerkung, auch eine anderweitige Satzungsregelung ändere nichts an der originären Allzuständigkeit der 293 s.

294 s.

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ten Zuständigkeiten eindeutig nicht als abdingbar gedacht sind, zeigt dann auch der auf die Mitwirkung bei der Konzernleitung bezogene Hinweis, insoweit könne die Satzung die Stellung des Vorstands zwar stärker mit der Folge ausgestalten, dass über eine Anhebung der Relevanzschwelle nachzudenken sei, jedoch könne auf das Erfordernis der Mitwirkung der Mitgliederversammlung selbst nicht verzichtet werden.296 Insgesamt betrachtet gerät Sprengel mit seiner Konzeption ungeschriebener Zuständigkeiten auf diese Weise in einen doppelten Wertungswiderspruch. Einerseits geht er über die als Basis herangezogene Vorschrift des § 33 Abs. 1 BGB hinaus, indem er eine Zuständigkeit annimmt, die zwingend von der Mitgliederversammlung wahrzunehmen ist. Andererseits unterschreitet er die von § 33 Abs. 1 BGB aufgestellten Voraussetzungen, indem er sich für eine einfache Beschlussmehrheit ausspricht. Beides ist schon für sich genommen fragwürdig. Jedenfalls in Kombination miteinander lässt es sich nicht mehr sinnvoll in ein schlüssiges Gesamtkonzept einbinden. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass auch die von Sprengel vorgenommene Abgrenzung von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen 297 nicht mit der in dieser Arbeit verfolgten Abgrenzung übereinstimmt,298 was sich allerdings angesichts der von ihm verfolgten einheitlichen Behandlung nicht weiter auswirkt. c)  Der Ansatz von Segna Auch bei Segna finden sich im Hinblick auf die hier verfolgte Problematik ausführlichere Überlegungen.299 aa)  Darstellung der Konzeption Segnas Ausführungen lassen sich gleichfalls in Überlegungen zur Gruppenbildungs- und Gruppenleitung unterteilen.

Mitgliederversammlung. Doch bleibt dies unverständlich: Soweit die Satzung in zulässiger Weise von der gesetzlichen Kompetenzverteilung abweicht, ist die „originäre Allzu­ ständigkeit“ der Mitgliederversammlung bis zu einer entgegengesetzten Satzungsänderung wirksam beseitigt. 296 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 259. 297  Bzw. in der bei Sprengel verfolgten Terminologie: Konzernbildungs- und Konzernleitungsmaßnahmen. 298  Nach der zum Aktien- und GmbH-Recht entwickelten Ansicht weisen Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft, bei denen die Mutter die neugeschaffenen Anteile übernimmt, unter dem Gesichtspunkt des Mediatisierungseffekts die gleichen Eigenschaften wie Maßnahmen der erstmaligen Beteiligungsbildung auf und sind dementsprechend unter systematischen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit diesen zu erfassen: s.o., § 5 E.VI.2.a) (AG) und § 6 F.II.2 (GmbH); s. zum Verein auch noch unten, § 7 B.II.1.b)aa). 299 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 153 ff, 165 ff.; s.a. schon ders., ZIP 1997, 1901, 1908 f.

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(1) Gruppenbildung Segna entwickelt seine Grundposition zunächst in Bezug auf die Ausgliederung von Vereinsvermögen im Wege der Einzelrechtsübertragung,300 die von ihm nachfolgend dann auch auf den Beteiligungserwerb erstreckt wird.301 Seine Ausführungen gelten dabei zunächst allein solchen Vereinen, deren Satzung keine Konzernklausel enthält. Insoweit gelangt er zur Annahme einer ungeschriebenen Zuständigkeit, die er auf zwei Stützen gründen möchte. Zunächst einmal stelle die Verfolgung des Vereinszwecks über eine Tochtergesellschaft eine faktische Satzungsänderung dar, die deswegen der Zustimmung der Mitgliederversammlung bedürfe.302 Bestätigt und auf eine zweite Säule gestützt werde diese Sichtweise, wenn man sich die Verkürzung der Mitspracherechte der Mitglieder bezüglich des ausgegliederten Vermögensteils vergegenwärtige.303 Durch die Ausgliederung verliere die Mitgliederversammlung insbesondere auch das Recht, die Unternehmensführung mittels Weisungen direkt zu steuern. Stattdessen sei sie auf das Weisungsrecht im Rahmen der Beteiligungsverwaltung beschränkt, womit sich der Bezugspunkt maßgeblich verändere. Dies rechtfertige es, Ausgliederungsmaßnahmen auf eine Stufe mit der förmlichen Beschränkung des Weisungsrechts zu stellen, die nach § 33 Abs. 1 S. 1 BGB einen mit qualifizierter Mehrheit gefassten Beschluss der Mitgliederversammlung voraussetze.304 Den Gedankengang abschließend stellt Segna fest, es gehe bei dem so begründeten Zustimmungserfordernis nicht lediglich um eine Vorlagepflicht nach § 36 Fall 2 BGB, sondern um eine Angelegenheit mit Grundlagencharakter.305 Dies gelte auch unabhängig um Umfang des ausgegliederten Vermögens.306 Im Anschluss daran erörtert Segna die Rechtslage für den Fall, dass die Satzung bereits „eine sog. Konzernklausel enthält, die den „Vorstand ausdrücklich zu konzernbildenden Maßnahmen ermächtigt“.307 Hier ließe sich ein Zustimmungserfordernis nun nicht mehr ohne weiteres aus dem Gesichtspunkt einer faktischen Satzungsänderung herleiten, weil eine Ausgliederung zumindest formal von der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands gedeckt sei.308 Jedoch sei auch bei Vorliegen einer Konzernklausel denkbar, dass eine Ausgliederung in einem Maße in das interne Kontroll- und Entscheidungsgefüge des Vereins eingreife, dass man Segna, Vorstandskontrolle, S. 153. Segna, Vorstandskontrolle, S. 161 f. 302 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 155 ff. 303 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 156. 304 s. Segna, a.a.O. 305 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 157. 306 s. Segna, a.a.O. 307 s. Segna, a.a.O.; insoweit werden allerdings zwei unterschiedliche Konstellationen miteinander vermengt, die nach hier vertretener Ansicht auseinander zu halten sind; s.a. noch sogleich, § 5 B.I.2.c)bb)(1). 308 s. Segna, a.a.O. 300 s. 301 s.

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schwerlich davon sprechen könne, es handele sich noch um bloßen Satzungsvollzug.309 Dies sei namentlich dann der Fall, wenn es sich bei dem ausgegliederten Vermögenswert um einen bedeutenden Teil des Vereinsvermögens handele. In diesem Zusammenhang zieht Segna nun auch eine Verbindungslinie zum Holzmüller-Urteil, beschränkt sich aber letztlich darauf, eine gewisse Parallelität zu dieser herauszustellen, ohne einen Transfer der darin zum Ausdruck gelangenden Grundsätze anzustreben. So ist er der Ansicht, es könne dahingestellt bleiben, ob sich das Urteil des BGH mit dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands und der Regelung des § 119 Abs. 2 AktG vertrage. Soweit es den Verein angehe, sei an § 36 Fall 2 BGB zu erinnern, wonach den Vorstand vor allem in Hinblick auf das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung weitergehendere Einberufungspflichten treffen als den Vorstand einer Aktiengesellschaft.310 Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Vorstand durch eine Konzernklausel i.d.R. nicht davon befreit sei, die Ausgliederung eines bedeutenden Vermögensteils den Mitgliedern vorzulegen.311 Die Wesentlichkeitsschwelle soll dabei bei einem Wert von 10 % des Vereinsvermögens anzusetzen sein,312 der erforderliche Beschluss mit einfacher Mehrheit getroffen werden können.313 Segna schließt seine Ausführungen zur Ausgliederung mit der Behandlung der Frage ab, ob (bei Existenz einer Konzernklausel) nach § 36 Fall 2 BGB auch dann die Mitwirkung der Mitgliederversammlung erforderlich sei, wenn der Vorstand den Verein in Anlehnung an § 76 AktG unter eigener Verantwortung leite. Segna bejaht dies: Zwar könne hier eine Vorlagepflicht nicht unter Hinweis auf das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung begründet werden, gleichwohl seien die Voraussetzungen von § 36 Fall 2 BGB aber regelmäßig erfüllt. Zur Begründung verweist Segna dabei erneut auf den Mediatisierungseffekt: Den Mitgliedern gingen in Bezug auf den ausgegliederten Vermögensteil nun auch alle anderen Mitsprache- und Kontrollmöglichkeiten verloren.314 Die fehlende Weisungsgebundenheit schlage hier voll zum Nachteil der Mitglieder aus, weil der Vorstand die Ausübung der Gesellschafterrechte nunmehr weitestgehend nach eigenen Vorstellungen verfolgen könne. In dieser Situation dürfe der Vorstand verständiger Weise nicht annehmen, er dürfe die Ausgliederungsentscheidung ohne die Mitwirkung der Mitgliederversammlung treffen.315 (2) Gruppenleitung Neben der Ausgliederung und dem Beteiligungserwerb behandelt Segna i.S. einer eigenständigen Kategorie auch die „Beteiligungsverwaltung und KonzernSegna, a.a.O., unter Bezugnahme auf Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 847. Segna, Vorstandskontrolle, S. 158; s. zu Segnas Position in Bezug auf § 36 Fall 2 BGB bereits ausführlich oben, § 7 A.IV.3.c)cc) und 3.d). 311 s. Segna, a.a.O. 312 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 158 f. (in Fn. 205). 313 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 159 f. 314 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 160. 315 s. Segna, a.a.O. 309 s. 310 s.

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leitung“.316 Dazu rechnet er solche Entscheidungen und Maßnahmen, die nach erfolgter Ausgliederung oder nach dem Beteiligungserwerb innerhalb der Tochtergesellschaften getroffen werden. Derartige Maßnahmen gehörten grundsätzlich als Angelegenheiten der Geschäftsführung in die Hand des Vorstands, sofern sie nicht in ähnlicher Weise wie die ursprüngliche Beteiligungsbildung in die Mitspracherechte der Mitgliederversammlung eingriffen.317 Insoweit bestehe nämlich die Gefahr, dass der Vorstand die ohnehin schon mediatisierten Rechte der Vereinsmitglieder noch weiter verkürze.318 So könne etwa die Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft dazu führen, dass Minderheitsrechte zu beachten seien oder relevante Mehrheiten unterschritten würden, was erhebliche Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Mitgliederversammlung entfalten könne, ihren Willen per Weisungsbeschluss gegenüber dem Vorstand auch in der Untergesellschaft zur Entfaltung zu bringen.319 Deswegen müsse der Vorstand die Mitgliederversammlung stets einschalten, wenn diese aufgrund einer geplanten Maßnahme in einem nennenswerten Umfang Einflussmöglichkeiten zu verlieren droht.320 Dagegen seien etwa Kapitalerhöhungen in der Tochter, die keine wesentliche Verkürzung der Befugnisse der Mitgliederversammlung zur Folge haben, weil z. B. keine bisher außenstehenden Dritten in die Gesellschaft eintreten, vom Vorstand eigenmächtig zu beschließen.321 Für einen Schutz der Vereinsmitglieder bestehe hier insbesondere wegen des Weisungsrechts und der Möglichkeit, in der Satzung entsprechende Zustimmungsvorbehalte zu vereinbaren, kein unabweisbares Bedürfnis.322 Nicht ganz eindeutig sind dagegen die Ausführungen in Bezug auf die dogmatischen Grundlagen des Einbeziehungserfordernisses der Mitgliederversammlung im Bereich der Gruppenleitung. Gesagt wird nur, der Vorstand habe für die Beteiligungsverwaltung in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Maßnahme aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Mitglieder als Grundlagenangelegenheit schon in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung falle, oder ob sie noch als zustimmungsfreie Geschäftsführungsangelegenheit einzustufen sei.323 § 36 Fall 2 BGB soll insoweit also offenbar nicht herangezogen werden. Auch zur erforderlichen Mehrheit und zur Dispositivität dieser Zuständigkeit wird nichts gesagt.

Segna, Vorstandskontrolle, S. 165 ff. Segna, a.a.O. 318 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 165 f. 319 s. Segna, a.a.O. 320  Neben der Aufnahme Dritter nennt Segna, a.a.O., S. 166 auch noch die Teilveräußerung einer unternehmerischen Beteiligung sowie den Abschluss eines Beherrschungsvertrages durch die Tochter als verpflichtetes Unternehmen. 321 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 167. 322 s. Segna, a.a.O. 323 s. Segna, a.a.O., S. 167 f. 316 s. 317 s.

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bb)  Nähere Einordnung des Ansatzes Auch für eine kritische Aufarbeitung der Ausführungen Segnas soll zum Zweck der besseren Übersicht der in Segnas Darstellung angelegten (wenn auch nicht explizit so benannten) Unterscheidung zwischen Maßnahmen der Gruppenbildung und Gruppenleitung gefolgt werden; wie schon bei Sprengel ist aber auch hier darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung der beiden Kategorien von dem in dieser Arbeit zugrunde gelegten Verständnis funktionalen Verständnis in Teilen abweicht (dazu noch sogleich, (2.)).324 (1) Gruppenbildung Segnas Position ist deswegen von besonderem Interesse, weil er zu den wenigen gehört, die das vereinsrechtliche Potential erkennen, ähnlich wie im GmbH-Recht Vorlagepflichten im Bereich herausgehobener Geschäftsführungsmaßnahmen zu begründen und diesen Gedanken auch für die Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Beteiligungsbildung, d.h. dem klassischen Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin, fruchtbar zu machen. Es entspricht auch der hier verfolgten Ansicht, hinsichtlich der Ausgangsvoraussetzungen der Diskussion an den Entwicklungsstand des GmbH-Rechts anzuknüpfen. Die auf dieser Basis von Segna entwickelte Systematik kann dagegen nicht durchgehend überzeugen. Zunächst ist Segna aber im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass die Konzernbildung – bzw. besser: die Gruppenbildung – auch im Vereinsrecht einer Grundlage in der Satzung bedarf.325 Fehlt es daran, muss schon aus diesem Grund eine (satzungsändernde) Entscheidung der Mitgliederversammlung herbeigeführt werden. Zweifel wecken dann jedoch die Ausführungen, die die Rechtslage bei Vorhandensein einer Konzernklausel beschreiben sollen. Diese betreffen bereits den dogmatischen Ausgangspunkt, soweit nämlich danach gefragt wird, wie sich die Rechtslage darstellt, wenn „die Satzung eine sog. Konzernklausel enthält, die den Vorstand ausdrücklich zu konzernbildenden Maßnahmen ermächtigt“.326 Dies vermengt zwei ganz unterschiedliche Aspekte. Konzernklauseln, die dem im Aktien- und GmbH-Recht üblichen Muster folgen, sprechen i.d.R. nur die auf die Körperschaft (AG, GmbH, Verein) bezogene Zulässigkeit von Maßnahmen der Beteiligungsbildung aus,327 beinhalten jedoch keine spezifische Zuständigkeitsregelung für die Konzernbildung. Welches Organ innerhalb der Körperschaft für die Entscheidung über die Beteiligungsbildung zuständig sein soll, ist mit einer der324 

s. noch sogleich, bei (2). noch ausführlicher sogleich im Rahmen der systematischen Stellungnahme, § 7 B.II.2.a). 326 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 157. 327  s. dazu für GmbH und AG bereits oben, § 5 E.VI.4.a)aa) und § 6 F.II.1., m.w.N.; s. zu den Gestaltungen bei den in dieser Untersuchung näher in den Blick genommenen Vereinen oben, § 4 C.III.3.a); vgl. auch das 1. und 3. der von Segna selbst angegebenen Beispiele, a.a.O., Fn. 199. 325  s.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

artigen allgemeinen Konzernklausel also regelmäßig noch nicht gesagt. Vergleichbar ist dies mit der satzungsmäßigen Festlegung des Unternehmensgegenstands im GmbH-Recht: Diese erlaubt ein Urteil darüber, ob eine bestimmte Maßnahme von der Satzung gedeckt ist und deswegen ohne formelle Satzungsänderung vorgenommen werden darf, besagt aber noch nichts darüber, welches Organ über ihre Vornahme zu entscheiden hat. Dies ist – vorbehaltlich einer diesen Aspekt regelnden Satzungsklausel – eine Frage der allgemeinen Kompetenzabgrenzung im Innenverhältnis, die auch zu dem Ergebnis führen kann, dass die Geschäftsführung eine bestimmte, vom Unternehmensgenstand gedeckte Maßnahme nicht ohne die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung vornehmen darf.328 Damit soll keinesfalls gesagt sein, dass die Satzung nicht auch Klauseln enthalten könnte, deren Regelungsgehalt auf die Zuständigkeitsverteilung in Bezug auf Maßnahmen der Beteiligungsbildung zielt. Nur geht es eben um unterschiedliche Sachebenen, die unterschiedliche Fragen aufwerfen und dementsprechend auch unterschiedliche Antworten zulassen. Weil dies bei Segna ausgeblendet bleibt, begibt er sich der Möglichkeit, die Frage nach der satzungsmäßigen Regelbarkeit der Zuständigkeit für die Beteiligungsbildung überzeugend zu beantworten.329 Grundsätzlich beizupflichten ist Segna im Ergebnis dagegen darin, dass auch bei Existenz einer Konzernklausel die Einbeziehung der Mitgliederversammlung erforderlich werden kann.330 Soweit er sich hierfür auf das von ihm aus § 36 Fall 2 BGB abgeleitete Zustimmungserfordernis stützt, liegt dies vorbehaltlich der an seiner Konzeption generell zu übenden Kritik331 rechtlich grob auf der Linie der in dieser Arbeit befürworteten Vorlagepflicht für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen, die auch für die Zuständigkeitsabgrenzung in Gruppensachverhalten nutzbar gemacht werden kann.332 Nicht nachvollziehbar ist es dagegen, wenn Segna das auf der Basis von § 36 Fall 2 BGB begründete Zustimmungserfordernis auch gegen solche Satzungsgestaltungen immunisiert, die die Kompetenzen des Vereinsvorstandes an § 76 AktG anlehnen. Das ergibt sich nach der hier vertretenen Ansicht bereits daraus, dass die Vorlagepflichten für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen lediglich der Absicherung des Rechts der Mitgliederversammlung dienen, durch Weisungsbeschluss in die Geschäftsführung des Vorstands einzugreifen. Mit der Weisungsbefugnis entfällt daher auch die Notwendigkeit ihrer Absicherung. Aber auch auf der Grundlage von Segnas Ansicht, die Vorlagepflicht aus § 36 Fall 2 BGB beruhe auf dem Gedanken der mutmaßli-

328 

s. dazu ausführlich oben, § 6 D.III. s. insoweit kritisch auch MünchKomm/Reuter § 27 Rn. 40 mit Fn. 90. 330  Nur ergibt sich die Basis für diese Annahme eben schon daraus, dass eine Konzernöffnungsklausel insoweit bei üblicher Formulierung überhaupt keine Regelung beinhaltet und nicht aus dem Gesichtspunkt einer eingeschränkten Regelbarkeit durch die Satzung. 331  s. o., A.IV.3.d)cc). 332  s. schon zur GmbH oben, § 6 E.I.3.a)bb). 329 

B.  Die Zuständigkeitsordnung im verbundenen Verein

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chen Ablehnung einer Maßnahme durch die Mitglieder,333 lässt sich ein derartiges Ergebnis nicht überzeugend begründen. Denn der mutmaßlich entgegenstehende Wille kann nur dann relevant sein, wenn auch der tatsächlich geäußerte Wille für den Vorstand bindend wäre.334 Dies ist aber dann, wenn ihn die Satzung von Weisungsbeschlüssen freistellt, gerade nicht der Fall. Nicht bestritten werden soll, dass sich Maßnahmen der Beteiligungsbildung gerade auch dann, wenn der Mitgliederversammlung kein Weisungsrecht zukommt, einschneidend auf ihre (verbleibenden) Rechte auswirken können.335 Nur lässt sich daraus eben kein Einbeziehungserfordernis gewinnen, das zur Begründung auf das Weisungsrecht angewiesen ist. Jedenfalls insoweit wäre eine Diskussion der zum Aktienrecht entwickelten Lösungsansätze angezeigt, die die Notwendigkeit einer ad hoc Zustimmung der Hauptversammlung in Anlehnung an ihre gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen entwickeln, weil § 76 AktG insoweit nicht entgegenstehen kann. Doch bleibt diese Facette der Holzmüller/Gelatine-Diskussion bei Segnas Ansatz insgesamt ausgeblendet. (2) Gruppenleitung Ein erster Kritikpunkt hinsichtlich der Ausführungen zur Gruppenleitung betrifft die Frage der Abgrenzung dieser Kategorie. Segna folgt insoweit wie bereits Sprengel dem auch im Aktien- und GmbH-Recht verbreitet anzutreffenden formalen Verständnis und rechnet ihr dementsprechend auch den Bereich der Kapitalerhöhung unter Wahrnehmung des Bezugsrechts durch die Obergesellschaft zu. Dem ist nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht nicht zu folgen, weil die letztgenannte Konstellation unter materiellen Gesichtspunkten eine Gleichbehandlung mit den Maßnahmen der (erstmaligen) Beteiligungsbildung erfordert.336 Es lässt sich nämlich keineswegs sagen, dass derartige Kapitalerhöhungen die Befugnisse der Mitgliederversammlung nicht wesentlich verkürzen, nur weil dabei keine bisher außenstehenden Dritten in die Gesellschaft eintreten. Sie verkürzen die Rechte der Mitglieder vielmehr im gleichen Umfang wie jeder Tausch von zunächst unmittelbar gehaltenen Vermögenswerten gegen Gesellschaftsanteile. Ob erstmalig eine Tochtergesellschaft gegründet oder eine Beteiligung erworben wird oder ob weitere Mittel auf eine bestehende Beteiligung verlagert werden, ist insoweit irrelevant. Der zweite Kritikpunkt ergibt sich aus dem Umstand, dass aus Segnas Ausführungen nicht ausreichend deutlich hervorgeht, auf welcher dogmatischen Grundlage er überhaupt zu der Annahme gelangt, dass die Einbeziehung der Mitglieder333  s. dazu allgemein Segna, Vorstandskontrolle, S. 137 f. und speziell noch einmal in Bezug auf den gegenwärtigen Zusammenhang S. 160. 334  s. zu entsprechenden Überlegungen für das GmbH-Recht auch schon oben, § 6 G.I.1. 335  Darauf entscheidend abstellend Segna, Vorstandskontrolle, S. 160. 336  S.o, § 5 E.Vi.2.a (AG) und § 6 F.II.2 (GmbH); s. zum Verein auch noch unten, § 7 B.II.1.b)aa).

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

versammlung bei der Gruppenleitung geboten sein kann. Statt auf § 36 Fall 2 BGB soll es nun offenbar auf eine nicht näher beschriebene „Grundlagenzuständigkeit“ der Mitgliederversammlung ankommen.337 Wieso sich aber bei einem erstmaligen Beteiligungserwerb, der ja auch bloß der Erwerb eines Teiles der Anteile der betreffenden Gesellschaft sein kann, die Zuständigkeit aus § 36 Fall 2 BGB ergeben soll, während dann, wenn es um die spätere Aufnahme Dritter in die Tochter geht, eine nicht näher beschriebene Grundlagenzuständigkeit der Mitgliederversammlung maßgeblich sein soll, ist nicht recht einzusehen. Die konsequente Auflösung dieser Widersprüche ergibt sich dann, wenn man anerkennt, dass sich sowohl auf der Ebene der Gruppenbildung als auch im Rahmen der Gruppenleitung Mitwirkungsansprüche der Mitgliederversammlung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflichten für ungewöhnliche Maßnahmen338 als auch unter dem Gesichtspunkt der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller-Doktrin ergeben können.339 d)  Der Ansatz von Reuter Reuter widmet der vorliegenden Thematik nur einige kursorische Ausführungen, die in erster Linie auf eine knappe Kritik der Position Segnas hinauslaufen.340 Reuter hält Segnas Problemdarstellung für inkorrekt, weil sich die Holzmüller-Frage im Vereinsrecht nur stellen könne, soweit die Mitgliederversammlung satzungsfestes Grundlagenorgan sei, was aber nur hinsichtlich der Vereine ohne Aufnahmefreiheit der Fall sei.341 Im Übrigen entscheide die Auslegung der Satzung darüber, ob die Zuständigkeit des Vorstands sein Verhalten decke.342 Auch wenn man aber die in das Vereinsrecht transferierte Holzmüller-Doktrin (zutreffend) für satzungsdisponibel hält,343 geht die Schlussfolgerung zu weit, die Holzmüller-Problematik sei im Vereinsrecht lediglich eine Frage der Satzungsauslegung. Denn das Statut muss die damit verbundenen Fragen nicht notwendig bedacht und geregelt haben und wird dann im Regelfall auch einer ergänzenden Auslegung nicht zugänglich sein. Dann bleibt nichts anders übrig, als die Zuständigkeitsabgrenzung anhand der (konsequent fortgedachten) gesetzlichen Ausgangsbasis vorzunehmen. Auch dies lässt sich wieder mit Hilfe des GmbH-rechtlichen Beispiels verdeutlichen: Im GmbHRecht ist wohl unbestritten, dass der Gesellschaftsvertrag die Zuständigkeit für Segna, Vorstandskontrolle, S. 167 f. Dies entspricht im Ansatz Segnas Rückgriff auf § 36 Fall 2 BGB. 339  s. zur systematischen Entwicklung dieses Standpunkts sogleich, § 7 B.II. 340  s. MünchKomm/Reuter (6. Aufl.) § 27 Rn. 43 mit Fn. 104; (ebenso in der 7. Aufl. MünchKomm/Arnold § 27 Rn. 40 mit Fn. 90); s. in der 7. Aufl. nun zudem noch MünchKomm/Reuter, Vor. § 21 Rn. 162 lit. f. 341  s. MünchKomm/Reuter (6. Aufl.) § 27 Rn. 43; s.a. (7. Aufl.) MünchKomm/ders. Vor § 21 Rn. 162 lit. f. 342  s. MünchKomm/Reuter (6. Aufl.) § 27 Rn. 43; s.a.; (7. Aufl.) MünchKomm/ders. Vor § 21 Rn. 162 lit. f. 343  Dies entspricht auch der hier verfolgten Konzeption, s. noch ausführlicher sogleich, § 7 C.II. 337 s. 338 

B.  Die Zuständigkeitsordnung im verbundenen Verein

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Sachfragen, die unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen der Gesellschafterversammlung vorgelegt werden müssen, von vornherein auch in die alleinige Verantwortung der Geschäftsführung überweisen kann.344 Auch dort hat aber noch niemand die Diskussion um die Begründung von ungeschriebenen Einbeziehungserfordernissen zugunsten der Gesellschafterversammlung im Bereich von durch den Unternehmensgegenstand gedeckten Geschäftsführungsmaßnahmen mit dem Hinweis für überflüssig zu erklären versucht, dass dies durch den Gesellschaftsvertrag geregelt werden könne.345 e)  Der Ansatz von Heermann Heermann äußert sich zu einer Übertragung der Holzmüller-Doktrin in das Vereinsrecht zunächst skeptisch, ist dafür im Ergebnis aber doch offen.346 Dabei stellt er zentral auf die im Vereinsrecht bestehende Gestaltungsfreiheit ab. Anders als im Aktienrecht sei die Mitwirkung des Mitgliederorgans bei Satzungsänderungen nicht zwingend. Vielmehr könne die Satzungsänderungskompetenz auch einem anderen Organ übertragen oder von der Zustimmung eines Mitglieds abhängig gemacht werden. Dann müsste dies aber auch erst recht für weniger einschneidende Maßnahmen wie von der Satzung abgedeckte Umstrukturierungen gelten.347 Diese Gestaltungsmöglichkeiten seien vor einer voreiligen Übertragung der Holzmüller-Doktrin in das Vereinsrecht zu berücksichtigen. Deren Übertragung komme daher nur insoweit in Betracht, „wenn durch eine Ausgliederungsmaßnahme in durchsetzbare, d.h. nicht in der Satzung abbedungene oder stark eingeschränkte, Mitgliederrechte eingegriffen wird“.348 Da die Vereinssatzungen insoweit aber zumeist keine Regelungen enthielten, sei auch im Vereinsrecht eine Anwendung der im Holzmüller-Urteil entwickelten Grundsätze in Betracht zu ziehen.349 Im Hinblick auf den Standpunkt zur Dispositivität entspricht Heermanns Position der 344  Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme nicht in abzulehnender Weise mit der Holzmüller-Doktrin vermengt wird: s. zur Problematik oben, § 6 G.I.1. 345  Auch soweit Reuter inzwischen (MünchKomm, Vor § 21 Rn. 162 lit f.) die Holzmüller-Doktrin außerdem mit der Begründung für das Vereinsrecht für gegenstandslos erklärt, die Mitgliederversammlung könne als oberstes Vereinsorgan ohnehin jede Entscheidung an sich ziehen, überzeugt dies nicht. Wie im GmbH-Recht lässt die latente Allzuständigkeit des Mitgliederorgans nämlich auch im Vereinsrecht die Frage nach etwaigen (ungeschriebenen) Beschränkungen der Verwaltungskompetenzen nicht entfallen. Soweit Reuter (a.a.O.) auf ohnehin bestehende Vorlagepflichten bei außergewöhnlichen Maßnahmen verweist, unterscheiden sich diese auf Tatbestands- wie Rechtsfolgenseite von einer ungeschriebenen Zuständigkeit im Sinne der Holzmüller-Doktrin und können die Frage nach deren Transferierbarkeit damit gleichfalls nicht gegenstandslos machen. 346 s. Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253 f. 347 s. Heermann, ZIP 1998, 1249, 1254. 348 s. Heermann, a.a.O. 349 s. Heermann, a.a.O.

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auch in dieser Arbeit verfolgten Ansicht. Im Übrigen tragen die Ausführungen schon wegen ihrer Kürze wenig zur Durchdringung der relevanten Probleme bei.350 f)  Der Ansatz von Schießl Harald Schießl beschränkt seine Überlegungen entsprechend dem Gegenstand seiner Untersuchung auf die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung bei Ausgliederungsmaßnahmen aus einem Idealverein.351 Insoweit gelangt er zu dem Ergebnis, aufgrund der damit einhergehenden organisationsrechtlichen Verwerfungen seien Ausgliederungen aus Idealvereinen als faktische Satzungsänderungen einzuordnen, die gem. § 33 Abs. 1 BGB eines mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Beschlusses bedürfen,352 sofern sie wenigstens 25 % des Gesamtwerts des Vereinsvermögens betreffen.353 Durch eine statuarische Ermächtigungsklausel – darunter versteht Schießl typische Konzernklauseln – könne die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung entfallen. Doch seien derartige Klauseln im Hinblick auf die damit verbundenen Gefahren eng auszulegen, an ihren Wortlaut seien hohe Anforderungen zu stellen.354 Ähnlich wie schon im Hinblick auf die Ausführungen Segnas ist auch an diesem Ansatz kritisch zu bewerten, dass die Frage nach der Dispositivität der Mitwirkungsrechte der Mitgliederversammlung allein unter dem Gesichtspunkt von Konzernklauseln diskutiert wird. Denn eine typisch formulierte Konzernklausel lässt nach der in dieser Arbeit verfolgten Ansicht lediglich die Notwendigkeit entfallen, den Vereinsgegenstand unmittelbar, d.h. im Einheitsverein zu verwirklichen. Abgesehen davon besagt sie bei typischer Formulierung über die vereinsinterne Zuständigkeitsverteilung nichts.355 Sie bedarf daher auch keiner restriktiven Auslegung zum Schutz der Vereinsmitglieder. g)  Der Ansatz von Lettl Auch Lettl hält die Holzmüller-Doktrin im Vereinsrecht für anwendbar. Allerdings nimmt er sie ausdrücklich nur hinsichtlich ihrer prozessualen Komponente in Bezug, d.h. soweit es um das Individualklagerecht des Verbandsmitglieds gegen kompetenzwidrige Maßnahmen der Verwaltung geht.356 Für die vorgelagerte Fra350  Insbesondere bleibt auch unklar, wie er sich den Eingriff in Mitgliederrechte durch eine Ausgliederungsmaßnahme vorstellt, erklärt er es doch an anderer Stelle einen solchen Eingriff im Hinblick auf §§ 27 Abs. 3, 665 BGB für fraglich (a.a.O., S. 1253). 351 s. Schießl, Ausgliederung, S. 79 ff. 352 s. Schießl, Ausgliederung, S. 82. 353 s. Schießl, Ausgliederung, S. 83 f., der diesen Wert aber nur als bloßen Anhaltspunkt versteht und ansonsten auf eine „materielle Betrachtung im Einzelfall“ abstellen möchte. 354 s. Schießl, S. 84 f. 355  s. bereits die entsprechenden Ausführungen zu Segna, oben, § 7 B.I.2.c)bb). 356 s. Lettl, Wertrecht, S. 141 ff.; ders., AcP 203 (2003), 149, 204 ff.

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ge, woraus sich die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung für Ausgliederungsmaßnahmen, auf die sich seine Ausführungen konzentrieren, ergeben soll, nimmt er dagegen in erster Linie § 33 BGB in Bezug.357 Da die Ausgliederung von Vereinsvermögen auf Tochterverbände regelmäßig zur Änderung des Vereinsgegenstandes oder sogar des Vereinszwecks führe, sei das Problem des Schutzes der Mitglieder allein durch die Bestimmung des § 33 Abs. 1 BGB und die Sanktionen bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift zu lösen.358 Wieso aber die Ausgliederung von Vereinsvermögen „regelmäßig“ zur Änderung des Vereinsgegenstandes oder sogar des Vereinszwecks führen soll, bleibt weitgehend im Dunkeln. Denn jedenfalls darf der Verein solche Tätigkeiten, die er vor der Ausgliederung im Rahmen von Gegenstand und Zweck verfolgen durfte, auch mittelbar über eine Tochtergesellschaft verwirklichen, ohne dass dies Vereinsgegenstand und –zweck berührt. Der einzige Vorbehalt liegt in dem Erfordernis, dass die mittelbare Zweckverfolgung generell durch eine entsprechende Satzungsklausel zugelassen sein muss. Auf diesen Aspekt will Lettl aber wohl nicht abstellen, scheint er doch von einer zwingenden Zuständigkeit der Mitgliederversammlung auszugehen.359 Besser nachvollziehbar ist ein von Lettl ergänzend angeführtes, umwandlungsrechtlich inspiriertes Argument: Im Bereich der gesetzlich geregelten Umstrukturierungen nach dem UmwG laufe der Mitgliederschutz bei Ideal- und Handelsvereinen parallel. Dies spreche dafür, den Gleichlauf des Mitgliederschutzes auch insoweit fortzuführen, als er auf von Rechtsprechung und Schrifttum außerhalb des UmwG für die Handelsvereine entwickelten Konstruktionen beruhe.360 Wie genau sich dieser Gedanke zu dem Gesichtspunkt einer Änderung von Vereinsgegenstand und –zweck und dem darauf basierenden Rückgriff auf § 33 BGB verhält, wird aber nicht mehr geklärt. h)  Der Ansatz von Habersack Habersack nimmt in einer Stellungnahme lediglich die Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz näher in den Blick und beschränkt deswegen die Frage nach der Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf Mitwirkungsrechte der Vereinsmitglieder nach erfolgter Ausgliederung.361 Ausgehend davon, dass der Mediatisierungseffekt das tragende Element der Holzmüller-Entscheidung darstelle, gelangt er zu der Annahme, dass dann auch für solche Maßnahmen, die dazu führen, dass der Verein in nicht unbeträchtlichem Umfang die Möglichkeit verliert, auf die Untergesellschaft Einfluss zu nehmen, Beteiligungserfordernisse der Ver-

Lettl, Wertrecht, S. 142 f.; ders., AcP 203 (2003), 149, 205. Lettl, Wertrecht, S. 142; ders., AcP 203 (2003), 149, 205. 359  Vgl. hier insbesondere die Hinweise auf die Parallelen zum Umwandlungsrecht und der Rechtslage bei den Handelsvereinen bei Lettl, Wertrecht, S. 143; ders., AcP 203 (2003), 149, 206. 360 s. Lettl, Wertrecht, S. 143; ders., AcP 203 (2003), 149, 206. 361 s. Habersack, in: Scherrer (Hrsg.), Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 54 f. 357 s.

358 s.

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einsmitglieder anzuerkennen seien.362 Da nämlich der Vereinsvorstand gem. §§ 27 Abs. 3, 665 BGB den Weisungen der Vereinsmitglieder unterworfen sei, verbinde sich mit einer Aufgabe von Leitungsbefugnissen im Hinblick auf die ausgegliederte Gesellschaft stets auch eine Verkürzung der potentiellen Mitspracherechte der Vereinsmitglieder.363 i)  Der Ansatz von Terner Beschränkt auf die Ausgliederung spricht sich auch Terner für die Übertragung der Holzmüller-Grundsätze auf den Verein aus und begründet dies knapp mit der Erwägung, auch im Vereinsrecht folge aus einer derartigen Maßnahme eine Beeinträchtigung der Mitspracherechte der Mitglieder.364 Im Anschluss an die Gelatine-Entscheidungen soll dabei auch im Vereinsrecht von einem qualifizierten Mehrheitserfordernis auszugehen sein.365 Diese Kompetenz der Mitgliederversammlung ist offenbar als zwingend gedacht.366 Interessant sind Terners Ausführungen dazu, unter welchen Voraussetzungen diese Zuständigkeit im Vereinsrecht als ausgelöst anzusehen ist, weil insoweit ein spezifisch vereinsrechtlicher Ansatz verfolgt wird. Insoweit soll es anders als im Aktienrecht nicht darauf ankommen, welcher Teil des Vermögens von der Ausgliederung betroffen ist. Vielmehr soll entscheidend sein, ob der Verein einen für seine Tätigkeit wesentlichen Vereinsteil verliert, was primär unter ideellen Gesichtspunkten zu beantworten sein soll.367 Für die Umsetzung dieses Gedankens sollen sich dabei wegen der Vielfalt der Vereine in der Realität keine starren Kriterien aufstellen lassen.368 j)  Der Ansatz von Leuschner aa)  Ablehnung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin für das Vereinsrecht Nach Leuschners Auffassung steht „wegen der grundlegenden, sowohl die Kompetenzordnung als auch die Mitgliedschaft betreffenden Unterschiede […] die Holzmüller-Problematik beim Verein unter gänzlich anderen Vorzeichen als bei der Aktiengesellschaft. Eine Übertragung der für diese entwickelten Lösungsansätze im Wege eines Erst-Recht-Schlusses kommt daher nicht in Betracht“, vielmehr sei die Rolle der Mitgliederversammlung im Zusammenhang mit gruppenspezifischen Maßnahmen vereinsspezifisch zu bestimmen.369 Das ist dahin klarzustellen, Habersack, a.a.O., S. 55. Habersack, a.a.O. 364 s. Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 75. 365 s. Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 78. 366  Vgl. auch Terner, NJW 2008, 16, 20. 367 s. Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 77. 368 s. Terner, a.a.O. 369 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 96; s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 111. 362 s.

363 s.

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dass Leuschner im Ergebnis nicht nur das konkrete Argument eines Erst-RechtSchlusses, sondern die Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin (verstanden als Ausbildung einer mit qualifizierter Mehrheit wahrzunehmenden Alleinkompetenz des Mitgliederorgans für bestimmte Maßnahmen, die wegen ihrer Auswirkungen auf die Kompetenzordnung als satzungsnah qualifiziert werden) in das Vereinsrecht insgesamt ablehnt. Stattdessen begründet er das Erfordernis, die Mitgliederversammlung bei bestimmten gruppenspezifischen Maßnahmen in die Entscheidung einzubeziehen, allein aus dem Gesichtspunkt einer aus dem Weisungsrecht der Mitgliederversammlung abgeleiteten Vorlagepflicht für Geschäftsführungsmaßnahmen, über die die Mitgliederversammlung nach ihrem mutmaßlichen Willen selbst entscheiden möchte.370 Dies entspricht sinngemäß dem hier so bezeichneten Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen.371 bb)  Ableitungen aus der Vorlagepflicht für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen Für die Einzelableitungen aus der Vorlagepflicht für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen unterscheidet Leuschner zwischen Ausgliederungs-, Drittbeteiligungs- und Risikoerhöhungsmaßnahmen.372 (1) Ausgliederungsmaßnahmen Ausgliederungsmaßnahmen, die Leuschner zutreffend funktional versteht,373 begründen nach seiner Auffassung dann eine Vorlagepflicht, wenn sie einen Mediatisierungseffekt aufweisen und die von der Ausgliederung betroffenen Vermögensgegenstände zumindest 10 % des Verkehrswerts des Vereinsvermögens repräsentieren.374 Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass er mit dem Begriff des Mediatisierungseffektes ein besonderes Verständnis verbindet, das als taugliche Angriffsfläche dieses Effekts beim Verein allein das Recht der Mitgliederversammlung anerkennt, durch Weisungen gegenüber dem Vorstand auf die Verwaltung des Vereinsvermögens Einfluss zu nehmen.375 Dementsprechend verneint er bei Ausgliederungsmaßnahmen einen hinreichend signifikanten Mediatisierungss. zu Leuschners Position insoweit bereits oben, § 7 A.IV.3.c)dd). Vgl. zur Entwicklung dieser Position die Ausführungen zum GmbH-Recht, oben § 6 D.III.4 sowie § 7 A.IV.3.d) zur Übertragbarkeit auf den Verein. 372 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 89 f. (zur rechtsformübergreifenden Entwicklung dieser Kategorie) und S. 112 ff. (zu den konkreten Ableitungen für die Vorlagepflichten im Verein); s.a. s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 116 ff. 373 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 87: Transformation unmittelbar gehaltenen Vermögens in Beteiligungen. 374 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 112 ff. 375 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 113; dem entspricht, dass er für das Aktienrecht der von Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 237 geäußerten Kritik an der Mediatisierungsthese zustimmt, wonach der Aktionär dem Vorstand weder vor noch nach der Aus370  371 

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effekt von vornherein dann, wenn die Satzung das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung ausschließt.376 Weiter geht er in Anlehnung an Stimmen aus dem GmbH-rechtlichen Schrifttum davon aus,377 dass ein qualitativ signifikanter Mediatisierungseffekt auch dann zu verneinen sei, wenn sich der Einfluss der Mitgliederversammlung auf das ausgegliederte Vermögen über eine „Weisungskette“ bis in die Untergesellschaft (Bsp.: GmbH mit gesetzestypischer Kompetenzverteilung) hinein fortsetzen lasse.378 (2) Drittbeteiligungsmaßnahmen Als Drittbeteiligungsmaßnahmen erfasst Leuschner – insoweit ist die Begriffsbildung im Ausgangspunkt gut nachvollziehbar – solche Maßnahmen, die zur Beteiligung Dritter an der Untergesellschaft führen. Zu Vorlagepflichten gegenüber der Mitgliederversammlung sollen neben der erstmaligen Beteiligung Dritter (Unterschreitung der 100 %-Schwelle) auch die Unterschreitungen der 75 %-, 50 % und 25 %-Schwellen führen – immer vorausgesetzt, der Wert der Beteiligung repräsentiert wenigstens 10 % des Gesellschaftsvermögens.379 Darüber hinaus sollen in dieser Maßnahmenkategorie aber auch Vorgänge wie die vollständige Veräußerung von Beteiligungen sowie überhaupt jede Veräußerung von unmittelbar vom Verein gehaltenen Vermögensgenständen erfasst werden, sofern die quantitative Bagatellschwelle überschritten ist.380 Auf die daraus unter systematischen Gesichtspunkten resultieren Probleme wird sogleich (cc) noch näher einzugehen sein. (3) Risikomaßnahmen Als Risikomaßnahmen sollen solche Maßnahmen erfasst werden, die wie die Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter oder die Abgabe einer harten Patronatserklärung zur Begründung einer unbeschränkten Haftung für ein fremdes unternehmerisches Risiko führen. Für den Abschluss von Gewinnabführungsund Beherrschungsverträgen verbleibe es bei der analogen Anwendung von § 293 Abs. 2 AktG.381

gliederung vorschreiben könne, wie er mit den betreffenden Vermögensteilen zu verfahren habe: s. Leuschner, Konzernrecht, S. 96 sowie bereits S. 93 mit Fn. 67. 376 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 113. 377  Vgl. dazu näher oben, § 6 E.I.2. (allgemein) sowie § 6 E.III.3.e) (Ansatz von Ettinger/ Reiff ). 378 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 113; s. a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 118. 379 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 90 ff. (rechtsformübergreifende Entwicklung) u. S. 114 ff. (konkrete Ableitungen für die Vorlagepflichten im Verein); s. a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 119 f. 380 s. Leuschner, S. 115 f. 381 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 116.

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cc)  Nähere Einordnung des Ansatzes Die nähere Einordnung von Leuschners Ansatz wirft eine Reihe von Fragen auf. (1)  Zur Ablehnung der Übertragbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf das Vereinsrecht Bei Leuschners Ansatz handelt es sich um einen klaren Anwendungsfall der hier so bezeichneten „Grundposition 1“:382 Einzubeziehen ist die Mitgliederversammlung allein unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für qualifizierte Geschäftsführungsmaßnahmen, während die Holzmüller/Gelatine-Doktrin in keinem Fall zur Anwendung gelangt. Über diesen oberflächlichen Befund hinaus bereitet die nähere Einordnung allerdings Probleme, weil sich Leuschners Begründung für die Unanwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin im Vereinsrecht in dem Hinweis auf die Unterschiede in der Kompetenzordnung und der Ausgestaltung der Mitgliedschaft erschöpft, ohne dass aber konkret ausgeführt wird, warum daran die Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin im Vereinsrecht scheitern soll. Bei näherer Betrachtung stehen weder die von Leuschner in Bezug genommenen Unterschiede noch der von ihm verfolgte „vereinsspezifische“ Ansatz für die Rolle der Mitgliederversammlung bei gruppenspezifischen Maßnahmen der Übertragbarkeit entgegen. Hinsichtlich der Besonderheiten der vereinsrechtlichen Kompetenzordnung verweist Leuschner auf die Allzuständigkeit und das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung.383 Deren Möglichkeit, auf diesem Wege auf Entscheidungen Zugriff zu nehmen, die auch der originären Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands unterfallen, ist per se aber kein Argument gegen die Übertragung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin. Denn die latente Allzuständigkeit schließt die Existenz von Alleinzuständigkeiten der Mitgliederversammlung nicht aus, so dass auch Raum dafür bleibt, die gesetzlich geregelten Alleinkompetenzen um weitere, im Analogiewege oder rechtsfortbildend abgeleitete Zuständigkeiten zu ergänzen.384 Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man die Existenz von Vorlagepflichten einbezieht, die das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung in bestimmten Fällen zusätzlich absichern. Zwar führen auch derartige Vorbehalte zu der Notwendigkeit, die Mitgliederversammlung vor der Durchführung der betreffenden Maßnahmen einzubeziehen; darüber hinaus bleiben aber erhebliche Unterschiede, weil einerseits lediglich ein Vetovorbehalt in Rede steht (Gelegenheit zur Beschlussfassung genügt), andererseits ein echter Kompetenzvorbehalt, der einen positiven Zustim382 

s. o., § 6 E.II.1.a). Leuschner, Konzernrecht, S. 93 f. 384  So sieht dies Leuschner im Hinblick auf § 293 Abs. 2 AktG auch selbst, s. a.a.O., S. 102 f. (anders dagegen wieder S. 107, wo eine analoge Anwendung von § 179a AktG (auch) unter Hinweis auf die Begründbarkeit von Vorlagepflichten zur Absicherung des Weisungsrechts abgelehnt wird). 383 s.

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mungsbeschluss erfordert, der zudem mit satzungsändernder Mehrheit gefasst werden muss. Zu einem anderen Ergebnis würde der Verweis auf Allzuständigkeit und Weisungsrecht allein dann führen, wenn man mit Rücksicht darauf gruppenbildenden Maßnahmen im Vereinsrecht einen Mediatisierungseffekt vollständig absprechen wollte.385 Denn dann entfiele der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Ausbildung der Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit. Dies entspricht aber gerade nicht Leuschners Position, der zumindest für bestimmte Konstellationen einen Mediatisierungseffekt von Ausgliederungsmaßnahmen ausdrücklich anerkennt und daran Vorlagepflichten knüpft. Dann lässt sich aber auch die weitergehende Frage nach der Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit nicht abweisen. Hinsichtlich der Mitgliedschaft verweist Leuschner als vereinsrechtliche Besonderheit auf ihre zumindest typischerweise nichtvermögensrechtliche Ausgestaltung.386 Auch darin liegt indes kein Argument dagegen, die Holzmüller/Gelatine-Doktrin im Vereinsrecht zur Anwendung gelangen zu lassen, und zwar schon deswegen nicht, weil auch bereits im Aktienrecht nicht, wie dies insbesondere Mülbert vertritt,387 eine spezifische Facette des Vermögensschutzes (Gefahr der Quersubventionierung von Neuaktionären durch die Altaktionäre), sondern die mit den betreffenden Maßnahmen einhergehenden Verwerfungen der aktienrechtlichen Kompetenzordnung im Vordergrund stehen.388 Selbst wenn man aber für das Aktienrecht allein an den genannten Gesichtspunkt des Vermögensschutzes anknüpfen wollte, erledigt das die Frage nach der Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit im Vereinsrecht nicht, solange man jedenfalls dort – wie Leuschner – einen mit Ausgliederungsmaßnahmen einhergehenden Mediatisierungseffekt anerkennt, der auf einer Kompetenzverkürzung zulasten der Mitgliederversammlung beruht.389 Als letzte, gleichfalls die Mitgliedschaft betreffende Besonderheit des Vereinsrechts behandelt Leuschner Rückwirkungen des Weisungsrecht der Mitgliederversammlung auf die Mitgliedschaftsrechte. Folge des Weisungsrechts sei es, dass das Stimmrecht der Vereinsmitglieder einen deutlich stärkeren Einfluss auf 385  Vgl. dazu, dass Allzuständigkeit und Weisungsrecht zwar als „kompensatorische Effekte“ dem Mediatisierungseffekt entgegenwirken, ihn aber nicht entfallen lassen, bereits oben die entsprechenden Ausführungen zum GmbH-Recht (§ 6 F.I.2 – 4), die für den Verein genauso Geltung beanspruchen; zum Verein noch näher unten, § 7 B.II.1, insb. Abschnitt B.II.1.b)cc). 386 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 94 ff. 387 Ob Leuschner der Auffassung Mülberts für das Aktienrecht folgen möchte, wird nicht ganz klar, weil er das aktienrechtliche Meinungsspektrum – exemplifiziert durch Mülbert und Habersack – nur darlegt, ohne selbst ausdrücklich Stellung zu nehmen, s. a.a.O., S. 81 f., 95. 388  s. o., § 5 E.V.1.a)bb). 389  Es mag dann, weil eine Modifikation der Begründung in Rede steht, nicht mehr im engeren Sinne passen, von einer „Übertragung“ der Doktrin zu sprechen; die Frage der (selbständig begründeten) Anwendbarkeit entfällt damit aber nicht.

