Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg: Eine verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme [1 ed.] 9783428537761, 9783428137763

Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Zusammenarbeit der Bundesländer im Bundesstaat unter verfassungsrechtli

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Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg: Eine verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme [1 ed.]
 9783428537761, 9783428137763

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1221

Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg Eine verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme

Von Anett Albrecht

Duncker & Humblot · Berlin

ANETT ALBRECHT

Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1221

Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg Eine verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme

Von Anett Albrecht

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13776-3 (Print) ISBN 978-3-428-53776-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83776-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2011 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im April 2011 vollendet. Danach veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur konnten nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Mein besonders herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Markus Heintzen, der mir jederzeit unterstützend zur Seite stand und die Arbeit durch zahlreiche wertvolle Anregungen gefördert hat. Ebenfalls möchte ich an dieser Stelle Professor Dr. Philip Kunig für die kurzfristige Erstellung des Zweitgutachtens danken. Widmen möchte ich diese Arbeit meiner Familie als Dank für ihre Unterstützung während der Erstellung der Arbeit. Panketal, im März 2012

Anett Albrecht

Inhaltsverzeichnis Gegenstand und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Zusammenarbeit zwischen einer Stadt und ihrem Umland . . . . . . . . . . . II. Gründe für die Wahl des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gliederung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berlin und die preußische Provinz Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berlin und Brandenburg um die Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Zweckverband Groß-Berlin von 1911 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Groß-Berlin-Gesetz von 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berlin und Brandenburg im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entwicklung von 1945 bis 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berlin (Ost), Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus als Bezirke der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berlin (West) als Bundesland ohne Umland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Jahre 1990 bis 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die deutsche Einheit im Jahr 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Beziehungen zwischen Berlin und Brandenburg nach 1990 . . . . c) Das Ziel: Ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg . . . . . . II. Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg seit 1996 . . . . . . 1. Die Region Berlin-Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kooperationsvereinbarung zwischen Berlin und Brandenburg . . . . . 3. Ausgewählte Bereiche der Zusammenarbeit beider Länder . . . . . . . . . . . a) Landesplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bildung und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kultur und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der finanzielle Aspekt der Zusammenarbeit beider Länder . . . . . . . . . . . . . . IV. Anreize und Hindernisse einer Zusammenarbeit beider Länder . . . . . . . . . . V. Eingrenzung des Untersuchungsthemas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 25 25 27 30 31 33 35 36 38 41 41 42 49 53 53 58 61 61 63 65 69 71 73 74 76 80

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Inhaltsverzeichnis 1. Horizontale und vertikale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Omnilaterale und bilaterale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die europäische Dimension der Zusammenarbeit beider Länder . . . . . . a) Europäische Aktivitäten der Länder Berlin und Brandenburg . . . . . . b) Drei-Länder-Konferenz Berlin, Brandenburg und MecklenburgVorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Grundlagen der Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die zuständige Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungen im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europarechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bundesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Landesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Staatscharakter der Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kompetenzen der Bundesländer nach dem Grundgesetz . . . . . . . . . 3. Das Territorialprinzip als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Subsidiaritätsprinzip als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Verbot der Mischverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Wahrung der Identität des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Wahrung der Identität der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Identität der Bundesländer als Grenze ihrer Zusammenarbeit . . 7. Die Handlungsfähigkeit der Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erkenntnisse aus der Rechtsprechung und der Literatur . . . . . . . . . . . b) Übertragbarkeit dieser Erkenntnisse auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg aufgrund ihres Aufbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Aufbau des Landes Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Aufbau des Landes Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die verschiedenen Ebenen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gedankliche Strukturierung der nachfolgenden Untersuchung . . . . . . . . . . .

81 82 83 85 87 88 89 89 89 90 95 95 96 97 98 98 101 103 104 104 104 107 114 115 115 117 119 119 120 121 128

C. Formen der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Formen der Zusammenarbeit der Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Inhaltsverzeichnis 1. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung von Staatsverträgen zu Verwaltungsabkommen . . . . . . . b) Arten der Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abschluss von Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Festlegung des Vertragsinhalts mit Ratifikationsvorbehalt . . (2) Parlamentarische Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ratifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Austausch der Bestätigungsurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beendigung von Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsschutz bei Streitigkeiten aus dem Staatsvertrag . . . . . . . . . . . . 2. Parallelgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame parlamentarische Ausschusssitzungen . . . . . . . . . . . . . . b) Konferenzen und Arbeitsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwaltungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arten von Verwaltungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierung nach Abschlusskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Differenzierung nach Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abschluss von Verwaltungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beendigung von Verwaltungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsame Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arten von gemeinsamen Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Institutionelle Beteiligungsverwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mehrländereinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Echte Gemeinschaftseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Errichtung gemeinsamer Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung zu anderen Zusammenschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweckverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Privatrechtliche Kooperationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Parallele Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 131 131 136 139 140 141 141 142 144 145 145 146 148 149 150 151 152 153 153 154 154 155 157 157 158 158 158 159 160 161 162 162 162 165 167 173 174 174 176 179

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Inhaltsverzeichnis 4. Informale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konferenzen und Treffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besprechungen und Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Preisverleihungen und Werbeaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtliche Beurteilung der informalen Zusammenarbeit beider Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formen der Zusammenarbeit der Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinsame Einrichtungen in der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinsames Juristisches Prüfungsamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeinsame Justizvollzugsanstalt in Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Deutsche Richterakademie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parallelgesetzgebung bei richterlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Videokonferenz in der Finanzgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Kernbereich der Landestätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grenzen staatlicher Privatisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewährleistung des Schutzes der Staatsbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsmäßige Pflichtaufgaben der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichtaufgaben aus den Staatsziel- und Staatsstrukturbestimmungen . . 2. Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Machtverlust der Landesparlamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Transparenz der Regierungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . bb) Faktischer Zustimmungszwang der Parlamente . . . . . . . . . . . . . . cc) Erhalt der parlamentarischen Kontrollrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ununterbrochene Legitimationskette und Letztverantwortung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reichweite der Bindungswirkung des Staatsvertrages . . . . . . . . . . . . d) Gemeinwohlbindung der betrauten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Staatliche Pflichten aus den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirkung staatlicher Schutz- und Leistungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichten der Länder Berlin und Brandenburg aus den Grundrechten

180 181 184 186 187 188 192 193 194 195 196 197 197 198 199 200 200 201 202 202 204 207 209 213 214 214 215 215 216 217 222 227 229 229 231 231 234

Inhaltsverzeichnis aa) Zulässigkeit von Aufgabenübertragungen im landeseigenen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bereich der inneren Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kunst- und Kulturbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zulässigkeit von Aufgabenübertragungen im Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Aufgabenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Identitätsverlust“ der beiden Länder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Länderhoheiten als Kern der Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Allzuständigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Gemeindehoheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Organisationshoheit der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Personalhoheit der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Finanzhoheit der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Gebietshoheit der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Planungshoheit der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidungskompetenzen der Bundesländer in allen drei Gewalten . . a) Inhaltliche Bindung der Legislative durch die Zusammenarbeit . . . . b) Inhaltliche Bindung der Exekutive durch die Zusammenarbeit . . . . . aa) Der Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen . . . . . . . . . . . . bb) Der landeseigene Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gegenstände geringer politischer Intensität . . . . . . . . . . . . . . (2) Gegenstände hoher politischer Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltliche Bindung der Judikative durch die Zusammenarbeit . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Selbstpreisgabe durch faktischen Zwang zur Zusammenarbeit? . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich am Beispiel der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsmäßigkeit der gewählten Formen der Zusammenarbeit . . . . . . . 1. Der Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte . . a) Inhaltliche Regelungen des Staatsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Richter an den gemeinsamen Fachobergerichten . . . . . . . . . . bb) Verwaltungstätigkeit der gemeinsamen Fachobergerichte . . . . . . cc) Verteilung der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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236 236 238 239 240 244 246 249 250 251 252 253 253 254 254 257 258 259 260 261 263 264 265 265 267 270 272 272 275 277 277 277 278 278 280 280

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Inhaltsverzeichnis dd) Schlussvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Vertragsabschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfassungsmäßigkeit des Staatsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutungsverlust der Parlamente im Vertragsabschlussverfahren bb) Kündigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Übertragung von Hoheitsrechten als Verfassungsänderung . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg . . . . . . . . . . . . . a) Gerichte und Verwaltungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die gewählte Form der gemeinsamen Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . aa) Institutionelle Beteiligungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mehrländereinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Echte Gemeinschaftseinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mischform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Reichweite der gerichtlichen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsmäßigkeit der geregelten Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ermächtigung des Landesgesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsschutz des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verkürzung des Rechtswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erschwerung des Rechtswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Verfahrenspraxis des Finanzgerichts Cottbus . . . . . . . . . . . . . c) Verstoß gegen Art. 92 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Verfassungsprinzip der richterlichen Unabhängigkeit . . . . . . . . . 4. Verpflichtungen beider Länder aus den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Recht auf den gesetzlichen Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz gegen überlange Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gerichtsorganisation als landeseigener Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

281 282 283 284 285 285 286 287 287 287 288 289 291 294 296 296 297 297 299 301 301 303 303 304 306 309 309 310 310 311 311 314 314 315 315 316

F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zukünftiges Umschlagen in eine verfassungswidrige Zusammenarbeit? . . . II. Rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Alternativen zur Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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1. Eingemeindungen als Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg als Alternative . . . . . . . IV. Verbesserungsvorschläge für die Zusammenarbeit beider Länder . . . . . . . . . 1. Zentralisierung von Verhandlungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtlich verbindliche Verpflichtung der Länder zur Einigung . . . . . . . 3. Entscheidungsebene oberhalb der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglichkeit einer Verfassungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen aus der gescheiterten Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbot der Schaffung einer Länderebene in Konkurrenz zum Bund . . d) Praktische Probleme einer solchen Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stärkung des Gemeinschaftsgefühls in den Landesverwaltungen . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anlage 1: Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Anlage 2: Übersicht über die aktuelle Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Anlage 3: Karte des kommunalen Nachbarschaftsforums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Drucksachen des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 II. Drucksachen des Abgeordnetenhauses von Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 III. Drucksachen des Landtages des Landes Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

Gegenstand und Ziel der Arbeit Die Bundesrepublik Deutschland ist untergliedert in 16 Bundesländer, die in ihrer Struktur, Größe und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kaum unterschiedlicher sein könnten. Auf der einen Seite die Stadtstaaten, von denen Berlin mit seinen 3,2 Mio. Einwohnern auf 891 km2 noch der größte ist, und auf der anderen Seite die Flächenstaaten wie Bayern mit 12 Mio. Einwohnern auf 70.447 km2 Fläche. Das strukturschwache Land Brandenburg mit einem Bruttoinlandprodukt (BIP) im Jahr 2009 von 53,89 Mrd. A (21.556 A pro Kopf) steht beispielsweise dem Land Hessen mit 216,52 Mrd. A (36.087 A pro Kopf) gegenüber.1 Seit dem Bestehen der Bundesrepublik – noch ohne die neuen Bundesländer – fordern Stimmen eine gleichmäßigere Aufteilung der Bundesländer nach ihrer Größe und Leistungsfähigkeit. Der ursprünglichen Pflicht des Art. 29 Abs. 6 GG a. F., innerhalb von drei Jahren nach Verkündung des Grundgesetzes eine Neugliederung der Länder vorzunehmen2, wurde nicht entsprochen3, und 1976 wurde dieser Neugliederungsauftrag in eine Kann-Bestimmung umgewandelt.4 In diese fast schon großväterliche Neugliederungsdiskussion, die bis heute zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hat, reiht sich als jüngere Tochter die zahlreiche Literatur um die im Jahr 1996 gescheiterte Fusion der Länder Berlin und Brandenburg ein. Groß war die Enttäuschung, sollten Berlin und Brandenburg doch als leuchtende Vorbilder auch den anderen strukturschwachen Bundesländern dienen, die sich bisher so erfolgreich gegen ihren Zusammenschluss zu größeren Ländern gewehrt hatten. Damals wurde von einem „Pilotprojekt für eine Neustrukturierung des Bundesgebietes“ gesprochen.5 Nachdem die möglichen Gründe des Scheiterns genau analysiert wurden, wurde mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, dass beide Länder grundsätzlich einen zweiten Fusions-

1 Zahlen von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen – Bruttoinlandsprodukt, online im Internet unter http://www. statistik-portal.de/Statistik-Portal/de_jb27_jahrtab65.asp. 2 Hanebeck, S. 216 f., der darauf hinweist, dass hieraus deutlich wird, dass zumindest einige Länder in der Gestalt, die sie im Wesentlichen von den Alliierten erhalten hatten, als mangelhaft betrachtet wurden und man von einem dringenden Neugliederungsbedarf ausging. 3 Zum Verhältnis von Neugliederung und Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik seit 1949 siehe Keunecke, Gescheiterte Neugliederung, S. 22 ff. 4 AvB Drs. 12/2357, S. 39. 5 AvB Drs. 12/2357, S. 7.

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Gegenstand und Ziel der Arbeit

anlauf wagen wollten. Dieser steht aber bis heute noch aus und wird derzeit politisch nicht ernsthaft verfolgt.6 Angesichts der Länderneugliederungsdebatte trat die inzwischen zu beachtlicher Größe herangereifte Zusammenarbeit der beiden Länder in den Hintergrund.7 Als „zweitbester Weg“ abgestempelt, sollte sie ursprünglich lediglich der Vorbereitung des zweiten Fusionsanlaufes dienen. Sie sollte die Gemeinsamkeiten der Länder Berlin und Brandenburg für die Bürger erlebbar werden lassen, um sie von der Notwendigkeit eines gemeinsamen Landes zu überzeugen.8 Hier bestätigt sich ein weiteres Mal die fortwährende Gültigkeit der Aussage: „Die Föderalisten in der Bundesrepublik haben es schwer!“ 9 Diese Dienstboteneigenschaft hat die geübte Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg gar nicht verdient. Sie ist in der Bundesrepublik einmalig, und vielleicht liegt gerade hierin die Vorreiterrolle, die beide Länder in einem geschichtlichen Rückblick einnehmen werden. Nach über 60 Jahren Bundesrepublik, in denen – trotz etlicher Befürworter – mit Baden-Württemberg nur ein einziger freiwilliger Zusammenschluss zweier Bundesländer verzeichnet werden kann,10 ist die breit angelegte Zusammenarbeit strukturschwacher Länder eventuell der Schlüssel zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg. Eine echte Bewährungsprobe, ob zu kleinräumige Bundesländer durch die Zusammenarbeit ihre mangelnde Finanzkraft kompensieren können,11 steht noch aus, ist aber bereits in Sicht. Das Stichwort lautet Schuldenbremse 2020.12 Sollten die Länder Berlin und Branden6

Siehe hierzu näher in Kapitel A. unter Punkt II.2. Die Begriffe „Zusammenarbeit“ und „Kooperation“ werden in der vorliegenden Arbeit synonym gebraucht. 8 Bauer/Seidel, LKV 1999, 343, 347; Hartmann u. a., S. 25; Hruschka, S. 44; Kleger, S. 147; Nawrocki, S. 179 f.; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 15; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 258; Wilke, S. 62. Diese Beurteilung der Zusammenarbeit der Bundesländer ist nicht neu und auch nicht auf die Länder Berlin und Brandenburg beschränkt. Bereits Hempel hat im Jahr 1969 die Zusammenarbeit der Bundesländer als ineffektivsten Weg bezeichnet, „den Unitarisierungsforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden“ (Hempel, S. 216). 9 Geiger, Föderalismus, S. 1. 10 1952 schlossen sich die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern auf der Grundlage des Art. 118 GG zu einem Bundesland zusammen. Eine Mehrheit bei der Volksabstimmung für den Zusammenschluss wurde dadurch erzielt, dass die Stimmen im ganzen Abstimmungsgebiet zusammengerechnet wurden und damit ein Land durch die anderen Länder überstimmt werden konnte. Ausführlich hierzu BVerfGE 1, 14. 11 Zur Berechnung der Finanzkraft der Bundesländer siehe Häde, LKV 2011, 1, 3. Das Land Brandenburg hat auf seine Einwohnerzahl bezogen eine Finanzkraft von lediglich 88,4 % des Länderdurchschnitts und das Land Berlin sogar nur eine Finanzkraft von 67,6 %. Diese mangelnde Finanzkraft wird durch den Länderfinanzausgleich zu großen Teilen kompensiert (ders.). 12 Siehe hierzu in Kapitel D. unter Punkt III.2.d), insbesondere in Fn. 272. Zum 31. Dezember 2019 tritt das den Länderfinanzausgleich regelnde FAG außer Kraft. 7

Gegenstand und Ziel der Arbeit

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burg ihre Zusammenarbeit bis zum Jahr 2020 nicht derart ausgebaut haben, dass sie ihre finanzielle Selbständigkeit auch ohne neue Kreditaufnahmen sichern können, dürfte sich der politische Druck in Richtung einer Fusion zu größeren Gebietskörperschaften wieder erhöhen.13 Derzeit stehen beiden Ländern aber beide Wege offen: Fusion oder Zusammenarbeit, um das von Art. 29 Abs. 1 S. 1 GG formulierte Ziel zu erreichen, nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen zu können. Natürlich ist die freiwillige Zusammenarbeit mit vielen Diskussionen, dem Streben nach eigenen Vorteilen, Kompromisslösungen und Rückschlägen verbunden. Aber sie verkörpert auch den Grundgedanken des Bundesstaates.14 Auch der 1955 eingesetzte Sachverständigenausschuss für die Neugliederung des Bundesgebietes musste einsehen, dass die Zusammenarbeit neben der Neugliederung „ein anderes, bereits in großem Umfang bewährtes Mittel zur praktischen Bewältigung von Problemen (. . .) ist, die den Problemen der Neugliederung wesensähnlich sind. Bei fortschreitender Arbeit wurde dem Ausschuß immer klarer, in welchem Umfang durch geeignete Hinweise auf dieses andere Mittel so manches Problem, das zunächst unter dem Kennwort Neugliederung auftauchte, einer guten Erledigung zugeführt werden kann.“ 15 Statt in einem gemeinsamen Land zu „zentralisieren“, müssen die Länder bei ihrer Zusammenarbeit unter Beachtung des Grundsatzes der Bundestreue und der gegenseitigen Rücksichtnahme im Sinne der eigenen Landesinteressen Kompromisse aushandeln. Dass dies grundsätzlich auf allen Handlungsfeldern möglich ist, beweisen die Länder Berlin und Brandenburg; aber auch, dass es in der Praxis zu Blockaden und Stillstand kommen kann, so dass die beiden Länder in dem streitigen Punkt bis zu einem nächsten Anlauf vorläufig wieder getrennt arbeiten.16 Positiv ist die Zusammenarbeit beider Länder im Gegensatz zu ihrer Fusion im Hinblick auf die Identifizierung der Bürger mit ihrem jeweiligen Bundesland zu werten. In diesem Zusammenhang wird gefordert, dass die Menschen ihre überschaubaren Bezugsräume behalten müssen, die mit ihren „Denk- und Aktions13 Skeptischer Häde, LKV 2011, 1, 4, der auch nach 2020 den Verfassungsauftrag aus Art. 107 Abs. 2 GG, einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder herbeizuführen, weiter fortgelten sieht und hieraus schlussfolgert, dass ein neuer Länderfinanzausgleich eingeführt werden müsse. 14 Hierzu anschaulich Hesse, AöR 98 (1973), 1, 12: „Allgemein ist der föderative Aufbau zunächst geeignet, die Schwächen zentralistischer Staatsorganisation zu vermeiden. Er nötigt zu Einigung, Verständigung und Zusammenarbeit zwischen den differenzierten Leistungszentren und gewährleistet damit Formen staatlichen Lebens, die, wenn auch sicher nicht ausschließlich, Kennzeichen eines freiheitlichen Gemeinwesens sind, das diesen Formen prinzipiell den Vorrang vor denen straffer hierarchischer Ordnung gibt.“ 15 BMI, Luther-Gutachten, S. 24. 16 Siehe zu den Problemen in der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg näher in Kapitel A. unter Punkt IV.

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Gegenstand und Ziel der Arbeit

räumen“ identisch sind. Das Stichwort laute: „Vernetzung“.17 Zudem muss auch beachtet werden, dass in einem gemeinsamen Land Berlin-Brandenburg recht wesensfremde Länder zusammengeschlossen werden. Auf der einen Seite die dicht besiedelte, internationale Metropole Berlin und auf der anderen Seite das agrarisch geprägte und mit Ausnahme des Berliner Umlandes sehr dünn besiedelte Land Brandenburg.18 Ob die Zusammenarbeit beider Länder am Ende genauso gut oder gar besser für die Region ist als ihre Fusion zu einem gemeinsamen Bundesland, in dem sich erst zeigen müsste, ob die Metropole Berlin als Gemeinde unter vielen anderen „gezähmt“ werden könnte,19 wird die Zukunft zeigen. Wie auch immer man heute den Stellenwert der Zusammenarbeit bemisst – ihre genauere wissenschaftliche Untersuchung lohnt.

I. Die Zusammenarbeit zwischen einer Stadt und ihrem Umland Während bisher die Zusammenarbeit zwischen den beiden Bundesländern Berlin und Brandenburg angesprochen wurde, tritt in der vorliegenden Untersuchung eine weitere Ebene hinzu. Unterhalb der Ebene der Bundesländer besteht zudem das Verhältnis der Stadt Berlin zu ihrem brandenburgischen Umland. Das Verhältnis Stadt-Umland ist weltweit ein ständiges Problem der räumlichen Planung.20 In der Bundesrepublik muss sich jede Stadt mit den sie umgebenden Gemeinden verständigen, um eine vernünftige Raumplanung zu gewährleisten und der Zersiedelung Einhalt zu gebieten. In hochgradig verdichteten und vielfältig verflochtenen Stadt-Umland-Bereichen treten besondere Probleme auf. Hier sind Bevölkerung und Arbeitsstätten auf eng begrenztem Gebiet stark konzentriert, was zu ungesunden Lebensbedingungen oder unausgewogenen Wirtschafts- und Sozialstrukturen führen kann (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 ROG). Im Rahmen dieser StadtUmland-Problematik gibt es eine ganze Reihe von Faktoren und Problemen, die sich in Berlin-Brandenburg nicht von anderen Ballungsgebieten unterscheiden.21 17 Petri, in: Bufalica/Röber, S. 84: „Nicht die Schaffung größerer neuer Einheiten ist der richtige Weg, sondern Kooperation der vorhandenen Einheiten“. 18 Das BMI, Luther-Gutachten, beurteilte auf S. 107 f. die Verbindung von Hamburg und Schleswig-Holstein aufgrund ihrer wesentlichen Unterschiede und der damit einhergehenden so andersartigen Betätigungsinhalte als lähmend und riet daher von ihr ab. 19 So hätte auch der Fusionsvertrag von 1995 (siehe hierzu näher in Kapitel A. unter Punkt I.4.c)) den status quo zweier getrennter Länder in dem gemeinsamen Land zunächst über lange Jahre aufrechterhalten und „ein Land im Land“ geschaffen (Keunecke, Gescheiterte Neugliederung, S. 337). 20 AvB Drs. 12/2357, S. 57 ff., speziell zur Stadt-Umland-Problematik auf S. 59 f.; Benz/König, S. 133 ff.; Wagener. Bereits 1983 tagte der internationale Kongress für Verwaltungswissenschaften zu dem Thema „Verwaltung der Verdichtungsräume“. Siehe hierzu Lehmann-Grube.

I. Zusammenarbeit zwischen einer Stadt und ihrem Umland

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Im Kern geht es darum, dass die Zentralstadt eine Vielzahl von Einrichtungen, wie beispielsweise Theater, Verkehrsnetze, Sportstätten und Krankenhäuser der Maximalversorgung bereit stellt und finanziert, von denen das Umland und seine Bewohner profitieren, ohne sich an den Kosten zu beteiligen. Die Gemeinden der Region gewinnen zudem durch die Nachbarschaft und den Anschluss zur Zentralstadt an Attraktivität als Standort für Gewerbeansiedlungen. Auf diese Weise können sie Gewerbesteueranteile einnehmen, die der Zentralstadt für die Unterhaltung der regional bedeutsamen Einrichtungen fehlen. Hinzu treten Ballungsund Verdichtungsschäden, wie beispielsweise erhöhte Umweltbelastungen durch konzentrierte Beanspruchung der natürlichen Lebensgrundlagen, hohes Verkehrsaufkommen durch die räumliche Trennung von Wohnen, Arbeit und Freizeit und die Konzentration von Problemgruppen der Bevölkerung in den Städten.22 Typisch ist zudem die Zerschneidung des einheitlichen Verflechtungsraums durch administrative Grenzen, womit kleinräumige und zersplitterte Verwaltungsstrukturen sowie Koordinationsmängel zwischen den vorhandenen Verwaltungsträgern eines Raumes verbunden sind.23 Aufgrund des Konfliktpotentials werden Interessengegensätze zwischen Kernstadt und Umland in gewissen Grenzen als unvermeidbar angesehen.24 Wurden in der Vergangenheit derartige Stadt-Umland-Probleme mit großflächigen Eingemeindungen gelöst25, werden diese, wegen des damit verbundenen Verlustes der kommunalen Selbstständigkeit und der negativen Folgen für die örtliche Demokratie und Identität, heute weitestgehend vermieden. Für den Stadt-Umland-Bereich wurden schonendere Konzepte von Verbandbildungen entwickelt und mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten umgesetzt.26 Als Beispiel sei hier der Umlandverband Frankfurt (Main) erwähnt. Er ist im RheinMain-Gebiet 1975 auf der Grundlage eines Gesetzes des Landes Hessen für die Flächennutzungsplanung entstanden. Ihm gehören die beiden Großstädte Frankfurt (Main) und Offenbach (Main) sowie 41 Städte und Gemeinden aus den umliegenden Kreisen an. Der Verband hat für dieses Gebiet einen Flächennutzungs-, einen Generalverkehrs- und einen Landschaftsplan aufgestellt und hat ein eigenes Parlament mit 105 Abgeordneten, das von den Einwohnern direkt gewählt wird.27 21

Röber, in: Bufalica/Röber, S. 15. Siehe hierzu ausführlich Mecking, S. 224 ff. Zu den Problemen siehe auch Benz/ König, S. 17 f.; Schimanke, DÖV 1983, 704 ff. und Schmidt-Aßmann, Verw 1985, 273, 274 f. 23 Mecking, S. 226; Schmidt-Aßmann, Verw 1985, 273, 280 f. 24 AvB Drs. 12/2357, S. 60. 25 Siehe beispielsweise die Schaffung von Groß-Berlin 1920 in Kapitel A. unter Punkt I.1.c). 26 Mecking, S. 227. Eine Übersicht von Stadt-Umland-Verbänden in der Bundesrepublik findet sich bei Schimanke, DÖV 1983, 704, 711. 27 Müller/Schmook, S. 27 f. 22

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Gegenstand und Ziel der Arbeit

In der Region Berlin-Brandenburg tritt – anders als in Frankfurt/Main – hinzu, dass ein einheitlicher Agglomerationsraum nicht nur von kommunalen, sondern auch von Landesgrenzen durchschnitten ist und sich die Problematik der „normalen“ Stadt-Umland-Verflechtungen durch das Hinzutreten unterschiedlicher Länderkompetenzen noch verschärft.28 Der Stadtstaat Berlin selbst umfasst nur die Kernstadt einer viel größeren Ballungsregion. Deshalb reicht der faktische „Einwohnerbereich“ vieler seiner öffentlichen Einrichtungen weit über die Landesgrenzen hinaus. Auf der anderen Seite sind die Einwohner Berlins für viele Leistungen der öffentlichen Versorgung und Entsorgung auf Einrichtungen im Umland angewiesen. Auch die Verkehrsnetze können beispielsweise nur in grenzüberschreitender Zusammenarbeit geplant, gebaut und betrieben werden. Die Unternehmen wählen ihre Betriebsstätten und die Bürger ihre Arbeitsplätze, Wohnungen oder Schulen in dem einen oder anderen Land wie zwischen unterschiedlichen Berliner Stadtbezirken. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist hier für die Entwicklung der Region unerlässlich. Die notwendigen Koordinierungsleistungen zwischen der Kernstadt und ihrem Umland müssen dabei aber auf der Grundlage unterschiedlicher organisatorischer Gegebenheiten und durch Landesregierungen erfolgen, die in erster Linie für die Lösung der Probleme des eigenen Landes verantwortlich sind.29 Eine solche Stadtstaat-Umland-Konstellation zwischen zwei Bundesländern und zwei verantwortlichen Landesregierungen ist für die Entwicklung einer Region nicht förderlich.30 Darüber hinaus spielen finanzielle Verteilungsfragen eine besondere Rolle und stellen oft die eigentliche Ursache von Konflikten dar, weil der innerhalb von Flächenländern einen Lastenausgleich zwischen Kernstadt und Umland ermöglichende interkommunale Finanzausgleich fehlt, während gleichzeitig viele Entscheidungen unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Steuerverteilung und den Finanzausgleich zwischen den Ländern haben.31 Wenn beispielsweise Gewerbebetriebe ins Umland abwandern, gehen der Kernstadt Arbeitsplätze und Steuerquellen verloren. Daher stehen Stadt und Umland in ständiger Konkurrenz um die Ansiedlung oder Erhaltung von Industrie und Gewerbe auf ihrem Gebiet.32 Vor diesem Hintergrund erscheint eine einvernehmliche und gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem Stadtstaat und seinen benachbarten Bundesländern nur mit einigen Schwierigkeiten möglich. Umso interessanter ist der vorliegende 28

Wilke, S. 13. Hruschka, S. 32; Scharpf/Benz, S. 11. 30 Hartmann u. a., S. 19. 31 Hierzu näher in Kapitel F. unter Punkt III.2. sowie Hruschka, S. 32. Zu den StadtUmland-Problemen auch Röber, in: Bufalica/Röber, S. 15. 32 Scharpf/Benz, S. 44. Zu Differenzen zwischen den Bundesländern Niedersachsen und Bremen, die teilweise sehr ähnlich sind, siehe Danielzyk, in: Bufalica/Röber, S. 43 f. 29

II. Gründe für die Wahl des Untersuchungsgegenstandes

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Untersuchungsgegenstand der derzeit geübten Zusammenarbeit zwischen dem Stadtstaat Berlin und seinem Nachbarn Brandenburg. Aufgrund der Tatsache, dass Berlin inmitten des Bundeslandes Brandenburg liegt, ist eine Zusammenarbeit insoweit leichter als beispielsweise für Hamburg, weil lediglich die Interessen zweier Bundesländer in Einklang gebracht werden müssen. Der Stadtstaat Hamburg liegt demgegenüber zwischen den Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen, so dass das Stadt-Umland-Verhältnis durch drei Bundesländer mit ihren jeweils eigenen Interessen geregelt werden muss. Zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg hat sich trotz der dargestellten Problematiken eine breite Zusammenarbeit herausgebildet.

II. Gründe für die Wahl des Untersuchungsgegenstandes Auch wenn weder die Zusammenarbeit zweier Bundesländer noch die Zusammenarbeit einer Stadt mit ihrem Umland eine in der Bundesrepublik einmalige Situation darstellen und das Nebeneinander von Stadtstaat und Flächenland bereits mit Bremen und Hamburg bekannt ist33, sollen in der vorliegenden Arbeit die Beziehungen der Länder Berlin und Brandenburg im Rahmen ihrer Zusammenarbeit rechtlich näher untersucht werden. Die Besonderheit der Region Berlin-Brandenburg besteht zum einen in den Gegensätzen, die aufeinander prallen: „Hier die hoch verdichtete Stadt, deren ,Stadtkante‘ immer noch deutlich sichtbar ist; dort die Weite des ländlichen Raums, wo der nächste Nachbar auch einige Kilometer entfernt wohnen kann.“ 34 Zum anderen hat die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg eine in der Bundesrepublik bisher einmalige Dimension sowohl in ihrer Qualität als auch in ihrer Quantität erreicht. Dabei kann sie als Vorbild für andere Bundesländer fungieren, soweit ihre tatsächlichen Voraussetzungen herausgearbeitet sind und ihr rechtlicher Rahmen klar definiert ist. Dennoch lag das Augenmerk der wissenschaftlichen Untersuchungen bisher fast ausschließlich auf der möglichen zukünftigen Fusion beider Länder. Hier wurde ausgiebig geforscht, untersucht und geschrieben,35 wobei diese Arbeiten nur am Rande auf die tat33 Mit der Problematik der von Ländergrenzen durchschnittenen Stadt-Umland-Beziehungen am Beispiel der Region Hamburg beschäftigt sich ausführlich Scharpf/Benz. Insgesamt finden sich Kooperationen auf kommunaler Ebene, auf Landesebene, auf Bundesebene, auf europäischer Ebene und auf internationaler Ebene. Vorliegend werden lediglich die ersten beiden Ebene betrachtet. Hierzu näher in Kapitel B. unter Punkt III.3. 34 Hartmann u. a., S. 99; Hruschka, S. 36. 35 Aktuell hierzu Tripke, dessen Untersuchungszeitraum im Frühherbst 2007 endete. Aber auch schon zuvor Hartmann u. a.; Keunecke, Gescheiterte Neugliederung; Keunecke, Berlin-Brandenburg; Schubeck; Wegrich; Wieland; Wilke. Siehe hierzu mit ausführlichen Literaturangaben in Kapitel A. unter Punkt I.4.c).

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Gegenstand und Ziel der Arbeit

sächlich geübte Zusammenarbeit der beiden Länder als „Vorstufe“ zur Fusion eingehen.36 Dies lässt sich ursprünglich damit erklären, dass die praktizierte Zusammenarbeit ausweislich des politischen Willens beider Länder eine Fusion vorbereiten sollte und damit lediglich als Übergangslösung gedacht war. Nachdem sich nunmehr die politischen Ziele verschoben haben und eine mögliche Fusion der beiden Länder in weite Ferne gerückt ist37, soll in der vorliegenden Arbeit die zwischen ihnen praktizierte Zusammenarbeit rechtlich ausführlich untersucht werden. Im Jahr 1997 hat sich Hruschka in einem Arbeitspapier des Arbeitsschwerpunktes Hauptstadt Berlin der Freien Universität Berlin der Frage gestellt, wie die beiden Länder Berlin und Brandenburg nach der gescheiterten Fusion unter dem Aspekt der Politikverflechtung erfolgreich miteinander kooperieren können. Dabei legt Hruschka den Umfang der Zusammenarbeit beider Länder bis zum Jahr 1997 zu Grunde. Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg ist in den seither vergangenen 14 Jahren erheblich ausgeweitet und in rechtlich verbindliche Formen gefasst worden. Daher bedarf es inzwischen einer erneuten Betrachtung des Themas. Zudem findet in der Arbeit von Hruschka keine rechtswissenschaftliche Untersuchung statt. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht hat sich dem vorliegenden Thema bisher allein Wormit im Jahr 2001 genähert, wobei er sich auf die Darstellung der Entwicklung beider Länder zwischen 1990 und Januar 2001 und ihrer in dieser Zeit geübten Zusammenarbeit beschränkt, ohne diese rechtlich fundiert zu untersuchen. In seiner Einführung stellt er klar: „Ziel der vorliegenden Arbeit ist es . . ., ausgehend vom Rückblick auf die bisherigen Bemühungen um eine Länderfusion eine nach Sachgebieten geordnete Bestandsaufnahme und Zusammenfassung der Länderkooperation von Berlin und Brandenburg zu erstellen“.38 Hierauf beschränkt sich Wormit auch und stellt auf über 120 Seiten39 seiner insgesamt 180 Seiten umfassenden Arbeit die einzelnen Kooperationsbereiche beider Länder nur beschreibend dar. Lediglich auf 7 Seiten40 gibt Wormit einen kurzen Überblick über die rechtlichen Grundlagen der Zusammenarbeit in der Bundesrepublik, wobei hiervon ein großer Teil die omnilaterale Zusammenarbeit der Länder bzw. die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern betrifft, die nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind.41

36 Tripke, S. 188 mit einer Darstellung der Zusammenarbeit zur Klärung der Frage, ob durch diese Teilfusionen die Länderehe vorbereitet wird. 37 Siehe hierzu in Kapitel A. unter Punkt II.2. 38 Wormit, S. 17. 39 Wormit, S. 65–192. 40 Wormit, S. 49–56. 41 Siehe zur Abgrenzung des vorliegenden Untersuchungsthemas in Kapitel A. unter Punkt V.

III. Gliederung der Untersuchung

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Die vorliegende Arbeit verfolgt ein anderes Ziel. Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg soll rechtlich analysiert und bewertet werden. Hinzu kommt, dass zum damaligen Untersuchungszeitpunkt bis Anfang 2001 die Intensität der Zusammenarbeit beider Länder im Vergleich zur heutigen sehr gering war. So kommt Wormit auch zu dem Schluss, dass die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg vorrangig auf politisch-informeller Ebene stattfinde und nur eine geringe Anzahl rechtsverbindlicher Verträge und Vereinbarungen sowie gemeinsamer Länderinstitutionen bestünden, so dass sich im Ergebnis diejenigen bestätigt fühlen könnten, die bereits vor der Volksabstimmung am 5. Mai 1996 die Länderkooperation gegenüber einer Fusion lediglich als „zweitbeste Lösung“ angesehen haben.42 Hier fragt sich, ob die 4 1/2 Jahre, die seit dem Scheitern des Neugliederungsversuchs beider Länder bis zu der Untersuchung von Wormit verstrichen sind, nicht zu kurz für einen solchen Schluss waren. Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg musste sich Stück für Stück entwickeln, wobei bis 1996 erhebliche Kapazitäten an Arbeitskraft in die Vorbereitung der Fusion beider Länder geflossen sind. Nachdem inzwischen 15 Jahre seit der gescheiterten Länderfusion vergangen sind, hat die Zusammenarbeit beider Länder einen erheblichen Umfang angenommen und soll in Zukunft noch weiter intensiviert werden. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von verbindlichen Vereinbarungen und gemeinsamen Einrichtungen zwischen beiden Ländern,43 die mit den gemeinsamen Fachobergerichten Berlin-Brandenburg beispielsweise auch in politisch wichtigen Bereichen wie dem Justizbereich zu finden sind. Die Schlussfolgerungen von Wormit erscheinen vom heutigen Standpunkt aus als verfrüht. Es stellt sich schon längst nicht mehr die Frage des „Ob“ der Zusammenarbeit beider Länder, sondern es rückt vielmehr die Frage des „Wie“ in den Mittelpunkt. Dass hieran die rechtliche Literatur noch weitgehend wenig Klärungsbedarf gesehen hat, verwundert. Es erscheint dringend erforderlich, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit beider Länder ausführlich darzustellen, um ihnen auch für die Zukunft eine sichere rechtliche Grundlage ihrer weiteren Zusammenarbeit zu geben. Dieser Aufgabe stellt sich die nachfolgende Untersuchung.

III. Gliederung der Untersuchung Hierzu wird einführend in Kapitel A. ein Überblick über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und seinem brandenburgischen Umland in der Vergangenheit und der Gegenwart gegeben. Daran anschließend wird, ausgehend von der allge42

Wormit, S. 195. Eine Übersicht über die derzeitige Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg findet sich in Kapitel A. unter Punkt II.3. sowie in Anlage 2. 43

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Gegenstand und Ziel der Arbeit

meinen rechtlichen Einordnung der Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland, eine rechtliche Untersuchungsmethode ihrer Zusammenarbeit herausgearbeitet (Kapitel B.). Diese wird dann in den darauf folgenden Kapiteln auf die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg angewendet (Kapitel C. bis E.). Für die vorliegende Untersuchung musste eine Reihe von parlamentarischen Drucksachen ausgewertet werden. In der Untersuchung werden alle Drucksachen nur mit ihrer Nummer zitiert, um die Übersichtlichkeit in den Fußnoten zu erhalten und lange Wiederholungen zu vermeiden. Ihre vollständigen Angaben finden sich in einem Drucksachenverzeichnis, das im Anschluss an das Literaturverzeichnis abgedruckt ist.

A. Darstellung des Untersuchungsthemas Zu Beginn soll das Thema, dem sich die vorliegende Arbeit widmet, anhand seiner geschichtlichen Entwicklung und des heutigen Standes der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg vorgestellt und eingegrenzt werden.

I. Die Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg im 20. Jahrhundert Im 20. Jahrhundert durchlebte die heutige Region Berlin-Brandenburg eine wechselvolle Geschichte, die bis heute die Beziehungen zwischen beiden Ländern prägt. 1. Berlin und die preußische Provinz Brandenburg Brandenburg war im 19. Jahrhundert eine preußische Provinz und gliederte sich in die Regierungsbezirke Potsdam und Frankfurt (Oder). Die preußischen Provinzen hatten keine Staatsqualität, gewannen aber zunehmend eigene Kompetenzen auf dem Gebiet der Verwaltung. An der Spitze der Verwaltung jeder Provinz stand ein Oberpräsident.1 Berlin war als kreisfreie Stadt Teil der Provinz Brandenburg und des Regierungsbezirks Potsdam sowie Hauptstadt Preußens und seit 1871 zudem Hauptstadt des Deutschen Reichs.2 a) Berlin und Brandenburg um die Jahrhundertwende Die Stadt Berlin nahm im Deutschen Kaiserreich einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung. Um 1900 hatte sie sich zur größten deutschen Industrie-, Wissenschaft- und Kulturstadt entwickelt und war mit ihren 1,9 Mio. Einwohnern die viertgrößte Stadt der Erde nach London (4,5 Mio. Ew.), New York (3,4 Mio. Ew.) und Paris (2,7 Mio. Ew.).3 Mit ihrem Aufstieg zur Weltstadt verschob sich in der preußischen Provinz Brandenburg das politische und wirtschaftliche Gewicht vom Land auf die Großstadt. Hatte die Provinz Brandenburg im Jahr 1816 1.085.899 Einwohner, so verdreifachte sich diese Zahl bis 1900 auf 3.108.554 Einwohner. Im gleichen Zeitraum verzehnfachten sich aber die Einwohner der 1 2 3

v. Brünneck, S. 11. Gärtner, JR 1995, 319; Schubeck, S. 12; Zivier, Rdnr. 3. Scherf, S. 11.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Stadt Berlin von 191.500 Einwohnern im Jahr 1816 auf zwei Millionen kurz nach der Jahrhundertwende.4 Insgesamt war Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts von einer Verstädterungszone umfasst, die mit Einschluss des Stadtkreises Potsdam auf einer Fläche von 1.264 km2 rund 5 Mio. Menschen umschloss. Es war inzwischen zu einem fast mit bedrohlicher Stärke die Provinz Brandenburg überschattenden Schwerpunkt der Entwicklung geworden. Die mit schöner Natur, jedoch wirtschaftlich verhältnismäßig karg ausgestattete Provinz nahm zwar im begrenzten Umfang an der Entwicklung Berlins Anteil, ohne jedoch mit ihr Schritt halten zu können.5 1875 schied Berlin dann aus dem Kommunalverband der Provinz Brandenburg aus und bildete nunmehr einen eigenen Stadtkreis innerhalb Preußens (§ 2 Abs. 1 der Provinzialordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen6).7 Das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung8 löste Berlin schließlich aus dem Regierungsbezirk Potsdam heraus. Die meisten Aufgaben, die in Bezug auf Berlin vorher dem Regierungspräsidenten in Potsdam oblagen, gingen auf den Polizeipräsidenten in Berlin über. Die Kommunalaufsicht über Berlin, die bei kreisfreien Städten im Allgemeinen vom Regierungspräsidenten ausgeübt wurde, wurde auf den Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg übertragen. Eine Reihe von Kollegialbehörden blieb aber in Organunion zugleich für die Provinz Brandenburg und die Stadt Berlin zuständig.9 Bereits damals bestand eine besonders enge wirtschaftliche und teilweise politische Bindung der Provinz Brandenburg an die Hauptstadt Berlin. Bereits ab 1848 wurden zudem mehrere künstliche Wasserstraßen in und um Berlin angelegt. Ein wachsendes Verkehrsnetz ermöglichte die schnelle Belieferung Berlins mit land- und forstwirtschaftlichen Produkten.10 Der Ausbau begünstigte auch die Abwanderung der Wohnbevölkerung in die Randgebiete und die Auslagerung von Betriebsstätten aus der Innenstadt in das Berliner Umland. Lagen die Industriestandorte im 19. Jahrhundert noch inmitten der Stadt, waren bis 1925 mit der 4 Holmsten, S. 85. Ein Überblick über den Bevölkerungsstand in Berlin und Brandenburg von 1871 bis 1919 findet sich bei Adamy, S. 505. 5 Herzfeld, S. 4 f. 6 Provinzialordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 29. Juni 1875, in: Gesetz-Sammlung für die königlichen preußischen Staaten 1875, S. 335. 7 Adamy, S. 510; Deutelmoser, S. 59; Finkelnburg, LKV 1991, 6; Herzfeld, S. 89; Schubeck, S. 12. 8 Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883, in: GesetzSammlung für die königlichen preußischen Staaten 1883, S. 195. 9 Gärtner, JR 1995, 319; Zivier, Rdnr. 3. 10 Adamy/Hübener, S. 11 f.; Müller/Schmook, S. 72. Der Ausbau des Verkehrsnetzes von Berlin in die umliegende Provinz begann im 19. Jahrhundert mit dem Ausbau und der Modernisierung des Kanalsystems und dem Bau von Chausseen, die sternförmig von Berlin ausgingen. Seit 1838 folgten die Eisenbahnen (Schich/Heinrich, S. XLV).

I. Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg

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Entwicklung neuer Techniken und dem damit einhergehenden gestiegenen Flächenbedarf sowie der gestiegenen Bodenpreise in Berlin und der billigeren Arbeitskräfte in der Provinz alle wichtigen Großbetriebe aus der Innenstadt an neue, verkehrsgünstig gelegene Standorte in der Nähe der Eisenbahnen und Wasserwege abgewandert. Der Personenverkehr nahm hierdurch so stark zu, dass die herkömmlichen Nahverkehrsmittel nicht mehr ausreichten.11 Durch die industrielle Vorortsiedlung und den Pendelverkehr entstanden rund um Berlin „Trabantenstädte“, wie beispielsweise Spandau, Tegel, Siemensstadt, Oranienburg, Hennigsdorf, Bernau und Fürstenwalde. Sie nahmen an den konjunkturellen Vor- und Nachteilen der Entwicklung Berlins teil.12 Die Unterschiede zwischen echten Stadtkernen, ehemals dörflichen Siedlungen und stadtähnlichen Vorortgemeinschaften verwischten zunehmend. Der Vorortverkehr mit einer raschen Zugfolge und einem niedrigen Vorort-Tarif band die neuen Siedlungen an die Stadtlandschaft, deren Grenzen nur noch verwaltungsmäßiger Natur waren. Der Begriff der Stadt mit fester Identität und einem abgeschlossenen Areal war auf Berlin in Bezug auf seine Vorortesiedlungen nicht mehr anwendbar.13 Die zahlreichen Betriebe in und um Berlin und die damit verbundenen Arbeitsmöglichkeiten zogen zudem große Teile der Provinzbevölkerung an, so dass sich in einem Umkreis von bis zu 30 km um die Hauptstadt eine breitentwickelte Industrie mit einer entsprechenden Bevölkerungsdichte konzentrierte.14 In einigen Orten bildeten sich spezielle Industriezweige heraus, so beispielsweise in Rathenow die optische Industrie, in Velten die Kachelofenindustrie, in Oranienburg die chemische Industrie und in Luckenwalde die Hutindustrie. Den wichtigsten Absatzmarkt für die brandenburgischen Industriebetriebe bildete Berlin, und umgekehrt wurde Brandenburg zum größten Teil von Berlin aus beliefert.15 Insgesamt bleibt um 1900 festzuhalten, dass sich Berlin und sein engeres Umland im strukturschwachen ländlichen Raum Mittelbrandenburgs zu einer hochverdichteten urbanen Region entwickelt haben.16 b) Der Zweckverband Groß-Berlin von 1911 Die dargestellte Entwicklung führte aber dazu, dass in Berlin und seinem Umland politische, wirtschaftliche und soziale Interessen aufeinander prallten. Die unabgestimmte Entwicklung bei der Stadt- und Verkehrsplanung und die unsolidarische Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben zwischen Berlin und den um11

Adamy, S. 506; Müller/Schmook, S. 30 und 86; Scherf, S. 13 und 18. Adamy, S. 520; Herzfeld, S. 94. Ausführlich zu den Randwanderungen der Berliner Industrie nach Brandenburg Adamy auf S. 530 ff. 13 Adamy, S. 522. 14 Adamy/Hübener, S. 11 f. 15 Müller/Schmook, S. 86; Schich/Heinrich, S. XLVI. 16 Scherf, S. 11. 12

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

liegenden Provinzen wurden zunehmend kritisiert. Die reichen Vororte im Süden und Westen Berlins profitierten von den geringen Sozialkosten ihrer wohlhabenden Bevölkerung, was ihnen Steuersenkungen ermöglichte, während in der Kernstadt und den östlichen Vororten der gegenteilige Effekt eintrat.17 Die weitere Erschließung Berlins, das durch den enormen Zuwachs der Einwohner immer deutlicher werdende Verwaltungschaos und die Entscheidungen zur Bebauung der Stadt mit Industrieanlagen und Wohnungen, machten Lösungen notwendig, die dem Wachstum des Ballungsraums Rechnung trugen.18 Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgten Eingemeindungen hatten hierzu nicht ausgereicht. Erst 1860 wurden Wedding, Gesundbrunnen, Moabit, Neu-Tempelhof und Neu-Schöneberg mit dem Stadtkern Berlins vereinigt. 1881 erfolgten Eingemeindungen des Tiergartens, des Zoologischen Gartens und des Schlossbezirks Bellevue. Die weiter wachsenden Städte am Rande der aufstrebenden Weltstadt wurden bei einer Einwohnerzahl von mehr als 20.000 zu selbständigen Stadtkreisen erhoben, so Charlottenburg (1877), oder erhielten Stadtrecht, wie Schöneberg (1898), Rixdorf (1899), Wilmersdorf (1907) und Lichtenberg (1909).19 Anlässlich dieser Entwicklung wurden immer wieder Stimmen laut, die eine Vergrößerung des Stadtgebiets Berlins forderten. Die stark vom Hausbesitz beeinflusste Bürgerschaft Berlins wehrte sich aber konsequent gegen die Übernahme finanzschwacher industrieller Siedlungen vor allem im Norden und Osten der Stadt, während umgekehrt die von ihr aus entgegengesetzten Motiven begehrten finanzstarken westlichen Vororte von Charlottenburg bis Wannsee eine Abneigung gegen den ihnen bei einer Eingemeindung drohenden Lastenausgleich zugunsten der finanziell schwächeren Industriesiedlungen Berlins entwickelt hatten.20 Sprüche wie „Mög schützen uns des Kaisers Hand vor Groß-Berlin und Zweckverband“ oder „Gott schütze uns vor Mord und Brand, vor Groß-Berlin und Zweckverband“ veranschaulichen die Stimmung zu dieser Zeit.21 Eine Lösung für die sich aufdrängenden planerischen Aufgaben sollte die Bildung des Zweckverbandes Groß-Berlin bringen.22 Mit dem Zweckverbandsgesetz 17 Musil/Kirchner, S. 7. Im Gegensatz zu den Mietskasernen im innerstädtischen Wohngürtel sowie in den östlichen und nördlichen Wohngebieten, entstanden im Westen und Süden der Stadt und in ihren Vororten exklusive Wohngebiete mit teilweise ausgedehnter Villenbebauung in landschaftlich bevorzugten Gegenden des Grunewaldes und des Wannsees für die gutsituierten Bevölkerungsschichten. Innerhalb Berlins hatte sich damit ein deutlich erkennbares sozialräumliches Südwest-Nordost-Gefälle von hoher Stabilität herausgebildet (Scherf, S. 17). 18 Adamy, S. 522. 19 Deutelmoser, S. 60; Schich/Heinrich, S. XLVI. 20 Herzfeld, S. 79. 21 Zitiert nach Deutelmoser, S. 60 f. 22 AvB Drs. 12/2357, S. 38; Adamy, S. 521 f.; Deutelmoser, S. 60; Engeli, S. 27 f.; Schubeck, S. 12 f.

I. Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg

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für Groß-Berlin vom 19. Juli 191123, das am 1. April 1912 in Kraft trat, wurden die kreisfreien Städte Berlin, Charlottenburg, Deutsch-Wilmersdorf, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg und Spandau sowie die Landkreise Niederbarnim und Teltow zu einem Zweckverband mit 4,2 Millionen Einwohnern auf rund 3.500 km2 Fläche zusammengeschlossen. Dabei behielten alle Beteiligten ihre Selbständigkeit. Drei Aufgaben sollte der Verband gemäß § 1 des Zweckverbandsgesetzes konkret wahrnehmen: • Regelung des Verhältnisses zu öffentlichen, auf Schienen betriebenen Transportanstalten mit Ausnahme der Staatseisenbahnen (§ 4 des Gesetzes), • Beteiligung an der Feststellung der Fluchtlinien und Bebauungspläne für das Verbandsgebiet und Mitwirkung an dem Erlasse von Baupolizeiverordnungen (§§ 5 bis 8 des Gesetzes), • Erwerbung und Erhaltung größerer von der Bebauung freizuhaltender Flächen (Wälder, Parks, Wiesen, Seen, Schmuck-, Spiel-, Sportplätze usw.) (§ 9 des Gesetzes). Eine nachhaltige Leistung des Zweckverbandes ist die Bewahrung der bis heute vorhandenen ausgedehnten Wälder in Berlin (namentlich Grunewald und Tegeler Forst). Sie gehen auf den Dauerwaldvertrag von 1915 zurück.24 Den größten Erfolg hatte der Verband in der Vereinheitlichung des Verkehrswesens. 1918 wurde ein Einheitsvertrag des Verbands mit der Großen Berliner Straßenbahn und einigen anderen Gesellschaften über einen Einheitstarif und eine spätere Ankaufmöglichkeit abgeschlossen. Ähnliche Verträge zwischen dem Verband und den anderen Gemeinden und Gesellschaften folgten. 1919 kaufte der Verband die Straßenbahnen und einen Teil der Aktien der Berliner Omnibusgesellschaft.25 Weitere Erfolge blieben jedoch aus. Der immer stärkeren sozialen Differenzierung zwischen den Gemeinden konnte der Zweckverband nicht entgegenwirken, weil er in Fragen des sozialen Ausgleichs keine Kompetenzen hatte. Wegen seiner insgesamt geringen Kompetenzen wurde der Zweckverband scharf kritisiert.26 In seiner Verbandsversammlung von 100 Mitgliedern besaß Berlin eine 23 Zweckverbandsgesetz für Groß-Berlin vom 19. Juli 1911, in: Preußische Gesetzsammlung 1911, S. 123. 24 Der Zweckverband Groß-Berlin kaufte vom Preußischen Staat für 50 Millionen Goldmark insgesamt rund 10.000 Hektar Wald und verpflichtete sich, die erworbenen Waldflächen weder zu bebauen noch weiterzuverkaufen, sondern auf Dauer für die Bürger als Naherholungsflächen zu erhalten. Die heutige Stadt Berlin, die fünf Jahre später aus dem Zweckverband hervorging, trat als Rechtsnachfolgerin in den Vertrag ein. Der Fortbestand und Schutz der Wälder im Umland wurde 1922 durch das Baumschutz- und Uferwegegesetz sichergestellt (AvB Drs. 12/2357, S. 51; Cornelius, S. 32 f.). 25 Dietrich, S. 266. 26 Deutelmoser, S. 61; Musil/Kirchner, S. 7; Herzfeld, S. 98.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

gewollte Minderheit von nur 40 Vertretern.27 Zudem war der auf die Zusammenarbeit von ca. 90 Gemeindebehörden angewiesene Apparat viel zu schwerfällig, um die in ihn gesetzten Hoffnungen zu erfüllen.28 c) Das Groß-Berlin-Gesetz von 1920 Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und des deutschen Kaiserreiches wurden in der Weimarer Republik die weiterhin anhaltenden Probleme Berlins nun doch durch die Eingemeindung Brandenburger Gemeinden zu lösen versucht. Am 27. April 1920 wurde das Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin (Groß-Berlin-Gesetz)29 vom Preußischen Landtag beschlossen. Es trat am 1. Oktober 1920 in Kraft. Gemäß § 3 Groß-Berlin-Gesetz wurde das Zweckverbandsgesetz für Groß-Berlin vom 19. Juli 1911 aufgehoben. Der durch das Zweckverbandsgesetz geschaffene Verband Groß-Berlin wurde aufgelöst und seine Rechte und Pflichten gingen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue Stadtgemeinde Berlin über. Mit dem Groß-Berlin-Gesetz wurden in die bisherige Stadtgemeinde Berlin die bisher im Zweckverband verbundenen, sechs kreisfreien Städte Lichtenberg, Schöneberg, Wilmersdorf, Charlottenburg, Neukölln und Spandau sowie aus den umliegenden Kreisen die Stadtgemeinde Köpenick, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke eingemeindet. Zu den bis dahin 1,9 Millionen Berlinern kamen damit nochmals 1,9 Millionen Einwohner hinzu. Das Stadtgebiet vergrößerte sich von 66 km2 auf 878 km2. Es entstand GroßBerlin mit 20 Bezirken, das nach London und New York die drittgrößte Weltstadt und gleichzeitig die flächengrößte Stadt der Erde war.30 Im Gegenzug verringerte sich die Einwohnerzahl der Provinz Brandenburg auf 2,4 Millionen und seine Fläche um 800 km2.31 Während durch die Einheitsgemeinde die Voraussetzungen für eine einheitliche Planung auf wichtigen, über das Verkehrs- und Baurecht hinausgehenden Gebieten sowie für eine gleichmäßige steuerliche Belastung und Versorgung aller Bürger Groß-Berlins geschaffen wurde, gingen auf der anderen Seite aufgrund der Eingliederung der dicht besiedelten und stark industrialisierten Randgebiete nach Berlin die Steuereinnahmen der Provinz Brandenburg erheblich zurück.32 Zudem änderte sich mit dem Aus27

Engeli, S. 28; Gärtner, JR 1995, 319, 320; Herzfeld, S. 97; Zivier, Rdnr. 4. Adamy, S. 523; Herzfeld, S. 98. 29 Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin vom 27. April 1920, in: Preußische Gesetzsammlung 1920, S. 123. 30 Herzfeld, S. 83 u. 122 f.; Scherf, S. 12; Schubeck, S. 13. 31 Adamy/Hübener, S. 13 f.; Herzfeld, S. 139; Holmsten, S. 89; Musil/Kirchner, S. 7; Schich/Heinrich, S. XLVI. 32 Deutelmoser, S. 64; Materna, S. 593. Für die Provinz Brandenburg ging die Steuerkraft um zwei Drittel zurück und die Auseinandersetzung zwischen der Stadt Berlin und der Provinz Brandenburg um eine angemessene Entschädigung zog sich bis 1924 hin (Adamy/Hübener, S. 14; Herzfeld, S. 139; Schich/Heinrich, S. XLVI). 28

I. Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg

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scheiden des Berliner Umlandes der Charakter der Provinz Brandenburg erheblich. Sie wurde zu einem überwiegend agrarisch geprägten Gebiet.33 Die Neugliederung bedingte, dass Berlin aus dem Provinzialverband ausschied.34 Die neue Stadtgemeinde Berlin bildete für sich einen von der Provinz Brandenburg abgesonderten Kommunalverband und Verwaltungsbezirk. Die für die bisherige Stadtgemeinde Berlin in ihrer Eigenschaft als Kommunalverband sowie als Verwaltungsbezirk geltenden gesetzlichen Vorschriften fanden auf die neue Stadtgemeinde Berlin Anwendung (§ 1 Abs. 2 Groß-Berlin-Gesetz). Die äußere Stadtgrenze Berlins ist bis heute noch weitgehend identisch zu der 1920 festgelegten. d) Die Weimarer Republik Durch die Eingemeindungen im Jahr 1920 entstand die noch heute existierende Asymmetrie der politisch-administrativen Gliederung der Region BerlinBrandenburg. Seit dem steht Berlin in einer alle Vergleiche sprengenden Größenordnung einem Umland gegenüber, das über keinerlei auch nur annähernd korrespondierende Gewichte verfügte. Bereits in den dreißiger Jahren zeigten sich die auch heute noch bestehenden Vorbehalte der damaligen Provinz Brandenburg gegen ein Übergewicht Berlins, die eine dauerhafte Errichtung einer gemeinsamen Organisation für die Erfüllung regionaler Aufgaben verhinderten.35 Groß-Berlin war in der Weimarer Republik weiterhin lediglich ein Kommunalverband, gewann aber praktisch den Rang einer besonderen preußischen Staatsprovinz mit zahlreichen Kompetenzüberschneidungen zu der Provinz Brandenburg.36 Als Zentrum des Staates und der Wirtschaftsleistungen, Mittelpunkt der Banken und des Handels, des geistigen und kulturellen Lebens, mit einer Zusammenballung hochqualifizierter Arbeiter, Intellektueller und einer wachsenden Anzahl von Angestellten wirkte Berlin als Impulsgeber für seine Umgebung. Als Knotenpunkt des Verkehrs zu Land, zu Wasser und nun auch in der Luft gab es schnelle und dichte Verbindungen weit über das Umland hinaus.37 Der Lufthafen Tempelhof wurde auf die Aufgabe zugeschnitten, zum „Luftkreuz Europas“ zu werden.38 Dennoch war Berlin auch nach der Verwaltungstrennung von 1920 auf das engste mit der umgebenden Landschaft und ihrer Wirtschaft verbunden.39 Aus 33 34 35 36 37 38 39

v. Brünneck, S. 13. Schubeck, S. 13 f. Benz/König, S. 38. Schich/Heinrich, S. XLVI. Materna, S. 593. Herzfeld, S. 129. Herzfeld, S. 142.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

den Randgebieten pendelten weiterhin zahlreiche Arbeitskräfte in die Stadt. Das durch die S-Bahn seit Ende der 20er Jahre elektrifiziert, strahlenförmig verkehrserschlossene Umland Berlins entwickelte sich im Schatten der Riesenstadt zu deren Ergänzungsraum. Das Umland diente den Arbeitspendlern zum Wohnen und den Hauptstädtern zur Erholung, Versorgung und Entsorgung.40 Die Ausrichtung des Eisenbahnnetzes auf Berlin und die inzwischen gut ausgebauten Flussund Kanalsysteme führten dazu, dass die Region Berlin-Brandenburg bis 1945 der drittstärkste deutsche Wirtschaftsraum war.41 Dazu hat Berlin nicht unbedeutend selbst beigetragen. Es gab von seinem potentiellen Steueraufkommen große Mengen für die Entwicklung des über die Kommunalgrenzen hinausreichenden Zentralraumes der Provinz Brandenburg ab, so etwa bei Kanal-, Verkehrs- und Militärbauten.42 Seit 1925 schufen die Bauordnungen planmäßige Bauzonen in Berlin und führten in den Randgebieten eine nur zweigeschossige Bauweise ein. Dies schützte sie erfolgreich vor der seit der Gründerzeit fortwuchernden Ausdehnung der Mietskaserne. Zudem wurden Grünflächen, Gärten und Parks, Sport- und Spielplätze angelegt. In einem Bündnis der Stadtverwaltung Berlins mit den führenden Baumeistern der modernen Architektur entstand rings um die Altstadt ein Kranz von Wohnsiedlungen und Gartenstädten, deren berühmteste die Hufeisensiedlung in Britz und die Anlage von Siemensstadt sind.43 Anders sah es in den Berliner Umlandgemeinden aus. Zwar nutzte Brandenburg seine günstige Lage zu Berlin. Es siedelten sich mehrere Industriezweige im Berliner Umland an. Zudem wurde noch immer die Landwirtschaft der Provinz von den großen Möglichkeiten des Berliner Absatzmarktes getragen.44 Auf der anderen Seite hatten die Rieselfelder im Süden und Norden für die Entsorgung der Stadt besondere Bedeutung.45 Im Umland häuften sich bereits ab 1927 die Beschwerden über Landschaftszersiedelung, Bodenspekulation und andere Beeinträchtigungen der Umwelt. Rieselfelder belästigten die Umgebung mit ihrem Geruch. Sogenannte „Existenzparzellen“, wilde Parzellen für arbeitslose Berliner, breiteten sich ohne Rücksicht auf öffentliche Belange aus.46 Berlin forderte weitere Eingemeindungen. Um sich gegen diese Forderung zur Wehr zu setzen und der negativen Entwicklung entgegenzutreten, gründete das Berliner Um-

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Materna, S. 573; Scherf, S. 19; Schich/Heinrich, S. XLVII f. Müller/Schmook, S. 86. 42 Schich/Heinrich, S. XLVII. 43 Herzfeld, S. 126. 44 Herzfeld, S. 142. Ende der zwanziger Jahre stammten 42 % der nach Berlin eingeführten Güter aus dem Brandenburgischen, 48 % der Berliner Ausfuhr ging in die Provinz; 35 % des in Berlin verbrauchten Getreides, 76 % der Milch, 350.000 der jährlich benötigten 550.000 Tonnen Kartoffeln sowie 20 % des in der Stadt verzehrten Fleisches produzierte die brandenburgische Landwirtschaft (Materna, S. 573). 45 Scherf, S. 19. 46 Engeli, S. 36; Müller/Schmook, S. 26 f. 41

I. Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg

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land 1929, statt einer gemeinsamen Landesplanung zusammen mit Berlin, den Planungsverband Brandenburg-Mitte, der sechs Landkreise und den Stadtkreis Potsdam umfasste. Aus Sorge vor einem Übergewicht der 4-Millionen-Stadt wurde die Hauptstadt Berlin hierbei außen vor gelassen.47 In dem Verband unterstützten sich die Kreise gegenseitig bei lokalen Planungsaufgaben, Industrieansiedlungen und Verkehrsanbindungen. Eine Zusammenarbeit mit Berlin wurde durch diese institutionelle Lösung aber behindert. Die Konzepte zur Entlastung des Ballungskerns und zur Stärkung des strukturschwachen ländlichen Raumes scheiterten an Kompetenzstreitigkeiten und den getrennten Verwaltungen von Groß-Berlin und der Provinz Brandenburg.48 2. Berlin und Brandenburg im Nationalsozialismus Der Planungsverband Brandenburg-Mitte wurde 1935 durch eine umfassende Planungsgemeinschaft Brandenburg ersetzt. Diese war jedoch an die Anforderungen der nationalsozialistischen Machthaber gebunden und konzentrierte ihre Arbeit auf die Bereitstellung kriegswichtiger Infrastruktur.49 Trotz der zentralistischen Landesplanung der 1935 gegründeten Reichsstelle für Raumordnung konnten die dringenden Landesplanungsaufgaben und die Grundsätze der Stadtentwicklung bzw. Stadtplanung für den inzwischen weithin verstädterten Berliner Raum nicht vereinheitlicht werden, weil es weiterhin zwei getrennte Landesplanungsgemeinschaften für Berlin und Brandenburg gab. Damit gelangte die Zusammenarbeit zwischen Berlin und seinem Umland auch im Nationalsozialismus über Ansätze nicht hinaus.50 Unverändert gab es Konkurrenzen, und Provinzgrenzen zogen sich durch die verstädterten Randgebiete des Berliner Ballungsraums.51 Wirtschaftlich war Berlin weiterhin Motor der Entwicklung in der Region. Während der letzten Jahrzehnte hatte sich in der Stadt eine hochmoderne, in einigen Bereichen den Weltstandard prägende Wirtschaft, insbesondere in der Elektroindustrie, herausgebildet. In den Forschungseinrichtungen der Stadt wurden neue Produktionsverfahren entwickelt, die relativ rasch in der Industrie Anwendung fanden.52 Der bereits länger anhaltende Trend der Auswanderung Berliner Betriebe in das Brandenburger Umland setzte sich weiter fort. Aus dem Stadtgebiet von Berlin zog es moderne Fertigungen in Gemeinden unmittelbar an der Stadtgrenze, weil hier bessere Möglichkeiten der Ausdehnung der Fertigungsan47 48 49 50 51 52

AvB Drs. 12/2357, S. 38; Engeli, S. 33 ff. Benz/König, S. 38; Müller/Schmook, S. 27. Engeli, S. 39; Müller/Schmook, S. 27. Benz/König, S. 38. Schich/Heinrich, S. XLVII. Demps, S. 642 f.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

lagen bestanden. Die Leitungen der Betriebe verblieben demgegenüber in den meisten Fällen in Berlin. Die Weltwirtschaftskrise hatte diesen Vorgang zwar kurzzeitig gebremst, mit staatlicher Förderung durch die Gewährung von Krediten bzw. Bürgschaften, entstanden im Zuge der Aufrüstungspolitik ab etwa 1934 aber zahlreiche neue Werke um Berlin, oder es wurden die bereits bestehenden vergrößert.53 Die wirtschaftliche Konzentration, insbesondere kriegswichtiger Industrien im Raum Berlin war erwünscht und wurde durch die Vierjahresplanpolitik, die Deutschland in vier Jahren kriegsbereit machen sollte, besonders gefördert, weil der Raum Berlin-Brandenburg mit den durch die Politik vorgegebenen Zielen einer wehrgeographischen Ordnung des Reichs übereinstimmte. Der Raum östlich der Linie Hamburg-München fand in allen Projekten des Rüstungsauf- und -ausbaus aus Gründen des Luftschutzes Bevorzugung, weil die Reichweite der Bombenflugzeuge der in Aussicht genommenen möglichen Kriegsgegner nicht ausreichte, diese Linie zu erreichen. Hier wurden soweit möglich alle kriegs- und lebenswichtigen Betriebe ausgebaut oder neu angesiedelt.54 Viele an Berlin grenzende Gemeinden erfuhren hierdurch gemeinsam mit Berlin zwischen 1932 und 1940 einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Dies gilt insbesondere für Orte, in denen sich rüstungsbedingte Industriezweige entwickelten. Daneben waren auch nach 1933 immer noch ca. 28 % der erwerbsfähigen Bevölkerung Brandenburgs in der Landwirtschaft beschäftigt.55 Sie diente der Versorgung Berlins mit Lebensmitteln. Am 1. April 1939 wurde ein „Kriegsernährungsplan“ erlassen, der unter anderem sicherstellen sollte, dass die Bevölkerung Berlins im Kriegsfalle durch die Lieferungen der Provinz Brandenburg ausreichend versorgt wird.56 Hierfür konnte auf die bereits bestehenden Verkehrswege zurückgegriffen werden. Das Verkehrswesen Brandenburgs war mit allen seinen Elementen völlig auf das Industriezentrum Berlin ausgerichtet. 1935 fuhren beispielsweise 238 Züge von zehn Berliner Fernbahnhöfen täglich in alle Provinzstädte und ließen diese in ein bis zwei Stunden erreichbar werden.57 Am weiteren Ausbau des Wasserstraßennetzes wurde gearbeitet, wobei man vielfach an ältere Pläne und Projekte anknüpfte, die aus der Zeit der Weimarer Republik stammten.58 Neu 53

Demps, S. 646. Demps, S. 642 f. 55 Adamy/Hübener, S. 25 f. 56 Demps, S. 645. Für Berlin und die Provinz Brandenburg wurde beispielsweise ein kriegsmäßiger Jahresbedarf von 967.000 Tonnen Brotgetreide angenommen. Da die Landesbauern aber nur 815.000 Tonnen Brotgetreide produzierten, sollte der Zuschuss von 150.000 Tonnen aus anderen Gegenden des Deutschen Reiches genommen werden. Bei der Verteilung galt der Grundsatz: Eigenversorgung der Provinz Brandenburg steht an erster Stelle, dann folgte die Versorgung Berlins (ders. mit weiteren Beispielen). 57 Schich/Heinrich, S. XLVII f. 58 Demps, S. 648. So konnte 1934 beispielsweise das Schiffshebewerk in Niederfinow im Zuge des Oder-Havel-Kanalbaus eröffnet werden, mit dessen Bau bereits Ende 54

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war der schon längere Zeit geplante Bau von Autobahnen. Am 1. Oktober 1933 wurde er begonnen. Herzstück dieses Netzes war der Berliner Ring, der weiträumig auf Brandenburger Territorium um Berlin geführt wurde. Von ihm gingen sternförmig Strecken nach Frankfurt, Breslau, Halle, Leipzig, Nürnberg und nach Magdeburg ab.59 Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg mit tiefgreifenden Veränderungen Berlins und der Mark Brandenburg in seiner Folge. 3. Die Entwicklung von 1945 bis 1990 Nach dem Krieg war Brandenburg das am meisten zerstörte Land in Deutschland. Hier fanden 1945 die letzten Verteidigungsschlachten gegen die Rote Armee statt. Städte und Dörfer wurden zu Festungen erklärt und für die letzte Schlacht zurechtgemacht.60 Mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht ging die Regierungsgewalt in Deutschland auf die vier Hauptsiegermächte über. Von grundlegender Bedeutung für Berlin war das Londoner Protokoll vom 12. September 1944, wonach Deutschland in vier Besatzungszonen und ein besonderes Berliner Gebiet aufgeteilt werden sollte. Das Berliner Gebiet sollte die Stadt Berlin umfassen, wie sie im Groß-Berlin-Gesetz von 1920 beschrieben war. Es sollte unter gemeinsamer Besetzung der vier Mächte stehen.61 Mit dem Untergang Preußens verlor Berlin damit endgültig seine territoriale Einbindung in sein Brandenburger Umland und entwickelte Züge eines stadtstaatlichen Gemeinwesens.62 Die Jahre 1948 bis 1990 sind durch die Teilung Deutschlands und Berlins in Ost und West geprägt. Diese Teilung führte im historisch gewachsenen Raum Berlin-Brandenburg zu tiefen Einschnitten und Zäsuren. Der Westteil der Stadt wurde zu einer Insel ohne Umland, als politischer Teil des geographisch weit entfernten Westdeutschlands. Der Ostteil der Stadt wurde zur Hauptstadt der DDR der zwanziger Jahre begonnen worden war (ders.). Heute ist der Oder-Havel-Kanal Bestandteil eines transeuropäischen Wasserstraßennetzes. Das Schiffshebewerk Niederfinow wird seit 2008 bis voraussichtlich 2014 neu erbaut. Siehe hierzu Informationen im Internet unter http://www.schiffshebewerk-niederfinow.info. 59 Demps, S. 648 f. 60 Kleger, S. 181. 61 Schubeck, S. 14 f.; Zivier, Rdnr. 9.1 f. 62 Finkelnburg, LKV 1991, 6, 7. Am 13. August 1946 wurde von der Alliierten Kommandantur ohne Mitwirkung deutscher Stellen die Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin erlassen (VOBl. S. 295). Als durch Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats vom 25. Februar 1947 (VOBl. S. 68) der Staat Preußen aufgelöst wurde, fiel die übergeordnete staatliche Ebene weg und es kam automatisch, fast „zufällig“ zur Gründung des Stadtstaats Berlin (Deutelmoser, S. 67; Musil/Kirchner, S. 8; Sendler, JR 1985, 441, 442).

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

ausgebaut. Der Aufbau beider Stadthälften geschah zum einen in Konkurrenz zueinander und zum anderen auch ohne Berücksichtigung der Umlandbedürfnisse. Es existierten zwei Berlin und drei Umlandbezirke (Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus), so dass von einem Verhältnis „Berlin-Brandenburg“ nicht mehr die Rede sein konnte.63 a) Berlin (Ost), Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus als Bezirke der DDR Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Sowjetischen Besatzungszone auf Anordnung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland zunächst die fünf Länder Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen als Verwaltungseinheiten eingerichtet. Mit der Allgemeinen Grenz- und Verwaltungsreform der DDR lösten sich die Länder auf der Grundlage des Gesetzes über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 195264 faktisch wieder auf, und es wurden 14 Bezirke gebildet. Das heutige Land Brandenburg war auf mehrere Bezirke – im Wesentlichen die Bezirke Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus – aufgeteilt.65 Die Bezirksgrenzen wurden hauptsächlich nach wirtschaftlichen Aspekten gestaltet, um durch die Verwaltungsbezirke die Volkswirtschaft zu lenken. Hinzu kamen sicherheitspolitische Aspekte. So sollte die gesamte Umlandgrenze der Westsektoren von Berlin in einem Bezirk Potsdam liegen, wodurch wichtige Koordinierungen und Abstimmungen bei der Kontrolle und Überwachung erleichtert wurden.66 Die DDR wurde Stück für Stück in einen einheitlich organisierten Zentralstaat umgewandelt.67 Berlin (Ost) wurde zur Hauptstadt der DDR ausgebaut, und die Staats- und Wirtschaftsleitung, die diplomatischen Dienste, die Leitungen der Parteien und Massenorganisationen wurden hier konzentriert. Volkskammer, Staats- und Ministerrat, die zahlreichen Ressortministerien und zentralen Ämter, die zentralen Leitungsgremien der Parteien und Massenorganisationen hatten hier ihren Sitz.68 Die Integration Berlins (Ost) in das Staatsterritorium der DDR bereitete aber auf63 Müller/Schmook, S. 10; Scherf, S. 5. Zu Berlin ausführlich Sendler, JR 1985, 441 ff. 64 Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 1952, Gesetzblatt der DDR 1952, S. 613. 65 Holmsten, S. 96; Kotsch, DDR, S. 728 f.; Müller/Schmook, S. 18 f.; Schich/Heinrich, S. XXVII. 66 Kotsch, DDR, S. 729. 67 v. Brünneck, S. 15. 68 Scherf, S. 23.

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grund der Sonderregelungen und Restriktionen der Siegermächte Schwierigkeiten. Berlin (Ost) unterstand weiterhin dem Viermächtestatus von Groß-Berlin und gehörte keinem Land der sowjetischen Besatzungszone an. Normale Beziehungen zwischen Metropole und Umland waren unter diesen Bedingungen auch zwischen Berlin (Ost) und den angrenzenden Bezirken der DDR kaum möglich. Das vorher völlig auf Berlin abgestimmte Dienstleistungs- und Versorgungssystem der Brandenburgischen Randgemeinden Berlins wurde nunmehr in die Strukturen des jeweiligen Kreises integriert.69 Nach der Verwaltungsreform von 1952 wurde der Status Berlins (Ost) zunehmend dem der Bezirke angenähert. Am 7. September 1961 wurde der Stadt durch einen Erlass des Staatsrates der DDR die Funktion eines Bezirks übertragen.70 Dennoch blieb ihr Sonderstatus erhalten. So wurden auch weiterhin Vertreter Berlins (Ost) gesondert in die Volkskammer entsandt und besaßen dort kein volles Stimmrecht. Die Bürger Berlins (Ost) hatten einen eigenen Personalausweis, und der Stadtrand wurde bis in die siebziger Jahre durch Polizeikontrollen gesichert. Aufgrund des entmilitarisierten Status der Stadt wurden zum einen keine größeren Einheiten der „Nationalen Volksarmee“ (NVA) in Berlin stationiert, zum anderen wurde auch das Verteidigungsministerium nach einer kurzen Übergangszeit in das Berliner Umland nach Strausberg verlagert. Wollten Bürger aus dem Umland ihren Wohnsitz nach Berlin (Ost) verlegen, wo die Versorgung besser gewährleistet war, brauchten sie eine Sondererlaubnis.71 Trotz dieser Einschränkungen war Berlin auch weiterhin auf Pendler angewiesen, so dass täglich zehntausende Arbeitskräfte, wie schon vor dem Krieg, im Umland wohnten und nach Berlin zur Arbeit fuhren. Im Berliner Umland breiteten sich Ferien- und Wochenendwohnungen, insbesondere im Norden, Osten und Südosten, aus.72 Insgesamt kam im Umland Berlins das Gefühl auf, dass es die Lasten der geförderten Hauptstadt der DDR zu tragen habe, ohne über einen organisierten Interessenausgleich angemessene Vorteile ziehen zu können.73 Hinsichtlich der Stadt-Umland-Beziehung von Berlin wurden ökonomisch bedingte, raumwirksame Prozesse durch politische Vorgaben stark begrenzt.74 In der Wirtschaft vollzog sich seit den fünfziger Jahren in der gesamten DDR ein vom Staat geplanter und geförderter Prozess der Zentralisierung der Entwicklung von kleineren zu größeren ökonomischen Einheiten. Es entstanden neue Städte 69

Kotsch, DDR, S. 752 f. „Die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik übt die Funktion eines Bezirkes aus.“ (Ordnung über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin und ihrer Organe, Erlass des Staatsrates der DDR vom 7. September 1961, GBl. SDr. 341, S. 3). 71 Kotsch, DDR, S. 752. 72 Scherf, S. 32. 73 Benz/König, S. 9. 74 Hartmann u. a., S. 18 f. 70

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

wie Eisenhüttenstadt75, und bisher kleine Brandenburger Ortschaften in der Nähe Berlins stiegen mit der Ansiedlung neuer Industrien auf. So wurden beispielsweise in Ludwigsfelde im Süden Berlins – im Jahr 1910 noch ein Dorf mit 100 Einwohnern – auf dem ehemaligen Gelände der Daimler-Benz-Motorwerke in den sechziger Jahren Fabriken für Lastkraftwagen und Motorroller errichtet. Daraufhin stieg die Einwohnerzahl bis 1990 auf ca. 23.000 an.76 Neben diesen vom Staat bestimmten Industriestandorten war das Land Brandenburg sehr stark auf die Ernährungswirtschaft und die industrielle Grundstoffproduktion orientiert.77 Gebiete der stadtnahen Landwirtschaft, beispielsweise im Oderbruch und Spreewald, konzentrierten sich hauptsächlich auf den Absatzmarkt Berlin (Ost), wobei auch beschränkte Beziehungen zu Berlin (West) bestanden.78 b) Berlin (West) als Bundesland ohne Umland Auch Berlin (West)79 unterlag nach 1945 wie Berlin (Ost) einem Sonderstatus. Die Verfassung von Berlin vom 1. September 195080, die zunächst nur im Westteil der Stadt galt, wies zwar in ihrem Art. 1 Abs. 2 a. F. ebenso wie Art. 23 a. F. des Grundgesetzes Berlin als Land der Bundesrepublik Deutschland aus. Doch diese Bestimmung galt bis 1990 nur eingeschränkt. Das Berlinabkommen von 1971 stellte fest, dass die Westsektoren der Stadt kein „konstitutiver Teil“ der Bundesrepublik seien. Das Bundesverfassungsgericht erklärte hierzu, dass das Grundgesetz „grundsätzlich auch in Berlin [gilt]; Berlin ist trotz des Vorbehalts der Besatzungsmächte ein Land der Bundesrepublik Deutschland.“ 81 Dennoch galten einige Besonderheiten. Die vom Bundestag beschlossenen Gesetze erhielten eine sogenannte „Berlin-Klausel“, die die Wirkung für West-Berlin ausdrücklich regelte. Die Gesetze wurden danach vom Berliner Abgeordnetenhaus erneut beschlossen und erst dadurch rechtswirksam.82 Die Abgeordneten aus Berlin (West) hatten im Bundestag lediglich beratendes Stimmrecht. Sie wur75 Eisenhüttenstadt, eine in vier Komplexe geometrisch aufgeteilte Wohnstadt mit einem zentralen Platz und großem Kulturpark, wurde ab 1951 erbaut. In den Hochöfen des an die Wohnbezirke anschließenden Eisenhüttenkombinats wurden über 60 Prozent der Roheisenprodukte der DDR geschmolzen. Hinzu kommen ein Stahl- und Walzwerk, ein Rohrwerk und andere Industrieanlagen (Holmsten, S. 121). Ausführlich zu Eisenhüttenstadt siehe Gansleweit, in: Engel u. a., Schlagwort: Eisenhüttenstadt. 76 Holmsten, S. 98 ff.; Köhn, in: Engel u. a., Schlagwort: Ludwigsfelde, Nr. 6a. 77 Siehe hierzu näher Geppert u. a., S. 24. 78 Scherf, S. 32. 79 Mit Berlin (West) ist der Teil von Berlin gemeint, der ab dem Ende des Zweiten Weltkrieges von den drei westlichen Besatzungsmächten USA, Vereinigtes Königreich und Frankreich verwaltet wurde. 80 Verfassung von Berlin vom 1. September 1950, VOBl. I/50 S. 433. 81 BVerfGE 19, 377, 388, das sich auf eine sinngemäße Auslegung des Berlin-Vorbehalts stützt (S. 384 ff.). Siehe hierzu auch Zivier, Rdnr. 15.5. 82 Schubeck, S. 15 f.; Zivier, Rdnr. 15.5.2.

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den nicht von der Bevölkerung direkt gewählt, sondern mittelbar vom Abgeordnetenhaus bestimmt (Art. 144 Abs. 2 GG a. F.). Auch die vier Berliner Vertreter im Bundesrat hatten lediglich beratendes Stimmrecht.83 Aufgrund des entmilitarisierten Status Berlins durften die deutschen Wehrgesetze nicht nach Berlin übernommen werden. Jede Aktivität der Bundeswehr in Berlin war untersagt. Deutsche mit dauerndem Aufenthalt in Berlin (West) konnten nicht zum Wehrdienst herangezogen werden.84 Da ein Berliner Verfassungsgerichtshof, aufgrund des Vorbehalts der Westmächte, nicht gebildet wurde und das Bundesverfassungsgericht in „Berliner Sachen“ nicht entscheiden konnte, waren die Berliner Gerichte gezwungen, die Vereinbarkeit von Berliner Landesgesetzen mit dem Grundgesetz und der Verfassung von Berlin im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit selbst zu prüfen.85 Mit seinem in der sowjetischen Besatzungszone liegenden Umland war Berlin (West) auch nach 1945 weiterhin eng verflochten. Viele Erwerbstätige lebten im Berliner Umland, arbeiteten aber seit jeher in den Westsektoren. Seit der Währungsreform war das Pendeln in die Westsektoren sogar äußerst lukrativ, weil der Lohn teilweise in Westmark gezahlt wurde, die einen inoffiziellen Umtauschkurs von 1:4 bis 1:6 in Ostmark hatte. Daher fuhren nun auch viele der traditionell in Umlandbetrieben Beschäftigten täglich nach Berlin (West) zur Arbeit. Das wirkte sich aber negativ auf die DDR-Wirtschaft aus, so dass im Mai 1952 nach der Unterzeichnung des Deutschlandvertrages die Umlandgrenzen der Berliner Westsektoren mit Ausnahme des S-Bahn-Verkehrs und der Interzonenverbindungen gesperrt wurden. West-Berliner durften nur noch nach Antragstellung in die DDR einreisen. Der Berliner Außenring der Reichsbahn, der in Teilen schon zu Beginn des Jahrhunderts entstanden war, wurde Stück für Stück vollendet. Damit verfügte die DDR ab 1957 über einen kompletten Eisenbahnring um Berlin (West) herum. Der Personen- und Güterverkehr konnte nun vollständig unter Umfahrung der Westsektoren ablaufen. Schrittweise wurde die Vernetzung der Wasser-, Strom- und Gasversorgung zwischen beiden Stadthälften aufgehoben. Lediglich Potsdam blieb zunächst weiter auf Gaslieferungen aus den Westsektoren angewiesen. Trotz dieser Maßnahmen und der polizeilichen Überwachung der gesamten Umlandgrenze Berlins war das Grenzgängertum aber nur schwer unter Kontrolle zu bekommen.86 Im Sommer 1961 wurde der Westteil Berlins dann endgültig vom Ostteil und seinem Umland abgetrennt. In der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 wurden alle Übergänge zu Berlin (West) für die Bewohner der DDR geschlossen. Der Verkehr auf den S-Bahn-Linien wurde eingestellt. Die schon vorher kontrollierte 83 84 85 86

Finkelnburg, LKV 1991, 6; Zivier, Rdnr. 15.5.6. Zivier, Rdnr. 15.4. Zivier, Rdnr. 15.5.3. Kotsch, DDR, S. 753 ff.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Umlandgrenze erhielt Gräben und einen Stacheldrahtzaun, der nach wenigen Wochen durch eine Mauer mit Beobachtungstürmen ersetzt wurde. Am Morgen des 13. August waren in den Bezirken Frankfurt (Oder) und Potsdam Plakate mit der Aufforderung an alle Grenzgänger geklebt worden, sich zur Arbeitsvermittlung bei den Registrierstellen zu melden.87 Im Gegensatz zu Hamburg und Bremen, die als Stadtstaaten seit Bestehen der Bundesrepublik mit unterschiedlicher Intensität mit ihren angrenzenden Flächenstaaten zusammengearbeitet haben88, war in Berlin (West) eine Zusammenarbeit mit den angrenzenden Territorien nun kaum noch möglich. Eine gewisse „Kooperation“ zwischen Berlin (West) und seinem Umland bestand in Bezug auf den Ausbau der Strecken für den Transitund Besucherverkehr sowie bei der West-Berliner Abfallbeseitigung.89 Ansonsten mussten sich die West-Berliner ein „Ersatzumland“ in grenznahen Gebieten des nordwestlichen und südöstlichen Bundesgebietes suchen, diese dienten ihnen zur Naherholung.90 Diese Situation änderte sich im Jahr 1989. Nach dem Fall der Mauer entwickelte sich sehr schnell eine engagierte planerische Zusammenarbeit in dem provisorischen Regionalausschuss, der Vertreter des Senats von Berlin (West), des Magistrats von Berlin (Ost), der Bezirke Potsdam und Frankfurt (Oder) sowie der Regierungen der DDR und der Bundesrepublik umfasste.91 Der provisorische Regionalausschuss wurde am 22. Dezember 1989 konstituiert und tagte bis zum 4. Oktober 1990 12 Mal.92 Besonders gründliche und erstaunlich schnelle Arbeit leisteten Stadtplaner der West-Berliner Senatsverwaltung und der Ost-Berliner Magistratsverwaltung sowie Territorialplaner der DDR-Bezirksebene in der „Planungsgruppe Potsdam“, die schon im Mai 1990 einen umfassenden Bericht mit Grundlagen und Zielen für die Entwicklung der Region Berlin vorlegte.93 Dieser Bericht wurde zu einer wichtigen Basis der weiteren Arbeiten der Landes- und Regionalplanung in Berlin und Brandenburg.94 Die Zusammenarbeit in der Planungsgruppe Potsdam endete 1990 auf Veranlassung des eben neu gebildeten Landes Brandenburg.95 87

Kotsch, DDR, S. 758 f. LtBbg Drs. 4/6687, S. 16. 89 Kotsch, DDR, S. 775. 90 Lüchow-Dannenberg, Lüneburger Heide, Harz, Frankenland waren bevorzugte „Nah“-Erholungsgebiete der Berliner (AvB Drs. 12/2357, S. 46); Scherf, S. 32. Ausführlich zu den Verflechtungen zwischen Berlin (West) und den Regionen im Umkreis der Transitübergänge bei Schubert, S. 72 ff. 91 Kleger, S. 45; Schubeck, S. 67 ff. 92 AvB Drs. 12/2357, S. 38. 93 Provisorischer Regionalausschuss, Planungsgruppe Potsdam (1990): Grundlagen und Zielvorstellungen für die Entwicklung der Region Berlin, 1. Bericht – 5/90. Siehe hierzu Priebs, DÖV 1996, 541, 543. 94 Benz/König, S. 39. 95 AvB Drs. 12/2357, S. 38; Kleger, S. 45. 88

I. Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg

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4. Die Jahre 1990 bis 1996 Im Jahr 1990 änderten sich die Beziehungen zwischen Berlin und seinem Umland grundlegend. a) Die deutsche Einheit im Jahr 1990 Am 22. Juli 1990 beschloss die Volkskammer der DDR das Ländereinführungsgesetz96, wonach am 14. Oktober 1990 die fünf Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen als Verwaltungseinheiten zu bilden waren. Damit wurden, abgesehen von kleineren Gebietsänderungen, die Länder wieder geschaffen, die von 1945 bis 1952 auf dem Gebiet der DDR bestanden hatten.97 Durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 waren diese fünf neuen Länder bereits ab diesem Zeitpunkt vorfristig wieder gegründet. Berlin (Ost) wurde gemäß Art. 1 Abs. 2 EV98 am gleichen Tag mit Berlin (West) zum Bundesland Berlin vereinigt. Die alliierten Vorbehaltsrechte in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland und der Sonderstatus Berlins, niedergelegt vor allem in dem Genehmigungsschreiben zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 und in der „Erklärung über Berlin“ vom 5. Mai 1955, entfielen am 15. März 1991 mit Inkrafttreten des Zwei-plus-VierVertrages vom 12. September 1990 ersatzlos.99 Berlin ist seitdem ein einheitliches, gleichberechtigtes und vollwertiges Bundesland.100 Mit dem vereinigten Stadtstaat Berlin und dem neugebildeten Land Brandenburg stehen sich nunmehr zwei selbständige Bundesländer der Bundesrepublik gegenüber.101 Während allgemein in der DDR verschiedene Varianten über die Zahl und Struktur der neuen Länder diskutiert wurden,102 war man sich in den Bezirken Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus über die Neugründung des Landes Brandenburg mit der Landeshauptstadt Potsdam einig.103 Gelegentlich geäußerte Ideen 96 Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik – Ländereinführungsgesetz, Gesetzblatt der DDR, I/1990, S. 955. 97 Kilian, HStR VIII, § 186, Rdnr. 26; Bayer, DVBl. 1991, 1014, 1017 f.; ausführlich auch Berlit, in: Simon u. a., S. 37 ff. 98 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag), vom 31. August 1990, BGBl. II/90, S. 889. 99 Ausführlich hierzu Brand, S. 254 ff. 100 Finkelnburg, LKV 1991, 6. 101 Kotsch, DDR, S. 794; Priebs, DÖV 1996, 541, 543; Schich/Heinrich, S. XXVII. 102 Zu den Vorschlägen für die Länderneugliederung in der DDR siehe ausführlich Kilian, HStR VIII, § 186, Rdnr. 17 ff.; Schubeck, S. 18–36. 103 Das neue Land Brandenburg wurde zusammengesetzt aus den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam, ohne die Kreise Hoyerswerda, Jessen und Weißwasser, zuzüglich der Kreise Perleburg, Prenzlau und Templin (Riepe, S. 13).

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

für ein Land Berlin-Brandenburg104 hielt man für völlig verfrüht.105 Der Einigungsvertrag sah die Region Berlin-Brandenburg aber als Sonderfall an. Die Vertragspartner nahmen für diese Region die Möglichkeit einer Länderneugliederung in einen Katalog von künftigen Verfassungsänderungen auf. In Kap. II, Art. 5 EV wurde den gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands empfohlen, sich innerhalb von zwei Jahren mit der Möglichkeit einer Grundgesetzergänzung zu befassen, die eine Neugliederung für den Raum Berlin-Brandenburg in einer von Art. 29 GG abweichenden Form durch Vereinbarung der beteiligten Länder ermöglichen sollte.106 Aufgrund der fehlenden Suburbanisierung107 während der Teilung Berlins ist in dieser Region eine in raumordnerischer Hinsicht seltene Konstellation entstanden: eine hoch verdichtete Großstadt mit mehreren Millionen Einwohnern inmitten eines dünn besiedelten, in weiten Bereichen ländlich geprägten Umlandes. Die Großstadt Berlin hat prägnante Stadtkanten und klar gegliederte räumliche Strukturen. Ihr Umland war bis 1990 nicht zersiedelt und zeichnet sich durch große Freiräume aus. Die in den anderen Ballungsgebieten zu beobachtende typische Kern-Rand-Wanderung von Einwohnern und Gewerbe hat im Großraum Berlin kaum stattgefunden. Für Berlin (West) war dies wegen seiner besonderen geopolitischen Lage nicht möglich. Für Berlin (Ost) war Richtung Westen der Westteil der Stadt als Barriere vorhanden und in Richtung Osten fand der Suburbanisierungsprozess ausschließlich nach den Regeln der sozialistischen Planwirtschaft statt. Hierbei konzentrierte sich die Stadtentwicklung auf die Verkehrsachsen, so dass die Freiräume dazwischen erhalten blieben.108 Anfang der 1990er Jahre konzentrierten sich rund 80 % der Wohnbevölkerung auf die Kernstadt, während es in den Regionen Hamburg und München weniger als 60 % waren, und die Bevölkerungsdichte im Berliner Umland war mit 132 Einwohnern/km2 wesentlich geringer als im Umland von Hamburg (183) oder München (206).109 b) Die Beziehungen zwischen Berlin und Brandenburg nach 1990 Die Metropole Berlin und ihr Umland konnten während eines Zeitraumes von mehr als 50 Jahren weder organisch wachsen noch einheitlich gestaltet werden. 104

Finkelnburg, LKV 1991, 6, 7; Leonardy, ZParl 1990, 180, 197. Kotsch, DDR, S. 793. 106 Dittmann, HStR IX2, Rdnr. 9; Meyer-Teschendorf, DÖV 1993, 889; Tripke, S. 61; Wormit, S. 21 f. 107 Unter Suburbanisierung versteht man die Abwanderung städtischer Bevölkerung oder Industrie aus der Kernstadt in das städtische Umland oder auch darüber hinaus (Wegrich, S. 7 f.). 108 Geppert u. a., S. 15 ff. 109 Geppert u. a., S. 15. Siehe zur Region Berlin-Brandenburg ausführlich in diesem Kapitel unter Punkt II.1. 105

I. Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg

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Nach der Wiedervereinigung war es zunächst erforderlich, die erheblichen Rückstände in der Infrastrukturausstattung und den überdurchschnittlichen Nachentwicklungsbedarf zu bewältigen.110 So lief nach 1990 der Suburbanisierungsprozess langsam an, und es galt, ihn in geordnete Bahnen zu lenken und nicht durch unkoordiniertes Handeln die Probleme noch zu verschärfen. Die Verhinderung der Zersiedlung der Landschaft stellte sich als eine große Herausforderung für die Raumordnungs- und Regionalentwicklungspolitik heraus, weil die unterschiedlichen Interessen beider Bundesländer in Einklang gebracht werden mussten.111 So entstanden beispielsweise im Umland von Berlin seit 1990 zahlreiche, großflächige Einkaufzentren sowie Fach- und Supermärkte unkontrolliert auf der grünen Wiese, die sowohl Kunden aus den Berliner Zentren als auch aus den Innenstädten und Gemeinden Brandenburgs abzogen.112 Bereits Ende 1992 befanden sich von den ca. 9.485 ha Gewerbeflächen des Landes Brandenburg ca. 3.380 ha im engeren Verflechtungsraum um Berlin, die Wünsche der Kommunen lagen sogar noch weit höher. Die bis Ende 1992 ausgewiesenen Gewerbeflächen konzentrierten sich auch nicht auf die Siedlungsachsen. Vor allem Betriebsauslagerungen aus dem Zentrum Berlins, Einkaufsmärkte, Logistikzentren und Baustoffhandelseinrichtungen sowie Freizeiteinrichtungen mit hohem Flächenbedarf wurden hier angesiedelt.113 Berlin reagierte darauf mit dem Aus- und Neubau von 14 Supermärkten gleicher Größenordnung im Zentrum und in den östlichen Außenbezirken. Die eigentlichen Leidtragenden dieser Entwicklung waren dabei zahlreiche kleine Einzelhandelsgeschäfte und traditionelle Einkaufsmeilen in Berlin und in den brandenburgischen Städten.114 Neben dem Wirtschaftssektor muss Berlin seit 1992 gegenüber seinem Umland auch zunehmende Wanderungsverluste der Wohnbevölkerung hinnehmen. So haben in den Jahren zwischen 1993 und 1997 ca. 70.000 Berliner die Stadt verlassen. 70 bis 80 % von ihnen sind kurz hinter die Stadtgrenze in das unmittelbare Umland Berlins gezogen.115 Diese Entwicklung wurde zum einen durch das starke Zentrum-Umland-Preisgefälle auf dem Immobilienmarkt und zum anderen durch den staatlich erheblich geförderten Wohnungsneubau auf infrastrukturell erschlossenem Bauland im Umland von Berlin gefördert.116 Es trat offen zu Tage, dass sich die beiden Länder Berlin und Brandenburg auf fast allen Tätigkeitsgebieten gegenseitig bedingen und beeinflussen. Bereits im 110

Benz/König, S. 108. Geppert u. a., S. 6. 112 Hartmann u. a., S. 22. Bis 1997 sind im Umland von Berlin 13 Einkaufszentren mit je über 10.000 m2 Verkaufsfläche entstanden (Scherf, S. 50). 113 Hierzu ausführlich Geppert u. a., S. 63 ff. Zu den Betriebsverlagerungen im Jahr 1992 siehe auch AvB Drs. 12/2357, S. 52. 114 Scherf, S. 50 f. 115 Zahlen aus Prognos, Wirtschaftsregion, S. 46. Zudem Hartmann u. a., S. 23. 116 Scherf, S. 50. 111

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Jahr 1994 besaßen beispielsweise etwa 70 % aller brandenburgischen Unternehmen Geschäftskontakte mit Berlin, und umgekehrt waren es gut 50 %.117 Aufgrund dieser Verflechtung erschienen autonome Steuerungsversuche eines Landes nicht sinnvoll, weil sie immer mit Rückwirkungen auf das andere Bundesland verbunden waren und dort neue Probleme schufen.118 Es wurde eine intensive grenzüberschreitende Politikkoordination gefordert.119 Die Notwendigkeit einer intensiven Zusammenarbeit beider Länder wurde auch vom Berliner Senat und von der brandenburgischen Landesregierung bereits 1990 erkannt. Ein Gemeinsamer Regierungsausschuss und ein Gemeinsamer Staatssekretärausschuss wurden eingerichtet.120 Dennoch lief die Zusammenarbeit beider Länder nur sehr langsam an, denn beide Länder waren zunächst sehr stark mit ihren jeweiligen internen Problemen des Zusammenwachsens bzw. der Identitätsfindung beschäftigt.121 Hinzu traten unterschiedliche Zielsetzungen in der Landesplanung. Berlin konzentrierte seine Kräfte darauf, die Integration der beiden Stadthälften zu gestalten, und Brandenburg war damit beschäftigt, seine im Zuge der Gebiets- und Gemeindeverwaltungsreform neu aufgebauten Verwaltungsstrukturen zu konsolidieren und die angestrebte Dezentralisierung zu realisieren.122 Während Brandenburg den Disparitätenausgleich zwischen den sehr unterschiedlich strukturierten Teilen des Landes in den Vordergrund stellte, war für Berlin die Aufstellung des ersten Flächennutzungsplans für die vereinigte Stadt und die kommunal-nachbarschaftliche Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden des unmittelbar benachbarten Umlandes vorrangig.123 Aus dieser Überlegung heraus setzte sich Berlin für die Bildung eines Regionalverbands ein, der von ihm selbst und den Umlandkreisen und -gemeinden gebildet werden sollte. Der Verband sollte die Befugnis erhalten, einen regionalplanerischen Rahmen für die Flächennutzungsplanungen der Mitgliedskreise und -kommunen zu bestimmen.124 Brandenburg wandte sich aber von Anfang an strikt gegen diesen Vorschlag einer den Ballungsraum Berlin abdeckenden Planungsregion. Es befürchtete, dadurch erheblich an Einfluss auf das Berliner Umland als den finanziell und öko117

Hartmann u. a., S. 22. Hartmann u. a., S. 23. 119 Wegrich, S. 9. 120 Benz/König, S. 40; Schubeck, S. 69. AvB Drs. 12/184, S. 2 Nr. 2 u. 3 mit einer Auflistung der Prioritäten der Zusammenarbeit in Anlage 1, von denen ein Großteil inzwischen verwirklicht worden ist. Siehe auch AvB Drs. 12/2357, S. 10: „Es besteht Einvernehmen, daß die Zusammenarbeit (. . .) unabhängig von der Entscheidung über eine Vereinigung beider Länder erforderlich ist und auf Dauer angelegt sein muß.“ 121 AvB Drs. 12/2357, S. 38; Hartmann u. a., S. 36. 122 Röber, in: Bufalica/Röber, S. 15. 123 Priebs, DÖV 1996, 541, 543. 124 AvB Drs. 12/184; AvB Drs. 12/2357, S. 10. Zu Stadt-Umland-Verbänden näher AvB Drs. 12/2357, S. 60 f. 118

I. Entwicklung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg

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nomisch attraktivsten Teil des Landes zu verlieren. Eine Einigung zwischen Berlin und seinem Umland, die die Interessen der peripheren Gebiete außer Acht ließe, und eine Dominanz Berlins im Regionalverband, die den eigenen Einfluss auf die Umlandgemeinden schmälern könnte, sollte verhindert werden.125 Berlins starke Position im Regionalverband hätte es der Stadt erlauben können, das Umland weitgehend nach ihren Interessen zu strukturieren, ohne die Interessen und Vorstellungen der ländlichen Gebiete Brandenburgs hinreichend zu berücksichtigen. Diese von Brandenburg erhobenen Bedenken folgen aus dem Umstand, dass nicht nur hinsichtlich des wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsniveaus, sondern schon hinsichtlich der Größenverhältnisse zwischen Berlin und seinen Umlandkommunen extrem asymmetrische Verhältnisse gegeben sind, wie sie in anderen Regionen nicht existieren.126 Außerdem reichen die Verflechtungen der Stadt mit ihrer Umgebung so tief nach Brandenburg hinein, dass die übrigen Landesteile keine hinreichende eigengewichtige Räumlichkeit entgegensetzen können.127 Es wurde von Brandenburg befürchtet, dass durch die räumliche Konzentration der Wachstumsprozesse in Berlin und seinem Umland die Peripherie des Landes unterentwickelt wird. Die brandenburgische Landesregierung war deshalb nur zu einer Koordinierungsform der Regionalplanung im Berliner Raum bereit, die die Landesebene maßgeblich beteiligte. Durch die Verhandlungen auf Landesebene sollte eine Machtbalance gegenüber Berlin und die Beachtung gesamtbrandenburgischer Interessen erreicht werden.128 Auf dem Gebiet der Landesplanung konnte hierfür an die Zusammenarbeit im sogenannten Provisorischen Regionalausschuss angeknüpft werden. An seine Stelle traten im Frühjahr 1991 ein gemeinsamer Regierungsausschuss, eine gemeinsame Staatssekretärskonferenz und auf Verwaltungsebene ein Koordinierungsausschuss zur Abstimmung der räumlichen Planungen. In seiner zweiten Sitzung im Dezember 1991 beschloss der gemeinsame Regierungsausschuss die Einsetzung einer gemeinsamen Regierungskommission mit dem Auftrag, Eckpunkte für die Vereinigung der beiden Länder zu klären.129 1992 empfahl die „Gemeinsame Regierungskommission“ eine Fusion der beiden Länder bis Ende 1999 sowie eine sofortige Intensivierung ihrer Kooperationsbeziehungen.130 Zu125

AvB Drs. 12/2357, S. 63. Benz/König, S. 52. 127 Benz/König, S. 10. 128 Benz/König, S. 41 u. 52; Bufalica, in: Bufalica/Röber, S. 125 f.; Döring u. a., S. 25; Hartmann u. a., S. 56 und 110 f.; Kleger, S. 48. Siehe auch AvB Drs. 12/184, S. 2, Nr. 4: „Das Land Brandenburg sieht keine Notwendigkeit, die kommunale Ebene – über den Innenminister des Landes als Oberste Kommunalaufsichtsbehörde hinaus – auf den Ebenen des Gemeinsamen Regierungsausschusses und der Gemeinsamen Staatssekretärskonferenz zu beteiligen.“ 129 Benz/König, S. 40; Hartmann u. a., S. 39; Kleger, S. 45. 130 AvB Drs. 12/2357, S. 5: „In der Überzeugung, daß die Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg deutliche Vorteile für die Menschen in der Region bringen 126

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

dem erarbeitete sie „Eckwerte für ein gemeinsames Landesentwicklungsprogramm der Länder Brandenburg und Berlin“ 131, die unter anderem eine polyzentrische Landesentwicklung zur Sicherung des Interessenausgleichs zwischen Stadt, Umland und ländlichem Raum vorsahen. Das Rückgrat dieser Entwicklung war das räumliche Leitbild der „dezentralen Konzentration“ 132 und die dauerhafte Erhaltung, Sicherung und Entwicklung von Freiflächen im engeren Verflechtungsraum. Der Einwohnerzuwachs in der Region sollte zu 30 % in Berlin, zu 30 % im engeren Verflechtungsraum und zu 40 % in den ländlichen Räumen stattfinden. Die gewerblichen Bauflächenzuwächse sollten zu 10 % in Berlin, zu 40 % im engeren Verflechtungsraum und zu 50 % im ländlichen Raum stattfinden.133 Während Brandenburg mit dem Konzept der dezentralen Konzentration die erwarteten Wachstumsimpulse von Berlin in seine Peripherie leiten wollte, versprach sich Berlin hiervon eine Minimierung der ungeplanten Ausdehnung von Wohn- und Gewerbegebieten sowie von großflächigen Einzelhandelszentren am Rande und in seiner Umgebung und der hierdurch entstandenen unkontrollierten Abwanderung von Erwerbstätigen und Unternehmen. Das Konzept der dezentralen Konzentration sollte daher zum einen die Zersiedlung des Umlandes verhindern und zum anderen die mit der Abwanderung verbundenen fiskalischen Verluste in Berlin eingrenzen.134 Zur Umsetzung dieser Empfehlungen und aus Gründen der Planungssicherheit schlug die Regierungskommission den Abschluss zweier Staatsverträge über ein gemeinsames Landesentwicklungsprogramm und über einen Landesentwicklungsplan engerer Verflechtungsraum vor. Zudem sollte eine gemeinsame Arbeitsstelle und eine Planungskonferenz zur Vorbereitung sowie Fortschreibung der Landesplanungen eingerichtet werden.135 Ausgehend von diesen Empfehlungen sahen die beiden Länder in einem Ende März 1993 vorgelegten gemeinsamen Aktionsprogramm136 etwa 150 Bereiche vor, in denen eine Zusammenarbeit angestrebt wurde. Zugleich wurden in den

wird, empfiehlt die Gemeinsame Regierungskommission dem Senat von Berlin und der Regierung des Landes Brandenburg, einer Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg zuzustimmen und unverzüglich Verhandlungen über einen Neugliederungsstaatsvertrag aufzunehmen.“ Der empfohlene Zeitplan findet sich auf S. 11 der AvB Drs. 12/ 2357. Siehe auch Gärtner, JR 1995, 319. 131 AvB Drs. 12/2357, S. 29 ff. 132 Das Leitbild nennt regionale Entwicklungszentren in den peripheren Räumen, einen Kranz regionaler Entwicklungszentren in ausreichender räumlicher Distanz zu Berlin und besondere Fördergebiete in den strukturschwachen Räumen Brandenburgs. Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt II.3.a). 133 Hartmann u. a., S. 42; Kleger, S. 46. 134 Benz/König, S. 41; Hartmann u. a., S. 42 f. u. 55 f. 135 Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt II.3.a). 136 AvB Drs. 12/2681.

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meisten Fällen die beabsichtigte Rechtsform der Zusammenarbeit und ein Zeithorizont für deren Verwirklichung angegeben.137 Die Umsetzung dieses Aktionsprogramms gestaltete sich jedoch in der Praxis nicht ganz so einfach. Obwohl sich beide Länder beispielsweise auf dem Gebiet der Landesplanung auf das Leitbild der „dezentralen Konzentration“ geeinigt hatten, schnitt beispielsweise das Land Brandenburg mit der Gebietsreform 1993138 seine Landkreise tortenstückförmig zu. Berlinnahe und berlinferne Kommunen sollten hierdurch zu organisatorischen Einheiten zusammengefasst werden, so dass Entwicklungsimpulse aus dem damals erwarteten Speckgürtel auch in die Tiefe des Landes gelenkt würden.139 Im Kern wollte Brandenburg mit diesem Zuschnitt der Landkreise verhindern, dass Berlin über direkte Verhandlungen mit den Kommunen den Interessen des Landes Brandenburg entgegenwirken kann. Als Folge der Gebietsreform ist der engere Verflechtungsraum Brandenburgs um Berlin durch Landkreisgrenzen zerschnitten und die Landkreise stehen nun auch gegenseitig in einem Konkurrenzverhältnis, weil ein Ausgleich von Ansiedlungsgewinnen innerhalb des direkten Umlands über die Kreisgrenzen hinweg nicht möglich ist.140 Zudem wird die Koordinierung im Umland durch eine Vielzahl von zu berücksichtigenden Akteuren und Interessen erschwert. Diesen Nachteilen stehen auf der anderen Seite keine entsprechenden Vorteile gegenüber. Um den erhofften räumlichen Ausgleich zwischen dem engeren Verflechtungsraum und dem ländlichen Raum Brandenburgs durchzuführen, verfügen die Landkreise nicht über die notwendigen Mittel. Diese besitzt nur das Land, beispielsweise mit Hilfe des interkommunalen Finanzausgleichs.141 Stattdessen besteht sogar die Gefahr, dass es zu umgekehrten Ausgleichseffekten kommt und der ländliche Raum über die Kreisumlage die Wahrnehmung der Aufgaben im Verdichtungsraum mitfinanziert.142 Letztendlich verdeckt der Zuschnitt der Landkreise auch die tatsächliche Entwicklung im Land, weil die Daten über Investitionen und Subventionen der von Berlin bis in die Weite des ländlichen Raums reichenden Landkreise allein nichts über deren regionale Verteilung aussagen.143

137

Hartmann u. a., S. 32 u. 58; Rüß, LKV 1995, 337, 338; Tripke, S. 95. Bei der Kreisreform in Brandenburg 1993 wurde die Anzahl der Landkreise von 38 auf 14 verringert. 139 Kleger, S. 48. 140 So wurde 1996 bildlich festgestellt: „In Bezug auf die administrative Landschaft sehen wir statt eines zusammenhängenden, homogenen Festlands viele kleine Inseln, die sich im Zuge des Aufbaus der brandenburgischen Verwaltung gebildet haben und die die große Insel umgeben. Und offensichtlich tun sich mittlerweile alle Insulaner – die großen und die kleinen – ziemlich schwer, sich auf diese neue Situation einzustellen.“ (Röber, in: Bufalica/Röber, S. 14). 141 Hartmann u. a., S. 111; Hruschka, S. 37 f. 142 Benz/König, S. 124. 143 Hartmann u. a., S. 112. 138

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Im Sommer 2005 haben Berlin und Brandenburg beschlossen, das System der gemeinsamen Landesplanung vollständig zu überarbeiten. Ihre künftige Siedlungsentwicklung wird auf den Kernraum Berlin und die Achsen im brandenburgischen Umland sowie im übrigen Raum auf die Zentralen Orte konzentriert. Hochwertige Freiräume werden vor weiterer Zersiedlung und sonstiger Inanspruchnahme geschützt, wodurch auch die für Berlin wichtigen Funktionen der Achsenzwischenräume in besonderem Maße gesichert werden.144 Am Zuschnitt der inzwischen verfestigten Landkreise lässt sich so schnell jedoch nichts mehr ändern. Aber nicht nur auf Brandenburger Seite, sondern auch in Berlin wurden zunächst eigene Interessen den Gesamtinteressen der Region vorangestellt. So sah der im Mai 1993 vorgestellte neue Berliner Flächennutzungsplan Wohnbauflächen für ca. 400.000 Wohnungen bis zum Jahr 2000 vor allem im Berliner Nordosten vor. Hierdurch entstand zur Verärgerung Brandenburgs an der Peripherie der Stadt ein gewaltiges Neubau-Planungsgebiet.145 Daraufhin beschloss das Brandenburger Kabinett im Juni 1993 über die mit Berlin vereinbarten Aufteilungsquoten von Bevölkerungszuwachs und Gewerbeansiedlung hinausgehende „Orte mit besonderem Handlungsbedarf“ im engeren Verflechtungsraum. An die Stelle zügiger Verhandlungen über die Staatsverträge trat somit sowohl in Berlin als auch in Brandenburg eine Politik der Sicherung eigener Positionen und Vorteile.146 Trotz dieser anfänglichen Meinungsverschiedenheiten auf dem Gebiet der Landesplanung entwickelte sich in den 1990er Jahre eine rege Zusammenarbeit beider Länder auf verschiedenen Arbeitsgebieten. Die Länder unterzeichneten am 11. August 1993 eine Verwaltungsvereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsstelle und Planungskonferenz zur Vorbereitung und Fortschreibung der gemeinsamen Landesplanung.147 Durch diese Vereinbarung wurde auf Arbeitsebene eine gemeinsame Arbeitsstelle, bestehend aus einer Geschäftsstelle (GASt) und einer interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG), sowie auf politischer Ebene eine gemeinsame Planungskonferenz (PLAKO) unter Leitung der beiden Regierungschefs gebildet. Bei der Geschäftsstelle der gemeinsamen Arbeitsstelle handelte es sich um eine räumliche Zusammenführung von Personal beider Länder in einer Stelle. Beide Länder stellten jeweils einen Leiter, 144

AvB Drs. 16/2787, S. 13. Aus Sicht des Landkreises Barnim siehe Schmidt, in: Bufalica/Röber, S. 96 f., der von einem Flächennutzungsplan-Entwurf „mit bedrohlichen Ausmaßen für die angrenzenden Kommunen und auch für den Landkreis insgesamt“ spricht. 146 Kleger, S. 48 f. 147 Eine Liste der zwischen Berlin und Brandenburg bis 1996 abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarungen steht im Internet auf der Webseite der Staatskanzlei des Landes Brandenburg unter http://www.stk.brandenburg.de/sixcms/detail.php/lbm1.c. 375787.de zur Verfügung. 145

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denen gemeinsam die kollegiale Leitung der Arbeitsstelle oblag.148 Insgesamt wurde bereits im Zwischenbericht über die Umsetzung, Fortschreibung und Ergänzung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms für die Zusammenarbeit der beiden Länder (Stand: 31. Mai 1994) dargestellt, dass die beiden Länder verglichen mit normaler Länderkooperation im deutschen Bundesstaat auf einem durchaus hohen Stand zusammenarbeiten.149 Eine Vorreiterrolle bei der Zusammenarbeit übernahmen dabei die Gewerkschaften, der Unternehmensverband und die Kirchen, die, mit Ausnahme der Gewerkschaft der öffentlichen Bediensteten (ÖTV), bereits 1993 einheitliche Verbandsstrukturen gebildet hatten. Auch die IHKs der Region bildeten schnell einen Arbeitskreis.150 c) Das Ziel: Ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg Parallel zu der Intensivierung ihrer Zusammenarbeit verfolgten die beiden Länder auch die weitere Empfehlung der „Gemeinsame Regierungskommission“: die Vorbereitung der Fusion beider Länder. Am 8. Oktober 1993 legten die Verhandlungspartner den zuständigen Ausschüssen der Landesparlamente einen Zwischenbericht über ihre Fusionsverhandlungen vor, der einige wesentliche Fragen, wie die Finanzbeziehungen zwischen dem gemeinsamen Land und der Kommune Berlin sowie die Personalzusammenführung, jedoch noch unbeachtet ließ.151 Nachdem in der Folgezeit auch eine Einigung über die umstrittenen finanziellen Fragen erreicht worden war, legten die Berliner Senats- und die Brandenburger Staatskanzlei Anfang Juni 1994 einen gemeinsamen Arbeitsentwurf eines Neugliederungsvertrages vor.152 Auf der 148

Priebs, DÖV 1996, 541, 543. AvB Drs. 12/4505, S. 2. 150 Hartmann u. a., S. 32; Kleger, S. 106. 151 Berlin drängte im Rahmen der Vertragsverhandlungen auf eine verbindliche Finanzierungsregel, weil eine Gleichstellung der Stadt mit anderen brandenburgischen Gemeinden in einem gemeinsamen Bundesland durch den kommunalen Finanzausgleich zu einem überproportionalen Steuerkraftentzug Berlins geführt hätte. Infolge der grundgesetzlich festgelegten Finanzverteilung zwischen Land und Kommune in Art. 106 GG würden in einem gemeinsamen Land ca. 75 % der Berliner Steuereinnahmen an das Land fließen, während das gemeinsame Land aber im Gegenzug lediglich etwa 50 % der bisher von Berlin finanzierten Aufgaben hätte tragen müssen. Berlin wollte diese Schlechterstellung verhindern, Brandenburg wollte keine pauschalen Sonderleistungen an Berlin zahlen (AvB Drs. 12/2357, S. 9 u. S. 14 ff.; Hartmann u. a., S. 45; ausführlich zu den Konsequenzen des interkommunalen Finanzausgleichs auch ders., S. 129 ff.; mit ausführlicher Berechnung und Darstellung der gegenläufigen Interessen: Döring u. a., S. 209 ff.; Wilke, S. 31 ff.). Ein zweiter Streitpunkt beim Thema Finanzen war die Übernahme der Alt-Schulden beider Länder durch das neue gemeinsame Land (AvB Drs. 12/2357, S. 14). 152 AvB Drs. 12/4522. 149

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Grundlage einiger Entschließungen der Landesparlamente mit Änderungswünschen153 wurden in der Folgezeit die Abschlussverhandlungen zum Neugliederungsvertrag geführt.154 Während ihrer Fusionsverhandlungen hatten die Länder Berlin und Brandenburg klargestellt, dass es eine Fusion nur bei einer finanzverfassungsrechtlichen Übergangsregelung für das gemeinsame Bundesland Berlin-Brandenburg geben werde, die einen schonenden und möglichst kontinuitätswahrenden Aufbau des neuen Bundeslandes auch finanziell sichere.155 Mit dem Ziel, eine Fusion nicht an finanziellen Überlegungen scheitern zu lassen, beschloss der Bundestag am 9. August 1994 ein Gesetz, das für den Fall einer Fusion zwischen Berlin und Brandenburg eine 15-jährige Übergangsfrist zur Anpassung an die herkömmlichen Regeln des Länderfinanzausgleichs festschrieb.156 Denn nach der ursprünglichen Gesetzeslage wäre mit einer Fusion die Voraussetzung für die besondere Einwohnerwertung Berlins im Länderfinanzausgleich („Stadtstaatenprivileg“) weggefallen, was für das neue gemeinsame Land Berlin-Brandenburg zu einem sofortigen Einnahmeverlust von ca. 5 Mrd. DM geführt hätte.157 Zum anderen wurde auf Bundesebene durch Verfassungsänderungsgesetz vom 27. Oktober 1994158 anknüpfend an Art. 5 EV ein Art. 118a in das Grundgesetz aufgenommen, der als lex specialis159 eine Neugliederung des Bundesgebiets im 153

LtBbg Drs. 2/126; AvB Drs. 12/5298; AvB Drs. 12/5298-1 und 12/5298-2. Siehe ausführlich zur Entstehung des Vertragsentwurfs des Neugliederungsvertrages AvB Drs. 12/2357, S. 42 ff.; Gärtner, NJW 1996, 88 ff.; Gärtner, JR 1995, 319, 320 ff.; Rüß, LKV 1995, 337 ff.; Schubeck, S. 72 ff.; Tripke, S. 96 ff.; Wegrich, S. 17 ff. mit einer ausführlichen Darstellung der Positionen der einzelnen Akteure auf S. 56 ff. Zu den Nachverhandlungen siehe Hartmann u. a., S. 88 ff. Zu den wirtschaftlichen Aspekten einer Fusion beider Länder Döring u. a., S. 33 ff. Zur Struktur des gemeinsamen Landes und der Stadt Berlin Gärtner, JR 1995, 319, 322 ff. 155 Klein/Kimms, LKV 1995, 341, 343; Rüß, LKV 1995, 337. Zu dem finanziellen Aspekt der Neugliederung siehe auch Keunecke, Gescheiterte Neugliederung, S. 39 ff. und S. 213 ff. 156 Gesetz zur Regelung der finanziellen Voraussetzungen für die Neugliederung der Länder Berlin und Brandenburg (NGG). Das NGG ist aufgrund der aufschiebenden Bedingung der Bildung eines gemeinsamen Landes nicht in Kraft getreten (Art. 6 NGG) und wird, aufgrund seiner maximalen Geltungsdauer bis zum Jahr 2013, wohl keine Bedeutung mehr erlangen. 157 Rüß, LKV 1995, 337 f. Zu den Ländern Berlin und Brandenburg im Länderfinanzausgleich siehe auch Klein/Kimms, LKV 1995, 341, 342 f. Zur Übergangsregelung im FAG ausführlich Hartmann u. a., S. 123 ff. Auch aus der Sicht des Bundesgesetzgebers war dieses Gesetz aus finanzrechtlicher Sicht notwendig, um nicht verkraftbare finanzielle Belastungen des neu gebildeten Landes zu verhindern (BT Drs. 12/7818, S. 6 und 8). Ausführlich zu den finanziellen Auswirkungen einer Fusion mit dem Informationsstand aus dem Jahr 1994 siehe Döring u. a., S. 185 ff.; Klein/Kimms, LKV 1995, 341 ff. 158 42. Gesetz zur Änderung des GG vom 27. Oktober 1994, BGBl. I/94, S. 3146. 159 Art. 118a GG ist keine Spezialvorschrift in dem Sinne, dass damit die Anwendung der entsprechenden lex generalis, hier Art. 29 GG, ausgeschlossen wäre. Art. 118a 154

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Raum Berlin-Brandenburg außerhalb des Verfahrens des Art. 29 GG ermöglicht.160 Vorgeschrieben ist in Art. 118a GG nur ein Staatsvertrag beider Länder unter Beteiligung der Wahlberechtigten.161 Weitere bundesrechtliche Vorgaben bestehen nicht. Insbesondere bedarf es keiner Mitwirkungshandlung des Bundes im Fusionsverfahren. Seine Zustimmung gilt durch Art. 118a GG und durch die Empfehlung des Einigungsvertrages bereits als erteilt.162 Auf der Grundlage dieses neu eingeführten Art. 118a GG unterzeichneten die Regierungschefs der Länder Berlin und Brandenburg am 27. April 1995 den Staatsvertrag über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes (Neugliederungsvertrag)163. Der Neugliederungsvertrag sah vor, dass Berlin und Brandenburg mit dem Tag der Wahl des ersten gemeinsamen Landtags ein gemeinsames Bundesland bilden, das den Namen Berlin-Brandenburg führt und sich in Gemeinden und Gemeindeverbände gliedert. Potsdam sollte Landeshauptstadt, Regierungs- und Parlamentssitz sein. Das Landesverfassungsgericht Brandenburg bestätigte am 21. März 1996 die Zulässigkeit des Vertrages.164 Die Beteiligung der Wahlberechtigten beider Länder wurde im Staatsvertrag zur Regelung der Volksabstimmung über den Neugliederungs-Vertrag165 festgelegt. Auf dieser Grundlage wurden die Art. 97 VvB und Art. 116 BbgVerf eingefügt. Hiernach ist der Zusammenschluss von den jeweiligen gesetzgebenden Organen beider Länder mit 2/3-Mehrheit zu beschließen und durch Volksentscheid zu bestätigen, bei dem in jedem der beiden Länder die Mehrheit der Abstimmenden, mindestens aber 25 % der Wahlberechtigten zustimmen müssen. Die Landesverfassungsgeber haben sich angesichts der verfassungsauflösenden Folgen der Fusion für die BeGG räumt den Ländern Berlin und Brandenburg lediglich die Option für einen vereinfachten Zusammenschluss ein. Die Neugliederung des Raumes Berlin-Brandenburg muss aber nicht in dem Verfahren des Art. 118a GG vollzogen werden. Sie könnte auch im Verfahren des Art. 29 GG geregelt werden (so auch Meyer-Teschendorf, DÖV 1993, 889, 891; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 118a Rdnr. 3. Missverständlich LVerfG Bbg, LKV 1996, 203, 204, das davon ausgeht, dass „Art. 118a GG der Bestimmung des Art. 29 GG und damit auch dessen Absatz 1 als speziellere Norm vorgeht“). 160 Hierzu ausführlich LVerfG Bbg, LKV 1996, 203, 204. 161 Unter „Vereinbarung“ beider Länder i. S. d. Art. 118a GG ist ein Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg zu verstehen (BT Drs. 12/7109, S. 12; Driehaus, VvB, Art. 97, Rdnr. 1; Sachs, GG, Art. 118a Rdnr. 4). 162 Driehaus, VvB, Art. 97, Rdnr. 1; Meyer-Teschendorf, DÖV 1993, 889, 891 f.; Wormit, S. 23 ff.; Zivier, Rdnr. 22.4. Siehe ausführlich zu Art. 29 und Art. 118a GG mit ihrer Entstehungsgeschichte auch Tripke, S. 54 ff. und 60 ff. 163 Gesetz zu den Staatsverträgen über die Neugliederung der Länder Brandenburg und Berlin (Neugliederungsvertragsgesetz – NVG) vom 27. Juni 1995, BbgGVBl. I/95, S. 150. 164 LVerfG Bbg, LKV 1996, 203. Zu dem Urteil des LVerfG Bbg ausführlich Macke, S. 77 ff. Zu den verfassungsrechtlichen Fragen des Neugliederungsvertrages siehe Kleger, S. 111 ff. 165 Staatsvertrag zur Regelung der Volksabstimmung vom 27. April 1995, BbgGVBl. I/95, S. 192.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

teiligung der Abstimmungsberechtigten in Form eines Volksentscheides entschieden.166 Am 22. Juni 1995 stimmten das Abgeordnetenhaus von Berlin und der brandenburgische Landtag dem Vertrag jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheit zu.167 Die Volksabstimmung über den Neugliederungsvertrag fand am 5. Mai 1996 statt. In ihrem Ergebnis wurde die Länderfusion von der brandenburgischen Bevölkerung abgelehnt. Während in Berlin 53,4 % für und 45,7 % gegen die Fusion stimmten, waren in Brandenburg nur 36,6 % für und 62,7 % gegen die Fusion.168 Die Gründe für die gescheiterte Fusion sind vielfältig und wurden im Anschluss heftig diskutiert. Ein Ost-West-Konflikt wird neben der Angst vor weiterer Veränderung ebenso genannt wie die Nachwirkungen der einseitigen Dominanz von Berlin (Ost) gegenüber dem zerstückelten Land Brandenburg in der DDR-Zeit. Die Brandenburger hätten befürchtet, als strukturschwacher Flächenstaat mit rund zweieinhalb Millionen Einwohnern von den 3,4 Millionen Berlinern in einem gemeinsamen Land dominiert zu werden. Kritik wurde zudem an der Öffentlichkeitsarbeit der brandenburgischen Landesregierung geäußert, die nicht alle Aspekte des Informationsbedürfnisses der Bevölkerung einbezogen hatte. Auch die mangelnde Erfahrbarkeit der Zusammenarbeit beider Länder und deren Auswirkungen für den Bürger werden als Grund für das Scheitern genannt. Hinzu trat, dass selbst die Führungen der fusionsbefürwortenden Parteien keine geschlossene Haltung zu Gunsten der Länderfusion einnahmen. Ihr persönliches 166 Driehaus, VvB, Art. 97, Rdnr. 5; Lieber u. a., LVBbg, Art. 116, Punkt 2; Tripke, S. 76. Zu dem Inhalt des Fusionsvertrages ausführlich Rüß, LKV 1995, 337, 338 ff. Durch diese Regelungen haben sich die beiden Länder die Vereinigung im Gegensatz zu den Anforderungen des Art. 118a GG erschwert. Mit dem Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus und einer Volksabstimmung wird aber Art. 100 VvB eingehalten, da ein Zusammenschluss der Länder Berlin und Brandenburg mit der Auflösung des Landes Berlin und damit auch mit der Aufhebung der Verfassung von Berlin einschließlich der Artt. 62 f. VvB verbunden ist (Driehaus, VvB, Art. 97, Rdnr. 5). Das zudem vereinbarte Mindestquorum führte dazu, dass jeder Abstimmungsberechtigte, der nicht an der Abstimmung teilnahm, automatisch gegen die Fusion votierte, solange das Quorum nicht erfüllt war. Diese strengen Anforderungen an die Zustimmung verlangen weder Art. 118a GG noch Art. 97 Abs. 2 VvB. Bundes- und landesverfassungsrechtlich zulässig wäre auch eine Regelung in einem Staatsvertrag gewesen, nach der für eine Zustimmung durch Volksabstimmung eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen in beiden Ländern gemeinsam ausgereicht hätte (Driehaus, VvB, Art. 97, Rdnr. 5; Lieber u. a., LVBbg, Art. 116, Punkt 4.1.; Pfennig, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 97, Rdnr. 2). 167 Driehaus, VvB, Art. 97, Rdnr. 2; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 96, Rdnr. 3. 168 Die genauen Zahlen bei Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 118a, Rdnr. 7; Kleger, S. 121 f. Siehe auch Klatt, ZBR 1997, 137, 144; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 96, Rdnr. 4; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 257 f.; Zivier, Rdnr. 22.3. Zur Entwicklung der Meinung der Bevölkerung, die Anfang der 1990er Jahre einem Neugliederungsvorhaben mehrheitlich zustimmend gegenüber stand, siehe Tripke, S. 118 ff.

II. Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg seit 1996

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Interesse war aufgrund der Tatsache, dass durch die Zusammenlegung beider Parlamente mittelfristig viele Mandate weggefallen wären, gering. Letztendlich war die Haushaltsnotlage Berlins in den Wochen vor der Volksabstimmung ein entscheidender Zweifelspunkt der Brandenburger Bevölkerung. Erstaunlicherweise meinten aber beide Seiten, im Fall der Fusion zu den Benachteiligten zu gehören.169 Diese ganzen Bedenken hatten in Berlin dennoch zu einer knappen Zustimmung, im Land Brandenburg aber zu einer deutlichen Ablehnung der Fusion geführt.

II. Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg seit 1996 Nach der Ablehnung des Neugliederungsvertrages durch Volksentscheid im Jahr 1996 wurde die Notwendigkeit einer verstärkten und intensiven Zusammenarbeit beider Länder wieder betont, weil nun auf unbestimmte Zeit die Region Berlin-Brandenburg von Ländergrenzen zerschnitten bleibe.170 Der brandenburgische Ministerpräsident Stolpe äußerte in einer Regierungserklärung am 22. Mai 1996171, innerhalb der „Verantwortungsgemeinschaft Berlin-Brandenburg“ müssten beide Landesregierungen auf allen notwendigen Feldern zusammenarbeiten. Als Bereiche für diese Zusammenarbeit wurden der Arbeitsmarkt, die Bildung eines Verkehrsverbundes, die gemeinsame Hochschulplanung, die Weiterentwicklung des Netzes von Wissenschaftseinrichtungen sowie die gemeinsame Landesplanung genannt. Die wirkliche wirtschaftliche Herausforderung für den Raum Berlin-Brandenburg, so Stolpe, liege im Wettbewerb mit den anderen europäischen Regionen. 1. Die Region Berlin-Brandenburg Die vorliegende Arbeit spricht unter den verschiedensten Aspekten von der „Region Berlin-Brandenburg“. Die beiden Länder Berlin und Brandenburg treten als gemeinsame Gesundheits-, Wissenschafts-, Bildungs- und Verkehrsregion auf.172 Allgemein bezeichnet der Begriff der „Region“ einen räumlichen Bereich, ein Gebiet, eine Gegend, einen Landstrich oder einen Bezirk, der durch beson169 Ausführlich mit den Gründen der gescheiterten Fusion befasst sich Hartmann u. a., S. 177 ff., mit einer tabellarischen Übersicht auf S. 206 f.; Keunecke, Berlin-Brandenburg, S. 49 ff.; Klatt, ZBR 1997, 137, 145; Kleger, S. 123; Kotsch, Brandenburg, S. 798; Tripke, S. 123 ff. 170 Hruschka, S. 6; Tripke, S. 135; Wegrich, S. 10 f. 171 „Zwei Länder in der Region – eine Verantwortungsgemeinschaft für die Region“, Regierungserklärung von Ministerpräsident Manfred Stolpe am 22. Mai 1996, S. 2 ff., online im Internet unter http://www.stk.brandenburg.de/media/1168/regerkl1996.pdf. 172 AvB Drs. 16/1940, S. 4.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

dere Merkmale ausgezeichnet ist. Diese Definition hilft bei einer rechtlichen Einordnung jedoch nicht weiter, weil hierdurch jede räumliche Einheit in der Bundesrepublik Deutschland erfasst sein kann. So wird der Begriff in den verschiedensten Zusammenhängen genutzt und erscheint weder eindeutig bestimmt noch bestimmbar. Geprägt durch unterschiedliche Zweckbestimmungen hat sich eine Vielzahl regionaler Einheiten in einem übergeordneten Raum etabliert, die nur selten eine Deckungsgleichheit erreichen. Je nach Politikbereich werden die unterschiedlichsten Erscheinungsformen als Region bezeichnet.173 Ein Problem der Begriffsbestimmung ergibt sich auch daraus, dass je nach Aufgabengebiet die Verflechtungen zwischen Berlin und Brandenburg in ihrer Reichweite sehr unterschiedlich sind.174 Damit kann der Begriff „Region“ nur in Verbindung mit einem Kontext oder erklärenden Zusätzen benutzt werden, um Räume zu beschreiben, die eine bestimmte Funktion auszeichnet.175 Als Anhaltspunkte für die Bestimmung einer Region dienen die geographische Einheit des Raumes, ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen, eine gemeinsame kulturelle Vergangenheit und gemeinsame ökonomische Interessen. Letztendlich ist die Bestimmung einer Region aber eine teils fachliche, teils politische Entscheidung des zuständigen Landesgesetzgebers.176 Nach einer Definition der Ministerkonferenz für Raumordnung sind Regionen „Planungsräume unterhalb der Landesebene, die den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung entsprechend gebildet sind und für die eigene Programme und Pläne aufgestellt werden“.177 Hiervon ausgehend werden in raumplanerischen Untersuchungen als Region Berlin-Brandenburg teilweise das Stadtgebiet Berlins und die unmittelbar angrenzenden brandenburgischen Stadt- und Landkreise zugrunde gelegt („engerer Verflechtungsraum“), wobei die weiteste Entfernung zwischen Stadtmitte und Regionsrand rund 60 km beträgt.178 Dieser „engere Verflechtungsraum“ des Landes Brandenburg wird auch als „Berliner Umland“ bezeichnet. Eine Definition der Region Berlin-Brandenburg als die Stadt Berlin und ihr Umland umfassendes Gebiet widerspricht aber der Zielsetzung des Landes Brandenburg, das Land einheitlich zu betrachten und nicht in zwei Teilräume, den „engeren Verflechtungsraum“ und den „äußeren Entwicklungsraum“, aufzuspal173 AvB Drs. 12/2357, S. 57; Haneklaus, DVBl. 1991, 295 f.; Knemeyer, S. 25. Siehe auch Mecking, S. 53 f., der als Beispiele für den „bunten Strauß“ Agrarregionen, altindustrialisierte Regionen, Arbeitsmarktregionen, Bergregionen, Computerregionen, Entwicklungsregionen, Fremdenverkehrsregionen, Grenzregionen, grenzüberschreitende Regionen, Großregionen, Kirchenregionen, Kulturregionen, Küstenregionen, Montanregionen, Schiffsbauregionen, Stadtregionen, Strukturregionen, Verkehrsregionen, Wirtschaftsregionen und Weinregionen aufzählt (S. 56). 174 Siehe hierzu AvB Drs. 12/2357, S. 53. 175 Schink, DÖV 1992, 385, 388. 176 AvB Drs. 12/2357, S. 57. 177 Zitiert nach Mecking, S. 58. 178 Siehe hierzu beispielsweise Benz/König, S. 37; Geppert u. a., S. 9 f.

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ten. Dem Anliegen folgend wird die Region Berlin-Brandenburg größer gefasst und hierunter das beide Länder umfassende Gebiet verstanden.179 Dieser durch die Politik bestimmte Regionsbegriff wird in dieser Arbeit übernommen. Die so bestimmte Region Berlin-Brandenburg umfasst ein sich nach der deutschen Wiedervereinigung entwickelndes und zunehmend verflechtendes Gebiet, das durch die Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg entlang der Berliner Stadtkante durchschnitten wird. Dabei war und ist im Vergleich zu anderen Ballungszentren die Stadtkante noch deutlich sichtbar, weil sich vor der deutschen Einheit Berlin (West) nicht über seine Grenzen hinaus entwickeln konnte und dies in Berlin (Ost) politisch nicht gewollt war.180 Seit 1990 ist dieses Gebiet nun durch Transformation und nachholende Suburbanisierung gekennzeichnet, die zudem von Verteilungskonflikten zwischen Ost und West sowie zwischen Stadt und Land überlagert wurden bzw. werden.181 Kennzeichen der Region sind große regionale Unterschiede zwischen dem engeren Verflechtungsraum einschließlich Berlin und dem äußeren Entwicklungsraum Brandenburgs. In Berlin leben ca. 3,5 Mio. Einwohner, das heißt auf ca. 3 % der Gesamtfläche wohnen mehr als die Hälfte der Einwohner des gesamten Gebiets. Im Land Brandenburg leben 2,5 Mio. Einwohner, davon ca. 30 % im engeren Verflechtungsraum um Berlin und 70 % im äußeren Entwicklungsraum des Landes. Während die Stadt Berlin mit ihrer Bevölkerungsdichte von 3.909 Einwohnern pro km2 die Stadt mit der zweithöchsten Dichte der Bundesrepublik Deutschland ist, zählt der äußere Entwicklungsraum Brandenburgs mit ca. 70 Einwohnern pro km2 zu den am dünnsten besiedelten Gebieten Deutschlands.182 Diese zusammenhängende Region Berlin-Brandenburg mit engen geographischen, wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Verflechtungen in verschiedenen Bereichen wird durch die Landesgrenzen zerschnitten. Hierdurch stellen sich eine Reihe grenzüberschreitender Aufgaben.183 Pernthaler nennt dieses Kooperationsgebiet „Querschnittsmaterien“. 184 179 So ist die beide Länder umfassende Metropolregion Berlin-Brandenburg eine der elf Metropolregionen Deutschlands. Siehe hierzu online im Internet auf der Webseite des Initiativkreises Europäische Metropolregionen in Deutschland, unter http://www. deutsche-metropolregionen.org/3351.html. 180 Hierzu bereits oben unter Punkt I.4.a). Siehe auch Röber, in: Bufalica/Röber, S. 16. 181 Hartmann u. a., S. 19. Siehe auch Röber/Völkel, VerwArch 90 (1999), 112, 114 ff. 182 Bauer/Seidel, LKV 1999, 343, 345; Geppert u. a., S. 11; Hartmann u. a., S. 19. 183 Bothe, Generalbericht, S. 195 ff.; Damkowski, NVwZ 1988, 297 f.; Grawert, S. 159; Lenz, DÖV 1977, 157, 161; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 96, Rdnr. 5; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 18; Zivier, Rdnr. 95.1. Für die Region Bremen-Niedersachsen siehe Danielzyk, in: Bufalica/Röber, S. 37 mit ähnlichen Aspekten wie vorliegend für die Region Berlin-Brandenburg. 184 Pernthaler, S. 515 f.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage von http://www.mugv.brandenburg.de/cms/detail.php?gsid= lbm1.c.188195.de.

Abbildung 1: Die Region Berlin-Brandenburg und ihre Bevölkerungsdichte

Berlin erbringt im Bereich der sozialen, kulturellen, Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur Leistungen, die auch von den Bewohnern des Umlandes genutzt werden. Zu nennen sind hier beispielsweise die Verkehrsinfrastruktur, die kulturellen Einrichtungen, wie Opern und Theater, oder die Hochschulen, Schulen, Krankenhäuser. Auf der anderen Seite nimmt Berlin in erheblichem Maße auch Ressourcen des Umlandes in Anspruch, beispielsweise für die Naherholung, für die Abfallentsorgung, für die Deckung des Wasserbedarfs und die Beseitigung des Abwassers.185 Diese zusammenhängende Region Berlin-Brandenburg ist 185

Wilke, S. 13 f.

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durch eine hohe Bevölkerungsverflechtung gekennzeichnet, die weiterhin zunimmt.186 Im Jahr 2009 waren es insgesamt 177.000 Menschen, die von Brandenburg nach Berlin pendelten, und 68.000 Berliner fuhren jeden Tag in die entgegengesetzte Richtung.187 Der größte Teil der Pendler bewegte sich hierbei zwischen Berlin und den an Berlin angrenzenden brandenburgischen Landkreisen (Berliner Umland). Aufgrund dieser Verflechtungen enden die Wirkungen landespolitischer Entscheidungen nicht an den Landesgrenzen, dennoch spielen die Bürger des Nachbarlandes bei den binnenpolitischen Entscheidungen grundsätzlich keine Rolle. Verhandlungen zwischen beiden Ländern können hier zu einer Korrektur und der Anerkennung gegenseitiger Interessen führen.188 So ist Berlin gerade im Bereich der regionalen Ver- und Entsorgung entscheidend von seinem Umland abhängig, weil beispielsweise aufgrund der dichten Besiedlung und der bestehenden Flächenengpässe in der Großstadt nicht ausreichend Kapazitäten für die Abfallbeseitigung bereitgestellt werden können. Das Thema Entsorgung ist politisch aber höchst brisant, weil es hier die ungleiche Verteilung von Nutzen und Lasten zu kompensieren gilt. Zwar fließen den Umlandgemeinden, die Abfall aufnehmen, die Gebühren für die Nutzung ihrer Einrichtungen zu, die kostendeckend sind, wegen der Umweltbelastung werden Abfallentsorgungsanlagen von der Bevölkerung jedoch meist abgelehnt. Diese Problematik haben die Länder Berlin und Brandenburg durch die Errichtung der „Märkischen Entsorgungsanlagen-Betriebsgesellschaft mbH“ und der „Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin mbH“ gelöst. Von der Errichtung eines Zweckverbandes wurde bewusst Abstand genommen und demgegenüber in Formen des Privatrechts durch marktähnliche Austauschbeziehungen versucht, den verschiedenen kommunalen Interessen zu entsprechen.189 Auf der anderen Seite profitiert die Wirtschaft des Landes Brandenburg vom Absatzmarkt der Metropole Berlin. So beteiligt sich Berlin beispielsweise in großem Umfang am Bezug von Braunkohle aus der Niederlausitz.190 Um in dieser einheitlichen Region Rechtsgleichheit herzustellen und damit einheitliche Lebensverhältnisse zu schaffen, Reibungsverluste zwischen den Ländern zu vermeiden, die Mobilität der Bevölkerung zu erhöhen oder durch die gemeinsame Wahrnehmung einer Aufgabe deren Bedeutung zu betonen, ist eine Zusammenarbeit beider Länder zwingend erforderlich.191 186

LtBbg Drs. 4/6687, S. 81 ff.; siehe auch AvB Drs. 16/2787, S. 5. Daten aus dem Statistischen Jahrbuch Berlin des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg, Potsdam 2010, S. 85. 188 Hartmann u. a., S. 25. 189 Benz/König, S. 45 f. 190 Wormit, S. 181. 191 Bothe, Generalbericht, S. 194 u. 223; Grawert, S. 23; Hesse, FS Müller, S. 144; Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 192; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 20; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 240; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 18. 187

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

2. Die Kooperationsvereinbarung zwischen Berlin und Brandenburg Aufgrund der dargestellten vielfältigen Abhängigkeiten beider Länder voneinander unterzeichneten die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg bereits kurz nach der gescheiterten Volksabstimmung über den Neugliederungsvertrag am 20. November 1996 eine Kooperationsvereinbarung.192 In ihrer Präambel werden folgende Ziele genannt: • die Stärkung der Region Berlin-Brandenburg im Wettbewerb der europäischen Regionen, • die Koordinierung von Planungen, Maßnahmen und ihrer Rechtsetzungsvorhaben zum gegenseitigen Vorteil, • die wirksamere Wahrnehmung gemeinsamer Interessen gegenüber Dritten, • die Stärkung des Bewusstseins der Zusammengehörigkeit, • das Hinwirken auf einen Interessenausgleich in Streitfällen sowie • die Wahrung der Chance für die Bildung eines gemeinsamen Landes. Die Zusammenarbeit und Koordinierung soll in erster Linie den Fachressorts obliegen. Kernstück der Vereinbarung ist die Bildung eines gemeinsamen Koordinierungsrats, der als politisches Beratungsgremium die Verwirklichung der vereinbarten Ziele und die Zusammenarbeit der beiden Länder sicherstellen soll. Er hat keine hoheitlichen Befugnisse und kann an die Regierungen und Ressorts der beiden Länder nur Empfehlungen richten. Zu ständigen Mitgliedern des Koordinierungsrates wurden der Regierende Bürgermeister von Berlin, der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, jeweils vier Mitglieder der Landesregierungen sowie die Chefs der Berliner Senatskanzlei und der Brandenburgischen Staatskanzlei berufen. Unter Ziffer 2 der Vereinbarung ist vorgesehen, dass die beiden Regierungen sich einmal jährlich zu einer gemeinsamen Sitzung treffen. Dies wurde in der Folgezeit auch so praktiziert.193 Zudem verpflichteten sich Berlin und Brandenburg, sich frühzeitig und gegenseitig über alle wesentlichen Angelegenheiten zu unterrichten, die die gemeinsame Region betreffen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung arbeiteten beide Länder bereits im Jahr 1999 in allen wesentlichen Bereichen, in denen sie aufeinander angewiesen sind, zusammen.194 Seit dem Jahr 2004 legt der Senat dem Abgeordnetenhaus einmal jährlich einen Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie die weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden vor,195 seit dem Jahr 2010 wurde der Berichtsturnus auf 192 193 194

AvB Drs. 13/1085. AvB Drs. 13/1085, S. 2; Musil/Kirchner, S. 11. Bauer/Seidel, LKV 1999, 343, 344; Röber/Völkel, VerwArch 90 (1999), 112,

116 f. 195

AvB Drs. 15/4501, S. 5, Nr. 21.

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zwei Jahre erweitert. Diese Berichte werden im Anschluss im Internet veröffentlicht.196 Die Zusammenarbeit beider Länder wurde und wird gegenüber einer Fusion lediglich als zweitbeste Lösung für die Region angesehen.197 Die Charakterisierungen des Koordinierungsrates als „kleiner gemeinsamer Nenner“, „eine Art Klagemauer“, „zweitbeste Lösung“, „zweitbester Weg“, Instrument der „Information und Feuerwehr“, „Länderehe light“ waren hierfür kennzeichnend.198 An die Stelle eines Zwanges zum Kompromiss, der in den Fusionsvertrag eingebaut war, trete nun beinahe ein Zwang zum Länderegoismus. Es wurde befürchtet, dass die Förderpolitik, die Ansiedlungspolitik und die Konkurrenz um die Steuerzahler wieder auf das Wohl des jeweils eigenen Landes ausgerichtet werden.199 Aufgrund dieser politischen Einschätzung der Zusammenarbeit beider Länder lediglich als Ersatzlösung hatte die Kooperationsvereinbarung ausdrücklich auch den Zweck, die Chance für die Bildung eines gemeinsamen Landes zu wahren.200 Daher stand die gesamte nunmehr betriebene Zusammenarbeit beider Länder zunächst unter dem Ziel, die Länder bis zum Jahr 2009 über einen neuen Fusionsvertrag und eine Volksabstimmung im Jahr 2006 zusammenzuführen.201 Dies ist rechtlich trotz der gescheiterten Fusion im Jahr 1996 weiterhin möglich, denn weder Art. 118a GG noch Art. 97 VvB und Art. 116 Bbg.Verf. sind verbraucht.202 Die Artikel betreffen nicht allein die gescheiterte Fusion im Jahr 1996. Ein Fusionsversuch kann von beiden Ländern immer wieder von Neuem gestartet werden, soweit sich die politischen Mehrheiten hierfür finden. Eine erfolgreiche und tagtäglich praktizierte Zusammenarbeit beider Länder, die für die Bürger wahrnehmbar und vorteilhaft ist, sollte einen positiven Einfluss auf den Volkswillen zur Länderfusion entfalten.203 Seit Ende 2003 stellte Brandenburg jedoch das Ziel einer Fusion bis zum Jahr 2009 zunehmend infrage. Der Ministerpräsident Platzeck distanzierte sich im Dezember 2003 öffentlich vom bisherigen Zeitplan 2006/2009 und begründete dies mit den gravierenden Finanzproblemen Berlins. Diese müssten vor einer Volks196 Die Fortschrittsberichte sind online im Internet unter http://www.berlin-branden burg.de/politik-verwaltung/dokumente/berichte/index.html abrufbar. 197 Bauer/Seidel, LKV 1999, 343, 347; Hruschka, S. 44; Klatt, ZBR 1997, 137, 145; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 258; Westerhof, LKV 1995, 361, 362. 198 Zitiert nach Hoppe, DVBl. 1997, 234, 238. 199 Kleger, S. 147. Siehe zur Fusion als Alternative zur Zusammenarbeit näher in Kapitel F. unter Punkt III.2. 200 Siehe hierzu auch Bauer/Seidel, LKV 1999, 343, 344; Wormit, S. 62 f.; Wilke, S. 62; Zivier, Rdnr. 95.2. 201 Hartmann u. a., S. 48; Tripke, S. 140. 202 Driehaus, VvB, Art. 97, Rdnr. 2; Pfennig, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 97, Rdnr. 4; Tripke, S. 134; Zivier, Rdnr. 22.4. 203 LtBbg Drs. 3/2796, S. 1. Siehe hierzu auch Tripke, S. 188 f.

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abstimmung geklärt sein. Zudem brachte er den Vorschlag eines Bundeslandes Berlin-Brandenburg-Mecklenburg-Vorpommern in die Diskussion ein.204 Konkrete Verfahrensschritte und ein konkreter Zeitplan mit dem Ziel eines erneuten Fusionsversuchs wurden in der Folgezeit nicht wieder aufgeworfen. Die Senatskanzlei Berlin und die Staatskanzlei Brandenburg haben Ende 2009 sogar ausdrücklich festgehalten, dass eine Zusammenführung beider Länder aktuell nicht auf der Tagesordnung stehe.205 Immer wieder vereinzelt stattfindende politische Anstöße in die Richtung einer Fusion206 sind bisher nicht in ernsthafte Bemühungen umgeschlagen. Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2006207 zum Normenkontrollantrag Berlins erscheint eine Fusion der Länder Berlin und Brandenburg mangels einer positiven Klärung der Finanzperspektive Berlins208 politisch nicht mehr durchsetzbar. Die von Brandenburg zu jedem Zeitpunkt geforderte positive Klärung ist heute ferner denn je. Lagen die Schulden Berlins im Jahr 1996, dem Jahr des Scheiterns der Fusion, bei 26,9 Mrd. Euro,209 sind sie bis zum Jahr 2007 bereits auf über 62 Mrd. Euro angestiegen210 und werden 2011 fast 66 Mrd. Euro betragen.211 Unter diesen Voraussetzungen ist eine Fusion beider Länder zumindest in Brandenburg politisch nicht durchsetzbar. Da die Fusion beider Länder zwar von vielen als bester Weg angesehen wird, derzeit aber nicht umsetzbar ist, wendet sich das Hauptaugenmerk auf ihre Zusammenarbeit. Beide Länder wollen durch eine möglichst enge Zusammenarbeit 204 Tripke, S. 142. Die Koalitionsvereinbarung der Brandenburger Landesverbände von SPD und CDU vom 12. Oktober 2004 hielt zwar am Ziel eines Länderzusammenschlusses fest. Die bisherige Zeitplanung „2006/2009“ wurde jedoch nicht aufrechterhalten (AvB Drs. 15/3370, S. 10). 205 AvB Drs. 16/2787, S. 4. Tripke, S. 217 kommt in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass im Oktober 2007 die Länder Berlin und Brandenburg nicht reif für eine Fusion waren. 206 Der aktuellste Vorstoß ist von dem Kreisvorsitzenden Sascha Krämer (Die Linke) zu verzeichnen, wobei die Fusionsdebatte „nicht auf morgen oder übermorgen“ abziele. Siehe hierzu den Bericht in der Märkischen Oderzeitung vom 10. Februar 2011, Linke stellt Länderfusion erneut zur Debatte, online im Internet unter http://www.moz.de/ nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/282157/. 207 BVerfGE 116, 327. Das Bundesverfassungsgericht entschied unter anderem, dass sich Berlin nicht in einer extremen Haushaltsnotlage befindet und daher keinen Anspruch auf Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zum Zwecke der Haushaltssanierung hat (S. 394 ff.). Siehe hierzu auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 107, Rdnr. 39 ff. 208 AvB Drs. 16/0074, S. 24. Ausführliche Darstellung bei Tripke, S. 152 ff. 209 AvB Drs. 14/1165, S. 18. 210 AvB Drs. 16/0548, S. 36 (Ansicht 19); Tripke, S. 167. 211 Zawathka-Gerlach, 6,3 Milliarden Euro neue Schulden für Berlin, in: Der Tagesspiegel, vom 16. Mai 2009, online im Internet unter http://www.tagesspiegel.de/berlin/ landespolitik/6-3-milliarden-euro-neue-schulden-fuer-berlin/1513096.html.

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die Region Berlin-Brandenburg zukünftig gestalten.212 Unter diesen Voraussetzungen ist in den letzten 15 Jahren ein breites Netz der Zusammenarbeit entstanden. Es umfasst grundsätzlich alle Verwaltungsfelder, von der Landesplanung und dem Verkehr, über Wirtschaft, Justiz, Inneres, Finanzen, Umwelt, Gesundheit und Soziales bis hin zu Bildung, Wissenschaft und Kultur. Von diesen Bereichen soll im Folgenden die Zusammenarbeit in ausgewählten Aufgabengebieten dargestellt werden, um einen ersten Überblick über das Untersuchungsthema und seine praktischen Hintergründe zu gewinnen. Eine Übersicht über die breite Palette der Zusammenarbeit beider Länder findet sich in Anlage 2. 3. Ausgewählte Bereiche der Zusammenarbeit beider Länder Im Folgenden sollen ausgewählte Arbeitsbereiche beider Länder und die hierin stattfindende Zusammenarbeit dargestellt werden. a) Landesplanung Ausgangspunkt und Grundlage der Zusammenarbeit beider Länder ist der Bereich der Landes- und Regionalplanung. Für diesen musste zunächst ein räumlicher Bezugsrahmen gefunden werden, der den jeweiligen Aufgabenstellungen des Regierungs- und Verwaltungshandelns angemessen ist.213 Als problematisch für die Bestimmung dieses Bezugsrahmens stellte sich die Tatsache heraus, dass die räumliche Reichweite einzelner „regionaler“ Aufgaben allgemein sehr unterschiedlich ist. Während beispielsweise die Abfall- und Abwasserentsorgung überwiegend im engeren Umland von Berlin stattfindet, reichen die Aufgaben der Trinkwasser- und Energieversorgung räumlich weit in die Brandenburger Peripherie hinein.214 Diesen unterschiedlichen Gegebenheiten musste sich eine beide Länder umfassende Landesplanung anpassen. Am 6. April 1995 haben beide Länder den Landesplanungsvertrag215 (LaPlaV), eine Verwaltungsvereinbarung über Organisation, Verfahren und Finanzierung der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung, und am 7. August 1997 den 212 Siehe hierzu die Presseinformation der Staatskanzlei Brandenburgs zum Urteil vom 19. Oktober 2006 unter http://www.stk.brandenburg.de. Eine Übersicht der bis zum Jahr 1999 entstandenen Zusammenarbeit findet sich bei Röber/Völkel, VerwArch 90 (1999), 112, 118 ff. 213 Zu den rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen einer gemeinsamen verbindlichen Landes- und Regionalplanung für Berlin und Brandenburg im Jahr 1992 siehe die Gutachten in AvB Drs. 12/2357, S. 35 ff., zum Stand der Landesplanung beider Länder im Jahr 1992 S. 54 ff. 214 AvB Drs. 12/2357, S. 53. Ausführlich hierzu Benz/König, S. 49 f. 215 BlnGVBl. 1995, S. 408. Ausführlich zum Staatsvertrag zur Landesplanung siehe Hartmann u. a., S. 104 ff.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Staatsvertrag über das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm216 beschlossen. Durch diese beiden Verträge haben Berlin und Brandenburg die Grundlagen für ihre rechtsverbindliche Zusammenarbeit geschaffen und weitgehend auf ihre individuelle Gestaltungsfreiheit im Bereich der Raumordnung und Landesplanung verzichtet.217 Zum 1. Januar 1996 wurden als gemeinsame Einrichtungen218 für den Bereich der Raumordnung und Landesplanung eine gemeinsame Planungsabteilung, eine gemeinsame Landesplanungskonferenz und eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landesplanungskonferenz geschaffen. Die gemeinsame Landesplanungsabteilung ist Teil der für Raumordnung zuständigen obersten Landesbehörden beider Länder.219 Als problematisch wurde in der Literatur die relativ große Mitgliederzahl der gemeinsamen Landesplanung angesehen, die eine Einigung erschweren kann.220 Im Sommer 2005 haben Berlin und Brandenburg beschlossen, das System der gemeinsamen Landesplanung vollständig zu überarbeiten. Im Ergebnis wurde am 10. Oktober 2007 der Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über das Landesentwicklungsprogramm (LEPro) 2007 und über die damit zusammenhängende Änderung des Landesplanungsvertrages unterzeichnet.221 Am 31. März 2009 haben die beiden Länder schließlich den neuen Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (LEP B-B) verabschiedet.222 Im 216 BlnGVBl. 1997, S. 658. Das Landesentwicklungsprogramm wurde damals durch den Gemeinsamen Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin (LEP eV) konkretisiert (Verordnung über den gemeinsamen Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin vom 2. März 1998, BbgGVBl. II/98, S. 186). Dieser Plan musste mit 276 Umlandgemeinden abgestimmt werden. Er wies 26 potentielle Siedlungsbereiche und grüne Tabuzonen aus (Hruschka, S. 39). Seine Vorgaben entsprachen dem zwischen den beiden Ländern vereinbarten „Leitbild der dezentralen Konzentration“, das eine Vermeidung der Zersiedlung im Berliner Umland und gleichzeitig die Entwicklung der ländlichen Gebiete Brandenburgs vorsah. Zusammenhängende Naturräume und Landschaften im Berliner Umland, die Ausgleichsfunktionen für die Metropole übernehmen können, sollten erhalten bleiben, denn nahegelegene, intakte Erholungsgebiete und Frischluftschneisen sichern und verbessern die Lebensqualität in der Stadt und wirken als positive, weiche Standortfaktoren der Unternehmensansiedlung (Hartmann u. a., S. 100). 217 Zivier, Rdnr. 96.2.1. 218 Zum Begriff der gemeinsamen Einrichtung siehe in Kapitel C. unter Punkt II.2. 219 Ausführlich zur gemeinsamen Landesplanungsabteilung siehe in Kapitel C. unter Punkt II.2.a)bb). In der Literatur wurde positives Erstaunen darüber geäußert, dass trotz der strukturellen Asymmetrien zwischen beiden Ländern diese bundesweit einmalige Behörde so schnell etabliert werden konnte (Kleger, S. 149). Eine Besonderheit des Vertragswerks ist die Rechtsgrundlage für ein Raumordnungsverfahren, das das Land Berlin mit einbezieht, welches vorher aufgrund seines Stadtstaatenstatus keine Raumordnung kannte (Hruschka, S. 39). 220 Hruschka, S. 32. Ausführlich zu den verschiedenen möglichen Modellen der Landesplanung im Raum Berlin-Brandenburg AvB Drs. 12/2357, S. 62 ff. 221 AvB Drs. 16/1052, S. 13 f. 222 AvB Drs. 16/2787, S. 13.

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Gegensatz zu den vorangegangenen Regelungen gibt es seitdem keinen separaten Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechtungsraum Brandenburgs um Berlin. Dies folgt dem Wunsch des Landes Brandenburg, sich nicht in zwei Teile (einen engeren Verflechtungsraum und einen äußeren Entwicklungsraum) aufteilen zu lassen. Folge sind jedoch höhere Zersiedlungen im engeren Verflechtungsraum, durch die das Land Brandenburg die eigene Wirtschaftskraft stärken möchte. Mit dem Ziel, den Bürgern, der Politik, den Verwaltungen, der Wirtschaft und Kultur sowie allen öffentlichen und gesellschaftlichen Organisationen einen gemeinsamen Orientierungsrahmen zu geben,223 hat die Gemeinsame Landesplanungsabteilung der Länder Berlin und Brandenburg im August 2006 ein Leitbild224 der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg herausgegeben. Mit der Bezeichnung „Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“ will sich die Region von den anderen deutschen Metropolregionen unterscheiden. Das Leitbild ist eine wichtige Grundlage für die gemeinsame Außendarstellung der beiden Länder.225 In seinem Vorwort heißt es: „Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ist auf vielen zukunftsweisenden Gebieten bereits Wirklichkeit geworden: . . . Wir wissen, nur gemeinsam können wir den nationalen und internationalen Wettbewerb um Arbeitsplätze und Investitionen, um Entwicklungs- und Zukunftschancen bestehen. Deshalb wollen wir die jeweiligen Stärken beider Länder gemeinsam nutzen, unsere Kräfte bündeln und zusammen mit den Menschen die Zukunft der Hauptstadtregion gestalten. Berlin – das zeigt die historische Erfahrung – kann ohne Region keine Metropole sein. Und Brandenburg mit seiner eigenen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklung profitiert dabei von der großen Ausstrahlung und der Internationalität Berlins in seiner Mitte.“ 226 Ziel der Landesplanung ist es, Berlin und Brandenburg gemeinsam als Metropolregion zu profilieren.227 Hierfür stellt ein gut ausgebautes Verkehrsnetz, das die Region mit anderen europäischen Metropolregionen verbindet, eine Grundvoraussetzung dar. b) Verkehr Berlin war historisch betrachtet ein bedeutender Verkehrs- und Handelspunkt auf den europäisch-asiatischen Achsen Paris–Moskau sowie Stockholm–Wien. 223

Leitbild Berlin-Brandenburg, S. 5, 12 und 24. Der Begriff des Leitbildes findet sich unter anderem im Planungsrecht. Hier beschreiben Leitbilder „künftige, auf bestimmte Ziele ausgerichtete Zustände (räumliche Ordnung), welche durch zweckmäßiges Handeln und Verhalten (Raumordnungspolitik) erreicht werden können“ (Noll, S. 84). Rechtlich sind die in einem Leitbild festgelegten Ziele nicht verbindlich. Es umfasst allgemeine Zielvorgaben und ist noch loser als ein Konzept oder ein Programm (Hartmann u. a., S. 102). 225 AvB Drs. 16/1940, S. 5. 226 Leitbild Berlin-Brandenburg, S. 3. 227 AvB Drs. 16/2787, S. 13. 224

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Diese Funktion brach mit der Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg fast vollständig zusammen. Heute versucht die Region Berlin-Brandenburg, diese Knotenpunktfunktion wieder zurückzugewinnen.228 Dabei profitieren die Stadt Berlin und ihr Umland noch immer von dem sternförmigen Schienennetz aus dem 19. Jahrhundert und dem in den 30er Jahren begonnenen Autobahnnetz mit dem Berliner Ring, der die Stadt vollständig umrundet, und seinen strahlenförmigen Autobahnabzweigungen in alle Himmelsrichtungen.229 Um aber auch zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden, sind zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg abgestimmte Verkehrskonzepte von großer Bedeutung. Das haben beide Länder bereits früh erkannt, und ihre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Landesplanung dementsprechend gestaltet. In diesem Zusammenhang setzte sich Brandenburg bereits im Jahr 1992 den Aufbau eines attraktiven Regionalbahnverkehrs für die Region zum Ziel. Das Regionalbahnsystem sollte die Landesentwicklungspolitik auf der Grundlage des räumlichen Leitbildes der dezentralen Konzentration unterstützen, indem schnelle und häufige Verkehrsverbindungen von den Zentren der dezentralen Konzentration vor allem in den Großraum Berlin/Potsdam angeboten werden. Die regionalen Entwicklungszentren sollten durch einen Expressverkehr mit einer Fahrzeit von 30 bis 40 Minuten im Halbstundentakt mit Berlin und Potsdam verbunden werden. Zur planerischen Umsetzung dieses Ziels bildeten Berlin und Brandenburg 1992 die Projektgruppe Bahn. In ihr arbeiteten Vertreter der Landesentwicklungsgesellschaft Brandenburg und der DB AG zusammen. Als Ergebnis ihrer Arbeit stellte die Projektgruppe 1994 die Regionalbahnkonzeption für Berlin und Brandenburg, das sogenannten Zielnetz 2000, vor. Durch seine Umsetzung verbesserte sich in den Ländern Berlin und Brandenburg das Regionalverkehrsangebot erheblich.230 Die Idee der Einrichtung eines dritten Eisenbahnrings um Berlin als Schnellbahnring zur Verbindung der damaligen Mittel- und Oberzentren Brandenburgs231 konnte sich demgegenüber nicht durchsetzen. Daneben arbeiten die Länder Berlin und Brandenburg an einem länderübergreifenden Verkehrs- und Mobilitätsmanagement. Sie schlossen sich im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH (VBB) zusammen.232 Am 23. November 2009 wurde eine Berlin und Brandenburg als einheitlichen Verkehrsraum betrachtende und alle Verkehrsträger umfassende Verkehrsprognose als verkehrspolitische und -planerische Grundlage für den Planungszeithorizont 2025 erstellt. 228

Döring u. a., S. 18 f.; Prognos, Wirtschaftsregion, S. 31. Prognos, Wirtschaftsregion, S. 37. 230 Kleger, S. 75 f. 231 AvB Drs. 12/2357, S. 50 m.w. N. 232 Zivier, Rdnr. 96.3.2. Gesellschafter des VBB sind die Aufgabenträger des regionalen ÖPNV, die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie die kommunalen Gebietskörperschaften, die Landkreise und kreisfreien Städte in Brandenburg. Siehe hierzu näher in Kapitel C. unter Punkt II.2.c)bb). 229

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Es entstanden bereits eine gemeinsame Autobahnverkehrsrechnerzentrale und eine gemeinsame Verkehrsmanagementzentrale beider Länder.233 Das hervorstechendste gemeinsame Projekt der Länder Berlin und Brandenburg im Bereich Verkehr ist aber der Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg International und die länderübergreifende Entwicklung seines Umfeldes.234 Die Bauarbeiten haben am 5. September 2006 begonnen. Ein wichtiger Schritt zur Konzentration des Flugverkehrs am Standort Schönefeld war dabei die Schließung des Flughafens Tempelhof zum 31. Oktober 2008. Zur Koordinierung der Flughafenumfeldentwicklung arbeiten die zuständigen Ressorts beider Länder mit den örtlich betroffenen Landräten und Bürgermeistern der Brandenburger Gemeinden und der angrenzenden Berliner Bezirke eng zusammen. In diesem Zusammenhang hat am 21. Februar 2007 erstmals der Lenkungsausschuss unter Vorsitz des Berliner Wirtschaftssenators und des Ministers für Wirtschaft des Landes Brandenburg getagt und vereinbart, gegenseitig auf eine aktive Abwerbung von Unternehmen zu verzichten. Zur Umsetzung dieser Vereinbarung verfolgen beide Länder eine gemeinsame Ansiedlungs- und Standortmarketingstrategie für das Umfeld des zukünftigen Flughafens Berlin-Brandenburg International, die durch das Airport Region Team mit Sitz am Flughafen Schönefeld umgesetzt wird.235 Zur Bündelung der Aufgaben auf den Gebieten der Luftfahrt und der Luftsicherheit wurde zum 1. August 2006 am Flughafen Berlin-Schönefeld eine Gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg errichtet. Ziel der Länder Berlin und Brandenburg ist es, die Metropolregion zu einem europäischen Knoten des Personenverkehrs und der Güterlogistik zu entwickeln.236 Hierdurch versprechen sich beide Länder mehr Wettbewerbsfähigkeit und die Möglichkeit, wichtige Wirtschaftsimpulse in die Region zu lenken. c) Wirtschaft Gerade auf dem Gebiet der Wirtschaft ist eine enge Zusammenarbeit beider Länder wichtig. So haben sich beispielsweise die Wirtschaftsverbände schon frühzeitig für ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg ausgesprochen. Insgesamt ist das Bewusstsein der Akteure für die Gesamtregion im Bereich der 233

AvB Drs. 16/2787, S. 12 f. Informationen zu dem Flughafen Berlin-Brandenburg International finden sich im Internet unter http://www.berlin-airport.de/DE/BBI/index.html und unter http:// gl.berlin-brandenburg.de/bbi/index.html. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorhaben grundsätzlich, abgesehen von notwendigen Änderungen hinsichtlich des Lärmschutzes, als rechtmäßig angesehen (BVerwGE 125, 116). Hinsichtlich der Beanstandungen wird ein Planergänzungsverfahren „Lärmschutzkonzept“ durchgeführt (dazu Deutsch, NVwZ 2006, 878 ff.; de Witt, DVBl. 2006, 1376 ff.). 235 AvB Drs. 16/2787, S. 9 und 11; AvB Drs. 16/1052, S. 15 f.; AvB Drs. 16/0074, S. 13 f. 236 AvB Drs. 16/1940, S. 9 f. 234

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Wirtschaft besonders stark ausgeprägt. Das zeigt sich immer dann, wenn es um die Außenvertretung der Region geht. Hier ist die Notwendigkeit gemeinsamer Strategien und Aktionen allen Beteiligten unmittelbar einsichtig, weil isolierte und getrennte Anstrengungen beider Länder im System des globalen Wettbewerbs wirkungslos verpuffen würden.237 Seit August 2005 präsentierten sich beide Länder daher für eine gemeinsame Vermarktung der Wirtschaftsregion im Internetportal „Business Location Center“.238 Auf europäischer Ebene wurde am 11. Mai 2006 in Brüssel die Wirtschaftspräsenz Berlin-Brandenburg eröffnet, deren vorrangige Aufgabe die Vertretung der Interessen der Wirtschaft der deutschen Hauptstadtregion gegenüber den europäischen Institutionen in Brüssel ist.239 Die gemeinsam entwickelte Business-Marke „The German Capital Region“ mit dem Werbespruch „More value for your investment“ wird von der Berlin Partner GmbH und der ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH (ZAB) in einer Kampagne zur Vermarktung der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg eingesetzt. Der markenbegleitende Internet-Auftritt www.capital-region.de verknüpft die verschiedenen Marketingmaßnahmen miteinander und stellt die wesentlichen Standortvorteile der Hauptstadtregion vor.240 Mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg werden jährlich herausragende Innovationen aus der Hauptstadtregion ausgezeichnet.241 Gemeinsames Ziel beider Länder ist der Erhalt und die Ansiedlung von Unternehmen im Großraum Berlin-Brandenburg. Dabei sind sich beide Wirtschaftsressorts einig, dass angesichts des zunehmenden interregionalen Wettbewerbs nur gemeinsames Handeln für die Gesamtregion zu positiven Ergebnissen führt. In diesem Sinn hat das Land Berlin beispielsweise im Jahr 1994 Berliner Fördermittel an das Land Brandenburg abgegeben, die sonst für die Region verloren gewesen wären.242 Als Ergebnis dieser engen Zusammenarbeit beider Länder verzeichnete die Expertise des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung (DIW) zur „Wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Berlin und Brandenburg“, die am 25. Juni 2007 im Berliner Rathaus vorgestellt wurde, eine im Vergleich zu einer früheren Untersuchung aus dem Jahr 1995 stark gestiegene Häufigkeit der Kooperationen zwischen den Wirtschaftsunternehmen in Berlin und Brandenburg.243 Auch auf 237

AvB Drs. 12/4505, S. 3; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 20. Das BLC bündelt alle in Berlin und Brandenburg verfügbaren Daten zu Märkten, Technologien, Arbeitsmarkt, Immobilien, Außenwirtschaft, Forschung, Infrastruktur und Finanzierung. Nähere Informationen finden sich unter http://www.businesslocation center.de. 239 AvB Drs. 16/0074, S. 6 f. 240 AvB Drs. 16/1052, S. 7. 241 AvB Drs. 16/0074, S. 10. 242 Benz/König, S. 109; Döring u. a., S. 26; AvB Drs. 16/1940, S. 5. 243 DIW Berlin, Wirtschaftliche Verflechtung zwischen Berlin und Brandenburg – Expertise im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft des Landes Brandenburg und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen des Landes Berlin, online im 238

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dem Gebiet der Investorenwerbung ist durch die gemeinsame Arbeit von Berlin Partner und ZAB unter dem Logo „Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“ die Attraktivität der Region für Investoren deutlich gestiegen, was sich in einer gestiegenen Zahl von Ansiedlungen niederschlage. Auch hier zeigt sich, dass beide Länder in der Investorenwerbung unmittelbar voneinander profitieren.244 Sobald es aber um den vorhandenen Bestand der Unternehmen geht, sieht es nicht mehr ganz so harmonisch zwischen beiden Ländern aus. Auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung bestehen allgemein Spannungen zwischen Stadt und Umland. Hier gibt es selbst innerhalb eines Bundeslandes einen intensiven interkommunalen Wettbewerb. Im Umland der Städte verschärft sich dieser, weil die Gemeinden von der Suburbanisierung des Gewerbes profitieren. Für viele Unternehmen können sie günstigere Standortbedingungen bieten als die Kernstädte, während die Kernstädte aber weiterhin ihre auch von den Einwohnern der Umlandgemeinden genutzten Infrastrukturleistungen unterhalten und bezahlen müssen. Im Fall der Stadtstaaten, wie Berlin, wird dieser interkommunale Wettbewerb überlagert von einem Wettbewerb der Länder um Gewerbebetriebe.245 Bei der Abwerbung von Gewerbebetrieben aus Berlin in das Berliner Umland, die mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Steuerquellen für das Bundesland Berlin verbunden sind, treten die Interessengegensätze der Länder Berlin und Brandenburg offen zu Tage. Diese Steuerausfälle infolge der Abwanderung aus der Stadt sind für Berlin vor allem deshalb ein Problem, weil eine Vielzahl seiner Infrastrukturleistungen weiterhin von den Abgewanderten genutzt, aber nicht mehr mitfinanziert wird.246 Gerade in der Konkurrenzsituation um die Ansiedlung von Unternehmen entstanden daher in der Vergangenheit immer wieder Spannungen zwischen beiden Ländern. Ein Beispiel hierfür ist der Streit über die Ansiedlung eines Factory-Outlet-Centers in Eichstädt nahe Berlins. Die Errichtung des „Einkaufsparks Eichstädt“ wurde nach mehrjährigem Streit durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg untersagt. Das Normenkontrollverfahren wurde vom Land Berlin angestrebt mit der Argumentation, dass dieses Center der gemeinsamen Landesplanung widerspreche.247 Unter diesen Voraussetzungen einvernehmlich zusammen zu arbeiten, scheint nicht allzu leicht möglich zu sein. Jedes Bundesland wird grundsätzlich zunächst seine eigenen Interessen gegen das andere Land möglichst weitgehend durchzusetzen versuchen. So hat Berlin bei der Wirtschaftsplanung neben seinem Gebiet Internet auf der Homepage des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg unter http://www.mwe.brandenburg.de/media_fast/bb2.a.55 99.de/DIW_Studie07_lang.pdf, S. 1 u. 67. 244 AvB Drs. 16/1052, S. 7. 245 Benz/König, S. 109; Döring u. a., S. 25; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 21. 246 Hartmann u. a., S. 43. Siehe hierzu auch in der Einleitung unter Punkt II. 247 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.05.2006 (Az.: 12 A 28.05). Zu den FactoryOutlet-Centern im Umland Berlins ausführlich Battis, LKV 1999, 347.

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noch sein Umland im Blickfeld, es interessiert sich aber wenig für die Entwicklung in den weiter entfernten Regionen. Brandenburg konzentriert sich demgegenüber auf die Förderung eigener Entwicklungszentren und muss verhindern, dass die strukturschwachen Gebiete allzu weit zurückbleiben.248 Diese Interessengegensätze werden auch institutionell sichtbar. Seit langem war in Bezug auf die gemeinsame Wirtschaftsförderung die Zusammenlegung der Wirtschaftsfördergemeinschaften Berlin Partner und ZAB im Gespräch. Das gemeinsame Aktionsprogramm sprach von einer geplanten gemeinsamen Wirtschaftsförderungsgesellschaft.249 1994 wollte Brandenburg die Gesellschaften zwar nicht mehr zusammenlegen, akzeptierte aber die schwächere Form einer institutionellen Verschmelzung durch eine Holding als GmbH unter Beteiligung von länderübergreifend bedeutsamen Unternehmen und Institutionen der Wirtschaft.250 Angestrebtes Ziel war ihre Zusammenführung bis 2008.251 Dieses Ziel wurde Anfang März 2007 von Seiten Berlins aufgegeben, weil sich die gemeinsame Vermarktung des Stadtstaates Berlin und des Flächenlandes Brandenburg in der Praxis schwierig gestaltet hatte und Berlin auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung weiter selbständig handlungsfähig sein wollte.252 Damit stellen sich die Berlin Partner GmbH und die ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH (ZAB) weiterhin als zwei getrennte privatrechtliche Formen der Wirtschaftsförderung dar.253 Der Wunsch nach selbständiger Handlungsfähigkeit beider Länder macht ihre umfassende und verbindliche Zusammenarbeit besonders auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung schwierig. So wurde beispielsweise die bis Ende des Jahres 2006 existierende gemeinsame „Arbeitsmarktregion“ von Berlin und den angrenzenden Gemeinden im Land Brandenburg mit einheitlichen Fördersätzen mit Beginn der Förderperiode 2007 wieder aufgehoben. Beide Länder wollen dennoch ineffiziente, nicht gewollte Förderkonkurrenzen soweit wie möglich verhindern und haben hierfür im April 2007 eine „Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen Berlin zu den Informations- und Entscheidungsprozes-

248

Für die Region Hamburg hierzu Scharpf/Benz, S. 56. Wobei der Zusatz „gesellschaft“ von Brandenburg gestrichen wurde (AvB Drs. 12/2681, S. 2, Fn. 3). 250 AvB Drs. 12/4505, S. 3; Hartmann u. a., S. 63 f. 251 AvB Drs. 16/0074, S. 9; AvB Drs. 16/1052, S. 8. 252 Röber, in: Bufalica/Röber, S. 21; Tripke, S. 153, insbes. Fn. 830. 253 Gesellschafter der Berlin Partner GmbH sind die IBB-Investitionsbank Berlin zu 45 %, die Partner für Berlin Holding-Gesellschaft für Hauptstadt-Marketing mbH zu 40 %, die Handwerkskammer Berlin zu 5 %, die Industrie- und Handelskammer zu Berlin zu 5 % und die UVB Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg e. V. zu 5 %. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist der Wirtschaftssenator Harald Wolf. Gesellschafter der ZAB ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH sind das Land Brandenburg zu 74,9 %, die Kammern des Landes Brandenburg und die Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg zu 25,1 % Anteilen. 249

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sen bei Ansiedlungen und Verlagerungsinvestitionen“ getroffen.254 Bereits 1992 hatte das Land Brandenburg beschlossen, dass es förderpolitisch bedingte Randwanderungen Berliner Unternehmen in das Berliner Umland nicht mehr unterstützen wolle.255 Fortschritte gehen auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung immer wieder einher mit Rückschlägen. Seit dem 1. Juli 2009 ist das Land Brandenburg nicht mehr Partner des Business Location Centers256, weil es mit der Entwicklung eines eigenen Marketinginstrumentes der Vermarktung des Flächenlandes besser gerecht werden möchte. Hierfür entwickelt das Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg gegenwärtig mit dem Landeswirtschaftspräsentationstool ein eigenständiges, georeferenziertes Marketinginstrument.257 Es bleibt aber bei einer engen Abstimmung beider Länder in allen Fragen der Wirtschaftsförderung auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung zwischen der ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH (ZAB) und der Berlin Partner GmbH.258 Ob dies für die gemeinsame Vermarktung der Region Berlin-Brandenburg ausreicht, bleibt abzuwarten. Derzeit tritt Berlin im Business Location Center im Internet wieder allein auf. Die Weichen sind in diesem Punkt zunächst weg von der gemeinsamen Region hin zu einer stärkeren Orientierung an den Interessen des eigenen Landes gestellt worden. d) Umwelt Während der Bereich der Wirtschaft durch eine Konkurrenzsituation zwischen beiden Ländern geprägt ist, die landesegoistisches Handeln fördert, drängt sich im Umweltbereich eine Zusammenarbeit beider Länder aufgrund der vielfältigen grenzüberschreitenden Fachthemen geradezu auf. Flüsse oder Naturparks, die in beiden Ländern liegen, können nur gemeinsam sinnvoll verwaltet werden. Zu diesem Zweck haben beide Länder beispielsweise die gemeinsame und einheitliche Verwaltung des Naturparks Barnim auf der Grundlage des länderübergreifenden Pflege- und Entwicklungsplans beschlossen. Durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie sind alle Anlieger bzw. Betroffene des Elbe-Einzugsgebiets zur Zusammenarbeit verpflichtet, die auch praktiziert wird. Für die Bereiche Spree und Havel ist diese Zusammenarbeit unter der Federführung Brandenburgs durch die Verwaltungsvereinbarung vom 18. April 2002 über die Zusammenarbeit im 254

AvB Drs. 16/1052, S. 9. AvB Drs. 12/4505, S. 2. 256 Das Business Location Center ist ein Internetauftritt von Berlin Partner unter http://www.businesslocationcenter.de mit für Unternehmen relevanten Informationen zu Gewerbeimmobilien, Förderung und Finanzierung, Vermittlung und Qualifizierung von Fachkräften sowie Technologie- und Innovationstransfer. 257 AvB Drs. 16/2787, S. 8. 258 LtBbg Drs. 4/6429, S. 37; AvB Drs. 16/1940, S. 7. 255

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Koordinierungsraum Havel geregelt.259 Die Errichtung eines Wasserverbands Spree-Havel, für den sich Berlin eingesetzt hatte, wurde demgegenüber von Brandenburg als zu groß und zu sehr auf Berliner Interessen zugeschnitten abgelehnt.260 Bereits 1992 wurde zwischen Berlin und Brandenburg ein Datenaustausch von Messwerten zum Reinheitsgrad der Luft institutionalisiert. Bei Smog in Berlin werden Hinweisschilder durch die brandenburgischen Autobahnmeistereien im Einzugsbereich Berlins aufgestellt.261 Weiterhin sind im Umweltbereich Auswirkungen von Maßnahmen eines Landes für jeden offen sichtbar auch in anderen Ländern zu spüren. So wird beispielsweise durch die Braunkohleförderung in der Lausitz der natürliche Wasserhaushalt der Spree tiefgreifend verändert, was starke Auswirkungen auf die Gewässerökosysteme und auf die Trinkwasserversorgung der Hauptstadtregion nach sich zieht. Für die Sicherung einer ökologisch verträglichen Wasserbeschaffenheit der Spree und der Trinkwasserversorgung Berlins sind umfassende Maßnahmen zur Kompensation der Auswirkungen erforderlich, die gemeinsam von den Ländern Berlin und Brandenburg durchgeführt werden müssen. Hierzu wurde von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, der Vattenfall Europe Mining GmbH, dem Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Brandenburg und dem Landesumweltamt Brandenburg ein Strategiepapier erarbeitet.262 Darin wurde der Bau eines zusätzlichen Speichers bzw. die Zuführung von Wasser aus der Oder in die Region als notwendige Maßnahmen angesehen. Streit zwischen beiden Ländern brach bei der Frage aus, inwieweit sich Berlin an der Finanzierung dieser Maßnahmen beteiligt. Während Brandenburg die Auffassung vertrat, dass dies ausschließlich Berlin zugutekäme und eine finanzielle Beteiligung ablehnte, war Berlin der Auffassung, dass die Maßnahmen auch für brandenburgische Kommunen nützlich seien und wollte sie nicht allein finanzieren.263 Die Beispiele zeigen, dass auch im Umweltbereich gegenläufige Interessen für Konflikte zwischen beiden Ländern sorgen, weil auch hier wirtschaftliche Interessen hineinspielen. So sind sich Berlin und Brandenburg darüber einig, dass die Erhaltung und Entwicklung von Freiräumen hohe Priorität hat. Hier stehen aber die Interessen Berlins an einer Sicherung von ökologischen Ausgleichsräumen und von Naherholungsgebieten im engeren Verflechtungsraum den Interes259 AvB Drs. 16/0074, S. 14. Zur ökologischen Situation in beiden Ländern siehe auch Döring u. a., S. 87 ff. (insbes. S. 93 ff.). 260 Benz/König, S. 47; Wormit, S. 179. 261 AvB Drs. 12/2357, S. 50. 262 AvB Drs. 16/1052, S. 34; AvB Drs. 16/2787, S. 23. 263 Benz/König, S. 47; Wilke, S. 53 m.w. N.

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sen der Umland-Gemeinden an ausreichenden Wachstumsmöglichkeiten gegenüber. Unter diesem Aspekt herrscht auch immer wieder Uneinigkeit bei der Frage der Ausweisung von Wasserschutzgebieten in brandenburgischen Kommunen im Umland Berlins.264 Am Ende der Darstellung der Zusammenarbeit beider Länder im Umweltbereich soll ein Beispiel noch zeigen, zu welchen „Blüten“ gegenläufige Interessen führen können. So schlug 1994 der damalige brandenburgische Umweltminister eine Art „Öko-Maut“ für Berliner Ausflügler vor, die das Brandenburger Umland zur Erholung aufsuchen. Die Maut sollte dann zur Förderung der Gebiete verwendet werden, die bewusst im Interesse der Attraktivität der Gesamtregion auf eine industrielle Entwicklung verzichten und den Schwerpunkt auf Landschaftspflege legen.265 e) Bildung und Wissenschaft Auf dem Gebiet der Bildung und Wissenschaft hat die Region Berlin-Brandenburg großes Potential, welches es zu nutzen gilt. So besitzt Berlin mit erheblichem Abstand zu anderen Zentren Deutschlands das größte Wissenschaftspotential für die akademische Ausbildung und Grundlagenforschung. Bezogen auf die Größe des Landes finden sich nirgendwo in Deutschland eine größere Dichte und Vielfalt wissenschaftlicher Einrichtungen.266 Selbst in ganz Europa ist der Raum Berlin-Brandenburg die dichteste Forschungslandschaft und weist auch im weltweiten Maßstab mit sechs Universitäten, 19 Fachhochschulen und nahezu 300 wissenschaftlichen Instituten ein herausragendes Innovationspotential auf. In allen Forschungseinrichtungen der Region zusammen arbeiten fast 20.000 Wissenschaftler. Das sind rund ein Viertel der insgesamt in Deutschland in der staatlichen Forschung Beschäftigten.267 Unter dem Gesichtspunkt, dass dieser Bereich erfahrungsgemäß besonderes Ziel von Sparpolitik ist, könnte hier die Zusammenarbeit beider Länder trotz leerer Staatskassen die Sonderstellung der Region gegenüber anderen europäischen Regionen erhalten. Der Brandenburger Landtagsausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur und der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung des Berliner Abgeordnetenhauses treffen sich regelmäßig zu gemeinsamen Sitzungen, in denen unter anderem die gemeinsamen Berichte der Wissenschaftsressorts zur „Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg im Hochschulbereich“ beraten werden.268 Daneben finden regelmäßige Abstimmungen der Wissenschafts264

Benz/König, S. 47. Siehe hierzu Wilke, S. 53 m.w. N. 266 Scherf, S. 56. 267 Prognos, Wirtschaftsregion, S. 64. 268 Siehe beispielsweise für die gemeinsame Sitzung vom 14. Juni 2006 das Ausschussprotokoll 4/327-1 des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur des 265

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ressorts auf Leitungs- und Arbeitsebene sowie in gemeinsamen Arbeitsgruppen zu den Themen Hochschulen, Hochschulkapazitäten und Hochschulgesetzgebung statt.269 Insbesondere wurden die Kooperationen innerhalb von Sonderforschungsbereichen und innerhalb der Exzellenzinitiative in von Berliner Hochschulen getragenen Exzellenzclustern oder Graduiertenschulen intensiviert.270 Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Hochschulen der Region BerlinBrandenburg haben sich in der neu gegründeten Initiative WissenSchafftZukunft mit dem Ziel zusammengeschlossen, die Stärken der Wissenschaftsregion darzustellen.271 Aber auch in diesem Bereich, in dem eine sehr enge Zusammenarbeit besteht, konnte nicht in jedem Einzelfall Konsens zwischen den beiden Ländern erzielt werden, daher gibt es beispielsweise auch künftig doppelte Studiengänge in Berlin und Brandenburg. So warf Brandenburg im Jahr 2008 Berlin vor, sich der Prioritätensetzung für die Wissenschaft und Bildung in der Region nicht anzuschließen.272 Die Grundlagen für eine „Wissenschaftsregion Berlin-Brandenburg“ werden aber bereits in der Schule gelegt. Auch hier sind abgestimmte Maßnahmen beider Länder vorteilhaft. So wurden im Schulbereich das gemeinsame Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e. V., das gemeinsame Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) und das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) errichtet. Das gemeinsame Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) entwickelt unter anderem die Aufgaben des gemeinsamen Zentralabiturs der Länder Berlin und Brandenburg in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch seit dem Schuljahr 2009/2010 auf der Grundlage gemeinsamer Rahmenlehrpläne.273 Für den Besuch von allgemeinbildenden öffentlichen Schulen im jeweils anderen Land wurde zwischen Berlin und Brandenburg die „Vereinbarung über die Gegenseitigkeit beim Besuch von Schulen in öffentlicher Trägerschaft zwischen den Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg“ (sog. Gastschülerabkommen) vom 29. August 2005 abgeschlossen.274 Die hiermit festgeschriebene Möglichkeit, Schulen im jeweils anderen Land zu besuchen, wird von den Bürgern Landtags Brandenburg, herausgegeben am 22. Juni 2006 und für die Sitzung vom 16. April 2008 das Ausschussprotokoll 16/21 des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung des Abgeordnetenhauses von Berlin. 269 AvB Drs. 16/2787, S. 18. 270 AvB Drs. 16/2787, S. 18 ff. mit einer Aufzählung von zahlreichen Projekten innerhalb dieser Initiativen. 271 AvB Drs. 15/3370, S. 9. 272 LtBbg Drs. 4/6429, S. 36. 273 Siehe zur Zusammenarbeit beider Länder im Bildungsbereich ausführlich Kapitel D. unter Punkt III.3.b)bb). 274 AvB Drs. 16/1052, S. 28.

II. Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg seit 1996

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rege genutzt. So besuchten im Schuljahr 2009/2010 rund 3.800 Berliner Schüler Brandenburger Schulen, besonders beliebt sind die Berlin Brandenburg International School in Kleinmachnow und das Schiller-Gymnasium in Potsdam. Umgekehrt lernen im selben Schuljahr etwa 9.300 Brandenburger an Berliner Schulen.275 f) Kultur und Medien Neben der Bildungslandschaft wird auch das kulturelle Spektrum Berlins durch eine große Vielfalt des Angebots und eine hohe Qualität gekennzeichnet. Im leistungsfördernden Wettbewerb der Kunst- und Kultureinrichtungen ist Berlin eine führende Theaterstadt Deutschlands.276 Besonderes Einsparpotential erhofft man sich in diesem Bereich vor allem von der Zusammenführung einzelner Landesbehörden zu gemeinsamen Einrichtungen. Bereits 1992 bzw. 1993 entstanden die gemeinsame Akademie der Wissenschaften und die gemeinsame Akademie der Künste, wobei die Akademie der Künste seit dem 1. Januar 2006 eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.277 Zu nennen ist weiterhin die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Durch eine besonders enge Verzahnung zwischen Berlin und Brandenburg zeichnet sich vor allem der Medienbereich aus. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) als gemeinsame ARD-Landesrundfunkanstalt, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) als gemeinsame Landesmedienanstalt 278 und die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH279 als gemeinsame Einrichtung für Filmförderung und Standortmarketing sowie als Anlaufstelle für alle Akteure der Medienbranche in der Region haben dazu beigetragen, dass sich der Filmstandort Berlin-Brandenburg national wie international deutlich im Aufwind befindet.280 Bereits fünf Jahre nach Errichtung des RBB schätzten die Länder die Anstalt als wirtschaftlich stabiles Fundament für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Region ein.281 Der Fusion wurde große Bedeutung beigemessen, weil sie für alle Bürger eine wahrnehmbare wesentliche Veränderung im Medienbereich darstelle.282 275 Zahlen aus rbb nachrichten, Immer mehr Berliner Schüler in Brandenburg, vom 8. Mai 2010, online im Internet unter http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/ 2010_05/immer_mehr_berliner.html. 276 Scherf, S. 65 f. 277 Siehe hierzu Kapitel C. unter Punkt II.2.a)cc). 278 Siehe zu beidem in Kapitel C. unter Punkt II.2.a)cc). 279 Die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH ist im Internet unter http://www. medienboard.de präsent. 280 AvB Drs. 16/1052, S. 10. 281 AvB Drs. 16/1940, S. 9. 282 Tripke, S. 191.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

III. Der finanzielle Aspekt der Zusammenarbeit beider Länder Betrachtet man die Gründe für die Zusammenarbeit beider Länder, so fallen zunächst geographische Gegebenheiten wie im Umweltbereich auf. Hinzu kommt die Absicht beider Länder zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls in ihren Landesbevölkerungen. Mit den geographischen Grenzen von Zuständigkeitsbereichen ist ein weiterer Grund für die Zusammenarbeit verbunden: die mangelnde Verwaltungs- oder Finanzkraft beider Länder. Es wurde bereits angesprochen, dass sich beide Länder von ihrer Zusammenarbeit auch Einsparmöglichkeiten erhoffen. Die erforderlichen umfassenden Regelungen und kostenaufwendigen Maßnahmen der Daseinsvorsorge setzen einen Grundaufwand voraus, der sich erst bei einer gewissen „Massenabnahme“ amortisiert, so dass diese Maßnahmen in enger dimensionierten Ländern unwirtschaftlich sind und das Leistungsvermögen eines einzelnen Bundeslandes übersteigen können.283 Dieser Gefahr sehen sich auch die Länder Berlin und Brandenburg gegenüber, weil sie mit 3,4 Mio. Einwohnern (Berlin) und 2,5 Mio. Einwohnern (Brandenburg) zu den kleinen Bundesländern der Bundesrepublik, die insgesamt etwa 82 Mio. Einwohner hat, gehören.284 Durch ihre Zusammenarbeit können beide Länder wirtschaftlich ihre Einwohnerzahlen bündeln und damit Investitionen profitabler einsetzen. Zudem lassen sich manche Einrichtungen technisch besser im Umland (beispielsweise Deponien) oder besser im verdichteten Siedlungsbereich (beispielsweise Krankenhäuser) betreiben.285 Ein entscheidender Vorteil der Zusammenarbeit beider Länder sind daher die mit ihr verbundenen finanziellen Einsparmöglichkeiten. Sowohl Berlin als auch Brandenburg gehören zu den „armen“ Ländern der Bundesrepublik. Berlin muss im Jahr 2011 rund 6,3 Mrd. A neue Schulden aufnehmen, wodurch seine Verschuldung auf fast 66 Mrd. A anwächst.286 Auch Brandenburg nimmt 2011 neue Schulden auf, wenngleich diese im Verhältnis zu Berlin „harmlos“ erscheinen. Die Verschuldung des Landes wächst im Jahr 2011 um 651 Mio. A auf insgesamt 18,5 Mrd. A.287 Die enge Zusammenarbeit bietet die Chance, staatliche Aufgaben 283 BVerfGE 12, 205, 251; AvB Drs. 12/2357, S. 50; Bothe, Generalbericht, S. 196 f.; Grawert, S. 23; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 17; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 18. 284 Zahlen vom Statistischen Bundesamt Deutschland, online im Internet unter http:// www.destatis.de, Thema „Bevölkerung“. 285 AvB Drs. 12/2357, S. 50. 286 Zawathka-Gerlach, 6,3 Milliarden Euro neue Schulden für Berlin, in: Der Tagesspiegel, vom 16. Mai 2009, online im Internet unter http://www.tagesspiegel.de/berlin/ landespolitik/6-3-milliarden-euro-neue-schulden-fuer-berlin/1513096.html. 287 Regierung nimmt neue Schulden auf, Berliner Morgenpost, vom 8. Mai 2010, online im Internet unter http://www.morgenpost.de/printarchiv/brandenburg/article 1304951/Regierung-nimmt-neue-Schulden-auf.html.

III. Der finanzielle Aspekt der Zusammenarbeit beider Länder

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gemeinsam wahrzunehmen, dadurch die Versorgung mit öffentlichen Gütern zu verbessern und gleichzeitig mit den vorhandenen Ressourcen sparsamer umzugehen. Darunter fallen Bereiche wie die gemeinsame Planung und Nutzung von Bildungs- und Sozialeinrichtungen, die Regelung von Fragen der Ver- und Entsorgung ebenso wie der Sicherheits- und Justizbereich.288 So wird beispielsweise durch die Errichtung des gemeinsamen Landeslabors Berlin-Brandenburg289 der optimale Einsatz von Personal und Investitionen für Spezialgeräte ermöglicht, um sparsamer und effizienter arbeiten zu können. Aufgrund dessen können trotz knapper werdender Ressourcen auch in Zukunft alle erforderlichen Untersuchungs- und Bewertungsmethoden nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft angeboten werden.290 Auch konnten zwei Landesrundfunkanstalten (ORB in Brandenburg und SFB in Berlin) zwar nebeneinander bestehen und waren für die Bürger aufgrund der gebotenen Programmvielfalt vorteilhaft; beide mussten sich jedoch mit ihren Angeboten nicht nur gegenüber den kommerziellen Wettbewerbern, sondern auch gegen den jeweiligen Konkurrenten bei einem sich zu großen Teilen überschneidenden Rundfunkpublikum durchsetzen. Um ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit auf Dauer zu sichern und Einschnitte im bisherigen Programmvolumen zu vermeiden291, haben die beiden Länder Berlin und Brandenburg – wie bereits dargestellt – durch Staatsvertrag292 eine gemeinsame Rundfunkanstalt, den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), gegründet. Das Ziel war neben der Errichtung einer wettbewerbsfähigen Rundfunkstruktur in der Region Berlin-Brandenburg auch die höhere Gewichtung der neuen Sendeanstalt innerhalb der ARD.293 Streitpunkt zwischen beiden Ländern war der Sitz der neuen gemeinsamen Einrichtung. Keine der beiden Seiten wollte in diesem Punkt nachgeben, so dass der RBB einen Doppelsitz, sowohl in Potsdam als auch in Berlin, hat (§ 2 Abs. 1 des Staatsvertrages).294 Ausdrücklich auf die beabsichtigten Einspareffekte wies der Fortschrittsbericht des Senats von Berlin im Jahr 2006 hinsichtlich des auf der Grundlage des Staatsvertrages vom 13. Dezember 2005 am 1. Januar 2007 errichteten gemein288

Hartmann u. a., S. 24. Siehe hierzu näher in Kapitel C. unter Punkt II.2.a)cc). 290 AvB Drs. 16/2787, S. 23. Siehe zu den erreichten Synergieeffekten auch die Pressemitteilung der Senatskanzlei Berlin, Ein Jahr Landeslabor Berlin-Brandenburg: Gemeinsame Einrichtung mit guter Bilanz, vom 12. Januar 2010, online im Internet unter http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2010/01/12/151819. 291 Binder, LKV 2003, 355; Tripke, S. 193. 292 Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg, BbgGVBl. I/02, S. 138. 293 AvB Drs. 15/632, S. 13; LtBbg Drs. 3/4540, S. 2. 294 Binder, LKV 2003, 355, 358 führt hierzu aus, dass die Aufteilung der Sachmittel, der Produktions- und Personalkapazitäten dem Verhältnis des Gebührenaufkommens in Brandenburg und Berlin zu folgen hat. Siehe auch Tripke, S. 195. 289

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

samen Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg (AfS) hin. Betrugen die Aufwendungen für die amtliche Statistik vor der Fusion im Jahr 2005 für beide Länder insgesamt noch 36,6 Mio. A,295 wurden diese Aufwendungen, die nach dem Staatsvertrag zur Errichtung der Anstalt von beiden Ländern jeweils zur Hälfte der Kosten zu tragen sind, auf 30 Mio. A im Jahr 2009296 reduziert. Inwieweit diese reduzierten Aufwendungen tatsächlich vollumfänglich ihre Ursache in der gemeinsamen Einrichtung haben, lässt sich aber nicht seriös beurteilen. Hierfür fehlt die Vergleichsgrundlage. Beide Länder befinden sich derzeit in einem breit angelegten Sparkurs, so dass auch die Kosten zweier getrennter Einrichtungen wahrscheinlich in den Folgejahren abgenommen hätten. Dies bleibt aber ebenso Spekulation wie Zahlen von konkreten Einspareffekten der gemeinsamen Einrichtung. Der finanzielle Aspekt ist aber nicht nur ein Anreiz für die Zusammenarbeit beider Länder, sondern kann diese auch hemmen. So strebt Brandenburg beispielsweise erst wieder einen Fusionsversuch mit der Berliner Verbraucherzentrale an, wenn Letztere ihre derzeitigen finanziellen Probleme gelöst hat. In der jetzigen Situation arbeiten beide Verbraucherzentralen lediglich eng zusammen.297

IV. Anreize und Hindernisse einer Zusammenarbeit beider Länder Nach all dem bisher Gesagtem erscheint die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg auf vielen Gebieten vorteilhafter als ein „Alleingang“.298 Dieser Vorteil wird vor allem in der sozial- und politikwissenschaftlichen Literatur mit dem Gesamtnutzen beschrieben. Eine Zusammenarbeit ist für beide Länder dann von Vorteil, wenn durch sie ein höherer Gesamtnutzen erreicht wird als durch nicht koordiniertes Vorgehen. Zur Bestimmung des Gesamtnutzens dienen dabei entweder das Gesamtinteresse der beide Länder umfassenden Region ohne Rücksicht auf die Landesgrenzen (kooperative Orientierung) oder die für jedes einzelne Land erreichbaren Verbesserungen (landesegoistische Orientierung).299 295

AvB Drs. 16/0074, S. 20 f.; AvB Drs. 16/1052, S. 18 f. Siehe hierzu die Gewinn- und Verlustrechnung im Geschäftsbericht 2009 des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg, online im Internet unter http://www.statistikberlin-brandenburg.de/einzelseiten/G-Bericht_2009.pdf, S. 28. 297 Siehe hierzu die Pressemitteilung der Senatskanzlei Berlin, Kooperation der Verbraucherzentralen in Berlin und Brandenburg, vom 17. August 2010, online im Internet unter http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2010/08/17/306681. 298 AvB Drs. 12/2357, S. 61 unterscheidet drei Stufen: a) Gegenstände, bei denen eine Zusammenarbeit unvermeidbar ist, b) gegenseitige Abhängigkeiten, bei denen eine Zusammenarbeit ratsam ist und c) Bereiche, in denen eine Zusammenarbeit zweckmäßig erscheint. 299 Scharpf/Benz, S. 76 ff. 296

IV. Anreize und Hindernisse einer Zusammenarbeit beider Länder

77

Eine kooperative Orientierung wirft bei der Zusammenarbeit der Bundesländer das Problem auf, dass die Vertretungsorgane beider Länder zunächst den eigenen Wählern verantwortlich sind und nicht ohne weiteres die Freiheit haben, altruistische oder kooperative Motive zur Richtschnur des eigenen Handelns zu machen. Die Akteure sind normativ den Interessen des eigenen Landes verpflichtet, so dass hier zunächst von einer landesegoistischen Orientierung auszugehen ist. Ein anderes Verhalten wäre gegenüber den Wählern nur schwer zu vertreten. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Zusammenarbeit sinnvoll und in der Praxis weitgehend unproblematisch möglich, wenn beide Länder entweder ohnehin das gleiche Ziel verfolgen und der Grad der Zielerreichung durch koordinierten Mitteleinsatz erhöht wird oder wenn sie unterschiedliche, aber miteinander kompatible Ziele haben und ein Land über Handlungsressourcen verfügt, die die Zielerreichung des anderen Landes begünstigen oder vereiteln können.300 Zudem kann einseitigen Nachteilen durch Ausgleichszahlungen entgegengewirkt werden, weil sich die meisten Stadt-Umland-Probleme weniger als organisatorisches, als vielmehr als finanzielles Problem erweisen.301 So wurde beispielsweise für die Bereiche Schulen und Kindergärten ein Lastenausgleich zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg ausgehandelt, indem die Zahlen der externen Benutzer gegeneinander aufgerechnet wurden.302 Aus diesem landesegoistischen Denken heraus, gibt es immer wieder Meinungsverschiedenheiten und Verzögerungen in den Verhandlungen zwischen Berlin und Brandenburg, weil jedes der beiden Länder so weit wie möglich seine eigenen Vorteile sichern möchte. Insbesondere im Bereich der Wirtschaftsförderung treten diese Spannungen offen zu Tage und führen zu den dargestellten Problemen in der Zusammenarbeit beider Länder. Fakt ist, dass die Länder Berlin 300 Scharpf, S. 10 f. und 20 ff.; Scharpf/Benz, S. 78 ff. Zu Kompromisslösungsmöglichkeiten im Hinblick auf Bundestag und Bundesrat, die sich zu großen Teilen auf die Zusammenarbeit der Bundesländer übertragen lassen, siehe auch Smith, S. 329 ff. m.w. N. insbesondere in Fn. 289. 301 AvB Drs. 12/2357, S. 41; Benz/König, S. 129; Döring u. a., S. 23; Röber/Völkel, VerwArch 90 (1999), 112, 130 f.; Scharpf, S. 10 f. und 20 ff.; Scharpf/Benz, S. 78 ff.; Smith, S. 331. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Ausgleichszahlungen meist nur dann realisierbar sind, wenn sich die konkrete Maßnahme noch in der Planung befindet. Ansonsten besteht für das begünstigte Land kein Anlass mehr für eine solche Zahlung. So verweigerte das Land Brandenburg beispielsweise im Jahr 1992 die Zahlung eines Ausgleichs für die von Brandenburger Patienten belegten Krankenhausbetten Berlins (Wilke, S. 51) und im Jahr 1997 die Beteiligung an den Kosten der LandwirtschaftlichGärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität (Hruschka, S. 12). Als weiteres Argument gegen Ausgleichszahlungen dient dem verpflichteten Land der horizontale Finanzausgleich, der gerade für einen Ausgleich sorgen soll. Dies gilt vor allem für die Stadtstaaten, die aufgrund ihrer besonderen Belastungen im Länderfinanzausgleich durch eine im Vergleich zu den Flächenländern höhere Einwohnerwertung (von derzeit 135 %) begünstigt werden (Döring u. a., S. 221; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 107, Rdnr. 27; Wilke auf S. 15 f.). 302 Benz/König, S. 48.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

und Brandenburg nicht nur Kooperationspartner sind, die eine Vielzahl von Problemen nur gemeinsam erfolgreich und zum wechselseitigen Nutzen bewältigen können, sondern eben auch Konkurrenten. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass in Einzelverhandlungen beide Seiten stets versuchen, durch geschicktes Verhandeln den eigenen Vorteil größer ausfallen zu lassen als den für die andere Seite und eigene Interessen in der jeweiligen Sachfrage maximal durchzusetzen.303 Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Planung des Flughafens BerlinBrandenburg International. Bereits im Jahr 1990 haben sich die Länder Berlin und Brandenburg einen neuen internationalen Flughafen zum politischen Ziel gesetzt und die BerlinBrandenburg Flughafen Holding GmbH (BBF) gegründet. An ihr sind die beiden Länder mit je 37 % und der Bund mit 26 % beteiligt. Die GmbH betrieb über ihre Tochtergesellschaften die damals existierenden drei Flughäfen Berlins – Tegel, Tempelhof und Schönefeld.304 Die eigentlich für September 1992 vorgesehene schnelle Entscheidung der BBF über den Flughafenstandort des gemeinsamen Großflughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) musste ausgesetzt werden, weil sich die Gesellschafter über seinen Standort nicht einigen konnten. Es folgte ein neues Standortsuchverfahren. Ende Januar 1992 gaben die zuständigen Ministerien in Berlin und Potsdam bekannt, dass die Entscheidung über den Großflughafen im ersten Quartal 1993 fallen soll. Als mögliche Standorte wurden Sperenberg, Schönefeld-Süd und Jüterbog-Ost genannt. Entsprechend ihrem raumplanerischen Leitbild der dezentralen Konzentration stellte die Brandenburger Seite der Berliner Option auf Schönefeld zwei berlinferne Standorte entgegen. In der Folgezeit traten die unterschiedlichen Interessen zum Flughafenprojekt sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene in den Vordergrund und führten zu endlosen Streitereien. Nach einem für alle drei Standorte durchgeführten Raumordnungsverfahren kam die Regierung des Landes Brandenburg im November 1994 zu dem Ergebnis, dass die Standorte Jüterbog-Ost und Sperenberg grundsätzlich für die Errichtung und den Betrieb des Flughafens geeignet seien, der Standort Schönefeld-Süd demgegenüber aus landesplanerischer Sicht abgelehnt werde. Nach weiteren Streitereien und Gutachten sowie der gescheiterten Länderfusion wurde im Mai 1996 – nach 5 1/2 Jahren Streit – Schönefeld als neuer Flughafenstandort bestimmt.305 Während sich Berlin und Brandenburg um den Standort des Flughafens jahrelang stritten, haben die Städte Leipzig, Rostock und Erfurt in ihre Flughäfen investiert, so dass diese in Konkurrenz zu dem geplanten Flughafen BBI treten können. Bezüglich des West-Ost-Drehkreuzes eilten Amsterdam, Wien und Warschau der europäischen Region Berlin-Branden-

303

Hartmann u. a., S. 25. Kleger, S. 51. 305 Zu dem gesamten Flughafen-Standort-Suchverfahren siehe ausführlich Kleger, S. 52–65; Wormit, S. 107–125. 304

IV. Anreize und Hindernisse einer Zusammenarbeit beider Länder

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burg weit voraus.306 Inwieweit sich dies noch negativ auf den seit dem 5. September 2006 in Bau befindlichen Flughafen Berlin-Brandenburg International auswirkt, wird die Zukunft zeigen. Eine Abschwächung dieser landesegoistischen Orientierung und ihrer kooperationshemmenden Wirkung kann durch die intensive Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg und die damit verbundene gegenseitige kooperative Verflechtung erreicht werden. Hierdurch entstehen sogenannte „Koppelgeschäfte“ (Paketlösungen), bei denen die Verhandlungspartner jeweils Pakete mit Projekten schnüren, die ein Land nicht ohne die Unterstützung des anderen Landes realisieren kann. Voraussetzung ist, dass im Ergebnis die erwarteten Vor- und Nachteile zwischen beiden Ländern ähnlich verteilt sind. Koppelgeschäfte sind immer dann möglich, wenn mehrere Politikfelder verhandelt werden können und der Zeitrahmen nicht zu eng gezogen wird.307 Bei diesen Geschäften erhöht sich die Bereitschaft zu Kompromissen, wenn sichergestellt ist, dass die andere Seite gleichwertige Opfer bringt.308 Hier besteht die Möglichkeit, dass nicht der einzelne zu verhandelnde Kooperationsgegenstand von beiden Ländern jeweils auf seinen Nutzen hin bewertet wird, sondern der Nutzen in dem größeren Zusammenhang eines ganzen Kooperationsfeldes betrachtet wird. So ist beispielsweise die Festlegung eines gemeinsamen Finanzgerichts Berlin-Brandenburg mit Sitz in Cottbus für sich betrachtet für Brandenburg günstig, für Berlin aber eher ungünstig, da es einen Gerichtsstandort verliert und die Berliner Bürger einen weiteren Anfahrtsweg zum Finanzgericht in Kauf nehmen müssen. Auf diesen Aspekt wurde auch eine erfolglos gebliebene Verfassungsbeschwerde309 gegen die Errichtung des gemeinsamen Finanzgerichts gestützt. Das „Paket“ wurde von den Ländern Berlin und Brandenburg aber größer geschnürt. Auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Potsdam befindet sich im Land Brandenburg. Im Gegenzug zur Aufgabe des Finanz- und Landessozialgerichtsstandortes hat Berlin aber den Gerichtsstandort des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts BerlinBrandenburg und des gemeinsamen Arbeitsgerichts erhalten. Hinzu kommt, dass mit der Errichtung gleich vier gemeinsamer Gerichte eine sehr enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Judikative erreicht worden ist, von der sich beide Länder insgesamt einen großen Nutzen erhoffen. Hier steht nicht das einzelne Projekt im Vordergrund, sondern die Zusammenarbeit der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg im Bereich der Justiz insgesamt. Mit dieser von der landesegoistischen hin zur kooperativen Orientierung gerichteten Tendenz können Gesamtlösungen für die Region Berlin-Brandenburg leichter gefunden werden,

306 307 308 309

Kleger, S. 150. Döring u. a., S. 222; Röber/Völkel, VerwArch 90 (1999), 112, 131. Scharpf, S. 25. BVerfG, LKV 2007, 79.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

weil sie nicht in jedem Einzelfall einen Nutzen für jeweils beide Bundesländer erbringen müssen. Den Nutzen der Gesamtregion bei den Verhandlungen auf jedem einzelnen Arbeitsgebiet vor Augen zu behalten, ist die praktische Herausforderung, die sich den jeweils handelnden Akteuren stellt. Neben der Aufklärung und Information der Bürger über die positiven Auswirkungen gemeinschaftlichen Handelns kann auch organisatorisch eine Verlagerung der Verhandlungen über die Zusammenarbeit beider Länder von der Ressortebene auf die Ebene der Regierungschefs Einigungsmöglichkeiten fördern. Die Verhandlungsverlagerung auf eine höhere Ebene erleichtert den Blick über den Tellerrand des eigenen Ressorts hinaus. Zu diesem Zweck wurde 1996 der Gemeinsame Koordinierungsrat der Länder Berlin und Brandenburg gegründet, dem neben den beiden Regierungschefs der Länder und den Chefs der Senats- bzw. Staatskanzlei je vier Minister bzw. Senatoren angehören.310 Insgesamt kann im Jahr 2011 festgehalten werden, dass zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg zwar immer wieder die entgegengesetzten Interessen beider Länder aufeinanderprallen, es aber in keinem Arbeitsgebiet tiefgreifende Probleme gibt.311

V. Eingrenzung des Untersuchungsthemas Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Länder Berlin und Brandenburg auf eine ereignisreiche gemeinsame Geschichte zurückblicken. Sie sind sich darüber einig, dass sie die Zukunft nur gemeinsam als Region erfolgreich gestalten können. Nachdem 1996 die Fusion beider Länder am Willen der brandenburgischen Bevölkerung gescheitert ist, liegt nunmehr das Hauptaugenmerk auf ihrer Zusammenarbeit. Trotz einiger Rückschläge ist heute eine große Anzahl verbindlicher Absprachen und gemeinsamer Institutionen zu verzeichnen sowie eine noch größere Anzahl rechtlich unverbindlicher Kooperationsformen. Für die Zukunft ist eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern geplant. Auch wenn die Zusammenarbeit der Bundesländer zu den alltäglichen Gegebenheiten in der Bundesrepublik gehört,312 sind die Intensität und der Um310 Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt II.2. Hruschka, S. 14, sieht es als problematisch an, dass der Gemeinsame Koordinierungsrat lediglich Empfehlungen abgeben kann, jedoch nicht gesichert ist, dass die getroffenen Vereinbarungen im jeweils eigenen Land auch durchgesetzt werden können. Positiv bewertet er den verhandlungssozialen Druck, den die wiederkehrenden Sitzungen aufbauen, in denen sich die Vertreter zumindest moralisch verantworten müssen, wenn Empfehlungen des Rates im eigenen Ressort nicht umgesetzt wurden (ders., S. 26 f.). 311 So die Einschätzung eines Mitarbeiters der Senatskanzlei Berlin, mit dem die Autorin im Februar 2011 ein Gespräch führte. 312 So habe die Zusammenarbeit im Bundesstaat seit jeher einen festen Platz im deutschen Staatsleben (Hempel, S. 21).

V. Eingrenzung des Untersuchungsthemas

81

fang dieser Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg in der Bundesrepublik bisher einmalig. Zur Eingrenzung des vorliegenden Untersuchungsthemas sind verschiedene Ebenen dieser Zusammenarbeit zu unterscheiden. 1. Horizontale und vertikale Zusammenarbeit Zunächst existieren zwei bundesweite Ebenen der Zusammenarbeit: die Ebene zwischen dem Bund und den Ländern (vertikale Zusammenarbeit) und die Ebene der Länder untereinander (horizontale Zusammenarbeit). Die Ebene zwischen dem Bund und den Ländern bzw. dem Bund und einem Land gewinnt für Berlin eine besondere Dimension, die sich aus seiner Stellung als Bundeshauptstadt ergibt (Art. 22 Abs. 1 S. 1 GG). Diesen Bereich regeln drei Verträge. Im Hauptstadtvertrag vom 25. August 1992 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit festgeschrieben, um die Funktionsfähigkeit der Hauptstadt Berlin als Sitz des Deutschen Bundestages sicherzustellen. Dabei handelt es sich nicht um einen Staatsvertrag, sondern einen Vertrag auf Regierungsebene.313 Aufgrund dessen kann der Bund auch die räumliche Gestaltung in Berlin mitbestimmen. So wurde § 247 BauGB derart geändert, dass die Planungsrechte beim Senat liegen, Belange der Verfassungsorgane des Bundes in der Bauleitplanung aber Vorrang haben und Berliner Interessen berücksichtigt werden. Die Planungsrechte der Bezirke werden hierdurch eingeschränkt. Die Zusammenarbeit zwischen Berlin und dem Bund erfolgt in einem Gemeinsamen Ausschuss.314 Für die Abgeltung der sich aus den Verpflichtungen Berlins gegenüber dem Bund zur Wahrnehmung gesamtstaatlicher Repräsentation ergebenden Aufwendungen wurde ein sogenannter Finanzvertrag am 30. Juni 1994 verabschiedet. Letztendlich haben Berlin und die Bundesrepublik einen Vertrag über die aus der Hauptstadtfunktion Berlins abgeleitete Kulturfinanzierung am 9. Dezember 2003 geschlossen.315 Ein entsprechender Hauptstadtvertrag existiert auch zwischen dem Bund und dem Land Brandenburg.316 Aber auch unabhängig von den Regelungen in Bezug auf die Bundeshauptstadt, arbeitet der Bund in vielfältiger Weise mit den Bundesländern zusammen. Hier finden sich beispielsweise im Grundgesetz Regelungen zu Gemeinschaftsaufgaben (siehe u. a. Art. 91a–e GG). Diese Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern ist lediglich eine der beiden Kooperationsebenen im Bun313

Siehe hierzu näher Zivier, Rdnr. 94.2.1 ff. Benz/König, S. 60 f.; Zivier, Rdnr. 94.2.4.1 spricht von „empfindliche[n] Eingriffe[n] in die Planungshoheit, die der Gebietskörperschaft Berlin (. . .) zusteht“. 315 Ausführlich zu der Beziehung von Berlin und der Bundesrepublik in Bezug auf die Hauptstadtfunktion Zivier, Rdnr. 94.3 ff. 316 Benz/König, S. 60 f. 314

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

desstaat. Eine andere Kooperationsebene ist diejenige zwischen den Bundesländern untereinander. Beide Ebenen stehen in keinem zwingenden sachlichen Zusammenhang. Es stellen sich sogar zum Teil andere rechtliche Probleme. So ist bei der Zusammenarbeit von Bund und Ländern das Verbot der Mischverwaltung zu beachten, während es auf der Länderebene keine Rolle spielt.317 Daher empfielt es sich, beide Kooperationsebenen rechtlich voneinander getrennt zu betrachten. Die vorliegende Arbeit nimmt allein die horizontale Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern in den Blick und untersucht diese rechtlich. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und einem Land bzw. mehreren oder allen Ländern wird nicht weiter behandelt. Hierzu sei auf die zahlreiche einschlägige Literatur verwiesen.318 2. Omnilaterale und bilaterale Zusammenarbeit Bei dieser horizontalen Zusammenarbeit ist zwischen einer bundesweiten (omnilateralen) Zusammenarbeit und einer nur einige Länder betreffenden (multilateralen bzw. bilateralen) Zusammenarbeit zu unterscheiden. Omnilateral arbeiten die Bundesländer beispielsweise in den Ministerpräsidentenkonferenzen, die wiederum durch Vorkonferenzen der Chefs der Staats- und Senatskanzleien vorbereitet werden, sowie in den Fachministerkonferenzen der Länder, zum Beispiel in der Kultusministerkonferenz, zusammen. Ein anderes viel zitiertes Beispiel ist das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) als gemeinsame Rundfunkeinrichtung aller Bundesländer, die auf der Grundlage eines Staatsvertrages errichtet wurde. Die zahlreichen Ebenen horizontaler, omnilateraler Zusammenarbeit bilden ein kompliziertes Netzwerk, dessen rechtliche Durchdringung ebenso wie die vertikale Zusammenarbeit in der Literatur bereits vorgenommen wurde.319 Für die Länder Berlin und Brandenburg, die wie alle anderen Bundesländer ebenfalls in diese bundesweite Zusammenarbeit mit eingebunden sind, ergeben sich hierbei keine über die dort erörterten rechtlichen Problemstellungen hinausgehenden Besonderheiten, die eine erneute rechtliche Untersuchung erforderlich machen. Da317

Siehe zum Verbot der Mischverwaltung in Kapitel B. unter Punkt II.5. Siehe hierzu m.w. N. Hempel; Leonardy, ZParl 1990, 180, 185 ff. Zu Bundestreue und bundesfreundlichen Verhalten bereits BVerfGE 1, 299, 315; 4, 115, 140; 6, 309, 361 f.; 8, 122, 138 ff.; 12, 205, 255 ff. (in Bezug auf Staatsverträge); 13, 54, 75 ff.; Bayer, S. 23 ff.; Fuß, DÖV 1964, 37 ff. 319 Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 189 f.; Krapp, S. 15 ff.; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 37 ff.; Schulze-Fielitz, S. 58 f.; Wittrock, Verw 19 (1986), 363; Wormit, S. 56. Bereits 1960 fand die Staatsrechtslehrertagung zum Thema „Verträge zwischen Gliedstaaten im Bundesstaat“ statt. Speziell zum Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt „Zweites Deutsches Fernsehen“ siehe auch Bachof/Kisker. Zum Problem der Anerkennung von Hoheitsakten eines Landes durch die anderen Länder siehe beispielsweise BVerfGE 11, 6, 18; hierzu Ule, JZ 1961, 622 ff. m.w. N. 318

V. Eingrenzung des Untersuchungsthemas

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her wird in der vorliegenden Arbeit die bundesweite Zusammenarbeit der Vollständigkeit wegen an passender Stelle kurz erwähnt, bleibt aber bei der rechtlichen Untersuchung unbeachtet. Im Gegensatz zur bundesweiten Zusammenarbeit aller Länder ist die bilaterale Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg von einem intensiveren und thematisch breiter angelegten Kontakt geprägt, der bundesweit in dieser Form weder praktisch noch rechtlich möglich wäre. Als gemeinsame Region haben die Länder Berlin und Brandenburg auf vielen Arbeitsgebieten gleichgelagerte Interessen, die zwischen allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland in der dargestellten Breite kaum auftreten dürften und bisher nicht aufgetreten sind. Aus der diesen gemeinsamen Interessen folgenden, intensiven Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg ergeben sich grundsätzliche Fragen nach den rechtlichen Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer, denen sich die Literatur bisher nicht umfassend gewidmet hat. Untersuchungsgegenstand ist vorliegend daher allein die horizontale, bilaterale Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg. 3. Die europäische Dimension der Zusammenarbeit beider Länder Die bisherigen Betrachtungen waren gedanklich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Ein Teil der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg erfolgt jedoch in einem europäischen Kontext. Hierfür ist zunächst von dem in dieser Arbeit verwendeten Begriff der Region Berlin-Brandenburg der Regionsbegriff auf europäischer Ebene zu unterscheiden. Der europäische Begriff der Region geht von anderen Merkmalen aus als sie in der deutschen regionalpolitischen und raumordnerischen Diskussion verwendet werden.320 Während vorliegend die Region Berlin-Brandenburg von ihren Verflechtungen her definiert wurde, spielt auf europäischer oder internationaler Ebene die wirtschaftliche Bedeutung eines Gebietes die entscheidende Rolle. Seit dem ökonomischen Strukturwandel der siebziger und achtziger Jahre und der zunehmenden Globalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen kann eine Verlagerung der wirtschaftlichen Initiativen von der nationalstaatlichen Ebene auf städtische Regionen beobachtet werden. Unter der Idee eines „Europas der Regionen“ 321 sollen euro320 Petri, in: Bufalica/Röber, S. 83. Siehe ausführlich zu dem Begriff der Region als Rechtsbegriff Seggermann, S. 111 ff. 321 Die „föderative“ Struktur der Europäischen Union mit den Ebenen von Union einerseits und Mitgliedstaaten andererseits wird durch die Regionen im Sinne der Art. 305 ff. AEUV ergänzt, so dass prinzipiell ein dreigliedriger Aufbau der Europäischen Union besteht. Die unterste Stufe begründet sich auf einem tatbestandlich noch

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

päische Regionen gestärkt werden, indem sich Förderprojekte auf sie konzentrieren. Dabei ist der europäische Begriff der „Region“ bis heute nicht klar definiert.322 Die Charta des Europarats von 1970 beschreibt eine „Region“ als „größte Gebietseinheit in jedem Land, das heißt unmittelbar unter der Zentralregierung“. Das Europäische Parlament versteht in seiner Entschließung über die Regionalpolitik in der Gemeinschaft und die Rolle der Regionen vom 18. November 1988 und mit dem in ihr enthaltenen Entwurf einer Gemeinschaftscharta der Regionalisierung323 unter einer Region „ein Gebiet, das aus geographischer Sicht eine deutliche Einheit bildet, oder aber als gleichartigen Komplex von Gebieten, die ein in sich geschlossenes Gefüge darstellen und deren Bevölkerung durch bestimmte gemeinsame Elemente [Sprache, Kultur, geschichtliche Tradition, Wirtschaftsinteressen und Verkehrswesen] gekennzeichnet ist“ (Art. 1 Nr. 1 der Gemeinschaftscharta der Regionalisierung).324 Der Begriff der „Europäischen Regionen“ verweist auf die innerstaatliche Struktur der einzelnen Mitgliedstaaten. In diesem Sinne spricht Art. 305 AEUV von den „regionalen und lokalen Gebietskörperschaften“. Im Rahmen der Regionalberichterstattung der EU-Kommission, auf deren Grundlage die Prioritäten der regionalpolitischen Aktivitäten der Europäischen Union maßgeblich gesteuert werden, werden unter dem Begriff der Region regionale Verwaltungseinheiten zwischen dem Zentralstaat und der lokalen Ebene verstanden.325 Als räumlich und historisch diesem Begriff der Region am nächsten stehend wird teilweise die gemeindliche Selbstverwaltung angesehen.326 Andere Stimmen in der Literatur sehen diese Einteilung als zu kleinräumig an und verstehen die Bundesländer als europäische Regionen.327 Die Bundesländer Berlin und Brandenburg sind für sich genommen zu klein, um auf europäischer Ebene als Region Gehör zu finden. Für die Berücksichtigung der Region in Planungen auf übergeordneter Ebene ist eine enge Abstimmung beider Länder eventuell sogar mit weiteren Nachbarn daher von großer Bedeutung. Hierzu besteht zwischen dem Büro des Landes Berlin und der Ver-

zu großen Teilen unbestimmten Begriff der „Regionen“ und ist institutionell nur in Form des rein beratenden „Ausschusses der Regionen“ repräsentiert (Scholz, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 97). Zum Begriff eines „Europa der Regionen“ und seinem Aufbau siehe ausführlich Knemeyer, S. 55 ff. 322 Umbach, S. 112, der einen geschichtlichen Rückblick auf den Begriff der Region und eine Parallele zum historisch gängigeren Begriff der Provinz aufzeigt (S. 116 ff.). 323 ABl EG Nr. C 326/289 vom 19. Dezember 1988, S. 289 ff. 324 ABl EG Nr. C 326/289 vom 19. Dezember 1988, S. 296. Siehe hierzu auch Knemeyer, S. 31 ff.; Leonardy, ZParl 1990, 180, 189 f. 325 Knemeyer, S. 26; Schink, DÖV 1992, 385, 388. 326 Umbach, S. 115. 327 Haneklaus, DVBl. 1991, 295, 296; Petersen, DÖV 1991, 278; Schink, DÖV 1992, 385, 390 f.; ausführlich hierzu Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 97.

V. Eingrenzung des Untersuchungsthemas

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tretung des Landes Brandenburg bei der Europäischen Union ein intensiver Gedanken- und Informationsaustausch, unter anderem bei den monatlichen Treffen aller Referenten beider Büros.328 Gelingt eine Einigung der Länder Berlin und Brandenburg auf gemeinsame Prioritäten nicht, so verringern sich ihre Durchsetzungschancen im Wettbewerb mit anderen Regionen.329 Dabei kann die Region Berlin-Brandenburg von ihrer aus europäischer Sicht guten Lage profitieren. Seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 ist sie in das geographische Zentrum der Europäischen Union gerückt. Sie hat aufgrund „ihrer geopolitischen Lage als Osten des Westens und Westen des Ostens Europas“ das Potential als Transferknotenpunkt zwischen West- und Osteuropa zu fungieren.330 Darauf aufbauend ist das erklärte Ziel beider Länder, die Hauptstadtregion mit ihrer zentralen Lage in der Mitte Europas national und international in den Netzwerken anderer Metropolregionen zu verankern. Die Region soll international als eine Einheit gesehen und entsprechend vermarktet werden.331 a) Europäische Aktivitäten der Länder Berlin und Brandenburg Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ist beispielsweise im Jahr 2006 dem internationalen Netzwerk der Metropolregionen METREX beigetreten. Das Netzwerk ist eine starke Lobby für die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Metropolen und ihrer Regionen. So wurde bei der EU-Kommission mehrfach mit Erfolg auf den Prozess der Neuausrichtung der europäischen Strukturfonds in der Förderperiode 2007 bis 2013 Einfluss genommen.332 Vom 15. bis 17. September 2010 fand in Berlin und Brandenburg die Herbstkonferenz von METREX statt. Hier trafen sich fast 500 Experten aus ganz Europa, um über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen einer nachhaltigen Stadt- und Verkehrspolitik zu diskutieren.333 Weiterhin ist die Hauptstadtregion als Gesamtraum in zwei europäischen Kooperationsräumen, dem Ostseeraum (Baltic Sea Region) und dem Zentralraum (Central European Space), vertreten.334

328

AvB Drs. 16/1052, S. 13. Benz/König, S. 108; Döring u. a., S. 26; Kleger, S. 127; Scherf, S. 52. 330 Kleger, S. 127; Scherf, S. 52. Auch Prognos, Wirtschaftsregion, S. 9. In Letzterem wird darauf hingewiesen, dass im europäischen Wettbewerb der Regionen nur derjenige erfolgreich sein wird, der sich als Region und mit seinen Unternehmen an die neuen globalen Trends anpassen und im Innovationswettbewerb mithalten kann. 331 AvB Drs. 16/1940, S. 7. 332 AvB Drs. 16/0074, S. 6. 333 Siehe hierzu ausführlich im Internetauftritt der Gemeinsamen Landesplanung unter http://gl.berlin-brandenburg.de/europ-raumentwicklung/metrex-meets-scandria.html sowie unter http://www.metropolitan-futures.de mit ausführlichen Programmen. 334 AvB Drs. 16/1052, S. 12. 329

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Mit der Auftaktkonferenz und der Verabschiedung der „Berliner Erklärung“ im November 2007 bekräftigten Berlin und Brandenburg gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Ländern ihren Willen, Projekte und Aktivitäten im Rahmen des sog. „Ostsee-Adria-Entwicklungskorridors“ regional, national und transnational zu bündeln. Ziel ist die Bildung eines Verkehrsnetzes, das die Erreichbarkeit der Metropolen, Siedlungs- und Wirtschaftsschwerpunkte und der Regionen durch vereinheitlichte Nutzungsbedingungen sichert und für Mitteleuropa direkte NordSüd-Verbindungen zwischen Skandinavien und der Adria herstellt. Am 29./30. November 2007 fand hierzu eine Konferenz in Berlin statt.335 Die Umsetzung dieser Ziele gewährleisten unter anderem erfolgreich beantragte INTERREGProjekte.336 Im Rahmen des Programms INTERREG III B des Europäischen Fonds für Regionalentwicklung haben Berlin und Brandenburg bereits zahlreiche gemeinsame Projekte seit 2000 mit dem Ziel einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in den Bereichen Raumentwicklung, Wirtschaft und Soziales durchgeführt.337 Im Juni 2009 wurde für den Ostseeraum das Projekt SCANDRIA, das auf die Verbesserung der Qualität der Verkehrsinfrastruktur sowie auf die Entwicklung innovativer Logistikkonzepte zielt, bewilligt. Seit November 2008 ist die Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg zudem an dem Projekt SoNorA (South-North-Axis) beteiligt.338 Im Rahmen der INSPIRE-Initiative der EU339 und des Vorhabens „Geodateninfrastruktur Deutschland“ des Bundes340 wird von beiden Ländern der Aufbau einer Geodateninfrastruktur Berlin-Brandenburg (GDI) erarbeitet.341 Die wirtschaftspolitischen Europaaktivitäten Berlins und Brandenburgs werden seit dem Jahr 2008 in einem gemeinsamen Netzwerk im Rahmen des CIP-Programms der EU zusammengeführt. Das Projektvolumen umfasste für die Jahre 2008–2010 3,8 Mio. A. Davon werden 52 % (rund 1,9 Mio. A) von der EU getragen.342 Auch der Raum diesseits und jenseits der Oder soll langfristig infrastrukturell eng vernetzt und zu einem auf möglichst vielen Gebieten kooperierenden Wirtschaftsraum entwickelt werden. Zu diesem Zweck wurde am 5. April 2006 in Berlin die Kooperation „Oder-Partnerschaft“ vereinbart, in deren Rahmen Berlin und Brandenburg mit den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Sach335

AvB Drs. 16/1940, S. 22. AvB Drs. 16/2787, S. 14. 337 Siehe hierzu näher LtBbg Drs. 4/6687, S. 16 ff. 338 AvB Drs. 16/2787, S. 14. 339 Im Internet unter http://inspire.jrc.ec.europa.eu. 340 Nähere Informationen unter http://www.gdi-de.org/. 341 Siehe hierzu auch Kapitel C. unter Punkt II.4.c). Diese Geodateninfrastruktur Berlin-Brandenburg präsentiert sich im Internet unter http://gdi.berlin-brandenburg.de/. 342 AvB Drs. 16/1052, S. 8. 336

V. Eingrenzung des Untersuchungsthemas

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sen sowie Polen zusammenarbeiten. Praktisch umgesetzt wurde diese Zusammenarbeit bereits in mehreren deutsch-polnischen Treffen, Projekten und Initiativen.343 b) Drei-Länder-Konferenz Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Dass der europäische Begriff der Region weiter ist als der hier in der Arbeit verwendete Begriff, zeigt sich auch an den Bestrebungen der Länder Berlin und Brandenburg, mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern enger zusammenzuarbeiten. Das Vorhaben „Kooperation und Vernetzung im Nordosten“ war ein von der Bundesregierung gefördertes Modellvorhaben der Raumordnung, das von den drei Ländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam initiiert wurde mit dem Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamtraums im Nordosten Deutschlands und seinen Zusammenhalt zu fördern. Mehr als dreißig öffentliche und private Partner, darunter fünf Industrie- und Handelskammern, zahlreiche Kommunen, die Seehäfen Rostock und Sassnitz, vier Regionale Planungsverbände sowie Landkreise waren beteiligt. Die Leitung des Modellvorhabens lag bei der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg. Das Modellvorhaben lief von Januar 2008 bis Juni 2010.344 Auf einer Drei-Länder-Konferenz am 8. Dezember 2010 haben die drei Länder beschlossen, insbesondere in der Landesplanung und der Wirtschaft ihre Zusammenarbeit weiter zu intensivieren.345 Dabei wurden bereits bestehende Projekte zwischen allen drei Ländern vorgestellt, wie die Zusammenarbeit im bereits genannten „OstseeAdria-Entwicklungskorridor“. Die Konferenz baute auf dem abgeschlossenen Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) „Kooperation und Vernetzung im Nordosten“ auf.346 Insgesamt ist die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern auf diese planerische Ebene beschränkt. 343 Weitere Informationen zur „Oder-Partnerschaft“ finden sich online im Internet unter http://www.oder-partnerschaft.eu bzw. http://www.partnerstwo-odra.eu. Hier kann auch der „Newsletter zur Oder-Partnerschaft“, der viermal jährlich herausgegeben wird, bestellt werden. Zu der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei räumlichen Gesamtund Fachplanungen zwischen Deutschland und Polen siehe ausführlich Tabaka-Dietrich. 344 Informationen zu dem Modellvorhaben „Kooperation und Vernetzung im Nordosten“ befinden sich im Internet auf der Webseite der Gemeinsamen Landesplanung unter http://gl.berlin-brandenburg.de/regionalentwicklung/moro. 345 Siehe zur Drei-Länder-Konferenz die Informationen der Gemeinsamen Landesplanung unter http://gl.berlin-brandenburg.de/hauptstadtregion/moro/dreilaenderkonfe renz.html. 346 Siehe hierzu weitere Informationen auf der Internetseite der Gemeinsamen Landesplanung unter http://gl.berlin-brandenburg.de/regionalentwicklung/moro/.

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A. Darstellung des Untersuchungsthemas

Gemeinsame Institutionen, wie sie zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg bestehen, sind mit Mecklenburg-Vorpommern nicht geplant.347 4. Ergebnis Auch diese im europäischen Rahmen über die Grenzen der Länder Berlin und Brandenburg hinausgehende Zusammenarbeit beider Länder mit verschiedenen Nachbarn soll nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein. Hierdurch würde sich der ohnehin schon sehr breit angelegte Untersuchungsgegenstand noch erweitern, ohne dass dies zu rechtlich größerem Erkenntnisgewinn führt. Zur Erhaltung einer gewissen Übersichtlichkeit und fester Konturen soll der vorliegende Untersuchungsgegenstand auf die Länder Berlin und Brandenburg und die zwischen ihnen stattfindende Zusammenarbeit begrenzt werden. Die nachfolgende rechtliche Untersuchung befasst sich daher allein mit der horizontalen, bilateralen Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg. Diese ist, wie in diesem Kapitel ausführlich dargestellt wurde, bundesrechtlich einmalig und bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen.

347 Dies wurde der Verfasserin durch einen Mitarbeiter der Senatskanzlei Berlin, mit dem sie im Februar 2011 ein Gespräch führte, bestätigt.

B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik Bevor die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg rechtlich beurteilt wird, sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik allgemein, auf denen auch die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg fußt, und die speziellen Besonderheiten der Länder Berlin und Brandenburg herausgearbeitet und dargestellt werden. Anhand dieser Vorüberlegungen wird am Ende dieses Kapitels der Aufbau der vorliegenden Untersuchung erarbeitet und dargestellt.

I. Rechtliche Grundlagen der Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland Aus dem letzten Kapitel geht zusammenfassend hervor, dass die Länder Berlin und Brandenburg aus den verschiedensten Gründen zusammenarbeiten. Durch die Zusammenarbeit ist es möglich, die Starrheit der Kompetenzabgrenzungen zwischen ihnen abzumildern. Die rechtliche Schwierigkeit liegt darin, dies zu erreichen, ohne den eigentlichen Sinn der Kompetenzordnung zu unterlaufen.1 1. Die zuständige Rechtsordnung Heftig diskutiert wurde in der Vergangenheit, welches Recht auf diese Zusammenarbeit der Länder anzuwenden ist. Denkbar wäre zunächst die Anwendung von Völkerrecht direkt oder analog, da sich die Länder als Staaten gegenüberstehen.2 Andere gingen von einem aus dem Völkerrecht stammenden, nunmehr von der Staatspraxis und Rechtsüberzeugung der Beteiligten getragenen und fortgebildeten Ordnungsgefüge aus.3 Teilweise wurde auch vertreten, dass im Verhältnis der Bundesländer zueinander in erster Linie Staatsrecht gelte und dort, wo dieses Lücken aufweise, Völkerrecht.4 Dem allen ist entgegenzuhalten, dass das Völkerrecht zwischen den Bundesländern in der Bundesrepublik nicht unverändert gelten kann und einfaches Bundesrecht 1 2 3 4

Pietzcker, Landesbericht, S. 55 ff. Meinungsstand bei Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 234. Kisker, S. 72. Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 234.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

in der Regel nicht in der Lage ist, die interföderativen Beziehungen zwischen den Bundesländern zu regeln, weil der Bund hierfür keine Gesetzgebungskompetenz hat. Nur dort, wo Bundesrecht durch die Länder ausgeführt wird und der Bund auch die Ausführung regelt, kann er bestimmen, inwieweit und in welcher Weise er Abkommen und gemeinsame Einrichtungen der Länder für den Vollzug seiner Gesetze zulässt. Nur bei Regelungen über die Ausführung von Bundesgesetzen können sich Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer aus dem einfachen Bundesrecht ergeben.5 In allen anderen Fällen kann allein Bundesverfassungsrecht die einschlägige Rechtsmaterie für die Länderzusammenarbeit sein. Es ist allein Aufgabe des Grundgesetzes, das Verhältnis der Bundesländer zueinander – sei es jenes des Bundes zu den Ländern, sei es jenes der Länder untereinander – zu regeln (föderativer Vorbehalt der Verfassung).6 Darüber hinaus können innerhalb des bundesrechtlich gezogenen rechtlichen Rahmens die Länder in ihrem jeweiligen Landesrecht ihre Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern selbst regeln. Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg ist daher so weit rechtlich zulässig, wie sie im Einklang mit den verfassungsrechtlichen sowie sonstigen bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen steht. Diese sollen im Folgenden kurz dargestellt werden. 2. Regelungen im Grundgesetz Betrachtet man zunächst das Bundesverfassungsrecht, so bestimmt das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 1: Die Bundesrepublik ist ein Bundesstaat.7 Dabei ist heute unstreitig, dass die Bundesrepublik ein zweigliedriger Bundesstaat ist, in dem es lediglich zwei staatliche Ebenen gibt: den Bund und die Länder.8 Der Auffassung, dass das Bundesstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG keinen eigenständigen Gehalt besitzt, sondern lediglich eine Sammelbezeichnung für die unterschiedlichen änderungsfähigen bundesstaatlichen Verfassungsbestimmungen 5

Zacher, BayVBl 1971, 321, 322 ff. BVerfGE 6, 309, 354 für den Bereich der Gesetzgebung; Jestaedt, HStR II3, § 29, Rdnr. 13. Ausführlich auch Isensee, Vorbehalt der Verfassung, S. 391 ff. 7 Zur Entwicklung des Bundesstaatsbegriffs siehe Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 1 ff.; Harbich, S. 21 ff. 8 BVerfGE 13, 54, 77. Die inzwischen veraltete Gegenmeinung unterscheidet zwischen dem Gesamtstaat (Bundesrepublik), dem Zentralstaat (Bund) und den einzelnen Ländern (Harbich, S. 45 ff., 64 ff., 85; Nawiasky, S. 203) bzw. sieht Bund und Länder als gleich geordnete Teilstaaten eines Gesamtgefüges Bundesrepublik an, das selbst keine Staatsqualität besitzt (Schmidt, AöR 87 (1962), 253, 293 ff.; Hempel, S. 177 ff.). Hiergegen wird Art. 79 Abs. 3 GG angeführt, der nur dann einen Sinn ergibt, wenn „Bund“ und „Bundesrepublik“ als synonyme Begriffe verstanden werden (Hesse, Bundesstaat, S. 6). Siehe hierzu auch Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 90, der von einem „unfruchtbaren Gelehrtenstreit“ spricht, der sich inzwischen erledigt hat. Ausführlich zum zweigliedrigen und dreigliedrigen Bundesstaat Hempel, S. 64 ff. m.w. N. 6

I. Rechtliche Grundlagen der Zusammenarbeit der Bundesländer

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sei,9 kann sich nicht angeschlossen werden. Vielmehr ist mit dem Bundesverfassungsgericht ein eigenständiger konstitutiver Gehalt des Bundesstaatsprinzips in Art. 20 Abs. 1 GG anzunehmen.10 Dieser ist für die vorliegende Untersuchung hinsichtlich der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg näher zu bestimmen. Nur innerhalb dieses vom Grundgesetz bestimmten Rahmens können der Bund in einfachen Gesetzen und die Länder speziell für ihre Zusammenarbeit Regelungen treffen. Als Sinn und Zweck des Bundesstaates werden in der Literatur: • die Dezentralisierungswirkung (vertikale Gewaltenteilung; Subsidiaritätsimpulse; Sach- und Bürgernähe; Vermehrung der Gemeinwohlimpulse; optimale Ressourcenallokation); • die Stabilisierung und die Integration des gesamtstaatlichen Systems; • die Erweiterung, Verfeinerung und Vervielfachung der demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung (Vielfalt der Initiativen, horizontale Gewaltenteilung); • das Medium der Einheitsbildung (Doppelung der demokratischen Entscheidungsebenen und Minderheitenschutz, die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung, zur Zusammenarbeit und zu weitgehender Einigung, Kooperation und Politikverflechtung); • die Bewahrung und Beförderung regionaler und landsmannschaftlicher Vielfalt sowie • die Beförderung der Flexibilität und Erhöhung der Anpassungs- und Innovationsfähigkeit durch Wettbewerb genannt.11 Bereits aus diesen Zwecken des Bundesstaates ist ersichtlich, dass dieser einer Zusammenarbeit der Bundesländer – speziell der Länder Berlin und Brandenburg – nicht generell entgegensteht, weil in einem Bundesstaat keine Pflicht zur Vielfalt, kein Zwang zur Uneinigkeit, kein Verbot der Kontaktaufnahme, Information und Koordination besteht.12 Dieses Verständnis des Bundesstaatsprinzips ist das Ergebnis eines staatstheoretischen Entwicklungsprozesses.13 Zunächst wurde eine Länderzusammen9

Sarcevic, S. 130 ff., 133 ff., 226 ff. BVerfGE 87, 181, 196; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 18; Jestaedt, HStR II3, § 29, Rdnr. 33, mit einer Darstellung der Gegenmeinungen in Rdnr. 30 f. 11 Ausführlich Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 327 ff.; Jestaedt, HStR II3, § 29, Rdnr. 12; Unruh, Verfassungsbegriff, S. 559 ff. Siehe auch Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 226. Ausführlich zu den Funktionen des Bundesstaates siehe auch Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 19 m.w. N. 12 Hofmann, HStR I3, § 9, Rdnr. 79; Maunz, NJW 1962, 1641; Pietzcker, Landesbericht, S. 64; Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 227. 13 Siehe hierzu ausführlich Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 21 ff. m.w. N. Zu den verschiedenen Bundesstaatstheorien siehe auch Smith, S. 63 ff. m.w. N. 10

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

arbeit als Verstoß gegen den föderalistischen Gedanken angesehen, weil dieser auf die historisch begründete und zu bewahrende Eigenständigkeit der Länder abziele.14 Eine für alle Gebiete durch Zusammenarbeit einheitlich gesetzte Ordnung könne die Verschiedenheit der Landschaften und Volksstämme nicht genügend berücksichtigen. Es wurde darauf hingewiesen, dass dort, wo im Wege der Zusammenarbeit einheitliche oder übereinstimmende Lösungen verwirklicht werden, die Vielfalt der Gestaltungen entfalle, die dem Föderalismus sein Gepräge gibt.15 Diese strikte Ablehnung der Zusammenarbeit der Bundesländer änderte sich mit der Erkenntnis der Notwendigkeit weiträumiger Lösungen.16 Hier traten zum einen Zentralisierungsforderungen auf. Es wurde von einem unitarischen Bundesstaat gesprochen.17 Andere sahen als Sinn des Bundesstaatsprinzips zwar nicht mehr die Bewahrung regionaler Vielfalt an, aber eine Gewaltenbalancierung, eine Dezentralisierung von Entscheidungszuständigkeiten und eine Ersetzung hierarchischer durch kooperative Handlungsformen.18 Die Zusammenarbeit der verschiedenen staatlichen Ebenen wird nunmehr zu den prägenden Merkmalen des grundgesetzlichen Bundesstaates gezählt. In diesem Zusammenhang wird vom „kooperativen Bundesstaat“ 19 oder „kooperativen Föderalismus“ 20 gesprochen. Die Befürworter des kooperativen Bundesstaates ziehen auch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes und Art. 40 des Entwurfs von Herrenchiemsee21 heran, der das Recht zum Vertragsschluss zwischen den Ländern geregelt hatte und im Rahmen einer Kürzung des Grundgesetzentwurfs als selbstverständlich gestrichen wurde. Daraus sei zu erkennen, dass die Befugnis zum Abschluss 14

Grawert, S. 295; Hesse, FS Müller, S. 159; Hufen, BayVBl 1987, 513, 517 f. Hesse, FS Müller, S. 145. 16 Giese, S. 174. 17 Die Entwicklung zum sozialen Rechtsstaat verlange nach Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit, folglich nach weitgehender sachlicher Unitarisierung (Hesse, Bundesstaat, S. 13 f.). 18 BVerwGE 22, 299, 308; Hesse, FS Müller, S. 145; Hofmann, HStR I3, § 9, Rdnr. 79; Pietzcker, Landesbericht, S. 68. 19 Dittmann, HStR IX2, Rdnr. 34; Hesse, FS Müller, S. 145; Pietzcker, Landesbericht, S. 68. 20 Bothe, Generalbericht, S. 197 f.; Hesse, FS Müller, S. 143. 21 Art. 40 des Entwurfs von Herrenchiemsee lautete: „Die Länder können über Gegenstände, die in ihren Aufgabenbereich fallen, Vereinbarungen mit anderen deutschen Ländern treffen.“ Dazu wird im darstellenden Teil des Berichts von Herrenchiemsee ausgeführt, es beständen keine Bedenken gegen innerdeutsche Vereinbarungen zwischen den Ländern. Falls ein Bedürfnis für eine einheitliche oder gleichmäßige Regelung vorhanden sein sollte, ohne dass die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes sich hierauf erstrecke oder ohne dass der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht habe, so sei eine Vereinbarung unter den Ländern der gegebene Weg, dieses Bedürfnis zu beheben (Verfassungsausschuss der Ministerpräsidenten-Konferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 25. August 1948, S. 30). 15

I. Rechtliche Grundlagen der Zusammenarbeit der Bundesländer

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von Verträgen der Bundesländer vom Grundgesetz als föderalistische Selbstverständlichkeit stillschweigend vorausgesetzt wird.22 Der Streit braucht nicht zugunsten einer Seite entschieden werden, weil der Bundesstaat sowohl auf föderativen wie unitarischen Elementen aufgebaut ist.23 Er bedeutet nicht nur Trennung und Teilung von Hoheitsträgern und Aufgaben, sondern für das Funktionieren des Staates als Ganzes ist das Zusammenwirken aller Teile eines Bundesstaates wichtig.24 Dabei muss sowohl die Einheit des Ganzen gesichert (unitarische Elemente), als auch die Eigenheit der Teile gewährleistet werden (föderale Elemente).25 Prägnant ist hierfür das Zitat von Isensee: „Ohne das föderale Element kein Bundesstaat, ohne das unitarische kein Staat.“ 26 Begriffe wie der „unitarische“, der „kooperative“, der „kompetitive“ oder der „europäisierte“ Bundesstaat stehen sich daher nicht als Ausdruck sich widersprechender Meinungen gegenüber, sondern weisen lediglich auf eine besondere Richtungsgebung bei der Ausfüllung des verfassungsrechtlich gezogenen Rahmens.27 Eine andere Sicht ergibt sich auch nicht aus dem Stichwort „Wettbewerbsföderalismus“. Der Wettbewerb ist nur eine mögliche Folge der vom Grundgesetz ermöglichten Unterschiedlichkeit der Länder. Die Länder sind aber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, miteinander in Wettbewerb zu treten. Sie können vielmehr, aus welchen Motiven heraus auch immer, zusammenarbeiten und so den Wettbewerb nicht entstehen lassen.28 Es fragt sich daher nicht, ob, sondern wie viel Zusammenarbeit im Bundesstaat des Grundgesetzes rechtlich zulässig ist. Betrachtet man hierzu die Regelungen im Grundgesetz, so fehlt eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit der Bundesländer, wie es sie beispielsweise in der Verfassung der Schweiz gibt.29 Lediglich verein22

Giese, S. 58 f.; Kisker, S. 53 u. 72; Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 195 f.; Lenhard, S. 113; Maunz, NJW 1962, 1641; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 2. 23 Jestaedt, HStR II3, § 29, Rdnr. 9. 24 Vedder, S. 37 f. 25 Jestaedt, HStR II3, § 29, Rdnr. 13. 26 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 4. 27 Jestaedt, HStR II3, § 29, Rdnr. 14. 28 Hanebeck, S. 312. Siehe zum Wettbewerbsföderalismus auch Jekewitz, S. 1133 ff. sowie Smith, S. 149, der von einem solidarischen Wettbewerb spricht. Zum Begriff des Wettbewerbs näher Musil, Wettbewerb, S. 11 ff. und zum Wettbewerb zwischen den Bundesländern ders., S. 25. 29 Art. 7 Verfassung der Schweiz lautet: „I. Besondere Bündnisse und Verträge politischen Inhalts zwischen den Kantonen sind untersagt. II. Dagegen steht ihnen das Recht zu, Verkommnisse über Gegenstände der Gesetzgebung, des Gerichtswesens und der Verwaltung unter sich abzuschließen; jedoch haben sie dieselben der Bundesbehörde zur Einsicht vorzulegen, welche, wenn diese Ver-

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

zelt enthält das Grundgesetz Regelungen über konkrete Formen der Zusammenarbeit, die auf eine allgemeine Zulässigkeit der Länderzusammenarbeit durch den Abschluss von Staatsverträgen hinweisen.30 Hierfür wird Art. 32 Abs. 3 GG herangezogen: Wenn die Länder auf den Gebieten ihrer Gesetzgebung schon Staatsverträge mit auswärtigen Staaten schließen können, muss ihnen dies erst recht untereinander erlaubt sein.31 Weiterhin wird aus den Artt. 29 Abs. 7 und 8, 35, 91, 91b, 118, 118a, 130 Abs. 1 und 3 sowie 135 Abs. 5 GG geschlossen, dass die Zusammenarbeit der Bundesländer im Bundesstaat nicht systemfremd bzw. nicht verboten und daher zulässig ist.32 Zudem sprechen auch die neu eingefügten Art. 91c und d GG dafür. Allgemein wird das Recht der Länder zur Zusammenarbeit aus ihrem Staatscharakter und ihrer Handlungsfreiheit gemäß Art. 30 GG gefolgert.33 Als Staaten mit eigener, unabgeleiteter Staatsgewalt können sie über ihre Kompetenzen mit kommnisse etwas dem Bunde oder den Rechten anderer Kantone Zuwiderlaufendes enthalten, deren Vollziehung zu hindern befugt ist. Im entgegengesetzten Falle sind die betreffenden Kantone berechtigt, zur Vollziehung die Mitwirkung der Bundesbehörden anzusprechen.“ Art. 102 Verfassung der Schweiz lautet: „Der Bundesrat hat . . . folgende Befugnisse und Obliegenheiten . . . 2. Er hat für die Beobachtung der . . . Vorschriften eidgenössischer Konkordate zu wachen . . .“ Art. 113 Verfassung der Schweiz lautet: „I. Das Bundesgericht urteilt ferner: . . . 2. über Streitigkeiten staatsrechtlicher Natur zwischen den Kantonen 3. über Beschwerden . . . von Privaten wegen Verletzung von Konkordaten und Staatsverträgen.“ Ausführlich zur Zusammenarbeit der Schweizer Kantone und der Gliedstaaten in den USA bereits Giese, S. 32 ff. 30 Grassl, S. 54; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 242; Vedder, S. 125. 31 BVerwGE 22, 299, 307; Giese, S. 59; Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 195 f.; Lenhard, S. 113 f.; Pietzcker, Landesbericht, S. 46; Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 235. Teilweise wird auch argumentiert, dass die staatsvertraglichen Beziehungen zwischen den Ländern nicht zu den auswärtigen Beziehungen gehören und daher – in Abweichung von der grundsätzlichen Allzuständigkeit der Länder nach Art. 30 GG – nicht von der Zuständigkeitsübertragung auf den Bund nach Art. 32 Abs. 1 GG erfasst werden. Für Länderstaatsverträge bleibt es daher gemäß Art. 30 GG beim Grundsatz der Zuständigkeit der Länder. Einer Rückermächtigung durch Art. 32 Abs. 3 bedarf es somit nicht (Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 242). 32 Bothe, Generalbericht, S. 203 ff.; Grassl, S. 54; Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 231; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 25 f.; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 242; Vedder, S. 125. Kisker (Kooperation, S. 86 f.) fragt sich weitergehend, welcher Koordinationstechnik das GG den Vorzug gibt: der direktiven Regelung durch den Bund (insbesondere mit Hilfe der in Art. 29 und 79 bereitgestellten Verfahren) oder der kooperativen (insbesondere vertraglichen) Regelung durch die jeweils Beteiligten. 33 BVerfGE 12, 205, 252; Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 195 f.; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 458 f.; Zacher, BayVBl 1971, 321, 322. Die Staatsqualität der Länder wird aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG hergeleitet (siehe hierzu BVerfGE 1, 14, 34; 13, 54, 77 ff.; 36, 342, 360 f.).