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die Gegenstände des Verbandsvermögens vermittle, als dies bei der Aktie der Fall sei.390 Dies sei von großer Bedeutung für die Bewertung des mit Ausgliederungsmaßnahmen einhergehenden externen Kompetenzverlusts, bei der es entscheidend darauf ankomme, „welchen Mediatisierungsgrad die Herrschaftsrechte vor der Ausgliederungsmaßnahme aufweisen.“391 Diese Ausführungen dienen an dieser Stelle aber lediglich dem Ziel, für den Verein einen Einwand zu widerlegen, den Hoffmann-Becking im Aktienrecht gegen die Mediatisierungsthese der h.M. erhoben hat und der dahin geht, der Aktionär könne weder vor noch nach der Ausgliederung auf die Verwendung der betroffenen Gegenstände Einfluss nehmen.392 Ein Einwand gegen die Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin im Vereinsrecht lässt sich auch daraus also gerade nicht ableiten. Im Gegenteil akzentuiert dieses Argument das Potential für die Anwendbarkeit der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin im Vereinsrecht. (2)  Einzelableitungen aus der Vorlagepflicht Weitergehender Anmerkungen bedürfen lediglich die von Leuschner gebildeten Kategorien der Ausgliederungs- und der Drittbeteiligungsmaßnahmen, für die er unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorlagepflicht annehmen möchte. (a) Ausgliederungsmaßnahmen Soweit die geschilderten gruppenbezogenen Einzelableitungen aus der Vorlagepflicht in Rede stehen, ist im Vorgriff auf die nähere Behandlung des Mediatisierungseffektes im Vereinsrecht darauf hinzuweisen, dass Leuschners Ansatz etwas zu eng gewählt scheint, wenn er den Mediatisierungseffekt allein auf die Auswirkungen bezieht, die Ausgliederungsmaßnahmen auf das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung entfalten. Dies blendet weitergehende Auswirkungen auf die Kompetenzen der Mitgliederversammlung zu Unrecht aus. Daher ist auch der These, eine bis in die Untergesellschaft reichende Weisungskette ließe den Mediatisierungseffekt entfallen, nicht zu folgen; sie ist nur vor dem Hintergrund des zu eng ansetzenden Ausgangspunkts folgerichtig. Aus dem gleichen Grund ist die Möglichkeit eines hinreichend signifikanten (primären) Mediatisierungseffektes auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung im Mutterverein abbedungen ist. Praktische Bedeutung kann dieser Umstand im Rahmen von Leuschners Ansatz allerdings nicht gewinnen, weil er die Notwendigkeit zur Einbeziehung der Mitgliederversammlung aus der Vorlagepflicht zur Absicherung des Weisungsrechts ableitet. Ist es abbedungen, fehlt für die Annahme einer Vorlagepflicht also von vornherein die Grundlage, so dass die Diskussion um die Frage müßig ist, ob dann noch ein hinreichend signifikanter Mediatisierungseffekt eintreten kann. Relevant wäre diese Frage nur noch für die Leuschner, Konzernrecht, S. 96. Leuschner, Konzernrecht, S. 96. 392 s. Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 237. 390 s. 391 s.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

Begründung einer vollwertigen Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin, was Leuschner im Vereinsrecht aber generell ausschließt. (b) Drittbeteiligungsmaßnahmen Was Leuschners Kategorie der Drittbeteiligungsmaßnahmen angeht, bereiten ihre systematische Einordnung und die Bestimmung ihres genauen Verhältnisses zur Kategorie der Ausgliederungsmaßnahmen gewisse Schwierigkeiten. Dies betrifft insbesondere auch die Einbeziehung der vollständigen Veräußerung von Beteiligungen und anderen, unmittelbar vom Verein gehaltenen Vermögensgegenständen. Nachvollziehbar ist es im Grundsatz aber zunächst, wenn Maßnahmen, die dazu führen, dass Dritte an der Untergesellschaft beteiligt werden, bei Überschreitung bestimmter, besondere Einflussnahmemöglichkeiten vermittelnder Schwellen zuständigkeitsrechtliche Relevanz beigemessen wird. Dies entspricht ungeachtet der Abweichung in Detailfragen auch der vorliegend für das GmbH-Recht vertretenen Position.393 Aus hiesiger Sicht liegt der zutreffende Begründungsansatz für diese Auffassung darin, dass auch derartige Maßnahmen noch auf die Kompetenzen der Gesellschafter- bzw. Mitgliederversammlung von Muttergesellschaft bzw. -verein zurückwirken und diese faktisch verkürzen können. Konkreter (und allein relevanter) Ansatzpunkt der kompetenzverkürzenden Wirkung ist insoweit nur noch das Weisungsrecht des Mitgliederorgans, vermittels dessen es die Verwaltung des ausgelagerten Vermögens noch bis in die Untergesellschaft hinein steuern kann. Insoweit kommen die Unterschiede in der Organisationsverfassung von GmbH und Verein einerseits und AG andererseits zum Tragen, die die Begründung eines relevanten Mediatisierungseffekts in den betreffenden Konstellationen bei der AG nach hier vertretener Ansicht ausschließen. Deswegen kommt es in Bezug auf diesen (weiteren) Mediatisierungseffekt im Gegensatz zum primären Mediatisierungseffekt bei der Ausgliederung und äquivalenten Maßnahmen tatsächlich darauf an, dass Allzuständigkeit und damit verbundenes Weisungsrecht des Mitgliederorgans nicht durch eine abweichende Satzungsgestaltung (unter Annäherung an die Kompetenzordnung der AG) abbedungen sind. Leuschner begründet die Ableitung einer Vorlagepflicht für Drittbeteiligungsmaßnahmen allerdings nicht unter Rückgriff auf den Mediatisierungseffekt, obgleich dies bei seinem Verständnis dieses Begriffs naheläge, bezieht er ihn doch von vornherein nur auf die Verkürzung der über das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung vermittelten Einflussnahmerechte. Auch er sieht als tragenden Pfeiler für die zuständigkeitsrechtliche Bedeutung derartiger Maßnahmen aber den „relevanten Einflussverlust des Vereins mit entsprechender Rückwirkung auf

393  s. o., § 6 F.III.2.a)cc) (unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin) und § 6 F.III.3.b)aa) (unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen); zum Verein s. unten, § 7 B.II.3.a)aa) und b)bb).

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die Herrschaftsrechte seiner Mitglieder“.394 Anstelle des Mediatisierungseffekts hält er bei Drittbeteiligungsmaßnahmen aber den Verwässerungseffekt für prägend, für den ihm die Diskussion um die Funktionen des aktienrechtlichen Bezugsrechts als gedanklicher Ausgangspunkt dient.395 Diese begrifflichen Differenzen bezeichnen aber im Ergebnis wohl keine sachlichen Unterschiede, weil er den Verwässerungseffekt entsprechend konventioneller aktienrechtlicher Sichtweise in die Beeinträchtigung der Herrschaftsrechte einerseits und der Vermögensrechte andererseits zerlegt und letztere im Vereinsrecht wegen der anderweitigen Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte für irrelevant erklärt.396 Damit sieht er den rechtfertigenden Grund für die Ausbildung von Vorlagepflichten in beiden Kategorien also letztlich in der (mittelbaren) Beeinträchtigung der Herrschaftsrechte der Mitglieder.397 So gesehen bleibt unklar, welcher genaue Ertrag sich aus der Differenzierung zwischen Mediatisierungseffekt einerseits und dem Verwässerungseffekt andererseits für das Vereinsrecht ergibt. Leuschner benennt zwar als „wesentlichen Unterschied“ zwischen mediatisierenden und verwässernden Maßnahmen den Umstand, dass der mit der Ausgliederung einhergehende Mediatisierungseffekt stets kompensationslos erfolge, während im Fall der Drittbeteiligung dem Verwässerungseffekt typischerweise eine Gegenleistung entgegenstehe.398 Soweit es die Auswirkungen der Drittbeteiligung auf die Herrschaftsrechte betrifft, erklärt er diesen Umstand aber im Ergebnis selbst für den Fall einer vollwertigen Gegenleistung für bedeutungslos, weil es auch dann zu einer „faktischen Umformung der Herrschaftsrechte“ komme.399 Nicht überzeugend ist es dagegen, wenn Leuschner (bei Erfüllung der quantitativen Anforderungen) auch vollständige Veräußerungen von Beteiligungen sowie die Veräußerung von sonstigen Gegenständen, die dem Verein unmittelbar gehöLeuschner, Konzernrecht, S. 115 (Hervorhebung hinzugefügt). Leuschner, Konzernrecht, S. 90 ff.; s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 119 f. 396 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 90 ff., 114 f.; s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 119. 397 Anders als bei den Ausgliederungsmaßnahmen fordert Leuschner für die zuständigkeitsrechtliche Relevanz von Drittbeteiligungsmaßnahmen nicht ausdrücklich, dass das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung durch die Satzung nicht abbedungen sein darf. Doch wird man dies als Voraussetzung schon deswegen unterstellen dürfen, weil er allein darauf zielt, Vorlagepflichten zur Absicherung eben dieses Weisungsrechts zu etablieren, was gedanklich voraussetzt, dass es auch tatsächlich besteht. In Bezug auf Drittbeteiligungsmaßnahmen (verstanden als beteiligungsreduzierende Aufnahme Dritter in eine Untergesellschaft) entspricht dies auch – im Gegensatz zur Lage bei den Gruppenbildungsmaßnahmen – der hiesigen Auffassung. 398 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 91. 399 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 91; s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 120; s. zu der hiesigen Position bezüglich der Auswirkungen, die mit der für den Beteiligungserwerb durch Dritte typischer Weise gewährten Gegenleistung einhergehen, die obigen Ausführungen zum GmbH-Recht, § 6 F.III.2.a)cc)(3). 394 s. 395 s.

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ren, systematisch auf der gleichen Ebene wie die partielle Beteiligung Dritter an der Untergesellschaft erfassen will. Gedanklicher Ausgangspunkt dieser Vorstellung ist die Unterscheidung zwischen subjektivem Recht und faktischem Substrat (also z. B. zwischen einer Sache als Rechtsobjekt und dem daran bestehenden Eigentumsrecht), die er auf das Verhältnis von Mitgliedschaftsrecht und Verbandsvermögen überträgt.400 Genauso wie das Eigentum durch Einwirkungen auf die Sache, könne daher auch die Mitgliedschaft faktisch durch Einwirkung auf das Verbandsvermögens beeinträchtigt werden.401 Unter diesem Gesichtspunkt soll es dann, wenn das „faktische Substrat, auf welches sich die Herrschaftsrechte beziehen, partiell oder ganz ausgetauscht wird“ zu einem von Leuschner als „faktische Umformung der Herrschaftsrechte“ bezeichneten Effekt kommen.402 Unproblematisch sei dies der Fall, wenn sich der Verein seiner Berechtigung an dem betreffenden Vermögensgegenstand vollständig entledige. Gegen eine derart weite Fassung der Kategorie der Drittbeteiligungsmaßnahmen, der eine sehr gegenständlich orientierte Betrachtungsweise zugrunde liegt, bestehen verschiedene Einwände. Zunächst stellt es die von Leuschner eigentlich verfolgte Kategorienabgrenzung in Frage, wenn bereits jeder Tausch von Aktiva gegen andere Gegenstände als Beteiligungsrechte als Drittbeteiligungsmaßnahme erfasst wird, die nur beschränkt durch die Bagatellschwelle zu einer Vorlagepflicht führt. Zu dem in systematischer Hinsicht problematischen Kern gelangt man mittels der Frage, wozu eigentlich die separate Kategorie der Ausgliederungsmaßnahmen benötigt wird, wenn sich doch auch sämtliche davon erfassten Maßnahmen als Aktiventausch verstehen lassen. Die Antwort scheint dann darin zu liegen, dass die separate Kategorie der Ausgliederungsmaßnahmen erforderlich ist, um bei den davon erfassten Maßnahmen eine zusätzliche Voraussetzung für die Begründung der Vorlagepflicht zu etablieren. Denn während der Austausch von Vereinsvermögen gegen sonstige Vermögensgegenstände unmittelbar zu einer Vorlagepflicht führen soll, ist dies beim Austausch von Vereinsvermögen gegen Gesellschaftsanteile nach Leuschners Auffassung erst unter der weiteren Voraussetzung der Fall, dass das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung auf Widerstände aus dem Recht der Untergesellschaft stößt, weil deren Zuständigkeitsordnung nicht weisungsoffen ist (AG; besondere Satzungsgestaltungen in der GmbH). Tragfähig begründen ließe sich diese zusätzliche Anforderung bei Ausgliederungsmaßnahmen aber nur dann, wenn man auch für diese einheitlich eine Definition zugrunde legen würde, die auf die konkreten Gegenstände des Vereinsvermögens fokussiert ist. Dann ließe sich (vereinfachend) sagen, der betreffende konkrete Vermögensgegenstand sei bei der Ausgliederung anders als bei der Drittveräußerung eben noch nicht „weg“, sondern nur in die Untergesellschaft verlagert und auch dort noch im Einflussbereich der Mitgliederversammlung, solange die Kompetenzordnung der Untergesellschaft nur weisungsoffen ausgestaltet ist. Eine solche „gegenstandsfiLeuschner, Konzernrecht, S. 88 f. Leuschner, Konzernrecht, S. 88, 92, 115 f. 402 s. Leuschner, Konzernrecht, S. 115; s.a. bereits S. 92. 400 s. 401 s.

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xierte“ Definition liegt der Kategorie der Ausgliederungsmaßnahmen aber auch nach Leuschners Auffassung gerade nicht zugrunde. Vielmehr definiert er den für Ausgliederungsmaßnahmen prägenden, mediatisierenden Vermögensverlagerungsvorgang – zutreffend – abstrakt-funktional und bezieht daher ausdrücklich auch Fälle des Erwerbs einer Beteiligung von Dritten mit ein.403 In diesen Fällen scheidet der im Austausch für die Beteiligung hingegebene konkrete Vermögensgegenstand des Vereins aber unzweifelhaft vollständig aus seiner Einflusssphäre aus. Wieso es auch in diesem Fall für die Annahme einer Vorlagepflicht darauf ankommen soll, ob sich aus dem Recht der Untergesellschaft Widerstände für das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung ergeben, lässt sich daher auf der Basis der von Leuschner verfolgten Kategorienbildung nicht mehr überzeugend begründen.404 Davon abgesehen ist aber auch die sachliche Überzeugungskraft der Vorlagepflichten begründenden Vorstellung von der „faktischen Umgestaltung der Herrschaftsrechte“ durch Maßnahmen des Aktivtauschs fraglich. Insbesondere ist der schlichte Austausch von Aktiva nicht mit den systematischen und durch die Gruppenstruktur verstetigten Rückwirkungen auf die Kompetenzordnung des Vereins vergleichbar, die mit Gruppenbildungsmaßnahmen und dem dadurch ausgelösten primären Mediatisierungseffekt einhergehen. Ganz ähnlich gilt dies auch im Vergleich zu Maßnahmen, die eine strukturell vermittelte Einflussreduktion des Weisungsrechts der Mitgliederversammlung auf das bereits in eine Untergesellschaft verlagerte Vermögen nach sich ziehen, wie dies z. B. bei der Umwandlung einer GmbH in eine AG oder bei einer Aufnahme Dritter der Fall sein kann. Jeweils handelt es sich anders als beim reinen Aktiventausch um Effekte, die dann, wenn man sie in der Zuständigkeitsordnung des Einheitsverein nachbilden wollte, nur über eine das Weisungsrecht beschränkende Satzungsänderung zu erzielen wären. So gesehen begründet die Rede von der „faktischen Umformung der Herrschaftsrechte“ für den Fall der vollständigen Veräußerung von Vermögensgegenständen eine nur scheinbare Parallele, mit der sprachlich die Anknüpfung an das relevante Begründungsmuster (Verwerfungen der Kompetenzordnung) gesucht, in der Sache aber nicht erreicht wird. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, wenn die pauschale Erfassung von „Vollveräußerungskonstellationen“ als Kategorie der vorlagepflichtigen Drittbeteiligungsmaßnahmen zu wenig überzeugenden Ergebnissen führt. Dies gilt schon für die pauschale Annahme einer Vorlagepflicht für sämtliche Fälle des Aktivtauschs oberhalb einer bloßen Bagatellschwelle, erst recht aber für den Fall der vollständigen Beteiligungsveräußerung. Denn diese Konstellation ist maßgebLeuschner, Konzernrecht, S. 87 mit Fn. 55. man in dieser Situation der aus der Erfassung als Drittbeteiligungsmaßnahme resultierenden Vorlagepflicht den Vorrang geben, bliebe immer noch der systematische Einwand, dass dann der Dritterwerb von Beteiligungen in der Kategorie der Ausgliederungsmaßnahmen unzutreffend verortet ist, weil die damit verbundenen zusätzlichen Anforderungen in keinem Fall zum Tragen kommen. 403 s.

404  Würde

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lich durch die vollständige Rückführung des damit verbunden Mediatisierungseffekts und die dem zugrunde liegenden Verwerfungen der Kompetenzordnung geprägt. Klarzustellen ist, dass mit den vorstehenden Anmerkungen keinesfalls gesagt sein soll, dass sich für die Fälle der vollständigen Veräußerung von Beteiligungen oder Vermögensgegenständen Vorlagepflichten zur Absicherung des Weisungsrechts der Mitgliederversammlung generell nicht begründen lassen. Nur trägt dazu das Bild von der faktischen Umformung der Herrschaftsrechte der Mitgliederversammlung nichts bei. k)  Weitere Äußerungen im Schrifttum Daneben findet sich noch eine Reihe weiterer, zumeist eher kursorischer Stellungnahmen, die sich schon wegen ihrer Kürze häufig kaum sinnvoll auf ihre dogmatische Grundlagen hin untersuchen lassen. So wird vielfach lediglich die Aussage getroffen, bei einer Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge sei die Zustimmung der Mitgliederversammlung erforderlich, weil das zur Aktiengesellschaft ergangene Holzmüller-Urteil auch auf den Verein zu übertragen sei.405 Z.T. finden sich immerhin noch kurze Begründungsansätze, die auf die mit der Ausgliederung einhergehenden Verwerfungen in der Zuständigkeitsstruktur eingehen.406 Manchmal wird auch noch deutlich, dass davon ausgegangen wird, es handele sich auch bei der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller-Doktrin um ein zwingendes Rechtsinstitut.407 Gelegentlich finden sich auch Stellungnahmen, die zwar eine Anlehnung an die Holzmüller-Doktrin im Bereich der Gruppenbildung bejahen, für die Gruppenleitung jedoch ausdrücklich ablehnen.408 Die Möglichkeit, dass die Mitgliederversammlung auch unabhängig von den Voraussetzungen der (transferierten) Holzmüller-Doktrin oder einer besonderen Satzungsregelung ent-

405  So oder ähnlich etwa Bär, Schranken, S. 342; Menke, Betätigung, S. 176 f.; Hopt, BB 1991, 778, 785; Scholz, Umwandlung, S. 175 mit Fn. 676; Steinbeck/Menke, NJW 1998, 2169, 2170; Terner, NJW 2008, 16, 19 f.; Wagner, NZG 1999, 469, 475. 406  s. z. B. Balzer, ZIP 2001, 175, 176 f.; Fuhrmann, Ausgliederung, S. 131 f.; Kebekus, Alternativen, S. 67; Schick/Rüd, Stiftung, S. 49, die sich im Ergebnis aber wohl allein auf den Gedanken der faktischen Satzungsänderung stützen wollen, die dann vorliegen soll, wenn sich nach erfolgter Ausgliederung die tatsächliche Betätigung des Vereins nicht mehr mit dem Satzungswortlaut deckt. 407 s. Terner, NJW 2008, 16, 20; wohl auch Segna, ZIP 1997, 1901, 1909. 408 s. Müller, Berufsfußball, S. 154 ff., 158 ff., der sich einerseits für die Übertragung der Holzmüller-Grundsätze ausspricht, soweit es um Ausgliederungsmaßnahmen geht, der aber Mitwirkungserfordernisse im Hinblick auf die Gruppenleitung strikt verneint (allerdings unter z.T. unzutreffender Bezugnahme auf die differenzierte Position Segnas, ZIP 1997, 1901, 1909); distanziert auch Schick/Rüd, Stiftung, S. 50

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sprechend der im GmbH-Recht entwickelten Vorlagepflichten in die Entscheidung einzubeziehen sein könnte, wird regelmäßig nicht gesehen.409

II.  Die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen Wie schon im GmbH-Recht muss eine sinnvolle Stellungnahme zur Zuständigkeitsordnung des Vereins im Gruppenzusammenhang bei der Frage ansetzen, ob sich auch für das Vereinsrecht ein Mediatisierungseffekt identifizieren lässt (1.). Die auf dieser Basis gewonnenen Erkenntnisse können dann wiederum systematisch für die Beurteilung der zuständigkeitsrechtlichen Erfassung von Gruppenbildungsmaßnahmen (2.), Gruppenleitungsmaßnahmen (3.) und sonstigen Maßnahmen (4.) fruchtbar gemacht werden. 1.  Der Mediatisierungseffekt im Vereinsrecht Die Mitgliedschaft im Idealverein unterscheidet sich in vermögensrechtlicher Hinsicht grundsätzlich von der Rechtsstellung des Aktionärs oder des GmbH-Gesellschafters. Aus diesem Grund ist für das Vereinsrecht in einem ersten Schritt noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass es für die Begründung der Holzmüller-Doktrin und damit auch für ihre Übertragbarkeit auf das Vereinsrecht in zentraler Weise auf die Beeinträchtigung der Mitwirkungsrechte und nicht auf die Beeinträchtigung eines etwa in der Mitgliedschaft verkörperten Vermögensinteresses ankommt (a)). Für die danach zentrale Frage, ob ein solcher hinreichend starker Mediatisierungseffekt auch für das Vereinsrecht zu verzeichnen ist, kann in weiten Teilen auf die – ausdifferenziertere – GmbH-rechtliche Diskussion und die dazu gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Die nachfolgenden Überlegungen untersuchen Existenz und Umfang des Mediatisierungseffekts im Vereinsrecht zunächst anhand von Gruppenbildungsmaßnahmen (b)). In einem weiteren Schritt sollen die Überlegungen auf Maßnahmen der Gruppenleitung erstreckt werden (c)). Jeweils ist die für das Aktien- und GmbH-Recht erarbeitete materielle Abgrenzung der beiden Kategorien zugrunde zu legen.

Exemplarisch Menke, Betätigung: S. 177: „Greifen die Holzmüller-Grundsätze nicht ein und liegt auch keine ein Zustimmungserfordernis begründende Satzungsbestimmung vor, so liegt die Ausgliederung allein im Kompetenzbereich des Vereinsvorstands.“ s. aber auch Schick/Rüd, Stiftung, S. 49, die davon ausgehen, dass eine Ausgliederung als „über den gewöhnlichen Rahmen hinausgehende Maßnahme der Zustimmung der Mitgliederversammlung des Vereins“ bedarf. Dies weckt zwar Assoziationen zur GmbH-rechtlichen Diskussion, doch nehmen Schick/Rüd insoweit lediglich eine Äußerung Hemmerichs, BB 1983, 26, 31, in Bezug, die dort wiederum nur eine Passage des Holzmüller-Urteils referiert (BGHZ 83, 122, 132), von der nicht anzunehmen ist, dass sie einen Bezug zur Zuständigkeitsabgrenzung des GmbH-Rechts herstellen soll; vgl. auch noch Müller, Berufsfußball, S. 156. 409 s.

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a)  Der Mediatisierungseffekt als Transmissionsriemen für den Transfer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das Vereinsrecht Sowohl im Holzmüller-Urteil als auch in den Gelatine-Urteile finden sich Bemerkungen, die neben einem Eingriff in die Mitwirkungsrechte auch einen Bezug zu den Vermögensinteressen des Aktionärs herstellen. So spricht die Holzmüller-Entscheidung von Maßnahmen, die tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen.410 In den Gelatine-Urteilen wird betont, dass das ungeschriebene Zustimmungserfordernis auch den Schutz der Anteilseigner vor einer grundlegenden Schwächung des Werts ihrer Beteiligung gewährleisten solle.411 Gerade im Hinblick auf die Vermögensinteressen bestehen aber zwischen der Mitgliedschaft in einem Idealverein und einer Aktiengesellschaft signifikante Unterschiede.412 Diese Diskrepanz wird in der vereinsrechtlichen Literatur regelmäßig zur Kenntnis genommen, aber unter Verweis auf den auch im Vereinsrecht feststellbaren Mediatisierungseffekt für unerheblich gehalten.413 Dem ist zuzustimmen. Bereits für das Aktienrecht hat sich gezeigt, dass es entscheidend auf die Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre, bzw. ihres Organs, der Hauptversammlung, ankommt.414 Das schließt nicht aus, dass der Schutz der Mitwirkungsrechte der Aktionäre zugleich auch Schutz vor der Gefahr der Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung bewirkt. Doch handelt es sich insoweit eben nicht um ein Aufgreifkriterium mit selbständiger Bedeutung.415 Mülberts für das Aktienrecht unternommenem Versuch, den Schutz der Teilhaberechte zugunsten einer ganz auf die Vermögensinteressen der Aktionäre ausgerichteten Konzeption zurückzudrängen, ist nicht zu folgen.416 Jedenfalls stünde sie aber einem vereinsrechtlichen Ansatz, der allein auf die Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte abstellt, nicht entgegen, weil der ihr zugrunde liegende Versuch, das verbandsrechtliche Schutzmodell durch ein stärker von anlegerschutzbezogenen Aspekten geprägtes Konzept zu ersetzen, allein aus aktienrechtlichen Erwägungen heraus operiert und deswegen in seinem Geltungsanspruch von vornherein auf dieses beschränkt sein muss.

410 

s. BGHZ 83, 122, 131. s. BGHZ 159, 30, 40. 412  s. dazu monographisch Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft beim Ideal-Verein; ders., AcP 203 (2003), 149 ff. 413  Vgl. etwa Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Hemmerich, BB 1983, 26, 31; Müller, Berufsfußball, S. 155 f.; Schick/Rüd, Stiftung, S. 49; Segna, ZIP 1997, 1901, 1908 f.; Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 75; s.a. Habersack, in: Scherrer (Hrsg.), Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 54 f. 414  Zutreffend etwa Habersack, AG 2005, 137, 139 ff.; s. näher bereits oben, § 5 E.V. 415 s. Habersack, AG 2005, 137, 139. 416  Sie ist in ihren Einzelableitungen auch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar, s. auch dazu bereits oben, § 5 E.V.1.b)bb). 411 

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b)  Der Mediatisierungseffekt bei Gruppenbildungsmaßnahmen Im Prinzip darf die These, dass mit Maßnahmen der Beteiligungsbildung ein Mediatisierungseffekt einhergehen kann, im Vereinsrecht als anerkannt gelten, soweit die Thematik denn überhaupt behandelt wird.417 Ganz weitgehend konsentiert ist auch, dass sich mit Hilfe dieses Mediatisierungseffektes ungeschriebene Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung begründen lassen.418 Uneinheitlich beurteilt werden einige Einzelfragen. Sie betreffen die (abstrakt) als mediatisierend in Betracht kommenden Maßnahmen, die für die Feststellung des Mediatisierungseffekts relevanten Bezugspunkte innerhalb der Zuständigkeitsordnung des Vereins und im Zusammenhang damit auch die Existenz und die Bedeutung kompensierender Effekte. Die nachfolgenden Überlegungen dienen in erster Linie dazu, den Mediatisierungseffekt unter Beantwortung dieser Fragen für das Vereinsrecht systematisch zu erfassen. Inhaltlich beschränkt sich dieses Unterfangen im Wesentlichen darauf, die für das Aktien- und GmbH-Recht gewonnenen Erkenntnisse fruchtbar zu machen. Darüber hinaus sind aber auch einige vereinsrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. aa)  Der Kreis der mediatisierenden Vorgänge im Bereich der Gruppenbildung Wie schon im Aktien- und GmbH-Recht ist auch für das Vereinsrecht der Bereich der Gruppenbildungsmaßnahmen nicht in einem formalen Sinn abzustecken.419 Vielmehr ist bei dem gebotenen funktionalen Verständnis maßgeblich, ob ursprünglich unmittelbar gehaltenes Vereinsvermögen gegen Gesellschaftsanteile (in einem untechnischen Sinn) „getauscht“ wird. Dies ist bei Ausgliederungsmaßnahmen ebenso der Fall wie beim Beteiligungserwerb und bei der Bargründung. Es trifft auch auf spätere Kapitalerhöhungen zu, soweit der Verein die neu ausgegebenen Anteile übernimmt.420 Gruppenbildung und Gruppenfortbildung sind inso417  Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Fuhrmann, Ausgliederung, S. 132.; Habersack, in: Scherrer (Hrsg.), Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 54 f.; Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253 f.; Hemmerich, Möglichkeiten, S. 152 ff.; s.a. dies., BB 1983, 26, 31; Hopt, BB 1991, 778, 785; Kebekus, Alternativen, S. 67; Leuschner, Konzernrecht, S. 112 ff.; s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 116 ff.; Müller, Berufsfußball, S. 154 ff.; Schick/Rüd, Stiftung, S. 48 ff.; Schießl, Ausgliederung, S. 80 ff.; Scholz, Umwandlung, S. 175; Segna, Vorstandskontrolle, S. 156 f.; ders., ZIP 1997, 1901, 1908 f.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 194 ff., 241 ff.; Terner, NJW 2008, 16, 19; ders., Vereinsklassenabgrenzung, S. 75; s.a. bereits zur näheren Darstellung einzelner Auffassungen oben, § 7 B.I.2.a) – k). 418 A.A. (zumindest ursprünglich) Hemmerich, Möglichkeiten, S. 158; etwas offener nach der Holzmüller-Entscheidung dies., BB 1983, 26, 31; zunächst zweifelnd, i.E. aber (abhängig von der Satzungsgestaltung) doch bejahend Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253 f. 419  s. oben, § 5 E.VI.2.a) (zum Aktienrecht) und § 6 F.II.2. (zum GmbH-Recht). 420  s. die Nachweise in der vorigen Fn.; s. a.A. für das Vereinsrecht etwa Segna, Vorstandskontrolle, S. 167; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 216; s. insoweit auch dazu schon oben, § 7 B.I.2.b)bb) und § 7 B.I.2.c)aa)(2).

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weit also grundsätzlich gleichwertig. In funktionaler Hinsicht kommt es deswegen auch nicht darauf an, ob erstmalig eine Gruppe entsteht, oder ob der Verein zuvor schon über Tochtergesellschaften verfügt hat. bb)  Konkrete Bezugspunkte des Mediatisierungseffektes Mit der Verlagerung von unmittelbar gehaltenem Vereinsvermögen auf einen anderen Rechtsträger im Austausch gegen Anteilsrechte an diesem verändert sich in Bezug auf die Verwaltung des verlagerten Vermögens die Statik der Zuständigkeitsordnung: Über die Verwaltung des ausgelagerten Vermögens entscheiden nunmehr unmittelbar die Organe des zweiten Rechtsträgers; inwieweit dem Verein dabei Entscheidungsrechte in Wahrnehmung seiner Gesellschafterfunktion zukommen, hängt von der Zuständigkeitsordnung dieses Rechtsträgers ab. Selbst soweit dem Verein danach Entscheidungsrechte zukommen, fallen diese grundsätzlich als Maßnahmen der Geschäftsführung in die Zuständigkeit des Vereinsvorstands.421 Es kommt so betrachtet also zu einer Kompetenzverschiebung zwischen Mitgliederversammlung und Vereinsvorstand, u.U. darüber hinaus auch zu einem absoluten Verlust von Entscheidungsbefugnissen. Dieser Mediatisierungseffekt betrifft grundsätzlich den gesamten Zuständigkeitsbereich der Mitgliederversammlung, hängt aber bezüglich seiner Auswirkungen im Ergebnis auch davon ab, ob gegenläufige Effekte zu verzeichnen sind. Für die folgenden Überlegungen wird der gesetzliche (zwingende und dispositive) Kompetenzumfang der Mitgliederversammlung zugrunde gelegt. (1) Satzungsänderungskompetenz Soweit es denkbare Bezugspunkte des Mediatisierungseffektes angeht, wird in der Literatur zutreffend gesehen, dass die Mitgliederversammlung durch Maßnahmen der Beteiligungs(fort)bildung die Möglichkeit verliert, durch Satzungs- oder Zweckänderungen unmittelbar auf die Verwaltung des ausgelagerten Vermögens einzuwirken.422 In einem gewissen Rahmen wird diese Einschränkung allerdings dadurch ausgeglichen, dass der Vorstand auch im Hinblick auf die Betätigung über Tochtergesellschaften an die Satzung des Vereins gebunden bleibt. So darf grundsätzlich auch über die Tochtergesellschaft keine Tätigkeit entfaltet werden, die mit den Zielvorgaben der Vereinssatzung nicht vereinbar ist. Man sollte dies aber nicht als einen vollständigen Ausgleich der Rechtsverkürzung verstehen.423 Denn auch insoweit bleibt es dabei, dass an die Stelle unmittelbarer, gleichsam „dinglich“ wirkender Befugnisse der Mitgliederversammlung bloße Pflichtenbindungen des Vorstands treten.424 Hinzu kommt, dass auch der pflichtbewusste Vor421 

s. zu möglichen kompensatorischen Effekten noch sogleich im Text. bereits Hemmerich, S. 152; Schießl, Ausgliederung, S. 80; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 201. 423  So aber Hemmerich, S. 152. 424  Vgl. insoweit bereits oben, § 6 F.I.3.a). 422  s.

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stand auf praktische Hindernisse stoßen kann. Als Beispiel sei der Fall genannt, dass die Mitgliederversammlung des Vereins das durch die Satzung abgesteckte Betätigungsfeld nachträglich verengt, es dem Vorstand aber mangels satzungsändernder Mehrheit in der Untergesellschaft nicht gelingt, diese Maßnahme in der Beteiligungsgesellschaft zu replizieren. (2)  Entscheidung über die Gewinnverwendung? Ein Teil der vereinsrechtlichen Literatur unternimmt den Versuch, für den Nachweis des Mediatisierungseffekts im Vereinsrecht auch für dieses in Parallele zum Aktienrecht an die Verkürzung des Rechts anzuknüpfen, über die Gewinnverwendung zu entscheiden.425 Anders als das Aktien- oder GmbH-Recht normiert das BGB ein solches Recht des Vereinsmitglieds aber nicht gesondert. Es gibt auch sonst keinen Anlass dafür, ein solches Recht vorauszusetzen oder im Wege einer Analogiebildung zu begründen.426 Im Idealverein kann als Folge der durch die Rechtsform gesetzten Grenzen kein rechtlich geschütztes Interesse des Mitglieds an einer Gewinnausschüttung bestehen, das durch eine entsprechende Entscheidungskompetenz abzusichern wäre.427 Auch eine Vorlagepflicht zur Absicherung des Weisungsrechts ist insoweit grundsätzlich nicht anzunehmen: Etwa erwirtschaftete Überschüsse stehen als Teil des Vereinsvermögens schlicht auch während der nächsten Abrechnungsperiode für die Verwirklichung des Vereinszwecks zur Verfügung, ohne dass es dazu einer besonderen Entscheidung der Vereinsmitglieder bedarf. Soweit der Vorstand dabei nichts völlig Unerwartetes unternimmt, hält er sich im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung. Unbenommen ist es der Mitgliederversammlung, von sich aus Vorgaben für die Verwendung eines etwaigen Überschusses aufzustellen. Sie kann die Entscheidung im Rahmen ihrer latenten Allzuständigkeit an sich ziehen und den Vorstand durch Weisungsbeschluss daran binden (§ 27 Abs. 3, 665 BGB). Diese Befugnis wird durch Maßnahmen der Beteiligungsbildung in der Tat verkürzt. Dies hat aber nichts mit einer spezifischen Entscheidungskompetenz in Bezug auf den anfallenden Gewinn zu tun, sondern ergibt sich als Folge der allgemeinen Kompetenzausstattung des Mitgliederorgans. (3)  Latente Allzuständigkeit und Weisungsrecht Dieser Gedanke leitet über zu dem für die Beschreibung des Mediatisierungseffektes zentralen Gesichtspunkt der latenten Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung und ihres darauf aufbauenden Weisungsrechts in allen Angelegenheiten

425 s. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 198; Schießl, Ausgliederung, S. 81; s.a. Segna, Vorstandskontrolle, S. 156: „Mit der Auslagerung auf eine Tochtergesellschaft büßt die Mitgliederversammlung […] das Recht ein, […] über die Verwendung des Bilanzgewinns zu entscheiden […].“ 426  s. dazu Lettl, Wertrecht, S. 144; ders., AcP 203 (2003), 149, 207. 427 s. Lettl, a.a.O. (vorige Fn.).

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der Geschäftsführung.428 In Bezug auf das ausgelagerte Vermögen ist der Mitgliederversammlung die Möglichkeit genommen, dem zuständigen Organ unmittelbar bindende Weisungen zu erteilen:429 Gegenüber der Verwaltung der Tochter steht ihr ein Weisungsrecht nicht zu. Wegen der umfassenden Rechte, die der Mitgliederversammlung insoweit im Verein zustehen, wirkt sich auch der Mediatisierungseffekt entsprechend breitflächig aus. Zwar kann u.U. mittelbar über das Weisungsrecht Einfluss bis in die Untergesellschaft hinein ausgeübt werden.430 Dies ändert aber nichts daran, dass jedenfalls wegen der Änderung des Bezugspunkts des Weisungsrechts auch im Hinblick auf dieses eine mittelbare Rechtsverkürzung festzustellen ist.431 Denn während der Vorstand im Einheitsverein per Weisung unmittelbar auf das gewünschte Verhalten verpflichtet werden kann, kann er nunmehr lediglich dazu verpflichtet werden, die Verwaltung der Untergesellschaft dieser gegenüber auf das gewünschte Verhalten zu verpflichten. (4)  Organschaftliche Vertretungsmacht des Vereinsvorstands Gelegentlich wird es als eine besondere vereinsrechtliche Facette des Mediatisierungseffektes herausgestellt, dass der Vereinsvorstand durch Ausgliederungen auf Kapitalgesellschaften und funktional vergleichbare Maßnahmen mittelbar in die Lage versetzt wird, eigenmächtig die Grenzen seiner Vertretungsmacht zu erweitern.432 Dies gilt aber so allgemein nur dann, wenn man der abzulehnenden Ansicht folgt, die organschaftliche Vertretungsmacht des Vereinsvorstandes reiche auch 428  Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es eine nur zu Zwecken der sprachlichen Vereinfachung vorgenommene inhaltliche Verkürzung darstellt, wenn wie hier von einem Weisungsrecht der Mitgliederversammlung gesprochen wird. Denn zwischen Mitgliederversammlung und Vorstand bestehen keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen, aus der die Mitgliederversammlung ein Weisungsrecht ableiten könnte. Weisungsgebunden ist der Vorstand aber gegenüber dem Verein, für dessen Willensbildung die Mitgliederversammlung insoweit verantwortlich ist. 429 s. Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Habersack, in: Scherrer (Hrsg.), Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 54 f. (in Bezug auf das Weisungsrecht beeinträchtigende Maßnahmen der Gruppenleitung); Kebekus, Alternativen, S. 67; Leuschner, Konzernrecht, S. 113 (i.E. aber einen signifikanten Mediatisierungseffekt nur bejahend, wenn die Zuständigkeitsordnung der Untergesellschaft nicht weisungsoffen ist und keine „Weisungskette“ etabliert werden kann); s.a. ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 117 f.; Schick/Rüd, Stiftung, S. 48 ff.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 156; einschränkend und nach der Rechtsform der Untergesellschaft differenzierend Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 197; Hemmerich, Möglichkeiten, S. 153. 430  Daran anknüpfend etwa Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 197; Hemmerich, Möglichkeiten, S. 153. 431 Zutreffend Segna, Vorstandskontrolle, S. 156; s.a. die entsprechenden Ausführungen zum GmbH-Recht oben, § 6 F.I.3.b)bb)(2); s. für eine nähere Auseinandersetzung mit kompensierenden Effekten im Vereinsrecht auch noch sogleich im Text. 432  s. etwa Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 200 f.; Schießl, Ausgliederung, S. 81; s. auch schon Hemmerich, Möglichkeiten, S. 152 f.; dies., BB 1983, 26, 31.

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ohne eine ausdrückliche, § 26 Abs. 1 S. 3 BGB genügende Satzungsklausel weniger weit als diejenige der GmbH-Geschäftsführung oder des AG-Vorstandes, weil sie von vornherein auf Geschäfte beschränkt sei, die innerhalb des Vereinszwecks liegen.433 Berechtigt ist der Hinweis auf die Vertretungsmacht dagegen dann, wenn unmittelbar an die aus § 26 Abs. 1 S. 3 BGB resultierenden Beschränkungsmöglichkeiten angeknüpft wird.434 Diese lassen sich bei Tochtergesellschaften, für die das Gesetz den Umfang der organschaftlichen Vertretung zwingend ausgestaltet, nicht replizieren, so dass die damit verbundenen Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf den ausgelagerten Vermögensteil notwendig verloren gehen. (5)  Kontrollrechte der Mitgliederversammlung Eine mittelbare Verkürzung der Rechte der Mitgliederversammlung erfolgt auch im Hinblick auf die Besetzung und Kontrolle der Verwaltungsorgane. Während die Mitgliederversammlung über die Bestellung des Vereinsvorstands und deren Widerruf entscheidet, ist es hinsichtlich des verlagerten Vereinsvermögens der Vorstand selbst, der als organschaftlicher Vertreter des Vereins dessen Rechte als Gesellschafter wahrnimmt und damit auf die Besetzung der Verwaltungsorgane der Tochter Einfluss nimmt, soweit dem Mitgliederorgan in der Tochter derartige Rechte zustehen.435 Häufiger wird daneben in der Literatur auch noch darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsverkürzung auch im Hinblick auf die Informationsrechte fortsetzt.436 Zutreffend ist zunächst, dass der Vorstand gem. §§ 27 Abs. 3, 666 BGB gegenüber der für den Verein handelnden Mitgliederversammlung berichts-, auskunfts- und rechenschaftspflichtig ist.437 Eine vergleichbare Pflichtenstellung trifft die Verwaltung der Tochtergesellschaft gegenüber der Mitgliederversammlung des Vereins naturgemäß nicht. Soweit dem Verein als Gesellschafter in der Untergesellschaft gegenüber deren Verwaltung Kontrollrechte zukommen, werden diese durch den Vereinsvorstand als Vertretungsorgan des Vereins wahrgenommen. Moderierend wirkt sich allerdings auch im Vereinsrecht ein Effekt aus, wie er in ähnlicher Weise auch im Hinblick auf die Kontrollrechte des Aktionärs zum Tragen kommt.438 Denn in etwas modifizierter Form erstrecken sich die Informationsansprüche der Vereinsmitglieder auch auf den Rechtskreis der Beteiligungsgesellschaft.439 Zunächst muss auch für das Vereinsrecht selbstverständlich sein, dass auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Vereins zur 433 

s. dazu ausführlich oben, § 7 A.III.2.a)aa). Hemmerich, Möglichkeiten, S. 154; Schießl, Ausgliederung, S. 80; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 199. 435 s.a. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 202. 436 s. Hemmerich, Möglichkeiten, S. 155 f.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 202 f.; s.a. Segna, Vorstandskontrolle, S. 158. 437  s. nur MünchKomm/Reuter § 27 Rn. 41 f.; s.a. Grunewald, ZIP 1989, 962 ff. 438  s. o., § 5 E.V.2.c)aa)(1). 439  Vgl. auch Leuschner, Konzernrecht, S. 235 ff. 434 s.

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Beteiligungsgesellschaft Angelegenheiten des Vereins sind und aus diesem Grund selbstverständlich vom Informationsrecht mitabgedeckt werden.440 Wie im Aktienrecht ist darüber hinaus davon auszugehen, dass auch Angelegenheiten bei der Beteiligungsgesellschaft selber bei entsprechender rechtlicher oder wirtschaftlicher Bedeutung unter dieses Informationsrecht fallen, weil sie damit zugleich auch zu Angelegenheiten des Vereins werden.441 Auch unter Berücksichtigung dieses Umstands lässt sich aber noch nicht sagen, dass die Mediatisierung des Informationsrechts vollständig ausgeglichen werden kann. Denn ob in der Vereinsgruppe tatsächlich ein vergleichbarer Informationsfluss wie im Einheitsverein hergestellt werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.442 cc)  Mediatisierung und kompensatorische Effekte Bereits im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ansatzpunkte für den Mediatisierungseffekt war hinsichtlich einzelner Befugnisse der Mitgliederversammlung auf einige Aspekte einzugehen, die dazu geeignet sind, die Auswirkungen des Mediatisierungseffektes abzuschwächen. Ein Beispiel bietet die Erweiterung des Informationsrechts der Mitgliederversammlung auch auf Angelegenheiten der Untergesellschaft. (1)  Kompensatorische Effekte im Vereinsrecht Daneben sind wie schon im GmbH-Recht443 vor allem drei Ansatzpunkte für kompensatorische Effekte im Auge zu behalten, mit denen eine allgemeinere Wirkung einhergeht. In erster Linie geht es dabei um die Möglichkeiten der Einflussnahme, die aus dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung resultieren. Zweitens sind die Vorlagepflichten zu berücksichtigen, die sich aus dem für ungewöhnliche Maßnahmen geltenden Vetovorbehalt ergeben und das Weisungsrecht damit verstärken. Drittens ist schließlich zu beachten, dass sich im Vereinsrecht ebenso wie im GmbH-Recht unter gewissen Voraussetzungen Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung im Hinblick auf Gruppenleitungsmaßnahmen auch unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin begründen lassen,444 für die es nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung im Aktienrecht keine Entsprechung gibt.445 Diese Entscheidungszuständigkeit der Mitgliederversammlung erfasst allerdings lediglich, wie später noch näher darzulegen sein wird,446 einen relativ eng umgrenzten Sachbereich, so dass sie nicht über die gleiche Breitenwirkung 440 

Vgl. auch die klarstellende Vorschrift für die AG in § 131 Abs. 1 S. 2 AktG. BGHZ 152, 339, 345; Hüffer/Koch, AktG, § 131 Rn. 16; MünchKommAktG/ Kubis § 131 Rn. 65, 70 ff. 442  Vgl. die entsprechenden Ausführungen zur Aktiengesellschaft oben, § 5 E.V.2.c)aa)(1). 443  s. o., § 6 F.I.2.b). 444  s. zum GmbH-Recht oben, § 6 F.III.1. u. 2. 445  Siehe zum Aktienrecht oben, § 5 E.VI.3.d)dd). 446  s. u., B.II.3.b). 441  Vgl.

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verfügt, die den beiden zuvor genannten Aspekten zukommt. Für die Einzelheiten zu den konkreten Auswirkungen der kompensatorischen Effekte kann wegen der grundsätzlichen Parallelität auf die Darstellung für die GmbH Bezug genommen werden.447 (2)  Diskussionsstand in der vereinsrechtlichen Literatur Von den drei erwähnten Gesichtspunkten konzentriert sich die vereinsrechtliche Literatur primär auf das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung. So wird verbreitet gesehen, dass das Weisungsrecht nicht nur Objekt des Mediatisierungseffektes ist, sondern dessen Folgen u.U. auch abmildern kann.448 Auf die gleiche Einsicht läuft es hinaus, wenn der Mediatisierungseffekt dann als besonders stark beschrieben wird, wenn die Vereinssatzung das Weisungsrecht ausschließt449 oder wenn es sich bei der Tochter um eine Aktiengesellschaft handelt, so dass die Möglichkeit einer mittelbaren Umsetzung des Weisungsrechts über das Mitgliederorgan der Tochtergesellschaft auf rechtsformspezifische Grenzen stößt.450 Anders als für das GmbH-Recht, wo dies einer häufiger vertretenen Position entspricht, wird im Vereinsrecht im Regelfall allerdings nicht die Schlussfolgerung gezogen, dass der Mediatisierungseffekt aufgrund der gegenläufigen (kompensierenden) Wirkung des Weisungsrechts jedenfalls in bestimmten Konstellationen – etwa bei Ausgliederungen auf eine hundertprozentige Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH – nicht mehr zur Begründung eines ungeschriebenen Einbeziehungserfordernisses zugunsten der Mitgliederversammlung taugt.451 (3)  Grenzen kompensatorischer Effekte Auch im Vereinsrecht darf die Bedeutung der kompensatorischen Effekte, die sich aus dem Weisungsrecht, der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen und der Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit für bestimmte Gruppenleitungsmaß447 

s. o., § 6 F.I.2.b). Vgl. etwa Balzer, ZIP 2001, 175, 177; Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253; Hemmerich, Möglichkeiten, 158; Kebekus, Alternativen, S. 67; Segna, Vorstandskontrolle, S. 156; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 197; Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 75. 449 s. Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 75; umgekehrt Leuschner, Konzernrecht, S. 113: gerade kein Mediatisierungseffekt, wenn die Satzung das Weisungsrecht ausschließt (basierend auf der Auffassung, allein das Weisungsrecht bzw. dessen Beeinträchtigung bilde die Grundlage für den Mediatisierungseffekt). 450 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 156 mit Fn. 198; s.a. Leuschner, Konzernrecht, S. 113, der allerdings nur dann von einem spürbaren Mediatisierungseffekt ausgeht will, wenn sich keine Weisungskette bis in die Untergesellschaft bilden lässt. 451 s. zum GmbH-Recht z. B. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11; Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617 ff. sowie bereits oben, § 6 E.I.2 u. F.I.1.c); mit ähnlichen Differenzierungen (insbesondere wie Ettinger/Reiff, a.a.O.) für das Vereinsrecht aber Leuschner, Konzernrecht, S. 112 ff.; s. dazu auch bereits schon oben, § 7 B.I.2.j). 448 

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nahmen ergeben, nicht überbewertet werden. Sie treffen ihrerseits auf strukturelle ebenso wie einzelfallabhängige Schranken.452 (a)  Strukturelle Schranken Was zunächst die strukturellen Schranken angeht, führt dies zurück zu den Erkenntnissen, die bereits für das Aktienrecht im Hinblick auf die Frage gewonnen worden sind, ob Mitwirkungsrechte bei der Gruppenleitung nicht möglicherweise den Bedarf für eine Mitwirkung bereits bei der Gruppenbildung entfallen lassen könnten.453 Durchgreifend war insoweit die Einsicht, dass derartige Mitwirkungsrechte selbst dann, wenn man sie in großzügigem Umfang annimmt, stets auf die Selbständigkeit der beteiligten Rechtsträger Rücksicht nehmen müssen und damit an der grundlegenden Auswirkung der mediatisierenden Maßnahme nichts ändern, die sich – in Anlehnung an Wiedemann454 – als Rückstufung unmittelbarer gesellschaftsrechtlicher Befugnisse der Aktionäre in (wenn auch schuldrechtlich-treuhänderisch) gebundene Kompetenzen der Verwaltung beschreiben lässt. Dieser Befund trifft aber nicht nur auf das Aktienrecht auf Basis dort – womöglich455 – anzunehmender Kompetenzen der Hauptversammlung bei der Gruppenleitung zu, sondern genauso auch auf den Verein.456 Dabei ist es auch gleichgültig, ob sich die Mitwirkung der Mitgliederversammlung bei der Gruppenleitung auf der Basis von Zuständigkeiten vollzieht, die mittels der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin begründet werden, ob es um das Erfordernis geht, sie unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen einzubeziehen oder ob sie aus eigener Initiative von ihrem Weisungsrecht Gebrauch macht. Denn jeweils erlauben die Einwirkungsmöglichkeiten nur Modifikationen im Bereich dessen, was – um in dem von Wiedemann gewählten Bild zu bleiben – als schuldrechtlich-treuhänderische Pflichtenbindung des Vorstands zu bezeichnen ist, ohne dass sich am Ausgangsbefund, dem Verlust unmittelbarer gesellschaftsrechtlicher Befugnisse, etwas ändert. Anders formuliert: Es ist aus dieser Perspektive eben nicht das gleiche und kann das Bedürfnis für eine besondere Legitimation mediatisierender Maßnahmen nicht entfallen lassen, wenn die Mitgliederversammlung (in Bezug auf das ausgelagerte Vermögen) nicht mehr unmittelbar die für die Verwaltung des Vermögens unmittelbar zuständigen Organe bestellen und abberufen, sondern nur noch den Vorstand entsprechend anweisen kann; wenn sie nicht mehr das unmittelbar zuständige Organ durch Weisungsbeschluss binden kann, sondern dieses nur dazu anweisen kann, seinerseits das unmittelbar zuständige Organ anzuweisen; wenn sie insoweit nicht mehr unmittel452 

s. dazu schon für das GmbH-Recht ausführlich oben, § 6 F.I.3. s. o., § 5 E.VI.3.b). 454 s. Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 53 f. 455  Nach hier vertretener Ansicht sind derartige Kompetenzen allerdings abzulehnen, s.o.§ 5 E.VI.3.d). 456  s. ebenso auch schon zur GmbH oben, § 6 F.I.3.a). 453 

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bar durch Satzungsänderung die äußeren Grenzen des zulässigen Handlungsprogramms bestimmen kann, ohne darauf angewiesen zu sein, dass der Vorstand diese Satzungsänderung in der Untergesellschaft nachvollzieht; wenn sie nicht mehr durch Satzungsänderung die Grenzen des zulässigen Vorstandshandelns sogar mit Wirkung im Außenverhältnis festziehen kann (§ 26 Abs. 1 S. 3 BGB). Insoweit ist die Kompetenzeinbuße sogar besonders plastisch, weil es mit Rücksicht auf die bei den Handelsgesellschaften im Außenverhältnis unbeschränkbare Vertretungsmacht von vornherein ausscheidet, mittels des Weisungsrechts durchzusetzen, dass dieser Effekt in der Tochtergesellschaft repliziert wird. In ähnlicher Weise gilt dies für alle Einbußen in Bezug auf Mitgliederversammlungskompetenzen, die mit einer (zumindest beschränkten) Außenwirkung einhergehen, wie dies etwa in Bezug auf die analog anwendbaren §§ 293 Abs. 2, 179a AktG oder in Bezug auf die Zustimmungserfordernisse nach dem UmwG der Fall ist. Anders ließe sich dies alles nur beurteilen, wenn man der Mitgliederversammlung unter Vernachlässigung der Rechtsformgrenzen unmittelbare, in der Untergesellschaft gleichsam „dinglich“ wirkende Befugnisse zuerkennen wollte.457 Derartige Durchgriffszuständigkeiten werden aber von niemandem ernsthaft vertreten. Als Nebenaspekt kommt unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes hinzu, dass die Einflussnahmemöglichkeiten auf Basis der Weisungsbefugnis der Mitgliederversammlung und des diese absichernden Vetovorbehalts von der Mitgliederversammlung nach § 32 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen wahrgenommen werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sie sich auf Maßnahmen in der Untergesellschaft beziehen, die im Einheitsverein eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses bedurft hätten.458 (b)  Einzelfallabhängige Schranken Neben diese strukturellen Schranken können weitere treten, die von der Gestaltung der Verhältnisse im Einzelfall abhängen. So kann etwa durch eine entsprechende Gestaltung der Satzung das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung ganz oder teilweise ausgeschlossen sein. Soweit dieser Ausschluss reicht,459 erledigt sich nach der hier verfolgten Ansicht zugleich auch der Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen und die damit einhergehende Vorlagepflicht. Damit entfällt zugleich auch das aus dem Weisungsrecht und der Vorlagepflicht resultierende Potential für kompensatorische Effekte.460 Zudem sind mögliche Wider457 

s. auch insoweit bereits oben, § 5 E.VI.3.b). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich ausnahmsweise ein Entscheidungsrecht der Mitgliederversammlung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin begründen lässt, weil dann wieder eine qualifizierte Mehrheit erforderlich wird. 459  s. zur Abdingbarkeit noch näher § 7 C.II.1. 460  Dagegen entfällt nicht der Mediatisierungseffekt selbst, weil dieser nicht allein auf der Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Weisungsrechts beruht (vgl. oben, § 7 B.II.1.b) bb)). 458 

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stände aus dem Recht der Untergesellschaft in die Überlegungen einzubeziehen. So ist zu berücksichtigen, dass die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen auch im Gruppenkontext keine Durchgriffszuständigkeit darstellt. Die Vorlagepflicht gilt nur für solche (ungewöhnlichen) Maßnahmen, die auch tatsächlich auf der Ebene des Vereins zur Entscheidung anstehen. Ist aber der Verein als Gesellschafter in der Untergesellschaft aufgrund der dort geltenden Zuständigkeitsordnung gar nicht zur Mitwirkung an einer Maßnahme berufen, dann ist der Verein mit dieser Maßnahme überhaupt nicht befasst und eine Vorlagepflicht kann schon deswegen nicht entstehen. Dies gilt ohne weiteres auch dann, wenn sich die Maßnahme auf der Ebene des Vereins als ungewöhnlich darstellen würde und deswegen dort der Mitgliederversammlung zur Entscheidung vorzulegen wäre. Auf ähnliche Weise kann auch das Weisungsrecht faktischen Beschränkungen aus dem Recht der Untergesellschaft unterliegen. Diese können sich schon aus der Rechtsform ergeben, im Einzelfall aber auch aus der Gestaltung des Statuts resultieren oder auf der Notwendigkeit beruhen, auf die Belange außenstehender Gesellschafter Rücksicht zu nehmen. Hinzu können praktische Hindernisse auch für den Fall kommen, dass der Weisungsbefugnis rechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen. Denn eine auf der Ebene des Vereins ergangene Weisung an den Vorstand bindet die Verwaltung der Tochter nicht unmittelbar, sondern Bedarf noch der Umsetzung durch einen Weisungsbeschluss auf der Ebene der Untergesellschaft. dd) Zwischenergebnis Damit lässt sich festhalten: Auch im Vereinsrecht geht mit Maßnahmen der Gruppenbildung ein Mediatisierungseffekt einher. Wie für das GmbH-Recht lässt sich auch für das Vereinsrecht nicht sinnvoll pauschalisierend sagen, ob dieser Effekt nun stärker oder schwächer ausfällt als im Aktienrecht. Vielmehr erscheint auch im Vereinsrecht eine differenzierte Betrachtungsweise angezeigt. Die Beeinträchtigung der Rechte der Mitgliederversammlung betrifft einerseits einen größeren Sachbereich, weil dieser im Vergleich zur Hauptversammlung der AG weitergehende Rechte zustehen. Andererseits kann aber der Einfluss der Mitgliederversammlung je nach Lage der Gestaltung über das Weisungsrecht noch bis in den Bereich der Untergesellschaft hineinreichen, was die rechtsverkürzende Wirkung gruppenbildender Maßnahmen in einem gewissen Umfang kompensiert. Selbst in den Konstellationen, wo die Durchsetzung von Weisungen weitgehend sichergestellt ist, stoßen die kompensatorischen Effekt aber auf strukturelle Schranken, so dass sie den Mediatisierungseffekt als solchen nicht entfallen lassen. Er steht damit damit generell – und nicht nur abhängig von der Reichweite kompensatorischer Effekte im Einzelfall – als Anknüpfungspunkt für die Fortentwicklung der vereinsrechtlichen Zuständigkeitsordnung bei gruppenbildenden Maßnahmen zur Verfügung.

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c)  Der Mediatisierungseffekt bei Maßnahmen der Gruppenleitung Anders als im Aktienrecht und in Parallele zum GmbH-Recht461 ist im Vereinsrecht auch im Bereich der Gruppenleitungsmaßnahmen noch Raum für die Annahme mittelbar rechtsverkürzender und damit mediatisierender Maßnahmen.462 So sind unter dem Gesichtspunkt der Gruppenleitung verschiedene Maßnahmen denkbar, die Einflussnahmemöglichkeiten des Vereins auf die Untergesellschaft und damit auf die Verwaltung des in diese verlagerten Vermögens weiter verkürzen. Insoweit verhält sich die Lage zwar nicht anders als im Aktienrecht. Dort wirkt sich aber die Verkürzung der Einflussnahmemöglichkeiten der Obergesellschaft auf bereits mediatisiertes Vermögen ihrem Schwerpunkt nach nur auf die Leitungsmöglichkeiten des Vorstands aus. Veränderungen in diesem Bereich bedürfen der Zustimmung der Hauptversammlung nicht, weil es hierbei um die Kompetenzsphäre geht, die dem Vorstand mitsamt einem weitreichenden Ermessensspielraum zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen ist.463 An einer vergleichbaren Kompetenzenklave der Verwaltung fehlt es im Vereinsrecht. Deswegen stellt sich dort jede Verkürzung der Einflussnahmemöglichkeiten des Vereins mittelbar auch als eine Verkürzung des Rechts der Mitgliederversammlung dar, über einen den Vereinsvorstand bindenden Weisungsbeschluss Einfluss auf die Gestaltung der Verhältnisse in der Tochter Einfluss zunehmen. Zwar liegt der Schwerpunkt der Einwirkung auf die Zuständigkeitsordnung nicht mehr in einer Kompetenzverlagerung im Verhältnis der Organe zueinander, wie sie für Maßnahmen der Gruppenbildung typisch ist. Doch kann es im Ergebnis für die zuständigkeitsrechtliche Bewertung keine entscheidende Rolle spielen, ob sich ein Kompetenzverlust des Mitgliederorgans in einem entsprechenden Kompetenzgewinn des Vorstands niederschlägt oder nicht. Unter Wertungsgesichtspunkten ist maßgeblich, dass derartige Kompetenzeinbußen zu Lasten der Mitgliederversammlung auf der gleichen Ebene zu verorten sind, wie die Schaffung von Kompetenzenklaven zugunsten der Verwaltung auf der Ebene des Vereins selbst, die aber eine entsprechende Satzungsänderung voraussetzen.464 Damit kommen den betreffenden Maßnahmen ähnliche, organisationsrechtlich vermittelte Auswirkungen auf die Kompetenzordnung des Vereins zu, wie sie mit dem primären Mediatisierungseffekt bei der Gruppenbildung einhergehen, auch wenn dessen Auswirkungen breitflächiger sein mögen. Für die Einzelheiten des (weiteren) Mediatisierungseffekts bei Maß461  s. o., § 6 F.III.1.b)bb) zum GmbH-Recht; zur abweichenden Rechtslage im Aktienrecht s. § 5 E.VI.3.d). 462 Gleicher Ansicht jedenfalls für das Vereinsrecht Habersack, in: Scherrer (Hrsg.), Sportkapitalgesellschaften, S. 45, 55; vgl. auch Segna, ZIP 1997, 1901, 1909. 463  Dies sieht anders, wer mit Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, passim, von einer intensiven Konzernleitungspflicht ausgeht, die den Vorstand vorbehaltlich der Zulassung durch einen Hauptversammlungsbeschluss grundsätzlich dazu zwingt, sich in der Gruppe möglichst weitgehende Einflussmöglichkeiten zu sichern: zu dieser Diskussion oben, § 5 E.V.3.a). 464  Vgl. auch bereits schon die Stellungnahme zum GmbH-Recht, § 6 F.III.1.b)bb).

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nahmen der Gruppenleitung kann angesichts der vergleichbaren rechtlichen Ausgangslage vorläufig auf die Ausführungen zum GmbH-Recht Bezug genommen werden: In Betracht kommt ein weiterer Mediatisierungseffekt im Anschluss an eine bereits erfolgte Gruppenbildungsmaßnahme danach insbesondere bei Änderungen des Statuts der Untergesellschaft oder ihrer Rechtsform, wenn dadurch die Verwaltung der Untergesellschaft eine eigenverantwortliche Stellung erhält, einer Vielzahl anderer potentiell einflussreduzierender Strukturmaßnahmen (Bsp.: Verenkelung, Ausgliederungsmaßnahmen auf Tochterebene, bestimmte Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung, Abschluss von Unternehmensverträgen) sowie bei Maßnahmen, die zur Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft führen (Teilbeteiligungsveräußerung; Kapitalerhöhung ohne Beteiligung der Obergesellschaft).465 2.  Die Zuständigkeit für Gruppenbildungsmaßnahmen Auf Basis der bisher gewonnenen Erkenntnisse lässt sich nun auch dazu Stellung nehmen, wie Maßnahmen mit Gruppenbezug in Vereinen zuständigkeitsrechtlich zu erfassen sind. Dabei soll wie bisher auch zwischen Gruppenleitungs- und Gruppenbildungsmaßnahmen im Sinne der bereits mehrfach dargelegten materiell orientierten Abgrenzung differenziert werden.466 Deswegen sind zu den Gruppen(fort) bildungsmaßnahmen insbesondere auch Kapitalerhöhungen in einer Tochtergesellschaft zu rechnen, wenn und soweit der Verein die neu ausgegebenen Anteile selbst übernimmt. Denn auch hier wird zunächst unmittelbar gehaltenes Vereinsvermögen gegen Gesellschaftsanteile mit der Folge getauscht, dass die Rechte der Mitgliederversammlung auf genau die gleiche Weise mediatisiert werden, wie dies auch bei allen anderen Maßnahmen der Gruppenbildung der Fall ist. a)  Die Satzung als Gestaltungsschranke Eine erste Grenze kann sich für Gruppenbildungsmaßnahmen auf der Ebene der Satzung ergeben. aa)  Erfordernis einer Beteiligungs- bzw)  Konzernklausel in der Satzung Ebenso wie für das Aktien- 467 und das GmbH-Recht468 ist auch für den Verein davon auszugehen, dass Zweck- und Gegenstand vorbehaltlich einer besonderen Zulassung durch die Satzung unmittelbar verwirklicht werden müssen. Gruppenbildungsmaßnahmen dürfen daher auch im Verein nur auf der Basis einer Beteiligungs- bzw. Konzernöffnungsklausel (oder – mehr auf der Linie der in dieser Arbeit verfolgten Terminologie – einer „Gruppenöffnungsklausel“) vorgenommen 465 

s. o. § 6 F.III.2.a); näher zum Verein noch sogleich, § 7 B.II.3.a). s. o., § 7 B.II.1.b)aa) sowie § 5 E.VI.2.a und § 6 F.II.2. 467  s. zu diesem oben, § 5 D.I.3.a). 468  s. zu diesem oben, § 6 F.II.1. 466 

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werden.469 Ebenso wie im Aktien- und Vereinsrecht besagt eine solche Klausel bei typischer Formulierung zunächst aber nur, dass der Verein Gruppenbildungsmaßnahmen vornehmen darf, ohne dass dies eine formelle Satzungsänderung erforderlich macht.470 Sie greift also nicht regelnd in die interne Zuständigkeitsverteilung ein, so dass nach allgemeinen Kriterien zu bestimmen ist, welchem Organ vereinsintern die Entscheidung über eine konkrete Gruppenbildungsmaßnahme obliegt.471 Daher hat eine Konzernklausel im hier beschriebenen Sinn auch nichts mit der Frage der satzungsmäßigen Regelbarkeit derartiger Zuständigkeiten zu tun. Diese Frage stellt sich erst im Hinblick auf solche Satzungsklauseln, die ihrer Regelungsintention nach auf die Gestaltung der vereinsinternen Zuständigkeitsordnung gerichtet sind.472 Enthält die Satzung allein eine die interne Zuständigkeit für Gruppenbildungsmaßnahmen regelnde Bestimmung, ist darin allerdings i.d.R. auch die allgemeine Zulassung von Maßnahmen der Gruppenbildung zu erblicken, da die Zuweisung der Kompetenz an ein bestimmtes Organ die allgemeine Zulässigkeit von Gruppenbildungsmaßnahmen voraussetzt. bb)  Satzungsunterschreitung durch Ausgliederung? In der vereinsrechtlichen Literatur nimmt die Diskussion um die Frage, ob sich Hindernisse für die Gruppenbildung schon aus der Vereinssatzung ergeben können, z.T. eine etwas andere Form an. Vor allem im Zusammenhang mit der Ausgliederung von Berufssportabteilungen haben sich die Überlegungen hier gelegentlich auf die Frage konzentriert, ob die Satzung die Unterhaltung einer solchen Abteilung durch den Verein explizit vorsieht.473 Sei dies der Fall, gehe mit der Ausgliederung eine (faktische) Satzungsänderung einher, die einen Beschluss der Mitgliederversammlung – womöglich sogar mit zweckändernder Mehrheit, § 33 Abs. 1 S. 2 BGB – erfordern soll.474 Generell begegnet der Gedanke, ein Satzungsverstoß könne sich auch daraus ergeben, dass der durch die Satzung vorgeschriebene Umfang der Vereinstätigkeit dauerhaft unterschritten wird, keinen Bedenken. Fraglich ist aber, ob von einer derartigen Satzungsunterschreitung ausgegangen werden kann, wenn eine satzungsmäßig vorgeschriebene Vereinstätigkeit auf eine 469 So i.E. auch Hemmerich, Möglichkeiten, S. 158; Segna, Vorstandskontrolle, S. 154 ff.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 242; s. allgemein auch Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 Rn. 1; vgl. im Übrigen die zur AG und GmbH angegeben Nachweise; a.A. Leuschner, Konzernrecht, S. 99 ff., mit Erwägungen, wie sie z.T. auch für die Kapitalgesellschaften vertreten werden. 470  s. für praktische Beispiele oben, § 4 C.III.3.a). 471  Diese Erkenntnis ist im Rahmen der bisherigen Überlegungen bereits mehrfach von Bedeutung gewesen: s. zur Auseinandersetzung mit der Position von Segna oben § 7 B.I.2.c) bb)(1); zum GmbH-Recht s. § 6 F.II.1; zur Aktiengesellschaft § 5 D.I.3.a). 472  s. zu den damit einhergehenden Problemen noch näher sogleich, § 7 D. 473  s. z. B. Fuhrmann, Ausgliederung, S. 130 f.; Müller, Berufsfußball, S. 152 ff.; s.a. Schick/Rüd, Stiftung, S. 49 f. 474  Vgl. die Angaben in der vorigen Fn.

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Tochtergesellschaft ausgelagert wird, auf deren Tätigkeit der Verein vermittels seiner Beteiligung entscheidenden Einfluss behält. Denn auch hierbei handelt es sich um eine Verwirklichung des Vereinszwecks, weil die Möglichkeit, die Tätigkeit der Tochter zu steuern, die Zurechnung dieser Tätigkeit zum Verein erlaubt, soweit die Verwirklichung des Vereinsgegenstands bzw. -zwecks in Rede steht. Die eigentliche Frage lautet daher auch hier, ob die Satzung des Vereins eine derartige mittelbare Zweckverfolgung zulässt, was nach hier vertretener Ansicht eben nur dann der Fall ist, wenn die Satzung eine entsprechende Öffnungsklausel enthält. Der Unterschied zur vorstehend geschilderten Ansicht wird deutlich, wenn die Satzung den Unterhalt einer Profiabteilung nicht vorschreibt, sondern lediglich zulässt. Hier ließe sich das Erfordernis einer Satzungsänderung allein unter Rückgriff auf den Gedanken der Satzungsunterschreitung bereits nicht mehr sinnvoll begründen.475 b)  Erfassung als ungewöhnliche Maßnahme (Vetovorbehalt) Lässt die Satzung die Gruppenbildung zu, kann sich das Erfordernis, die Mitgliederversammlung in die Entscheidung über eine Gruppenbildungsmaßnahme einzubeziehen, zunächst aus dem für ungewöhnliche Maßnahmen geltenden Vetovorbehalt und der daraus resultierenden Vorlagepflicht ergeben. Dabei existieren unterschiedliche Anknüpfungspunkte dafür, eine Maßnahme der Gruppenbildung als ungewöhnlich zu qualifizieren. Ähnlich wie im Personengesellschafts- oder GmbH-Recht kann allein der Erwerb einer Tochtergesellschaft dazu führen, dass der Verein in Bezug auf die bisherige Art und Weise der Zweckverwirklichung insgesamt einen sprunghaften und grundlegenden Richtungswechsel vollzieht, z. B. weil diese auf einem vom Verein bislang nicht bewirtschafteten Feld tätig ist.476 Dieser Ansatzpunkt scheidet naturgemäß aus, wenn es um die Auslagerung von bereits im Einheitsverein entfalteten Tätigkeitsfeldern geht. Insoweit verlagert sich die Begründungslast für Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung ganz auf die Gruppenbildung als solche und den damit einhergehenden Mediatisierungseffekt.477 Bereits für das GmbH-Recht konnte gezeigt werden, dass der Mediatisierungseffekt grundsätzlich geeignet ist, das Eingreifen einer Vorlagepflicht zur Aktivierung bzw. Absicherung der Mitwirkungsrechte des Mitgliederorgans zu rechtfertigen.478 Tragend ist dafür der Gedanke, dass der Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen gerade der Absicherung der latenten Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung und dem damit einhergehenden So denn konsequenter Weise auch Müller, Berufsfußball, S. 152 f. mit Fn. 62. (die verbandsrechtliche und satzungsmäßige Zulässigkeit sei unterstellt): Ein Sportverein, der seine Tätigkeit bislang nur dem Amateursport gewidmet hat, erwirbt eine als GmbH geführte Berufsportabteilung eines anderen Sportvereins, womöglich unter substantieller Erhöhung des Verschuldungsgrades. 477  s. zu diesem vorstehend, § 7 B.I.1.b). 478  Vgl. für die Entwicklung der nachfolgend geschilderten Grundsätze bereits die Ausführungen GmbH-Recht bereits: oben, § 6 E.I.3.a)bb) sowie § 6 F.II.2.a). 475 

476  Bsp.

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Weisungsrecht zu dienen bestimmt ist. Dies spricht bei konsequenter Anwendung dafür, ihm auch und erst recht solche Maßnahmen zu unterwerfen, die wegen ihrer kompetenzverschiebenden (mediatisierenden) Wirkung das Hierarchieprinzip selbst (bzw. genauer: dessen organisationsrechtliche Grundlage) modifizieren. Wie im GmbH-Recht ist aber auch für das Vereinsrecht davon auszugehen, dass eine mediatisierende Wirkung zwar mit jeder Gruppenbildungsmaßnahmen einhergeht, bei Maßnahmen geringfügigen Umfangs das Hierarchieprinzip aber nicht derart entscheidend herausfordert, dass sie notwendig einem Vetovorbehalt zu unterstellen sind. Damit ist auch im Vereinsrecht davon auszugehen, dass der Vorstand über Maßnahmen der Gruppenbildung im Rahmen seiner originären Zuständigkeit selbst beschließen kann, wenn sie eine bei etwa 10 % des Vereinsvermögens anzusiedelnde Bagatellschwelle unterschreiten.479 Auch im Vereinsrecht ist diese Vorgabe im Sinne einer bloßen Faustregel zu verstehen, die an die Umstände des Einzelfalles anzupassen ist. Die Anknüpfung an die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme bietet dafür einen hinreichend flexiblen Maßstab, der es ermöglicht, auf die konkreten Verhältnisse des jeweils betroffenen Vereins Rücksicht zu nehmen.480 In diesem Rahmen kann auch Konstellationen Rechnung getragen werden, in denen eine Ausgliederungsmaßnahme die angeführte Bagatellschwelle zwar nicht überschreitet, die betroffenen Gegenstände aber im Verhältnis zum Vermögenswert für den Verein von überproportionaler Bedeutung sind.481 c)  Erfassung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin aa) Grundsatz Der mit Maßnahmen der Gruppenbildung einhergehende Mediatisierungseffekt bildet auch den entscheidenden Anknüpfungspunkt für den Transfer der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in das Vereinsrecht. Wie im Aktien- und GmbH-Recht gewinnen gruppenbildende Maßnahmen aufgrund der mit dem Mediatisierungseffekt bezeichneten zuständigkeitsrechtlichen Verwerfungen eine Qualität, die sie zugleich als Geschäftsführungsmaßnahme und Organisationsakt erscheinen lässt. Aus diesem Blickwinkel ergeben sich Verbindungslinien zu den gesetzlich 479  I.E. ähnlich, wenn auch konstruktiv abweichend Segna, Vorstandskontrolle, S. 158 f. (mit Fn. 205); für eine Wesentlichkeitsschwelle von 25 % des Vereinsvermögens Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 247 f. (jedoch unter dem Gesichtspunkt einer zwingenden Zuständigkeit in Anlehnung an die Holzmüller-Doktrin); gleichfalls für 25 % Schießl, Ausgliederung, S. 83 f., der darüber hinaus aber auf die Umstände des Einzelfalles abstellen möchte; bei 10 % ansetzend auch Leuschner, Konzernrecht, S. 114; ders., Non profit Law Yearbook 2012/2013, S. 107, 119. 480  s. o., § 6 F.II.2.a) und ausführlicher § 6 D.III.4.c)ff). 481  In diesem Umfang lässt sich auch dem Vorschlag Terners, Vereinsklassenabgrenzung, S. 77 Rechnung tragen, der für das Vereinsrecht nicht an den Vermögenswert, sondern an ideelle Gesichtspunkte anknüpfen möchte (allerdings in Bezug auf die Holzmüller/ Gelatine-Doktrin).

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geregelten bzw. gesetzesanalog geltenden Strukturkompetenzen des Mitgliederorgans, für die jedenfalls im gesetzlichen Ausgangspunkt ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis vorgesehen ist. Methodisch kann dabei auch im Vereinsrecht auf die im Aktien- und GmbH-Recht eingesetzte Technik einer (Teil-)Gesamtanalogie zurückgegriffen werden, die sich den Rechtsfolgen nach auf die Begründung einer mit einer qualifizierten Mehrheit wahrzunehmenden Entscheidungszuständigkeit der Mitgliederversammlung beschränkt. Als Analogiebasis kann im Vereinsrecht neben den unmittelbar in §§ 33, 41 BGB geregelten Grundlagenzuständigkeiten der Mitgliederversammlung auch noch auf die den Verein betreffenden Vorschriften des Umwandlungsrechts über die Ausgliederung (§§ 125, 103 UmwG) sowie die analog geltenden §§ 179a, 293 Abs. 2 AktG482 zurückgegriffen werden. Wie im GmbH-Recht steht auch im Vereinsrecht der Annahme der für die Analogiebildung erforderlichen Lückenhaftigkeit des Gesetzes nicht entgegen, dass die Mitwirkung der Mitgliederversammlung auch vermittels der Annahme einer Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen sichergestellt werden kann.483 Denn diese Vorlagepflicht gilt der Absicherung des Weisungsrechts im Bereich einfacher – wenn auch ungewöhnlicher – Geschäftsführungsmaßnahmen und hat daher mit der Absicherung der Grundlagenkompetenz der Mitgliederversammlung nichts zu tun, zumal diese auch ganz andere Rechtsfolgen nach sich zieht (echte (Allein-)zuständigkeit der Mitgliederversammlung; qualifiziertes Mehrheitserfordernis). bb)  Quantitative Erheblichkeitsschwelle Auch in quantitativer Hinsicht kann grundsätzlich an die zum Aktien- und GmbH-Recht gewonnenen Ergebnisse angeknüpft werden.484 Wie im GmbH-Recht bedarf die Begründung allerdings auch für das Vereinsrecht im Verhältnis zum Aktienrecht einer gewissen Modifikation. Denn für dieses hat der Bundesgerichtshof das Erfordernis eines hoch ansetzenden Schwellenwertes in erster Linie auf den Gesichtspunkt der wohlaustarierten aktienrechtlichen Kompetenzverteilung gestützt, die nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden dürfe.485 Im Vereinsrecht besteht eine vergleichbar „wohlaustarierte“ Zuständigkeitsverteilung ebenso we-

482 

s. zu deren analoger Geltung bereits oben, § 7 A.III.1.c). Vgl. insoweit die für die GmbH-Recht dargelegte Begründung, § 6 F.II.2.b)aa). 484  s. § 5 E.VI.1 und § 6 F.II.2.b)cc). In der Literatur werden für das Vereinsrecht ähnlich wie vor den Gelatine-Entscheidungen für das Aktienrecht unterschiedliche Schwellenwerte diskutiert: Segna, Vorstandskontrolle, S. 158 f. (mit Fn. 205) plädiert für eine Wesentlichkeitsschwelle von ca. 10 % (für die von ihm auf § 36 Fall 2 gestützte zwingende Zuständigkeit der Mitgliederversammlung); für eine Wesentlichkeitsschwelle von 25 % des Vereinsvermögens Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 247 f.; gleichfalls für 25 % Schießl, Ausgliederung, S. 83 f., der darüber hinaus aber stark auf die Umstände des Einzelfalles abstellen möchte; Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 77, plädiert für die Orientierung allein an ideellen Gesichtspunkten. 485  s. BGHZ 159, 30, 39, 43 ff. 483 

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nig wie im GmbH-Recht. Vielmehr ist der originäre486 Zuständigkeitsbereich des Vereinsvorstands bereits nach der zutreffend ausgelegten gesetzlichen Ausgangslage durch eine Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen beschränkt; ein eigenverantwortlicher Handlungsbereich487 steht ihm im Bereich der Geschäftsführung überhaupt nicht zu. Die Bestimmung des Schwellenwertes muss also dem Gedanken des „Schutzes“ der Vorstandskompetenzen bzw. der gesetzlich genau austarierten Kompetenzverteilung keine besondere Rechnung tragen. Konsequenz dieser abweichenden Binnenorganisation ist aber zunächst einmal nur, dass sich Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung bei gruppenbildenden Maßnahmen bereits mit dem Instrumentarium begründen lassen, das dafür im Bereich der Geschäftsführungsmaßnahmen zur Verfügung steht. Insoweit ist tatsächlich nur vorausgesetzt, dass die Bedeutung der Maßnahme eine niedrig anzusetzende Bagatellschwelle überschreitet. Damit ist aber gerade nicht gesagt, dass auch die Ausbildung einer ungeschriebenen Kompetenz, die Anlehnung an die gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen grundsätzlich eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit bedarf, von ähnlich niedrigen Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann. Vielmehr ist insoweit ebenso wie für das Aktien- und GmbH-Recht davon auszugehen, dass der mit Maßnahmen der Gruppenbildung einhergehende Mediatisierungseffekt erst dann ein derartiges Gewicht gewinnt, welches es erlaubt, die Maßnahme als satzungsnah einzuordnen und einem qualifizierten Mehrheitserfordernis zu unterwerfen, wenn sie den wesentlichen Teil des Vermögens des Vereins betrifft.488 Wie im Aktien- und GmbH-Recht ist die exakte Festlegung des Schwellenwerts letztlich ein dezisionistischer Akt und daher nie ganz ohne Willkür möglich; abgesehen davon sprechen im Vereinsrecht die gleichen Gründe wie im GmbH-Recht dafür, die quantitative Wesentlichkeitsschwelle nicht ganz so extrem hoch anzusetzen, wie der Bundesgerichtshof dies in den Gelatine-Entscheidungen getan hat, und bereits einen Wert von mehr als 50 % des Vereinsvermögens genügen zu lassen.489 Im Hinblick auf die umstrittene Frage, anhand welcher Parameter Wertermittlung stattzufinden hat, scheint wie im Aktienrecht490 eine Gesamtbetrachtung vorzugswürdig.491 Ähnlich, wie dies für die 10 %-Schwelle als Voraussetzung für die Annahme einer ungewöhnlichen 486  Als „originär“ wird hier derjenige Zuständigkeitsbereich bezeichnet, den der Vorstand ausfüllen darf, ohne sich bei der Mitgliederversammlung rückversichern zu müssen; dagegen ist damit nicht gesagt, dass der Vorstand insoweit weisungsfrei handeln darf. 487  Verstanden i.S. des § 76 Abs. 1 AktG. 488  Vgl. insoweit § 5 E.VI.1 (AG) und § 6 F.II.2.b)cc) (GmbH). 489  s. zum GmbH-Recht oben § 6 F.II.2.b)cc). 490  So für das Aktienrecht etwa Bungert, BB 2004, 1345, 1347; Goette, AG 2006, 522, 526; Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor. § 311 Rn. 47; s.a. Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339; Liebscher, ZGR 2005, 1, 15 f.; s.a. bereits oben, § 5 E.VI.1 a.E. 491  Es spricht nichts dagegen, in diesem Rahmen auch wertende Gesichtspunkte miteinfließen zu lassen, die die Verlagerung solcher Bestandteile des Vereinsvermögens stärker gewichten, die für die Verwirklichung der Satzungsziele von besonderer Bedeutung sind. Dagegen dürfte es wegen der damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten nicht zu

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Maßnahme postuliert worden ist,492 wird man im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung zumindest vorsichtig auch wertende Elemente einfließen lassen können, etwa wenn eine Ausgliederungsmaßnahme rein rechnerisch zwar noch unterhalb der Bagatellschwelle bleibt, die davon betroffenen Vermögensgegenstände aber für die Verwirklichung des Vereinszwecks von überproportionaler Bedeutung sind.493 cc)  Erforderliche Mehrheit Das Mehrheitserfordernis für den Beschluss der Mitgliederversammlung hat sich sinnvollerweise an den vereinsrechtlichen, nicht an den aktienrechtlichen Bestimmungen zu orientieren:494 Maßgeblich ist daher gemäß §§ 33, 41 BGB grundsätzlich eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen.495 dd)  Rechtsfolgen im Außenverhältnis Auch im Vereinsrecht besteht kein Anlass, von der fehlenden Außenwirksamkeit der Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin abzurücken. Die Überlegungen zur Vertretungsmacht des Vereinsvorstands haben gezeigt, dass für diese im Vereinsrecht entgegen einigen missverständlichen Formulierungen grundsätzlich keine engere Anbindung an die interne Zuständigkeitsordnung besteht als im Aktien- oder GmbH-Recht.496 Unterschiede im Umfang der organschaftlichen Vertretungsmacht können sich allein auf der Grundlage von § 26 Abs. 1 S. 3 BGB ergeben, wenn die Satzung eine die Vertretungsmacht ausdrücklich beschränkende Regelung enthält. Sofern eine solche Regelung existiert und sich mit hinreichender Deutlichkeit auch auf die hier in Rede stehenden Maßnahmen erstreckt, fehlt dem Vorstand selbstverständlich die für deren Umsetzung erforderliche Vertretungsmacht. An der Grundregel ändert sich dadurch jedoch nichts. 3.  Die Zuständigkeit für Gruppenleitungsmaßnahmen Für die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen ist erneut zu differenzieren.

empfehlen sein, mit Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 77, die Bedeutung einer Gruppenbildungsmaßnahme allein unter ideellen Gesichtspunkten zu ermitteln. 492  Dazu soeben, § 7 B.II.2.b). 493  In diesem Umfang lässt sich auch dem Vorschlag Terners, Vereinsklassenabgrenzung, S. 77 Rechnung tragen, der für das Vereinsrecht nicht an den Vermögenswert, sondern generell allein an ideelle Gesichtspunkte anknüpfen möchte. 494  § 179 Abs. 2 S. 1 AktG verwendet das bei der Beschlussfassung vertretene Grundkapital als Bezugspunkt. Das lässt sich nicht sinnvoll auf den Verein übertragen. 495  Zur Abdingbarkeit des Mehrheitserfordernisses s. unten, § 7 C.II.2.b). 496  s. o., § 7 A.III.2.a).

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a)  Erfassung unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin Soweit Gruppenleitungsmaßnahmen mit einem (weiteren) Mediatisierungseffekt einhergehen, weil sie mittelbar auch die Möglichkeiten der Mitgliederversammlung beschränken, per Weisungsbeschluss auf die Verwaltung des in die Tochtergesellschaft verlagerten Vermögens Einfluss zu nehmen, kommt auch die Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in Betracht, d.h. die Begründung einer mit einer qualifizierten Mehrheit wahrzunehmenden Entscheidungszuständigkeit der Mitgliederversammlung.497 aa)  Maßnahmen mit (weiterem) Mediatisierungseffekt Bei den für die Erfassung durch die Holzmüller/Gelatine-Doktrin in Betracht kommenden Maßnahmen handelt es sich um die gleichen, die bereits für das GmbHRecht wegen ihrer mittelbaren Rückwirkung auf das Einflusspotential des Mitgliederorgans als potentielle Anwendungsfälle zu beschreiben waren: Betroffen sind zunächst alle Maßnahmen, die die Verwaltung der Untergesellschaft von der Einflussnahme ihres Mitgliederorgans auf die Geschäftsführung abschirmen, etwa wenn eine Tochter-GmbH in eine Tochter-AG umgewandelt wird, wenn dem Geschäftsführer einer GmbH gesellschaftsvertraglich eine an die Eigenverantwortlichkeit des AG-Vorstands angenäherte Stellung eingeräumt wird oder wenn sich die Tochter durch Beherrschungsvertrag dem Einfluss eines Dritten unterwirft.498 Daneben sind wie im GmbH-Recht eine Vielzahl von Umstrukturierungsmaßnahmen denkbar, die gleichfalls mit einer signifikanten einflussreduzierenden Wirkung zu Lasten der Mitgliederversammlung des Muttervereins einhergehen. Dies betrifft etwa Verenkelungsmaßnahmen, wenn auf diesem Wege eine GmbH unter eine AG gehängt wird oder Maßnahmen der Beteiligungsfortbildung und -verwaltung auf der Ebene der Untergesellschaft (Ausgliederung aus Tochter-GmbH in Enkel-AG; Umwandlung von Enkel-GmbH in Enkel-AG; Änderungen des Statuts einer Enkel-GmbH).499 Schließlich kommt eine (weitere) Mediatisierung der Kompetenzen der Mitgliederversammlung auch durch Teilbeteiligungsveräußerungen und Kapitalerhöhungen unter Aufnahme Dritter in Betracht, wenn sich damit die Einflussnahmemöglichkeiten des Muttervereins spürbar reduzieren.500 Im Hinblick auf die Berücksichtigung der Gegenleistung bzw. der Einlage, die der Dritte in diesen Fäl497 

s. zur Entwicklung dieses Standpunkts für den Verein bereits oben, § 7 B.II.1.c). Vgl. bereits die Ausführungen zur GmbH oben, § 6 F.III.2.a)aa). 499  Vgl. oben, § 6 F.III.2.a)bb). 500  s. zu den relevanten Beteiligungsschwellen oben, § 6 F.III.2.a)cc)(2): Relevant ist danach grundsätzlich das Unterschreiten der 75 %-, der 50 %- und der 25 %-Schwelle; die erstmalige Aufnahme Dritter ist dagegen dann nicht relevant, wenn sie eine Tochter-AG betrifft und die §§ 311 ff. AktG anwendbar sind. 498 

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len erbringt, ist an die zum GmbH-Recht gewonnenen Erkenntnisse zu erinnern.501 So geht zwar mit dem Rückfluss der Gegenleistung an den Verein bei der Teilbeteiligungsveräußerung ein (partieller) Demediatisierungseffekt einher. Dieser Effekt bleibt aber grundsätzlich unberücksichtigt und ist nicht mit der weiteren Einflussreduktion auf das mediatisierte Vermögen zu verrechnen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Rückfluss an Vermögenswerten nicht dazu führen darf, dass die Beteiligung im Verhältnis zum Gesamtvermögen des Vereins nicht mehr von wesentlicher Bedeutung ist und damit die quantitative Wesentlichkeitsschwelle in Höhe von 50 % des Gesamtvermögens unterschritten wird. Ist dies der Fall, kann die Maßnahme zuständigkeitsrechtlich nicht anders behandelt werden als die Teilveräußerung von Anteilen an einer Tochtergesellschaft, die von vornherein unter dieser Wesentlichkeitsschwelle bleibt. Dagegen ist die vollständige Veräußerung einer Beteiligung generell kein Fall eines weiteren Mediatisierungseffekts, weil diese Konstellation maßgeblich dadurch geprägt ist, dass der ursprüngliche, mit der Beteiligungsbildung selbst verbundene Mediatisierungseffekt vollständig zurückgeführt wird.502 Genauso wenig gehört die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausübung durch den Mutterverein in den gegenwärtigen Zusammenhang, dies aber nicht, weil insoweit kein Mediatisierungseffekt zu verzeichnen wäre, der die Basis für eine Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit bilden könnte, sondern schlicht aus systematischen Gründen, weil es insoweit ein primärer Mediatisierungseffekt in Rede steht, der die Zuordnung zu den Gruppenbildungsmaßnahmen rechtfertigt. Auch im Hinblick auf die Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf Gruppenleitungsmaßnahmen im Vereinsrecht ist zu beachten, dass keine Durchgriffszuständigkeit diskutiert wird, sondern die vereinsinterne Kompetenzverteilung für eine Maßnahme, bei der der Verein in seiner Funktion als Gesellschafter auch tatsächlich zur Mitwirkung berufen ist. Stets sind die Umstände des Einzelfalles im Blick zu halten.503 501 

s. o., § 6 F.III.2.a)cc)(3). s. o., § 6 F.III.2.a)cc)(1). 503 Beispiele: (1) Wird im Wege des Formwechsels aus einer Tochter-AG eine Tochter-GmbH mit Regelstatut, erweitert sich der Einfluss der Mitgliederversammlung des Vereins. Die Durchführung erfordert nach den Vorschriften des UmwG eine Entscheidung der Hauptversammlung, so dass der Verein in seiner Rolle als Gesellschafter zur Mitwirkung berufen ist. Innerhalb des Vereins lässt sich mit Rücksicht auf die Einflusserweiterung mangels eines weiteren Mediatisierungseffekts eine Zuständigkeit der Mitgliederversammlung nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin aber nicht begründen. Allenfalls kommt eine Vorlagepflicht unter dem Gesichtspunkt für ungewöhnliche Maßnahmen in Betracht. (2) Werden im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG im Wege einer Kapitalerhöhung Dritte in eine Tochter-AG aufgenommen, führt dies wegen der einheitlichen Geltung der §§ 311 ff. AktG vor und nach der Aufnahme nicht zu einer Einflussreduktion, sofern die außenstehenden Gesellschafter nicht wenigstens eine Sperrminorität erreichen. (3) Werden Umstrukturierungen unterhalb einer Tochter-AG vorgenommen, in deren Rahmen sie Beteiligungsrechte in eine andere Beteiligung einbringt (Verenkelung, bzw. aus Sicht des Vereins: „Verurenke502 

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bb)  Quantitative Anforderungen; Außenwirksamkeit Auch für den Bereich der Gruppenleitungsmaßnahmen gilt, dass nur solche Maßnahmen zum Erfordernis eines mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Beschlusses der Mitgliederversammlung führen können, die über das nötige quantitative Gewicht verfügen. Auch insoweit ist also erforderlich, dass die Maßnahme den wesentlichen Teil des Vereinsvermögens betrifft, wovon oberhalb einer Schwelle von 50 % ausgegangen werden sollte.504 Nur dann ist es insgesamt gerechtfertigt, die Maßnahme als satzungsnah einzuordnen und entsprechend den gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen zu behandeln. Hinsichtlich der Außenwirksamkeit der Zuständigkeit gilt das zu den Gruppenbildungsmaßnahmen Ausgeführte. b)  Erfassung als ungewöhnliche Maßnahme (Vetovorbehalt) Gruppenleitungsmaßnahmen können unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten als ungewöhnlich zu qualifizieren sein und aus diesem Grund einem Vetovorbehalt zugunsten der Mitgliederversammlung unterliegen. aa) Allgemeines Zunächst kann im Rahmen der Qualifikation einer Maßnahme als ungewöhnlich auch dem Gesichtspunkt eines (weiteren) Mediatisierungseffektes Rechnung getragen werden. Anders als im Anwendungsbereich der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin ist dies aber keine notwendige Voraussetzung für die Begründung eines Vetovorbehalts, so dass der sachliche Anwendungsbereich des unter diesem Gesichtspunkt begründbaren Einbeziehungserfordernisses über die durch die Holzmüller/Gelatine-Doktrin erfassbaren Maßnahmen hinausgeht. Hinzu kommen geringere quantitative Anforderungen. Im Übrigen gehört auch hier der Hinweis an den Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen, dass sich unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen keine Durchgriffszuständigkeiten begründen lassen. Vorlagepflichten können vielmehr nur im Hinblick auf solche Maßnahmen entstehen, an denen der Verein in seiner Funktion als Gesellschafter auch tatsächlich mitwirken kann. Dies schließt eine Vorlagepflicht für Maßnahmen aus, die in der Tochtergesellschaft in die alleinige Zuständigkeit der Verwaltung fallen. Ob diese, wenn man sie auf die Ebene des Vereins

lung“), wirkt sich dies auf der Ebene der Tochter-AG nach hiesiger Auffassung nach den für die AG angestellten Überlegungen nicht mehr hinreichend rechtsverkürzend aus, um dort eine Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit der Hauptversammlung zu begründen (s.o., § 5 E. VI.2.b und 3.d). Der Vorstand der Tochter-AG entscheidet also allein, so dass sich die Frage der Zuständigkeitsverteilung im Verein von vornherein nicht stellt, weil dieser in seiner Eigenschaft als Aktionär gar nicht zur Mitwirkung an der Entscheidung in der Tochter-AG berufen ist. 504  s. o., § 6 F.II.2.b)cc).

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zurückdenkt, als ungewöhnlich zu qualifizierten wären, spielt daher keine Rolle.505 Sofern aber der Verein zur Mitwirkung berufen ist, kommt es für die Qualifikation allein auf dessen Perspektive an. Es spielt also keine Rolle, ob sich die Maßnahme in der Untergesellschaft als ungewöhnlich darstellt, solange dies nicht auch aus Sicht des Vereins zutrifft. Für die Frage, welche Maßnahmen der Gruppenleitung danach als ungewöhnlich einzuordnen sein können, kann erneut auf die zum GmbH-Recht angestellten Überlegungen zurückgegriffen werden.506 bb)  Maßnahmen mit weiterem Mediatisierungseffekt Genauso, wie auch gruppenbildende Maßnahmen allein unter dem Gesichtspunkt des Mediatisierungseffekts als ungewöhnlich eingeordnet werden können,507 gilt dies auch für Gruppenleitungsmaßnahmen, soweit sich mit ihnen ein weiterer Mediatisierungseffekt verbindet. Der Vetovorbehalt sichert das Hierarchieprinzip und die Weisungskompetenz der Mitgliederversammlung als dessen zentralen Ausdruck und ist zu diesem Zweck auch bzw. erst recht dann zu aktivieren, wenn die Weisungsbefugnisse selbst durch eine bestimmte Maßnahme verkürzt zu werden drohen. Bei den Maßnahmen, die mit einem relevanten weiteren Mediatisierungseffekt einhergehen können, handelt es sich um diejenigen, die bereits soeben im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf Gruppenleitungsmaßnahmen im Verein dargelegt worden sind.508 Darauf ist Bezug zu nehmen. Wie schon für das GmbH-Recht ist auch für das Vereinsrecht lediglich noch der Hinweis zu ergänzen, dass die quantitativen Anforderungen der Holzmüller/Gelatine-Doktrin nicht erreicht werden müssen. Auszuscheiden sind lediglich solche einflussverkürzenden Maßnahmen, die unterhalb einer Bagatellschwelle bleiben, wovon grundsätzlich auszugehen ist, wenn die Einflussverkürzung weniger als 10 % des Gesellschaftsvermögens betrifft.509 cc)  Periodisch wiederkehrende Maßnahmen in der Tochtergesellschaft Periodisch wiederkehrende Maßnahmen wie die Bestellung von Organmitgliedern der Tochtergesellschaft oder deren Entlastung stellen aus Sicht des Muttervereins grundsätzlich keine ungewöhnlichen Maßnahmen dar. Das gilt auch (soweit das Mitgliederorgan dafür zuständig ist) für die Feststellung des Jahresabschlusses der Tochtergesellschaft sowie für die Entscheidung über die Gewinnverwendung. Insoweit gilt – anders als in der GmbH510 – auch schon im Einheitsverein mit Regelstatut, 505  A.A. für das Personengesellschaftsrecht Schlegelberger/Martens, HGB, Anh. § 105 Rn. 17 (beschränkt auf 100 %ige Tochtergesellschaften); dagegen zutreffend MünchKommHGB/Mülbert, Anh. KonzernR Rn. 96. 506  s. § 6 F.III.3.b). 507  s. o., § 7 F.II.2.b). 508  s. o., § 7 B.II.3.a)aa). 509  s. o., § 7 B.II.2.b). 510  Zur Rechtslage in der GmbH s.o., § 6 F.III.3.b)bb).

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dass die Entscheidung über den Umgang mit Überschüssen grundsätzlich in die originäre Zuständigkeit des Vereinsvorstands fällt.511 Zwar kann die Mitgliederversammlung die Entscheidung selbstverständlich im Rahmen ihrer Allzuständigkeit an sich ziehen. Doch ist der Vereinsvorstand zur Vorlage unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen nur dann verpflichtet, wenn besondere Umstände hinzutreten. Gleiches muss auch dann gelten, wenn es nicht um die Gewinnverwendung im Verein, sondern in einer Tochtergesellschaft geht.512 dd)  Herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen in der Tochtergesellschaft; Risikogesichtspunkte Auch herausgehobene Geschäftsführungsmaßnahmen in der Tochtergesellschaft (überraschende Aufgabe wesentlicher Tätigkeitsbereiche; sprunghafte Erweiterungen der Geschäftstätigkeit; sonstige grundlegende Umwälzungen) können einem Vetovorbehalt unterliegen, wenn sie sich aus Sicht des Vereins als ungewöhnlich darstellen. Neben umfassenderen Veränderungen, die mit einer Mehrzahl von Einzelmaßnahmen verbunden sind, können dabei auch einzelne Rechtsgeschäfte als ungewöhnlich einzuordnen sein. Dies gilt etwa für die Veräußerung von Vermögensgegenständen und erst recht für Gesamtvermögensgeschäfte i.S. des § 179a AktG, wenn der betreffende Gegenstand auch für den Mutterverein und dessen Zweckverwirklichung von besonderer Bedeutung ist (Bsp.: Veräußerung des im Eigentum der Tochter befindlichen Vereinsheims oder eines Grundstücks, auf dem sich die Sportanlagen des Vereins befinden). Ebenso können auch Rechtsgeschäfte als ungewöhnlich einzuordnen sein, die zu einer substantiellen Erhöhung des Verschuldungsgrades bzw. des Risikoprofils der Tochtergesellschaft führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verein für die Verbindlichkeiten der Tochter einzustehen bzw. dort anfallende Verluste auszugleichen hat, z. B. aufgrund einer Bürgschaft oder eines Gewinnabführungsvertrages. Aber auch dann, wenn durch die Maßnahme allein die Existenz der Tochter aufs Spiel gesetzt wird, kann dies die Einstufung als ungewöhnliche Maßnahme rechtfertigen, soweit über die Tochter wesentliche Vereinsaktivitäten abgewickelt werden. ee)  Vollständige Beteiligungsveräußerung; Liquidation; Aufgabe beherrschenden Einflusses Keine Maßnahme in der Tochter, wohl aber eine die Tochter betreffende Maßnahme ist die (vollständige) Abgabe von Gesellschaftsbeteiligungen durch den Ver511 

s. o., § 7 B.II.1.b)bb)(2). Bsp.: Verfügt ein Sportverein über eine Profisportabteilung, und haben die in dieser erzielten Überschüsse seit jeher dazu gedient, die Amateursportabteilungen querzusubventionieren, lässt sich ein vollständiges Abweichen von dieser Praxis innerhalb des Einheitsvereins als ungewöhnliche Maßnahme qualifizieren. Das gilt sinngemäß genauso, wenn die Profisportabteilung später ausgegliedert wird und der Vereinsvorstand die Absicht hegt, den in der Tochter angefallenen Gewinn vollständig zu thesaurieren. 512 

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ein. Weil diese Konstellation maßgeblich dadurch geprägt ist, dass der ursprünglich mit der Beteiligungsbildung verbundene primäre Mediatisierungseffekt zurückgeführt wird, scheidet die Möglichkeit aus, die Maßnahme unter diesem Gesichtspunkt als ungewöhnlich einzuordnen.513 Dies schließt natürlich nicht aus, dass sie unter einem anderen Gesichtspunkt als ungewöhnlich zu qualifizieren ist. Insoweit kommen die gleichen Gesichtspunkte zum Tragen, die auch für die Beurteilung der Aufgabe eines Tätigkeitsfeldes der Tochtergesellschaft.514 Denn veräußert der Verein seine Anteile an der Tochtergesellschaft, entfällt ein von ihm zuvor (mittelbar) wahrgenommenes Betätigungsfeld, was sich als sprunghafte und umwälzende Änderung der Vereinstätigkeit darstellen und deshalb als ungewöhnlich einzuordnen sein kann. Dies gilt entsprechend für die Liquidation einer Tochtergesellschaft. Schließlich ist im gegenwärtigen Zusammenhang noch ein die Teilbeteiligungsveräußerung betreffender Aspekt nachzutragen, der bislang nur unter dem Gesichtspunkt der Einflussreduktion erfasst worden ist.515 Führt diese zum Verlust des beherrschenden Einflusses auf die Tochtergesellschaft, kommt nämlich als weiterer selbständiger Gesichtspunkt für die Qualifikation als ungewöhnlich derjenige der Aufgabe eines Tätigkeitsbereichs hinzu. Denn ab diesem Zeitpunkt lässt sich mangels beherrschenden Einflusses nicht mehr sagen, dass der Verein über die Tochtergesellschaft mittelbar selbst eine bestimmte Tätigkeit verfolgt. Auch insoweit gilt das zur Aufgabe von Tätigkeitsbereichen bzw. zur Liquidation der Tochtergesellschaft Ausgeführte entsprechend. ff) Unternehmensverträge Für den Abschluss von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen mit einer Tochtergesellschaft ergibt sich die Notwendigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung bereits unmittelbar aus der analogen Anwendbarkeit von § 293 Abs. 2 AktG.516 Für den Abschluss derartiger Verträge auf der Ebene einer Tochtergesellschaft ist zu differenzieren. Unternehmensverträge, durch die ein Dritter Einfluss auf die Tochtergesellschaft gewinnt, sind unter dem Gesichtspunkt des Einflussverlusts der Mitgliederversammlung zu erfassen und können unter diesem Gesichtspunkt als ungewöhnlich einzuordnen sein oder sogar eine Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin begründen.517 Im übrigen 513  Trotz

Rückführung des Mediatisierungseffekts auf die Einflussreduktion der Mitgliederversammlung (in Bezug auf den konkret veräußerten Gegenstand) abstellend Leusch­ner, Konzernrecht, S. 115; vgl. dazu bereits oben, § 7 B.I.2.j)cc)(b). 514  s. o., § 7 B.II.3.b)dd). 515  Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ist dies der einzig relevante Gesichtspunkt (§ 7 B.II.3.a)aa); er rechtfertigt zugleich auch die Qualifikation als ungewöhnlich (s.o., § 7 B.II.3.b)bb); insoweit tritt aber als weiterer selbständiger Gesichtspunkt der im Text genannte Anknüpfungspunkt hinzu. 516  s. o., § 7 A.III.1.c)bb). 517  s. o., § 7 B.II.3.a)aa); s. ebenso für § 116 Abs. 2 HGB MünchKommHGB/Mülbert Anh. KonzernR Rn. 92; Westermann/Tröger, Hdb. Personengesellschaften, Rn. I 4013; für

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wird man den Abschluss von Unternehmensverträgen zumindest innerhalb komplexerer Gruppenstrukturen nicht pauschal als ungewöhnlich einordnen können. Beispielhaft sei an den für die GmbH gebildeten Fall zu erinnern, dass eine unbedeutende Tochtergesellschaft einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit einer ebensolchen Enkelgesellschaft abschließt.518 Hier ist zwar der Verein in seiner Funktion als Gesellschafter der Tochtergesellschaft analog § 293 Abs. 2 AktG zur Mitwirkung berufen; doch besteht grundsätzlich kein Anlass, die Geschäftsführungsbefugnis des Vereinsvorstands insoweit durch eine Vorlagepflicht zugunsten der Mitgliederversammlung zu beschränken.519 4.  Sonstige (nichtmediatisierende) Maßnahmen Im Vereinsrecht besteht ebenso wie im Aktien- und GmbH-Recht kein Anlass dafür, die Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf nichtmediatisierende Maßnahmen zu erstrecken. Ohne Mediatisierungseffekt fehlt es an einem geeigneten Ansatzpunkt dafür, eine Verbindungslinie zu den gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen der Mitgliederversammlung herzustellen. Auf die entsprechenden Ausführungen zu AG und GmbH sei verwiesen.520 Für das Vereinsrecht verbleibt aber anders als für das Aktienrecht und ebenso wie im GmbH-Recht immerhin die Möglichkeit, für derartige Maßnahmen eine Vorlagepflicht zu begründen, wenn sie als ungewöhnlich zu qualifizieren sind.