I. Rechtliche Grundlagen der Zusammenarbeit der Bundesländer

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anderen deutschen Ländern Verträge abschließen oder administrativ zusammenarbeiten, solange nicht das Grundgesetz dieses Recht ausdrücklich einschränkt oder entzieht bzw. es nicht gegen die eigene Landesverfassung verstößt.34 3. Europarechtliche Regelungen Europarechtliche Regelungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik finden sich auf den ersten Blick nicht. Lediglich in Teilbereichen muss Europarecht beachtet werden. So können beispielsweise bestimmte Konstellationen der horizontalen Verwaltungszusammenarbeit dem Anwendungsbereich des EG-Vergaberechts unterfallen. Hier entscheidet dann der Markt, mit wem ein Verwaltungsträger zusammenarbeiten kann.35 Das Vergaberecht ist aber nur in den Fällen zu beachten, in denen die Länder Berlin und Brandenburg mit ihrer Zusammenarbeit den innerstaatlichen Bereich verlassen und sich dem Markt öffnen. Solange sie lediglich innerstaatlich eine Leistung nicht mehr allein, sondern nunmehr in Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen Land erbringen, spielt das Vergaberecht keine Rolle.36 Die in der vorliegenden Arbeit betrachtete Zusammenarbeit beider Länder vollzieht sich im innerstaatlichen Bereich, so dass auf die dargestellte Problematik nicht weiter einzugehen ist.37 Selbst in den noch zu betrachtenden Fällen der Errichtung gemeinsamer Einrichtungen beider Länder soll der mit der Dienstleistung betraute (gemeinsame) Träger öffentlich-rechtlich handeln, wodurch das Vergaberecht keine Anwendung findet.38 4. Bundesrechtliche Regelungen In dem Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder sieht eine Reihe von Bundesgesetzen ausdrücklich den Abschluss von Vereinbarungen 34 Giese, S. 59; Lenhard, S. 113 f.; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 58, Rdnr. 3; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 54. 35 Die Vereinbarkeit innerstaatlicher Kooperationsformen mit dem EG-Vergaberecht – Überlegungen zu einer grundgesetzlichen Regelung der Verwaltungszusammenarbeit aus vergaberechtlicher Sicht, Kommissionsdrucksache 099 der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vom 19. März 2008, online im Internet unter http://web43.d2-1066.ncsrv.de/text_files/ file_1213991016.pdf, S. 1. 36 Die Vereinbarkeit innerstaatlicher Kooperationsformen mit dem EG-Vergaberecht – Überlegungen zu einer grundgesetzlichen Regelung der Verwaltungszusammenarbeit aus vergaberechtlicher Sicht, Kommissionsdrucksache 099 der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vom 19. März 2008, online im Internet unter http://web43.d2-1066.ncsrv.de/text_files/ file_1213991016.pdf, S. 13. 37 Siehe hierzu weiterführend Bauer, ZfBR 2006, 446 ff. m.w. N.; Burgi, ZG 2006, 189, 193 ff. m.w. N. 38 Burgi, ZG 2006, 189, 195. Siehe zur Ausgrenzung der materiellen Privatisierung aus der vorliegenden Untersuchung näher in Kapitel C. unter Punkt II.2.c)bb).

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

der Länder vor. Zu nennen sind beispielsweise im Bereich der Gerichtsorganisation § 3 Abs. 2 VwGO, § 120 Abs. 5 Satz 2 GVG, § 7 Abs. 2 SGG und § 3 Abs. 2 FGO, in denen der Bund den Ländern ausgehend von seiner Gesetzgebungszuständigkeit die Möglichkeit eröffnet, gemeinsame Gerichte zu errichten. Hierauf wird im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung noch näher einzugehen sein. Neben dieser möglichen institutionellen, auf Dauer angelegten Zusammenarbeit schreiben die Bundesgesetze auch einzelfallbezogene Zusammenarbeit von Behörden mehrerer Bundesländer vor. So ermächtigt § 167 Abs. 1 GVG beispielsweise zur polizeilichen Nacheile bei der Strafverfolgung auch über die Landesgrenzen hinaus. § 4a Abs. 5 BauGB schreibt für Bauleitpläne, die erhebliche Auswirkungen auf benachbarte Länder haben können, eine Pflicht zur Unterrichtung der Gemeinden und Behörden des Nachbarstaates vor. Für Bauleitpläne, die erhebliche Umweltauswirkungen auf ein anderes Land haben können, besteht sogar eine Pflicht zur Beteiligung des anderen Landes im Bauplanungsverfahren. Derartige Mitwirkungsrechte landesexterner Behörden beim Erlass von Verwaltungsakten finden sich an vielen Stellen im Verwaltungsrecht. Es wird zwischen Zustimmung, Einvernehmen, Benehmen, gegenseitiger Unterrichtung, Beratung, Anhörung und Stellungnahme unterschieden.39 Diese einzelfallbezogene, von Bundesgesetzen zwingend vorgeschriebene Zusammenarbeit, die auch zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg praktiziert wird, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Sie ist weder neu noch in den Ländern Berlin und Brandenburg speziell. Vorliegend wird ausschließlich die auf Dauer angelegte, auf Freiwilligkeit beruhende Zusammenarbeit beider Länder in den Blick genommen. Aus den gleichen Überlegungen heraus, ist auch die bundesweit geregelte Amtshilfe im Sinne des Art. 35 Abs. 1 GG in die vorliegende Untersuchung nicht einzubeziehen. Amtshilfe ist nach der Legaldefinition des § 4 VwVfG die ergänzende Hilfe einer Behörde auf Ersuchen einer anderen Behörde. Zur Amtshilfe sind nicht nur Behörden der Exekutive, sondern auch der Legislative und der Judikative verpflichtet.40 Wie alle Bundesländer leisten sich auch Berlin und Brandenburg anlassbezogen Amtshilfe. Dies haben beide Länder in dem am 10. Mai 1996 unterzeichneten Verwaltungsabkommen über die gegenseitige Unterstützung durch Polizeikräfte bestätigt und konkretisiert. 5. Landesrechtliche Regelungen Im Rahmen ihrer Zuständigkeit und der Vorgaben des Grundgesetzes41 können die Länder ihre Zusammenarbeit selbst regeln. Hiervon haben die Länder Berlin 39

Siehe hierzu näher Tabaka-Dietrich, S. 63 ff. Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 27. 41 Das Grundgesetz setzt den Landesverfassungen in Art. 1 Abs. 3, 28 und 31 GG Grenzen. Siehe hierzu ausführlich Storr, S. 190 ff. 40

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und Brandenburg in ihren Landesverfassungen auch Gebrauch gemacht. Gemäß Art. 96 der Verfassung von Berlin (VvB) können beispielsweise zwischen Berlin und anderen Ländern gemeinsame Behörden, Gerichte und Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gebildet werden. Ein solcher Staatsvertrag bedarf der Zustimmung des Abgeordnetenhauses. Mit dem Land Brandenburg oder einzelnen seiner Gebietskörperschaften können zudem gemeinsame Behörden oder Gremien geschaffen werden, auf die durch Gesetz einzelne Befugnisse zur Raumplanung und Flächennutzungsplanung übertragen werden (Art. 96 S. 3 VvB). Gemäß Art. 109 Abs. 4 BbgVerf kann durch Staatsvertrag von dieser Regelung Abweichendes hinsichtlich der Berufung der Richter geregelt werden, wenn Brandenburg mit anderen Ländern gemeinsame Gerichte errichtet. Den hohen Stellenwert der Zusammenarbeit, der aus diesen landesverfassungsrechtlichen Regelungen zu entnehmen ist, haben die Landesgesetzgeber auch in einfachgesetzlichen Regelungen untermauert. So benennt beispielsweise das Brandenburger Gesetz über Ziele und Vorgaben zur Modernisierung der Landesverwaltung42 in seinen §§ 3, 4 und 5 eine Vielzahl von Einzelbereichen, die sich für eine Zusammenarbeit mit Berlin besonders eignen. Das Landesorganisationsgesetz43 gibt im § 7 Abs. 1 darüber hinaus vor, dass auch für die als Ergebnis der Aufgabenkritik in der unmittelbaren Landesverwaltung verbleibenden Aufgaben vordringlich eine Länder übergreifende Zusammenarbeit insbesondere mit dem Land Berlin anzustreben ist. Unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Rahmens und der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit soll auf die Übertragung der Aufgabenwahrnehmung oder Aufgabenerfüllung auf eines der beteiligten Länder oder die Bildung gemeinsamer Behörden, Einrichtungen oder Landesbetriebe hingewirkt werden. Weiterhin enthalten sowohl Art. II des Haushaltsentlastungsgesetzes 2002 als auch Art. 2 § 5 des Haushaltssicherungsgesetzes 2003 des Landes Brandenburg44 die Aufforderung, die Erledigung öffentlicher Aufgaben bzw. öffentliche Einrichtungen beider Länder zusammenzuführen.45 6. Zwischenergebnis Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sowohl im Grundgesetz als auch in den Landesverfassungen der Länder Berlin und Brandenburg Grundlagen einer engen Zusammenarbeit beider Länder gelegt worden sind. 42 Gesetz über Ziele und Vorgaben zur Modernisierung der Landesverwaltung (VerwModG) vom 10. Juli 2003, BbgGVBl. I/03, S. 194. 43 Gesetz über die Organisation der Landesverwaltung (Landesorganisationsgesetz – LOG) vom 24. Mai 2004, BbgGVBl. I/04, S. 186. 44 Gesetz zur Sicherung des Landeshaushalts und zur Modernisierung der Landesverwaltung (Haushaltssicherungsgesetz 2003 – HSichG 2003) vom 10. Juli 2003, BbgGVBl. I/03, S. 194. 45 AvB Drs. 15/3370, S. 2.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

Rechtlicher Hauptanknüpfungspunkt der vorliegenden Untersuchung ist das Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes. Art. 20 Abs. 1 GG definiert die Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat. Dabei ist der deutsche Bundesstaat in der konkreten Ausprägung, die er durch das Grundgesetz erfahren hat, weltweit einmalig und kann nicht durch internationale Vergleiche bestimmt werden.46 Damit hat auch die nachfolgende Arbeit am Grundgesetz anzusetzen. Auf einen Vergleich mit anderen Bundesstaaten wird verzichtet, weil dieser lediglich informativen Charakter hätte, aus ihm aber keine Rückschlüsse für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg gezogen werden könnten.

II. Rechtliche Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland Für die Darstellung der rechtlichen Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik ist zunächst ihr verfassungsrechtlicher Charakter zu klären. Gemäß Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Unter einem Bundesstaat wird ein aus Staaten zusammengesetzter Staat verstanden. Das Grundgesetz selbst spricht demgegenüber nicht von „Staaten“, sondern von „Ländern“. Es setzt die Existenz der Länder in seiner Präambel und in Art. 144 voraus, denn das deutsche Volk in den Ländern kann das Grundgesetz nur beschlossen haben, wenn die Länder nicht erst vom Grundgesetz geschaffen wurden. In Art. 30 GG stattet es die Länder mit staatlichen Befugnissen und Aufgaben aus. Daneben wird die Existenz von Ländern in Art. 79 Abs. 3 GG für verfassungsänderungsfest erklärt.47 Dabei besagt das Grundgesetz aber nicht ausdrücklich, was es unter „Länder“ versteht. 1. Der Staatscharakter der Bundesländer Die Literatur geht fast einhellig davon aus, dass die Bundesländer im Sinne des Grundgesetzes eigene Staaten sind.48 Sowohl die Staatlichkeit des Bundes als auch die seiner Gliedstaaten wird als Voraussetzung eines Bundesstaates und diesem Begriff immanent angesehen,49 wobei den Ländern eine „Staatlichkeit be46 Isensee, AöR 115 (1990), 248, 251. „Jeder Bundesstaat ist ein Unikat“ (ders., S. 252). 47 Hanebeck, S. 216. 48 Übersicht über den Meinungsstand bei Hempel, S. 41 ff. m.w. N. und zur Entwicklung der Bundesstaatslehre S. 55 ff. m.w. N. Zur Entwicklung des Staatsbegriffs ausführlich Möllers, S. 9 ff. Siehe auch Smith, S. 136 ff.; Sodan, LKV 2010, 440, 442. 49 BVerfGE 1, 14, 34; 12, 205, 255; 34, 9, 19; 36, 342, 360 f.; 60, 175, 207 f.; 72, 330, 385 f.; 86, 148, 214; 87, 181, 196; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 35; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 461; Eicher, S. 48; Isensee, HStR VI3, § 126,

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sonderer Art“ 50 bzw. eine „Staatlichkeit im Sinne des Grundgesetzes“ 51 zugeschrieben wird. Aus dem Wortteil „-staat“ bei „Bundesstaat“ in Art. 20 Abs. 1 GG folge eine wesentliche Bedeutung von Staatlichkeit für den Bundesstaat und damit auch für die Länder. Andere sehen in Art. 7 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1a, Art. 28 Abs. 1, Art. 30, Art. 32 Abs. 3, Art. 33 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 und Art. 130 Abs. 1 und 3 GG die Staatsqualität der Länder als vom Grundgesetz selbst vorausgesetzt an.52 Die Länder üben eigene, nicht vom Bund abgeleitete, originäre Staatsgewalt aus.53 Staatsgewalt ist dabei „das effektive Vorhandensein einer gebiets- und volksbezogenen Hoheitsgewalt“,54 derer sich der Unterworfene nicht entziehen kann.55 Sie äußert sich in der Existenz selbständiger Organe, die durch eine eigene Verfassung bestimmt werden, und in der Befugnis zum Erlass eigener Gesetze.56 Durch die Ausübung eigener Staatsgewalt unterscheiden sich die Länder von kommunalen Körperschaften.57 Sie können rechtliche Regelungen aus originärer Kraft treffen, was sich insbesondere in ihrer Organisationshoheit äußert.58

Rdnr. 65 ff.; Maunz, HStR IV2, § 94, Rdnr. 2 ff.; Sachs, AöR 1983, 68, 69; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rdnr. 65 ff.; Sommermann, in: vMKS, GG, Art. 20 Abs. 1, Rdnr. 26 f., der auf einen Vergleich mit anderen Bundesstaaten abstellt; Stern, Staatsrecht I, S. 169, der vom „Wesen der Bundesstaatlichkeit“ spricht und die Staatsqualität der Länder nach dem Grundgesetz als unstreitig ansieht (S. 667); Storr, S. 66 ff.; Unruh, Verfassungsbegriff, S. 559 f. 50 Graf Vitzthum, VVDStRL 46 (1988), S. 26 f. 51 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 69. 52 Harbich, S. 62 f.; Sachs, AöR 1983, 68, 69; Storr, S. 66. Auch die meisten Bundesländer gehen in ihren Verfassungen selbst von ihrer Staatsqualität aus. So besagt beispielsweise Art. 1 der Verfassung des Landes Sachsen: „Der Freistaat Sachsen ist . . . ein demokratischer, . . . sozialer Rechtsstaat.“ Die Länder Berlin und Brandenburg verzichten demgegenüber in ihren Verfassungen auf eine Bezeichnung als „Staat“. So besagt Art. 1 Abs. 1 Bbg.Verf: „Brandenburg ist ein freiheitliches, . . . demokratisches Land“. Allenfalls in Art. 1 Abs. 2 Bbg.Verf, der von „Staatsgewalt“ spricht, könnte man auf die Überzeugung, selbst ein Staat zu sein, schließen. Die Verfassung von Berlin verzichtet sogar vollkommen auf den Begriff „Staat“ und spricht in Art. 2 S. 1 VvB von „öffentlicher Gewalt“. Wobei aber zu beachten ist, dass sich aus den Landesverfassungen keine Folgen für die Auslegung des Grundgesetzes ergeben können. 53 Harbich, S. 53. Zur streitigen Frage, wie die Landesgewalt der Bundesländer in der Bundesrepublik ausgestaltet ist, siehe ausführlich Hempel, S. 83 ff. m.w. N. 54 Weber-Fas, S. 16. 55 Jellinek, S. 429 f. 56 Jellinek, S. 490 ff. 57 Der Unterschied zwischen einem Staat und einer Selbstverwaltungskörperschaft war lange umstritten (Übersicht bei Harbich, S. 15 ff.). Nunmehr ist weitgehend anerkannt, dass das entscheidende Differenzierungskriterium die Unabgeleitetheit der Hoheitsgewalt ist (Harbich, S. 16; Storr, S. 65). 58 Storr, S. 65. Siehe hierzu in Kapitel D. unter Punkt III.2.b).

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

Zum Teil wird in der Literatur der Staatscharakter der Bundesländer aber auch hinterfragt.59 Mit der Bezeichnung Bundesstaat in Art. 20 Abs. 1 GG sei nicht zwingend den Ländern Staatscharakter zugeschrieben, weil sich der Wortteil „-staat“ auch allein auf die Bundesrepublik Deutschland als Ganzes beziehen könne. Dies ergebe sich aus einer grammatikalischen Auslegung des Art. 20 Abs. 1 GG. Im Übrigen spreche das Grundgesetz ausdrücklich von „Ländern“, aber nicht von „Staaten“. Art. 30 GG, wonach die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist, könne auch als reine Kompetenzzuweisung verstanden werden, wonach die Länder die staatlichen Befugnisse und Aufgaben der Bundesrepublik nur übertragen bekommen und für diese ausüben.60 Aus dem Verfassungswortlaut folge daher nicht zwingend die Staatlichkeit der Länder.61 Die Länder seien das, was das Grundgesetz sagt: „Länder“ und keine „Staaten“. Daher sei in einem Bundesstaat auf die Kategorien „Staat“ bzw. „(Doppel-)Staatlichkeit“ zu verzichten.62 Diese eher staatstheoretische Frage, ob die Länder eigene Staaten sind oder lediglich vom Grundgesetz mit herausgehobener Stellung bedachte selbständige „Untergliederungen“ namens „Länder“, auf die gemäß Art. 28 Abs. 1 GG die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats Anwendungen finden, spielt für die vorliegende Untersuchung lediglich eine stilistische Rolle. Selbst wenn man mit der oben dargestellten Meinung den Staatscharakter der Bundesländer in der Bundesrepublik verneint, müssen dennoch insbesondere die rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätze des Grundgesetzes gemäß Art. 28 Abs. 1 GG auch auf der Länderebene gewährleistet sein. Damit muss beispielsweise auch die demokratische Legitimation zwischen Landesvolk und Landesregierung gewahrt werden. Die hierbei streitige Frage, ob die Landesgewalt lediglich vom Landesvolk oder vom gesamten deutschen Volk im Geltungsbereich autorisiert wird, ist 59 Zum einen wird im Schrifttum eine zentralistische Auffassung des Bundesstaates vertreten und aus diesem Ansatz die Staatlichkeit der Länder in einem Bundesstaat für unmöglich gehalten (Schmitt, Verfassungslehre, S. 388; Hempel, S. 182, 235 ff., der nur auf die „Gesamtheit von Bund und Ländern“ den Begriff „Staat“ anwenden möchte und auf S. 238 vom „einheitlich autorisierten demokratischen Bundesstaat“ spricht) bzw. ihre Staatlichkeit verneint, weil die heutigen Länder aus der zentralistischen Staatsgewalt des Deutschen Reiches abgeleitet seien (v. d. Heydte, VVDStRL 13 (1955), S. 13). Andere neuere Schriften setzen am Wortlaut des Grundgesetzes an und finden hierin keine Grundlage für die Annahme der Staatlichkeit der Länder (hierzu Hanebeck, S. 52 ff.) bzw. sehen in der Bundesstaatskonzeption des GG lediglich „Zentren demokratisch legitimierter politischer Entscheidung“ gewährleistet (Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 79, Rdnr. 31; Hesse, AöR 98 (1973), 1, 14 f.). Auch Maurer, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 46 (1988), S. 134 sah Vieles dafür sprechen, dass nur Bund und Länder zusammen den Staat ausmachen. 60 Hanebeck, S. 52 f., der die gleichen Überlegungen auch für Art. 33 Abs. 1 GG anstellt. 61 Möllers, S. 360. Ausführlich Hanebeck, S. 55 ff. 62 Hanebeck, S. 64 u. 283.

II. Rechtliche Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer

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in der vorliegenden Untersuchung ohne Belang,63 weil die Landesverfassungsgebung durch die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg nicht berührt wird.64 Zudem weist Art. 30 GG den Bundesländern die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zu, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Damit üben die Bundesländer in ihren Kompetenzbereichen Staatsgewalt – in dem oben dargestellten Verständnis dann nicht eigene, sondern Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland – aus. Eine grundlegende Eigenschaft der Bundesländer des Grundgesetzes ist folglich die (originäre oder übertragene) Ausübung von Staatsgewalt innerhalb der ihnen durch die Verfassung übertragenen Aufgabenbereiche. Gibt ein Bundesland diese Staatsgewalt durch Zusammenarbeit auf, so kann es nicht mehr als Bundesland i. S. des Grundgesetzes, insbesondere i. S. des Bundesstaatsprinzips angesehen werden. Eine derartige Abgabe von Staatsgewalt der Länder Berlin und Brandenburg durch ihre Zusammenarbeit wäre damit verfassungswidrig. Es stellt sich für die vorliegende Untersuchung als sprachlich unschöne Verkomplizierung ohne Mehrwert dar, statt vom Staatscharakter der Bundesländer von einem aus dem Grundgesetz herzuleitenden Charakter der Bundesländer zu sprechen, der aber zumindest in allen vorliegend entscheidenden Punkten einem Staatscharakter entspricht. Auf diesen Meinungsstreit soll daher nicht näher eingegangen werden, sondern es wird in der folgenden Untersuchung mit der Mehrzahl der Literatur vom Staatscharakter der Bundesländer der Bundesrepublik ausgegangen. Dieser Staatscharakter verlangt die Wahrung eines – noch zu konkretisierenden – Kernbereichs der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der den Ländern verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben. Damit sind in der Bundesrepublik alle Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern zulässig, solange sie diesen Kernbereich wahren. Die Herausforderung der rechtlichen Beurteilung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg besteht damit weniger darin, eine Ermächtigung für diese zu finden, sondern vielmehr darin, ihre rechtlichen Grenzen zu ermitteln.65 2. Die Kompetenzen der Bundesländer nach dem Grundgesetz Eine offensichtliche Grenze der Länderzusammenarbeit in der Bundesrepublik Deutschland zieht die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes. Länder können nur auf den Gebieten zusammenarbeiten, auf denen sie auch die hierfür notwendigen Kompetenzen vom Grundgesetz zugewiesen bekommen haben.

63 64 65

Letzteres befürwortet Hempel, S. 240 m.w. N. im Folgenden. Siehe hierzu Kapitel D. unter Punkt III.2.b). Sinngemäß ebenso Hempel, S. 229. A. A. Krapp, S. 69 f.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Staatsgewalt von dem der Souveränität zu unterscheiden. Souveränität bedeutet die Unabhängigkeit von fremder Staatsgewalt.66 Sie ist die Eigenschaft einer Staatsgewalt, die ausschließliche Fähigkeit rechtlicher Selbstbestimmung und Selbstbindung zu haben, wobei sich aber auch souveräne Staaten freiwillig rechtlichen Beschränkungen unterwerfen können.67 Das Merkmal der Souveränität sagt nichts über den Inhalt der Staatsgewalt aus.68 Auch ist die Souveränität kein wesentliches Merkmal der Staatsgewalt, weil es zwei Gattungen von Staaten gibt: souveräne und nichtsouveräne. In einem Bundesstaat ist nur der Bund, nicht das einzelne Bundesland souverän.69 In der vorliegenden Untersuchung interessiert allein die Staatsgewalt der (nicht souveränen) Bundesländer Berlin und Brandenburg, so dass der Begriff der Souveränität hier keine Rolle spielt. Der Bund und die Länder haben jeweils in Bezug auf ihre Sachkompetenzen eigene Staatsgewalt. Sie ist zwischen ihnen mittels Kompetenzregelungen im Grundgesetz nach Sachgebieten aufgeteilt.70 Auf den ihnen zustehenden Sachgebieten handeln die Staatsorgane der Bundesländer rechtlich unabhängig voneinander und vom Bund.71 Das Ausmaß der den Ländern vom Grundgesetz erteilten Kompetenzen variiert hinsichtlich der drei Gewalten sehr stark. Während in der Legislative dem Bund gegenüber den Ländern entscheidend mehr Kompetenzen zukommen, ist der Schwerpunkt der Exekutive bei den Ländern angesiedelt. Der Grund hierfür ist, dass die Verwaltungskompetenzen den Ländern zum einen für die Ausführung ihrer eigenen Gesetze, zum anderen im Schwerpunkt auch für die Ausführung der Bundesgesetze gemäß Art. 30, 83 GG obliegen.72 Diese Gewichtsverteilung 66 Jellinek, S. 474; Nawiasky, S. 98. Teilweise wird unter Staatsgewalt die Fähigkeit, eine Ordnung auf dem Staatsgebiet zu organisieren (innere Souveränität) und nach außen selbständig und von anderen Staaten rechtlich unabhängig im Rahmen und nach Maßgabe des Völkerrechts zu handeln (äußere Souveränität), verstanden (Ipsen, § 5, Rdnr. 7). Zur Souveränität im demokratischen Bundesstaat siehe näher Smith, S. 128 ff. 67 Jellinek, S. 481 f. Zu den Verbindlichkeiten souveräner Staaten siehe in diesem Kapitel unter Punkt II.6. 68 Jellinek, S. 482 u. 485. 69 Bull, S. 93 f.; Jellinek, S. 489. Siehe auch Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 68 f., der darauf hinweist, dass der Begriff der Souveränität aus dem Völkerrecht bzw. der Allgemeinen Staatslehre stammt und nichts über die Staatsqualität der Bundesländer auszusagen vermag, die ihnen das Grundgesetz zuschreibt. Ebenso Hanebeck, S. 51. Allgemein zu der Problematik der Verwendung des Begriffs „Souveränität“ im Verfassungsstaat ders., S. 61. 70 Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 461; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 20; Jellinek, S. 495; Maunz, HStR IV2, § 94, Rdnr. 2 f.; Nawiasky, S. 112 f. 71 Maunz, HStR IV2, § 94, Rdnr. 5. 72 Pernice, in: Dreier, GG, Art. 30, Rdnr. 19, der darauf hinweist, dass auch durch die Kompetenzen der EU die Verwaltungskompetenzen der Länder kaum verdrängt werden, weil der administrative Vollzug des Unionsrechts bei den Mitgliedstaaten und in der

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spiegelt sich bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg wider. Den Kompetenzen entsprechend liegt der Schwerpunkt der Zusammenarbeit beider Länder im exekutiven Bereich. Gesetzgebungskompetenzen haben die Länder auf den Gebieten der Organisation ihrer staatlichen Gewalt, hinsichtlich Aufbau und Verfahren der Länderbehörden, auf den Gebieten des Kommunalrechts, des Kultur- und Bildungsrechts (Schulen, Hochschulen, Medien etc.), des allgemeinen Sicherheitsrechts (Polizeiund Ordnungsrecht), des Bauordnungsrechts und wesentlicher Teile des Straßenrechts, des Umweltrechts und des Denkmalschutzes.73 Auf diesen Gebieten können die Legislativen beider Länder grundsätzlich zusammenarbeiten. Weitergehende Schranken für die Zusammenarbeit beider Länder stellt die Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht auf, insbesondere müssen die Länder die in ihrem Gebiet wahrzunehmenden Aufgaben von verfassungswegen nicht durch eigene Organe erfüllen. Sie können ihre Aufgaben auch an Private oder außerhalb ihrer Landesgewalt stehende Einrichtungen delegieren. Ein dem entgegenstehender „Grundsatz der Nichtverfügbarkeit über Kompetenzen“ ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen.74 Auf diese Problematik wird in Kapitel D. noch näher einzugehen sein. 3. Das Territorialprinzip als Schranke Auch wenn die Bundesländer in der Bundesrepublik eigene Staaten sind mit einer einheitlichen, unteilbaren und unveräußerlichen Staatsgewalt75, steht dieses Verständnis einer generellen Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht entgegen. Denn auch selbständige Staaten können allein und in Gemeinschaft mit anderen Staaten Institutionen außerhalb ihres Gebiets errichten, was weltweit in großem Ausmaß auch ausgeübt wird. Gegen eine solche Zusammenarbeit mehrerer Staaten kann auch nicht das Territorialprinzip angeführt werden. Es bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich, dass die einseitige Bestimmungsmacht eines Staates an seinen Gebietsgrenzen endet und er nicht in den Zuständigkeitsbereich anderer Staaten hineinregieren darf.76 Das Territorialprinzip bleibt jedoch gewahrt, wenn der hierdurch geschützte Staat mit der Ausübung fremder Hoheitsgewalt auf seinem Gebiet ein-

Bundesrepublik damit größtenteils bei den Ländern verbleibt. Kritischer hierzu Storr, S. 69 f. 73 Hanebeck, S. 260; Heintzen, in: BK, Bd. 9, Art. 70, Rdnr. 77 ff.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 30, Rdnr. 18; Wormit, S. 52. 74 Hempel, S. 257. 75 Hempel, S. 41. 76 Ule, JZ 1961, 622, 623.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

verstanden ist. Damit hindert das Territorialprinzip die in dieser Arbeit zu untersuchende freiwillige, grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht.77 4. Das Subsidiaritätsprinzip als Schranke Das Subsidiaritätsprinzip, das als Grundgedanke des Föderalismus den „kleineren Einheiten“ alle Aufgaben vorbehalten soll, zu deren Erfüllung sie fähig sind,78 steht einer Zusammenarbeit der Bundesländer im Bundesstaat ebenfalls nicht entgegen. Zunächst begegnet bereits seine Einordnung als Verfassungsprinzip des Grundgesetzes erheblichen Bedenken.79 Zum anderen eröffnet die Zusammenarbeit „kleineren Einheiten“ gerade die Möglichkeit, auch Aufgaben wahrzunehmen, die überregional oder besonders kostenintensiv sind. Damit stärkt sie die Aufgabenwahrnehmung auf unterer Stufe gegenüber den Zentralisierungsforderungen als anderer Alternative. Die Gedanken zum Subsidiaritätsprinzip können einer Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg daher nicht entgegengehalten werden. 5. Das Verbot der Mischverwaltung Das Problem der Mischverwaltung stellt sich bei der Länderzusammenarbeit nicht.80 Bei der Mischverwaltung geht es um die funktionelle oder organisatorische Verflechtung der Verwaltung von Bund und Ländern,81 während die Länderzusammenarbeit allein die Verflechtung der Verwaltungen der Länder Berlin und Brandenburg umfasst. 6. Die Wahrung der Identität des Staates Analog zu der hier gestellten Frage nach den Grenzen der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg stellt sich auf internationaler Ebene die Frage 77

Hempel, S. 231. Ausführlich hierzu Isensee, Subsidiaritätsprinzip. Siehe auch Dürig, Anmerkung in VVDStRL 21 (1964), S. 114 f.; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 304; Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 233; Seggermann, S. 33 ff. Mit ausführlichen Literaturangaben hierzu auch Smith, S. 142 f. 79 Dürig, Anmerkung in VVDStRL 21 (1964), S. 115, der von einem echten juristischen Vorrangprinzip spricht. Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 233 hält demgegenüber den Subsidiaritätsgedanken für zu allgemein, als dass er einen festen Maßstab zur Beantwortung verfassungsrechtlicher Fragen liefern könnte. Kritisch wie hier auch Hempel, S. 218; Herzog, JuS 1967, 193, 194; Lerche, VVDStRL 21 (1964), 66, 74 ff.; Weber, S. 17 f. 80 Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 232, der die Idee aufwirft und dann wie hier ablehnt. 81 Ronellenfitsch, Mischverwaltung, S. 58. 78

II. Rechtliche Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer

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nach den Grenzen für die Übertragung von Hoheitsgewalt der Bundesrepublik auf andere Staaten bzw. Organisationen. Hieraus könnten eventuell Rückschlüsse auf mögliche Grenzen interföderaler Zusammenarbeit, insbesondere für die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg, gezogen werden. Das Völkerrecht ist aus zwei Gesichtspunkten für die vorliegende Untersuchung interessant. Zum einen beschäftigt sich die Rechtswissenschaft vor allem in diesem Bereich mit der Frage nach den notwendigen Merkmalen eines Staates. Während im nationalen Recht die Existenz des Staates vielfach vorausgesetzt wird und auch der Staatscharakter der Bundesländer von der Literatur größtenteils als vom Grundgesetz vorgegeben angesehen wird, bedarf es im Völkerrecht konkreter Merkmale, wann man es mit einem Staat zu tun hat. Die Einordnung als Staat hat hier rechtliche und politische Konsequenzen, weil beispielsweise nur Staaten Mitglieder der Vereinten Nationen werden können oder es nur Staaten zusteht, ihren Angehörigen im Ausland diplomatischen Schutz zu gewähren.82 Als Kernelemente der Staatlichkeit werden eine effektive Gebietsherrschaft und die grundsätzliche Fähigkeit, politische Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen, angesehen.83 Zum anderen spielen sich völkerrechtlich ähnliche Entwicklungen ab, wie die in der vorliegenden Arbeit untersuchte verstärkte Zusammenarbeit der Bundesländer im Bundesstaat. Die Staaten geben Teile ihrer Hoheitsmacht an supranationale und internationale Organisationen ab, weil sie allein neuen Herausforderungen nicht mehr effektiv entgegentreten bzw. essentielle öffentliche Aufgaben nicht mehr befriedigend erfüllen können.84 Die Nationalstaaten schließen Verträge, die sich teilweise zu einem ganzen Netz sich ergänzender Rechte und Obliegenheiten entwickeln, welches einen gewissen Intensitäts- und Festigkeitsgrad aufweist, treffen sich auf internationalen Konferenzen, die sich zu einer Organisation weiterentwickeln können,85 oder unterhalten gemeinschaftliche Einrichtungen und verpflichten sich, inhaltlich einheitliche, koordinierte Gesetze zu erlassen.86 Hinzu tritt die Möglichkeit, sich zu einem Staatenbund zusammenschließen87 oder auch von vornherein auf einen Teil der Hoheitsrechte zu verzichten, und diese von Organen einer so genannten supranationalen Gemeinschaft mit unmittelbarer innerstaatlicher Wirkung ausüben zu lassen, ohne dass 82

Weber-Fas, S. 15. Risse/Lehmkuhl, APuZ 2007 (Heft 20–21), 3, die im Folgenden untersuchen, dass es auch Staaten gibt, auf die diese Merkmale nicht zutreffen wie beispielsweise Somalia. Sie sprechen von Räumen „begrenzter Staatlichkeit“. 84 Häberle, S. 151 f.; Weber-Fas, S. 300. 85 Ein Beispiel hierfür ist die OSZE, die am 1. Januar 1995 aus der KSZE entstanden ist. 86 Hailbronner, Rdnr. 162 ff.; Nawiasky, S. 194 ff. 87 Charakteristikum des Staatenbundes ist, dass seine Beschlüsse in der Regel erst nach Transformation durch einen besonderen zusätzlichen Rechtsakt innerstaatliches Recht der Vertragsstaaten werden (Jellinek, S. 763 ff.). 83

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

es staatlicher Umsetzungsmaßnahmen bedarf.88 Ein Beispiel für eine solche supranationale Gemeinschaft ist die Europäische Union.89 Durch diese verstärkte internationale Zusammenarbeit der Nationalstaaten wird von einer veränderten, neuen, „offenen Staatlichkeit“ 90, vom „kooperativen Verfassungsstaat“ 91 gesprochen.92 Andere sehen einen „Wandel vom souveränen Nationalstaat zum postmodernen Staat, der explizit bereit ist, auf bestimmte Hoheitsrechte zugunsten einer supranationalen Herrschaftsordnung zu verzichten“.93 Ähnlich wie im nationalen Recht94 wird aber auch im Völkerrecht beklagt, dass es nicht gelungen sei, „einen substanziell qualifizierten, allgemein akzeptierten Staatsbegriff zu erarbeiten“.95 Für das Vorliegen eines Staates wird hier gefordert, dass er seine Staatsgewalt effektiv ausüben, das heißt innerstaatlich sein Recht durchsetzen kann und auf internationaler Ebene in der Lage sein muss, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen (Effektivitätsprinzip).96 Entscheidend sei allein seine rechtliche Selbständigkeit. Auf politische Abhängigkeiten komme es nicht an.97 Daher können die Staaten ihre völkerrechtliche Souveränität durch völkerrechtliche Verträge beschränken, wenn sie Hoheitsrechte auf eine Supranationale Organisation oder eine Internationale Organisation übertragen, ohne ihre Staatsqualität zu verlieren.98 Grenzen der Übertragung von Hoheitsrechten auf Supranationale Organisationen, speziell auf die Europäische Union, werden der Bundesrepublik weniger durch das Völkerrecht selbst, sondern vielmehr durch das nationale Recht gesetzt. 88

Hailbronner, Rdnr. 166; Weber-Fas, S. 298 f. BVerfGE 89, 155, Ls. 2 u. S. 184; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 3. Zur Verwaltungskooperation auf europäischer Ebene siehe Frenz, DÖV 2010, 66 ff. 90 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 3. 91 Häberle, der hierunter einen Staat versteht, „der seine Identität gerade auch im Völkerrecht, im Geflecht internationaler und supranationaler Beziehungen, in der Wahrnehmung internationaler Zusammenarbeit und Verantwortung sowie in der Bereitschaft zur Solidarität findet“ (S. 143). 92 Andere sprechen vom sterbenden Staat, von der Entstaatlichung und dem Ende der Staatlichkeit (siehe hierzu m.w. N. Weber-Fas, S. 285 f.). In diese Richtung fragend auch Risse/Lehmkuhl, APuZ 2007 (Heft 20–21), 3, 5. 93 Zitat von Weber-Fas, S. 300. Siehe auch Hilf, Europäische Union, S. 79; Pernice, HStR VIII, § 191, Rdnr. 44. Unter anderem aufgrund der Entwicklungen zum integrationsoffenen Staat wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von Teilen der Literatur der Schluss gezogen: „Die Epoche der Staatlichkeit geht jetzt zu Ende. Darüber ist kein Wort mehr zu verlieren.“ (Schmitt, Begriff des Politischen, S. 10). Isensee, AöR 115 (1990), 248, 268 sieht demgegenüber die internationale Zusammenarbeit als „heutige, zeitgerechte Bewährung“ der Staatlichkeit an. 94 „Vom Staate aber gibt es keinen Begriff“, zitiert nach Isensee, HStR I, § 13, Rdnr. 26. 95 Schilling, AöR 116 (1991), 32, 60 (in Fn. 142). 96 Hailbronner, Rdnr. 80. 97 Jellinek, S. 744. 98 Hailbronner, Rdnr. 83; Jellinek, S. 740. 89

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a) Die Wahrung der Identität der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Europäischen Union Die Bundesrepublik hat als Mitglied der Europäischen Union erhebliche Hoheitsrechte an diese abgegeben und unterwirft sich auf diesen Gebieten dem Unionswillen. Die europäische Integration ist gekennzeichnet von einem fortschreitenden Verlust autonomer Regelungskompetenzen der Bundesrepublik Deutschland. Kritische Stimmen in der Literatur sprechen von „einem europäischen Integrationsprozess, der nicht nur eine beträchtliche, sondern eine geradezu unheimliche Dynamik aufweist“, und sehen die staatliche Souveränität in großen Bereichen als verloren gegangen an.99 Vergleicht man den Umfang des Verlusts an Hoheitsrechten der Bundesrepublik an die Europäische Union (es wird zum Teil von 80 % gesprochen100) mit der Abgabe von Hoheitsrechten der Länder Berlin und Brandenburg an echte Gemeinschaftseinrichtungen bzw. an das jeweils andere Land, so erscheint Letzteres gering. Auch bei einem in der Literatur gezogenen gedanklichen Vergleich der Leistungsfähigkeit der Europäischen Union in politischer, legislatorischer, administrativer und judizieller Hinsicht mit den entsprechenden Werten der 192 „echten“ Staaten, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, rangiert die Europäische Union im oberen Bereich der Tabelle.101 Es drängt sich der Gedanke auf, dass, wenn die Bundesrepublik Deutschland innerhalb der Europäischen Union ihre Staatsqualität noch nicht verloren hat, die Bundesländer 99

Broß, vorgänge 2008, 56, 64. Dabei herrscht in der politikwissenschaftlichen Literatur Uneinigkeit über die Messbarkeit der Europäisierung der Bundesgesetzgebung und ihrer Ergebnisse. Ausgehend von einer Prophezeiung des früheren Kommissionspräsidenten Delors im Jahr 1988, dass in 10 Jahren 80 % der Wirtschaftsgesetzgebung gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs sein werden (zitiert nach BVerfGE 89, 155, 172 f.), wurden verschiedene Messungen vorgenommen. Anfang 2007 behauptete der ehemalige Bundespräsident Herzog, dass 84 % der in Deutschland geltenden Gesetze ihren Ursprung in „Brüssel“, und nur noch 16 % in „Berlin“ hätten (Roman Herzog/Lüder Gerken, Die Europäische Union gefährdet die parlamentarische Demokratie, Gastkommentar in: Die Welt am Sonntag vom 14.01.2007, online im Internet unter http://www.cep.eu/fileadmin/user_upload/ Pressemappe/CEP_in_den_Medien/Herzog_Gerken_2/Ein_Beitrag_zur_EU-Verfassung _Gerken_-_Herzog.pdf). Hiergegen wendete sich der Bundestagspräsident Lammert (Norbert Lammert, Über Macht und Ohnmacht, Äpfel und Birnen, in: Die Welt vom 17.03.2007, online im Internet unter http://www.welt.de/dossiers/eu-macht/article 766244/Ueber_Macht_und_Ohnmacht_Aepfel_und_Birnen.html). Siehe zu allem auch König/Mäder, PVS 2008, 438, 439 ff.; Töller, ZParl 2008, 3, 5 ff. mit der Darstellung verschiedener Untersuchungen. Töller selbst kommt zu dem Ergebnis, dass ca. 40 % der Bundesgesetzgebung „europäischen Impulsen“ unterliege, wobei die Umweltpolitik mit 81,3 % am stärksten betroffen sei (dies., S. 17). König/Mäder gehen 2005 von 25 % aus (dies., S. 447 ff.). Wie umstritten diese Zahlen sind, zeigt die Replik auf den letztgenannten Beitrag von Göler, PVS 2009, 75 ff. und die Antwort hierauf von König/Mäder, PVS 2009, 80 ff. Zuletzt kommt Hoppe, EuZW 2009, 168, 169 zu der Erkenntnis, dass europäische Richtlinien, Verordnungen und Primärrecht einen Anteil von ca. 80 % der in Deutschland geltenden Gesetzgebung ausmachten. 101 v. Danwitz u. a., S. 2. 100

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Berlin und Brandenburg hiervon wesentlich weiter entfernt sind. Diesem Gedanken soll an dieser Stelle kurz nachgegangen werden. Anders als die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg, für die sich lediglich hinsichtlich eines Spezialfalles explizite Regelungen im Grundgesetz finden,102 ist die Abgabe von Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Union generell durch das Grundgesetz ausdrücklich legitimiert. So sieht Art. 23 GG die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union in seinem Abs. 1 Satz 2 vor.103 Trotz dieser ausdrücklichen Ermächtigungsnorm besteht in der Literatur aber Einigkeit darüber, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht grenzenlos ihre Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen darf. Vielmehr gebe es bestimmte Hoheitsrechte, die zum Kern ihrer Staatlichkeit gehören und damit unübertragbar seien.104 Der rechtliche Anknüpfungspunkt dieses Übertragungsverbots wird vorwiegend in Art. 23 Abs. 1 S. 3 i. V. mit Art. 79 Abs. 3 GG gesehen,105 wobei dieser teilweise durch eine Abwägung mit der Entscheidung des Grundgesetzes „für internationale Zusammenarbeit“ 106 bzw. für die „offene Staatlichkeit“ 107 relativiert wird. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt klar, dass die deutsche Verfassung auf die Öffnung „für das friedliche Zusammenwirken der Nationen und die europäische Integration gerichtet“ sei. „Gestaltenden Einfluss auf eine zunehmend mobile und grenzüberschreitende, vernetzte Gesellschaft können demokratische Verfassungsstaaten nur gewinnen durch sinnvolles, ihr Eigeninteresse wie ihr Gemeininte102 Zu nennen ist hier die in Art. 118a GG für den Fall einer Neugliederung des Gebiets Berlin-Brandenburg festgeschriebene Möglichkeit einer vertraglichen Regelung zwischen den beiden Bundesländern. 103 Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24, Rdnr. 33; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 65. 104 Hierzu wurden verschiedene Kernbereichsthesen entwickelt. Siehe Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24, Rdnr. 87, der einen umfassenden Überblick über den Meinungsstreit in Rdnr. 88 ff. gibt. Zur Staatlichkeit als normativer Grenze der europäischen Integration siehe auch Möllers, S. 376 ff. 105 BVerfGE 113, 273, 296; 123, 268, Ls. 4 u. S. 354; Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 200; Kirchhof, HStR VII, § 183, Rdnr. 59; Ossenbühl, DVBl. 1993, 629, 631. Art. 79 Abs. 3 GG begrenzt alle Verfassungsänderungen, so auch die Einführung des Art. 23 GG. Seine Anwendung bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union wird noch einmal ausdrücklich durch Art. 23 Abs. 1 Satz 3 klargestellt. Daneben wird die Formel „Art. 79 Abs. 3 GG + x“ als Grenze der Übertragung von Hoheitsrechten aufgestellt. Die über Art. 79 Abs. 3 GG hinausgehenden Grenzen sollen sich dabei aus der Gesamtheit der den materiellen Verfassungsbegriff ausfüllenden Bestimmungen ergeben, wie beispielsweise das Wahlrecht einschließlich des Kommunalwahlrechts und die Regeln des Zugangs zum öffentlichen Dienst in Art. 33 Abs. 4 u. 5 GG (Stein, S. 103 ff.; kritisch Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24, Rdnr. 97 f.). 106 Kisker, S. 130 (Fn. 459). 107 Zuleeg, Der Staat 17 (1978), 27, 30. So stellt Isensee, AöR 115 (1990), 248 auf S. 259 (Fn. 25) fest, dass nicht alles, was zum revisionsfesten Verfassungskern nach Art. 79 Abs. 3 GG gehöre, auch integrationsfest sei. Siehe zu der Problematik auch Kirchhof, EuR 1991, Beiheft 1, 11, 19 f.

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resse wahrendes Zusammenwirken. Nur wer sich aus Einsicht in die Notwendigkeit friedlichen Interessenausgleichs und in die Möglichkeiten gemeinsamer Gestaltung bindet, gewinnt das erforderliche Maß an Handlungsmöglichkeiten, um die Bedingungen einer freien Gesellschaft auch künftig verantwortlich gestalten zu können. Dem trägt das Grundgesetz mit seiner Offenheit für die europäische Integration und für völkerrechtliche Bindungen Rechnung.“ 108 Dennoch verbietet Art. 79 Abs. 3 GG Verfassungsänderungen, durch die die in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden. Zu diesen Grundsätzen des Art. 20 GG gehört die Aussage: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein . . . [S]taat“,109 wobei das Grundgesetz nicht näher bestimmt, was zu dieser von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland konkret gehört.110 Er verhindert aber, dass sich die Bundesrepublik durch Verfassungsänderung aller Hoheitsrechte und damit ihrer Staatlichkeit entäußert.111 Die Übertragung von Hoheitsgewalt auf die Europäische Union ist daher insoweit eingeschränkt, als dass die Bundesrepublik ihre Qualität als eigenständiger Staat nicht verlieren darf.112 Es wird ein „unverrückbare[r] und unveräußerliche[r] Kern“ 113 der Verfassung angenommen, wobei die Literatur sich zurück hält, konkrete Hoheitsrechte zu benennen, die zu diesem Kern der Staatlichkeit zu zählen sind. Jedoch erscheint allein der Staatscharakter der Bundesrepublik als unveräußerliches Kernelement im Rahmen der europäischen Integration nicht auszureichen. Die Staatlichkeit würde der Bundesrepublik beispielsweise auch als Gliedstaat eines europäischen Bundesstaates erhalten bleiben. Aus diesen Gedanken heraus und dem Gebot des Art. 4 Abs. 2 EUV hat die Literatur eine weitergehende Voraussetzung aus Art. 79 Abs. 3 GG herausgearbeitet: die Bewahrung der Identität der Bundesrepublik Deutschland.114 Mit der Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale Einrichtungen oder supranationale Organisationen dür108 BVerfGE 123, 268, 344 f., das auf die Präambel des Grundgesetzes sowie auf Art. 23 Abs. 1, 24 Abs. 1, 2 und 26 GG verweist. Ebenso Calliess, ZEuS 2009, 559, 562. 109 Grundlegend Kirchhof, HStR VII, § 183, Rdnr. 60. Siehe auch Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 200; Schilling, AöR 116 (1991), 32, 54 f. 110 Kirchhof, HStR VII, § 183, Rdnr. 62. 111 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 200 f.; Ossenbühl, DVBl. 1993, 629, 632; Schilling, AöR 116 (1991), 32, 65; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 123. Zu den Grenzen der europäischen Integration siehe auch Murswiek, Der Staat 32 (1993), 161, 175 ff. 112 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 200; Doehring, Nationale Identität, S. 264; Götz, JZ 1993, 1081, 1082; Hilf, Nationale Identität, S. 157 ff.; Kirchhof, DVBl. 2009, 541, 543; Kirchhof, HStR VII, § 183, Rdnr. 58 f.; Lerche, Europäische Staatlichkeit, S. 134 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1993, 629, 631 ff.; Pernice, HStR VIII, § 191, Rdnr. 43; Schilling, AöR 116 (1991), 32, 54 f.; Stein, S. 106 f. 113 Kirchhof, DVBl. 2009, 541, 544. 114 Häberle, S. 146; Lerche, Europäische Staatlichkeit, S. 136 f.; Ohler, AöR 135 (2010), 153, 172.

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fe die Bundesrepublik die Identität ihrer Verfassung nicht vorbehaltlos preisgeben. Daher könne sie sich beispielsweise auch nur mit Staaten zusammenschließen, die ihrer Verfassungsstruktur nach homogen sind.115 Was aber die Verfassungsidentität des Grundgesetzes genau ausmacht und ob ihr eine über den Verfassungskern des Art. 79 Abs. 3 GG hinausgehende Bedeutung zukommt, ist in der Literatur umstritten.116 Auf diese Grundsätze der Identitätsgarantie hat das BVerfG in seinen grundlegenden Entscheidungen zum Maastricht-Vertrag117 sowie zum Lissabon-Vertrag118 maßgebenden Wert gelegt. Es legt sich aber nicht konkret darauf fest, ob die Identitätskontrolle über den von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Inhalt hinausgeht, sondern hält sich ihre Reichweite für die Zukunft offen.119 Fest steht zunächst, sollte der Prozess der europäischen Integration zur Aufhebung der Staatlichkeit der Bundesrepublik führen oder diese substantiell in evidenter Form aushöhlen, wären die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG überschritten.120 Dies wäre der Fall bei der unwiderruflichen Übertragung wesentlicher klassischer Staatsaufgaben oder der Einführung einer europäischen Staatsbürgerschaft, die gleichartig oder übergeordnet neben die deutsche tritt.121 Unübertragbar seien entweder „ein erheblicher Teil der Staatsgewalt aus unterschiedlichen staatlichen Tätigkeitsbereichen“ oder Hoheitsrechte in „einem für das Gemeinwohl überragend wichtigen Teil der staatlichen Tätigkeit“.122 Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus: „Die europäische Vereinigung auf der Grundlage einer Vertragsunion souveräner Staaten darf nicht so verwirklicht werden, dass in den Mitgliedstaaten kein ausreichender Raum zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse mehr bleibt. Dies gilt insbesondere für Sachbereiche, die die Lebensumstände der Bürger, vor allem ihren von den Grundrechten geschützten privaten Raum der Eigenverantwortung und der persönlichen und sozialen Sicherheit prägen, sowie für solche politischen Entscheidungen, die in besonderer Weise auf kulturelle, historische und sprachliche Vorverständnisse angewiesen sind und die sich im partei115 Isensee, AöR 115 (1990), 248, 259. Klein, S. 22 spricht von einem „Gewaltenträger mit gleicher Grundkonzeption“. 116 Herdegen, EuGRZ 1992, 589, 592 ff. m.w. N.; Hilf, Nationale Identität, S. 158 m.w. N. Siehe auch Calliess, ZEuS 2009, 559, 571, der die Identitätskontrolle auf Art. 79 Abs. 3 GG beschränkt sieht, und Doehring, Nationale Identität, S. 264 ff. 117 BVerfGE 89, 155 ff. Zuvor auch schon BVerfGE 37, 271, 277 ff. sowie 73, 339, 375 ff. 118 BVerfGE 123, 267 ff. 119 So Calliess, ZEuS 2009, 559, 569. 120 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 200 f.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 123. 121 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 201 f. 122 Schilling, AöR 116 (1991), 32, 40, der als Beispiel in Fn. 38 eine Übertragung der gesamten Ressortzuständigkeit eines Ministeriums nennt.

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politisch und parlamentarisch organisierten Raum einer politischen Öffentlichkeit diskursiv entfalten.“ 123 Zunächst stellt das Gericht zwar klar, dass eine von vornherein bestimmbare Summe oder bestimmte Arten von übertragungsfesten Hoheitsrechten nicht genannt werden könnten,124 bestimmt im Anschluss daran aber zu den wesentlichen unübertragbaren Bereichen unter anderem die Staatsbürgerschaft, das Gewaltmonopol, fiskalische Grundentscheidungen über Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kreditaufnahme sowie die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Eingriffstatbestände. Zu Letzterem zählen neben dem Freiheitsentzug und der Strafrechtspflege auch kulturelle Fragen wie die Verfügung über die Sprache, die Gestaltung der Familien- und Bildungsverhältnisse, die sozialstaatliche Gestaltung von Lebensverhältnissen, die Ordnung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit oder der Umgang mit dem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis.125 Das Bundesverfassungsgericht benennt in seiner Lissabon-Entscheidung zur Beantwortung der Frage des Verlusts der Identität der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der europäischen Integration mithin konkrete Felder, die den Kern der zu bewahrenden Souveränität ausmachen sollen. Dies stößt in der Literatur auf Kritik, weil von den dargestellten übertragungsfesten Aufgabengebieten einige bereits seit mindestens zwei Jahrzehnten stark durch die Integration geformt seien. Es wird dem Urteil vorgeworfen, dass es auf nicht realistischen Grundannahmen aufbaue.126 Hinzu komme, dass sich das Bundesverfassungsgericht damit über den demokratischen Prozess stelle.127 Die herausgehobene Stellung des Bundesverfassungsgerichts mag man mit guten Argumenten hinterfragen, sie ändert aber vorliegend nichts an der Notwendigkeit, rechtlich greifbare Maßstäbe für den europäischen Integrationsprozess herauszuarbeiten. Die Auflistung konkreter, zur Identität der Bundesrepublik Deutschland gehörender Staatsaufgaben wird in der Literatur auch lediglich als Richtungsgebung und Auslegungshilfe verstanden, die eine intensive Analyse des in jedem Einzelfall jeweils betroffenen Kompetenzbereiches nicht ersetzen solle.128 Zum Teil geht die Literatur bereits vom Verlust der Staatlichkeit der Bundesrepublik im Rahmen der europäischen Integration aus, weil das wirtschaftliche Wohlergehen der Bürger inzwischen in allen seinen Aspekten der Bestimmung der Europäischen Union mit direkten Zugriffsrechten auf die Bürger der Mit123 BVerfGE 123, 267, Ls. 3 u. S. 357 f. Zuvor bereits BVerfGE 89, 155, Ls. 4 u. S. 186, wo verlangt wurde, dass dem Bundestag Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müssen. 124 BVerfGE 123, 268, 357. 125 BVerfGE 123, 267, 358 ff. 126 Siehe hierzu ausführlich Höpner u. a., PVS 2010, 323, 327 ff. 127 Calliess, ZEuS 2009, 559, 573; Nettesheim, NJW 2009, 2867, 2868 f. 128 Ohler, AöR 135 (2010), 153, 175.

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gliedstaaten unterliege,129 der EuGH unabhängig von den Nationalstaaten Recht sprechen könne130 bzw. weil bereits durch den Maastricht-Vertrag der „point of no return“ auf dem Weg zum Bundesstaat überschritten worden sei und sich die europäische Integration nicht gebündelt in einem einmaligen Übertragungsakt vollziehe, sondern ein gestreckter, über viele Jahrzehnte sich hinziehender Abwanderungsprozess stattfinde, bei dem die Schwelle des Verlustes der Staatlichkeit kaum zu identifizieren sei.131 Spätestens nach dem Lissabon-Vertrag verfüge die Europäische Union über eine Staatsgewalt, ein Staatsgebiet und ein Staatsvolk.132 Demgegenüber sieht die Mehrheit in der Literatur zusammen mit dem Bundesverfassungsgericht durch die bisher auf die Europäische Union übertragenen Hoheitsrechte die Staatsqualität der Bundesrepublik Deutschland (noch) nicht berührt.133 Ein auf Staatsgründung zielender Wille sei nicht feststellbar, vielmehr bleibe die Europäische Union auch nach dem Lissabon-Vertrag als Verbund mit eigener Rechtspersönlichkeit das Werk souveräner Staaten.134 Für die letztere Meinung spricht zunächst der nach ihrer Intensität wesentliche Unterschied zwischen den Kompetenzen der Europäischen Union und denen eines Staates, weil sie häufig nur einen kleinen, insbesondere in vielen Bereichen nur den die Binnengrenzen überschreitenden Wirtschaftsverkehr betreffenden Ausschnitt aus den Kompetenzgebieten regeln. Damit ist in weiten Bereichen der 129 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 195 u. 201; Doehring, ZRP 1993, 98, 102; Herdegen, EuGRZ 1992, 589, 591; Höpner u. a., PVS 2010, 323, 327 ff. mit dem Ergebnis auf S. 332 ff.; Murswiek, Der Staat 32 (1993), 161, 179 ff.; Rupp, NJW 1993, 38, 40; Schilling, AöR 116 (1991), 32, 52 u. 55. Der Unterschied zwischen einem Staatenbund und einem Bundesstaat wird darin gesehen, dass sich die Bundesgewalt des Staatenbundes nur an die Mitgliedstaaten richtet, während im Bundesstaat sowohl die Bundes- als auch die Landesgewalt direkte Wirkung gegenüber den Bürgern haben (Harbich, S. 21). 130 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 196 f. 131 Murswiek, Der Staat 32 (1993), 161, 173, der von „Salamitaktik“ – einer scheibchenweisen Abgabe von Hoheitsrechten spricht; Ossenbühl, DVBl. 1993, 629, 632. Ebenso Schilling, AöR 116 (1991), 32, 64, der 1991 die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union als Staatswerdung ansah. Siehe auch die Auffassung des Beschwerdeführers in BVerfGE 89, 155, 169, die das Bundesverfassungsgericht nicht überzeugen konnte. 132 Siehe hierzu die Ausführungen des Beschwerdeführers in BVerfGE 123, 268, 310 f. Dem tritt das Bundesverfassungsgericht ausführlich entgegen (BVerfGE 123, 268, 371 ff.). 133 Ausführlich BVerfGE 89, 155, 188 ff.; 123, 268, 371 ff. Siehe m.w. N. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 126. Hierzu auch v. Danwitz u. a., S. 2: Die europäische Union sei eine von Juristen ersonnene „Kopfgeburt (. . .), ohne Souveränität, Kompetenz-Kompetenz oder gar Gewaltmonopol, ohne gemeinsame Sprache und ohne kriegerische Geschichte“. Einschränkend Ohler, AöR 135 (2010), 153, 180, der die Europäische Union auch ohne Souveränität und Kompetenz-Kompetenz als „nicht weit von dem entfernt [ansieht], was auch ein moderner Verfassungsstaat für sich in Anspruch nimmt“. 134 BVerfGE 123, 268, 371.

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Einfluss des Unionsrechts gering, und seine Konkretisierung und Anwendung wird den Mitgliedstaaten überlassen.135 Zudem fehlt der Europäischen Union die Kompetenz-Kompetenz, wodurch Änderungen nicht gegen den Willen des einzelnen Mitgliedstaats erzwungen werden können.136 Das Europarecht wird in der Bundesrepublik Deutschland nur kraft eines innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls verbindlich, mit dem sie darauf verzichtet, bestimmte Kompetenzen selbst auszuüben und die entsprechenden Hoheitsakte der Europäischen Union als unmittelbar geltende Regelung innerhalb ihres Kompetenzraumes anerkennt.137 So traten der Maastricht-Vertrag und der Lissabon-Vertrag erst in Kraft, als sie in allen Mitgliedstaaten nach nationalem Verfassungsrecht ratifiziert und die Ratifikationsurkunden hinterlegt worden waren (Art. 357 AEUV). Die Bundesrepublik Deutschland ist einer der „Herren der Verträge“ 138, die ihre Zugehörigkeit durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben kann (Art. 50 EUV).139 Ein Austritt hätte dann zur Folge, dass die an die Europäische Union abgegebenen Hoheitsrechte wieder an die Bundesrepublik zurückfielen.140 Diese Austrittsmöglichkeit aus der Europäischen Union sichert ihren Fortbestand als souveräner Staat, weil die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der Europäischen Union von ihrem dauerhaften und fortbestehenden Willen abhängt.141 Insgesamt wird der Europäischen Union die Staatsqualität abgesprochen, weil es an einem einheitlichen europäischen Volk als Legitimationssubjekt, am eigenen

135 Everling, S. 185 f.; Pernice, HStR VIII, § 191, Rdnr. 45; Schilling, AöR 116 (1991), 32, 45 ff., der im Ergebnis aber die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union als problematisch ansieht. Zu den Zuständigkeiten der EU nach dem LissabonVertrag ausführlich BVerfGE 123, 268, 293 ff., für die europäische Polizeiarbeit beispielsweise S. 297 f. 136 BVerfGE 89, 155, 209; 123, 267, 349 u. 392 f.; Pernice, HStR VIII, § 191, Rdnr. 45; Schilling, AöR 116 (1991), 32, 64; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 19. Zur Kompetenz-Kompetenz als Wesensmerkmal eines Staates siehe auch Isensee, HStR IV3, § 73, Rdnr. 55; Schilling, AöR 116 (1991), 32, 37. 137 Kirchhof, HStR VII, § 183, Rdnr. 63 f.; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24, Rdnr. 58 f.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 19. 138 BVerfGE 89, 155, 190; 123, 267, 349. 139 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191, 192; Doehring, Nationale Identität, S. 269 f.; Ossenbühl, DVBl. 1993, 629; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 19. Hilf, Europäische Union, S. 81 weist auf eine verfassungsrechtliche Pflicht zum Austritt hin, sollte die Union ihre Kompetenzen überschreiten oder den in der Struktursicherungsklausel in Art. 23 Abs. 1 GG aufgestellten Verfassungsgrundsätzen nicht mehr entsprechen. 140 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 67. 141 BVerfGE 89, 155, 190; 123, 268, 395 f.; Götz, JZ 1993, 1081, 1082; Nawiasky, S. 111 f.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 26 f. Soweit in der Literatur vertreten wurde, dass ein Kündigungsrecht der Mitgliedstaaten nicht bestünde, weil die Unumkehrbarkeit der Währungsunion und das Fehlen einer „opting out“-Klausel als die tragenden Grundlagen des Vertrags von Maastricht angesehen wurden (Götz, JZ 1993, 1081, 1085; Schilling, AöR 116 (1991), 32, 44), ist dieser Meinung inzwischen die Grundlage entzogen, weil Art. 50 EUV ein Austrittsrecht nun ausdrücklich festschreibt.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

Staatsgebiet und an jeder unmittelbar wirksamen staatlichen Zwangsgewalt fehle.142 Aus der Tatsache, dass die Europäische Union (noch) kein Staat ist, wird gefolgert, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Identität als selbständiger Staat im Rahmen der europäischen Integration nicht aufgegeben hat. Die Abgabe aller bis zum jetzigen Zeitpunkt übertragenen Hoheitsrechte an die Europäische Union ist damit rechtlich zulässig, solange bestimmte Materien als nicht übertragbar bei den Mitgliedstaaten verbleiben und auch für übertragbare oder übertragene Materien die Letztverantwortung bei den Mitgliedstaaten liegt.143 b) Die Identität der Bundesländer als Grenze ihrer Zusammenarbeit Zunächst bleibt aus der vorangegangenen Darstellung festzuhalten, dass selbst souveräne Staaten Hoheitsrechte auf andere Staaten bzw. auf gemeinsame Einrichtungen übertragen können, ohne ihren Wesenskern anzutasten. Damit ist auch die Übertragung von Hoheitsrechten der Bundesländer auf andere Bundesländer grundsätzlich zulässig. Verfassungsrechtliche Grenze der Übertragung stellt für die Bundesrepublik Art. 79 Abs. 3 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 1 GG dar. Die Bundesrepublik darf ihre Identität als eigenständiger Staat nicht verlieren. Dieser verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt von Art. 79 Abs. 3 GG führt bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg nicht weiter, weil die Verfassungen von Berlin und Brandenburg keinen dem Art. 79 Abs. 3 GG entsprechenden Artikel und damit keinen unveräußerlichen Verfassungskern haben. Dennoch dürfen sie durch entsprechende Ermächtigungen in ihren Landesverfassungen nicht uneingeschränkt zusammenarbeiten. Die Identität beider Länder ist zwar nicht auf Dauer unveränderbar gesichert, weil das Grundgesetz den derzeitigen Bestand der Bundesländer nicht für die Ewigkeit festschreibt.144 Es knüpft ihre Veränderungen aber an die strikten Vorgaben des Art. 29 GG – speziell für die Länder Berlin und Brandenburg daneben auch an Art. 118a GG145. Der Verlust der Identität eines Bundeslandes bzw. seine „Auflösung“ durch Kompetenzübertragungen innerhalb der Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen Bundesland, ohne Einhaltung der Verfahrensvorschriften des Art. 29 GG bzw.

142 BVerfGE 123, 268, 381 ff. (keine Staatsgewalt), 402 f. (kein Staatsgebiet), 404 ff. (kein Staatsvolk); Pernice, HStR VIII, § 191, Rdnr. 45; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23, Rdnr. 26 f. Für die Rechtslage nach Maastricht 1993 siehe auch Blanke, DÖV 1993, 412, 414 ff. sowie Hilf, Europäische Union, S. 78 ff. 143 Götz, JZ 1993, 1081, 1082; Hailbronner, Rdnr. 84. 144 Dies ist unstreitig in Literatur und Rechtsprechung. Siehe bereits BVerfGE 1, 47; 5, 38; 13, 75, 94 sowie Harbich, S. 145; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 29, Rdnr. 12 m.w. N. 145 Siehe zu Art. 118a GG in Kapitel A. unter Punkt I.4.c), insbes. in Fn. 159.

II. Rechtliche Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer

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des Art. 118 a GG, verstößt sowohl gegen diese Verfassungsnormen des Grundgesetzes als auch gegen das Landesverfassungsrecht, was beiden Ländern jeweils den Status eines deutschen Landes einräumt,146 und wäre damit verfassungswidrig. Die zudem aus der Wahrung der Identität des Staates abgeleitete Beschränkung der Zusammenarbeit auf Staaten, die ihrer Verfassungsstruktur nach homogen sind, spielt für die Bundesländer Berlin und Brandenburg keine große Rolle, weil zwischen den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland bereits aufgrund der zwingenden Vorgaben aus Art. 28 Abs. 1 GG von einer derartigen Homogenität ausgegangen werden kann. Für die nachfolgende Untersuchung können aus der Lissabon-Entscheidung zwei wesentliche Prüfungsschritte festgehalten werden. Zum einen versucht das Bundesverfassungsgericht einen Bestand an unübertragbaren staatlichen Kernaufgaben herauszuarbeiten und zum anderen diskutiert es einen Schutz der staatlichen Identität durch gewisse staatliche Entscheidungsmonopole, wie die Kompetenz-Kompetenz oder die Letztverantwortung. Beides wird in Kapitel D. für die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg wieder aufzugreifen sein. 7. Die Handlungsfähigkeit der Bundesländer Neben der Erhaltung der Identität beider Länder wird ihre Handlungsfähigkeit gefordert. Unabhängig von der Diskussion um den Staatscharakter der Bundesländer sind sich die Literatur und die Rechtsprechung darüber einig, dass das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 1 GG handlungsfähige Länder unterhalb der Ebene des Bundes verlangt. Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg darf beide Länder daher nicht derart binden, dass sie nicht mehr als selbständige Länder erscheinen und handlungsfähig sind.147 a) Erkenntnisse aus der Rechtsprechung und der Literatur Als geschützter Kern der Bundesländer wird ihre „Eigenverantwortlichkeit“ 148 oder ihre „Selbstorganisationsfähigkeit“ 149 angesehen. Da das Grundgesetz aber nicht ausdrücklich sagt, was die Selbständigkeit der Bundesländer in der Bundesrepublik ausmacht, wird versucht, durch Auslegung der bundesstaatlichen Ord146 Für Berlin ist dies in Art. 1 VvB bestimmt: „Berlin ist ein deutsches Land und zugleich eine Stadt.“ (Abs. 1) und „Berlin ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland.“ (Abs. 2). Ebenso regelt Brandenburg in Art. 1 Abs. 1 seiner Verfassung: „Brandenburg ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland.“ 147 Für die Zusammenarbeit im Raum Hamburg Pietzcker, Landesbericht, S. 55 ff. 148 Hempel, S. 224. 149 Bull, S. 93 f.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

nung des Grundgesetzes Merkmale hierfür zu ermitteln. Dabei wird von einem Kernbereich „der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben“ gesprochen.150 Die Länder müssen als eigenständige Zentren demokratischer Legitimation erhalten bleiben.151 Kernstück ist zunächst ihre Verfassungsautonomie.152 Diese unterliegt lediglich den Schranken des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, demzufolge die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen muss (Homogenitätsgebot). Hierbei verlangt das Grundgesetz keine Konformität oder Uniformität, sondern nur die Bindung an leitende Verfassungsprinzipien.153 Dieses verfassungsrechtliche Erscheinungsbild der Länder, das das Grundgesetz mit der Kompetenzverteilung und der Homogenitätsnorm des Art. 28 Abs. 1 GG in Umrissen vorgezeichnet hat, darf nicht durch ihre Zusammenarbeit umgestaltet werden. Daher ist die Zuweisung eines wesentlichen Teils beispielsweise der gesamten Rechtsprechungstätigkeit eines Landes an ein anderes Land bundesverfassungsrechtlich unzulässig.154 Das Bundesverfassungsgericht fordert aus diesen Überlegungen heraus, dass den Ländern ein Kern eigener Aufgaben als „Hausgut“ verbleiben müsse.155 Zu diesem „Kernbestand“ bzw. „Hausgut“ der Bundesländer wird Folgendes gezählt: • ihre Verfassungsautonomie aus Art. 28 Abs. 1 GG, die den Ländern bei der Ausgestaltung ihrer Landesverfassungen einen weiten Freiraum zuweist und eine freie Bestimmung über ihre Organisation und die Ordnung ihrer staatsleitenden Funktionen gewährleistet; • die Existenz einer politischen Leitungsebene bzw. politischer Leitungsgewalt der Länder mit eigener, vom Bund unabgeleiteter Legitimationsgrundlage; • eigene Entscheidungskompetenzen in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung mit substantiellem Gewicht, wobei im Rahmen der Gesetzgebung ein eigener Bereich der Landesgesetzgebung gefordert und allein die Teilnahme der Länder durch den Bundesrat bei der Bundesgesetzgebung als nicht ausreichend angesehen wird, sowie 150 Hempel, S. 267. Hinsichtlich der Grenzen, die die Eigenstaatlichkeit der Länder der Bundesauftragsverwaltung setzt, siehe Sommermann, DVBl. 2001, 1549, 1551 u. 1554. 151 Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 36; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 79, Rdnr. 31; Hanebeck, S. 292; Hesse, AöR 98 (1973), 1, 16. 152 BVerfGE 36, 342, 360 f.; Menzel, S. 140 ff.; Tettinger, in: vMKS, Art. 28 Rdnr. 3. Ausführlich hierzu Boehl, S. 171 ff. m.w. N. 153 BVerfGE 9, 268, 279; 24, 367, 390; Tettinger, in: vMKS, Art. 28 Rdnr. 4 ff. 154 Hempel, S. 267. 155 BVerfGE 34, 9, Ls. 1 u. S. 20; 87, 181, 196.

II. Rechtliche Grenzen der Zusammenarbeit der Bundesländer

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• eine angemessene Finanzausstattung, um den Ländern ein Tätigwerden im Rahmen ihrer Kompetenzen zu ermöglichen.156 Den Ländern muss „ein Raum reserviert bleiben, in dem sie frei sind von Weisungen oder ähnlichen Akten länderfremder Organe“.157 Welche konkreten Kompetenzen den Ländern als Minimum zustehen, lässt sich demgegenüber nicht bestimmen, weil es für die Einordnung der Länder als eigenständige Zentren demokratischer Legitimation auf die Zusammenschau der Kompetenzen insgesamt ankommt.158 Mit Ausnahme ihrer Verfassungsautonomie sind die Kompetenzen der Länder austauschbar, solange die Länder in einer Gesamtschau noch als Zentren demokratisch legitimer politischer Entscheidung handlungsfähig sind.159 Dazu müssen sie in der Lage sein, über die Durchführung politisch vorgeformter oder weithin unpolitischer Aufgaben hinaus Entscheidungen zu treffen, die als richtungweisend für das Zusammenleben in der staatlichen Gemeinschaft empfunden werden.160 b) Übertragbarkeit dieser Erkenntnisse auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand Die dargestellten Anforderungen an die Mindestkompetenzen der Bundesländer wurden von der Literatur und Rechtsprechung im Verhältnis von Bund und Ländern herausgearbeitet. Der Bund dürfe den Ländern ein gewisses Minimum an Aufgaben nicht entziehen. Dabei sieht das Bundesverfassungsgericht auch ausdrücklich den einfachen Bundesgesetzgeber in der Pflicht.161 Offen bleibt demgegenüber größtenteils, inwieweit die Länder gehindert sind, ihre Entscheidungsmöglichkeiten selbst durch Übertragung ihrer Kompetenzen auf Gemeinschaftseinrichtungen bzw. auf Einrichtungen eines anderen Landes aufzugeben.162 Die im Bund-Länder-Verhältnis herausgearbeiteten Anforderungen aus dem Bundesstaatsprinzip sind auf die hier zu untersuchende Beziehung zweier Länder 156 BVerfGE 34, 9, 20; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 36; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 79, Rdnr. 31; Harbich, S. 121; Hanebeck, S. 293; Hempel, S. 199 ff.; Hesse, AöR 98 (1973), 1, 16 ff.; Sommermann, in: vMKS, GG, Art. 20 Abs. 1, Rdnr. 33; Stern, Staatsrecht I, S. 668. 157 Harbich, S. 121. 158 Hanebeck, S. 293. 159 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 79, Rdnr. 31; Hesse, AöR 98 (1973), 1, 18. 160 Stern, Staatsrecht I, S. 668 m.w. N. 161 Dies sagt BVerfGE 87, 181 auf S. 196 ausdrücklich: „Diese Garantie richtet sich in erster Linie gegen den Bund, und zwar sowohl gegen den verfassungsändernden Gesetzgeber als auch gegen den einfachen Gesetzgeber.“ 162 Das Bundesverfassungsgericht lässt die Frage, inwieweit die Garantie auch der Selbstbindung der Länder Grenzen zieht, ausdrücklich offen. Siehe hierzu auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rdnr. 65.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

untereinander übertragbar. So wie der Bund die Länder durch Aufgabenentzug nicht faktisch auflösen darf, dürfen dies die Länder auch nicht selbst tun. Dies folgt, wie bereits dargestellt, aus den Vorgaben des Grundgesetzes für eine Länderneugliederung in den Artt. 29 und 118a GG. Letzteren Überlegungen wurde bisher in der Literatur zur Zusammenarbeit der Bundesländer in der Bundesrepublik nur wenig Beachtung geschenkt. Sie ist vielmehr davon ausgegangen, dass die verfassungsrechtlichen Beschränkungen hinsichtlich der Gegenstände der Länderzusammenarbeit nach dem jeweils untersuchten Stand der Länderpraxis nicht weiter präzisiert werden bräuchten, da diese weit davon entfernt waren, qualitativ und quantitativ an die Grenzen zur Selbstpreisgabe zu stoßen.163 Ein praktisches Beispiel der verbotenen Selbstpreisgabe durch die Zusammenarbeit der Bundesländer wurde bisher nicht gefunden. Es werden lediglich fiktive Maßnahmen genannt.164 Die ungleiche Schwerpunktverteilung zwischen vertikaler und horizontaler Zusammenarbeit in der Bundesrepublik in der verfassungsrechtlichen Diskussion hat eine praktische Ursache. Die Gefahr, dass die Länder von außen durch den Bund aufgrund zentralistischer Bestrebungen im Bundesstaat faktisch aufgelöst werden, existiert seit Bestehen der Bundesrepublik ganz real und war bzw. ist auch weiterhin rechtlich zu bannen. Demgegenüber erscheint es auf den ersten Blick allenfalls eine theoretische Gefahr zu sein, dass sich ein Land freiwillig in einem anderen Land selbst auflöst, stehen doch die derzeit existierenden Bundesländer neuen Aufgliederungsversuchen des Bundesgebietes, die mit einer Änderung ihres bestehenden Gebietes verbunden sind, eher abgeneigt gegenüber. Hierauf wurde in der Einleitung kurz eingegangen. Bei den Ländern Berlin und Brandenburg stellt sich die Sachlage nunmehr aber anders dar. Beide Landesregierungen stehen einer Fusion beider Länder zu einem gemeinsamen Bundesland grundsätzlich positiv gegenüber. Ein erster Fusionsversuch scheiterte 1996 an seiner Ablehnung durch die brandenburgische Bevölkerung.165 Auch im Anschluss an dieses Scheitern wurde von beiden Landesregierungen die Zusammenarbeit ihrer Länder lediglich als Zwischenstufe zu einer künftigen Fusion angesehen. Auch wenn diese derzeit mangels positiver Aussichten für einen zustimmenden Volksentscheid im Land Brandenburg in bei163 Hempel, S. 224, nach dessen Meinung es daher auch keiner Konkretisierung des Kernbereichs der Landesgewalt bedarf (S. 267); Vedder, S. 380. 164 Unzulässig wäre nach Schneider beispielsweise, wenn ein kleines Land die Wahrnehmung aller polizeilichen Aufgaben der Exekutive eines benachbarten Bundeslandes durch Staatsvertrag übergeben wollte (Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 22). Kisker sieht einen Zusammenschluss der norddeutschen Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu einer mit allen in die Landeszuständigkeit fallenden Befugnissen im Bereich der Wirtschaft betrauten „Norddeutschen Wirtschaftsgemeinschaft“ als verfassungsrechtlich unzulässig an, weil das Ausmaß einer solchen Zusammenarbeit die Selbständigkeit der Partner weitgehend aufheben würde (Kisker, S. 142). 165 Siehe hierzu in Kapitel A. unter Punkt I.4.c).

III. Besonderheiten der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg 119

den Ländern nicht auf der politischen Tagesordnung steht, erscheint unter diesen Voraussetzungen die Gefahr einer freiwilligen Aufgabe der Landesexistenz zugunsten eines fiktiven gemeinsamen Landes mittels engster Zusammenarbeit ganz realer Natur zu sein. Sie würde einem praktischen Bedürfnis beider Länder166 folgen, wäre aber die Umgehung eines erneuten, kaum Erfolg versprechenden Volksentscheides und damit ein Verstoß gegen Art. 29 bzw. Art. 118a GG und Art. 1 Abs. 2 VvB sowie Art. 1 Abs. 1 Bbg.Verf. Ohne einer oder beiden Landesregierungen vorsätzlich verfassungswidriges Verhalten unterstellen zu wollen, ist unter diesen Gegebenheiten die Gefahr der faktischen Auflösung eines oder beider Länder hier ähnlich hoch wie bei der bereits angesprochenen Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern. Daher soll im Folgenden der Ist-Zustand der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg rechtlich bewertet und rechtliche Rahmenvorgaben auch für die zukünftige Zusammenarbeit aufgestellt werden.

III. Besonderheiten der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg aufgrund ihres Aufbaus Für diese rechtliche Untersuchung sind einige Besonderheiten beider Bundesländer in ihrem organisatorischen Aufbau von entscheidendem Einfluss. Anders als die Zusammenarbeit zweier Flächenländer mit einem ähnlichen organisatorischen Aufbau treffen mit Berlin und Brandenburg ein Flächenland und ein Stadtstaat aufeinander, in denen die Aufteilung der staatlichen Aufgaben auf die staatlichen Ebenen von Grund auf verschieden ist. Dies spiegelt sich auch in ihrer Zusammenarbeit wider. So wird beispielsweise von praktischen Problemen in Bezug auf die unterschiedlichen Ressortzuschnitte gesprochen, die die Zusammenarbeit erheblich erschweren.167 1. Der Aufbau des Landes Brandenburg Das Land Brandenburg ist ein Flächenstaat. Die Landesverwaltung ist zweistufig gestaltet. Die erste Verwaltungsstufe bilden die Landesregierung, der Ministerpräsident und die Ministerien als oberste Landesbehörden sowie 21 Landesoberbehörden, die der Landesregierung direkt unterstehen, beispielsweise das Landeskriminalamt und das Landesumweltamt. Auf der zweiten Stufe befinden sich die unteren Landesbehörden, die Landkreise und die kreisfreien Städte.168 Die Landkreise sind Gebietskörperschaften und zudem Gemeindeverbände, de166 Zu den Gründen der Zusammenarbeit beider Länder siehe in Kapitel A. unter Punkt III. u. IV. 167 AvB Drs. 12/4505, S. 2. 168 v. Brünneck, S. 20; Kotsch, Brandenburg, S. 797.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

ren Mitglieder die Gemeinden sind (§ 1 Abs. 1 S. 2 LKrO Bbg). Ihre Kompetenzen erstrecken sich auf die Wahrnehmung übergemeindlicher und die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Städte und Gemeinden übersteigender Aufgaben (§§ 71, 72 LKrO). Die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft werden demgegenüber wie in allen Flächenländern von der kommunalen Selbstverwaltung erfüllt (Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 97 Verf.Bbg).169 Reicht die Leistungsfähigkeit einer brandenburgischen Gemeinde allein für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht aus oder erscheint eine alleinige Aufgabenwahrnehmung unwirtschaftlich, arbeiten die Gemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgaben in verschiedenen Formen innerhalb des Landes Brandenburg zusammen.170 Die rechtlichen Instrumente dieser kommunalen Zusammenarbeit sind im Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKG)171 geregelt. Diese freiwillige interkommunale Zusammenarbeit ist keine Besonderheit des Landes Brandenburg und auch nicht Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich allein mit der Zusammenarbeit, die über die Landesgrenzen hinweg mit dem Land Berlin erfolgt. 2. Der Aufbau des Landes Berlin Die Besonderheit des Landes Berlin liegt darin, dass es sowohl ein Bundesland als auch eine Kommune ist (Art. 1 Abs. 1 VvB: „Berlin ist ein deutsches Land und zugleich eine Stadt.“). Alle Organe Berlins müssen sowohl staatliche Aufgaben als auch üblicherweise den Kommunen zugeordnete nichtstaatliche Aufgaben erfüllen. So regelt Art. 3 Abs. 2 VvB: „Volksvertretung, Regierung und Verwaltung einschließlich der Bezirksverwaltungen nehmen die Aufgaben Berlins als Gemeinde, Gemeindeverband und Land wahr.“ Innerhalb des Landes und der Stadt Berlin gibt es – anders als im Flächenland Brandenburg – keine weiteren, von ihr unterscheidbaren Gemeinden. Lokale Untergliederungen Berlins sind die Bezirke. Die unmittelbare Landesverwaltung im Land Berlin besteht daher aus zwei Ebenen, dem Senat mit der Hauptverwaltung und den Bezirksverwaltungen.172 Die Bezirke nehmen die örtlichen Verwaltungsaufgaben nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung wahr (Art. 66 Abs. 2 VvB). Sie sind aber bereits seit dem preußischen Groß-Berlin-Gesetz von 1920 nicht mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet.173 Diese fehlende Rechtspersönlichkeit führt zu vielen Einschrän169 Siehe hierzu Benz/König, S. 57; Schumacher, in: ders., Kommunalverfassung, Einleitung S. 18. 170 Siehe hierzu näher Mecking, S. 215; Hohndorf/Falk, S. 215. 171 Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKG) i. d. F. vom 13. April 1999 (BbgGVBl. I/99, S. 90), insgesamt neu bekanntgemacht am 28. Mai 1999 (BbgGVBl. I/99, S. 194). 172 Deutelmoser, S. 49; Musil/Kirchner, S. 42. 173 BerlVerfGH, LVerfGE 1, 33, 37. Siehe hierzu ausführlich Musil/Kirchner, S. 1 ff.

III. Besonderheiten der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg 121

kungen bezirklicher Selbstverwaltung. Ihnen fehlt beispielsweise die Satzungsbefugnis.174 Zusammenfassend definiert § 2 Abs. 1 BezVG die Bezirke als „Selbstverwaltungseinheiten Berlins ohne Rechtspersönlichkeit“ (ähnlich auch Art. 66 Abs. 2 S. 1 VvB). Da in Berlin staatliche und gemeindliche Tätigkeiten nicht getrennt werden (§ 1 AZG), ist das Kriterium für die Aufgabenzuweisung zwischen Senat und Bezirken die gesamtstädtische Bedeutung. Aufgaben von gesamtstädtischer Bedeutung sind dem Senat und der Hauptverwaltung vorbehalten (Art. 67 Abs. 1 VvB), während alle anderen Aufgaben durch die Bezirke wahrgenommen werden (Art. 67 Abs. 2 S. 1 VvB).175 Der Senat stellt die Grundsätze und Richtlinien für die Verwaltung auf und nimmt durch die Hauptverwaltung die Angelegenheiten wahr, die wegen ihrer übergeordneten Bedeutung oder wegen ihrer Eigenart einer einheitlichen Durchführung bedürfen (Art. 51 Abs. 1 VvB). Die Bezirke erfüllen die sonstigen Aufgaben der Verwaltung. Ihnen obliegt beispielsweise die örtliche Durchführung der Gesetze und Verordnungen nach den allgemeinen Weisungen des Senats. Zudem kann der Senat einzelne der Hauptverwaltung vorbehaltene Aufgaben den Bezirken übertragen.176 3. Die verschiedenen Ebenen der Zusammenarbeit Der unterschiedliche Organisationsaufbau der Länder Berlin und Brandenburg erschwert die Koordination und Zusammenarbeit des Stadtstaates Berlin und des Flächenlandes Brandenburg, weil Zuständigkeiten auf unterschiedlichen Ebenen liegen und auch die gleichen Ebenen nicht spiegelbildlich aufgebaut sind.177 Zunächst werden daher selbst bei einer Zusammenarbeit auf der gleichen Ebene beider Länder die strukturellen Unterschiede in den Verwaltungsorganisationen beklagt,178 die dazu führen, dass unterschiedliche Ressorts in beiden Ländern für die Erfüllung einer Aufgabe zuständig sind. Zur Veranschaulichung wird ein Beispiel aus der Landesplanung herangezogen. So ist in Berlin die Senatskanzlei bei Grundsatzangelegenheiten der Region und der Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg zuständig, während Aufgaben des Landes-, Regionalund Flächennutzungsplans der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie obliegen. In Brandenburg sind die entsprechenden Aufgaben zwischen mehreren Ministerien aufgeteilt. Für das Landesentwicklungsprogramm ist die Staatskanzlei, für Aufgaben der räumlichen Planung das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung und für Aufgaben, die die 174 175 176 177 178

Benz/König, S. 56 f.; Musil/Kirchner, S. 33. Hierzu ausführlich Musil/Kirchner, S. 58 ff. Benz/König, S. 57. So auch Bufalica, in: Bufalica/Röber, S. 118. AvB Drs. 15/4474, S. 15.

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B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

kommunale Bauleitplanung betreffen, das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zuständig. Eine Zusammenarbeit beider Länder war auf diesem Gebiet daher nur unter erheblichem Aufwand und unter organisatorischen Schwierigkeiten möglich.179 Eine Lösung für diese organisatorischen Schwierigkeiten wurde in der Schaffung der gemeinsamen Landesplanungsabteilung gefunden. Auf dem Gebiet der Landesplanung arbeiten beide Länder nunmehr erfolgreich zusammen.180 Die dargestellten strukturellen Unterschiede im Verwaltungsaufbau beider Länder sind das Ergebnis ihrer Selbstorganisationshoheit und treten daher grundsätzlich bei jeder Zusammenarbeit zweier selbständiger Länder auf. Bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg kommt aber ein weiteres strukturelles Problem hinzu, das sich aus dem Zusammentreffen von Stadtstaat und Flächenland ergibt und Einfluss auf die Kooperationsebenen hat. Während im Land Brandenburg, wie in allen Flächenländern, die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft den Gemeinden obliegen, richtet sich die Aufgabenverteilung im Land Berlin zwischen dem Senat und den Bezirken nach der gesamtstädtischen Bedeutung einer Aufgabe. Sowohl hinsichtlich der Zusammenarbeit des Landes Berlin mit dem Land Brandenburg als auch hinsichtlich der Zusammenarbeit lediglich mit einigen brandenburgischen Umlandgemeinden wird diese gesamtstädtische Bedeutung für Berlin in den meisten Fällen zu bejahen sein. Dies führt dazu, dass im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg auf Berliner Seite die Landesebene sowohl bei originären Landesaufgaben als auch bei kommunalen Aufgaben tätig wird.181 Praktisch gibt es kaum Themen in der interkommunalen Zusammenarbeit, die die Berliner Bezirke ohne die Senatsverwaltungen abschließend klären können. Oft sind sogar mehrere Senatsverwaltungen in die Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen. Dies birgt die Gefahr in sich, dass in solchen Abstimmungsrunden Berliner Ressortkonflikte ausgetragen werden, und hat zudem zur Folge, dass die Berliner Vertreter auf gemeinsamen Treffen beider Länder fast immer personell dominieren. Es tritt in den meisten Fällen die Großstadt Berlin als Gemeinde einem brandenburgischen Kreis oder einer Gemeinde gegenüber, die über wesentlich geringere Verwaltungskapazitäten verfügen.182 Da mit den 179 Benz/König, S. 58. Ausführlich zu den Unterschieden im Planungssystem der Länder Berlin und Brandenburg ders., S. 61 ff. Siehe auch Wilke, S. 59 f., der im Allgemeinen aber von einer relativ eindeutigen Aufgabenzuordnung mit entwickelten Kontaktstrukturen spricht. 180 Siehe zur Gemeinsamen Landesplanungsabteilung ausführlich in Kapitel C. unter Punkt II.2.a)bb). 181 Siehe zur Aufgabenverteilung in Berlin in diesem Kapitel unter Punkt III.2. 182 Benz/König, S. 58. Bufalica, in: Bufalica/Röber, S. 123 spricht von einem „Integrationsdilemma“: „Einerseits ist es unverzichtbar, Vertreter der verschiedenen Verwaltungsebenen, Verwaltungsterritorien und Verwaltungsressorts an einen Tisch zu bekommen, um tragfähige Kompromisse zu erzielen. Andererseits werden die Verhandlungen

III. Besonderheiten der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg 123

Berliner Bezirken allein folglich in allen bedeutsamen Fragen keine verbindlichen Absprachen getroffen werden können, sondern die Entscheidungsgewalt bei der Senatsverwaltung liegt, können erfolgreiche eigenständige Kontakte zwischen den Berliner Bezirken und den Brandenburger Gemeinden fast ausschließlich dem Informations- und Meinungsaustausch dienen.183 Während sich Berlin zunächst um diese kommunalen Kontakte mit brandenburgischen Gemeinden bemüht hat, besteht die brandenburgische Landesregierung zur Wahrung der Machtbalance und zur Sicherung gesamtbrandenburgischer Interessen darauf, auch bei der Zusammenarbeit im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung der alleinige Ansprechpartner Berlins zu sein.184 Der Zustand wird mit der „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen Staates“ umschrieben.185 Aufgrund dessen ist die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg verstärkt auf die Landesebene ausgerichtet. Die Kommunen und Kreise im Umland von Berlin sehen sich als Folge dessen landespolitischen Vorgaben gegenüber,186 ohne dass sie oder die Berliner Bezirke wesentlich in die Zusammenarbeit auf Landesebene eingebunden sind.187 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang die Forderung gestellt, dass Berlin stärker zwischen staatlichen und kommunalen Aufgaben abschichten und den Bezirken mehr Möglichkeiten zur eigenständigen Zusammenarbeit mit ihren Nachbarkommunen bieten solle. Hierfür sei der zweistufige Verwaltungsaufbau Berlins gut geeignet.188 Auch formulierte bereits der nicht in Kraft getretene Artikel 21 Abs. 3 des Neugliederungsvertrages Berlin-Brandenburg: „. . . Die Stadtbezirke können in ihren Angelegenheiten mit Gemeinden und Gemeindeverbänden im Namen der Stadt Verträge schließen“. Hieran sollte auch ohne Fusion angeknüpft werden.189 Zur Verbesserung der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene verfolgten beide Länder in diesem Sinne auch zunächst die Strategie, die kommunale Zusammenarbeit durch eine stärkere Dezentralisierung der Berliner Verwaltung zu erleichtern. Die Kompetenzen der Berliner Bezirke und der brandenburgischen Gemeinden sollten einander angenähert werden und die Bezirke um so schwerfälliger und die Kompromisse umso dünner, je mehr Einrichtungen daran mitgestrickt haben.“ 183 Bufalica, Kooperation, S. 9 ff.; Hartmann u. a., S. 41; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 27; Röber/Völkel, VerwArch 90 (1999), 112, 126 f. 184 Bufalica, Kooperation, S. 16; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 23. Siehe hierzu in Kapitel A. unter Punkt I.4.b) am Beispiel der Regionalplanung die Vorbehalte Brandenburgs zur Einrichtung eines Regionalverbands von Berlin und seinen Umlandgemeinden. 185 Röber, in: Bufalica/Röber, S. 23. 186 Döring u. a., S. 24. 187 Bufalica, Kooperation, S. 13 ff.; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 22. 188 Siehe hierzu ausführlich Röber, S. 521 ff. 189 Bufalica, in: Bufalica/Röber, S. 124; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 28.

124

B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

über eine größere Eigenständigkeit bei der Erfüllung kommunaler Aufgaben verfügen.190 Der Furcht der brandenburgischen Kommunen vor einer Dominanz Berlins dürfte aber spätestens seit der Bezirksreform Berlins allein durch Stärkung der Kontakte auf kommunaler Ebene nicht mehr entgegengetreten werden können. Durch die Bezirksreform ist Berlin seit dem 1. Januar 2001 nicht mehr in 23, sondern nur noch in 12 Bezirke geteilt, die im Jahr 2008 zwischen 223.813 Einwohner (Spandau) und 366.899 Einwohner (Pankow) hatten.191 Damit steht selbst auf der bezirklichen Ebene den brandenburgischen Kommunen, die auch in der Nähe von Berlin teilweise unter 2.000 Einwohner haben,192 jeweils eine mittelgroße „Stadt“ gegenüber. Inwieweit die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg durch Änderungen ihres Verwaltungsaufbaus erleichtert werden kann, soll nicht vertieft werden. Die vorliegende rechtliche Untersuchung befasst sich mit der bereits bestehenden Zusammenarbeit beider Länder. Hierfür ist festzuhalten, dass die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene in ihrer Intensität gegenüber der Zusammenarbeit auf Landesebene weit zurücktritt und größtenteils lediglich informal in konkreten Projekten erfolgt.193 Bereits 1996 sprach beispielsweise der Landkreis Barnim von guter praktischer Zusammenarbeit auf gemeindlicher Ebene mit den Berliner Stadtbezirken in Form von gegenseitigen Informationen mit Vorschlägen zur Konfliktvermeidung und Konfliktlösung in Fragen von Schule und Kindereinrichtungen, Verkehr und Kultur.194 Teilweise existieren Städtepartnerschaften zwischen Berliner Bezirken und brandenburgischen Städten.195 Insgesamt ist diese informale kommunale Zusammenarbeit kaum zahlenmäßig messbar und sehr stark von den handelnden Personen abhängig. Ein institutionalisiertes Kooperationsbeispiel der Länder Berlin und Brandenburg, an dem neben den Landesregierungen die brandenburgische kommunale Ebene in erheblichem Maße beteiligt ist, ist der Verkehrsverbund Berlin-Bran190

Benz/König, S. 59. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Statistisches Jahrbuch Berlin 2009, S. 35. 192 Zu nennen sind hier beispielsweise die Gemeinden Borkheide mit ca. 1.900 Einwohnern (siehe online unter http://www.borkheide.de) und Golzow mit 1.100 Einwohnern (siehe online unter http://www.amt-golzow.de/texte/seite.php?id=887) im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Selbst Oranienburg, die nach der Landeshauptstadt Potsdam größte Stadt im Umland von Berlin, umfasst lediglich ca. 43.000 Einwohner (siehe online unter http://www.oranienburg.de/texte/seite.php?id=13066). 193 Bufalica, Kooperation, S. 11; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 27. Musil/Kirchner, S. 11 nennt hier insbesondere die Bereiche Regionalplanung, Umwelt- und Naturschutz, Kultur und Tourismus. 194 Schmidt, in: Bufalica/Röber, S. 97. 195 So beispielsweise die Städtepartnerschaft zwischen dem Bezirk Spandau und der Stadt Nauen seit 1988. Siehe hierzu online im Internet unter http://www.partner schaften-spandau.de/partners.html&OPEN=menues,2 und http://www.nauen.de/texte/ seite.php?id=54602. 191

III. Besonderheiten der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg 125

denburg. Zur Regelung des öffentlichen Personennahverkehrs ist er in der Rechtsform einer GmbH errichtet worden. Gesellschafter sind das Land Berlin (1/3 der Anteile), das Land Brandenburg (1/3 der Anteile) sowie die 14 Landkreise und 4 kreisfreien Städte in Brandenburg (1/3 der Anteile).196 Ein weiteres konkretes Projekt ist die Gestaltung des Umfeldes des Flughafens Berlin-Brandenburg International. Das Dialogforum Airport Berlin-Brandenburg bietet den zuständigen Ressorts beider Länder, den zum Umfeld des Flughafens gehörenden Gemeinden und Landkreisen, den betroffenen Berliner Bezirken sowie weiteren Stellen eine Plattform zur Diskussion und zum Interessenausgleich mit dem Ziel, gemeinsam die Entwicklung des Flughafenumfeldes ausgewogen und nachhaltig zu gestalten.197 Während in den soeben dargestellten Projekten neben der kommunalen Ebene auch beide Landesregierungen integriert sind, sind als rein kommunale, institutionalisierte Kontakte die Kontakte zwischen beiden Ländern im Bereich der räumlichen Entwicklung erwähnenswert. Bereits 1991 führte der Berliner Bezirk Weißensee zwei Kolloquien zur bezirklichen Planung durch. Beteiligt waren neben der Bezirksverwaltung verschiedene Hauptverwaltungen, das Institut für Städtebau und Architektur (ISA) Berlin, die Kreisverwaltung Bernau sowie Vertreter der Weißenseer Umlandgemeinden. Im Rahmen dieser Kolloquien erarbeitete der damalige Berliner Stadtbezirk Weißensee seine „Grundlagen für Bereichsentwicklungsplanung“.198 Aufgrund des Ende 1991 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz erstellten „Räumlichen Strukturkonzepts Berlin (RSK)“ sollten im Bezirk Weißensee statt der vereinbarten 10.000 Wohnungen bis zu 22.000 Wohnungen errichtet werden. Zudem war die Verdichtung bestehender Wohngebiete vorgesehen. Weder die Weißenseer Bezirksverwaltung, noch die Barnimer Kreisverwaltung und die Umlandgemeinden waren bereit, diese Planung der Berliner Landesregierung umzusetzen. Nach Bekanntwerden der Senatspläne zur Stadterweiterung fanden sich Anfang 1993 auf Initiative des Bezirksbürgermeisters von Weißensee erstmals betroffene Berliner und Brandenburger Kommunalverwaltungen zu der bis heute existierenden Nordostraumkonferenz zusammen. Daran beteiligt waren unter anderem die Bürgermeister und die Baustadträte der damaligen Berliner Bezirke Pankow und Weißensee, die Kreisverwaltung Bernau, das Amt Wandlitz, verschiedene Berliner und Brandenburger Landesverwaltungen sowie freie Planer. Erstes Ergebnis der Nordostraumkonferenz war ein nach mehreren Sitzungen erarbeitetes „Grundsatzpapier zur Entwicklung des Nord-Ost-Raumes Berlin-Brandenburg“.199 196 Weitere Informationen finden sich auf der Webseite des Verkehrsverbunds BerlinBrandenburg unter http://www.vbbonline.de. 197 Siehe hierzu ausführlich unter http://gl.berlin-brandenburg.de/bbi/index.html. AvB Drs. 16/2787, S. 11. 198 Siehe hierzu ausführlich Kleger, S. 87. 199 Siehe hierzu ausführlich Kleger, S. 87 ff.

126

B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

Seit 1996 wird der Stadt-Umland-Dialog im Bereich der räumlichen Entwicklung Berlins und seines Umlandes institutionell im Kommunalen Nachbarschaftsforum – einem informellen Zusammenschluss von Städten, Gemeinden, Berliner Bezirken, Landkreisen und regionalen Planungsgemeinschaften – vollzogen. Mitglieder sind 9 Berliner Bezirke, 9 Landkreise und 45 Städte und Gemeinden Brandenburgs sowie, als ständige Teilnehmer, 4 Regionale Planungsgemeinschaften, Verbände und Fachverwaltungen. Das Kommunale Nachbarschaftsforum ist als freiwillige Arbeitsgemeinschaft auf Dauer angelegt und untergliedert sich in vier räumliche Arbeitsgruppen (AG Nord, AG Ost, AG Süd und AG West).200 Zu den Projekten der Nachbarschaftsforen gehören informelle Gesprächsrunden, die Zusammenarbeit im Bereich der Regionalparks und zwischengemeindliche räumliche Strukturkonzepte.201 Das Forum bietet die Möglichkeit eines frühzeitigen Informationsflusses und Meinungsaustauschs über die Planverfahren der Raumordnung, der Landesplanung und der kommunalen Bauleitplanung. Hier können personelle Netzwerke zwischen den verschiedenen Verwaltungseinheiten entstehen, die eine enge Zusammenarbeit begünstigen.202 Organisation und Arbeitsweise sind in Geschäftsordnungen verankert. Jährlich finden für jede Arbeitsgruppe etwa vier Sitzungen statt, die von den auf Zeit gewählten Vorsitzenden geleitet werden. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin ist eine Geschäftsstelle eingerichtet. Das Forum bietet den Berliner Bezirken und den Umlandgemeinden Berlins die Möglichkeit, sich in wichtigen Fragen abzustimmen. Probleme ergeben sich bei der Arbeit in den Nachbarschaftsforen aber dadurch, dass die kommunale Zusammenarbeit nicht zu den Pflichtaufgaben der Gemeinden, Städte und Berliner Bezirke gehört. Aufgrund dessen ist die Finanzausstattung gering und genügt nicht immer zur nachhaltigen Förderung von Projekten. Zudem ist eine gemeinsame Finanzierung von Aktivitäten aus den Etats mehrerer Gebietskörperschaften haushaltstechnisch in der Regel schwierig zu organisieren.203 200 Siehe hierzu ausführlich im Internet unter http://kommunalesnachbarschaftsfo rum.berlin-brandenburg.de/akteure/index.html. Bereits 1995 hat Bufalica, Kooperation, S. 17, die Schaffung von vier Stadt-Umland-Arbeitsgemeinschaften empfohlen, um hierdurch die regionale Zusammenarbeit zu entwickeln und Akteure zusammen zu bringen, die von den gleichen Problemen betroffen sind. Dieser Vorschlag wurde durch das Kommunale Nachbarschaftsforum umgesetzt. 201 Bauer/Seidel, LKV 1999, 343, 347. 202 So für die gemeinsame Landesplanung Bremen-Niedersachsen Danielzyk, in: Bufalica/Röber, S. 49. Für Hamburg Smeddinck, in: Bufalica/Röber, S. 61. 203 Geschäftsstelle Kommunales Nachbarschaftsforum, Stadt-Umland-Kooperation Berlin und Nachbarn, online im Internet unter http://kommunalesnachbarschaftsfo rum.berlin-brandenburg.de/mehr_willkommen.html. Eine ähnliche kommunale Arbeitsgemeinschaft, die jedoch lediglich Städte des Landes Brandenburg erfasst, ist die Arbeitsgemeinschaft „Städtekranz Berlin-Brandenburg“. Siehe hierzu den Internetauftritt unter http://www.staedtekranz.de. Mangels grenzüberschreitender Zusammenarbeit wird diese hier nicht weiter vorgestellt.

III. Besonderheiten der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg 127

Quelle: Kommunales Nachbarschaftsforum, online im Internet unter http://kommunalesnachbarschafts forum.berlin-brandenburg.de/akteure/index.html.204

Abbildung 2: Mitglieder des Kommunalen Nachbarschaftsforums

Als letztes Beispiel kommunaler Zusammenarbeit soll der Bereich der Wasserversorgung angesprochen werden. Hier ist eine Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern auf kommunaler Ebene in beschränktem Rahmen erfolgt. Auf der Grundlage langfristiger Verträge wurden im Geschäftsjahr 2008 rund 3,6 Mio. m3 Trinkwasser nach Brandenburg geliefert und von dort 23,8 Mio. m3 Abwasser abgeleitet und gereinigt. Ende 2008 sind 42 Brandenburger Städte und Gemeinden mit über 535.000 Einwohnern an die Berliner Klärwerke angeschlossen worden. Das sind rund 20 % der Gesamtbevölkerung Brandenburgs. In drei Projekten haben die Berliner Wasserbetriebe die Betriebsführung für die Trinkwasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen brandenburgischer Gemeinden bzw. von deren Zweckverbänden übernommen. Rund 70.000 Brandenburger Einwohner aus neun Städten und Gemeinden erhalten damit Berliner Trinkwasser.205 204

Eine detaillierte Karte findet sich in Anlage 3. Berliner Wasserbetriebe, Geschäftsbericht 2008, S. 9 f. Siehe hierzu auch auf der Homepage der Berliner Wasserbetriebe unter http://www.bwb.de/content/language1/ html/6292.php. Diese Zusammenarbeit kann aber nur eingeschränkt als Beispiel kommunaler Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg dienen, weil zwar auf Brandenburger Seite Kommunen stehen, auf Berliner Seite aber nicht die Bezirke, sondern die teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe. 205

128

B. Rechtliche Vorüberlegungen zur Zusammenarbeit der Bundesländer

Quelle: Berliner Wasserbetriebe, Engagement im Umland, online im Internet unter http://www.bwb.de/ content/language1/downloads/engagement-umland.pdf.

Abbildung 3: Aufgabenerfüllung der Berliner Wasserbetriebe im brandenburgischen Umland

Die Beispiele zeigen, dass trotz der organisatorischen Schwierigkeiten und der Dominanz beider Landesregierungen eine Abstimmung in beiden Ländern auch unterhalb der Landesebene möglich ist und praktiziert wird. Sie erscheint zwar von ihrem Umfang her bisher eher bescheiden, ist aufgrund der tatsächlichen, rechtlichen und organisatorischen Schwierigkeiten in beiden Ländern aber besonders erwähnenswert.

IV. Gedankliche Strukturierung der nachfolgenden Untersuchung Abschließend soll noch einmal festgehalten werden, dass die Länder Berlin und Brandenburg eng auf weiten Teilen ihrer Aufgabengebiete zusammenarbeiten, eine rechtlich umfassende Beurteilung dieser Zusammenarbeit in der juristischen Literatur bisher fehlt und durch die vorliegende Arbeit geleistet werden soll. Dabei erscheint eine Unterscheidung der beiden Kooperationsebenen – Landesebene und Kommunalebene – nicht zielführend, weil neben einer Systema-

IV. Gedankliche Strukturierung der nachfolgenden Untersuchung

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tisierung – die soeben durchgeführt wurde – keine weitergehenden rechtlichen Konsequenzen hieran anknüpfen. Aus diesem Grund würde diese Unterteilung die nachfolgende Untersuchung nur unnötig zergliedern und gedankliche Linien verwischen. Es wird im Folgenden daher nicht weiter zwischen der Landes- und der Kommunalebene unterschieden. Ausgehend von der Erkenntnis, dass das Grundgesetz eine Zusammenarbeit der Bundesländer grundsätzlich wünscht und diese als Alternative zu bundesstaatlichen Zentralisierungsbestrebungen angesehen werden kann, für deren Praxistauglichkeit die Länder Berlin und Brandenburg eine Vorreiterrolle in der Bundesrepublik Deutschland spielen, soll diese Zusammenarbeit im Folgenden rechtlich bewertet werden. Die rechtliche Untersuchung lässt sich dabei in zwei Hauptteile untergliedern. Zunächst ist jede einzelne Kooperationsmaßnahme der Länder Berlin und Brandenburg auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen (Kapitel C. und D., Punkt I. u. II.), und im Anschluss daran ist die Verfassungsmäßigkeit der Zusammenarbeit als Ganzes zu betrachten (Kapitel D., Punkt III.). Auf der Grundlage der theoretischen Überlegungen in diesem Kapitel werden dabei die einzelnen Kooperationsmaßnahmen der Länder zunächst hinsichtlich ihrer Form betrachtet und nach ihrer Intensität geordnet (Kapitel C.). Im Anschluss daran werden die rechtlich zulässigen Formen auf ihren Regelungsgegenstand hin untersucht (Kapitel D.). Hier stellen sich die Fragen, ob durch die Zusammenarbeit beider Länder ihre durch das Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG festgeschriebene Selbständigkeit verletzt wird, es unübertragbare staatliche Kernaufgaben gibt, die einer Zusammenarbeit beider Länder grundsätzlich entzogen sind, und welche Grenzen sich für die Zusammenarbeit aus den Grundrechten ergeben. Nach dieser Betrachtung der einzelnen Maßnahmen beider Länder wird festzustellen sein, dass entscheidende Bedeutung einer Gesamtbetrachtung aller Kooperationsmaßnahmen zukommt, deren greifbare Maßstäbe aber nur schwer zu bestimmen sind.

C. Formen der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg „Jede Rechtsordnung muss Form haben. Formlosigkeit bedeutet Chaos.“ 1 Die Länder Berlin und Brandenburg arbeiten in den unterschiedlichsten Formen zusammen. Jede dieser Formen hat ihre eigenen rechtlichen Voraussetzungen und Wirkungen.2 In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, in welchen Formen die Bundesländer Berlin und Brandenburg rechtmäßig zusammenarbeiten können. Die rechtliche Untersuchung erfolgt nach den einzelnen Gewalten der Gewaltenteilungslehre (Exekutive, Legislative und Judikative) sowie nach der Intensität der einzelnen Kooperationsform. Beides hat Auswirkungen auf ihre rechtliche Beurteilung. Dabei setzt dieses Kapitel an formalen Gesichtspunkten für die Einordnung einer Kooperationsmaßnahme zu einer der Staatsgewalten an. Dies hat zur Folge, dass sich Regelungsgegenstände bei den einzelnen Gewalten wiederholen können, weil zwei Gewalten mit unterschiedlichen Formen in die Zusammenarbeit beider Länder hinsichtlich ein und derselben Materie eingebunden sind. So finden fast alle Aufgaben der Legislative ihre Entsprechung in solchen der Verwaltung, ein Teil auch in solchen der Rechtsprechung.3 Mit inhaltlichen Aspekten beschäftigt sich erst das nächste Kapitel. Aufgabe dieses Kapitels ist zunächst allein eine rein formale rechtliche Beurteilung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg. Soweit Kooperationsinhalte im Folgenden genannt werden, dienen sie als Anschauungsbeispiele der jeweiligen Handlungsformen, sind aber nicht entscheidend für die Einordnung der Maßnahmen zu einer der drei Gewalten. Innerhalb der Gewalten sind die Formen der Zusammenarbeit nach ihrer rechtlichen Verbindlichkeit sortiert, absteigend von rechtlich verbindlichen zu unverbindlichen Formen.

1

Maunz, NJW 1962, 1641, 1644. Die Form der Zusammenarbeit spielt in der Praxis eine entscheidende Rolle, weil sie entscheidende Auswirkungen auf die praktische Arbeit hat. So hat beispielsweise ein großer Zusammenschluss ohne Rechtspersönlichkeit eine geringere Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedern als ein Zusammenschluss mit Rechtspersönlichkeit (Rohmann, in: Bufalica/Röber, S. 106 für den Kommunalverband Niedersachsen/Bremen). 3 Bull, S. 214. 2

I. Formen der Zusammenarbeit der Legislative

131

I. Formen der Zusammenarbeit der Legislative Auch wenn in der Praxis der Schwerpunkt der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg bei ihren Exekutiven liegt, ist die Exekutive gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Damit kann die Legislative sie durch ihre Zusammenarbeit rechtlich binden. Dem obersten Stellenwert der Legislative in einer Demokratie wird dadurch Rechnung getragen, dass zunächst die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg im Bereich der Legislative und im Anschluss daran der Bereich der Exekutive betrachtet wird. Unter dem formalen Gesichtspunkt zählen zu den Kooperationsformen der Legislative die Staatsverträge und die Parallelgesetzgebung, auch wenn sie inhaltlich die Zusammenarbeit der Exekutive regeln. 1. Staatsverträge Die intensivste Form der Zusammenarbeit beider Länder ist die des Vertrages. Der Vertrag ist das klassische Instrument der Zusammenarbeit zwischen den Staaten.4 Die Länder Berlin und Brandenburg arbeiten in zwei verschiedenen vertraglichen Formen zusammen: Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen. a) Abgrenzung von Staatsverträgen zu Verwaltungsabkommen Staatsverträge und Verwaltungsabkommen werden unter dem Oberbegriff des öffentlich-rechtlichen Vertrages5 bzw. der rechtlich bindenden vertraglichen Vereinbarungen, bei denen die Partner auf der Ebene der Gleichordnung Konsens über den Vertragsgegenstand zu erzielen beabsichtigen, zusammengefasst.6 Der Unterschied zwischen Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen ist weder auf Bundesebene noch auf Landesebene ausdrücklich verfassungsgesetzlich definiert. Teilweise wird darauf hingewiesen, dass die Literatur den Staatsvertrag

4

Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 54. Der Begriff „öffentlich-rechtlicher Vertrag“ steht in diesem Fall als Gegensatz zum zivilrechtlichen Vertrag und umfasst vertragliche Absprachen im gesamten Bereich des öffentlichen Rechts. Er ist nicht identisch mit dem Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrages in den §§ 54 ff. VwVfG. Das Verwaltungsverfahrensgesetz ist gemäß §§ 1 Abs. 1 und 9 VwVfG auf Teile des Verwaltungsrechts begrenzt. Wie in diesem Kapitel unter Punkt I.1.c) noch ausgeführt wird, gehören die Staatsverträge jedoch zum Staatsrecht. Sie fallen damit nicht unter den Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrages i. S. d. §§ 54 ff. VwVfG. 6 Grassl, S. 4; Grawert, S. 83; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 56 f.; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 456. Wobei Rudolf noch als dritte Form die Koordinationsabsprachen unterscheidet. Die Koordinationsabsprachen als rechtlich unverbindliches Ergebnis von Konferenzen und Ausschüssen werden in dieser Arbeit bei der informalen Zusammenarbeit angesprochen. Siehe hierzu näher in diesem Kapitel unter Punkt I.3. 5

132

C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

eher beschreibt als definiert.7 Ansatzpunkt der Definition von Staatsverträgen auch auf bilateraler Ebene ist die Abgrenzung zu den Verwaltungsabkommen.8 Diese Idee lehnt sich an die Regelung des Art. 59 Abs. 2 GG an, die für Beziehungen der Bundesrepublik mit anderen Staaten zwischen Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen unterscheidet,9 wobei die konkreten Unterscheidungsmerkmale umstritten sind. Betrachtet man Art. 59 Abs. 2 GG, so liegt es nahe, Staatsverträge von Verwaltungsabkommen nach ihren inhaltlichen Regelungen, nach der Zuständigkeitsverteilung zwischen Legislative und Exekutive, nach Gesetzgebung und Gesetzesvollzug abzugrenzen. Entscheidend ist, ob im konkreten Fall innerstaatlich ein Vollzugsakt unter Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften erforderlich ist – dann Staatsvertrag – oder nicht – dann Verwaltungsabkommen. Ein Staatsvertrag ist zur Regelung von Materien notwendig, die innerstaatlich nur in Form eines formellen Gesetzes rechtlich umgesetzt werden dürfen, also Materien, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen.10 Dabei genügt es bereits, wenn das Recht nur eines der beiden Länder Berlin oder Brandenburg die parlamentarische Zustimmung verlangt, weil ein und derselbe Vertrag nicht von einem Vertragspartner als Staatsvertrag und von dem anderen Vertragspartner als Verwaltungsabkommen abgeschlossen werden kann. Dafür sprechen die verschiedenen rechtlichen Regelungen zum Abschluss der beiden Vereinbarungen. Der Vertrag muss sich daher als Ganzes an den Vorschriften des Vertragspartners messen lassen, die die höchsten rechtlichen Anforderungen stellen – die Anforderungen an einen Staatsvertrag.

7 Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 243. Für Verwaltungsabkommen stellt das auch Warmke, Verw 24 (1991) auf Seite 456 fest. 8 Schneider, DÖV 1957, 644, 646. Kritisch Grewe, AöR 77 (1951–52), 370, 371, der den Versuch, aus dem Wortlaut des Art. 59 GG ein System zu entwickeln, als verfehlt ansieht. 9 Die Landesverfassungen von Berlin und Brandenburg treffen keine Regelungen für Verwaltungsabkommen. Damit findet sich hier auch keine entsprechende Unterscheidung zwischen Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen. Da sich Art. 50 VvB hinsichtlich der Staatsverträge aber an Art. 59 Abs. 2 GG anlehnt, ist davon auszugehen, dass der Gedanke des Art. 59 Abs. 2 GG zumindest nicht im Widerspruch zu den Landesverfassungen steht und daher auch in der vorliegenden Arbeit an diese Norm angeknüpft werden kann. Auch Musil/Kirchner, S. 75 übernehmen die Definition des Art. 59 Abs. 2 GG kommentarlos auf die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg. Einfachgesetzlich unterscheidet in Berlin beispielsweise § 20 AZG zwischen Verträgen (Abs. 1) und Verwaltungsvereinbarungen (Abs. 2). 10 BVerfGE 1, 372, 388 ff.; Bothe, Generalbericht, S. 214; Driehaus, VvB, Art. 50, Rdnr. 8; Fastenrath, DÖV 2008, 697, 698; Fastenrath/Groh, BerlKomm GG III, Art. 59, Rdnr. 53; Giese, S. 64; Grassl, S. 6 f.; Grawert, S. 39 und 50 f.; Lenhard, S. 131; Musil/Kirchner, S. 75; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 58, Rdnr. 4; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 59, Rdnr. 31 f. u. 49; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 59; Rudolf, Völkerrecht, S. 194; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 243; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 457; Zivier, Rdnr. 75.1.2.

I. Formen der Zusammenarbeit der Legislative

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Die Zustimmung der Landesparlamente ist gemäß Art. 59 Abs. 2 GG analog immer dann erforderlich, wenn politische Beziehungen geregelt werden oder Gegenstände der Gesetzgebung betroffen sind. Ob Gegenstände der Gesetzgebung betroffen sind, richtet sich nach den allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen zum Gesetzesvorbehalt in Art. 20 Abs. 3 GG. Nach der so genannten Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber verpflichtet, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit dieser staatlichen Regelungen zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.11 Zu den Verträgen über Materien der Gesetzgebung zählen daher solche, deren Bestimmungen unmittelbar Rechte oder Pflichten für den einzelnen Bürger begründen, abändern oder aufheben sollen.12 Hierunter fallen auch Verträge, die Hoheitsgewalt übertragen, weil dadurch die Rechtsstellung des Bürgers berührt wird, der nunmehr Eingriffen eines anderen Hoheitsträgers anstelle des Staates ausgesetzt ist.13 Darüber hinaus wird eine staatsvertragliche Regelung für Gegenstände gefordert, die innerstaatlich den Erlass eines formellen Gesetzes erfordern; sei es, um bestehende Gesetze abzuändern, sei es, weil Bestimmungen des Grundgesetzes oder allgemeine verfassungsrechtliche Grundsätze (allgemeiner Gesetzesvorbehalt, Wesentlichkeitstheorie) eine gesetzliche Grundlage verlangen, die im konkreten Fall aber noch nicht vorhanden ist.14 Verträge nach Art. 59 Abs. 2 GG, welche die politischen Beziehungen regeln, kommen aufgrund des Prinzips bundes- und länderfreundlichen Verhaltens für die Beziehungen der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg nicht in Betracht. Das Bundesverfassungsgericht versteht hierunter Verträge, die die Existenz des Staates, seine territoriale Integrität, seine Unabhängigkeit, seine Stel11

BVerfGE 49, 89, 126 f. Bothe, Generalbericht, S. 192; Driehaus, VvB, Art. 50, Rdnr. 8; Giese, S. 65; Grawert, S. 169; Lemmer, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 50, Rdnr. 3; Musil/Kirchner, S. 75; Pietzcker, Landesbericht, S. 47 ff.; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 59, Rdnr. 25; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 243; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 457. 13 Grawert, S. 255; Lenhard, S. 79. Teilweise wird zusätzlich auf die „Rückholbarkeit“ der übertragenen Hoheitsrechte abgestellt (Warmke, Verw 24 (1991), 455, 460 f.). 14 BVerfGE 1, 372, 390; Bothe, Generalbericht, S. 214; Driehaus, VvB, Art. 50, Rdnr. 7 f.; Fastenrath, DÖV 2008, 697, 698; Giese, S. 112; Grassl, S. 11 f.; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 59, Rdnr. 25; Vedder, S. 55 u. 379. Vereinzelt wurde in der Literatur vertreten, dass Staatsverträge immer dann erforderlich seien, wenn zu ihrem innerstaatlichen Vollzug ein „Gesetz im materiellen Sinne“ notwendig ist (Ehmke, Diskussionsbeitrag in VVDStRL 19 (1961), S. 140 f.; Haas, AöR 78 (1952–52), 381, 388; Merk, Diskussionsbeitrag in VVDStRL 19 (1961), S. 141; Rudolf, Völkerrecht, S. 199; Ule, Diskussionsbeitrag in VVDStRL 19 (1961), S. 142 f.). Diese Auffassung überzeugte bereits unter dem Gesichtspunkt des Budgetrechts des Parlaments nicht (Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 245), weil die Regierung ohne Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaft keine Pflichten übernehmen kann, deren Erfüllung sie wegen des ausschließlichen Mittelbewilligungsrechts des Parlaments nicht garantieren kann (Driehaus, VvB, Art. 50, Rdnr. 8 m.w. N.). Sie wird heute wohl nicht mehr vertreten. 12

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

lung oder sein maßgebliches Gewicht in der Staatengemeinschaft berühren. Dabei muss der Vertrag selbst eine Regelung von politischen Beziehungen zu auswärtigen Staaten enthalten oder bezwecken.15 Die Beziehungen der Bundesländer untereinander können nicht als solche angesehen werden, die unmittelbar das Wesen und den Bestand des Staates berühren oder durch die die Staatshoheit der Vertragsschließenden dergestalt berührt wird, dass die Hoheitsrechte über Staatsgebiet oder Staatsvolk eine wesentliche Änderung erfahren. Dies wäre den Ländern schon im Hinblick auf Art. 28 GG untersagt.16 Zu den dargestellten inhaltlichen Zustimmungskriterien kommen formale hinzu. So bedarf ein Abkommen, das den Inhalt eines Staatsvertrages ändert, zwingend der Zustimmung des Parlaments, auch wenn die Materie ursprünglich in Form eines Verwaltungsabkommens hätte geregelt werden können. Abkommen, die nur einige zustimmungsbedürftige Regelungen treffen, bedürfen als Ganzes der parlamentarischen Zustimmung.17 Nachdem nunmehr geklärt ist, wann die Länder Berlin und Brandenburg Staatsverträge abschließen müssen, bleibt noch kurz herauszustellen, wann sie dies auch tatsächlich tun. Die Frage, wann eine Vereinbarung zwischen den Ländern als Staatsvertrag zu qualifizieren ist, ist nicht neu. Hierzu findet sich eine große Anzahl älterer Literatur, zu der die neuere Zeit keine neuen Erkenntnisse gebracht hat und die im Folgenden daher kurz dargestellt werden soll. Bei der Frage, wann nun tatsächlich ein Staatsvertrag vorliegt, wurde zunächst herausgearbeitet, dass hierfür nicht allein inhaltliche Gesichtspunkte entscheidend sind. Andernfalls müsste beispielsweise auch ein Vertrag, der unnötig die Zustimmung des Parlaments erhalten hat und in dem Abschlussverfahren eines Staatsvertrages erlassen worden ist, als „Verwaltungsabkommen“ bezeichnet werden.18 Zudem dürfen Staatsverträge auch auf den Gebieten, die durch Verwaltungsabkommen geregelt werden können, erlassen werden.19 Wenn aber Staats15

BVerfGE 1, 372, 381 f. Grassl, S. 22; Lenhard, S. 118; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 246. A. A. wohl Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 58, Rdnr. 13, der auch im Zwischenländerbereich Staatsverträge, politische Verträge und Verwaltungsabkommen unterscheidet, wobei politische Verträge politische Beziehungen Berlins zu anderen Ländern, zum Bund oder zu auswärtigen Staaten regeln. 17 Grawert, S. 40; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 60; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 253; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 458. 18 Kisker, S. 217 f., Fn. 805; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 58. So weit gehen aber auch die Verfechter einer rein inhaltlichen Abgrenzung von Staatsvertrag und Verwaltungsabkommen nicht. Schladebach, der für eine Unterscheidung zwischen Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen nach inhaltlichen Gesichtspunkten plädiert, spricht beispielsweise von der Unzulässigkeit eines durch die Landesregierung verabschiedeten Staatsvertrages auf dem Regelungsgebiet eines Verwaltungsabkommens (Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 246). 19 Lieber, in: Simon u. a., § 13 Rdnr. 21; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 253. 16

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verträge auf allen Gebieten abgeschlossen werden können, entzieht dies dem Unterscheidungskriterium zwischen Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen allein nach der in der Vereinbarung geregelten Materie die Grundlage. Daher wurden in der Literatur vereinzelt andere Unterscheidungskriterien gesucht. Zum einen wird rein formal darauf abgestellt, ob das Parlament tatsächlich im Vertragsabschlussverfahren mitgewirkt hat.20 Damit wären alle Verträge, die mit Zustimmung des Parlaments abgeschlossen werden – ohne Rücksicht darauf, ob diese Zustimmung erforderlich ist –, „Staatsverträge“ und entsprechend alle Verträge „Verwaltungsabkommen“, die von der Exekutive ohne Mitwirkung des Parlaments abgeschlossen werden. Dies überzeugt nicht vollständig. Zwar kann grundsätzlich bei Staatsverträgen zwischen den Bundesländern im Gegensatz zum Völkerrecht auf die parlamentarische Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung abgestellt werden. Jedoch wird aus einem Staatsvertrag aufgrund mangelnder Zustimmung des Parlaments kein Verwaltungsabkommen, sondern der Staatsvertrag ist unwirksam. Zudem stünde erst am Ende des Vertragsabschlussverfahrens fest, ob ein Staatsvertrag oder ein Verwaltungsabkommen vorliegt. Ein anderer Ansatzpunkt betrachtet die Bindungswirkung der Vereinbarung. Hiernach sollen Staatsverträge ein Land als geschlossene Herrschaftseinheit, das heißt in jeder Richtung seiner Landesgewalt (Legislative, Exekutive, Judikative) binden, während Verwaltungsabkommen die beteiligten Länder lediglich soweit berechtigen oder verpflichten, wie die Zuständigkeit der Landesexekutive reiche.21 Hiergegen wurde berechtigte Kritik erhoben, weil die rechtliche Verpflichtung bei einem Vertrag, der im Rahmen der Vertretungsmacht der vertragsschließenden Organe vereinbart wird, das Rechtssubjekt, für das die Organe handeln, stets als Ganzes erfasst. Daher binden auch Verwaltungsabkommen das Land und nicht nur die beteiligten Behörden bzw. nicht nur die Exekutive.22 Letztendlich wurden Verwaltungsabkommen rein formal danach bestimmt, dass es sich um Verträge handele, die zwischen Exekutivorganen der Staaten abgeschlossen werden.23 Auch diese Auffassung stieß auf Kritik, weil die Rechtsnatur des Staatsvertrages nicht aus der landesverfassungsrechtlichen Abschlussbefugnis gefolgert werden könne, sie vielmehr bei der Bestimmung der Abschlusskompetenz bereits vorausgesetzt sei.24 Als Unterschied zwischen einem Staatsvertrag und einem Verwaltungsabkommen erscheint nach alledem allein der im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Ver20

Kisker, S. 217 f., Fn. 805. Ebenso Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 58. Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 9; auch zuvor bereits ders., DÖV 1957, 644, 646 anklingend, dass nur bei Staatsverträgen das Land als geschlossene Herrschaftseinheit verpflichtet wird. 22 Rudolf, Völkerrecht, S. 221; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 65. 23 Grewe, AöR 77 (1951–52), 370, 371. 24 Grawert, S. 48. 21

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trages bestehende übereinstimmende Wille der Vertragspartner darüber, ob der Vertrag sofort durch die Unterzeichnung, ohne weitere Zwischenschritte, innerstaatliche Geltung erlangen soll, oder ob für die innerstaatliche rechtliche Wirksamkeit die Zustimmung des Parlaments eingeholt werden muss. Ein Staatsvertrag liegt daher immer dann vor, wenn eine Vereinbarung von der Exekutive ausgehandelt wird, die innerstaatlich erst dann Gültigkeit erlangen soll, wenn das Parlament ihr zugestimmt hat. Demgegenüber soll nach übereinstimmendem Willen der Vertragspartner ein Verwaltungsabkommen unmittelbar durch seine Unterzeichnung innerstaatliche Gültigkeit erlangen. Es kommt folglich allein auf den Willen der Vertragsschließenden bei Vertragsschluss an, die Letztentscheidung durch das Landesparlament mittels Zustimmung treffen zu lassen oder nicht. Der Staatsvertrag ist damit die vertragliche Kooperationsform der Legislativen beider Länder. Von ihm geht die stärkste rechtliche Bindungswirkung aus. Er bindet innerstaatlich nicht nur die Exekutive. Durch die Zustimmung des Parlaments mittels formellen Gesetzes erhält die Vereinbarung vielmehr innerstaatlich Gesetzesrang mit der Folge, dass gemäß Art. 20 Abs. 3 GG neben der vollziehenden Gewalt auch die Rechtsprechung an ihren Inhalt gebunden ist.25 b) Arten der Staatsverträge In der Literatur wird abhängig von der Anzahl der Kooperationspartner zwischen bi-, pluri- und omnilateralen Staatsverträgen unterschieden.26 Während biund plurilaterale Staatsverträge typischerweise eingesetzt werden, um Sachverhalte zu regeln, die sich aus der Nachbarschaft und der gemeinsamen regionalen Betroffenheit der Vertragsparteien ergeben27 (Kisker spricht hier von regionalen Koordinationsbedürfnissen28), ist die omnilaterale Zusammenarbeit nicht geographisch-nachbarschaftlich, sondern an der Erledigung bundesweiter Aufgaben orientiert.29 Zudem sieht Vedder einen Unterschied darin, dass bei bilateraler und regionaler Zusammenarbeit fast ausnahmslos Regelungen getroffen werden, deren Adressaten die Länder als Vertragsparteien sind und die vor allem Zuständigkeiten und die Behördenorganisation regeln. Außenwirkung entfalten diese Staatsverträge nur insoweit, als die Zuständigkeitsregelungen auch gegenüber den Bürgern gelten, ohne damit jedoch subjektive rechtliche Positionen zu begründen. Demgegenüber beinhalten fast alle omnilateralen Staatsverträge neben 25 Bothe, Kompetenzstruktur des modernen Bundesstaates, S. 286; Bothe, Generalbericht, S. 214; Hofmann, Bundesstaat, S. 26; Kisker, S. 46. 26 Kisker, S. 2. Schladebach unterscheidet lediglich zwischen bi- und multilateralen Staatsverträgen (Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 243). 27 Vedder, S. 87. 28 Kisker, S. 2. 29 Vedder, S. 90.