III.  Ergebnisse zu Abschnitt B. 1. Der Mediatisierungseffekt, der Grundlage für die Annahme einer ungeschriebenen Kompetenz der Hauptversammlung im Aktienrecht ist, lässt sich auch für das Vereinsrecht feststellen und bildet auch dort die Grundlage einer undie AG (unter dem Gesichtspunkt von Holzmüller-Zuständigkeiten bei der Gruppenleitung) auch Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49 m.w.N. 518  s. o., § 6 F.III.3.b)ee). 519  Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn der Verein für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft unbegrenzt einzustehen hat, etwa, weil er ihr seinerseits über einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verbunden ist (vgl. entsprechend für das Recht der Personenhandelsgesellschaften MünchKommHGB/Mülbert Anh. KonzernR Rn. 91; Westermann/Tröger, Hdb. Personengesellschaften, Rn. I 4015; vgl. auch Emmerich/Habersack, AktienkonzernR, Vor § 311 Rn. 49 m.w.N. (unter dem Gesichtspunkt von Mitwirkungsrechten der Hauptversammlung bei der Gruppenleitung auf der Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin)). Denn dann führen die mit dem Vertrag zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft einhergehenden Einstandspflichten mittelbar dazu, dass der Verein über das Risiko des Totalverlusts der Tochter hinaus auch noch eine unbeschränkte Einstandspflicht für ein fremdes unternehmerisches Risiko übernimmt. Dem steht die relative Bedeutungslosigkeit der Enkelgesellschaft nicht notwendig entgegen, weil diese an der prinzipiellen Unbeschränktheit des übernommenen Risikos nichts ändert: s.o., § 6 F.III.3.b)ee). 520  s. o., § 5 F.VI.2.c) und § 6 F.I.2.a).

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geschriebenen Entscheidungskompetenz der Mitgliederversammlung. Dass im Hinblick auf die im Mitgliedschaftsrecht verkörperten Vermögensinteressen zwischen der Mitgliedschaft in einem Idealverein und einer Aktiengesellschaft signifikante Unterschiede bestehen, ist ohne Bedeutung. 2. Allerdings ist im Vereinsrecht für die Feststellung des Mediatisierungseffekts ebenso wie im GmbH-Recht eine etwas differenziertere Betrachtung angezeigt. Dabei beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen zunächst auf die Feststellung des Mediatisierungseffekts bei Maßnahmen der Gruppen(fort) bildung. a) Im Ausgangspunkt betrifft der Mediatisierungseffekt auch im Vereinsrecht den gesamten Zuständigkeitsbereich des Mitgliederorgans, der dort im gesetzlichen Ausgangspunkt deutlich weiter gefasst ist als in der Aktiengesellschaft. b) Allerdings trifft der Mediatisierungseffekt im Vereinsrecht ebenso wie im GmbH-Recht auf kompensatorische Effekte, die im Aktienrecht keine direkte Entsprechung haben. Zu berücksichtigen ist hier in erster Linie das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung, das durch die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen eine zusätzliche Absicherung findet. Auf diese Weise ist es der Mitgliederversammlung prinzipiell möglich, ihren Einfluss bis in die Untergesellschaft hinein zu erstrecken. c) Im Hinblick auf die kompensatorischen Effekte darf aber nicht aus dem Auge verloren werden, dass diese ihrerseits auf Grenzen stoßen, die einerseits struktureller Natur sind und andererseits einzelfallabhängig auftreten. Struktureller Natur sind diese Grenzen, weil sie nichts an dem zugrunde liegenden Ausgangsbefund ändern können, der in der faktischen Beschränkung unmittelbarer gesellschaftsrechtlicher Befugnisse liegt, die durch die interne Pflichtenbindung der Verwaltung im Rahmen von Weisungsbeschlüssen und diese sichernden Vetovorbehalten prinzipiell nicht vollwertig ausgeglichen werden kann. Hinzu kommt, dass Weisungsbeschlüsse im Hinblick auf Geschäftsführungsmaßnahmen – seien sie gewöhnlich oder ungewöhnlich – regelmäßig mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Geschäftsführungsakt in der Wahrnehmung von Gesellschafterrechten liegt und sich insoweit auf eine Maßnahme in der Untergesellschaft bezieht, die im Mutterverein eines Beschlusses der Mitgliederversammlung mit qualifizierter Mehrheit bedurft hätte. Diese Verschiebung hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses ist vor allem unter Gesichtspunkten des Minderheitenschutzes relevant. Neben diese prinzipiellen Grenzen der kompensatorischen Effekte treten abhängig von der Gestaltung im Einzelfall auch noch weitere gegenläufige Faktoren. So können Satzungsregegelungen auf der Ebene des Muttervereins das Weisungsrecht (und damit auch den dieses absichernden Vetovorbehalt) ganz oder teilweise ausschließen; daneben treten Widerstände aus dem Recht der Untergesellschaft: Mangels Durchgriffszuständigkeit kann eine

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in der Untergesellschaft anstehende Geschäftsführungsmaßnahme, die dort in die alleinige Zuständigkeit der Verwaltung fällt, keine Vorlagepflicht auf der Ebene des Muttervereins auslösen, weil diesem insoweit (in seiner Funktion als Gesellschafter) überhaupt keine Mitwirkungsrechte zustehen. In ähnlicher Weise unterliegt das Weisungsrecht Beschränkungen, wenn die Geschäftsführung in der Untergesellschaft nach dem Gesetz oder Statut nicht weisungsoffen ausgestaltet ist oder wenn unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht auf die Interessen anderer Gesellschafter Rücksicht zu nehmen ist. 3. Auf dieser Basis ergibt sich für die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Maßnahmen der Gruppenbildung für das Vereinsrecht in Parallele zum GmbHRecht die nachfolgende Systematik. Dabei sind Gruppenbildungsmaßnahmen wie im GmbH- und Aktienrecht nicht in einem formalen Sinn, sondern nach materiell-funktionalen Kriterien vom Bereich der Gruppenleitung abzugrenzen und umfassen (untechnisch gesprochen) den Tausch von unmittelbar gehaltenen Vermögensgegenständen (unter Ausschluss von Mitgliedschaftsrechten) in Mitgliedschaftsrechte. Danach gehören neben der Ausgliederung, der Bargründung und dem Dritterwerb insbesondere Kapitalerhöhungsmaßnahmen unter Ausübung des Bezugsrechts zum Kreis der Gruppenbildungsmaßnahmen im weiteren Sinn. a) Zunächst bedarf die Gruppenbildung im Vereinsrecht wie auch im GmbHund Aktienrecht generell der Zulassung durch die Satzung. Derartige Beteiligungs- oder Konzernklauseln sind allerdings ihrem typischen Regelungsgehalt nach nicht auf die Zuständigkeitsverteilung im Innenverhältnis gerichtet, d.h. sie lassen die Gruppenbildung zu, sagen aber i.d.R. nicht, welches Organ darüber zu entscheiden hat. Daher ist es unbeschadet der Frage, inwieweit die Zuständigkeitsverteilung bei der Gruppenbildung einer Regelung durch die Satzung zugänglich ist, eine Frage der allgemeinen Regeln über die Entscheidungsbefugnisse im Innenverhältnis, ob der Vorstand allein entscheiden darf, oder ob die Mitgliederversammlung in die Entscheidung einzubeziehen ist. b) Für die Begründung eines solchen Einbeziehungserfordernisses kommt zunächst der ungewöhnliche Maßnahmen betreffende Vetovorbehalt zugunsten der Mitgliederversammlung in Betracht. Die Qualifikation einer Maßnahme der Gruppenbildung als ungewöhnlich kann dabei je nach den Umständen mit konventionellen Erwägungen begründet werden, etwa wenn es im Rahmen eines Beteiligungserwerbs zu einer sprunghaften Änderung oder Erweiterung der Tätigkeit des Vereins kommt. Daneben kann jedoch auch eine Maßnahme wie eine Ausgliederung allein unter dem Gesichtspunkt des Mediatisierungseffekts als ungewöhnlich einzuordnen sein. Der Vetovorbehalt greift insoweit aber nur bei Überschreitung einer Bagatellschwelle, die im Sinne einer Faustregel dann erreicht ist, wenn die Maßnahme mehr als 10 % des Vermögens des Vereins betrifft.

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c) Abgesehen von der Vorlagepflicht aufgrund des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen kann es aufgrund der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin erforderlich werden, zu der betreffenden Maßnahme die Zustimmung der Mitgliederversammlung in Form eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses einzuholen. Dafür ist allerdings zu fordern, dass die mediatisierende Maßnahme den wesentlichen Teil des Vereinsvermögens betrifft, wofür man in Abweichung vom Aktienrecht und ebenso wie im GmbH-Recht bereits einen Wert von mehr als 50 % genügen lassen sollte. Denn nur, wenn ein in diesem Sinne wesentlicher Vermögens­ teil betroffen ist, lässt es sich rechtfertigen, statt von einer (ungewöhnlichen) Geschäftsführungsmaßnahme von einer Strukturmaßnahme auszugehen, die in Anlehnung an die gesetzlich geregelten oder gesetzesanalog geltenden Strukturkompetenzen der Gesellschafterversammlung zwingend eines Gesellschafterbeschlusses mit qualifizierter Mehrheit bedarf. 4. Für die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen gelten vergleichbare Überlegungen. a) Sie können einerseits unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung erforderlich machen, der auch insoweit nicht auf mediatisierende Maßnahmen beschränkt ist. b) Andererseits – und insoweit unterscheidet sich die Rechtslage im Vereinsrecht ebenso wie GmbH-Recht von der im Aktienrecht – kann nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auch ein qualifizierter Zustimmungsbeschluss erforderlich werden. Dies rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass im Verein mit Regelstatut durch Weisungsrecht und Vorlagepflicht auch im Hinblick auf bereits mediatisiertes Vermögen noch weitreichende Einflussmöglichkeiten eröffnet sind, auf die sich bestimmte Maßnahmen der Gruppenleitung ähnlich rechtsverkürzend auswirken können wie eine die Allzuständigkeit und das Weisungsrecht beschneidende Satzungsänderung im Einheitsverein. Ungeachtet des engeren Bezugspunkts lässt sich dies ähnlich wie der primäre Mediatisierungseffekt bei der Gruppenbildung als „weiterer“ Mediatisierungseffekt ansprechen, der die Qualifikation der betreffenden Maßnahme als „satzungsnah“ trägt. Voraussetzung für die Erfassung unter dem Gesichtspunkt einer (mit qualifizierter Mehrheit wahrzunehmenden) Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ist auch insoweit ein hinreichendes quantitatives Gewicht der Maßnahme, d.h. der Wert der Beteiligung muss mindestens 50 % des Gesellschaftsvermögens entsprechen. aa) Als in diesem Sinne mit einem weiteren Mediatisierungseffekt verbunden kommt eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen in Betracht, etwa die Beseitigung der Weisungsoffenheit der Untergesellschaft (Formwechsel; gesellschaftsvertragliche Regelung) sowie Umstrukturierungsmaßnahmen und Maßnahmen der Beteiligungsbildung und Betei-

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ligungsverwaltung in der Untergesellschaft, die vergleichbare Effekte nach sich ziehen. bb) Darüber hinaus kann sich die Einflussreduktion auch aus der Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft ergeben (Teilbeteiligungsveräußerung; Kapitalerhöhung unter Aufnahme Dritter), wenn dabei eine relevante Beteiligungsschwelle unterschritten wird. Bei der GmbH ist insoweit auch die erstmalige Aufnahme Dritter zu berücksichtigen, während dies bei der AG (im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG) nicht der Fall ist. Im Übrigen ist grundsätzlich die 75 %-, die 50 %- und die 25 %-Schwelle maßgeblich. cc) Die vorstehend (bb) dargelegten Grundsätze gelten mit folgender Einschränkung: Die bei der Teilbeteiligungsveräußerung an den Verein gewährte Gegenleistung hat einen Demediatisierungseffekt zur Folge. Dieser bleibt für die Feststellung des weiteren Mediatisierungseffekts grundsätzlich außer Betracht. Vorausgesetzt ist allerdings, dass die Bedeutung der Beteiligung aufgrund dieses Vorgangs nicht unter die quantitative Relevanzschwelle absinkt. Ist dies der Fall, kann der weitere Mediatisierungseffekt nicht anders beurteilt werden, als hätte er sich von Anfang an auf eine quantitativ nicht relevante Beteiligung bezogen. Bei der Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft im Wege der Kapitalerhöhung gibt es einen vergleichbaren Effekt dagegen nicht, weil hier die Gegenleistung in Form der Einlage in die mediatisierte Sphäre fließt. Erfolgt die Aufnahme Dritter auf diesem Wege, bleibt die Gegenleistung daher stets außer Betracht. dd) Nicht unter dem Gesichtspunkt der Einflussreduktion zu erfassen ist schließlich die vollständige Veräußerung von Beteiligungen. Hierbei wird der primäre Mediatisierungseffekt vollständig zurückgeführt. Für die Annahme eines weiteren Mediatisierungseffekts ist vor diesem Hintergrund kein Raum mehr. 5. Nichtmediatisierende Maßnahmen rechtfertigen ebenso wenig wie im Aktienrecht oder GmbH-Recht die Begründung einer Zuständigkeit auf der Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin. Hier hat es mit dem Vetovorbehalt für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen sein Bewenden. Dieser kann insbesondere auch bei der Erfassung von gruppenspezifischen Maßnahmen relevant werden, für die sich ein (weiterer) Mediatisierungseffekt nicht feststellen lässt.

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C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume Nach § 25 BGB wird die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins – soweit sie nicht auf den „nachfolgenden Vorschriften“ beruht – durch die Vereinssatzung bestimmt. Das Bürgerliche Gesetzbuch stellt damit den Hinweis auf die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Verhältnisse des Vereins an die Spitze der organisationsrechtlichen Vorschriften des Vereinsrechts. Das geschieht nicht ohne Grund. Vielmehr trägt das BGB damit dem Umstand Rechnung, dass sich die gesetzliche Ordnung des Vereins trotz der Fortschritte, die während des Gesetzgebungsprozesses erzielt werden konnten, immer noch auf eine rudimentäre Regelung beschränkt, die zudem mit Rücksicht auf das breite Anwendungsspektrum des Vereinsrechts auch noch ganz weitgehend dispositiv ausgestaltet ist. Vereinsrechtliches Leitbild des Gesetzgebers ist damit im Grunde nicht der Verein, wie er der gesetzlichen Ausgangslage entspricht, sondern der Verein, in dem auch für die körperschaftsinterne Organisation von der Satzungsautonomie umfassend Gebrauch gemacht wird.521 Eine Untersuchung der vereinsrechtlichen Zuständigkeitsordnung hat daher auch die Auswirkungen dieser Gestaltungsmöglichkeiten im Blick zu halten. Besonders zu beachten ist dabei, dass die Gestaltungsspielräume durch das Statut im Vereinsrecht nach herrschender Auffassung größer sind, als dies bei anderen Gesellschaftsformen der Fall ist, und auch in den Bereich der Satzungsänderungskompetenz hineinreichen. Für den Bereich des Einbeziehungserfordernisses bei ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen wird dies nicht relevant. Denn dieses dient – wie sich beim Blick auf die GmbH gezeigt hat –, der Absicherung des Rechts, im Wege des Weisungsbeschlusses auf die Geschäftsführung einzuwirken, das ohne Weiteres abdingbar ist, ohne dass dies die Satzungsänderungskompetenz berührt; das ist auch im Vereinsrecht nicht anders. Bei Zuständigkeiten des Mitgliederorgans, die auf Basis der Holzmüller/Gelatine-Doktrin beruhen, und die sich damit aus der Qualifikation bestimmter Maßnahmen als satzungsnah ergeben, drängt sich dagegen die Frage auf, ob die weitergehende Gestaltungsfreiheit des Vereinsrechts auch insoweit Bedeutung entfaltet und Satzungsregelungen ermöglicht, die Aktien- und GmbH-Recht nicht zulassen. Vor diesem Hintergrund ist zunächst ein näherer Blick auf die vereinsrechtlichen Gestaltungsspielräume und die damit verbundene allgemeine Diskussion zu werfen (I.). Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Frage der Gestaltbarkeit der Satzungsänderungskompetenz zu richten sein. In einem zweiten Schritt sind die daraus folgenden konkreten Ableitungen für die Gestaltbarkeit der Mitwirkungsrechte der Mitgliederversammlung bei ungewöhnlichen Maßnahmen sowie bei Maßnahmen zu ziehen, die Zuständigkeiten nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin begründen (II.). Abschließend soll aus Gründen des Zusammenhangs und in Vorbereitung der exemplarischen Auseinandersetzung mit konkreten Satzungsgestaltungen auf die Frage eingegangen werden, welche Grundsätze für die Auslegung von Vereinssatzungen gelten (III.). 521 

Vgl. in rechtshistorischer Hinsicht bereits oben, § 3 C.

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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Dabei handelt es sich zwar um keine die Satzungsautonomie als solche betreffende Fragestellung; sie ist aber unmittelbar mit damit verbunden, weil sie als Folge der Wahrnehmung der aus der Satzungsautonomie resultierenden Gestaltungsfreiheit auftritt.

I.  Die vereinsrechtliche Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen Die nachfolgenden Ausführungen zur vereinsrechtlichen Gestaltungsfreiheit geben einleitend einen Überblick über die möglichen Modifikationsebenen sowie die in Betracht zu ziehenden Grenzen der Gestaltungsfreiheit. Im Anschluss daran sollen zunächst die Gestaltungsgrenzen dargelegt werden, die sich mit hinreichender Deutlichkeit der gesetzlichen Regelung unmittelbar entnehmen lassen. Ergänzend ist auf die Bedeutung des Grundsatzes der Verbandsouveränität einzugehen. 1. Modifikationsebenen Modifikationen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung sind auf unterschiedlichen Ebenen denkbar. Ausgehend vom Verein mit Organausstattung entsprechend der gesetzlichen Ausgangslage, bezieht sich die Gestaltungsfreiheit zunächst auf die Möglichkeit, die Kompetenzabgrenzung zwischen Mitgliederversammlung und Vorstand zu verschieben. Daneben ist aber auch die Organstruktur des Vereins selbst der Satzungsgestaltung zugänglich, weil auch zusätzliche Vereinsorgane eingerichtet werden können. Sollen den zusätzlich geschaffenen Organen Kompetenzen zugeordnet werden, die im gesetzlichen Ausgangsfall von Vorstand oder Mitgliederversammlung wahrzunehmen sind, wirft dies wieder vergleichbare Fragen auf, wie sie auch bei Modifikationen der Kompetenzordnung im Verein mit Regelorganausstattung entstehen. Neben diesen Spielräumen, die die Binnenorganisation des Vereins betreffen, wird im Vereinsrecht auch darüber diskutiert, ob und inwieweit Entscheidungskompetenzen durch die Satzung auf vereinsexterne Dritte verlagert werden können.522 Diese „externen“ Gestaltungsspielräume stehen im Rahmen dieser Arbeit nicht im Mittelpunkt des Interesses. Sie sind auch für die hier untersuchten Vereine vor allem wegen der verbandsrechtlichen Vorgaben ohne größere praktische Bedeutung.523 Gleichwohl soll die damit verbundene Diskussion nicht ganz aus dem Blickfeld verloren gehen, zumal sie nicht unverbunden neben der Diskussion um interne Gestaltungsspielräume zu führen ist. Denn soweit es zulässig ist, eine Kompetenz auf eine Instanz außerhalb des Vereins zu verlagern, muss auch und erst recht ihre freie Zuordnung innerhalb des Vereins der Disposition durch die Satzung unterliegen.

522  Vgl. dazu monographisch Edenfeld, Rechtsbeziehungen; Steinbeck, Vereinsautonomie; Weber, Privatautonomie. 523  s. dazu oben, § 4 C.I.

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2.  Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit im Überblick Gestaltungsgrenzen kommen unter verschiedenen Gesichtspunkten in Betracht: a)  Spezifisch auf den Verein bezogene Vorschriften Gestaltungsgrenzen können sich zunächst aus den gesetzlichen Regelungen der §§ 21 ff. BGB ergeben, die freilich nur wenige zwingende Vorschriften bereithalten. Gelegentlich sind auch – etwa im Bereich des Umwandlungsrechts – zwingende spezialgesetzliche Kompetenzzuweisungen zu berücksichtigen.524 b)  Allgemeine Grenzen, §§ 134, 138 BGB Daneben gelten die allgemeinen Grenzen für die privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen: Die Gestaltungsfreiheit kann sich nur innerhalb des geltenden Rechts verwirklichen.525 Die Vereinssatzung darf also insbesondere nicht gegen Verbotsgesetze i.S. des § 134 BGB und gegen die guten Sitten i.S. des § 138 BGB verstoßen. c)  Inhaltskontrolle, § 242 BGB Es stellt sich weiter die Frage, ob über die Rechtskontrolle nach §§ 134, 138 BGB auch – weiterreichend – eine Überprüfung der Satzung auf ihre inhaltliche Angemessenheit in Betracht kommt, ähnlich wie dies für weite Teile des Vertragsrechts durch §§ 307 ff. gewährleistet wird.526 Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschriften auf Vereinssatzungen kommt allerdings nicht in Betracht. Mit Rücksicht darauf, dass die §§ 305 ff. BGB primär auf Austauschverträge in Zweipersonenverhältnissen zugeschnitten sind, schließt die in § 310 Abs. 4 BGB enthaltenen Bereichsausnahme für das Gesellschaftsrecht die unmittelbare Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Vereinssatzungen aus.527 Ob bzw. in welchem Umfang eine Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit zumindest unter Rückgriff auf § 242 BGB in Betracht kommt, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Über lange Zeit entsprach es im Vereinsrecht wie auch sonst im Gesellschaftsrecht der herrschenden Ansicht, dass eine Inhaltskontrolle des Statuts nicht angezeigt sei.528 Für das Vereinsrecht ging die Rechtsprechung davon aus, 524 

s. dazu bereits oben, § 7 A.III.1.b). K. Schmidt, GesR, § 5 I 3 a (S. 83 f.). 526  s. zur Frage der Inhaltskontrolle ausführlich Segna, Vorstandskontrolle, S. 361 ff.; Heermann, Non Profit Law Yearbook 2007 (2008), S. 91 ff.; Wiedemann, GesR I, § 3 II 3 a (S. 172); s.a. K. Schmidt, GesR, § 5 III 4 c (S. 125 f.); Staudinger/Weick § 25 Rn. 20; Grunewald, GesR, § 8 Rn. 22; s. speziell zur Frage der Abgrenzung zwischen Rechts- und Inhaltskontrolle, Segna, a.a.O., S. 362 ff. und Heermann, a.a.O., S. 91, 94. 527  s. z. B. MünchKomm/Basedow § 310 Rn. 80; zu den dadurch aufgeworfenen Abgrenzungsfragen s. näher K. Schmidt, GesR, § 5 III 4 b (S. 122 f.). 528 Vgl. Wiedemann, GesR I, § 3 II 3 a (S. 172). 525 s.

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dass es „im Rahmen der Gesetze Sache eines Vereins ist, seine Angelegenheiten im Wege der Rechtssetzung und Selbstverwaltung eigenständig zu regeln“.529 Im Laufe der Zeit hat diese generelle Zurückhaltung gegenüber einer Inhaltskontrolle im Gesellschaftsrecht aber erhebliche Durchbrechungen erfahren, wobei die wesentlichen Impulse aus der Rechtsprechung zu den Publikumspersonengesellschaften stammten.530 Im Vereinsrecht hat die Rechtsprechung die Möglichkeit einer Inhaltskontrolle inzwischen für die sogenannten sozialmächtigen Vereine akzeptiert;531 die verwendeten Formulierungen schließen zudem auch eine über den Bereich der sozialmächtigen Verbände hinausgehende Inhaltskontrolle zumindest nicht aus („jedenfalls“ bei sozialmächtigen Vereinen).532 In der Literatur spricht sich die wohl überwiegende Auffassung zwischenzeitlich dafür aus, eine Inhaltskontrolle von Vereinssatzungen anhand des Maßstabs des § 242 BGB allgemein zuzulassen.533 Dem wird man mit dem Argument beipflichten können, dass sich das Vereinsmitglied bei seinem Beitritt einem vorgegebenen Statut unterwirft, auf dessen Ausgestaltung es keinen Einfluss nehmen konnte, so dass die Situation derjenigen eines Vertragsschlusses ähnelt, auf den auch die §§ 305 ff. BGB mit einer Inhaltskontrolle reagieren, um den Missbrauch von Gestaltungsmacht zu verhindern.534 Zwar lässt sich die Parallele zum Vertragsrecht nicht ohne Einschränkungen entfalten, weil im Vereinsrecht Korrektive existieren, die so im Vertragsrecht keine Entsprechung haben.535 Das gilt etwa für die Möglichkeit des Mitglieds, auf eine Satzungsänderung hinzuwirken und damit auf den Regelsatz, dem es unterworfen ist, selbst Einfluss zu nehmen.536 Zudem wird in Form einer Art Markteffizienzargument darauf hingewiesen, mit dem Austrittsrecht des § 39 BGB in Ver529 

s. BGHZ 49, 396, 398. s. BGHZ 64, 238; 84, 11, 102, 172; 104, 50; u. näher dazu K. Schmidt, GesR, § 5 II 4 b (S. 123 ff.); Wiedemann, GesR I, § 3 II 3 (S. 173 f.), je m.w.N. 531  Vgl. BGHZ 105, 306; BGHZ 128, 93; s.a. BGH NJW 1997, 1701; BGHZ 142, 304 (gleichzeitiger Rückgriff auf § 138 und § 242 BGB); OLG Karlsruhe SpuRt 2013, 31; OLG Frankfurt SpuRt 2014, 74. 532  s. zudem BGHZ 128, 93, 110: Überprüfung sportlicher Regelwerke auch bei nicht sozialmächtigen Verbänden nach § 242 BGB auf „grobe Unbilligkeit“. 533  Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen z. B. Flume, Jur. Person, S. 320 f.; Grunewald, GesR, § 8 Rn. 22; dies., ZHR 152 (1988), 242, 261 (aber Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Vereins erforderlich); Soergel/Hadding § 25 Rn. 25a; Lettl, Wertrecht, S. 160 ff.; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 70 f.; Staudinger/Weick § 25 Rn. 20; Wiedemann, GesR I, § 3 II 3 (S. 172 ff.); differenzierend MünchKomm/Reuter Vor § 21 Rn. 120 ff.: allgemeine Inhaltskontrolle nur bei Vereinen ohne Aufnahmefreiheit bzw. unabhängig davon im Verhältnis zu Nichtmitgliedern; ablehnend Segna, Vorstandskontrolle, S. 373 ff. (Inhaltskontrolle nur bei „Vereinen ohne Austrittsfreiheit“, bei denen die Regulierungsfunktion des § 39 BGB versagt – insoweit aber über den Kreis der sozialmächtigen Vereine hinausgehend); Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 217 ff. 534  s. z. B. Sprengel, S. 70 f.; Wiedemann, GesR I, § 3 II 3 a (S. 173). 535  Darauf hinweisend Segna, Vorstandskontrolle, S. 376 ff. 536 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 376. 530 

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bindung mit der Möglichkeit, sich einem konkurrierenden Verein anzuschließen oder einen solchen zu gründen, sei die Angemessenheit des Statuts grundsätzlich bereits hinreichend gesichert.537 Letztlich ergeben sich aber aus beiden Aspekten keine durchgreifenden Einwände gegen die Inhaltskontrolle nach § 242 BGB. Denn typischer Weise sind die Möglichkeiten des einzelnen Mitglieds, für eine Änderung des Statuts zu sorgen, eher theoretischer Natur, so dass sie die Inhaltskontrolle nach § 242 BGB nicht entbehrlich werden lassen.538 Die Situation ist hier nicht anders als bei den Publikumspersonengesellschaften, wo die Möglichkeit, auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrages hinzuwirken, gleichfalls existiert, aber zutreffend nicht als Einwand gegen die Zulässigkeit der Inhaltskontrolle anerkannt ist. Was den Hinweis auf das Austrittsrecht angeht, ist dessen Leistungsfähigkeit als Korrektiv begrenzt und vom Gesetzgeber tendenziell von Anfang an überschätzt worden.539 Es versagt insbesondere nicht nur bei den „sozialmächtigen“ Vereinen, auf welche die Rechtsprechung die Inhaltskontrolle bislang noch beschränkt. Denn damit ist nur der relativ kleine Kreis von Vereinen angesprochen, die einem Kontrahierungszwang unterliegen, weil sie im wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung einnehmen und der Bewerber auf die Mitgliedschaft angewiesen ist.540 Dieser Kreis ist aber nicht mit dem Kreis derjenigen Vereine identisch, bei denen die Effektivität der Austrittsdrohung eingeschränkt ist.541 Dies ist vielmehr grundsätzlich bereits überall dort der Fall, wo der Verein in der Vergangenheit zur Vermögensbildung in der Lage war und seine gegenwärtigen Mitglieder an den daraus resultierenden Vorteilen partizipieren lassen kann, weil dann die Gründung eines Konkurrenzvereins regelmäßig keine rationale Alternative mehr ist.542 Anders ist dies nur dann, wenn für die Mitglieder der Wechsel in einen Konkurrenzverein ohne nennenswerte Beeinträchtigungen möglich ist. Derartige Beeinträchtigungen können praktisch jedoch in vielfältigen Formen in Erscheinung treten und sich insbesondere auch von Mitglied zu Mitglied ganz unterschiedlich darstellen.543 Schon zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen sollte man daher eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB allgemein und d.h. auch dort zulassen, wo – theoretisch – bereits § 39 BGB und ein Segna, Vorstandskontrolle, S. 377 f. Relativierend auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 376. 539  Vgl. zur begrenzten Leistungsfähigkeit der Austrittsdrohung bereits im Jahr 1899 instruktiv Leist, Vereinsherrschaft, S. 4 ff.; dazu bereits oben, § 2 B.IV.3.cc) und § 3 C. 540 s. etwa BGHZ 93, 151; BGH NJW 1980, 186; Grunewald, GesR, § 8 Rn. 82; K. Schmidt, GesR, § 24 V 2 b). 541  So zumindest im Ansatz auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 379 f. 542  s. auch insoweit bereits oben, § 2 B.IV.3.cc) und § 3 C. 543  Faktisch beeinträchtigt ist die Austrittsfreiheit z. B. bereits dann, wenn im neuen Verein (erneut) eine signifikante Aufnahmegebühr fällig wird oder wenn dieser ungünstiger gelegen ist und nur mit deutlich höherem Aufwand erreicht werden kann; darüber hinaus kann sich z. B. auch der Verlust sozialer Kontakte als faktische Beeinträchtigung der Austrittsfreiheit darstellen; s. im Ansatz auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 380. 537 s. 538 

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funktionierender Wettbewerb die Angemessenheit des Statuts sicherstellen sollten, zumal auch nicht einzusehen ist, warum eine gegen Treu und Glauben verstoßende Regelung hingenommen werden sollte, wenn sie in der Theorie zwar nicht zu erwarten, in der Praxis aber doch anzutreffen ist. Bei der Durchführung der Inhaltskontrolle wird man allerdings zurückhaltend vorgehen müssen und zu beachten haben, dass das BGB-Vereinsrecht breiten Raum für die Verwirklichung eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Bedürfnisse gibt, die sich auch in einer weitgehenden Entrechtung der Mitglieder ausdrücken können.544 d)  Grundsatz der Verbandssouveränität Schließlich wird verbreitet auch noch auf den Grundsatz der Verbandssouveränität als Gestaltungsgrenze zurückgegriffen,545 von dem im vereinsrechtlichen Kontext auch als dem Grundsatz der Vereinsautonomie gesprochen wird.546 Welche genauen Schranken für die Gestaltungsfreiheit sich daraus ergeben, ist allerdings umstritten.547 Auf Einzelheiten ist sogleich zurückzukommen. 3.  Die Mindestorganausstattung des Vereins: Vorstand und Mitgliederversammlung Vorstand und Mitgliederversammlung sind zwingende Organe des Vereins.548 Für den Vorstand hält § 26 Abs. 1 S. 1 BGB diesen Umstand ausdrücklich fest, der dementsprechend auch in der Literatur und Rechtsprechung nicht bezweifelt wird.549 Weniger sicher erscheint die Rechtslage für die Mitgliederversammlung, weil es für diese an einer entsprechenden Vorschrift fehlt und § 40 S. 1 BGB auch die Vorschriften des § 32 BGB über die Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung sowie des § 33 BGB, der ihre Satzungsänderungskompetenz behan544  s. a. Grunewald, GesR, § 8 Rn. 22 unter Hinweis auf BVerfG NJW 1991, 2623; dazu noch sogleich, § 7 C.I.5a.bb; s.a. Staudinger/Weick § 25 Rn. 20 a.E. 545  Für den Verein prinzipiell ablehnend Schockenhoff, AcP 183 (1983), 35 ff. 546  s. etwa BVerfG NJW 1991, 2623, 2625; Flume, Jur. Person, § 7 I 3 (S. 193 ff.) Weber, Privatautonomie, S. 119 f.; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 22 ff., 27 ff. 31, unterscheidet den „Höchstgehalt“ und den „Mindestgehalt“ der Vereinsautonomie, wobei letzter den unantastbaren Kernbereich der Vereinsautonomie kennzeichnen soll, der auch der privatautonomen Gestaltung der Mitglieder entzogen ist (insoweit deckungsgleich mit der Verbandssouveränität als Gestaltungsgrenze). 547  Für einen instruktiven Überblick über den Stand der Diskussion in neueren Schrifttum s. Schubel, Verbandssouveränität, S. 1 ff.; s. daneben auch Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 15 ff.; Weber, Privatautonomie, S. 205 ff. 548  s. MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 2, § 32 Rn 1; RGRK/Steffen § 32 Rn. 1; von Tuhr, BGB AT, § 35 I (S. 499). 549  s. nur BGHZ 69, 250; Soergel/Hadding § 26 Rn. 1; MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 2; RGRK/Steffen § 26 Rn. 1; Staudinger/Weick § 26 Rn. 1.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

delt, zu den dispositiven Normen des Vereinsrechts rechnet. So ist die Mitgliederversammlung denn in der älteren Literatur gelegentlich auch für verzichtbar gehalten worden.550 Die heute ganz herrschende Ansicht geht aber auch für die Mitgliederversammlung davon aus, dass es sich bei dieser um ein notwendiges Vereinsorgan handelt.551 Dafür spricht auf einer allgemeinen Ebene, dass ein gewisses Maß an Rückbindung an den Willen der Mitglieder, der über die Mitgliederversammlung als Organ des Vereins vermittelt wird,552 für den Verein als Körperschaft – im Gegensatz etwa zu Anstalt oder Stiftung – systemimmanent ist.553 Die gänzliche Abschaffung der Mitgliederversammlung (d.h. des Mitgliederorgans des Vereins) sprengt damit sozusagen die organisationsrechtlichen Grenzen, die die Rechtsordnung für derartige Zusammenschlüsse bereithält. Dieses Ergebnis findet seinen Niederschlag auch im Gesetz. Die herrschende Ansicht verweist insoweit vornehmlich auf die §§ 36 f. BGB,554 die ausweislich des Gegenschlusses zu § 40 BGB als unabdingbar anzusehen sind und den Vorstand dazu verpflichten, unter bestimmten Voraussetzungen die Mitgliederversammlung einzuberufen. Daneben lässt sich aber auch darauf abstellen, dass das Vereinsrecht das Mitgliederorgan – wenn auch nur in engen Grenzen – mit unentziehbaren Kompetenzen versieht. Dazu ist nach § 41 BGB insbesondere die Möglichkeit zu rechnen, den Verein durch einen Beschluss der Mitgliedersammlung aufzulösen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Satzung auch eine schriftliche Abstimmung gem. § 32 Abs. 2 BGB vorsehen könne.555 Denn auch wenn dies zutreffen sollte,556 entkräftet es das zuvor geschilderte Argument nicht, weil es nach zutreffender Ansicht auch bei der Beschlussfassung „ohne Versammlung der Mitglieder“ um die Beschlussfassung der Mitgliederversammlung als Organ im Rechtssinne geht, die mit der tatsächlichen Versammlung der Mitglieder, also dem Beschlussverfah550  s. z. B. Planck/Knock, 4. Aufl. (1913), § 32 Anm. 5 (mit Nachweisen auch zur damals schon ganz herrschenden Gegenansicht); zum gleichen Ergebnis gelangt auch ein Gutachten des Kammergerichts aus dem Jahr 1936 (KG DJ 1936, 1948); zu dessen rechtstatsächlichem Hintergrund vgl. Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 82. 551  s. Soergel/Hadding § 32 Rn. 2; MünchKomm/Arnold § 32 Rn. 1; RGRK/Steffen § 32 Rn. 1; Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 51; Staudinger/Weick § 32 Rn. 6; Stöber/Otto, Vereinsrecht, Rn. 629. 552  Zu dem doppelten Zurechnungsakt, der damit einhergeht (von den Mitgliedern als den Organwaltern zum Organ Mitgliederversammlung zur Körperschaft), s. z. B. Jacoby, Amt, S. 212; Schürnbrand, Organschaft, S. 45 f.; Wiedemann, GesR II, S. 293. 553  s. MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 17. 554  s. Soergel/Hadding § 32 Rn. 2; MünchKomm/Arnold § 32 Rn. 1; RGRK/Steffen § 32 Rn. 2; Staudinger/Weick § 32 Rn. 6 (unter zusätzlicher Nennung von § 27 Abs. 2 BGB). 555  So aber Staudinger/Weick § 32 Rn. 6; ähnlich auch schon Planck/Knoke, 4. Aufl. (1913), § 32 Anm. 5. 556  Str., für die Möglichkeit des schriftlichen Verfahrens etwa Gutachten KG DJ 1936, 1948 f.; Stöber/Otto, VereinsR, Rn. 1118; Sauter/Schweyer/Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 390; Staudinger/Weick § 32 Rn. 6 (wohl widersprüchlich dann aber a.a.O. § 41 Rn. 17); für zwingende Versammlung z. B. Reichert, VereinsR, Rn. 3989.

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ren, nicht identisch ist.557 Legt man diese Differenzierung zugrunde, löst sich auch der vermeintliche Gegensatz zwischen der herrschenden Ansicht von der Mitgliederversammlung als notwendigem Vereinsorgan und der in der älteren Literatur vertretenen Ansicht auf, die Satzung könne auf die Mitgliederversammlung verzichten. Denn die letztgenannten Stimmen identifizieren den Begriff der Mitgliederversammlung offenkundig mit der tatsächlichen Versammlung der Mitglieder, ohne aber abzustreiten, dass über die Auflösung des Vereins wenigstens ein Beschluss im schriftlichen Verfahren gefasst werden können muss.558 4.  Mindestkompetenzen des Vereinsvorstands Ein allgemeiner Hinweis auf einen zwingenden Kompetenzbereich des Vereinsvorstands lässt sich bereits § 26 Abs. 1 S. 1 S. 1 BGB entnehmen, wonach der Verein zwingend einen Vorstand haben „muss“. Denn die Existenz eines Organs lässt sich nicht ohne jede Rücksicht auf dessen Kompetenzausstattung absichern.559 Das BGB enthält für die Feststellung eines zwingend dem Vereinsvorstand zugewiesenen Kompetenzbereiches allerdings nur wenige konkrete Anhaltspunkte. Durch die Satzung nicht modifizierbar sind zunächst die Pflichten, die dem Vorstand im öffentlichen Interesse oder im Interesse Dritter auferlegt sind, wie dies etwa für § 42 Abs. 2 BGB560 oder § 59 BGB561 gilt. Im Hinblick auf die Vertretungsmacht des Vorstands ist zu differenzieren: Zwar ist diese im Interesse des Rechtsverkehrs im Ausgangspunkt unbeschränkt, doch besagt das Gesetz in § 26 Abs. 1 S. 3 BGB selbst, dass die Satzung die Vertretungsmacht mit Wirkung gegenüber Dritten beschränken kann. Hier spricht sich die Literatur allerdings zutreffend dafür aus, dass dem Vorstand die Vertretungsmacht mit Rücksicht auf seine Stellung als notwendiges Vereinsorgan sowie die Handlungsfähigkeit des Vereins nicht vollständig entzogen werden darf.562 Dagegen kann die vereinsinterne Entscheidungsbefugnis darüber, ob und wie der Vorstand von seiner Position als Vertretungsorgan des Vereins Gebrauch machen soll, auch insgesamt von einem anderen Vereinsorgan wahrgenommen werden.563 Eine zwingende „Mindestgeschäftsführungskompetenz“ ist dem Vorstand vor diesem Hintergrund nicht zuzubilligen.

557 

s. dazu bereits oben, § 7 A.I. s. Planck/Knoke, 4. Aufl. (1913), § 32 Anm. 5; KG DJ 1936, 1948, 1950. 559 s. dazu, dass es keine kompetenzlosen Organe geben kann z. B. Ulmer/Hüffer, ­GmbHG, § 45 Rn. 18: „Widerspruch in sich“; ausführlich zu den in Betracht kommenden Kompetenzen Schürnbrand, Organschaft, S. 68 ff. 560  s. Soergel/Hadding § 42 Rn. 11. 561  s. Soergel/Hadding § 59 Rn. 3. 562  s. Soergel/Hadding § 26 Rn. 21a; MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 13. 563  s. BGHZ 69, 250; Soergel/Hadding § 26 Rn. 4, § 27 Rn. 21; MünchKomm/Arnold § 26 Rn. 4; s.a. bereits oben, § 7 A.IV.2. 558 

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

5.  Mindestkompetenzen der Mitgliederversammlung Zwingende Kompetenzen der Mitgliederversammlung werden vor allem hinsichtlich der Befugnis zur Satzungsänderung und zur Auflösung des Vereins diskutiert. Dies sind auch die hauptsächlichen Anwendungsfelder für Schlussfolgerungen, die aus dem Grundsatz der Verbandssouveränität hergeleitet werden. a)  Die Kompetenz zur Änderung der Satzung Die Frage, ob Satzungsänderungskompetenzen zwingend der Mitgliederversammlung zustehen, lässt sich inhaltlich noch weiter aufgliedern. Am wenigsten weit ginge es, wenn Satzungsänderungen neben einem Beschluss der Mitgliederversammlung zusätzlich die Zustimmung einer anderen Instanz innerhalb des Vereins (Organ; Mitgliederminderheit oder einzelne Mitglieder auf Basis von Sonderrechten) erforderten. Weiter reicht die Möglichkeit, einer derartigen vereinsinternen Instanz darüber hinaus auch unabhängig von der Mitwirkung der Mitgliederversammlung eine eigene Satzungsänderungskompetenz einzuräumen (Initiativrecht). Bejahte man dies, stellte sich die weitergehende Frage, ob eine solche Kompetenz nur als Parallelkompetenz denkbar ist, oder ob die Satzungsänderungskompetenz der Mitgliederversammlung auch endgültig verdrängt werden kann. Der gleiche Fragensatz stellt sich schließlich auch im Hinblick darauf, inwieweit satzungsbezogene Kompetenzen zugunsten vereinsexterner Instanzen begründet werden können. aa)  Gesetzliche Ausgangslage; Meinungsspektrum in der Literatur Nach § 40 BGB ist die Vorschrift des § 33 Abs. 1 BGB über die Änderung der Satzung zu den abdingbaren Vorschriften des Vereinsrechts zu rechnen. In der Literatur wird allerdings nicht einheitlich beurteilt, wie weit die dadurch eingeräumte Gestaltungsfreiheit reicht.564 Einige Stimmen wollen § 40 BGB dahin auslegen, dass nur von dem in § 33 BGB geregelten qualifizierten Mehrheitserfordernis abgewichen werden könne, während die Zuständigkeit für die Satzungsänderung zwingend bei dem Mitgliederorgan verbleiben müsse.565 Der wohl überwiegende Teil des Schrifttums handhabt diese Frage aber großzügiger und hält es auch für möglich, einem anderen Vereinsorgan oder auch einem einzelnen Mitglied (auf Basis eines Sonderrechts, § 35 BGB) Kompetenzen in Bezug auf die Änderung der Satzung einzuräumen.566 Eine Grenze wird dabei nur insofern gezogen, als 564  s. übersichtsweise Segna, Vorstandskontrolle, S. 339 ff.; MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 15 ff. 565  So namentlich Flume, Jur. Person, § 7 I 3 (193 ff.); ders., in: FS Coing Bd. II, S. 97 f.; s. daneben noch Kohler, Regelungen, S. 95; Lettl, Wertrecht, S. 127 f.; K. Schmidt, GesR, § 5 I 3 (84 ff.); Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 91 f.; s.a. OLG Celle NJW-RR 1995, 1273. 566  s. etwa Palandt/Ellenberger § 33 Rn. 2; Soergel/Hadding § 33 Rn. 6; MünchKomm/ Arnold § 33 Rn. 17 ff. (mit einer Ausnahme für Vereine ohne Aufnahmefreiheit, Rn. 22);

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der Mitgliederversammlung zwingend eine Art Rückholkompetenz verbleibt, die sie in die Lage versetzt, die Satzung wieder zu ändern und Satzungsänderungskompetenzen anderer Organe zu beseitigen, und zwar auch, wenn die Satzung die Satzungsänderungskompetenz einem anderen Organ überträgt, ohne dass die Abänderbarkeit dieser Klausel ausdrücklich vorbehalten ist.567 Jedenfalls mit dieser Einschränkung – zwingende Beseitigungskompetenz der Mitgliederversammlung – wird es z.T. auch für möglich gehalten, Satzungsänderungen von der Zustimmung eines vereinsexternen Dritten abhängig zu machen.568 Einem Dritten – noch weitergehend – eine eigenständige Satzungsänderungskompetenz einzuräumen, wird dagegen ganz überwiegend abgelehnt.569 bb)  Der Grundsatz der Verbandssouveränität Soweit sich – wie eben dargelegt – ein Teil der Literatur sich dafür ausspricht, § 40 BGB einschränkend auszulegen und Satzungsänderungen zwingend der Mitgliederversammlung vorzubehalten, wird dafür zumeist der Grundsatz der Verbandssouveränität angeführt.570 Was genau dieser Grundsatz besagt, der nicht selten mehr vorausgesetzt als begründet wird,571 ist allerdings keineswegs geklärt. Die Unklarheiten betreffen bereits das dogmatische Fundament.572 Zwar dürfen Versuche einer Rückführung auf das Demokratieprinzip573 oder der unmittelbare Rückgriff auf Grundrechte (etwa Art. 2, 12, 14 GG)574 heute als gescheitert gelten.575 Es konkurrieren aber immer noch eine verbandsrechtliche Lesart, die den Grundsatz der Verbandssouveränität im Sinne eines spezifisch gesellschafts- bzw. verbandsrechtlichen

Bamberger/Roth/Schöpflin § 25 Rn. 5; Segna, Vorstandskontrolle, S. 341 f.; RGRK/Steffen § 33 Rn. 2; Reichert, Vereinsrecht, Rn. 611; Stöber/Otto, Vereinsrecht, Rn. 911 f.; von Hippel, Grundprobleme, S. 388 ff.; Staudinger/Weick § 33 Rn. 7. 567  s. MünchKomm/Reuter § 25 Rn. 8; MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 17 ff.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 341 f.; s.a. Soergel/Hadding § 33 Rn. 6 f. 568 Vgl. Palandt/Ellenberger § 33 Rn. 2; Soergel/Hadding § 33 Rn. 7; MünchKomm/ Arnold § 33 Rn. 19; Segna, Vorstandskontrolle, S. 354 f.; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 122 ff.; Staudinger/Weick § 33 Rn. 8; Erman/Westermann § 33 Rn. 4; a.A. Flume, Jur. Person, § 7 I 3 (S. 194); RGRK/Steffen § 33 Rn. 2. 569  s. Palandt/Ellenberger § 33 Rn. 2; Soergel/Hadding § 33 Rn. 7; Segna, Vorstandskontrolle, S. 354; Staudinger/Weick § 33 Rn. 8; Erman/Westermann § 33 Rn. 4. 570 Vgl. Flume, Jur. Person, § 7 I 3 (193 ff.); K. Schmidt, GesR, § 5 I 3 b (S. 84 f.); s.a. Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 90 ff. 571 s. Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 32 sowie Schubel, Verbandssouveränität, S. 4 jeweils mit Nachweisen. 572  Vgl. für einen umfassenden Überblick Schubel, Verbandssouveränität, S. 4 ff.; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 33 ff. 573  s. hierzu insbesondere Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 189 ff. 574  Vgl. etwa Leßmann, NJW 1978, 1545, 1548. 575  Die Diskussion zusammenfassend Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 33 ff.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

Strukturprinzips auffasst576 und die die Unterschiede zum allgemeinen Privatrecht betont,577 sowie eine allgemein-privatrechtliche Lesart, die den Grundsatz der Verbandssouveränität aus dem Instrumentarium des allgemeinen Zivilrechts herzuleiten sucht,578 namentlich aus dem Verbot der Selbstentmündigung nach § 138 BGB.579 Die Unterschiede im dogmatischen Ansatz wirken sich auch inhaltlich aus.580 Geht man einem spezifisch gesellschaftsrechtlichen Ordnungsprinzip aus, dann kann dieser Grundsatz (auch) Regelungsinhalte aufnehmen, die im allgemeinen, auf das Individuum bezogenen Privatrecht keine Entsprechung haben. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn dem Grundsatz auch Bedeutung für die Funktion der Binnenordnung des Verbandes Bedeutung beigemessen wird.581 Wird dagegen der Grundsatz der Verbandssouveränität mit den Mitteln des allgemeinen Zivilrechts aus der Privatautonomie des Individuums entwickelt, führt dies in der Tendenz zu einer weniger restriktiven Begrenzungswirkung. Davon abgesehen bleibt auch innerhalb der jeweiligen Ansätze Spielraum für unterschiedliche Ergebnisse. So sind durchaus unterschiedliche Urteile darüber denkbar, ab welchem Umfang und welcher Intensität Einschränkungen der alleinigen Grundlagenzuständigkeit des Mitgliederorgans zugunsten eines anderen Organs oder gar außenstehender Dritter im Interesse einer funktionsfähigen Binnenorganisation nicht mehr hingenommen werden können. Erst recht gilt dies, wenn man mit dem Instrumentarium des allgemeinen Zivilrechts operiert, weil dieses insoweit nur sehr allgemeine Regeln bereithält und damit Raum für unterschiedliche Positionen in Bezug darauf eröffnet, wie diese Regeln in einem gesellschaftsrechtlichen Kontext zu konkretisieren sind. Im Übrigen trägt die im Grundsatz der Verbandssouveränität strukturell angelegte Ambivalenz zur Auslegungsunsicherheit bei,582 betont er doch einerseits die 576 So ausdrücklich etwa Schubel, Verbandssouveränität, S. 3, 553, 570 u. passim; K. Schmidt, § 5 I 3 (S. 83 ff.); Wiedemann, ZGR Sonderheft 13, 5, 24; Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 119 f.; vgl. zu weiteren Ansätzen, die der Institutionenlehre zuzuordnen sind, auch noch Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 39 f. 577  s. bereits Wiedemann, in: FS Schilling, S. 105: „Dass die rechtliche Einheit in einer Gesellschaft anders abzusichern ist als der unverzichtbare Freiheitsraum der Einzelperson, wird wohl allgemein anerkannt“; s.a. ders., GesR I, § 7 I 1 b (S. 371) sowie ZGR Sonderheft 13, S. 5, 24. 578  s. etwa Hey, Gestaltung, S. 191 ff.; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 42 ff.; Weber, Privatautonomie, 205 ff., 275, 302 f. und passim; in der Sache wohl auch schon Beuthien/ Gätsch, ZHR 156 (1992), 492, 474 f. 579 s. Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 42 ff.; Rückgriff auf § 138 BGB auch bei Münch­ KommHGB/Grunewald § 163 Rn. 4; Hey, Gestaltung, S. 191; in Ansätzen auch Weber, Privatautonomie, S. 211 ff., der sich schwerpunktmäßig allerdings auf das Verbot der unwiderruflichen verdrängenden Vollmacht stützt. 580 Vgl. Schubel, Verbandssouveränität, S. 4 ff., 9 ff. 581  s. etwa Schubel, Verbandssouveränität, S. 559 ff. und passim; Wiedemann, GesR I, § 7 II 1 b (S. 371); Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 85, 119 f. 582  Vgl. dazu etwa noch (mit unterschiedlicher Positionierung) BVerfG NJW 1991, 2623, 2625; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 473 ff.; Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 57;

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Gestaltungshoheit der Verbandsmitglieder (bzw. des von ihnen gebildeten Organs), während er andererseits gerade darauf abzielt, der Gestaltungsfreiheit Grenzen zu setzen.583 Zuspitzen lassen sich diese Ambivalenzen in der Frage, ob dann, wenn die Autonomie der Verbandsmitglieder den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet, nicht auch die „Preisgabe von Autonomie zugleich eine mögliche Ausprägung der Wahrnehmung von Autonomie“ sein kann.584 Das schlägt sich auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nieder, das sich mit dem Grundsatz der Verbandssouveränität in einem die Religionsgemeinschaft der Bahai betreffenden Urteil näher auseinandergesetzt hat.585 Die Entscheidung bezog sich auf einen örtlich tätigen Verein dieser Gemeinschaft, dessen Eintragung u.a. unter Hinweis darauf verweigert worden war, dass die vorgelegte Satzung eine Abhängigkeit des Vereins gegenüber Dritten herbeiführe, die mit dem Grundsatz der Selbständigkeit und Selbstverwaltung von Vereinen – m.a.W. dem Grundsatz der Vereinsautonomie – unvereinbar sei.586 Hintergrund dessen war, dass die Satzung mit Rücksicht auf die Glaubensinhalte der Gemeinschaft und einem daraus abgeleiteten Hierarchieprinzip einem anderen Verein, der die Glaubensgemeinschaft auf der nationalen Ebene repräsentierte, eine Reihe wichtiger Rechte einräumte. Dazu gehörte u.a. der Ausschluss von Mitgliedern des örtlichen Vereins, ein zu seinen Gunsten bestehendes Zustimmungserfordernis in Bezug auf Satzungsänderungen und ein (konkurrierendes) Auflösungsrecht.587 Das Bundesverfassungsgericht hat darin im Ergebnis jedoch kein Hindernis für die Eintragung des Vereins erblicken können. In der Literatur wird nun namentlich von denjenigen, die dazu tendieren, dem Grundsatz der Verbandssouveränität ein breiteres Anwendungsfeld zuzuweisen, der Versuch unternommen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darauf zu reduzieren, sie begründe lediglich durch die Religionsfreiheit bedingtes Sonderrecht der religiösen Vereine.588 Indes trägt die Bahai-Entscheidung eine solSchubel, Verbandssouveränität, S. 604 f.; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 31; Weber, Privatautonomie, S. 174 f., 205 ff.; s. daneben auch Grunewald, GesR, § 8 Rn. 8. 583 Vgl. Wiedemann, in: FS Schilling, S. 103 ff.; K. Schmidt, GesR, § 5 I 3 (S. 83 ff.); Schubel, Verbandssouveränität, S. 3, 553. 584  Weber, Privatautonomie, S. 205. 585  BVerfG NJW 1991, 2624; s. dazu näher Schubel, Verbandssouveränität, S. 9 ff.; Flume, JZ 1992, 238 ff.; zu Judikaten aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit s. etwa KG OLGZ 1974, 385 (Satzungsänderung und Auflösung nur mit Genehmigung des bischöflichen Ordinariats); BayObLG NJW 1980, 1756 (Genehmigung des Bischofs u.a. für Satzungsänderung und Auflösung); OLG Köln NJW 1992, 1048 (Satzungsänderung und Auflösung nur mit Zustimmung der deutschen Bischofskonferenz); LG Oldenburg, JZ 1992, 250 (Mitwirkungsrechte des Bischöflichen Münsterischen Offizialrats); Übersicht über alle angeführten Urteile bei K. Schmidt, GesR, § 5 I 3 (S. 85 f.). 586  s. BVerfG NJW 1991, 2624 f. 587 s.a. Schubel, Verbandssouveränität, S. 9. 588 s. Flume, JZ 1992, 238 ff.; vgl. auch schon ders., Jur. Person, § 7 I 4 (S. 199 ff.); dem folgend K. Schmidt, GesR, § 5 I 3 b (S. 86); vgl. speziell im Hinblick auf die Bahai-Entscheidung auch noch Schubel, Verbandssouveränität, S. 11 f.