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den allein die Vertragspartner betreffenden organisationsrechtlichen Fragen auch materielle Rechtsetzung.30 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich – wie bereits dargestellt – allein mit der bilateralen Zusammenarbeit der Bundesländer Berlin und Brandenburg.31 Bei genauerer Betrachtung dieser Zusammenarbeit lässt sich schnell feststellen, dass das Unterscheidungskriterium, das Vedder im Jahr 1996 aufgestellt hat, hierauf nicht mehr zutrifft. Hat sich damals die bilaterale Zusammenarbeit noch auf innerbehördliche Sachverhalte beschränkt, umfasst sie in den Ländern Berlin und Brandenburg heute eine breite Palette materieller Rechtsetzung. So üben durch Staatsvertrag gegründete gemeinsame Einrichtungen, wie die gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg, das gemeinsame Juristische Prüfungsamt der Länder Berlin-Brandenburg, die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg oder die gemeinsamen Obergerichte Berlin-Brandenburg Hoheitsgewalt aus.32 Damit unterscheidet sich die bilaterale Zusammenarbeit von der omnilateralen in der Region Berlin-Brandenburg lediglich durch die Anzahl der Kooperationspartner und die damit zusammenhängende Reichweite der kooperativen Regelungen. Insgesamt haben die Länder Berlin und Brandenburg bisher bereits eine beachtliche Anzahl von Staatsverträgen abgeschlossen: • Staatsvertrag über die Zusammenarbeit im Bereich des Rundfunks vom 29. Februar 1992, geändert durch Staatsvertrag vom 3. November 1998 und durch Staatsvertrag vom 13./26. Februar 2001; • Staatsvertrag über die Errichtung einer Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften vom 21. Mai 1992, zuletzt geändert durch Staatsvertrag vom 6./15. April 2011; • Staatsvertrag über die von Berlin und Brandenburg getragene Akademie der Künste vom 20. April 1993, außer Kraft gesetzt durch den Staatsvertrag über die Auflösung der von Berlin und Brandenburg getragenen Akademie der Künste vom 26. Juni/15. Juli 2005; • Staatsvertrag über die Feuersozietät Berlin-Brandenburg und die Öffentliche Lebensversicherung Berlin-Brandenburg vom 2. April 1993, zuletzt geändert durch den Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Feuersozietät Berlin-Brandenburg und die Öffentliche Lebensversicherung Berlin-Brandenburg in Aktiengesellschaften vom 24./26. Februar 2003, außer Kraft gesetzt durch den Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg zur Abwicklung der Feuersozietät Berlin-Brandenburg und zur Haftungsregelung für die Öffentliche Lebensversicherung Berlin-Brandenburg vom 20./28. März 2006; 30 31 32

Vedder, S. 93 ff. Siehe zur Themeneingrenzung in Kapitel A. unter Punkt V. Siehe zu den gemeinsamen Einrichtungen in diesem Kapitel unter Punkt II.2.

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• Staatsvertrag über die Errichtung der Zentralen Adoptionsstelle Berlin-Brandenburg (ZABB) vom 13. Januar 1994; • Staatsvertrag über die Errichtung einer „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg“ vom 23. August 1994; • Staatsvertrag über die Aufgaben und Trägerschaft sowie Grundlagen und Verfahren der gemeinsamen Landesplanung vom 6. April 1995, zuletzt geändert durch Staatsvertrag vom 10. Oktober 2007; • Staatsvertrag zur Regelung der Volksabstimmungen über den NeugliederungsVertrag vom 27. April 1995 sowie Staatsvertrag über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes (Neugliederungs-Vertrag) vom 27. April 1996 (nicht in Kraft getreten); • Staatsvertrag über die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte vom 20. November 1995, geändert durch Staatsvertrag über die Errichtung des Zentralen Mahngerichts BerlinBrandenburg sowie zur Änderung des Staatsvertrages vom 20. November 1995 über die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte (Mahngerichtsvertrag) vom 13. Dezember 2005; • Abkommen über die Durchführung der Wirtschaftsprüferordnung in Berlin und Brandenburg (Staatsvertrag) vom 18. März 1996; • Staatsvertrag über die Bergbehörden vom 13./17. August 1996, geändert durch Staatsvertrag vom 15. November 2000, ersetzt durch Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Bergbehörde und energieaufsichtliche Zuständigkeiten vom 17./23. März 2006; • Staatsvertrag über ein Gemeinsames Landesentwicklungsprogramm der Länder Berlin und Brandenburg und über die Änderung des Landesplanungsvertrages vom 7. August 1997, geändert durch Staatsvertrag vom 5. Mai 2003; weitgehend ersetzt durch Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über das Landesentwicklungsprogramm 2007 und die Änderung des Landesplanungsvertrages vom 10. Oktober 2007; • Staatsvertrag über die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung vom 7. Dezember 2001; • Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg vom 25. Juni 2002; • Staatsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und dem Land Berlin über die Zusammenarbeit in der Notfallrettung vom 24. Februar 2003; • Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet der Landwirtschaft (Landwirtschaftsstaatsvertrag) vom 17. Dezember 2003; • Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Errichtung des Landesamtes für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg vom 11. März 2004;

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• Staatsvertrag über die Errichtung eines Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg vom 2. April 2004; • Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004, geändert durch Staatsvertrag vom 7. Februar 2011; • Staatsvertrag über die Bestimmung der Aufsicht über die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 13. Dezember 2005; • Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Errichtung eines Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg vom 13. Dezember 2005; • Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Luftfahrtverwaltung vom 3./4. Mai 2006; • Staatsvertrag über die Errichtung eines gemeinsamen Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) vom 22. Mai 2006; • Staatsvertrag über die Errichtung eines gemeinsamen Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg (SFBB) vom 22. Mai 2006; • Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Errichtung eines Landeslabors Berlin-Brandenburg vom 30. September 2008; • Staatsvertrag über die Übertragung der Zuständigkeit in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. November 2010; • Staatsvertrag über die Errichtung und den Betrieb der Justizvollzugsanstalt Heidering vom 25. August 2011.33 c) Abschluss von Staatsverträgen Das Verfahren zum Abschluss von Staatsverträgen ist in den Länderverfassungen geregelt. Die §§ 54 ff. VwVfG sind hierauf nicht anwendbar, da § 1 Abs. 1 VwVfG (öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden) und § 9 VwVfG (Begriff des Verwaltungsverfahrens) den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf den Bereich des Verwaltungsrechts begrenzen.34 33 Ein nicht vollständiger Überblick über die bis zum 1. Januar 2009 abgeschlossenen Staatsverträge zwischen beiden Ländern findet sich im Internet auf der gemeinsamen Homepage der Länder Berlin und Brandenburg unter http://www.berlin-branden burg.de/politik-verwaltung/dokumente/staatsvertraege. 34 Maurer, Verwaltungsrecht AT, § 14, Rdnr. 7. Insoweit kann es irritieren, wenn von einem „öffentlich-rechtlichen Vertrag“ gesprochen wird (Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 234). Hierbei kann nicht der öffentlich-rechtliche Vertrag i. S. der §§ 54 ff. VwVfG gemeint sein, sondern ein Oberbegriff, der alle Verträge auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts meint. Aufgrund dieser Begriffsungenauigkeit soll auf die Verwendung des Begriffs öffentlich-rechtlicher Vertrag im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag in dieser Arbeit verzichtet werden.

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Staatsverträge werden aber zwischen Staaten geschlossen und sind daher nicht dem Verwaltungsrecht, sondern dem Verfassungsrecht zuzurechnen. Es ist zwar möglich, dass sich im Vollzug der staatsvertraglichen Vereinbarung verwaltungsrechtliche Streitigkeiten ergeben; geht es jedoch um konkrete Rechte oder Pflichten der vertragsschließenden Staaten aus dem Staatsvertrag, handelt es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit.35 aa) Zuständigkeit Die Zuständigkeit der Länderorgane zum Abschluss bzw. zur Ratifikation von Staatsverträgen muss, sofern die Länderverfassungen nicht ausdrücklich eine Regelung dafür treffen, den Verfassungsbestimmungen über die Vertretung des jeweiligen Landes entnommen werden.36 Sie kann zwischen den Bundesländern variieren. Die Vertretung des Landes Berlin ist in der Verfassung von Berlin (VvB) geregelt. Gemäß Art. 58 Abs. 1 Satz 1 VvB vertritt der Regierende Bürgermeister Berlin staatsrechtlich. Dazu gehört auch der Abschluss von Staatsverträgen,37 welcher gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 4 VvB der Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin bedarf.38 Das Land Brandenburg wird gemäß Art. 91 Abs. 1 S. 1 Bbg.Verf von seinem Ministerpräsidenten nach außen vertreten. Dieser kann die Vertretungsbefugnis auf ein anderes Mitglied der Landesregierung oder auf nachgeordnete Stellen übertragen (Art. 91 Abs. 1 S. 2 Bbg.Verf). Mit Erlass vom 15. August 200639 hat der Ministerpräsident von der Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Ministern die Vertretungsbefugnis für Verhandlungen zum Abschluss von Staatsverträgen mit anderen Ländern übertragen. Vor der Aufnahme von Verhandlungen und über den Gang der Verhandlungen ist der Ministerpräsident zu unterrichten. Die Vertretung des Landes beim Abschluss der Staatsverträge hat sich der Ministerpräsident aber ausdrücklich vorbehalten. Gemäß Art. 91 Abs. 2 Bbg.Verf bedarf der Staatsvertrag wie in Berlin der Zustimmung des Parlaments.

35 BVerfGE 22, 221, 229 f.; 42, 345, 355. Anders ist dies bei der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen den Gemeinden nach den §§ 23 ff. GKG des Landes Brandenburg. Da die Gemeinden keine Staaten in der Bundesrepublik sind, zählen Verträge zwischen ihnen zu den öffentlich-rechtlichen Verträgen i. S. des § 54 S. 1 VwVfG. Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt III.1. 36 Grassl, S. 61; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 61. 37 Musil/Kirchner, S. 75; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 58, Rdnr. 1; Zivier, Rdnr. 75.1.1. 38 Zivier, Rdnr. 75.1.1. 39 Erlass des Ministerpräsidenten über die Vertretung des Landes nach außen vom 15. August 2006, ABl. Bbg. 2006, S. 594.

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bb) Verfahren Für den Abschluss von Staatsverträgen sind bestimmte Verfahrensregeln zu beachten. Eine Zustimmung der Bundesregierung ist aber nicht erforderlich, weil Art. 32 Abs. 3 GG nur für völkerrechtliche Staatsverträge der Bundesländer gilt. Die Zusammenarbeit der Bundesländer untereinander fällt hingegen nicht unter die auswärtigen Beziehungen.40 Mangels besonderer Vorschriften im deutschen Staatsrecht werden für das Verfahren beim Abschluss von Verträgen zwischen den Ländern die für völkerrechtliche Verträge entwickelten Formen angewandt. Man unterscheidet dabei grundsätzlich zwei Verfahrensweisen: das zusammengesetzte und das einfache Verfahren.41 Beim zusammengesetzten Verfahren unterzeichnen die Staatsoberhäupter die Ratifikationsurkunden, nachdem Bevollmächtigte der beteiligten Staaten den Vertragstext in vorangegangenen Verhandlungen vorläufig vereinbart haben. Die Bevollmächtigten sind also in der Regel nicht befugt, in Vertretung des Staatsoberhauptes den Vertrag im Namen des Landes abzuschließen. Dadurch fallen die Feststellung des Vertragsinhalts und das Eingehen der vertraglichen Bindung zeitlich auseinander und werden von verschiedenen Organen durchgeführt.42 Im Gegensatz dazu bedarf es beim einfachen Verfahren keiner Ratifikation, weil entweder die vertretungsberechtigten Organe den Vertrag selbst ausgehandelt haben und verbindlich abschließen oder die von ihnen für die Vertragsverhandlungen Bevollmächtigten zugleich auch die Vollmacht haben, den Vertrag verbindlich abzuschließen. Dabei werden beiderseits bzw. gemeinschaftlich Urkunden in Form von Protokollen angefertigt, die dann nur einmal ausgetauscht bzw. unterzeichnet werden müssen. Im einfachen Verfahren erfolgt der Abschluss des Vertrages unmittelbar durch die gleichen Organe, die den Vertragsinhalt festgelegt haben.43 Das zusammengesetzte Verfahren ist das in der Praxis häufiger verwendete und auch zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg praktizierte Verfahren. Es gliedert sich in vier Punkte: die Festlegung des Vertragsinhalts mit Ratifikationsvorbehalt, die parlamentarische Zustimmung, die Ratifikation und den Austausch der Bestätigungsurkunden. (1) Festlegung des Vertragsinhalts mit Ratifikationsvorbehalt Zunächst wird durch die Unterhändler der Vertragsinhalt festgelegt und unter dem Vorbehalt der späteren Ratifikation unterzeichnet. Die Unterhändler sind in der Regel vom zuständigen Ressort der beiden Länder. Die von ihnen ausgehandelte Entwurfsfassung des Vertrages wird den anderen Ressorts des jeweiligen 40 41 42 43

Wormit, S. 55. Grassl, S. 69 f. Grassl, S. 70. Grassl, S. 71.

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Landes zur Abstimmung und Mitzeichnung vorgelegt und anschließend von der Landesregierung als Kollegialorgan beschlossen.44 In Berlin ist der Vertragstext zudem nach Art. 50 Abs. 1 Satz 3 VvB vor der Unterzeichnung dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnisnahme vorzulegen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Parlament wenigstens grundsätzlich auch auf den Vertragsinhalt Einfluss nehmen kann.45 Im Land Brandenburg ist eine entsprechende Beteiligungsregelung lediglich für eine Vereinbarung zur Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg in Art. 116 Bbg.Verf festgeschrieben. Hier ist der Landtag an der Gestaltung des Staatsvertrages „frühzeitig“ und „umfassend“ zu beteiligen. Diese Beteiligung umfasst zum einen die Unterrichtung des Parlaments durch die Landesregierung über den jeweiligen Verfahrensstand, aber auch die Möglichkeit für den Landtag, auf die Verhandlungen Einfluss zu nehmen.46 Dabei bedeutet Beteiligung nicht, dass alle Vorschläge des Landtages von den die Vertragsverhandlungen führenden Exekutivorganen durchgesetzt werden müssen. Diese müssen beurteilen und entscheiden, welche Positionen gegenüber dem Verhandlungspartner durchsetzbar sind und auf welche verzichtet werden muss. Dieser Freiraum steht der Exekutive verfassungsrechtlich zu.47 Aufgrund des eindeutigen Wortlautes kann die Regelung des Art. 116 Bbg.Verf nicht über eine Vereinbarung zur Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg hinaus auf das Abschlussverfahren allgemein ausgeweitet werden. Daher sind für alle anderen Staatsverträge bestimmte Beteiligungspflichten, die über die erforderliche Zustimmung des Parlaments hinausgehen, im Land Brandenburg nicht verfassungsrechtlich festgeschrieben. Nachdem die Landesregierung den Staatsvertrag beschlossen hat, wird er vom Regierungschef oder dem zuständigen Ressortminister, auf den die Vertretungsbefugnis delegiert worden ist, unterzeichnet. Die Unterzeichnung führt aber noch nicht die Wirksamkeit des Vertrages herbei. Sie bedeutet vielmehr nur, dass eine Einigung über den Vertragstext erzielt worden ist und der Vertrag nunmehr den zuständigen Stellen der kooperierenden Länder zugeleitet wird.48 (2) Parlamentarische Zustimmung Der Vertrag gilt erst nach dem Vorliegen der parlamentarischen Zustimmung als abgeschlossen. Daher werden nach der Unterzeichnung des Vertrages die 44

Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 61; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 246 f. Zivier, Rdnr. 75.1.2. Siehe zu der unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips problematischen Rolle der Landesparlamente im Vertragsabschlussverfahren näher in Kapitel D. unter Punkt II.2.a). 46 Berlit, in: Simon u. a., § 1, Rdnr. 35. 47 LVerfG Bbg, LVerfGE 4, 114, 135 f. 48 Giese, S. 130; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 61; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 246 f. 45

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Landesparlamente um Zustimmung gebeten. Für Berlin ist dies in Art. 50 Abs. 1 Sätze 3 und 4 VvB geregelt, wonach der Abschluss von Staatsverträgen der Zustimmung des Abgeordnetenhauses bedarf.49 Eine entsprechende Regelung findet sich für Brandenburg in Art. 91 Abs. 2 Bbg.Verf, wonach Staatsverträge, insbesondere Verträge, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen oder Aufwendungen erfordern, für die Haushaltsmittel nicht vorgesehen sind, der Zustimmung des Landtages bedürfen. Neben dieser Abschlussvoraussetzung hat die parlamentarische Zustimmung noch eine zweite Bedeutung. Sollen die im Staatsvertrag vereinbarten Regelungen gegenüber dem Bürger gelten, ist eine Umsetzung des Vertragsinhalts in das Landesrecht erforderlich. Diese Transformation erfolgt durch die in Gestalt eines förmlichen Parlamentsgesetzes erteilte Zustimmung.50 Soweit die Landesverfassungen für den Zustimmungsakt keine bestimmte Form festlegen, genügt ein einfacher Beschluss des Landesparlaments.51 Während das Land Brandenburg in seiner Verfassung keine Form vorschreibt,52 ist in Berlin gemäß Art. 50 VvB die Zustimmung in Gestalt eines förmlichen Parlamentsgesetzes zu erklären.53 Soweit durch die staatsvertragliche Regelung jedoch in Rechte der Bürger eingegriffen werden soll, folgt aus dem Gesetzesvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG, der über Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Länder gilt, auch für das Land Brandenburg die Notwendigkeit einer Transformation mittels förmlichen Parlamentsgesetzes.54 Aus diesem Grund hat auch der Landtag des Landes Brandenburg bisher allen Staatsverträgen in Form eines Gesetzes zugestimmt, so dass sich die Frage der Zustimmung durch einfachen Parlamentsbeschluss in der Praxis noch nicht gestellt hat. Erfolgt die Zustimmung durch förmliches Parlamentsgesetz, durchläuft der Vertrag zusammen mit dem Entwurf des Vertragsgesetzes (Zustimmungsgesetzes) das normale Gesetzgebungsverfahren. Dabei kann das Parlament über den Staatsvertrag nur im Ganzen abstimmen (§ 33 Abs. 5 GO AvB, § 45 Abs. 4 S. 1 GO LTBbg). Es ist nicht möglich, Teilen eines Staatsvertrages zuzustimmen, ihn im Übrigen aber abzulehnen. Ebenso sind Änderungsanträge zum Staatsvertrag ausgeschlossen, weil der Vertragstext zwischen beiden Ländern ausgehandelt worden ist und einseitig nicht mehr verändert werden kann. Das Parlament kann die Regierung vor einer Ablehnung jedoch auffordern nachzu-

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Zivier, Rdnr. 75.1.1. Schmidt, NVwZ 1986, 276. 51 Die Zustimmung kann formlos erfolgen, weil sie kein Akt der Gesetzgebung ist, sondern Mitwirkung bei einem Regierungsakt. Giese, S. 114 f.; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 248. 52 Jahn, in: Simon u. a., § 14 Rdnr. 41; Lieber, in: Simon u. a., § 13 Rdnr. 19. 53 Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 58, Rdnr. 5 und Art. 96, Fn. 5. 54 Schmidt, NVwZ 1986, 276 f. 50

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verhandeln.55 Das Vertragsgesetz ist zusammen mit dem Vertrag nach den allgemeinen Verkündungsvorschriften im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen und tritt nach den Regelungen in Art. 81 Bbg.Verf für das Land Brandenburg und Art. 60 Abs. 3 VvB für das Land Berlin in Kraft.56 Mit dem Vertragsgesetz wird das vertretungsberechtigte Organ des Landes ermächtigt, den beabsichtigten Vertrag zu ratifizieren. Gleichzeitig wird der Inhalt des Vertrages zur innerstaatlich verbindlichen Norm erhoben, wenn der Vertrag nach Inhalt, Zweck und Fassung dies zulässt und nicht noch einer Konkretisierung in einem Durchführungsgesetz bedarf. Andernfalls erklärt der parlamentarische Gesetzgeber mit dem Vertragsgesetz seine Bereitschaft, die notwendigen Ausführungsgesetze zu erlassen.57 (3) Ratifikation Während das Zustimmungsgesetz nach den einschlägigen Regelungen in der jeweiligen Landesverfassung in Kraft tritt, erlangt der Staatsvertrag erst durch die Ratifikation Verbindlichkeit zwischen den Vertragspartnern, das heißt durch förmliche Erklärung des Staatsoberhauptes gegenüber den anderen Vertragspartnern, dass der Vertrag innerstaatlich in Kraft gesetzt wurde.58 Die Ratifikation ist notwendig, weil das Erfordernis parlamentarischer Zustimmung den Vertragsschluss in der Schwebe hält.59 Sie ist in Berlin Sache des Regierenden Bürgermeisters, der Berlin nach außen vertritt.60 In Brandenburg ratifiziert der Ministerpräsident die Staatsverträge. Dabei gibt es keine Verpflichtung zur Ratifikation, denn die Zustimmung des Parlaments enthält nur eine Ermächtigung. Sie belässt der Regierung die Kompetenz zu entscheiden, ob der Staatsvertrag tatsächlich abgeschlossen, also unterzeichnet wird.61 Kommt der Vertrag aus irgendeinem Grund nicht zustande, so 55 Zu den Rechten des Parlaments im Vertragsabschlussverfahren unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips siehe in Kapitel D. unter Punkt II.2.a) und in Kapitel E. unter Punkt I.1.c)aa). 56 BVerfGE 90, 286, 358; Giese, S. 118; Grassl, S. 75 ff.; Lemmer, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 50, Rdnr. 4; Lieber, in: Simon u. a., § 13 Rdnr. 19; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 61; Schneider, DÖV 1957, 644, 647. 57 Das Zustimmungsgesetz hat damit eine exekutive und eine legislative Funktion. Fastenrath, DÖV 2008, 697, 698; Giese, S. 118; Grassl, S. 75 ff.; Haas, AöR 78 (1952– 52), 381, 384 f.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 59, Rdnr. 46; Rudolf, Völkerrecht, S. 200; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 248; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 24. 58 Lieber, in: Simon u. a., § 13 Rdnr. 21. 59 Schneider, DÖV 1957, 644, 647. 60 Lemmer, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 50, Rdnr. 4. 61 Für die Bundesrepublik auf völkerrechtlicher Ebene BVerfGE 68, 1, 85 f.; 90, 286, 358; hierzu kritisch Fastenrath/Groh, BerlKomm GG III, Art. 59, Rdnr. 54, die zu einer Ratifizierungspflicht der Exekutive tendieren.

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sind damit das Zustimmungsgesetz und der darin enthaltene innerstaatliche Anwendungsbefehl gegenstandslos.62 Ein Beispiel hierfür ist der nicht in Kraft getretene Staatsvertrag über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg. Er war zwar ausgehandelt, und beide Landesparlamente haben ihm zugestimmt. Er scheiterte jedoch in der Volksabstimmung. Damit entfalten die Zustimmungsgesetze der Landesparlamente keine Rechtswirkungen.63 (4) Austausch der Bestätigungsurkunden Nach der Ratifikation werden die Bestätigungsurkunden zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg ausgetauscht. Der allgemein übliche Austausch der Urkunden kann auch durch eine bloße Verständigung über die erfolgte Ratifikation ersetzt werden. Die Verträge werden also nicht durch die Ratifikation als solche, sondern erst durch ihre Notifikation an den Vertragspartner perfekt.64 Der Austausch der Ratifikationsurkunden muss nicht durch das jeweilige Staatsoberhaupt erfolgen. So wurden beispielsweise die Ratifikationsurkunden für den Landwirtschaftsstaatsvertrag zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg65 anlässlich eines Besuchs des Milchviehbetriebs Georg Mendler-Erben in Berlin-Rudow am 27. September 2004 durch den Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf und Brandenburgs Agrar- und Umweltminister Wolfgang Birthler ausgetauscht.66 cc) Form Die Staatsverträge zwischen Berlin und Brandenburg sind ebenso wie völkerrechtliche Verträge an keine Form gebunden. Weder das Grundgesetz noch die Länderverfassungen schreiben eine bestimmte Form vor. Die Verträge können sowohl mündlich als auch schriftlich abgeschlossen werden. Die Schriftform dürfte allerdings die Regel sein.67

62 Giese, S. 119; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 59, Rdnr. 46; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 248. 63 Siehe zur gescheiterten Fusion in Kapitel A. unter Punkt I.4.c). 64 Giese, S. 130; Grassl, S. 71. 65 Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet der Landwirtschaft vom 17. Dezember 2003, BbgGVBl. I/04, S. 165. 66 Presse-Information der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen Berlin und des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Raumordnung Brandenburg vom 27. September 2004, online im Internet unter http://www.berlin.de/imperia/md/con tent/senatsverwaltungen/senwaf/presse/archiv/2004/09/27_1.pdf. 67 Giese, S. 129; Grassl, S. 69.

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d) Beendigung von Staatsverträgen Wie alle Verträge können auch Staatsverträge durch Erfüllung oder Zweckerledigung, durch Kündigung, Befristung oder auflösende Bedingung, durch vertragliche Aufhebung oder durch die Veränderung der Umstände beendet werden.68 Alle Staatsverträge zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg sehen eine Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich vor. Solange von dieser Kündigungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht wird, ist der Staatsvertrag aber für beide Länder verbindlich. Die rechtliche Verbindlichkeit dieser Kooperationsform wird bei der Frage deutlich, ob sich eines der beiden Länder von der staatsvertraglichen Regelung auch durch den Erlass eines den im Staatsvertrag getroffenen Vereinbarungen widersprechenden Gesetzes lösen kann. Dies war in der Literatur zunächst umstritten, weil die Stellung des Staatsvertrages in der Rechtsquellenhierarchie der kooperierenden Bundesländer unklar war. Eine Zuordnung zum Völkerrecht scheitert an der Tatsache, dass die Länder untereinander nicht aufgrund der ihnen durch Art. 32 Abs. 3 GG eröffneten beschränkten Völkerrechtsfähigkeit, sondern als Gliedstaaten des Bundesstaates handeln.69 Auch ist das durch einen Staatsvertrag geschaffene Recht kein Bundesrecht, weil aus Länderkompetenzen nicht durch einen Staatsvertrag Bundeskompetenzen werden können. Andernfalls wäre auch das innerbundesstaatliche Kooperationsrecht der Verfügungsgewalt der Partner dieser Zusammenarbeit entzogen, so dass Änderungen von Detailvorschriften, etwa der Vorschrift über die Hinterlegung von Ratifikationsurkunden, nicht durch Konsens der Partner erfolgen könnten.70 Die Literatur ist sich daher einig, dass der Staatsvertrag den Rang des Zustimmungsrechts besitzt, das heißt eines einfachen Landesgesetzes. Nimmt der Staatsvertrag den Rang eines einfachen Landesgesetzes ein, kann das durch ihn gesetzte Recht entsprechend der auf dem Demokratieprinzip basierenden Lex-posterior-Regel durch nachfolgendes Recht aufgehoben werden.71 Als das ältere Gesetz muss das Vertragsgesetz weichen. Dies stellt zwar gegenüber dem Vertragspartner einen Vertragsbruch dar. Dieser führt aber nicht zur Nichtigkeit des neu erlassenen vertragswidrigen Landesgesetzes. Dem Vertragsrecht wird kein Vorrang vor den Landesgesetzen eingeräumt. Der Landesgesetzgeber behält seine Verfügungsbefugnis daher auch über die durch Staatsvertrag geregelten Materien.72 68

Grawert, S. 122 ff. BVerfGE 34, 216, 231; Rudolf, Völkerrecht, S. 115. 70 Kisker, S. 79. 71 Lex posterior derogat legi priori, BVerfGE 122, 210, 224. Siehe hierzu auch Renck, JZ 1970, 770 f. 72 Giese, S. 134 ff.; Grassl, S. 82; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 62; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 14 f.; Schneider, DÖV 1957, 644, 648. 69

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Die Einordnung des Staatsvertrages als Landesrecht ist zum Teil auf Widerspruch gestoßen, weil es sich nicht um das Recht eines einzigen Landes, sondern um gemeinsames Recht mehrerer Länder handele. Daher könne das Staatsvertragsrecht nicht mit einem normalen Landesgesetz gleichgesetzt werden, sondern bilde eine „dritte Ebene“ neben Bundesrecht und Landesrecht, das „Interföderationsrecht“ bzw. „Intraföderationsrecht“. 73 Die Abänderbarkeit der staatsvertraglichen Regelungen durch einfaches Landesgesetz wird aber auch von den Vertretern dieser Auffassung bejaht. Teilweise wird aus dem Prinzip der Bundestreue bzw. aus dem Rechtsstaatsprinzip auf einen Vorrang der Staatsverträge vor dem Landesrecht, einschließlich des Landesverfassungsrechts, geschlossen. Der bundesrechtliche Grundsatz „pacta sunt servanda“ mache Staatsverträge zwar nicht selbst zu Bundesrecht, verdränge aber entgegenstehende landesrechtliche Rangregeln, die sonst, anknüpfend an die formale Qualität des Zustimmungsgesetzes, den Rang bestimmen würden.74 Dem ist entgegenzuhalten, dass zwar kraft ungeschriebenen Bundesrechts das Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme existiert, diese bundesstaatlichen Rechtsprinzipien aber durch ein vertragswidriges Verhalten eines Landes gegenüber dem Partnerland nicht ohne Weiteres verletzt werden. Bindet sich ein Land durch Staatsvertrag im Verhältnis zu anderen Bundesländern, so übernimmt es damit in der Regel erhöhte, besondere Pflichten, die über das allgemeine Gebot zu länderfreundlicher Rücksichtnahme hinausgehen. Widerspricht ein späteres Landesgesetz dem Staatsvertrag, liegt darin nicht per se ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot, sondern eben nur ein Verstoß gegen die zusätzliche, erhöhte, freiwillig übernommene Zusage des Landes.75 Durch das später erlassene vertragswidrige Änderungsgesetz wird aber die vertragliche Bindung zu dem Partner nicht berührt. Sie besteht vielmehr fort. Beseitigt ein Land die innere Wirksamkeit des Vertrages durch entgegenstehende Gesetze oder Verwaltungsakte, so kann der andere Vertragsteil Erfüllung des Vertrages verlangen und gegebenenfalls die Erfüllung vor dem zuständigen Gericht einklagen.76 73 Rudolf, Völkerrecht, S. 115; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 86 ff. Kisker spricht von einem zwischen dem Bundesrecht und dem Landesrecht liegenden „innerstaatlichen Kooperationsrecht“ (Kisker, S. 46 f.). A. A. Schladebach, der aus der herausgehobenen Qualität, die sich aus der intraföderalen Abstimmung ergibt, ein Verbot zur einseitigen Änderung durch Gesetzgebungsakte herleitet und einseitig erlassene Änderungsgesetze für rechtswidrig und nichtig hält. Seiner Meinung nach habe das staatsvertragliche Recht Vorrang vor einfachem Landesrecht (Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 252). 74 Bothe, Generalbericht, S. 211; Vedder, S. 388 ff. 75 Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 14 f.; Schneider, DÖV 1957, 644, 648. Das gleiche Problem stellt sich beispielsweise auch im internationalen Steuerrecht bei Doppelbesteuerungsabkommen. Siehe hierzu statt aller Musil, Treaty Overriding m.w. N. 76 Giese, S. 136; Grassl, S. 82.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

e) Rechtsschutz bei Streitigkeiten aus dem Staatsvertrag Hierzu stellt sich die Frage, welches Gericht Streitigkeiten zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg, die sich auf bestimmte Regelungen in einem Staatsvertrag beider Länder beziehen, zu entscheiden hat. Grundsätzlich könnten das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht zuständig sein. Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, soweit kein anderer Rechtsweg eröffnet ist. Der Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht ist gemäß §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, soweit es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern oder zwischen verschiedenen Ländern handelt. In diesen Fällen ist das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig.77 Das Gleiche regelt § 39 Abs. 2 Nr. 1 SGG für die Sozialgerichtsbarkeit mit der Zuständigkeit des BSG. Die Finanzgerichtsbarkeit ist gemäß § 33 Abs. 1 FGO lediglich in Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten und die Arbeitsgerichtsbarkeit gemäß § 2 Abs. 1 ArbGG für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zuständig, die sich zwischen den Bundesländern aus dem Staatsvertrag nicht ergeben können. Das Bundesverfassungsgericht ist demgegenüber in verfassungsrechtlichen Streitigkeiten zuständig. Streitigkeiten sind dann verfassungsrechtlich, wenn sie die Pflicht der Länder zu gegenseitiger Rücksichtnahme zum Gegenstand haben oder das verfassungsmäßige Zustandekommen des Staatsvertrags betreffen. Beschränkt sich eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Ländern auf die Frage, wie bestimmte Regelungen des Staatsvertrages auszulegen sind, richtet sich der Rechtsweg nach dem Inhalt des umstrittenen Staatsvertrages.78 Hierbei ist zu beachten, dass die Länder im Bundesstaat zwar stets in einem verfassungsrechtlichen Verhältnis zueinander stehen, aber nicht alle Ansprüche zwischen ihnen in diesem verfassungsrechtlichen Grundverhältnis verankert sind.79 Hält das Bundesverwaltungsgericht einen ihm unterbreiteten Streit zwischen verschiedenen Ländern für verfassungsrechtlich, hat es ihn gemäß § 9 Abs. 3 BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, das über diese Frage mit bindender Wirkung entscheidet.80 § 137 Abs. 1 VwGO, der bestimmt, dass die Revision nur darauf gestützt werden kann, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht, findet bei Kooperationsstreitigkeiten keine Anwendung, denn Art. 93 Abs. 1

77

BVerwGE 50, 124, 129 ff.; 60, 162, 173; 107, 275, 278. BVerfGE 42, 103, 113; BVerwGE 50, 124, 130 f.; Grassl, S. 119 f.; Lenhard, S. 158; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 255; Schneider, DÖV 1957, 644, 649; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 27. 79 BVerfGE 42, 103, 113. 80 Schneider, DÖV 1957, 644, 650. 78

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Nr. 4 GG und § 50 Abs. 1 S. 1 VwGO weisen Zwischenländerstreitigkeiten dem Bundesverfassungsgericht bzw. dem Bundesverwaltungsgericht zu, ohne das Problem der Quelle der umstrittenen Rechtsnormen aufzuwerfen.81 Es muss daher nicht geklärt werden, ob eine Verletzung von Bundesrecht vorliegt. 2. Parallelgesetzgebung Neben dem Abschluss von Staatsverträgen haben die Länder Berlin und Brandenburg gleichlautende Landesgesetze auf der Grundlage gemeinsam ausgehandelter Musterentwürfe erlassen. Die Musterentwürfe werden meist in Fachministerkonferenzen erarbeitet und beschlossen. Dabei bietet sich die Parallelgesetzgebung vor allem bei der Zusammenarbeit mit möglichst vielen Ländern an. Daher lassen sich auch nur multi- oder omnilaterale Beispiele finden. Zu nennen sind hier: • Am 1. Januar 2008 sind in Berlin und Brandenburg überwiegend inhaltsgleiche Landesjugendstrafvollzugsgesetze in Kraft getreten. Sie basieren auf dem abgestimmten Gesetzesentwurf einer bundesweiten länderübergreifenden Arbeitsgruppe. • Darüber hinaus haben Berlin und Brandenburg im Jahr 2008 zusammen mit zehn weiteren Bundesländern einen formal, inhaltlich und in der Begründung abgestimmten Gesetzesentwurf eines Untersuchungshaftvollzugsgesetzes erarbeitet82, das am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist83. Diese parallelen Rechtsvorschriften beider Länder schaffen eine relativ einheitliche Rechtslage, obwohl jedes Land ein eigenes Gesetz erlässt. Trotz dieser angestrebten Unitarisierung des Landesrechts schränken parallele Rechtsvorschriften die jeweiligen, kooperierenden Landesgesetzgeber nicht unzulässig in ihrem Handlungsspielraum ein. Es ist jedem Gesetzgeber grundsätzlich unbenommen, sich von anderen Gesetzgebern inspirieren zu lassen. Die Zusammenarbeit besteht vor allem im gemeinsamen Finden einer Entscheidung. Dennoch beeinflusst dies die zu treffende Entscheidung wesentlich. Würden die beiden Länder, statt zu kooperieren, allein entscheiden, hätten die jeweiligen Landesgesetze in der Regel einen anderen Inhalt, weil Kompromisse mit den Vorstellungen des anderen Landes nicht notwendig wären.84 Diese Beeinflussung ist aber rechtlich nicht verboten. Solange die für alle Gesetzesvorhaben geltenden verfassungsmäßigen Anforderungen eingehalten werden, ist diese Form der Zusammenarbeit rechtlich zulässig. 81 82 83 84

Kisker, S. 80. AvB Drs. 16/1940, S. 20. AvB Drs. 16/2787, S. 25. Hanebeck, S. 260 f.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

Im Unterschied zur Rechtsetzung durch Staatsverträge steht hinter diesen Mustergesetzentwürfen keine rechtliche, sondern allenfalls eine politische Verpflichtung zu ihrer tatsächlichen Umsetzung. Die Landesgesetzgeber bleiben im Rahmen ihrer Gesetzgebung rechtlich frei. Sie sind zum einen nicht gezwungen, die ausgehandelten Musterentwürfe in Landesrecht umzusetzen, zum anderen können sie auch nachträglich dem Musterentwurf nicht entsprechende, neue gesetzliche Regelungen treffen, ohne dadurch vertragswidrig zu handeln.85 3. Informale Zusammenarbeit Neben diesen institutionalisierten Formen der Zusammenarbeit durch Staatsverträge und Parallelgesetzgebung arbeiten die Bundesländer Berlin und Brandenburg auch informal, das heißt auf Vertrauensbasis ohne rechtliche Bindungswirkung, zusammen. Im Folgenden werden unter informalem Handeln alle rechtlich nicht geregelten Organisations- und Verfahrensformen innerbundesstaatlicher Kooperation zusammengefasst.86 Insgesamt steht bei der informalen Zusammenarbeit der Gedanken-, Informations- und Interessenaustausch im Vordergrund. Ziel ist es, eine Vertrauensbasis zu schaffen, auf deren Grundlage weitere formale Kooperationsformen aufbauen können.87 Durch regelmäßige persönliche Kontakte wachsen das wechselseitige Verständnis und das Vertrauen zwischen den Verwaltungsmitarbeitern beider Länder, was auch Rücksprachen zwischen ihnen fördert.88 Unter diesem Gesichtspunkt bildet die informale Zusammen85

Vedder, S. 54; so auch Wormit, S. 55. So auch Dreier, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1993, 647, 648; Schoch, HStR III , § 37, Rdnr. 22; Schulze-Fielitz, S. 12. In der Literatur wird auch von „informeller Kooperation“ gesprochen und hierunter inhaltlich dasselbe verstanden. Siehe hierzu beispielsweise Maurer, Verwaltungsrecht AT, § 15, Rdnr. 14 ff.; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 33 ff. Da das Wort „informell“ im Sprachgebrauch den Beigeschmack eines Handelns im rechtsfreien Raum enthält, wird in der vorliegenden Arbeit das Wort „informal“ als Gegensatz zu „formal“ bevorzugt. 87 Kleger, S. 125. Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 16 f., stellt fest, dass bereits innerhalb eines Entscheidungsträgers informales Handeln der Legislative durch die Parteiendemokratie der Bundesrepublik gefördert werde und die zum staatlichen Handeln führende Willensbildung materiell nicht im Parlament, sondern in den informalen Zirkeln und Netzwerken der Parteien und Fraktionen stattfinde. Der Begriff des „Netzwerks“ ist kein juristischer, sondern ein politikwissenschaftlicher Begriff, der sich in die vorliegende Unterteilung der verschiedenen Formen der Zusammenarbeit nicht eindeutig einordnen lässt. Netzwerke dienen zum Teil der Information und Kommunikation, werden aber auch auf die institutionelle Zusammenarbeit angewendet (Frenz, DÖV 2010, 66 f.). Sie bezeichnen generell eine durch näher zu bestimmende Beziehungen verbundene Menge von Akteuren in einem Politikfeld (Wegrich, S. 72). Für jedes Politikfeld könnte man die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg auch als Netzwerk darstellen, ohne dass dies einen rechtlichen Mehrwert böte. Es würde den politischen Einfluss der verschiedenen Akteure und die Dominanz der beiden Landesregierungen bildlich hervorheben, die in Kapitel B. unter Punkt III.3. beschrieben worden sind. 88 Bufalica, in: Bufalica/Röber, S. 127 f. 86 3

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arbeit das Fundament jeglicher Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Dennoch ist sie aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit als die mit geringster Intensität ausgestattete „Form“ der Zusammenarbeit anzusehen. Daher sind die rechtlichen Anforderungen an sie nicht zu hoch anzusetzen. Die Problematik einer umfassenden Übersicht der informalen Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg besteht in der unübersehbaren Vielfalt und ihrer – mit Ausnahme weniger öffentlichkeitswirksamer Fälle – mangelnden Publizität.89 Unter diesen Umständen wird vorliegend versucht, die wichtigsten Bereiche dieser Tätigkeit herauszuarbeiten und in Handlungsformen einzuteilen. Hier sind im Bereich der Legislative die gemeinsamen parlamentarischen Ausschusssitzungen, die Konferenzen und Arbeitsgemeinschaften, die Besprechungen sowie die Absprachen zu nennen. a) Gemeinsame parlamentarische Ausschusssitzungen Ausschüsse sind spezielle Arbeitsgruppen der Parlamentarier zu einem bestimmten Thema. Grundsätzlich haben das Berliner Abgeordnetenhaus und der Brandenburger Landtag eigene, getrennt voneinander tagende Ausschüsse, in denen auch die Fragen der Region Berlin-Brandenburg besprochen werden. Es gab in der Vergangenheit aber immer wieder gemeinsame Treffen. So tagten beispielsweise im Rahmen der seit 1993 stattfindenden Vorbereitungen einer Fusion beider Länder die zuständigen Ausschüsse des Brandenburger Landtags und des Berliner Abgeordnetenhauses des Öfteren zusammen.90 Auch nach dem Scheitern des Fusionsversuchs im Jahr 1996 waren die Mitglieder des Brandenburger Ausschusses Berlin-Brandenburg einvernehmlich der Auffassung, dass die Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene mit dem Berliner Parallelausschuss fortgeführt werden sollte, und es gab weitere gemeinsame Sitzungen beider Ausschüsse Berlin-Brandenburg.91 Der inzwischen für Berlin-Brandenburg zuständige Brandenburger Hauptausschuss und der in Berlin zuständige Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten führen weiterhin zweimal jährlich gemeinsame Sitzungen durch.92 Darüber hinaus treffen sich der Brandenburger Landtagsausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur und der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung des Berliner Abgeordnetenhauses regelmäßig zu gemeinsamen Sitzungen, in de89 Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 23 stellt fest, dass informales staatliches Handeln tägliche Übung der Staatspraxis ist und es das formalisierte staatliche Handeln quantitativ bei weitem überwiegt. Zum Verhältnis formaler und informaler Institutionen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten siehe auch Schuppert, informale Staatlichkeit. 90 Hartmann u. a., S. 55. 91 Tripke, S. 145 f. 92 Tripke, S. 147.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

nen unter anderem die gemeinsamen Berichte der Wissenschaftsressorts zur „Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg im Hochschulbereich“ beraten werden.93 Am 15. November 2010 fand die erste gemeinsame Sitzung der Parlamentsausschüsse für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz statt. Dabei wurde vereinbart, dass beide Länder ihre Klimaschutzstrategien zukünftig miteinander abstimmen.94 b) Konferenzen und Arbeitsgemeinschaften Als weitere informale Kooperationsform stehen den Ländern Konferenzen und Arbeitsgemeinschaften zur Verfügung. Sie sind keine eigenen Rechtssubjekte. Sie sind rechtlich nicht existent, obwohl ihr politischer Einfluss – insbesondere im Bereich der Exekutive95 – groß ist. Träger von Rechten und Pflichten sind aber allein die an den Konferenzen und Arbeitsgemeinschaften beteiligten Länder.96 Bei diesen Formen sind die Legislativen der Länder Berlin und Brandenburg zunächst in die für die vorliegende Untersuchung nicht näher zu beleuchtende bundesweite Zusammenarbeit eingebunden. Die Landtagspräsidenten aller Bundesländer kommen auf Konferenzen zum Erfahrungsaustausch zusammen und besprechen aktuelle Probleme der landesparlamentarischen Arbeit. Sie treten hierbei nicht in ihrer Eigenschaft als Leiter der Landtagsverwaltung auf, sondern kooperieren als Präsidenten des Legislativorgans. Ziel der Besprechungen ist es, durch unverbindliche Beschlüsse und Empfehlungen zu einem möglichst gleichförmigen Verhalten im parlamentarischen Raum und im Verhältnis zur Regierung zu gelangen.97 Weitere Beispiele informaler bundesweiter Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Legislative sind die ständige Zusammenarbeit der Mitglieder der Landtage und des Bundestages in der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, die parlamentarischen Kooperationsbemühungen bei den Ressortminister93 Siehe beispielsweise für die gemeinsame Sitzung vom 14. Juni 2006 das Ausschussprotokoll 4/327-1 des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landtags Brandenburg, herausgegeben am 22. Juni 2006, und für die Sitzung vom 16. April 2008 das Ausschussprotokoll 16/21 des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung des Abgeordnetenhauses von Berlin. 94 Siehe hierzu die Pressemeldung online im Internet unter http://www.berlinonline. de/aktuelles/berlin/detail_dapd_2898270780.php. 95 Näher hierzu in diesem Kapitel unter Punkt II.4.a). 96 Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 52. 97 Bothe, Generalbericht, S. 185; Hofmann, Bundesstaat, S. 24 f.; Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 23 f.; Pietzcker, Landesbericht, S. 34 f.; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 48; Schulze-Fielitz, S. 60 f.; Vedder, S. 54. Auf der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente am 6. Mai 1976 wurden beispielsweise „Empfehlungen zur parlamentarischen Behandlung von Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen“ erarbeitet (abgedruckt bei Lenz, DÖV 1977, 157, Fn. 1).

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konferenzen98, die gemeinsamen Konferenzen der Fraktionsvorsitzenden einer Partei und die Konferenzen von Fraktionsexperten zu Spezialfragen.99 Des Weiteren gibt es Sachverständigengremien, die der Politikberatung dienen, wie den Wissenschaftsrat.100 Für eine bilaterale informale Zusammenarbeit zwischen den Legislativen der Länder Berlin und Brandenburg in Konferenzen und Arbeitsgemeinschaften findet sich demgegenüber kein Beispiel. Hinsichtlich dieser Kooperationsform bleibt es allein bei den genannten omnilateralen Beispielen. Bilateral beschränkt sich die informale legislative Zusammenarbeit beider Länder auf die bereits dargestellten gemeinsamen parlamentarischen Ausschüsse und die im Anschluss darzustellenden formlosen Besprechungen und Absprachen. Insbesondere findet eine Koordination der Länderparlamente Berlin und Brandenburg nach dem Vorbild des Norddeutschen Parlamentsrats101 nicht statt. c) Besprechungen Die einfachste Form der Zusammenarbeit ist die Besprechung, deren Inhalt eine bloße Information sein kann. Hier können vor allem Fragen gelöst werden, die keiner gesetzlichen Regelung bedürfen. Die Besprechung ist nicht nur im administrativen Bereich, sondern auch in der parlamentarischen Arbeit besonders innerhalb derselben Partei bzw. der gleichen politischen Richtung zwischen den Landesregierungen und Fraktionsvorsitzenden der Landtage ein praktisch genutztes Kooperationsmittel.102 d) Absprachen Werden in Besprechungen, Arbeitsgemeinschaften oder auf Konferenzen Absprachen getroffen, sind diese ohne rechtliche Bindung als bloße „gentlemen’s agreements“ zu verstehen. Auch eine Protokollierung der Besprechung ändert nichts an ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit. Rechtliche Bindungen treten nur 98 Bothe, Generalbericht, S. 184. Näher zur Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 24. Auf die Ressortministerkonferenzen wird bei den Formen der Zusammenarbeit der Exekutive in diesem Kapitel unter Punkt II.4.a) näher eingegangen. 99 Schulze-Fielitz, S. 60. 100 Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 45. 101 Der Norddeutsche Parlamentsrat konstituierte sich 1970 als ein Verbund der vier norddeutschen Landtage von Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit dem Ziel der Verbesserung der parlamentarischen Zusammenarbeit. Er konnte keine verbindlichen Beschlüsse fassen, sondern hatte nur das Recht, Empfehlungen mit ZweiDrittel-Mehrheit zu beschließen. Die Willensbildung gestaltete sich aber derart kompliziert, dass der Norddeutsche Parlamentsrat 1976 wieder aufgelöst wurde. Ausführlich hierzu Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 24 f. 102 Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 33 f., 48.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

dann ein, wenn Zusagen in Schriftform erfolgen, die als rechtsverbindlich erkennbar sind.103 Aber auch ohne rechtliche Verbindlichkeit bringen Absprachen eine moralische Bindung mit sich, weil ein politisches Versprechen in der Erwartung gegeben wird, auch der andere werde sich daran halten. Die Partner glauben, auf einen rechtlich bindenden Vertrag verzichten zu können, weil ihnen die Person des anderen die Einhaltung der getroffenen Abrede zu garantieren scheint.104 Aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit gibt es grundsätzlich für diese Absprachen keine formalen Anforderungen. Die mit solchen Vereinbarungen bezweckte politische Bindung kann aber nur erreicht werden, wenn sie von den für die Außenvertretung des Landes berufenen Organen abgeschlossen worden sind.105 Für die Unterscheidung zwischen rechtlich bindenden Verträgen und informalen Absprachen ist auf den Willen der Beteiligten abzustellen.106 Ein Beispiel für lediglich informale Koordinationsabsprachen sind die innerstaatlich nicht anwendungsfähigen Beschlüsse von Konferenzen, beispielsweise der Konferenz der Landtagspräsidenten.107 e) Zwischenergebnis Insgesamt bleibt für den Bereich der Legislative festzuhalten, dass beide Länder hier nur in wenigen Anlass bezogenen Fällen informal zusammenarbeiten. In diesem geringen Umfang bedarf es keiner näheren rechtlichen Betrachtung, weil die geübte informale legislative Zusammenarbeit sich offensichtlich im verfassungsrechtlich unproblematischen Rahmen bewegt und insbesondere auch im Hinblick auf das Demokratieprinzip vom zulässigen Handlungsinstrumentarium des Gesetzgebers umfasst ist.

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit der Bundesländer Berlin und Brandenburg liegt im Bereich der Exekutive.108 Dies erklärt sich – wie bereits angesprochen – damit, dass die Länder neben ihren Landesgesetzen auch die Bundesgesetze gemäß Art. 30, 83 GG ausführen und damit im Bereich des Gesetzesvollzugs ihr Schwergewicht liegt. Bei der Ausübung dieser Verwaltungskompetenzen besteht ein großes Kooperationsbedürfnis, welches zu einer Zusammenarbeit bei-

103 104 105 106 107 108

Pietzcker, Landesbericht, S. 71; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 36. Giese, S. 66 f. Grassl, S. 65. Giese, S. 68 f. Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 64. Bothe, Generalbericht, S. 180.

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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der Länder in allen Sachbereichen, auf allen Ebenen und in den verschiedensten Formen geführt hat. 1. Verwaltungsabkommen In Parallele zu den Staatsverträgen sind die Verwaltungsabkommen die intensivste Kooperationsform der Exekutive. Verwaltungsabkommen sind von der Exekutive ausgehandelte Vereinbarungen zwischen den beiden Bundesländern, die nach übereinstimmendem Willen der Vertragspartner innerstaatlich ohne Einschaltung des Landesparlamentes aus eigener Machtvollkommenheit der Exekutive Gültigkeit erlangen sollen. Durch Verwaltungsabkommen kann sich die Exekutive rechtlich bindend zu Maßnahmen verpflichten, die keiner Zustimmung des Parlaments bedürfen, sondern von den Organen der Exekutive aus eigener Kompetenz im administrativen Bereich oder aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung vorgenommen werden können.109 Der Abschluss von Verwaltungsabkommen beruht auf der Organisations- und Verwaltungshoheit der beiden Länder. Soweit die Länderexekutiven Verwaltungsvorschriften erlassen können, dürfen sie auch in ihrem Bereich Abkommen über den Inhalt dieser Verwaltungsvorschriften mit einem anderen Verwaltungsträger treffen.110 Dennoch binden die Verwaltungsabkommen nicht nur die beteiligten Behörden, sondern die beiden Länder.111 Zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg besteht eine Vielzahl von Verwaltungsabkommen. Zu nennen sind hier beispielhaft • das Abkommen über das Kreiskrankenhaus Staaken in Berlin, West-Staaken vom 23. Januar 1991 in der Fassung vom 7. Februar 1992; • die Vereinbarung über die Beteiligung Berlins an dem Forstlichen Forschungsinstitut Eberswalde (FFE) e. V. vom 15./29. Januar 1993; • die Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit in der Messe-, Ausstellungs- und Kongreßpolitik vom 7./12. Dezember 1993; • die Vereinbarung über die Beteiligung der wissenschaftlichen Bibliotheken im Land Brandenburg an dem von Berlin und dem Deutschen Bibliotheksinstitut betriebenen Berliner Bibliotheksverbund vom 14. April 1994; • die Verwaltungsvereinbarung über die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Bundesautobahn-Verkehrsrechenzentrale vom 24. August 1994; • die Verwaltungsvereinbarung über Organisation, Verfahren und Finanzierung der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung (einschl. Organisationsrichtlinien) vom 6. April 1995; 109 Fastenrath, DÖV 2008, 697, 700; Grassl, S. 59 f.; Hofmann, Bundesstaat, S. 26 f.; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 243; Schneider, DÖV 1957, 644, 647; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 459 f. 110 Grawert, S. 52; Schneider, DÖV 1957, 644, 646. 111 Zivier, Rdnr. 75.1.2.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

• die Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Planung und Entwicklung eines polizeilichen Informations- und Kommunikationssystems (POLIKS) vom 30. April/9. Oktober 1995; • das am 10. Mai 1996 unterzeichnete Verwaltungsabkommen über die gegenseitige Unterstützung durch Polizeikräfte; • die Vereinbarung der Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg über ihre Zusammenarbeit und die Einrichtung eines gemeinsamen Koordinierungsrates vom 20. November 1996; • das Verwaltungsabkommen über die Aufteilung der Länder-Kostenanteile für die Errichtung von Wasserspeicherkapazitäten in Tagebaurestlöchern im Spreegebiet des Lausitzer Braunkohlereviers auf sächsischem Territorium vom 18. September/8. Oktober 1997; • die Vereinbarung über die Bereitstellung eines ausreichenden Angebotes im Schienenpersonennahverkehr in der Region Berlin-Brandenburg vom 5. März 1998; • die am 1. September 2002 in Kraft getretene Verwaltungsvereinbarung vom 22. August 2002 zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg über die gemeinsame Ausbildung der Beamtinnen und Beamten des gehobenen Steuerverwaltungsdienstes; • die am 13. Dezember 2005 abgeschlossene „Verwaltungsvereinbarung zum Austausch von Personal der Landesverwaltungen der Länder Berlin und Brandenburg“ 112 und • die am 7. September 2006 unterzeichnete Verwaltungsvereinbarung über die gemeinsame Ausbildung der Beamtinnen und Beamten des mittleren Steuerverwaltungsdienstes sowie die Fortbildung der Beschäftigten der Steuerverwaltung.113 Der Besuch von allgemeinbildenden öffentlichen Schulen im jeweils anderen Land wurde zwischen Berlin und Brandenburg im „Abkommen über die Gegenseitigkeit beim Besuch von Schulen in öffentlicher Trägerschaft zwischen den Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg“ (sog. Gastschülerabkommen) vom 29. August 2005 geregelt. Dieses Abkommen wurde im Mai 2008 erneut unterzeichnet und läuft vorerst bis zum 31. Dezember 2013.114

112

AvB Drs. 16/0074, S. 22. Eine ausführlichere Übersicht über die Verwaltungsabkommen zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg bis 1999 findet sich bei Keunecke, Gescheiterte Neugliederung, S. 387 ff. (Anhang VI). 114 AvB Drs. 16/1940, S. 16. 113

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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a) Arten von Verwaltungsabkommen Betrachtet man die Regelungsmaterien der zwischen Berlin und Brandenburg getroffenen Verwaltungsabkommen, liegt es zunächst nahe – anders als bei Staatsverträgen115 – diese als öffentlich-rechtliche Verträge i. S. des § 54 S. 1 VwVfG zu qualifizieren, weil sie von den Verwaltungen der Länder abgeschlossen werden. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag i. S. des § 54 S. 1 VwVfG ist ein von einer Behörde abgeschlossener Vertrag, durch den ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts begründet, geändert oder aufgehoben wird.116 Dass Verwaltungsabkommen dennoch keine Verwaltungsverträge i. S. der §§ 54 ff. VwVfG sind, ergibt sich aus ihrer Bindungsreichweite. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag i. S. der §§ 54 ff. VwVfG wird zwischen Behörden untereinander bzw. zwischen Behörden und Bürgern geschlossen. Vertragspartner ist die Behörde bzw. die Exekutive. Demgegenüber werden Verwaltungsabkommen zwar von der Exekutive, aber im Namen des ganzen Landes, mit einem anderen Land abgeschlossen. Sie binden nicht lediglich das vertragsschließende Organ bzw. die Exekutive, sondern das Land.117 Daher beinhalten sie nicht verwaltungsrechtliche, sondern verfassungsrechtliche Regelungen und haben wie Staatsverträge einen Quasi-Normcharakter.118 Die Verwaltungsabkommen werden zum einen nach der Zuständigkeit für ihren Abschluss, zum anderen nach ihrem Regelungsinhalt unterschieden. aa) Differenzierung nach Abschlusskompetenz Hinsichtlich der Kompetenz zum Abschluss eines Verwaltungsabkommens wird zwischen Regierungsabkommen und Ressortabkommen differenziert. Während der Abschluss im ersten Fall einen Beschluss der Landesregierung erfordert, wird im zweiten Fall das Abkommen vom zuständigen Fachminister aufgrund seiner Ressortkompetenz geschlossen. Welche Art zu wählen ist, entscheidet sich nach der innerstaatlichen Zuständigkeit für die Materie des Abkommens.119 Danach ist grundsätzlich ein Regierungsabkommen bei genereller Bedeutung der 115

Siehe zu Staatsverträgen in diesem Kapitel unter Punkt I.1.c). Maurer, Verwaltungsrecht AT, § 14, Rdnr. 7. 117 Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt I.1.a). 118 Maurer, Verwaltungsrecht AT, § 14, Rdnr. 7; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 459. Zu der Abgrenzung zwischen Verwaltungsabkommen und öffentlich-rechtlichem Vertrag anhand ihrer Bindungswirkung kritisch Grawert, S. 87, der zu dem Ergebnis kommt, dass eine dogmatisch überzeugende Unterscheidung zwischen den beiden Vertragskategorien Verwaltungsabkommen und Verwaltungsvertrag nicht besteht und eine Unterscheidung allenfalls nach formalen Merkmalen getroffen werden kann. 119 Hofmann, Bundesstaat, S. 26; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 59, Rdnr. 49; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 63; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 243; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 461 ff. 116

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Verhandlungsmaterie abzuschließen.120 Zu diesen zwei Arten von Verwaltungsabkommen treten als dritte Form die Verwaltungsabkommen, die zwischen nachgeordneten Behörden, Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts innerhalb ihres gesetzlichen oder satzungsmäßigen Kompetenzrahmens erlassen werden.121 bb) Differenzierung nach Regelungsinhalt Betrachtet man die Verwaltungsabkommen hinsichtlich ihres Regelungsinhalts, können rechtsetzende Verwaltungsabkommen und den Vollzug betreffende Verwaltungsabkommen unterschieden werden. Verwaltungsabkommen mit rechtsetzendem Inhalt werden in der Regel durch Rechtsverordnung, bei der Ausführung durch Verwaltungsträger der mittelbaren Staatsverwaltung gegebenenfalls durch Satzung vollzogen.122 Den Vollzug betreffende Verwaltungsabkommen können demgegenüber formlos ergehen. b) Abschluss von Verwaltungsabkommen Hinsichtlich des Verfahrens zum Abschluss von Verwaltungsabkommen sollen angelehnt an das oben dargestellte Verfahren zum Abschluss von Staatsverträgen zunächst die Zuständigkeit und im Folgenden das Verfahren und die Form beschrieben werden. aa) Zuständigkeit Zum Abschluss von Verwaltungsabkommen sind die nach der Verfassung des jeweiligen Landes zur Vertretung des Landes berufenen Organe, die von diesen ermächtigten Personen oder die Stellen zuständig, auf die das Recht zum Abschluss von Verwaltungsabkommen delegiert ist.123 Regelmäßig werden Verwaltungsabkommen von den Regierungschefs oder den Ministern unterzeichnet, weil ihnen für den Bereich des Landes die verantwortliche Leitung ihres Ressorts obliegt.124 In Berlin besagt dies ausdrücklich § 20 Abs. 2 S. 1 AZG, wonach die Fachminister zum Abschluss von Verwaltungsabkommen zuständig sind. Bei der Auswahl des jeweiligen Fachministers gilt das Ressortprinzip des Art. 58 Abs. 5 VvB, der Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG auf Bundesebene entspricht. In den Fällen, in denen ein Mitglied des Senats von Berlin nicht zum Erlass von Verwaltungsvorschriften befugt ist (vgl. § 6 Abs. 2 AZG), bedarf es zum Abschluss des Verwal120 121 122 123 124

Zivier, Rdnr. 75.1.2. Warmke, Verw 24 (1991), 455, 463. Fastenrath, DÖV 2008, 697, 700. Giese, S. 122 f.; Grassl, S. 63 f.; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 63. Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 25; Schneider, DÖV 1957, 644, 648.

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tungsabkommens der Zustimmung des Senats (§ 20 Abs. 2 Satz 2 AZG). Innerhalb der Behörden ist die Zeichnungsbefugnis der Verwaltungsbediensteten durch Organisationsakt zu regeln, allerdings kann das Land Zuständigkeitsüberschreitungen einzelner Verwaltungsangehöriger gegenüber dem Vertragspartner nur geltend machen, wenn dieser den Zuständigkeitsmangel kannte oder kennen musste.125 Wird über bezirkliche Angelegenheiten ein Verwaltungsabkommen geschlossen, ist gemäß Art. 74 Abs. 2 VvB das Bezirksamt vertretungsbefugt. In Brandenburg existiert eine dem § 20 Abs. 2 Satz 1 AZG entsprechende gesetzliche Regelung nicht. Hier können die Ressortminister Verwaltungsabkommen nur dann selbst abschließen, wenn sie dazu von den vertretungsberechtigten Organen des Landes ermächtigt worden sind.126 Vertretungsbefugt ist gemäß Art. 91 Abs. 1 S. 1 Bbg.Verf zunächst allein der Ministerpräsident. Dieser hat die Befugnis gemäß Art. 91 Abs. 1 S. 2 Bbg.Verf durch Erlass vom 15. August 2006127 auf die Mitglieder der Landesregierung übertragen, im Rahmen ihrer Zuständigkeit Verwaltungsabkommen mit anderen Ländern (Ressortabkommen) abzuschließen. Zudem wird den Ministern das Recht der Weiterübertragung auf nachgeordnete Behörden oder Personen sowie der Verhandlungsführung erteilt.128 Diese Übertragung kann der Ministerpräsident jederzeit wieder aufheben.129 bb) Verfahren Generell bestehen für das Verfahren zum Abschluss von Verwaltungsabkommen keine gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere gelten hier nicht die Bestimmungen der Landesverfassungen über die Mitwirkung der Parlamente beim Abschluss von Staatsverträgen. Da Verwaltungsabkommen in den Kompetenzbereich der Exekutive fallen, unterliegen sie den der Exekutive zur Verfügung stehenden Mitteln der innerstaatlichen Inkraftsetzung, beispielsweise innerdienstlichen Weisungen, Verwaltungsvorschriften oder Rechtsverordnungen. Das Verfahren richtet sich folglich nach der Rechtsform, in der die im Verwaltungsabkommen getroffenen Regelungen innerstaatlich umgesetzt werden sollen. Soll die Regelung im Rang einer Rechtsverordnung stehen (normative Verwaltungsabkommen) und Rechte und Pflichten von Bürgern begründen130, muss sie mit125

Musil/Kirchner, S. 75; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 58, Rdnr. 11 f. Giese, S. 122 f.; Grassl, S. 63 f. 127 Erlass des Ministerpräsidenten über die Vertretung des Landes nach außen vom 15. August 2006, ABl. Bbg. 2006, S. 594. 128 Erlass des Ministerpräsidenten über die Vertretung des Landes nach außen vom 15. August 2006, ABl. Bbg. 2006, S. 594. 129 Jahn, in: Simon u. a., § 14 Rdnr. 40. 130 Rechte und Pflichten von Bürgern können mittels Verwaltungsabkommen geregelt werden, wenn das Parlament die Verwaltung hierzu ermächtigt hat. Andernfalls ist ein Staatsvertrag erforderlich. Dies wurde oben ausführlich unter Punkt I.1.a) dargestellt. 126

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tels einer solchen verkündet werden. Soll demgegenüber keine Außenwirkung eintreten, genügt ein Verfahren, wie es für entsprechende interne Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist. In diesem Fall ist die Veröffentlichung im Gesetzund Verordnungsblatt nicht erforderlich, da das Verwaltungsabkommen keine die Allgemeinheit bindenden Rechtssätze enthält. Um die Durchführung des Abkommens sicherzustellen, muss es lediglich den in Betracht kommenden Behörden und Personen bekanntgegeben werden. Dies geschieht vielfach durch Veröffentlichung in den Ministerialblättern.131 cc) Form Verwaltungsabkommen unterliegen grundsätzlich keinen allgemeinen Formvorschriften, insbesondere ist ihre Bezeichnung in der Praxis nicht einheitlich. So werden sie zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg teils als „Verwaltungsvereinbarung“ 132, teils als „Abkommen“ 133 bezeichnet. In welcher Form ein Verwaltungsabkommen abzuschließen ist, hängt ebenso wie das Verfahren von seinem Rang und seinem Regelungsinhalt ab. So bedürfen rechtsetzende Verwaltungsabkommen zur Inkraftsetzung eine Rechtsverordnung, die von der ermächtigten Stelle zu erlassen ist und eine nach Bundes- bzw. Landesrecht ausreichende gesetzliche Grundlage voraussetzt (Art. 80 Abs. 1 GG).134 Verwaltungsabkommen, die allein den Gesetzesvollzug betreffen, lediglich verwaltungsintern wirken und somit Rechte der Bürger nicht berühren, können demgegenüber grundsätzlich auch formlos ergehen. Es hat sich für Verwaltungsabkommen in der Praxis ohne rechtlich zwingende Vorgabe aber die Schriftform bewährt.135

Wenn eine parlamentarische Ermächtigung der Exekutive zum Abschluss eines Verwaltungsabkommens vorliegt, ist das Parlament an die im Verwaltungsabkommen getroffenen Regelungen dennoch nicht gebunden. Siehe hierzu ausführlich in diesem Kapitel unter Punkt II.1.c). 131 Giese, S. 122 f.; Grassl, S. 83; Grawert, S. 120 f.; Hofmann, Bundesstaat, S. 26 f.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 59, Rdnr. 51; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 63; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 26; Schneider, DÖV 1957, 644, 648; Vedder, S. 54 f. 132 Verwaltungsvereinbarung zum Austausch von Personal der Landesverwaltungen der Länder Berlin und Brandenburg vom 13. Dezember 2005, online im Internet unter http://www.verwaltungsmodernisierung.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/Verwal tungsvereinbarung_Personalaustausch.pdf. 133 Abkommen über die Gegenseitigkeit beim Besuch von Schulen in öffentlicher Trägerschaft zwischen dem Land Brandenburg und dem Land Berlin vom 29. August 2005, geändert am 16. Mai 2008, ABl. des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport Brandenburg 2008, S. 209 f., online im Internet unter http://www.mbjs.brandenburg.de/ media_fast/5527/gastschuelerabkommen.pdf. 134 Fastenrath, DÖV 2008, 697, 700; Grawert, S. 116. 135 Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 25; Schneider, DÖV 1957, 644, 648; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 465.

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Wird ein Verwaltungsabkommen über eine Materie abgeschlossen, für die eine parlamentarische Zustimmung erforderlich ist136, ist es rechtswidrig und damit unwirksam. Ebenso ist das Abkommen ungültig, wenn ein unzuständiger Minister es abschließt und damit ohne Vertretungsmacht handelt.137 Die Ungültigkeit der Vereinbarung folgt, wie bei Staatsverträgen, aus dem bundesstaatlichen Gedanken, dass anders als im Völkerrecht sich die Länder die Wirkung eines Verfassungsverstoßes bei ihrem Vertragspartner zurechnen lassen müssen und sich nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Verstöße gegen Geschäftsverteilungspläne führen demgegenüber nicht zur Ungültigkeit eines Verwaltungsabkommens, weil Geschäftsverteilungspläne als rein innerorganisatorische Akte keinen Verfassungsrang haben.138 Betrachtet man die Verwaltungsabkommen zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg, betreffen sie Materien, für die eine parlamentarische Zustimmung nicht erforderlich ist. So betrifft beispielsweise der in der am 13. Dezember 2005 durch die Länder Berlin und Brandenburg geschlossenen „Verwaltungsvereinbarung zum Austausch von Personal der Landesverwaltungen der Länder Berlin und Brandenburg“ 139 geregelte Austausch von Personal allein den internen Bereich der Exekutive, ohne in Rechte der Bürger einzugreifen oder zusätzliche finanzielle Mittel zu erfordern, so dass hier kein Staatsvertrag abgeschlossen werden musste. Auch wurden bei allen Verwaltungsabkommen Zuständigkeits- und Verfahrensanforderungen gewahrt. Damit sind sie formell rechtlich nicht zu beanstanden. c) Beendigung von Verwaltungsabkommen Wie Staatsverträge können Verwaltungsabkommen durch Erfüllung oder Zweckerledigung, Kündigung, Befristung oder auflösende Bedingung, vertragliche Aufhebung oder durch die Veränderung der Umstände beendet werden.140 Die bei den Staatsverträgen aufgeworfene Problematik der Beendigung durch den Erlass eines der getroffenen Vereinbarung widersprechenden Gesetzes stellt sich bei Verwaltungsabkommen nicht. Als Akte von Exekutivorganen gelten sie nur im Rahmen der staatlichen Gesamtrechtsordnung (Art. 20 Abs. 3 i.V. m. Art. 28 Abs. 1 GG), daher kann ein formell ordnungsgemäß erlassenes Gesetz einem Verwaltungsabkommen durch Änderung der ursprünglichen Rahmenbedingungen die „Geschäftsgrundlage“ entziehen und es de facto aufheben. Anders als bei Staatsverträgen wirkt diese Aufhebung des Verwaltungsabkommens durch ein dem Abkommen widersprechendes Gesetz auch gegenüber dem föderalen Ver136

Siehe unter Punkt I.1.a). Grawert, S. 102. 138 Grawert, S. 103 f. Zur Zurechnung von Verfassungsverstößen beim Vertragspartner siehe in Kapitel D. unter Punkt II.2.a)cc). 139 AvB Drs. 16/0074, S. 22. 140 Grawert, S. 122 ff. 137

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tragspartner. Dieser kann die Einhaltung des Verwaltungsabkommens nicht gerichtlich einklagen, da anderenfalls die Exekutive die Gesetzgebungskompetenz des Landes für eine beliebige Vertragsdauer aufheben könnte.141 Verwaltungsabkommen sind folglich leichter abänderbar als Staatsverträge und haben damit eine geringe Intensität. 2. Gemeinsame Einrichtungen Während mit dem Abschluss von Verwaltungsabkommen die beiden Länder ihre Verwaltungsaufgaben lediglich koordinieren, besteht auch die Möglichkeit, bestimmte Aufgaben in gemeinsamen Einrichtungen einheitlich auszuüben. Zur Schaffung einer gemeinsamen Einrichtung ist ein vertragliches Zusammenwirken der Länder je nach Regelungsinhalt in Form eines Staatsvertrages oder eines Verwaltungsabkommens erforderlich. In dieser Vereinbarung der Länder findet der neu geschaffene Verwaltungsträger seine Rechtsgrundlage.142 a) Arten von gemeinsamen Einrichtungen Der eine Gemeinschaftseinrichtung schaffende Vertrag kann unmöglich selbständige Regelungen für die vielfältigen Alltagsprobleme treffen, denen sich eine gemeinsame Einrichtung gegenübersieht. Damit stellt sich die Frage, auf welche Rechtsordnung zum Ausfüllen der unvermeidlichen Lücken im Vertrag zurückgegriffen werden kann. Hier gibt es im Prinzip drei Möglichkeiten: das Recht eines der beiden Länder, das Recht beider Länder oder eine übergeordnete Rechtsordnung. Entsprechend der zu Grunde liegenden Rechtsordnung werden daher drei Formen der gemeinsamen Einrichtungen unterschieden: die institutionelle Beteiligungsverwaltung, die Mehrländereinrichtung und die echte Gemeinschaftseinrichtung.143 aa) Institutionelle Beteiligungsverwaltungen Institutionelle Beteiligungsverwaltung liegt vor, wenn ein Bundesland eine Behörde oder juristische Person errichtet, die für alle beteiligten Länder eine be141 Driehaus, VvB, Art. 50, Rdnr. 8; Hofmann, Bundesstaat, S. 26 f.; Pietzcker, Landesbericht, S. 47 ff. Für die Problematik im Bund-Länder-Verhältnis Grawert, S. 128 ff. 142 Lenhard, S. 128. 143 Bothe, Generalbericht, S. 215 ff.; Bothe, Kompetenzstruktur des modernen Bundesstaates, S. 281 ff.; Grawert, S. 226, der von institutionalisierter Beteiligungsverwaltung, Gemeinschaftsorganisation und echter Gemeinschaftseinrichtung spricht; Kisker, S. 266; Kölble, NJW 1962, 1081; Pietzcker, Landesbericht, S. 52. Diese Dreiteilung findet sich auch in der kommunalen Zusammenarbeit wieder. Die echte Gemeinschaftseinrichtung ist hier der Zweckverband gemäß §§ 4 ff. GKG des Landes Brandenburg, die Mehrländereinrichtung entspricht der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung i. S. des § 23 Abs. 2 S. 2 GKG und die institutionelle Beteiligungsverwaltung entspricht der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung i. S. von § 23 Abs. 2 S. 1 GKG.

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stimmte Aufgabe erfüllt, und alle Vertragspartner an der internen Verwaltung der Behörde oder wenigstens an ihrer Finanzierung teilnehmen. Nach außen tritt aber nur das die Einrichtung tragende Land auf. Daher ist das Recht des Trägerlandes anzuwenden. Soweit die mit der Kompetenz betraute Stelle Hoheitsakte mit Außenwirkung setzen darf, werden diese dem Trägerland zugerechnet. Die Beamten sind solche des Trägerlandes, und die Einrichtung ist im Haushalt des Trägerlandes veranschlagt. Die übrigen Beteiligten erstatten in der Regel anteilig die Kosten. Für alle nicht speziell geregelten Fragen ist die Rechtsordnung des Trägerlandes heranzuziehen. In allen grundsätzlichen Angelegenheiten entscheidet ein aus Vertretern aller am Vertrag beteiligten Länder gebildetes Gremium, das nach manchen Verträgen auch die Geschäftsführung überwacht. Die Rechtsaufsicht über die institutionelle Beteiligungsverwaltung liegt ebenfalls beim Trägerland.144 Eine institutionelle Beteiligungsverwaltung findet sich bei der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg auf verschiedenen Gebieten.145 • Ein Beispiel ist das brandenburgische Landwirtschaftsministerium, das nach Art. 6 des Landwirtschaftsstaatsvertrages146 in festgelegten Bereichen auch für Berlin tätig wird. Die Bediensteten des Landes Brandenburg sind berechtigt, im Rahmen der mit diesem Vertrag auf das Land Brandenburg übertragenen Zuständigkeiten im Land Berlin Amtshandlungen vorzunehmen (Art. 8 Abs. 1 Landwirtschaftsstaatsvertrag). Für die Durchführung der im Rahmen dieses Staatsvertrages übertragenen Aufgaben gilt das Recht des Landes Brandenburg (Art. 8 Abs. 2 Landwirtschaftsstaatsvertrag). Soweit die Aufgaben von Landesbehörden Brandenburgs für das Land Berlin wahrgenommen werden, kann das für Landwirtschaft zuständige Berliner Senatsmitglied im Einzelfall die Herstellung des Einvernehmens verlangen (Art. 9 Abs. 2 Landwirtschaftsstaatsvertrag). Berlin und Brandenburg streben an, in länderübergreifenden Gremien einvernehmlich abzustimmen. Sie stellen den hierfür erforderlichen Informationsaustausch sicher (Art. 9 Abs. 3 Landwirtschaftsstaatsvertrag). Die Übertragung der in diesem Vertrag übernommenen Aufgaben für das Land Berlin kann erst nach Herstellung des Benehmens mit der für Landwirtschaft zuständigen Senatsverwaltung des Landes Berlin durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden des Landes Brandenburg übertragen werden (Art. 7 144 Kisker, S. 267; Pietzcker, Landesbericht, S. 52 f.; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 71; Vedder, S. 106 f. 145 Wobei der Bereich der Justiz an dieser Stelle unerwähnt bleibt und gebündelt unter Punkt III. dieses Kapitels dargestellt wird, um in Kapitel E. bei der rechtlichen Beurteilung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg in diesem Bereich auf eine gebündelte Darstellung zurückgreifen zu können. 146 Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet der Landwirtschaft vom 17. Dezember 2003, BbgGVBl. I/04, S. 165.

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Landwirtschaftsstaatsvertrag). Für den Verwaltungsaufwand zahlt das Land Berlin einen finanziellen Ausgleich, der in Art. 15 des Landwirtschaftsstaatsvertrages näher geregelt ist. • Der Staatsvertrag über die Bergbehörden vom 17. August 1996 bestimmt, dass die Brandenburger Bergbehörde die Aufgaben und Dienstleistungen für das Land Berlin mit erfüllt. • Im Mai 2006 haben die Länder Berlin und Brandenburg den Luftfahrtstaatsvertrag147 unterzeichnet und zum 1. August 2006 die Gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg am Flughafen Berlin-Schönefeld errichtet. Von dieser neuen Behörde sollen im Einzelnen aufgezählte Aufgaben für beide Länder gemeinsam wahrgenommen werden. Sie ist organisatorisch als Abteilung beim Brandenburger Landesamt für Bauen und Verkehr angesiedelt und für die Wahrnehmung von Vollzugsaufgaben der Luftfahrtverwaltungen beider Länder zuständig.148 • Mit den Staatsverträgen vom 22. Mai 2006 wurden ein gemeinsames Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) und ein Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) errichtet. Diese Institute sind als nachgeordnete Einrichtungen nur eines Landes (LISUM in Brandenburg/SFBB in Berlin) organisiert. Die Dienst- und Fachaufsicht wird daher ausschließlich von dem jeweils zuständigen Ministerium wahrgenommen. Die fachliche Steuerung unter Berücksichtigung der Belange des jeweils anderen Landes erfolgt über Zielvereinbarungen und je eine Steuergruppe.149 Ergebnis der Arbeit der beiden Einrichtungen sind gemeinsame Rahmenlehrpläne in Berlin und Brandenburg und das erste gemeinsame Zentralabitur in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch seit dem Schuljahr 2009/2010.150 Bei der institutionellen Beteiligungsverwaltung kann zwischen Auftragsverwaltung und Institutsleihe unterschieden werden. Während bei der Auftragsverwaltung das abgebende Land im Rechtsverhältnis zum Bürger als Zuständigkeitsträger nicht mehr auftritt, bleibt es bei der Institutsleihe auch im Außenverhältnis beteiligt. Beide Formen werden als rechtlich weniger problematisch angesehen, weil sie nur zu einer Entlastung von der tatsächlichen Arbeit, die mit der Aufgabenerfüllung verbunden ist, führen. Die Sachverantwortung des Zuständigkeitsträgers aber unberührt bleibt.151 147 Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Luftfahrtverwaltung vom 28. Juni 2006, BbgGVBl. I/06, S. 93. 148 AvB Drs. 16/0074, S. 14; AvB Drs. 16/1052, S. 16. 149 AvB Drs. 16/0074, S. 29. 150 Siehe hierzu in Kapitel D. unter Punkt III.3.b)bb). 151 Hempel, S. 25 ff.

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bb) Mehrländereinrichtungen Im Gegensatz zu der institutionellen Beteiligungsverwaltung, bei der ein Land für beide Länder eine Verwaltungsaufgabe übernimmt, sind Mehrländereinrichtungen ein Nebeneinander von mehreren Landeseinrichtungen, die nur dadurch eine gewisse faktische Einheit erlangen, dass sie auf ein und denselben Bestand von sächlichen und persönlichen Mitteln zugreifen. Sie sind sowohl die Einrichtung des einen als auch des anderen Landes und handeln teils als solche des einen, teils des anderen Landes. Gemeinsam sind nur der Sitz und die Mittel der Einrichtung. Anwendbares Recht und Aufsicht bestimmen sich jeweils danach, für welches Land die Behörde im Einzelfall handelt, und ihre Akte sind entsprechend dem jeweiligen Land zuzurechnen.152 In der Literatur wird zu Recht die Funktionsfähigkeit einer solchen Einrichtung bezweifelt, weil die in ihr tätigen Personen bei ein und derselben Handlung Rechtsvorschriften unterstellt sind, die nicht nur formell, sondern auch inhaltlich verschieden sein können, einander womöglich widersprechen. Eine solche Einrichtung sei „offene rechtliche Schizophrenie“.153 Um diesem Problem entgegenzuwirken, müsste für die einzelnen Landeseinrichtungen durch entsprechende Regelung in den Vertragsgesetzen und durch ergänzende Rechtsvorschriften inhaltlich gleichartiges Recht geschaffen werden. Damit würde aber dem Grundgedanken der Mehrländereinrichtung als ein Nebeneinander mehrerer Landeseinrichtungen mit ihrem jeweiligen spezifischen Landesrecht der Boden entzogen. Es bliebe nur noch die Fassade einer Mehrländereinrichtung bestehen. „Ein als Mehrländeranstalt konstruiertes komplexes Organisationsgefüge ist [daher] entweder funktionsunfähig oder Etikettenschwindel.“ 154 Trotz der kritischen Beurteilung dieser Kooperationsform finden sich auch hierfür Beispiele innerhalb der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg. • Mit dem Landesplanungsvertrag155 haben die Länder Berlin und Brandenburg ein gemeinsames materielles Raumordnungsrecht geschaffen. Es wird von einer gemeinsamen Ministerialabteilung der zuständigen obersten Landesplanungsbehörden beider Länder, der gemeinsamen Landesplanungsabteilung, entwickelt. Diese gemeinsame Planungsabteilung ist sowohl dem Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg als auch der Se152 Grawert, S. 237; Pietzcker, Landesbericht, S. 52 f.; Vedder, S. 107. Pietzcker zieht hier zum Vergleich eine Parallele zu Beamten mit Doppelstatus als Bundes- und Landesbeamte. 153 Kisker, S. 240 ff., Zitat von S. 242. 154 Kisker, S. 244 f., Zitat auf S. 245. 155 Vertrag über die Aufgaben und Trägerschaft sowie Grundlagen und Verfahren der gemeinsamen Landesplanung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg (Landesplanungsvertrag) vom 1. August 1995, BbgGVBl. I/95, S. 261.

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natsverwaltung für Stadtentwicklung des Landes Berlin zugeordnet. Sie ist damit nicht als eigenständige gemeinsame Behörde, sondern als Teil zweier Behörden angelegt.156 Folglich haben ihre Mitarbeiter zwei Dienstherren bzw. Arbeitgeber. Die gemeinsame Planungsabteilung nimmt die Aufgaben dieser Behörden und deren Befugnisse als Träger der gemeinsamen Landesplanung wahr, kann in Verwaltungsverfahren für beide Länder in eigenem Namen handeln und an verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt sein (Art. 3 Abs. 1 LPlanV). Sie ist richtiger Adressat für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Ihr Leiter wird von der Regierung des Landes Brandenburg, sein ständiger Vertreter vom Berliner Senat im Einvernehmen mit dem jeweils anderen Land ernannt. Die personelle Ausstattung und Finanzierung wird von beiden Ländern gemeinsam getragen.157 Die gemeinsame Planungsabteilung stützt sich in Berlin auf Art. 96 S. 3 VvB. Hiernach können speziell mit dem Land Brandenburg oder einzelnen seiner Gebietskörperschaften gemeinsame Behörden oder Gremien geschaffen werden, auf die durch Gesetz Befugnisse zur Raumplanung und Flächennutzungsplanung übertragen werden können. Die gemeinsame Landesplanungsabteilung entwickelt ein gemeinsames materielles Raumordnungsrecht für beide Länder und stellt insoweit ein Novum im bundesdeutschen Planungsrecht dar.158 Sie wird als „exotische Blüte im Irrgarten des Organisationsrechts“ bzw. als „untrennbar verbundenes siamesisches Zwillingspaar nicht kraft Geburt, sondern kraft Staatsvertrages mit zwei Köpfen und zwei Herzen“ bezeichnet.159 • Ein weiteres Beispiel für eine Mehrländereinrichtung ist das gemeinsame Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg.160 Es wurde auf der Grundlage des Staatsvertrages vom 11. März 2004161 am 1. Mai 2005 gebildet. Es besitzt selbst keine Rechtspersönlichkeit, sondern ist zum einen Sonderbehörde des Landes Berlin und zugleich Landesoberbehörde des Landes Brandenburg mit Sitz in Kleinmachnow (Land Brandenburg) (Art. 1 Abs. 1 des Staatsvertrages). Es besitzt auch keine Dienstherrenfähigkeit, daher bleiben 156 Insoweit ist Hruschka, S. 31 nicht zu folgen, wenn er davon ausgeht, dass die Gemeinsame Planungsabteilung eine eigene öffentlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit hat. Sie ist keine eigenständige juristische Person. 157 Driehaus, VvB, Art. 96, Rdnr. 5; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 96, Rdnr. 7; Priebs, DÖV 1996, 541, 544; ausführlich Battis, LKV 1999, 347; Wimmer, LKV 1998, 127, 128; Zivier, Rdnr. 96.2.3 ff. 158 Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 96, Rdnr. 6. 159 Hoppe, DVBl. 1997, 234, 238. 160 Auch Musil/Kirchner, S. 11 ordnen das Landesamt für Mess- und Eichwesen den Mehrländereinrichtungen zu, wenn sie davon ausgehen, dass das Amt jeweils die Hoheitsgewalt des Landes wahrnimmt, für das es tätig wird. 161 Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Errichtung des Landesamtes für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg, BbgGVBl. I/04, S. 238. Weitere Informationen finden sich im Internetauftritt des Landesamtes für Mess- und Eichwesen unter http://www.lme.brandenburg.de.

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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seine Beschäftigten Arbeitnehmer oder Beamte ihres bisherigen Arbeitgebers oder Dienstherrn. Sie unterstehen dem Dienst-, Arbeits-, Personalvertretungsund Gleichstellungsrecht des jeweils entsendenden vertragschließenden Landes (Art. 6 Abs. 2 des Staatsvertrages). Jedes vertragschließende Land trägt die Ausgaben für das von ihm gestellte Personal (Art. 6 Abs. 4 des Staatsvertrages). Einnahmen werden im Haushaltsplan des Landes Brandenburg veranschlagt (Art. 3 Abs. 2 des Staatsvertrages) und Ausgaben im Haushalt des Landes Brandenburg ausgewiesen (Art. 3 Abs. 3 des Staatsvertrages). Das Land Berlin richtet in seinem Haushalt einen entsprechenden Einnahme- bzw. Erstattungstitel ein. Die Ausgestaltung des gemeinsamen Landesamtes für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg als Mehrländereinrichtung führt in der Praxis aber zu einigen Problemen. So macht beispielsweise das unterschiedliche Personal- und Personalvertretungsrecht beider Länder eine gemeinsame Personalentwicklung und eine länderübergreifende Stellenbesetzung schwierig.162 Dieses Problem konnte auch bis Anfang 2011 (über sechs Jahre nach Errichtung der gemeinsamen Mehrländereinrichtung) noch nicht gelöst werden. Aufgrund dessen stellt sich die Frage, ob die mit der Einrichtung erlangten Synergieeffekte die auftretenden Probleme überwiegen. Als Besonderheit der Einrichtung gegenüber der Grundidee einer Mehrländereinrichtung ist zu nennen, dass ihre Mitarbeiter nicht jeweils das für die Entscheidung einschlägige Landesrecht anwenden, sondern Art. 7 Abs. 1 des Staatsvertrages für die Entscheidungen des gemeinsamen Landesamtes generell das Recht des Sitzlandes (derzeit das Recht des Landes Brandenburg) für anwendbar erklärt. Damit rückt das gemeinsame Landesamt für Mess- und Eichwesen in seiner Arbeitsweise in die Nähe der institutionellen Beteiligungsverwaltung. Hierdurch lassen sich einige der oben genannten Probleme einer Mehrländereinrichtung hinsichtlich des anwendbaren Rechts umgehen, und die Entscheidungen im Bereich des Mess- und Eichwesens werden in Berlin und Brandenburg vereinheitlicht. cc) Echte Gemeinschaftseinrichtungen Als dritte Form können die Länder Berlin und Brandenburg für ihre gemeinsamen Einrichtungen die echte Gemeinschaftseinrichtung wählen. Eine echte Gemeinschaftseinrichtung wird nicht von einem Land unter bloß interner Beteiligung des anderen Landes, sondern durch beide Länder gemeinsam getragen. Sie ist ein eigenständiger Rechtsträger. Ihr Handeln ist nicht solches eines bestimmten Landes, sondern es wird allein und unmittelbar der Einrichtung selbst zugerechnet. Sie besitzt Dienstherrenfähigkeit und stellt einen eigenen Haushalt auf. 162 AvB Drs. 16/0074, S. 10 f. Ein ähnliches Problem stellt sich auch bei der eben dargestellten gemeinsamen Landesplanungsabteilung beider Länder und ist damit ein Grundproblem aller Mehrländereinrichtungen.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

Der Staatsvertrag muss das notwendige Recht selbst vorsehen bzw. durch Verweisung bestimmen. Die Rechtsaufsicht obliegt beiden Ländern gemeinsam. Sie beschränkt sich nicht auf die Beachtung der Bestimmungen der einschlägigen Verträge, sondern umfasst auch die Beachtung der allgemeinen Rechtsvorschriften.163 Echte Gemeinschaftseinrichtungen gehören zu den Trägern mittelbarer Staatsverwaltung, deren wesentliches Merkmal die Erfüllung staatlicher Aufgaben durch selbständige, aber der staatlichen Verwaltungsorganisation eingegliederte juristische Personen des öffentlichen Rechts ist.164 Während bei der institutionellen Beteiligungsverwaltung das beauftragte Land die zugewiesene Aufgabe neben seiner eigenen wahrnimmt, übt eine echte Gemeinschaftseinrichtung die Trägerzuständigkeiten der beteiligten Länder in einem Akt aus, so dass die Wahrnehmungszuständigkeit nicht jedem der Vertragspartner jeweils gesondert zugerechnet werden kann.165 So strahlt beispielsweise der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) mit gewissen Einschränkungen bei den Nachrichtensendungen166 ein und dasselbe Programm im Gebiet des Landes Berlin und im Gebiet des Landes Brandenburg aus. Bei der Ausstrahlung kann nicht unterschieden werden, für welches der beiden Länder die Fernsehanstalt gerade tätig wird. Beispiele für echte Gemeinschaftseinrichtungen zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg finden sich auf verschiedenen Arbeitsgebieten der Exekutiven. • Auf der Grundlage von zwei Staatsverträgen (Staatsvertrag über die BerlinBrandenburgische Akademie der Wissenschaften vom 21. März 1992167 und 163 Pietzcker, Landesbericht, S. 54 f.; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 72; Vedder, S. 108. 164 Lenhard, S. 72. Ders. auf S. 116: „Die gemeinschaftlichen Verwaltungseinrichtungen mit Rechtsfähigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts sind gemeinsame Träger mittelbarer Staatsverwaltung (Beispiel: Zweites Deutsches Fernsehen).“ Eine in der Literatur mitunter vertretene Auffassung, die als weitere Form von gemeinsamen Einrichtungen eine solche ansieht, deren Akte gleichzeitig im Namen aller Bundesländer ergehen und bei der in gerichtlichen Streitfällen alle Länder gemeinsam passiv legitimiert wären (siehe als Gedankenbeispiel Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 228), existiert nicht. Hier würde es an einem konkreten Rechtssubjekt fehlen, dem die Akte der Einrichtung zugeordnet werden könnten. Entweder ist die Einrichtung selbst Rechtssubjekt (nach Roellenbleg liegt hier dann eine Delegation vor), dann handelt es sich um eine echte Gemeinschaftseinrichtung, oder die Einrichtung ist allen Ländern zugeordnet (nach Roellenbleg liegt hier ein Mandat vor), dann handelt es sich um eine Mehrländereinrichtung, bzw. lediglich einem Land zugeordnet (auch Mandat), dann handelt es sich um eine institutionelle Beteiligungsverwaltung. Es bleibt daher bei den drei hier dargestellten Arten von gemeinsamen Einrichtungen. 165 Hempel, S. 31. 166 Die Nachrichtensendungen werden in beiden Ländern gesondert und speziell auf das jeweilige Land zugeschnitten gesendet. 167 Staatsvertrag über die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften vom 14. Juli 1992, BbgGVBl. I/92, S. 290; geändert durch Staatsvertrag vom 2. Juli 2001, BbgGVBl. I/01, S. 239.

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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Staatsvertrag über die von Berlin und Brandenburg getragene Akademie der Künste vom 20. April 1993168) bestanden für die Länder Berlin und Brandenburg eine gemeinsame Akademie der Wissenschaften und eine gemeinsame Akademie der Künste als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin.169 Die Akademie der Wissenschaften ist im Wege einer Neukonstituierung der im Jahre 1700 als Kurfürstlich-Brandenburgische Sozietät gegründeten Akademie errichtet worden. Soweit in dem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, gilt für sie das Recht des Sitzlandes Berlin. Von den Zuschüssen, die von beiden Ländern einvernehmlich festgesetzt werden, trägt Berlin zwei und Brandenburg ein Drittel.170 Demgegenüber wurde die gemeinsame Trägerschaft der Länder Berlin und Brandenburg für die Akademie der Künste durch den Auflösungsstaatsvertrag vom 11. Oktober 2005171 zum 1. Januar 2006 beendet und die Akademie in eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt. Sie unterliegt folglich inzwischen nicht mehr der bilateralen Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg. • Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg172 beruht auf einem Staatsvertrag vom 23. August 1994173 sowie einem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Berlin und dem Land Brandenburg vom 23. August 1994174. Sitz der Stiftung ist Potsdam. Sie hat die Aufgabe, die ihr übertragenen Kulturgüter zu bewahren, zu pflegen, ihr Inventar zu ergänzen, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Auswertung zu ermöglichen. Die Stiftung unterliegt der Rechtsaufsicht des Landes Brandenburg. Der Bund ist zwar nicht an der Errichtung der Stiftung beteiligt, trägt aber neben Berlin und Brandenburg zu ihrer Finanzierung bei und entsendet Mitglieder in ihr Beschlussorgan, den Stiftungsrat.175 • Mit dem Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Landesrundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg176 vom 25. Juni 2002 haben

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BlnGVBl. 1993, S. 380. Zivier, Rdnr. 96.4.1 f. 170 Zivier, Rdnr. 96.4.2. 171 Staatsvertrag über die Auflösung der von Berlin und Brandenburg getragenen Akademie der Künste, BbgGVBl. I/05, S. 257; AvB Drs. 16/0074, S. 31. 172 Weitere Informationen online im Internet auf der Homepage der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, http://www.spsg.de. 173 Staatsvertrag über die Errichtung einer „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg“, BbgGVBl. I/95, S. 2. 174 Abkommen über die gemeinsame Finanzierung der „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg“, BbgGVBl. I/95, S. 2. 175 Zivier, Rdnr. 96.5. Zu dem Problem, dass das Finanzierungsabkommen, nach dem der Bund fast die Hälfte der Stiftung finanziert, mit den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere mit Art. 104a GG, nicht vereinbar ist, siehe Uppenbrink, LKV 2004, 109 ff. 169

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

die Länder eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt unter der Bezeichnung „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (RBB) als gemeinnützige rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Hierbei handelt es sich um ein selbständiges Rechtssubjekt, das keinem der beiden Länder zugeordnet ist. Dieses Modell ist bisher in der ARD einmalig. Die Rundfunkanstalt besitzt Dienstherrenfähigkeit und stellt einen eigenen Haushalt auf. Für die Tätigkeit des RBB gilt das Berliner Landesrecht. Die Rechtsaufsicht obliegt den beiden beteiligten Ländern Berlin und Brandenburg.177 Gegen eine Zuordnung des RBB zu den echten Gemeinschaftseinrichtungen spricht auch nicht die Tatsache, dass sowohl Potsdam als auch Berlin Sitz der Anstalt sind (§ 2 Abs. 1 des Staatsvertrages). Diese Regelung ist vielmehr das Verhandlungsergebnis, weil sich die Länder Berlin und Brandenburg nicht auf einen gemeinsamen Sitz einigen konnten. Eine echte Gemeinschaftseinrichtung kann durchaus mehrere Arbeitsstandorte in verschiedenen Bundesländern haben, solange sie nach außen als eine einheitliche Einrichtung auftritt. Das ist beim RBB der Fall. § 34 Abs. 2 des Staatsvertrages bestimmt als Dienststelle im Sinne des Personalvertretungsrechts allein Berlin. Aus dieser Bestimmung ist der Wille der Vertragsparteien zu erkennen, dass trotz seiner zwei Sitze der RBB eine einheitliche Dienststelle sein soll und eine Verselbständigung einzelner Betriebsteile bzw. Standorte verhindert werden sollte.178 • Zudem wurden aufgrund des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Landesrundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg vom 25. Juni 2002 der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) als gemeinsamer Einrichtung beider Länder hoheitliche Befugnisse übertragen.179 Die MABB ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin. Sie nimmt eigenständig und unabhängig die öffentliche Verantwortung für die Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk in Berlin und Brandenburg wahr.180 Die Rechtsaufsicht obliegt im zweijährigen Wechsel dem jeweils zuständigen Mitglied einer der beiden Landesregierungen. Die Haushalts- und Wirtschaftsprüfung wird von beiden Rechnungshöfen in gegenseitiger Absprache durchgeführt.181

176 Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg, BbgGVBl. I/02, S. 138. Ausführlich hierzu Tripke, S. 192 ff. 177 Ausführlich Binder, LKV 2003, 355 ff.; siehe auch Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 72; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 259. 178 Binder, LKV 2003, 355, 359. 179 Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 29. Februar 1992 in der Fassung des Vierten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages vom 6./22. Januar 2009, BlnGVBl. 2009, S. 251. 180 Siehe hierzu ausführlich den Internetauftritt der MABB unter http://www. mabb.de. 181 Zivier, Rdnr. 96.6.1 ff.

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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• Auf der Grundlage des Staatsvertrages vom 13. Dezember 2005182 hat am 1. Januar 2007 das gemeinsame Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (AfS) seine Arbeit in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts aufgenommen. Die Anstalt hat ihren Sitz in Potsdam mit Nebenstellen in Berlin und Cottbus. • Mit dem Staatsvertrag über die Bestimmung der Aufsicht über die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg183 vom 13. Dezember 2005 schlossen sich die Versicherungen der Deutschen Rentenversicherung Berlin und die Deutsche Rentenversicherung Brandenburg am 1. Mai 2006 zur Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg zusammen. Die gemeinsame Landesversicherungsanstalt hat ihren Sitz in Frankfurt (Oder). Im Gegenzug hat Berlin die Rechtsaufsicht über den Träger, während Brandenburg umfassende Informations- und Beteiligungsrechte eingeräumt wurden.184 • Am 30. September 2008 wurde der Staatsvertrag zur Bildung einer gemeinsamen Untersuchungseinrichtung im gesundheitlichen Verbraucher- und Umweltschutz, dem Landeslabor Berlin-Brandenburg – Institut für Lebensmittel, Arzneimittel, Tierseuchen und Umwelt, unterzeichnet. Zum 1. Januar 2009 wurde die gemeinsame Einrichtung als Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin und einem weiteren Standort in Frankfurt (Oder) errichtet. Die Aufsicht wird für beide Länder durch die für gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständige oberste Landesbehörde Berlins im Einvernehmen mit der Brandenburgs wahrgenommen.185 Die echten Gemeinschaftseinrichtungen waren die in der Literatur umstrittenste Form der Zusammenarbeit der Bundesländer.186 Die rechtliche Problematik fußte auf der Überzeugung, dass echte Gemeinschaftseinrichtungen Verwaltungseinrichtungen einzelner Länder seien, die außerhalb ihrer Organisation „freischweben“.187 Hierbei wurden eine fehlende parlamentarische Verantwortlichkeit solcher Einrichtungen und das Fehlen ihrer konkreten Zuordnung zu einem Lan-

182 Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Errichtung eines Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg, BbgGVBl. I/06, S. 46. 183 Staatsvertrag über die Bestimmung der Aufsicht über die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, BbgGVBl. I/06, S. 38. 184 AvB Drs. 15/4474, S. 10; AvB Drs. 16/0074, S. 26 f.; AvB Drs. 16/1052, S. 35. 185 AvB Drs. 16/2787, S. 4 und 23. 186 So bezweifelt Kölble, NJW 1962, 1081 die rechtliche Zulässigkeit echter Gemeinschaftseinrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit wegen des fehlenden Verantwortungszusammenhangs (S. 1082) und die echter Gemeinschaftseinrichtungen mit Rechtspersönlichkeit, weil sie die Anerkennung eines „dreigliedrigen Bundesstaates“ voraussetzten und mit Art. 28 GG unvereinbar wären (S. 1083 ff.). Ebenso Zacher, BayVBl 1971, 375, 376, der die bestehende Insichgeschlossenheit der Länder und auch des Bundes durch exzessiven Gebrauch von Zusammenarbeit in Gefahr sieht. 187 Kölble, NJW 1962, 1081.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

desvolk als Verstoß gegen das Demokratieprinzip und gegen Art. 30 GG angesehen.188 Inzwischen ist ihre rechtliche Zulässigkeit anerkannt. Echte Gemeinschaftseinrichtungen und die Vorstellung vom dreigliedrigen Bundesstaat stehen in keinem Zusammenhang. Mit letzterer wurde niemals vertreten, dass neben dem einzelnen Land zwei reale Staatsgebilde für das Ganze als Rechtssubjekte nebeneinander existieren: die Ländergemeinschaft einerseits und der Bund andererseits.189 Sie sind verfassungsmäßig, wenn sie ausschließlich Sachkompetenzen der Länder wahrnehmen und die Länder für die Errichtung die Organisationsgewalt haben.190 Sie stellen keine „dritte Ebene“ neben den Ländern und dem Bund dar, die mit dem Bundesstaatsprinzip nicht vereinbar ist.191 Vielmehr sind Träger dieser Einrichtungen die kooperierenden Länder, nicht eine „Ländergemeinschaft“.192 Echte Gemeinschaftseinrichtungen üben Landeshoheitsgewalt aus und sind der Länderebene zugeordnet, auch wenn ihr Wirkungsfeld über das des einzelnen Landes hinausreicht.193 Als weiteres Argument der Zulässigkeit der echten Gemeinschaftseinrichtungen wird der Gedanke angeführt, dass den Ländern auch Aufgaben zugewiesen sein können, die aufgrund ihrer Natur überregional und von einem einzelnen Land nicht erfüllbar sind. Diese Aufgaben fallen nicht 188 Grawert, S. 259 u. 277 ff.; Hempel, S. 52 f.; Kölble, NJW 1962, 1081, 1085. Für Regionalverbände auch Damkowski, NVwZ 1988, 297, 302. Soweit rechtliche Bedenken gegen gemeinsame Einrichtungen geäußert werden, an denen viele Trägerstaaten oder der Bund beteiligt sind bzw. bei denen die Länder eine einheitliche Funktion für das ganze Bundesgebiet ausüben (Zacher, BayVBl 1971, 375, 378), treffen diese Bedenken auf die hier untersuchte bilaterale Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg bereits aus faktischen Gesichtspunkten nicht zu. 189 Siehe hierzu ausführlich die Ausführungen von Harbich, S. 86 f.; Maunz, NJW 1962, 1641, 1643. So auch Grassl, S. 99, der von einem Missverständnis der von Nawiasky, S. 203 konzipierten Konstruktion des Bundesstaates spricht, weil das dritte Glied der aus Bund und Ländern bestehende Gesamtstaat und keine dem Bund gegenüberstehende Ländergemeinschaft ist. Ebenso Kisker, S. 236 f., der davon ausgeht, dass echte Gemeinschaftseinrichtungen auf der „dritten Ebene“ weder dem Bundesrecht noch dem Recht eines einzelnen Landes zugeordnet werden können, was aber verfassungsrechtlich nicht von vornherein unzulässig sei (S. 258). Siehe auch Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 232. 190 Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 226. 191 Bothe, Generalbericht, S. 207 ff. u. 224; Grawert, S. 261 ff. A. A. noch Zacher, BayVBl 1971, 375. Zu dem Meinungsstreit ausführlich Grassl, S. 98 ff. 192 So bereits Maunz, NJW 1962, 1641, 1644. Siehe auch Grassl, S. 102; Hempel, S. 270 f., der von „Trägerzuständigkeiten der einzelnen Länder“ spricht, als zwingende Voraussetzung aber „die Maßgeblichkeit der Rechtsordnung eines jeden Vertragspartners“ ansieht. 193 Damkowski, NVwZ 1988, 297, 301; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 185; Vedder, S. 144. In Art. 7 der schweizerischen Verfassung ist dieses Verbot von Sonderbünden ausdrücklich formuliert (siehe hierzu bereits in Kapitel B. Fn. 29). Verboten ist demnach nicht jede kooperative Zusammenarbeit der Länder, sondern eine Verselbstständigung der Ländergemeinschaft zu einer insgesamt politisch einheitlich handelnden dauerhaften Organisation (Pietzcker, Landesbericht, S. 63).

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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automatisch in die Bundeszuständigkeit,194 daher müssen die Länder sie auch mit Hilfe echter Gemeinschaftseinrichtungen erfüllen können.195 Darüber hinaus müsse es den Bundesländern zudem möglich sein, echte Gemeinschaftseinrichtungen zu errichten, die zwar nicht zwingend notwendig, aber wirtschaftlicher sind als getrennte Landesbehörden.196 Praktische Probleme, die sich durch die rechtliche Selbständigkeit der Einrichtung ergeben, wie die Frage nach dem für die Tätigkeit einer echten Gemeinschaftseinrichtung einschlägigen Landesrecht oder dem Rechtsweg,197 löst das Bundesverwaltungsgericht mit Hilfe des Sitzprinzips und lässt das Landesrecht des Landes gelten, in dem die echte Gemeinschaftseinrichtung ihren Sitz hat.198 Letztendlich verstoßen die echten Gemeinschaftseinrichtungen der Länder Berlin und Brandenburg auch nicht gegen das Verbot der Mischverwaltung. Wie bereits dargestellt, ist das Verbot der Mischverwaltung kein Problem der Länderzusammenarbeit.199 b) Errichtung gemeinsamer Einrichtungen Neben der dargestellten Differenzierung gemeinsamer Einrichtungen nach der zugrunde liegenden Rechtsordnung lassen sich die gemeinsamen internen Dienstleistungseinrichtungen für die Landesverwaltung (zum Beispiel das Landeslabor Berlin-Brandenburg) von den nach außen hoheitlich auftretenden gemeinsamen Einrichtungen (wie zum Beispiel das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg) unterscheiden. Diese Unterscheidung ist für die rechtlichen Anforderungen entscheidend, die an die Errichtung der gemeinsamen Einrichtung gestellt werden. Grundsätzlich setzt die Bildung einer gemeinsamen Ländereinrichtung nicht zwingend den Abschluss eines Staatsvertrages voraus. Ein Staatsvertrag ist aber immer dann erforderlich, wenn die dem eigenen Land zugewiesenen Kompetenzen verschoben werden (Übertragung von Hoheitsrechten) und die ermächtigte Einrichtung unmittelbar Hoheitsakte mit Außenwirkung gegenüber Bürgern erlässt und damit in Rechte der Bürger eingreift. Denn die Exekutive ist immer nur einzelstaatsbezogen legitimiert. Die Übertragung von Hoheitsgewalt auf eine 194

BVerfGE 12, 205, 251. BVerwGE 22, 299, 307 f. 196 So Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 184. 197 Zacher, BayVBl 1971, 375, 376. 198 BVerwGE 22, 299, 311. Dies stieß in der Literatur vereinzelt auf erhebliche Kritik. Die dienstliche und organisatorische Bindung an das Heimatland verbiete es, zum Auffüllen von Lücken im Recht generell auf die Rechtsordnung des Gastgeberlandes zurückzugreifen (Kisker, S. 268 f.). Kisker bietet aber auch keine Alternativlösung an. 199 Siehe zur Mischverwaltung bereits in Kapitel B. unter Punkt II.5. 195

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

selbständige Organisation zweier Bundesländer überschreitet den eigenstaatlichen Bereich. Damit ist sie von der Selbstorganisationsgewalt der Exekutive nicht mehr gedeckt, und es bedarf der Legitimation durch den Gesetzgeber. Dies geschieht in der Praxis durch das Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag.200 Nur soweit es sich nicht um eine Aufgaben- und Zuständigkeitsausgliederung, sondern lediglich um eine Inpflichtnahme fremder Verwaltungsorgane für eigene Verwaltungsmaßnahmen handelt, muss der Gesetzgeber nicht eingeschaltet werden.201 Die Verfassung von Berlin schreibt in Art. 96 VvB ausdrücklich vor, dass zwischen Berlin und anderen Ländern gemeinsame Behörden, Gerichte und Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gebildet werden können, ihre Errichtung aber immer der Zustimmung des Abgeordnetenhauses bedarf. Art. 96 VvB unterscheidet nicht zwischen gemeinsamen internen Dienstleistungseinrichtungen und nach außen hoheitlich auftretenden gemeinsamen Einrichtungen. Aus diesem Grund liegt den oben genannten gemeinsamen Einrichtungen der Länder Berlin und Brandenburg unabhängig davon, ob Hoheitsgewalt übertragen worden ist oder nicht, immer ein Staatsvertrag zugrunde. Weiterhin sind in Berlin die betroffenen Bezirke bei der Bildung solcher Einrichtungen in angemessener Weise zu beteiligen. Dies ergibt sich aus Art. 60 Abs. 2, 68 VvB.202 Die Verfassung des Landes Brandenburg enthält demgegenüber keine ausdrücklichen Regelungen zu den gemeinsamen Einrichtungen, das Land Brandenburg ist aber praktisch dazu gezwungen, sich bei der Zusammenarbeit mit Berlin an die strengen Berliner Vorgaben zu halten.203 c) Abgrenzung zu anderen Zusammenschlüssen Neben den dargestellten gemeinsamen Einrichtungen können die Bundesländer auch in der Form anderer Zusammenschlüsse kooperieren. Von den gemeinsamen Einrichtungen sind daher Zweckverbände und privatrechtliche Einrichtungen zu unterscheiden. aa) Zweckverbände Auf kommunaler Ebene besteht die Möglichkeit der Zusammenarbeit in einem Zweckverband. Zweckverbände sind öffentlich-rechtliche Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die von mehreren Gebietskörperschaften errichtet 200

Siehe hierzu ausführlich unter Punkt I.1.c)bb). Grawert, S. 184 f. und 195 f. Siehe ausführlich unter Punkt I.1.a) zur Erforderlichkeit der parlamentarischen Zustimmung. 202 Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 96, Rdnr. 13. 203 Siehe zur Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben des Kooperationspartners in diesem Kapitel unter Punkt I.1.c)bb)(1). 201

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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werden und fachbezogene Verwaltungsaufgaben erfüllen sollen, die nicht auf eine unmittelbare politische Legitimation angewiesen sind.204 Während, wie eben beschrieben, gemeinsame Einrichtungen beider Länder der Zustimmung der Parlamente und daher des Abschlusses eines Staatsvertrages bedürfen, erfolgt die Bildung eines Zweckverbandes durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i. S. des § 54 S. 1 VwVfG zwischen den Beteiligten.205 Ein Zweckverband ist auf die Erfüllung einzelner konkreter Verwaltungsaufgaben und nicht so sehr auf die umfassende Bearbeitung ganzer Aufgabenbündel ausgerichtet. Ihm dürfen immer nur einzelne Aufgaben übertragen werden. Typische Aufgabenbereiche sind die Wasserversorgung, die Abwasserbeseitigung, die Abfallbeseitigung, das Schulwesen (Volkshochschule), der öffentliche Personennahverkehr und die Datenverarbeitung.206 Neben Gemeinden und Gemeindeverbänden (§ 4 Abs. 1 GKG) können auch der Bund, die Bundesländer und andere Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts einem Zweckverband angehören, soweit nicht die für sie geltenden besonderen Vorschriften die Beteiligung ausschließen oder beschränken (§ 4 Abs. 2 GKG). Auch Kommunen verschiedener Bundesländer können sich in Zweckverbänden zusammenschließen (§ 4 Abs. 3 GKG). Hier bedarf es einer Einigung der beteiligten Länder über das einschlägige Zweckverbandsrecht und über die Zuständigkeit für die Aufsicht.207 Da Berlin als Stadtstaat mangels einer Unterteilung in selbständige Gemeinden nicht über ein eigenes Zweckverbandsrecht verfügt, müsste im Falle eines grenzüberschreitenden Zweckverbandes der Länder Berlin und Brandenburg brandenburgisches Zweckverbandsrecht angewendet werden. Während das Land Brandenburg bereits am 23. April 1998 mit dem Freistaat Sachsen einen Staatsvertrag über die grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit in Zweckverbänden und durch Zweckvereinbarungen208 und am 6. Juni 2001 einen entsprechenden Staatsvertrag mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern209 unterzeichnet hat, scheint für eine derartige vertragliche Vereinbarung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg bisher keine Notwendigkeit zu bestehen. Selbst auf den klassischen Gebieten der Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung und des Rettungswesens finden sich keine grenzüberschreitenden Zweckverbände der Länder Berlin und Brandenburg. Beide Länder haben sich untereinander geeinigt, auf die Kooperationsform des Zweckverbandes weit-

204

Damkowski, NVwZ 1988, 297, 298 f.; Scharpf/Benz, S. 67 f. Mecking, S. 218. 206 Damkowski, NVwZ 1988, 297, 298 f.; Hohndorf/Falk, S. 218; Scharpf/Benz, S. 67 f. 207 Scharpf/Benz, S. 67 (Fn. 105). 208 BbgGVBl. I/98, S. 225. 209 BbgGVBl. I/01, S. 238. 205

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

gehend zu verzichten. So werden beispielsweise im Wasser- und Abwasserbereich privatrechtliche Kooperationsformen bevorzugt.210 bb) Privatrechtliche Kooperationsformen Die Bundesländer können auch in Rechtsformen des Privatrechts kooperieren. Für ihre Errichtung ist weder der Abschluss eines Staatsvertrages noch im verwaltungsinternen Bereich der Abschluss eines Verwaltungsabkommens erforderlich. Allerdings schließt es die privatrechtliche Gestaltungsform grundsätzlich aus, dass die Einrichtung Hoheitsaufgaben wahrnimmt. Damit beschränkt sich diese Möglichkeit der Zusammenarbeit beider Bundesländer in Formen des Privatrechts auf den Bereich des nicht hoheitlichen Handelns des Staates.211 Grundsätzlich ist die Zulässigkeit privatrechtsförmiger Verwaltung weit überwiegend anerkannt, weil man von einer Formenwahlfreiheit des Staates ausgeht.212 Es wird zwischen formeller und materieller Privatisierung unterschieden. Während bei der formellen Privatisierung der Staat sich der Handlungsformen des Privatrechts, wie beispielsweise einer GmbH oder AG, lediglich bedient, gibt er die Aufgabe bei der materiellen Privatisierung vollständig in private Hände.213 Damit stellt sich bei der materiellen Privatisierung rechtlich die Frage, inwieweit sich der Staat privatrechtlicher Organisationsformen bedienen kann bzw. inwieweit Private mit öffentlichen Aufgaben betraut werden können.214 Als Beispiel einer materiellen Privatisierung im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg sind die Feuersozietät BerlinBrandenburg und die Öffentliche Lebensversicherung Berlin-Brandenburg zu nennen. Während mit Staatsvertrag über die Feuersozietät Berlin-Brandenburg und die Öffentliche Lebensversicherung Berlin-Brandenburg vom 2. April 1993215 beide Länder die Feuersozietät und die Öffentliche Lebensversicherung gemeinsam als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben, wurden diese 2004 in Aktiengesellschaften umgewandelt. Die Feuersozietät Berlin-Branden210

Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt III.3. Bothe, Kompetenzstruktur, S. 283; Bothe, Generalbericht, S. 219; Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 58, Rdnr. 4. 212 BVerwG, NJW 1994, 1169 m.w. N.; BVerwG, NJW 1993, 2695, 2697; Ehlers, S. 64 f. m.w. N.; Weiß, S. 271. 213 Heintzen, Sicherheit, S. 30 f. Zur formellen Privatisierung siehe auch Gramm, Privatisierung, S. 110 ff.; Weiß, S. 29 ff. Zur vorliegend nicht interessierenden funktionellen Privatisierung Letzterer, S. 36 ff. 214 Hierauf wird in Kapitel D. unter Punkt I.1. näher eingegangen. Siehe zu dieser Problematik auch mit weiteren Verweisen grundsätzlich zustimmend Burgi, Privatisierung; Gramm, Privatisierung; Kämmerer; Remmert, Private Dienstleistungen; Weiß, insbes. S. 271 ff. Gegen eine Formen-Wahlfreiheit des Staates Pestalozza, Formenmißbrauch, S. 166 ff., insbes. S. 177; Kempen, S. 129. 215 BlnGVBl. 1993, S. 306. 211

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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burg Versicherung AG und die unter dem gleichen Markendach operierende Öffentliche Lebensversicherung Berlin-Brandenburg AG gehören seit ihrer Privatisierung mehrheitlich zum Konzern Versicherungskammer Bayern. Sie bieten Sach-, Lebens- und private Krankenversicherungen für Privatpersonen und Gewerbetreibende an und sind nunmehr ein Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe.216 Der Bereich der materiellen Privatisierung soll nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein, weil diese sich mit den Kooperationsformen der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg beschäftigen möchte und nicht mit der Auslagerung staatlicher Aufgaben auf Private. Es bleibt lediglich anzumerken, dass auch diese privaten Akteure in großem Umfang in den Ländern Berlin und Brandenburg zusammenarbeiten.217 Im Folgenden werden lediglich die in der vorliegenden Untersuchung interessierenden, formell privaten Kooperationsformen innerhalb der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg kurz dargestellt. • So wird der Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI)218 in der Privatrechtsform einer GmbH betrieben, der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH. Beteiligt sind das Land Brandenburg und das Land Berlin jeweils zu 37 % sowie die Bundesrepublik Deutschland zu 26 %. • Auf dem Gebiet der Medien ist die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH als gemeinsame Einrichtung für Filmförderung und Standortmarketing sowie als Anlaufstelle für alle Akteure der Medienbranche in der Region in der Form des Privatrechts errichtet worden.219 • Im Bereich der Abfallwirtschaft erfolgt die Zusammenarbeit insbesondere durch die „Märkische Entsorgungsanlagen-Betriebsgesellschaft mbH“ (MEAB) und die „Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin mbH“ (SBB). Die MEAB ist ein paritätisches Unternehmen beider Länder. Die SBB wurde 1994 von Berlin, Brandenburg und zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts der Ab-

216 Weitere Informationen finden sich online im Internet unter http://www.feuer sozietaet.de. 217 Zu nennen sind hier exemplarisch der ADAC Berlin-Brandenburg e. V., der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg e. V., der Berlin-Brandenburg Aerospace Allianz e. V., der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg e. V., der Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg e. V., der Handelsverband BerlinBrandenburg e. V., der Immobilienverband, der Verkehrsgewerbeverband, der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. Eine vollständige Übersicht mit weiteren Informationen findet sich im Internet unter http://www.berlin-brandenburg.de/ politik-verwaltung/verbaende/index.html. 218 Informationen zu dem Flughafen Berlin-Brandenburg International finden sich im Internet unter http://www.berlin-airport.de/DE/BBI/index.html. 219 Die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH ist im Internet unter http://www. medienboard.de präsent.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

fallentsorger bzw. Abfallerzeuger in der Region Berlin-Brandenburg gegründet, um die Sonderabfallentsorgung in der gesamten Region in Kooperation von Staat und Wirtschaft grundlegend neu zu organisieren.220 • Ein weiteres Beispiel für die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg in Form einer privatrechtlichen Einrichtung ist der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) zur Regelung des Öffentlichen Personennahverkehrs.221 Ihm kommt eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der vielfältigen Wechselbeziehungen der Länder Berlin und Brandenburg mit ihren oben dargestellten Pendlerverknüpfungen zu. Mit einem Arbeitsgebiet von 30.000 km2 gehört er zu den größten Verkehrsverbünden in Europa.222 Er ist in der Rechtsform einer GmbH errichtet. Gesellschafter des VBB sind das Land Berlin (1/3 der Anteile), das Land Brandenburg (1/3 der Anteile) sowie die 14 Landkreise und 4 kreisfreien Städte im Land Brandenburg (1/3 der Anteile). Zu den Handlungsfeldern des VBB gehören neben der Abstimmung und Planung des Verkehrsangebotes die Weiterentwicklung des einheitlichen Verbundtarifsystems, das Verbundmarketing, die Kundeninformation, die Vertriebskoordination sowie die Einnahmenaufteilung.223 • Zur Unterstützung der Qualitätssicherung und -entwicklung hat am 1. Januar 2006 das gemeinsame Institut für Schulqualität Berlin-Brandenburg seine Arbeit aufgenommen. Es soll durch die Erfassung und Aufbereitung von Daten und Befunden zum Berliner und Brandenburger Schulwesen auf wichtige Entwicklungen aufmerksam machen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung empfehlen. Das Institut wurde in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins gegründet und als An-Institut der Freien Universität Berlin gemäß § 85 des Berliner Hochschulgesetzes anerkannt. Mitglieder des Vereins sind die Länder Berlin und Brandenburg, die Freie Universität Berlin, die Universität Potsdam sowie jeweils ein vom Landesschulbeirat Berlin, vom Landesschulbeirat Brandenburg und von der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. benanntes Mitglied.224 • Zur weiteren Entwicklung des Gesundheitswesens in Berlin und Brandenburg wurde am 26. Mai 2009 die gemeinsame Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung „Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.“ gegründet. Ihre Geschäftsstelle ist in Potsdam.225 220

AvB Drs. 16/0074, S. 15. Nähere Informationen hierzu online im Internet unter http://www.vbbonline.de. 222 Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, Verbundbericht 2007, online im Internet unter http://www.vbbonline.de/download/dokumente/vbb_bericht06.pdf, S. 4. 223 AvB Drs. 16/1052, S. 17. 224 AvB Drs. 16/0074, S. 29. 225 AvB Drs. 16/2787, S. 22. Die Arbeitsgemeinschaft Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V. hat einen Internetauftritt unter http://www.gesundheitberlin.de. 221

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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• Der kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV) beim Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik in Berlin-Dahlem ist ein autonomer Zusammenschluss von wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken in Brandenburg und Berlin auf der Basis der Internet-Technologie und versteht sich als Informationsdienstleister von Bibliotheken und ihren Benutzern sowie für Bildung und Wissenschaft. Über die Suchmaschine stellt der KOBV einen virtuellen Verbundkatalog der Berliner und Brandenburger Bibliotheken bereit. Er wird von Berlin und Brandenburg gemeinsam im Rahmen einer vertraglich fixierten Mischfinanzierung (im Verhältnis 72:28) getragen.226 • Zur Koordinierung der regionalen Aktivitäten in der Biotechnologie wurde BioTOP Berlin-Brandenburg als zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle für alle Belange der Biotechnologie in der Hauptstadtregion gegründet. BioTOP wird durch die Länder Berlin und Brandenburg betrieben und aus Mitteln der beiden Länder und der Investitionsbank Berlin gefördert. Die Wahrnehmung der rechtlichen Verantwortung gegenüber Dritten erfolgt über die TSB Innovationsagentur Berlin GmbH.227 3. Parallele Rechtsvorschriften Wie die Legislativen der Länder Berlin und Brandenburg parallel lautende formelle Gesetze erlassen haben228, finden sich auch im Bereich ihrer Exekutiven gleich lautende Rechtsvorschriften in Form von Rechtsverordnungen und Satzungen. • Am 15. August 2006 traten korrespondierende Regelungen in der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung, Besonderer Teil (GGO II), sowie in der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Brandenburg (GGO)229 in Kraft, die eine verstärkte und verfahrensmäßig geregelte Abstimmung der Rechtsetzungsvorhaben beider Länder auf Regierungsebene vorsehen.230 So schreibt beispielsweise § 23 Abs. 4 GGO Brandenburg vor, dem Senat von Berlin frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Auswirkungen der vorgesehenen Brandenburger Regelung auf das Land Berlin und die Zusammenarbeit beider Länder zu geben und eine möglichst weitgehende Angleichung der rechtlichen Regelungen beider Länder anzustreben. 226

AvB Drs. 16/1052, S. 30; AvB Drs. 15/3370, S. 9. Internetauftritt von BioTOP unter www.biotop.de. Weitere Informationen der „TSB Technologiestiftung Berlin“ im Internet unter http://www.technologiestiftung-ber lin.de. 228 Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt I.2. 229 Die Gemeinsame Geschäftsordnung ist eine in Berlin vom Senat, in Brandenburg von der Landesregierung erlassene Verwaltungsvorschrift, die wichtige Regelungen für den Bereich des Verwaltungsverfahrens, der nicht durch Rechtsvorschriften geregelt ist, enthält (Zivier, Rdnr. 82.1). 230 AvB Drs. 16/0074, S. 20. 227

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

Kabinettsvorlagen müssen unter der Rubrik „Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit dem Land Berlin“ die zu erwartenden Auswirkungen der vorgeschlagenen Regelung auf die Zusammenarbeit und auf die angestrebte Zusammenführung der beiden Länder erläutern. Das Ergebnis der Abstimmung von Rechtsetzungsvorhaben mit dem Land Berlin ist aufzuzeigen, und, sofern eine Rechtsangleichung nicht möglich ist, sind die Gründe darzulegen (Anlage 4 Nr. 2k der GGO Brandenburg). • Weiterhin wurden in Berlin und Brandenburg neue Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für den Rechtspflegerdienst beider Länder erarbeitet. Die Verordnungen sind im Juni bzw. im August 2006 inhaltsgleich in Kraft getreten. Sie gewährleisten, dass die Rechtspfleger aus Berlin und Brandenburg gemeinsam an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (seit dem 1. April 2009 an der Hochschule für Wirtschaft und Recht) in Berlin theoretisch und im jeweiligen Bundesland praktisch ausgebildet werden können.231 • Zum 1. Januar 2009 ist in beiden Ländern eine in wesentlichen Teilen inhaltsgleiche Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des allgemeinen Vollzugsdienstes an Justizvollzugsanstalten in Kraft getreten.232 • Im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung wurde auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des Art. 16 Abs. 4 Landesplanungsvertrag233 im Wege paralleler Gesetzgebung die Gemeinsame Raumordnungsverfahrensverordnung (GROVerfV)234 vom 24. Januar 1996 erlassen.235 Aus den gleichen Gründen, die die Parallelgesetzgebung beider Länder zulässig erscheinen lassen,236 sind auch die parallelen Rechtsvorschriften beider Landesexekutiven formal nicht zu beanstanden, solange Zuständigkeits-, Verfahrensund Formvorschriften eingehalten werden. Dies ist bei den dargestellten Beispielen der Rechtsverordnungen beider Länder geschehen. 4. Informale Zusammenarbeit Neben den dargestellten rechtlich bindenden Kooperationsformen der Länderexekutiven erfolgt ihre Zusammenarbeit in der Praxis zu einem großen Teil informal. Hier handeln die einzelnen Länder rechtlich selbständig, jedoch intern unter 231

AvB Drs. 16/0074, S. 18. AvB Drs. 16/2787, S. 25. 233 Vertrag über die Aufgaben und Trägerschaft sowie Grundlagen und Verfahren der gemeinsamen Landesplanung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg (Landesplanungsvertrag) vom 1. August 1995, BbgGVBl. I/95, S. 261. 234 Verordnung über die einheitliche Durchführung von Raumordnungsverfahren für den gemeinsamen Planungsraum Berlin-Brandenburg (Gemeinsame Raumordnungsverfahrensverordnung) vom 24. Januar 1996, BbgGVBl. II/96, S. 82, 579. 235 Wimmer, LKV 1998, 127, 131. 236 Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt I.2. 232

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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gewisser gegenseitiger Rücksichtnahme und Anpassung. Das Spektrum reicht von der gegenseitigen Unterrichtung über gemeinsame Besprechungen bis hin zu gemeinsamen Arbeitsgemeinschaften und Konferenzen. Die verschiedenen Formen der informalen Zusammenarbeit der Exekutiven gleichen den bereits bei der Legislative dargestellten Formen, erreichen in der Praxis aber ein wesentlich größeres Ausmaß und greifen ineinander über. So wurde beispielsweise zwischen Berlin und Brandenburg eine Arbeitsgruppe gebildet, die für beide Länder relevante Zukunftsfelder herausarbeitete. Bei einem Spitzengespräch am 5. Dezember 2007 zwischen Brandenburgs Wirtschaftsminister Junghanns und Berlins Wirtschaftssenator Wolf wurden Entwürfe von Strategien zu diesen Zukunftsfeldern vorgestellt. Die erreichten Arbeitsstände wurden dann auf dem 1. Innovationsgipfel am 3. November 2008 diskutiert237 und auf dem 2. Innovationsgipfel am 9. September 2009 weiter abgestimmt und verbindlicher gestaltet. Die operative Arbeit zur Umsetzung wurde der TSB Technologiestiftung Berlin Gruppe und der ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH übertragen. Schwerpunkt des Innovationsgipfels 2009 war das Querschnittsthema Technologietransfer. Aus diesem Anlass schlossen die Wissenschafts- und Wirtschaftsressorts beider Länder eine Vereinbarung zur Verbesserung des Wissensund Technologietransfers in der Hauptstadtregion. Zudem wurde ein Lenkungskreis der Staatssekretäre der Wissenschafts- und Wirtschaftsressorts beider Länder etabliert.238 Am 2. Dezember 2010 fand der dritte Innovationsgipfel beider Länder in der IHK Potsdam statt. Hier wurden die gemeinsame Innovationsstrategie Berlin-Brandenburg und der Stand der Entwicklung der fünf Zukunftsfelder vorgestellt.239 Trotz dieser Verflechtungen zwischen den Formen informaler Zusammenarbeit soll im Folgenden diese Zusammenarbeit beider Länder nach ihren „Formen“, das heißt nach der Art und Weise ihrer Durchführung, geordnet dargestellt werden. a) Konferenzen und Treffen Betrachtet man die verschiedenen Möglichkeiten informaler Zusammenarbeit, sind als erstes die Konferenzen und Treffen von Vertretern der Exekutiven beider Länder zu nennen. Die Konferenzen wirken koordinierend, beratend und empfehlend. Sie dienen der Information und Abstimmung der administrativen Praxis sowie der Angleichung von Verwaltungsvorschriften. Die Vereinbarungen, die auf Konferenzen getroffen werden, sind bloße Äußerungen des politischen Willens sowie Abreden zum Zweck der Herbeiführung eines reibungslosen Zusammen-

237

AvB Drs. 16/1940, S. 6. AvB Drs. 16/2787, S. 6 f. 239 Weitere Informationen auf der Internetseite der ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH unter http://www.innovatives-brandenburg.de/de/3346.aspx. 238

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

spiels der staatlichen Organe im Verhältnis beider Länder. Pflichten, die sich hieraus ergeben, sind nicht rechtlich durchsetzbar, sondern ausschließlich politischer Natur. Eine rechtliche Verbindlichkeit können sie erlangen, indem sie als Verwaltungsabkommen oder Staatsvertrag fixiert werden oder ihnen aufgrund einer Satzung, Geschäftsordnung oder Ähnlichem ausdrücklich Rechtsverbindlichkeit zugedacht wird.240 Für die Unterscheidung zwischen einer bloßen Empfehlung und einer rechtlich bindenden Vereinbarung bei einem Konferenzbeschluss ist auf den Willen der Kooperationspartner abzustellen und dieser durch Interpretation zu ermitteln. Hierbei wird das entscheidende Indiz für den Willen in der Bezeichnung der Vereinbarung gesehen.241 Doch selbst wenn eine rechtlich unverbindliche Empfehlung vorliegt, sagt dies nichts über ihre politische Wirkung aus. Beschlüsse von Konferenzen sind das Ergebnis intensiver Beratungen und stellen gleichzeitig den politischen Konsens dar. Auch wird man nur über solche Fragen Beschlüsse fassen, die im Interesse beider Länder einheitlich gehandhabt werden sollten. Hat man sich einmal geeinigt, so wird man sich auch an die Beschlüsse halten, weil sie sonst sinnlos und nicht mehr praktiziert würden.242 • An erster Stelle sind bei der informalen Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg die Treffen auf Regierungsebene zu nennen. Die Landesregierungen der Länder Berlin und Brandenburg kommen jährlich zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung zusammen. Zuletzt trafen sich der Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung am 16. November 2010 im Berliner Rathaus zu ihrer 11. Gemeinsamen Kabinettssitzung. Eines der zentralen Themen dieser gemeinsamen Kabinettssitzung war die Erörterung der in der Öffentlichkeit sehr umstrittenen Flugrouten für den neuen Großflughafen BerlinBrandenburg International.243 • Zudem wurde bereits 1996 ein gemeinsamer Koordinierungsrat beider Länder gebildet.244 Er besteht aus den Regierungschefs beider Länder, je vier von den Regierungen entsandten weiteren Regierungsmitgliedern sowie den Chefs der Senatskanzlei und der Staatskanzlei. Aufgabe des Koordinierungsrats ist die Sicherstellung der Verwirklichung der zwischen den beiden Ländern verein240 Bothe, Generalbericht, S. 213 f.; Feuchte, AöR 98 (1973), 473, 503; Grassl, S. 35 f.; Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 199; Pietzcker, Landesbericht, S. 21 ff.; Vedder, S. 53 f. Rudolf sieht die Verpflichtung zur Ausführung der Vereinbarung in dem Verbot des venire contra factum proprium, wenn ein Land dem Beschluss zugestimmt hat (Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 66). 241 Hofmann, Bundesstaat, S. 29 ff.; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 67. 242 Bothe, Generalbericht, S. 180; Giese, S. 73; Grassl, S. 33; Hofmann, Bundesstaat, S. 31; Vedder, S. 53. 243 Informationen über die Diskussion zur Planung der Flugrouten am künftigen BBI gibt es im Internet unter http://www.berlin-airport.de/DE/Flugrouten/index.php. 244 AvB Drs. 13/1085, S. 1.

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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barten Ziele. Hierzu hat er aber keine hoheitlichen Befugnisse und kann an die Regierungen und Ressorts der beiden Länder nur Empfehlungen richten.245 • Gemäß Art. 6 Landesplanungsvertrag246 haben die Länder Berlin und Brandenburg eine gemeinsame Landesplanungskonferenz gebildet. Sie hat die Aufgabe, die Abstimmung und Zusammenarbeit zur Vorbereitung der Regierungsentscheidungen im Politikfeld Raumordnung und Landesplanung zu koordinieren und auf einen Interessenausgleich zwischen beiden Ländern hinzuwirken. Jedes Land kann die Einberufung der Konferenz verlangen und Themen auf die Tagesordnung setzen. Die Beschlüsse werden einvernehmlich getroffen, und die Mitglieder eines Landes können ihre Stimmen auch nur einheitlich abgeben. Durch die geforderte Einstimmigkeit der Beschlüsse scheint hier eine Parallele zu den rechtlich verbindlichen Beschlüssen der zur bundesweiten Zusammenarbeit gehörenden Kultusministerkonferenz gegeben zu sein: Aus der Einstimmigkeit wird für diese Beschlüsse der Wille der Beteiligten entnommen, dass in einem solchen Fall gemeinsamen Willens der Länder auch eine Bindung aller bestehen solle.247 Hinsichtlich der Landesplanungskonferenz steht dem jedoch die Regelung im Staatsvertrag entgegen. Art. 6 S. 3 des Landesplanungsvertrags besagt ausdrücklich, dass die Beschlüsse der Landesplanungskonferenz den Entscheidungen der Landesregierungen als Empfehlungen zugrunde zu legen sind. Die Landesregierungen sind demzufolge an die Beschlüsse nicht gebunden. Will ein Land aber von ihnen abweichen, hat es dies gegenüber der Landesplanungskonferenz zu begründen und es darf eine endgültige Entscheidung erst nach erneuter Befassung der Landesplanungskonferenz treffen (Art. 6 S. 4 Landesplanungsvertrag).248 Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landesplanungskonferenz wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe geschaffen.249 • Im Rahmen des Integrierten Klimaschutzmanagements tagt seit 2004 zweimal jährlich die hierfür eingerichtete Lenkungsgruppe, bestehend aus Mitgliedern der Länder Berlin und Brandenburg.250

245

Zivier, Rdnr. 95.2. Vertrag über die Aufgaben und Trägerschaft sowie Grundlagen und Verfahren der gemeinsamen Landesplanung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg, BbgGVBl. I/08, S. 42. 247 Bothe, Generalbericht, S. 213 f.; Grassl, S. 35 f.; Pietzcker, Landesbericht, S. 21 ff.; Vedder, S. 53 f. 248 Weitere Informationen zur Landesplanungskonferenz finden sich im Internet unter http://gl.berlin-brandenburg.de/ueber/landesplanungskonferenz/index.html. Siehe auch Priebs, DÖV 1996, 541, 544. Aufgrund dieser Begründungspflicht erscheint der Druck auf die Verhandlungspartner, die Empfehlungen im eigenen Land auch durchzusetzen, größer, wenngleich letztendlich doch von ihnen abgewichen werden darf. 249 Driehaus, VvB, Art. 96, Rdnr. 5; Zivier, Rdnr. 96.2.1 ff. 250 AvB Drs. 16/1940, S. 18. 246

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

• Im Bereich des Arbeitsschutzes sind von den Arbeitsschutzverwaltungen Berlins und Brandenburgs jährlich ausgewählte Schwerpunktprojekte zur Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten im gemeinsamen Wirtschaftsraum auf der Basis der Kooperationsvereinbarung vom 5. Dezember 2005 abgestimmt worden. Im Juni 2008 wurden die Planungen für landesspezifische Programme im Jahr 2009 in einer gemeinsamen Konferenz vorgestellt und diskutiert.251 • Jährlich treten beide Länder gemeinsam auf den Außenwirtschaftskonferenzen Berlin-Brandenburg auf. Im Oktober 2007 fand die Konferenz in Potsdam mit den Schwerpunkten Brasilien und Türkei statt. Im November 2008 wurde in Berlin mit dem Schwerpunkt Region Südafrika getagt.252 Im Dezember 2009 war der Schwerpunkt Naher und Mittlerer Osten.253 Ende August 2010 trafen sich beide Länder bereits zur achten Außenwirtschaftskonferenz mit dem Schwerpunkt China.254 • Die Berliner NS-Gedenkstätten und die Gedenkstätte Sachsenhausen arbeiten seit 2009 in einer „Ständigen Konferenz der NS-Gedenkstätten im Raum Berlin“ zusammen.255 b) Arbeitsgemeinschaften Neben den Konferenzen finden sich Vertreter der Landesexekutiven in Arbeitsgemeinschaften bzw. Arbeitsgruppen zusammen. Hierbei gehen die kooperierenden Verwaltungen nicht mehr als eine lockere Verbindung ein, durch die ihre organisatorische und rechtliche Selbständigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird.256 Rechtlich geregelt ist die Form der Arbeitsgemeinschaft für die kommunale Ebene im Land Brandenburg in den §§ 2 und 3 GKG. In der Arbeitsgemeinschaft auf kommunaler Ebene werden Aufgaben, die den Wirkungskreis mehrerer Gemeinden berühren, gemeinsam beraten und gemeinsame Entscheidungen vorbereitet oder es werden die eigenen Maßnahmen mit denen der Nachbarn abgestimmt. Die Arbeitsgemeinschaft hat keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie erlässt keine die Mitglieder bindenden Beschlüsse, sondern hat nach § 3 Abs. 1 S. 1 GKG lediglich die Befugnis, gegenüber ihren Mitgliedern Anregun251

AvB Drs. 16/1940, S. 19. AvB Drs. 16/1940, S. 8. 253 AvB Drs. 16/2787, S. 9. 254 Presseinformation des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg vom 30. August 2010, online im Internet unter http:// www.mwe.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.222597.de. 255 AvB Drs. 16/2787, S. 26. 256 Kölble, NJW 1962, 1081. Hier arbeiten die Länder in gleicher Weise zusammen wie die Gemeinden in den in §§ 2 und 3 GKG des Landes Brandenburg geregelten kommunalen Arbeitsgemeinschaften. Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt III.1. 252

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gen zu geben. Die Umsetzung dieser Anregungen erfolgt durch die Mitglieder selbst.257 Für die Landesebene sind die Arbeitsgemeinschaften nicht gesetzlich geregelt. Aber auch ohne konkrete Ermächtigungsgrundlage können beide Länder in Arbeitsgemeinschaften zusammenarbeiten. Durch ihren rein internen Charakter ohne Außenbezug zum Bürger liegt die Handlungsform im Ermessen der jeweiligen Exekutive. So werden in Berlin und Brandenburg je nach Klärungsbedarf themenbezogene interministerielle Arbeitsgemeinschaften gebildet. • Beispielsweise haben die Finanzressorts beider Länder im Januar 2005 eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Klärung der finanziellen Rahmenbedingungen einer Länderneugliederung gebildet. Hierzu gehören unter anderem Vorüberlegungen zum Zuschnitt des Haushalts eines gemeinsamen Landes und eines kommunalen Haushalts der Stadt Berlin, zu den Einnahmen beider Ebenen und zu den bis zur Länderneugliederung erforderlichen Konsolidierungsvolumina.258 • Die Außenwirtschaftsaktivitäten der Länder Berlin und Brandenburg werden seit 2005 im gemeinsamen Außenwirtschaftsbeirat, der Arbeitsgemeinschaft Außenwirtschaft Berlin und Brandenburg, abgestimmt. Eine gemeinsame Initiative ist die bereits bei den Konferenzen erwähnte Außenwirtschaftskonferenz Berlin-Brandenburg, die im August 2010 zum achten Mal stattfand. • Zur Abstimmung der Hochschulstrukturen finden regelmäßige Treffen zwischen den Leitungsebenen und auf der Arbeitsebene der zuständigen Ressorts mit vier gemeinsamen, regelmäßig tagenden Arbeitsgruppen zu den wichtigsten Abstimmungsfeldern statt.259 • Zur weiteren Entwicklung des Gesundheitswesens hat eine ressortübergreifende Steuerungsgruppe der Staatssekretäre für Wirtschaft, Gesundheit und Wissenschaft sowie der Chefs der Senats- bzw. Staatskanzlei am 26. Oktober 2007 den Masterplan „Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg“ beschlossen, in dem zwölf Handlungsfelder, strategische Ziele und konkrete Maßnahmeempfehlungen beschrieben werden, um die Region Berlin-Brandenburg als die Gesundheitsregion Deutschlands und Europas zu etablieren.260 • Auch auf dem Gebiet der Krankenhausplanung arbeitet das Land Berlin in enger Abstimmung mit der Brandenburger Planungsbehörde. Hierfür finden regelmäßige Gespräche mit dem Ziel der Harmonisierung der gemeinsamen 257

Hohndorf/Falk, S. 217; Mecking, S. 217. AvB Drs. 15/4474, S. 9. 259 LtBbg Drs. 4/6429, S. 35. 260 Netzwerk Gesundheitswirtschaft, TSB Innovationsagentur Berlin GmbH, Masterplan „Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg“, November 2007, online im Internet unter www.healthcapital.de. 258

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

Krankenhausplanung zwischen Berlin und Brandenburg im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben statt. Diese fachliche Zusammenarbeit wurde durch Etablierung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Fachvertretern der Gesundheitsressorts beider Länder verstärkt.261 • Eine im Januar 2008 gebildete Lenkungsgruppe auf Referatsleiterebene unter Beteiligung der Innen- und Verkehrsressorts sollte für ein länderübergreifendes Verkehrs- und Mobilitätsmanagement Zielvorgaben definieren und das Controlling durchführen. Mit der Umsetzung des Konzeptes wurde eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Landesbetriebes Straßenwesen Brandenburg betraut, die sich zusätzlich aus Vertretern des Landes Berlin, der Verkehrsmanagementzentrale Berlin, des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, der Polizeipräsidien und der Stadt Potsdam zusammensetzt.262 c) Besprechungen und Absprachen Auch auf dem Gebiet der Exekutive spielen neben den Konferenzen und Arbeitsgemeinschaften vor allem Besprechungen und Absprachen zwischen den Fachressorts der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg eine große Rolle. So wurde bereits im Jahr 1996 zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg vereinbart263, dass ihre Zusammenarbeit und Koordinierung in erster Linie den Fachressorts obliegen solle. • Ein Beispiel ist die enge Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg bei der Bewertung von Infrastrukturmaßnahmen. Hierbei werden länderübergreifende Infrastrukturentscheidungen auf der Grundlage gemeinsam beauftragter Nutzen-Kosten-Untersuchungen vorbereitet.264 • Die Länder Berlin und Brandenburg haben in einem Lenkungsgremium „Gemeinsame Umsetzungsplanung für den Aufbau der Geodateninfrastruktur“ eine gemeinsame Geodateninfrastruktur Berlin-Brandenburg aufgebaut, die sich im Internet unter http://gdi.berlin-brandenburg.de/ präsentiert.265 • Im Bereich der Forschung kooperieren die Berliner und Brandenburger Wissenschaftseinrichtungen im Rahmen der Exzellenzinitiative. • Weiterhin sind Regionale Entwicklungskonzepte ein informelles Instrument der integrierten Entwicklungsplanung. Sie können weder für die Regionalplanung der Landkreise noch für die Bauleitplanung der Gemeinde irgendeine 261

LtBbg Drs. 4/6429, S. 35; AvB Drs. 16/0074, S. 25; AvB Drs. 16/1940, S. 17. AvB Drs. 16/1940, S. 11. 263 AvB Drs. 13/1085, S. 1. 264 AvB Drs. 16/1940, S. 10. 265 Weitere Informationen auf der Homepage der Geodateninfrastruktur im Internet unter http://gdi.berlin-brandenburg.de. 262

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rechtliche Bindungswirkung entfalten. Ihre Inhalte haben lediglich faktische Wirkung über den kooperativ ausgestalteten Erarbeitungsprozess.266 Solche Regionalen Entwicklungskonzepte existieren auch über die Landesgrenzen der Länder Berlin und Brandenburg hinweg. Zu nennen sind hier beispielsweise das Modellvorhaben der Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern „Kooperation und Vernetzung im Nordosten“ 267 und die Regionalparkplanung beider Länder.268 Unter der Rubrik Besprechungen und Absprachen ist auch auf dem Gebiet der Exekutive die bereits bei der Legislative dargestellte parteipolitische Zusammenarbeit kurz zu nennen. Da die Amtsträger der Verwaltungen beider Länder größtenteils einer Partei angehören, treffen sie sich unter dem Gesichtspunkt, die politischen Vorstellungen zu koordinieren oder ein gemeinsames Vorgehen abzusprechen.269 Diese parteipolitischen Absprachen erfolgen aber nicht allein bilateral zwischen Berlin und Brandenburg, sondern bundesweit, und sind zudem privatrechtlicher Natur, so dass hierauf in der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen wird. d) Preisverleihungen und Werbeaktionen Auf dem Gebiet informaler Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg sind des Weiteren die von beiden Ländern gemeinsam durchgeführten Preisverleihungen und Werbeaktionen zu nennen. • So werden herausragende Innovationen aus der Hauptstadtregion jährlich mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet. Der Preis wird seit 1984 von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen und seit 1992 gemeinsam mit dem Brandenburger Ministerium für Wirtschaft vergeben.270 266

Nedden, in: Bufalica/Röber, S. 76. Siehe hierzu mit weiteren Informationen im Internetauftritt der Gemeinsamen Landesplanung unter http://gl.berlin-brandenburg.de/regionalentwicklung/moro/index. html. Im Rahmen dieser regionalen Zusammenarbeit der drei Länder fand am 8. Dezember 2010 die Dreiländerkonferenz der Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in Berlin statt, auf der die zukünftige Zusammenarbeit im Bereich der Raumordnung und Regionalplanung diskutiert wurde. Weitere Informationen hierzu im Internet unter http://gl.berlin-brandenburg.de/hauptstadtregion/moro/dreilaender konferenz.html. Siehe auch in Kapitel A. unter Punkt V.3.b). 268 Siehe hierzu ausführlich die Informationsbroschüre der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung des Landes Berlin und des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg, Regionalparks in Brandenburg und Berlin – Strategien für eine nachhaltige Entwicklung des Metropolenraumes, 2. Auflage, Potsdam 2001. 269 Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 194. 270 Weitere Informationen zum Innovationspreis Berlin-Brandenburg sind im Internet unter http://www.innovationspreis-bb.de abrufbar. 267

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• Mit dem Qualitätspreis Berlin-Brandenburg werden Unternehmen der Region für herausragende Leistungen auf dem Gebiet des umfassenden Qualitätsmanagements ausgezeichnet.271 • Unter der Internet-Adresse www.Literaturport.de steht seit Juli 2006 eine vom Literarischen Colloquium Berlin gemeinsam mit dem brandenburgischen Literaturbüro entwickelte Webseite für die deutsche Literatur, insbesondere der Region Berlin-Brandenburg, zur Verfügung. Ein Autorenlexikon informiert über Berliner und Brandenburger Autoren in der Geschichte und der Gegenwart. Literarische Institutionen und Gedenkstätten werden vorgestellt sowie Veranstaltungen empfohlen. Das Internetportal wurde 2008 mit dem „Grimme Online Award“ des Adolf Grimme-Instituts für herausragende publizistische Projekte im Internet ausgezeichnet.272 • Die Berlin-Brandenburgischen Gedenkstätten haben 2009 ein gemeinsames Internetportal zur NS-Geschichte gestartet.273 • Die Hauptstadtregion vermarktet sich darüber hinaus unter der gemeinsamen Business-Marke „The German Capital Region – more value for your investment“. • Für das Umfeld des Flughafens BBI wurde die Marke „Airport Region BerlinBrandenburg“ entwickelt, und seine Akteure treten seit dem 5. Oktober 2008 im Internet unter www. airport-region.de gemeinsam auf. • Zur Unterstützung der Außenwirtschaftsbeziehungen der Länder Berlin und Brandenburg dient die Datenbank „Berlin-Brandenburg International“ unter www.bb-export.com.274 e) Rechtliche Beurteilung der informalen Zusammenarbeit beider Länder Die unverbindliche, informale Zusammenarbeit in diversen, zum Teil anlassbezogenen gemeinsamen Arbeitsgemeinschaften, durch gemeinsam aufgestellte Prognosen und Leitziele, unverbindliche Vereinbarungen und gemeinsame Aktivitäten ist die mit geringster Intensität ausgestattete Form der Zusammenarbeit beider Länder. Sie ist Ausdruck ihrer Kooperationsfreundlichkeit. Hierbei wird teilweise zwischen Wissenserklärungen (Auskünften, Warnungen, Berichten) und tatsächlichen Verrichtungen unterschieden, wobei an diese Unterscheidung keine weiteren rechtlichen Konsequenzen geknüpft werden.275 Andere unterscheiden 271

Informationen hierzu finden sich im Internet unter www.q-preis.de. AvB Drs. 16/1052, S. 31; AvB Drs. 16/1940, S. 21 f. 273 AvB Drs. 16/2787, S. 26. 274 AvB Drs. 16/1940, S. 7 f. 275 Maurer, Verwaltungsrecht AT, § 15, Rdnr. 16. Ausführlich zu informalen Verwaltungshandeln auch Dreier, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1993, 647 ff. 272

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zwischen informalen Maßnahmen der Informationsbeschaffung und staatlicher Informations- und Aufklärungsarbeit. So werden beispielsweise in gemeinsamen Arbeitsgruppen beider Länder abgestimmte gesetzliche Regelungen oder Regelungen in Rechtsverordnungen vorbereitet, die im weiteren Verlauf von den jeweils im eigenen Land zuständigen Stellen in den entsprechenden Formen des Rechts erlassen werden. Dabei sind die informal getroffenen Absprachen nicht gerichtlich einklagbar.276 Den Maßnahmen der staatlichen Öffentlichkeits-, Informations- und Aufklärungsarbeit fehlt der Regelungsgehalt. Sie sind nicht auf die Setzung von Rechtsfolgen gerichtet, sondern sollen einen tatsächlichen Erfolg bewirken. Im weitesten Sinne dienen sie der Verhaltensbeeinflussung der Bevölkerung.277 So wollen die Länder Berlin und Brandenburg durch gemeinsame Aktionen, wie der Verleihung des Investitionspreises Berlin-Brandenburg, ihre Bürger zu einem stärkeren gemeinsamen Denken und Handeln bewegen. Dennoch führen die staatlichen Informationsmaßnahmen den gewünschten Erfolg nicht unmittelbar herbei, sondern stellen auf ihren geistigen Einfluss ab. Der Eintritt des staatlich erwünschten Erfolgs setzt einen entsprechenden eigenen Willensentschluss der Adressaten der Information und ein bestimmtes Verhalten voraus.278 Daher ist die Intensität der informalen Maßnahmen auf die Bürger gering. Unter diesem Aspekt wird sogar die rechtlich unverbindliche Mitwirkung des Bundes bei Ländertätigkeit so lange als unproblematisch angesehen, wie es dem rechtlich und politisch freien Entschluss der (zuständigen) Landesorgane überlassen bleibt, die vom Bund vorgeschlagene Regelung zu übernehmen oder selbst ein Gesetz auszuarbeiten und zu erlassen. Entscheidend ist hierbei, dass die rechtserheblichen Entscheidungen letztlich vom Land allein in eigener Verantwortung getroffen werden.279 Hierauf wird im nächsten Kapitel in Bezug auf die Länder Berlin und Brandenburg unter inhaltlichen Gesichtspunkten noch zurückzukommen sein. An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten, dass die informale Zusammenarbeit zwischen den Landesexekutiven der Länder Berlin und Brandenburg ohne spezielle rechtliche Grundlage erfolgt. Dies ist zulässig, weil für beratende, planende, empfehlende und koordinierende Ausschüsse, Beiräte und Konferenzen kein Gesetzesvorbehalt besteht. Derartige Gremien bereiten die Entscheidungen der Regierungs- und Verwaltungsorgane in sachlicher Hinsicht vor, agieren also im Bereich des exekutiven Willensbildungsprozesses. Solange ihre Beschlussfassung sachlich für die beteiligten Verwaltungen hinsichtlich Initiativgebung und Umsetzung unverbindlich ist und den Verwaltungen die eigene sachliche Entscheidungsgewalt erhalten bleibt, wird keine Hoheitsgewalt übertragen 276 277 278 279

Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 50. Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 90. Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 92. Harbich, S. 125.

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und ein förmliches Gesetz daher nicht erforderlich.280 Hinzu kommt, dass das informale Handeln nicht in Grundrechte der Bürger eingreift, so dass es auch aus diesem Gesichtspunkt heraus keiner ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Damit können die einzelnen Landesbehörden die Art und Weise ihres Tätigwerdens selbst bestimmen, was auch die Zusammenarbeit mit anderen Behörden einschließt, denn es gibt keinen numerus clausus von Handlungsformen der Verwaltung.281 Informales Verwaltungshandeln erfolgt damit größtenteils im „gesetzesfreien Raum“ und wird teilweise als Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat angesehen, weil Entscheidungsverfahren und Entscheidungsformen an Institutionen und Regeln außerhalb der Verfassung orientiert sind.282 Rechtliche Formvorgaben stellen keinen Selbstzweck dar, sondern sollen Gleichheit, Berechenbarkeit, Vorhersehbarkeit und Transparenz staatlicher Maßnahmen gewährleisten. Hinzu tritt, dass sie die Kontrolle und gegebenenfalls die Korrektur staatlichen Handelns erleichtern.283 Soweit die Länder Berlin und Brandenburg informal zusammenarbeiten, entzieht sich diese Zusammenarbeit den zuvor genannten rechtsstaatlichen Sicherungen. Allein deswegen ist informales staatliches Handeln aber nicht rechtswidrig.284 Denn auch ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist informales staatliches Handeln an das Recht gebunden. Art. 20 Abs. 3 GG gilt für jede Tätigkeit der Verwaltung ohne Rücksicht auf ihren Formalisierungsgrad. Damit gelten auch für informales Verwaltungshandeln der Vorrang des Gesetzes, das Übermaßverbot, der Gleichheitsgrundsatz und weitere fundamentale Schutzvorkehrungen des Verfassungsrechts.285 So dürfen beispielsweise die Länder Berlin und Brandenburg nur auf den Gebieten informal zusammenarbeiten, auf denen sie auch die Kompetenzen von der Verfassung eingeräumt bekommen haben, oder es darf auch beim nichtförmlichen Handeln nur die zuständige Behörde tätig werden.286 Gefordert wird für die rechtliche Beurteilung eine Unterscheidung in informales Handeln, das die förmlichen Verfahren ergänzt, und solches, das der Umgehung förmlichen Handelns dient.287 Während Ersteres grundsätzlich rechtmäßig 280

Grawert, S. 256 f. Maurer, Verwaltungsrecht AT, § 15, Rdnr. 19. 282 Allgemein zu den Gefahren informaler Staatstätigkeit für die Rechtsordnung ausführlich Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 108 ff.; Ruffert, DVBl. 2002, 1145, 1146 bezogen auf die Bundesebene. Speziell zu informalen Verwaltungshandeln siehe Dose, Verw 27 (1994), 91, 97 f. m.w. N. 283 Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 8. 284 Isensee, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 62 (2003), S. 90 f.; Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 11. 285 Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 114 f. 286 Siehe hierzu ausführlich Maurer, Verwaltungsrecht AT, § 15, Rdnr. 21. 287 Isensee, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 62 (2003), S. 90 f. 281

II. Formen der Zusammenarbeit der Exekutive

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ist, bestehen bei Letzterem rechtliche Bedenken. Betrachtet man die dargestellte informale Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg, so dient sie offensichtlich nicht der Umgehung förmlicher Verfahren, sondern zielt auf ein gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit zur Stärkung der Region Berlin-Brandenburg im Bewusstsein der Bürger ab. Dieses gemeinsame Auftreten in der Öffentlichkeit kann nur in tatsächlichen Handlungen ohne Rechtscharakter stattfinden. Probleme der Berechenbarkeit, Vorhersehbarkeit, Transparenz und Kontrolle stellen sich aufgrund der geringen Intensität und der mangelnden Rechtswirkungen dieses staatlichen Handelns nur im geringen Umfang. Auch wenn Verwaltungsmitarbeiter der Berliner Verwaltung sich mit ihren Brandenburger Kollegen über Erfahrungen und gemeinsame Verfahrensweisen in Besprechungen abstimmen, ist das rechtlich zulässig. Die dargestellte informale Zusammenarbeit beider Länder ist damit vom Handlungsinstrumentarium der Landesexekutiven gedeckt. Bei gemeinsamen Handlungsstrategien, Preisverleihungen und Internetauftritten handelt es sich nicht um für das Gemeinwesen wesentliche Themen, die eine Regelung in einem förmlichen Gesetz erfordern. Ebenso verhält es sich aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit auch mit den informalen Absprachen auf Regierungsebene bzw. mit politisch bindenden Absprachen und der institutionalisierten Zusammenarbeit beider Länder beispielsweise im Koordinierungsrat, der lediglich Empfehlungen aussprechen kann, die aufgrund der Ansiedlung auf Regierungsebene von einigem politischen Gewicht sind, aber rechtlich nicht verpflichten. Hier bleiben die Länder in ihrer Gestaltung frei. So hat der Koordinierungsrat beispielsweise die Zusammenlegung der Ausbildung von Polizeibeamten beider Länder empfohlen.288 Daraufhin wird seit Oktober 2005 an der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg in Kooperation mit der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin (seit 1. April 2009 die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) die Ausbildung des höheren Polizeivollzugsdienstes im 1. Studienjahr durchgeführt.289 Eine zudem geplante Zusammenführung der Ausbildungs- und Studiengänge für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst ist an der Frage der hochschulrechtlichen Stellung und Verfasstheit der angestrebten gemeinsamen Fachhochschule gescheitert. Während der Verhandlungen hielt Brandenburg an seinem Ansatz einer dem Innenministerium nachgeordneten Einrichtung für die Ausbildungen des Polizeidienstes fest, und Berlin favorisierte sein Modell einer Hochschulausbildung, angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung.290 Da keine Einigung in diesem Punkt erzielt werden konnte, hat 288 289 290

AvB Drs. 15/3370, S. 6. AvB Drs. 16/1052, S. 19. AvB Drs. 15/4474, S. 8.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

das Land Brandenburg im Oktober 2007 an der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg in Oranienburg einen Bachelor-Studiengang für den gehobenen Polizeivollzugsdienst eingeführt, und im Land Berlin wurde die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege Berlin, zu der auch der Fachbereich Polizeivollzugsdienst gehört, im April 2009 in die Fachhochschule für Wirtschaft integriert.291 Mit den so geschaffenen inkompatiblen Landeseinrichtungen dürfte sich das Ziel einer Zusammenführung der Ausbildungs- und Studiengänge für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst erledigt haben.292 Aufgrund dieser praktisch unüberwindbaren Gegensätze war die Empfehlung des Koordinierungsrates für die zuständigen Fachressorts nicht umsetzbar und ist damit gescheitert.

III. Formen der Zusammenarbeit der Judikative Bei den Formen der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg in der Judikative fällt zunächst auf, dass im Gegensatz zur bisher dargestellten Exekutive die Zusammenarbeit beider Länder auf institutionalisierte Formen beschränkt ist und kaum informal betrieben wird. Die Ursache hierfür lässt sich in der Art der richterlichen Tätigkeit und der Aufgabe der Richter, in Unabhängigkeit Recht anzuwenden, vermuten.293 Während die Exekutive Gesetze ausführt und es dabei sinnvoll erscheinen kann, dies mit dem jeweils anderen Bundesland abzustimmen, damit in der gemeinsamen Region Berlin-Brandenburg mit ihren engen Verflechtungen das Recht gleich angewendet wird, sind die Richter bei ihrer Arbeit unabhängig (Art. 97 GG). Durch diese Unabhängigkeit der richterlichen Tätigkeit sind Absprachen beider Länder hinsichtlich gleicher Rechtsanwendung ihrer Gerichte bereits von vornherein ausgeschlossen. Eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rechtsprechungstätigkeit kann daher allenfalls freiwillig erfolgen.294 Die unter Gleichheitsgesichtspunkten geforderte Rechtseinheit der Auslegung von Bundesgesetzen wird durch die Möglichkeit der richterlichen 291 AvB Drs. 16/2787, S. 25. Zur Entwicklung siehe AvB Drs. 16/1052, S. 20; AvB Drs. 16/0074, S. 23. 292 Dies entspricht auch der Einschätzung eines Mitarbeiters der Senatskanzlei Berlin, mit dem die Verfasserin im Februar 2011 ein Gespräch führte. 293 Bothe, Kompetenzstruktur, S. 283; Pietzcker, Landesbericht, S. 36. 294 Ein Beispiel einer solchen freiwilligen „Zusammenarbeit“ ist die Heranziehung gleichgelagerter Entscheidungen anderer Gerichte, was rechtlich unproblematisch ist und sich nicht auf die Länder Berlin und Brandenburg beschränkt. Omnilateral und unter Gleichbehandlungsgrundsätzen verpflichtend sind auch Berechnungstabellen, wie beispielsweise die Bremer Tabelle zur Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts oder die Düsseldorfer Tabelle mit Leitlinien für den Unterhaltsbedarf von Unterhaltsberechtigten. Zu internationalen Insolvenzverwaltungsverträgen als Richterverträge siehe Arnst, S. 65 f. Zur vorliegend nicht untersuchten, europaweiten justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen siehe Wagner, NJW 2011, 1404 ff.

III. Formen der Zusammenarbeit der Judikative

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Kontrolle einzelner Landesgerichte durch Bundesgerichte gewährleistet. Im Bereich des Landesrechts scheitert demgegenüber eine Zusammenarbeit von Gerichten mehrerer Länder in der Rechtsprechung bereits an den unterschiedlichen rechtlichen Fragestellungen, solange die Landesgesetze nicht im Wege von Parallelgesetzgebung einander entsprechen. Aus den genannten Gründen findet die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg im Bereich der Justiz größtenteils nicht konkret bezüglich der Rechtsprechungstätigkeit, sondern in der Justizverwaltung statt, die auch zur Exekutive gerechnet werden könnte, sowie teilweise bei Gesetzgebungsverfahren, die den Bereich der Justiz betreffen, aber auch der Legislative zugerechnet werden könnten. Das Grundgesetz hat die Rechtsprechung als eigenständige Gewalt festgelegt, die von besonderen Organen – den Gerichten – ausgeführt wird (Art. 92 Hs. 1 GG). Die Verwaltung der Gerichte übernimmt jedoch die Exekutive. Damit ist die Gerichts- und Justizverwaltung der Exekutive zuzuordnen, auch wenn sie im unmittelbaren Bezug zu den Aufgaben der Rechtsprechung steht.295 Die Einteilung der „Justiz“ als Ganzes unter eine der drei Gewalten ist daher nicht eindeutig möglich. Vielmehr wirken an der Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs alle drei Staatsgewalten mit. Die Verwaltung schafft die notwendigen materiellen und personellen Voraussetzungen der rechtsprechenden Gewalt, die Richter entscheiden konkrete Rechtsstreitigkeiten im Rahmen der Gesetze und der Gesetzgeber schafft die Verfahrensordnungen der Justiz.296 Zur Gewinnung eines Überblicks über die Zusammenarbeit beider Länder im Bereich der Justiz soll die gesamte diesen Bereich betreffende Zusammenarbeit im Folgenden gebündelt dargestellt und nicht auf die drei Gewalten aufgeteilt werden. Diese Darstellung dient zugleich als Grundlage der ausführlichen rechtlichen Untersuchung der Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich in Kapitel E. Die bundesweite Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Judikative in Form der Rechtshilfe gemäß Art. 35 GG297 und bei der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen der Gerichte anderer Bundesländer ist demgegenüber nicht Thema der vorliegenden Arbeit. 1. Gemeinsame Einrichtungen in der Justiz Zu nennen sind hier an erster Stelle die gemeinsamen Einrichtungen beider Länder im Bereich der Justiz.

295 296 297

VerfGH Münster, JZ 1999, 1109 ff. Kramer, NJW 2009, 3079, 3081. Siehe hierzu näher Bauer, in: Dreier, GG, Art. 35, Rdnr. 13 f.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

a) Gemeinsame Gerichte Hierbei nehmen die gemeinsamen Gerichte eine herausgehobene Stellung ein. Die Länder Berlin und Brandenburg haben zum 1. Juli 2005 ein gemeinsames Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Berlin und ein gemeinsames Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Potsdam sowie zum 1. Januar 2007 das Finanzgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Cottbus und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Berlin errichtet.298 Dabei wurde bewusst auf die Bildung „Berliner Senate“ oder „Brandenburger Senate“ verzichtet, um das Bewusstsein der Gemeinsamkeit zu stärken.299 Da die gemeinsamen Obergerichte vorwiegend der administrativen Bündelung der sächlichen und persönlichen Mittel dienen, werden sie als nach außen hoheitlich auftretende, gemeinsame Einrichtungen angesehen.300 Die Fusion der Obergerichte hat zu einer engeren und besseren Zusammenarbeit innerhalb der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit geführt. Sie ermöglicht unter anderem eine größere Spezialisierung der Senate und eine Verschlankung der Verwaltungsstrukturen, wodurch die Verfahrensdauern verkürzt und Einsparmöglichkeiten realisiert werden können.301 Neben diesen gemeinsamen Fachgerichten Berlin-Brandenburg übernehmen Berliner Gerichte im begrenzten Umfang Aufgaben für Brandenburg mit. Im Staatsvertrag über die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte vom 20. November 1995 werden hoheitliche Funktionen und Aufgaben an das Land Berlin zur Wahrnehmung für beide Länder übertragen. Mit dem Staatsvertrag über die Errichtung eines Zentralen Mahngerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2006302 wurde das Amtsgericht Wedding in Berlin ab dem 1. Juli 2006 auch für die Mahnverfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Landes Brandenburg für zuständig erklärt. Weite Anfahrtswege insbesondere der brandenburgischen Bevölkerung werden minimiert, indem nahezu die gesamte Korrespondenz mit dem Mahngericht über das Internet geführt werden kann.303 Im Staatsvertrag über die Übertragung der Zuständigkeit

298 Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg, BbgGVBl. I/04, S. 278, abgedruckt in Anlage 1. 299 Benndorf u. a., LKV 2010, 449, 453 für das gemeinsame Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, die dieses Konzept als bestens bewährt beurteilen. 300 Pietzcker, Landesbericht, S. 31 f. Siehe hierzu die ausführliche rechtliche Einordnung der gemeinsamen Gerichte unter die verschiedenen Formen der gemeinsamen Einrichtungen in Kapitel E. unter Punkt I.2.b). 301 AvB Drs. 16/1052, S. 22. 302 Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung des Zentralen Mahngerichts Berlin-Brandenburg sowie zur Änderung des Staatsvertrags zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg vom 20. November 1995 über die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte vom 24. März 2006, BlnGVBl. 2006, S. 270 ff. 303 AvB Drs. 16/1052, S. 22; AvB Drs. 16/0074, S. 16 f.

III. Formen der Zusammenarbeit der Judikative

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in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. November 2010304 wurden auch diese von den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt dem Kammergericht Berlin übertragen. b) Gemeinsames Juristisches Prüfungsamt Die Länder Berlin und Brandenburg arbeiten seit dem 1. Januar 2005 in einem gemeinsamen juristischen Prüfungsamt (GJPA) zusammen. Es wurde durch den Staatsvertrag vom 29. Juni 2004 errichtet.305 Organisatorisch ist es in die Berliner Senatsverwaltung für Justiz als Abteilung IV eingegliedert (Art. 1 Abs. 1 des Staatsvertrages) und unterliegt deren Dienstaufsicht.306 Das Prüfungsamt ist zuständig für die Abnahme der Ersten Juristischen Prüfung und der Zweiten Juristischen Staatsprüfung, für Fortbildungsangelegenheiten sowie für Grundsatzangelegenheiten hinsichtlich der Aus- und Fortbildung von Juristen (Art. 2 des Staatsvertrages). Eine Besonderheit des GJPA als institutionelle Beteiligungsverwaltung liegt in der Anwendung unterschiedlichen Landesrechts. Obwohl das GJPA Landesbehörde des Landes Berlin ist, gelten für die Prüfung jeweils das Juristenausbildungsgesetz und die Juristenausbildungsordnung des vertragsschließenden Landes, in dem der Prüfling an einer rechtswissenschaftlichen Fakultät zuletzt immatrikuliert war bzw. in dem die Referendarausbildung stattfand.307 Trotz der weiterhin bestehenden verschiedenen Juristenausbildungsgesetze und -verordnungen in beiden Ländern stärkt die Zusammenlegung der Staatsprüfungen die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten in Berlin und Brandenburg und führt zu einer weitgehenden Vereinheitlichung der Referendarausbildung beider Länder.308 Gemäß Art. 1 Abs. 2 des Staatsvertrages hat das fachliche Weisungsrecht das für Justiz zuständige Mitglied der Regierung des Landes, dessen Befugnisse oder Aufgaben die Stelle im Einzelfall wahrnimmt. Aus diesem Grund wird das GJPA in der Literatur zum Teil auch als Mehrländereinrichtung definiert.309 Gegen 304 Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt über die Übertragung der Zuständigkeit in Staatsschutz-Strafsachen vom 17. Februar 2011, BbgGVBl. I/11, S. 1. Für Berlin siehe AvB Drs. 16/3657. 305 Staatsvertrag über die Errichtung eines Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg vom 29. Juni 2004, BbgGVBl. I/04, S. 278. Weitere Informationen zum GJPA finden sich im Internet unter http://www.berlin.de/sen/ justiz/ausbildung/gjpa. Ein gemeinsames Prüfungsamt besteht auch zwischen den Ländern Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein. Siehe hierzu auf der Webseite der Hamburger Justiz, online im Internet unter http://justiz.hamburg.de/2-examen/. 306 Berlin wurde als Sitz der Einrichtung ausgewählt, weil die Senatsverwaltung für Justiz Räumlichkeiten in ausreichender Anzahl zur Verfügung stellen konnte, in Potsdam dagegen ein Neubau erforderlich geworden wäre (LtBbg Drs. 3/7387, S. 19 f.; AvB Drs. 15/2742, S. 1 u. 8 f.). 307 Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 259 f. 308 AvB Drs. 16/0074, S. 17 f. 309 Musil/Kirchner, S. 11.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

diese Einordnung spricht aber, dass Dienstherr aller Beschäftigten das Land Berlin ist. Hier wendet eine Landesbehörde des Landes Berlin zum Teil Brandenburger Landesrecht an, dadurch wird sie aber nicht automatisch zu einer Behörde beider Länder. Auch gegenüber Brandenburger Rechtskandidaten handelt das GJPA als Berliner Behörde. In einem Rechtsstreit zwischen dem GJPA und einem Brandenburger Prüfling, der in Brandenburger Landesrecht geprüft wurde, ist das Land Berlin, nicht das Land Brandenburg der richtige Klagegegner. Anders sieht dies wohl die Rechtsprechung, die von einer Mehrländereinrichtung auszugehen scheint, indem sie als Beklagte sowohl das Land Berlin als auch das Land Brandenburg, jeweils vertreten durch das Gemeinsame Prüfungsamt, zulässt.310 Die Ausgestaltung des Gemeinsamen Prüfungsamtes als Mehrländereinrichtung ist im zugrundeliegenden Staatsvertrag nicht verankert. Aus diesem Grund ist es als institutionelle Beteiligungsverwaltung einzuordnen. Eine Besonderheit gegenüber anderen institutionellen Beteiligungsverwaltungen ist aber das fachliche Weisungsrecht des brandenburgischen Justizministers in brandenburgischen Angelegenheiten. c) Gemeinsame Justizvollzugsanstalt in Planung Am 25. August 2011 unterzeichneten die beiden Länder den Staatsvertrag über die Errichtung und den Betrieb der Justizvollzugsanstalt Heideringen.311 Ursprünglich sollte ein solcher Staatsvertrag bereits im Jahr 2010 ratifiziert werden.312 Mitte 2010 führte ein Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Land Brandenburg bereits 700 leer stehende Gefängniszellen hat. Es kam zum Streit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg über den Neubau. Hierbei wurde die Idee geäußert, dass das Land Brandenburg eine seiner bereits bestehenden Justizanstalten Berlin überlassen könne. Gegen diesen Vorschlag wehrte sich Berlins Justizsenatorin von der Aue, weil sie eine Umsetzung der Berliner Vollzugsregeln auch in Brandenburg nicht als gewährleistet ansah und die möglichen Anstalten zu weit von Berlin entfernt lägen.313 Der Streit wurde zwischen beiden Ländern beigelegt. Die Vollzugsanstalt soll 2012 in Betrieb gehen.314 Nach Art. 1 des Staatsvertrages errichtet und betreibt

310 Siehe hierzu beispielsweise BVerwG, NJW-RR 2010, 1504 sowie die ihm zugrunde liegende Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2006, Az.: OVG 7 B 28.05 (eingestellt bei juris). 311 BlnGVBl. 2011, S. 822. 312 AvB Drs. 16/2787, S. 26. 313 Siehe hierzu Berliner Morgenpost, Baustopp so teuer wie Gefängnis-Neubau, vom 21. Juni 2010, online im Internet unter http://www.morgenpost.de/printarchiv/ berlin/article1329296/Baustopp-so-teuer-wie-Gefaengnis-Neubau.html. 314 Informationen zu der geplanten JVA Heidering finden sich auf der Webseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin unter http://www.stadtentwicklung.

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nunmehr das Land Berlin in der Gemeinde Großbeeren die Justizvollzugsanstalt als Anstalt nach Berliner Landesrecht für Gefangene des Landes Berlin. Sie unterliegt der Aufsicht des Landes Berlin und die Bediensteten stehen in einem Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis zum Land Berlin (Art. 1 Abs. 2). Die mit der Errichtung und dem Betrieb der Anstalt verbundenen Kosten trägt das Land Berlin (Art. 3). Es handelt sich folglich nicht um eine gemeinsame Einrichtung beider Länder, sondern um eine Einrichtung des Landes Berlin auf dem Gebiet des Landes Brandenburg. d) Deutsche Richterakademie Letztendlich soll der Vollständigkeit halber bei den gemeinsamen Justizeinrichtungen beider Länder kurz die deutsche Richterakademie als in der vorliegenden rechtlichen Untersuchung nicht näher zu erörternde, bundesweite Kooperationsform angesprochen werden. Am 12. Januar 1973 unterzeichneten die Justizminister und -senatoren der Bundesländer sowie der Bundesminister der Justiz die Verwaltungsvereinbarung über die Deutsche Richterakademie in Trier. Sie dient der überregionalen Fortbildung der Richter aller Zweige der Gerichtsbarkeit sowie der Staatsanwälte.315 Am 1. Januar 1993 trat die neue Verwaltungsvereinbarung über die Deutsche Richterakademie in Kraft, und die neue Tagungsstätte in Wustrau kam hinzu. Nach der Vereinbarung wird die Deutsche Richterakademie vom Bund und den 16 Ländern gemeinsam getragen und finanziert.316 Die Länder Berlin und Brandenburg arbeiten hier mit allen anderen Bundesländern und dem Bund zusammen. 2. Parallelgesetzgebung bei richterlichen Vorschriften Die Zusammenarbeit beider Länder in gemeinsamen Justizeinrichtungen macht auch eine Abstimmung dieser gemeinsamen Arbeit im legislativen Bereich erforderlich. So hat beispielsweise das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg einen Gesetzesentwurf einer inhaltlich identischen Änderung der Juristenausbildungsgesetze erarbeitet, mit dem ein Notenverbesserungsversuch im zweiten juristischen Staatsexamen eingeführt und die Zulassungsbedingungen zum mündlichen Examensteil modifiziert wurden. Am 1. bzw. berlin.de/umwelt/stadtgruen/landschaftsbau/de/freiflaechen_gebaeude/jva_heidering/ index.shtml. 315 Nähere Informationen über die Deutsche Richterakademie befinden sich online im Internet unter http://www.deutsche-richterakademie.de. 316 Siehe ausführlich die Organisationsverfügung des Ministers der Justiz zur Tagungsstätte der Deutschen Richterakademie in Wustrau vom 16. Juli 1993, JMBl. S. 138, online im Internet unter http://www.landesrecht.brandenburg.de.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

6. November 2008 traten das Erste Gesetz zur Änderung des Berliner Juristenausbildungsgesetzes317 und das Zweite Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Juristenausbildungsgesetzes318 in Kraft. Weiterhin beabsichtigte bereits Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 des Staatsvertrages über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 eine Vereinheitlichung der richterlichen Vorschriften. Die Gesetzgebungsverfahren in beiden Ländern sollten ursprünglich bereits 2010 abgeschlossen werden.319 Am 7. Februar 2011 haben beide Länder einen entsprechenden Staatsvertrag unterschrieben, der mit Art. I des Gesetzes zur Angleichung des Richterrechts der Länder Berlin und Brandenburg vom 9. Juni 2011 ratifiziert wurde320 und am 1. September 2011 in Kraft getreten ist. Trotz der Angleichung der Richtergesetze werden ländertypische Besonderheiten aufgrund der unterschiedlichen Justizstrukturen in Flächen- und Stadtstaaten fortbestehen, so dass die Justizstruktur beider Länder auch weiterhin ihre landestypische Ausprägung beibehält.321 Bereits seit dem 1. Juli 2005 gelten gemeinsame Beurteilungsrichtlinien für Richter und Staatsanwälte beider Länder.322 Für den Rechtspflegerdienst beider Länder wurden neue Ausbildungs- und Prüfungsordnungen erarbeitet, die im Juni bzw. im August 2006 inhaltsgleich in Kraft getreten sind. Die Rechtspfleger aus Berlin und Brandenburg werden gemeinsam an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Berlin theoretisch und im jeweiligen Bundesland praktisch ausgebildet.323 Parallele Gesetzgebung stößt auch im Bereich der Justiz auf keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken. Sie ist zulässig, soweit Zuständigkeits-, Verfahrensund Formvorschriften eingehalten worden sind. 3. Informale Zusammenarbeit Auch im Bereich der Judikative findet eine Zusammenarbeit auf informaler Ebene statt, wobei sie verschwindend gering erscheint, aus den oben genannten Gründen auf die Justizverwaltung beschränkt ist und in großen Teilen bundesweit angelegt ist.324 Dieses Untergewicht gegenüber den anderen beiden Gewalten ist 317

BlnGVBl. 2008, S. 290. BbgGVBl. I/08, S. 274 f. 319 AvB Drs. 16/1940, S. 20; AvB Drs. 16/2787, S. 25. 320 BlnGVBl. 2011, S. 238. 321 Staatskanzlei Brandenburg, Pressemitteilung vom 2. Februar 2011, BrandenburgBerlin: Richterrecht angeglichen, online im Internet unter http://www.stk.brandenburg. de/sixcms/detail.php/bb1.c.239879.de. 322 AvB Drs. 16/1052, S. 21. 323 AvB Drs. 16/0074, S. 18. 324 Bei der von der vorliegenden Untersuchung nicht umfassten bundesweiten Zusammenarbeit im Bereich der Justiz sind beispielsweise die Konferenzen der Oberlan318

III. Formen der Zusammenarbeit der Judikative

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mit dem geringen Spielraum für entformalisiertes Handeln in der Rechtsprechung zu begründen, weil sie einem engen Geflecht umfangreicher und zwingender Verfahrensregeln unterliegt.325 a) Arbeitsgemeinschaften Im Bereich der Justiz(verwaltung) werden zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg anlassbezogen Arbeitsgemeinschaften gegründet. • Da der Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg326 in Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 die bereits angesprochene Vereinheitlichung der richterrechtlichen Vorschriften vorsah, wurden beispielsweise in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe einheitliche Anforderungsprofile für die richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Ämter in Berlin und Brandenburg sowie einheitliche Regelungen über den Erwerb der formellen Voraussetzungen für eine Beförderung erarbeitet. Hierdurch wird sichergestellt, dass alle Bewerber um ein Beförderungsamt in beiden Ländern die gleichen Voraussetzungen erfüllen müssen, was aufgrund der gemeinsamen Fachobergerichte beider Länder dringend geboten erscheint.327 • Hinsichtlich des Einsatzes von Informationstechnik in der Justiz arbeiten beide Länder seit Ende 2005 in einer „IT-Koordinierungsrunde Berlin-Brandenburg“ zusammen.328 Anfang 2009 konstituierte sich eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Justiz beider Länder, die den Auftrag erhielt, ein IT-Leitverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit in Berlin und Brandenburg zu ermitteln. Sie hat das Fachverfahren forumSTAR als geeignet empfunden, das in Zukunft die bisher unterschiedlichen Verfahren ablösen soll.329 • Eine Arbeitsgruppe des Brandenburger Justizministeriums, der Berliner Senatsverwaltungen für Justiz sowie für Integration, Arbeit und Soziales und der Berliner und Brandenburger Gerichte hat unter Federführung der Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zum 1. August 2008 die „Ent-

desgerichtspräsidenten und der Präsidenten anderer Gerichtszweige sowie der Generalstaatsanwälte zu nennen (siehe hierzu näher Bothe, Generalbericht, S. 186; Schulze-Fielitz, S. 61). Eine Konferenz, die nicht auf den Kreis der Richterschaft begrenzt ist, sondern für alle Interessenten offen steht, ist der Deutsche Familiengerichtstag e. V. als privatrechtlich organisiertes Forum des interdisziplinären Erfahrungsaustausches für das Familienrecht (Deutscher Familiengerichtstag e. V. online im Internet unter http://www. dfgt.de). 325 Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 7. 326 BlnGVBl. 2004, S. 381 ff., abgedruckt in Anlage 1. 327 AvB Drs. 16/0074, S. 17; AvB Drs. 16/1052, S. 22 f. 328 AvB Drs. 16/1052, S. 25. 329 AvB Drs. 16/2787, S. 26.

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C. Formen der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

scheidungsdatenbank Berlin-Brandenburg“ errichtet. Auf der Internet-Seite www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de sind derzeit über 14.000 Berliner und Brandenburger Entscheidungen aller Gerichtsbarkeiten veröffentlich. Der Dienst ist öffentlich zugänglich und unentgeltlich. Die Kosten für Aufbau und Pflege der Datenbank werden zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg geteilt.330 b) Videokonferenz in der Finanzgerichtsbarkeit Seit dem 26. November 2007 besteht eine Videokonferenzanlage zwischen der Steuerberaterkammer Berlin und dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg. Hierdurch wird den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eröffnet, von den Räumen der Steuerberaterkammer Berlin aus an mündlichen Verhandlungen des in Cottbus ansässigen Finanzgerichts Berlin-Brandenburg teilzunehmen.331 Zugang zu dem Videoraum haben nur die Verfahrensbeteiligten, deren Bevollmächtigte und Beistände sowie die Vertreter der Finanzbehörde. Öffentlich ist demgegenüber allein die mündliche Verhandlung im Sitzungssaal des Finanzgerichts BerlinBrandenburg in Cottbus. Die per Videokonferenz geführten Verhandlungen werden nicht aufgezeichnet.332 Diese Möglichkeit, an den Verhandlungen des Finanzgerichts per Videokonferenz von Berlin aus teilzunehmen, wird von den Verfahrensbeteiligten finanzgerichtlicher Prozesse inzwischen rege genutzt. Nach Auskunft der Pressesprecherin des Gerichts wurden 2008 43 Verhandlungen an 29 Verhandlungstagen, 2009 90 Verhandlungen an 42 Verhandlungstagen und für das erste Halbjahr 2010 bereits 56 Verhandlungen an 24 Verhandlungstagen registriert. Dabei ist das Interesse noch höher anzusetzen, weil Verfahrensbeteiligte teilweise auf die Auslastung der Videokonferenzanlage durch parallel laufende Verhandlungen verwiesen werden mussten. 4. Zwischenergebnis Aufgrund des geringen Umfangs der informalen Zusammenarbeit beider Länder im Bereich der Justiz bestehen hier größtenteils keine rechtlichen Bedenken ihrer Zulässigkeit. Auch die gemeinsamen Gerichte und die parallelen Rechtsvorschriften im Bereich der Judikative sind rechtlich grundsätzlich zulässig.

330

AvB Drs. 16/1940, S. 19 f. AvB Drs. 16/1940, S. 20. 332 Siehe hierzu das Merkblatt – Videokonferenz beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg –, online im Internet unter http://www.finanzgericht.berlin.brandenburg.de/six cms/media.php/4658/Merkblatt.pdf. 331

IV. Ergebnis

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IV. Ergebnis Zusammenfassend ist damit zunächst festzustellen, dass alle Formen der Zusammenarbeit beider Länder Berlin und Brandenburg grundsätzlich bei Beachtung der Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften rechtlich zulässig sind. Sie unterscheiden sich aber erheblich in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit. Während die unverbindliche Zusammenarbeit rechtlich unproblematisch erscheint, bedarf es bei der mit der Übertragung von Hoheitsgewalt verbundenen Zusammenarbeit beider Länder einer weiteren Untersuchung. In diese sind inhaltliche Aspekte einzubeziehen. Daraus ergeben sich die Fragen, wie weit beide Bundesländer Hoheitsrechte abgeben dürfen und welche verfassungsrechtlichen Grenzen darüber hinaus an ihre rechtlich verbindliche Zusammenarbeit zu stellen sind. Diesen Fragen wird im nächsten Kapitel unter Betrachtung der Gegenstände der Zusammenarbeit beider Länder nachgegangen.

D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg Im vorangegangenen Kapitel wurde die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg anhand der drei Gewalten – Legislative, Exekutive und Judikative – dargestellt. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass sie sich grundsätzlich über alle drei Gewalten und über alle Politikbereiche in unterschiedlich intensiven Formen erstreckt. Dabei ist jede von den beiden Ländern gewählte Form der Zusammenarbeit an sich zunächst rechtlich zulässig. Insbesondere ist auch eine Übertragung von Hoheitsrechten grundsätzlich möglich. Dies wird aus der Regelung des Art. 24 Abs. 1 GG geschlossen, denn wenn hiernach Hoheitsrechte der Länder durch den Bund sogar ohne Mitwirkung der Länder auf völkerrechtliche Institutionen übertragen werden können, auf die die Länder selbst keinerlei Einfluss haben, dann müssen die Länder auch befugt sein, Hoheitsrechte durch Zustimmungsgesetze zu Staatsverträgen auf Gemeinschaftseinrichtungen oder auf Einrichtungen eines anderen Landes zu übertragen.1 Ein anderes Ergebnis könnte sich aber für bestimmte Gegenstände der Zusammenarbeit ergeben. Hierzu sind die Kooperationsformen im Hinblick auf die mit ihnen geregelten staatlichen Aufgaben zu untersuchen. Diese Untersuchung erfolgt in diesem Kapitel in drei Teilen. Im ersten Teil wird der Frage nachgegangen, ob bestimmte Gegenstände bereits bestimmte Formen oder eine Zusammenarbeit beider Länder insgesamt ausschließen. Diese Gebiete wären den Ländern Berlin und Brandenburg für ihre Zusammenarbeit dann im Ganzen versperrt. Für die Zusammenarbeit, die nicht von vornherein ausgeschlossen ist, wird im zweiten Teil dieses Kapitels nach verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen gefragt. Der dritte Teil umfasst eine Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt, dass beide Länder ihre Selbständigkeit erhalten müssen.

I. Der Kernbereich der Landestätigkeit Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist zunächst die in Kapitel B. dargestellte Tatsache, dass die Bundesländer Berlin und Brandenburg Staaten im Sinne des Grundgesetzes sind. Dies folgt aus dem Bundesstaatsprinzip des 1 Vedder, S. 146. Das BVerwG (E 22, 299, 309) stellt darauf ab, dass dem Grundgesetz der Verzicht auf Hoheitsrechte nach Art. 24 Abs. 1 GG für völkerrechtliche Verträge bekannt sei, was nach Art. 32 Abs. 3 GG auch für völkerrechtliche Verträge der Länder gelte.

I. Der Kernbereich der Landestätigkeit

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Art. 20 Abs. 1 GG.2 Diese im Grundgesetz festgeschriebene Garantie der Staatlichkeit der Bundesländer geht über die Garantie ihrer bloßen Existenz als rechtsfähige Einheiten hinaus. Daher ist nicht erst die Umwandlung der Bundesrepublik in einen Einheitsstaat ausgeschlossen, sondern es sind bereits vorher Grenzen zu bestimmen, durch deren Überschreiten die Bundesländer ihre Staatlichkeit verlieren.3 In der Literatur wird davon ausgegangen, dass jeder Staat bestimmte Aufgaben habe, denen er sich rechtmäßig nicht entziehen dürfe.4 Es wird von einem „Kernbereich eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung“ 5, vom „Kern des politischen und rechtlichen Einflusses des Landes“ 6, von einer „unabdingbar notwendige[n] Grundsubstanz an eigener unabgeleiteter Gewalt der Länder“ 7 bzw. von „wesentlichen Teilen seiner Staatsgewalt“ 8 oder „ureigensten“ Gebieten9 des Staates gesprochen. Dies gilt auch für die Bundesländer Berlin und Brandenburg. Es stellt sich daher die Frage, welche Landesaufgaben zum unveräußerlichen Kern der Landestätigkeit beider Länder gehören. Nach diesem unantastbaren Kernbereich der Landestätigkeit als inhaltlicher Grenze der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg soll im Folgenden gesucht werden. Sollten bestimmte Gegenstände zwingend von den Bundesländern selbst ausgeübt werden müssen, wäre auf diesen Gebieten zumindest eine Zusammenarbeit beider Länder, die mit der Übertragung von Hoheitsrechten auf das andere Land bzw. auf eine landesexterne Einrichtung verbunden ist (institutionelle Beteiligungsverwaltung bzw. echte Gemeinschaftseinrichtung), unzulässig. Die Staatsrechtslehre hat sich eingehend mit den Kernaufgaben des Staates befasst und nach der spezifischen Funktion des Staates im Gemeinwesen gefragt.10 Sie konnte aber keine allgemeine Definition des Staates entwickeln,11 die als Grundlage der vorliegenden Untersuchung herangezogen werden kann. Zunächst hat die Staatsrechtslehre ihr Hauptaugenmerk auf die Staatszwecke ge2

Siehe hierzu ausführlich in Kapitel B. unter Punkt II.1. Harbich, S. 121. 4 Bull, S. 8; Kisker, S. 194. 5 Hempel, S. 230. 6 Damkowski, NVwZ 1988, 297, 301; Kisker, S. 196 f. 7 Ter-Nedden, S. 59. 8 Grassl, S. 90; Gross, NJW 1967, 1001, 1003; Krapp, S. 104; Sturm, DÖV 1968, 466, 472. 9 Krapp, S. 124. 10 Hempel, S. 139 ff. 11 So beklagt Maurer, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 46 (1988), S. 133, dass das Staatsrecht erhebliche Schwierigkeiten hat, den „Staat“ als solchen zu bestimmen. Stern, Staatsrecht I, S. 48 kommt zu der Erkenntnis, „dass der Staat in seiner ganzen Komplexität und Kompliziertheit wissenschaftlich nicht übereinstimmend zu erfassen ist, nicht einmal unter Beschränkung auf ,allgemeine Lehren‘“. 3

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

legt und diese zur Bestimmung der Staatsaufgaben herangezogen.12 Als Staatsaufgaben wurden dabei alle öffentlichen Aufgaben benannt, die der Staat in Verfolgung seines Zweckes und zu dessen Realisierung wahrnimmt.13 Eine solche Herangehensweise würde darauf hinauslaufen, die Befugnisse der Bundesländer in der Bundesrepublik aufzuzählen und diesen Katalog als Pflichtaufgaben der Länder Berlin und Brandenburg darzustellen. Auf diesem Weg sind notwendige Staats- bzw. Landesaufgaben offensichtlich nicht zu bestimmen. Dies scheitert nicht zuletzt auch daran, dass die Aufgaben, denen sich Staaten widmen, und ihre Zwecke14 einem geschichtlichen Wandel unterliegen. Sie beziehen sich immer auf einen konkreten Staat, abhängig von seinen geschichtlich-politischen Kräften, Ideen und Grundlagen.15 Eine rein formale Bestimmung von Staatsaufgaben als alle diejenigen Sachbereiche, die der Staat sich selbst unabhängig von der konkreten Organisationsform zulässigerweise zur Aufgabe macht, geht über eine empirische Bestandsaufnahme nicht hinaus und führt daher nicht weiter.16 Auch ein Vergleich der Länder Berlin und Brandenburg mit anderen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der tatsächlich von ihnen ausgeübten Aufgaben ist für die Bestimmung eines Kernbereichs ihrer Landesaufgaben nicht erfolgreich, weil die Bundesländer nicht ausschließlich Pflichtaufgaben übernehmen, die zum Kernbestand ihrer Staatlichkeit zu zählen sind. Es bleibt ihnen ein weites Feld von Aufgaben, deren Erfüllung in Art und Ausmaß im politischen Ermessen des jeweiligen Bundeslandes liegt. Diese Überlegungen führen nicht weiter. Es bedarf eines anderen Ansatzpunktes zur Bestimmung des Kernbereichs der Ländertätigkeit der Länder Berlin und Brandenburg. 1. Grenzen staatlicher Privatisierungsmaßnahmen Ein anderer Ansatzpunkt findet sich in den rechtlichen Voraussetzungen der Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private. Sollte es einen unübertragbaren Aufgabenbestand geben, den der Staat zur Erhaltung seiner Identität innehaben 12 Weiß, S. 89 f. Übersicht über die Entwicklung der Staatszwecke bei Bull, S. 17 ff.; Möllers, S. 192 ff. Mit Staatszwecken hat sich auch die Staatsrechtslehrertagung von 1989 beschäftigt. Siehe hierzu ausführlich Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 ff. sowie Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 56 ff. 13 Weiß, S. 92. Über das Verhältnis von Staatszweck, Staatsziel und Staatsaufgabe ausführlich Weiß, S. 81 ff. 14 Zu den im Laufe der Geschichte veränderten Zwecken und Aufgaben des Staates und den hieran anknüpfenden Staatstheorien siehe bereits Cathrein, S. 3 ff.; ausführlich Jellinek, S. 136 ff. u. 239 ff. und Weber-Fas, S. 21 ff. In der Literatur wird auch darauf hingewiesen, dass sich Staatsaufgaben und Staatszwecke begrifflich kaum abgrenzen lassen (Gramm, Privatisierung, S. 53). 15 Kulas, S. 44; Stern, Staatsrecht I, S. 46. 16 Kritisch Gramm, Privatisierung, S. 31; Weiß, S. 89 f. Eine Übersicht über verschiedene Modelle der Bestimmung „öffentlicher Aufgaben“ findet sich bei Schuppert, VerwArch 71 (1980), 309 ff.

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muss, so dürfte dieser weder an ein anderes Bundesland noch an Private zu übertragen sein.17 Im Rahmen der Privatisierung wird zwischen der Beleihung, der funktionalen Privatisierung und der Aufgabenprivatisierung unterschieden.18 Bei der Beleihung bleibt die Verantwortung für eine Aufgabe beim Staat und ihre Durchführung geschieht mittels hoheitlicher Befugnisse. Diese wird im Weiteren nicht näher betrachtet, weil sich durch die bestehende Einbindung der Privaten in die staatliche Tätigkeit bei der Beleihung Kernaufgaben des Staates nicht herausarbeiten lassen.19 Diesen dürfte sich aber bei der Abgabe einer bisher staatlichen Aufgabe an die Gesellschaft genähert werden können. Hier ist weiterhin zwischen funktionaler Privatisierung und Aufgabenprivatisierung zu unterscheiden. Bei der funktionalen Privatisierung führen Private eine Aufgabe durch, die Verantwortung für diese Aufgabe bleibt aber beim Staat. Demgegenüber gibt der Staat bei der Aufgabenprivatisierung auch die Verantwortung für die Aufgabe an die Gesellschaft ab.20 Während vorliegend die Beziehung zwischen zwei Staaten untersucht wird, beschäftigt sich die rechtliche Literatur im Rahmen der Privatisierung mit der Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft. Für den abgebenden Staat und die Frage nach den zwingend von ihm zu übernehmenden notwendigen Staatsaufgaben ist die Situation aber vergleichbar. Zwar steht der Staat gegenüber den seiner Staatsgewalt unterworfenen Privaten in einer engeren Beziehung als zu einem anderen Staat, auf den er grundsätzlich keine Einwirkungsmöglichkeiten hat, dennoch ändert dies nichts an der grundsätzlichen Vergleichbarkeit beider Konstellationen für die vorliegend aufgeworfenen Fragen. Während sich die vorliegende Arbeit mit der Zusammenarbeit zweier Bundesländer beschäftigt, geht es bei der Privatisierung um die Zusammenarbeit von Staat und Privaten. In beiden Fällen stehen dem abgebenden Staat die gleichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Aufgabenerfüllung zur Verfügung, und er befindet sich mithin in einer vergleichbaren Stellung zu der abgegebenen Aufgabe. Mit der vollständigen Abgabe einer Aufgabe an Private oder einen anderen Staat verliert der abgebende Staat seine Erfüllungsverantwortung und agiert lediglich in der schwächeren Form der Aufsicht und Kontrolle über die Tätigkeit.21 Die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung obliegt ihm nicht mehr und kann aus praktischen Gründen mangels vorgehaltener personeller und sächlicher Mittel auch nicht ohne Weiteres wieder übernommen werden. Unabhängig davon, an 17 Für die Privatisierung dies näher ausführend Schmidt, Legitimationsfunktion, S. 371 f. 18 Heck, S. 120 ff.; Schmidt, Legitimationsfunktion, S. 370. 19 Auch Schmidt, Legitimationsfunktion, S. 376 sieht durch die Organisationsprivatisierung den Bestand der Staatsgewalt als unberührt an. 20 Heck, S. 121 f. 21 Siehe hierzu ausführlich in diesem Kapitel unter Punkt II.4.b)cc).

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wen der Staat die Aufgaben abgibt, führt die Abgabe einer Aufgabe im Ergebnis immer dazu, dass sich der abgebende Staat von der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung befreit und auf die schwächere Ebene einer Überwachungs- und Kontrolltätigkeit zurückzieht. Damit fällt die Aufgabenwahrnehmung aus dem staatlichen Bereich heraus. Dies ist nur zulässig, soweit es sich nicht um zwingend notwendige Kernaufgaben des Staates handelt. Andernfalls würde sich der Staat durch entsprechende Aufgabenabgabe selbst vernichten, was ebenso verfassungswidrig wäre wie der bereits dargestellte Verlust der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der europäischen Integration.22 Auf der Suche nach einem unübertragbaren Kernbereich staatlicher Tätigkeit sollen daher im Folgenden die Aufgabengebiete herausgearbeitet werden, die der Staat nicht an Private abgeben darf. Für alle anderen Aufgabengebiete kann davon ausgegangen werden, dass alles das, was der Staat an Private abgeben darf, er grundsätzlich auch an andere Staaten abgeben kann, ohne seinen Staatscharakter zu verlieren.23 Diese Aufgabengebiete können nicht zu den zwingend notwendigen Staatsaufgaben gehören. Die Literatur hat bestimmte notwendige oder unverzichtbare und damit privatisierungsfeste Staatsaufgaben bzw. staatliche Kernaufgaben als Teilmenge aller wahrgenommenen Staatsaufgaben herausgearbeitet, für die ein staatlicher Totalrückzug aus ihrer Wahrnehmung ausgeschlossen sein soll.24 Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass es typisch staatliche Aufgaben gibt, die ihrem Wesen nach nur von Staatsorganen wahrgenommen werden können oder deren Wahrnehmung der Staat jedenfalls sicherzustellen hat.25 Problematisch ist aber ihre Bestimmung, weil es einen staatstheoretisch abgesicherten Katalog und eine normative staatliche Kernaufgabenlehre nicht gibt.26 Auch wenn die Literatur einen solchen abgeschlossenen Katalog staatlicher Kernaufgaben bisher nicht aufstellen konnte, könnte sich ein Minimalbestand an staatlichen Pflichtaufgaben aus der Verfassung ergeben, denn auf die Wahrnehmung der Aufgaben, deren Erfüllung das Grundgesetz den Ländern verbindlich vorschreibt, dürfen diese nicht grundsätzlich verzichten.27 22

Siehe hierzu ausführlich in Kapitel B. unter Punkt II.6.a). Einen politikwissenschaftlichen Vergleich zwischen Internationalisierung, Privatisierung und Staatlichkeit ziehen Genschel/Zangl, APuZ 2007 (Heft 20–21), 10 ff. 24 Gramm, Privatisierung, S. 24 f. u. 27. 25 BVerfGE 17, 371, 376 in Bezug auf die Rechtspflege; E 30, 292, 311 f. in Bezug auf die Mineralölbevorratung. 26 Gramm, Privatisierung, S. 33. Weiß beklagt auf S. 54, dass sich die moderne Staatslehre ganz herrschend mit einer formalen Begriffsbestimmung der Staatsaufgaben begnügt, die kaum normative Konturen hat, sondern weitgehend nur empirisch-positivistisch die vom Staat wahrgenommenen Aufgaben zusammenfasst. Ebenso Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 207. 27 BVerfGE 95, 250, 265 bezogen auf die überörtliche Stromversorgung, die nicht unter die notwendigen Staatsaufgaben fällt; Gramm, Privatisierung, S. 60 und Lecheler, 23

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2. Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse Zunächst regelt das Grundgesetz die Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern. Die den Ländern als Kompetenzen übertragenen Aufgaben sind aber nicht zwingend notwendige Aufgaben. Die Kompetenzen stellen nur die Möglichkeit zum Handeln, nicht aber eine Pflicht hierzu auf.28 Im Grundgesetz finden sich nur vereinzelt Gesetzgebungsaufträge, beispielsweise die Gleichstellung unehelicher Kinder in Art. 6 Abs. 5 GG und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG, und auch hier erstreckt sich die Anweisung an den Gesetzgeber nur auf das Ob, nicht auf das Wie der Normierung. In allen anderen Fällen wird von einem fakultativen Charakter der Gesetzgebungskompetenzen ausgegangen.29 Zudem enthält der Kompetenzkatalog des Grundgesetzes keine Angabe zu Sachmaterien der ausschließlichen Länderkompetenzen, beispielsweise im Bereich Sicherheit.30 Er regelt vielmehr lediglich die vertikale Gewaltenteilung zwischen dem Bund und den Ländern. Damit kann aus ihm bereits offensichtlich kein Katalog von Kernaufgaben der Ländertätigkeit abgeleitet werden. Wird eine Kompetenznorm aus dem Grundgesetz gestrichen, entfällt nicht die in ihr eventuell enthaltene Staatsaufgabe, sondern sie wird von der Zuständigkeit des Bundes zu den Ländern hin verschoben.31 Damit können aus den Kompetenznormen des Grundgesetzes keine Aussagen zu notwendigen Staatsaufgaben abgeleitet werden. Neben der Verteilung staatlicher Kompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern wird in einigen Grundgesetzartikeln der Begriff „Aufgaben“ explizit genannt. Dies sind Art. 24 Abs. 1a, Art. 30, Art. 33 Abs. 4, Art. 87 Abs. 3 S. 2, Art. 87e Abs. 1 S. 2, Art. 87f Abs. 2 S. 2 u. Abs. 3, Art. 91a Abs. 1 und Art. 104a Abs. 1 GG. Konkrete staatliche Aufgaben sind aus ihnen aber auch nicht zu entnehmen.32 So schreibt Art. 33 Abs. 4 GG zwar vor, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Beamten zugewiesen ist, bestimmt die hoheitsrechtlichen Befugnisse aber inhaltlich nicht BayVBl 1994, 555, 557 im Hinblick auf die Grenzen der Privatisierung staatlicher Aufgaben. 28 Bull, S. 52 f. u. 153; Hanebeck, S. 294; Isensee, HStR IV3, § 73, Rdnr. 19; Rengeling, HStR VI3, § 135, Rdnr. 12. 29 Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rdnr. 23. 30 Gramm, Privatisierung, S. 67; Weiß, S. 140. Anders wohl aber Stern, Staatsziele, S. 16. 31 Rengeling, HStR VI3, § 135, Rdnr. 10. 32 Bull, S. 149, der lediglich in Art. 87a Abs. 4 und 91 GG die Staatsaufgabe einer Abwehr von Gefahren für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes sieht (S. 150). Broß, vorgänge 2008, 56, 57 sieht in Art. 87 Abs. 2 GG dem Staat und speziell dem Bund Dienstleistungsbereiche für die Bevölkerung zugeordnet, deren Wahrnehmung er nicht auf Private übertragen darf.

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näher. Fest steht daher zunächst lediglich, dass es solche Aufgabenbereiche nach dem Grundgesetz geben soll.33 Aufgabe der Literatur und Rechtsprechung war es, den Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse in Art. 33 Abs. 4 GG zu definieren. Er wird größtenteils auf den Bereich der Exekutive und hier auf die klassischen Aufgabenbereiche der Eingriffsverwaltung bzw. auf staatliche Kernaufgaben, wie Polizei, Justiz, Finanzverwaltung, Militär und die zentralen Verwaltungen der Gemeinden, der Länder und des Bundes, begrenzt.34 Damit ist beispielsweise der Einsatz selbständig agierender Privater mit hoheitlichen Befugnissen beim gezielten, auf Menschen gerichteten Schusswaffengebrauch, aber auch bei weniger intensiven Eingriffen wie beispielsweise der Verhängung von Ordnungsgeld unzulässig. Insgesamt können alle Aufgaben, die den Einsatz von Hoheitsgewalt erfordern, nicht von Privaten ausgeübt werden.35 Eine Zielrichtung des Art. 33 Abs. 4 GG ist somit der Ausschluss gesellschaftlicher Kräfte in bestimmten Kernbereichen des Staates.36 Fragen der Privatisierung und ihrer Grenzen spielen bei der vorliegenden Untersuchung grundsätzlich keine Rolle, solange die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg sich auf öffentlich-rechtliche Kooperationsformen erstreckt. Während sich die Literatur ausführlich mit Art. 33 Abs. 4 GG im Verhältnis des Staates zu Privaten beschäftigt, bleibt die Frage offen, ob er auch im Verhältnis zweier Staaten untereinander Schranken aufstellt.37 Die Vorschrift sichert durch die spezifische Ausgestaltung der Rechtsstellung der Amtsträger im Verhältnis zu ihrem Dienstherrn für einen Kernbereich von Aufgaben eine bestimmte rechtsstaatliche Form der Aufgabenwahrnehmung, die der Erhaltung der

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Gramm, Privatisierung, S. 42 f. u. 366; Weiß, S. 141 f. u. 344 f. Gramm, Privatisierung, S. 366 ff., ausdrücklich auf S. 369 f. Siehe hierzu auch Masing, in: Dreier, GG, Art. 33, Rdnr. 64 f. m.w. N. und Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rdnr. 55 ff. zu den verschiedenen Auffassungen. Umfassend zu der Thematik des Art. 33 Abs. 4 GG als Privatisierungsschranke siehe auch Thiele, Der Staat 49 (2010), 274 ff. m.w. N., auf S. 279 ff. zum Begriff der „hoheitsrechtlichen Befugnisse“. 35 Di Fabio, JZ 1999, 585, 592; Gramm, Privatisierung, S. 463 ff.; Isensee, HStR IV3, § 73, Rdnr. 12f.; Krieger, AVR 44 (2006), 159, 182; Weiß, S. 119 u. 126. Ebenso Jellinek, S. 263, der von ausschließlichen und solchen Tätigkeiten spricht, mit welchen der Staat nur ordnend, unterstützend, fördernd oder abwehrend zu individuellen und sozialen Lebensäußerungen hinzutritt (konkurrierende Staatsaufgaben) (S. 255). Dennoch lassen sich auch bei den ausschließlichen Staatstätigkeiten Bereiche finden, in denen Private tätig werden können. Zu nennen ist hier beispielsweise der Einsatz von privaten Hilfskräften und technischem Gerät bei Einsätzen der Polizei oder der Feuerwehr (Bull, S. 100). 36 Gramm, Privatisierung, S. 462. 37 Ausdrücklich stellt Art. 33 Abs. 4 GG lediglich die beiden Diensttypen des Öffentlichen Dienstes gegenüber. Hierbei wird der grundsätzlich den Beamten zugewiesene Bereich als nicht ohne Weiteres auf die außerhalb der staatlichen Organisation stehenden Privaten übertragbar angesehen. Siehe hierzu Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 33, Rdnr. 42 m.w. N. Zu außerhalb der staatlichen Organisation stehenden Beamten anderer Staaten (bzw. Bundesländer) findet sich keine Anmerkung. 34

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Funktionsfähigkeit des Staates dient.38 Es fragt sich, ob diese Sicherungsfunktion auch gewährleistet ist, wenn die unter den Begriff hoheitsrechtlicher Befugnisse zu subsumierenden staatlichen Kernaufgaben von Beamten eines anderen Staates wahrgenommen werden, die zuerst dem Gemeinwohl dieses anderen Staates verpflichtet sind. Durch die Ausweitung der Bedeutung des Art. 33 Abs. 4 GG über seinen ausdrücklichen Wortlaut hinaus, der zunächst lediglich die Zweigliedrigkeit des öffentlichen Dienstes festschreibt, auf die Sicherung eines staatlichen Kernbestandes gegen gesellschaftliche Kräfte39 ist die Versuchung groß, den Artikel nun noch weiter auf die Sicherung eines staatlichen Kernbestandes gegen fremdstaatliche Kräfte anzuwenden. Besinnt man sich aber auf die ursprüngliche Zielrichtung des Artikels zurück, so erscheint diese Auslegung zu weitgehend. Die Zielrichtung des Art. 33 Abs. 4 GG ist die Sicherstellung der Ausübung bestimmter staatlicher Aufgaben durch Beamte innerhalb des Staates. Die organisatorische und personalrechtliche Grundentscheidung ist lediglich „national“ gerichtet. Einen grenzüberschreitenden Bezug in diese Vorschrift hineinzulesen, würde die vom Wortlaut der Norm gezogenen Grenzen deutlich überschreiten. Rechtlicher Anknüpfungspunkt der dargestellten Überlegungen bleibt damit auch weiterhin das Bundesstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG. 3. Gewährleistung des Schutzes der Staatsbürger Über Art. 33 Abs. 4 GG hinaus werden bestimmte notwendige Staatsaufgaben aus anderen Grundrechtsnormen abgeleitet, die der Staat ihrem Wesen nach in vollem Umfang selbst erfüllen muss.40 Andernfalls würde der Staat seine Staatlichkeit verlieren.41 Sie werden als „obligatorische“, „notwendige“ bzw. „ausschließliche“ Staatsaufgaben bzw. Kernaufgaben oder Staatsvorbehalt bezeich38

Masing, in: Dreier, GG, Art. 33, Rdnr. 2. So findet sich beispielsweise in der Literatur zu Art. 33 Abs. 4 GG: Er „wird heute aber nicht nur als Vorbehaltsbereich zugunsten des Berufsbeamtentums betrachtet, sondern auch als freiheitssichernde Strukturvorgabe gegen einen zu weitgehenden Rückzug des Staates aus seiner Verantwortung zu eigener Aufgabenwahrnehmung. Die Bedeutung des Art. 33 Abs. 4 GG hat sich insoweit gewandelt.“ (Di Fabio, JZ 1999, 585, 591). 40 BVerfGE 30, 292, 311 f. 41 Kulas, S. 44 f., der den Verlust der Staatsqualität durch eine vollständige Übertragung aller Kernaufgaben auf Private für möglich hält. Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705, 708 f., der zu den zwingend durch den Staat auszuübenden Aufgaben Maßnahmen mit Sicherheitsfunktion und Sanktionscharakter zählt. Schuppert, VerwArch 71 (1980), 309, 314 spricht von „Sine Qua Non Activities“, ohne deren Wahrnehmung der moderne Staat nicht denkbar wäre, und zählt hierzu den Schutz der territorialen Integrität, die Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern und die Sicherung einer finanziellen Basis. Damit spricht er die klassischen Ressorts Äußeres, Krieg, Justiz, Inneres und Finanzen an. 39

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net.42 Das Bundesverfassungsgericht spricht hier von „originären Staatsaufgaben“ 43. Die Bestimmung dieser staatlichen Kernbereiche erfolgt im Wege der Auslegung.44 Allgemein werden als notwendige Staatsaufgaben genannt: • die innere und äußere Sicherheit, wobei die Einstandspflicht des Staates für die Verteidigung aus Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG hergeleitet wird; • die Erhaltung des Friedens und die Mitwirkung bei internationalen Einsätzen zum Schutz der Menschenrechte in Krisengebieten entsprechend der UNCharta; • ein Minimum an staatlicher Organisation und bestimmte rechtliche Ordnungsstrukturen (Schaffung einer Rahmenordnung) für das Wirtschaftsleben, das Währungs- und Steuerwesen; • die Gewährleistung von Freiheit und allgemeiner Wohlfahrt durch die Bereitstellung und Durchsetzung einer Rechtsordnung (insbes. auch Polizei und strafrechtliche Regelungen), die Justizgewähr, hergeleitet aus dem IX. Abschnitt des Grundgesetzes, und der Schutz der Grundrechte; • die Herstellung und Erhaltung einer sozial gerechten Ordnung und die Garantie des Existenzminimums; • die Förderung kultureller Bestrebungen, ein Mindestmaß an Bildungseinrichtungen, insbes. Schulen, und die Kulturpflege; • ein Mindestmaß an staatlichen Verwaltungs- und Versorgungsleistungen oder zumindest deren Sicherstellung durch die Bereitstellung von entsprechender Infrastruktur zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse mit lebenswichtigen Gütern (Wasser, Energie, ärztliche Versorgung), einschließlich der Entsorgungsleistungen für alle; • die Bereitstellung einer Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur (die Gewährleistung einer angemessenen flächendeckenden Versorgung mit Dienstleistungen des Postwesens und der Telekommunikation folgt aus Art. 87f Abs. 1 GG; die Eisenbahnverwaltung und ihre Gewährleistung aus Art. 87e GG); • der Neubau, Ausbau und die Unterhaltung der Infrastruktur folgt aus Art. 89 Abs. 1 für die Wasserstraßen und Art. 90 Abs. 1 GG für die Autobahnen; • die Vorsorge gegen Risiken, die sich aus der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung ergeben; 42 Gramm, Privatisierung, S. 34; Heintzen, Sicherheit, S. 32; Isensee, HStR IV3, § 73, Rdnr. 29. Eine Übersicht über die in der Literatur gebräuchlichen Begrifflichkeiten bei Weiß, S. 339, insbes. Fn. 224 m.w. N. und Bull, S. 99 f. m.w. N. 43 BVerfGE 17, 371, 376; 73, 280, 293 f. 44 Gramm, Privatisierung, S. 60.

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• der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen; • der Aus- und Neubau der Hochschulen, die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, der Agrarstruktur und des Küstenschutzes folgt aus Art. 91a GG sowie die Bildungsplanung und die Förderung von überregionalen wissenschaftlichen Einrichtungen und Vorhaben aus Art. 91b GG sowie • die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Personennahverkehrs folgt aus Art. 106a GG.45 Betrachtet man diesen Aufgabenkatalog, so ist er so allgemein gehalten, dass aus ihm der Minimalbestand konkreter, zwingend durch den Staat zu erfüllender Aufgaben nicht zu entnehmen ist. In der älteren Literatur findet sich sogar die Staatswirtschaft als notwendige Aufgabe des Staates.46 Der vorliegend gesuchte, abgeschlossene Katalog eines staatlichen Mindestaufgabenbestandes wird als unmöglich zu bestimmen angesehen, weil eine überzeugende Methode, wie dieser zu erstellen wäre, bisher nicht gefunden wurde und auch ein alles erklärendes und allgemein überzeugendes staatsphilosophisches Grundprinzip, mit dem die gesuchten notwendigen Staatsaufgaben aus der Summe aller tatsächlich wahrgenommenen Staatsaufgaben herausgesucht werden können, nicht existiert.47 Daher könne aus dem Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Hoheitsrechte nicht auf das Sein oder Nichtsein eines Staates geschlossen werden.48 Insbesondere ist es nicht zielführend, auf ganze Sach- oder Lebensbereiche abzustellen. So wurde beispielsweise der Bereich der Sicherheit, insbesondere der äußeren Sicherheit, soeben als notwendige Staatsaufgabe herausgearbeitet. Sie findet ihre Verankerung im Grundgesetz. Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG legt fest, dass es im Bundesstaat keine Verteidigungskräfte der Länder geben darf, sondern dass diese Sachaufgabe ausschließlich dem Bund zugewiesen ist. Deshalb ist zwangsläufig auch die Aufstellung von Streitkräften durch Private ausgeschlossen. Aber selbst in diesem Bereich der äußeren Sicherheit finden sich Möglichkeiten für private Beteiligungen, beispielsweise in der Rüstungsindustrie oder im Servicebereich. Auch komplexe Waffensysteme können von verfassungswegen theoretisch 45 Bull, S. 218 ff.; Cathrein, S. 57 ff.; Gramm, Privatisierung, S. 40, 53, 68 f. u. 338; Heintzen, Sicherheit, S. 25 u. 28; Isensee, HStR IV3, § 73, Rdnr. 30; Jellinek, S. 256; Stern, Staatsziele, S. 16; Weiß, S. 95 u. 142 f. 46 Jellinek, S. 256. 47 Gusy, DÖV 1996, 573, 574; Gramm, Privatisierung, S. 75 u. 85; Weiß, S. 344 f. Der Aussage von Harbich, S. 102 f.: „Es ist keine außergewöhnliche Aufgabe des Juristen, den Wesensgehalt, den Kern, die Substanz eines Grundrechts, einer institutionellen Garantie, eines ,Dinges an sich‘ herauszukristallisieren.“, kann sich daher nur beschränkt angeschlossen werden. Für die Frage, was der Kern der Länder im Sinne des Grundgesetzes ist, scheint diese Aufgabe doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden zu sein. 48 So bereits Jellinek, S. 494. Ebenso Weiß, S. 340.

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dauerhaft durch Private bereitgestellt werden, etwa im Wege des Leasings.49 Da sogar dieser originär staatliche und vom Grundgesetz ausdrücklich dem Bund zugewiesene Bereich der äußeren Sicherheit Raum für die Beteiligung Externer bietet, kann davon ausgegangen werden, dass sich kein ganzer Lebensbereich finden lässt, der solchen externen Einflüssen in Gänze versperrt ist. Unabhängig von der Tatsache, dass die Mehrzahl der oben aufgezählten Staatsaufgaben den Bund und nicht die Länder Berlin und Brandenburg treffen, gibt dieser Aufgabenkatalog folglich keine Erkenntnisse über die konkreten staatlichen Pflichten in dem jeweiligen Aufgabenbereich. Er sagt nichts über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung aus.50 Diese kann grundsätzlich auch im Wege der Zusammenarbeit erfolgen. Die genannten Aufgaben gehören nicht zwingend zum unübertragbaren Kernbereich der Bundes- oder Landesgewalt. Grenzen der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg sind unter Kernbereichsaspekten nicht herauszukristallisieren. Die Problematik bei der Suche nach dem Kernbereich liegt im Fehlen jeglicher Konkretisierungsmaßstäbe.51 Teilweise geht die Literatur davon aus, dass solche Maßstäbe nicht zufällig fehlen, sondern die Übertragung von Hoheitsrechten zwischen den Bundesländern generell verboten sei. Zumindest sei eine dem Art. 24 Abs. 1 GG entsprechende Ermächtigungsnorm in der Verfassung erforderlich.52 Dabei genügt die Ermächtigungsnorm in Art. 96 VvB diesen Anforderungen nicht, weil es zunächst Sache des Grundgesetzes sei, die Rechte der Bundesländer untereinander zu regeln, und es solche Zuständigkeitsverschiebungen nicht erlaube.53 Die Suche nach einem Kernbereich umgehe die Verfassungswidrigkeit der mit einer Übertragung von Hoheitsrechten verbundenen Länderpraxis,

49 Gramm, Privatisierung, S. 380; Gramm, VerwArch 90 (1999), 329, 332 (Fn. 7); Gusy, DÖV 1996, 573, 581 ff.; ausführlich auch Heck, S. 111 ff., 137; Weiß, S. 341 f. Krieger, AVR 44 (2006), 159 weist darauf hin, dass im Irak-Krieg die USA etwa 60 private Unternehmen mit einer Personalstärke von insgesamt 20.000 Mitarbeitern mit militärischen Aufgaben betraut haben, insbesondere für die logistische Unterstützung der Koalitionstruppen und das Instandhalten von Waffensystemen. Sie hält auch eine eng begrenzte Übertragung einzelner militärischer Einsatzaufgaben auf Private unter der Geltung des Grundgesetzes für verfassungsmäßig (dies., S. 182 f.). 50 Bull, S. 422. 51 Auf den Punkt gebracht hat es Heintzen, HbdG, § 9, Rdnr. 3: „Kernbereiche, mit denen gern argumentiert wird, erweisen sich im Härtetest juristischer Fallbearbeitung als alles andere als kernig.“ Höpner u. a., PVS 2010, 323, 343 kritisieren die Versuche des Bundesverfassungsgerichts, den Kernbereich der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der europäischen Integration gegenständlich und mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit zu bestimmen, und möchten die Frage nach dem Inhalt eines staatlichen Kernbereichs vollkommen in die Hände des demokratischen Willensbildungsprozesses eines Staates legen. 52 Hempel, S. 77. 53 Hempel, S. 42 ff. Für die institutionelle Beteiligungsverwaltung ebenso Grassl, S. 106.

II. Verfassungsmäßige Pflichtaufgaben der Länder

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deren Zweckmäßigkeit allgemein anerkannt ist.54 Diesem Gedanken, dass ein Kernbereich der Landestätigkeit nicht bestimmt werden könne, weil das Grundgesetz die Länderkompetenzen unverrückbar festlege, kann nicht gefolgt werden. In der Kernbereichsdiskussion wird gerade danach gesucht, was das Grundgesetz den Ländern als unübertragbar festschreibt. Es können nicht alle vom Grundgesetz den Ländern übertragenen Aufgaben sein. Andernfalls wäre jeglicher Privatisierung ebenso die rechtliche Grundlage entzogen, wie einer mit der Übertragung von Hoheitsrechten verbundenen Zusammenarbeit beider Länder. Dieser Schluss kann nicht ernsthaft gezogen werden. Auch ein Abstellen auf bestimmte Handlungsformen, wie sie im letzten Kapitel dargestellt worden sind, greift für die Bestimmung eines Kernbereichs der Landestätigkeit nicht durch. Zwar können Private beispielsweise keine Gesetze erlassen,55 bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin-Brandenburg stehen sich aber zwei Staaten gegenüber, die jeder für sich und auch für den anderen alle Handlungsformen des Staates ausüben können, solange sie sich im Rahmen der Verfassung bewegen. Dieser verfassungsrechtliche Rahmen ist daher im Folgenden zu bestimmen.

II. Verfassungsmäßige Pflichtaufgaben der Länder Nachdem Überlegungen zum Kernbereich der Landestätigkeit wenig Fruchtbares für die rechtliche Beurteilung der derzeit geübten Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg gebracht haben, ist nunmehr zu fragen, welche weiteren verfassungsrechtlichen Grenzen beide Länder bei ihrer Zusammenarbeit zu beachten haben. So dürfen sie sich beispielsweise nicht durch die Abgabe von Hoheitsgewalt ihrer vom Grundgesetz ihnen auferlegten Pflichten entziehen. Diese bestehen zwar nicht in der zwingenden Ausführung bestimmter Aufgaben durch den Staat selbst, können dem Staat aber möglicherweise verbieten, sich in bestimmten staatlichen Aufgabenbereichen vollständig zurückzuziehen und sich in die Hände eines Privaten oder eines anderen Staates zu begeben. Nachfolgend interessiert daher nicht mehr das „Ob“, dies wurde im vorangegangenen Abschnitt bejaht, sondern das „Wie“ bzw. das „Wieweit“ der Abgabe staatlicher Aufgaben. Indem Art. 30 GG die Erfüllung der staatlichen Aufgaben und die Ausübung der staatlichen Befugnisse dem Bund und den Ländern zuweist – und zwar den einzelnen Ländern und nicht einer Gesamtheit mehrerer Länder –, begründet das Grundgesetz die verfassungsunmittelbare Verantwortung jedes einzelnen Bundes54

Hempel, S. 49 f. Heintzen, HbdG, § 9, Rdnr. 1, der darauf hinweist, dass aber auch bei der Normsetzung, dem wohl wichtigsten Instrument staatlicher Machtausübung, der Staat kein Monopol habe und private Mitwirkung daher möglich sei. 55

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

landes für die Erfüllung der in seinem Gebiet entstehenden staatlichen Aufgaben.56 Pflichtaufgaben der Länder Berlin und Brandenburg können aus den Staatsziel- und Staatsstrukturbestimmungen sowie aus den Grundrechten entstehen. 1. Pflichtaufgaben aus den Staatszielund Staatsstrukturbestimmungen Betrachtet man zunächst die Staatszielbestimmungen, so können diese für die vorliegende Problematik kaum fruchtbar gemacht werden. Aus ihnen lassen sich konkrete Aufgaben nur in wenigen Ausnahmefällen herleiten, weil die Staatszielbestimmungen sehr allgemein und vage gehalten sind und lediglich gewisse Mindeststandards gewähren.57 Rechtlich fassbare Geltungskraft entfalten sie erst bei der Auslegung anderer Verfassungsbestimmungen. Konkrete rechtliche Ansatzpunkte liefern demgegenüber die Strukturprinzipien des Art. 20 Abs. 1 GG. Sie gelten gemäß Art. 28 Abs. 1 GG auch in den Ländern und können damit zu Pflichtaufgaben der Länder Berlin und Brandenburg führen. Aus dem Demokratieprinzip lassen sich beispielsweise ein staatlich bereitgestelltes Wahlsystem und handlungsfähige Staatsorgane, und aus dem Rechtsstaatsprinzip ein funktionierender Verwaltungs- und Justizapparat herleiten.58 Aus dem Sozialstaatsprinzip, das aufgrund seiner inhaltlichen Unbestimmtheit als Staatsziel bezeichnet wird,59 treffen den Staat unter anderem Fürsorgepflichten gegenüber seinen Bürgern und die Pflicht zur Gewährleistung eines Minimalbestandes an Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Insgesamt wird unter dem Gesichtspunkt des Sozialstaatsprinzips eine „letzte Verantwortlichkeit des Staates für alle sozialen Bereiche“ gefordert.60 Die staatlichen Aufgaben aus dem Sozialstaatsprinzip werden von der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg nicht tangiert und bleiben daher in der weiteren Untersuchung außen vor. 2. Demokratieprinzip Die Zusammenarbeit der Bundesländer unter dem Stichwort „kooperativer Föderalismus“ erscheint zunächst hinsichtlich des Demokratieprinzips rechtlich problematisch.61 56

Hempel, S. 261 f. Gramm, Privatisierung, S. 62. 58 Gramm, Privatisierung, S. 63 ff. 59 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Einführung), Rdnr. 10. 60 Zu den Staatsaufgaben aus dem Sozialstaatsprinzip siehe ausführlich Bull, S. 163 ff. Zitat aus ders., S. 171. 61 Hempel, S. 221. Zu den Grundmodellen der Demokratie ausführlich Smith, S. 45 ff. m.w. N.; Tschentscher, S. 19 ff. Zur demokratischen Legitimationsfunktion parlamentarischer Kontrolle ausführlich Schmidt, Legitimationsfunktion, S. 28 ff. 57

II. Verfassungsmäßige Pflichtaufgaben der Länder

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a) Machtverlust der Landesparlamente Demokratie bedeutet, dass die Bürger nur durch einen Willen beherrscht werden, der seine Legitimation vom Willen der durch ihn beherrschten Bürger ableiten kann. Die Bürger sind daher nur der von ihnen getragenen und legitimierten Staatsgewalt unterworfen.62 Problematisch erscheint unter diesem Gesichtspunkt, dass durch die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg der Spielraum eigener politischer Gestaltung in beiden Ländern eingeengt wird und damit eventuell Chancen demokratischer Mitwirkung der Bevölkerung vermindert werden. aa) Fehlende Transparenz der Regierungstätigkeit Diese Gefahr wird verstärkt, indem sich die Zusammenarbeit ohne ausreichende Publizität in exekutiven Gremien vollzieht, die jener Mitwirkung kaum zugänglich sind.63 Damit fehlen den Bürgern und Wählern angesichts der mangelnden Transparenz alle notwendigen Voraussetzungen für die eigene Beurteilung und Bewertung der Vorgänge.64 Ein aktuelles Berliner Beispiel, das zwar nicht die Zusammenarbeit Berlins mit dem Land Brandenburg betrifft, aber die Gefahren von Intransparenz der Regierungstätigkeit offen zeigt, findet sich in der Aushandlung der Verträge über die Berliner Wasserbetriebe.65 Neben mangelnder Transparenz für die Öffentlichkeit bestehen auch Kontrolldefizite infolge mangelnder Transparenz der Willensbildung im Verhältnis der 62 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20, Rdnr. 87 f.; Kisker, S. 116 f.; Pietzcker, Landesbericht, S. 55 ff. 63 Hesse, FS Müller, S. 148. 64 Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 198; Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 22 f. Siehe zum Transparenzgebot im Hinblick auf das Demokratieprinzip auch Bröhmer, S. 38 ff.; Smith, S. 351 f. m.w. N. 65 Im Jahr 1999 beschlossen das Abgeordnetenhaus von Berlin und der Berliner Senat, die Berliner Wasserbetriebe teilzuprivatisieren. Die Verträge waren geheim und wurden damals nicht veröffentlicht. Aufgrund der seither eingetretenen Preissteigerungen hat sich eine Volksinitiative gebildet, die durch Volksentscheid die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge erreichen wollte. Nachdem im Oktober 2010 genügend Stimmen für ein entsprechendes Volksbegehren gesammelt worden waren, wurden die Verträge der Presse zugespielt. Die taz veröffentlichte am 30. Oktober 2010 die Verträge im Internet. Es wurden in diesen Verträgen hohe Gewinngarantien der privaten Teilhaber vereinbart, die ein höchstrichterliches Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs für verfassungswidrig erklärt hatte (Berl.VerfGH, LVerfGE 10, 96 ff.). Weiterhin sind die Verträge unbefristet abgeschlossen worden. Es ist davon auszugehen, dass in einer öffentlichen Diskussion im Jahr 1999 derartige Verträge nicht zustande gekommen wären bzw. der Berliner Verfassungsgerichtshof diese Verträge erneut für verfassungswidrig erklärt hätte. Aufgrund der Geheimhaltung konnte weder eine gerichtliche Kontrolle noch eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit stattfinden. Die Verträge befinden sich inzwischen online im Internet unter http://www.wasserpartner-berlin.de/hintergrund/ vertraege/index.html. Zu dem gesamten Verfahren siehe auf der Internetseite der Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ unter http://berliner-wassertisch.net/index.php.

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Parlamente zu ihren Regierungen.66 Aufgrund der Vertraulichkeit der Tagesordnungen und Protokolle vollzieht sich ein gewichtiger Teil der Regierungstätigkeit hinter verschlossenen Türen. Dieser entzieht sich damit der jeweiligen politischen Verantwortung sowie der kontinuierlichen parlamentarischen Kontrolle. Dadurch wird jede inhaltliche Einflussnahme der Parlamente auf die konkrete Gestaltung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg erschwert. Zur Wahrung des Demokratieprinzips wird beispielsweise für die Übertragung von Hoheitsgewalt im Rahmen der Zusammenarbeit beider Länder gefordert, dass die Tätigkeit der Gemeinschaftseinrichtungen auf Bereiche zu beschränken ist, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eingegrenzt sind.67 Diese Forderung wird auch durch die Wesentlichkeitstheorie gestützt, wonach der parlamentarische Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat.68 Durch die konkrete Bestimmung der abzugebenden Aufgaben ist für die Landesparlamente das Ausmaß der von den Exekutiven ausgehandelten Zusammenarbeit ersichtlich und damit gewährleistet, dass sie bei ihrer Zustimmung die Entscheidung auch inhaltlich mittragen. bb) Faktischer Zustimmungszwang der Parlamente Neben der Transparenz für den Bürger wird durch diese Praxis ein Kontrollverlust der Parlamente beklagt, der bei der Zusammenarbeit beider Bundesländer, insbesondere im Abschlussverfahren der Staatsverträge, verstärkt zu Tage tritt.69 Die Zusammenarbeit beider Länder verschiebe die Gewaltenbalance durch Stärkung der Exekutive auf Kosten der Einflussmöglichkeiten der Länderparlamente.70 Das demokratische Problem der Länderzusammenarbeit ist dabei ein ganz grundsätzliches: Die Zusammenarbeit beider Länder setzt Kompromisse voraus, mit deren Hilfe die Interessen der Beteiligten zu möglichst weitgehender Übereinstimmung gebracht bzw. etwa unvermeidliche Opfer auf die Beteiligten angemessen verteilt werden sollen. Das Volk und auch die Volksvertretung kön66 Keunecke, Gescheiterte Neugliederung, S. 142 f.; Leisner, DÖV 1968, 389 f.; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 465. Für die Ebene zwischen den Ländern und dem Bund Lehner, Der Bürger im Staat 1979, 3, 7 f., der zudem beklagt, dass eine Einbeziehung der Parlamente in das Entscheidungssystem der Politkverflechtung kaum möglich erscheine und andererseits es aber auch kein praktizierbares Alternativmodell gebe. Ausführlich zu dem Problem des „Machtverlusts“ auch Eicher, S. 86 ff. 67 Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 234. 68 BVerfGE 49, 89, 126; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rdnr. 113 m.w. N. 69 Klatt, VerwArch 78 (1987), S. 186, 200 f.; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 465. Siehe hierzu ausführlich in Kapitel E. unter Punkt I.1.c)aa) zum Staatsvertrag über die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg. Zum Kompetenzverlust der Landesparlamente allgemein siehe auch Mende. 70 Siehe hierzu m.w. N. Schoch, HStR III3, § 37, Rdnr. 20 f., der jedoch keine generellen „Gleichgewichtsstörungen“ zwischen den drei Gewalten feststellen kann.

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nen aufgrund ihrer Größe und Schwerfälligkeit nicht selbst als Unterhändler agieren. Daher werden die Verhandlungen durch einzelne Regierungsvertreter geführt. Dem Parlament wird dann ein fertig ausgehandelter Entwurf zur Entscheidung vorgelegt. Ändert das Parlament diesen ausgehandelten Entwurf nachträglich, so stimmt er nicht mehr mit dem gefundenen Kompromiss überein. In neuen Verhandlungen müsste ein neuer Kompromiss gefunden werden, der dann den Parlamenten erneut vorgelegt werden kann.71 Zwar bestehe theoretisch die Möglichkeit, dass das Parlament die Regierung auffordert, erneut in Verhandlungen einzutreten. Dieser Aufforderung kann die Regierung jedoch nur nachkommen, wenn sich ihre Vertragspartner zu neuen Verhandlungen bereit erklären. Um endlose Verhandlungen zu verhindern und die Glaubwürdigkeit ihrer exekutiven Verhandlungsvertreter bei künftigen Verhandlungen zu bewahren, sehen sich die Landesparlamente gezwungen, den von den Exekutiven ausgehandelten Kompromiss anzunehmen. Ein großer politischer Spielraum bleibt ihnen im Ergebnis daher nicht. Anders als im „normalen“ Gesetzgebungsverfahren gibt es daher faktisch keine Möglichkeit für Änderungen. Die eigentliche politische Entscheidung ist bereits zuvor gefallen, und es sind lediglich noch kleinere Korrekturen möglich.72 cc) Erhalt der parlamentarischen Kontrollrechte Diesem Zwang der beiden Landesparlamente, von den Exekutiven ausgehandelte Kompromisse anzunehmen, kann rechtlich zunächst entgegengehalten werden, dass auch bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg beiden Landesparlamenten ihre parlamentarischen Kontrollrechte erhalten bleiben. Zu den Voraussetzungen einer parlamentarischen Kontrolle gehören allgemein die Verbesserung der Arbeitsabläufe innerhalb des Parlaments, eine rationellere Arbeitsgestaltung sowie eine Vereinfachung des Gesetzgebungsverfahrens. Wird das Schwergewicht in den Landtagen auf die Kontrolle gelegt, müssen die entsprechenden Einrichtungen und Instrumente ausgebaut und effektiver gestaltet werden.73 Wenn die Landesparlamente ihre legislativen Kompetenzen, insbesondere ihre Kontrolltätigkeit, nur unzulänglich wahrnehmen, haben sie sich ihren Bedeutungsverlust teilweise auch selbst zuzuschreiben.74 Betrachtet man die praktische Zusammenarbeit zwischen Legislative und Exekutive, verfügt die Re71 Hofmann, Bundesstaat, S. 2 f. und 67 f.; Kisker, S. 123 ff.; Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 23; Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 198; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 93 ff.; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 459; Wieland, S. 119. 72 Hesse, FS Müller, S. 148; Hofmann, Bundesstaat, S. 69 f.; Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 22 f. 73 Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 27. Das dargestellte Problem existiert auch auf Bundesebene bei der internationalen Zusammenarbeit, worauf gleich noch einzugehen ist. 74 Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 21 f.

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gierung gegenüber dem Parlament zwar über einen beträchtlichen Informationsvorsprung, der aber durch gezielte Anfragen des Parlaments abgebaut werden kann. Auch im Bereich der Länderzusammenarbeit haben die Parlamente die Möglichkeit, Unterrichtungsbegehren an ihre Landesregierung zu richten und ihre Meinungen zum Vertragsgegenstand zu äußern.75 Zudem stimmt sich die Regierung vor wichtigen Entscheidungen zumindest mit der Führung der Mehrheitsfraktion ab, wodurch eine gewisse Kontrolle gewährleistet wird. Wenn aber erst einmal interföderale Absprachen existieren, dann sind eine Kontrolle und vor allem eine Korrektur unbestritten sehr schwierig.76 Daher sollte das Parlament die Regierung zum gegebenen Zeitpunkt zur Offenlegung ihrer Vorstellungen veranlassen, um eigene Gedanken gegenüberzustellen und die Regierung aufzufordern, auch die Vorstellungen des Parlaments in die Fachkonferenzen einzubringen und ihre Verwirklichung jedenfalls zu versuchen. Voraussetzung hierfür ist wiederum eine frühzeitige und umfassende Unterrichtung der Landtage vor Unterzeichnung von Staatsverträgen.77 Zu diesem Zweck gibt es in den Länderverfassungen, aber auch in den Geschäftsordnungen der Parlamente, Bestimmungen, die vorsehen, dass die Regierungen die Parlamente rechtzeitig über den Stand von interföderalen Verhandlungen zu unterrichten haben, so dass eine parlamentarische Befassung und eine eventuell empfehlende Einflussnahme ermöglicht wird. In Berlin ist der Vertragstext des Staatsvertrages nach Art. 50 Abs. 1 Satz 3 VvB vor seiner Unterzeichnung dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis vorzulegen.78 Das Land Brandenburg hat in seiner Verfassung eine entsprechende Regelung nicht getroffen. Neben der parlamentarischen Kontrolle durch frühzeitige Information über die geplante Zusammenarbeit können sich die Abgeordneten auch darüber informieren, in welchen Gremien Vertreter der Landesexekutive mitwirken, und sie können von der Regierung eine Begründung verlangen, weshalb diese Mitarbeit geboten ist. Überzeugt die Begründung sie nicht, könnte das Parlament die entsprechenden Haushaltsmittel verweigern.79 Auch wenn dies praktisch selten vorkommen dürfte, kann die Gewissheit, dass das Parlament mit wachen Augen die Aktivitäten der Regierung auf diesem Gebiet beobachtet, dafür sorgen, dass auch die Regierung in jedem Fall abwägt, ob das neue Gremium tatsächlich erforder75

Hofmann, Bundesstaat, S. 58; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 93 ff. Hofmann, Bundesstaat, S. 58. 77 Eicher, S. 113; Lenz, DÖV 1977, 157, 158; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 261. 78 Diese Regelung über die frühzeitige Kenntnisnahme des Parlaments in Berlin wird in der Literatur teilweise als ineffektiv angesehen, da der Regierung ein breiter Interpretationsspielraum erhalten bleibe und sie im Wesentlichen den Modus des Unterrichtungsverfahrens bestimmen könne (so Wilke, S. 69 f.). 79 Die Budgethoheit des Parlaments wird als wesentliches Element parlamentarischer Regierungskontrolle angesehen (Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Vorb Art. 110–115, Rdnr. 6 m.w. N.). 76

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lich ist. All das setzt einen ständigen Kontrollwillen des Parlaments voraus, würde aber die Transparenz der Willensbildung fördern und könnte zu einer effektiveren parlamentarischen Kontrolle der Landesregierungen führen.80 Bei der rechtlichen Beurteilung des Handlungsspielraums der Landesparlamente im Rahmen der Länderzusammenarbeit ist auch zu beachten, dass die Vertretung des Landes nach außen Sache der Landesregierung ist und deshalb ein Verfahren gefunden werden muss, das zwei Interessen berücksichtigt. Zum einen hat der Staatsvertrag ein legislatives Element. Die Landesparlamente haben einen legitimen Anspruch, an solchen Verträgen beteiligt zu werden. Denn als Gesetzgeber und zentraler Ort demokratischer Auseinandersetzung müssen sie über die in den Staatsverträgen typischerweise geregelten Gegenstände der Gesetzgebung bestimmen können. Zum anderen besitzen Staatsverträge aber auch ein exekutives Element. Sie stellen den übereinstimmenden Willen der Landesregierungen dar, der durch Verhandlungen oft mühsam errungen worden ist.81 Unter diesem Gesichtspunkt steht einer parlamentarischen „Kontrolle durch Mitwirkung“ an der Regierungstätigkeit der Grundsatz der Gewaltenteilung entgegen. Ist eine Materie, wie auf Bundesebene beispielsweise die auswärtige Gewalt gemäß Art. 59 Abs. 1 GG, der Regierung so eng zugeordnet, entsteht ein Regierungsvorbehalt.82 Verhandlungen über Verträge mit anderen Bundesländern gehören zur Befugnis der Exekutive, so dass eine Mitwirkung der Legislative nur in einem eng umgrenzten Rahmen rechtlich möglich ist. Es wird diesbezüglich von einer wesentlichen Aufgabe der Regierung gesprochen.83 Wenn das Parlament während der Verhandlungsphase von Staatsverträgen durch inhaltliche Stellungnahmen auf die Vertragsverhandlungen einzuwirken versucht, greift es damit in den Initiativ-Bereich der Landesregierung ein. Obwohl die Regierung rechtlich frei ist, ob und inwieweit sie Stellungnahmen des Parlaments bei der Aushandlung und beim Abschluss von Staatsverträgen berücksichtigt, ist diese parlamentarische Einwirkung auf den Initiativbereich der Regierung rechtlich problematisch. Indem die Verfassung den eigenständigen Initiativ-Bereich der Regierung aner80

Hofmann, Bundesstaat, S. 115 ff.; Klatt, Der Bürger im Staat 1979, 20, 25. Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 250 f. 82 Kuhl, S. 23 f. mit einer Darstellung des Meinungsstandes. Die dargestellte Auffassung vertritt auch das BVerfG. In Bezug auf das Verhältnis von Bundestag und Bundesregierung auf dem Gebiet der Außen- und Handelspolitik hat es (BVerfGE 1, 372, 394 f.; 68, 1, 86 f.) klargestellt, dass dem Parlament grundsätzlich die Rechtsetzung vorbehalten ist und der Exekutive die Regierung und Verwaltung. Soweit der Bundestag nicht ausdrücklich durch Art. 59 Abs. 2 GG zur Mitwirkung bei der Tätigkeit der Exekutive ermächtigt worden ist, steht ihm kein Recht zu, in den Zuständigkeitsbereich der Regierung einzugreifen. Der Bundestag bleibt auf die allgemeinen verfassungsmäßigen Kontrollmöglichkeiten beschränkt. Er regiert und verwaltet nicht selbst, sondern kontrolliert die Regierung. Auch der Grundsatz der parlamentarischen Verantwortung der Regierung setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung voraus. 83 Keunecke, Gescheiterte Neugliederung, S. 143. 81

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kennt, schützt sie ihn zugleich gegen Einflussnahmen aus dem Bereich des Parlaments. Mit der Respektierung dieses der Gewaltenteilung immanenten Verfassungsgebots steht und fällt die eigenständige Regierungsfunktion.84 Dieser Problematik braucht aber im Rahmen der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg nicht weiter nachgegangen zu werden, weil auch der Landtag dem Sachzwang zum Kompromiss, dem sich die Exekutive bei den Koordinationsbemühungen ausgesetzt sieht, nicht ausweichen könnte.85 Vorabinformationen des Parlaments können aber dennoch im Einzelfall politisch sinnvoll sein und kommen dann in Betracht, wenn sie unter Wahrung des Verhandlungsspielraums der Landesregierung gegenüber den Landtagsfraktionen mit dem Ziel erfolgen, legitimen Informationsinteressen der Fraktionen zu dienen und ihren späteren politischen Entscheidungsprozess bei der Beratung des Zustimmungsgesetzes zu erleichtern.86 Die Tatsache, dass die Parlamente ihre Kontrollbefugnisse nicht ausüben können, weil sie über keinen auch nur annähernd ausreichenden Apparat zur Beschaffung, Sichtung und Wertung von Daten verfügen und es ihnen unter diesen Umständen nicht möglich ist, der Exekutive überzeugend entgegenzutreten,87 ist kein spezielles Problem der Zusammenarbeit beider Bundesländer, sondern ein allgemeines Problem im Verhältnis zwischen den Parlamenten und ihrer jeweiligen Regierung.88 So hat beispielsweise das Bundesverfassungsgericht auf Bundesebene in seiner Entscheidung zum Einsatz deutscher Soldaten in AWACSFlugzeugen der Nato erneut festgestellt, dass die verfassungsrechtlich gebotene Wahrnehmung parlamentarischer Verantwortung für die Fortentwicklung eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit auf praktische Schwierigkeiten stoßen kann, weil die Bundesregierung durch ihren Wissensvorsprung und durch die Erfahrung der kooperativen Bedingungen im Bündnissystem den Vorteil des unmittelbar Handelnden genießt. Nur die Bundesregierung nimmt teil an der koordinierten Willensbildung etwa im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder in den Entscheidungsgremien der NATO. Das Parlament kann von den dort getroffenen Entscheidungen nicht im Nachhinein einseitig abrücken, ohne politischen Schaden im Bündnis und damit für die Bundesrepublik Deutschland zu verursachen.89 Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes stellt dem Bundestag aber ausreichende Instrumente für die politische Kontrolle der Bundesregierung zur Verfügung (beispielsweise in Art. 43 Abs. 1 GG).90 84

Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 198; Lenz, DÖV 1977, 157, 161. Pietzcker, Landesbericht, S. 76. 86 Lenz, DÖV 1977, 157, 164. 87 Kisker, S. 122 f. 88 Siehe zu der gleichen Problematik beispielsweise in Bezug auf die europäische Integration Töller, ZParl 2008, 3 m.w. N. 89 BVerfGE 108, 34, 44 f. 90 BVerfG, NJW 2008, 2018, 2021. 85

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Zurück auf der nationalen Ebene bei der Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg, ist festzuhalten, dass sich die Bundesländer ungleich näher stehen als die Partner internationaler Beziehungen, so dass eine Zusammenarbeit hier problemloser möglich sein muss.91 Entscheidend tritt hinzu, dass beide Landesparlamente einem Staatsvertrag gemäß Art. 50 Abs. 1 S. 3 u. 4 VvB und Art. 91 Abs. 2 Bbg.Verf zustimmen müssen. Während im Völkerrecht das Fehlen der parlamentarischen Zustimmung die Wirksamkeit der Ratifikation nicht berührt, weil man sonst die Wirksamkeit völkerrechtlicher Verträge mit den unübersehbaren verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen sämtlicher Partnerstaaten belasten würde,92 bedeutet dieser Mangel bei Staatsverträgen zwischen den Bundesländern nicht nur im Innenverhältnis eine Verfassungsverletzung, sondern wirkt auch nach außen, das heißt im Verhältnis zu dem gliedstaatlichen Vertragspartner. Aufgrund der Verbundenheit der Bundesländer untereinander sowie nach dem Grundsatz der Bundestreue93 und gegenseitigen Rücksichtnahme wirkt eine Verletzung der Verfassung des Vertragspartners auch gegen den anderen Teil, so dass sich dieser nicht auf den Vertrag berufen kann. Es wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, dass sich ein Bundesland auf einen Vertrag beruft, der unter Verletzung verfassungsrechtlicher Vorschriften eines anderen Landes abgeschlossen wurde. Jedes Bundesland muss die verfassungsrechtlichen Fehler, die dem Vertragspartner unterlaufen sind, gegen sich gelten lassen. Staatsverträge zwischen den Bundesländern sind daher – im Gegensatz zu völkerrechtlichen Verträgen – nach außen nur wirksam, wenn das in den einzelnen Ländern verfassungsrechtlich vorgeschriebene Verfahren beachtet, insbesondere die Zustimmung des Parlaments eingeholt worden ist.94 Wenn ein Staatsvertrag zwischen den Bundesländern trotz fehlender parlamentarischer Zustimmung ratifiziert worden ist, ist er ungültig. Die Zustimmung des Parlaments für Staatsverträge zwischen den Bundesländern ist somit zwingende Gültigkeitsvoraussetzung95 und sichert den Landesparlamenten die Entscheidungsbefugnis. Inwieweit die Landesparlamente die ihnen rechtlich überlassenen Mittel dann auch tatsächlich nutzen und ins Parlament eingebrachte Vorschläge auch wirklich

91 Kisker, S. 133. Zur Problematik des Demokratieprinzips beim Abschluss von Staatsverträgen siehe näher in Kapitel E. unter Punkt I.1.c)aa). 92 Grassl, S. 70 (Fn. 51); Neumann, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 58, Rdnr. 7. 93 Der Grundsatz der Bundestreue bindet nicht nur im Verhältnis Bund–Länder, sondern auch im Verhältnis der Länder untereinander (BVerfGE 12, 205, 254). 94 Giese, S. 113 f. Davon geht wohl auch das BVerfG aus, wenn es einem zwischen Nordrhein-Westfalen und dem ehemaligen Land Lippe geschlossenen Vertrag insbesondere deshalb die Wirksamkeit versagt, weil die Ministerpräsidenten ohne Mitwirkung ihrer Landtage keinen Vertrag über Gegenstände der Gesetzgebung hätten schließen dürfen (BVerfGE 4, 250, 275 f.). 95 BVerwGE 50, 137, 143; Grassl, S. 66; Lenhard, S. 155; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 24 f.; Schneider, DÖV 1957, 644, 647 f.