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che Sichtweise nicht. Zwar ist nicht abzustreiten, dass die Berücksichtigung der Vorgaben des Verfassungsrechts, die die Religionsfreiheit betreffen, einen gewissen Raum bei der Begründung des Urteils einnimmt.589 In seinen entscheidenden Passagen entwickelt das Urteil aber kein Sonderrecht der religiösen Vereine, sondern es stützt sich auf ganz allgemeine vereinsrechtliche Überlegungen, deren Geltungsanspruch dementsprechend über die religiösen Vereinigungen hinausreicht.590 Es wäre vor diesem Hintergrund im Hinblick auf den erforderlichen Grundrechtsbezug im Prinzip auch möglich gewesen, nicht an Art. 4 GG, sondern unmittelbar an Art. 9 Abs. 1 GG anzuknüpfen.591 So legt das Bundesverfassungsgericht besonderen Wert auf die Feststellung, dass das Vereinsrecht des BGB die von der Glaubensgemeinschaft verfolgte Satzungsgestaltung zulässt.592 Es verweist dabei zunächst darauf, dass die beanstandeten Satzungsregelungen allein die innere Organisation des Vereins betreffen. Insoweit sei aber die Bestimmung des § 33 BGB über Satzungsänderungen nach § 40 BGB dispositiv. Auch die in § 41 BGB geregelte Auflösung des Vereins durch Beschluss der Mitgliederversammlung werde durch die Satzung nicht ausgeschlossen, sondern lediglich ergänzt. Im Übrigen bestehe über die Abgrenzung von Vereinsaufgaben keine gesetzliche Regelung.593 Da das Vereinsrecht selbst keine geeigneten Anhaltspunkte für die Unzulässigkeit der 589  Das Bundesverfassungsgericht stützt sich im Wesentlichen auf die von Art. 4 GG mitumfasste Gewährleistung der religiösen Vereinigungsfreiheit: BVerfG NJW 1992, 2623, 2624 f. 590  s. BVerfG NJW 1991, 2623, 2625 f.; zutreffend MünchKomm/Reuter (5. Aufl.) § 41 Rn. 82; vgl. insoweit auch Flume, JZ 1992, 238 f.; differenzierend Schubel, Verbandssouveränität, S. 9 ff., der einerseits akzeptiert, dass das Bundesverfassungsgericht vereinsrechtlich argumentiert, die Argumentation aber gleichwohl durch die Besonderheiten religiöser Vereine dominiert sieht. Hierfür verweist er (insoweit zutreffend) darauf, dass in der Argumentation des BVerfG auch der Gesichtspunkt der durch die religionsrechtlichen Verknüpfung gegebenen „Einheit und Gemeinsamkeit“ eine Rolle gespielt habe, sodass nach Ansicht des BVerfG im Ergebnis gar keine Fremdbestimmung gegeben war (a.a.O., S. 11 f.); deswegen soll sich (gegen Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 21, 53) nicht sagen lassen, das BVerfG habe festgestellt, in Ausübung der Vereinsautonomie könne sich ein Verein auch dem Willen eines außenstehenden Dritten unterwerfen. – Zunächst betrifft Schubels Einwand nur einen Teilaspekt der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts. Darüber hinaus unterschätzt dieser Einwand aber auch die Verallgemeinerbarkeit der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts. Denn diese läuft letztlich auf die Aussage hinaus, dass die Mitglieder eines Vereins allein durch die Schaffung und Verfolgung eines übergreifenden Konzeptes Dritteinflüsse auch ohne organisationsrechtliche Einbindung in die Verbandsstruktur gleichsam internalisieren können, solange dies in Verfolgung verfassungsrechtlich geschützter Ziele geschieht. Zu diesen rechnet auch die allgemeine Handlungsfreiheit, so dass denkbaren Anwendungsfällen für „selbstgesetzte Einordnungszwecke“ (BVerfG NJW 1991, 2623, 2625) eigentlich kaum Grenzen gesetzt sein dürften. 591 Vgl. Flume, JZ 1992, 328 f.; zustimmend MünchKomm/Reuter (5. Aufl.) § 41 Rn. 82; bedenkt man, dass das Bundesverfassungsgericht in Art. 4 GG auch die religiöse Vereinigungsfreiheit gewährleistet sieht, ist Art. 4 GG allerdings spezieller. 592  So ausdrücklich BVerfG NJW 1991, 2623, 2625. 593  s. BVerfG, a.a.O.

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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beanstandeten Regelungen bereithält, wendet sich die Begründung dem Grundsatz der Vereinsautonomie zu, auf den allein die mit der Sache befassten Gerichte die Ablehnung der Eintragung gestützt hatten. Das Bundesverfassungsgericht zieht die Existenz eines solchen Grundsatzes nicht generell in Zweifel und hält in Bezug auf seine dogmatische Grundlegung lediglich fest, er sei im BGB nicht ausdrücklich festgelegt, werde aber „durch Rechtsprechung und Lehre der Gesamtheit der Vorschriften entnommen, die die Konstituierung und Organisation des Vereins sowie die Wahrnehmung der Vereinsaufgaben auf den Willen der Mitglieder zurückführen, und als darin vorausgesetzt angesehen.“594 Sein Ziel liege darin, vergleichbar der Privatautonomie, den Charakter des Vereins als eines vornehmlich vom Willen seiner Mitglieder getragenen Personenverbandes zu wahren. Zu dieser Autonomie gehöre auch das Recht einer selbstgewählten zweckentsprechenden Organisation, soweit dem nicht zwingende Vorschriften oder dem Wesen der Institution zu entnehmende Grundsätze entgegenstehen.595 Im Hinblick auf die weitere Konkretisierung widmet sich das Bundesverfassungsgericht dann den bereits angesprochenen Ambivalenzen und nimmt dabei die Ansicht auf, dass die Autonomie auch durch die satzungsmäßige Beschränkung des Selbstverwaltungsrechts ausgeübt werden könne.596 Auf dieser Basis sieht das Gericht den Grundsatz der Vereinsautonomie durch „zwei nicht notwendig parallel laufende inhaltliche Tendenzen geprägt: Einerseits schützt er die Autonomie der Mitglieder, wozu auch die Einfügung in eine hierarchisch organisierte Gemeinschaft gehören kann, andererseits bewahrt er die Selbstbestimmung des Vereins und seiner Mitglieder vor einer Entäußerung, die die eigene Willensbestimmung nahezu vollständig zum Erliegen bringt.“597 Er sei damit dafür offen, dass bei seiner Auslegung und Anwendung beide Tendenzen unter Berücksichtigung des konkreten Falles zum Ausgleich gebracht werden.598 Auf dieser Basis gelangt das Bundesverfassungsgericht dann zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehenden Einflussrechte unter dem Gesichtspunkt der Vereinsautonomie nicht zu beanstanden seien, weil noch ein hinreichender Bestand an Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit des Vereins gewahrt bleibe.599 cc) Stellungnahme Mit dem ganz überwiegenden Teil des Schrifttums ist der Ansicht zu folgen, dass die Satzung auch anderen Organen bzw. einer Mitgliederminderheit oder einzelnen Mitgliedern Satzungsänderungskompetenzen einräumen kann, diese der Mitgliederversammlung aber – insoweit kommt dem Grundsatz der Verbandssouveränität zum Tragen – nicht endgültig entziehen kann; der Mitgliederversamm594 

s. BVerfG, a.a.O. BVerfG, a.a.O. 596  BVerfG, a.a.O. 597  BVerfG, a.a.O. 598  BVerfG, a.a.O. 599  BVerfG NJW 1991, 2623, 2626. 595 

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

lung verbleibt vielmehr stets – auch ohne ausdrückliche Regelung in der Satzung – die Kompetenz, den Zuständigkeitstransfer zu revidieren. Enthält die Satzung einschlägige Regelungen, dürfen diese die Revidierbarkeit des Kompetenztransfers nicht auf eine lediglich in der Theorie verfügbare Option reduzieren.600 Damit unvereinbare Satzungsregeln – etwa Präsenzquoten für die Mitgliederversammlung, die in der Praxis für den betreffenden Verein schlicht nicht zu erreichen sind – sind nach § 138 BGB nichtig.601 Unter den gleichen Voraussetzungen können auch Zustimmungsrechte zugunsten Dritter begründet werden. Die Begründung dieses Standpunkts muss ihren Ausgangspunkt bei § 40 BGB nehmen, der sich seinem Wortlaut nach auf § 33 BGB bezieht und damit auch die Satzungsänderungskompetenz der Mitgliederversammlung einschließt. Hinreichend tragfähige Argumente, die daraus resultierende Gestaltungsfreiheit restriktiv zu verstehen und sie generell über das geschilderte Maß hinaus einzuschränken, existieren nicht. Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte lassen sich keine hinreichend tragfähigen Anhaltspunkte für eine derartige Einschränkung ableiten.602 Derartige Anhaltspunkte wird man angesichts der gesetzlichen Ausgangslage aber fordern müssen. Demgegenüber kann es nicht genügen, sich lediglich auf die Feststellung zurückzuziehen, die Materialien ließen an keiner Stelle erkennen, dass sich die Gestaltungsfreiheit auch auf die Satzungsänderungskompetenz der Mitgliederversammlung beziehen solle.603 Nicht weiterführend erscheint auch Flumes Hinweis auf § 48 E I, wonach in den inneren Angelegenheiten der Körperschaft der Wille der Mitglieder maßgeblich sein soll.604 Denn auch diese Vorschrift war ausweislich des § 48 Abs. 6 E I bereits dispositiv ausgestaltet.605 Sie hatte also lediglich den eingeschränkten Sinn, die Mitgliederversammlung als das regelmäßige Beschlussorgan auszuweisen.606 Ihr lässt sich daher genauso wenig über die zwingenden Kompetenzen der Mitgliederversammlung entnehmen wie § 31 Abs. 1 E II, der im Rahmen des 2. Entwurfs an ihre Stelle getreten ist, ihren Bedeutungsgehalt weitgehend unverändert übernommen hat und der durch § 37 E II wie zuvor durch § 48 Abs. 6 E I und heute § 40 BGB ausdrücklich für abdingbar erklärt wurde.607 Ebenso wenig lässt sich eine einschränkende Auslegung des § 40 BGB aus der in den Materialien zum Ausdruck gelangenden Stellung

Grunewald, GesR, § 8 Rn. 20 mit Fn. 21. Vgl. OLG Frankfurt OLGZ 1981, 391; s.a. Grunewald, a.a.O. 602 Ebenso Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 54; Segna, Vorstandskontrolle, S. 340; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 48 (mit Fn. 189). 603 s. Flume, Jur. Person, § 7 I (S. 196 f.); ders., JZ 1992, 238, 239; dagegen zutreffend Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 54. 604 s. Flume, Jur. Person, § 7 I (189). 605 s.a. Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 48 mit Fn. 189; s. im Übrigen zum Hintergrund der Regelung des § 48 E I bereits oben, § 3 A.II.2.c). 606  s. Protokolle bei Mugdan, Bd. I, S. 621. 607  s. zu dem Hintergrund der vorgenommenen Änderungen bereits oben, § 3 B.III.2.c). 600 s. 601 

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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der Mitgliederversammlung als „oberstes Organ“ der Körperschaft gewinnen.608 Bei dieser Qualifikation handelt es sich zwar um eine zutreffende Beschreibung der gesetzlichen Ausgangslage.609 Es kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber diese Ausgangslage in Übereinstimmung mit seinem Anliegen, den Mitgliedern für die Ausgestaltung des Innenverhältnisses möglichst weitreichende Gestaltungsfreiheit einzuräumen, satzungsdispositiv gestellt hat. Die Mitgliederversammlung ist „oberstes Organ“ mithin nur, soweit die Satzung nicht zulässigerweise anders entscheidet und soweit eine derartige Entscheidung der Satzung durch die Mitgliederversammlung stets revidierbar bleibt. Auch soweit sich die 2. Kommission dafür entschieden hat, die Widerruflichkeit der Vorstandsbestellung (auch gegenüber satzungsmäßigen Sonderrechten einzelner Vereinsmitglieder) für zwingend zu erklären, um die Rückbindung des Vorstandshandelns an das Vereinsinteresse abzusichern,610 lässt sich daraus letztlich nur ableiten, dass es keine irreversiblen Kompetenztransfers zu Lasten des Mitgliederorgans geben kann. Auch verbandsrechtliche Parallelüberlegungen führen nicht weiter. Richtig ist zwar, dass es bei AG, GmbH und Genossenschaft nicht zulässig ist, anderen Organen als dem Mitgliederorgan Satzungsänderungskompetenzen611 oder auch nur Zustimmungsbefugnisse einzuräumen.612 Andererseits eröffnet sich auf dieser Basis aber auch die Möglichkeit eines Gegenschlusses, weil für dieses Ergebnis bei den genannten Rechtsformen jeweils ein gesetzlicher Anhaltspunkt vorhanden ist.613 Zwar mag es so sein, dass Wortlaut und Entstehungsgeschichte der §§ 33, 40 BGB nicht über dem „Gebot der Gleichbehandlung des Gleichartigen“ stehen, so dass Wertungswidersprüche zumindest dann zu beseitigen sind, wenn sie der Gesetzgeber nicht bewusst in Kauf genommen hat.614 Jedenfalls kann man aber letzteres nicht einfach voraussetzen, sondern benötigt dafür belastbare Anhaltspunkte, an denen es angesichts des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte aber gerade 608 Unter Berufung darauf gegen die Disposivität der Satzungsänderungskompetenz Kohler, Regelungen, S. 95; s.a. Flume, Jur. Person, § 7 I (189 ff.); ders., JZ 1992, 238, 240. 609  s. bereits näher oben, § 7.A.II. 610  s. o., § 3 B.III.2.b) und V. 611  Vgl. MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 20; Erstreckung eines auf dieser Basis entwickelten verbandsrechtlichen Grundsatzes auch auf den Verein – allerdings thematisiert nur unter dem speziellen Gesichtspunkt des Dritteinflusses – bei Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 94 ff. 612  Nach dem Gesetzeswortlaut der §§ 179 AktG, 53 GmbHG, 16 GenG kann das Statut zwar noch „weitere“ bzw. „noch andere“ Erfordernisse vorsehen; dies bezieht sich nach ganz h.A. allerdings nur auf formelle Erschwerungen, nicht auf Zustimmungsrechte anderer Organe oder sogar Dritter: s. MünchKomm/Reuter § 33 Rn. 20 m.w.N.; a.A. Beuthien/ Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 467 ff. 613  Die Möglichkeit des Gegenschlusses betonend auch KG OLGZ 1974, 385, 389 f.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 341; von Hippel, Grundprobleme, S. 398. 614  So MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 21.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

fehlt.615 Aus diesem Grund lässt sich auch aus der gelegentlich für das Vereinsrecht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Reichsgerichts zur GmbH, wonach die Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht von der Zustimmung Dritter abhängig gemacht werden kann,616 nichts weiter herleiten. Sie findet ihre Berechtigung in § 53 Abs. 1 GmbHG, die die Satzungsänderungskompetenz in der GmbH zwingend in die Alleinzuständigkeit der Gesellschafterversammlung überweist und damit auch den weitergehenden Schluss trägt, dass sich Zustimmungsrechte Dritter damit nicht – auch nicht als „noch andere Erfordernisse“ i.S. von § 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG – vereinbaren lassen.617 b)  Die Kompetenz zur Auflösung des Vereins Im Gegenschluss zu § 40 BGB ergibt sich, dass die in § 41 BGB geregelte Befugnis, den Verein aufzulösen, der Mitgliederversammlung nicht genommen werden kann.618 Das dürfte wohl einhellig anerkannt sein. Umstritten ist lediglich, ob die Satzung eine konkurrierende Auflösungskompetenz eines anderen Vereinsorgans oder eines einzelnen Mitglieds im Wege eines Sonderrechts vorsehen kann.619 § 41 BGB schließt diese Möglichkeit seinem Wortlaut nach nicht aus.620 Auch die 615  Mit anderer Begründung MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 21: Rückschlüsse von den Vereinen des Handelsrechts verbieten sich deshalb, weil das Austrittsrecht des Mitglieds im traditionellen BGB-Verein tendenziell eine weitergehende „Marktkontrolle“ der Herrschaftsmacht garantiere, als vergleichsweise das Veräußerungsrecht des Aktionärs, GmbH-­ Gesellschafters oder das Austrittsrecht des Genossen. 616  s. RGZ 169, 65, 80 f. 617  So auch schon KG OLGZ 1974, 385, 389; a.A. Flume, Jur. Person, § 7 I 3 (S. 194 ff.); s.a. ders., JZ 1992, 238, 239 f., mit der Begründung, das Reichsgericht habe sich nicht auf § 53 Abs. 1 GmbHG, sondern auf die Stellung der Gesellschafterversammlung als „oberstes Organ“ der Gesellschaft gestützt; anders lasse sich auch nicht erklären, warum Zustimmungsrechte Dritter nicht als „noch andere Erfordernisse“ i.S. von § 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG gerechtfertigt werden könnten; dem folgend Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 94 ff. – Für das Vereinsrecht führt auch die Anknüpfung an die Vorstellung von der Mitgliederversammlung als oberstem Organ nicht weiter, weil sie im BGB eben gerade nicht als zwingendes Strukturprinzip durchgeführt ist. 618 Wohl unstreitig: s. Soergel/Hadding § 41 Rn. 3; Reichert, VereinsR, Rn. 3988; Münch­Komm/Arnold § 41 Rn. 13; Segna, Vorstandskontrolle, S. 342; Bamberger/Roth/ Schöpflin § 41 Rn. 29; RGRK/Steffen § 41 Rn. 2; Stöber/Otto, Vereinsrecht, Rn. 1120; Sauter/Schweyer/Waldner/Wörle-Himmel, Verein, Rn. 387; Erman/Westermann § 41 Rn. 6. 619  Bejahend etwa Gutachten KG DJ 1936, 1948; KG OLGZ 1968, 200, 206; Soergel/ Hadding § 41 Rn. 3; Erman/Westermann § 41 Rn. 6; a.A. etwa Flume, Jur. Person, § 7 I 3 (S. 197 f.); MünchKomm/Arnold § 41 Rn. 20; Segna, Vorstandskontrolle, S. 343, 359; z.T. wird die Möglichkeit einer zusätzlichen Auflösungskompetenz innerhalb des Vereins auch ganz durch die Frage überlagert, inwieweit Dritten bei der Auflösung eine eigenständige Kompetenz oder ein Zustimmungsrecht zugewiesen werden kann: s. Staudinger/Weick § 41 Rn. 5 f. 620  Sonst hätte es heißen müssen, „nur“ die Mitgliederversammlung könne über die Auflösung des Vereins beschließen: vgl. MünchKomm/Reuter § 41 Rn. 23.

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt kein gegenteiliges Urteil zu. Insoweit wird allerdings in der Literatur die Ansicht vertreten, aus den Protokollen ergebe sich, dass die 2. Kommission die Absicht verfolgt habe, eine der Rechtslage im Aktien- und Genossenschaftsrecht vergleichbare Regelung zu schaffen, wo es jeweils aber – angeblich – „seit jeher“ unstreitig sei, dass die Satzung keine parallelen Auflösungskompetenzen schaffen dürfe.621 Das überzeugt indes nicht. Die Protokolle enthalten zu § 41 BGB lediglich die lapidare Bemerkung, dass die aufgenommene Vorschrift sowohl Art. 242 Abs. 1 Nr. 2 HGB als auch § 76 Abs. 1 GenG entspreche.622 Schon das ist nur richtig, wenn man einen großzügigen Maßstab anlegt: Während es § 41 S. 2 BGB erlaubt, auch eine geringere Mehrheit vorzusehen, kann nach § 242 Abs. 1 Nr. 2 ADHGB 1884 der Gesellschaftsvertrag lediglich „außer dieser Mehrheit noch andere Erfordernisse aufstellen.“ Fast identisch ist auch § 76 Abs. 1 GenG 1889 formuliert. Um eine exakte Angleichung der Rechtslage kann es also gar nicht gehen. Ein sinnvolles Verständnis der angesprochenen Bemerkung erschließt sich denn auch auf andere Weise: Zu berücksichtigen ist nämlich der Umstand, dass die 1. Kommission, die sich noch ganz dem Konzessionssystem verpflichtet fühlte, im BGB noch nicht einmal ein Selbstauflösungsrecht des Vereins normieren wollte, um nicht dem Landesgesetzgeber vorzugreifen, der insoweit Genehmigungserfordernisse vorsehen könne.623 Davon rückt die 2. Kommission nun ab und insoweit, d.h. im Hinblick auf die generelle Zubilligung eines Selbstauflösungsrechts, besteht zweifellos auch ein Rechtsangleichungswille an das Aktien- und Genossenschaftsrecht. Dieser endet – wie dargelegt – aber schon bei Abänderbarkeit der aufgestellten Mehrheitserfordernisse und lässt sich erst recht nicht sinnvoll auf Rechtsfragen erstrecken, die weder in der beschlossenen Vorschrift noch in den in Bezug genommenen Regelungen ausdrücklich angesprochen werden. Hinzu kommt noch, dass die Rechtslage im Hinblick auf Auflösungskompetenzen anderer Organe bzw. einzelner Aktionäre im alten Aktienrecht auch keineswegs so eindeutig gewesen ist, wie das die geschilderte Ansicht nahelegt.624 Vor diesem Hintergrund sprechen die besseren Gründe dafür, ebenso wie bei der Satzungsänderungskompetenz auch bei der Einrichtung (paralleler) Auflösungskompetenzen Gestaltungsfreiheit zuzulassen.625 Ebenso wie den Kompetenztrans621 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 343; den dortigen Verweisen auf Hüffer, AktG, § 262 Rn. 12 u. K. Müller, GenG, § 78 Rn. 4a, lässt sich indes nichts dazu entnehmen, dass parallele Auflösungskompetenzen sei „jeher“ unstreitig als unzulässig anzusehen sein sollen. 622  s. Prot. II 1, S. 539; s.a. Prot. bei Mugdan, Bd. I, S. 627; gemeint sind § 242 ADHGB 1884 u. § 76 GenG 1889. 623 s. Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, AT Teilbd. 1, S. 176 (in Abweichung von Gebhards Vorentwurf); s. dazu auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 533 f. 624  Vielmehr ist zumindest im Aktienrecht die Möglichkeit anerkannt gewesen, auch einzelnen Aktionären ein Kündigungsrecht mit der Folge einzuräumen, dass diese die Auflösung der Gesellschaft als Sonderrecht erzwingen können: s. RG JW 1904, 44; Staub, 8. Aufl. 1906, § 292 Anm. 22. 625 Vgl. auch MünchKomm/Reuter (5. Aufl.) § 41 Rn. 82 – abweichend ders. in der Folgeauflage Rn. 25 sowie jetzt MünchKomm/Arnold § 41 Rn. 20; für Dispositivität der

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fer auf ein anderes Vereinsorgan kann die Mitgliederversammlung auch parallele Auflösungskompetenzen stets wieder rückgängig machen.626 Sie kann zudem eine auf Basis der konkurrierenden Kompetenz getroffene Auflösungsentscheidung durch einen Fortsetzungsbeschluss revidieren.627 6.  Die Einrichtung zusätzlicher Vereinsorgane Eine unter bestimmten Bedingungen bestehende Pflicht zur Einführung eines dritten Gesellschaftsorgans in Form eines Aufsichtsrats kennt das Vereinsrecht im Gegensatz zum GmbH-Recht nicht.628 Die Einführung zusätzlicher Gesellschaftsorgane findet im Verein daher allein auf fakultativer Basis statt. Das gilt auch, worauf sogleich noch gesondert einzugehen ist, für die Einrichtung von Delegiertenversammlungen in Großvereinen. a)  Umfassende Gestaltungsmöglichkeiten Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Einrichtung fakultativer Vereinsorgane sind ausgesprochen vielfältig. Für die hier verfolgten Zwecke genügt zunächst der allgemeine Hinweis, dass für die Kompetenzausstattung dieser Organe im Prinzip die gleichen Grenzen gelten, die für die Kompetenzverlagerung zwischen Vorstand und Mitgliederversammlung dargelegt worden sind. Ihnen können grundsätzlich weder zwingende Kompetenzen der Mitgliederversammlung noch des Vorstands zugewiesen werden. Soweit es um den Transfer von Kompetenzen der Mitgliederversammlung und insoweit zwingende Rückholrechte zu beachten sind, gilt das selbstverständlich auch im Verhältnis zu diesen fakultativen Organen. Im Übrigen herrscht grundsätzlich Gestaltungsfreiheit. b)  Im Besonderen: Einrichtung einer Delegiertenversammlung Die Praxis kennt zahlreiche Vereine, deren Satzung eine Delegiertenversammlung vorsieht.629 Auch in Literatur und Rechtsprechung wird die Möglichkeit, eine Delegiertenversammlung einzurichten, jedenfalls im Prinzip nirgends bestritten.630 Gleichwohl verbinden sich mit der Delegiertenversammlung einige Sonderfragen. Satzungsänderungskompetenz einerseits, Verbot alternativer Auflösungskompetenzen andererseits Segna, Vorstandskontrolle, S. 339 ff. und 342 ff. 626  s. MünchKomm/Reuter (5. Aufl.) § 41 Rn. 83. 627  s. MünchKomm/Reuter (5. Aufl.) § 41 Rn. 83; zu den Grenzen dieser Möglichkeit in den Fällen des § 46 BGB s. Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 120. 628  Zur Diskussion de lege ferenda s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 428. 629  s. für praktische Beispiele Reichert, VereinsR, Rn. 5748 f. 630  s. näher OLG Frankfurt, ZIP 1985, 213; Soergel/Hadding § 32 Rn. 3; Reichert, VereinsR, Rn. 1172, 5743 ff. (auch zur praktischen Verbreitung); differenzierend MünchKomm/ Arnold § 32 Rn. 2 ff.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 285 ff.; RGRK/Steffen § 32 Rn. 3; Stöber/Otto, Vereinsrecht, Rn. 766; Staudinger/Weick § 32 Rn. 6.

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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Insbesondere soll hier der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit nur eingeschränkt gelten. So wird einerseits vertreten, ihre Einrichtung entsprechend § 43a GenG nur dann zuzulassen, wenn die Mitgliederzahl des Vereins 1500 übersteigt.631 Andererseits wird unter Anknüpfung an § 43a GenG a.F. vertreten, dass ab einer Mitgliederzahl von 3000 Personen grundsätzlich zwingend eine Delegiertenversammlung eingerichtet werden müsse.632 Beide Auffassungen sind jedoch als zu restriktiv abzulehnen. Für die zwingende Einführung einer Delegiertenversammlung gilt dies schon deswegen, weil die Analogiebasis mit der Aufhebung von § 43a Abs. 1 S. 1 GenG a.F. entfallen ist.633 Davon abgesehen war auch die Vorschrift des § 43a Abs. 1 S. 1 GenG a.F. als Analogiebasis nicht ausreichend, wenn man sie im verbandsrechtlichen Kontext betrachtet: Denn wenn selbst Rechtsformen wie der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und die Aktiengesellschaft, bei denen hohe Mitgliederzahlen gleichfalls verbreitet vorkommen, auf eine obligatorische Delegiertenversammlung verzichten (VVaG, vgl. § 29 VAG) oder diese noch nicht einmal fakultativ zulassen (AG), kann für den Verein, den der Gesetzgeber als flexibelste Rechtsform ausgelegt und von zwingendem Recht nahezu vollständig freigehalten hat, nichts anderes gelten. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers – möglichst weitreichende Flexibilität bei der Satzungsgestaltung – wird auch unterlaufen, soweit analog § 43a Abs. 1 S. 1 GenG die Einrichtung einer Delegiertenversammlung erst ab einer Mindestzahl 1.500 Personen möglich sein soll. Diese recht formalistisch angelegte Beschränkung der Gestaltungsfreiheit mag in das Genossenschaftsrecht passen, das ähnlich wie das Aktienrecht die Binnenorganisation relativ feingliedrig durchregelt und diese Regelungen in weitem Umfang mit zwingenden Geltungsanspruch ausstattet. In das Vereinsrecht lässt sie sich jedoch nicht ohne Wertungswidersprüche übertragen und bleibt deswegen ein Fremdkörper. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich auch das Genossenschaftsrecht mit der Festlegung einer fixen Grenze stets schwer getan und die Mindestzahl mehrfach nach unten korrigiert hat.634 Warum nun die Zahl von 1.500 Mitgliedern der Weisheit letzter Schluss und sachgerechter als eine individuell angepasste Lösung sein soll, ist nicht ersicht-

631 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 289 f.; s.a. Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 62 unter Bezugnahme auf § 43a GenG a.F.; s.a. MünchKomm/Arnold § 32 Rn. 4: § 43a GenG soll zumindest als „Richtschnur“ gelten. 632  So MünchKomm/Arnold § 32 Rn. 5 f., der daraus die für die Praxis ausgesprochen weitreichende Konsequenz zieht, dass alle gleichwohl durch die Mitgliederversammlung – also nach der Auffassung Arnold durch das unzuständige Organ – gefassten Beschlüsse analog § 241 Nr. 4 AktG nichtig sein sollen. 633 s.a. Segna, Vorstandskontrolle, S. 292; statt eines Analogieschlusses nunmehr auf den Rechtsgedanken von § 43 a Abs. 1 S. 1 GenG a.F. zurückgreifend MünchKomm/Arnold § 32 Rn. 6. 634 s. Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 43a Rn. 2.

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lich.635 Schließlich enthält sich auch das VAG für den VVaG zwingender Vorgaben für die Einrichtung einer Mitgliederversammlung. Vor diesem Hintergrund ist für eine Analogie zu § 43a Abs. 1 GenG im Vereinsrecht kein Raum. Im Übrigen gelten für die Einrichtung einer Delegiertenversammlung die gleichen Grenzen wie für die Einrichtung fakultativer Vereinsorgane und den Kompetenztransfer auf diese.636 Dies bedeutet, dass die Kompetenzen der Mitgliederversammlung grundsätzlich sämtlich auf die Delegiertenversammlung verlagert werden können, der Mitgliederversammlung aber stets zwingend das Recht verbleibt, den Kompetenztransfer zu revidieren.637 Die Mitgliederversammlung wird durch die Generalversammlung also keineswegs vollständig verdrängt.638 Deswegen kann der Delegiertenversammlung mit Rücksicht auf § 41 BGB auch eine Auflösungskompetenz nur als Parallelkompetenz eingeräumt werden.

II.  Gestaltbarkeit der Zuständigkeitsordnung bei ungewöhnlichen Maßnahmen und Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen Die vereinsinterne Zuständigkeitsordnung ist sowohl hinsichtlich der Einbeziehungserfordernisse bei ungewöhnlichen Maßnahmen als auch hinsichtlich der Zuständigkeiten nach der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin durch die Satzung gestaltbar. 1.  Einbeziehungserfordernisse bei ungewöhnlichen Maßnahmen Die Satzungsdispositivität der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen versteht sich von selbst, wenn man sie wie die vorliegende Arbeit auf die latente Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung und das damit einhergehende Weisungsrecht zurückführt.639 Denn es ist ohne weiteres möglich, der Mitgliederversammlung Entscheidungszuständigkeiten im Bereich der Geschäftsführung ganz 635 Auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 290, möchte zumindest für Vereine mit großer räumlicher Ausdehnung eine Ausnahme zulassen; die Vereinsmitglieder können aber auch in einer Vielzahl von anderen Situationen ihre Gründe dafür haben, auch schon unterhalb der Grenze von 1500 Mitgliedern eine Vertreterversammlung einzurichten; die Entscheidung muss daher grundsätzlich ihrer privatautonomen Entscheidung überlassen bleiben. 636  Im Grundsatz auch MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 18. 637  s. insoweit auch MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 18 (mit einer Ausnahme für die Fälle, in denen nach seiner Auffassung zwingend eine Mitgliederversammlung einzurichten sein soll); Säcker, Repräsentation, S. 66; Segna, Vorstandskontrolle, S. 342. 638  Dies entspricht seit 2006 auch der Rechtslage im Genossenschaftsrecht, vgl. § 43a Abs. 7 GenG und dazu Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 43a Rn. 4, 28. 639  Schwieriger ist dieses Ergebnis zu begründen, wenn man unmittelbar aus § 36 Fall 2 BGB eine Vorlagepflicht für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen herleiten will, weil das Gesetz diese Norm nicht dispositiv ausgestaltet hat (vgl. § 40 BGB); für eine zwingende Zuständigkeit der Mitgliederversammlung daher Segna, Vorstandskontrolle, S. 157 f.; s. dagegen bereits oben, § 7 B.I.2.c)bb).

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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zu entziehen und sie allein der eigenverantwortlichen Wahrnehmung durch den Vorstand zuzuweisen.640 Den gleichen Effekt wie die Zuweisung einzelner Kompetenzen zur weisungsfreien Wahrnehmung hat es, wenn der Vorstand bei der Geschäftsführung des Vereins in Anlehnung an § 76 AktG generell weisungsfrei gestellt wird:641 Soweit das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung ausgeschlossen ist, besteht auch keine Basis für die Annahme, es müsse durch eine Vorlagepflicht abgesichert werden. Insoweit ist für den Verein nicht anders zu entscheiden als für die GmbH.642 2.  Mitwirkungsrechte auf Basis der Holzmüller/Gelatine-Doktrin a)  Zuständigkeit der Mitgliederversammlung Die Frage, ob auch die Mitwirkungsrechte auf der Grundlage der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin durch die Satzung einem anderen Organ zugewiesen werden können, hängt entscheidend davon ab, welchen Standpunkt man zu der Frage einnimmt, inwieweit die Satzungsänderungskompetenz im Vereinsrecht einem anderen Organ als der Mitgliederversammlung zugewiesen werden kann. Hält man dies – wie vorstehend dargelegt – grundsätzlich für möglich, dann muss es auch möglich sein, die Mitgliederversammlungszuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin einem anderen Organ – und konkret: auch dem Vorstand – zuzuweisen. Denn kann die Zuständigkeit für Satzungsänderungen auf ein anderes Vereinsorgan verlagert werden, solange die Mitgliederversammlung nur in der Lage ist, diese Änderung wieder rückgängig zu machen, wird man dies für die Mitgliederversammlungszuständigkeit nach Holzmüller/Gelatine-Doktrin kaum anders entscheiden können.643 Anlass für Zweifel an diesem Ergebnis könnte sich allenfalls daraus ergeben, dass Normen, die neben § 33 BGB im Rahmen der hier befürworteten Gesamtanalogie herangezogen worden sind, zwingenden Charakter haben. Dabei ist jedoch zu differenzieren: Der Rückgriff auf § 41 BGB begründet insofern von Vornherein kein Hindernis, weil die Auflösungskompetenz der Mitgliederversammlung zwar nicht entzogen werden kann, eine parallele Kompetenz eines anderen Organs aber durchaus zulässt.644 Diese Norm lässt sich als Argument gegen eine durch die Satzung eingeräumte Holzmüller/Gelatine-Kompetenz des Vereinsvorstands also 640 

s. nur Staudinger/Weick § 27 Rn. 25.

641 A.A. Segna, Vorstandskontrolle, S. ; ders., ZIP 1997, 1901, 1908; s. dazu bereits oben,

§ 7 B.I.2.c)bb). 642  s. zur GmbH bereits oben, § 6 G.I.1. 643  So auch Münchkomm/Arnold § 27 Rn. 40; ähnlich auch Heermann, ZIP 1998, 1249, 1254; Schießl. Ausgliederung, S. 84 f.; a.A. – für zwingende Zuständigkeit der Mitgliederversammlung – Segna, Vorstandskontrolle, S. 157 f.; ders., ZIP 1997, 1901, 1909; Sprengel, Vereinskonzernrecht, S. 246 ff.; Terner, Vereinsklassenabgrenzung, S. 75 ff.; ders., NJW 2008, 16, 19 f. 644  s. o., § 2 C.I.5.b).

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nicht in Beschlag nehmen. Mehr Widerstand leisten die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes, weil diese ausweislich § 1 Abs. 3 UmwG grundsätzlich zwingender Natur sind. Bereits im unmittelbaren Anwendungsbereich des Umwandlungsgesetzes gerät dessen zwingender Charakter aber mit dem für das Vereinsrecht prägenden Grundsatz der Dispositivität in Konflikt, soweit es nämlich um die Frage geht, ob die Zuständigkeiten, die nach dem UmwG der Mitgliederversammlung zukommen, auch von einer durch die Satzung eingerichteten Delegiertenversammlung wahrgenommen werden können. Dies wird – soweit ersichtlich – wohl allgemein für zulässig gehalten.645 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Rückgriff auf die im Rahmen der Gesamtanalogie herangezogenen Normen ohnehin – auch schon im Aktien- und GmbH-Recht – mit nicht unerheblichen Abstrichen einhergeht. Dies gilt für die Frage der Außenwirkung ebenso wie für die tatbestandlichen Voraussetzungen. Dies zeigt sich gerade auch anhand der Vorschriften des Umwandlungsgesetzes, die das Erfordernis einer qualifizierten Zustimmung des Mitgliederorgans für ein Ausgliederungsvorhaben noch nicht einmal unter einen Bagatellvorbehalt stellen, mit dieser Wertung aber weder im Aktien- noch im GmbH-Recht in die inhaltliche Ausgestaltung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin eingehen. Konsequenter Weise darf daher auch im Vereinsrecht der ergänzende Rückgriff auf Vorschriften anderer Gesetze nicht dazu führen, dass grundlegende vereinsrechtliche Wertungen wie die weitgehende Dispositivität der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung überspielt werden. Ähnliche Erwägungen gelten auch, soweit im Rahmen der Gesamtanalogie ergänzend auf §§ 179a, 293 Abs. 2 AktG zurückgegriffen wird. Hier hat sich gezeigt, dass schon ihre Anwendung im Wege der Einzelanalogie auf Gesamtvermögensgeschäfte und den Abschluss von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen im Verein ein differenziertes Vorgehen erfordert, und die Rechtsfolge eines zwingend mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Beschlusses der Mitgliederversammlung nach dem Maßstab der im Vereinsrecht für die Satzungsänderung getroffenen Vorgaben zu modifizieren.646 Diese differenzierende Lösung muss nun noch um einen Schritt erweitert werden, wenn man wie hier die Auffassung vertritt, dass § 33 BGB nicht nur hinsichtlich der erforderlichen Mehrheit, sondern auch hinsichtlich des für die Entscheidung zuständigen Organs einer abweichenden Satzungsregelung zugänglich ist. Unterliegen §§ 179a AktG und 293 Abs. 2 AktG aber schon in ihrem unmittelbaren (analogen) Anwendungsbereich nicht unerheblichen Anpassungen an die vereinsrechtliche Rechtslage, kann auch dann sinnvoller Weise nichts anderes gelten, wenn sie im Rahmen einer Gesamtanalogie zur normativen Absicherung einer ungeschriebenen Grundlagenzuständigkeit für mediatisierende Maßnahmen herangezogen werden. 645  Vgl. etwa LG Frankenthal RNotZ 2007, 478 (mit Anm. Terner); Semler/Stengel/Katschinski, UmwG, § 103 Rn. 4; Hager, RNotZ 2011, 565, 579; Heidinger/Limmer/Holland/ Reul, Gutachten, S. 189, 192 ff.; Hennrichs, in: Lutter, UmwG, § 103 Rn. 5; MünchKomm/ Reuter (5. Aufl.) § 41 Rn. 38. 646  s. dazu bereits oben, § 7.A.III.1.c) (insbesondere unter aa)).

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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b)  Qualifiziertes Mehrheitserfordernis Selbst wenn man im Hinblick auf die Dispositivität der Satzungsänderungszuständigkeit nicht der hier vertretenen Ansicht folgt, müsste man doch jedenfalls im Hinblick auf die für Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen grundsätzlich erforderliche Mehrheit eine abweichende Satzungsgestaltung zulassen. Denn dass § 33 BGB durch § 40 BGB zumindest insoweit für abdingbar erklärt wird,647 dürfte wohl nirgends ernsthaft bestritten werden. Gleiches muss dann erst recht für satzungsnahe Maßnahmen gelten, die nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fallen. 3.  Besonderheiten bei Gruppenleitungsmaßnahmen? Die vorstehend dargelegten Gestaltungsmöglichkeiten gelten ungeachtet der Frage, ob die konkret in Rede stehende Maßnahme den Gruppenbildungs- oder den Gruppenleitungsmaßnahmen zuzurechnen ist. Soweit es um die Kompetenzen der Mitgliederversammlung geht, die unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin bestehen, ist die Begründung hinsichtlich der Gruppenleitungsmaßnahmen noch etwas näher zu konkretisieren. Bereits für das GmbH-Recht war festzustellen, dass die Abdingbarkeit der Kompetenzen im Bereich der Gruppenleitung insoweit einer gesonderten Beurteilung bedarf.648 Anders als der breitflächig wirkende primäre Mediatisierungseffekt, der mit Maßnahmen der Gruppen­ (fort)bildung einhergeht,649 verwirklicht sich der weitere Mediatisierungseffekt, der bei GmbH und Verein mit Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung einhergehen kann, im Wesentlichen in der mittelbaren Verkürzung des Weisungsrechts der Gesellschafter- oder Mitgliederversammlung. Maßnahmen, die die Möglichkeit reduzieren, über dieses Weisungsrecht auf die Verwaltung der Untergesellschaft Einfluss zu nehmen, verkürzen die Rechte des Mitgliederorgans im Hinblick auf die Verwaltung des bereits mediatisierten Vermögens auf eine ähnliche Weise, wie dies auch eine entsprechende Änderung des Statuts (Ausschluss der Weisungsbefugnis – Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung) zur Folge haben würde. Dies rechtfertigt es, auch solche Maßnahmen bei einem entsprechenden quantitativen Gewicht nur auf der Grundlage eines qualifizierten Beschlusses des Mitgliederorgans zuzulassen. Zugleich ist schon damit eine Grundlage für die Abdingbarkeit dieses Zustimmungserfordernisses gelegt: es entfällt mit dem (allgemeinen) Weisungsrecht des Mitgliederorgans. Gestaltet die Satzung also die Stellung des Vorstands in Anlehnung an die Kompetenzordnung des Aktienrechts und nimmt sie damit der Mitgliederversammlung latente Allzuständigkeit und Weisungs647 

heit.

Gleiches gilt nach § 41 S. 2 auch für die Auflösungsentscheidung erforderliche Mehr-

648 

s. o., § 6 G.I.3. zur in dieser Arbeit verfolgten Abgrenzung zwischen Maßnahmen der Gruppen­ (fort)bildung und der Gruppenleitung oben, § 7 B.II.1.b)aa), sowie bereits § 5 E.VI.2.a) (AG) und § 6 F.II.2. (GmbH). 649  s.

§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

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recht, dann lässt sich für den Verein ebenso wie schon für die AG sagen, dass die entscheidende Strukturänderung bereits mit der primären Mediatisierung durch Maßnahmen der Gruppen(fort)bildung abgeschlossen ist. Es fehlt dann der entscheidende Ansatzpunkt dafür, dass sich Maßnahmen der Gruppenleitung- bzw. Beteiligungsverwaltung noch weiter rechtsverkürzend auswirken können. Auf die umstrittene Frage, inwieweit man § 33 BGB für dispositiv hält, kommt es insoweit also gar nicht mehr an. Dies ändert sich, soweit es um die Frage geht, ob dem Vorstand auch dann, wenn ihm die Satzung die Geschäftsführung nicht zur eigenverantwortlichen Leitung zuweist, Kompetenz für solche Gruppenleitungsmaßnahmen eingeräumt werden kann, für die nach der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin eine ungeschriebene Zuständigkeit zu bejahen ist. Für das GmbH-Recht musste diese Frage verneint werden.650 Maßgeblich war dafür der Gesichtspunkt, dass sich die Gesellschafterversammlung zwar ihrer Allzuständigkeit und des damit einhergehenden Weisungsrechts durch Satzungsänderung begeben und damit den Ansatzpunkt für einen weiteren Mediatisierungseffekt und darauf aufbauende Zuständigkeiten beseitigen kann, dass sie aber aufgrund der Wertung des § 53 ­GmbHG Maßnahmen, die ohne eine solche Gestaltung des Gesellschaftsvertrages als satzungsnah einzuordnen und einem qualifizierten Mehrheitserfordernis zu unterwerfen sind, nicht einfach pauschal in die Zuständigkeit eines anderen Organs überantworten kann.651 Für den Verein fehlt es dagegen nach hier vertretener Ansicht an einem § 53 GmbHG vergleichbaren Wertungsanker, weil § 33 BGB auch im Hinblick auf die Satzungsänderungskompetenz einer abweichenden Regelung durch die Satzung zugänglich ist. Deswegen muss es für das Vereinsrecht anders als für das GmbH-Recht auch möglich sein, die Kompetenz für unter die Holzmüller/Gelatine-Doktrin fallende Gruppenleitungsmaßnahmen pauschal in die Hand des Vereinsvorstands zu legen. 4. Zwischenergebnis Im Ergebnis lässt sich damit festzuhalten: Der das Vereinsrecht prägende Grundsatz der Gestaltungsfreiheit im Innenverhältnis setzt sich auch bei Maßnahmen der Gruppenbildung und -leitung durch. Dies gilt, unabhängig davon, ob diese nur als ungewöhnliche Maßnahmen zu erfassen sind, oder ob darüber hinaus auch eine Entscheidungszuständigkeit nach der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin in Betracht kommt. Im Hinblick auf den letztgenannten Umstand weicht die Rechtslage im Vereinsrecht von derjenigen im GmbH- und Aktienrecht entscheidend ab.

650  651 

s. o., § 6 G.I.3. s. o., § 6 G.I.3.

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

621

III.  Die Auslegung der Vereinssatzung Die Satzungsautonomie steht in unmittelbarer Verbindung mit einer weiteren Problemebene, weil die Wahrnehmung der dadurch eingeräumten Gestaltungsfreiheit durch die Satzung in der Praxis nicht selten zu Auslegungsfragen führen wird. Dies berührt einen nachgeordneten, praktisch aber gleichwohl wichtigen Fragenkreis, der angesichts der Vielfalt der praktisch denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten allerdings nur exemplarisch vertieft werden kann (dazu noch nachfolgend im Abschnitt D.). An dieser Stelle sind daher allein die allgemeinen Voraussetzungen zu skizzieren, die für die Auslegung einer Vereinssatzung Geltung beanspruchen (1.). In diesem Zusammenhang ist auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, die von einigen Stimmen in der Literatur in einen Zusammenhang mit dem personengesellschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz gestellt wird (2.). 1.  Allgemeine Grundsätze der Satzungsauslegung In die Beantwortung der Frage, nach welchen Grundsätzen Vereinssatzungen auszulegen sind, spielt jedenfalls hinsichtlich der Begründung die seit langem umstrittene Frage nach der Rechtsnatur der Satzung hinein. Aber ungeachtet dessen, ob nun die Rechtsnatur der Satzung mit der Vertragstheorie,652 der Normentheorie653 oder der sog. „modifizierten Normentheorie“654 zu erklären ist,655 herrscht über das Ergebnis, wenn man von Randbereichen einmal absieht, doch im Wesentlichen Einigkeit: Für die Auslegung der Satzung gilt grundsätzlich ein objektiver Maßstab.656 Für die Vertreter der Normentheorie ergibt sich dies daraus, dass die Satzung ein auf die Privatautonomie gegründetes „objektives Gesetz ist, das durch schöpferischen Gesamtakt entsteht und sich den Mitgliedern vom Erwerb der Mitgliedschaft an verpflichtend auferlegt“ und dementsprechend die Anwendung der

652 s. Flume, Jur. Person, § 9 I (S. 315 ff.); Grunewald, GesR, § 8 Rn. 15; Soergel/Hadding § 25 Rn. 17 (m.N. auch der älteren Lit.); Lutter, AcP 180 (1980), 84, 95 ff.; Staudinger/ Weick Vor § 21 ff. Rn. 38, 48; Erman/Westermann § 25 Rn. 12; Wiedemann, GesR I, § 3 II 1 b (S. 160 ff.); Larenz/Wolf, BGB AT, § 10 Rn. 11. 653  s. aus jüngerer Zeit vor allem MünchKomm/Reuter § 25 Rn. 17 ff.; daneben auch Bamberger/Roth/Schöpflin § 25 Rn. 10; vgl. für weitere Nachweise dieser Ansicht noch die Angaben bei Soergel/Hadding § 25 Rn. 15 mit Fn. 62. 654  So die Qualifikation der Rechtsprechung durch Reuter, a.a.O. (vorige Fn.) unter Verweis auf RGZ 165, 140, 143; BGHZ 21, 370, 373 ff.; 47, 172, 179 f.; abweichend Erman/ Westermann § 25 Rn. 2: „BGH hat sich insoweit nicht festgelegt“; der „modifizierten Normentheorie“ i.S. Reuters zuneigend auch K. Schmidt, GesR, § 5 I 1 c (S. 77 f.). 655  Die Nomenklatur folgt MünchKomm/Reuter § 25 Rn. 17; daran anschließend auch K. Schmidt, GesR, § 5 I 1 c (S. 165 ff.). 656  Gegen Überbetonung der Konsequenzen des Streits Vertrags- und Normentheorie für die Satzungsauslegung auch Flume, Jur. Person, § 9 I (S. 320).

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

für die Gesetzesauslegung geltenden Grundsätze bedingt.657 Zu weitgehend gleichen Ergebnissen gelangt aber auch die Vertragstheorie, obwohl sie zutreffend den rechtsgeschäftlichen Charakter der Satzung betont und dementsprechend den Ausgangspunkt der Auslegung bei den §§ 133, 157 BGB sucht.658 Diese werden allerdings mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Satzung zur Anwendung gebracht. Insbesondere ist danach dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Regelungen der Satzung typischerweise darauf abzielen, eine dauerhafte, auf eine Vielzahl von Mitgliedern angelegte und von deren Wechsel unabhängige Organisation zu etablieren.659 Vor diesem Hintergrund sind Satzungsregelungen grundsätzlich so auszulegen, wie sie von dem „vielgliedrigen Empfängerhorizont“ aus zu verstehen sind, auf den sie ausgerichtet sind, während für die Berücksichtigung der individuellen Vorstellungen der Vereinsgründer oder der an einer Satzungsänderung beteiligten Mitglieder regelmäßig kein Raum besteht.660 Denn nur auf diese Weise lässt sich die angestrebte organisationsrechtliche Wirkung der Satzung sinnvoll verwirklichen. In Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre bleibt also die Ermittlung des Parteiwillens (d.h. des Gründer- bzw. Mitgliederwillens) das Ziel der Auslegung, nur richtet sich dieser eben typischerweise auf die Ausbildung von Regelungen, die hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und Funktionsweise (abstrakt-generelle Regelungen, die sich an einen unbestimmten, nur über die Mitgliedschaft im Verein bestimmbaren Personenkreis richten) die gleichen Eigenschaften wie Rechtsnormen aufweisen sollen und deswegen jedenfalls i.d.R. auch wie solche ausgelegt werden müssen.661 Trotz dieser strukturellen Verwandtschaft zur Rechtsnorm wird die Satzung aber nicht zu einer solchen, weil sie anders als jene ihren Geltungsgrund in privatautonomen Willensakten der Mitglieder findet und deswegen ein Rechtsgeschäft darstellt.662 Aus diesem Grund muss es auch ausgeschlossen bleiben, unmittelbar auf die für Rechtsnormen geltenden Auslegungsgrundsätze zurückzugreifen, weil damit die für alle Rechtsgeschäfte angeordnete Geltung der §§ 105 ff. pauschal übergangen würde.663 Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Zu folgen ist weder der Normentheorie noch der 657 

s. etwa MünchKomm/Reuter § 25 Rn. 17 m.w.N. Grunewald, GesR, § 8 Rn. 15; dies., ZGR 1995, 68, 82; Soergel/Hadding § 25 Rn. 32; Erman/Westermann § 25 Rn. 12; Wiedemann, GesR I, § 3 II 1 (S. 166). 659  s. näher Grunewald, GesR, 2 A II 2 c (S. 191 f.); Soergel/Hadding § 25 Rn. 32; Lutter, AcP 180 (1984), 84, 95 f.; Wiedemann, GesR I, § 3 II 2 (S. 165 ff.). 660 s. Wiedemann, GesR I, § 3 II 2 (S. 168). 661  Auf diese partielle Verwandtschaft zwischen Rechtsnorm und Satzung hinweisend Wiedemann, GesR I, § 3 II 1 (S. 161 f.); insoweit zustimmend auch K. Schmidt, GesR, § 5 I 1 c (S. 77 f.); s. zum Zusammenhang zwischen Gründerwillen und objektiver Auslegung auch Flume, Jur. Person, § 9 I (S. 320); Soergel/Hadding § 25 Rn. 32. 662 s. Wiedemann, GesR I, § 3 II 1 (S. 162 f.); insoweit zustimmend auch K. Schmidt, GesR, § 5 I 1 (S. 77 f.). 663 s. Wiedemann, GesR I, § 3 II 1 (S. 163); über diesen Punkt gelangt man auch dann nicht hinweg, wenn man betont, auch die Normentheorie sei ein rechtsgeschäftlicher Ansatz, weil sie die Verbindlichkeit der „rechtsgeschäftlichen Vereinsgesetze“ von der „rechts658 s.

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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modifizierten Normentheorie,664 sondern der Vertragstheorie. Auch nach dieser ist der Satzungsinhalt aber regelmäßig objektiv, d.h. aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie dem Gesamtzusammenhang der Regelung zu bestimmen.665 2.  Vereinsrechtliche Parallelen zum personengesellschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz? In einem Urteil aus dem Jahr 1985 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Regelung in der Vereinssatzung über die für Satzungsänderungen erforderliche Mehrheit nicht auch für Änderungen des Vereinszwecks (im restriktiv zu verstehenden Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB666) gilt, wenn sich dies nicht eindeutig aus der Satzung ergibt.667 Aus dieser Entscheidung wird gelegentlich hergeleitet, der Bundesgerichtshof habe den personengesellschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz in das Vereinsrecht rezipiert.668 Eine solche Annahme war allerdings schon fernliegend, bevor die Rechtsprechung den Bestimmtheitsgrundsatz im Personengesellschaftsrecht aufgegeben hat.669 Abgesehen von der Vielzahl von Zweifelsfragen, die sich mit dem Bestimmtheitsgrundsatz verbanden,670 sprach gegen eine Übertragung auf den Verein vor allem, dass der Bundesgerichtshof auch im Personengesellschaftsrecht von einer Anwendung auf Publikumsgesellschaften absah.671 Die dem angesprochenen Urteil zugrunde liegende Problematik lässt sich denn auch ohne Rückgriff auf personengesellschaftsrechtliche Grundsätze angemessen bewältigen.672 Der Bundesgerichtshof hatte sich in dieser Entscheidung der Frage zu stellen, ob sich eine Satzungsklausel, die bestimmte, dass „Änderungen und geschäftlich begründeten Mitgliedschaft“ abhängig mache: so MünchKomm/Reuter § 25 Rn. 19. 664  Letztere betont zwar zutreffend die rechtsgeschäftliche Qualität der Satzungserrichtung, kann dann aber keine nachvollziehbare Begründung dafür liefern, wie die „Metamorphose der Satzungsvorschriften vom Vertragsinhalt in Normen“ von statten geht: insoweit zutreffend MünchKomm/Reuter § 25 Rn. 21. 665  So etwa auch Soergel/Hadding § 25 Rn. 32. 666  s. dazu bereits oben, § 7 A.IV.1.a. 667  s. BGHZ 96, 245 = NJW 1986, 1033. 668 s. Häuser/van Look, ZIP 1986, 749, 753; wohl auch Soergel/Hadding § 33 Rn. 12; einschränkend bis ablehnend Grunewald, GesR, § 8 Rn. 51 mit Fn. 20; Reuter, ZGR 1987, 475, 485 ff.; MünchKomm/Arnold § 33 Rn. 24. 669  BGH NZG 2014, 1269; vgl. bereits zuvor BGH NZG 2007, 259 (OTTO), insoweit allerdings noch mit gewissen Ambivalenzen (vgl. etwa Staub/Schäfer, HGB, § 119 Rn. 36 einerseits und Holler, DB 2008, 2067, 2070 andererseits); BGH NZG 2009, 183; BGH NZG 2009, 862, 863. 670  s. übersichtsweise etwa Goette, in: FS Sigle, S. 145, 152 f., K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 208 f.; MünchKomm/Ulmer/Schäfer § 709 Rn. 87 f. 671  s. BGHZ 66, 82, 85 f.; 69, 160, 165 f.; 85, 356 f. 672 s.a. Reuter, ZGR 1987, 475, 484.

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Ergänzungen der Satzung nur mit einer 2/3-Mehrheit aller anwesenden Mitglieder“ beschlossen werden können, auch auf Zweckänderungen i.S. des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB bezieht. Die von der Satzung gewählte Formulierung ist insoweit zwar nicht ganz eindeutig. Denn Zweckänderungen sind lediglich speziell gelagerte Fälle der Satzungsänderung, so dass die Klausel ihrem Wortlaut nach auch auf sie anzuwenden sein könnte.673 Andererseits stellt das Gesetz selbst in § 33 Abs. 1 S. 2 BGB die Zweckänderung der schlichten Satzungsänderung als eine selbständig (und abweichend) geregelte Konstellation gegenüber. Im Rahmen der gebotenen objektiven Auslegung gewinnt die gesetzlich verwendete Terminologie aber entscheidendes Gewicht: Verwendet die Satzung einen bestimmten Begriff, der auch im Gesetz selbst Verwendung findet, kann er im Zweifel nur so verstanden werden, wie ihn auch die gesetzliche Regelung versteht, weswegen der Begriff der Satzungsänderung vorliegend (nur) in dem von § 33 Abs. 1 S. 1 BGB zugrunde gelegten Sinn verstehen war. Dies trägt zugleich dem Schutzanliegen des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB und der damit einhergehenden Differenzierung von regulärer Satzungsänderung und Zweckänderung in hinreichendem Umfang Rechnung.674 3. Einzelfragen Von den vorstehenden Ausführungen abgesehen können Vereinssatzungen je nach ihrer konkreten Ausgestaltung eine Vielzahl von Auslegungsfragen aufwerfen. Diese können nicht sinnvoll abstrakt behandelt werden. Auf verschiedene Einzelheiten aber wird in Abschnitt D. anhand konkreter Beispiele zurückzukommen sein.

IV.  Ergebnisse zu Abschnitt C. 1. Das Vereinsrecht des BGB ist hinsichtlich der Kompetenzverteilung im Innenverhältnis durch denkbar weitgehende Gestaltungsspielräume geprägt. 673 Dem entspricht, dass bei anderen Körperschaften auf Änderungen des Verbandszwecks grundsätzlich die Vorschriften zur Anwendung gelangen, die auch für sonstige Satzungsänderungen gelten: s. Flume, Jur. Person, § 8 I (S. 264); Wiedemann, GesR I, § 3 I 3 (S. 156 f.); die Frage ist aber str.; die Gegenansicht (z. B. Soergel/Hadding § 33 Rn. 2; K. Schmidt, GesR, § 4 II 3 a (S. 65)) will § 33 Abs. 1 S. 2 BGB auch bei anderen Körperschaften zur Anwendung gelangen lassen, weil darin ein Grundsatz des allgemeinen Verbandsrechts zum Ausdruck komme; doch passt das nicht recht zu der Disposivität dieser Norm und ist auch damit nicht zu vereinbaren, dass auch andere Zweckänderungen wie Liquidationsbeschlüsse oder die Zustimmung zu Beherrschungsverträgen mit satzungsändernder Mehrheit beschlossen werden können (s. näher Wiedemann, a.a.O.). 674  Etwas anders verläuft die Argumentation des Bundesgerichtshofs, der darauf abstellt, dass Zweckänderungen bei eingetragenen Idealvereinen „selten“ seien, weswegen i.d.R. kein Grund bestehe, sie abweichend von der gesetzlichen Regelung zu erleichtern (s. BGH NJW 1986, 1033, 1034). Das ist in sich nicht völlig überzeugend, weil auch der „selten“ auftretende Bedarf für eine Zweckänderung durchaus für eine Erleichterung der gesetzlichen Regel sprechen könnte, muss doch davon ausgegangen werden, dass das Zustimmungserfordernis des § 33 BGB Zweckänderungen praktisch ausschließt.

C.  Berücksichtigung satzungsautonomer Gestaltungsspielräume

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2. Grenzen ergeben sich allerdings aus der Mindestorganausstattung des Vereins: Vorstand und Mitgliederversammlung sind zwingende Organe, die durch die Satzung nicht beseitigt werden können. 3. Darüber hinaus steht Vorstand und Mitgliederversammlung auch ein Mindestmaß an Kompetenzen zu. Dem Vorstand stehen allerdings keine zwingenden Rechte im Hinblick auf die vereinsinterne Willensbildung zu, so dass er auf die Funktion eines bloßen Ausführungsorgans reduziert werden kann. 4. Auch die Kompetenzen der Mitgliederversammlung können ganz weitgehend auf andere vereinsinterne Instanzen übertragen werden. Das gilt grundsätzlich auch für die Satzungsänderungskompetenz. Diese kann der Mitgliederversammlung aber nicht vollständig entzogen werden. Ihr verbleibt vielmehr stets das Recht, den Kompetenztransfer zu revidieren. Das gilt auch für den Fall, dass Satzungsänderungen von der Zustimmung vereinsexterner Personen abhängig gemacht werden sollen. Zudem verbleibt der Mitgliederversammlung zwingend stets die Kompetenz zur Auflösung des Vereins. Befugnisse anderer Instanzen sind insoweit nur als (stets revidierbare) Parallelkompetenz zulässig. 5. Die Satzung kann neben Vorstand und Mitgliederversammlung noch weitere Vereinsorgane vorsehen. Hierbei herrscht grundsätzlich Gestaltungsfreiheit. Insbesondere kann auch eine Delegiertenversammlung eingerichtet werden, ohne dass die von § 43a GenG vorgesehene Mindestzahl von Mitgliedern erreicht ist. Genauso wenig besteht ein Zwang zur Einrichtung einer Mitgliederversammlung analog § 43a GenG a.F. 6. Die Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung bei ungewöhnlichen Maßnahmen sind in vollem Umfang durch die Satzung abdingbar. Soweit die Entscheidungskompetenzen der Mitgliederversammlung für die in Rede stehende Maßnahme abbedungen sind, sie also insbesondere auch auf Basis ihrer latenten Allzuständigkeit und dem damit einhergehenden Weisungsrecht keinen Zugriff darauf nehmen kann, fehlt auch der Ansatzpunkt für die Begründung einer Vorlagepflicht unter dem Gesichtspunkt eines Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahme. Die Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung können auch pauschal beseitigt werden, indem dem Vorstand die Leitung des Vereins wie im Aktienrecht zur eigenen Verantwortung zugewiesen wird. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage im Vereinsrecht nicht von derjenigen im GmbH-Recht. 7. Im Hinblick auf die Abdingbarkeit der Zuständigkeiten nach der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin gehen die Gestaltungsmöglichkeiten im Vereinsrecht über die Gestaltungsmöglichkeiten im GmbH-Recht hinaus. Denn mit Rücksicht auf die größere Flexibilität des Vereinsrechts, die sich auch auf die Satzungsänderungskompetenz erstreckt, ist es auch möglich, die Zuständigkeit für Maßnahmen, die im Sinne der Holzmüller/Gelatine-Doktrin als satzungsnah zu qualifizieren sind und die deshalb grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung gehören, auf ein anderes Vereinsorgan (insbesondere auch den Vorstand) zu übertragen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es

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sich um Maßnahmen der Gruppen(fort)bildung oder der Gruppenleitung handelt. 8. Die Satzung stellt ein Rechtsgeschäft dar, für dessen Auslegung im Grundsatz die §§ 133, 157 gelten. Gleichwohl ist für Auslegungszwecke grundsätzlich ein objektiver Maßstab anzulegen, weil der Wille der Gründer bzw. der Vereinsmitglieder regelmäßig darauf zielt, durch die Satzung Regelungen in Geltung zu setzen, die zwar nicht nach ihrem Geltungsgrund, wohl aber in ihrer Funktionsweise Rechtsnormen ähneln. 9. Ein vereinsrechtlicher Grundsatz, der dem überkommenen Bestimmtheitsgrundsatz des Personengesellschaftsrechts entspricht, existiert nicht. Regelmäßig werden aber Satzungsklauseln, die sich nur in allgemeiner Form auf Satzungsänderungen beziehen, so auszulegen sein, dass sie nicht auch die Änderung des Vereinszwecks i.S. von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB abdecken.

D.  Beispielhafte Anwendung der Untersuchungsergebnisse Nachfolgend soll die Untersuchung auf Basis der bislang gewonnenen Erkenntnisse beispielhaft zu einigen Zuständigkeitsfragen zurückkehren, die die im Laufe der Arbeit in den Blick genommenen Fallgestaltungen aufgeworfen haben.

I.  Die Veräußerung des Vereinsgrundstücks (BGH NJW 2008, 69) Was zunächst den in der Einleitung (§ 1) dargestellten und vom BGH in zwei Entscheidungen behandelten Fall der Veräußerung eines Grundstücks durch den Vorstand eines Sportvereins angeht,675 stellt sich nach den oben (unter § 7 A.III.1.c) aa)) angestellten Überlegungen die Frage, warum in den Entscheidungen des BGH die Vorschrift des § 179a AktG und die Frage ihrer analogen Anwendbarkeit im Vereinsrecht überhaupt keine Rolle gespielt hat.676 Denn im Tatbestand der zweiten Entscheidung wird ausdrücklich mitgeteilt, dass das Vermögen des Vereins „im Wesentlichen aus dem Grundstück“ bestehe, so dass die Annahme eines Gesamtvermögensgeschäfts durchaus naheliegt. Aber auch abgesehen von § 179a AktG hätte die Mitgliederversammlung in die Entscheidung über die Veräußerung des Grundstücks einbezogen werden müssen. Den Sachverhaltsangaben lässt sich entnehmen, dass die Satzung des Vereins nicht entscheidend von der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung abweicht. Über den Vorstand heißt es in § 10 Abs. 3 der Satzung lediglich, er führe die Geschäfte

675  676 

aa).

BGH NJW 2008, 66; BGH NZG 2013, 466. s. zur analogen Anwendbarkeit von § 179a AktG im Vereinsrecht oben, § 7 A.III.1.c)

D.  Beispielhafte Anwendung der Untersuchungsergebnisse

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im Sinne der Satzung und der Beschlüsse der Mitgliederversammlung.677 Die Zuweisung eines eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgabenbereichs ist damit nicht verbunden. Damit stimmt überein, dass auch der BGH davon ausgeht, dass die Mitgliederversammlung über die Veräußerung des Grundstücks in rechtlich verbindlicher Weise hätte entscheiden können.678 Damit kommt der für die gesetzliche Ausgangslage entwickelte Grundsatz zum Tragen, dass bei Maßnahmen, die in die latente Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung fallen, die originären Geschäftsführungskompetenzen des Vorstands mit Rücksicht auf die übergeordneten Befugnisse der Mitgliederversammlung auch innerhalb des Vereinszwecks und des in der Satzung festgelegten Gegenstands der Vereinstätigkeit auf (ungeschriebene) Schranken stoßen,679 wenn sich eine ins Auge gefasste Maßnahme gemessen am üblichen Zuschnitt der Vereinstätigkeit als ungewöhnlich darstellt.680 Davon war bei der Veräußerung des Grundstücks aber im Hinblick auf eine Reihe von Umständen auszugehen: Denn veräußert werden sollte der wesentliche Vermögensgegenstand des Vereins, so dass das Veräußerungsgeschäft und dessen Konditionen die finanziellen Interessen des Vereins in ihrem Kern betrafen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass mit der Veräußerung offenbar auch eine grundlegende Änderung der bisherigen Finanzierungspraxis bzw. eine wesentliche Umverteilung der Vereinsressourcen unter die einzelnen Abteilungen einhergehen sollte.681 Und schließlich lag in der Veräußerung auch deswegen eine grundlegende Änderung der Verhältnisse, weil damit der Ruderabteilung die bisherige materielle Basis für die satzungsmäßige Ausübung des Rudersports entzogen werden sollte, ohne dass ansatzweise sichergestellt war, ob die Ausübung des Rudersports im Verein künftig in einer alternativen Weise möglich sein würde. Diese für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen Beschränkung der originären Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands hat die Form eines Vetovorbehalts.682 Dies bedeutet, dass die Maßnahme zwar anders als bei Annahme eines Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalts nicht von einem positiven Gesellschafterbeschluss getragen sein muss. Der Mitgliederversammlung hätte aber vorab die konkrete Möglichkeit eröffnet werden müssen, von ihren übergeordneten Entscheidungsbefugnissen wirksam Gebrauch zu machen und einen ablehnenden Weisungsbeschluss zu erlassen. Die tatsächlich einberufene Mitgliederversammlung genügte insoweit nicht, weil hinsichtlich der Veräußerung des Grundstücks die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 S. 2 BGB nicht erfüllt waren und insoweit daher auch keine wirksamen Beschlüsse gefasst werden konnten. Dagegen bestand mangels Mediatisierungseffekts keine (mit qualifizierter) Zuständigkeit der Mitgliederversammlung wahrzunehmende Entscheidungszuständigkeit auf Basis der Holzmüller/Gelatine-Doktrin. 677 

s. BGH NZG 2013, 466, 467. s. BGH NJW 2008, 69, 75. 679  s. o., § 7 A.IV.3.d)aa). 680  s. o., § 7 A.IV.3.d)cc). 681  BGH NZG 2013, 466, 467. 682  s. o. § 7 A.IV.3.d)bb). 678 

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

II.  Die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung eines Bundesligavereins (außerhalb des UmwG) Die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung eines Bundesligavereins auf eine Tochtergesellschaft wird in aller Regel die Mitwirkung der Mitgliederversammlung erfordern. Zunächst ist eine Klausel in der Satzung erforderlich, die es überhaupt zulässt, dass der Verein seine Tätigkeit auch mittelbar über Tochtergesellschaften entfalten darf.683 Diese Klausel muss nicht spezifisch auf die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung zugeschnitten sein. Es genügt, wenn die Verwirklichung des Vereinszwecks auch über Tochtergesellschaften in allgemeiner Form zugelassen wird. Bei einer Reihe von Vereinen aus den höchsten deutschen Fußballspielklassen, die ihre Lizenzspielerabteilung bislang noch nicht auf eine Tochtergesellschaft ausgegliedert haben, ist eine derartige Öffnungsklausel bislang nicht vorhanden (z. B. bei Paderborn, Darmstadt, Nürnberg oder Heidenheim),684 so dass hier schon aus diesem Grund ein (mit satzungsändernder Mehrheit zu fassender) Beschluss der Mitgliederversammlung erforderlich wäre.685 Soweit die Satzung bereits eine Öffnungsklausel enthält und diese lediglich regelt, dass der Verein den Satzungszweck auch mittelbar über Tochtergesellschaften verfolgen darf, liegt darin noch keine von der gesetzlichen Ausgangslage abweichende Regelung darüber, wer die konkrete Entscheidung über die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung zu treffen hat.686 Natürlich kann die Satzung aber insoweit – ob unmittelbar im Zusammenhang mit der Ausgliederungsklausel oder an anderer Stelle – auch eine Zuständigkeitsregelung vorsehen, wovon eine Vielzahl der untersuchten Satzungen auch Gebrauch gemacht hat.687 Insoweit besteht umfassende Gestaltungsfreiheit.688 Möglich sind – im Gegensatz zur Rechtslage im GmbH- oder Aktienrecht689 – also auch Kompetenzzuweisungen zugunsten des Vorstands im Bereich von Maßnahmen, die unter die Holzmüller/Gelatine-Doktrin fallen.690 Erklärt die Satzung wie z. B. im Falle des FSV Frankfurt ausdrücklich, dass der Vorstand befugt ist, alle für die Ausgliederung der Lizenzspielerabtei683 

s. o., § 7 B.II.2.a)aa). FC Schalke 04 erlaubt die Satzung in § 2 Abs. 2 lediglich die Beteiligung an Gesellschaften zum Zweck des Betriebs von Veranstaltungsstätten, was den Betrieb der Lizenzspielerabteilung durch eine Tochtergesellschaft nicht deckt, so dass auch hier noch eine Satzungsänderung erforderlich wäre. 685  Soweit einige der Vereine aus der untersuchten Stichprobe – z. B. Hannover 96 und TSG Hoffenheim – ohne eine solche Klausel dazu übergegangen sind, ihre Lizenzspielerabteilung auf eine Tochtergesellschaft auszulagern, ist dies nach hier vertretener Ansicht unzulässig. 686  s. o., § 4 C.III.3.c) und § 7 B.II.2.a)aa). 687  s. o., § 4 C.III.3.b)dd) und 3.c). 688  s. o., § 7 C II. 689  s. insoweit oben, § 5 E.VI.4 und § 6 G.I. 690  s. o., § 7 C.II.2. 684  Beim

D.  Beispielhafte Anwendung der Untersuchungsergebnisse

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lung notwendigen Beschlüsse zu fassen, soweit nicht gesetzlich zwingend eine Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung vorgesehen ist,691 liegt darin also auch im Anwendungsbereich der Holzmüller/Gelatine-Doktrin eine wirksame Zuständigkeitszuweisung zugunsten des Vereinsvorstands. Trifft die Satzung für die Ausgliederungsentscheidung keine Zuständigkeitsregelung,692 gelangen die allgemein geltenden Grundsätze über die Zuständigkeitsverteilung zur Anwendung.693 Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung können sich insoweit unter dem Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen ebenso wie unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ergeben.694 Mit Rücksicht darauf, dass die Lizenzspielerabteilung schon aufgrund ihrer Ertragskraft bei den meisten Vereinen der höchsten deutschen Fußballspielklassen den wertvollsten Vermögensgegenstand darstellen wird, dürfte die quantitative Erheblichkeitsschwelle, die für die Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin Voraussetzung ist, und die nach hier vertretener Auffassung für das Vereinsrecht bei 50 % des Wertes des Vereinsvermögens anzusetzen ist,695 im Regelfall erreicht werden. In diesen Fällen ist die Maßnahme daher nur dann zulässig, wenn die Mitgliederversammlung zustimmt, wobei die Entscheidung grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit zu fassen ist, sofern die Satzung nicht auch für Satzungsänderungen eine geringere Mehrheit ausreichen lässt.696 Soweit die Erheblichkeitsschwelle für die Holzmüller/Gelatine-Doktrin nicht erreicht ist, wird sich die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung im Regelfall mit Rücksicht auf den damit verbundenen Mediatisierungseffekt zumindest als ungewöhnliche Maßnahme darstellen.697 Der insoweit als Faustregel zugrunde zulegende Schwellenwert von 10 % des Vereinsvermögens698 dürfte nur in den seltensten Fällen unterschritten werden. Folge dessen ist, dass der Vorstand nicht tätig werden darf, ohne die Mitgliederversammlung vorab mit der Maßnahme befasst zu haben. Die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands ist allerdings insoweit nach hier vertretener Auffassung nicht durch einen Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Mitgliederversammlung, sondern lediglich 691 

s. o., § 4 C.III.3.c)bb), auch zu einem weiteren Beispiel. zu dem Auslegungsproblem, ob und inwieweit allgemein formulierten Satzungsklauseln mit zuständigkeitsregelndem Gehalt eine von der gesetzlichen Ausgangslage abweichende Zuständigkeitsverteilung entnommen werden kann noch sogleich, IV. 693  Außer Betracht bleibt hier die Vornahme der Ausgliederung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes; insoweit gelten für die Frage der Mitwirkung der Mitgliederversammlung die spezialgesetzlichen Vorgaben, vgl. oben, § 7 A.III.1.b). 694  s. o., § 7 B.II.2.b) und c). 695  s. o., § 7 B.II.2.c). 696  Zur Abdingbarkeit des qualifizierten Mehrheitserfordernisses s.o., § 7 C. II.2.b). 697  s. o., § 7 B.II.2.b). 698  s. o., § 7 B.II.2.b). 692  s.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

durch einen Vetovorbehalt beschränkt.699 Ein positiver Zustimmungsbeschluss der Mitgliederversammlung ist daher nicht erforderlich. Vielmehr genügt es zur Absicherung ihrer aus latenter Allzuständigkeit und Weisungsbefugnis resultierenden übergeordneten Entscheidungsbefugnisse, wenn sie Gelegenheit dazu erhält, vor Durchführung der Maßnahme einen ablehnenden Weisungsbeschluss zu fassen.700

III.  Die Veräußerung der Spielbetriebsgesellschaft oder von Anteilen daran Praktische Anwendungsfälle sind künftig – nach der Lockerung der „50+1-Regel“701 – vermehrt auch für die Frage zu erwarten, wer über die Veräußerung der Spielbetriebsgesellschaft oder der Mehrheit daran zu entscheiden hat. 1.  Fallbeispiele: TSG Hoffenheim und Hannover 96 Die Zuständigkeit für Veränderungen der Beteiligungshöhe an einer Spielbetriebsgesellschaft ist zwar – gerade im Hinblick auf die einfache Stimmenmehrheit – bei den untersuchten Satzungen in einer Vielzahl von Fällen ausdrücklich geregelt,702 doch ist das keineswegs immer so. Dies betrifft gerade auch Vereine wie die TSG Hoffenheim oder Hannover 96, bei denen Dritte bereits in erheblichen Umfang in die Spielbetriebsgesellschaft investiert haben und wo daher das Interesse naheliegen könnte, nach Ablauf der Wartezeit, die Voraussetzung für die Nutzung der (modifizierten) „lex Leverkusen“703 als Ausnahme zur „50+1-Regel“704 ist, die (Stimmern-)Mehrheit zu übernehmen. Bei der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, wo die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG bereits 84,34 % der Kommanditaktien hält,705 dürfte das Interesse insoweit auf den Erwerb der Komplementär-GmbH (oder der Mehrheit daran) gerichtet sein. Bei der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH, wo Dietmar Hopp bereits 96 % des Stammkapitals hält,706 steht lediglich noch die Veräußerung der verbliebenen Beteiligung des Vereins in Höhe von 4 % des Stammkapitals in Rede. Mit dessen Veräußerung erledigt sich auch die abweichende Stimmrechtsverteilung in § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages, die dem Mutterverein unabhängig von der Höhe des Nennbetrags seines 699 

s. o., § 7 A.IV.3.d)bb). s. o., § 7 A.IV.3.d)bb). 701  s. o., § 4 B.I.3.a)dd). 702  s. o., § 4 C.III.3.b)ee) u. d. in Bezug auf Zuständigkeitsregelungen für die Veränderung der Beteiligungshöhe; darüber hinaus ist die Mindestbeteiligungshöhe vielfach auch in der Satzung ausdrücklich festgeschrieben (s. § 4 C.III.3.b)ee)). 703  s. zu dieser Ausnahme und ihrer Öffnung für weitere Anwendungsfälle oben, § 4 B.I.3.a)dd). 704  s. dazu oben, § 4 B. I.3.a). 705  s. o., § 4 B.I.4.b). 706  s. o., § 4 B.I.3.a)cc). 700 

D.  Beispielhafte Anwendung der Untersuchungsergebnisse

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Geschäftsanteils die Stimmenmehrheit zusichert. Daraus resultieren die Fragen: Wer darf bei Hoffenheim auf der Ebene des Muttervereins über die Veräußerung der 4 %-Beteiligung an der Spielbetriebsgesellschaft und der damit verbundenen Aufgabe der Stimmenmehrheit entscheiden? Wer ist bei Hannover 96 auf der Ebene des Muttervereins dazu befugt, über die Veräußerung der KomplementärGmbH der Spielbetriebs-KGaA zu entscheiden? 2.  Die Zuständigkeitsverteilung auf Basis der gesetzlichen Ausgangslage Ein Einbeziehungserfordernis zugunsten der jeweiligen Mitgliederversammlung kann sich grundsätzlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin als auch unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen ergeben. a)  Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine Doktrin? Nach den in dieser Arbeit entwickelten Grundsätzen kommt die Annahme einer Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit bei der vollständigen Beteiligungsveräußerung generell nicht in Betracht, weil hierbei der ursprüngliche Mediatisierungseffekt, der mit dem Austausch von unmittelbar gehaltenen Vermögensgegenständen gegen Beteiligungsrechte einhergeht, vollständig zurückgeführt wird (Demediatisierungseffekt).707 Es bleibt dann auch kein Anknüpfungspunkt mehr für den hier so genannten weiteren Mediatisierungseffekt, weil dieser auf der Überlegung beruht, dass bestimmte Maßnahmen den ursprünglichen Mediatisierungseffekt vertiefen können, indem sie die Möglichkeit der Mitgliederversammlung beschränken, über Weisungsbeschlüsse auf die Verwaltung des in die Untergesellschaft verlagerten Vermögens Einfluss zu nehmen. Soweit diese Möglichkeit bei der Teilbeteiligungsveräußerung tatsächlich besteht, weil als Folge besonders einflussrelevante Schwellen unterschritten werden, kommt es für die Begründung einer Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin darauf an, ob auch nach der Teilbeteiligungsveräußerung die Relevanzschwelle noch überschritten ist.708 Andernfalls setzt sich der mit dem Rückfluss der Gegenleistung an den Verein verbundene partielle Demediatisierungseffekt bei der Bewertung der Maßnahme durch, so dass diese nicht anders bewertet werden kann als ein einflussreduzierender Vorgang bei einer Tochtergesellschaft, die sich von vornherein unter der Relevanzschwelle befindet.709 Danach scheitert die Begründung einer Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin im Falle Hoffenheims bereits daran, dass hier mit Rücksicht auf das Ziel, das Mehrstimmrecht zu beseitigen, eine vollständige Übertragung der 707 

s. o., § 7 B.II.3.a)aa). s. o., § 7 B.II.3.a)aa). 709  Bsp.: Umwandlung einer Tochter-GmbH, die ca. 30 % des Vereinsvermögens ausmacht, in eine Tochter-AG. 708 

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

Anteile an der Spielbetriebsgesellschaft das Ziel sein wird. Im Übrigen wird man wohl auch davon ausgehen können, dass angesichts der geringfügigen noch verbliebenen Beteiligung des Vereins am Gesellschaftskapital auch die quantitative Wesentlichkeitsschwelle nicht erfüllt sein dürfte. Ob die Beteiligung des Vereins an der Spielbetriebs-GmbH & KGaA bei Hannover 96 die quantitative Wesentlichkeitsschwelle überschreitet, lässt sich ohne nähere Kenntnis der Verhältnisse nicht sagen. Genauso wenig lässt sich ohne Kenntnis des Umfangs einer konkreten Transaktion sagen, ob dies auch noch nach einer etwaigen Transaktion (unter Berücksichtigung der an den Verein fließenden Gegenleistung) so wäre, was nach den dargelegten Grundsätzen für die Begründung einer Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit aber Voraussetzung ist. Dies einmal unterstellt, wäre in der Veräußerung der Komplementär-GmbH im Hinblick auf die damit verbundenen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die KGaA eine wesentliche Reduktion des Einflusses der Mitgliederversammlung auf die KGaA zu sehen, die die Annahme eines substantiellen weiteren Mediatisierungseffekts trägt und daher auch eine Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit begründen kann. b)  Vorlagepflicht unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen? Für beide Fälle – Veräußerung der restlichen Beteiligung bzw. der Komplementär-GmbH – ist davon auszugehen, dass es sich um eine ungewöhnliche Maßnahme handelt, bei der der Mitliederversammlung vorab die Gelegenheit zu einem ablehnenden Weisungsbeschluss zu eröffnen ist. Denn mit der Veräußerung der Komplementär-GmbH der Spielbetriebs-KGaA (Hannover 96) bzw. dem verbliebenen Geschäftsanteil an der Spielbetriebs-GmbH (Hoffenheim) verliert der Verein in beiden Fällen den beherrschenden Einfluss auf die jeweilige Spielbetriebsgesellschaft. Im Falle von Hannover 96 können für die Beurteilung zwei Effekte herangezogen werden: Erstens kommt der Aspekt der (weiteren) Einflussreduktion der Mitgliederversammlung in Bezug auf bereits mediatisiertes Vermögen zum Tragen.710 Zu diesem Effekt tritt noch ein zweiter hinzu, der ihn weitgehend überlagert. So kann dem Verein wegen der Aufgabe des beherrschenden Einflusses (Verlust des Einflusses auf die Komplementärin bei Restbeteiligung am Grundkapital von ca. 15 %) auch die Tätigkeit der Spielbetriebsgesellschaft nicht mehr als eigene Betätigung und damit als (mittelbare) Verwirklichung des satzungsmäßig festgelegten Vereinszwecks bzw. Vereinsgegenstands zugerechnet werden.711 In der Sache gelten für die Veräußerung einer beherrschenden Einfluss vermittelnden 710  Für die Frage, ob sich (allein) unter diesem Gesichtspunkt ein Vetovorbehalt begründen lässt, ist ein deutlich niedrigerer quantitativer Schwellenwert als bei der Frage nach einer Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit anzusetzen, s.o., § 7 B.II.3.b)bb) (Faustregel: 10 % des Vereinsvermögens). 711  Ausgeblendet bleibt hier die Frage, ob der Gesichtspunkt der Satzungsunterschreitung einen satzungsändernden Beschluss der Mitgliederversammlung erforderlich macht, was von der konkreten Ausgestaltung der Satzung abhängt; s. noch sogleich, 3.

D.  Beispielhafte Anwendung der Untersuchungsergebnisse

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Beteiligung daher die gleichen Grundsätze wie für die Aufgabe eines Tätigkeitsbereichs einer Tochtergesellschaft oder deren Liquidation.712 Maßgeblich ist insoweit also, ob es sich aus Sicht des Vereins bei der Aufgabe dieser Tätigkeit um eine umwälzende Veränderung handelt, mit der gemessen am bisherigen Zuschnitt der Vereinstätigkeit nicht zu rechnen war.713 Dies wird man nach den typischerweise in den Vereinen der höchsten deutschen Fußballligen anzutreffenden Verhältnissen aber zu bejahen haben. Die Aufgabe der (mittelbaren) Beteiligung am Spielbetrieb der höchsten Spielklassen betrifft hier i.d.R. einen prägenden Teil der Vereinstätigkeit.714 Unter diesem Gesichtspunkt dürfte daher auch die vollständige Veräußerung der Beteiligung an der Spielbetriebsgesellschaft im Falle Hoffenheims als ungewöhnlich einzuordnen sein, auch wenn es insoweit im Hinblick auf die vollständige Veräußerung an einem (weiteren) Mediatisierungseffekt fehlt. Denn auch hier stellt sich die Veräußerung wegen der bislang noch bestehenden Stimmenmehrheit ungeachtet der geringfügigen Beteiligung am Stammkapital als Aufgabe eines (mittelbar) verwirklichten Tätigkeitsbereichs des Vereins dar, der bislang das Vereinsleben zuvor wesentlich (mit-)geprägt hat.715 c)  Mutmaßlich entgegenstehender Wille der Mitgliederversammlung Im Ergebnis mag es auf die Qualifikation der Veräußerungsmaßnahmen als ungewöhnlich noch nicht einmal ankommen. Denn selbst wenn man sie der laufenden Verwaltung zuschlagen wollte, ist zu berücksichtigen, dass auch im Hinblick auf derartige Maßnahmen mit Rücksicht auf die übergeordneten Entscheidungskompetenzen der Mitgliederversammlung von einer Vorlagepflicht auszugehen ist, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese den betreffenden Maßnahmen ablehnend gegenüber steht.716 Davon dürfte wohl in beiden Fällen, zumindest aber bei Hannover 96 auszugehen sein.717 712 

s. o., § 7 B.II.3.b)ee). s. o., sowie § 7 B.II.3.b)dd) sowie A.IV.3.d)cc). 714  Insoweit hat die Überschreitung eines bestimmten quantitativen Schwellenwertes keine selbständige Bedeutung. 715  Vor diesem Hintergrund steht der Einordnung als ungewöhnliche Maßnahme nicht entgegen, dass die Veräußerung womöglich nur einen sehr geringfügigen Teil des Vereinsvermögens betrifft. Der quantitative Schwellenwert ist als Zusatzkriterium in erster Linie dann relevant, wenn allein auf Verkürzungen der Einflusssphäre der Mitgliederversammlung bezogene Effekte in Rede stehen. 716  s. o., § 7 A.IV.4.b). 717  Bei Hannover 96 wird es sich bei der großen Mehrheit der Mitglieder um Anhänger der Lizenzmannschaft handeln, die einer Aufgabe des beherrschenden Einflusses dementsprechend ablehnend gegenüberstehen werden. Ob sich dies bei Hoffenheim ähnlich verhält, entzieht sich hiesiger Kenntnis. Dagegen könnte sprechen, dass Hoffenheim den Zugang zur (stimmberechtigten) Vollmitgliedschaft deutlich erschwert hat. Stimmberechtigte ordentliche Mitglieder sind nur diejenigen, deren Aufnahmeantrag vor dem 12. 12. 2008 stattgegeben wurde (s. § 2 Nr. 6 lit. a der Satzung). Später eintretende Mitglieder können diesen Status nur noch dadurch erreichen, dass sie für fünf Jahre förderndes Mitglied des Vereins 713 

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

3.  Abweichende Vorgaben der Vereinssatzungen? Bislang hat die Betrachtung der Zuständigkeitssituation im Interesse der Übersichtlichkeit die entscheidende Frage allerdings noch zurückgestellt. Denn ob und inwieweit die Grundsätze, die für die Zuständigkeitsverteilung nach der gesetzlichen Ausgangslage gelten, überhaupt zum Tragen kommen, hängt mit Rücksicht auf die umfassende Gestaltungsfreiheit718 entscheidend von der konkreten Ausgestaltung der Satzungen der beiden Vereine ab. Die Satzung kann die Einbeziehungserfordernisse zugunsten der Mitgliederversammlung im Verhältnis zur gesetzlichen Ausgangslage erweitern, aber auch noch weiter reduzieren. Allerdings haben die Satzungen beider Vereine keine gruppenspezifische Regelungen aufgenommen.719 Dementsprechend existieren in beiden Satzungen auch keine Klauseln, die die Beteiligungsverhältnisse an der Spielbetriebsgesellschaft festschreiben. Auch besondere Zuständigkeitsregelungen für Entscheidungen, die den Umgang mit Tochtergesellschaften bzw. den Anteilen daran betreffen, enthalten beide Satzungen nicht. Damit verlagert sich der Blick auf die Frage, ob Satzungsregelungen ohne spezifischen Gruppenbezug für die Zuständigkeitsfrage fruchtbar gemacht werden können. Dabei ist zunächst an Regelungen zu denken, die die Unterhaltung einer Lizenzspielerabteilung verbindlich vorsehen.720 Denn bei Existenz einer derartigen Klausel könnte die (den beherrschenden Einfluss beseitigende) Veräußerung von Anteilen an der Spielbetriebsgesellschaft als Satzungsunterschreitung zu werten sein, die eines mit satzungsändernder Mehrheit zu fassenden Beschlusses der Mitgliederversammlung bedarf.721 Doch muss diese Frage vorliegend nicht vertieft werden, weil weder die Satzung Hoffenheims noch diejenige von Hannover 96 die Unterhaltung einer Lizenzspielerabteilung vorsehen. Es bleibt der Blick darauf, was die Satzungen der beiden Vereine ganz allgemein zur vereinsinternen Zuständigkeitsverteilung vorsehen. Auch hier sind die getroffenen Regelungen allerdings nicht besonders ergiebig. Bei Hoffenheim fehlt eine allgemeine, generalklauselartige Beschreibung der Kompetenzen der Mitgliederversammlung. Die Satzung hält lediglich fest, dass es sich bei ihr um das „oberste Organ“ des Vereins handelt (§ 9 Nr. 1) und benennt einige Punkte, die die werden und darüber hinaus für den gleichen Zeitraum aktiv am Vereinssport teilnehmen (s. § 2 Nr. 6 lit. b der Satzung); s. zur Sondersituation bei Hoffenheim im Übrigen bereits oben, § 4 B.I.3.a)dd). 718  s. dazu oben, § 7 C.II. 719  Überraschenderweise findet sich in beiden Satzungen auch keine Beteiligungs- oder Konzernklausel; s. zu diesem Erfordernis oben, § 7 B.II.2.a). 720  Vgl. z. B. § 2.1 Unterabsatz 3 der Satzung des FC Augsburg: „Der Verein unterhält bei Zugehörigkeit zu einer Bundesliga nach den Richtlinien des DFB eine Lizenzspielerabteilung.“ 721  s. zum Argument der Satzungsunterschreitung in anderem Kontext bereits oben, § 7 B.II.2.a)bb).

D.  Beispielhafte Anwendung der Untersuchungsergebnisse

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Tagesordnung der ordentlichen Mitgliederversammlung enthalten muss (§ 9 Nr. 4). Aus dieser Klausel lässt sich allerdings nicht ableiten, dass diese ausdrücklich genannten Punkte einen abschließenden Katalog darstellen sollen, der die Kompetenzen der Mitgliederversammlung abweichend von der latenten Allzuständigkeit nach der gesetzlichen Ausgangslage beschränkt. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass zu den zwingenden Tagesordnungspunkten auch die „Beschlussfassung über vorliegende Anträge“ zählt und die möglichen Gegenstände solcher Anträge nicht weiter eingegrenzt werden, dafür, dass die Satzung von der gesetzlichen Ausgangslage nicht abweichen will.722 Dies gilt jedenfalls in der Zusammenschau mit der Beschreibung der Kompetenzen des Vorstands, von dem die Satzung in § 10 Nr. 3 S. 1 zwar sagt,723 er leite den Verein, ihm aber an keiner Stelle von ihm „allein“, „ausschließlich“, „weisungsfrei“ oder „eigenverantwortlich“ wahrzunehmende Befugnisse einräumt oder anderweitig mit hinreichender Deutlichkeit klarstellt, dass ihm abweichend von der gesetzlichen Ausgangslage ein eigener Verantwortungsbereich zukommen soll, in dem er weisungsfrei agieren kann.724 Insgesamt bietet sich damit im Falle Hoffenheims das Bild einer Zuständigkeitsordnung, die von der gesetzlichen Ausgangslage nicht entscheidend abweicht, so dass es bei den oben dargelegten Grundsätzen, die auf Basis der gesetzlichen Ausgangslage gelten, sein Bewenden hat. Etwas schwieriger fällt die Beurteilung der Satzung von Hannover 96, obgleich die Ausgangslage hier zunächst ganz ähnlich ausgestaltet ist wie bei Hoffenheim.725 In § 15 Nr. 3 lit. g) ist allerdings im Zusammenhang mit der Beschreibung der „Aufgaben und Pflichten“ des Vorstands geregelt, dass eine „Neuordnung des gesamten Vereins oder einzelner Teilbereiche“ – worunter sich auch die Aufgabe der Lizenzspielerabteilung subsumieren lassen wird – der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Man wird auch darin zwar noch keinen Ausschluss der latenten Allzuständigkeit und des Weisungsrechts der Mitgliederversammlung in Bezug auf solche Maßnahmen erblicken können, weil dies eine deutlicher auf die Be722 

s. zur Entwicklung dieses Gedanken bereits oben, § 4 C.III.2.a)cc). s. dazu bereits oben, § 4 C.III.2.b)(2). 724  Für das Erfordernis einer ausdrücklichen Regelung auch Hemmerich, Möglichkeiten, S. 151 f.; sehr deutlich auch Sauter/Schweyer/Waldner, Verein, Rn. 281: „Soll er [sc. der Vorstand] dagegen einen eigenen ausschließlichen Zuständigkeitsbereich für bestimmte Vereinsangelegenheiten haben, und zwar in der Weise, dass er insoweit bei der Geschäftsführung keinerlei Weisungen anderer Vereinsorgane entgegenzunehmen braucht, so muss sich dies als Ausnahme von der Regel zweifelsfrei aus der Satzung ergeben.“ 725  Vgl. §§ 11, 15 Nr. 3 der Satzung von Hannover 96: Die Mitgliederversammlung ist oberstes Organ, bestimmte Zuständigkeiten werden aufgezählt, ohne dass die Aufzählung den Rückschluss trägt, die Entscheidungs- und Weisungskompetenzen der Mitgliederversammlung im Bereich der Geschäftsführung seien ausgeschlossen. Dem Vorstand entscheidet über alle „alle ideellen, sportlichen und sonstigen Belange“, ohne dass man dies mangels ausdrücklicher Zuweisung eines eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgabenbereichs als Ausschluss des Weisungsrechts der Mitgliederversammlung in Geschäftsführungsangelegenheiten deuten kann. 723 

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

schränkung der Kompetenzen der Mitgliederversammlung bezogene Regelung erfordert hätte. Auch die Zuständigkeit für Holzmüller/Gelatine-Maßnahmen ist aus diesem Grund nicht als abbedungen anzusehen. Wohl aber liegt die Annahme nahe, dass der Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen und die damit verbundene Vorlagepflicht durch eine derartige Regelung abbedungen werden.726 Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an. Denn folgt man den vorstehenden Ausführungen, ist die Veräußerung der Komplementärin nicht nur (vorbehaltlich der abweichenden Satzungsregelung) unter dem Gesichtspunkt der ungewöhnlichen Maßnahme vorlagepflichtig, sondern auch – selbständig – mit Rücksicht darauf, dass konkrete Anhaltspunkte für einen mutmaßlich entgegenstehenden Willen der Mitgliederversammlung bestehen. Dieser Wille bleibt aber unabhängig von der Existenz einer gesonderten Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen so lange beachtlich, wie die Mitgliederversammlung in der betreffenden Angelegenheit die Entscheidungshoheit zusteht, und das heißt, solange ihre latente Zuständigkeit und ihr Weisungsrecht in der betreffenden Angelegenheit nicht abbedungen ist. Es bleibt also dabei: Auch bei Hannover 96 muss der Vorstand vorlegen.

E.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen Verstößen des Vereinsvorstands gegen die interne Kompetenzordnung kann je nach Lage des Falles mit unterschiedlichen Mitteln begegnet werden. In Betracht kommen Maßnahmen, die sich unmittelbar gegen den Vorstand richten. Denkbar ist aber auch die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Verein selbst.

I.  Gegen den Vorstand gerichtete Maßnahmen Als gegen den Vorstand bzw. gegen einzelne Vorstandsmitglieder gerichtete Maßnahmen kommt neben der Abberufung und der Verweigerung der Entlastung unter bestimmten Voraussetzungen auch die Geltendmachung von Schadensersatz­ ansprüchen in Betracht. 1. Abberufung Im gesetzlichen Regelfall ist die Bestellung des Vorstands frei widerruflich (§ 27 Abs. 1 S. 1 BGB).727 Es bedarf also weder eines wichtigen noch überhaupt eines sachlichen Grundes. Für einen Rückgriff auf §§ 226, 826 BGB wegen ei726  Ähnliche Erwägungen hinsichtlich der Vorlagepflicht bei Leuschner, Konzernrecht, S. 121 für den Fall, dass die Satzung für den Erwerb von Beteiligungen oder die Ausgliederung von Vermögenswerten die Zustimmung eines fakultativen Aufsichtsrats vorsieht. 727  s. zu den mit der Personalkompetenz der Mitgliederversammlung verbundenen Kontrollmöglichkeiten sowie auch zur Zulässigkeit abweichender Regelungen ausführlich Segna, Vorstandskontrolle, S. 168 ff.