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überprüfen,96 ist kein rechtliches,97 sondern ein politisches Problem. Es macht die Zusammenarbeit beider Länder solange nicht verfassungswidrig, wie die Parlamente nicht gegen konkrete verfassungsrechtliche Pflichten verstoßen. Eine Pflicht zur Ausschöpfung ihrer Kontrollrechte gegenüber der Regierung besteht für sie nicht. Ohne Verfassungsverstoß bleibt es allein den Landesbürgern überlassen, auf missbilligte Verfahrenspraktiken ihrer Landesparlamente mit politischem Druck und einer Änderung ihres Wahlverhaltens zu reagieren. Damit ist das dargestellte Demokratie-Defizit eine sicher rechtspolitisch zu bedauernde, jedoch nicht gegen Verfassungsrecht verstoßende Begleiterscheinung vertraglicher Zusammenarbeit.98 Vorliegend interessieren hingegen nur rechtlich relevante Verstöße gegen das Demokratieprinzip. Diese könnten sich unter dem Gesichtspunkt einer ununterbrochenen Legitimationskette aller Staatsgewalt ergeben. b) Ununterbrochene Legitimationskette und Letztverantwortung des Staates Aus dem Demokratieprinzip folgt das Erfordernis der Zurechenbarkeit von Verantwortung gegenüber dem jeweiligen Landesvolk.99 Hierfür ist entscheidend, dass kein Bundesland von einem anderen Bundesland zu einer bestimmten Regelung gezwungen werden kann. Auch soweit rechtlich verbindliche Vereinbarungen in Staatsverträgen oder Verwaltungsabkommen der Länder untereinander getroffen werden, entfalten sie nur Rechtswirkungen für die Länder, die diese Vereinbarungen unterzeichnet haben. Damit geht bei diesen die demokratische Legitimation von dem jeweiligen Landesvolk aus. An der demokratischen Legitimation ändert auch die Tatsache nichts, dass die Entscheidung von den Länderexekutiven dominiert ist, weil auch die Landesregierung ihre demokratische Legitimation ausschließlich vom Landesvolk bezieht.100 Problematisch erscheint aber die Zusammenarbeit beider Länder, die mit der Abgabe von Hoheitsgewalt an das jeweils andere Land101 bzw. an eine echte Ge96 Siehe hierzu in Kapitel E. unter Punkt I.1.c)aa) am Beispiel des Staatsvertrages über die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg. 97 LVerfG Bbg, LVerfGE 4, 114, 136 sieht eine „Pflicht zur Wahrnehmung eigener Angelegenheiten . . . [als] dem geltenden Recht grundsätzlich fremd“ an. 98 So Vedder, S. 148. Anders Kisker, S. 229 ff., der sich allgemein gegen den kooperativen Föderalismus ausspricht. Er bezweifelt aufgrund der oben beschriebenen Entmachtung der Parlamente, dass die Aufgabenbereiche, bei denen kooperiert wird, überhaupt noch mit demokratisch kontrollierten Aufgabenbereichen zu tun haben, und neigt daher zu einer mehr einheitsstaatlichen, zur Kompetenzübertragung auf den Bund führenden Lösung. 99 Siehe hierzu Smith, S. 353 ff. m.w. N. Ausführlich Böckenförde, HStR II3, § 24, Rdnr. 11 ff. 100 Hanebeck, S. 260 f. (insbes. auch Fn. 786). 101 Das Problem der Letztverantwortung stellt sich hier bei den institutionellen Beteiligungsverwaltungen beider Länder. Wird bei der institutionellen Beteiligungsverwaltung eine treuhänderische Ausübung der Zuständigkeit vereinbart, so verliert das abge-

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meinschaftseinrichtung verbunden ist, weil diese Hoheitsgewalt dann von Personen ausgeübt wird, die weder unmittelbar noch mittelbar durch das Landesvolk des abgebenden Landes legitimiert sind. Bereits Vereinbarungen von Mitwirkungsrechten (Zustimmungs- und Einvernehmensrechten) werden als partielle Delegationen angesehen, weil der Zuständigkeitsträger seine sachliche Bestimmungsmacht in dem Maße verliert, in dem er den Mitwirkungsberechtigten an der Aufgabenerfüllung beteiligt.102 Ein ähnliches Problem stellt sich auch bei der Abgabe staatlicher Aufgaben an Private. Hier wird die Ausübung von (staatlicher) Herrschaft durch andere als die vom Volk legitimierten Organe, beispielsweise in Form von privater Mitwirkung an Verwaltungsentscheidungen in Form einer Mitentscheidung, als Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG angesehen, weil diese Mitentscheidung, wenn sie einen Sinn haben soll, zumindest latent darauf angelegt ist, von der bereits demokratisch legitimierten Entscheidung abzuweichen.103 Demgegenüber sei eine bloße Mitwirkung durch private Vorbereitung oder Beratung bzw. eine bloß ausführende Funktion der Privaten unschädlich, denn die Entscheidung ist in diesen Fällen die der Verwaltung, und die Verwaltung ist an die Ergebnisse privater Verfahrensbeiträge etwa in Form von Beratung nicht gebunden.104 Gegen diese Unterscheidung in demokratisch problematische Mitentscheidung und unproblematische Mitwirkung wird angeführt, dass ein Abstellen bei der Mitwirkung allein auf die immer noch gegebene Entscheidungsautorität der Verwaltung verkenne, dass im Einzelfall durch Vorbereitung und Beratung die Entscheidung inhaltlich so weit vorgeprägt sein kann, dass den Entscheidungsträgern nur noch ein Abnicken verbleibt.105 Daher muss die Verwaltung bei der Beteiligung Privater über hinreichende Sachkompetenz verfügen, um ihre Entscheidung auch inhaltlich fällen zu können, insbesondere darf sie nicht in die Rolle der albende Land vollständig die Herrschaft über die Wahrnehmung der Aufgabe, insbesondere die konkrete Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung. Ihm verbleibt nur noch die Trägerzuständigkeit in dem Sinne, dass es dafür verantwortlich bleibt, dass die Aufgabe überhaupt erfüllt wird. Dass es weiterhin eine Aufgabe des übertragenden Landes ist, ist auch durch die Kostenregelung zu erkennen, durch die das abgebende Land weiterhin anteilig die Kosten für die Aufgabenerfüllung übernimmt. Würde die Aufgabe als Aufgabe des tatsächlich handelnden Landes angesehen werden, würde dieses die Kosten allein tragen (Hempel, S. 26 f.). 102 Hempel, S. 29. 103 BVerfGE 47, 253, 273; Hill, DVBl. 1993, 973, 977; Schmidt-Aßmann, AöR (116) 1991, 329, 374. 104 BVerfGE 83, 60, 73; Brohm, HStR II2, § 36, Rdnr. 30 a. E.; Burgi, Privatisierung, S. 378 ff.; Hill, DVBl. 1993, 973, 977; Weiß, S. 318 f. Hinsichtlich der Mitwirkung Privater im Gesetzgebungsverfahren siehe Heintzen, HbdG, § 9, Rdnr. 3. Zur Einschaltung von Rechtsanwälten bei der Erstellung von Gesetzesentwürfen siehe auch Kloepfer, NJW 2011, 131, 133. 105 Voßkuhle, in HStR III3, § 43, Rdnr. 22 mit Verweis auf Brohm, HStR II2, § 36, Rdnr. 31 und m.w. N. Siehe zudem Weiß, S. 319.

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lein auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkten Verwaltungsgerichtsbarkeit gedrängt werden, sondern muss auch gestalterisch tätig werden können.106 Die unmittelbar oder mittelbar legitimierten Organe müssen also die tatsächliche Entscheidungsmöglichkeit haben, die auch unter dem Begriff der Letztverantwortung eingefordert wird. Der normative Anknüpfungspunkt staatlicher Letztverantwortung wird allgemein im Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gesehen. Neben der soeben behandelten organisatorischen Legitimation fordert das Demokratieprinzip auch eine sachlich-inhaltliche Rückbindung an den Volkswillen bei jeder staatlichen Entscheidung. Dies erfordert neben der ununterbrochenen Legitimationskette auch ein eigenes, hinreichend kompetent ausgestattetes staatliches Personal.107 Diese in der Literatur zunächst bei der Privatisierung staatlicher Aufgaben behandelte Problematik stellt sich ebenso bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg. Die Staatsgewalten beider Länder gehen von jeweils besonderen, ausschließlich ihnen zugeordneten Staatsvölkern aus. Jede Landeseinrichtung, die nicht als Verfassungsorgan unmittelbar durch die Verfassung legitimiert ist, muss ihren öffentlichen Status vom „Träger der Staatsgewalt“, in der demokratischen Ordnung also vom Staatsvolk (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), ableiten. Diese Verbindung wird durch die Rechtsaufsicht der Regierung hergestellt. Wo sie fehlt, verliert die Verwaltungseinrichtung ihre demokratische Legitimität.108 Zur Sicherung der ununterbrochenen Legitimationskette zwischen den beiden Landesvölkern und den handelnden Verwaltungsträgern sowie der Erhaltung der Letztverantwortung beider Länder muss zudem die verbindliche Entscheidung durch die Organe des Landes getroffen werden, dem der betroffene Bürger angehört. Dabei muss das jeweilige Organ über ausreichend Informationen und Sachkunde verfügen, damit die Entscheidung auch als seine eigene erscheint. Unter diesem Aspekt werden gemeinschaftliche Einrichtungen dann als verfassungswidrig angesehen, wenn nicht beide Landesregierungen auch weiterhin die Rechtsaufsicht über die Einrichtung ausüben. Bei der Mehrzahl ihrer echten Gemeinschaftseinrichtungen üben beide Länder Berlin und Brandenburg die Rechtsaufsicht aus.109 Es wurden aber auch echte Gemeinschaftseinrichtungen beider Länder vereinbart, bei denen nur eines der beiden Länder die Rechtsaufsicht inne 106 Di Fabio, JZ 1999, 585, 592; Schneider, VerwArch 87 (1996), 38, 59 f.; Weiß, S. 320. Gusy, Privatisierung, S. 347 f. stellt auf die Wichtigkeit von Informationen für die staatlichen Stellen ab. 107 BVerfGE 9, 268, Ls. 2a u. S. 281; Gusy, Privatisierung, S. 348; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 8; Möllers, S. 291 ff. 108 Hempel, S. 52 u. 267. 109 Siehe hierzu beispielsweise Art. 4 Abs. 1 des Staatsvertrages über die Errichtung des Landesamtes für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg, BbgGVBl. I/04, S. 238.

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hat. Zu nennen sind hier beispielsweise die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, die der Rechtsaufsicht des Landes Brandenburg unterliegt, und die gemeinsame Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, die der Rechtsaufsicht des Landes Berlin unterliegt.110 Die Ausübung der Aufsichtsbefugnisse durch Behörden nur eines der beiden Länder ist rechtlich nicht zu beanstanden, solange sichergestellt bleibt, dass das andere Land an der Aufsichtsführung in irgendeiner Weise beteiligt ist und so den Willen seines Landesvolkes zur Geltung bringen kann.111 Die zum 1. Januar 2010 vereinigte „AOK Berlin-Brandenburg – Die Gesundheitskasse“ hat ihren Sitz in Potsdam. Die Rechtsaufsicht wird aufgrund des Sitzes der Krankenkasse in Potsdam durch das Land Brandenburg ausgeübt. Um bei Berliner Belangen auch weiterhin Einfluss nehmen zu können, hat das Land Berlin mit der Krankenkasse eine Kooperationsvereinbarung und mit dem Land Brandenburg eine Verwaltungsvereinbarung erarbeitet, in der die Zusammenarbeit in aufsichtsrechtlichen Angelegenheiten geregelt ist.112 Da die Landesregierungen den Parlamenten verantwortlich sind, ist Letzteren die Möglichkeit offengehalten, die Regierungen bei Verletzung der Aufsichtspflicht zur Verantwortung zu ziehen. Damit ist die gemeinsame Einrichtung mittelbar auch ständig der parlamentarischen Kontrolle der Länder unterworfen, und Art. 28 GG wird beachtet.113 Nicht die Regierungsverantwortlichkeit ist damit vorliegend tangiert, sondern nur die den einzelnen Ministern zustehenden Befugnisse, Zuständigkeiten und Aufgaben. Derartige Beschränkungen sind auch dem Grundgesetz bekannt. Zu nennen ist hier beispielsweise die Beschränkung der Ministerverantwortlichkeit durch die Unabhängigkeit der Gerichte oder durch die Selbstverwaltung der Gemeinden.114 Letztendlich ist entscheidend, dass in den Fällen, in denen eines der beiden Länder nicht die Rechtsaufsicht über die echte Gemeinschaftseinrichtung mit inne hat, diesem Land zumindest umfassende Informations- und Beteiligungsrechte eingeräumt werden.115 In Bezug auf die Rechtsaufsicht genügt des Weiteren nicht lediglich ihre formale Existenz, sondern die jeweilige Landesregierung muss die Entscheidung 110 Siehe zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und zur gemeinsamen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg näher in Kapitel C. unter Punkt II.2.a)cc). 111 Lenhard, S. 99. 112 AvB Drs. 16/2787, S. 21 f. 113 Grassl, S. 97; Kisker, S. 270; Maunz, NJW 1962, 1641, 1644. Für Regionalverbände auch Damkowski, NVwZ 1988, 297, 302. 114 BVerwGE 22, 299, 310 f. 115 Derartige Informations- und Beteiligungsrechte wurden beispielsweise in Art. 4 und 5 des Staatsvertrages über die Bestimmung der Aufsicht über die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (BbgGVBl. I/06, S. 38) dem Land Brandenburg eingeräumt.

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auch inhaltlich tragen. Hier besteht die Gefahr, dass die Regierungen durch die Zusammenarbeit der Fachbürokratien beider Länder aufgrund von deren Informationsvorsprüngen nicht mehr in ausreichendem Maße in der Lage sind, einen auf Dauer angelegten Kooperationsprozess auch tatsächlich inhaltlich zu steuern.116 Neben der Rechtsaufsicht wird bei der Ausübung staatlicher Aufgaben durch Private daher für die Letztverantwortung des Staates gefordert, dass er sich auch eine Letztentscheidungsbefugnis über das hoheitliche Auftreten gegenüber seinen Bürgern vorbehält. Die Verwaltung muss sich hierfür zumindest die Möglichkeit zu einer einseitigen Regelung erhalten. Sie dürfe weder die Rolle eines bloßen Mittlers zwischen privaten Interessenträgern noch diejenige eines mit Privaten gleichberechtigten Verhandlungsteilnehmers einnehmen. Aushandeln und Entscheiden stehen sich nicht alternativ gegenüber. Die Verwaltung dürfe sich nicht ausgehandelten Kompromissen einfach nur unterwerfen.117 Betrachtet man die im vorangegangenen Kapitel dargestellten Formen der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg, stellt sich das Problem der Letztverantwortung vor allem bei der Zusammenarbeit beider Länder in nach außen hoheitlich auftretenden echten Gemeinschaftseinrichtungen. Hier geben beide Länder Hoheitsrechte ab. Auch wenn diese Form der Zusammenarbeit generell zulässig ist,118 muss für ihre konkrete Ausgestaltung gefordert werden, dass eine Rückführung auf den Verantwortungs- und Kontrollzusammenhang jedes beteiligten Landes möglich bleibt.119 Hierbei ist entscheidend, dass die übertragenen Befugnisse im Einflussbereich der Länder insgesamt verbleiben, dass das einzelne Land Mitbestimmungsrechte behält und die Übertragung der Hoheitsrechte nicht endgültig ist, sondern durch Kündigung rückgängig gemacht werden kann.120 Um Ersteres zu gewährleisten, wird teilweise gefordert, dass verbindliche Entscheidungen (außer in Verfahrensfragen) von den kooperierenden Ländern einstimmig gefasst werden. Hierdurch blieben das Kontrollrecht aller Landesparlamente auch gegenüber der echten Gemeinschaftseinrichtung und das parlamentarische Budgetrecht jedes beteiligten Landes erhalten.121 Einstimmigkeit muss hierfür dann gefordert werden, wenn jeder Mitgliedstaat einen Vertreter schickt. Bei der vorliegend untersuchten Zusammenarbeit zweier Länder werden in der Regel beide Länder durch mehrere Personen vertreten. Hier ist es ausreichend, dass die Verwaltungsträger aus beiden Ländern Einfluss auf die Gestaltung der Rechtsbeziehungen der gemeinsamen Einrichtung 116

Wilke, S. 71. Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 9. 118 Siehe zur rechtlichen Zulässigkeit von echten Gemeinschaftseinrichtungen in Kapitel C. unter Punkt II.2.a)cc). 119 BVerwGE 22, 299, 307 f. 120 Gross, NJW 1967, 1001, 1003; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 186 f. 121 Bothe, Generalbericht, S. 208 f.; Grawert, S. 278 f.; Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 233. 117

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haben, dass gemeinsame Organe dem Einfluss und der Kontrolle beider Länder unterliegen. Demzufolge muss dafür Sorge getragen werden, dass bei Mehrheitsentscheidungen die Verwaltungsträger eines Landes nicht regelmäßig oder in für sie wichtigen Angelegenheiten überstimmt werden können.122 Hier ist eine Mehrheit jeweils der Vertreter beider Länder, nicht aber Einstimmigkeit aller Vertreter zu fordern.123 Schwieriger gestaltet sich die Sachlage bei Entscheidungen im Arbeitsalltag von institutionellen Beteiligungsverwaltungen und echten Gemeinschaftseinrichtungen. Hier ist ein derartiges Abstimmungsverfahren kaum praktikabel, wenn diese Verwaltungseinrichtungen noch arbeitsfähig sein sollen. Im Sinne einer kooperationsfreundlichen Auslegung des Demokratieprinzips wird man es hier für ausreichend erachten müssen, dass beide Landesregierungen die Rechtsaufsicht über die Einrichtung ausüben und bei Fehlentwicklungen die Zusammenarbeit in der Einrichtung durch Kündigung des ihr zugrunde liegenden Staatsvertrages beenden können. Die Kündigungsmöglichkeit gewährleistet damit die Letztverantwortung beider Länder. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg in einer gemeinsamen Einrichtung keine weitergehenden rechtlichen Probleme auftun als allgemein bei der mittelbaren Staatsverwaltung, zu der echte Gemeinschaftseinrichtungen gehören.124 c) Reichweite der Bindungswirkung des Staatsvertrages Unter Demokratiegesichtspunkten stellt sich darüber hinaus die Frage, inwieweit ein Parlament sich selbst oder seinen Nachfolger binden kann.125 Soweit die Länder Berlin und Brandenburg bestimmte Kompetenzen endgültig übertragen, ist zumindest die clausula rebus sic stantibus anwendbar. Werden durch Änderung der Verhältnisse die gemeinsamen Vorstellungen und Erwartungen beider Vertragspartner (subjektive Geschäftsgrundlage) enttäuscht, kann der beeinträchtigte Vertragspartner den Vertrag kündigen oder zumindest eine anpas122

Lenhard, S. 100. Siehe hierzu die Abstimmung im Richterwahlausschuss in Kapitel E. unter Punkt I.1.a)aa). 124 Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 233. Siehe hierzu auch Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 173. 125 Mit einem Staatsvertrag übernehmen die Vertragspartner verbindliche Pflichten. Dabei ist aber darauf hinzuweisen, dass in der innerbundesstaatlichen Kooperationspraxis das Problem, ob eine Absprache im Rechtssinne verbindlich ist oder nicht, eine wesentlich geringere Rolle spielt als in der Praxis des Privatrechts. Der vorherrschende kollegiale Umgangsstil führt dazu, dass einerseits auch unverbindliche Absprachen, wenn irgend möglich, eingehalten werden und dass andererseits auch bei verbindlichen Absprachen ein Partner nur selten auf buchstabengetreue Erfüllung besteht (Kisker, S. 209). 123

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sende Auslegung oder Änderung der Vertragsbedingungen erzwingen.126 Darüber hinaus muss ein Staatsvertrag unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Bundestreue127 auch bereits dann auflösbar oder abänderbar sein, wenn ein starres Festhalten an einer einmal getroffene Vereinbarung im Ergebnis dazu führen würde, dass einer der Partner daran gehindert wird, die ihm durch die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes zugewiesene Rolle auszuüben. Beispielsweise soll ein Bundesland nicht an der vertraglich für eine grenzüberschreitende Wirtschaftsregion vereinbarten Ordnung festhalten müssen, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die Durchführung des vereinbarten Raumordnungsplanes es daran hindern würde, unabweisbar gewordene Strukturverbesserungen im eigenen Land durchzuführen. Hier sind alle Beteiligten durch das Prinzip der Bundestreue angehalten, sich in einer die Interessen ausgleichenden Weise zu arrangieren.128 Die Problematik der Auflösbarkeit von Staatsverträgen stellt sich allerdings nicht, wenn im Staatsvertrag eine Kündigungsmöglichkeit unter Einhaltung einer festgelegten Frist vereinbart worden ist. Dies ist in der Vertragspraxis der Länder Berlin und Brandenburg üblich. Alle bisher abgeschlossenen Staatsverträge zwischen beiden Ländern sehen eine solche Kündigungsmöglichkeit vor. An der Ausübung dieses Kündigungsrechts muss die Legislative beider Länder nicht beteiligt werden. Die Kündigung von Staatsverträgen ist vielmehr in das Ermessen der Regierungen gestellt und bedarf keiner Zustimmung des Parlaments, selbst wenn die Verfassung – wie Art. 50 Abs. 1 S. 3 und 4 VvB in Berlin129 – für den Abschluss von Staatsverträgen ausdrücklich die Mitwirkung der Legislative vorschreibt. Aus dem Zustimmungserfordernis für den Abschluss von Staatsverträgen kann nicht geschlossen werden, dass die parlamentarische Zustimmung auch für das Gegenteil, also seine Beseitigung durch Kündigung, erforderlich ist. Verpflichtungen zu Lasten des Landes – woraus das Zustimmungserfordernis des Parlaments resultiert – werden nur beim Abschluss eines Staatsvertrages eingegangen. Durch die Kündigung des Vertrags gewinnt das Parlament demgegenüber seinen gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum wieder zurück.130 Dem Argument, dass das Parlament ebenso wie beim Abschluss auch bei der Kündigung eines Staatsvertrages mitwirken müsse, weil seine Kompetenzen und Rechte durch die Kündigung berührt werden und anderenfalls die Exekutive einen Akt der Legislative aufheben könne,131 wird zu Recht entgegengehalten, dass die Länderparlamente bereits im Zustimmungsgesetz zu einem 126 127 128 129 130 131

Kisker, S. 213. Zum Gebot bundesfreundlichen Verhaltens bereits BVerfGE 1, 299, 315. Kisker, S. 215 f. Siehe hierzu ausführlich in Kapitel C. unter Punkt I.1.c)bb). Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 253 f. Giese, S. 143.

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Staatsvertrag, der seine Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich regelt, der Regierung die Vollmacht zur Kündigung des Vertrages erteilen und mit der Zustimmung zum Vertragsgesetz die Bedingung verknüpft wird, dass dieses mit der Auflösung des Vertrages ungültig werden soll.132 d) Gemeinwohlbindung der betrauten Personen Neben der Letztverantwortung jedes Landes werden bei der Privatisierung wegen der geringeren Wirksamkeit staatlicher Kontrolle institutionelle Sicherungen der Unabhängigkeit, Sachkunde und Neutralität der beteiligten Privaten im Interesse der Gemeinwohlerreichung gefordert. In Fällen, in denen es um verbindliche Entscheidungen geht, müsse die Gemeinwohlbindung durch die rechtliche Ausgestaltung der privaten Verfahrens- und Entscheidungsteilhabe gesichert werden.133 Dieser Punkt spielt so bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg keine Rolle, weil auch die staatlichen Mitarbeiter des anderen Landes bzw. der echten Gemeinschaftseinrichtung die Anforderungen an Unabhängigkeit, Sachkunde und Neutralität von Verwaltungsmitarbeitern erfüllen. Die Grundgedanken sind vorliegend aber unter einem anderen Blickwinkel zu beachten. Zwar besteht bei der Zusammenarbeit beider Länder nicht die Gefahr, dass Private lediglich nach ihrem Eigennutz vorgehen und das Gemeinwohl verfehlt wird134, es ist aber durchaus möglich, dass lediglich das Gemeinwohl eines der beiden kooperierenden Länder in den Vordergrund gestellt wird und damit grundrechtliche Gewährleistungen der Bürger des anderen Landes nicht erfüllt werden. Hier können sich aus den Grundrechten Verpflichtungen jedes Landes gegenüber seinen Bürgern im Rahmen der Zusammenarbeit ergeben, worauf unter dem Aspekt der Grundrechte noch näher einzugehen ist.135 Hinsichtlich des Demokratieprinzips ergeben sich keine weiteren rechtlichen Probleme. 3. Rechtsstaatsprinzip Sowohl das Demokratieprinzip als auch das Rechtsstaatsprinzip verlangen eine klare Zuordnung der Verantwortung. Es muss klar sein, welches Land bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg die Ergebnisse nach außen zu vertreten hat. Dies ist auch Voraussetzung für einen effektiven Rechtsschutz und eine eindeutige Haftung.136 Im Hinblick auf effektiven Rechtsschutz i. S. von 132

Grassl, S. 112 f. Weiß, S. 320 ff. 134 Siehe hierzu auch in diesem Kapitel unter Punkt I.2. 135 In diesem Kapitel unter Punkt II.4. 136 Für die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene Frenz, DÖV 2010, 66, 72; Hofmann, Rechtsschutz und Haftung, S. 163 ff.; Pache, VVDStRL 66 (2007), 114 u. 141. 133

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Art. 19 Abs. 4 GG ist im Rahmen der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg für den Bürger zunächst die Behörde, die die konkreten Rechtsakte erlassen hat, greifbar. Welche Verwaltungen an dem staatlichen Akt noch beteiligt waren und wer den herrschenden Einfluss im Hinblick auf den Inhalt des Verwaltungshandelns ausgeübt hat, ist dem Bürger demgegenüber nicht offen ersichtlich. Dies entspricht auch dem Rechtsschutz bei anderen staatlichen Akten, wie beispielsweise einer Baugenehmigung, die mit dem gemeindlichen Einvernehmen verknüpft ist (vgl. § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB).137 Diese Überlegungen hinsichtlich des Rechtsschutzes sind ebenso auf die Haftung zu übertragen. Damit haftet dem Bürger im Rahmen der Zusammenarbeit dasjenige Land, dessen Behörde ihm gegenüber nach außen aufgetreten ist. Bei echten Gemeinschaftseinrichtungen haften beide Länder. Aus dem Rechtsstaatsprinzip kann zudem das Erfordernis hergeleitet werden, dass der Staat fähig bleiben muss, verbindliches Recht zu setzen und dieses Recht auch durchzusetzen. Dieses Erfordernis zielt in die gleiche Richtung wie die aus der demokratischen Legitimation geforderte Letztverantwortung des Staates. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten dürfen die Länder Berlin und Brandenburg sich durch ihre Zusammenarbeit nicht selbst in die Lage der Handlungsund Reaktionsunfähigkeit versetzen und damit ein bestimmtes Maß an eigener Handlungsfähigkeit nicht unterschreiten.138 Hierfür kann auf die beim Demokratieprinzip dargestellten Überlegungen verwiesen werden.139 Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips wird in der Literatur das auch bereits erwähnte Erfordernis eines staatlichen Wissenszugriffs besonders hervorgehoben. Die beiden Länder müssen auch weiterhin aktive Zugriffsmöglichkeiten im Rahmen von Kontrollen auf die Fakten haben, die die tatsächliche Urteilsgrundlage ihrer Entscheidungen und Planungen bilden. Insofern wird von „einem rechtsstaatlichen Gebot der Schaffung und des Erhalts der staatlichen Wissensbasis“ gesprochen.140 Aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit folge, dass ein Staatsorgan, das eine Entscheidung zu treffen hat, für diese die Verantwortung trägt. Dies sei aber nur dann möglich, wenn das Staatsorgan in seiner Entscheidung nicht inhaltlich in vollem Umfang an die Willensentscheidung eines anderen gebunden ist. Daher dürfe die Regierung Aufgaben von erheblicher politischer Tragweite nicht auf Stellen übertragen, die von Regierung und Parlament unabhängig sind.141 Dies gilt auch für die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg. Die Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben darf nicht in das Belie137 138 139 140 141

BVerwGE 121, 339, 342 ff.; 122, 13, 20 f. Gramm, Privatisierung, S. 348 f. Siehe zu diesen Überlegungen in diesem Kapitel unter Punkt II.2.b). Gramm, Privatisierung, S. 349 ff., Zitat von S. 350. BVerfGE 9, 268, 281 f. mit Bezug auf den Bayerischen Verfassungsgerichtshof.

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ben des jeweils anderen Landes oder einer echten Gemeinschaftseinrichtung gestellt werden. Gefordert wird „eine gesetzliche Reserveposition“.142 Diese „Reserveposition“, die bereits unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips angesprochen wurde und die ebenso aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, wird durch die Grundrechte näher ausgestaltet. Sie erhält im grundrechtsrelevanten Bereich eine herausgehobene Stellung und soll im Folgenden näher dargestellt werden. 4. Staatliche Pflichten aus den Grundrechten Aus den Grundrechten können sich für die Länder Berlin und Brandenburg staatliche Pflichten ergeben, die ihrer Zusammenarbeit Schranken auferlegen. Zwar dienen Grundrechte zunächst der Begrenzung staatlicher Betätigung, als Schutzpflichten, Leistungs- und Teilhaberechte stellen sie aber auch staatliche Handlungspflichten auf.143 Andere unterscheiden zwischen derivativen, das heißt vom Bestehenden abgeleiteten, und originären, das heißt das noch nicht Vorhandene hervorbringenden Rechten.144 a) Wirkung staatlicher Schutz- und Leistungsrechte Dabei binden die grundrechtlichen Schutz- und Leistungspflichten nach Art. 1 Abs. 3 GG alle Staatsgewalten. Jede Gewalt ist nach ihrer spezifischen Aufgabenstellung zu ihrer Durchsetzung verpflichtet.145 Dennoch ist der Legislative besonderes Augenmerk zu schenken, weil es nach dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes gemäß Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG grundsätzlich einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, sobald die staatlichen Maßnahmen in Rechte Dritter eingreifen. Die Grundrechte selbst sind keine Ermächtigungsnorm für exekutive Maßnahmen gegen Dritte.146 Damit ist die Legislative der vorrangige Adressat von Schutz- und Leistungsrechten. Sie muss der Exekutive in Parlamentsgesetzen die Grundlagen zur Erfüllung der grundrechtlichen Schutz- und Leistungspflichten gewähren. Exekutive und Judikative sind an die gesetzlichen Bestimmungen gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden und zum gesetzestreuen

142 In Bezug auf die Abgabe von staatlichen Aufgaben an Private Gramm, Privatisierung, S. 346 ff. 143 Alexy, S. 159 ff., 395 ff.; Calliess, JZ 2006, 321 ff.; Erichsen, Jura 1997, 85 ff.; Isensee, HStR V2, § 111, Rdnr. 77 ff.; Klein, NJW 1989, 1633 ff. m.w. N.; Stern, DÖV 2010, 241, 244; Unruh, Schutzpflichten; Weiß, S. 147. Im Rahmen der Kooperation von Staat und Privaten hierzu Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 9 f. Eine Darstellung der verschiedenen Ansätze in der Literatur zu den Schutzpflichten findet sich bei Störring, S. 29 ff. 144 Pieroth/Schlink, Rdnr. 78. 145 Isensee, HStR V2, § 111, Rdnr. 90; Stern, DÖV 2010, 241, 247; Störring, S. 48 f. 146 Störring, S. 28.

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Vollzug verpflichtet.147 Der Gesetzgeber hat bei der Gestaltung seiner Gesetze zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Schutz- oder Leistungsauftrages in einem konkreten Fall einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, weil es regelmäßig mehrere Möglichkeiten zur Erfüllung einer Schutzpflicht gibt. Dieser Gestaltungsspielraum schließt grundsätzlich auch die Abgabe der Aufgabenerfüllung an Dritte mit ein.148 Damit scheint die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg unter Grundrechtsgesichtspunkten zunächst rechtlich unproblematisch zu sein. Eine Grenze des Gestaltungsermessens der Landesgesetzgeber bei der Zusammenarbeit beider Länder bildet aber das Untermaßverbot.149 Es verpflichtet die Landesgesetzgeber im Rahmen ihrer Schutzpflichten zur Schaffung eines angemessenen und wirksamen Schutzes ihrer Bürger.150 Dieser ist nur dann gewährleistet, wenn seine Ausgestaltung durch die Rechtsordnung bestimmten Mindestanforderungen entspricht.151 Dabei hängt die Konkretisierung des Untermaßverbotes vom Einzelfall ab.152 Jedoch erstreckt sich eine Schutzpflicht des Staates nur auf das faktisch und verfassungsrechtlich Mögliche.153 Zudem liegt die Aus147

Weiß, S. 173 ff. BVerfGE 77, 170, 214 f.; 79, 174, 202; 85, 191, 212; Gramm, Privatisierung, S. 71 u. 392; Klein, NJW 1989, 1633, 1637; Köck, AöR 121 (1996), 1, 20; Unruh, Schutzpflichten, S. 79. Aufgrund des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ist die Rechtsprechung bei ihrer Kontrolle über die Wahrung einer Schutzpflicht durch die Legislative und Exekutive auf eine Art Evidenzkontrolle beschränkt (Stern, DÖV 2010, 241, 247 f.). 149 BVerfGE 88, 203, 254; Calliess, Untermaßverbot, S. 201 ff.; Erichsen, Jura 1997, 85, 88; Stern, DÖV 2010, 241, 245; Unruh, Schutzpflichten, S. 79 ff. Teilweise wird das Untermaßverbot – gleichlaufend wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – nicht wie hier bei den Grundrechten, sondern beim Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, 3 GG verortet. Dies ist lediglich ein theoretischer Streit, der keine inhaltlichen Auswirkungen auf die verfassungsrechtlichen Pflichten hat. Daher soll ihm nicht weiter nachgegangen werden. Siehe zum Untermaßverbot ausführlich Störring. 150 Die rechtliche Problematik des Untermaßverbotes unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips, dass hiermit das Verfassungsgericht den Gesetzgeber zu Aktivitäten zwingen könne, die er selbst nicht will (Störring, S. 51 ff.), stellt sich in der vorliegenden Untersuchung nicht. Den Ländern Berlin und Brandenburg sollen keine neuen Verpflichtungen auferlegt werden, sondern das Untermaßverbot wird als Grenze für noch näher zu bestimmende Rückzugsmaßnahmen der beiden Länder herangezogen. Es ist damit ebenso wie das Übermaßverbot auf konkrete, bereits vollzogene staatliche Maßnahmen beider Länder bezogen. Die beiden Landesgesetzgeber werden nicht zu neuen Aufgaben verpflichtet, sondern allenfalls daran gehindert, Aufgaben abzugeben. Zu klären bleibt, welche Aufgaben dies konkret sind. 151 BVerfGE 88, 203, 254 f.; Isensee, HStR V2, § 111, Rdnr. 90 u. 165. 152 Unruh, Schutzpflichten, S. 83 f. 153 Isensee, HStR V2, § 111, Rdnr. 90. Andere sehen den Staat nur in den Bereichen „Existenz und Funktionsfähigkeit des Staates“ und „Sicherheit“ als Garant für die angemessene Ausgestaltung der Lebensbereiche. In den Bereichen „Freiheit“, „Gleichheit“, „Gemeinwohl“ kommt dem Staat nur die Aufgabe zu, die Chancengleichheit aller unter Abwehr gesellschaftlicher Machtkonzentration zu gewährleisten. Der Staat ist hier zur 148

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wahl der Mittel auch weiterhin grundsätzlich im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, der selbst bei der Reaktion auf eine erhebliche Gefahr nicht von verfassungswegen dazu verpflichtet ist, stets das ganze Arsenal seiner Mittel einzusetzen.154 Das Untermaßverbot greift zudem nur dort, wo eine Gefährdung nicht vom Staat, sondern von anderen Bürgern ausgeht bzw. ihre Ursachen in der Gesellschaft hat. In diesen Fällen stellt sich die zusätzliche Problematik, dass das eventuell geforderte Handeln des Staates gleichzeitig zu Grundrechtseingriffen anderer Bürger führt.155 Bei der Gewährung staatlichen Schutzes im grundrechtsrelevanten Bereich muss daher auf der anderen Seite immer die Verhältnismäßigkeit der hierdurch wiederum betroffenen Grundrechte Dritter beachtet werden. Aufgrund dessen befindet sich der Schutzpflichtenadressat „in doppelter Hinsicht unter Legitimationszwang“ 156, und sein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum liegt zwischen Übermaß- und Untermaßverbot.157 Diese Einschränkungen führen dazu, dass eine Verletzung der Schutzpflicht vom Bundesverfassungsgericht bisher nur festgestellt wurde, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat, oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen „gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind“, das Schutzziel zu erreichen.158 Dieser Prüfungsmaßstab stößt in der Literatur teilweise auf Kritik, weil er das Untermaßverbot weitgehend leer laufen lasse.159 Umstritten ist die Anwendung des Untermaßverbots auf staatliche Leistungsrechte, weil mit den Schutzpflichten nur der bestehende Rechtskreis gegen Bedrohungen geschützt werden solle, während soziale Leistungsrechte auf eine Erweiterung des Rechtskreises zielen. Die Schutzpflichten seien daher auf den Schutz vor Übergriffen Dritter beschränkt. Für Leistungsrechte sei nicht das Untermaßverbot, sondern die übrige objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte bzw. das Sozialstaatsprinzip einschlägig.160

Tätigkeit nur verpflichtet, wenn und soweit die Aufgabe nicht ausreichend von der Gesellschaft gefördert wird, sie aber erbracht werden muss (Iwers, S. 118). 154 BVerfGE 17, 371, 377; 22, 180, 204; 39, 1, 44; 46, 160, 164 f.; 56, 54, 81; Gramm, Privatisierung, S. 348. 155 Störring, S. 40 f. 156 Zitat: Unruh, Schutzpflichten, S. 84. Ebenso Isensee, HStR V2, § 111, Rdnr. 165. 157 Störring, S. 131. 158 BVerfGE 77, 170, 215; 79, 174, 202. Siehe hierzu auch BVerfGE 56, 54, 81; Calliess, Untermaßverbot, S. 204 ff.; Calliess, JZ 2006, 321, 322 f.; Erichsen, Jura 1997, 85, 87. 159 Störring, S. 223, der das Untermaßverbot als verletzt ansieht, „wenn das Unterlassen des Gesetzgebers unvertretbar ist. Das ist der Fall, wenn die Schutzbelange die Gründe für das staatliche Unterlassen erheblich überwiegen oder die vorgenommene Abwägung auf klar erkennbar fehlerhaften Annahmen und Prognosen beruht.“ Auch Calliess, Untermaßverbot, S. 211 ff. fordert klarere Prüfvorgaben für das Untermaßverbot.

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b) Pflichten der Länder Berlin und Brandenburg aus den Grundrechten Da die Länder Berlin und Brandenburg im Rahmen der Zusammenarbeit ihren Landesbürgern für die Erfüllung der ihnen obliegenden Schutzpflichten getrennt voneinander verantwortlich sind und diese Verantwortung nicht auf das jeweils andere Bundesland oder eine gemeinsame Einrichtung übertragen dürfen, fragt sich nun, welche konkreten staatlichen Verpflichtungen den Ländern Berlin und Brandenburg aus den Grundrechten auferlegt sind. Dabei sind für beide Länder jeweils zwei Grundrechtskataloge zu beachten. Zum einen gelten die Grundrechte des Grundgesetzes gemäß Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Länder,161 zum anderen haben beide Länder in ihren Verfassungen einen die Grundrechte des Grundgesetzes umfassenden und teilweise darüber hinausgehenden Grundrechtskatalog. Im Grundgesetz sind neben Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG162 Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 1 GG bezüglich des Persönlichkeitsschutzes, aus Art. 4 GG hinsichtlich der Religionsfreiheit, aus Art. 5 Abs. 3 GG für die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, aus Art. 6 GG für den Schutz der Ehe und Familie, aus Art. 10 GG für den Schutz des Brief-, Post- und Telekommunikationsgeheimnisses, aus Art. 13 GG für den Schutz der Wohnung und aus Art. 14 GG hinsichtlich des Eigentumsschutzes entwickelt worden. Leistungsrechte der Bürger gegenüber dem Staat ergeben sich beispielsweise aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip hinsichtlich der Gewährung des Existenzminimums, aus Art. 16a Abs. 1 GG für den Anspruch auf Asyl und aus Art. 19 Abs. 4 GG hinsichtlich eines ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber Akten der öffentlichen Gewalt.163 In Bezug auf die Grundrechte in den beiden Landesverfassungen ist zu klären, ob sich hieraus über die grundgesetzlichen Schutzpflichten hinausgehende Verpflichtungen für die Länder Berlin und Brandenburg ergeben können. Ist dies zu bejahen, müssen neben den Grundrechten des Grundgesetzes auch die weitergehenden Landesgrundrechte in der vorliegenden Untersuchung beachtet werden. Die Geltung der Landesgrundrechte richtet sich nach Art. 142 und 31 GG. Nach Art. 31 GG wird Landesverfassungsrecht gebrochen, wenn ein Kollisionsfall vor160 Störring, S. 42. So auch Stern, Staatsrecht III/1, S. 948 f., der die Schutzpflichten als „Gefahren- und Störungsabwehrpflichten“ bezeichnet. 161 BVerfGE 97, 298, 314 f.; Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28, Rdnr. 17. 162 BVerfGE 39, 1, 42 und 88, 203, 251 (Schutz ungeborenen Lebens); E 46, 160, 164 (Schleyer-Entscheidung); E 49, 89, 142 und 53, 30, 57 (Kernkraft); E 77, 170, 214 (Lagerung von C-Waffen); Klein, NJW 1989, 1633, 1634 f.; Stern, DÖV 2010, 241, 244; Unruh, Schutzpflichten, S. 29 ff. Lesenswert auch BVerfG, NVwZ 2010, 702 eine Verfassungsbeschwerde gegen die Versuchsreihe für kernphysikalische Forschung („CERN“) mangels ausreichender Substantiierung nicht annehmend. 163 Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, Vorb., Rdnr. 89; Gramm, Privatisierung, S. 71.

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liegt. Art. 142 GG bestätigt dies für den Grundrechtsbereich.164 Die Landesgrundrechte dürfen also nicht mit den Regelungen des Grundgesetzes kollidieren. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine Normenkollision immer dann vor, wenn zwei Normen auf einen Sachverhalt anwendbar sind und bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen können.165 Voraussetzung für eine Normkollision sind folglich eine wenigstens partielle Identität des Regelungsgegenstandes und der Regelungsadressaten sowie unterschiedliche Regelungswirkungen.166 Alle Landesgrundrechte, die mit den Bundesgrundrechten identisch sind, kollidieren mit Letzteren offensichtlich nicht,167 geben den beiden Ländern aber auch keine weitergehenden Pflichten auf als das Grundgesetz. Gewährleistet eine der beiden Landesverfassungen „weniger“ als das Grundgesetz, so kommt es für die vorliegende Untersuchung nicht darauf an, ob die entsprechende landesverfassungsrechtliche Regelung lediglich im Kollisionsfall hinter das Bundesrecht zurück tritt168 oder ob sie vollständig außer Kraft tritt169. Beides hat zur Folge, dass die bundesrechtliche Regelung den Vorrang hat und eventuelle Schutzpflichten der Länder aus ihr und nicht aus der Regelung in der Landesverfassung abzuleiten sind.170

164 Hanebeck, S. 248. Art. 142 GG wird als Spezialregelung zur generellen Aussage des Art. 31 GG angesehen (Stern, Staatsrecht III/2, S. 1458), die selbst keine Rechtsfolge der Kollision festlegt, sondern auf die Rechtsfolge des Art. 31 GG verweist (Dreier, in: Dreier, GG, Art. 142, Rdnr. 59). Siehe zum Verhältnis von Art. 142 GG und Art. 31 GG auch Boehl, S. 187 ff. m.w. N. 165 BVerfGE 26, 116, 135; 36, 342, 363; Jutzi, DÖV 1983, 836 f.; Pietzcker, HStR VI3, § 134, Rdnr. 54; Sachs, DÖV 1985, 469, 470. 166 Sachs, DÖV 1985, 469, 471; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1465 f. Eine Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und den Meinungsstand in der Literatur zum Verhältnis des Grundgesetzes zu den Landesverfassungen findet sich auch bei Iwers, S. 187 ff.; speziell zu Art. 142 GG auf S. 213 ff. 167 BVerfGE 96, 345, 365; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 142, Rdnr. 42 f., mit dem Hinweis, dass es hierbei nicht auf Textgleichheit, sondern auf Inhaltsgleichheit der Schutzwirkung ankomme. Ebenso Stern, Staatsrecht III/2, S. 1458 m.w. N. 168 So wohl die mittlerweile weitgehende Auffassung. Hiernach fehle es an einem Kollisionsfall, weil über Art. 1 Abs. 3 GG die weitergehenden Bundesgrundrechte unmittelbar Anwendung finden und die engeren Landesgrundrechte nicht die Anordnung beinhalten, diese Bindung zu ignorieren. Siehe hierzu BVerfGE 42, 312, 325; 96, 345, 368; BbgVerfG, LKV 1999, 450, 459 f.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 142, Rdnr. 48 m.w. N.; Pietzcker, HStR VI3, § 134, Rdnr. 57; Riepe, S. 19 f. 169 So Stern, Staatsrecht III/2, S. 1467 f. m.w. N., der Klarheit darüber einfordert, ob eine Rechtsfolge gültig oder ungültig ist, aber für eine landesverfassungsfreundliche Auslegung der Bundesnorm eintritt. Zu dem Streit Menzel, S. 193 f. m.w. N.; Sachs, DÖV 1985, 469, 473 f. m.w. N. 170 Dies betrifft beispielsweise Art. 17 Bbg.Verf hinsichtlich der Freizügigkeit, der den qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG nicht übernimmt, sowie Art. 19 Bbg.Verf, der hinsichtlich der Meinungsfreiheit im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 2 GG ebenfalls lediglich einen einfachen Gesetzesvorbehalt festschreibt. Auf beide Nor-

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

Für die Frage nach Schutzpflichten oder Leistungsrechten aus den Landesverfassungen sind allein solche Landesgrundrechte interessant, die mehr als die Bundesgrundrechte gewähren. Die ganz überwiegende Literatur geht davon aus, dass Mehrgewährleistungen in den Landesverfassungen grundsätzlich zulässig sind und nicht unter die Kollisionsnormen der Artt. 31, 142 GG fallen.171 Bei der Prüfung der Pflichten der Länder Berlin und Brandenburg aus den Grundrechten ist zunächst davon auszugehen, dass die Länder Berlin und Brandenburg grundrechtliche Pflichten nur im Rahmen ihrer Kompetenzen treffen können. Hierbei ist zwischen den Bereichen eigener Gesetzgebungskompetenz der beiden Länder und den Bereichen, in denen sie lediglich Bundesgesetze ausführen, zu unterscheiden. aa) Zulässigkeit von Aufgabenübertragungen im landeseigenen Bereich In den Bereichen ihrer Gesetzgebungskompetenz treffen die grundrechtlichen Leistungspflichten zunächst die Legislativen beider Länder. Sie müssen sicherstellen, dass in der Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen Land weiterhin die staatliche Leistung gewährt wird. Dies betrifft die Bereiche des Lebens- und Gesundheitsschutzes, des Umwelt- und Tierschutzes, der Ehe, Familie, Kinder und Bildung oder der Inneren Sicherheit.172 So sind beide Länder beispielsweise verpflichtet, ausreichend Kindergartenplätze zur Verfügung zu stellen.173 (1) Umweltbereich Ein Regelungsbereich des Untermaßverbots im landeseigenen Bereich ist der Umweltschutz, soweit er nicht bundesrechtlich geregelt ist. Ein Schutzpflichtenauftrag für die Länder Berlin und Brandenburg kann sich in diesem Bereich aus Art. 2 Abs. 2 GG ergeben. Dabei wurden durch die Rechtsprechung Schutzpflichten vor allem hinsichtlich des Schutzes vor Flug- bzw. Straßenlärm, vor Luft- und Wasserverschmutzung sowie vor Mobilfunkanlagen herausgearbeitet.174 Weitergehende Schutzpflichten der Länder Berlin und Brandenburg könnmen sind die jeweiligen bundesgrundrechtlichen Mehrregelungen zu übertragen (siehe auch Art. 2 Abs. 5 Bbg.Verf). 171 BVerfGE 96, 345, 365; Iwers, S. 228; Sachs, DÖV 1985, 469, 472 m.w. N. Dies wird zum Teil aus dem Wort „auch“ in Art. 142 GG geschlossen (Dreier, in: Dreier, GG, Art. 142, Rdnr. 50 m.w. N.; Jutzi, DÖV 1983, 836 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1472 f. m.w. N.). 172 Übersicht über die Regelungsmaterien des Untermaßverbots bei Störring, S. 100 ff. 173 Störring, S. 113. 174 BVerfG, NJW 1983, 2931 f.; E 56, 54, 73 ff.; 79, 174, 201; Calliess/Kallmayer, JuS 1999, 785, 790 f.; Stern, DÖV 2010, 241, 245.

II. Verfassungsmäßige Pflichtaufgaben der Länder

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ten sich aus ihren Landesgrundrechten ergeben. So ist nach Art. 39 Bbg.Verf der Schutz der Natur, der Umwelt und der gewachsenen Kulturlandschaft als Grundlage gegenwärtigen und künftigen Lebens Pflicht des Landes und aller Menschen (Abs. 1), und jeder hat das Recht auf Schutz seiner Unversehrtheit vor Verletzungen und unzumutbaren Gefährdungen, die aus Veränderungen der natürlichen Lebensgrundlagen entstehen (Abs. 2). Trotz der Wortwahl „Recht auf Schutz“ und seiner Stellung im Grundrechtsteil der Landesverfassung wird, wie bei Art. 20a GG, auch bei Art. 39 Bbg.Verf von einer lediglich objektivrechtlichen Aufgaben- oder Staatszielnorm ausgegangen. Art. 39 Bbg.Verf ist in seiner Zielsetzung dem bundesrechtlichen Umweltschutzrecht gleichartig.175 Über Art. 20a GG hinausgehende landesverfassungsrechtliche Verpflichtungen ergeben sich aus Art. 39 Bbg.Verf daher nicht. Im Umweltbereich arbeiten die Länder Berlin und Brandenburg verstärkt zusammen. Hier lässt sich eine Vielzahl gemeinsamer Projekte beider Länder aufzählen. So wird beispielsweise der Naturpark Barnim durch die Ländergrenze von Berlin und Brandenburg zerschnitten. Im Jahr 2005 haben die Regierungen beider Länder vereinbart, den Naturpark auf der Grundlage eines länderübergreifenden Pflege- und Entwicklungsplans gemeinsam und einheitlich zu pflegen und zu entwickeln. Dabei übernimmt die Verwaltung des Brandenburger Teils des Naturparks (ca. 95 % der Fläche) bestimmte, nicht hoheitliche Aufgaben auch für den Berliner Teil des Naturparks, während Berlin im Ausgleich einen jährlichen Sachkostenanteil trägt.176 Das „Innovationsnetzwerk Klimaanpassung Brandenburg Berlin“ von Mitgliedern aus Wissenschaft und Praxis entwickelt Strategien zur Anpassung an ein wärmeres Klima.177 Während bisher beide Länder davon ausgegangen sind, dass ein gemeinsames Energiekonzept aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten in einem Flächenland und einem Stadtstaat nicht erstellt werden könne und daher beide Länder sich lediglich über die Ziele ihrer Energiestrategien verständigt haben,178 ist nunmehr auch ein gemeinsames Energie- und Raumordnungskonzept geplant. Darauf verständigten sich beide Länder in der ersten gemeinsamen Sitzung der Parlamentsausschüsse für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz am 15. November 2010.179 Diese enge Zusammenarbeit beider Länder im Umweltbereich ist verfassungsrechtlich unproblematisch, weil beide Landesgesetzgeber bei ihrem weiten Gestaltungsspielraum zur Realisierung ihrer Schutzpflichten vielfältige Faktoren 175 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1482. Siehe zu Art. 39 Bbg.Verf auch Iwers, S. 572 ff.; Riepe, S. 197 ff. 176 AvB Drs. 16/0074, S. 15 f. 177 Siehe hierzu im Internet unter http://www.klimzug.de/de/171.php. 178 AvB Drs. 16/2787, S. 7. 179 Siehe hierzu die Pressemeldung online im Internet unter http://www.berlinonline. de/aktuelles/berlin/detail_dapd_2898270780.php.

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

politischer, finanzieller und sonstiger Art berücksichtigen können.180 Grundsätzlich können sie ihren Schutzpflichten daher auch durch Zusammenarbeit nachkommen, solange jedes der beiden Länder auch unabhängig vom anderen seinen Bürgern die Erfüllung der Schutzpflichten gewährleisten kann. Dieser Gewährleistung genügt es, wenn beide Länder Einfluss auf die Erfüllung der Umweltschutzpflichten behalten und im Notfall diese auch wieder selbst übernehmen können. Den Einfluss haben sich die Länder Berlin und Brandenburg offensichtlich erhalten, indem sie im Umweltbereich lediglich in Formen zusammenarbeiten, bei denen keine Hoheitsgewalt übertragen wird. (2) Bereich der inneren Sicherheit Neben dem Umweltschutz legt Art. 2 Abs. 2 GG dem Staat Schutzpflichten im Bereich der inneren Sicherheit auf. Dieser Bereich fällt zu großen Teilen in die Kompetenz der Bundesländer und ist daher für die vorliegende Untersuchung von erheblichem Interesse. Für die Länder Berlin und Brandenburg folgt aus der Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 GG beispielsweise, dass beide Länder einen gewissen eigenen Bestand an Polizeikräften erhalten müssen, wobei aber nicht konkret gesagt werden kann, wie viele Polizisten beide Bundesländer jeweils benötigen, um ihrer Schutzpflicht zu entsprechen.181 Auszuschließen ist zumindest der Extremfall, dass eines der beiden Länder alle polizeilichen Aufgaben dem anderen Land zur Erfüllung übergibt und alle eigenen Polizeikräfte aufgibt. Von diesem Extremfall ist die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg weit entfernt. Zwar arbeiten sie auch im Polizeibereich eng zusammen. Neben einem gemeinsamen Ausbildungsjahrgang für den höheren Polizeivollzugsdienst im 1. Studienjahr und einer gemeinsamen Ausbildung der Polizeihunde seit 2005182 beschränkt sich diese Zusammenarbeit aber auf Verfahren, bei denen keine Hoheitsgewalt übertragen wird. Zu nennen sind hier die gemeinsame Nutzung des polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystems POLIKS (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung) seit 1995, das jährliche gemeinsame Kriminalitätslagebild unter wechselnder Federführung beider Länder, das Verwaltungsabkommen über die gegenseitige Unterstützung durch Polizeikräfte vom 10. Mai 1996 und diverse anlassbezogene Arbeitsgruppen. Diese Zusammenarbeit beider Länder ist auch unter dem Gesichtspunkt grundrechtlicher Schutzpflichten unproblematisch. Beide Länder haben bisher im Rahmen ihrer Zusammenarbeit ihre Polizeigewalt nicht angetastet, so dass sie auch weiterhin den Schutzrechten ihrer Bürger selbständig genügen können. 180

Stern, DÖV 2010, 241, 248. Gramm, Privatisierung, S. 190. Ausdrücklich Gramm, Privatisierung, S. 323 in Fn. 346: „Der Versuch, auf der Ebene grundsätzlicher Aussagen festzulegen, wie viele Polizisten, Verbotsschilder und Verkehrsregeln man tatsächlich braucht, läuft auf die Banalisierung des hohen öffentlichen Gutes des inneren Friedens hinaus.“ 182 AvB Drs. 15/3370, S. 6. 181

II. Verfassungsmäßige Pflichtaufgaben der Länder

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(3) Kunst- und Kulturbereich Letztendlich ist im landeseigenen Bereich die staatliche Aufgabe der Kunstund Kulturförderung zu nennen. Für den Kulturbereich sind die Leistungspflichten aus Art. 5 Abs. 3 GG und den weitergehenden Landeskulturgrundrechten zu beachten. Das Bundesverfassungsgericht sieht es als Aufgabe eines Staates, der sich als Kulturstaat versteht, schützend und fördernd einer Aushöhlung der Kunst- und Kulturfreiheit vorzubeugen.183 Der Staat habe dafür Sorge zu tragen, dass nicht nur materielle, sondern auch geistige Bedingungen in der Realität des Gemeinwesens herrschen, die den Menschen zur Selbstentfaltung nach dem dem freiheitlichen Staate zugrundeliegenden Menschenbild dienlich sind.184 Neben der Absicherung von Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 21 VvB, Art. 31–34 Bbg.Verf) oder Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 19 Abs. 2 Bbg.Verf), beinhalten die Landesverfassungen der Länder Berlin und Brandenburg Gewährleistungen für die wissenschaftlichen Hochschulen (Art. 32 Bbg.Verf) und für die Privatschulen (Art. 30 Abs. 6 Bbg.Verf), schulische Bildungs- und Erziehungsziele (Art. 20 VvB, Art. 28 Bbg.Verf) und Regelungen zum Verhältnis zwischen Staat und Kirche (Art. 36 bis 38 Bbg.Verf).185 Kollisionen mit einfachem Bundesrecht sind angesichts der weitgehenden Zuständigkeiten des Landesgesetzgebers für diesen Bereich nur in seltenen Fällen denkbar,186 so dass die Landeskulturgrundrechte der Länder Berlin und Brandenburg grundsätzlich beiden Ländern Pflichten auferlegen können. Aus diesen kulturellen Landesgrundrechten können die Bürger aber keine unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Ansprüche geltend machen. Sie sind teilweise unverbindliche Programmsätze, teilweise Staatszielbestimmungen.187 Als Staatszielbestimmungen schreiben sie lediglich die Verfolgung eines Ziels, nicht aber den Weg zu diesem Ziel vor. Art und Weise der Zielverwirklichung obliegt dem Gestaltungsermessen des jeweiligen Entscheidungsträgers.188 Dieses umfasst auch die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern. Über die Bundesgrundrechte hinausgehende Verpflichtungen für die Länder Berlin und Brandenburg sind daher auch den Landeskulturgrundrechten nicht zu entnehmen. Es bleibt bei der Aufgabe beider Länder, schützend und fördernd einer Aushöhlung der Kunst- und Kulturfreiheit entgegenzutreten. Im Kunst- und Kulturbereich arbeiten die Länder Berlin und Brandenburg zwar in gemeinsamen Einrichtungen zusammen, ohne dass aber von einer Auf-

183

BVerfGE 35, 79, 114; 36, 321, 331. Iwers, S. 91. 185 Zu den einzelnen Grundrechten siehe auch Iwers, S. 285 ff. 186 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1495 ff., der als Beispiel eine mögliche Kollision mit dem Recht des öffentlichen Dienstes des Bundes anführt. 187 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1486. 188 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1489. 184

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gabe ihrer Kulturhoheit gesprochen werden kann.189 Trotz ihrer Zusammenarbeit gewährleisten sie in diesem Bereich einen Minimalbestand, der sogar den über die grundgesetzlichen Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 3 GG hinausgehenden Zielen in den Landesgrundrechten entspricht. Insbesondere das Land Berlin sieht im Kunst- und Kulturbereich einen wichtigen Standortfaktor, den es zu erhalten gilt. bb) Zulässigkeit von Aufgabenübertragungen im Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen Der Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen ist Schwerpunkt der mit der Übertragung von Hoheitsgewalt verbundenen Zusammenarbeit beider Länder. In diesem Bereich treffen die Länderlegislativen grundsätzlich keine Schutz- oder Leistungspflichten, weil die gesetzlichen Regelungen vom Bund vorgegeben sind. Hier sind die Länder mit der Umsetzung der bundesgesetzlichen Vorgaben betraut, und in diesem exekutiven Bereich haben sie mögliche Schutz- und Leistungsrechte ihrer Bürger zu beachten. Im Rahmen der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg liegt die Besonderheit darin, dass eine mit der Übertragung von Hoheitsgewalt verbundene exekutive Zusammenarbeit auf einer landesgesetzlichen Grundlage beruhen muss.190 Daher ist hier auch in diesem grundsätzlich exekutiven Bereich zunächst der Landesgesetzgeber bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Tätigkeit gemeinsamer Exekutivverwaltungen in der Pflicht. Bei ihrer Ausführung von Bundesgesetzen müssen alle drei Gewalten beider Länder für die praktische Umsetzung der bundesrechtlichen Schutz- oder Leistungsnorm Sorge tragen.191 Neben diese einfachgesetzlich geregelten Pflichten treten Schutz- und Leistungspflichten aus den Grundrechten, die auch von der gesetzesausführenden Landesexekutive und von der die Zusammenarbeit der Exekutive gestaltenden Landeslegislative zu beachten sind. Aus den Grundrechten wird als Kernaufgabe des Staates die Bereitstellung solcher öffentlicher Güter hergeleitet, deren Fehlen zu einer unerträglichen tatsächlichen Mangelsituation führen würde und die allein vom Staat auf Grund seiner rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten effektiv, flächendeckend und kontinuierlich zur Verfügung gestellt werden können.192 Es finden sich hier Aufgaben, wie die Herstellung ökonomi189 Siehe hierzu für den exekutiven Bereich auch unter Punkt III.3.b)bb) in diesem Kapitel. 190 Hierzu ausführlich in Kapitel C. unter Punkt I.1.c)bb)(2). 191 Isensee, HStR V2, § 111, Rdnr. 166. 192 Gramm, Privatisierung, S. 193 u. 335 ff., der die verschiedenen Güter auf S. 274 ff. in Statusgüter, Ordnungsgüter, Sozialgüter, geistige Güter, Infrastrukturgüter, Wirtschaftsstrukturgüter und supranationale Strukturgüter unterteilt und näher erläutert. Broß, vorgänge 2008, 56, 57 folgert aus den Satzungsermächtigungen zu Gunsten der Gemeinden, die aus Gründen des öffentlichen Wohls den Anschluss an die Wasserver-

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scher Stabilität, die Gewährleistung eines Mindestmaßes an sozialer Absicherung bis hin zur öffentlichen Gesundheit, Bildung und des Erhalts der natürlichen Umwelt.193 Als unverzichtbar wird eine Aufgabe dann angesehen, wenn bei ihrer Vernachlässigung der bisher erreichte gesellschaftliche (Wohlfahrts-)Standard derart beeinträchtigt würde, dass die Gesellschaft auf eine historisch bereits überwundene Entwicklungsstufe zurückgeworfen würde. Rückschritte innerhalb eines als Einheit begreifbaren sozial-historischen Entwicklungsprozesses sind demgegenüber rechtlich unproblematisch.194 Auch wenn die konkret vom Staat bereit zu stellenden Güter nicht abschließend benannt werden können, ist es evident, dass ohne ein gewisses Mindestmaß an Zuverlässigkeit bei der Bereitstellung bestimmter öffentlicher Güter ein Staat nicht funktionieren kann. Das bereitzustellende Mindestniveau wird unter dem Stichwort der Grundversorgung behandelt. Es ist für jedes Gut einzeln in Abhängigkeit vom Entwicklungs- und Leistungsstand einer Gesellschaft bzw. eines Staates festzulegen.195 Das Bundesverfassungsgericht hat beispielsweise die Energieversorgung als Leistung eingestuft, die der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.196 Hat der hierzu zunächst verpflichtete Bundesgesetzgeber diese Schutzund Leistungspflichten in seinen Gesetzen ausgestaltet, müssen die beiden Länder Berlin und Brandenburg bei der Ausführung dieser Gesetze die hierin verankerten Rechte bewahren. Dabei ist entscheidend, dass jedes der beiden Länder diese Verpflichtung selbst trifft und nicht als Gesamtheit. Da aber in einer auf dem Prinzip des freien Unternehmertums beruhenden Wirtschaftsordnung die Versorgung der Gesamtwirtschaft auch mit lebensnotwendigen Gütern grundsätzlich zu den Funktionen der privaten Unternehmen gehört, liegt es nahe, dass der Staat sich zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dieser Unternehmer bedient. Dieser Möglichkeit stehen auch die vielfältigen sozialen Grundrechte in den Landesverfassungen von Berlin und Brandenburg197 sorgung, die Abwasserbeseitigung, die Abfallentsorgung, die Straßenreinigung und ähnliche der Gesundheit dienende Einrichtungen vorschreiben und die Benutzung dieser Einrichtung zur Pflicht machen, dass es solche Tätigkeitsbereiche der Gemeinden geben müsse. Hierbei handele es sich um Einrichtungen der Daseinsvorsorge, auf die der Einzelne zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins angewiesen ist und für die er selbst nicht Sorge tragen kann. 193 Risse/Lehmkuhl, APuZ 2007 (Heft 20–21), 3, 6. 194 Iwers, S. 118. 195 Gramm, Privatisierung, S. 325 f. u. 338, der an Beispielen die vier Verwirklichungsressourcen: rechtliche Instrumente, erforderlicher Personalbestand, erforderliche Sachmittel und Finanzierung darstellt. 196 BVerfGE 66, 248, 258: „Die Energieversorgung . . . ist eine Leistung, deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.“ 197 Als soziale Grundrechte der beiden Landesverfassungen sind zu nennen: das Recht auf Arbeit (Art. 48 Bbg.Verf und Art. 18 VvB), das Recht auf Bildung (Art. 29 Bbg.Verf und Art. 20 VvB), das Recht auf Wohnung (Art. 47 Bbg.Verf und Art. 28 VvB), das Recht auf ein Existenzminimum bzw. das Recht auf Sicherung gegen die

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nicht entgegen, obwohl sie in ihrer Grundtendenz regelmäßig auf gänzlich anderen Vorstellungen als das Grundgesetz beruhen.198 Geht man von der grundsätzlichen Geltung der landesverfassungsrechtlich garantierten sozialen Grundrechte aus,199 können sie dennoch nur dann unmittelbar subjektiv-öffentliche Leistungsrechte verbürgen, wenn der Staat ungehinderten Zugriff auf die durch sie garantierten Güter hat. Da aber in der Bundesrepublik Deutschland Güter wie Arbeit und Wohnung weitestgehend in der Hand und der Verantwortung Privater liegen, hat der Staat, bzw. haben die Länder Berlin und Brandenburg keine Verteilungsmöglichkeiten und Verteilungskompetenzen. Damit können sie entsprechende Rechte ihren Bürgern auch nicht garantieren. Unter diesem Gesichtspunkt können die sozialen Grundrechte in den Landesverfassungen der Länder Berlin und Brandenburg keine unmittelbaren subjektiv-öffentlichen Leistungsrechte enthalten. Sie werden daher als „soziale Programmsätze“ oder „soziale Staatszielbestimmungen“ bezeichnet.200 Aufgabe beider Länder kann es nur sein, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine günstige soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen und bei drohenden Fehlentwicklungen regulierend einzugreifen.201 Einen Anspruch auf die Bereitstellung der Güter Arbeit, Bildung, Wohnung usw. durch den Staat selbst gewähren die sozialen

Wechselfälle des Lebens (Art. 45 Bbg.Verf und Art. 22 VvB), das Recht auf Mitbestimmung (Art. 50 Bbg.Verf und Art. 25 VvB), das Recht auf Resozialisierung (Art. 54 Abs. 2 Bbg.Verf), die Minderheitenrechte (Art. 25 Bbg.Verf), der Schutz auch nichtehelicher Lebensgemeinschaften (Art. 26 Abs. 2 Bbg.Verf und Art. 12 Abs. 2 VvB), der Schutz vor Zwangsräumung (Art. 47 Abs. 2 Bbg.Verf), der Mieterschutz (Art. 47 Abs. 2 Bbg.Verf), das Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 19 Abs. 5 Bbg.Verf), das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität (Art. 12 Abs. 2 Bbg.Verf und Art. 10 Abs. 2 VvB), die bedingte Drittwirkung der Landesgrundrechte nach Art. 5 Abs. 5 Bbg.Verf und das Recht auf Zuziehung eines Verteidigers (Art. 53 Abs. 4 Bbg.Verf). Siehe zum Streit über diese Landesgrundrechte Dreier, in: Dreier, GG, Art. 142, Rdnr. 69 m.w. N. 198 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1483. 199 Tomandl definiert soziale Grundrechte als Grundrechte, „deren Inhalt die Verpflichtung von Gemeinschaftsorganen zur aktiven Förderung von Menschen ist“ (Tomandl, Soziale Grundrechte, S. 6), und unterteilt sie in Rechte auf Arbeit, Rechte auf soziale Sicherheit und Rechte auf sozial-kulturelle Entfaltung (ders., S. 7). Zum Teil werden die sozialen Grundrechte als mit Art. 28 Abs. 1 i.V. m. den klassischen Freiheitsverbürgungen des Grundgesetzes unvereinbar angesehen (Nebendahl, ZRP 1991, 257, 263 in Bezug auf das Recht auf Arbeit; Tomandl, Soziale Grundrechte, S. 25). Andere bewerten soziale Grundrechte als einen Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gewaltenteilung (Nebendahl, ZRP 1991, 257, 262; Starck, JuS 1981, 237, 241). Gegen diese Meinungen werden die vielfältigen grundrechtlichen Schrankenvorbehalte sowie das Bekenntnis des Art. 20 Abs. 1 GG zur Sozialstaatlichkeit angeführt, aus denen erkennbar ist, dass die grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen nicht per se in Widerspruch zu sozial-gestaltenden Maßnahmen des Staates stehen (Stern, Staatsrecht III/2, S. 1488 f.). 200 Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28, Rdnr. 12. 201 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1486.

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Grundrechte in den Landesverfassungen der Länder Berlin und Brandenburg nicht. Auch der Gedanke, dass die sozialen Landesgrundrechte den Bürgern zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf bestimmte Güter geben, sich aber die Länder Berlin und Brandenburg hierdurch gewisse Schutzpflichten auferlegt haben, greift größtenteils nicht durch. Grenzen werden diesen sozialen Grundrechten bereits durch das einfache Bundesrecht gesetzt. Liegt ein klarer Widerspruch zwischen Bundes- und Landesrecht vor und lässt das Bundesrecht keine Interpretations- oder Entscheidungsspielräume, wird das weitergehende Landesgrundrecht auch durch einfaches Bundesrecht nach Art. 31 GG gebrochen.202 Auf dem Gebieten Arbeit, Wohnung und soziale Sicherung muss beachtet werden, dass das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 16 GG), weite Bereiche des Sozialrechts (Art. 74 Abs. 1 Nr. 6, 7, 10 GG) und des Arbeitsrechts (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) Gegenstände der konkurrierenden Bundesgesetzgebung sind und der Bundesgesetzgeber hier abschließende gesetzliche Regelungen getroffen hat, wodurch den Ländern eigene gesetzgeberische Befugnisse versperrt sind (Art. 72 Abs. 1 GG). Unter diesem Gesichtspunkt wird beispielsweise das Recht auf Arbeit in den Landesverfassungen als mit den bundesrechtlichen Vorgaben des Art. 109 Abs. 2 GG i.V. m. § 1 S. 2 StWG, nach denen der Bund und die Länder den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben, als unvereinbar angesehen.203 Die landesverfassungsrechtlichen Garantien zur sozialen Sicherheit, insbesondere der in Art. 45 Bbg.Verf normierte „Anspruch auf Sozialhilfe“, scheitern gemäß Art. 31 GG insbesondere an den Regelungen in den Sozialgesetzbüchern des Bundes. Aufgrund der hierin enthaltenen abschließenden bundesrechtlichen Regelung haben die Länder keine rechtliche Grundlage für eine eigene Umsetzung der Sozialgewährleistungen. Es fehlt ihnen hierfür die Gesetzgebungsbefugnis (Artt. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 7 GG).204 Damit können sich die Länder Berlin und Brandenburg auf diesen Gebieten durch ihre Landesgrundrechte keine erhöhten Schutzpflichten auferlegen. Soweit sie dies getan haben, wären entsprechende landesverfassungsrechtliche Regelungen gemäß Artt. 31, 142 GG gegenstandslos. Im Ergebnis können die Länder Berlin und Brandenburg trotz ihrer vielen sozialen Grundrechte in den Landesverfassungen alle staatlichen Aufgaben grundsätzlich auch an Private oder an das jeweils andere Bundesland übertragen.

202 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 142, Rdnr. 52; Jutzi, DÖV 1983, 836 ff. Zu Art. 52 und 53 Bbg.Verf siehe auch Iwers, S. 702 ff. 203 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1490 f. 204 Siehe ausführlich zu diesem Streit Stern, Staatsrecht III/2, S. 1490 ff. m.w. N. Iwers, S. 206 spricht hier von kompetenzlos erlassenem Verfassungsrecht.

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cc) Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Aufgabenübertragung Es fragt sich aber, ob sich die beiden Länder durch diese Übertragung von Aufgaben jeglicher Verpflichtungen entledigen können. Dies ist zu verneinen. Auch wenn die Grundrechte einer Aufgabenübertragung zunächst nicht entgegenstehen, ergeben sich aus ihnen verfassungsrechtliche Grenzen der Verantwortungsabgabe. In den Fällen, in denen ein Land Aufgaben an ein anderes Bundesland bzw. an Private abgibt, trifft es auch weiterhin eine Gewährleistungsverantwortung für die Aufgabenerfüllung durch Überwachung. Es hat lediglich keine Erfüllungsverantwortung mehr.205 Betrachtet man die noch näher zu erläuternden Kompetenzen des Staates, so gibt er bei der Privatisierung lediglich die Organisationskompetenz an private Träger ab, die Entscheidungskompetenz liegt weiterhin zu großen Teilen in staatlichen Händen.206 In diesem Zusammenhang wird von einer rechtlichen Garantenpflicht des Staates gesprochen.207 Dem Staat obliegt die Verantwortung für den ungestörten Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens.208 Aus der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG und der Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG zusammen mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG muss der Staat verlässliche und gemeinverträgliche Grundlagen sicherstellen, damit eine friedliche Gesamtordnung sowie die Interessen aller Menschen innerhalb dieser staatlichen Gesellschaft angemessen berücksichtigende Rahmenbedingungen aufrechterhalten werden.209 Diese Gewährleistungs- und Verantwortungspflicht der Länder Berlin und Brandenburg verbietet zwar nicht die Abgabe bestimmter Aufgaben an das andere Land oder eine echte Gemeinschaftseinrichtung, verpflichtet das abgebende Land aber, gesetzliche Rahmenvorgaben für die Ausübung dieser Gewährleistungsverantwortung zu schaffen.210 Entscheidend ist hierfür die bereits mehrfach 205 Bull, S. 219, der von einer „Garantiepflicht“ spricht. Schuppert, DÖV 1995, 761, 768; Weiß, S. 120 u. 292 ff., der von einer qualitativen Veränderung der Staatsaufgaben ausgeht (Weiß, S. 120 f. in Fn. 374). 206 Genschel/Zangl, APuZ 2007 (Heft 20–21), 10, 13 f., die als Beispiel die RiesterRente heranziehen, bei der der Staat und nicht die privaten Versicherungen, die solche Produkte vertreiben, bestimmt, welchen Mindestanforderungen Riester-Rentenprodukte genügen müssen. 207 Gramm, Privatisierung, S. 35 f. u. 82. 208 BVerfGE 30, 292, 311 f. 209 Broß, vorgänge 2008, 56, 60. Ders. kritisch zu den Kontrollmöglichkeiten des Staates im Rahmen von Regulierungsbehörden auf S. 67 f. 210 Gramm, Privatisierung, S. 338; Weiß, S. 191 ff. Bei der Privatisierung staatlicher Aufgaben wird gefordert, dass der Staat über geeignete Handlungsinstrumente verfügt, um den privaten Sektor zur Erfüllung des Gemeinwohls zu steuern (Weiß, S. 300 f.). Diese Steuerung kann in verschiedenen rechtlichen Formen erfolgen, wobei aber der staatlichen Regulierung und Wettbewerbsaufsicht besondere Bedeutung zukommt (Weiß, S. 301). Dabei ist staatliche Regulierung die Gestaltung eines Sachbereiches durch abstrakt-generelle Regelungen oder Einzelmaßnahmen, die die einzuhaltenden

II. Verfassungsmäßige Pflichtaufgaben der Länder

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angesprochene Letztverantwortung des abgebenden Landes.211 Dabei erhöht die Abgabe von Organisationsverantwortung die Anforderungen an die staatliche Entscheidungskompetenz.212 Beide Länder Berlin und Brandenburg müssen auch weiterhin Gewährträger für die ordnungsgemäße Ausführung der in den Bundesgesetzen realisierten Schutz- und Leistungsrechte ihrer Bürger sein. Gesetzliche Rahmenvorgaben finden sich hierfür in den von beiden Ländern geschlossenen Staatsverträgen. Hierauf wird speziell am Beispiel der gemeinsamen Gerichte beider Länder im nächsten Kapitel näher einzugehen sein. Zudem wird im Bereich der Privatisierung gefordert, dass die staatliche „Gewährleistungsverantwortung“ durch eine „Auffangverantwortung“ zu ergänzen und abzusichern sei.213 Sollte die Gewährleistungsverantwortung aufgrund von Steuerungsunsicherheiten nicht das gewünschte Ergebnis erreichen, ist der Staat verpflichtet, die Angelegenheit wieder selbst in die Hand zu nehmen. Andere sehen diese Auffangverantwortung des Staates nur in Notfällen bei akuten Gefahren für ein Schutzgut als latente Erfüllungsverantwortung, ansonsten als Aufgabe des Staates an, die Steuerungskraft seiner in der Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung getroffenen Regulierungs- und Aufsichtsmaßnahmen laufend zu überwachen und bei ihrer Mangelhaftigkeit eine Nachbesserung zu veranlassen. Diese Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers fordert auch das Bundesverfassungsgericht.214 Die Forderung aus der Privatisierungsdiskussion nach einer „Auffangverantwortung“ des Staates ist aufgrund der dargestellten gleichgelagerten Problemlage auch auf die Abgabe staatlicher Aufgaben im Rahmen der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg zu übertragen. Die Länder Berlin und Brandenburg gewährleisten ihre Auffangverantwortung durch die in allen Staatsverträgen verankerte Kündigungsmöglichkeit. Sollten die mit den Aufgaben betrauten gemeinsamen Verwaltungseinrichtungen oder die beauftragten Verwaltungseinrichtungen des jeweils anderen Landes die grundrechtlichen Verpflichtungen in Zukunft nicht mehr ausreichend erfüllen, können sich beide Länder unabhängig materiellen Standards festlegen. Die staatliche Aufsicht überwacht die Einhaltung und Beachtung dieser Standards (Weiß, S. 307). Siehe hierzu auch Gramm, Privatisierung, S. 370 f. zur Privatisierung der Post. 211 Heintzen, Sicherheit, S. 34; Möllers, S. 285. Smith, S. 137 spricht von „der unabdingbaren Befugnis der Letztentscheidungs- und Durchsetzungsgewalt“ des Staates. Zu den verschiedenen Abstufungen der staatlichen Verantwortlichkeit siehe auch Schuppert, DÖV 1995, 761, 768 f. Broß, vorgänge 2008, 56, 59 folgert aus Art. 15 GG, dass der Staat sich nicht in eine Politik- und Steuerungsunfähigkeit manövrieren dürfe. 212 Genschel/Zangl, APuZ 2007 (Heft 20–21), 10, 14. Sie stellen zusammenfassend fest: Der Staat „kann immer weniger allein. Aber er allein hält das Herrschaftsgeflecht zusammen und bleibt deshalb in der Letztverantwortung für die Versorgung von Kollektivgütern auf seinem Staatsgebiet und für seine Staatsbürger.“ (dies. auf S. 15). 213 Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433, 442; Weiß, S. 336. 214 BVerfGE 49, 89, 132; 50, 290, 335 u. 377 f.; 54, 11, 34 ff.; 56, 54, 78 ff.

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

voneinander von der Vereinbarung auch wieder lösen. In diesem Fall fiele die Aufgabe an die Länder zurück, die dann wieder die Erfüllungsverantwortung trifft. In eklatanten Fällen kann sich aus den grundrechtlichen Verpflichtungen auch die Pflicht eines Landes zur Kündigung der Vereinbarung ergeben. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass aus den Grundrechten für die Länder Berlin und Brandenburg trotz ihrer Zusammenarbeit die Verpflichtung besteht, die Bereitstellung der in diesem Kapitel unter Punkt I.3. dargestellten Güter im Rahmen ihrer Kompetenzen zu gewährleisten. Sie können die Aufgaben zwar an das jeweils andere Land oder eine echte Gemeinschaftseinrichtung abgeben, müssen aber Vorkehrungen schaffen, die es ihnen ermöglichen, die Aufgabenerfüllung des anderen zu überwachen und im Notfall auch wieder selbst zu übernehmen. Die rechtlichen Mittel hierfür stellen Aufsichtsrechte, Informationspflichten und Kündigungsmöglichkeiten der Zusammenarbeit beider Länder dar. In tatsächlicher Hinsicht müssen sich beide Länder eine ausreichende Anzahl an sächlichen und personellen Mitteln bewahren, die im Notfall eine Grundsicherung der Bevölkerung gewährleisten können. Dies betrifft vorrangig den Bereich der Sicherheit und des Rettungswesens, aber auch die Bildung, die Justiz und die Grundversorgung mit Wirtschafts- und Infrastrukturgütern. Zusammenfassend werden als zwingend notwendige Grundvoraussetzungen eines Staates daher Leistungen in den Bereichen Herrschaft, Sicherheit und Wohlfahrt angesehen.215 Betrachtet man die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg unter diesem Aspekt, haben beide Länder hierdurch in keinem staatlichen Aufgabenbereich eigenes Personal und eigene Sachmittel in einer Größenordnung abgebaut, durch die beide Länder oder eines von beiden in die Gefahr gerät, nicht mehr selbständig ihren Bürgern eine grundrechtlich geforderte Grundversorgung gewährleisten zu können. Im Hinblick auf ihre grundrechtlichen Pflichten ist die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg daher rechtlich unproblematisch.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg Bisher wurde jede einzelne Kooperationsmaßnahme beider Länder Berlin und Brandenburg auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin untersucht und von diesem Ansatzpunkt her konnten nur wenige konkrete rechtliche Maßstäbe für einen der Zusammenarbeit beider Länder entzogenen Kernbereich gefunden werden, die durch die Zusammenarbeit beider Länder auch eingehalten worden sind. Zu einem anderen Ergebnis könnte eine rechtliche Gesamtbetrachtung der Zusammenarbeit beider Länder gelangen. Hierzu soll die aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 215

Risse/Lehmkuhl, APuZ 2007 (Heft 20–21), 3, 6.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

247

Abs. 1 GG hergeleitete Eigenständigkeit der Bundesländer216 als Grenze der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg näher untersucht werden. Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen sind die Tatsachen, dass die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg auf der einen Seite den Handlungsspielraum beider Länder in Zeiten leerer Staatskassen erhöhen kann.217 Dies ist im Hinblick auf die Eigenständigkeit beider Bundesländer gegenüber den anderen Bundesländern und gegenüber dem Bund politisch und rechtlich positiv zu bewerten. Hierzu bedarf es keiner weiteren rechtlichen Untersuchung. Auf der anderen Seite dürfen aber beide Länder durch ihre Zusammenarbeit ihren Status als Bundesländer im Sinne des Grundgesetzes nicht aufgeben. Es stellt sich damit auch unter diesem Gesichtspunkt wieder die Frage, ob es einen unübertragbaren Kern an Hoheitsrechten gibt, mit deren Abgabe ein Land seine Selbständigkeit verliert und damit seine Existenz in Frage stellt. Denn „wesentliche“ Teile der Staatsgewalt können nicht nur qualitativ durch die Übertragung elementarer Staatsaufgaben, sondern auch quantitativ übertragen werden. Auch hier müssen rechtliche Beurteilungsmaßstäbe gefunden werden, um „einen peu à peu stattfindenden Ausverkauf“ 218 zu verhindern. Daher ist bei jeder rechtlich zu überprüfenden Kooperationsmaßnahme neben dem in den vorangegangenen Kapiteln Dargestellten zudem zu berücksichtigen, inwieweit die Selbständigkeit beider Bundesländer durch die schon laufende Zusammenarbeit bereits in Mitleidenschaft gezogen ist. „Wo Kooperation bereits im großen Stil betrieben wird, da kann ein zusätzlicher Fall das ,Faß überlaufen‘ lassen, selbst wenn dieser Fall für sich genommen harmlos scheint.“ 219 Aus der Staatsqualität der Länder folgt ihre Freiheit von fremdstaatlichen Einflüssen. Im Verhältnis der Länder zueinander steht daher ein Tätigwerden über die Landesgrenzen hinaus – von besonderen gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich im Widerspruch zu dem Charakter des Landes als Gebietskörperschaft. Einfluss- und Mitwirkungsrechte eines anderen Staates müssen Ausnahmen darstellen.220 In der Literatur werden die allgemeinen verfassungsrechtlichen Grenzen der Länderzusammenarbeit, die sich unter diesem Aspekt stellen, in drei Grundsätzen zusammengefasst: dem Verbot staatenbündischer Elemente, dem Verbot der Selbstpreisgabe der Länder und der Wahrung von Grundsätzen der Staatsordnungen der Länder.221 Hierfür können nicht konkrete Aufgaben be216

Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt II.7.a). Siehe zu den finanziellen Aspekten der Zusammenarbeit in Kapitel A. unter Punkt III. 218 Grawert, S. 271. 219 Kisker, S. 146 ff. (Zitat von S. 146), der mit einem Beispiel die Schwelle unzulässiger Selbstpreisgabe anhand der Faktoren Gegenstand, Instrumentarium und Pegelstand der Zusammenarbeit zu bestimmen versucht. Siehe auch Damkowski, NVwZ 1988, 297, 300; Vedder, S. 145. 220 Grawert, S. 207. 217

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

stimmt werden,222 sondern beide Länder sind in einer Gesamtbetrachtung hinsichtlich ihrer Selbständigkeit zu bewerten. Länder im Sinne der Formel „Gliederung des Bundes in Länder“ sind nur selbständige Gebilde von politischem Gewicht, deren Hoheitsgewalt nicht derart eingeschränkt ist, dass sie innerlich ausgehöhlt sind, die Gelegenheit zu kraftvoller Betätigung verloren haben und nur noch ein Scheindasein führen. Nur dann können sie ihre Funktion in der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes erfüllen.223 Es stellt sich damit die Frage, ob die Länder Berlin und Brandenburg trotz ihrer engen Zusammenarbeit weiterhin als eigenständige Bundesländer mit eigener Staatsgewalt angesehen werden können. Für die Bestimmung der Grenze, an der die Bundesländer ihre Selbständigkeit verlieren, stellt sich das Problem, dass Kompetenzverlagerungen typischerweise in relativ kleinen Schritten erfolgen. Hier erscheint es – wie bereits oben im Rahmen der europäischen Integration dargestellt224 – schwierig, einen dieser kleinen Schritte als denjenigen zu identifizieren, der die Grenze des Zulässigen endgültig überschreitet. Dabei kann die Abgabe von Kompetenzen an das andere Land auch durch die Hinzugewinnung von Kompetenzen vom anderen Land kompensiert werden. Es kommt darauf an, dass trotz der intensiven Zusammenarbeit beider Länder der Schwerpunkt ihrer Staatstätigkeit im Bereich der eigenständigen Aufgabenerledigung verbleibt.225 Hierfür sind die tatsächlichen Gegebenheiten zu betrachten, weil der Untergang eines Staates keine Rechtsfrage, sondern eine Tat- und Machtfrage ist.226 Es ist folglich der tatsächliche Bestand an Kompetenzen bei den Ländern Berlin und Brandenburg in den Blick zu nehmen. Diese müssen einen solchen inhaltlichen Gehalt aufweisen, dass nicht lediglich eine „leere Hülse von Eigenstaatlichkeit“ beider Länder übrig bleibt.227 221 Pietzcker, Landesbericht, S. 67 f.; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 254; Vedder, S. 143. 222 Siehe zur Suche nach konkreten Landesaufgaben, die zum Kernbereich gehören, in diesem Kapitel unter Punkt I. 223 Feuchte, AöR 98 (1973), 473, 500; Kisker, S. 300. Teilweise wird das Verbot der Selbstpreisgabe auch aus Art. 29 GG hergeleitet, der den Ländern die Disposition über ihre Existenz entzogen hat, sowie aus Art. 28 Abs. 1 S. 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG (Vedder, S. 144). Teilweise wird das Verbot der Selbstpreisgabe auch aus Art. 35 GG entnommen. Dieser erkennt an, dass die ersuchte Behörde das Amtshilfeersuchen nicht zu erfüllen braucht, wenn die geforderte Beistandsleistung ihre Kräfte derart in Anspruch nehmen würde, dass sie an der Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben gehindert würde. Zudem setzen Amtshilfeersuchen entweder die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der eigenen Durchführung oder zumindest das Vorliegen erheblicher Schwierigkeiten voraus, die bei der ersuchten Behörde nicht oder in wesentlich geringerem Maße vorhanden sind (Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 229). 224 Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt II.6.a). 225 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 187. 226 Harbich, S. 147. 227 BVerfGE 34, 9, 20 f. Siehe hierzu auch Hanebeck, S. 47.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

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Bisher wurde einer solchen Gesamtbetrachtung bei der Zusammenarbeit der Bundesländer keine größere Aufmerksamkeit geschenkt, weil diese Zusammenarbeit so partiell erfolgte, dass von einer „leeren Hülse der Eigenstaatlichkeit“ hinsichtlich der Bundesländer offensichtlich nicht gesprochen werden konnte. Aufgrund des bereits mehrfach erwähnten, bundesweit einmaligen Ausmaßes der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg, bedarf es nunmehr einer näheren Untersuchung der Selbständigkeit beider Länder. 1. „Identitätsverlust“ der beiden Länder? Knüpft man zunächst an die in Kapitel B. aus dem Europarecht gewonnenen Erkenntnisse über die Wahrung der „Identität“ der Mitgliedstaaten an,228 so sind diese nur teilweise auf die Länder Berlin und Brandenburg übertragbar. Zu fordern ist analog, dass die Länder Berlin und Brandenburg ihre Identität nicht verlieren dürfen, weil ihre „Auflösung“ durch Kompetenzübertragungen innerhalb der Zusammenarbeit, ohne Einhaltung der Verfahrensvorschriften des Art. 29 GG bzw. des Art. 118a GG, sowohl gegen diese Verfassungsnormen des Grundgesetzes verstößt als auch gegen das Landesverfassungsrecht, was beiden Ländern jeweils den Status eines deutschen Landes einräumt (Art. 1 Abs. 2 VvB und Art. 1 Abs. 1 Bbg.Verf). Eine solche Zusammenarbeit wäre damit verfassungswidrig. Die Aufgabe der Identität in einem gemeinsamen Bundesland ist offensichtlich zu verneinen. Ein solches gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg existiert nicht, weil es keine eigenständigen staatlichen Organe besitzt und damit jede Änderung der Zusammenarbeit beider Länder auf dem Willen beider Bundesländer beruhen muss. Weiterhin gibt es kein gemeinsames Landesvolk, kein gemeinsames Landesgebiet und keine unmittelbar wirksame staatliche Zwangsgewalt Berlin-Brandenburg. Hinzu kommt, dass sich beide Länder, wie bereits dargestellt, ihre Letztverantwortung bei ihrer Zusammenarbeit durch vereinbarte Kündigungsmöglichkeiten durchweg vorbehalten haben. Ob eine Vielzahl von Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen auf nahezu allen Politikfeldern eine „faktische“ Fusion schaffen kann,229 braucht nicht näher beleuchtet zu werden, weil hiervon beide Länder derzeit jedenfalls weit entfernt wären. Es wird in diesem Zusammenhang vom Abschluss von mindestens 100 Staatsverträgen gesprochen.230 Die Länder Berlin und Brandenburg haben demgegenüber bisher lediglich 26 Staatsverträge vereinbart.231

228 229 230 231

Siehe hierzu ausführlich in Kapitel B. unter Punkt II.6. Tripke, S. 208 f. Tripke, S. 209 (Fn. 1196). Siehe die Auflistung der Staatsverträge in Kapitel C. unter Punkt I.1.b).

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

2. Die Länderhoheiten als Kern der Selbständigkeit Nachdem festzuhalten war, dass die Länder Berlin und Brandenburg auch faktisch kein gemeinsames Bundesland bilden, wird nunmehr nach Kriterien der Selbständigkeit beider Länder gesucht, die unter der Schwelle eines gemeinsamen Bundeslandes liegen. Hierfür könnte die Rechtsprechung zur kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 GG hilfreiche Anregungen geben.232 Art. 28 Abs. 2, S. 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung, das heißt das Recht, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.233 Für den Bestand dieser Institution muss es einen unantastbaren Kernbestand bzw. Wesensgehalt geben.234 Dabei enthält der Begriff „örtliche Angelegenheit“ keinen festen Aufgabenbestand der Gemeinden. Das Bundesverfassungsgericht versteht unter diesem Begriff in ständiger Rechtsprechung „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen“.235 Die rechtliche Problematik bei der Bestimmung des Bereichs kommunaler Selbstverwaltung ist der in der vorliegenden Untersuchung für die Selbständigkeit der Bundesländer Berlin und Brandenburg ähnlich. Für beides erscheint es unmöglich, einen konkreten Aufgabenkatalog herauszuarbeiten,236 so dass andere Merkmale des „Kernbereichs“ kommunaler Selbstverwaltung bzw. der Länderselbständigkeit gefunden werden müssen. So wie für die Anforderungen an die Bundesländer, die bereits dargestellt worden sind, wurde auch für die Gemeinden herausgearbeitet, dass ihnen eine Verantwortlichkeit in den Kernaufgaben weiterhin verbleiben müsse, um den Status eines eigenständigen Rechtssubjekts nicht zu einer leeren Hülle werden zu lassen. Der Gesetzgeber dürfe die Selbstverwaltung einer Gemeinde nicht derart einschränken, dass ihr Wesensgehalt ausgehöhlt wird237 bzw. „dass sie innerlich ausgehöhlt wird, die Gelegenheit 232 BVerfGE 76, 107, 118; 79, 127, 143 u. 151 f.; 110, 370, 401; BVerwG, NVwZ 2006, 595, 596; BVerwG, NVwZ 2005, 958, 959; RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801, 802. Siehe zu der Rechtsprechung auch Clemens, NVwZ 1990, 834, 837 ff.; Kronisch, S. 61 ff. Ausführlich zur kommunalen Selbstverwaltung siehe auch Kronisch, S. 31 ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 405 ff.; Stöhr, S. 44 ff. u. 248 ff. Aus finanzieller Sicht auch Lohse, S. 40 ff.; Mückl, S. 53 ff. 233 BVerfGE 91, 228, 236; Berlit, DVBl. 1995, 293, 294; Unseld, S. 44. 234 Clemens, NVwZ 1990, 834, 835; Kronisch, S. 33 ff.; Remmert, VerwArch 94 (2003), 459, 469. 235 BVerfGE 8, 122, 134; 50, 195, 201; 52, 95, 120; 79, 127, Ls. 4 u. S. 143. Siehe auch BVerfGE 110, 370, 401; Tettinger, in: vMKS, Bd. 2, Art. 28 Abs. 2 Rdnr. 168; Unseld, S. 44. 236 Kronisch, S. 34; Stern, Staatsrecht I, S. 416. 237 BVerfGE 76, 107, 118; 79, 127, 143 u. 146.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

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zu kraftvoller Betätigung verliert und nur noch ein Scheindasein führen kann.“ 238 Der Kernbereichsschutz „verbietet Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken würden“.239 Zudem muss den Kommunen zur Sicherung ihrer Selbstverwaltung ein Mitsprache- und Kontrollrecht an den Entscheidungen der Gemeinschaftsinstitution eingeräumt werden.240 Verschieden ist demgegenüber die Schutzrichtung der zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht entwickelten Grundsätze. Während vorliegend das Problem der freiwilligen Selbstaufgabe der Länder Berlin und Brandenburg durch ihre enge Zusammenarbeit untersucht wird, geht es bei der Bestimmung eines kommunalen Selbstverwaltungsbereichs in der Sache um die Abwehr allzu großer Eingriffe der Länder in gemeindliche Tätigkeitsbereiche, also um erzwungene Selbstaufgabe. Diese unterschiedliche praktische Einbettung des gleichen rechtlichen Problems hindert aber nicht die Vergleichbarkeit der Herangehensweise an die Lösung der Frage nach dem Kernbereich der Tätigkeit eines Staates oder einer Selbstverwaltungseinheit. a) Die Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 2 GG In der Literatur wird der Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung zum Teil dahingehend definiert, dass er das „Essentiale einer Einrichtung, das man aus einer Institution nicht entfernen kann, ohne deren Struktur und Typus zu verändern“,241 umfasse. Betrachtet man diese ähnlich vagen Formeln, wie sie bereits bei der Bestimmung eines staatlichen Kernbereichs aufgestellt wurden, lässt sich vermuten, dass auch unter Art. 28 Abs. 2 GG keine klare Bestimmung dieses Kernbereichs zu erwarten ist.242 Aber anders als der Kernbereich des Staates, der bisher lediglich theoretische Bedeutung erlangt hat, ist der Kernbereich kommunaler Tätigkeit bereits mehrfach Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten und daraus resultierender Rechtsstreitigkeiten geworden. Damit lassen sich in der Praxis Beispiele für seine Ausgestaltung finden, aus denen möglicherweise Konkreteres abgeleitet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht bestimmt den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung mit Hilfe einer Gesamtschau und eines geschichtlichen Rückblicks und unter Beachtung der verschiedenen Formen der Selbstverwaltung.243 Ande238

BVerfGE 1, 167, 175; 22, 180, 204 f.; 79, 127, 155. BVerfGE 91, 228, Ls. 2a. 240 Hohndorf/Falk, S. 216. 241 Stern, Staatsrecht I, S. 416. 242 Ähnlich zweifelnd Berlit, DVBl. 1995, 293, 294; Kronisch, S. 34 u. 100 f.; Stern, Staatsrecht I, S. 416. 243 BVerfGE 11, 266, 274; 22, 180, 205; 50, 195, 202; 76, 107, 118; 83, 363, 381; 91, 228, 236; Schmehl, BayVBl 2006, 325; Tettinger, in: vMKS, Bd. 2, Art. 28 Abs. 2 239

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

rerseits muss der Kernbereich auch gegenüber Entwicklungen und behutsamer Fortschreibung des überkommenen Systems offen sein, sofern – nach Maßgabe einer bilanzierenden Bewertung der nach dem Eingriff verbleibenden gemeindlichen Handlungsmöglichkeiten – die Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt wird.244 aa) Das Allzuständigkeitsprinzip Unter diesen Gesichtspunkten zählt die Rechtsprechung zum Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung keinen gegenständlich bestimmten oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbaren Aufgabenkatalog, sondern lediglich „die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen“ (Allzuständigkeitsprinzip).245 Der Gesetzgeber darf dieses Prinzip weder aufheben noch durch schleichenden, stückweisen Aufgabenentzug derart aushöhlen, dass die Gemeinden die Möglichkeit kraftvoller Betätigung verlieren.246 Hierfür überprüft die Rechtsprechung nicht nur die einzelne Maßnahme, sondern betrachtet den Zustand kommunaler Selbstverwaltung nach dem Eingriff. Es erfolgt also eine Gesamtbetrachtung der gemeindlichen Befugnisse.247 Dies stößt in der Literatur teilweise auf Kritik. Es wird ein Bestand typischer gemeindlicher Aufgaben als nicht entziehbares Minimum gefordert, weil die bloße potenzielle Allzuständigkeit allein keine ausreichende Basis für einen Erhalt des Kernbereichs der Selbstverwaltung sei. Der Kernbereich könne auch schon dadurch verletzt sein, dass ein Einschnitt in einen der unabdingbaren Teile seiner Substanz erfolgt, ohne dass die Gemeinde dadurch jeder Eigenverantwortlichkeit beraubt würde. Das Abstellen der Rechtsprechung auf eine Gesamtbetrachtung aller nachher noch verbleibenden Handlungsmöglichkeiten biete keinen ausreichenden Kernbereichsschutz. Dass die Selbstverwaltungsgarantie einen wandlungsfähigen Inhalt hat, spreche nicht dagegen, mehrere unterschiedliche Elemente zu ihrem festen Kern zu zählen.248 Es wird von einer „praktischen Schwäche“ einer jeden Rdnr. 200. Clemens, NVwZ 1990, 834, 837 spricht von „Essentialia der institutionellen Garantie“ bzw. von „identitätsbestimmenden Merkmalen“. Für die Aufgabenübertragung auf einen Regionalverband siehe auch Damkowski, NVwZ 1988, 297, 302. 244 RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801, 802. 245 BVerfGE 79, 127, 146. 246 RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801, 802. 247 Dem konsequent folgend, hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg beispielsweise den zwangsweisen Zusammenschluss von Gemeinden zu einem Abwasserverband nicht als Eingriff in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie angesehen, da die Organisationshoheit der betroffenen Gemeinden nicht über die Erledigung der Selbstverwaltungsaufgabe Wasserversorgung und Abwasserentsorgung hinaus eingeschränkt worden ist (LVerfG Bbg, DVBl. 2000, 981, 984). 248 Schmehl, BayVBl 2006, 325, 329. Eine Übersicht über die kritischen Stimmen in der Literatur findet sich auch bei Lohse, S. 68 f.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

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Gesamtbetrachtungslehre gesprochen, weil es praktisch unwahrscheinlich sei, dass nach Verlust einer Einzelmaßnahme nicht mehr genug Substanz vorhanden ist.249 bb) Die Gemeindehoheiten Um dieser „Schwäche“ einer Gesamtbetrachtung entgegenzuwirken und der rechtlichen Prüfung etwas Struktur zu verleihen, wurden bestimmte Gemeindehoheiten entwickelt. Sie sind entscheidender Ausgangspunkt für die Frage, wann die gemeindliche Selbstverwaltung ausgehöhlt ist und einer Gemeinde ihre unverzichtbaren identitätsstiftenden Merkmale, die ihr Bild entscheidend prägen, abhanden kommen. Hierzu zählen das Satzungsrecht, die Personalhoheit, die Finanzhoheit, die Planungshoheit und die Organisationshoheit.250 Die Rechtsprechung zu den Gemeindehoheiten knüpft an den Gedanken an, dass Selbstverwaltungseinheiten bestimmte Befugnisse innehaben müssen, um ihrem Namen gerecht zu werden und sich auch selbst verwalten zu können. Bei den vorliegend gesuchten Kernelementen der Länderselbständigkeit geht es im Grunde auch um genau diese Frage: Welche Kompetenzen müssen die Länder Berlin und Brandenburg jeweils als Land bzw. Staat behalten, um die vom Grundgesetz ihnen übertragenen Aufgaben selbständig erfüllen zu können. Jedenfalls diejenigen Kompetenzen, die die Gemeinden für ihre Selbstverwaltung zwingend benötigen, müssen sich auch die Länder Berlin und Brandenburg zur Erhaltung ihrer Selbständigkeit bewahren. So wird beispielsweise gefordert, dass den Bundesländern die Verfassungsautonomie, insbesondere die freie Bestimmung über ihre Organisation, verbleiben müsse (Organisationshoheit) und jedem Bundesland eine finanzielle Mindestausstattung zu gewährleisten sei (Finanzhoheit)251. Die einzelnen Länderhoheiten sollen daher im Folgenden näher betrachtet werden. b) Die Organisationshoheit der Länder Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung Regelungen verbiete, „die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken würden“.252 Damit gehört zum absolut geschützten Kern kommunaler Organisationshoheit nur ein sehr enger Bereich, was in der Literatur teilweise kritisiert wird, 249

Schmehl, BayVBl 2006, 325, 327. Schmehl, BayVBl 2006, 325, 326. 251 BVerfGE 34, 9, 20; Hanebeck, S. 294. Ebenso Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 209: „Den Ländern muss die Möglichkeit verbleiben, ihre Organisationsstruktur zu ändern, in Eigenverantwortung Ämter mit neuem Amtsinhalt zu schaffen und die besoldungsrechtlichen Konsequenzen zu ziehen.“ 252 BVerfGE 91, 228, Ls. 2a u. S. 239. 250

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

weil die Organisationshoheit so wenig Schutz gegen organisatorische Eingriffe in einzelnen Sachbereichen biete.253 Diese Kritik bedarf vorliegend keiner näheren Untersuchung. Zwar gehört die Organisationshoheit der Länder unstreitig zum Kern ihrer Eigenstaatlichkeit.254 Sie tritt in Form ihrer Verfassungsautonomie zu Tage, durch die jedem Land die alleinige Ausgestaltung ihrer verfassungsmäßigen Ordnung obliegt. Die Verfassungsautonomie der Länder ist durch das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG und das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG eingeschränkt.255 Sie ist aber durch die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg nicht betroffen. Beide Länder haben eigene Verfassungen, die die Grundfragen der Organisation des jeweiligen Landes regeln, und binden sich in diesem Bereich durch ihre Zusammenarbeit nicht. c) Die Personalhoheit der Länder Ebenso regeln beide Länder personelle Angelegenheiten grundsätzlich selbständig. In Fällen gemeinsamer Einrichtungen wird auf eine Einflussmöglichkeit beider Länder geachtet. So erfordert beispielsweise die Einstellung neuer Richter in der Justiz eines der beiden Länder aufgrund der noch näher darzustellenden engen Verflechtung in diesem Bereich die mehrheitliche Zustimmung der Brandenburger Vertreter und die mehrheitliche Zustimmung der Berliner Vertreter im gemeinsamen Richterwahlausschuss.256 Keines der beiden Länder kann hier vom anderen überstimmt werden. Damit haben sich beide Länder im Rahmen ihrer Zusammenarbeit auch ihre Personalhoheit erhalten. d) Die Finanzhoheit der Länder Die kommunale Finanzhoheit ist ein notwendiger Teilaspekt des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung, weil ohne hinreichende finanzielle Mittel die Gemeinden ihren Aufgaben nicht nachkommen können.257 Unter Finanzhoheit wird dabei die Fähigkeit eines Staates verstanden, „sich die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Geldmittel nach eigenem Wunsch und Willen zu beschaf253 Siehe Schmehl, BayVBl 2006, 325, 327. Andere weisen darauf hin, dass für die Organisationshoheit – anders als bei sachlichen Aufgaben – nicht ein Prinzip der „Allzuständigkeit“ gelte (BVerfGE 91, 228, 240; Berlit, DVBl. 1995, 293, 294). 254 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 123 u. 306: „Staatliche Organisation ist die Bedingung der Möglichkeit zur Selbstfindung und Selbstbestimmung des Landes.“ (ders., Rdnr. 123). 255 BVerfGE 36, 342, 361; 60, 175, 207 f. Siehe hierzu Smith, S. 137 f.; Sodan, LKV 2010, 440, 442. 256 Hierzu ausführlich in Kapitel E. unter Punkt I.1.a)aa). 257 Mückl, S. 62; Stern, Staatsrecht I, S. 422; Stöhr, S. 59; Unseld, S. 120.

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fen“.258 Dieses Recht gehört unstreitig zum Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung. Dies bestätigt auch die Einführung des Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG, der ausdrücklich regelt, dass die Gewährleistung der Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst.259 Daher müssen die Gemeinden zum Beispiel ein grundsätzliches Recht zum Erlass von Abgabensatzungen haben.260 Ob neben der eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft auch eine finanzielle Mindestausstattung der einzelnen Gemeinde zum Kernbereich des Rechts auf Selbstverwaltung gehört, ist vom Bundesverfassungsgericht offen gelassen worden,261 wurde aber von verschiedenen Landesverfassungsgerichten anerkannt. Die kommunale Finanzhoheit ziele nicht auf einen bestimmten Bestand an finanziellen Zuweisungen ab, sondern auf die Grundlage für die finanzielle Eigenverantwortung.262 Den Gemeinden dürfte es nicht infolge unzureichender Finanzausstattung unmöglich gemacht werden, freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten wahrzunehmen.263 Es dürfte nicht dazu kommen, dass auch nur in einer einzigen Gemeinde aus finanziellen Gründen – sparsamste Wirtschaftsführung und Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten vorausgesetzt – nicht einmal ein Mindestmaß an freiwilliger Selbstverwaltung möglich sei.264 Fraglich ist jedoch die Höhe der finanziellen Mindestausstattung einer Gemeinde, die sie für ihre „kraftvolle Betätigung“ benötigt.265 Inwieweit die Haushaltsautonomie in den Kernbereich der Bundesländer fällt, hat das Bundesverfassungsgericht nicht eindeutig geklärt.266 Als eigenständige Staaten müssen aber auch die Länder Berlin und Brandenburg fähig sein, ihre staatlichen Aufgaben eigenverantwortlich zu erfüllen. Dies setzt nicht nur die 258

Mückl, S. 63 m.w. N. Hoppe, DVBl. 1992, 117, 118; Lohse, S. 120; Mückl, S. 75; Remmert, VerwArch 94 (2003), 459, 469 f.; Unseld, S. 119. Teilweise wird in der Literatur sogar aus der Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass Art. 106 Abs. 5 GG eine Konkretisierung von Art. 28 Abs. 2 GG sei (BVerfGE 71, 25, 38), ein Hinweis auf eine generelle Anerkennung einer finanziellen Mindestgarantie entnommen (Unseld, S. 121). Zur finanziellen Eigenverantwortung der Kommunen siehe auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 43. 260 BayVerfGH, NVwZ 1993, 163, 165. 261 BVerfGE 71, 25, 36 f.; 83, 363, 386. 262 Unseld, S. 112 f., die darauf hinweist, dass auch durch die Übertragung kostenintensiver Aufgaben in das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht eingegriffen werden kann. Siehe hierzu auch Mückl, S. 72 ff. 263 StGH BW, DVBl. 1999, 1351, 1355. 264 LVerfG Bbg, NVwZ-RR 2000, 129, 134. 265 Dabei wird die Selbstverwaltung im Kernbereich als eingeschränkt angesehen, wenn weniger als 5 % des Gemeindehaushaltes für selbstbestimmte Aufgaben zur Verfügung stehen (Hufen, DÖV 1998, 276, 280). 266 Siehe hierzu Hancke, DVBl. 2009, 621, 622 f. Zur Bedeutung der Haushaltsautonomie der Länder für ihren Staatscharakter siehe Puttler, S. 59 ff., die die selbständige Entscheidung über die Haushaltswirtschaft zum Kern der Ländereigenstaatlichkeit zählt (S. 59 m.w. N., und S. 486 ff. unter dem Gesichtspunkt des Art. 79 Abs. 3 GG). 259

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

entsprechenden intellektuellen Fähigkeiten voraus, sondern vor allem die nötigen Finanzen.267 Die Finanzhoheit wird zu den unverzichtbaren Kompetenzen gezählt, die das Recht der Länder auf Eigenorganisation und auf eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung gewährleisten.268 Das Bundesverfassungsgericht sieht „die Garantie der verfassungskräftigen Zuweisung eines angemessenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen im Bundesstaat“ als unentziehbaren Kernbestand der Länderkompetenzen an.269 Nur wenn die Länder in der Lage sind, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen, ist ihre staatliche Selbständigkeit gewährleistet. Hierauf ziele die Finanzverfassung des Grundgesetzes ab.270 Art. 109 Abs. 1 GG bestimmt, dass die Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und sowohl vom Bund als auch von den anderen Ländern unabhängig sind.271 Teilweise wird in der Literatur daher im Hinblick auf die Staatlichkeit der Länder die Verfassungsmäßigkeit der seit dem 1. August 2009 geltenden Schuldenbremse der Artt. 109 Abs. 3, 109a, 115 GG angezweifelt.272 Wie die Beispiele zeigen, sind die rechtlichen Probleme hinsichtlich der Finanzhoheit der Bundesländer auf der Ebene aller Länder, also omnilateral, oder 267 Häde, LKV 2011, 1; Isensee, AöR 115 (1990), 248, 273. „Finanzmacht ist heute die wirksamste, umfassendste und beweglichste Form der Staatsgewalt.“ (ders., S. 257). 268 BVerfGE 39, 96, 108; Fassbender, NVwZ 2009, 737, 739: „Der materielle Standard der Landesstaatlichkeit ist mit vielen Einschränkungen autonomer Gestaltungsmacht vereinbar, nicht aber mit einem Wegfall finanzieller Autonomie der Länder.“; Hancke, DVBl. 2009, 621; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 306. 269 BVerfGE 34, 9, 20. 270 BVerfGE 39, 96, 108; 72, 330, 383 u. 388; 86, 148, 213 f.; 116, 327, 378; Häde, LKV 2011, 1; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 2 und zum vertikalen Finanzausgleich Rdnr. 6; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 71, der die finanzielle Selbständigkeit der Länder auch als Ziel des horizontalen Finanzausgleichs in Art. 107 GG sieht. Ebenso Häde, LKV 2011, 1, 2 ff. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 107, Rdnr. 5 stellt klar, dass Art. 107 GG kein notwendiger Teil des Bundesstaatsprinzips i. S. der Artt. 20 Abs. 1 und 79 Abs. 3 GG ist (m.w. N.). 271 Ausführlich hierzu Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 109, Rdnr. 14 ff., auch im Hinblick auf europarechtliche Einwirkungen auf die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern. 272 Zentrale Regelung der „Schuldenbremse“ ist ein grundsätzliches Verschuldensverbot für die Länder, das nach einer Übergangszeit im Jahr 2020 wirksam werden soll (Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 109, Rdnr. 17). Siehe hierzu Heun, ZSE 2009, 552 m.w. N., der die „Schuldenbremse“ als verfassungsmäßig ansieht, weil die unbegrenzte Verschuldensfähigkeit der Länder nicht zum irreversiblen Kernbestand ihrer Finanzautonomie zu rechnen sei. Ebenso Thye, S. 60 f., der auf S. 62 ff. der Frage nachgeht, ob die Verschuldungsmöglichkeit eine Voraussetzung zum eigenständigen autonomen Handeln der Länder ist, und dies verneint. A. A. Fassbender, NVwZ 2009, 737, 739 f., der zur Finanzhoheit der Länder auch das Recht zur staatlichen Schuldenaufnahme zählt. Mit der „Schuldenbremse“ werden den Ländern grundsätzlich Einnahmen aus den Krediten untersagt und damit der „Wesensgehalt der Länderstaatlichkeit“ berührt (ders., S. 740). Im Ergebnis ebenfalls zur Verfassungswidrigkeit der Schuldenbremse kommend Hancke, DVBl. 2009, 621, 624 ff.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

257

zwischen dem Bund und den Ländern angesiedelt, weil die hierfür einschlägigen Rechtsvorschriften bundesrechtlich sind. Dies ist nicht Thema der vorliegenden Arbeit. Auch die Forderung, dass den Bundesländern gewisse unantastbare Verwaltungskompetenzen im Bereich des Finanzwesens zustehen,273 ist vorliegend nicht entscheidend, weil die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg – abgesehen von den hier nicht relevanten Finanzierungsabsprachen gemeinsamer Einrichtungen und der gemeinsamen Ausbildung von Landespersonal in der Steuerverwaltung – keine Gegenstände des Finanzwesens betrifft. Beide Länder können im Rahmen ihrer bundesrechtlich ausgestalteten Kompetenzen finanzielle Abgaben unabhängig voneinander erheben. Damit tangiert die Zusammenarbeit beider Länder auch ihre Finanzhoheit nicht. e) Die Gebietshoheit der Länder Das Grundgesetz legt in seinen Artt. 70 ff. Kompetenzen fest. Diese Kompetenzen dürfen weder vertikal noch horizontal ohne besondere verfassungsrechtliche Ermächtigung übertragen werden.274 Das Territorialprinzip gilt nicht für den Vollzug der Bundesgesetze, weil das jeweilige Land hier nicht für sich, sondern für den Bund handelt.275 In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise festgestellt, dass Verwaltungsakte eines Landes, die Bundesgesetze gemäß Art. 84, 85 GG vollziehen, grundsätzlich im ganzen Bundesgebiet gelten.276 Demgegenüber kann ein Land, das sein eigenes Recht setzt und durchsetzt, nicht einseitig anderen Ländern Pflichten auferlegen. Die Staatshoheit eines Landes erstreckt sich grundsätzlich nur auf sein eigenes Gebiet. Die Staatsgrenzen gelten dabei als die natürlichen Schranken der Gebietshoheit.277 Ein Land ist in seiner Verwaltungshoheit damit grundsätzlich auf sein eigenes Gebiet beschränkt.278 Daher brauchen die Bundesländer als gleichberechtigte Staaten Einwirkungen anderer Länder auf ihr Staatsgebiet nicht zu dulden. Eine prinzipielle Beschränkung der Landesstaatsgewalt auf das jeweilige Landesgebiet ist dem Grundgesetz aber nicht zu entnehmen.279 Dem Verwaltungshandeln eines 273 Harbich, S. 129 f. m.w. N., der allein die Finanzertragshoheit der Länder als Kern der Landestätigkeit ansieht. 274 Bothe, Generalbericht, S. 207, 224. 275 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 35 f. Siehe zum Territorialprinzip und der Zusammenarbeit der Bundesländer bereits in Kapitel B. unter Punkt II.3. 276 BVerfGE 11, 6, 19. Siehe hierzu auch Lenhard, S. 120. 277 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 35 u. 38; Lenhard, S. 119 f.; Maunz, NJW 1962, 1641 (Fn. 3). 278 BVerfGE 11, 6, 19. 279 BVerwGE 22, 299, 306 f.; v. Danwitz, in: vMKS, Art. 35, Rdnr. 38; Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 227. Teilweise wird dies auch aus Art. 35 GG und die ihn konkretisierenden Verfassungsbestimmungen geschlossen. Siehe hierzu Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 104a Rdnr. 26.

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

Landes können daher über das eigene Land hinausgehende Rechtswirkungen durch den Landesgesetzgeber eines anderen Landes beigelegt werden.280 Folglich können Landesaufgaben durch Verträge oder sonstige Vereinbarungen auf Dienststellen anderer Länder oder gemeinsame Dienststellen übertragen werden.281 Darüber hinaus lässt die föderative Praxis der Bundesrepublik schlichte Hoheitstätigkeit eines Landes über seine Grenzen hinweg zu.282 Die wechselseitige Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung bundes- bzw. landesstaatlicher Hoheitsakte allgemein wird aus der Funktion von Art. 35 Abs. 1 GG als „einem bundesstaatlichen Instrument der Verwaltungskooperation und -koordination“ entnommen.283 Die Gebietshoheit der Länder Berlin und Brandenburg wird damit durch ihre freiwillige Zusammenarbeit nicht tangiert. f) Die Planungshoheit der Länder Die Planungshoheit einer Gemeinde ist die Voraussetzung dafür, dass die Gemeindebürger eigene Vorstellungen über die Gestaltung ihrer örtlichen Gemeinschaft verwirklichen können.284 Entscheidend ist, dass im Ergebnis ein Mindestmaß organisationsrechtlicher Mitverantwortung der Kommunen erhalten bleibt. Eine Eigenverantwortung in diesem Bereich wird demgegenüber nicht gefordert.285 Die Frage, ob die Planungshoheit zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung zählt, hat das Bundesverfassungsgericht dahinstehen lassen.286 Es führt hierzu aus, dass selbst wenn die Planungshoheit der Gemeinde berührt sei, dies nicht unbedingt einen unzulässigen Eingriff auf den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie bedeute, solange der Gemeinde dennoch ein ausreichender Planungsspielraum verbleibe.287 280 Lenhard, S. 123; Maunz, NJW 1962, 1641 (Fn. 3); Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 226. A. A. Kölble, NJW 1962, 1081, 1083, der Rechtswirkungen von Länderverwaltungshandeln außerhalb des handelnden Landes nur auf Grund von Bundesrecht für möglich hält. 281 Zivier, Rdnr. 75.1.2. 282 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 41. 283 v. Danwitz, in: vMKS, Art. 35, Rdnr. 39. 284 Schmehl, BayVBl 2006, 325, 326. 285 Berlit, DVBl. 1995, 293, 295, der darauf hinweist, dass damit den Überlegungen, zur Bestimmung des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung analog auf die zur Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG entwickelten Grundsätze zurückzugreifen, vom Bundesverfassungsgericht im Bereich der Planungshoheit entgegengetreten wird. 286 BVerfGE 56, 298, 312 f.; 76, 107, 118 f.; 103, 332, 365 f. So wurde beispielsweise die Übertragung der Flächennutzungsplanung auf einen Gemeindeverband nicht als Verstoß gegen den kommunalen Kernbereich angesehen (StGH BW, DÖV 1976, 595, 597; StGH Hessen, NVwZ-RR 2004, 713, 717 m.w. N. und einer Darstellung des Meinungsstreits). 287 BVerfGE 103, 332, 366.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

259

Gerade der Bereich der Landesplanung erscheint im Hinblick auf eine Selbstpreisgabe der Länder Berlin und Brandenburg erheblich, weil mit dem Landesplanungsvertrag288 ein gemeinsames materielles Raumordnungsrecht der Länder Berlin und Brandenburg geschaffen wurde, das von einer gemeinsamen Ministerialabteilung der zuständigen obersten Landesplanungsbehörden beider Länder, der gemeinsamen Landesplanungsabteilung, entwickelt wird. Hierdurch haben beide Länder die Möglichkeit verloren, eigene raumordnerische, insbesondere verkehrspolitische Initiativen auf ihrem Gebiet zu entfalten.289 Es ist aber davon auszugehen, dass die Planungshoheit der Länder hierdurch nicht derart eingeschränkt wird, dass ihnen überhaupt kein Planungsspielraum mehr verbleibt. Damit wäre zumindest der geschützte Kernbereich vorliegend nicht betroffen. Es spricht darüber hinaus auch einiges dafür, die Planungshoheit nicht zum Kernbestand der Staatlichkeit der Bundesländer zu zählen. So sieht die Literatur lediglich in der Organisations-, Personal- und Finanzhoheit über die Verwaltung das Machtzentrum der Länder.290 Dies wird auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutlich, die für die Kommunen lediglich eine Mitverantwortung in diesem Bereich fordert, während in den Bereichen Organisation, Personal und Finanzen, wie dargestellt, eine kommunale Eigenverantwortung vorhanden sein muss. Eine Abgabe der Planungshoheit der Länder Berlin und Brandenburg an die gemeinsame Planungsabteilung führt daher nicht zum Verlust der Eigenständigkeit beider Länder, weil sie für die gemeinsame Institution auch weiterhin (mit)verantwortlich sind. Daher ist die Zusammenarbeit beider Länder im Bereich der Landesplanung verfassungsrechtlich unproblematisch. g) Zwischenergebnis Es kann damit festgehalten werden, dass durch die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg die Länderhoheiten nicht ausgehöhlt worden sind. Beide Länder können sich auch weiterhin selbständig verwalten.

288 Vertrag über die Aufgaben und Trägerschaft sowie Grundlagen und Verfahren der gemeinsamen Landesplanung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg (Landesplanungsvertrag) vom 1. August 1995, BbgGVBl. I/95, S. 261. 289 Hempel, S. 283. Ausführlich zur Regional- und Landesplanung zwischen Berlin und Brandenburg bis zum Jahr 2001 Wormit, S. 65–95 und Holtmann, S. 97–178. Letzterer spricht von hoher Steuerungskraft der gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg (Holtmann, S. 177 f.). 290 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 209 u. 306.