E.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen

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ner Abberufung aus „offenbar unsachlichen“ Gründen, wie dies im GmbH-Recht gelegentlich als Schranke für die parallel ausgestaltete Abberufungskompetenz in § 38 Abs. 1 GmbHG ins Spiel gebracht wird,728 wird bei dieser Ausgangslage kaum einmal hinreichender Anlass bestehen.729 Selbstverständlich kann daher auch eine Kompetenzverletzung jederzeit zum Anlass für einen Widerruf der Bestellung genommen werden, ohne dass es auf ihr Vorliegen aber letztlich rechtlich ankommt. Anders ist dies, wenn die Satzung die Widerruflichkeit vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig macht (§ 27 Abs. 2 S. 2 BGB). Kompetenzverletzungen des Vorstands werden aber regelmäßig einen solchen wichtigen Grund darstellen.730 2.  Verweigerung der Entlastung Unabhängig von der Abberufung kann die Mitgliederversammlung Kompetenzüberschreitungen auch zum Anlass nehmen, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern.731 Das hat nicht nur symbolische Bedeutung: Im Unterschied zum Aktienrecht732 hat die Entlastung im Vereinsrecht – unbeschadet des Streits um die zutreffende dogmatische Konstruktion733 – zur Folge, dass der Verein mit allen Ansprüchen wegen „pflichtwidriger Geschäftsführung sowie Kündigungsgründen hinsichtlich des Anstellungsverhältnisses ausgeschlossen [ist], die der Mitgliederversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind […].“734 Damit kommt auch der Verweigerung der Entlastung größere Bedeutung zu. Dagegen gerichteter Rechtsschutz steht den betroffenen Vorstandsmitglieder grundsätzlich nicht zur Verfügung.735 sofern ihnen nicht nach der Satzung ein Anspruch darauf zukommt.

728 s. Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 16; einschränkend Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 3; für den Verein ähnlich Segna, Vorstandskontrolle, S. 180; auf §§ 138, 242 verweist Soergel/Hadding § 27 Rn. 18. 729 So für das GmbH-Recht auch Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 4; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 38 Rn. 3. 730 s. Lettl, AcP 203 (2003), 149, 205. 731  Die Entlastungskompetenz der Mitgliederversammlung folgt vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung aus § 32 Abs. 1 S. 1 BGB: s. Soergel/Hadding § 27 Rn. 24; Reichert, VereinsR, Rn. 2680. 732  Vgl. insoweit § 120 Abs. 2 S. 2 AktG. 733 Vgl. für die h.M. (Entlastung als Anspruchsverzicht) etwa Soergel/Hadding § 27 Rn. 24 mit umfassenden Nachweisen; Reichert, VereinsR, Rn. 2699; a.A. (Entlastung als Vertrauenstatbestand) K. Schmidt, ZGR 1978, 425, 430 ff.; MünchKomm/Arnold § 27 Rn. 47; dagegen wiederum Flume, Jur. Person, § 10 I 4 (S. 353). 734 Soergel/Hadding § 27 Rn. 24. 735  Klage auf Erteilung der Entlastung ist grundsätzlich unzulässig: vgl. BGH NJW 1986, 129 f. (zur GmbH); Soergel/Hadding § 27 Rn. 25; MünchKomm/Arnold § 27 Rn. 47; zur Regelung eines Anspruchs auf Entlastung in der Satzung vgl. Reichert, VereinsR, Rn. 2719 ff.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

3.  Schadensersatzansprüche des Vereins Kompetenzverletzungen des Vorstands können darüber hinaus auch zu Schadensersatzansprüchen des Vereins führen. Im Hinblick darauf ist zwischen den Entstehungsvoraussetzungen und ihrer Geltendmachung zu unterscheiden. a)  Entstehung von Schadensersatzansprüchen des Vereins Verletzt der Vorstand schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten, zu denen grundsätzlich auch die Beobachtung der Kompetenzordnung rechnet,736 kann dies nach § 280 BGB i.V.m. der aus der Organstellung resultierenden Sonderverbindung zur Entstehung von Schadensersatzansprüchen des Vereins führen.737 Auch im Vereinsrecht ist aber zu beachten, dass Kompetenzüberschreitungen keineswegs zwangsläufig auch zu einem Schaden des Vereins führen müssen.738 Schon deswegen ist die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen kein systematisch gangbarer Weg, um die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung zu sichern. Hinzu kommt, dass gem. § 31a Abs. 1 BGB ein ganz oder nahezu unentgeltlich tätiger Vorstand nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet.739 Ob diese Haftungsvoraussetzungen bei einer Verletzung der Kompetenzordnung erfüllt sind, lässt sich naturgemäß nicht pauschal sagen, weil dies von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Je klarer die Zuständigkeitsverteilung zu Tage liegt, umso eher wird ein Kompetenzverstoß als grob fahrlässig einzuordnen sein. Naheliegen wird der Vorwurf zumindest grob fahrlässigen Handelns etwa dann, wenn gegen eine klare und im konkreten Fall eindeutig subsumierbare Satzungsregelung verstoßen wird. Dagegen wird ein Fahrlässigkeitsvorwurf schon wegen der bislang noch wenig konsolidierten Diskussion viel schwieriger zu begründen sein, soweit es um Zuständigkeiten im Sinne der (transferierten) Holzmüller/Gelatine-Doktrin oder um Vorlagepflichten für ungewöhnliche Maßnahmen geht.740 736  s. für die kompetenzwidrig veranlasste Zahlung von Entschädigungen für Organmitglieder BGH NJW-RR 1988, 745 ff.; allgemein auch Reichert, VereinsR, Rn. 3680. 737  s. BGH NJW-RR 1988, 745; Grunewald, ZIP 1989, 962, 964; Soergel/Hadding § 27 Rn. 23; MünchKomm/Arnold § 27 Rn. 42; bei entgeltlicher Tätigkeit tritt die Haftung für Pflichtverletzungen im Rahmen des Dienstverhältnisses hinzu, bei unentgeltlicher Tätigkeit kommt ein Rückgriff auf das Auftragsrecht in Betracht: s. Reichert, VereinsR, Rn. 3672. 738  s. schon zum Aktienrecht oben § 5 E.VI.6. 739  Die durch Gesetz v. 28. 09. 2009 (BGBl. I S. 3161) neu eingeführte Vorschrift zog die Grenze ursprünglich bei einer Vergütung von jährlich 500 €; s. zu Zweck und Entstehungsgeschichte MünchKomm/Arnold § 31a Rn. 1 f.; Reuter, NZG 2009, 1368, 1369 ff.; durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz vom 21. 03. 2013 (BGBl I 2013, 556) wurde die Bagatellschwelle auf 720 € angehoben und durch eine Beweislastregelung zugunsten des Organmitglieds ergänzt. 740  Leichter wird die Beurteilung auch dann nicht, wenn man die Pflichtverletzung an § 36 Fall 2 BGB festmachen will; denn auch insoweit muss für jeden Einzelfall begründet werden, ob der Vorstand eine Maßnahme noch aus eigener Machtvollkommenheit vornehmen durfte oder nicht.

E.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen

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b)  Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Vereins Im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Vereins gegen den Vorstand ist zwischen der Frage zu unterscheiden, welches Organ über die Geltendmachung zu entscheiden hat und wer für die Umsetzung dieser Entscheidung im Außenverhältnis zuständig ist. Denn die beiden Fragen müssen nicht notwendig parallel zu beantworten sein. aa)  Zuständigkeit für die Entscheidung über die Geltendmachung Das Vereinsrecht enthält keine Regelung der Frage, wer über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand zu entscheiden hat. Im Rahmen der allgemein geltenden Regeln kann aber nicht zweifelhaft sein, dass die Mitgliederversammlung aufgrund ihrer (latenten) Allzuständigkeit dazu befugt ist, für den Verein verbindlich darüber zu entscheiden, ob Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden sollen oder nicht. Letzteres ergibt sich auch bereits daraus, dass die Mitgliederversammlung den Vorstand entlasten und die Anspruchsverfolgung damit ausschließen kann.741 Trifft die Mitgliederversammlung eine Entscheidung für oder wider die Geltendmachung derartiger Ansprüche, ist auch der Vorstand daran gebunden. Eine andere Frage ist, über welche Handlungsalternativen der Vorstand verfügt, wenn eine Entscheidung der Mitgliederversammlung (noch) nicht vorliegt. Angesichts der Entlastungskompetenz der Mitgliederversammlung wird man ihm keinesfalls die Befugnis einräumen können, endgültig auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu verzichten. Davon ist aber die Frage zu trennen, ob er auch an einer positiven Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gehindert sein soll. Nun kann es im Einzelfall so liegen, dass vom Vorstand ohnehin kein großer Ehrgeiz zu erwarten ist,742 etwa weil alle gegenwärtigen Vorstandsmitglieder von den Vorwürfen betroffen sind oder die nichtbetroffenen Vorstandsmitglieder aus Rücksicht auf ihre Vorstandskollegen untätig bleiben.743 Zwingend sind solche Interessenkonflikte aber nicht. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn die belasteten Vorstandsmitglieder bereits ausgeschieden sind und die Ansprüche durch den neu bestellten Vorstand geltend gemacht werden können. Für eine solche Konstellation, in der auch über die Entlastung des alten Vorstands noch nicht entschieden war, hat der Bundesgerichtshof in einer älteren Entscheidung ausgeführt, dass der Vorstand unbeschadet der Entscheidungsrechte der Mitgliederversammlung eigenständig über die Geltendma741 

s. dazu soeben, § 7 F.I.2. Grunewald, ZIP 1989, 962, 964; Segna, Vorstandskontrolle, S. 194. 743  Dagegen dürfte die Entscheidung nicht an der Unmöglichkeit eines wirksamen Vorstandsbeschlusses scheitern, solange nur ein Vorstandsmitglied nicht betroffen ist: gem. §§ 28, 34 BGB dürfen die Vorstandsmitglieder, um deren Inanspruchnahme es geht, nicht mitstimmen. 742 s.a.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

chung solcher Ansprüche entscheiden könne und sich u.U. sogar regresspflichtig mache, wenn er begründete Ansprüche nicht verfolge.744 In der neueren Literatur findet sich dagegen die Ansicht, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder könne stets nur auf der Grundlage eines Beschlusses der Mitgliederversammlung erfolgen.745 Auf einen allgemeinen körperschaftsrechtlichen Grundsatz, dass stets ausschließlich das oberste Gesellschaftsorgan darüber zu befinden habe, ob Ansprüche gegen Organmitglieder verfolgt werden,746 wird man sich zur Begründung aber schon deswegen nicht berufen können, weil nach der Änderung des § 39 GenG im Jahr 2006747 dafür allein noch auf § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG zurückgegriffen werden kann. Für den Nachweis eines allgemeinen Grundsatzes dürfte dies noch nicht genügen. Was eine Einzelanalogie zu § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG angeht, kommt es auf den dahinter stehenden Normzweck an, der allerdings nicht ganz einfach zu bestimmen ist.748 Verbreitet wird der Grund für das Beschlusserfordernis in der Gefahr gesehen, dass durch die Anspruchsverfolgung Gesellschaftsinterna an die Öffentlichkeit gelangen,749 was insbesondere im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr für „Ansehen und Kredit“ der Gesellschaft im Geschäftsverkehr der Entscheidung der Gesellschafterversammlung überlassen bleiben müsse.750 Gegen eine auf dieser Basis durchgeführte Analogie ist ein GmbH-rechtlicher und ein vereinsrechtlicher Einwand zu erheben. Der GmbHrechtliche Einwand bestreitet die Richtigkeit der Zweckbestimmung. Dagegen, dass § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG spezifisch auf den Schutz von Gesellschaftsinterna BGH NJW 1957, 832, 833; dem folgend Stöber, VereinsR (9. Aufl.), Rn. 318. So insbesondere Reichert, VereinsR, Rn. 2728 f.; Reichert bezieht sich daneben noch auf Grunewald, ZIP 1989, 962, 964, aus deren Ausführungen sich jedoch wohl nicht schließen lässt, dass stets ein Beschluss der Mitgliederversammlung vorliegen muss. Eine Analogie zu § 46 Nr. 8 GmbHG jedenfalls hinsichtlich der Außenvertretung befürworten zudem MünchKomm/Reuter (6. Aufl.) § 27 Rn. 45 und Bamberger/Roth/Schöpflin § 27 Rn. 20; ob sich die Analogie neben der Vertretungsmöglichkeit (§ 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG) auch auf das Beschlusserfordernis (§ 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG) bezieht, so dass die Anspruchsverfolgung nur auf Basis eines Beschlusses der Mitgliederversammlung stattfinden könnte, wird jedoch nicht ganz klar; mit ausdrücklicher Unterscheidung der Fragenkreise Außenvertretung u. Beschlusserfordernis sowie einer differenzierenden Lösung Segna, Vorstandskontrolle, S. 194 ff. 746 s. Reichert, VereinsR, Rn. 2728. 747  Gem. § 39 Abs. 1 GenG in der Fassung vor der Novelle von 2006 bedurfte der Aufsichtsrat für die Prozessführung gegen den Vorstand der Ermächtigung durch die Generalversammlung; nach § 39 Abs. 1 S. 2 GenG n.F. gilt dies nur noch, wenn die Satzung eine entsprechende Bestimmung enthält: s.a. Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 39 Rn. 11. 748  Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 46 Rn. 39; S ­ cholz/ K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 141; Schwab, Prozessrecht, S. 77 ff. 749  s. etwa BGHZ 28, 355, 357; BGH NJW 1975, 977, 978; NZG 2004, 962, 964; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 35; Michalski/Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 390; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rn. 57. 750  Diesen Zusammenhang betonend BGH NZG 2004, 962, 964; s.a. BGH NJW 1975, 977, 978; Michalski/Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 391; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rn. 57. 744  745 

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zielt, spricht entscheidend, dass ein solcher Schutz sinnvollerweise kaum erst auf der Ebene des Schadensersatzanspruchs ansetzen könnte.751 Aus vereinsrechtlicher Perspektive ist zu bedenken, dass nicht die Preisgabe von Gesellschaftsinterna per se im Mittelpunkt der geschilderten Zweckbestimmung steht, sondern die damit verbundenen Gefahren. Der vom Bundesgerichtshof betonte „Schutz der Gesellschaft im Geschäftsverkehr“752 spielt nun aber für den Verein typischerweise eine deutlich geringere Rolle als für eine voll unternehmerisch tätige GmbH. Selbst wenn man also die geschilderte Zweckbestimmung entgegen dem dagegen angeführten Einwand zugrunde legt, bezieht sie sich also auf eine Interessenlage, die für den Verein typischer Weise nicht gleichermaßen prägend ist.753 Auch soweit man sich für die Bestimmung des Zweckes von § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG alternativ oder zusätzlich auf den Gedanken stützt, die praktisch häufig personalistisch ausgestaltete GmbH sei im Inneren in besonderer Weise auf ein intaktes Vertrauensverhältnis angewiesen, so dass die Entscheidung über dessen Belastung durch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Mitgliederversammlung als oberstem Organ überlassen bleiben müsse,754 liegen die Unterschiede zum Vereinsrecht offen zu Tage. Mit derartigen „existentiellen Folgen für das Innenverhältnis“755 ist für den Verein aufgrund der jedenfalls typischer Weise abweichenden Realstruktur nicht in gleicher Weise zu rechnen.756 Nach allem besteht im Vereinsrecht also kein unabweisbarer Bedarf dafür, generell zu verhindern, dass der Verein ohne den Willen der Mitgliederversammlung in Streitigkeiten mit gegenwärtigen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern hineingezogen wird. Für eine analoge Anwendung von § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG ist daher kein Raum. Atypischen Sachlagen, die z. B. bei Vereinen mit größerem Geschäftsbetrieb oder dann denkbar sind, wenn die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ausnahmsweise doch existenzgefährdende Spannungen oder Risiken begründen könnte, lässt sich über den Gesichtspunkt der Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen flexibel Rechnung tragen.757

751 s. Schwab, Prozessrecht, S. 78 f., unter Hinweis darauf, dass schon der präventive Streit um Geschäftsführungsmaßnahmen das Innenleben der Gesellschaft gegen den Willen der Mehrheit an die Öffentlichkeit spülen könne. 752  s. BGH NZG, 2004, 962, 964. 753  So auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 196. 754  s. Michalski/Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 391; ähnlich auch Lutter/Hommelhoff/ Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 35; s.a. Scholz/K. Schmidt, § 46 Rn. 141: „existentielle Folgen für das Innenverhältnis“. 755  So Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 141. 756 s.a. Segna, Vorstandskontrolle, S. 196. 757 Weitergehend Segna, Vorstandskontrolle, S. 196 (mit dogmatisch etwas abweichender Konstruktion der Vorlagepflicht): s.o. § 7 A.IV.3.c)cc): Vorstand sei gem. § 36 Fall 2 BGB regelmäßig zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung verpflichtet.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

bb)  Die Zuständigkeit für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen Mit der Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist noch nicht darüber entschieden, wer diese Ansprüche für den Verein durchsetzt. (1)  Durchsetzung durch den Vorstand Wenn man dem Vorstand (unter Ausschluss der Vorstandsmitglieder, gegen die Ansprüche geltend gemacht werden sollen) die Befugnis einräumt, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen (gegenwärtige oder ehemalige) Vorstandsmitglieder im Rahmen seiner originären Kompetenzen selbst zu beschließen (oben, aa.), kann man ihm die für die Geltendmachung erforderliche Außenkompetenz konsequenter Weise zumindest im Grundsatz nicht absprechen. Ebenso wie bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung bleiben die Vorstandsmitglieder, gegen die die Ansprüche geltend zu machen sind, aber auch von der Vertretung der Gesellschaft bei der Anspruchsverfolgung ausgeschlossen.758 Daher stößt die Durchsetzung durch den Vorstand naturgemäß dort auf Grenzen, wo der Verein ohne das zu verklagende Vorstandsmitglied nicht mehr ordnungsgemäß vertreten werden kann.759 Soweit noch wenigstens ein vertretungsberechtigtes nicht zu verklagendes Vorstandsmitglied vorhanden ist, kann die Mitgliederversammlung dieses Mitglied auch per Weisungsbeschluss zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verpflichten.760 (2)  Durchsetzung durch die Mitgliederversammlung oder einen besonderen Vertreter Daneben besteht allerdings auch die Möglichkeit der Mitgliederversammlung, analog § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG den Verein selbst zu vertreten, oder, was regelmäßig praktikabler ist, dafür einen besonderen Vertreter einzusetzen.761 Für letzteres ist zudem auch § 147 Abs. 2 AktG als Analogiebasis heranzuzuziehen. Der Analogie zu § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG steht die Ablehnung eine Analogieschlusses zu § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG (oben, aa.) nicht entgegen, weil § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG ein anderer Normzweck zugrunde liegt.762 § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG dient der Sicherung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und einer unvoreingenom-

758  Verbot des Insichprozesses durch organschaftliche Vertretung des Vereins durch das betroffene Vorstandsmitglied im Prozess gegen ihn selbst als Organwalter: vgl. auch BGH NZG 2010, 1381; BGHZ 179, 344 Rn. 20. 759 s. Grunewald, ZIP 1989, 962, 964. 760 s. Grunewald, ZIP 1989, 962, 964. 761 s. Grunewald, ZIP 1989, 962, 964; MünchKomm/Reuter (6. Aufl.) § 27 Rn. 45; Segna, Vorstandskontrolle, S. 194. 762  s. näher Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 163.

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menen Prozessführung.763 Für die Sicherung der Handlungsfähigkeit kann für die (nichtmitbestimmte) GmbH wie für den Vereinsrecht anders als für die AG nicht auf einen obligatorischen Aufsichtsrat zurückgegriffen werden, der kraft Gesetzes zur Vertretung der Körperschaft gegenüber dem Geschäftsführungsorgan berechtigt ist.764 Die Möglichkeit, einen besonderen Vertreter einsetzen zu können, behält aber auch dann ihren Sinn, wenn eine wirksame Vertretung durch den Aufsichtsrat in Betracht kommt, wie die Regelung des § 147 Abs. 2 AktG zeigt. Insoweit setzt sich das auch für den Verein uneingeschränkte Geltung beanspruchende Regelungsanliegen durch, eine potenzielle Interessenkollision auf der Ebene der ständigen Organe bei der Anspruchsverfolgung gegen ein (ehemaliges) Organmitglied durch den Einsatz eines Sonderorgans von vornherein zu vermeiden.765 Der Analogie zu § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG steht es im Übrigen auch nicht entgegen, dem Vorstand grundsätzlich auch eine eigene Kompetenz für die Anspruchsverfolgung zuzusprechen.766 Diese muss aber dann zurücktreten, wenn die Mitgliederversammlung von ihrem Recht Gebrauch macht, den Schadensersatzanspruch selbst durchzusetzen oder für diese Zwecke einen besonderen Vertreter einzusetzen.767 cc)  Einzelklagebefugnis des Mitglieds? Ob Schadensersatzansprüche des Vereins zumindest unter bestimmten Voraussetzungen auch durch ein einzelnes Mitglied – unabhängig von einem Beschluss der Mitgliederversammlung – durchgesetzt werden können, ist zweifelhaft. Anders als in der Personengesellschaft und in der GmbH ist eine derartige Einzelklagebefugnis des Mitglieds im Vereinsrecht bislang nicht etabliert.768 Mit Rücksicht auf die gesetzliche und statuarische Zuständigkeitsordnung wird man von einer solchen Klagebefugnis allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen ausgehen können.769

763  s.a. BGH NZG 2010, 1381 f., im Zshg. mit der Möglichkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters durch die Gesellschafter einer Personengesellschaft analog §§ 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG, 147 Abs. 2 AktG. 764  s.a. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 163. 765  s.a. BGH NZG 2010, 1381 f. 766  Das gilt schon im ursprünglichen Anwendungsbereich der Vorschrift: s. BGH ZIP 1992, 760; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 164. 767 s.a. Segna, Vorstandskontrolle, S. 195. 768 s. Wiedemann, GesR I, § 8 IV 1 c (S. 458): Einzelklagebefugnis des Mitglieds zugunsten des Verbandes sei dem Vereinsrecht unbekannt; s. weitergehend – die actio pro socio habe sich zu einem Institut des allgemeinen Verbandsrechts entwickelt –, aber für den Verein doch zurückhaltend K. Schmidt, GesR, § 21 IV 4. 769 s. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 136 (i.S. eines Notgeschäftsführungsrechts für den Verband); Reichert, Verein, Rn. 3291 (beschränkt auf extreme Ausnahmefälle); Segna, Vorstandskontrolle, 256 ff., 263 (beschränkt auf seltene Ausnahmefälle); ablehnend Grunewald, GesR, § 8 Rn. 39 unter Hinweis auf die Möglichkeit des Mitglieds, einen die Anspruchsver-

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

4.  Eigene Ansprüche des Vereinsmitglieds gegen Vorstandsmitglieder? Ob auch dem Vereinsmitglied selbst eigene Ansprüche gegen Mitglieder des Vorstands in Bezug auf die Einhaltung der Kompetenzordnung zukommen, hängt in diesem Verhältnis mangels Existenz einer Sonderverbindung davon ab, ob die Mitwirkungsansprüche des Vereinsmitglieds als Bestandteil der Mitgliedschaft auch im Verbandsinnenverhältnis nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB deliktischen und quasinegatorischen Schutz genießen.770 Nach den für das Aktienrecht angestellten Überlegungen, die sinngemäß auch für das Vereinsrecht Geltung beanspruchen, ist ein solcher Schutz im Verbandsinnenverhältnis jedoch abzulehnen.771

II.  Anspruch des Mitglieds auf Unterlassung und Beseitigung gegen den Verein 1. Grundlagen Auch für das Vereinsrecht ist heute ganz weitgehend anerkannt, dass dem einzelnen Vereinsmitglied in Anlehnung an die Holzmüller-Doktrin bei Kompetenzübergriffen des Vorstands ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch zusteht.772 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Auch im Vereinsrecht sind derartige Ansprüche verbandsrechtlich zu begründen:773 Sie stellen sich als Reaktion auf einen Eingriff in die Mitgliedschaft und das darin verkörperte Recht auf Entscheidungsteilhabe dar. Daneben wird auch für das Vereinsrecht die These vertreten, dass zu diesem verbandsrechtlichen Anspruchsgrund mit § 823 Abs. 1 BGB (bzw. § 1004 BGB) ein zweiter, deliktsrechtlich (quasinegatorisch) begründeter Anspruchsgrund konkurrierend hinzutritt.774 Dem ist nach hier vertretener Ansicht nicht zu folgen, weil das Verbandsmitglied im Verbandsinnenverhältnis nach diesen Vorschriften nicht geschützt ist.775 Praktische Auswirkungen hat dies auf die Rechtslage im Verhältnis zwischen Vereinsmitglied und Verein aber ohnehin nicht, folgung ablehnenden Beschluss der Mitgliederversammlung anzugreifen und zugleich eine positive Beschlussfeststellungsklage zu erheben. 770  Vgl. auch Grunewald, GesR, § 8 Rn. 78. 771  s. o., § 5 E.VI.6.b). 772  Vgl. etwa Flume, Jur. Person, § 8 V 4 (S. 312 f.); Grunewald, ZIP 1989, 962, 965 f.; Habersack, Mitgliedschaft, S. 308 ff.; Soergel/Hadding § 33 Rn. 15; Lettl, AcP 203 (2003), 149, 201 ff.; Leuschner, Konzernrecht, S. 121 f.; Menke, Betätigung, S. 118 ff.; MünchKomm/Arnold § 27 Rn. 40, § 33 Rn. 11 u. § 38 Rn. 30; Schießl, Ausgliederung, S. 89 f.; K. Schmidt, GesR, § 24 III 4 (S. 700 f.); Segna, Vorstandskontrolle, S. 253 ff.; Sprengel, VereinskonzernR, S. 251 f. 773 s. Menke, Betätigung, S. 114 ff.; Soergel/Hadding § 33 Rn. 15; Segna, Vorstandskontrolle, S. 245 ff. 774  s. dazu insbesondere Habersack, Mitgliedschaft, S. 308 ff., 310 ff. 775  s. o., § 5 E.VI.6.b).

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weil entsprechende Ansprüche eben schon auf verbandsrechtlicher Basis begründet sind und sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB jedenfalls keine weiterreichenden Ansprüche ergeben können.776 2.  Mögliche Einwände Gegenüber einer auf die Mitgliedschaft gestützten Kompetenzschutzklage des Vereinsmitglieds sind unterschiedliche Einwände denkbar, die so im Aktienrecht nicht immer eine unmittelbare Entsprechung haben. a)  Das Quorum des § 37 BGB und Weisungsrecht der Mitgliederversammlung Schon für das Aktienrecht ist gelegentlich der Einwand erhoben worden, ein Individualklagerecht des Aktionärs bei Kompetenzverstößen stelle einen Verstoß gegen das in § 122 Abs. 1 AktG geregelte Einberufungsquorum dar.777 Ähnliche Argumente sind auch auf der Basis von §§ 37 Abs. 1 BGB, 50 Abs. 1 GmbHG vorstellbar. Derartige Einwände haben sich aber zu Recht nicht durchsetzen können, weil die Gefahr einer Umgehung des erforderlichen Quorums bei Licht besehen gar nicht besteht. Denn Ziel des gewährten Anspruchs ist nicht die Einberufung des Mitgliederorgans, sondern die Unterlassung von Maßnahmen, die die Verwaltung nicht vornehmen darf, ohne dessen Zustimmung eingeholt oder ihm – wie dies nach hier vertretener Ansicht für ungewöhnliche Maßnahmen erforderlich ist – zumindest Gelegenheit zu einer ablehnenden Weisung verschafft zu haben.778 Für das GmbH-Recht hat Raiser einen Einwand gegen ein Individualklagerecht des Aktionärs vorgetragen, der gewisse Berührungspunkte mit dem Hinweis auf das Einberufungsquorum des § 122 AktG aufweist, inhaltlich aber speziell auf die Besonderheiten der Zuständigkeitsordnung der GmbH zugeschnitten ist.779 Dieser Einwand ist auch aus der Perspektive des Vereinsrechts im Auge zu behalten, weil die Zuständigkeitsordnung des Vereins mit derjenigen der GmbH im gesetzlichen Ausgangsfall unbeschadet der abweichenden Realstrukturen eng verwandt ist. Raiser meint, bei der GmbH sei für eine Abwehrklage kein Raum, weil die Gesellschafterversammlung jede Angelegenheit an sich ziehen und selbst darüber entscheiden könne. Angesichts dessen reduziere sich das Interesse eines einzelnen Gesellschaf776  Wohl a.A. aufgrund der These, dass sich ein (verschuldensunabhängiger) Beseitigungsanspruch nur aus § 1004 BGB ableiten lasse Zöllner, ZGR 1988, 392, 428 f.; ähnlich auch Habersack, Mitgliedschaft, S. 5 f.; dagegen überzeugend Reuter, AcP 197 (1997), 322, 323: Ein Beseitigungsanspruch lasse sich auch allein auf mitgliedschaftlicher Basis aus der Treuepflicht begründen. 777  s. etwa Pflugradt, Leistungsklagen, S. 39. 778  s. näher Habersack, Mitgliedschaft, S. 321 ff.; Schwab, Prozessrecht, S. 40 f.; vgl. auch Baums, Verhandlungen 63. DJT, Bd. I, S. F 210; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 462 ff., 466 ff. 779 s. Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 31.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

ters darauf, was in der Gesellschafterversammlung geschehe. Unter den Voraussetzungen des § 50 GmbHG könne er die Einberufung der Gesellschafterversammlung herbeiführen, gegen danach ergehende Beschlüsse mit der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage vorgehen.780 Damit hält Raiser das Schutzbedürfnis des Gesellschafters für gedeckt, vorbehaltlich einer systeminternen Einschränkung und einer Generalausnahme. So soll aus dem Minderheitsrecht des § 50 Abs. 1 GmbH ein Individualrecht werden, wenn der Gesellschafter Kompetenzübergriffe rügt, die von den anderen Gesellschaftern gedeckt werden; und ganz generell sollen doch wieder die aktienrechtlichen Grundsätze gelten, wenn der Gesellschaftsvertrag das Weisungsrecht beseitigt und der Geschäftsführung einen eigenständigen Verantwortungsbereich für die Unternehmensleitung einräumt.781 Raisers Ansatz liegt offenkundig der Gedanke zugrunde, in der GmbH bestehe für Klagerechte des Gesellschafters bei kompetenzverletzenden Maßnahmen kein Bedürfnis. Bei näherem Hinsehen kann dies aus einer Reihe von Gründen für die GmbH782 genauso wenig überzeugen wie für den Verein.783 Ein zentraler Einwand ergibt sich bereits daraus, dass das Klagerecht als Individualrecht ausgestaltet ist, während es sich bei dem Einberufungsrecht nach §§ 37 Abs. 1 BGB, 50 Abs. 1 GmbHG um Minderheitsrechte handelt. Dies bemerkt natürlich auch Raiser selbst, der sich deswegen gezwungen sieht, das Minderheitenrecht des § 50 Abs. 1 ­GmbHG zumindest situationsabhängig in ein Individualrecht umzudeuten. Ist aber eine so deutliche und mit dem Wortlaut von § 50 Abs. 1 GmbHG kaum zu vereinbarende Modifikation der gesetzlichen Ausgangslage erforderlich,784 weckt bereits dies an Raisers These vom fehlenden Schutzbedürfnis des GmbH-Gesellschafters erhebliche Zweifel. Auch die von Raiser befürwortete Generalausnahme – Rückkehr zur aktienrechtlichen Abwehrklage für den Fall, dass der Geschäftsführer nach dem Gesellschaftsvertrag über einen eigenverantwortlichen Leitungsbereich verfügt – schürt eher Zweifel an seinem Konzept, als dass das es dessen Systemgerechtigkeit betont.785 Davon abgesehen stößt Raisers Konzept auf eine Reihe praktischer Schwierigkeiten. So ist etwa die technische Umsetzbarkeit eines InRaiser, a.a.O., S. 31. Raiser, a.a.O., S. 31. 782  s. für eine ausführliche und i.E. ablehnende Auseinandersetzung mit Raisers Vorschlag auch Binge, Gesellschafterklagen, S. 13 ff.; daneben auch noch Habersack, Mitgliedschaft, S. 323; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 181. 783  s. speziell zum Verein noch Segna, Vorstandskontrolle, S. 248 f. 784 Gegenüber Raisers Ansicht auf dieses Wortlautargument abstellend auch Banerjea, Gesellschafterklage, S. 198; Binge, Gesellschafterklagen, S. 15; Schwab, Prozessrecht, S. 41. 785 Im Aktienrecht wehrt sich der Aktionär mit der Holzmüller-Abwehrklage gegen Maßnahmen, die gerade nicht mehr von der eigenverantwortlichen Leitungsbefugnis gedeckt sind, sondern die als satzungsähnliche Maßnahmen in die Grundlagenzuständigkeit der Hauptversammlung fallen. Diese Zuständigkeitsgrenze gilt ebenso auch in der GmbH und zwar ganz unabhängig davon, ob der Geschäftsführung ansonsten ein eigenverantwortlicher Leitungsbereich zusteht oder nicht. Wieso dann die Verfügbarkeit der Abwehrklage von diesem Umstand abhängen soll, ist nicht einzusehen. 780 s. 781 s.

E.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen

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dividualeinberufungsanspruchs mit Zweifelsfragen befrachtet.786 Regelmäßig wird davon auszugehen sein, dass der GmbH-Geschäftsführer oder Vereinsvorstand einem individuellen Einberufungsverlagen, das auf die Abstellung einer behaupteten Kompetenzverletzung zielt, ablehnend gegenüber stehen wird. Für das Vereinsrecht, das kein Selbstberufungsrecht i.S. des § 50 Abs. 3 GmbHG kennt, müsste sich das Vereinsmitglied daher durch das zuständige Amtsgericht nach § 37 Abs. 2 BGB zur Einberufung ermächtigen lassen. Auch dies würde aber eine gerichtliche Überprüfung des Kompetenzverstoßes bedingen, will man nicht schon – wogegen in praktischer Hinsicht viel spricht – die bloße Berufung darauf genügen lassen.787 Auch wenn die Einberufung gelingt, ist noch nicht unbedingt gesagt, dass auch eine Beschlussfassung durchgesetzt werden kann.788 Der Verweis auf die Möglichkeit, über das Einberufungsrecht auf eine Beschlussfassung hinzuwirken, versagt zudem auch in allen Eilfällen, wenn die Gefahr besteht, dass noch vor einer Beschlussfassung durch Geschäftsführung oder Vorstand Fakten geschaffen werden.789 Ganz versagt der Verweis auf die Möglichkeit des Erlasses eines Weisungsbeschlusses und ggfs. eine sich daran anschließende Anfechtungsklage schließlich auch dann, wenn bereits ein Beschluss des Mitgliederorgans ergangen ist, der Geschäftsführer oder der Vorstand sich daran aber nicht hält.790 Damit dürfte Raisers These von einem fehlenden Bedarf für ein Individualklagerecht hinreichend widerlegt sein. Jedenfalls für das Vereinsrecht ist darüber hinaus aber auch noch ein genereller ansetzender Einwand zu berücksichtigen. Dieser ergibt sich daraus, dass mit Raisers These, die Beschlussfassung mit nachfolgender Anfechtungsklage habe Vorrang vor einer direkten Unterlassungsklage, zugleich impliziert ist, dass eine solche Leistungsklage gegenüber einer Beschlussmängelklage subsidiär wäre.791 Genau dies ist aber jedenfalls für das Vereinsrecht nicht der Fall.792 Wenn dies auch bestritten ist, gilt nach h.M. und ständiger Rechtsprechung für das Vereinsrecht nach wie vor der Grundsatz, dass rechts- oder satzungswidrige Beschlüsse schlichtweg

786 s. Binge, Gesellschafterklagen, S. 15; speziell zum Verein Segna, Vorstandskontrolle, S. 249. 787 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 249; s. zur GmbH auch noch Binge, Gesellschafterklagen, S. 15. 788 Vgl. Binge, Gesellschafterklagen, S. 16; Habersack, Mitgliedschaft, S. 323: Auch dann, wenn man aus den Vorschriften über das Einberufungsrecht ein Recht auf Beschlussfassung ableitet, kann die Mehrheit einen von der Minderheit oder einem einzelnen Mitglied eingebrachten Tagesordnungspunkt wieder absetzen oder vertagen; der darauf gerichtete Beschluss müsste dann erst im Wege der Beschlussanfechtungsklage angegriffen werden; an einer Entscheidung in der Sache selbst fehlte es dann immer noch. 789 s. Binge, Gesellschafterklagen, S. 20; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 181; Segna, Vorstandskontrolle, S. 249. 790 s. Binge, Gesellschafterklagen, S. 20; Schwab, Prozessrecht, S. 40 f.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 249. 791 Vgl. Binge, Gesellschafterklagen, S. 17. 792  s. zum GmbH-Recht Binge, Gesellschafterklagen, S. 17 ff.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

nichtig sind.793 Trifft dies zu, ist aber nicht einzusehen, warum das Vereinsmitglied nicht unmittelbar mit der Leistungsklage gegen Kompetenzüberschreitungen vorgehen können sollte, die es in seinen Mitgliedschaftsrechten verletzen.794 b)  Austrittsrecht; mangelnde finanzielle Interessen Auch gelegentlich geäußerte, spezifisch vereinsrechtliche Einwände gegen ein Individualklagerecht des Vereinsmitglieds haben sich zu Recht nicht durchsetzen können.795 Weder aus dem Austrittsrecht des Vereinsmitglieds noch aus dem Umstand, dass über die Vereinsmitgliedschaft regelmäßig keine finanziellen Interessen verfolgt werden, lässt sich etwas anderes ableiten.796 Ob ein Verbandsmitglied im Rahmen der Mitgliedschaft finanzielle oder sonstige Interessen verfolgt, kann für den Schutz der gesetzlich oder statuarisch vorgegebenen Kompetenzordnung des Verbandes und den daraus fließenden Mitwirkungsansprüchen keine entscheidende Rolle spielen.797 Davon abgesehen gibt es durchaus auch Konstellationen, in denen mit der Mitgliedschaft in einem Idealverein wirtschaftliche Interessen verfolgt werden.798 Auch der Verweis auf das Austrittsrecht führt nicht weiter.799 Wenn und soweit dem Mitglied bzw. dem Mitgliederorgan im Verein durch Satzung oder Statut Mitwirkungsansprüche eingeräumt werden, muss die Rechtsordnung auch eine effektive Reaktion ermöglichen, wenn diese Rechte verletzt werden. Der Verweis auf das Austrittsrecht liegt hier neben der Sache.800 793 

s. dazu noch näher unten § 7 E.III. s. auch dazu unten, § 7 E.III. 795  Ein Klagerecht ablehnend etwa Furche, Kontrolle, S. 108 ff., allerdings mit zweifelhaftem Problemzugriff, weil die Frage nach der Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin mit der Frage danach zusammengefasst wird, ob die Mitglieder an Stelle des Vereins das Recht haben sollten, im Wege einer Einzelklagebefugnis jedes Fehlverhalten des Vorstands in Bezug auf die von diesem gegenüber dem Verein geschuldeten Pflichten zu korrigieren („Notgeschäftsführungsbefugnis der Mitglieder“). Diese Frage wird man aufgrund der weitgehenden Implikationen für die Zuständigkeitsordnung des Verbands allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen bejahen können (s. schon oben, § 7 G.I.3.b)cc). Auch dogmatisch hat die Holzmüller-Klagebefugnis aber einen anderen Zuschnitt, weil es hierbei nach zutreffender Ansicht nicht um die Geltendmachung von Ansprüchen des Verbands gegenüber dem Vorstand geht, sondern vielmehr darum, eigene Mitwirkungsrechte des Mitglieds – ob nun auf deliktischer oder verbandsrechtlicher Grundlage – gegenüber dem Verein zur Geltung zu bringen, s. Schwab, Prozessrecht, S. 7 m.w.N. 796  Darauf abstellend aber Furche, S. 109 f. 797 s.a. Grunewald, ZIP 1989, 962, 966; Menke, Betätigung, S. 124; Schießl, Ausgliederung, S. 90; Segna, Vorstandskontrolle, S. 249 f. 798 s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 250. 799  So aber Furche, Kontrolle, S. 109 f.; dagegen Grunewald, ZIP 1989, 962, 966; Menke, Betätigung, S. 125; Segna, Vorstandskontrolle, S. 250; s.a. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 458. 800  Generell sollte dem Gedanken, die Austrittsfreiheit begründe eine Art Marktkontrolle, die die Verwaltung hinreichend disziplinieren könne, mit Vorsicht begegnet werden; 794 

E.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen

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3.  Anwendungsbereich der Kompetenzschutzklage a)  Der sachliche Schutzbereich Ebenso wie nach der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung ist ein Anspruch des Vereinsmitglieds auf Beachtung seiner Mitwirkungsansprüche nicht nur auf die Verletzung von Kompetenzen zu beziehen, die Gesetz oder Satzung ausdrücklich festhalten. Vielmehr muss er sich auch im Vereinsrecht auf Zuständigkeiten erstrecken, die dem Gesetz erst im Wege der Auslegung und Rechtsfortbildung entnommen werden können. Dementsprechend sind auch die (ungeschriebenen) Zuständigkeiten nach der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin auf diese Weise geltend zu machen. Darüber hinaus ist den Vereinsmitgliedern ein derartiger Abwehranspruch auch dann zuzubilligen, wenn der Vorstand die für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen geltenden Kompetenzgrenzen missachtet. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob man insoweit von einem Kompetenz-, Zustimmungs- oder, wie diese Arbeit, von einem Vetovorbehalt ausgeht. Geht man insoweit von einer echten ungeschriebenen Primärzuständigkeit der Mitgliederversammlung aus, drängt sich die Gleichbehandlung mit solchen ungeschriebenen Zuständigkeiten, die in Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Strukturkompetenzen entwickelt werden, zwar besonders auf.801 Aber auch dann, wenn man Konzept eines Vetovorbehalts folgt, der darauf abzielt, die übergeordneten Entscheidungskompetenzen der Mitgliederversammlung durch eine konkrete Zugriffsmöglichkeit abzusichern,802 bieten die damit verbundenen – ohnehin nur geringfügigen – Unterschiede keine hinreichende Grundlage für eine abweichende Behandlung.803 Denn auch bei einem Verstoß gegen einen Vetovorbehalt hält der Vorstand die seiner Geschäftsführungsbefugnis gesetzten Grenzen nicht ein und verletzt dabei die zum Schutz der Entscheidungshoheit der Mitgliederversammlung aufgestellten Regeln.804 diese These trifft aus einer Vielzahl von Gründen schon weit vor der Grenze, ab der über einen Kontrahierungszwang nachgedacht wird (und an der auf die Austrittsfreiheit abzielende Argumente jedenfalls ihre Grenze verlieren müssen) auf praktische Schwierigkeiten: s. bereits Leist, Vereinsherrschaft (1899), S. 5 ff.; vgl. auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 275 ff. 801  Vgl. auch Grunewald, ZIP 1989, 962, 965 (unter dem Gesichtspunkt einer Vorlagepflicht für bedeutsame Maßnahmen). 802  s. zur Entwicklung der Grundposition anhand des GmbH-Rechts oben, § 6 D.III.4.c) ee); zur Übertragung in das Vereinsrecht s. § 7 A.IV.3.d). 803  s. auch insoweit bereits die Ausführungen zum GmbH-Recht oben, § 6 G.III.4; s.a. Leuschner, Konzernrecht, S. 121 f. 804  Auch hier lässt sich nicht im Sinne Raisers, ZHR 153 (1989), 1, 31 (dazu schon oben, § 7 E.II.2.a)) mit dem Argument operieren, es stehe der Mitgliederversammlung ja frei, ihre Weisungsmöglichkeiten vermittels des Einberufungsrechts durchzusetzen. Denn der Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen zielt gerade über diese ohnehin bestehende Möglichkeit hinaus, in dem er dem Vorstand ähnlich wie eine voll ausgeformte Entscheidungszuständigkeit oder ein Zustimmungsvorbehalt die Einbeziehung der Mitgliederversammlung als Entscheidungsorgan verpflichtend aufgibt.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

Die Grenzen der Kompetenzschutzklage sind dann erreicht, wenn es um Maßnahmen geht, die in den originären Zuständigkeitsbereich des Vorstands fallen, für die also auch kein Vetovorbehalt zugunsten der Mitgliederversammlung besteht. b)  Mögliche Verletzungshandlungen Auch im Vereinsrecht werden die Mitwirkungsansprüche des Vereinsmitglieds nicht nur dadurch verletzt, dass der Vorstand Maßnahmen, die außerhalb seines originären Verantwortungsbereichs liegen, ohne die gebotene Beteiligung der Mitgliederversammlung vornimmt. Vielmehr muss genauso auch der Fall erfasst sein, dass der Vorstand eine Maßnahme durchführt, die von der Mitgliedversammlung bereits abgelehnt worden ist. Gleiches gilt auch für den umgekehrten Fall, wenn der Vorstand eine Maßnahme nicht ausführt, obwohl ihre Durchführung von der Mitgliederversammlung beschlossen worden ist.805 4.  Grenzen des Klagerechts Auch für das Vereinsrecht ist davon auszugehen, dass Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin nicht missbräuchlich und unter Verletzung der gegenüber dem Verein aus dem Gesichtspunkt der Treuepflicht gebotenen Rücksichtnahme geltend gemacht werden dürfen. a)  Zeitliche Grenzen Dies wirkt sich zunächst auf die zeitlichen Grenzen aus, in denen von diesem Recht Gebrauch gemacht werden kann. Als flexibler Maßstab, der den Umständen des Einzelfalles Rechnung trägt, bietet die Treuepflicht allerding kaum Anhaltspunkte für die Bestimmung einer fixen Frist. Sie ist – beginnend mit der Kenntnis des Vereinsmitglieds von dem Kompetenzverstoß – jedenfalls nicht kürzer anzusetzen als im Aktienrecht, wo die Rechtsprechung an der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG Maß nimmt, zu der die bis zur Klageerhebung verstrichene Zeit „nicht außer Verhältnis“ stehen darf. Orientiert man sich auch im Vereinsrecht an der Hilfsüberlegung, innerhalb welcher zeitlicher Grenzen ein (fehlerhafter) Zustimmungsbeschluss zu der in Frage stehenden Maßnahme angegriffen werden könnte, spricht dies im Gegenteil eher für einen großzügigeren Maßstab als im Aktienrecht, weil für das Vereinsrecht insoweit keine festen Fristen, sondern nur die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung gelten.806 805 s. zu den vorstehend genannten Konstellationen allgemein Schwab, Prozessrecht, S. 10 ff., sowie bereits die entsprechenden Ausführungen zum Aktiengesetz m.w.N. oben, § 5 E.VI.6.b)cc); speziell zum Verein Segna, Vorstandskontrolle, S. 252 ff. 806  Nach h.A. sind fehlerhafte Beschlüsse im Vereinsrecht grundsätzlich nichtig, was im Regelfall im Wege der Feststellungsklage geltend zu machen ist; für diese existiert zwar keine Frist, doch unterliegt das Klagerecht unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung gleichwohl zeitlichen Grenzen: s. Palandt/Ellenberger § 32 Rn. 11; Reichert, VereinsR, Rn. 2016;

E.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen

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b)  Anderweitige Grenzen auf Grundlage der Rücksichtnahmepflicht? Darüber hinaus kann die Rücksichtnahmepflicht das Vereinsmitglied im Einzelfall auch dazu verpflichten, sich zunächst außergerichtlich um die Unterlassung der Maßnahme zu Bemühen und den Vereinsorganen auch eine Überlegungsphase einzuräumen.807 Es muss aber keinesfalls in Kauf nehmen, dass durch sein Zuwarten Fakten geschaffen werden. Eine Besonderheit ergibt sich, sofern es um ungewöhnliche Maßnahmen geht, für die nach hier vertretener Ansicht lediglich ein Vetovorbehalt gilt, die Maßnahme also nicht vorgenommen werden darf, ohne dass sie zuvor der Mitgliederversammlung vorgelegt worden ist. Steht kurzfristig ohnehin eine Mitgliederversammlung an und ist es dem Vereinsmitglied möglich, die Maßnahme als Beschlussgegenstand auf die Tagesordnung setzen zu lassen, so muss es vorrangig diese Möglichkeit nutzen. Dem durch den Vetovorbehalt intendierten Schutz ist dann hinreichend Rechnung getragen. Auch dies gilt aber nur dann, wenn der damit verbundene zeitliche Verzug noch hingenommen werden kann. Dagegen wird sich das Vereinsmitglied unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtnahmepflicht regelmäßig nicht auf die Einberufungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 1 BGB verweisen lassen müssen.808 Das gilt bei größeren Vereinen schon deswegen, weil die Hürde, 10 % des Mitgliederbestandes – je nach Gestaltung der Satzung auch mehr – außerhalb der Mitgliederversammlung zu organisieren, mit einem kaum jemals zumutbaren sachlichen und zeitlichen Aufwand verbunden sein wird.809 Davon soll der Vetovorbehalt – insoweit einem Zuständigkeits- oder Zustimmungsvorbehalt funktionell vergleichbar – das Vereinsmitglied aber gerade befreien. c)  Kein Tätigkeitsvorrang eines Aufsichtsorgans Ein Tätigkeitsvorrang eines etwa durch die Satzung eingerichteten Aufsichtsorgans besteht nicht. Das Vereinsmitglied macht mit der Kompetenzschutzklage eine OLG Hamm, NJW-RR 1997, 989: Klagerecht nach 4 Monaten verwirkt; zu eng wohl OLG Saarbrücken, NZG 2008, 677: im Allgemeinen Frist von 1 Monat; soweit sich ein Teil der Lit. für die Geltendmachung von Beschlussmängeln auf eine Analogie zu §§ 241 ff. AktG stützt, wird die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 davon zwar regelmäßig ausgenommen, stattdessen aber (mit ähnlichen Ergebnissen) die Geltendmachung innerhalb eines „angemessenen“ Zeitraums gefordert: s. MünchKomm/Arnold § 32 Rn. 63; s. zum Rechtsschutz bei Vorliegen eines Beschlusses im Übrigen noch näher unten, § 7 G.III. 807  s. dazu allgemein Zöllner, ZGR 1988, 392, 431 f.; s. zum Verein auch Segna, Vorstandskontrolle, S. 252. 808  Wohl a.A. Reichert, VereinsR, Rn. 3292 ff., 3294 (jedoch unter unklarer Abgrenzung von negatorischer Mitgliederklage und actio pro socio); s.a. Menke, Betätigung, S. 129: u.U. zumutbar. 809  Das gilt unbeschadet des gegen den Verein gerichteten Anspruchs auf Offenbarung der Namen und der Anschrift der anderen Vereinsmitglieder (BGH NZG 2010, 1430 – auch dieser Anspruch muss gegen einen sich sträubenden Vorstand erst einmal durchgesetzt werden), weil dies an dem sachlichen und zeitlichen Aufwand nichts ändert.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

eigene Rechtsverletzung geltend und wird nicht als „Ersatzaufsichtsorgan“ tätig.810 Es muss daher auch vorbehaltlich der allgemein aus der Rücksichtnahmepflicht resultierenden Grenzen nicht zuwarten, ob ein durch die Satzung eingerichtetes Aufsichtsorgan den Versuch unternimmt, der Kompetenzverletzung entgegenzuwirken.811 5.  Zur überkommenen Lehre vom Spaltverein Beschließt eine Mitgliederversammlung mehrheitlich eine Änderung des Vereinszwecks, ohne dafür die nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB oder sonst nach der Satzung erforderliche Mehrheit zu erreichen, und verfolgt sie gegen den Widerspruch der Minderheit gleichwohl diesen neuen Vereinszweck, dann soll dies nach einer bereits durch das Reichsgericht begründeten Rechtsprechungslinie zum automatischen Austritt der Mehrheit und zu der Fortführung des Vereins durch die Minderheit führen (sog. Lehre vom „Spaltverein“).812 Der Bundesgerichtshof hat dieses Konzept übernommen, es allerdings unter den einschränkenden Vorbehalt gestellt, dass die Minderheit zuvor alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft haben muss, die Mehrheit auf den Boden der Satzung zurückzuführen.813 Da für diesen Zweck mit dem Abwehranspruch gegen kompetenzwidrige Maßnahmen ein effektives Instrument zur Verfügung steht, kann die Lehre vom Spaltverein als überholt gelten.814 Es besteht kein hinreichender Anlass, diese spezielle Form der Verletzung der Kompetenzordnung des Vereins einer dogmatisch kaum sinnvoll einzuordnenden Sonderlösung zuzuführen.815 Sollte es im Einzelfall trotz der Klagemöglichkeiten aussichtslos sein, den Verein zusammen mit der Mehrheit fortzuführen, erscheint es systemgerechter, den automatischen Austritt der Mehrheit durch ein Ausschlussrecht der Minderheit zu ersetzen.816

III.  Rechtslage nach Beschlussfassung der Mitgliederversammlung Das Aktienrecht fokussiert den Schutz der Aktionäre vor fehlerhaften Beschlüssen, sofern nicht einer der selteneren Nichtigkeitsgründe vorliegt, in der Anfechtungsklage nach § 246 AktG. Liegt lediglich ein zur Anfechtung berechtigender 810  Den entsprechenden Vorschlag von Lutter, AcP 1980, 172, 185 zum Aktienrecht ablehnend bereits BGHZ 83, 122, 135. 811 Vgl. Zöllner, ZGR 1988, 392, 431 f.; s.a. Menke, Betätigung, S. 128 f. 812  s. RGZ 119, 184; BGHZ 49, 175; zustimmend Palandt/Ellenberger § 33 Rn. 4. 813  s. BGHZ 49, 175, 180. 814 s. insbesondere K. Schmidt, Verbandszweck, S. 44 ff.; ders., GesR, § 24 III 4 b (S. 701); ebenso Habersack, Mitgliedschaft, S. 309; Soergel/Hadding § 33 Rn. 15; Flume, Jur. Person, § 8 V 4 (S. 312 f.); s.a. Staudinger/Weick § 33 Rn. 19. 815 s. Flume, Jur. Person, § 8 V 4 (S. 312). 816 s. Flume, Jur. Person, § 8 V 4 (S. 313); Soergel/Hadding § 33 Rn. 15; MünchKomm/ Arnold § 33 Rn. 14; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 41 ff.; ders., GesR, § 24 III 4 b (S. 701).