260

D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

3. Entscheidungskompetenzen der Bundesländer in allen drei Gewalten Die Möglichkeit, dass sich beide Länder auch weiterhin selbständig verwalten können, ist zwar für ihre Selbständigkeit zwingend notwendig, reicht hierfür allein aber nicht aus. Anders als die Gemeinden sind die Bundesländer nicht nur Selbstverwaltungskörperschaften, sondern Staaten.291 Eine Herabstufung der Länder auf den Status von Selbstverwaltungskörperschaften würde gegen das Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und gegen die Landesverfassungen (Art. 1 Abs. 2 VvB und Art. 1 Abs. 1 Bbg.Verf) verstoßen. Das, was einen Staat von einer Selbstverwaltungseinheit abhebt, sind die eigenen Kompetenzen nicht nur im Bereich der Verwaltung, mithin der Exekutive, sondern auch in den beiden anderen Gewalten. Eigene Gesetzgebungskompetenzen, Regierungsaufgaben und Rechtsprechungshoheiten werden als substantieller Gehalt der Staatsqualität angesehen.292 Es ist daher mit der Literatur zu fordern, dass die Länder Berlin und Brandenburg in allen drei Gewalten (Exekutive, Legislative und Judikative) sich eigene Entscheidungskompetenzen bewahren. Dabei genügt es nicht, dass die Länder eigene Verfassungen besitzen und über irgendein Stück vom Gesamtstaat unabgeleiteter Hoheitsmacht verfügen. Vielmehr müsse ein substanzieller Teil der Staatsfunktionen im Bereich aller drei Staatsgewalten von den Ländern als eigenständig verfassten Staaten erfüllt werden. Auf bestimmten Gebieten müsse den Ländern die unmittelbare Gemeinwohlverantwortung verbleiben, damit sie Zentren demokratisch legitimer politischer Entscheidungen sind.293 Während im vorangegangenen Kapitel die Formen der Zusammenarbeit den drei Gewalten zugeordnet wurden, sollen nunmehr die inhaltlichen Absprachen bei der Zusammenarbeit in Hinblick auf ihre Bindungswirkung hinsichtlich der drei Gewalten betrachtet werden. Anders als im letzten Kapitel, in dem in Bezug auf die tatsächlich geübten Zusammenarbeit beider Länder der Exekutive das Schwergewicht zufiel, ist unter diesen inhaltlichen Gesichtspunkten der Schwerpunkt bei der Legislative zu setzen, weil die sachlichen Entscheidungen im Gesetz getroffen werden, während die Verwaltungsbehörden im Wesentlichen 291

Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt II.1. Smith, S. 139; Stern, Staatsrecht I, S. 668. Heintzen, in: BK, Bd. 9, Art. 70, Rdnr. 74 weist zudem darauf hin, dass zum Erhalt ihrer Staatlichkeit die Gesetzgebungskompetenzen der Länder auch nicht beliebig ausgetauscht werden können, sondern eine gewisse Dauerhaftigkeit bestehen muss. 293 BVerfGE 34, 9, 19; Dittmann, HStR IX2, Rdnr. 28; Fassbender, NVwZ 2009, 737, 738 f.; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 122 ff. u. 302; Kisker, S. 136; Maunz, NJW 1962, 1641, 1642. Demgegenüber stellt Harbich auf S. 122 zunächst formal allein auf das Innehaben originärer Hoheitsrechte ab und lässt es beispielsweise ausreichen, wenn ein Land nur noch das Recht zur gesetzlichen Regelung der Biersteuerpflicht innehat. Er relativiert diese Behauptung dann aber auf S. 125 f. als rechtstheoretisch und sieht in Art. 20 Abs. 1 GG die Garantie eines politischen Bundesstaates, wonach auch die Länder gewisse materielle Funktionen innehaben müssen. 292

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

261

rechtsanwendend tätig werden und der Kernbereich der Exekutive soeben mit den Länderhoheiten bestimmt worden ist.294 Die Legislative bildet somit das „Kernstück der Staatlichkeit“ der Bundesländer.295 a) Inhaltliche Bindung der Legislative durch die Zusammenarbeit Eine verbindliche inhaltliche Zusammenarbeit der Legislativen beider Länder wäre aus Demokratiegesichtspunkten, die in den Landesverfassungen ihre Entsprechung gefunden haben, problematisch. So ordnen die Art. 60 Abs. 1 VvB und Art. 81 Abs. 1 Bbg.Verf an, dass die Landesgesetze jeweils von dem Landesparlament (oder durch Volksentscheid) beschlossen werden. Art. 64 Abs. 1 VvB und Art. 80 Bbg.Verf, wonach durch Gesetz, welches Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt, die Exekutive ermächtigt werden kann, Rechtsverordnungen zu erlassen, bestätigt die grundsätzliche Verantwortung der Landesparlamente für die inhaltliche Gestaltung der Rechtsordnung.296 Sollten die Landesparlamente der Länder Berlin und Brandenburg derart zusammenarbeiten, dass Entscheidungen von beiden Parlamenten gemeinsam gefällt würden, so wäre diese Zusammenarbeit verfassungswidrig. Alle Entscheidungen müssen Entscheidungen allein des jeweils zuständigen Landesparlaments sein. Unproblematisch unter diesem Gesichtspunkt sind aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit zunächst alle Formen informaler Zusammenarbeit zwischen den Legislativen beider Länder. Des Weiteren ist nicht jede derzeit bestehende Landeszuständigkeit unantastbar, so dass auch eine Zusammenarbeit beider Länder, die zu einer inhaltlichen Bindung ihrer Legislativen führt, nicht per se verfassungswidrig ist. Unter Kernbereichsgesichtspunkten müssen jedem der beiden Länder im Bereich seiner Gesetzgebung aber Kompetenzen „von substantiellem Gewicht“ verbleiben.297 Beide Länder müssen selbst Zuständigkeiten von solchem politischen Interesse behalten, dass ein erheblicher Teil der Wähler ihretwegen und nicht wegen des Einflusses der Länder über den Bundesrat auf die Bundespolitik die Landesparlamente wählt.298 Für die Frage, ob die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg diesen Anforderungen entspricht, ist bei den Erkenntnissen zu den Formen der 294

Siehe zu den Länderhoheiten in diesem Kapitel unter Punkt III.2. Harbich, S. 127. 296 So Hempel, S. 274 f. für die Bundesgesetzgebung. 297 Eicher, S. 49; Zitat aus Harbich, S. 126 f. 298 Älter, aber immer noch aktuell Herzog, ZfP 1963, 145, 154 (Fn. 40). Dem wäre beispielsweise nicht mehr entsprochen, wenn sich die Aufgaben der Länder nur noch auf das Krankenhauswesen, den Straßenbau und die Müllabfuhr erstrecken würden, denn diese Aufgaben könnte auch ein Selbstverwaltungskörper ausüben. Das Grundgesetz gibt den Bundesländern in Art. 20 Abs. 1 GG aber eine über einen Selbstverwaltungsträger hinausgehende Stellung. Diese muss gewahrt bleiben (Harbich, S. 128; Herzog, ZfP 1963, 145, 154 [Fn. 40]). 295

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

Zusammenarbeit aus dem vorigen Kapitel anzusetzen. Die Legislativen beider Länder arbeiten zum einen in die Landesselbständigkeit nicht tangierenden, rechtlich unverbindlichen Formen zusammen, zum anderen aber auch in der verbindlichen Form von Staatsverträgen und Parallelgesetzgebung. Bei der Parallelgesetzgebung bleibt es beiden Ländern weiterhin unbenommen, neue anders lautende gesetzliche Regelungen zu erlassen. Hier könnte allenfalls ein politischer Zwang zur weiteren Zusammenarbeit bestehen.299 Eine inhaltliche rechtliche Bindung der Legislativen findet bei der Zusammenarbeit in Form von Parallelgesetzgebung nicht statt. Durch sie können beide Länder ihre Selbständigkeit nicht aufgeben. Erlässt ein Land demgegenüber neue gesetzliche Regelungen, die den Vorgaben eines Staatsvertrages widersprechen, so sind diese Regelungen zwar gültig, das andere Land kann aber die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarung gerichtlich einklagen.300 Durch die Zustimmung zu einem Staatsvertrag haben sich die Legislativen beider Länder daher selbst gebunden. Diese grundsätzlich erlaubte Selbstbindung kann in eine verbotene Selbstpreisgabe umschlagen, wenn die staatsvertraglichen Regelungen zwischen beiden Ländern alle wichtigen legislativen Kompetenzbereiche der Länder umfassen und für diese unumkehrbar sind. Es fragt sich daher, was die wichtigen legislativen Kompetenzen beider Länder sind, von denen zumindest ein Teil zur ungebundenen Verfügung der Landeslegislativen stehen muss. Eigenständige Regelungen können die Länder nach der derzeitigen Verfassungslage nur im Schul-, Unterrichts- und Bildungswesen, im Kulturbereich, im Polizei- und Kommunalrecht und, vorbehaltlich bundesgesetzlicher Regelungen, im Recht der inneren Verwaltung einschließlich des Landesbeamtenrechts treffen.301 Ein Blick auf die durch Staatsverträge zwischen beiden Ländern Berlin und Brandenburg geregelten Inhalte302 zeigt, dass sich keine Staatsverträge im Bereich der Staatsorganisation beider Länder sowie auf den Gebieten des Sicherheitsrechts, des Bauordnungsrechts und des Kommunalrechts finden, wobei Letzteres zwischen beiden Ländern – Berlin als Stadtstaat und Brandenburg als Flächenland – auch gar nicht zu vereinheitlichen wäre. Die überwiegende Anzahl der Staatsverträge betrifft den Aufbau der Landesbehörden im Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen. In diesem Bereich ist eine Selbstpreisgabe der Länder Berlin und Brandenburg nicht möglich, weil hier die Länder bereits durch bundesrechtliche Vorgaben gebunden sind und keine eigenen politischen Ent299

Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt III.4. Siehe zu dieser Problematik ausführlich in Kapitel C. unter Punkt I.1.d). 301 Zu den Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Legislative siehe in Kapitel B. unter Punkt II.2. und vgl. auch ausführlich hierzu Heintzen, in: BK, Bd. 9, Art. 70, Rdnr. 77 ff. 302 Siehe die Darstellung der zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg vereinbarten Staatsverträge in Kapitel C. unter Punkt I.1.a). 300

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

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scheidungen treffen können. Ausführungen hierzu erfolgen sogleich unter dem Punkt der Zusammenarbeit der Landesexekutiven. Allein die staatsvertraglichen Regelungen beider Länder im Kulturbereich bedürfen für den Bereich der Legislative näherer Betrachtung. Unter dem Gesichtspunkt politischer Entscheidungsmöglichkeiten der Länder wird in der Literatur der Kulturbereich als innerster Kern der Staatlichkeit der Bundesländer angesehen.303 Dabei ist aber die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg auch im Bereich der Kultur grundsätzlich zulässig, solange sie nicht zu einer mehr oder weniger totalen Beseitigung der Kulturhoheit eines Landes führt.304 Hier haben beide Länder Staatsverträge über eine gemeinsame Rundfunkanstalt Berlin-Brandenburg und über die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg geschlossen. Aufgrund des geringen Regelungsumfangs der Staatsverträge ist von einem Verlust der Kulturhoheit beider Länder offensichtlich nicht auszugehen. Die hierdurch entstehenden Bindungswirkungen sind nur partiell und zudem durch die in allen Staatsverträgen vereinbarte Kündigungsmöglichkeit abgeschwächt. Bereits die Möglichkeit, einen Staatsvertrag auf dem betroffenen Gebiet zu kündigen, kann als eigene Entscheidungskompetenz der Legislative betrachtet werden. Damit ist die Eigenständigkeit beider Länder im Bereich der ersten Gewalt durch ihre derzeit praktizierte Zusammenarbeit nicht gefährdet. b) Inhaltliche Bindung der Exekutive durch die Zusammenarbeit Während die Länder im Bereich der Legislative lediglich wenige Aufgaben haben, liegt ihr Aufgabenzentrum bei der Ausführung der Gesetze.305 In diesem Bereich wurden analog zu den Gemeindehoheiten bereits Länderhoheiten für die Bestimmung des Kernbereichs herangezogen. Auf dem Gebiet der Exekutive arbeiten die Länder Berlin und Brandenburg, wie bereits dargestellt, eng zusammen. Dennoch müssen hier über die dargestellten Landeshoheiten hinausgehende, eigene wesentliche politische Entscheidungskompetenzen den Ländern verbleiben. Für die Untersuchung der Zusammenarbeit beider Länder auf diesem Gebiet ist zwischen dem landeseigenen Bereich und dem Bereich, in dem die Länder in Ausführung von Bundesgesetzen tätig werden, zu unterscheiden.306

303

Harbich, S. 129. So mit Blick auf das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern und mit einem Hinweis auf ein Bundeskultusministerium Harbich, S. 129. 305 „Die Substanz ihrer Staatlichkeit [der Länder] liegt weniger in der Selbstbestimmung über die Staatsaufgaben als in der Selbstbestimmung über das Vollzugsinstrumentarium.“ (Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 209). 306 Harbich, S. 123. 304

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

aa) Der Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen Ein großer Teil der die Übertragung von Hoheitsrechten umfassenden Zusammenarbeit beider Landesexekutiven vollzieht sich im Rahmen der Ausführung von Bundesgesetzen. Hier findet sich eine Reihe von echten Gemeinschaftseinrichtungen beider Länder oder von institutionellen Beteiligungsverwaltungen. Zu nennen ist beispielsweise das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut BerlinBrandenburg (SFBB), das in Erfüllung des bundesgesetzlichen Auftrags gem. § 72 Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 85 Abs. 2 SGB VIII für die sozialpädagogische Fortbildung der Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe aus Berlin und Brandenburg zuständig ist.307 Das brandenburgische Landwirtschaftsministerium ist für die Aufgaben auf Grund des Saatgutverkehrsgesetzes, des Sortenschutzgesetzes, des Düngemittelgesetzes, des Milch- und Fettgesetzes, des Milch- und Margarinegesetzes, des Vieh- und Fleischgesetzes, des Tierzuchtgesetzes, des Flurbereinigungsgesetzes, des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes, der EG-Öko-Verordnung sowie für die Aufgaben nach den auf Grund dieser Bestimmungen erlassenen Rechtsverordnungen auch für Berlin tätig (Art. 6 des Landwirtschaftsstaatsvertrages308). Auch der Bereich des Bergbaus ist aufgrund der Ermächtigung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG weitgehend bundesrechtlich geregelt. Mit dem Staatsvertrag über die Bergbehörden vom 17. August 1996 hat die Brandenburger Bergbehörde die Aufgaben und Dienstleistungen für das Land Berlin mit übernommen. Sie ist hier insbesondere Aufsichtsbehörde der unter Bergaufsicht stehenden Betriebe des Braunkohlen- und Sanierungsbergbaus, Steine- und Erdenbergbaus, Erdöl-/Erdgasbergbaus, der Untergrundspeicherung, Geothermie, Sole, der Besucherbergwerke sowie der Forschungs- und Erkundungsbergwerke in den Ländern Berlin und Brandenburg. Darüber hinaus erteilt sie die Zulassungen für Energie- und Rohrfernleitungen in beiden Ländern nach energierechtlichen Vorschriften. Als weiteres Beispiel einer institutionellen Beteiligungsverwaltung im Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen ist die obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg zu nennen. Sie übernimmt gemäß Luftfahrtstaatsvertrag309 im Einzelnen aufgezählte Vollzugsaufgaben der Luftfahrtverwaltungen beider Länder. Des Weiteren gehören zu diesem Bereich der Zusammenarbeit beider Länder die gemeinsame Adoptionsstelle, die auf der Grundlage des Adoptionsvermittlungsgesetzes310

307 Weitere Informationen zum SFBB finden sich im Internet unter http://sfbb.berlinbrandenburg.de. 308 Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet der Landwirtschaft vom 17. Dezember 2003, BbgGVBl. I/04, S. 165. 309 Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Luftfahrtverwaltung vom 28. Juni 2006, BbgGVBl. I/06, S. 93. 310 Adoptionsvermittlungsgesetz vom 27. November 1989, BGBl. I/89, S. 2016.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

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errichtet wurde, die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg sowie die AOK Berlin-Brandenburg. Dieser Bereich, in dem die Länder Berlin und Brandenburg in Ausführung der Bundesgesetze tätig werden, ist für die Frage nach dem „Hausgut“ beider Länder uninteressant. Zwar ist „Verwaltung“ weit mehr als Gesetzesvollziehung311, bei der Ausführung von Bundesgesetzen sind die Länder aber an die gesetzlichen Vorgaben des Bundes gebunden und können keine eigenen politischen Vorstellungen realisieren. Hier fehlen Entscheidungsspielräume, die von unterschiedlichen, umkämpften Gemeinwohlvorstellungen ausgefüllt werden, weil lediglich gesetzgeberische Vorentscheidungen zu vollziehen sind.312 Es handelt sich daher nicht um wichtige politische Bereiche beider Länder. Diese für die Frage nach den Mindestanforderungen der Selbständigkeit beider Bundesländer gesuchten wichtigen politischen Bereiche ihrer Landestätigkeit können daher allein im landeseigenen Bereich gefunden werden. bb) Der landeseigene Bereich Im landeseigenen Bereich müssen politisch wichtige Gebiete den beiden Ländern selbst verbleiben, um ihre vom Grundgesetz geforderte Eigenständigkeit zu erhalten. Die Frage, was politisch wichtige Gebiete sind und welche Gebiete sich als politische Randmaterien darstellen, muss anhand der konkreten Ländersituation beantwortet werden. Sie ist sowohl territorial als auch in zeitlicher Hinsicht flexibel. So können zunächst umkämpfte staatliche Aufgaben nach Jahren „entpolitisiert“ sein, weil sämtliche in der Gesellschaft relevant vertretenen Gemeinwohlinterpretationen übereinstimmen, so dass die Aufgabenerfüllung nur noch ihren eigenen (unpolitischen) Sachgesetzlichkeiten folgt.313 In der vorliegenden Untersuchung muss daher anhand der derzeitigen Gegebenheiten herausgearbeitet werden, welche Bereiche in den Ländern Berlin und Brandenburg politisch wichtig erscheinen. Dem entsprechend sind die Gegenstände der Zusammenarbeit beider Länder nach ihrer Intensität in solche mit geringer Intensität und solche mit hoher Intensität zu unterscheiden. (1) Gegenstände geringer politischer Intensität Die Verwaltungstätigkeit, die sich ausschließlich an sachrationalen Maßstäben auszurichten hat, gehört nicht in den politisch wichtigen Bereich der Tätigkeit beider Länder. Allgemein werden hierzu die pädagogisch-wissenschaftlichen Prüfungsentscheidungen, die Eich- und Katasterverwaltung, Teilbereiche der Ge311 312 313

Bull, S. 214. Hempel, S. 282. Hempel, S. 282.

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

sundheitsverwaltung, die Jagd-, Forst- und Fischereiverwaltung, die Führung von Schiffsregistern, die Vollzugsaufgaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, polizeiliche, zumindest kriminalpolizeiliche, bergpolizeiliche und wasserschutzpolizeiliche Zuständigkeiten, die Versicherungsaufsicht, der Straßen- und Wasserstraßenbau im Rahmen feststehender Raumordnungsentscheidungen, die Prüfung von Baustoffen, die Ausspielung von Lotterien, die Haushalts- und Wirtschaftsprüfung, das Ausbildungswesen und die Forschung insoweit, als es sich nicht um Fragen der Struktur der Aufgabenprioritäten handelt, gezählt.314 In diesen unpolitischen Bereichen können die Länder Berlin und Brandenburg zusammenarbeiten, ohne dass die Gefahr ihrer verfassungsrechtlich verbotenen Selbstpreisgabe besteht. So sind beispielsweise das als echte Gemeinschaftseinrichtung ausgestaltete Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (AfS), das gemeinsame Landeslabor Berlin-Brandenburg, die gemeinsame Verkehrsmanagementzentrale und die Autobahnverkehrsrechnerzentrale oder das als Mehrländereinrichtung ausgestaltete gemeinsame Landesamt für Mess- und Eichwesen BerlinBrandenburg verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Selbstpreisgabe unproblematisch. Eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet wird auch von grundsätzlich kritischen Stimmen in der Literatur bejaht.315 Daneben haben Beratungs- und Informationsaufgaben politisch lediglich geringe Intensität. So hat beispielsweise das gemeinsame Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) als Ansprechpartner für Unterrichts-, Schul- und Personalentwicklung im Bildungsbereich sowie für Medienbildung lediglich beratende Funktion, ohne selbst Hoheitsakte gegenüber dem Bürger zu erlassen.316 Auch die gemeinsame Ausbildung von Personal beider Länder ist unpolitisch und damit von der Intensität des Gegenstandes her als gering einzustufen. Die Länder Berlin und Brandenburg haben hier Verwaltungsvereinbarungen über den Austausch von Personal der Landesverwaltungen, über die gemeinsame Ausbildung der Beamten des mittleren und des gehobenen Steuerverwaltungsdienstes, über die Ausbildung des höheren Polizeivollzugsdienstes im 1. Studienjahr und über die gemeinsame Ausbildung der Rechtspfleger geschlossen. Diese gesamte Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg auf den Gebieten geringer politischer Intensität braucht unter dem Aspekt der Selbst314

Hempel, S. 282 f.; Kisker, S. 145. Kisker, S. 145. Zacher, BayVBl 1971, 378 sieht gemeinsame Einrichtungen als verfassungswidrig an, je mehr sie Funktionen der an ihnen beteiligten Bundesländer übernehmen und unmittelbar nach außen wahrnehmen. Gremien der Zusammenarbeit, die lediglich Empfehlungen aussprechen, und gemeinsame Hilfseinrichtungen der Länder, wie Dokumentationszentren, Archive usw., seien demgegenüber grundsätzlich unbedenklich. 316 Siehe zu den Aufgaben des LISUM näher im Internet unter http://www.lisum. berlin-brandenburg.de. 315

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

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preisgabe nicht weiter betrachtet werden. Entscheidend für die vorliegende Untersuchung sind allein die Gegenstände hoher politischer Intensität. (2) Gegenstände hoher politischer Intensität Problematischer erscheint unter dem Aspekt der Selbstpreisgabe die Abgabe von Aufgaben auf einem politisch wesentlichen Gebiet im landeseigenen Bereich in den intensiven Formen der institutionellen Beteiligungsverwaltung und der echten Gemeinschaftseinrichtungen. 317 Hierbei ist zunächst zu unterscheiden, ob die Zusammenarbeit räumlich nur einen kleinen Teil beider Länder betrifft oder beide Länder umfasst. In dem ersten Fall ist eine Preisgabe der Landesgewalt ebenfalls nicht möglich, weil die Länder für den überwiegenden Teil ihres Gebietes die Erfüllung der Aufgabe auch weiterhin gewährleisten müssen. So kann beispielsweise die kommunale Zusammenarbeit die politische Sachverantwortung der Landesregierungen nicht beschränken, weil die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nach Art. 28 Abs. 2 GG nicht Angelegenheiten der Länder, sondern der Gemeinden sind. Unter diesem Aspekt sind nachbarschaftliche Einrichtungen zweier Länder, wie Zweckverbände und grenzüberschreitende Planungsgemeinschaften nach § 4 BauGB, rechtlich unproblematisch.318 In diesen Bereich fallen die in Kapitel B.319 dargestellten kommunalen Arbeitsgemeinschaften zwischen Berlin und seinen Umlandgemeinden. Auch der von Berlin bevorzugte, vom Land Brandenburg aber politisch abgelehnte Regionalverband zwischen Berlin und seinen brandenburgischen Umlandgemeinden320 wäre trotz seiner Verbindlichkeit aufgrund seiner partikularen Funktion verfassungsmäßig gewesen. Hinsichtlich der Frage der Selbstpreisgabe beider Länder sind lediglich die beide Länder umfassenden intensiven Formen der Zusammenarbeit auf den politisch wichtigen Gebieten näher zu untersuchen. Zu diesen politisch wichtigen Gebieten im Bereich der ausschließlichen Landeskompetenz gehören Entscheidungen in personellen Angelegenheiten eines Landes,321 die Bildungspolitik, die 317 Siehe hierzu auch Pietzcker, Landesbericht, S. 60 ff. Unzulässig wäre nach Schneider beispielsweise, wenn ein kleines Land die Wahrnehmung aller polizeilichen Aufgaben der Exekutive eines benachbarten Bundeslandes durch Staatsvertrag übertragen wollte (Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 22). Kisker sieht einen Zusammenschluss der norddeutschen Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen und SchleswigHolstein zu einer mit allen in die Landeszuständigkeit fallenden Befugnissen im Bereich der Wirtschaft betrauten „Norddeutschen Wirtschaftsgemeinschaft“ als verfassungsrechtlich unzulässig an, weil das Ausmaß einer solchen Zusammenarbeit die Selbständigkeit der Partner weitgehend aufheben würde (Kisker, S. 142). 318 Hempel, S. 290; Zacher, BayVBl 1971, 375, 378. 319 Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt III.3. 320 Siehe zum Regionalverband in Kapitel A. unter Punkt I.4.b). 321 BVerfGE 9, 268, 282.

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

Kulturhoheit, die Raumordnungspolitik, in der die Länder lediglich durch die Rahmenkompetenz des Bundes beschränkt sind, sowie die Aufgabe, Rundfunkund Fernsehsendungen zu veranstalten.322 Für den Bildungsbereich führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil beispielsweise aus: „Die Gestaltung von Lehrplänen und Bildungsinhalten sowie etwa die Struktur eines gegliederten Schulsystems sind politische Grundentscheidungen, die einen starken Bezug zu den kulturellen Wurzeln und Wertvorstellungen eines jeden Staates haben. Die Gestaltung von Schule und Bildung berührt (. . .) in besonderem Maße gewachsene Überzeugungen und Wertvorstellungen, die in spezifischen historischen Traditionen und Erfahrungen verwurzelt sind.“ 323 Demgegenüber wird dem Kommunalrecht, dem Polizeirecht und dem Staatskirchenrecht trotz ihrer politischen Relevanz die Möglichkeit weichenstellender Entscheidungen abgesprochen.324 Die Länder Berlin und Brandenburg arbeiten lediglich zu einem kleinen Teil in den intensiven Formen auf einem politisch wesentlichen Gebiet zusammen. Im Kunst- und Kulturbereich sind die Akademie der Künste (bis 2006), die Akademie der Wissenschaften, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg, die gemeinsame Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg (RBB) sowie die gemeinsame Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) zu nennen. • Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hat die Aufgabe, die ihr übertragenen Kulturgüter zu bewahren, zu pflegen, ihr Inventar zu ergänzen, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Auswertung zu ermöglichen.325 Sie beruht auf einem Staatsvertrag vom 23. August 1994326 sowie einem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Berlin und dem Land Brandenburg vom 23. August 1994327. • Die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH dient der gemeinsamen Filmförderung beider Länder. 322 Letzteres folgt auch aus den unmittelbaren und nachhaltigen Konsequenzen, die die Art und Weise der Vermittlung und Nichtvermittlung von Informationen und Meinungen auf die politische Willensbildung des Volkes haben. Einem Missbrauch dieser Medien ist auch unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips möglichst entgegenzuwirken. Durch Art. 5 Abs. 1 GG werden die jeweiligen Inhaber der staatsleitenden Ämter daran gehindert, die Meinungsmedien zum eigenen Vorteil einzusetzen, wodurch eine gewisse Neutralität gesichert ist. 323 BVerfGE 123, 268, 363. 324 Hempel, S. 179 f. u. 289. Anders Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 304, der zu den eigenständigen Aufgaben der Länder mit unmittelbarer Gemeinwohlverantwortung Polizei und Bauordnung, Raumordnung, Landesplanung, Kommunalrecht, Schule und Kultur zählt. 325 Weitere Informationen auf der Webseite der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg unter http://www.spsg.de. 326 BlnGVBl. 1994, S. 515. 327 BlnGVBl. 1994, S. 519.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

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• Die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin unterhalten auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung seit dem Jahr 2000 das Kunstarchiv der Kunstsammlungen von Parteien, Massenorganisationen und Staatsorganen der ehemaligen DDR, um die ca. 23.000 Kunstwerke dauerhaft zusammenzuführen.328 • Die Berlin-Brandenburgischen Gedenkstätten haben 2009 ein gemeinsames Internetportal zur NS-Geschichte gestartet. Zudem arbeiten die Berliner NS-Gedenkstätten und die Gedenkstätte Sachsenhausen seit 2009 in einer „Ständigen Konferenz der NS-Gedenkstätten im Raum Berlin“ zusammen.329 Wie bereits für die Legislative festgestellt wurde, ist auch im exekutiven Bereich trotz einer gewissen Anzahl von Aufgabenverlagerungen die Zusammenarbeit beider Länder lediglich partikular, so dass weite Teile des Kunst- und Kulturbereichs ihnen als eigenständige Handlungsräume erhalten bleiben und ihre Kulturhoheit durch die Zusammenarbeit nicht tangiert wird. Zu dem gleichen Ergebnis kam auch bereits die Betrachtung des Bereichs der Inneren Sicherheit in diesem Kapitel unter Punkt II.4.b)aa)(2). Im Bildungsbereich hat zur Unterstützung der Qualitätssicherung und -entwicklung am 1. Januar 2006 das gemeinsame Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e. V. als An-Institut der Freien Universität Berlin seine Arbeit aufgenommen. Es ist ein Service-Institut für die Schulen, die Schulverwaltungen und die Bildungspolitik beider Länder. Im Jahr 2008 hat das Institut zusammen mit dem gemeinsamen Amt für Statistik Berlin-Brandenburg den ersten gemeinsamen Bildungsbericht für die Region Berlin-Brandenburg erstellt.330 Weiterhin wurden zum 1. Januar 2007 das gemeinsame Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) und das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) als nachgeordnete Einrichtungen des Landes Brandenburg (LISUM) bzw. des Landes Berlin (SFBB) errichtet. Das gemeinsame Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) entwickelt unter anderem die Aufgaben des gemeinsamen Zentralabiturs der Länder Berlin und Brandenburg in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch seit dem Schuljahr 2009/10.331 Eine der Grundvoraus-

328

AvB Drs. 16/0074, S. 31. AvB Drs. 16/2787, S. 26. 330 Der Bildungsbericht ist online im Internet unter http://www.bildungsbericht-berlinbrandenburg.de zu finden. 331 Am 28. April 2010 absolvierten mehr als 24.000 Schüler aus Berlin und Brandenburg das bundesweit erste länderübergreifende Zentralabitur. Damit nehmen beide Länder eine Vorreiterrolle ein, weil in ganz Deutschland über die Angleichung der Abiturprüfungen diskutiert wird (rbb nachrichten, Gemeinsames Abitur in Berlin und Brandenburg, vom 28. April 2010, online im Internet unter http://www.rbb-online.de/ nachrichten/politik/2010_04/laenderuebergreifendes.html). 329

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

setzungen hierfür sind die gemeinsamen Rahmenlehrpläne. Sie wurden in Berlin mit dem Schuljahr 2006/07 in der Sekundarstufe I und II, in Brandenburg in der Sekundarstufe I bereits zum Schuljahr 2002/03 und für die gymnasiale Oberstufe im Schuljahr 2008/09 eingeführt.332 Des Weiteren betreut das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg seit dem 14. Januar 2009 den Bildungsserver Berlin-Brandenburg. Er ist eine Informations-, Kommunikations- und Kooperationsplattform für schulische und außerschulische Bildungseinrichtungen in beiden Ländern. Er ist der erste gemeinsame Bildungsserver zweier Bundesländer in Deutschland.333 Zudem haben beide Länder die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung vereinbart. Der Bildungsbereich ist damit durch eine enge Zusammenarbeit beider Länder geprägt, die ihnen aber in weiten Teilen dennoch eigene Entscheidungsspielräume belässt. Diese Entscheidungsspielräume werden aktuell durch die Berliner Schulreform deutlich, in deren Rahmen das Land Berlin unabhängig vom Land Brandenburg seine Haupt-, Gesamt- und Realschulen zu neuen integrierten Sekundarschulen zusammengefasst hat. Dadurch gibt es seit dem Schuljahr 2010/11 im Land Berlin lediglich noch zwei weiterführende Schularten, die Sekundarschule und das Gymnasium,334 während das Land Brandenburg bei seinem alten Schulkonzept mit Gesamt-, Realschulen und Gymnasien bleibt. Auch im Bildungsbereich kann damit von einer Selbstpreisgabe beider Länder nicht gesprochen werden. Mit den Bereichen Kunst, Kultur und Bildung verbleiben beiden Ländern für die Landesexekutiven weiterhin wesentliche Landesaufgaben von politischem Gewicht, bei denen sie unabhängig voneinander handeln können. Daher haben beide Länder auch bei der zweiten Gewalt ausreichend eigene Entscheidungskompetenzen, die eine verbotene Selbstpreisgabe ausschließen. c) Inhaltliche Bindung der Judikative durch die Zusammenarbeit Zunächst liegt es nahe, bei der Frage der verbotenen Selbstpreisgabe der Länder Berlin und Brandenburg den Bereich der Judikative auszublenden, weil Entscheidungsspielräume der Länder in der bundesrechtlichen Vorgaben unterliegenden Rechtspflege fehlen und sie unabhängig von politischen Wertungen handelt (Art. 97 GG).335 Damit scheint der Bereich der Judikative zunächst nicht zu den politisch wichtigen Länderaufgaben zu gehören.

332

AvB Drs. 16/0074, S. 28 f. Der Bildungsserver Berlin-Brandenburg ist im Internet unter http://bildungs server.berlin-brandenburg.de zu finden. AvB Drs. 16/2787, S. 17. 334 Siehe hierzu auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Näheres unter http://www.berlin.de/sen/bildung/bildungspolitik/schul reform. 335 Hempel, S. 282. 333

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

271

Aber auch im Bereich der dritten Gewalt werden eigene Entscheidungskompetenzen der Länder zur Erhaltung ihrer Selbständigkeit gefordert. Zwar ist die Gerichtsorganisation bundesrechtlich geregelt, es müssen den Ländern aber die freie Bestimmung über die Organisation in der gerichtlichen Spruchpraxis und gewisse Rechtsprechungshoheiten verbleiben.336 Die Rechtsprechungshoheit betrifft vor allem die Landesverfassungsgerichtsbarkeit als Ausdruck der Eigenstaatlichkeit der Länder.337 Aus ihrer Verfassungsautonomie folgt das Recht der Länder, eigene Verfassungsgerichte zu bilden. Von der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes auf den Gebieten der Gerichtsverfassung und des gerichtlichen Verfahrens gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ist die Landesverfassungsgerichtsbarkeit daher nicht erfasst.338 Sie hat den Ländern zu verbleiben, ist von der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg auch nicht betroffen, weil beide Länder jeweils ein eigenes Landesverfassungsgericht haben, das unabhängig vom anderen Land entscheidet. Neben ihrer Landesverfassungsgerichtsbarkeit müssen beide Länder aber auch über die Organisation ihrer gerichtlichen Spruchpraxis frei bestimmen können. Diese könnte durch den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg339 und den Staatsvertrag zwischen den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt über die Übertragung der Zuständigkeit in Staatsschutz-Strafsachen340 zu weitgehend eingeschränkt worden sein. Durch die Staatsverträge wurden vier gemeinsame Fachobergerichte, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und das Finanzgericht Berlin-Brandenburg, sowie ein zentrales Mahngericht BerlinBrandenburg geschaffen und dem Kammergericht Berlin die Zuständigkeit für Staatsschutz-Strafsachen der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt übertragen. Zudem übernimmt im Staatsvertrag über die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte vom 20. November 1995341 das Land Berlin hoheitliche Funktionen und Aufgaben für beide Länder, und das in die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin organisatorisch ein336 Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 36; Hesse, AöR 98 (1973), 1, 16 ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 668. 337 BVerfGE 64, 301, 317; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 211. 338 BVerfGE 96, 345, 368 f.; Sodan, LKV 2010, 440, 442. 339 Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg, BlnGVBl. 2004, S. 381 ff., abgedruckt in Anlage 1. 340 Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt über die Übertragung der Zuständigkeit in Staatsschutz-Strafsachen vom 17. Februar 2011, BbgGVBl. I/11, S. 1. 341 Staatsvertrag über die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte vom 15. Dezember 1995, BbgGVBl. I/95, S. 288, geändert durch Artikel 7 des Staatsvertrages vom 13. Dezember 2005, BbgGVBl. I/06, S. 54, 56.

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

gegliederte, gemeinsame juristische Prüfungsamt Berlin-Brandenburg ist für die Abnahme der ersten und zweiten juristischen Staatsprüfung und für die Fortbildung der in der Justiz Beschäftigten beider Länder zuständig. Diese Zusammenarbeit umfasst damit große Teile der Justizstruktur beider Länder. Aber auch im Bereich der Judikative bedarf es zur Erhaltung der Selbständigkeit beider Länder zunächst lediglich der Möglichkeit landeseigener Initiativen. Hierfür bietet neben der Landesverfassungsgerichtsbarkeit die ordentliche Gerichtsbarkeit, die von der Zusammenarbeit beider Länder mit Ausnahme der Mahngerichtsbarkeit nicht betroffen ist und auch zukünftig nicht ohne Änderung von Bundesrecht betroffen sein wird, ausreichend Spielraum. Damit erscheinen beide Länder auch im Bereich der dritten Gewalt so selbständig, dass von einer verbotenen Selbstpreisgabe nicht gesprochen werden kann. Mit diesem Thema wird sich das nächste Kapitel ausführlich beschäftigen.342 d) Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auf den Gebieten aller drei Gewalten beiden Ländern beim derzeitigen Stand ihrer Zusammenarbeit politisch wichtige Aufgaben verbleiben, so dass ihre Selbständigkeit nicht angetastet wird. Die Länder Berlin und Brandenburg sind auch weiterhin selbständige Länder i. S. des Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 VvB und Art. 1 Abs. 1 Bbg.Verf. Ihre enge Zusammenarbeit ist noch weit davon entfernt, in die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes unter verfassungswidriger Umgehung der Verfahren aus Art. 29 bzw. 118a GG umzuschlagen. In dieser Hinsicht ergeben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. 4. Selbstpreisgabe durch faktischen Zwang zur Zusammenarbeit? Letzten Endes bleibt der faktische Zwang, der von der bereits bestehenden Zusammenarbeit beider Länder ausgeht, zu betrachten. Die zwischen beiden Ländern, Berlin und Brandenburg, praktizierte enge und weite Teile der Politik umfassende Zusammenarbeit führt zwangsläufig zu gegenseitigen Abhängigkeiten. Ein Kernpunkt der bisher in diesem Kapitel gefundenen Ergebnisse zur Verfassungsmäßigkeit der Zusammenarbeit beider Länder stellt die bestehende Möglichkeit dar, sich von der verbindlichen Zusammenarbeit durch Kündigung auch wieder lösen und entsprechende Aufgaben dann wieder eigenständig wahrnehmen zu können. Diese Kündigungsmöglichkeiten bestehen zwar rechtlich, erscheinen aber politisch kaum durchsetzbar, solange eines der beiden Bundesländer nicht vollständig auf die Zusammenarbeit verzichten möchte und daher Zer342

Kapitel E. unter Punkt III.

III. Die Eigenständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg

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würfnisse in der Beziehung zum anderen Land in Kauf nimmt. Ein derartiger Verzicht auf Zusammenarbeit ist aufgrund der dargestellten engen Verflechtungen zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg343 keinem der beiden Länder zu raten, so dass sie an ihre bisherige Zusammenarbeit faktisch gebunden erscheinen. Fraglich ist aber, ob ein solcher faktischer Zwang Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung der Zusammenarbeit beider Länder hat, ob, in Analogie zur Diskussion um die europäische Integration der Bundesrepublik, bereits der „point of no return“ 344 auf dem Weg zur Selbstaufgabe beider Bundesländer überschritten worden ist. Die Problematik ähnelt der Frage, inwieweit für die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes auch die Entscheidungsfindung im Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen ist oder ob der Gesetzgeber nichts anderes als das Gesetz schulde.345 Es stellt sich vorliegend also die Frage, ob ein Zustimmungsgesetz zu einem Staatsvertrag verfassungswidrig sein kann, weil sich das Landesparlament zur Zustimmung gezwungen gesehen hat. Die Literatur geht diesbezüglich zu großen Teilen davon aus, dass es auf den inhaltlichen Entscheidungsund Abwägungsprozess im Gesetzgebungsverfahren nicht ankomme.346 Dieser sei nicht der rechtlichen, sondern vielmehr „der politischen Ebene zuzuordnen, dem parlamentarischen Stil, der Kultur der Gesetzgebung“.347 Andere sehen demgegenüber auch die Entscheidungsfindung rechtlicher Überprüfbarkeit zugänglich.348 Auch das Bundesverfassungsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass die Anforderungen an das innere Gesetzgebungsverfahren der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen.349 Mängel beim Zustandekommen des Gesetzes, wie Täuschung oder Irrtum,350 ein Versehen351, Gedankenlosigkeit352 bzw. subjektive Willkür353 des Gesetzgebers, Zeitdruck354 oder unsachgemäße Entscheidungsmotive des Gesetzgebers, führen demgegenüber nicht zur Verfas343

Siehe zu den Verflechtungen zwischen beiden Ländern in Kapitel A. unter Punkt

II.1. 344

Ossenbühl, DVBl. 1993, 629, 631 f. Schlaich, VVDStRL 39 (1981), S. 109. 346 Ennuschat, DVBl. 2004, 986, 994 m.w. N.; Schlaich, VVDStRL 39 (1981), S. 109; Schlaich, JuS 1982, 597, 602 f.; Smith, S. 338 ff. m.w. N. 347 Hölscheidt/Menzenbach, DÖV 2008, 139, 145. 348 Kloepfer, DVBl. 1995, 441, 442; Schwerdtfeger, S. 177 f.; eingeschränkt auch Stern, Staatsrecht II, S. 645. 349 BVerfGE 50, 290, 334; 57, 139, 160; 65, 1, 55 stellen die Pflicht des Gesetzgebers auf, alle zugänglichen Erkenntnisquellen auszuschöpfen; E 36, 47, 64 spricht von „fehlerhaften Annahmen und unvollständigen Erwägungen“ des Gesetzgebers. 350 BVerfGE 16, 82, 88. 351 BVerfGE 18, 38, 45; 57, 139, 161. 352 BVerfGE 75, 246, 268. 353 BVerfGE 2, 266, 280 f.; 48, 227, 237; 75, 246, 268. 354 BVerfGE 29, 221, 234 f. 345

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

sungswidrigkeit, solange das Gesetz auch materiell mit der Verfassung in Einklang steht.355 Die Länder Berlin und Brandenburg haben politischen Gestaltungsspielraum dahingehend, welchen Stellenwert sie der gemeinsamen Zusammenarbeit einräumen. Selbst wenn man von der weitgehenden Überprüfungskompetenz des Gesetzgebungsverfahrens ausgeht, ist es im Rahmen der rechtlichen Überprüfung des inneren Gesetzgebungsverfahrens nicht zu beanstanden, wenn beide Länder für die Begründung neuer Verpflichtungen zur Zusammenarbeit durch die Verfassungen und ihre einfach-gesetzlichen Ausgestaltungen angehalten werden und die Landesparlamente sich in gewisser Weise verpflichtet sehen, derartige Vereinbarungen auch zu unterstützen. Entscheidend erscheint der Gesichtspunkt, dass die Landesparlamente nicht zwangsläufig ohne parlamentarischen Austausch die Zusammenarbeit durchweg abnicken. Hier zeigen die dargestellten missglückten Kooperationsversuche, insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft, aber auch in weniger von Konkurrenz bestimmten Bereichen, wie der gemeinsamen Ausbildung von Polizeibeamten, 356 dass bei jeder weiteren Kooperationsmaßnahme beide Länder durchaus autonom handeln können und ihre Landesinteressen auch in der Praxis stark mit einbringen. Von einem faktischen Zwang zur blinden Verfolgung des Ziels „Zusammenarbeit“ ohne Rücksicht auf die konkrete Landessituation kann nicht gesprochen werden. Betrachtet man als Zweites statt des Eingehens von Kooperationsmaßnahmen die umgekehrte Seite, das heißt das Herauslösen eines Landes aus einer bestehenden Zusammenarbeit, ist festzustellen, dass einige Kooperationsmaßnahmen zwar durch Zeitablauf ausgelaufen sind, keines der beiden Länder aber bisher aktiv von seinem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat. Dass von der Möglichkeit der Kündigung bestehender gemeinsamer Maßnahmen aus politischen, wirtschaftlichen oder anderen Gründen in vielen Fällen Abstand genommen wird, lässt die Zusammenarbeit beider Länder ebenfalls nicht verfassungswidrig werden. Es spricht vorrangig für die Akzeptanz der getroffenen Vereinbarungen in beiden Ländern. Beide Landesregierungen sind dennoch auch weiterhin vor allem dem Wohl ihres eigenen Landesvolkes verpflichtet. Sollte eine Kooperationsmaßnahme diesem entscheidend zuwiderlaufen, so dürfte die Regierung des entsprechenden Landes sich auch zur Lösung von den Verpflichtungen gezwungen sehen bzw. durch grundrechtliche Leistungs- oder Schutzpflichten sogar gezwungen sein.357 Die rechtliche Möglichkeit hierfür wird durch die vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten gegeben. Ein faktischer Verlust der Selbständigkeit beider Länder kann daher ebenso wenig wie der rechtliche festgestellt werden.

355 356 357

Smith, S. 341. Siehe hierzu in Kapitel C. unter Punkt II.4.e). Siehe zu Letzterem in diesem Kapitel unter Punkt II.4.

IV. Ergebnis

275

IV. Ergebnis Während sich die ersten beiden Teile dieses Kapitels mit notwendigen Staatsaufgaben befasst haben, ging es im dritten Teil um Kompetenzen, die sich die Bundesländer Berlin und Brandenburg erhalten müssen, um weiterhin als eigene Bundesländer im Sinne des Grundgesetzes zu gelten. In der politikwissenschaftlichen Literatur wird unter diesem Aspekt zwischen Staat und Staatlichkeit unterschieden. Während der Staat eine gewisse Versorgung seiner Bürger zu garantieren hat, werden unter dem Begriff der Staatlichkeit die Kompetenzen gefasst, die er hierfür zwingend benötigt: Entscheidungskompetenz, Organisationskompetenz und Letztverantwortung.358 Als Ergebnis dieses Kapitels kann festgehalten werden, dass auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg verfassungsmäßig ist. Beide Länder verlieren weder einzelne unübertragbare Aufgaben, die ihren „Landeskern“ ausmachen, noch ihre Selbständigkeit als Bundesländer in einer Gesamtbetrachtung. Im Rahmen dieser rechtlichen Untersuchung der Kooperationsgegenstände der Länder Berlin und Brandenburg wurden verschiedene Grundvoraussetzungen herausgearbeitet, denen die Zusammenarbeit beider Länder auch in Zukunft entsprechen muss. Hier sind zu nennen: • der Erhalt der Verfassungsautonomie und eigener Verfassungsorgane beider Länder, • ein Kernbestand eigener Gesetzgebungskompetenzen, • eine eigene Justiz, insbesondere eine eigene Landesverfassungsgerichtsbarkeit, sowie • die Gewährleistung eines angemessenen Bestandes an eigenem Personal in Justiz und Verwaltung (insbesondere Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Bildung) zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit beider Länder. Wobei sich die letzten drei Punkte nicht in konkreten Zahlen ausdrücken lassen, sondern auf die Funktionstüchtigkeit des Staates abzustellen ist. In einer Gesamtbetrachtung müssen die Länder Berlin und Brandenburg als selbständige Staaten weiterhin handlungsfähig bleiben. Von der derzeitigen Zusammenarbeit beider Länder sind alle genannten Punkte, wie aufgezeigt wurde, nicht betroffen. Neben diesen Grundvoraussetzungen ergeben sich weitere verfassungsrechtliche Anforderungen insbesondere an die mit der Übertragung von Hoheitsgewalt verbundene Zusammenarbeit beider Länder, deren Einhaltung in jedem Einzelfall rechtlich zu überprüfen ist. Eine solche ausführliche Einzelbetrachtung jeder Ko358 Genschel/Zangl, APuZ 2007 (Heft 20–21), 10 f., mit dem Hinweis, dass es in der Realität Staaten nie gelingt, Staatlichkeit vollkommen zu monopolisieren.

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D. Gegenstände der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg

operationsmaßnahme beider Länder würde den Rahmen dieser Arbeit aufgrund ihrer dargestellten Fülle sprengen und die Arbeit würde von ihrer Zielsetzung, eine rechtliche Untersuchungsmethode der Länderzusammenarbeit darzustellen, durch das Verlieren in speziellen rechtlichen Einzelproblemen abkommen. Die durchgeführte überblicksartige rechtliche Untersuchung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg insgesamt hat in weiten Teilen ihre Verfassungsmäßigkeit festgestellt. Nachdem sich die bisherige Arbeit einer Prüfung der gesamten Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg gewidmet hat, soll im nächsten Kapitel ein Teilbereich herausgegriffen und die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich näher untersucht werden. Dieser Bereich bietet sich für eine eingehende Betrachtung besonders an, weil er zum einen stark grundrechtlich geprägt ist und zum anderen beide Länder hier ein enges Netzwerk geknüpft haben. Beide Länder gehen selbst davon aus, dass von ihnen inzwischen eine effiziente Justizstruktur geschaffen worden sei, die der eines gemeinsamen Landes entspricht.359 Die Frage, ob die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg in diesem Bereich den herausgearbeiteten rechtlichen Anforderungen genügt, wird Gegenstand des nächsten Kapitels sein.

359

AvB Drs. 16/1052, S. 22.

E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich am Beispiel der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die Prüfungspunkte einer rechtlichen Bewertung der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg herausgearbeitet wurden und im Ergebnis festgehalten werden konnte, dass die Zusammenarbeit beider Länder diesen auch grundsätzlich entspricht, soll nunmehr der Bereich der Justiz eingehend betrachtet werden. Kern dieser Zusammenarbeit bilden die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg. Daher werden sie im Folgenden zunächst ausführlich rechtlich untersucht (unter Punkt I. und II.), bevor in eine Gesamtbetrachtung des Justizbereichs (unter Punkt III.) eingestiegen wird.

I. Verfassungsmäßigkeit der gewählten Formen der Zusammenarbeit Für die Untersuchung der gewählten Formen wird zunächst der Staatsvertrag über die Errichtung der gemeinsamen Fachobergerichte als Form der Legislative1 (unter Punkt 1.) und im Anschluss daran werden die gemeinsamen Fachobergerichte als Einrichtungen (unter Punkt 2.) betrachtet2. 1. Der Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte Bereits im Jahr 2000 erarbeiteten die zuständigen Ressorts beider Länder Vorschläge für die Bildung gemeinsamer Fachobergerichte.3 Am 26. April 2004 unterzeichneten die Länder Berlin und Brandenburg dann den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte (im Folgenden: StV GOG). Ziel war es, aufgrund der gemeinsamen Rechtstradition des einheitlichen Lebensraums Berlin-Brandenburg eine effizientere Justizstruktur in der Region BerlinBrandenburg aufzubauen und das weitere Zusammenwachsen beider Länder zu fördern. Zum 1. Juli 2005 nahmen ein gemeinsames Oberverwaltungsgericht mit 1 Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg, BlnGVBl. 2004, S. 381 ff., abgedruckt in Anlage 1. Siehe zu den Staatsverträgen als Form der Zusammenarbeit allgemein in Kapitel C. unter Punkt I.1. 2 Siehe zu gemeinsamen Einrichtungen allgemein in Kapitel C. unter Punkt II.2. 3 AvB Drs. 15/2828, S. 9; LtBbg Drs. 3/7444, S. 33.

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

der Bezeichnung „Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg“ und Sitz in Berlin sowie ein gemeinsames Landessozialgericht mit der Bezeichnung „Landessozialgericht Berlin-Brandenburg“ und Sitz in Potsdam, zum 1. Januar 2007 ein gemeinsames Finanzgericht mit der Bezeichnung „Finanzgericht Berlin-Brandenburg“ und Sitz in Cottbus sowie ein gemeinsames Landesarbeitsgericht mit der Bezeichnung „Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg“ und Sitz in Berlin ihre Arbeit auf (Art. 1 StV GOG). Die Zusammenlegung von vier Fachobergerichten war und ist in der Bundesrepublik bisher einmalig. Die gemeinsame Gerichtsstruktur der Länder Berlin und Brandenburg wird als „Meilenstein“ auf dem Weg zu einer Länderfusion verstanden.4 Die im StV GOG getroffenen Regelungen entsprechen dabei dem bereits ausgearbeiteten, aber dann nicht in Kraft getretenen Neugliederungs-Vertrag der Länder Berlin und Brandenburg,5 der in den Nummern 4–7 seines Art. 47 Abs. 1 die Errichtung der oben genannten Gerichte vorsah. a) Inhaltliche Regelungen des Staatsvertrages Zur Errichtung der vier Fachobergerichte war eine Reihe von inhaltlichen Regelungen erforderlich. Insgesamt umfasst der Staatsvertrag 33 Artikel, von denen die wichtigsten Regelungen im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. aa) Die Richter an den gemeinsamen Fachobergerichten Gemäß Art. 2 StV GOG stehen die planmäßigen Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts im Dienste beider Länder Berlin und Brandenburg. Sie werden 4 AvB Drs. 15/2828, S. 10; Driehaus, VvB, Art. 82, Rdnr. 9; Remmert, Jahrbuch des Föderalismus 2005, 206 f. So auch Pestalozza, LKV 2004, 396, 398, der ausführlich darstellt, dass bereits zwei Mal zuvor ein gemeinsames Gericht zweier Bundesländer in der Bundesrepublik vereinbart wurde: 1949–1991 das gemeinsame Oberverwaltungsgericht der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg und seit 2002 das Landessozialgericht der Länder Niedersachsen und Bremen in Celle. Siehe hierzu auch Finkelnburg, Gemeinsames Oberverwaltungsgericht, S. 453, der darauf hinweist, dass die Errichtung der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg mit dem Ziel, eine Fusion beider Länder vorzubereiten, ein Novum ist. In der Geschichte gab es schon mehrere gemeinsame Gerichte, die aber immer aus dem Wunsch einer effektiven Rechtspflege heraus gebildet wurden. So schrieb beispielsweise Art. 12 der Deutschen Bundesakte von 1815 vor, dass „diejenigen Bundes-Glieder, deren Besitzungen nicht eine Volkszahl von 300.000 Seelen erreichen, sich mit den ihnen verwandten Häusern oder anderen Bundes-Gliedern, mit welchen sie wenigstens eine solche Volkszahl ausmachen, zur Bildung eines gemeinschaftlichen Obersten Gerichts vereinigen werden“. 5 Gesetz zu den Staatsverträgen über die Neugliederung der Länder Brandenburg und Berlin (Neugliederungsvertragsgesetz) vom 27. Juni 1995, BbgGVBl. I/05, S. 150 ff.; Gesetz zu dem Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes (Neugliederungs-Vertrag) und zu dem Staatsvertrag zur Regelung der Volksabstimmungen in den Ländern Berlin und Brandenburg über den Neugliederungsvertrag vom 18. Juli 1995, BlnGVBl. 1995, S. 490 ff.

I. Verfassungsmäßigkeit der gewählten Formen der Zusammenarbeit

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auf einvernehmlichen Vorschlag des zuständigen Senators und des zuständigen Ministers durch den gemeinsamen Richterwahlausschuss gewählt. Der gemeinsame Richterwahlausschuss besteht aus den Mitgliedern der Richterwahlausschüsse beider Länder. Erforderlich für die Wahl eines Richters sind die Mehrheit der Berliner und die Mehrheit der Brandenburger Mitglieder des gemeinsamen Richterwahlausschusses. Der zuständige Senator und der zuständige Minister haben kein Stimmrecht. Die Richter werden gemeinschaftlich von den Landesregierungen ernannt und entlassen. Die Urkunden werden gemeinsam vollzogen. Der Präsident eines gemeinsamen Fachobergerichtes wird auf einvernehmlichen Vorschlag der Landesregierungen durch den gemeinsamen Richterwahlausschuss gewählt (Art. 2 Abs. 2 StV GOG). Der gemeinsame Richterwahlausschuss tagt als Richterwahlausschuss für das Fachobergericht. Den Vorsitz führen der zuständige Senator und der zuständige Minister im Wechsel von Sitzung zu Sitzung; der Beginn liegt beim Sitzland des Fachobergerichts (Art. 2 Abs. 3 StV GOG). Die Richter und die ehrenamtlichen Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts leisten ihren Eid oder ihr Gelöbnis nach den im Deutschen Richtergesetz vorgesehenen Formeln mit der Maßgabe, dass nach der Verpflichtung auf das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ein Komma und die Worte „getreu den Verfassungen der Länder Berlin und Brandenburg“ eingefügt werden (Art. 6 StV GOG). Art. 4 StV GOG regelt das auf die Richter anwendbare Recht. Soweit sich aus dem Staatsvertrag nichts anderes ergibt, werden auf die Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts die Vorschriften angewendet, die im Sitzland des Gerichts für Richter gelten. Die Länder Berlin und Brandenburg sind daher bestrebt, ihre richterrechtlichen Vorschriften zu vereinheitlichen (Art. 4 Abs. 1 StV GOG).6 Die Dienstaufsicht über die Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts übt das Sitzland im Namen beider Länder aus (Art. 4 Abs. 2 StV GOG). Vor Erlass einer Disziplinarverfügung durch die oberste Dienstbehörde oder vor Erhebung einer Disziplinarklage gegen einen Richter ist das Einvernehmen mit dem anderen Land herzustellen. Das Gnadenrecht wird von beiden Ländern gemeinschaftlich ausgeübt (Art. 4 Abs. 3 StV GOG). Verstößt ein Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts im Amt oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes Berlin oder des Landes Brandenburg, so kann das Bundesverfassungsgericht mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf Antrag anordnen, dass der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen ist. Im 6 Diesen Auftrag aus dem StV GOG haben beide Länder inzwischen mit dem Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte vom 7. Februar 2011 erfüllt. Siehe hierzu in Kapitel C. unter Punkt III.3.

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Falle eines vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden. Der Antrag kann gestellt werden 1. bei einem Verstoß gegen die Grundsätze des Grundgesetzes von der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin oder der Mehrheit der Mitglieder des Landtages Brandenburg, 2. bei einem Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes Berlin von der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin, 3. bei einem Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes Brandenburg von der Mehrheit der Mitglieder des Landtages Brandenburg (Art. 5 StV GOG). bb) Verwaltungstätigkeit der gemeinsamen Fachobergerichte Alle nichtrichterlichen Bediensteten eines gemeinsamen Fachobergerichts stehen gemäß Art. 7 StV GOG im Dienst des Sitzlandes. In seinen Verwaltungsangelegenheiten untersteht ein gemeinsames Fachobergericht der Aufsicht des Sitzlandes (Art. 8 Abs. 1 StV GOG). Es gilt das Datenschutzrecht des Sitzlandes (Art. 8 Abs. 2 StV GOG). cc) Verteilung der Kosten Der III. Abschnitt des Staatsvertrages regelt die Verteilung der Kosten für die gemeinsamen Fachobergerichte auf die Länder Berlin und Brandenburg. Das Sitzland eines gemeinsamen Fachobergerichts stellt die erforderlichen Geschäftsräume einschließlich der für die Informationstechnik notwendigen aktiven und passiven Verkabelung, die zur Ausstattung notwendigen Einrichtungsgegenstände sowie die Bücherei; die anfallenden Kosten werden nicht umgelegt (Art. 21 Abs. 1 StV GOG). Weiterhin beschafft das Sitzland die für ein gemeinsames Fachobergericht notwendige Computerhard- und -software. Die Auswahl der Software erfolgt im Einvernehmen beider Länder. Falls dieses nicht erreicht werden kann, entscheidet die zuständige Senatsverwaltung oder das zuständige Ministerium des Sitzlandes (Art. 21 Abs. 2 StV GOG). Die laufenden Betriebskosten der Geschäftsräume, die Kosten für etwaige Schönheitsreparaturen, für die Beschaffung und Nutzung der Informationstechnik sowie die sächlichen Kosten des Geschäftsbetriebs werden, soweit sie nicht durch die Einnahmen gedeckt sind, im Verhältnis der Eingangszahlen auf die beiden Länder verteilt. Dasselbe gilt für die Umlage der Personalkosten für das aktive Personal und die Kosten für die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter (Art. 22 StV GOG). Die Versorgungsbezüge der nichtrichterlichen Bediensteten der gemeinsamen Fachobergerichte trägt das jeweilige Sitzland; § 107b des Beamtenversorgungsge-

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setzes bleibt unberührt (Art. 23 Abs. 1 StV GOG). Für die Versorgungsbezüge der Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts gilt § 107b des Beamtenversorgungsgesetzes mit der Maßgabe entsprechend, dass für die Zeit ab der Übernahme eines Richters an das gemeinsame Fachobergericht die Länder Berlin und Brandenburg gemeinschaftlich als aufnehmendes Land gelten. Der von ihnen in dieser Eigenschaft nach § 107b des Beamtenversorgungsgesetzes zu tragende Anteil an den Versorgungsbezügen wird zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg nach dem Verhältnis der Eingangszahlen des betreffenden Fachobergerichts aus Berlin und Brandenburg aufgeteilt. Maßgeblich für die Ermittlung des Verhältnisses der Eingangszahlen ist der Zeitraum von der Übernahme des Richters an das gemeinsame Fachobergericht bis zu seiner Zurruhesetzung. Die Auszahlung der Versorgungsbezüge erfolgt durch das Sitzland (Art. 23 Abs. 2 StV GOG). Die umzulegenden Personal- und sächlichen Kosten eines gemeinsamen Fachobergerichtes werden vom Sitzland vorschussweise geleistet. Die Einnahmen fließen dem Sitzland zu (Art. 24 Abs. 1 StV GOG). Nach Beendigung des Haushaltsjahres stellt das Sitzland fest, welcher Betrag durch die Einnahmen nicht gedeckt ist. Es legt diesen Betrag in dem Verhältnis auf beide Länder um, in dem Verfahren aus jedem der Länder im Haushaltsjahr bei dem gemeinsamen Fachobergericht anhängig geworden sind. Dabei sind die Verfahren dem Land zuzurechnen, in dem sie anhängig geworden wären, wenn es ein eigenes Fachobergericht gehabt hätte (Art. 24 Abs. 2 StV GOG). Das Sitzland kann am Schluss eines jeden Vierteljahres vom anderen Land Abschlagszahlungen auf den am Ende des Haushaltsjahres zu erwartenden Umlagebetrag anfordern (Art. 24 Abs. 3 StV GOG). Die ungleiche Verteilung der finanziellen Lasten zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg war in den Verhandlungen problematisch und führte dazu, dass dem Land Berlin teilweise davon abgeraten wurde, den Staatsvertrag abzuschließen.7 dd) Schlussvorschriften Gemäß Art. 27 StV GOG bedarf der Staatsvertrag der Ratifikation. Er tritt am ersten Tag des auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgenden Monats in Kraft. Mit der Errichtung eines gemeinsamen Fachobergerichts gehen die bei den bisherigen Fachobergerichten der Länder Berlin und Brandenburg anhängigen Verfahren in dem Stand, in dem sie sich befinden, auf das gemeinsame Fachobergericht über (Art. 28 StV GOG). Zugleich werden die planmäßigen Richter der bisherigen Fachobergerichte planmäßige Richter des gemeinsamen Fachoberge7

Pestalozza, LKV 2004, 396, 400; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 260.

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richts. Erster Präsident eines gemeinsamen Fachobergerichts wird jeweils der bisherige Fachobergerichtspräsident des Sitzlandes. Erster Vizepräsident eines gemeinsamen Fachobergerichts wird jeweils der bisherige Fachobergerichtspräsident des anderen Landes. Die Vizepräsidenten der bisherigen Fachobergerichte werden Vorsitzende Richter an den gemeinsamen Fachobergerichten (Art. 29 Abs. 1 StV GOG). b) Das Vertragsabschlussverfahren Am 26. April 2004 unterzeichneten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit für das Land Berlin und der Ministerpräsident Matthias Platzeck für das Land Brandenburg den Staatsvertrag über die Errichtung der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg.8 Eine knappe Woche nur vor der Unterzeichnung hatte in Berlin der Senat gemäß Art. 50 Abs. 1, S. 3 VvB den Vertragsentwurf dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnis gegeben. Erst nach der Unterzeichnung des Vertragsentwurfs befasste sich der Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsführung mit diesem9 und empfahl im Ergebnis die Zustimmung zum StV GOG.10 Schließlich folgte das Abgeordnetenhaus von Berlin der Empfehlung und nahm die Gesetzesvorlage am 26. August 2004 einstimmig an.11 Mit Gesetz vom 10. September 2004 hat das Abgeordnetenhaus von Berlin dem Staatsvertrag zugestimmt und die erforderlichen Anpassungen des Berliner Landesrechts vorgenommen.12 Der Staatsvertrag ist Anlage zu diesem Gesetz. Das Zustimmungsgesetz wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin am 22. September 2004 veröffentlicht.13 In Brandenburg wurde der Gesetzesentwurf unverzüglich nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages in den Landtag eingebracht.14 Nach der ersten Lesung wurde der Entwurf an den Hauptausschuss überwiesen. Dieser führte am 3. Juni 2004 eine Anhörung von Vertretern der Obergerichte und der Wissenschaft durch15 und empfahl im Ergebnis ebenfalls dem Landtag die Annahme des Ge8 Zum Vertragsabschlussverfahren bei Staatsverträgen allgemein siehe in Kapitel C. unter Punkt I.1.c)bb). 9 AvB Plprot. 15/51, S. 4259. 10 Tripke, S. 199, insbes. Fn. 1143. 11 AvB Plprot. 15/54, S. 4574. 12 Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg, vom 10. September 2004, BlnGVBl. 2004, S. 380 ff. Die Zustimmung zum Staatsvertrag und die erforderlichen Anpassungen des Landesrechts erfolgten in einem Text. 13 BlnGVBl. 2004, S. 380 ff. 14 LtBbg Drs. 3/7444. 15 LtBbg Drs. 3/7579, S. 11.

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setzesentwurfs.16 Dem folgend nahmen die Abgeordneten das Gesetz am 16. Juni 2004 an. Der wie in Berlin sowohl die Zustimmung als auch die Änderungen umfassende Gesetzestext wurde am 29. Juni 2004 ausgefertigt und am 2. Juli 2004 verkündet.17 Nach der Umsetzung durch die Länderparlamente mittels ihrer Zustimmungsgesetze und nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden trat der Staatsvertrag gemäß Art. 27 am 1. Mai 2005 in Kraft.18 c) Verfassungsmäßigkeit des Staatsvertrags Bei der folgenden Untersuchung des StV GOG ist an die bereits dargestellte verfassungsrechtliche Beurteilung anzuknüpfen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern in der Bundesrepublik und damit der Abschluss von Staatsverträgen verfassungsrechtlich grundsätzlich erlaubt sind.19 Zwar findet sich weder im Grundgesetz noch in anderen bundesrechtlichen Rechtsnormen eine Ermächtigung der Länder zum Abschluss von Staatsverträgen. Diese ist aber auch nicht notwendig, weil im Verhältnis der Bundesländer untereinander keine Rechtssatzgebundenheit existiert. Die Kompetenzen der Länder schließen jede Art rechtlicher Gestaltung, auch die des Vertrages mit ein.20 Die Länder Berlin und Brandenburg konnten und mussten die Zusammenarbeit in gemeinsamen Fachobergerichten in der Form des Staatsvertrags regeln. Durch die Bildung gemeinsamer Fachobergerichte haben beide Länder Hoheitsgewalt an das jeweils andere Land abgegeben. Eine Zusammenarbeit, die mit der Abgabe von Hoheitsgewalt verbunden ist, bedarf der Zustimmung der betroffenen Landesparlamente, mithin der Form des Staatsvertrages (Art. 50 Abs. 1 Satz 3 und 4 VvB; Art. 91 Abs. 2 BbgVerf).21 Trotz dieser grundsätzlichen Zulässigkeit staatsvertraglicher Regelungen werden gegen die Zusammenarbeit der Bundesländer in der Form von Staatsverträgen allgemeine demokratische Bedenken geäußert,22 die an dieser Stelle, bezogen auf den StV GOG, näher beleuchtet werden sollen.

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LtBbg Drs. 3/7579, S. 1 u. 13. Gesetz zu dem Staatsvertrag vom 26. April 2004 über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg und zur Änderung anderer Gesetze, vom 29. Juni 2004, BbgGVBl. I/04, S. 281 ff. Zum Verfahren siehe auch Pestalozza, LKV 2004, 396, 397; Tripke, S. 199. 18 Kipp, LKV 2005, 281. 19 Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt I.2. 20 Giese, S. 76 ff.; Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 226 und 234 f. 21 Siehe hierzu ausführlich in Kapitel C. unter Punkt I.1.c)bb). 22 Siehe hierzu in Kapitel D. unter Punkt II.2. 17

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aa) Bedeutungsverlust der Parlamente im Vertragsabschlussverfahren Als Gefahr im Hinblick auf das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG wird insbesondere die Entmachtung der Landesparlamente im Vertragsabschlussverfahren gesehen. Diesen demokratischen Bedenken wird vor allem entgegengehalten, dass den Landesparlamenten ausreichende Kontrollinstrumente in der jeweiligen Landesverfassung an die Hand gegeben werden. Sollten sie diese nicht nutzen, könne dies nicht zur Verfassungswidrigkeit der Staatsverträge allgemein führen, sondern jedes Vertragsabschlussverfahren ist für sich rechtlich zu beurteilen. Im Vertragsabschlussverfahren des StV GOG fällt auf, dass der Berliner Senat den Vertragsentwurf zum StV GOG gerade einmal eine knappe Woche vor der Unterzeichnung dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnis gegeben hatte. Zudem wurde die Vorlage zur Kenntnisnahme zusammen mit der Verfassungsänderung am 29. April 2004, das heißt erst drei Tage nach der Unterzeichnung des Vertrags, im Parlament beraten.23 Zwei Wochen später folgte – ohne weitere Beratung – die erste Lesung des Entwurfs des Zustimmungs- und Änderungsgesetzes.24 In diesem kurzen zeitlichen Rahmen war eine eingehende Kontrolle der Regierungstätigkeit durch das Parlament kaum möglich, obwohl der StV GOG zentrale und weitreichende Neuerungen in der Gerichtsstruktur des Landes regelt. Hieraus aber eine Verfassungswidrigkeit des Staatsvertrages abzuleiten, ginge zu weit. Das Abgeordnetenhaus hat die zeitliche Enge nicht kritisiert, so dass davon auszugehen ist, dass es sich nicht weitergehend mit dem Gesetzesentwurf beschäftigen wollte. Nutzt das Parlament die ihm von der Verfassung an die Hand gegebenen Kontrollmöglichkeiten nicht voll aus, führt das allein nicht zur Verfassungswidrigkeit.25 Mögliche Kontrollrechte des Berliner Abgeordnetenhauses wurden nicht durch die Landesregierung verletzt, sondern, wenn überhaupt, dann durch das Parlament selbst nicht wahrgenommen. Hierin liegt kein Verstoß gegen das Demokratieprinzip, weil es keine verfassungsrechtliche Pflicht des Parlaments zur Ausschöpfung seiner parlamentarischen Kontrollrechte gegenüber der Regierung gibt. Art. 50 Abs. 1 Satz 3 und 4 VvB unterwirft für Berlin den Abschluss von Staatsverträgen der Zustimmung des Abgeordnetenhauses. Eine entsprechende Regelung findet sich für Brandenburg in Art. 91 Abs. 2 BbgVerf, wonach Staatsverträge, insbesondere Verträge, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung be23

AvB Plprot. 15/50, S. 4188–4193. AvB Plprot. 15/51, S. 4259. Siehe zum Vertragsabschlussverfahren in diesem Kapitel unter Punkt I.1.b). 25 Kritisch hinsichtlich des Vertragsabschlussverfahrens Pestalozza, LKV 2004, 396, 398. Allgemein Heintzen, HbdG, § 9, Rdnr. 4, der ausführt, dass es der Parlamentsmehrheit frei stehe, einer Gesetzesinitiative der von ihr getragenen Regierung ohne weitere Prüfung zuzustimmen. 24

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ziehen oder Aufwendungen erfordern, für die Haushaltsmittel nicht vorgesehen sind, der Zustimmung des Landtages bedürfen. Ein Verstoß gegen die landesrechtlichen Regelungen ist im Vertragsabschlussverfahren des StV GOG nicht ersichtlich. Die erforderliche Zustimmung wurde in beiden Länderparlamenten eingeholt. bb) Kündigungsmöglichkeit Weiterhin wird bei Staatsverträgen problematisiert, inwieweit sich die Länder auch zeitlich binden dürfen.26 Dieses Problem stellt sich vorliegend nicht, weil der StV GOG eine Kündigungsmöglichkeit in seinem Art. 33 Abs. 1 S. 2 vorsieht. Hier heißt es: Dieser Staatsvertrag „kann von jedem Land mit einjähriger Frist zum 31. Dezember jeden Jahres schriftlich gekündigt werden.“ Diese Kündigungsmöglichkeit gibt beiden Ländern die Möglichkeit, sich von den im Staatsvertrag übernommenen Verpflichtungen auch wieder zu lösen bzw. an das andere Land abgegebene Aufgaben wieder zurückzuholen. Dadurch erhalten sich beide Länder ihre Handlungsmöglichkeiten in rechtlich ausreichendem Maße. cc) Die Übertragung von Hoheitsrechten als Verfassungsänderung Indem der StV GOG beispielsweise in seinem Art. 4 regelt, dass auf die Richter eines gemeinsamen Fachobergerichtes die Vorschriften angewendet werden, die im Sitzland des Gerichts gelten (Art. 4 Abs. 1 StV GOG), und die Dienstaufsicht über diese Richter das Sitzland im Namen beider Länder ausübt (Art. 4 Abs. 2 StV GOG), überträgt er Hoheitsrechte auf die Verwaltung des Sitzlandes eines gemeinsamen Fachobergerichtes. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, ob eine Übertragung von Hoheitsrechten nach dem Verfassungsrecht beider Länder ohne die Mitwirkung des verfassungsändernden Gesetzgebers überhaupt möglich ist. Die Mitwirkung des verfassungsändernden Gesetzgebers könnte erforderlich sein, weil jede Übertragung von Hoheitsrechten den Geltungsbereich der Verfassung des übertragenden Landes begrenzt. Das Landesvolk vertraut durch die Verfassung die Staatsgewalt seinen Staatsorganen zur verfassungsrechtlich kontrollierten Ausübung und nicht zur Weitergabe an Dritte an, die weder im Dienst des Landesvolkes stehen, noch dessen Rechtsordnung respektieren müssen.27

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Siehe hierzu in Kapitel D. unter Punkt II.2.c). Friauf, AöR 88 (1963), 257, 293; Giese, S. 79; Grawert, S. 270; Kalkbrenner, BayVBl 1965, 149, 152 ff.; Kisker, S. 199; Roellenbleg, DÖV 1968, 225, 230. Letzterer hält eine verfassungsrechtliche Ermächtigung oder eine Verfassungsänderung aber nicht für erforderlich, wenn die übertragenen Aufgaben nach Inhalt, Zweck und Ausmaß be27

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Soweit die Landesverfassungen der Länder Berlin und Brandenburg aber bereits zur Übertragung von Hoheitsgewalt ermächtigen, ist eine Verfassungsänderung nicht erforderlich. In der Verfassung des Landes Berlin existiert für die Übertragung von Hoheitsgewalt auf die gemeinsamen Gerichte eine explizite Ermächtigung in Art. 82 Abs. 3 VvB. Mit dem StV GOG hat der Berliner Landesgesetzgeber somit die ihm von der Verfassung bereits eingeräumten Rechte ausgeübt. Dies stellt keine Verfassungsänderung dar. In der Verfassung des Landes Brandenburg fehlt demgegenüber eine ausdrückliche Ermächtigung, so dass die Regelungen im StV GOG im Land Brandenburg eine Verfassungsänderung sein könnten. Ob eine Ermächtigung bereits in den Verfassungsbestimmungen, die den Abschluss von innerbundesstaatlichen Verträgen regeln, enthalten sein könnte, weil diese voraussetzen, dass die in diesen Vorschriften genannten Staatsorgane berechtigt sind, ihr Land in nicht näher bestimmtem Umfang vertraglich zu binden, das heißt einer Fremdherrschaft zu unterwerfen,28 kann dahinstehen, weil Art. 109 Abs. 4 BbgVerf zumindest indirekt von der Errichtung gemeinsamer Gerichte ausgeht. Er bestimmt, dass hierbei von seinen Absätzen 1 bis 3 abgewichen werden könne. Damit ermächtigt auch die Brandenburger Verfassung zur Errichtung gemeinsamer Gerichte, und es liegt in den Regelungen des StV GOG keine Verfassungsänderung vor. Auch in dieser Hinsicht ist das Vertragsabschlussverfahren in beiden Ländern rechtlich nicht zu beanstanden. d) Ergebnis Als Ergebnis des ersten Teils der Untersuchung des Staatsvertrages über die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg ist festzustellen, dass der StV GOG seiner Form nach verfassungsmäßig ist. Soweit an Staatsverträgen allgemein kritisiert wird, dass sie nicht alle Eventualitäten bei ihrer Realisierung einkalkulieren können und deshalb entweder zu ungenau oder aber zu unflexibel seien und einer ständigen Überprüfung bedürften, so dass die konfliktträchtigen Verhandlungen nie zum Abschluss kämen,29 haben diese Befürchtungen sich beim StV GOG bisher nicht realisiert. Seine Regelungen sind bestimmt genug, so dass bisher keine Nachverhandlungen nötig waren.

stimmt genug sind und damit eine Kontrolle des Ausführenden durch die Landesorgane weiterhin möglich ist. 28 So Kisker, S. 201 f. Die Notwendigkeit der Mitwirkung des verfassungsändernden Gesetzgebers bei jeder Zusammenarbeit der Bundesländer, mit der eine Übertragung von Hoheitsbefugnissen einhergeht, würde zu ihrem praktischen Bedeutungsverlust führen (Kisker, S. 198). 29 Hartmann u. a., S. 26.

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2. Die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg Neben dem StV GOG als solchem sind die hierin geregelten gemeinsamen Fachobergerichte als Institutionen rechtlich zu betrachten und zunächst rechtlich einzuordnen. a) Gerichte und Verwaltungsaufgaben Unter dem Blickwinkel der Gewaltenteilung gehören die gemeinsamen Fachobergerichte hinsichtlich ihrer Rechtsprechungsaufgabe zur Judikative, hinsichtlich ihrer Verwaltung zur Exekutive. Dies ist trotz der vielfältigen Gewaltenverschränkungen im Grundgesetz besonders, weil diese zwischen Legislative und Exekutive bestehen, die Judikative von den anderen zwei Gewalten aber grundsätzlich streng getrennt ist. Art. 92 Hs. 1 GG garantiert die Unabhängigkeit der Rechtsprechung. Dennoch werden die Mittel, die für die Aufgabenerfüllung in der Rechtsprechung notwendig sind, vom Justizministerium – in Berlin von der Senatsverwaltung für Justiz und in Brandenburg vom Ministerium der Justiz – verwaltet. Ihnen obliegt zudem die Dienstaufsicht über die Justizmitarbeiter. Zu großen Teilen verwalten sich die Gerichte zwischenzeitlich aber auch selbst.30 Wenn im Folgenden die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin untersucht werden, muss zwischen der reinen Rechtsprechungstätigkeit und ihrer Organisation unterschieden werden.31 Die Organisation der Gerichte betrifft exekutive Aufgaben. Daher können die für die Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden bereits dargestellten Formen32 auf die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg übertragen werden. b) Die gewählte Form der gemeinsamen Einrichtungen Errichten mehrere Bundesländer eine gemeinsame Einrichtung, stellt sich die Frage, welchem Landesrecht sie untersteht.33 Für die gemeinsamen Fachoberge30 Zur Selbstverwaltung der Justiz siehe „Selbstverwaltung der Justiz“ – Gemeinsamer Standpunkt der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts sowie der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe der Länder, NJW 2009, 999 f., die die Selbstverwaltung der Justiz stärken wollen. Siehe hierzu auch den Berliner Appell europäischer Richter und Staatsanwälte, anlässlich der internationalen Fachtagung in Frankfurt am 20. Februar 2009, online im Internet unter http://www.nrv-net.de/downloads_publikationen/437.pdf. Kritisch zu mehr Selbstverwaltung der Justiz Kramer, NJW 2009, 3079 ff., die die Unabhängigkeit des einzelnen Richters und damit Art. 97 GG durch eine verstärkte Selbstverwaltung der Gerichte gefährdet sieht (insbes. S. 3083). 31 Dies auch differenzierend und lediglich auf die Rechtsprechungstätigkeit im Folgenden eingehend Remmert, Jahrbuch des Föderalismus 2005, 206, 208. 32 Siehe zu den Arten von Gemeinsamen Einrichtungen auch in Kapitel C. unter Punkt II.2.a). 33 Remmert, Jahrbuch des Föderalismus 2005, 206, 208.

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richte ergibt sich bezüglich ihrer Rechtsprechungstätigkeit die gleichgelagerte Frage, welche Landesrechtsvorschriften sie anzuwenden haben. Abhängig von dieser Zuordnung zu einem Landesrecht wurden in Kapitel C.34 drei Arten von Gemeinschaftseinrichtungen unterschieden: die institutionelle Beteiligungsverwaltung, die Mehrländereinrichtung und die echte Gemeinschaftseinrichtung. aa) Institutionelle Beteiligungsverwaltung Zunächst könnte es sich bei den gemeinsamen Fachobergerichten um eine institutionelle Beteiligungsverwaltung35 handeln. Die institutionelle Beteiligungsverwaltung ist eine Einrichtung des Sitzlandes. Das Sitzland handelt hierbei nur innerhalb seiner Kompetenz und übt nicht auch Zuständigkeiten der Partnerstaaten aus. Die übrigen Partner benutzen die Einrichtung mit und erkennen gegebenenfalls ihre Akte an. Rechtliche Probleme hinsichtlich der Ausübung fremder Hoheitsgewalt ergeben sich hier nicht, weil durch den erforderlichen staatseigenen Anerkennungsakt keine Machtverschiebung stattfindet. Auch gibt es grundsätzlich keine außergewöhnlichen Zuordnungsprobleme, weil die durch den Zusammenschluss geschaffene Einrichtung dem Sitzland zugeordnet wird.36 Der Einfluss der Kooperationspartner auf die Einrichtung ist relativ gering. Das Sitzland bleibt ihr eigentlicher Herr. Wenn aus der bloßen Beteiligung der Partner weitgehend gleichwertige Mitbestimmung wird, dann läuft die Wahl der institutionellen Beteiligungsverwaltung auf eine bedenkliche Verschleierung der Herrschaftsstruktur hinaus. Verfassungsrechtliche Bedenken sind dann spätestens anzumelden, wenn das Sitzland freiwillig die wichtigsten Einflussmöglichkeiten abgibt, die ihm bei Landeseinrichtungen normalerweise zustehen, wie beispielsweise aufsichtsrechtliche Befugnisse.37 Die Konstruktion der institutionellen Beteiligungsverwaltung wurde für die gemeinsamen Fachobergerichte erkennbar nicht gewählt. Art. 2 StV GOG besagt eindeutig, dass die planmäßigen Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts im Dienst beider Länder Berlin und Brandenburg stehen. Wenn Art. 4 StV GOG regelt, dass grundsätzlich auf die Richter das Recht des Sitzlandes angewendet wird, so folgt dies aus der praktischen Notwendigkeit, dass nicht zwei verschiedene landesrechtliche Regelungen gleichzeitig anwendbar sein können. Art. 4 StV GOG macht die Richter aber nicht zu solchen allein des Sitzlandes. Gemäß Art. 4 Abs. 2 StV GOG übt das Sitzland die Dienstaufsicht „im Namen beider Länder“ aus. Wären die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg entsprechend der Organisation einer institutionellen Beteiligungsverwaltung einge34 35 36 37

Kapitel C. unter Punkt II.2.a). Siehe Kapitel C. unter Punkt II.2.a)aa). Grawert, S. 233 f. u. 272; Kisker, S. 236. Kisker, S. 239.

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richtet worden, wären die Richter solche des Sitzlandes – Richter am OVG Berlin-Brandenburg mit Sitz in Berlin folglich solche des Landes Berlin –, und das andere Land – beim OVG Berlin-Brandenburg das Land Brandenburg – müsste ihre richterlichen Entscheidungen explizit anerkennen bzw. es müsste durch den StV GOG eine vorherige allgemeine Anerkennung der Entscheidungen des anderen Landes abgeleitet werden. Zuständig für die Landesverfassungskontrolle der gerichtlichen Entscheidungen des OVG Berlin-Brandenburg wäre zudem allein der Verfassungsgerichtshof von Berlin. Gegen die Ausgestaltung der gemeinsamen Fachobergerichte beider Länder als institutionelle Beteiligungsverwaltung sprechen auch der Sinn und Zweck der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen in § 3 Abs. 2 VwGO, § 33 S. 2 i.V. m. § 14 Abs. 3 ArbGG, § 3 Abs. 2 FGO und § 28 Abs. 2 SGG. Hiernach üben die zusammengelegten Gerichte Rechtsprechungsgewalt nicht nur für alle beteiligten Länder, sondern auch als Teil von deren jeweiliger Landesgerichtsbarkeit aus.38 Teil der Landesgerichtsbarkeit beider Länder bleiben die gemeinsamen Fachobergerichte nur in den Formen der Mehrländereinrichtung oder der echten Gemeinschaftseinrichtung, wobei Letzteres noch näher zu untersuchen wäre. bb) Mehrländereinrichtung Als Zweites kommt eine Organisation der gemeinsamen Fachobergerichte als Mehrländereinrichtung39 in Betracht. Bei dieser vertraglich vereinbarten Gemeinschaftsorganisation bedient sich jeder Vertragspartner zur Ausübung seiner Staatsgewalt der gleichen sächlichen und personellen Mittel, ohne seine Aufgaben und Befugnisse zu übertragen oder zu vergemeinschaften. Eine Mehrländereinrichtung begründet keine gegenseitige Abhängigkeit. Sie bewirkt nur eine Gemeinsamkeit der Organisation, die ein Partnerstaat zur Verfügung stellt oder die kumuliert eingerichtet und betrieben wird, lässt dagegen die Zuständigkeiten und deren Wahrnehmung unberührt.40 Da lediglich die Verwaltungseinrichtungen jedes beteiligten Landes verschmolzen sind, dessen ungeachtet aber nicht aufgehört haben, für das eigene Land rechtlich der eigentliche Träger der in Betracht kommenden Zuständigkeiten zu sein, bestehen gegen diese Konstruktion zunächst keine verfassungsrechtlichen Bedenken.41 Zweifel ergeben sich in Bezug auf ihre praktische Realisierbarkeit.42 So wird eine Einrichtung, in der solche inneren Widersprüche43 stecken, wegen Verstoßes 38 39 40 41 42

So BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, 815. Siehe Kapitel C. unter Punkt II.2.a)bb). Grawert, S. 237. Kölble, NJW 1962, 1081, 1082. Grawert, S. 237.

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gegen das Prinzip der Rechtssicherheit als verfassungswidrig angesehen.44 Problematisch erscheinen auch die Eigentumsverhältnisse der gemeinsam genutzten Gegenstände. Die Mehrländereinrichtung selbst kommt als Eigentümer und zur Übereignung Verpflichteter nicht in Frage, da sie als solche kein Rechtssubjekt ist. Berechtigte und verpflichtete Rechtssubjekte sind vielmehr die nebeneinander stehenden einzelnen Bundesländer. Man wird daher eine Art Gesellschaftsverhältnis zwischen den nebeneinander stehenden Bundesländern konstruieren müssen.45 Dies entspricht aber nicht mehr der Grundidee einer Mehrländereinrichtung, nach der alle beteiligten Länder gerade unabhängig voneinander lediglich die gleichen Ressourcen nutzen. Diese rechtlichen Problemstellungen führen nicht zu einem vollständigen Abstandhalten von dieser Organisationsform. Mit der gemeinsamen Landesplanungsabteilung und dem gemeinsamen Landesamt für Mess- und Eichwesen haben die Länder Berlin und Brandenburg bereits Mehrländereinrichtungen errichtet.46 Es ist folglich auch nicht fernliegend, dass die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg von beiden Ländern als Mehrländereinrichtungen ausgestaltet wurden. Auch auf dem Gebiet der Rechtsprechung findet sich bereits ein Beispiel einer Mehrländereinrichtung auf Bundesebene47, das in letzter Zeit jedoch an Bedeutung verloren hat. Gemäß Art. 99, 1. Alt. GG können die Bundesländer sich das Bundesverfassungsgericht durch ihre Landesverfassung oder durch förmliches Landesgesetz ausleihen. Das Gericht wird als Bundesorgan entliehen und zugleich als Verfassungsgericht für das Land eingesetzt.48 Das Gericht hat dann organisationsrechtlich eine Doppelnatur als Bundes- und Landesorgan. Daher kann der Bund für sein Organ Verfahrensvorschriften erlassen. Das Land kann diese gegebenenfalls konkretisieren, abändern und ergänzen (vgl. § 74 BVerfGG) und für sein Organ die zulässigen Verfahrensarten und Inhalt sowie Reichweite der Entscheidungen selbst bestimmen. Die Zuordnung der Rechtsprechungstätigkeit des Bundesverfassungsgerichts richtet sich nach der in jedem Einzelfall ausgeübten Funktion, das heißt nach der Ebene, für die das Bundesverfassungsgericht konkret tätig wurde. Als Bundesverfassungsgericht übt es Rechtsprechungsgewalt des Bundes aus. Als Landesverfassungsgericht übt das Bundesverfassungsgericht Rechtsprechungsgewalt des Landes aus, welche dem43

Hierzu Kapitel C. unter Punkt II.2.a)bb). Kisker, S. 241 f. Zitat von S. 242. 45 Kisker, S. 245. 46 Siehe hierzu in Kapitel C. unter Punkt II.2.a)bb). 47 Auch wenn der Begriff „Mehrländereinrichtung“ hier nicht richtig passt, weil die Zusammenarbeit zwischen einem Land und dem Bund stattfindet. 48 So führt das BVerfG (E 27, 240, 244) in den Fällen des Art. 99, 1. Alt. GG aus, dass sich der Umfang seiner Zuständigkeiten ausschließlich nach dem Landesrecht bestimmt. Schleswig-Holstein hat bis 2008 von dieser Möglichkeit der Organleihe Gebrauch gemacht (Sodan, LKV 2010, 440, 441). 44

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zufolge dann auch dem Land zuzurechnen ist.49 Auch für Landesgerichte deutet § 21 Abs. 1 Nr. 2 DRiG zumindest an, dass es bei entsprechender gesetzlicher Regelung möglich ist, dass ein Richter in zwei Dienstverhältnissen – auch zu unterschiedlichen Dienstherren – stehen kann.50 Hinsichtlich der gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg könnte die Verteilung der Kosten in Art. 22–24 StV GOG zunächst dafür sprechen, dass die gemeinsamen Fachobergerichte als Mehrländereinrichtungen organisiert worden sind. Jedes Land hat die Kosten anteilig nach den Eingangszahlen zu tragen. Betrachtet man jedoch die Dienstverhältnisse der Richter und des sonstigen Personals, kommt die Form der Mehrländereinrichtung nicht in Betracht. Bei einer Mehrländereinrichtung bleibt das Personal im Dienst des entsendenden Landes. Art. 4 StV GOG bestimmt demgegenüber, dass auf die Richter grundsätzlich das Recht des Sitzlandes Anwendung findet und dieses auch die Dienstaufsicht im Namen beider Länder führt. Für die nichtrichterlichen Bediensteten regelt dies Art. 7 StV GOG ausdrücklich. Daher ist die Konstruktion einer Mehrländereinrichtung für die gemeinsamen Fachobergerichte ersichtlich nicht gewählt worden. Dies wird zudem aus dem Ziel der Gerichtsfusion, hierdurch ein enges Zusammenwirken in sächlicher und personeller Hinsicht anzustreben, gefolgert, dem das eher lockere Band einer Mehrländereinrichtung nicht entspreche.51 cc) Echte Gemeinschaftseinrichtung Als dritter Typus gemeinsamer Einrichtungen verbleibt die echte Gemeinschaftseinrichtung.52 Diese Form wurde für das gemeinsame OVG Lüneburg gewählt,53 so dass die Länder Berlin und Brandenburg hinsichtlich ihrer gemeinsamen Fachobergerichte hieran angeknüpft haben könnten. 49 Meyer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, Art. 99 Rdnr. 3. A. A. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 99, Rdnr. 7, der das BVerfG auch weiterhin als Bundesorgan ansieht, welches funktional Landesrechtsprechungsgewalt ausübt, so dass sich seine Zuständigkeit aus dem Landesrecht ergibt. Bleibt das BVerfG Bundesorgan, das lediglich Landesverfassungsrecht im Auftrag überprüft (parallel zur Auftragsverwaltung, die SchulzeFielitz in Fn. 15 anspricht), müssten seine Urteile in Landesverfassungsstreitigkeiten auch dem Bund zugerechnet werden. Das widerspricht aber der Grundidee des Art. 99 GG. So ebenfalls Löwer, HStR III3, § 70, Fn. 402 m.w. N., der eine echte Organleihe annimmt. Ausführlich auch Stern, in: BK, Bd. 12, Art. 99 (Zweitb.), Rdnr. 1 ff. 50 Remmert, Jahrbuch des Föderalismus 2005, 206, 208 u. 211. 51 BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, 815 f. A. A. wohl Hense, HStR VI3, § 137, Rdnr. 43, der von einer vollkommenen Trennung beider Gerichte ausgeht. 52 Siehe Kapitel C. unter Punkt II.2.a)cc). 53 Hempel, S. 33, der darauf abstellt, dass die planmäßigen Richter dieses Gerichts „gemeinschaftlich ernannt und entlassen“ werden, „gemeinschaftliche Bedienstete beider Länder sind“ und ihre Ernennungsurkunden gemeinsam vollzogen werden (siehe hierzu Art. 3 Abs. 1 u. 2 des Staatsvertrages zwischen den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein über das gemeinschaftliche Oberverwaltungsgericht und den ge-

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Echte Gemeinschaftseinrichtungen sind durch Staatsvertrag zwischen mehreren Bundesländern begründete, rechtlich verselbständigte und nach außen unter eigenem Namen und mit eigener Rechtspersönlichkeit handelnde Einrichtungen. Ihre Rechtsfähigkeit beruht allein auf dem Gründungsvertrag und ist nicht abgeleitet aus dem Landesrecht der beteiligten Vertragspartner.54 Sie gehören institutionell keinem der zusammenarbeitenden Länder an. Ihre Funktion ist gegenüber der Einzelstaatsgewalt verselbständigt. Die Einrichtung wird als außerstaatliche, staatsorganisatorisch „freischwebende“ bezeichnet.55 Hinsichtlich der Frage, welches Landesrecht für das Handeln einer echten Gemeinschaftseinrichtung maßgeblich ist, werden zunächst die der Errichtung zu Grunde liegenden Rechtsakte – insbesondere der Staatsvertrag – herangezogen. Fehlt hier eine Regelung, wird häufig auf das Sitzprinzip zurückgegriffen56 oder von einer Gesamthandsgemeinschaft der beteiligten Länder ausgegangen57. Während sich die Zusammenarbeit der Länder in den beiden zuvor dargestellten Formen der institutionellen Beteiligungsverwaltung und der Mehrländereinrichtung auf den Bereich der Willensbildung, also auf das Vorfeld des Handelns der staatlichen Behörden nach außen, beschränkt und aus diesem Grund derartige Ausgestaltungen als verfassungsrechtlich unproblematisch angesehen werden,58 ist die rechtliche Zulässigkeit der echten Gemeinschaftseinrichtungen sehr umstritten. Abgesehen von dem Ausnahmefall des Art. 130 GG kennt das Grundgesetz diese Form der Zusammenarbeit nicht. Daher fehlt beispielsweise eine Regelung darüber, inwieweit sie den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG entsprechen müssen.59 Diese Bedenken teilt das Bundesverfassungsgericht aber nicht, wenn es in seinem Urteil vom 5. November 1965 zur Verfassungsmäßigkeit des Staatsvertrages über die Errichtung des „Zweiten Deutschen Fernsehens“ als Anstalt des öffentlichen Rechts aus dem Recht der Bundesländer, miteinander Verträge zu schließen, auch die Rechtsmacht folgert, eine bundesweit tätige juristische Person zu schaffen.60 Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Ge-

meinschaftlichen Dienststrafhof für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, vom 8./15. November 1955, NdsGVBl. 1956, S. 16). Ebenso Kisker, S. 272 f. 54 Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 89. 55 Grawert, S. 277. 56 BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, 814. 57 Grawert, S. 259; Kisker, S. 271 ff. 58 Grassl, S. 88. 59 So Kisker, S. 259 f. Soweit dieser zusätzlich anführt, dass auch Regelungen darüber fehlen, ob von einer echten Gemeinschaftseinrichtung erlassene Rechtsnormen einer abstrakten Normenkontrolle zu unterwerfen sind, greifen diese Bedenken nicht durch. Derartige Normen gehören zum Landesrecht der an der echten Gemeinschaftseinrichtung beteiligten Länder. Damit sind sie unproblematisch auch mittels einer abstrakten Normenkontrolle vom Bundesverfassungsgericht überprüfbar. Einer expliziten Regelung im Grundgesetz bedarf es nicht. 60 BVerwGE 22, 299, 306.

I. Verfassungsmäßigkeit der gewählten Formen der Zusammenarbeit

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meinschaftseinrichtungen spricht die Tatsache, dass es sie bereits bei der Verabschiedung des Grundgesetzes gab (beispielsweise die Versorgungsanstalt der Länder und die Süddeutsche Klassenlotterie) und dass sie auch weiterhin fortbestehen sollten. Auch wenn Art. 130 GG lediglich eine Übergangsvorschrift ist, kann davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgeber nicht in Art. 130 Abs. 3 GG die Unzuständigkeit des Bundes für Einrichtungen betont, die unter der künftigen Herrschaft des Grundgesetzes als überhaupt unzulässig gelten sollen.61 Die Abgrenzung zwischen echter Gemeinschaftseinrichtung und institutioneller Beteiligungsverwaltung erweist sich in der Praxis als schwierig. Als Prototyp einer echten Gemeinschaftseinrichtung gilt die Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen“ (ZDF). Das ZDF wird in der Literatur zum Teil als eine rechtsfähige Einrichtung angesehen, die seine Rechtsfähigkeit dem Vertrag verdankt, der seinerseits seine Verbindlichkeit aus der übergeordneten Rechtsordnung (Bundesrecht) herleitet.62 Das Bundesverwaltungsgericht wählte demgegenüber in seinem Urteil vom 5. November 1965 einen anderen Weg und ordnete das ZDF mit Sitz in Mainz schwerpunktmäßig der Rechtsordnung des Landes Rheinland-Pfalz zu.63 Ähnliche Schwierigkeiten stellen sich vorliegend auch bei der rechtlichen Einordnung der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg. Sie werden teilweise als echte Gemeinschaftseinrichtungen angesehen, weil das Wort „gemeinsam“ der prägende Begriff im StV GOG sei, die Obergerichte Siegel mit dem Berliner und dem Brandenburger Landeswappen führen und ihre planmäßigen Richter im Dienste beider Länder stehen.64 Mangels Rechtspersönlichkeit, die bei den gemeinsamen Fachobergerichten unstreitig nicht vorliegt, werden sie als Gerichte „zur gesamten Hand“ eingeordnet, so wie eine Einrichtung gemäß § 718 BGB, die von zwei Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben wird, mit der rechtlich problematischen Konsequenz, dass die gemeinsamen Fachobergerichte an keine der beiden Landesverfassungen gebunden sind und auch keines der beiden Landesverfassungsgerichte zur Überprüfung ihrer Gerichtsentscheidungen befugt ist. Diese Folgen der gewählten Organisation der gemeinsamen Fachobergerichte als echte Gemeinschaftseinrichtungen werden als Fehler des Gesetzgebers angesehen, der es vergessen habe, die gemeinsamen Gerichte der Jurisdiktion der beiden Verfassungsgerichte zu unterwerfen und ihr Verhältnis zu den Verfahrensgrundrechten der beiden Landesverfassungen zu bestimmen.65 61 Kisker, S. 260 f. In Bezug auf die Errichtung gemeinsamer Gerichte sieht Remmert, Jahrbuch des Föderalismus 2005, 206, 209 f. die Form einer echten Gemeinschaftseinrichtung als rechtlich problematisch an. 62 Bothe, Generalbericht, S. 215 ff.; Pietzcker, Landesbericht, S. 54 f. 63 BVerwGE 22, 299, 311; Pietzcker, Landesbericht, S. 60 ff. 64 So Finkelnburg, Gemeinsames Oberverwaltungsgericht, S. 458. 65 Finkelnburg, Gemeinsames Oberverwaltungsgericht, S. 461.

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

Diese Schlussfolgerungen sind aber etwas übereilt. Zwar ist auch der Gesetzgeber vor Fehlern nicht geschützt, vorliegend erscheint es aber zunächst näher liegend, aus den „fehlenden“ Bestimmungen zur Anwendbarkeit der Landesverfassungen und zur Zuständigkeit der Landesverfassungsgerichte im StV GOG den Willen des Gesetzgebers zu lesen, dass die gemeinsamen Fachobergerichte von ihm nicht „freischwebend“ organisiert sind. Wenn in Art. 5 StV GOG peinlich genau geregelt ist, bei welchem Verfassungsverstoß eines Richters das Bundesverfassungsgericht durch wen angerufen werden kann, erscheint es zumindest sehr ungewöhnlich, dass die wichtige Frage, welche Verfassungen anwendbar sind, vergessen worden ist. Darüber hinaus spricht auch die Regelung des Art. 5 StV GOG selbst gegen die Annahme, dass die gemeinsamen Fachobergerichte keiner der beiden Landesverfassungen unterworfen sind. Um gegen eine Landesverfassung i. S. von Art. 5 StV GOG verstoßen zu können, müssen die Richter an den gemeinsamen Fachobergerichten zunächst verpflichtet sein, sich an sie zu halten. Da Art. 5 StV GOG von möglichen Verstößen sowohl gegen die Verfassung von Berlin als auch gegen die Verfassung von Brandenburg ausgeht und beide Verfassungen nicht gleichzeitig gelten können, ist daraus zu schließen, dass die gemeinsamen Fachobergerichte im StV GOG nicht als eine selbständige echte Gemeinschaftseinrichtungen organisiert sind.66 dd) Mischform Als Ergebnis der vorangegangenen Überlegungen lässt sich festhalten, dass die gemeinsamen Fachobergerichte keiner der drei Formen gemeinsamer Einrichtungen zugeordnet werden können. Dies resultiert aus der bereits erwähnten Zweiteilung der Gerichte hinsichtlich ihrer Aufgaben in Rechtsprechung und Selbstverwaltung. Diese Zweiteilung ist auch in den staatsvertraglichen Regelungen ersichtlich: Während Art. 2 Abs. 1 StV GOG festlegt, dass die Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts im Dienst beider Länder (Berlin und Brandenburg) stehen, bestimmt Art. 7 StV GOG, dass die nichtrichterlichen Bediensteten eines gemeinsamen Fachobergerichts im Dienst des Sitzlandes stehen. Hinsichtlich ihrer Selbstverwaltungstätigkeit erscheinen die gemeinsamen Fachobergerichte als eine einheitliche Organisationsform des Sitzlandes, während sie in Bezug auf ihre Rechtsprechungstätigkeit nach beiden Ländern getrennt auftreten. So stehen die Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts im Dienst beider Länder Berlin und Brandenburg und werden durch den gemeinsamen Richterwahlausschuss gewählt, wenn sowohl die Mehrheit seiner Berliner als auch die 66 Ebenso BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, 815, der darauf abstellt, dass die Übertragung eines so bedeutsamen Teils der Rechtsprechungskompetenzen der Länder auf eine von der Berliner Verfassung bzw. von der Brandenburger Verfassung vollkommen abgekoppelte echte Gemeinschaftseinrichtung verfassungswidrig wäre.

I. Verfassungsmäßigkeit der gewählten Formen der Zusammenarbeit

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Mehrheit seiner Brandenburger Mitglieder zustimmt (Art. 2 Abs. 1 StV GOG). Zudem können nach Art. 13 StV GOG Berlin und Brandenburg, soweit die VwGO landesrechtliche Regelungen zulässt, diese für das gemeinsame Oberverwaltungsgericht unabhängig voneinander treffen. Nach der Gesetzesbegründung soll den beiden Ländern damit ausdrücklich die Möglichkeit erhalten bleiben, eigene Regelungen unter anderem über die Besetzung des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts (§ 9 Abs. 3 VwGO), die Bestimmung eines Vertreters des öffentlichen Interesses oder im Hinblick auf die Beteiligtenfähigkeit von Behörden (§ 61 Nr. 3 VwGO) zu treffen oder beizubehalten.67 Da es somit beispielsweise je nach Berliner oder Brandenburger Landesrecht möglich ist, dass der Spruchkörper des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts unterschiedlich – entweder mit drei oder mit fünf Richtern (§ 9 Abs. 3 VwGO) – besetzt ist, ist von einer Trennung der Rechtsprechungstätigkeit der gemeinsamen Fachobergerichte in Berliner und Brandenburger Fälle auszugehen.68 Demnach ist in Bezug auf die Rechtsprechungstätigkeit der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg die Form einer Mehrländereinrichtung – ähnlich der Regelung in Art. 99, 1. Alt. GG für das Bundesverfassungsgericht – gewählt worden.69 Analog der unter Punkt I.2.b)bb) für das Bundesverfassungsgericht als Landesverfassungsgericht dargestellten Zuordnung erfolgt die Zuordnung der Rechtsprechung der gemeinsamen Fachobergerichte ebenfalls nach der ausgeübten Funktion. Bei Berliner Rechtstreitigkeiten übt das gemeinsame Fachobergericht die Funktion eines Berliner Gerichts aus, bei Brandenburger Rechtstreitigkeiten die eines Brandenburger Gerichts. Je nach Rechtsstreit sind die Richter des gemeinsamen Gerichts entweder dem Land Berlin oder dem Land Brandenburg zugeordnet. „Berliner Fälle“ sind solche, für die ohne die Existenz des gemeinsamen Obergerichts das jeweilige frühere Berliner Obergericht nach den hierfür maßgeblichen bundes- und landesrechtlichen Verfahrensvorschriften zuständig gewesen wäre. Entsprechendes gilt für Brandenburger Fälle.70 In Bezug auf die Selbstverwaltungstätigkeit sind die gemeinsamen Fachobergerichte entgegen der bisher geäußerten Auffassung keine echten Gemeinschaftseinrichtungen71, sondern institutionelle Beteiligungsverwaltungen. In diesem Bereich sind sie dem Sitzland zugeordnet. Weder die gemeinsamen Fachobergerichte – mangels ihrer Rechtspersönlichkeit – noch beide Länder zusammen haben die Personalhoheit über die nichtrichterlichen Bediensteten. Diese liegt beim Sitzland, welches hier die Aufgabe des anderen Bundeslandes mit übernimmt. Dies entspricht der Organisation einer institutionellen Beteiligungsver67

AvB Drs. 15/2828, S. 15. BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, 816. 69 Ebenso auch Remmert, Jahrbuch des Föderalismus 2005, 206, 208, 215 f. 70 BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, Ls. 1 u. S. 816; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 260 f. 71 So aber BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, 816. 68

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

waltung. In Rechtstreitigkeiten haben sich die Bediensteten an das Sitzland zu wenden. Die gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg stellen daher eine Mischform aus einer institutionellen Beteiligungsverwaltung in organisatorischer und personeller Hinsicht und einer Mehrländereinrichtung bezüglich ihrer Rechtsprechungstätigkeit dar. Kritisieren könnte man an dieser gewählten Organisation, dass sie die Herausbildung einer einheitlichen Rechtsprechung erschwert, weil je nach Ausgangsfall das gemeinsame Gericht die unter Umständen unterschiedliche Rechtsprechung der beiden Landesverfassungsgerichte auf der Grundlage der jeweiligen Landesverfassung beachten muss. Demgegenüber bewahrt die gewählte Ausgestaltung der gemeinsamen Gerichte beide Länder vor einer zu weitgehenden Abgabe ihrer Landeskompetenzen. c) Die Reichweite der gerichtlichen Entscheidungen Nachdem die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg hinsichtlich ihrer Rechtsprechungstätigkeit als Mehrländereinrichtungen qualifiziert worden sind, spricht folglich jedes Land sein eigenes Recht. Ist der Ausgangsfall im Land Berlin angesiedelt, so urteilt das zuständige gemeinsame Fachobergericht als solches des Landes Berlin. Ist der Ausgangsfall demgegenüber im Land Brandenburg angesiedelt, so urteilt dasselbe zuständige gemeinsame Fachobergericht als ein solches des Landes Brandenburg. Folglich bestimmt sich das auf den konkreten Fall anwendbare Recht jeweils danach, für welches Land das Gericht im Einzelfall handelt.72 Die Frage, ob die Urteile der gemeinsamen Fachobergerichte für das das Land Berlin und das Land Brandenburg umfassende Gebiet oder nur auf dem Landesgebiet, für das das gemeinsame Fachobergericht im konkreten Fall Recht gesprochen hat, gelten, ist unproblematisch zu beantworten. Hier regelt § 160 GVG i. V. mit §§ 56 Abs. 2, 167, 173 VwGO allgemein, dass beispielsweise alle Urteile der Verwaltungsgerichte im ganzen Bundesgebiet gelten, ohne dass sie von den örtlich zuständigen Gerichten für vollstreckbar erklärt werden müssen.73 d) Zwischenergebnis Sowohl die institutionelle Beteiligungsverwaltung als auch die Mehrländereinrichtung sind ihrer Form nach rechtlich unproblematisch, so dass abschließend festgehalten werden kann, dass die im StV GOG gewählten Formen der Zusammenarbeit beider Länder verfassungsmäßig sind. 72

Siehe zu Mehrländereinrichtungen allgemein in Kapitel C. unter Punkt II.2.a)bb). Für die Arbeitsgerichtsbarkeit, die Sozialgerichtsbarkeit und die Finanzgerichtsbarkeit finden sich die gleichen Verweise auf § 160 GVG in den §§ 9 Abs. 2, 62 ArbGG, den §§ 63, 198 SGG sowie den §§ 53, 150 ff., 155 FGO. 73

II. Verfassungsmäßigkeit der geregelten Inhalte

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II. Verfassungsmäßigkeit der geregelten Inhalte Nachdem hinsichtlich der gewählten Kooperationsformen keine rechtlichen Probleme aufgetreten sind, sind in einem zweiten Schritt im Folgenden die im StV GOG geregelten Inhalte näher zu betrachten. Eine rechtliche Unzulässigkeit der im StV GOG getroffenen Regelungen kann sich aus Bundesverfassungsrecht, einfachem Bundesrecht oder Landesverfassungsrecht ergeben. 1. Ermächtigung des Landesgesetzgebers Eine allgemeine Grenze bildet zunächst die sachliche Zuständigkeit der Länder. Nur über Gegenstände, die nach dem Grundgesetz der Herrschaftsbefugnis der Länder unterliegen, können diese Vereinbarungen miteinander treffen. Wo diese Befugnis fehlt, muss sich jedes Bundesland nicht nur einer einseitigen, sondern auch einer gemeinsamen Tätigkeit mit anderen Ländern enthalten.74 Grundsätzlich werden nach Art. 92 GG die Gerichte von den Ländern eingerichtet, soweit das Grundgesetz nicht die Errichtung von Bundesgerichten vorsieht. Gemäß Art. 95 GG hat der Bund den Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht zu errichten. Darüber hinaus hat er von den Möglichkeiten des Art. 96 GG Gebrauch gemacht und etwa das Bundespatentgericht geschaffen. Der größte Teil der Gerichtsorganisation obliegt aber den Ländern.75 So auch die im StV GOG geregelten Gerichte. Die Organisation dieser Gerichte liegt in der Kompetenz der Länder Berlin und Brandenburg. Zu unterscheiden ist die Organisation der Gerichte im Rahmen der Ausführung von Gesetzen aber von den ihr zugrundeliegenden Gesetzgebungskompetenzen. Die Zusammenlegung der Gerichte betrifft die Regelungsmaterie der Gerichtsverfassung, die gemäß Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes gehört. Aus der Tatsache, dass Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG dem Bundesgesetzgeber allgemein die Zuständigkeit zur Gesetzgebung in Fragen der Gerichtsverfassung zuspricht, wird geschlossen, dass sich Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, anders als die Artt. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1, nicht nur auf die mit Bundesrecht, sondern auch auf die vorliegend untersuchten, mit Landesrecht befassten Gerichte bezieht.76 In diesem Bereich haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz und damit die Befugnis zur Errichtung der Gerichte ge-

74 Maunz, NJW 1962, 1641; Schneider, DÖV 1957, 644, 646; Zacher, BayVBl 1971, 321, 323 f. 75 Hanebeck, S. 270. 76 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 74, Rdnr. 72 ff., der lediglich die Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder, die Standesgerichte und die Disziplinargerichte als von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht erfasst ansieht.

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

mäß Art. 72 Abs. 1 i. V. mit Art. 30 GG nur, solange der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht abschließend Gebrauch gemacht hat.77 Letzteres ist vorliegend aber der Fall. Insbesondere die Zuständigkeit der einzelnen Gerichte ist bundeseinheitlich geregelt, der den Ländern verbleibende Spielraum ist, abgesehen von der Landesverfassungsgerichtsbarkeit, minimal.78 Die Länder sind bundesrechtlich durch § 2 VwGO, § 2 FGO, § 28 SGG und § 33 ArbGG verpflichtet, jeweils ein Oberverwaltungsgericht, ein Finanzgericht, ein Landessozialgericht sowie ein Landesarbeitsgericht zu errichten. Gleichzeitig werden sie in § 3 Abs. 2 VwGO für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, in § 33 S. 2 i.V. m. § 14 Abs. 3 ArbGG für die Arbeitsgerichtsbarkeit, in § 3 Abs. 2 FGO für die Finanzgerichtsbarkeit und in § 28 Abs. 2 SGG für die Sozialgerichtsbarkeit ermächtigt, diese Gerichte zu gemeinsamen Gerichten zusammenzulegen.79 Innerhalb dieses vom Bundesgesetzgeber eröffneten Rahmens bestimmen die Landesverfassungen der Länder Berlin und Brandenburg die Grenzen der zulässigen Zusammenarbeit beider Länder. In Berlin sieht Art. 96 S. 2 VvB ausdrücklich vor, dass zwischen Berlin und anderen Ländern gemeinsame Gerichte gebildet werden können. Zudem bestimmt Art. 82 Abs. 3 VvB, dass für gemeinsame Gerichte des Landes Berlin mit anderen Ländern durch Staatsvertrag Zuständigkeiten und Verfahren abweichend von den Absätzen 1 und 2 bestimmt werden können. Dieser Absatz 3 ist am 1. September 2004 in Art. 82 VvB eingefügt worden,80 nachdem im April 2004 die Länder Berlin und Brandenburg den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte unterzeichnet hatten. Hierdurch wird ausdrücklich klargestellt, dass für gemeinsame Gerichte abweichende Regelungen für die Ernennung der Berufsrichter und Präsidenten möglich sind, hinsichtlich der Zuständigkeiten und des Verfahrens aber von dem allgemeinen Anforderungsprofil, das Art. 82 Abs. 1 VvB für die Berufsrichter aufstellt, nicht abgewichen werden darf.81 In der Brandenburger Verfassung fehlt demgegenüber – wie bereits angesprochen – eine ausdrückliche Ermächtigung. Art. 109 Abs. 4 BbgVerf regelt aber indirekt die Zulässigkeit der Errichtung gemeinsamer Gerichte mit anderen Ländern, weil er für diese Fälle bestimmt, dass durch Staatsvertrag Abweichendes von seinen Absätzen 1 bis 3 geregelt werden könne.82 77

Stettner, in: Dreier, GG, Art. 72, Rdnr. 24 f. Hanebeck, S. 270; Hense, HStR VI3, § 137, Rdnr. 34. 79 Zur Zusammenarbeit in der Rechtsprechung siehe auch Hense, HStR VI3, § 137, Rdnr. 41 ff. 80 Viertes Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin, vom 1. September 2004, BlnGVBl. 2004, S. 367. 81 Driehaus, VvB, Art. 82, Rdnr. 8. 82 Finkelnburg, Gemeinsames Oberverwaltungsgericht, S. 458 sieht hier ebenfalls eine indirekte Ermächtigung zur Schaffung gemeinsamer Gerichte, hält eine direkte Ermächtigung aber für angemessener. 78

II. Verfassungsmäßigkeit der geregelten Inhalte

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Damit liegen sowohl bundesrechtliche als auch landesverfassungsrechtliche Ermächtigungen für die im StV GOG geregelten Inhalte vor. Es ist im Folgenden zu untersuchen, ob die konkreten Regelungen des StV GOG den verfassungsmäßigen und bundesrechtlichen Vorgaben entsprechen. 2. Demokratieprinzip Gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Die Ausübung jeglicher staatlicher Macht bedarf daher der Legitimation durch das Volk. Sie muss in einer „ununterbrochenen demokratischen Legitimationskette“ auf das Volk zurückführbar sein. Das Bundesverfassungsgericht spricht hier von einem „Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft“.83 Die Unterwerfung eines Landesvolks unter den Willen eines fremden Parlaments würde dem Demokratieprinzip widersprechen.84 Dabei kann auch die unklare Zuordnung der Einrichtung zu einem Bundesland demokratisch problematisch sein, weil hier die Gefahr der Verwischung von Verantwortung besteht.85 Die demokratische Legitimation der rechtsprechenden Gewalt unterliegt einigen Besonderheiten.86 Sie wird als „gewollt lückenhaft“ 87 bzw. als „verfassungsrechtlich . . . prekär“ 88 bezeichnet. Dies ist das Ergebnis der immanenten Auslegungsspielräume und des Entscheidungszwangs der Gerichte sowie „struktureller demokratischer Unverantwortlichkeit der Richter“ infolge der richterlichen Neutralität. Diese Lücke wird durch interne Kontrollmechanismen wie beispielsweise der kollegialen Entscheidungsfindung in den Kammern und des Instanzenzugs kompensiert.89 Auch wenn die inhaltliche Legitimation gewissen Besonderheiten unterliegt und nicht wie in der Exekutive durch die Rechtsaufsicht vermittelt wird, ist zumindest eine demokratische Legitimation in personeller Hinsicht über die Perso83 BVerfG 83, 60, 71 f. Ausführlich zur demokratischen Legitimation BVerfGE 93, 37, 66 ff.; Böckenförde, HStR III3, § 34, Rdnr. 16 ff. Siehe auch Bothe, Generalbericht, S. 220 f.; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 23 f.; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 675 f. 84 Kisker, S. 119 u. 143. 85 Bothe, Generalbericht, S. 220 f.; Kisker, S. 233; Pietzcker, Landesbericht, S. 60 ff. 86 Siehe hierzu in der Literatur Arnst, S. 77; Kramer, NJW 2009, 3079 ff.; Roellecke, Demokratische Legitimation, S. 553 ff.; Tschentscher, S. 145 ff.; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 676 ff.; Wittreck, S. 114 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen insbes. auf S. 115 (in Fn. 2). 87 Arnst, S. 77. 88 Kramer, NJW 2009, 3079, 3082. 89 Arnst, S. 77; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 679 f., der als zusätzliche Abstützungen der demokratischen Legitimation des Richters das Öffentlichkeitsprinzip, das Begründungserfordernis, die Qualifikation der Berufsrichter und die Beteiligung ehrenamtlicher Richter nennt. Siehe hierzu auch Wittreck, S. 163 unter der Überschrift „Informale Mechanismen zur Sicherung der Gesetzesbindung“.

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

nalhoheit der Exekutive und eine inhaltliche Legitimation durch die Bindung der Richter an das Gesetz gewährleistet.90 Soweit die gemeinsamen Fachobergerichte in Bezug auf ihre Selbstverwaltungstätigkeit die Form der institutionellen Beteiligungsverwaltung haben, wird der Legitimationszusammenhang über das nach demokratischen Grundsätzen gebildete und kontrollierte Landesjustizministerium des Sitzlandes hergestellt. Gemäß Art. 8 Abs. 1 StV GOG unterstehen sie in diesem Bereich der Aufsicht des Sitzlandes. Damit sind sie klar einem Landesvolk, nämlich dem des Sitzlandes, zugeordnet. Fraglich ist damit die Legitimationskette zum Volk des jeweils anderen Landes. Diese kann nur über den StV GOG verlaufen. Mit der Zustimmung zum Staatsvertrag, in dem die Einrichtung eines Gerichts als institutionelle Beteiligungsverwaltung des anderen Landes festgeschrieben wurde, hat das zustimmende Parlament die Mitarbeiter des anderen Landes mittelbar legitimiert. Andernfalls würden institutionelle Beteiligungsverwaltungen schlechthin an dem aus dem Demokratieprinzip hergeleiteten Erfordernis der unmittelbaren Legitimation aller staatlichen Gewalt scheitern. Hinsichtlich ihrer Rechtsprechungstätigkeit unterliegt die unmittelbare Legitimationskette zwischen den Landesvölkern und den gemeinsamen Fachobergerichten der Unabhängigkeit der Richter geschuldeten Besonderheiten. Richter sind bei ihrer Rechtsprechungstätigkeit anders als Verwaltungsbeamte unabhängig und stehen damit in keinem Verantwortungszusammenhang. Dennoch muss, wie oben dargestellt, die gewählte Form der Mehrländereinrichtung auch hinsichtlich der Rechtsprechungstätigkeit eine Rückführung sowohl auf das Volk des Landes Berlin als auch auf das Volk des Landes Brandenburg gewährleisten. Diese demokratisch erforderliche Verbindung zum Staatsvolk erfolgt zum einen durch das Verfahren der Richterernennung. Gemäß Art. 2 StV GOG werden die Richter eines gemeinsamen Fachobergerichts auf einvernehmlichen Vorschlag des zuständigen Senators und des zuständigen Ministers durch den gemeinsamen Richterwahlausschuss gewählt. Der gemeinsame Richterwahlausschuss besteht aus den Mitgliedern der Richterwahlausschüsse beider Länder. Erforderlich für die Wahl sind die Mehrheit der Berliner und die Mehrheit der Brandenburger Mitglieder des gemeinsamen Richterwahlausschusses. Die Richter werden gemeinschaftlich von den Landesregierungen ernannt und entlassen; die Urkunden werden gemeinsam vollzogen. Durch dieses Verfahren wird ein Zurechnungszusammenhang der Richter sowohl zum Berliner Landesvolk als auch zum Brandenburger Landesvolk geknüpft. Kein Land kann durch das andere überstimmt werden. Unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips begegnet das Verfahren keinen rechtlichen Bedenken. Hinsichtlich der bereits vor Errichtung der ge90 Hempel, S. 267; Kramer, NJW 2009, 3079, 3082; Tschentscher, S. 169 ff.; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 676 ff.; Wittreck, S. 126 ff. Zur Richterwahl siehe bereits ausführlich Böckenförde, Richterwahl, S. 40 ff.

II. Verfassungsmäßigkeit der geregelten Inhalte

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meinsamen Fachobergerichte bei diesen tätigen Richter regelt Art. 29 Abs. 1 StV GOG, dass diese automatisch planmäßige Richter des gemeinsamen Fachobergerichts werden. Der Zurechnungszusammenhang zum jeweils anderen Staatsvolk wird hier über den Staatsvertrag, dem beide Landesparlamente zugestimmt haben, hergestellt. Zum anderen wird der Verantwortungszusammenhang durch die Kontrolle der Richter im Rahmen der Dienstaufsicht des Sitzlandes (Art. 4 Abs. 2 StV GOG) gewährleistet sowie im Rahmen des Art. 5 StV GOG, wonach ein Richter vom Bundesverfassungsgericht entlassen werden kann, wenn er gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes Berlin oder des Landes Brandenburg verstößt. Unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips stellt sich demnach die konkrete Ausgestaltung der gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg als verfassungsrechtlich unbedenklich dar. 3. Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip spielt im Bereich der Judikative eine besondere Rolle. Daher ist es hinsichtlich der im StV GOG getroffenen Regelungen besonders zu untersuchen. a) Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG Wenn der StV GOG beispielsweise in Art. 21 Abs. 2 regelt, dass die Auswahl der Computerhard- und -software im Einvernehmen beider Länder erfolgt und, falls dieses nicht erreichbar ist, durch die zuständige Senatsverwaltung oder das zuständige Ministerium des Sitzlandes, dann fällt diese Regelung nicht unter die Gegenstände der Gesetzgebung im Sinne des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG91 und müsste folglich nicht in der Form eines Staatsvertrages erfolgen. Fraglich ist, ob durch den Erlass eines Staatsvertrages in den Bereich der Exekutive unzulässig eingegriffen worden ist, weil sie hinsichtlich der genannten Regelungen auch ein Verwaltungsabkommen hätte abschließen können. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu beachten, dass die Gesetzgebung verfassungsrechtlich nicht auf das unbedingt Notwendige begrenzt ist. Vielmehr entscheidet der Gesetzgeber grundsätzlich nach eigenem Ermessen, was er sinnvoller Weise regeln möchte.92 Zumindest in den Fällen, in denen Zweifel darüber bestehen, ob der Gesetzesvorbe91

Siehe hierzu in Kapitel C. unter Punkt I.1.a). Fastenrath, DÖV 2008, 697, 705. Ebenso Kilian, LKV 2008, 248, der das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt zwar nicht unter die zwingenden Gegenstände völkervertraglicher Regelung i. S. v. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG zählt, eine solche Regelung aber im Hinblick auf die besondere Bedeutung als rechtlich möglich und in der Praxis üblich ansieht. 92

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

halt eingreift und daher ein Staatsvertrag zu schließen ist oder aber ein Verwaltungsabkommen genügt, kann aus Gründen der Rechtssicherheit die Form des Staatsvertrages gewählt werden.93 Trotz dieses weiten Ermessensspielraums des Gesetzgebers muss dieser das Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG beachten. Es dient der Verteilung von politischer Macht und Verantwortung sowie der Kontrolle der Machtträger. Art. 20 Abs. 2 GG gliedert die Staatstätigkeit in die drei Funktionen Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung und konstituiert und legitimiert jeweils besondere Organe zur Wahrnehmung dieser Funktionen.94 Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen, und er wirkt auf eine Mäßigung der Staatsgewalt insgesamt hin.95 Das Grundgesetz schreibt aber keine strikte Gewaltentrennung vor, sondern geht von einer Gewaltenverschränkung aus. Ein Eingriff in den Funktionsbereich einer anderen Gewalt ist nicht grundsätzlich unzulässig. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist lediglich dann verletzt, wenn eine Teilgewalt einseitig ein Übergewicht erhält oder ein Eingriff in den Kernbereich einer anderen Gewalt vorliegt.96 Der Kernbereich der Legislative umfasst unter diesem Gesichtspunkt diejenigen Aufgaben, für deren Erfüllung die Exekutive ungeeignet ist bzw. die Legislative die allein maßgeblichen Leistungsmerkmale besitzt. Der Kernbereich der Exekutive beschreibt demgegenüber den Bereich, in dem sich die Legislative als ungeeignet zur Aufgabenerfüllung erweist bzw. in dem die Exekutive über die allein maßgeblichen Leistungsmerkmale verfügt.97 Der Gewaltenteilungsgrundsatz könnte vorliegend die Regelungsbereiche im StV GOG begrenzen, wenn sie in einen verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der Exekutive eingreifen. Hier wird neben den Regierungsvorbehalten von „Verwaltungsvorbehalten“ gesprochen.98 Eine Grenze des Gesetzesvorbehaltes wird bei wesentlichen Aufgaben gesehen, die vor allem Flexibilität verlangen 93 Lieber, in: Simon u. a., § 13 Rdnr. 21; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 60; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 244; Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 9; Warmke, Verw 24 (1991), 455, 458. 94 BVerfGE 7, 183, 188; 30, 1, 27 f.; Kuhl, S. 105. 95 BVerfGE 34, 52, 59; 68, 1, 86; 95, 1, 15. 96 BVerfGE 9, 268, 279 f.; 34, 52, 59; 95, 1, 15; Kuhl, S. 128. 97 Kuhl, S. 140. Kritiker des Kernbereichsmodells wenden ein, dass dieses Modell an der Schwierigkeit der Kernbereichsbestimmung scheitere. Es fehle bereits an einem Bestand, dessen Kern zu ermitteln wäre (Achterberg, S. 201; Degenhart, NJW 1984, 2184, 2187). 98 Hierzu ausführlich Kuhl, der sich den Nachweis eines exekutiven Kernbereichs zum Ziel gesetzt hat. Er sieht in Art. 83 GG einen Hinweis auf die Existenz eines allgemeinen Verwaltungsvorbehaltes, der ein gewisses Maß an Gesetzesvollzug bei der Verwaltung fordere (S. 31). Siehe auch Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135 ff.

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und für die die überlegene Leistungsfähigkeit der Exekutive benötigt wird.99 Das Recht, allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen, sei „Hausmacht“ der Verwaltung.100 Diese Überlegungen führen beim StV GOG aus mehreren Gründen nicht weiter. Zum einen hat die Exekutive den Vertragstext ausgehandelt, und die Regierungsoberhäupter beider Länder – der Regierende Bürgermeister von Berlin und der Ministerpräsident von Brandenburg – waren im Abschlussverfahren des StV GOG beteiligt.101 Da die beiden Regierungsoberhäupter durch die Legislative nicht zur Ratifikation verpflichtet waren,102 sie ihn aber dennoch ratifiziert haben, kann der Erlass des StV GOG kein Eingriff der Legislative in den Kernbereich der Exekutive sein. Zum anderen würde ein gegenteiliges Ergebnis in der Praxis dazu führen, dass die Regelung ein und derselben Materie in zwei Dokumenten (Staatsvertrag und Verwaltungsabkommen) zerpflückt werden müsste. Dies ist zwar beispielsweise bei Gesetzen nicht unüblich, die die Exekutive zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen;103 gerade im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern sollte es aber aus praktischer Sicht beiden Ländern soweit wie möglich offen stehen, in wievielen Dokumenten sie ausgehandelte Kompromisse verfassen. Ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 GG durch die im StV GOG getroffenen Regelungen liegt nicht vor. b) Rechtsschutz des Bürgers Weiterhin ist nach dem Rechtsschutz der Bürger gegen Entscheidungen der gemeinsamen Fachobergerichte zu fragen. Gemäß Art. 19 Abs. 4 GG darf der Rechtsschutz der Bürger durch die gewählte Kooperationsform nicht verkürzt oder erschwert werden.104 aa) Verkürzung des Rechtswegs Zunächst darf der Rechtsweg durch die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte Berlin-Brandenburg nicht verkürzt worden sein. Hier stellt sich die Frage nach der Überprüfbarkeit gerichtlicher Entscheidungen der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg durch die Landesverfassungsgerichtsbarkeit. 99

Kuhl, S. 98 f. Grawert, S. 172. 101 Siehe hierzu oben unter Punkt I.1.b) in diesem Kapitel. 102 Ausführlich hierzu in Kapitel C. unter Punkt I.1.c)bb)(3). 103 Als prominente bundesrechtliche Beispiele seien hier die StVO auf der gesetzlichen Grundlage des StVG und die BauNVO auf der Grundlage des BauGB genannt. 104 Bothe, Generalbericht, S. 224; Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 93. 100

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

Grundsätzlich können Entscheidungen der Fachgerichtsbarkeit der Länder durch das Verfassungsgericht des jeweiligen Landes überprüft werden, im Land Brandenburg durch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg und im Land Berlin durch den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Vorliegend erscheint aber problematisch, welches der beiden Landesverfassungsgerichte bei Entscheidungen der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg zuständig ist. Weder im StV GOG noch in den begleitenden Gesetzen ist die Zuständigkeit der jeweiligen Landesverfassungsgerichte bei Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen eines gemeinsamen Obergerichts geregelt. Nach Art. 84 Abs. 2 Nr. 5 VvB i.V. mit § 49 Abs. 1 BerlVerfGHG setzt die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde an den Berliner Verfassungsgerichtshof voraus, dass der Beschwerdeführer eine Verletzung von in der Berliner Verfassung verbürgten Rechten durch die öffentliche Gewalt des Landes Berlin rügt. Die Zuständigkeit richtet sich folglich danach, ob bei den Urteilen der gemeinsamen Fachobergerichte öffentliche Gewalt des Landes Berlin oder des Landes Brandenburg ausgeübt wird. Welchem Hoheitsträger die Ausübung öffentlicher, das heißt hoheitlicher Gewalt zuzuordnen ist, richtet sich im Bundesstaat grundsätzlich nach dem handelnden Organ.105 Entsprechend der Organisation der gemeinsamen Fachobergerichte als Mehrländereinrichtung hängt dies, wie oben unter Punkt I.2.b)dd) bereits dargestellt, davon ab, wo der Ausgangsfall angesiedelt ist. Ist der Ausgangsfall in Berlin angesiedelt, wird das gemeinsame Fachobergericht Berlin-Brandenburg als Fachobergericht des Landes Berlin tätig. Ist der Ausgangsfall im Land Brandenburg angesiedelt, wird dasselbe gemeinsame Fachobergericht als Fachobergericht des Landes Brandenburg tätig. Damit übt das gemeinsame Fachobergericht öffentliche Gewalt jeweils unabhängig immer nur für eines der beiden Länder aus, das heißt entweder für das Land Berlin oder für das Land Brandenburg. Dementsprechend sind die Entscheidungen der gemeinsamen Fachobergerichte entweder vom Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin oder vom Verfassungsgericht des Landes Brandenburg überprüfbar. Neben dem Rechtsweg zu den Landesverfassungsgerichten besteht zudem die Möglichkeit der Überprüfung der fachobergerichtlichen Entscheidung durch Bundesgerichte. Hier ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber den für jedes Bundesland einzeln bestehenden Fachobergerichten, so dass der Rechtsweg des Bürgers durch die Errichtung der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg insgesamt nicht verkürzt ist. bb) Erschwerung des Rechtswegs Als zweites Problem stellt sich eine etwaige Erschwerung des Rechtswegs. Diese Erschwerung könnte zunächst durch die Doppelstellung in der Rechtspre105

BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, 814.