E.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen

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Mangel vor, ist der Beschluss solange wirksam, bis er mit einer erfolgreichen Anfechtungsklage beseitigt worden ist. Zum Schutz dieser Regelungssystematik geht die aktienrechtliche Literatur zutreffend davon aus, dass ein Aktionär nicht mit der Holzmüller-Klage gegen Maßnahmen vorgehen kann, für die ein (anfechtbarer) Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung vorliegt.817 Der Rechtsschutz des Aktionärs muss sich dann auf die Anfechtungsklage beschränken. Eine den §§ 241 ff. AktG vergleichbare Differenzierung zwischen nichtigen und anfechtbaren, aber wirksamen Beschlüssen kennt die gesetzliche Regelung des BGB-Vereinsrechts nicht.818 Nach tradierter Ansicht verbleibt es danach bei der Grundregel, dass gegen Gesetz oder Statut verstoßende Beschlüsse nichtig sind. In der Literatur wird dieser Standpunkt schon seit längerer Zeit von einer vordringenden Ansicht angegriffen, die für eine Übernahme des aktienrechtlichen Modells plädiert.819 Anders als im GmbH-Recht hat sich dieser Standpunkt für das Vereinsrecht aber noch nicht durchsetzen können.820 Die Rechtsprechung und der wohl noch überwiegende Teil der Literatur halten an der tradierten Nichtigkeitsthese grundsätzlich fest,821 wenn auch mit nicht unerheblichen Einschränkungen durch Heilungsmöglichkeiten, Relevanz- und Rügeerfordernisse sowie zeitliche Grenzen für die klageweise Geltendmachung.822 Legt man trotzt der gut begründeten Zweifel aus pragmatischen Gründen die herrschende Ansicht für die Beurteilung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Vereinsmitglieds zugrunde, stehen einer Holzmüller/Gelatine-Klage auch dann keine durchgreifenden Einwände entgegen, wenn die Mitgliederversammlung der Maßnahme zugestimmt hat.823 Denn für die Geltendmachung der 817 s. Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 316; Bayer, NJW 2000, 2609, 2612; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 289 f. 818  Es handelt sich dabei um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers: vgl. näher Noack, Beschlüsse, S. 162 ff. 819  So (z.T. mit Modifikationen) insb. K. Schmidt, in: FS Stimpel, S. 217, 220 ff.; ders., GesR, § 15 II 3 b (S. 448 f.) u. § 24 III 3 f (S. 697 f.); s. zudem Grunewald, GesR, § 8 Rn. 56; dies., Ausschluss, S. 270 ff.; MünchKomm/Arnold § 32 Rn. 53 ff.; Segna, Vorstandskontrolle, S. 236 ff. 820  Die Übertragung der rechtsgestaltenden Anfechtungsklage in das GmbH-Recht entspricht seit langem ständiger Rechtsprechung: vgl. BGHZ 11, 231, 235; 14, 25, 30; NJW 1999, 3113; vgl. auch s. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 91; K. Schmidt, GesR, § 15 II 3 (S. 447); umfassender Überblick über die Entwicklung bei Noack, Beschlüsse, S. 115 ff. 821  s. BGH NJW 1971, 879, 880; BGHZ 59, 369, 373; ausdrückliche Festhaltung zuletzt in NJW 2008, 69, 72; aus der Lit. s. Palandt/Ellenberger § 32 Rn. 9; Flume, Jur. Person, § 7 VII 3 (S. 251 ff.); Soergel/Hadding § 32 Rn. 14; NK-BGB/Heidel/Lochner § 32 Rn. 25; Bamberger/Roth/Schöpflin § 32 Rn. 29; RGRK/Steffen § 32 Rn. 16; Staudinger/Weick § 32 Rn. 26 ff.; Erman/Westermann § 32 Rn. 6. 822  Vgl. dazu Palandt/Ellenberger § 32 Rn. 10; Grunewald, GesR, § 8 Rn. 56; Soergel/ Hadding § 32 Rn. 16 ff.; MünchKomm/Reuter § 32 Rn. 53; K. Schmidt, GesR, § 24 III 3 f. 823  Wer für die Übertragung der §§ 241 ff. AktG plädiert, gelangt stattdessen zu der Frage, ob die Unterlassungsklage bereits gleichzeitig mit der Anfechtungsklage erhoben und ggfs. mit dieser verbunden werden kann: s. Segna, Vorstandskontrolle, S. 255; vgl. auch Binge, Gesellschafterklagen, S. 133 f. (zur GmbH).

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses ist das Vereinsmitglied eben nicht auf ein bestimmtes Verfahren angewiesen.824 Sollte der Beschluss also z. B. nicht mit der im konkreten Fall erforderlichen qualifizierten Mehrheit gefasst worden sein, kann das Vereinsmitglied unmittelbar mit einer Unterlassungs- oder Beseitigungsklage gegen die Umsetzung der Maßnahme vorgehen.825 Im Rahmen dieser Klage muss das Gericht dann inzident die Wirksamkeit des Beschlusses prüfen. Folgt man dem, hat das auch Konsequenzen für die Zulässigkeit einer Klage, die auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses gerichtet ist. Zwar ist die allgemeine Feststellungsklage das typische Instrument, um die Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses geltend zu machen.826 Doch ist die Feststellungsklage nach allgemeinen Grundsätzen unzulässig, soweit es dem Kläger auch möglich und zumutbar ist, unmittelbar im Wege der Leistungsklage vorzugehen.827 Das dürfte nach den genannten Grundsätzen aber regelmäßig der Fall sein.

IV.  Ergebnisse zu Abschnitt E. 1. Bei Verstößen des Vereinsvorstands gegen die Kompetenzordnung kommen zunächst gegen den Vorstand selbst gerichtete Maßnahmen in Betracht. Neben der Abberufung und der Verweigerung der Entlastung kommt dabei je nach den Umständen des Einzelfalles auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Vereins gegen den Vorstand in Betracht. a) Die Mitgliederversammlung kann durch Beschluss verbindlich über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen entscheiden. Ein solcher Beschluss des Mitgliederorgans ist aber keine zwingende Voraussetzung für die Anspruchsverfolgung. § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG findet keine analoge Anwendung. Daher kann neben der Mitgliederversammlung auch der Vorstand (oder ein sonst nach der Satzung zuständiges Organ) aus seiner originären Geschäftsführungskompetenz heraus über die Geltendmachung von Ersatz­ansprüchen entscheiden und muss dies ggfs. auch tun, wenn er sich nicht regresspflichtig machen will. b) Für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ist – unter Ausschluss der zu verklagenden Mitglieder – der Vorstand zuständig. Die Grenze ist erreicht, wenn der Verein ohne das oder die zu verklagenden Vorstandsmitglieder nicht mehr ordnungsgemäß vertreten werden kann. 824  Auch das Aktienrecht schließt es nicht aus, die Nichtigkeit eines Beschlusses auf andere Weise geltend zu machen als durch Erhebung der Nichtigkeitsklage: s. § 249 Abs. 1 S. 2 AktG. 825  Vgl. auch Habersack, Mitgliedschaft, S. 338 f. 826  Vgl. BGH NJW 2008, 69, 72; Palandt/Ellenberger § 32 Rn. 11; Reichert, VereinsR, Rn. 3239. 827 s. zum Verhältnis von Feststellungs- und Leistungsklage etwa Musielak/Foerste, ZPO, § 256 Rn. 12.

E.  Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen

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c) Für den letztgenannten Fall muss eine Vertretung des Vereins auf andere Weise sichergestellt werden. Dafür kann auf die – auch sonst zur Verfügung stehende – Möglichkeit zurückgegriffen werden, analog §§ 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG, 147 Abs. 2 AktG einen besonderen Vertreter zu bestellen. d) Einzelnen Vereinsmitgliedern kommt hinsichtlich der Ersatzansprüche des Vereins grundsätzlich keine Klagebefugnis zu. 2. Kompetenzverletzungen des Vorstands begründen keine eigenen Ersatzansprüche der einzelnen Vereinsmitglieder gegen die jeweiligen Vorstandsmitglieder, denen die Pflichtverletzungen zur Last fallen. 3. Neben den Maßnahmen des Vereins, die sich gegen Mitglieder des Vorstands richten, kommen bei Verletzungen der Kompetenzordnung zulasten des Mitgliederversammlung auch Ansprüche einzelner Vereinsmitglieder gegen den Verein gerichtet auf Unterlassung und Beseitigung in Betracht. a) Diese Ansprüche sind verbandsrechtlich zu begründen und stellen sich als Reaktion auf Verletzungen des in der Mitgliedschaft verkörperten Rechts auf Entscheidungsteilhabe dar. Weder das Quorum des § 37 BGB, noch das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung, noch das Austrittsrecht oder das Fehlen eines in der Mitgliedschaft verkörperten Vermögensinteresses steht derartigen Ansprüchen entgegen. b) Sachlich erfasst ist nicht nur die Verletzung durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich geregelter Kompetenzen, sondern auch die Verletzung der Vorlagepflicht bei ungewöhnlichen Maßnahmen ebenso wie der Mitwirkungsrechte der Mitgliederversammlung nach der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin. c) Die Geltendmachung der Kompetenzschutzansprüche des Vereinsmitglieds unterliegt gewissen Grenzen. In zeitlicher Hinsicht kann für die Geltendmachung aber jedenfalls keine kürzere Frist als im Aktienrecht gelten, das sich an der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG orientiert. Inwieweit sich darüber hinaus Beschränkungen aus Treue- und Rücksichtnahmepflichten ergeben, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. d) Die Lehre vom Spaltverein muss angesichts des Abwehranspruchs gegen Maßnahmen, die Kompetenzen der Mitgliederversammlung verletzen, als überholt angesehen werden. 4. Die dargelegten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche stehen dem Vereinsmitglied auch dann zu, wenn die Mitgliederversammlung der Maßnahme durch Beschluss zugestimmt hat, dieser aber fehlerhaft ist. Denn anders als im Aktienrecht sind fehlerhafte Beschlüsse im Vereinsrecht nach immer noch herrschender Auffassung nichtig und nicht lediglich anfechtbar. Es besteht daher kein Anlass, das Vereinsmitglied zunächst darauf zu verweisen, den Beschluss selbst anzugreifen, bevor es sich gegen die in Rede stehende Maßnahme selbst wendet. Es reicht vielmehr aus, die Nichtigkeit des Beschlusses inzident in der Klage auf Unterlassung oder Beseitigung geltend zu machen.

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§ 7  Die Zuständigkeitsordnung des Vereins

F.  Zusammenfassung der Ergebnisse I.  Die Zuständigkeitsordnung im unverbundenen Verein 1. Der Verein verfügt im gesetzlichen Grundmodell über zwei Organe, Vorstand und Mitgliederversammlung. Wie die Gesellschafterversammlung im GmbHRecht ist die Mitgliederversammlung im Vereinsrecht im gesetzlichen Ausgangsfall „oberstes Organ“ der Körperschaft. Der Vorstand ist der Mitgliederversammlung gegenüber (genauer: gegenüber dem Verein, dessen Wille insoweit durch die Mitgliederversammlung gebildet wird) grundsätzlich in allen Belangen der Geschäftsführung weisungsabhängig, wie sich aus § 32 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 27 Abs. 3 BGB und dem dort geregelten Verweis auf das Auftragsrecht ergibt. 2. Das BGB-Vereinsrecht enthält nur wenige gesetzliche Kompetenzzuweisungen zugunsten der Mitgliederversammlung (vgl. §§ 27 Abs. 1 – 3, 32 Abs. 1 S. 1, 33 Abs. 1, 41 BGB). Gleichwohl ist ihr (potentieller) Zuständigkeitsbereich mit Rücksicht auf ihre latente Allzuständigkeit und das damit einhergehende Weisungsrecht (§ 32 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 27 Abs. 3 BGB) denkbar weit. Hinzu treten spezialgesetzliche Vorschriften des Umwandlungsrechts (§ 103 UmwG i.V.m. verschiedenen Verweisungsnormen) und Analogien zu aktienrechtlichen Vorschriften (§§ 179a, 293 Abs. 2 AktG). 3. Eine Kompetenzzuweisung zugunsten des Vorstands ergibt sich zunächst aus der Vorschrift des § 26 Abs. 1 S. 2 BGB, die ihn als das Vertretungsorgan des Vereins ausweist. Die Vertretungsmacht des Vorstands ist im gesetzlichen Ausgangspunkt unbeschränkt, kann aber durch – eindeutige – Satzungsregelung beschränkt werden, § 26 Abs. 1 S. 3 BGB. Satzungsmäßiger Vereinszweck bzw. –gegenstand sind als solche keine die Vertretungsmacht beschränkenden Regelungen im Sinne des § 26 Abs.1 S. 3 BGB. Soweit sich in der Literatur der Satz findet, die Vertretungsmacht sei auch dort beschränkt, wo durch eine Maßnahme in die Zuständigkeit eines anderen Vereinsorgans eingegriffen werde, ist dies in einem engen Sinne zu verstehen. Mangels Vertretungsmacht unwirksam sind lediglich solche Rechtsgeschäfte, die durchsetzbare Verpflichtungen unmittelbar in Bezug auf vereinsinterne Organisationsakte begründen sollen (z. B. Änderung des Vereinsnamens; Bestellung einer bestimmten Person zum Vorstandsmitglied). Im Übrigen haben Verstöße gegen die vereinsinterne Zuständigkeitsordnung (Missachtung von Zustimmungsvorbehalten; Vornahme von durch den Vereinsgegenstand nicht gedeckten Rechtsgeschäften) grundsätzlich keine Auswirkungen im Außenverhältnis, sofern nicht die allgemeinen Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht zum Tragen kommen. 4. Neben der rechtsgeschäftlichen Vertretung, die dem Vorstand als Ausschnitt aus dem Sachbereich der Geschäftsführung ausdrücklich zugewiesen ist, ist er auch darüber hinaus allgemeines Geschäftsführungsorgan des Vereins (vgl.

F.  Zusammenfassung der Ergebnisse

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27 Abs. 3 BGB). Wie weit die aus dieser Funktion resultierende originäre Geschäftsführungsbefugnis (verstanden als selbständiger Erstzugriff ohne Rückversicherungserfordernis beim Mitgliederorgan – nicht gleichbedeutend mit Weisungsfreiheit) reicht, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. 5. Zu den anerkannten Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands gehören zunächst Vereinszweck und –gegenstand sowie ggfs. weitere einschlägige Satzungsregelungen, darüber hinaus auch von der Mitgliederversammlung im Rahmen ihrer latenten Allzuständigkeit erlassene Weisungen. Die Grenzen der originären Geschäftsführungskompetenz reichen aber noch weiter und betreffen auch Bereiche der Geschäftsführung, für die der Satzung oder Beschlüssen der Mitgliederversammlung keine unmittelbaren Vorgaben zu entnehmen sind. Das gilt auch dann, wenn die Vertretungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis unbeschränkt ist. Denn entgegen einiger missverständlicher Formulierungen in Literatur und Rechtsprechung gilt kein Grundsatz des Inhalts, dass die Geschäftsführungsbefugnis im Zweifel stets der Vertretungsbefugnis entspricht. Lediglich Beschränkungen der Vertretungsmacht wird man als Beschränkungen der Geschäftsführungskompetenz zu deuten haben. Das Fehlen einer die Vertretungsmacht beschränkenden Satzungsregelung hat dagegen keinen spezifischen Erklärungswert für die Kompetenzverteilung. 6. Ähnlich wie im GmbH-Recht gelten auch im Vereinsrecht ungeschriebene Schranken für die originären Geschäftsführungskompetenzen des Leitungsorgans. Anders als im GmbH-Recht wird diese Frage für das Vereinsrecht zwar kaum näher diskutiert; auch an einschlägiger Rechtsprechung fehlt es. Die rechtliche Ausgangslage ist aber im Vereinsrecht nicht anders als im GmbHRecht oder im alten Aktienrecht, zu dem die Reichsgerichtsentscheidungen in Sachen Grubeneisenbahn und Melasse ergangen sind, auch wenn diese historischen Verbindungslinien seit langem als verschüttet gelten müssen. Denn auch im Vereinsrecht stehen die originären Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands in einem Spannungsverhältnis zu den übergeordneten Entscheidungsbefugnissen der Mitgliederversammlung, die sich aus ihrer latenten Allzuständigkeit und der damit einhergehenden Weisungsbefugnis ergeben. Damit diese übergeordneten Entscheidungskompetenzen nicht unterlaufen werden, ist die originäre Geschäftsführungskompetenz des Vorstands mit Rücksicht auf das Hierarchieprinzip zu beschränken. 7. Die Beschränkung der originären Geschäftsführungskompetenzen des Vorstands nimmt rechtskonstruktiv nicht die Form eines Kompetenz- oder Zustimmungsvorbehalts, sondern lediglich diejenige eines Vetovorbehalts an. Zur Absicherung der aus der latenten Allzuständigkeit resultierenden Zugriffsbefugnisse genügt es daher, wenn die Mitgliederversammlung vorab die Gelegenheit erhält, die betreffende Maßnahme durch Weisungsbeschluss zu untersagen. Ein zustimmender Beschluss ist also nicht erforderlich; ergeht trotz Vorlage keine ablehnende Weisung, ist der Vorstand – anders als bei Annahme eines Zustimmungs- oder Kompetenzvorbehalts – in seiner Entscheidung frei.

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8. Weil die Grenze für die originären Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands im Gesetz nur ihrer allgemeinen Wertungsbasis nach, nicht aber in ihrem konkreten Verlauf angelegt ist, unterliegt die genaue Bestimmung der Kriterien, die die Vorlagepflicht auslösen, naturgemäß gewissen Unsicherheiten. Im Ergebnis bietet es sich auch für das Vereinsrecht ebenso wie für das GmbH-Recht an, auf die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Maßnahmen zurückzugreifen. Diese Differenzierung sorgt zunächst für ein klares Regel-Ausnahmeverhältnis, das dem funktionalen Bedürfnis Rechnung trägt, die originäre Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nicht übermäßig eng zu fassen. Darüber hinaus bietet sie einen hinreichend flexiblen Maßstab, der den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Vereins Rechnung tragen kann. Dabei ist neben Art und Umfang der bisherigen Vereinstätigkeit auch zu berücksichtigen, wie die Geschäfte bislang im Einvernehmen aller Organe geführt und welche Freiheiten dem Vorstand dabei belassen worden sind. Ungewöhnlich ist danach insbesondere nicht schon jede bedeutendere, langfristig angelegte oder irgendwie riskante Maßnahme, solange nicht der Rahmen dessen gesprengt wird, womit angesichts des bisherigen Zuschnitts der Vereinstätigkeit und der dem Vorstand gewährten Freiheiten noch gerechnet werden konnte. Wie für das GmbH-Recht gilt auch für den Verein, dass die Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme nicht mit Einzelergebnissen verwechselt werden sollte, die die personengesellschaftsrechtliche Kasuistik liefert. 9. Ebenso wie im GmbH-Recht besteht darüber hinaus eine Vorlagepflicht für solche Maßnahmen, hinsichtlich derer mit Widerspruch der Mitgliederversammlung zu rechnen ist. Auch dabei handelt es sich um eine Vorwirkung des Weisungsrechts, die allerdings ganz unabhängig von der Qualität der in Rede stehenden Maßnahme zum Tragen kommt. Ein (mutmaßlich) entgegenstehender Wille der Mitgliederversammlung ist vom Vorstand auch dann zu berücksichtigen, wenn es sich um eine gewöhnliche Maßnahme handelt. 10. Neben der Kategorie der ungewöhnlichen Maßnahme besteht für eine ungeschriebene Zuständigkeit für die „Grundlagen der Vereinspolitik“ im Vereinsrecht ebenso wenig Bedarf wie im GmbH-Recht. Die Grundlagen der Vereinspolitik werden durch Vereinszweck und –gegenstand sowie etwaige Weisungen der Mitgliederversammlung vorgegeben. In diesem Rahmen kann der Vorstand grundsätzlich von sich aus tätig werden. Grenzen für seine originären Geschäftsführungsbefugnisse aktualisieren sich erst dort wieder, wo seine Entscheidungen als ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen zu qualifizieren sind, z. B. weil er Vereinszweck bzw. -gegenstand in Zukunft auf eine Art und Weise verwirklichen möchte, die von dem bislang Praktizierten grundlegend abweicht.

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II.  Die Zuständigkeitsordnung im verbundenen Verein (Verein als Gruppenspitze) 1. Der Mediatisierungseffekt, der Grundlage für die Annahme einer ungeschriebenen Kompetenz der Hauptversammlung im Aktienrecht ist, lässt sich auch für das Vereinsrecht feststellen und bildet auch dort die Grundlage für ungeschriebene Mitwirkungsrechte der Mitgliederversammlung. Dass im Hinblick auf die im Mitgliedschaftsrecht verkörperten Vermögensinteressen zwischen der Mitgliedschaft in einem Idealverein und einer Aktiengesellschaft signifikante Unterschiede bestehen, ist ohne Bedeutung. 2. Allerdings ist im Vereinsrecht für die Feststellung des Mediatisierungseffekts ebenso wie im GmbH-Recht eine etwas differenziertere Betrachtung als im Aktienrecht angezeigt. Dabei beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen zunächst auf die Feststellung des Mediatisierungseffekts bei Maßnahmen der Gruppen(fort)bildung. a) Im Ausgangspunkt betrifft der Mediatisierungseffekt auch im Vereinsrecht den gesamten Zuständigkeitsbereich des Mitgliederorgans, der dort im gesetzlichen Ausgangspunkt deutlich weiter gefasst ist als in der Aktiengesellschaft. b) Allerdings trifft der Mediatisierungseffekt im Vereinsrecht ebenso wie im GmbH-Recht auf kompensatorische Effekte, die im Aktienrecht keine direkte Entsprechung haben. Zu berücksichtigen ist hier in erster Linie das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung, das durch die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen eine zusätzliche Absicherung findet. Auf diese Weise ist es der Mitgliederversammlung prinzipiell möglich, ihren Einfluss bis in die Untergesellschaft hinein zu erstrecken. c) Im Hinblick auf die kompensatorischen Effekte darf aber nicht aus dem Auge verloren werden, dass diese ihrerseits auf Grenzen stoßen, die einerseits struktureller Natur sind und andererseits Einzelfallabhängig auftreten. Struktureller Natur sind diese Grenzen, weil sie nichts an dem zugrunde liegenden Ausgangsbefund ändern können, der in der faktischen Beschränkung unmittelbarer gesellschaftsrechtlicher Befugnisse liegt, die durch die interne Pflichtenbindung der Verwaltung im Rahmen von Weisungsbeschlüssen und diese sichernden Vetovorbehalten prinzipiell nicht vollwertig ausgeglichen werden kann. Hinzu kommt, dass Weisungsbeschlüsse im Hinblick auf Geschäftsführungsmaßnahmen – seien sie gewöhnlich oder ungewöhnlich – regelmäßig mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Geschäftsführungsakt in der Wahrnehmung von Gesellschafterrechten liegt und sich insoweit auf eine Maßnahme in der Untergesellschaft bezieht, die im Mutterverein eines Beschlusses der Mitgliederversammlung mit qualifizierter Mehrheit bedurft hätte. Diese Verschiebung hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses ist vor allem unter Gesichtspunkten des Minderheitenschutzes relevant. Neben

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diese prinzipiellen Grenzen der kompensatorischen Effekte treten abhängig von der Gestaltung im Einzelfall auch noch weitere gegenläufige Faktoren. So können Satzungsregegelungen auf der Ebene des Muttervereins das Weisungsrecht (und damit auch den dieses absichernden Vetovorbehalt) ganz oder teilweise ausschließen; daneben treten Widerstände aus dem Recht der Untergesellschaft: Mangels Durchgriffszuständigkeit kann eine in der Untergesellschaft anstehende Geschäftsführungsmaßnahme, die dort in die alleinige Zuständigkeit der Verwaltung fällt, keine Vorlagepflicht auf der Ebene des Muttervereins auslösen, weil diesem insoweit (in seiner Funktion als Gesellschafter) überhaupt keine Mitwirkungsrechte zustehen. In ähnlicher Weise unterliegt das Weisungsrecht Beschränkungen, wenn die Geschäftsführung in der Untergesellschaft nach dem Gesetz oder Statut nicht weisungsoffen ausgestaltet ist oder wenn unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht auf die Interessen anderer Gesellschafter Rücksicht zu nehmen ist. 3. Auf dieser Basis ergibt sich für die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Maßnahmen der Gruppenbildung für das Vereinsrecht in Parallele zum GmbHRecht die nachfolgende Systematik. Dabei sind Gruppenbildungsmaßnahmen wie im GmbH- und Aktienrecht nicht in einem formalen Sinn, sondern nach materiell-funktionalen Kriterien vom Bereich der Gruppenleitung abzugrenzen und umfassen (untechnisch gesprochen) den Tausch von unmittelbar gehaltenen Vermögensgegenständen (unter Ausschluss von Mitgliedschaftsrechten) in Mitgliedschaftsrechte. Danach gehören neben der Ausgliederung, der Bargründung und dem Dritterwerb insbesondere Kapitalerhöhungsmaßnahmen unter Ausübung des Bezugsrechts zum Kreis der Gruppenbildungsmaßnahmen im weiteren Sinn. a) Zunächst bedarf die Gruppenbildung im Vereinsrecht wie auch im GmbHund Aktienrecht generell der Zulassung durch die Satzung. Derartige Beteiligungs- oder Konzernklauseln sind allerdings ihrem typischen Regelungsgehalt nach nicht auf die Zuständigkeitsverteilung im Innenverhältnis gerichtet, d.h. sie erlauben dem Verein die Gruppenbildung als solche, sagen aber i.d.R. nicht, welches Organ darüber zu entscheiden hat. Daher ist es unbeschadet der Frage, inwieweit die Zuständigkeitsverteilung bei der Gruppenbildung einer Regelung durch die Satzung zugänglich ist, eine Frage der allgemeinen Regeln über die Abgrenzung der Entscheidungsbefugnisse im Innenverhältnis, ob der Vorstand allein entscheiden darf, oder ob die Mitgliederversammlung in die Entscheidung einzubeziehen ist. b) Für die Begründung eines solchen Mitwirkungserfordernisses kommt zunächst der ungewöhnliche Maßnahmen betreffende Vetovorbehalt in Betracht. Die Qualifikation einer Maßnahme der Gruppenbildung als ungewöhnlich kann dabei je nach den Umständen mit konventionellen Erwägungen begründet werden, etwa wenn es im Rahmen eines Beteiligungserwerbs zu einer sprunghaften Änderung oder Erweiterung der Tätigkeit

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des Vereins kommt. Daneben kann jedoch auch eine Maßnahme wie eine Ausgliederung, bei der lediglich eine Verlagerung auch bislang schon ausgeübter Aktivitäten erfolgt, allein unter dem Gesichtspunkt des Mediatisierungseffekts als ungewöhnlich einzuordnen sein. Tragend ist dafür der Gedanke, dass der Vetovorbehalt für ungewöhnliche Maßnahmen gerade der Absicherung der latenten Allzuständigkeit der Mitgliederversammlung und dem damit einhergehenden Weisungsrecht zu dienen bestimmt ist. Dies spricht bei konsequenter Anwendung dafür, ihm auch und erst recht solche Maßnahmen zu unterwerfen, die wegen ihrer kompetenzverschiebenden (mediatisierenden) Wirkung das Hierarchieprinzip selbst (bzw. genauer: dessen organisationsrechtliche Grundlage) modifizieren. Insoweit sind Gruppenbildungsmaßnahmen (im Sinne einer Faustregel) dann als ungewöhnlich einzuordnen, wenn sie mehr als 10 % des Vermögens des Vereins betreffen. c) Darüber hinaus kann es aufgrund der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin erforderlich werden, die Zustimmung der Mitgliederversammlung in Form eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses einzuholen. aa) Wie im Aktien- und GmbH-Recht gewinnen gruppenbildende Maßnahmen aufgrund der mit dem Mediatisierungseffekt bezeichneten zuständigkeitsrechtlichen Verwerfungen eine Qualität, die sie zugleich als Geschäftsführungsmaßnahme und Organisationsakt erscheinen lässt. Aus diesem Blickwinkel ergeben sich Verbindungslinien zu den gesetzlich geregelten bzw. gesetzesanalog geltenden Strukturkompetenzen des Mitgliederorgans, für die jedenfalls im gesetzlichen Ausgangspunkt ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis vorgesehen ist. Methodisch kann dabei auch im Vereinsrecht auf die im Aktien- und GmbH-Recht eingesetzte Technik einer (Teil-)Gesamtanalogie zurückgegriffen werden, die sich den Rechtsfolgen nach auf die Begründung einer mit einer qualifizierten Mehrheit wahrzunehmenden Entscheidungszuständigkeit der Mitgliederversammlung beschränkt. Als Analogiebasis sind neben §§ 33, 41 BGB, §§ 125, 103 UmwG auch die analog für den Verein geltenden §§ 179a, 293 Abs. 2 AktG heranzuziehen. Wie im GmbH-Recht steht auch im Vereinsrecht der Annahme der für die Analogiebildung erforderlichen Lückenhaftigkeit des Gesetzes nicht entgegen, dass die Mitwirkung der Mitgliederversammlung auch vermittels der Annahme einer Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen sichergestellt werden kann. Denn diese Vorlagepflicht gilt der Absicherung des Weisungsrechts im Bereich einfacher – wenn auch ungewöhnlicher – Geschäftsführungsmaßnahmen und hat daher mit der Absicherung der Grundlagenkompetenz der Mitgliederversammlung nichts zu tun. bb) Ein Beschluss der Mitgliederversammlung nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin wird allerdings nur dann erforderlich, wenn die medi-

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atisierende Maßnahme den wesentlichen Teil des Vereinsvermögens betrifft, wofür man in Abweichung vom Aktienrecht und ebenso wie im GmbH-Recht bereits einen Wert von mehr als 50 % des Vermögens genügen lassen sollte. Denn nur, wenn ein in diesem Sinne wesentlicher Vermögensteil betroffen ist, lässt es sich rechtfertigen, statt von einer (ungewöhnlichen) Geschäftsführungsmaßnahme von einer Strukturmaßnahme auszugehen, die in Anlehnung an die gesetzlich geregelten oder gesetzesanalog geltenden Strukturkompetenzen der Mitgliederversammlung eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit bedarf. 4. Für die zuständigkeitsrechtliche Erfassung von Gruppenleitungsmaßnahmen gelten vergleichbare Überlegungen. a) Sie können einerseits unter dem Gesichtspunkt des Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahmen die Einbeziehung der Gesellschafterversammlung erforderlich machen, der auch insoweit nicht auf mediatisierende Maßnahmen beschränkt ist. b) Andererseits – und insoweit unterscheidet sich die Rechtslage im Vereinsrecht ebenso wie GmbH-Recht von der im Aktienrecht – kann nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin auch ein qualifizierter Zustimmungsbeschluss erforderlich werden. Dies rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass im Verein mit Regelstatut durch Weisungsrecht und Vorlagepflicht auch im Hinblick auf bereits mediatisiertes Vermögen noch weitreichende Einflussmöglichkeiten eröffnet sind, auf die sich bestimmte Maßnahmen der Gruppenleitung ähnlich rechtsverkürzend auswirken können wie eine die Allzuständigkeit und das Weisungsrecht beschneidende Satzungsänderung im Einheitsverein. Ungeachtet des engeren Bezugspunkts lässt sich dies ähnlich wie der primäre Mediatisierungseffekt bei der Gruppenbildung als „weiterer“ Mediatisierungseffekt ansprechen, der die Qualifikation der betreffenden Maßnahme als „satzungsnah“ trägt. Voraussetzung für die Erfassung unter dem Gesichtspunkt einer (mit qualifizierter Mehrheit wahrzunehmenden) Zuständigkeit nach der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ist auch insoweit ein hinreichendes quantitatives Gewicht der Maßnahme, d.h. der Wert der Beteiligung muss mindestens 50 % des Gesellschaftsvermögens entsprechen. aa) Als in diesem Sinne mit einem weiteren Mediatisierungseffekt verbunden kommt eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen in Betracht, etwa die Beseitigung der Weisungsoffenheit der Untergesellschaft (Formwechsel; gesellschaftsvertragliche Regelung) sowie Umstrukturierungsmaßnahmen und Maßnahmen der Beteiligungsbildung und Beteiligungsverwaltung in der Untergesellschaft, die vergleichbare Effekte nach sich ziehen. bb). Darüber hinaus kann sich die Einflussreduktion auch aus der Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft ergeben (Teilbeteiligungsveräußerung; Kapitalerhöhung unter Aufnahme Dritter), wenn dabei eine relevante Beteiligungsschwelle unterschritten

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wird. Bei der GmbH ist insoweit auch die erstmalige Aufnahme Dritter zu berücksichtigen, während dies bei der AG (im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG) nicht der Fall ist. Im Übrigen ist grundsätzlich die 75 %-, die 50 %- und die 25 %-Schwelle maßgeblich. cc) Die vorstehend (bb) dargelegten Grundsätze gelten mit folgender Einschränkung: Die bei der Teilbeteiligungsveräußerung an den Verein gewährte Gegenleistung hat einen Demediatisierungseffekt zur Folge. Dieser bleibt für die Feststellung des weiteren Mediatisierungseffekts grundsätzlich außer Betracht. Vorausgesetzt ist allerdings, dass die Bedeutung der Beteiligung aufgrund dieses Vorgangs nicht unter die quantitative Relevanzschwelle absinkt. Ist dies der Fall, kann der weitere Mediatisierungseffekt nicht anders beurteilt werden, als hätte er sich von Anfang an auf eine quantitativ nicht relevante Beteiligung bezogen. Bei der Aufnahme Dritter in die Untergesellschaft im Wege der Kapitalerhöhung gibt es einen vergleichbaren Effekt dagegen nicht, weil hier die Gegenleistung in Form der Einlage in die mediatisierte Sphäre fließt. Erfolgt die Aufnahme Dritter auf diesem Wege, bleibt die Gegenleistung daher stets außer Betracht. dd) Nicht unter dem Gesichtspunkt der Einflussreduktion zu erfassen ist schließlich die vollständige Veräußerung von Beteiligungen. Hierbei wird der primäre Mediatisierungseffekt vollständig zurückgeführt. Für die Annahme eines weiteren Mediatisierungseffekts ist vor diesem Hintergrund kein Raum mehr. 5. Nichtmediatisierende Maßnahmen rechtfertigen ebenso wenig wie im Aktienrecht oder GmbH-Recht die Begründung einer Zuständigkeit auf der Grundlage der Holzmüller/Gelatine-Doktrin. Hier hat es mit dem Vetovorbehalt für ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen sein Bewenden.

III.  Satzungsautonome Gestaltungsspielräume 1. Das Vereinsrecht des BGB ist hinsichtlich der Kompetenzverteilung im Innenverhältnis durch denkbar weitgehende Gestaltungsspielräume geprägt. 2. Grenzen ergeben sich allerdings aus der Mindestorganausstattung des Vereins: Vorstand und Mitgliederversammlung sind zwingende Organe des, die durch die Satzung nicht beseitigt werden können. 3. Darüber hinaus stehen Vorstand und Mitgliederversammlung auch ein Mindestmaß an Kompetenzen zu. Dem Vorstand stehen allerdings keine zwingenden Rechte im Hinblick auf die vereinsinterne Willensbildung zu, so dass er auf die Funktion eines bloßen Ausführungsorgans reduziert werden kann. 4. Auch die Kompetenzen der Mitgliederversammlung können ganz weitgehend auf andere vereinsinterne Instanzen übertragen werden. Das gilt grundsätzlich auch für die Satzungsänderungskompetenz. Diese kann der Mitglieder-

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versammlung aber nicht vollständig entzogen werden. Ihr verbleibt vielmehr stets das Recht, den Kompetenztransfer zu revidieren. Das gilt auch für den Fall, dass Satzungsänderungen von der Zustimmung vereinsexterner Personen abhängig gemacht werden sollen. Zudem verbleibt der Mitgliederversammlung zwingend stets die Kompetenz zur Auflösung des Vereins. Befugnisse anderer Instanzen sind insoweit nur als (stets revidierbare) Parallelkompetenz zulässig. 5. Die Satzung kann neben Vorstand und Mitgliederversammlung noch weitere Vereinsorgane vorsehen. Hierbei herrscht grundsätzlich Gestaltungsfreiheit. Insbesondere kann auch eine Delegiertenversammlung eingerichtet werden, ohne dass die von § 43a GenG vorgesehene Mindestzahl von Mitgliedern erreicht ist. Genauso wenig besteht ein Zwang zur Einrichtung einer Mitgliederversammlung analog § 43a GenG a.F. 6. Die bei ungewöhnlichen Maßnahmen zugunsten der Mitgliederversammlung bestehenden Einbeziehungserfordernisse sind in vollem Umfang durch die Satzung abdingbar. Soweit die Entscheidungskompetenzen der Mitgliederversammlung für die in Rede stehende Maßnahme abbedungen sind, sie also insbesondere auch auf Basis ihrer latenten Allzuständigkeit und dem damit einhergehenden Weisungsrecht keinen Zugriff darauf nehmen kann, fehlt auch der Ansatzpunkt für die Begründung einer Vorlagepflicht unter dem Gesichtspunkt eines Vetovorbehalts für ungewöhnliche Maßnahme. Die über die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen abgesicherten Mitwirkungsrechte der Mitgliederversammlung können auch pauschal beseitigt werden, indem dem Vorstand die Leitung des Vereins wie im Aktienrecht zur eigenen Verantwortung zugewiesen wird. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage im Vereinsrecht nicht von derjenigen im GmbH-Recht. 7. Im Hinblick auf die Abdingbarkeit der Zuständigkeiten nach der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin gehen die Gestaltungsmöglichkeiten im Vereinsrecht über die Gestaltungsmöglichkeiten im GmbH-Recht hinaus. Denn mit Rücksicht auf die größere Flexibilität des Vereinsrechts, die sich auch auf die Satzungsänderungskompetenz erstreckt, ist es auch möglich, die Zuständigkeit für Maßnahmen, die im Sinne der Holzmüller/Gelatine-Doktrin als satzungsnah zu qualifizieren sind und die deshalb grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung gehören, auf ein anderes Vereinsorgan (insbesondere auch den Vorstand) zu übertragen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Maßnahmen der Gruppen(fort)bildung oder der Gruppenleitung handelt.

IV.  Rechtsschutz bei Kompetenzverletzungen 1. Bei Verstößen des Vereinsvorstands gegen die Kompetenzordnung kommen zunächst gegen den Vorstand selbst gerichtete Maßnahmen in Betracht. Neben der Abberufung und der Verweigerung der Entlastung kommt dabei je nach

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den Umständen des Einzelfalles auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Vereins gegen den Vorstand in Betracht. a) Die Mitgliederversammlung kann durch Beschluss verbindlich über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen entscheiden. Ein solcher Beschluss des Mitgliederorgans ist aber keine zwingende Voraussetzung für die Anspruchsverfolgung. § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG findet keine analoge Anwendung. Daher kann neben der Mitgliederversammlung auch der Vorstand (oder ein sonst nach der Satzung zuständiges Organ) aus seiner originären Geschäftsführungskompetenz heraus über die Geltendmachung von Ersatz­ansprüchen entscheiden und muss dies ggfs. auch tun, wenn er sich nicht regresspflichtig machen will. b) Für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ist – unter Ausschluss der zu verklagenden Mitglieder – der Vorstand zuständig. Die Grenze ist erreicht, wenn der Verein ohne das oder die zu verklagenden Vorstandsmitglieder nicht mehr ordnungsgemäß vertreten werden kann. c) Für den letztgenannten Fall muss eine Vertretung des Vereins auf andere Weise sichergestellt werden. Dafür kann auf die – auch sonst zur Verfügung stehende – Möglichkeit zurückgegriffen werden, analog §§ 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG, 147 Abs. 2 AktG einen besonderen Vertreter zu bestellen. d) Einzelnen Vereinsmitgliedern kommt hinsichtlich der Ersatzansprüche des Vereins grundsätzlich keine Klagebefugnis zu. 2. Kompetenzverletzungen des Vorstands begründen keine eigenen Ersatzansprüche der einzelnen Vereinsmitglieder gegen die jeweiligen Vorstandsmitglieder, denen die Pflichtverletzungen zur Last fallen. 3. Neben den Maßnahmen des Vereins, die sich gegen Mitglieder des Vorstands richten, kommen bei Verletzungen der Kompetenzordnung zulasten des Mitgliederversammlung auch Ansprüche einzelner Vereinsmitglieder gegen den Verein gerichtet auf Unterlassung und Beseitigung in Betracht. a) Diese Ansprüche sind verbandsrechtlich zu begründen und stellen sich als Reaktion auf Verletzungen des in der Mitgliedschaft verkörperten Rechts auf Entscheidungsteilhabe dar. Weder das Quorum des § 37 BGB, noch das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung, noch das Austrittsrecht oder das Fehlen eines in der Mitgliedschaft verkörperten Vermögensinteresses steht derartigen Ansprüchen entgegen. b) Sachlich erfasst ist nicht nur die Verletzung durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich geregelter Kompetenzen, sondern auch die Verletzung der Vorlagepflicht bei ungewöhnlichen Maßnahmen ebenso wie der Mitwirkungsrechte der Mitgliederversammlung nach der in das Vereinsrecht transferierten Holzmüller/Gelatine-Doktrin. c) Die Geltendmachung der Kompetenzschutzansprüche des Vereinsmitglieds unterliegt gewissen Grenzen. In zeitlicher Hinsicht kann für die Geltendmachung aber jedenfalls keine kürzere Frist als im Aktienrecht gelten, das

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sich an der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG orientiert. Inwieweit sich darüber hinaus Beschränkungen aus Treue- und Rücksichtnahmepflichten ergeben, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. d) Die Lehre vom Spaltverein muss angesichts des Abwehranspruchs gegen Maßnahmen, die Kompetenzen der Mitgliederversammlung verletzen, als überholt angesehen werden. 4. Die dargelegten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche stehen dem Vereinsmitglied auch dann zu, wenn die Mitgliederversammlung der Maßnahme durch Beschluss zugestimmt hat, dieser aber fehlerhaft ist. Denn anders als im Aktienrecht sind fehlerhafte Beschlüsse im Vereinsrecht nach immer noch herrschender Auffassung nichtig und nicht lediglich anfechtbar. Es besteht daher kein Anlass, das Vereinsmitglied zunächst darauf zu verweisen, den Beschluss selbst anzugreifen, bevor es sich gegen die in Rede stehende Maßnahme selbst wendet. Es reicht vielmehr aus, die Nichtigkeit des Beschlusses inzident in der Klage auf Unterlassung oder Beseitigung geltend zu machen.

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Sachwortverzeichnis Sachwortverzeichnis

ADAC-Urteil  80 ff. Aktiengesellschaft – Gelatine-Entscheidung  255 ff. – Gruppenbildungsmaßnahmen  294 ff., 305 ff. – Gruppenleitungsmaßnahmen  309 ff. – Hauptversammlungskompetenzen, ungeschriebene  s. dort – Holzmüller-Entscheidung  248 ff. – Kompetenzverteilung, Grundlagen  218 ff. – Mediatisierungseffekt  s. dort – Organstruktur 213 – Strukturprinzipien  214 ff. – Zuständigkeitsordnung  212 ff. Beseitigungsanspruch  343 ff., 471, 644 ff. Beteiligungsveräußerung  260, 327, 450 ff., 457, 585, 589 Durchgriffshaftung  55 ff. Fünfzig+Eins-Regel – Allgemeines 150 – Ausnahmen  155 f. – faktischer Dritteinfluss  153 ff. – Grundregel  151 f. – „lex Leverkusen“  151, 155 f. – Privilegierung der KGaA  152 Fußballvereine – Auslagerung Lizenzspielerabteilung  148 ff. – Fünfzig+Eins-Regel  s. dort – Gruppenstrukturen  147 ff., 158 ff., 165 ff. – kompetenzregelnde Satzungsinhalte  179 ff., 193 ff. – „lex Leverkusen“  s. dort

– Organisationsstruktur  174 ff. – Satzungsgestaltungen  168 ff., 173 ff. – Rechtsform Lizenzspielerabteilung  158 ff. – verbandsrechtliche Vorgaben  150 ff., 164 ff., 169 ff. Gelatine-Entscheidung  255 ff. GmbH – Gruppenbildungsmaßnahmen  434 ff. – Gruppenleitungsmaßnahmen  442 ff. – Holzmüller/Gelatine-Doktrin, Übertragbarkeit  401 ff., 423 ff., 443 ff. – Kompetenzverteilung, Grundlagen  354 f. – Mediatisierungseffekt  423 ff. – Mediatisierungseffekt, weiterer (bei Gruppenleitungsmaßnahmen)  446 f., 448 ff., 455 – Mediatisierung und kompensatorische Effekte  425 ff., 429 ff. – Organstruktur 353 – Zuständigkeitsordnung  355 ff. Grubeneisenbahn-Entscheidung – historische Diskussion  232 ff. – Inhalt  230 ff. – Rezeption im GmbH-Recht  380 ff. – Rezeption im Vereinsrecht  513, 519, 523 f. Gruppenbildungsmaßnahmen – Begriff, Abgrenzung  294 ff., 305 ff., 436, 567, 578 – zuständigkeitsrechtliche Erfassung  294 ff., 434 ff., 578 ff. Gruppenleitungsmaßnahmen – Begriff, Abgrenzung  305 ff., 442 – zuständigkeitsrechtliche Erfassung  309 ff., 442 ff., 584 ff.

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Sachwortverzeichnis

Haftung des Vereins in Gruppensachverhalten – Durchgriffshaftung  55 ff. – existenzvernichtender Eingriff  61 ff. – konzernrechtliche Haftungstatbestände  63 ff. – Treuepflichtverletzungen  59 f. Hauptversammlung – gesetzliche Kompetenzen  226 – satzungsmäßige Kompetenzen  227 – ungeschriebene Kompetenzen  228 ff. Hauptversammlungskompetenzen, ungeschriebene – Bedeutung des Mediatisierungseffekts  272 ff., 284 – bei Maßnahmen ohne Mediatisierungseffekt  301 ff. – Diskussionsstand  260 f. – Gelatine-Entscheidungen  s. dort – Grubenbahn-Entscheidung  s. dort – historische Entwicklung  229 ff. – Holzmüller-Entscheidung  s. dort – Melasse-Entscheidung  s. dort – Satzungsautonomie  334 ff. – Schutzzweck  262 ff. historische Entwicklung Binnenorganisation Verein – erster Entwurf  128 ff. – Grundlinien  117 ff. – Leitbild des Gesetzgebers  142 ff. – Vorentwurf „Juristische Personen“  125 ff. – zweiter Entwurf  133 ff. Holzmüller-Entscheidung  – Diskussionsstand  260 f. – Entscheidungsinhalt  248 ff. – Folgefragen  252 f. – Fortentwicklung der Rechtsprechung  253 ff. – Rezeption im GmbH-Recht  401 ff., 413 ff. – Rezeption im Vereinsrecht  535 ff. – Schutzzweck  262 ff.

Kompetenzvorbehalt  367, 385 ff., 525 Konzernhaftung – faktischer Konzern  74 ff. – Unternehmenseigenschaft des Vereins  63 ff. – Vertragskonzern  69 ff. lex Leverkusen  151, 155 f. Mediatisierungseffekt – Aktienrecht  257 f., 272 ff., 294 ff. – Beteiligungsveräußerung  260, 327, 450 ff., 457, 585, 589 – GmbH-Recht  423 ff., 446 f., 448 ff., 455 – Gruppenbildungsmaßnahmen  272 ff., 294 ff. – Gruppenleitungsmaßnahmen  324 ff., 446 f., 448 ff., 455, 577 – Holzmüller-Entscheidung  257 f. – kompensatorische Effekte  425 ff., 572 ff. – kompensatorische Effekte, Grenzen  307, 429 ff., 573 ff. – Vereinsrecht  565 ff. – von Verenkelungsmaßnahmen  296 ff. – weiterer Mediatisierungseffekt (bei Gruppenleitungsmaßnahmen)  446 f., 448 ff., 455, 577 Melasse-Entscheidung – historische Diskussion  232 ff. – Inhalt  230 ff. – Rezeption im GmbH-Recht  380 ff. – Rezeption im Vereinsrecht  513, 519, 523 f. Nebenzweckprivileg – Anwendungsfragen  51 ff. – Grundlagen  50 f. Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen – AG  342 ff. – GmbH  470 ff. – Verein  636 ff. Satzungsautonomie – Gestaltungsgrenzen  598 ff. – Grundlagen  596 f.

Sachwortverzeichnis – Holzmüller/Gelatine-Doktrin  334 ff., 459 ff., 617 ff. Satzungsgestaltungen bei Fußballvereinen – Ausgliederungsklauseln 192 ff. – gruppenbildungsbezogene Klauseln  193 ff. – gruppenleitungsbezogene Klauseln  200 ff. – Klauseln mit Gruppenbezug  190 ff. – kompetenzregelnde Satzungsklauseln  179 ff., 193 ff. – Konzernöffnungsklauseln  190 f. – Organisationsstruktur  174 ff. Unterlassungsanspruch  343 ff., 471, 644 ff. Verein – Analogie zu § 179a AktG  485 ff. – Analogie zu § 293 Abs. 2 AktG  490 – Beseitigungsanspruch  644 ff. – Geschäftsführungsbefugnis 500 – Gruppenbildungsmaßnahmen  565 ff., 578 ff. – Gruppenleitungsmaßnahmen  565 ff., 584 ff. – Haftung in Gruppensachverhalten  s. dort – historische Entwicklung Binnenorganisation  s. dort – Holzmüller/Gelatine-Doktrin, Übertragbarkeit  535 ff. – Kompetenzverteilung, Grundlagen  482 – Mediatisierungseffekt  565 ff. – Mediatisierungseffekt, weiterer (Gruppenleitungsmaßnahmen) 577 – Mediatisierung und kompensatorische Effekte  572 ff. – Nebenzweckprivileg s. dort – Organisationsstruktur 481 – Rechtsschutz bei Kompetenzverstößen  636 ff. – Satzungsautonomie  s. dort – ungeschriebene Geschäftsführungs­ schranken  512 ff., 565 ff.

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Unterlassungsanspruch  644 ff. Vereinsgruppe  s. dort Vereinsklassenabgrenzung  s. dort Vereinskonzern  s. dort Vertretungsbefugnis  491 ff. Vetovorbehalt  512 ff., 525 Zuständigkeitsordnung allgemein  480 ff., – Zuständigkeitsordnung verbundener Verein  535 ff. Vereinsgruppe – Abgrenzung zum Vereinskonzern  53 f. – Begriff  53 f. Vereinsklassenabgrenzung – Abgrenzungsmethoden  46 ff. – Bedeutung 45 – Gesellschafterstellung  78 ff. – Nebenzweckprivileg  49 ff. Vereinskonzern – Abgrenzung zur Vereinsgruppe  53 f. – Begriff  53 f. Verenkelung  296 ff., 330 f., 449, 585 Vetovorbehalt – Abgrenzung zu Zustimmungs- und Kompetenzvorbehalt  390 ff., 525 – Begriff 367 – bei Gruppenbildungsmaßnahmen  436, 580 f. – bei Gruppenleitungsmaßnahmen  442, 454 ff., 587 ff. – kompensatorische Wirkung bez. Mediatisierungseffekt  427 f. – Rechtsschutz bei Missachtung  649 – tatbestandliche Voraussetzungen  395 ff. – Veräußerung der Spielbetriebsgesellschaft 632 – Verhältnis zur Geschäftsführungsbefugnis  370 f. Vorbehaltstypen  366 f., 385 ff. Zustimmungsvorbehalt  366 f., 385 ff., 525