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chungstätigkeit der gemeinsamen Fachobergerichte gegeben sein, weil die Gerichte sich dem rechtsuchenden Bürger statt in der gewohnten Vereinzelung nunmehr als Gesamtgericht, als nur gemeinsam arbeitende Richter präsentieren. Das könnte auf eine Schwächung der Position des Bürgers hinauslaufen.106 Grundsätzlich knüpft die Organisation der gemeinsamen Gerichte aber an die beiden beteiligten Bundesländer Berlin und Brandenburg an, und diese bleiben in der Verantwortung. Dass durch die gewählte Organisationsform der Rechtsweg der Bürger erschwert wird, ist nicht ersichtlich. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 GG wurde insbesondere das gemeinsame Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus teilweise als verfassungswidrig angesehen, weil durch den „entlegenen“ Gerichtsstandort der Zugang des Rechtsuchenden zum Gericht über das unabdingbare Maß hinaus erschwert worden sei.107 Auf diese Argumentation gestützt, erhob ein Richter am FG Berlin am 30. Juni 2005 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht.108 Diese Bedenken können jedoch nicht überzeugen, weil auch Cottbus für den Rechtsuchenden mit zumutbarem Aufwand erreichbar ist.109 Das Finanzgericht Cottbus liegt im Süden des Landes Brandenburg – ca. 130 km vom Berliner Zentrum und ca. 250 km von den nördlichen Teilen Brandenburgs entfernt. Hierin kann keine unzumutbare Erschwerung für den Rechtsschutzsuchenden gesehen werden. Hinzu tritt die mit der modernen Technik mögliche, leichtere Erreichbarkeit des Finanzgerichts. § 52a FGO ermöglicht den Verfahrensbeteiligten, elektronische Dokumente an das Gericht zu übermitteln. Hierfür wurde am Finanzgericht Cottbus ein „Elektronischer Briefkasten“ eingerichtet.110 Auch bei den Gerichtsverhandlungen muss der rechtsuchende Bürger nicht mehr zwingend das Gericht persönlich aufsuchen. Wie bereits dargestellt, ist am Finanzgericht Cottbus den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eröffnet, von den Räumen der Steuerberaterkammer Berlin aus an den mündlichen Verhandlungen des Gerichts teilzunehmen.111 Diese gerichtliche Praxis findet ihre gesetzliche Grundlage in § 91a FGO.

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Kisker, S. 273. Pestalozza, LKV 2004, 396, 398 f. 108 Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung an. Ohne auf die konkreten Argumente des Beschwerdeführers einzugehen, scheiterte die Beschwerde bereits an der mangelnden unmittelbaren Betroffenheit der Richter am FG Berlin. Nicht der angegriffene Staatsvertrag, sondern erst eine Versetzungsverfügung an das gemeinsame Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus könnte eine unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers auslösen (BVerfG, LKV 2007, 79). 109 Driehaus, VvB, Art. 82, Rdnr. 9. 110 Im Internet unter http://www.finanzgericht.berlin.brandenburg.de. Zu den Anforderungen an den elektronischen Rechtsverkehr siehe Brandis, StuW 2003, 349, 353 f. 107

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

Die Verhandlungsführung finanzgerichtlicher Gerichtsverfahren per Videokonferenz ist rechtlich unproblematisch, soweit, wie beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg, keine Aufzeichnung der Verhandlungen stattfindet. Die Übertragung der Verhandlung wirft keine Probleme hinsichtlich der Vertraulichkeit auf, weil Gerichtsverhandlungen grundsätzlich öffentlich sind.112 Sollte eine Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit per Videokonferenz abgehalten werden, muss das technische System in einer Weise ausgestattet sein, dass es den rechtlichen Anforderungen an den Datenschutz entspricht. Einzelheiten dieser technischen Voraussetzungen sollen in der vorliegenden Untersuchung nicht weiter erörtert werden. In der Literatur wird dazu festgestellt, dass jedenfalls der technische Aufwand für das theoretisch mögliche Abhören der Datenleitungen nicht geringer sei als für einen illegalen Lauschangriff auf eine Gerichtsverhandlung in einem Saal.113 Alle in der Literatur darüber hinaus diskutierten Fragen sind eher rechtspolitischer Natur. So wird beispielsweise diskutiert, ob eine Zeugenvernehmung per Videokonferenz einer Zeugenvernehmung im Gerichtssaal gleichwertig ist, weil im Gerichtssaal die Hemmschwelle des Zeugen zum Lügen höher sei und der Richter sich seinen „persönlichen Eindruck“ vom Zeugen besser in natura als an einem Bildschirm bilden könne.114 Die Gestattung oder Ablehung einer Verfahrensbeteiligung per Videokonferenz ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts, die gemäß § 128 Abs. 2 FGO als prozessleitende Verfügung unanfechtbar ist.115 Daher kann jeder Richter für sich selbst beurteilen, ob er Zeugenvernehmungen ausschließlich im Gerichtssaal oder auch per Videokonferenz durchführen möchte. § 93a FGO eröffnet ihm jedenfalls die Möglichkeit auch zu Letzterem. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Videokonferenzschaltung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg rechtlich nicht zu beanstanden ist. cc) Die Verfahrenspraxis des Finanzgerichts Cottbus Trotz der Verfassungsmäßigkeit des gewählten Gerichtsstandortes für das gemeinsame Finanzgericht in Cottbus werden in der gerichtlichen Praxis Möglichkeiten zur Vermeidung unnötigen Aufwandes bei den Gerichtsentscheidungen gesucht. So werden die mündlichen Verhandlungen des gemeinsamen Finanzge111 Siehe hierzu und zu der tatsächlichen Nutzung dieser Möglichkeit in Kapitel C. unter Punkt III.3.b). Zu Videokonferenzen in der Finanzgerichtsbarkeit siehe Burkhard, DStZ 2003, 639 ff.; Geiger, ZRP 1998, 365 ff.; Schaumburg, ZRP 2002, 313 ff. 112 Burkhard, DStZ 2003, 639, 645. 113 Geiger, ZRP 1998, 365, 366. 114 Brandis, StuW 2003, 349, 363; Geiger, ZRP 1998, 365, 367 f.; Schaumburg, ZRP 2002, 313, 314. 115 Burkhard, DStZ 2003, 639, 647; Brandis, StuW 2003, 349, 364; Seer, in: Tipke/ Kruse, FGO, § 128, Rdnr. 25.

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richts im Einvernehmen der Parteien des Öfteren nicht in Cottbus, sondern an ständig wechselnden Standorten (zum Teil auch in Finanzämtern) in Berlin abgehalten. Diese Praxis beruht auf dem Kompromissvorschlag, den der Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung des Berliner Abgeordnetenhauses im Vertragsabschlussverfahren aushandelte, um die Zustimmung der Parlamentarier trotz des umstrittenen Gerichtsstandortes Cottbus zu erlangen.116 Die Ausschussmitglieder einigten sich auf die Ergänzung der Vorlage um eine Protokollnotiz, worin sie den Senat aufforderten, durch den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung mit dem Land Brandenburg Verhandlungen des Finanzgerichts auch in Berlin zu ermöglichen.117 Daraufhin schlossen die Länder Berlin und Brandenburg am 1. Juli 2005 ein den Staatsvertrag konkretisierendes Verwaltungsabkommen, das unter anderem die Durchführung auswärtiger Sitzungen behandelt. Das Fachobergerichtsverwaltungsabkommen (FOGVwA)118 wurde am 7. September 2005 veröffentlicht. Gemäß Art. 1 FOGVwA hat, soweit eines der vier gemeinsamen Fachobergerichte eine Sitzung außerhalb des Gerichtssitzes abhalten möchte, das Land, auf dessen Gebiet die Sitzung stattfinden soll, einen Sitzungssaal, ein Beratungszimmer, einen Computer-Bildschirmarbeitsplatz nebst Drucker für die Protokollführung sowie – auf besondere Anforderung des Gerichts – auch eine Protokollkraft zur Verfügung zu stellen. Diese Vereinbarung geht über die parlamentarische Aufforderung sogar hinaus, weil nicht lediglich das gemeinsame Finanzgericht, sondern alle gemeinsamen Fachobergerichte Sitzungen im jeweils anderen Bundesland abhalten können. In der Praxis rege genutzt wird dies aber vor allem vom gemeinsamen Finanzgericht, aufgrund seines abgelegenen Sitzes in Cottbus. Dieser im Fachobergerichtsverwaltungsabkommen gefundene Kompromiss muss aber auch rechtlich zulässig sein. In Bezug auf das gemeinsame Finanzgericht regelt § 91 Abs. 3 FGO, dass die Sitzungen grundsätzlich am Gerichtssitz abzuhalten sind. Gleichlautende Rege116 Cottbus wurde von den Berliner Parlamentariern aufgrund seiner berlinfernen Lage und der schlechten Verkehrsanbindung als ungeeignet für den Sitz des gemeinsamen Finanzgerichts angesehen (AvB Plprot. 15/50, S. 4188 bis 4193). Beispielhaft AvB Plprot. 15/50, S. 4188: „Cottbus liegt doch nicht auf dem Mond.“, „Aber fast“, „Auch nicht fast“, auf den nachfolgenden Seiten dann mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema. 117 Der Wortlaut der Protokollnotiz lautet: „1. Der Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung fordert den Senat auf, zum Zeitpunkt der Errichtung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg durch das Vorhalten gerichtsüblicher Räumlichkeiten nebst Infrastruktur und durch den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung mit dem Land Brandenburg dafür Sorge zu tragen, dass bei Bedarf Verhandlungen des Finanzgerichts auch in Berlin stattfinden können.“ (AvB Drs. 15/3089). 118 Bekanntmachung über das In-Kraft-Treten des Verwaltungsabkommens zum Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg (Fachobergerichtsverwaltungsabkommen – FOGVwA –), vom 26. Juli 2005, ABl Bbg vom 7. September 2005, S. 838.

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

lungen existieren für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in § 102 Abs. 3 VwGO und für die Sozialgerichtsbarkeit in § 110 Abs. 2 SGG.119 Der Bürger hat folglich kein Recht auf die Verlegung der Sitzung an einen anderen Ort.120 Die §§ 91 Abs. 3 FGO, 102 Abs. 3 VwGO und 110 Abs. 2 SGG lassen aber auch auswärtige Sitzungen zu, soweit sie sachdienlich sind. An das Erfordernis der Sachdienlichkeit werden hierbei keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Eine auswärtige Sitzung ist bereits dann sachdienlich, wenn sie voraussichtlich zu einer wesentlichen Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens beiträgt, insbesondere wenn für die Mehrzahl der Beteiligten oder der zu hörenden Zeugen der gewählte Verhandlungsort günstiger liegt,121 bzw. eine erhebliche Kosteneinsparung zu erwarten ist.122 Angesichts der Größe vieler Gerichtsbezirke kann es sich zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sowie zur Kostenersparnis empfehlen, die Verhandlung an dem Ort oder in der Nähe des Ortes abzuhalten, an dem sich die Beteiligten und evtl. die Zeugen befinden. Auch auswärtige Gerichtstage sind zulässig.123 Die Entscheidung, eine Sitzung außerhalb des Gerichtssitzes abzuhalten, und die Bestimmung des Termins dafür steht gemäß § 219 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Die konkrete Ausgestaltung auswärtiger Gerichtstage ist in jedem Einzelfall rechtlich zu untersuchen, denn eine Verletzung des § 91 Abs. 3 FGO kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen, wenn einem Beteiligten dadurch Nachteile für die Wahrung seiner Rechte entstehen und er den Verstoß rechtzeitig rügt (§ 173 S. 1, § 295 ZPO).124 In den Räumen des beklagten Finanzamtes sollten Verhandlungen daher nicht stattfinden. Es ist zwar nicht generell bedenklich, wenn das Gericht die mündliche Verhandlung aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung sowie der Kostenersparnis in den Räumen der beklagten Behörde durchführt. Im Einzelfall können aber besondere Umstände vorliegen, welche die Wahl eines anderen Verhandlungsortes zwingend gebieten. Das ist beispielsweise der Fall, wenn zwischen dem Bürger und dem Finanzamt über Jahre hinweg andauernde erhebliche Spannungen existierten, die eine mündliche Verhandlung in den Räumen des Finanzamtes für den Bürger unzumutbar sein lassen. Hier hat der Bürger das Recht auf eine Aufhebung des im 119 Für die Arbeitsgerichtsbarkeit verweist § 64 Abs. 6 ArbGG mangels spezieller Regelungen auf § 219 Abs. 1 ZPO. Diese auch für die ordentliche Gerichtsbarkeit geltende Norm stellt an das Abhalten auswärtiger Sitzungen erhöhte Anforderungen. Hiernach sind Termine an der Gerichtsstelle abzuhalten, sofern nicht die Einnahme eines Augenscheins an Ort und Stelle, die Verhandlung mit einer am Erscheinen vor Gericht verhinderten Person oder eine sonstige Handlung erforderlich ist, die an der Gerichtsstelle nicht vorgenommen werden kann. 120 FG Bln.-Bbg., EFG 2009, 316. 121 Kopp/Schenke, VwGO, § 102, Rdnr. 15. 122 BFH, DStZ 1999, 539 f. 123 Brandis, in: Tipke/Kruse, FGO, § 91, Rdnr. 18. 124 Kopp/Schenke, VwGO, § 102, Rdnr. 15 f.

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Gebäude des beklagten Finanzamtes anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung gemäß § 227 ZPO.125 Generell bestehen demnach keine rechtlichen Bedenken gegen die vom gemeinsamen Finanzgericht Berlin-Brandenburg geübte Praxis, seine Sitzungen auch in Berlin abzuhalten. Gemäß § 166 GVG darf ein Gericht auch Amtshandlungen außerhalb seines Gerichtsbezirks vornehmen. Im konkreten Fall, nimmt das gemeinsame Finanzgericht die Amtshandlungen nicht nur außerhalb seines Gerichtsbezirks, sondern in einem anderen Bundesland, wahr. Dies ist jedoch unschädlich, weil es sowohl für das Land Berlin als auch für das Land Brandenburg zuständig ist und daher seine Sitzungen auch über die Landesgrenzen hinaus verlegen kann. Dies ist im Fachobergerichtsverwaltungsabkommen noch einmal festgehalten. c) Verstoß gegen Art. 92 GG Gemäß Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt durch die im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und die Gerichte der Länder ausgeübt. Von gemeinsamen Gerichten mehrerer Länder als Trägern der rechtsprechenden Gewalt spricht der Art. 92 GG nicht. Der Bürger muss demnach entweder vor einem Gericht des Bundes oder einem Gericht eines Landes stehen. Inwieweit hierdurch gemeinsame Landesgerichte als „freischwebende“, echte Gemeinschaftseinrichtungen organisiert werden dürfen, kann vorliegend dahin gestellt bleiben126, weil die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg entweder als Gericht des Landes Brandenburg oder als Gericht des Landes Berlin dem Bürger gegenüber treten, so dass Art. 92 GG nicht verletzt ist. d) Das Verfassungsprinzip der richterlichen Unabhängigkeit Art. 29 Abs. 1 StV GOG schreibt vor, dass mit der Errichtung eines gemeinsamen Fachobergerichtes die planmäßigen Richter der bisherigen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg planmäßige Richter des gemeinsamen Fachobergerichtes werden. Diese Regelung verletzt nicht die Unabhängigkeit der Richter gemäß Art. 33 Abs. 5 i.V. m. Art. 97 GG. Die Errichtung eines gemeinsamen Obergerichtes stellt eine Veränderung der Einrichtung der Gerichte i. S. von Art. 97 Abs. 2 Satz 3 GG dar. Ursprüngliche Richter des Landes Berlin arbeiten nunmehr zum Teil an Gerichten im Land Brandenburg als „Richter der Länder Berlin und Brandenburg“ und umgekehrt. Dies trifft auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Weder Art. 97 GG noch 125

BFH, DStZ 1999, 539 f.; Brandis, in: Tipke/Kruse, FGO, § 91, Rdnr. 18. Hierzu Finkelnburg, Gemeinsames Oberverwaltungsgericht, S. 455 f., der in Art. 92 GG kein Verbot der Organisation von Landesgerichten als echte Gemeinschaftseinrichtungen sieht. 126

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

Art. 33 Abs. 5 GG schreiben vor, dass ein Richter sein konkretes Richteramt an einem innerhalb der Landesgrenzen befindlichen Gericht innehaben muss. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei dem gemeinsamen Obergericht um ein Gericht handelt, das jedenfalls auch zur Berliner Landesgerichtsbarkeit bzw. auch zur Brandenburger Landesgerichtsbarkeit gehört.127 Durch die dargestellte Konstruktion einer Mehrländereinrichtung für die gemeinsamen Obergerichte wurde diesem Erfordernis Rechnung getragen. Für Berliner Streitigkeiten sind die gemeinsamen Obergerichte Fachgerichte des Landes Berlin, und für Brandenburger Streitigkeiten sind sie Fachgerichte des Landes Brandenburg. Eine Versetzung der Richter an das neu gegründete gemeinsame Obergericht ist daher eine solche „an ein anderes Gericht“ i. S. von Art. 97 Abs. 2 Satz 3 GG. Dass die Richter des gemeinsamen Obergerichts gemäß Art. 2 Abs. 1 StV GOG im Dienste beider Länder stehen, ist ebenfalls unschädlich. Es existiert kein durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützter hergebrachter Grundsatz des Richteramtsrechts, laut dessen ein Richter, der sein Richteramt an einem länderübergreifenden Gericht inne hat, nicht im Dienste mehrerer Länder stehen kann. Die richterliche Tätigkeit an einem länderübergreifenden Gericht stellt unabhängig von der Zuordnung des Richters zu einem oder mehreren Dienstherren eine Ausübung der Rechtsprechung für die an dem Gericht beteiligten Länder dar. Ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit lässt sich dabei nicht feststellen. Der Richter ist ungeachtet der Anzahl seiner Dienstherren nach Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.128 4. Verpflichtungen beider Länder aus den Grundrechten Es wurde im vorangegangenen Kapitel dargestellt, dass sich Pflichten der Länder Berlin und Brandenburg aus den Grundrechten ergeben können, die einer Zusammenarbeit Grenzen setzen. Insbesondere darf sich ein Land durch Abgabe von Aufgaben im grundrechtsrelevanten Bereich gegenüber seinen Bürgern nicht vollständig aus der Verantwortung ziehen.129 Hinsichtlich der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg kommt hierbei Art. 19 Abs. 4 GG eine entscheidende Bedeutung zu. a) Art. 19 Abs. 4 GG Unter dem Aspekt des Art. 19 Abs. 4 GG wird man nicht nur fordern müssen, dass der Rechtsweg der Bürger nicht verkürzt oder erschwert wird,130 sondern die 127 128 129 130

So BVerfG, LKV 2007, 79, 80. BVerfG, LKV 2007, 79, 80. Siehe hierzu ausführlich in Kapitel D. unter Punkt II.4.b). Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt II.3.b).

II. Verfassungsmäßigkeit der geregelten Inhalte

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Länder Berlin und Brandenburg dürfen sich im Gebiet der Gerichtsorganisation auch nicht vollständig von ihrer Verantwortung lösen. Dabei steht Art. 19 Abs. 4 GG einer Aufgabenübertragung im Bereich der Justiz nicht grundsätzlich entgegen. Es genügt vielmehr die bereits angesprochene Letztverantwortung beider Länder für die Aufgabenerfüllung. Dass beide Länder die Aufgabenerfüllung weiterhin als ihre eigene sehen, kann zum einen aus der gewählten Form einer Mehrländereinrichtung geschlossen werden. Zum anderen spricht hierfür die Aufteilung der Kosten zwischen beiden Ländern in Art. 22 StV GOG und die Regelung des Art. 23 StV GOG die Beamtenversorgung betreffend. Die geforderte Letztverantwortung beider Länder wird zudem durch die in Art. 33 StV GOG enthaltene Kündigungsmöglichkeit gewährleistet. Hierdurch kann die Übertragung der Hoheitsrechte auf das Sitzland mit relativ geringer Mühe – mit einjähriger Frist zum 31. Dezember jeden Jahres schriftlich – wieder rückgängig gemacht werden. Auch im Hinblick auf grundrechtliche Verpflichtungen beider Länder aus Art. 19 Abs. 4 GG ist der StV GOG daher nicht zu beanstanden. b) Das Recht auf den gesetzlichen Richter Zudem ist der StV GOG in Bezug auf Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlich unproblematisch. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gewährt den Bürgern zwar das Recht auf den gesetzlichen Richter, schreibt aber nicht vor, dass der gesetzliche Richter sich im eigenen Bundesland befinden muss.131 c) Schutz gegen überlange Verfahrensdauer Ein weiterer Kritikpunkt an kooperativen Lösungen wird allgemein darin gesehen, dass die Zusammenarbeit mehrerer Länder den Entscheidungsprozess verlangsame und zu einer Lösung des kleinsten gemeinsamen Nenners führe. Damit könne die Qualität der Aufgabenerfüllung beeinträchtigt werden.132 So kritisierte beispielsweise der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg Kipp am 4. März 2010 die Gerichtsfusion.133 Die Errichtung der gemeinsamen Fachobergerichte sei 2005 mit Blick auf die geplante Länderfusion eingeleitet worden, die aber inzwischen politisch auf Eis gelegt sei, und man müsse nun „mit einer Behelfskonstruktion leben“. Das Oberverwaltungsgericht müsse sich stets mit zwei Justizverwaltungen abstimmen, was zu Lasten seiner Arbeitsfähig131

Finkelnburg, Gemeinsames Oberverwaltungsgericht, S. 456. Bothe, Generalbericht, S. 220 ff.; Hofmann, Bundesstaat, S. 31. 133 Berichtet von Gellner, Das Oberverwaltungsgericht leidet unter überbordender Bürokratie und einer Flut an Verfahren, Märkische Allgemeine Zeitung vom 5. März 2010. 132

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E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

keit gehe. Die Einstellung eines Richters dauere durch die Abstimmung mit beiden Ländern teils bis zu einem Jahr. „Bei uns wird aus jeder Richterstelle ein Staatsakt.“ Seit Jahren müsse das Gericht mit Personallücken leben, da Stellen aufgrund der Abstimmungsprozedur unbesetzt blieben.134 Diese beklagte Schwerfälligkeit könnte die Folge der gewählten Konstruktion einer Mehrländereinrichtung sein und muss daher näher beleuchtet werden. Die verfassungsrechtliche Problematik dieser Verfahrensverzögerung bei der Richtereinstellung besteht darin, dass sich gleichzeitig die Gerichtsentscheidungen verzögern. Werden durch die Gerichtsorganisation Gerichtsverfahren eklatant in die Länge gezogen, kann sich daraus eine Menschenrechtsverletzung ergeben. Durch eine überlange Verfahrensdauer bei Rechtsstreitigkeiten sind die betroffenen Bürger in ihrem Recht auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK135) verletzt. Mit Urteil vom 2. September 2010 hat der EGMR die überlange Dauer von Gerichtsverfahren in Deutschland sogar als strukturelles Problem als Folge von Mängeln im deutschen Rechtssystem festgestellt, weil es an einem Rechtsbehelf gegen derartige überlange Gerichtsverfahren fehle.136 Hier ist aufgrund der bereits dargestellten Zuständigkeitsverteilung aber der Bundesgesetzgeber aufgefordert. Hinsichtlich der vorliegend zu untersuchenden gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg schließt Art. 6 Abs. 1 EMRK eine Zusammenarbeit im Gerichtswesen, die zwangsläufig mit einem gewissen Mehraufwand im Abstimmungsverfahren verbunden ist, nicht von vornherein aus. Die konkrete Ausgestaltung der gemeinsamen Fachobergerichte wäre unter dem Aspekt des Art. 6 Abs. 1 EMRK aber verfassungswidrig, wenn durch eine andere Ausgestaltung – etwa als echte Gemeinschaftseinrichtungen – oder durch die Beibehaltung getrennter Fachobergerichte in beiden Ländern die Gerichtsverfahren schneller zum Abschluss zu bringen sind. Es muss daher gefragt werden, ob durch eine andere Ausgestaltung der gemeinsamen Gerichte die Verzögerungen verhindert werden könnten. Das OVG Berlin-Brandenburg hat inzwischen mehr als 1.000 Verfahren, die älter als 3,5 Jahre sind. Der Präsident des Gerichts Kipp geht davon aus, dass 134 Berichtet von Gellner, Das Oberverwaltungsgericht leidet unter überbordender Bürokratie und einer Flut an Verfahren, Märkische Allgemeine Zeitung vom 5. März 2010. Zudem Zu wenig Zeit für Prozesse, die tageszeitung vom 5. März 2010. Benndorf u. a., LKV 2010, 449, 453 sprechen demgegenüber von „deutlich verbesserten Verfahrenslaufzeiten“, weisen aber auch darauf hin, dass die gemeinsamen Obergerichte beider Länder ursprünglich lediglich als Provisorium bis zu der Länderfusion konzipiert waren. 135 Art. 6 Abs. 1 der Konvention lautet: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen . . . von einem Gericht . . . innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“ Art. 6 Abs. 1 der Konvention ist trotz seines Wortlauts auch auf das Verwaltungsrecht und das Verfassungsrecht anwendbar (siehe hierzu näher Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 6, Rdnr. 7). 136 EGMR, NJW 2010, 3355 ff.

II. Verfassungsmäßigkeit der geregelten Inhalte

313

alle diese Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht standhalten würden.137 Eine Ausgestaltung der gemeinsamen Gerichte, die die als verzögernd empfundene Abstimmung mit beiden Landesjustizministerien nicht vorsieht, begegnet demokratischen Bedenken. Zwar könnte grundsätzlich auch ein Gericht als institutionelle Beteiligungsverwaltung einem der kooperierenden Länder zugeordnet werden. Dieses würde die Rechtsprechungsgewalt für das andere Land mit ausüben, welches die Rechtsakte anerkennt.138 Eine Zusammenlegung von gleich vier Fachobergerichten in dieser Weise würde aber für das abgebende Land den Verzicht auf einen großen Teil der Justiz bedeuten und dem abgebenden Landesvolk eines entscheidenden Teils seiner demokratischen Befugnisse berauben. Daher ist davon auszugehen, dass die Organisation der gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg nicht weiter optimiert werden kann. Darüber, inwieweit demgegenüber die Beibehaltung der einzelnen Landesfachobergerichte zu schnelleren Verfahrensabschlüssen führen würde, kann lediglich spekuliert werden. Betrachtet man die Regelungen im StV GOG über die Ernennung der Richter, so erscheint eine Verfahrensverzögerung allein aufgrund der geforderten Abstimmung zwischen zwei Ländern und ihrer Ministerien nicht derart offen auf der Hand zu liegen, dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK allein aus dem Vorhandensein gemeinsamer Gerichte geschlossen werden könnte. Es bleibt zu vermuten, dass auch Sparzwänge beider verschuldeter Länder einen entscheidenden Grund für die überlange Verfahrensdauer bilden. Das Erfordernis, frühzeitig ausreichend Richter einzustellen, um den Bürgern Rechtsschutz innerhalb einer mit Art. 6 Abs. 1 EMRK im Einklang stehenden Verfahrensdauer gewährleisten zu können, ist kein Problem, das sich nur bei den gemeinsamen Gerichten stellt.139 Dies zeigt ein Blick in die von der Zusammenarbeit beider Länder nicht betroffene ordentliche Gerichtsbarkeit. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Art. 6 Abs. 1 EMRK auch hinsichtlich einer Verfahrensdauer von 4 Jahren durch das Landgericht Berlin als verletzt angesehen und der Beschwerdeführerin für den hierdurch erlittenen immateriellen Scha137 Berichtet von Gellner, Das Oberverwaltungsgericht leidet unter überbordender Bürokratie und einer Flut an Verfahren, Märkische Allgemeine Zeitung vom 5. März 2010. 138 So geschehen im Staatsvertrag über die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte vom 15. Dezember 1995, BlnGVBl. 2006, S. 54, 56 und im Staatsvertrag zwischen den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt über die Übertragung der Zuständigkeit in Staatsschutz-Strafsachen vom 17. Februar 2011, BbgGVBl. I/11, S. 1. Beide Regelungsmaterien sind eher als „Randmaterien“ zu bezeichnen. Hierzu sogleich in diesem Kapitel unter Punkt III.3. 139 So stellen Benndorf u. a., LKV 2010, 449 auf S. 452 f. eindringlich dar, dass das Land Brandenburg bereits in den 1990iger Jahren nur ungenügend richterliches Personal in der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingestellt hat, was zu inakzeptabel langen Verfahrenslaufzeiten trotz seit Jahren sinkender Eingänge geführt hat.

314

E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

den Ersatz in Höhe von 3.000 A zugesprochen.140 Im August 2010 wurde in der Presse verkündet, dass an den ordentlichen Gerichten in Berlin 4,7 % der Richterstellen nicht besetzt seien, was zu Ausfällen von Prozessterminen führe.141 Es lässt sich daher von einem allgemeinen strukturellen Problem unterbesetzter Justiz sprechen, das die Arbeit in gemeinsamen Gerichten nicht verfassungswidrig werden lässt, sondern die Länder verpflichtet, ausreichend Personal einzustellen. 5. Zwischenergebnis Die bisher in der Bundesrepublik einmalige Zusammenlegung von gleich vier Fachobergerichten zweier Bundesländer durch den StV GOG hält sowohl formal als auch inhaltlich trotz teilweise geäußerter Bedenken einer Verfassungsmäßigkeitsprüfung stand. Der StV GOG kann anderen Bundesländern, die ihre Gerichtsorganisation durch Zusammenarbeit verbessern möchten, als rechtliches Beispiel dienen. Den gerade im Bereich der Rechtsprechungstätigkeit erhöhten Verfassungsanforderungen an gemeinsame Einrichtungen wurde durch die Organisation als Mischform aus einer institutionellen Beteiligungsverwaltung in organisatorischer und personeller Hinsicht und einer Mehrländereinrichtung bezüglich ihrer Rechtsprechungstätigkeit rechtlich klug entsprochen.

III. Gesamtbetrachtung Nachdem festgestellt wurde, dass der StV GOG sowohl seiner Form nach als auch hinsichtlich der durch ihn getroffenen Regelungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, soll im Folgenden der Justizbereich der Länder Berlin und Brandenburg im Ganzen rechtlich betrachtet werden. Durch den Staatsvertrag über die gemeinsamen Fachobergerichte Berlin-Brandenburg wurden, wie dargestellt, vier gemeinsame Fachobergerichte beider Länder geschaffen. Der StV GOG stellt daher zwar einen zentralen, aber nicht den einzigen Teil der Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich dar. Weiterhin ist durch Staatsvertrag seit dem 1. Januar 1996 das Landgericht Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte auch für das Land Brandenburg zuständig und das Berliner Kammergericht wird zukünftig Staatsschutzstrafsachen des Landes Brandenburg und des Landes Sachsen-Anhalt mit übernehmen. Seit dem 1. Januar 2005 arbeiten beide Länder zudem im Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamt Berlin-Brandenburg zusammen und seit dem 1. Juli 2006 in einem Zentralen Mahngericht Berlin-Brandenburg.142 140

EGMR, EuGRZ 2009, 207. Rbbonline, Richtermangel in Berlin: Prozesse fallen aus, online im Internet unter http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2010_08/richtermangel_in_berlin.html. 142 Siehe hierzu ausführlich in Kapitel C. unter Punkt III. 141

III. Gesamtbetrachtung

315

Es fragt sich aufgrund der Vielzahl von gemeinsamen Einrichtungen in der Justiz, ob sich beide Länder hierdurch in diesem Bereich nicht ihrer Selbständigkeit beraubt haben. Trotz der in Art. 96 VvB vorgesehenen Möglichkeit, mit anderen Ländern gemeinsame Behörden, Gerichte und Körperschaften zu bilden, wäre es verfassungsrechtlich nicht zulässig, im Wege staatsvertraglicher Vereinbarungen einen bedeutsamen Teil der den beiden Ländern grundgesetzlich zustehenden Rechtsprechungskompetenz und die damit verbundene verfassungsrechtliche Verantwortung gegenüber den Bürgern preiszugeben.143 Rechtlicher Anknüpfungspunkt für diesbezügliche Überlegungen ist eine Gesamtbetrachtung der Entscheidungskompetenzen beider Länder im Bereich der Judikative. 1. Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen Bei der Beurteilung der Frage, ob die Länder Berlin und Brandenburg ihre Selbständigkeit im Bereich der Judikative durch ihre enge Zusammenarbeit zu weitgehend eingeschränkt haben, ist, wie dargestellt, zu beachten, dass die Gerichtsorganisation über Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG weitgehend vom Bund geregelt wird und die Länder hier in weiten Teilen nur gesetzesausführend tätig werden.144 Bei der nach Art. 30 GG vornehmlich in der Hand der Länder befindlichen Ausführung der Gesetze sind diese gemäß Art. 84 Abs. 3 bis 5 GG der Bundesaufsicht unterlegen. Hier besteht kaum Spielraum der Länder Berlin und Brandenburg für eigene politische Entscheidungen. 2. Die Gerichtsorganisation als landeseigener Bereich Maßgeblichen Einfluss haben die Länder aber auf die Besetzung der Richterstellen an den Landesgerichten, über die allein auf Landesebene entschieden wird.145 Hier müssen beiden Ländern Mitwirkungsrechte bei der Stellenbesetzung der gemeinsamen Gerichte erhalten bleiben. Dies ist geschehen, indem die Richter nur mit der Mehrheit der Stimmen der Berliner Vertreter und mit der Mehrheit der Stimmen der Brandenburger Vertreter des gemeinsamen Richterwahlausschusses ernannt werden dürfen (Art. 2 Abs. 1 Satz 4 StV GOG). Damit kann keines der beiden Bundesländer durch das andere Bundesland überstimmt werden. Diese Mitwirkung an der Willensbildung verhindert, dass die Länder bloße Objekte einer Fremdbestimmung werden.146

143

BerlVerfGH, NVwZ 2007, 813, 815. Siehe hierzu in diesem Kapitel unter Punkt II.1. 145 Böckenförde, Richterwahl, S. 44; Hanebeck, S. 270 f. 146 Feuchte, AöR 98 (1973), 473, 526; Hesse, FS Müller, S. 147; Klatt, VerwArch 78 (1987), 186, 193; Vedder, S. 145. 144

316

E. Die Zusammenarbeit beider Länder im Justizbereich

Zudem verbleiben trotz der großen Anzahl gemeinsamer Gerichte sowohl die Landesverfassungsgerichte als auch alle Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit – abgesehen von den Mahngerichten, deren Aufgaben das Land Berlin für das Land Brandenburg mit ausübt147 – bei jedem der beiden Länder separat. Eine weitergehende Zusammenlegung der ordentlichen Gerichte Berlins und Brandenburgs wäre nach der derzeitigen Gesetzeslage auch gar nicht möglich, weil es eine den §§ 3 Abs. 2 VwGO, 33 S. 2 i.V. m. 14 Abs. 3 ArbGG und 3 Abs. 2 FGO entsprechende bundesrechtliche Regelung, die die Bildung gemeinsamer Gerichte gestattet, für die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht gibt. 3. Saldierung Neben diesen wesentlichen Bereichen landeseigener Gerichte gelangt auch eine Gesamtbetrachtung der Kompetenzverschiebungen im Rahmen der gemeinsamen Gerichte Berlin-Brandenburg zu keinem Verlust wesentlicher Teile der Judikative, weil diejenigen Aufgaben, die an das andere Land abgegeben werden, durch neue Aufgaben vom anderen Land kompensiert werden. So zieht die Abgabe von zwei Fachobergerichten jedes Landes an das andere Land durch den StV GOG gleichzeitig einen Aufgabenzuwachs bei den anderen zwei Gerichten, die auch für das andere Land tätig werden, mit sich. Damit wird im Bereich der Justiz die Selbständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg in einer Gesamtbetrachtung nicht tangiert. Die Fälle, in denen das Land Brandenburg Aufgaben an das Land Berlin abgegeben hat, ohne gleichzeitig einen Aufgabenzuwachs von Berlin zu erhalten, können als politische und juristische „Randmaterien“ betrachtet werden. Wenn der Justizminister Brandenburgs Schöneburg zum gemeinsamen Staatsschutzsenat der Länder ausführt, dass hierdurch Kernzuständigkeiten eines Bundeslandes auf ein anderes übertragen werden,148 so ist dem in dieser rechtlichen Betrachtung nicht zu folgen. Die Zahl der Anklagen bei Staatsschutzverfahren ist sehr niedrig. Das Land Brandenburg hat diese Aufgabe dem Land Berlin abgegeben, weil in den letzten zwölf Jahren lediglich insgesamt 33 solcher Verfahren in den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt zusammen anhängig waren und davon 26 allein in Berlin.149 Von einer „wesentlichen Aufgabe“ des Landes 147 Die Übertragung der Aufgaben des Landes Brandenburg auf das Mahngericht Wedding in Berlin ist auf die bundesrechtliche Erlaubnis in § 689 Abs. 3 S. 4 ZPO gestützt. 148 Gemeinsamer Staatsschutzsenat: Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt unterzeichnen Staatsvertrag, Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Justiz vom 8. November 2010, online im Internet unter http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/ 2010/11/08/317891/. 149 Gemeinsamer Staatsschutzsenat: Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt unterzeichnen Staatsvertrag, Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Justiz vom 8. No-

III. Gesamtbetrachtung

317

Brandenburg kann aufgrund der geringen Zahl an Gerichtsverfahren nicht ausgegangen werden. Demgegenüber sind diese Verfahren, beispielsweise in Fällen von Terrorismus oder Hoch- und Landesverrat, sicherheitstechnisch aufwendig und teuer.150 Aus diesen Gründen haben die beiden Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt von der ihnen durch § 120 Abs. 5 GVG gewährten Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit auf das Land Berlin übertragen. Am Ende dieses Kapitels kann damit festgehalten werden, dass der StV GOG die Selbständigkeit der Bundesländer Berlin und Brandenburg in der von der Verfassung geforderten Weise schützt. Beide Länder haben sich ihre Selbständigkeit trotz ihrer intensiven Zusammenarbeit im Justizbereich bewahrt.

vember 2010, online im Internet unter http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/ 2010/11/08/317891/. 150 Siehe zu den Beweggründen die Pressemitteilung der Senatskanzlei von Berlin, Gemeinsamer Staatsschutzsenat von Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt geplant, vom 11. März 2009, online im Internet unter http://www.berlin.de/landespressestelle/ archiv/2009/03/11/122521.

F. Ausblick Zum Abschluss der vorliegenden Untersuchung, in der das Thema der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg ausführlich rechtlich erörtert worden ist, sollen an dieser Stelle noch einige Gedanken für die Zukunft festgehalten werden.

I. Zukünftiges Umschlagen in eine verfassungswidrige Zusammenarbeit? Nachdem die Fusion beider Länder derzeit politisch nicht umsetzbar ist, streben die Länder Berlin und Brandenburg eine immer intensivere Zusammenarbeit an. Es bleibt daher zu überlegen, ob beide Länder in zeitnaher Zukunft Gefahr laufen, dass ihre Zusammenarbeit in die Verfassungswidrigkeit umschlägt. Dies wäre der Fall, wenn eines der beiden Länder seine Verfassungsautonomie aufgeben würde, was unwahrscheinlich ist, oder wenn eines der beiden Länder bzw. beide Länder ihre Selbständigkeit durch die Zusammenarbeit verlieren würden. Es fragt sich dann, welche rechtlichen Konsequenzen die Verfassungswidrigkeit nach sich zieht. Soweit in der Literatur vertreten wurde, dass auch eine verfassungswidrige Zusammenarbeit als Übergangslösung grundsätzlich zulässig sei, wenn keine überzeugende Neugliederungs- oder Kompetenzumschichtungsalternative vorhanden ist und der Bund dieser Zusammenarbeit zustimmt,1 brauchen diese Gedanken vorliegend nicht näher besprochen werden. Für die Region Berlin-Brandenburg gibt es eine überzeugende Neugliederungsalternative in Form einer Fusion beider Länder, die durch Art. 118a GG sogar ein erleichtertes Verfahren erhalten hat. Dass der Fusionsversuch am Willen der brandenburgischen Bevölkerung gescheitert ist, ermächtigt nicht zu einer verfassungswidrigen „Übergangskooperation“ beider Länder, bis sich der Wille der Bevölkerung geändert hat. Der verfassungswidrige Zustand müsste folglich geändert werden. Dabei ist zu unterscheiden, ob eine konkrete Maßnahme verfassungswidrig ist, dann ist diese rückgängig zu machen, oder ob die Zusammenarbeit beider Länder in einer Gesamtbetrachtung als verfassungswidrige Selbstpreisgabe erscheint. Bei Letzterem kommen zwei Wege zur Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Zustandes in Betracht. Zum einen könnte die letzte Maßnahme, die zur Verfassungswidrigkeit 1

Kisker, S. 153 f.

II. Rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit

319

der Zusammenarbeit als Ganzes geführt hat, durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt werden. Zum anderen könnte sich das Bundesverfassungsgericht aber auch darauf beschränken, den derzeitigen Zustand in einem Feststellungsurteil als verfassungswidrig zu erklären und es den Ländern überlassen, welche Zusammenarbeit sie zurückfahren oder vollkommen aufgeben möchten, um den verfassungsmäßigen Zustand wieder herzustellen. Die Möglichkeit eines Umschlagens der Zusammenarbeit beider Länder in eine verfassungswidrige Selbstpreisgabe erscheint zum jetzigen Zeitpunkt und dem bisher erreichten Stand der Zusammenarbeit derart theoretisch, dass hieran anknüpfende und weiterführende Fragen zukünftigen rechtlichen Erörterungen überlassen werden für den Fall, dass sie sich in Zukunft konkret stellen sollten.

II. Rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit Nachdem sich die vorliegende Untersuchung mit dem Thema beschäftigt hat, in welchem Umfang die Bundesländer Berlin und Brandenburg das Recht haben zusammenzuarbeiten, stellt sich abschließend noch die Frage, ob sie in bestimmten Fällen sogar eine Pflicht hierzu trifft. Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg auf freiwilliger Basis erfolgt. Beide Länder sind Staaten, die über die Ausübung ihrer verfassungsrechtlich zustehenden Kompetenzen autonom verfügen dürfen.2 Hierzu gehört auch die Frage, wie und mit wem sie diese Kompetenzen ausüben. In Einzelfällen kann sich aber aus dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes oder aus dem Grundsatz der Bundestreue eine Pflicht zur Zusammenarbeit ergeben.3 Neben dem Bund tragen auch die Länder Mitverantwortung für eine kooperative Verwirklichung des Grundrechtsschutzes.4 Reicht die Tätigkeit der beiden Länder Berlin und Brandenburg auf einem Gebiet nicht mehr aus, um die sich aus den Schutzpflichten ergebenden Gewährleistungsanforderungen zu erfüllen,5 heißt Verantwortung des Staates auch, sich für die Erfüllung derjenigen Aufgaben mit anderen Staaten zusammenzutun, die der einzelne Staat allein nicht mehr effektiv wahrnehmen kann.6 Dieser Gesichtspunkt wurde bereits für die internationale Ebene angesprochen7 und gilt ebenso zwischen den Bundesländern im Bundesstaat. Daher ist eine Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg 2

Rudolf, HStR VI, § 141, Rdnr. 95. Giese, S. 70; Hofmann, Bundesstaat, S. 15. 4 BVerfGE 33, 303, 357 f. zu einheitlichen Auswahlkriterien für die Hochschulzulassung in allen Bundesländern zur Gewährung der Chancengleichheit der Bewerber. 5 Siehe zu den Schutzpflichten ausführlich in Kapitel D. unter Punkt II.4. 6 Gramm, Privatisierung, S. 324 f.; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 25. 7 Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt II.6. 3

320

F. Ausblick

verfassungsrechtlich sogar erforderlich, wenn beide Länder für sich allein ihre Verfassungsaufgaben nicht mehr erfüllen könnten. Dieser Gesichtspunkt spielt im Bundesstaat für die Bundesländer eine etwas geringere Rolle als für die Staaten auf internationaler Ebene, weil die Themengebiete im grundrechtssensiblen Bereich, die über die Grenzen der Bundesländer hinausgehen, grundsätzlich in den Aufgabenbereich des Bundes fallen. So ist die Aufgabe der inneren Sicherheit, wie dargestellt, zwar Landesaufgabe, die aktuell viel besprochene Terrorismusbekämpfung, die eine über die Grenzen der Bundesländer hinausgehende Zusammenarbeit erfordert, ist in Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG aber als Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung dem Bund zugewiesen. Aber trotz dieser Möglichkeit, eine die Leistungsfähigkeit eines einzelnen Bundeslandes übersteigende Aufgabe im Grundgesetz auf den Bund zu übertragen, hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass die Überregionalität einer Aufgabe nicht zwangsläufig die Kompetenz des Bundes auslöse.8 Es können sich folglich auch überregionale Landesaufgaben im grundrechtssensiblen Bereich finden. Zwar konnte aus den Schutzpflichten in Kapitel D. wenig Substantielles gewonnen werden, dennoch sind Konstellationen denkbar, in denen sie eine Pflicht beider Länder zur Zusammenarbeit auslösen. Aktuell finden sich hierfür zwar keine Beispiele. Zukünftig könnten aber möglicherweise Wirtschaftskrisen, Staatsverschuldung und demografischer Wandel dazu führen, dass beide Länder auf dem Gebiet der ärztlichen Versorgung für sich genommen ihrer Bevölkerung nur noch unzureichenden Gesundheitsschutz anbieten können. Hier könnte sich dann aus Art. 2 Abs. 2 GG i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip die Pflicht zur Zusammenarbeit ergeben, wenn erst durch die Bündelung der Kapazitäten in beiden Ländern eine den Schutzpflichten entsprechende ärztliche Grundversorgung ermöglicht werden kann. Neben den möglichen Verpflichtungen beider Länder gegenüber ihren Bürgern, sind die Länder im Verhältnis zueinander zu gegenseitiger Abstimmung, Rücksichtnahme und Zusammenarbeit verpflichtet, soweit dies für ein funktionierendes System erforderlich ist.9 Durch die Bundestreue sollen die aufeinander angewiesenen Teile des Bundesstaats, Bund und Länder, stärker unter der gemeinsamen Verfassungsordnung aneinander gebunden werden. Sie enthält für Bund und Länder die verfassungsrechtliche Pflicht, einander die Treue zu halten und sich zu verständigen. Diese wirkt nicht nur zwischen dem Bund und den Ländern, sondern auch zwischen den Ländern untereinander.10 Daraus kann sich eine Pflicht zur Zusammenarbeit aus vorangegangenem Tun ergeben. Aus einer einmal begonnenen Zusammenarbeit darf ein Land nicht ohne hinreichenden BVerwGE 22, 299, 307 f.; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 184. BVerfGE 73, 118, 197. 10 BVerfGE 1, 299, 315; 8, 122, 140; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 40. 8 9

III. Alternativen zur Zusammenarbeit

321

sachlichen Grund und nicht ohne Rücksichtnahme auf die Interessen der Kooperationspartner in zeitlicher und sachlicher Hinsicht ausbrechen. Für den Fall, dass die Zusammenarbeit auf einer vertraglichen Grundlage beruht, ergibt sich dies schon aus allgemeinen bundesrechtlichen Grundsätzen des Vertragsrechts.11 In anderen Fällen wird diese Pflicht aus dem Grundsatz der Bundestreue geschlossen, aus dem sich die verfassungsrechtliche Pflicht der Glieder des Bundes ergibt, einander die Treue zu halten und sich zu verständigen.12 Diese Pflichten äußern sich in der Praxis vor allem in der Einhaltung vertraglich vereinbarter Kündigungsfristen. Diese sind so bemessen, dass sich der andere Vertragspartner auf die Beendigung der Zusammenarbeit einstellen kann. Auch bei der Zusammenarbeit beider Länder in anderen als den vertraglichen Formen ist für einen angemessenen Interessenausgleich eine entsprechende „Kündigungsfrist“ einzuhalten. Auf diese Weise wird zum einen die verfassungsrechtlich sogar vorgeschriebene Möglichkeit eröffnet, sich von der Zusammenarbeit auch wieder lösen zu können.13 Zum anderen wird aber auch das Vertrauen des Kooperationspartners in die vereinbarte Zusammenarbeit geschützt.

III. Alternativen zur Zusammenarbeit Sollten die Länder Berlin und Brandenburg zukünftig aus den vorangegangenen Überlegungen zu Aufgaben verpflichtet sein, die sie nicht im Alleingang bewältigen können, stellt sich die Frage, ob sie zwangsläufig zusammenarbeiten müssen oder ob es geeignete Alternativen zu einer Zusammenarbeit gibt. Betrachtet man die Alternativen, die sich der Region Berlin und Brandenburg zu einer engen Zusammenarbeit stellen, so ergibt sich kaum Neues. Durch ihre engen Verflechtungen ist ein Alleingang beider Länder bereits heute ökonomisch wie politisch nicht empfehlenswert. Damit bleiben als diskussionswürdige Alternativen nur die in der Geschichte bereits mehrfach bemühte Möglichkeit von Eingemeindungen und die (1996 zunächst gescheiterte) Fusion beider Länder bestehen. Beide Alternativen sollen im Folgenden kurz beurteilt werden. 1. Eingemeindungen als Alternative Die Stadt-Umland-Probleme Berlins wurden 1920 mit der Eingemeindung der umliegenden Gemeinden und Städte gelöst.14 Die Frage, ob erneute Eingemeindungen eine alternative Möglichkeit für die Region Berlin-Brandenburg sind, kann schnell verneint werden. Zum einen sind Eingemeindungen heute weniger 11 12 13 14

BVerwGE 50, 137, 145; Pietzcker, Landesbericht, S. 65. BVerfGE 1, 299, 315; 34, 216, 231; Jestaedt, HStR II3, § 29, Rdnr. 74. Siehe zu diesem Erfordernis in Kapitel D. unter Punkt II.2.b). Siehe hierzu in Kapitel A. unter Punkt I.1.c).

322

F. Ausblick

populär als zu Beginn des 20. Jahrhunderts, weil die Wissenschaft zu der Erkenntnis gelangt ist, dass auf diese Weise keine Lösung eines Stadt-UmlandProblems erreicht werden kann. Städte, und damit auch Berlin, können nicht unbegrenzt wachsen, ohne dass ihre Regierbarkeit in Frage gestellt wird.15 Zudem hat die Geschichte gezeigt, dass Eingemeindungen, wenn überhaupt, dann lediglich kurzfristige Lösungen bieten, weil sich die Stadt-Umland-Problematik zur neuen Stadtgrenze hin verschiebt bzw. dort neu entsteht. Für den Raum Berlin-Brandenburg sind Eingemeindungen zum anderen auch nicht ohne Weiteres in die Praxis umsetzbar, weil sich – anders als zur Zeit Preußens mit Berlin und Brandenburg nunmehr zwei getrennte Bundesländer gegenüber stehen. Damit stellen Eingemeindungen gleichzeitig eine Neugliederung des Bundesgebietes i. S. des Art. 29 GG dar, für die die Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 7 GG bzw. speziell für die Länder Berlin und Brandenburg des Art. 118a GG erfüllt sein müssen. Entsprechende Versuche brauchen nicht weiter besprochen werden, weil eine Neugliederung in dem Sinne, dass bestimmte Teile Brandenburgs in das Bundesland Berlin aufgenommen werden, politisch im Land Brandenburg nicht durchzusetzen ist. Schon geographisch könnten allenfalls die wirtschaftlich günstigen Gemeinden im Umland von Berlin zu der Stadt hinzu treten. Hat 1920 Brandenburg durch die damaligen Eingemeindungen erheblich an Steuereinnahmen verloren16, würde heute mit dem Verlust des engeren Verflechtungsraums ein „Rest-Brandenburg“ entstehen, das für sich allein nicht mehr lebensfähig wäre. Unter diesen Voraussetzungen sind jegliche Eingemeindungswünsche im Land Brandenburg nicht durchsetzbar und werden auch von niemanden geäußert. Als Neugliederungsmaßnahme kommt realistisch betrachtet für beide Länder daher allein eine Fusion in Betracht. 2. Die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg als Alternative Die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg steht derzeit nicht auf der politischen Tagesordnung der Länder Berlin und Brandenburg.17 Dennoch wird sie zum Teil als einziger gangbarer Weg der beiden Länder angesehen. Sie ist auch nach dem Scheitern des ersten Fusionsversuchs im Jahr 1996 weiterhin möglich.18 15

Benz/König, S. 37 f. Siehe Kapitel A. unter Punkt I.1.c). 17 Nach Auskunft der Senatskanzlei Berlin im Februar 2011 sei Berlin für eine Fusion beider Länder offen, die Initiative müsse aber vom Land Brandenburg ausgehen. Hier sei jedoch mit keiner derartigen Initiative in der nächsten Zukunft zu rechnen, weil sich die Voraussetzungen gegenüber dem Jahr 1996 nicht wesentlich verändert hätten. Siehe auch Tripke, der einem erneuten Fusionsversuch derzeit keine Erfolgschancen gibt. Zur gescheiterten Fusion im Jahr 1996 siehe in Kapitel A. unter Punkt I.4.c). 18 Siehe hierzu näher in Kapitel A. unter Punkt II.2. 16

III. Alternativen zur Zusammenarbeit

323

Im europäischen Maßstab wird die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg als einzig erfolgreiche Zukunftsoption der Region gesehen. Ein gemeinsames Land würde mit einer Einwohnerzahl von über 6 Mio. das fünftgrößte Bundesland sein und hätte damit größere Kompetenz und ein größeres Gewicht bei der bundesstaatlichen und europäischen Willensbildung.19 Die Standortfaktoren für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, wie Wissenschaft, Forschung, Verkehr und Infrastruktur, seien im Wesentlichen Sache der Länder. Diese müssen ihre Zuständigkeiten gezielt für regionale Entwicklungskonzepte einsetzen, was nicht von zu kleinen Ländern wahrgenommen werden könnte, durch deren Grenzen entwicklungsfähige Wirtschaftsregionen auseinandergerissen würden.20 Eine Fusion beider Länder würde erhebliche Einsparungen, insbesondere bei den Kosten für Verwaltung und politischer Führung, mit sich bringen, weil Doppelarbeit und Doppelinstitutionen wegfielen. Zudem würden die aufwendigen Länderabstimmungen nicht mehr erforderlich sein und damit Entscheidungsfindungen beschleunigt werden.21 Auch wird die Ansiedlungskonkurrenz zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg als durch Kooperationsbeziehungen nicht aus der Welt zu schaffen beurteilt,22 denn immerhin 35 % der Körperschaftssteuer von Unternehmen und ca. 44,8 % der Umsatzsteuer fließen in die Landeskassen. Hinzu kommen noch weitere 15 % der Körperschaftssteuer und die Gewerbe- und Gemeindesteuern, die direkt an die Gemeinden gehen.23 Lediglich der kommunale Finanzausgleich gemäß Art. 106 Abs. 7 GG innerhalb eines gemeinsamen Landes könnte – so die Fusionsbefürworter – die finanziellen Konflikte zwischen der Stadt Berlin und ihrem Umland entschärfen.24 Dem Hinweis, dass es auch in einem gemeinsamen Land Ansiedlungskonkurrenz auf kommuna-

19

AvB Drs. 12/2357, S. 7. So Wegrich, S. 9. 21 So bereits der Bericht der Gemeinsamen Regierungskommission im Jahr 1992, siehe AvB Drs. 12/2357, S. 6. Siehe auch Gärtner, NJW 1996, 88, 91; Nawrocki, S. 179 f. 22 AvB Drs. 12/2357, S. 7. Zur Ansiedlungskonkurrenz siehe auch Wilke, S. 56 f., der die Probleme als Folge des deutschen Steuersystems ansieht. 23 Art. 106 Abs. 3 S. 2 GG legt fest, dass der Bund und die Länder je zur Hälfte am Aufkommen der Körperschaftssteuer beteiligt sind. Innerhalb der Länder gehen von ihrer Hälfte 15 % an die Gemeinden. Die Verteilung der Umsatzsteuer wird in § 1 Finanzausgleichsgesetz geregelt (Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 7, 28 ff.). Sie variiert von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2010 waren es die genannten 44,8 %, siehe hierzu die Statistiken des BMF über die Steuereinnahmen vom 20. Januar 2011, online im Internet unter http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4158/DE/BMF__Startseite/ Service/Downloads/Abt__I/1101201a6004,templateId=raw,property=publicationFile.pdf, S. 2. Siehe auch Hruschka, S. 42. 24 Döring u. a., S. 206 ff.; Rüß, LKV 1995, 337, 341; Wilke, S. 17. Zum interkommunalen Finanzausgleich siehe auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 53. 20

324

F. Ausblick

ler Ebene gebe,25 wird entgegengehalten, dass diese hier aber konsequent vorstrukturiert und unter einheitlichen Kriterien kontrolliert werden könnte.26 Denn während ein koordiniertes Vorgehen zweier Länder allein auf der Basis von Verhandlungskompromissen möglich sei, könne ein vereintes Land seine legislativen Kompetenzen durch Mehrheitsentscheidungen für den Gesamtraum ausüben.27 Damit sei die Umsetzung einer einheitlichen Konzeption eher möglich, die sich an einer ausgewogenen Entwicklung des Gesamtraums orientiert.28 Zudem ist der Wirkungskreis einer Gemeinde relativ eng begrenzt, während die Folgen von Koordinationsmängeln auf Landes- und Regionalebene wesentlich gravierender erscheinen.29 So müsste die Gemeinde Berlin in einem gemeinsamen Land bei der Aufstellung ihrer Flächennutzungs- und Bebauungspläne die landesplanerischen Grundsätze des Landes und des Bundesraumordnungsgesetzes sowie die Vorgaben der Fachplanungen berücksichtigen und die Pläne der zuständigen Landesbehörde zur Genehmigung vorlegen, während brandenburgische Interessen in einem eigenständigen Land Berlin über das bundesstaatliche Rücksichtnahmegebot und gewisse Pflichten in einfachen Bundesgesetzen30 hinaus keinen verpflichtenden Einfluss haben. Auch wenn Regionalinteressen Berlins in einem einheitlichen Bundesland nicht ignoriert werden könnten, wird der Einigungszwang hier wesentlich höher als bei Verhandlungen zwischen selbständigen Bundesländern bewertet, was die Wahrscheinlichkeit, dass Verhandlungen nicht abgebrochen, sondern bis zu einer allseits akzeptablen Lösung fortgesetzt werden, erhöht.31 Auch die Nutzungskonflikte zwischen Stadt und Umland würden entschärft, weil in einem Flächenland viele in Großstädten angesiedelte Einrichtungen, wie beispielsweise Staatstheater und Landesmuseen, vom Land und nicht von den einzelnen Gemeinden unterhalten werden.32 Hinzu tritt ein finanzieller Aspekt. Es wird davon ausgegangen, dass ein gemeinsames Land nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihm obliegenden Aufgaben anders als die zwei Länder Berlin und Brandenburg allein wirksam erfüllen könnte, so wie es Art. 29 Abs. 1 GG vorsieht.33 Eine Fusion beider Länder sei auch deshalb von Vorteil, weil aufgrund der engen Verflechtungen zwischen beiden Ländern anderenfalls an die 25 Wilke kommt auf S. 36 zu dem Schluss, dass durch die Länderfusion die bestehenden Verteilungskonflikte nur von einer Inter-Länderebene auf eine Intra-Länderebene transferiert würden. 26 Hruschka, S. 42. 27 Hartmann u. a., S. 114 f. 28 Hartmann u. a., S. 117 f. 29 Döring u. a., S. 23 f. 30 Hierzu in Kapitel B. unter Punkt I.4. 31 Scharpf/Benz, S. 26 f. 32 Döring u. a., S. 24. 33 Rüß, LKV 1995, 337, 341.

III. Alternativen zur Zusammenarbeit

325

100 Staatsverträge abzuschließen wären – ein Geflecht von Verträgen, bei denen niemand mehr den Überblick hätte. Aufgrund all dessen wird die vertraglich geregelte Zusammenarbeit beider Länder als keine gleichwertige Alternative zu einer Länderfusion angesehen.34 Bei dieser Diskussion über die Vorteile einer Fusion der beiden Länder spielt sich im „Kleinen“ das Gleiche ab, was in den Anfängen der Bundesrepublik Kennzeichen der Ausrichtungsdiskussion des Bundesstaatsbegriffs war: unitarisch oder kooperativ35. Wenn in der Fusionsdebatte geäußert wird, dass die letztendlich effektivste Strategie, externe Effekte zu vermeiden, die räumliche Herstellung von Kongruenz zwischen Entscheidungsträgern, Kostenträgern und Nutznießern sei, und hieraus geschlossen wird, dass bei einer über die Grenzen der Region vorliegenden Reichweite von Entscheidungen, die Kosten verursachen oder Nutzen stiften, es geboten sei, durch eine Kollektiv- und Gebietsausdehnung und eine damit verbundene Zentralisierung der Entscheidungsmechanismen diese Kongruenz herzustellen,36 dann muss diesen Überlegungen die Frage entgegengehalten werden, ob eine solche Zentralisierung dem Sinn der bundesstaatlichen Ordnung entspricht. Dass eine Zusammenführung zweier leistungsschwacher Bundesländer zu einem leistungsstarken Bundesland bundesstaatlich sinnvoll ist, wird hier nicht in Frage gestellt. Eine Argumentation mit den räumlichen Grenzen von Entscheidungen läuft aber auf eine Zentralisierung hinaus, die bundesstaatlich nicht gewollt sein kann. Einer solchen Argumentationslinie ist entgegenzuhalten, dass gerade die Zusammenarbeit der Bundesländer trotz ihres größeren Aufwandes und Konfliktpotentials der Überwindung räumlicher Grenzen dient. Wenn der erhöhte Zwang zu Kompromisslösungen in einem gemeinsamen Bundesland als vorzugswürdig gegenüber der Durchsetzung regionaler Egoismen in der Länderzusammenarbeit angesehen wird,37 soll an dieser Stelle noch einmal daran erinnert werden, dass die Erhaltung der regionalen Vielfalt die Grundidee des Bundesstaates in der Bundesrepublik ist. Zudem ist die Angst der brandenburgischen Peripherie, in einem gemeinsamen Bundesland kaum noch Gehör zu finden, durchaus berechtigt. Anders als bei der einzig gelungenen Fusion in Baden-Württemberg, nach der auch weiterhin durch interne Verhandlungen der beiden Landesteile alle Interessen gewahrt wurden,38 stehen in einem gemeinsamen Land Berlin-Branden34 Bauer/Seidel, LKV 1999, 343, 347; Hartmann u. a., S. 25 u. 103; Hruschka, S. 44; Keunecke, Gescheiterte Neugliederung, S. 142 u. 338 f.; Kleger, S. 147; Nawrocki, S. 179 f.; Röber, in: Bufalica/Röber, S. 15; Röber/Völkel, VerwArch 90 (1999), 112 ff.; Rüß, LKV 1995, 337, 341; Schladebach, VerwArch 98 (2007), 238, 258; Wegrich, S. 9 f.; Westerhof, LKV 1995, 361, 362; Wilke, S. 62. 35 Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt I.2. 36 Wilke, S. 17. 37 Döring u. a., S. 27; Wegrich, S. 11. 38 Wegrich, S. 11.

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F. Ausblick

burg nicht zwingend die Interessen der ehemaligen Länder gegenüber. Es ist vielmehr zu vermuten, dass die Interessen des engeren Verflechtungsraumes um Berlin mit denen der Stadt Berlin auf vielen Gebieten gleichlaufen und den Interessen der brandenburgischen Peripherie gegenüberstehen. In Zahlen wären das die Interessen von ca. 4,3 Mio. Einwohnern in Berlin und dem engeren Verflechtungsraum gegenüber 1,8 Mio. Einwohnern im ehemaligen äußeren Land Brandenburg. Der politische Einfluss in einem gemeinsamen Land scheint hier offen auf der Hand zu liegen. Unter bundesstaatlichen Gesichtspunkten ist die Zusammenarbeit der Bundesländer, wenn sie auf fruchtbaren Boden trifft, einer Fusion ebenbürtig. Wie fruchtbar der märkische Sandboden trotz der geäußerten Bedenken sein kann, wurde in dieser Arbeit ausführlich dargestellt und braucht an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholt zu werden. So ist den Worten Hesses kaum noch etwas hinzuzufügen: „Der Gedanke des kooperativen Föderalismus enthält . . . ein Element bewusster und planvoller Gestaltung auf der Basis einer Konzeption, die nach wie vor das föderative Prinzip freier Einigung optimal zur Geltung zu bringen sucht. Zur Hilfe wird er allerdings nur werden können, wenn seine Grenzen nüchtern erkannt werden.“ 39

IV. Verbesserungsvorschläge für die Zusammenarbeit beider Länder Ausgehend davon, dass die Zusammenarbeit beider Länder vollends befürwortet wird und beiden Ländern zu dem bereits erreichten Stand gratuliert werden kann, sollen im Folgenden einige Anregungen für die weitere Ausgestaltung ihrer Zusammenarbeit gegeben werden. Oberstes Ziel beider Länder muss es auch in Zukunft sein, ihre Ressourcen zu bündeln und Verteilungskonflikte so weit wie möglich zu verhindern. Dabei fragt sich zum einen, ob innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens noch Optimierungsmöglichkeiten bestehen, sowie zum anderen, ob eventuell der verfassungsrechtliche Rahmen der Zusammenarbeit verändert werden kann und inwieweit dies sinnvoll erscheint. Anknüpfen können diese Überlegungen zunächst an sozialwissenschaftliche Verbesserungsvorschläge, die zur Förderung der Zusammenarbeit für Hamburg und sein Umland erarbeitet wurden.40 In diesem Rahmen wurden eine Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf eine Ebene oberhalb der Länder, eine 39

Hesse, FS Müller, S. 159. Scharpf/Benz, S. 94. Ähnlich auch Hruschka, S. 43. Benz/König, S. 65 ff. haben zwar im Jahr 1995 Verbesserungsvorschläge für die Region Berlin und Brandenburg aufgestellt, diese betreffen aber allein die Regionalplanung und haben sich inzwischen durch die dargestellte gemeinsame Landesplanung beider Länder erledigt. 40

IV. Verbesserungsvorschläge für die Zusammenarbeit beider Länder

327

rechtlich verbindliche Verpflichtung zur Herstellung von Einvernehmen zwischen den Ländern, eine Zentralisierung und Konzentration von Verhandlungskompetenzen innerhalb der Länder, eine Auslagerung von Entscheidungskompetenzen auf außerstaatliche gemeinsame Einrichtungen und eine Förderung kooperativer Orientierungen unter den an grenzüberschreitenden Koordinationsverhandlungen Beteiligten vorgeschlagen. Diese Vorschläge sollen im Folgenden für Länder Berlin und Brandenburg unter rechtlichen Gesichtspunkten überprüft werden. 1. Zentralisierung von Verhandlungskompetenzen Als erstes ist nach einer weiteren Zentralisierung von Verhandlungskompetenzen in beiden Länder zu fragen, weil die für eine effektive Zusammenarbeit beider Länder nötigen Koppelgeschäfte41 immer erst dann möglich sind, wenn mehrere Politikfelder zum Gegenstand gemeinsamer Verhandlung gemacht werden können und wenn die Beteiligten auch frühere und künftige Fälle mit einbeziehen. Denn wenn jedes einzelne Problem für sich in Ressortverhandlungen oder auf der lokalen Ebene behandelt wird, werden kooperative Lösungen in vielen Fällen am Widerstand der jeweils benachteiligten Seite scheitern.42 Dem wirken Koppelgeschäfte entgegen. Sie erscheinen eher auf Landesebene möglich, und hier auch nicht in den politisch-administrativen Entscheidungsstrukturen im Ressortzuschnitt und im Zeithorizont von Legislaturperioden, sondern auf der Ebene der Regierungschefs.43 Die Länder Berlin und Brandenburg haben dies erkannt und mit dem Koordinierungsrat ein Gremium gebildet, das auf Regierungsebene angesiedelt ist. Soweit eine mangelnde Verbindlichkeit seiner Empfehlungen beklagt wird,44 ist dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip geschuldet. Eine effektive Entscheidungszentralisierung innerhalb der Länder kann zu Lasten der demokratischen Legitimation gehen, weil Parlamente schon vorzeitig darauf festgelegt werden, den Entscheidungen einer übergeordneten Instanz zu folgen, und damit ihre Mitsprache und Kontrolle exekutiver Entscheidungen ausgehebelt wird.45 Unter den bereits dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip46 wäre eine weitere Entscheidungszentralisierung durch die Schaffung einer gemeinsamen Instanz beider Länder auf Regierungsebene, die verbindliche Entscheidungen treffen kann, verfassungswidrig. 41 42 43 44 45 46

Siehe zu den Koppelgeschäften bereits in Kapitel A. unter Punkt IV. Scharpf/Benz, S. 99. Hruschka, S. 21; Scharpf/Benz, S. 92. Hruschka, S. 43. Hruschka, S. 22. Siehe hierzu in Kapitel D. unter Punkt II.2 und II.3.

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F. Ausblick

Auch weiterhin nicht umsetzbar sind zudem alle Vorschläge, die auf zentrale Ebenen beider Länder unterhalb der Landesebene abzielen, beispielsweise eine Gebietskörperschaft, die Berlin und den engeren Verflechtungsraum um Berlin umfassen würde. Hiergegen hat sich das Land Brandenburg bisher ausdrücklich gewehrt, weil es neben der Dominanz Berlins in einem derartigen Verbund befürchtet, dass seine äußeren Landesteile dann nicht mehr entwicklungsfähig sind.47 Jegliche Zentralisierungsvorschläge müssen, wenn sie politisch umsetzbar sein sollen, daher das Gebiet beider Länder umfassen. Weitere gemeinsame Einrichtungen beider Länder sich durchaus denkbar. Im politischen Gespräch war beispielsweise eine gemeinsame Verkehrsplanungsabteilung Berlin-Brandenburg.48 Von dieser Idee wurde aber wieder Abstand genommen, weil die Interessen beider Länder an der Verkehrsplanung des jeweils anderen Landes nicht so groß waren, dass sie eine gemeinsame Einrichtung rechtfertigen würden.49 Auch wurde bereits im Jahr 1992 über eine gemeinsame Landesanstalt für Umweltmonitoring, insbesondere in den Bereichen Luft, Wasser, Lärm und Radioaktivität, nachgedacht.50 Insgesamt scheinen beiden Ländern aber nicht mehr viele Bereiche für gemeinsame Landeseinrichtungen geeignet. Wie dargestellt, existieren gemeinsame Einrichtungen eher in unpolitischen Bereichen, wie der Statistik.51 Beide Länder wollen sich ihren politischen Einfluss erhalten, so dass es unwahrscheinlich ist, dass in Zukunft in politisch wichtigen Bereichen, wie der Wirtschaft, der Bildung oder auch der Polizei, gemeinsame Einrichtungen beider Länder errichtet werden. Es ist eher davon auszugehen, dass der derzeit erreichte Stand keine wesentlichen Erweiterungen auf diesem Gebiet erlangt. Damit dürfte auch in näherer Zukunft das Problem der Selbstpreisgabe beider Länder nicht auftreten. 2. Rechtlich verbindliche Verpflichtung der Länder zur Einigung Einer der Hauptkritikpunkte der Zusammenarbeit der Bundesländer untereinander ist die Gefahr einer Einigung auf dem „kleinsten gemeinsamen Nenner“.52 Das Erfordernis von Einstimmigkeit zwischen den kooperierenden Ländern wird als Hindernis umfassender und durchgreifender Reformen angesehen.53 Inwieweit die dargestellte umfassende Zusammenarbeit der Länder 47

Siehe zu den Beweggründen ausführlich in Kapitel A. unter Punkt I.4.b). AvB Drs. 12/2681, S. 9 (Nr. 17). 49 Dies erfuhr die Verfasserin von einem Mitarbeiter der Senatskanzlei Berlin, mit dem sie im Februar 2011 ein Gespräch führte. 50 AvB Drs. 12/2357, S. 50. 51 Siehe hierzu in Kapitel D. unter Punkt III.3.b)bb)(1). 52 Hesse, FS Müller, S. 145 f. 53 Hesse, FS Müller, S. 146; Lenz, DÖV 1977, 157, 160 ff. 48

IV. Verbesserungsvorschläge für die Zusammenarbeit beider Länder

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Berlin und Brandenburg überhaupt als Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner angesehen werden kann, soll dahingestellt bleiben. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass auch die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg auf einigen Gebieten sehr stark von Interessengegensätzen bestimmt war und ist. So berichtete die Landesregierung Brandenburg beispielsweise im März 2008, dass manche Verhandlungen mit Berlin gescheitert bzw. noch nicht erfolgreich abgeschlossen worden seien, weil gegensätzliche Landesinteressen nicht in Übereinstimmung gebracht werden konnten. Ein bereits dargestelltes Beispiel hierfür ist die geplante gemeinsame Ausbildung der Polizeidienstkräfte beider Länder, die über eine Zusammenarbeit im ersten Studienjahr nicht hinausgelangt ist.54 Dieses Scheitern an Interessengegensätzen, das Ausdruck der auch weiterhin bestehenden Selbständigkeit beider Länder und ihrer Verpflichtung auf das Wohl der eigenen Landesbevölkerung ist, ist auf der anderen Seite in der Praxis oft ärgerlich und kann die Kooperationsfreudigkeit bei den Mitarbeitern der entsprechenden Landesverwaltungen schnell zum Erliegen bringen. Wer Kooperationsbemühungen dann von vornherein pessimistisch beurteilt, wird in sie auch keine Zeit mehr investieren wollen. Bei der Frage, inwieweit beide Länder sich rechtlich zur Zusammenarbeit verpflichten können, wurde der Gedanke von Staatsverträgen aufgeworfen, die die Länder für bestimmte Politikfelder in die Pflicht nehmen, einvernehmlich zu handeln. In die Wirkung derartiger Staatsverträge sind jedoch nicht allzu große Hoffnungen zu setzen. Eine derartige Verpflichtung zu einvernehmlichen Lösungen bedeutet nicht, dass man gemeinsames Handeln tatsächlich auch erzwingen kann. Kommt es nicht zu einer von beiden Seiten akzeptierten Entscheidung, wird das Vorgehen in diesem Bereich lediglich insgesamt blockiert und kann nicht durch einseitige Entscheidungen ersetzt werden. Dies stellt nur in den Fällen einen Anreiz zur Einigung dar, in denen beide Seiten die Einigung dem Erhalt des status quo vorziehen.55 Darüber hinaus ist der praktische Nutzen derartiger Staatsverträge nicht sofort einsichtig. Ganze Politikfelder unter Koordinierungszwang zu stellen, würde zum einen zu einer Koordinierungsflut in Kleinigkeiten führen, die in weiten Teilen inhaltlich banal, aber kostenträchtig ist, und zum anderen die Selbständigkeit beider Länder durch die Unberechenbarkeit ganzer Politikfelder zu weitgehend einschränken. Es erscheint auch kaum vorstellbar, dass die Länder Berlin und Brandenburg bei aller Kooperationsbereitschaft ein ganzes Politikfeld aus ihrem eigenständigen Regelungsbereich abgeben werden. Praktisch umsetzbar und verfassungsmäßig erscheinen daher auch weiterhin allein Staatsverträge für konkrete Maßnahmen der Zusammenarbeit, aus denen die von beiden Ländern jeweils abgegebenen Kompetenzen klar zu erkennen sind. 54 55

Siehe hierzu ausführlich in Kapitel C. unter Punkt II.4.e). Hruschka, S. 21.

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F. Ausblick

In solchen Staatsverträgen können die Länder die Ausführung konkret bestimmter Aufgaben in gemeinsamen Einrichtungen regeln. Die Einigung beider Länder ist in diesen Fällen nur bei der Bildung der gemeinsamen Einrichtung erforderlich. In der praktischen Verwaltungsarbeit müssen sich die beiden beteiligten Länder lediglich Einflussnahmemöglichkeiten erhalten, ohne dass jeder Einzelfall erneut ausgehandelt werden muss. Durch die Schaffung gemeinsamer Einrichtungen werden nicht nur Gemeinkosten vermindert und die Kapazität besser ausgelastet, sondern es können auch Reibungsverluste minimiert werden, die aus dem organisatorischen Eigeninteresse selbständiger Einheiten fast unvermeidlich entstehen.56 Gemeinsame Einrichtungen der Länder Berlin und Brandenburg orientieren sich zwangsläufig an den Bedürfnissen der Region im Ganzen. Dies führt in den betreffenden Bereichen auch zu einem gemeinsamen und geschlossenen Auftreten nach außen.57 Durch die Vielzahl der positiven Effekte haben sich diese Institutionen nicht nur bei der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg, sondern auch bundesweit bewährt.58 Dennoch können auch bei gemeinsamen Einrichtungen Verteilungskonflikte um Kosten und Nutzungsrechte entstehen, bei Ressourcentausch und Koppelgeschäften um die Bewertung der Leistungen oder Verzichte der einen und der anderen Seite.59 Daher kam in der Literatur die Idee auf, eine Entscheidungsebene über den Bundesländern zu errichten, die verbindliche Vorgaben aufstellen kann und der Zusammenarbeit beider Länder einen verbindlichen Rahmen gibt. 3. Entscheidungsebene oberhalb der Länder Eine Entscheidungsebene oberhalb der Länder kann im Bundesstaat des Grundgesetzes nur der Bund sein. Gedanken, die hinsichtlich der Bundesländer an die Europäische Union als Vorbild anknüpfen,60 sind unter der derzeitigen Verfassungslage nicht umsetzbar. Ein solcher Mittelweg zwischen dem Erhalt der Länder Berlin und Brandenburg und ihrer Fusion durch die Errichtung einer Ge-

56

Scharpf/Benz, S. 129. Hruschka, S. 24. 58 Bundesweite gemeinsame Einrichtungen der Länder sind beispielsweise das Zweite Deutsche Fernsehen, die Deutsche Richterakademie, die Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen und die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften. 59 Scharpf/Benz, S. 83 f. 60 Hruschka, S. 20; Scharpf/Benz, S. 94 f. Auf diese Weise möchte man eine Entscheidungsinstanz aufbauen, die auch bei Interessenkonflikten zwischen den beteiligten Ländern handlungsfähig bleibt, mit gesicherten Finanzmitteln der Gemeinschaft, einer der Europäischen Kommission entsprechenden eigenen Exekutivinstanz und – nach den weitestgehenden Vorstellungen – einem eigenen, unmittelbar gewählten Parlament (Scharpf/Benz, S. 95). Nur eine solche hierarchisch übergeordnete Instanz wird als funktionell gleichwertiger Ersatz zu einer Länderneugliederung angesehen (ders., S. 97). 57

IV. Verbesserungsvorschläge für die Zusammenarbeit beider Länder

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meinschaft beider Länder ist mit Art. 20 Abs. 1, 30 und 70 Abs. 1 GG nicht vereinbar, weil das Grundgesetz in diesen Regelungen eine duale Grundstruktur vorschreibt.61 Entsprechende Entwicklungen wären daher verfassungswidrig. a) Möglichkeit einer Verfassungsänderung Damit stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer Verfassungsänderung, die eine derartige „dritte Ebene“ zwischen dem Bund und den Ländern einführt. Derzeit sieht das Grundgesetz zwar lediglich zwei Ebenen, den Bund und die Länder vor. Theoretisch wäre es aber zunächst denkbar, eine fakultative dritte Ebene einer „Ländergemeinschaft“ im Grundgesetz für zulässig zu erklären. Grenzen dieser Möglichkeit zieht Art. 79 Abs. 3 GG. Danach dürfen die Grundsätze des Art. 20 Abs. 1 GG nicht tangiert werden. Der Streit, ob in Art. 79 Abs. 3 GG auch das Bundesstaatsprinzip als solches zum unveräußerlichen Kern zählt,62 kann für die vorliegenden Überlegungen dahinstehen, weil neben dem Verweis auf Art. 20 GG ausdrücklich die „Gliederung des Bundes in Länder“ genannt wird. Um diese Ausprägung des Bundesstaatsprinzips geht es im Folgenden. Art. 79 Abs. 3 GG wird eine länderspezifische Schutzrichtung zugesprochen.63 Diese besagt zunächst, dass die Bundesrepublik Deutschland in Länder aufgeteilt sein muss. Die Einführung der vorliegend in Frage stehenden „Ländergemeinschaftsebene“ zwischen dem Bund und den Ländern ändert nichts an der Existenz der Länder. Es fragt sich daher, ob Art. 79 Abs. 3 GG mit der „Gliederung des Bundes in Länder“ einen Maximalbestand an Untergliederungen festschreiben wollte, oder ob lediglich diese genannte Untergliederung des Bundes in Länder Ewigkeitsschutz genießen soll, weitere Untergliederungen daneben aber möglich sind. Als „Wesensmerkmal des Bundesstaates allgemein“ und Sinn der „Gliederung des Bundes in Länder“ wird die Staatsqualität der Länder angesehen.64 Die Staatlichkeit der Länder steht der Schaffung einer Ländergemeinschaftsebene, die zwischen dem Bund und den Ländern steht, nicht entgegen. Durch sie verlieren die Länder nicht ihre Staatsqualität, so sind auch die Nationalstaaten 61 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 170 ff. u. 186; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 30, Rdnr. 23. 62 Befürwortend Fassbender, NVwZ 2009, 737, 738; Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 286 f. m.w. N.; Isensee, AöR 115 (1990), 248, 250. Dies ablehnend Jestaedt, HStR II3, § 29, Rdnr. 48 ff., der davon ausgeht, dass die Wendung von den „in Artikel 20 niedergelegten Grundsätzen“ sich allein auf (das republikanische,) das demokratische sowie das rechtsstaatliche Prinzip beziehe (ders., Rdnr. 54). 63 Dittmann, HStR IX2, Rdnr. 27. Hierzu ausführlich Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 294 ff. 64 Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 297.

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F. Ausblick

innerhalb der Europäischen Union weiterhin selbständige Staaten.65 Aus diesem Gesichtspunkt heraus ergeben sich auch bei einer Ländergemeinschaft keine weiteren als die bereits in Kapitel D. dargestellten, rechtlichen Anforderungen an die Abgabe von Landesaufgaben. Die bei der Zusammenarbeit beider Bundesländer in den derzeitigen Formen als „Hausgut“ dargestellten, zwingend notwendigen Kompetenzen der Länder dürfen auch nicht auf eine Ländergemeinschaftsebene übertragen werden. Im Übrigen bleibt es, wie dargestellt, bei dem Erfordernis, dass jedes Bundesland in einer Gesamtbetrachtung als eigenständiges Land handlungsfähig bleiben muss. Dies schließt eine Zusammenarbeit beider Länder auf konkret bestimmten Aufgabenfeldern in einer „Ländergemeinschaft“ aber nicht grundsätzlich aus. b) Folgerungen aus der gescheiterten Fusion Auch die 1996 gescheiterte Fusion spricht nicht gegen den Aufbau einer Gemeinschaftsebene der Länder Berlin und Brandenburg. Zwar wurde eine Hierarchisierung bzw. Zentralisierung von Entscheidungen in beiden Ländern nach dem Scheitern des Fusionsversuchs im Jahr 1996 als rechtlich unzulässig angesehen, weil durch die hierin geäußerte ablehnende Haltung der Wähler den Gewählten zumindest in der damaligen Legislaturperiode das Mandat fehle.66 Nach der gescheiterten Fusion hat der Brandenburger Ministerpräsident ausgeführt, dass das Votum der Bürger nunmehr verfassungsrechtliche Grenzen setze. Durch den ablehnenden Volksentscheid haben die Landesregierungen die Aufgabe, den Weg zukünftiger Zusammenarbeit zweier selbständiger Bundesländer zu wählen, der den Ländern soweit wie möglich ein teures und ineffektives Gegeneinander erspart.67 Dem kann aber zum einen inzwischen der zeitliche Aspekt entgegengehalten werden. Über zehn Jahre später können die Landesregierungen an den damals geäußerten Willen nicht mehr gebunden sein, und sie sind auch nicht verpflichtet, den Willen ihrer Bürger durch eine neue Volksabstimmung zu überprüfen. Es haben inzwischen bereits mehrere Abgeordnetenhaus- bzw. Landtagswahlen stattgefunden, bei denen die Spitzenkandidaten ihre Kooperationsfreudigkeit nicht verheimlicht haben. Dennoch wurden sie von der Bevölkerung erneut gewählt. Dies ist für eine politische Rückversicherung des Volkswillens ausreichend. Zum anderen ist zu beachten, dass die Abgeordneten in den Landesparlamenten an bestimmte Weisungen der Bürger, und seien sie auch durch Volksentscheid offenkundig geworden, nicht gebunden sind. Sie sind zwar Vertreter des ganzen Vol65

Siehe hierzu in Kapitel B. unter Punkt II.6.a). Hruschka, S. 28 u. 43. 67 „Zwei Länder in der Region – eine Verantwortungsgemeinschaft für die Region“, Regierungserklärung von Ministerpräsident Manfred Stolpe am 22. Mai 1996, S. 2, online im Internet unter http://www.stk.brandenburg.de/media/1168/regerkl1996.pdf. 66

IV. Verbesserungsvorschläge für die Zusammenarbeit beider Länder

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kes, jedoch allein ihrem Gewissen unterworfen. Es muss beiden Ländern erlaubt sein, auf einen neuen Fusionsanlauf hinzuarbeiten und ihren Bürgern durch intensive Zusammenarbeit die gemeinsamen Stärken aufzuzeigen. Auch aus diesem Grund ist eine Verfassungswidrigkeit zukünftiger Zentralisierungsbestrebungen beider Länder nicht herzuleiten. c) Verbot der Schaffung einer Länderebene in Konkurrenz zum Bund Die Möglichkeit einer solchen Gemeinschaftsebene würde der Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg eine neue Qualität geben. Problematisch erscheint aber ihre praktische Umsetzung. Sinnvoll könnte zunächst eine solche Ebene sein, die die bundesweite Zusammenarbeit aller Bundesländer umfasst. Hier würde sich aber das in dieser Arbeit nicht thematisierte Problem stellen, dass eine solche Gemeinschaft in Konkurrenz zum Bund tritt.68 Es muss daher gefordert werden, dass sich nicht alle Bundesländer an einer entsprechenden Ländergemeinschaft beteiligen. d) Praktische Probleme einer solchen Länderebene Aber auch dann ergeben sich praktische Probleme. Nimmt man die in der vorliegenden Arbeit untersuchte bilaterale Zusammenarbeit zweier Bundesländer und möchte man diese durch eine Ländergemeinschaft ersetzen, würde dies zu einer großen Anzahl verschiedener Kooperationsebenen zwischen dem Bund und den Ländern führen, an denen jeweils andere Bundesländer beteiligt sind. So könnten beispielsweise die Länder Berlin und Brandenburg eine Gemeinschaft (Gemeinschaft „Berlin-Brandenburg“) bilden. Möchten sie in bestimmten Arbeitsgebieten aber auch mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern in dieser Form zusammenarbeiten, müsste hierfür eine neue Gemeinschaft gebildet werden (Gemeinschaft „Berlin-Brandenburg-Mecklenburg-Vorpommern). Möchte Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel hinsichtlich des Küstenschutzes mangels Küsten nicht mit Berlin und Brandenburg, sondern mit Schleswig-Holstein und Hamburg zusammenarbeiten, müsste wieder eine neue Gemeinschaft gebildet werden (Gemeinschaft „Mecklenburg-Vorpommern-Schleswig-Holstein-Hamburg“), und so weiter. Ein derartiges Gemeinschaftsgewirr lässt die Idee praktisch nicht umsetzbar erscheinen. Einzig sinnvoll wäre eine Beschränkung von Ländergemeinschaften auf Stadtstaaten und ihre angrenzenden Bundesländer, weil gerade bei den Stadtstaaten neben der allgemeinen Konkurrenz zwischen den Bundesländern die dargestellte 68 Siehe hierzu ausführlich Grassl, S. 98 ff. m.w. N. Hierdurch könnte die durch das Bundesstaatsprinzip zwingend vorgeschriebene „Balance von Bund und Ländern“ beeinträchtig sein. Zu dieser Ausprägung des Bundesstaatsprinzips siehe Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 309.

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F. Ausblick

Stadt-Umland-Problematik erschwerend hinzutritt. Eine derartige Sonderstellung der Stadtstaaten – oder eventuell sogar allein der Region Berlin-Brandenburg – dürfte auf Bundesebene politisch nicht umsetzbar sein und würde zudem dem im Grundgesetz bisher ausgestalteten Prinzip der föderativen Gleichheit der Länder widersprechen,69 so dass im Ergebnis etwaige Bemühungen zur Einführen einer Ländergemeinschaftsebene durch entsprechende Änderungen des Grundgesetzes nicht in die Praxis umsetzbar ist. 4. Stärkung des Gemeinschaftsgefühls in den Landesverwaltungen Insgesamt scheint eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit beider Länder weniger durch die Schaffung oder Erweiterung institutioneller Kooperationsformen, als vielmehr auf der informalen, menschlichen Ebene zu liegen. Die Zusammenarbeit lebt, wie dargestellt, durch die Fachressorts der Landesverwaltungen, und sie stirbt dort, wo die Mitarbeiter der entsprechenden Landesverwaltungen nicht hinter ihr stehen. Hier muss weiter angesetzt werden. Wenn schon die Bürger beider Länder nicht vollends von der positiven Wirkung der Zusammenarbeit überzeugt sind, so sollten es zumindest die Verwaltungsmitarbeiter der Landesverwaltungen sein. Sie sind mit dem Mehraufwand an Arbeit, der durch die Zusammenarbeit beider Länder entsteht, belastet und nur dann bereit, diese Arbeit auch tatsächlich umzusetzen, wenn sie ihnen sinnvoll erscheint. Dort, wo sie als lästige Zusatzaufgabe empfunden wird, dürfte sie inhaltlich nur selten wertvoll sein. Hier ist es Aufgabe der Landesregierungen, Informations- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Zwar ist ein gemeinsames Auftreten beider Länder in der Öffentlichkeit wichtig, genauso wichtig ist aber auch die Beachtung der gegenseitigen Interessen bei der täglichen Verwaltungsarbeit. Dies hängt derzeit entscheidend von dem Interesse der einzelnen Verwaltungsmitarbeiter ab. Es wäre ein großer Schritt nach vorn, wenn ein Großteil der Verwaltungsmitarbeiter beider Landesverwaltungen die gemeinsame Region Berlin-Brandenburg so verinnerlicht hätten und von ihren positiven Effekten auch für das eigene Land so überzeugt wären, dass sie bei ihrer Arbeit die Auswirkungen auf das Nachbarland automatisch mit beachten und die Informationsflüsse zwischen beide Ländern auf breiter Front intensiviert werden. Diese Frage nach der inneren Einstellung der Verwaltungsmitarbeiter zur Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg bietet ein Feld weiterführender wissenschaftlicher Untersuchungen, das bisher kaum in den Blickpunkt des Interesses gerückt ist. Hierauf sollten die Länder Berlin und Brandenburg zukünftig größeren Wert legen. In der Literatur findet sich außerdem Kritik hinsichtlich der Abstimmungsprozesse zwischen beiden Ländern, weil sich zwar die Regierungen in gemeinsamen Kabinettssitzungen und die Abgeordneten in gemeinsamen Ausschusssitzungen 69

Siehe zu Letzterem ausführlich Isensee, HStR VI3, § 126, Rdnr. 141.

IV. Verbesserungsvorschläge für die Zusammenarbeit beider Länder

335

ein- bis zweimal jährlich abstimmen, bisher jedoch Strukturen fehlen, die einen Meinungsaustausch zwischen Exekutive und Legislative beider Länder ermöglichen. Hierzu wird die Schaffung einer gemeinsamen „Zentrale der Zusammenarbeit“ beider Länder vorgeschlagen, die sich aus Regierungsmitgliedern und Abgeordneten beider Länder bildet und in der nicht jedes Ressort allein sein Gebiet betrachtet, sondern die Zusammenarbeit als Ganzes koordiniert wird.70 Treffen zum Informations- und Gedankenaustausch erscheinen grundsätzlich immer sinnvoll für die Stärkung eines Gemeinschaftsgefühls beider Länder. Eine entsprechende gemeinsame „Zentrale der Zusammenarbeit“ beider Länder, in der sich sowohl Regierungsmitglieder als auch Abgeordnete treffen, dient zudem der unter dem Demokratieprinzip geforderten stärkeren Information der Landesparlamente zu geplanten Kooperationsvorhaben. Sollten die Sitzungen zudem öffentlich erfolgen, wird das Demokratieprinzip, das sich durch die enge Zusammenarbeit beider Länder in der dargestellten Gefahrenlage befindet,71 weiter gestärkt. Die tatsächliche Umsetzung einer solchen „Zentrale der Zusammenarbeit“ dürfte weniger an Zweifeln hinsichtlich ihrer positiven Effekte, als vielmehr an finanziellen Überlegungen scheitern. Auch wenn eine solche Einrichtung auf dem Papier gut aussieht, ist sie eine zusätzliche und verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderliche Form informaler Zusammenarbeit beider Länder. Sie bedürfte der Planung, Einrichtung und Durchführung. Alles dies kostet Geld, was beide Länder nicht im Überfluss haben. Unter den derzeitigen Sparzwängen erscheint daher die Einrichtung einer „Zentrale der Zusammenarbeit“ beider Länder trotz ihrer Vorteile eher unrealistisch. Soweit beide Länder trotz leerer Kassen an der Verbesserung ihrer derzeit geübten Zusammenarbeit interessiert sind, dürfte ein Ausbau der bereits bestehenden Institutionen in der Praxis leichter umsetzbar sein. So könnten beispielsweise die bereits bestehenden gemeinsamen Sitzungen der Parlamentsausschüsse beider Landesparlamente72 noch weiter intensiviert oder als Dauereinrichtungen festgeschrieben werden. Verbindliche gemeinsame Parlamentsausschüsse beider Länder in den für ihre Zusammenarbeit besonders wichtigen Gebieten, die neben die bestehenden Parlamentsausschüsse jedes der beiden Landesparlamente treten, führen nicht zu einem als verfassungswidrig herausgearbeiteten gemeinsamen Parlament. Parlamentarische Ausschüsse leisten wichtige Vorarbeit, die eigentliche Entscheidung der Legislative wird aber in den beiden Landesparlamenten getroffen. Solange diese für jedes der beiden Länder selbständig entscheiden, liegt keine verfassungswidrige Selbstpreisgabe im Bereich der Legislative vor. Neben diesen institutionalisierten Formen kann auch für die Landesparlamente die oben für die Landesverwaltungen aufgestellte Forderung wiederholt werden. 70 71 72

Tripke, S. 207. Siehe hierzu in Kapitel D. unter Punkt II.2. Siehe hierzu in Kapitel C. unter Punkt I.3.a).

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F. Ausblick

Auch die Landesparlamentarier könnten bei jedem Gesetzesentwurf das Nachbarland mit im Auge haben. So findet sich bei jedem Berliner Gesetzesentwurf beispielsweise eine Rubrik „Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg“;73 was unter dieser Rubrik in der Praxis jedoch dargestellt wird, ist in den meisten Fällen mehr als dürftig.74 An dieser Stelle könnten beispielsweise die entsprechende Regelung im Land Brandenburg dargestellt und die Bemühungen des Landes Berlin, sein eigenes Landesrecht möglichst mit dem brandenburgischen Landesrecht anzugleichen, dargestellt werden. Stattdessen findet sich in vielen Fällen allein das Wort „Keine“ in dieser Rubrik. Dies hat bisher aber noch in keinem Gesetzgebungsverfahren zu einer Kritik der Parlamentarier an der mangelnden Information im Gesetzesentwurf geführt. Das Interesse an BerlinBrandenburg scheint auch in den Landesparlamenten bei der täglichen Arbeit noch steigerungswürdig zu sein.

V. Ergebnis Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass sich beide Länder auf einem guten Weg befinden, der in der tagtäglichen Arbeit an vielen Punkten noch verbessert werden kann, im Großen und Ganzen aber durchweg positiv zu beurteilen ist. Die in der Verwaltungspraxis auftretenden Interessengegensätze und das damit einhergehende Scheitern geplanter Kooperationsmaßnahmen sind Ausdruck der Selbständigkeit beider Länder und verfassungsrechtlich erwünscht, mögen sie auch für die beteiligten Personen ärgerlich sein. Es bleibt zu hoffen, dass beide Länder den eingeschlagenen Weg, auch wenn er teilweise steinig ist, weitergehen. Das Recht gibt ihnen dazu jedenfalls alle notwendigen Befugnisse.

73 Entsprechend hat auch das Land Brandenburg gemäß Anlage 4 Nr. 2k der GGO Brandenburg in Kabinettsvorlagen die Rubrik „Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit dem Land Berlin“ zu bearbeiten. Siehe hierzu bereits in Kapitel C. unter Punkt II.3. 74 In neuerer Zeit beispielsweise hinsichtlich einer Änderung des Vergnügungsteuergesetzes, AvB Drs. 16/3616, S. 4 und hinsichtlich einer Änderung des Berliner Datenschutzgesetzes, AvB Drs. 16/3510, S. 6: „Keine“. Etwas ausführlicher demgegenüber hinsichtlich einer Änderung des AG-SGB II AvB Drs. 16/3589, S. 6.

Anlage 1 Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg1 Präambel Die Länder Berlin und Brandenburg gehören historisch zusammen und stehen nicht zuletzt in einer gemeinsamen Rechtstradition. Sie bilden für viele Menschen einen einheitlichen Lebensraum. Sie sind natürliche Partner für eine landesgrenzenübergreifende Zusammenarbeit. Deshalb sind die Länder Berlin und Brandenburg übereingekommen, gemeinsame Fachobergerichte zu errichten. Dies geschieht nicht nur in dem Willen, eine effizientere Justizstruktur in der Region Berlin-Brandenburg aufzubauen, sondern auch in der Hoffnung, das weitere Zusammenwachsen der Länder zu fördern.

I. Abschnitt Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte Artikel 1 Bezeichnung, Sitz und Errichtungszeitpunkte, Siegel (1) Es werden folgende gemeinsamen Fachobergerichte errichtet: 1. zum 1. Juli 2005 ein gemeinsames Oberverwaltungsgericht mit der Bezeichnung „Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg“ und Sitz in Berlin, 2. zum 1. Juli 2005 ein gemeinsames Landessozialgericht mit der Bezeichnung „Landessozialgericht Berlin-Brandenburg“ und Sitz in Potsdam, 3. zum 1. Januar 2007 ein gemeinsames Finanzgericht mit der Bezeichnung „Finanzgericht Berlin-Brandenburg“ und Sitz in Cottbus, 4. zum 1. Januar 2007 ein gemeinsames Landesarbeitsgericht mit der Bezeichnung „Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg“ und Sitz in Berlin. Werden die Verwaltungs-, Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit ganz oder teilweise vereinigt, bestehen die in Satz 1 genannten Gerichtssitze als Sitze entsprechender Fachsenate fort. (2) Ein gemeinsames Fachobergericht führt ein Siegel mit dem Berliner und dem Brandenburger Landeswappen. 1 Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg, BlnGVBl. 2004, S. 381 ff.

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Anlage 1 Artikel 2 Richterwahl, Richterernennung

(1) Die planmäßigen Richter eines gemeinsamen Fachobergerichtes stehen im Dienste beider Länder. Sie werden auf einvernehmlichen Vorschlag des zuständigen Senators und des zuständigen Ministers durch den gemeinsamen Richterwahlausschuss gewählt. Der gemeinsame Richterwahlausschuss besteht aus den Mitgliedern der Richterwahlausschüsse beider Länder. Erforderlich für die Wahl ist die Mehrheit der Berliner und die Mehrheit der Brandenburger Mitglieder des gemeinsamen Richterwahlausschusses. Der zuständige Senator und der zuständige Minister haben kein Stimmrecht. Die Richter werden gemeinschaftlich von den Landesregierungen ernannt und entlassen; die Urkunden werden gemeinsam vollzogen. (2) Der Präsident eines gemeinsamen Fachobergerichtes wird auf einvernehmlichen Vorschlag der Landesregierungen durch den gemeinsamen Richterwahlausschuss gewählt. (3) Der gemeinsame Richterwahlausschuss tagt als Richterwahlausschuss für das Fachobergericht. Den Vorsitz führen der zuständige Senator und der zuständige Minister im Wechsel von Sitzung zu Sitzung; der Beginn liegt beim Sitzland des Fachobergerichtes. (4) Das Nähere zur Richterwahl regelt eine Geschäftsordnung die sich der gemeinsame Richterwahlausschuss mit der Mehrheit der stimmberechtigten ständigen Mitglieder aus Berlin und der Mehrheit der stimmberechtigten ständigen Mitglieder aus Brandenburg gibt und die der Zustimmung beider Landesregierungen bedarf. Artikel 3 Abordnung von Richtern, Richter auf Probe, kraft Auftrags und im Nebenamt Abordnungen von Richtern an ein gemeinsames Fachobergericht werden einvernehmlich vom zuständigen Senator und zuständigen Minister ausgesprochen. Für die Wahl und Ernennung von Richtern auf Probe, kraft Auftrags und im Nebenamt gilt Artikel 2 entsprechend. Artikel 4 Auf die Richter anwendbares Recht, Dienstaufsicht über Richter, Disziplinarmaßnahmen gegen Richter (1) Soweit sich aus diesem Staatsvertrag nichts anderes ergibt, werden auf die Richter eines gemeinsamen Fachobergerichtes die Vorschriften angewendet, die im Sitzland des Gerichtes für Richter gelten. Die Länder Berlin und Brandenburg sind bestrebt, ihre richterrechtlichen Vorschriften zu vereinheitlichen. (2) Die Dienstaufsicht über die Richter eines gemeinsamen Fachobergerichtes übt das Sitzland im Namen beider Länder aus. (3) Vor Erlass einer Disziplinarverfügung durch die oberste Dienstbehörde oder vor Erhebung einer Disziplinarklage gegen einen Richter ist das Einvernehmen mit dem anderen Land herzustellen. Das Gnadenrecht wird von beiden Ländern gemeinschaftlich ausgeübt.

Anlage 1

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Artikel 5 Richteranklage Verstößt ein Richter eines gemeinsamen Fachobergerichtes im Amte oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes Berlin oder des Landes Brandenburg, so kann das Bundesverfassungsgericht mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf Antrag anordnen, dass der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen ist. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden. Der Antrag kann gestellt werden 1. bei einem Verstoß gegen die Grundsätze des Grundgesetzes von der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin oder der Mehrheit der Mitglieder des Landtages Brandenburg, 2. bei einem Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes Berlin von der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin, 3. bei einem Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes Brandenburg von der Mehrheit der Mitglieder des Landtages Brandenburg. Artikel 6 Vereidigung Die Richter und die ehrenamtlichen Richter eines gemeinsamen Fachobergerichtes leisten ihren Eid oder ihr Gelöbnis nach den im Deutschen Richtergesetz vorgesehenen Formeln mit der Maßgabe, dass nach der Verpflichtung auf das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ein Komma und die Worte „getreu den Verfassungen der Länder Berlin und Brandenburg“ eingefügt werden. Artikel 7 Nichtrichterliche Bedienstete Die Beamten, Angestellten und Arbeiter eines gemeinsamen Fachobergerichtes stehen im Dienst des Sitzlandes. Artikel 8 Aufsicht in Verwaltungsangelegenheiten, Datenschutz (1) In seinen Verwaltungsangelegenheiten untersteht ein gemeinsames Fachobergericht der Aufsicht des Sitzlandes. (2) Für ein gemeinsames Fachobergericht gilt das Datenschutzrecht des Sitzlandes. Artikel 9 Dienstaufsicht über die erstinstanzlichen Gerichte, Beurteilungswesen, Übertragung von Justizverwaltungsaufgaben (1) Soweit das Bundes- oder Landesrecht dies vorsehen, nimmt der Präsident eines gemeinsamen Fachobergerichtes die übergeordnete Dienstaufsicht über die dem Gericht

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Anlage 1

zugeordneten erstinstanzlichen Gerichte wahr. Die den Ländern Berlin und Brandenburg zustehende Aufsicht über diese Gerichte wird durch die Aufsichtsbefugnisse des Präsidenten des gemeinsamen Fachobergerichtes nicht berührt. (2) Zur Wahrung der Chancengleichheit zwischen den Berliner und Brandenburger Richtern werden nach Errichtung eines gemeinsamen Fachobergerichtes die Richter des jeweiligen Gerichtszweiges in beiden Ländern neu beurteilt. Der Fachobergerichtspräsident gewährleistet durch Überbeurteilungen einen einheitlichen Beurteilungsmaßstab, soweit er die Neubeurteilungen nicht selbst vornimmt. Dem Präsidenten eines gemeinsamen Fachobergerichtes obliegt auch später die Überbeurteilung der an den erstinstanzlichen Gerichten tätigen Richter, soweit er diese nicht beurteilt. Der zuständige Senator und der zuständige Minister erlassen bis spätestens zur Errichtung eines gemeinsamen Fachobergerichtes übereinstimmende Beurteilungsrichtlinien für den jeweiligen Gerichtszweig. Soweit die Beurteilungsrichtlinien bis zur Errichtung eines gemeinsamen Fachobergerichtes noch nicht erlassen werden konnten, erlässt der Präsident des gemeinsamen Fachobergerichtes sie umgehend nach Errichtung des Gerichtes im Einvernehmen mit dem zuständigen Senator und dem zuständigen Minister. (3) Die zuständigen Senatoren und Minister können einem gemeinsamen Fachobergericht einvernehmlich weitere Aufgaben der Justizverwaltung übertragen. Das gemeinsame Fachobergericht unterliegt insoweit der Aufsicht des übertragenden Landes. Der Kreis der aus Berlin und Brandenburg übertragenen Aufgaben muss sich nicht decken.

Artikel 10 Präsidialräte (1) Die Präsidialräte bei dem gemeinsamen Oberverwaltungsgericht, gemeinsamen Landessozialgericht und gemeinsamen Landesarbeitsgericht bestehen jeweils aus dem Präsidenten als Vorsitzendem sowie aus je zwei Richtern, die von den Berliner und Brandenburger Richtern der betreffenden Fachgerichtsbarkeit nach Landesrecht gewählt werden. Die Richter des gemeinsamen Fachobergerichtes sind bei den Wahlen im Sitzland aktiv und passiv wahlberechtigt. (2) Soweit ein Präsidialrat bei den in Absatz 1 genannten gemeinsamen Fachobergerichten sich mit Angelegenheiten aus dem jeweiligen Gericht befasst, sind alle Mitglieder des Präsidialrates stimmberechtigt; die Beteiligungsrechte und das Beteiligungsverfahren richten sich nach dem Recht des Sitzlandes. (3) Soweit ein Präsidialrat bei den in Absatz 1 genannten gemeinsamen Fachobergerichten sich mit Angelegenheiten aus einem erstinstanzlichen Gericht befasst, sind nur der Präsident und die von den Richtern des betroffenen Landes gewählten Mitglieder stimmberechtigt. Die übrigen Präsidialratsmitglieder können mit beratender Stimme mitwirken. Die Beteiligungsrechte und das Beteiligungsverfahren richten sich nach dem Recht des betroffenen Landes. (4) Der Präsidialrat bei dem gemeinsamen Finanzgericht besteht aus dem Präsidenten als Vorsitzendem und vier Richtern, die von der Richterschaft des gemeinsamen Finanzgerichtes nach dem Recht des Landes Brandenburg gewählt werden; die Beteiligungsrechte und das Beteiligungsverfahren richten sich ebenfalls nach dem Recht des Landes Brandenburg.

Anlage 1

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Artikel 11 Richterräte, Gesamtrichterräte (1) Bei einem gemeinsamen Fachobergericht wird nach dem Landesrecht des Sitzlandes ein Richterrat gebildet und beteiligt. (2) Bei dem gemeinsamen Oberverwaltungsgericht, dem gemeinsamen Landessozialgericht und dem gemeinsamen Landesarbeitsgericht wird jeweils auch ein Gesamtrichterrat gebildet. Er besteht aus dem Vorsitzenden des Richterrates des gemeinsamen Fachobergerichtes sowie aus je drei Richtern, die von den erstinstanzlichen Richtern der betreffenden Fachgerichtsbarkeit in Berlin und Brandenburg nach Landesrecht gewählt werden. (3) Der Gesamtrichterrat bei einem gemeinsamen Fachobergericht ist in folgenden Fällen zu beteiligen: 1. Bei einer Maßnahme des Fachobergerichtspräsidenten, die neben dem Fachobergericht auch erstinstanzliche Gerichte betrifft; die Beteiligung erfolgt nach dem Recht des Sitzlandes des gemeinsamen Fachobergerichtes. 2. Bei einer Maßnahme des Fachobergerichtspräsidenten, die nur die erstinstanzlichen Gerichte im Sitzland des Fachobergerichtes betrifft; die Beteiligung erfolgt nach dem Recht des Sitzlandes. 3. Bei einer Maßnahme des Fachobergerichtspräsidenten, die nur die erstinstanzlichen Gerichte im anderen Land betrifft; die Beteiligung erfolgt nach dem Recht des anderen Landes. 4. Als Stufenvertretung, wenn der Präsident oder Direktor eines erstinstanzlichen Gerichtes und der dort gebildete Richterrat sich nicht über eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme einigen können; die Beteiligung des Gesamtrichterrates richtet sich nach dem Recht des betroffenen Landes. Betrifft die Entscheidung des Gesamtrichterrates nur die erste Instanz eines Landes, können die von den erstinstanzlichen Richtern des anderen Landes gewählten Mitglieder des Gesamtrichterrates mit beratender Stimme mitwirken. (4) Können sich der Präsident eines gemeinsamen Fachobergerichtes und der Gesamtrichterrat in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit nicht einigen, wird wie folgt abschließend entschieden: 1. In den Fällen des Absatzes 3 Nr. 1 durch den zuständigen Senator oder Minister des Sitzlandes im Einvernehmen mit dem zuständigen Minister oder Senator des anderen Landes. 2. In den Fällen des Absatzes 3 Nr. 2 durch den zuständigen Senator oder Minister des Sitzlandes. 3. In den Fällen des Absatzes 3 Nr. 3 durch den zuständigen Senator oder Minister des anderen Landes. 4. In den Fällen des Absatzes 3 Nr. 4 durch den zuständigen Senator oder Minister des betroffenen Landes. Vor der abschließenden Entscheidung ist dem Gesamtrichterrat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen zu geben; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

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Anlage 1 Artikel 12 Personalräte

(1) Bei jedem gemeinsamen Fachobergericht wird nach dem Landesrecht des Sitzlandes ein Personalrat gebildet und beteiligt. (2) Soweit ein gemeinsames Fachobergericht die Aufgaben einer Mittelbehörde für das Sitzland wahrnimmt, beteiligt der Präsident die nach dem Personalvertretungsrecht des Sitzlandes zuständige Personalvertretung nach dem Recht des Sitzlandes. Soweit ein gemeinsames Fachobergericht die Aufgaben einer Mittelbehörde für das andere Land wahrnimmt, beteiligt der Präsident die nach dem Personalvertretungsrecht des anderen Landes zuständige Personalvertretung nach dem Recht des anderen Landes. Diese kann bei dem gemeinsamen Fachobergericht angesiedelt werden; für sie sind nur die nichtrichterlichen Bediensteten der erstinstanzlichen Gerichte des anderen Landes aktiv und passiv wahlberechtigt. (3) Für das Verfahren bei Nichteinigung in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten gilt jeweils das Recht des betroffenen Landes.

II. Abschnitt Regelungen für einzelne Fachobergerichte Artikel 13 Landesrechtliche Regelungen zur Verwaltungsgerichtsordnung Soweit die Verwaltungsgerichtsordnung landesrechtliche Regelungen zulässt, können Berlin und Brandenburg diese unabhängig voneinander treffen. Artikel 14 Ehrenamtliche Richter des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts Der Wahlausschuss für die Wahl der ehrenamtlichen Richter bei dem gemeinsamen Oberverwaltungsgericht besteht aus dessen Präsidenten als Vorsitzendem, je einem vom Senat von Berlin und von der Landesregierung Brandenburg entsandten Verwaltungsbeamten sowie je vier Vertrauensleuten aus dem Land Berlin und dem Land Brandenburg, die nach Landesrecht gewählt werden. Der Senat von Berlin und die Landesregierung Brandenburg können die Entsendung des Verwaltungsbeamten auf den zuständigen Senator oder Minister übertragen. Artikel 15 Fachsenate für Personalvertretungs- und Disziplinarsachen am gemeinsamen Oberverwaltungsgericht (1) Die ehrenamtlichen Richter des Fachsenates oder der Fachsenate für Bundespersonalvertretungssachen werden vom Präsidenten des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichtes berufen. (2) Die Beamtenbeisitzer des Fachsenates oder der Fachsenate für Bundesdisziplinarsachen werden in entsprechender Anwendung von Artikel 14 gewählt. Die Vorschlags-

Anlage 1

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liste wird durch den Senator für Inneres des Landes Berlin im Einvernehmen mit dem für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständigen Minister des Landes Brandenburg erstellt. Die obersten Bundesbehörden und die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften der Beamten können für die Aufnahme von Beamten in die Liste Vorschläge unterbreiten. (3) In Landespersonalvertretungs- und Landesdisziplinarsachen richten sich die Zuständigkeit, die Besetzung und das Verfahren des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichtes nach den Vorschriften des Landes, aus dem die jeweilige Sache stammt.

Artikel 16 Gemeinsames Flurbereinigungsgericht beim gemeinsamen Oberverwaltungsgericht (1) Bei dem gemeinsamen Oberverwaltungsgericht besteht ein Fachsenat als gemeinsames Flurbereinigungsgericht der Länder Berlin und Brandenburg. (2) Die ehrenamtlichen Richter des Flurbereinigungsgerichtes sowie deren Stellvertreter ernennt oder beruft der Präsident des Oberverwaltungsgerichtes auf die Dauer von fünf Jahren. Artikel 2 Abs. 1 Satz 6 gilt entsprechend. Der ehrenamtliche Richter im Sinne des § 139 Abs. 2 Satz 2 des Flurbereinigungsgesetzes und sein Stellvertreter werden auf einvernehmlichen Vorschlag des für die Landwirtschaft zuständigen Senators und des für die Landwirtschaft zuständigen Ministers ernannt. Die landwirtschaftlichen Berufsvertretungen (§ 109 des Flurbereinigungsgesetzes) stellen jeweils eine Vorschlagsliste für die Berufung der ehrenamtlichen Richter im Sinne des § 139 Abs. 3 des Flurbereinigungsgesetzes mit einer vom Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtes bestimmten Anzahl von Vorschlägen auf. Jede Vorschlagsliste soll dieselbe Anzahl von Vorschlägen umfassen. Die Gesamtzahl der Vorschläge soll unbeschadet des Satzes 4 das Eineinhalbfache der erforderlichen Zahl der Beisitzer und der Stellvertreter betragen. Artikel 17 Angliederung von Heilberufsobergerichten an das gemeinsame Oberverwaltungsgericht Die Länder Berlin und Brandenburg können durch Landesgesetz ihre oberen Berufsgerichte für die Heilberufe an das gemeinsame Oberverwaltungsgericht angliedern.

Artikel 18 Ehrenamtliche Richter des gemeinsamen Finanzgerichtes Der Wahlausschuss für die Wahl der ehrenamtlichen Richter bei dem gemeinsamen Finanzgericht besteht aus dessen Präsidenten als Vorsitzendem, je einem von der Oberfinanzdirektion Berlin und der Oberfinanzdirektion Cottbus entsandten Beamten der Finanzverwaltung sowie je vier Vertrauensleuten aus dem Land Berlin und dem Land Brandenburg, die nach Landesrecht gewählt werden. § 23 Abs. 2 Satz 5 der Finanzgerichtsordnung bleibt unberührt.

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Anlage 1 Artikel 19 Ehrenamtliche Richter des gemeinsamen Landessozialgerichtes

Die ehrenamtlichen Richter des gemeinsamen Landessozialgerichtes werden von dessen Präsidenten berufen. Artikel 20 Ehrenamtliche Richter des gemeinsamen Landesarbeitsgerichtes Die ehrenamtlichen Richter des gemeinsamen Landesarbeitsgerichtes werden von dessen Präsidenten berufen.

III. Abschnitt Kostentragung Artikel 21 Geschäftsräume, Informationstechnik (1) Das Sitzland eines gemeinsamen Fachobergerichtes stellt die erforderlichen Geschäftsräume einschließlich der für die Informationstechnik notwendigen aktiven und passiven Verkabelung, die zur Ausstattung notwendigen Einrichtungsgegenstände sowie die Bücherei; die anfallenden Kosten werden nicht umgelegt. (2) Das Sitzland beschafft die für ein gemeinsames Fachobergericht notwendige Computerhard- und -software. Die Auswahl der Software erfolgt im Einvernehmen beider Länder, falls dieses nicht erreichbar ist, durch die zuständige Senatsverwaltung oder das zuständige Ministerium des Sitzlandes. Artikel 22 Umlage der sächlichen Kosten, der Personalkosten für das aktive Personal und Kosten für die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter Die laufenden Betriebskosten der Geschäftsräume, die Kosten für etwaige Schönheitsreparaturen, die Kosten für die Beschaffung und Nutzung der Informationstechnik sowie die sächlichen Kosten des Geschäftsbetriebes werden, soweit sie nicht durch die Einnahmen gedeckt sind, im Verhältnis der Eingangszahlen auf die beiden Länder verteilt. Dasselbe gilt für die Umlage der Personalkosten für das aktive Personal und die Kosten für die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter. Artikel 23 Umlage der Versorgungslasten (1) Die Versorgungsbezüge der nichtrichterlichen Bediensteten der gemeinsamen Fachobergerichte trägt das jeweilige Sitzland; § 107b des Beamtenversorgungsgesetzes bleibt unberührt. (2) Für die Versorgungsbezüge der Richter eines gemeinsamen Fachobergerichtes gilt § 107b des Beamtenversorgungsgesetzes mit der Maßgabe entsprechend, dass für die

Anlage 1

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Zeit ab der Übernahme eines Richters an das gemeinsame Fachobergericht die Länder Berlin und Brandenburg gemeinschaftlich als aufnehmendes Land gelten. Der von ihnen in dieser Eigenschaft nach § 107b des Beamtenversorgungsgesetzes zu tragende Anteil an den Versorgungsbezügen wird zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg nach dem Verhältnis der Eingangszahlen des betreffenden Fachobergerichtes aus Berlin und Brandenburg aufgeteilt. Maßgeblich für die Ermittlung des Verhältnisses der Eingangszahlen ist der Zeitraum von der Übernahme des Richters an das gemeinsame Fachobergericht bis zu seiner Zurruhesetzung. Die Auszahlung der Versorgungsbezüge erfolgt durch das Sitzland. Artikel 24 Umlageverfahren (1) Die umzulegenden Personalkosten und sächlichen Kosten eines gemeinsamen Fachobergerichtes werden vom Sitzland vorschussweise geleistet. Die Einnahmen fließen dem Sitzland zu. (2) Nach Beendigung des Haushaltsjahres stellt das Sitzland fest, welchen Betrag der umlagefähigen Personalkosten und sächlichen Kosten durch die Einnahmen nicht gedeckt ist. Es legt diesen Betrag in dem Verhältnis auf beide Länder um, in dem Verfahren aus jedem der Länder im Haushaltsjahr bei dem gemeinsamen Fachobergericht anhängig geworden sind. Dabei sind die Verfahren dem Land zuzurechnen, in dem sie anhängig geworden wären, wenn es ein eigenes Fachobergericht gehabt hätte. (3) Das Sitzland kann am Schluss eines jeden Vierteljahres vom anderen Land Abschlagszahlungen auf den am Ende des Haushaltsjahres zu erwartenden Umlagebetrag anfordern. Artikel 25 Anzahl der Spruchkörper, Haushaltsplan (1) Die Anzahl der Spruchkörper des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichtes, des gemeinsamen Finanzgerichtes und des gemeinsamen Landessozialgerichtes legen der jeweilige Gerichtspräsident, der zuständige Senator und der zuständige Minister einvernehmlich fest. Die Anzahl der Spruchkörper des gemeinsamen Landesarbeitsgerichtes legen der zuständige Senator und der zuständige Minister einvernehmlich fest. (2) Der Entwurf des Haushaltsplanes einschließlich des Stellenplanes für ein gemeinsames Fachobergericht wird von dem für das Gericht und dem für Finanzen zuständigen Ressort des Sitzlandes im Einvernehmen mit den entsprechenden Ressorts des anderen Landes aufgestellt und im Haushaltsplan des Sitzlandes ausgebracht. (3) Für die Prüfung der Jahresrechnung sind die im Sitzland geltenden Bestimmungen maßgebend. Die Prüfung erfolgt durch den Landesrechnungshof des Sitzlandes. Die Regierung des Sitzlandes leitet das ihr nach Abschluss des Prüfungsverfahrens übermittelte Prüfungsergebnis der Regierung des anderen Landes zu.

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Anlage 1

IV. Abschnitt Folgeänderung Artikel 26 Änderung des Landesplanungsvertrages Der am 6. April 1995 unterzeichnete Landesplanungsvertrag, zuletzt geändert durch Staatsvertrag vom 5. Januar 2001, wird zum 1. Juli 2005 wie folgt geändert: 1. In Artikel 3 Abs. 2 werden die Wörter „Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg als gemeinsames Gericht“ durch die Wörter „Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg“ ersetzt. 2. In Artikel 3 Abs. 3 werden die Wörter „Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg“ durch die Wörter „Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg“ ersetzt.

V. Abschnitt In-Kraft-Treten, Übergangs- und Schlussvorschriften Artikel 27 In-Kraft-Treten Dieser Staatsvertrag bedarf der Ratifikation. Er tritt am ersten Tag des auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgenden Monats in Kraft. Artikel 28 Übergang anhängiger Verfahren Mit der Errichtung eines gemeinsamen Fachobergerichtes gehen die bei den bisherigen Fachobergerichten der Länder Berlin und Brandenburg anhängigen Verfahren in dem Stand, in dem sie sich befinden, auf das gemeinsame Fachobergericht über. Artikel 29 Übernahme von planmäßigen Richtern (1) Mit der Errichtung eines gemeinsamen Fachobergerichtes werden die planmäßigen Richter der bisherigen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg planmäßige Richter des gemeinsamen Fachobergerichtes. Erster Präsident eines gemeinsamen Fachobergerichtes wird jeweils der bisherige Fachobergerichtspräsident aus dem Sitzland. Erster Vizepräsident eines gemeinsamen Fachobergerichtes wird jeweils der bisherige Fachobergerichtspräsident aus dem anderen Land. Die Vizepräsidenten der bisherigen Fachobergerichte werden Vorsitzende Richter an den gemeinsamen Fachobergerichten. (2) Artikel 2 Abs. 1 Satz 6 und Artikel 6 gelten entsprechend.

Anlage 1

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Artikel 30 Übernahme von ehrenamtlichen Richtern Die Übernahme von ehrenamtlichen Richtern an ein gemeinsames Fachobergericht richtet sich nach Artikel 3 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Gerichte bei Änderung der Gerichtseinteilung (BGBl. III 300-4). Artikel 6 gilt entsprechend. Artikel 31 Übergangsregelung zu den Beteiligungsgremien (1) Die zu wählenden Mitglieder der Präsidial-, Richter- und Gesamtrichterräte werden binnen drei Monaten nach Errichtung eines gemeinsamen Fachobergerichtes gewählt. Für die Zeit bis zur ersten Wahl werden die in Satz 1 genannten Beteiligungsgremien übergangsweise wie folgt besetzt: 1. In den Präsidialrat bei einem gemeinsamen Fachobergericht entsenden die Präsidialräte bei den bisherigen Fachobergerichten jeweils die Anzahl an Mitgliedern, die für das Land zu wählen sind. 2. In den Richterrat eines gemeinsamen Fachobergerichtes entsenden die Richterräte der bisherigen Fachobergerichte jeweils zwei Mitglieder. 3. In den Gesamtrichterrat bei einem gemeinsamen Fachobergericht entsenden die Gesamtrichterräte bei den bisherigen Fachobergerichten jeweils drei Vertreter. (2) Die Mitglieder des Personalrates eines gemeinsamen Fachobergerichtes werden binnen drei Monaten nach Errichtung des Gerichtes gewählt. Für die Zeit bis zur ersten Wahl werden die Aufgaben des Personalrates übergangsweise vom Personalrat des bisherigen Fachobergerichtes im Sitzland wahrgenommen. Soweit an ein gemeinsames Fachobergericht nichtrichterliche Bedienstete aus dem anderen Land übernommen werden, können diese eine Vertrauensperson bestimmen, die zum Übergangspersonalrat mit den Rechten eines Personalratsmitgliedes hinzutritt. (3) Die Amtszeit der nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 Gewählten endet mit dem Zeitpunkt der nächsten landesweiten Wahl der entsprechenden Räte des Landes, es sei denn, die nächste landesweite Wahl findet binnen eines Jahres nach der Errichtung des Gerichts statt; in diesem Fall endet die Amtszeit erst mit dem Zeitpunkt der übernächsten landesweiten Wahl. Artikel 32 Übergangsregelung zur sächlichen Ausstattung Soweit planmäßige Richter eines bisherigen Fachobergerichtes der Länder Berlin und Brandenburg an ein gemeinsames Fachobergericht übernommen werden, stellt das Herkunftsland die Einrichtungsgegenstände der Dienstzimmer mit Ausnahme der Computerhardware.

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Anlage 1 Artikel 33 Kündigung, Auseinandersetzung

(1) Dieser Staatsvertrag gilt unbefristet. Er kann von jedem Land mit einjähriger Frist zum 31. Dezember jeden Jahres schriftlich gekündigt werden. (2) Bei Beendigung des Staatsvertrages übernehmen die beiden Länder nach einem für jedes gemeinsame Fachobergericht von dem zuständigen Senator oder Minister des Sitzlandes im Einvernehmen mit dem zuständigen Senator oder Minister des anderen Landes aufzustellenden Plan die vorhandenen Richter. Durch einen entsprechenden Plan wird auch die gemeinsam finanzierte Sachausstattung auseinandergesetzt. Die von den Ländern Berlin und Brandenburg jeweils alleine finanzierte Sachausstattung fällt an das Land zurück, das sie finanziert hat. Berlin, den 26. April 2004 Für das Land Berlin Der Regierende Bürgermeister

Für das Land Brandenburg Der Ministerpräsident

Anlage 2

Gemeinsame Rechtsvorschriften

Organisatorische Zusammenarbeit

Besprechungen: Innerhalb einer Partei zwischen den Landesregierungen und den Fraktionsvorsitzenden der Landtage

Gemeinsame Ausschusssitzungen: – Treffen der für Berlin-Brandenburg zuständigen Ausschüsse beider Länder (zweimal jährlich) – Regelmäßige Treffen des Brandenburger Landtagsausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur mit dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung des Berliner Abgeordnetenhauses – Gemeins. Sitzung der Parlamentsausschüsse für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz

Rechtlich unverbindliche Zusammenarbeit

Die Übersicht dient der Gewinnung eines Einblicks in die Breite der Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg, erhebt aber, insbesondere hinsichtlich der informalen Zusammenarbeit beider Länder, keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

1

– Überwiegend inhaltsgleiche Legis- 21 Staatsverträge über: Landesjugendstrafvolllative – ein gemeins. Landesentwickzungsgesetze lungsprogramm sowie einen gemeins. Landesentwicklungs- – Inhaltlich abgestimmte Untersuchungshaftvollzugsplan gesetze – die Durchführung der Wirtschaftsprüferordnung – Landwirtschaft – die Bergbehörde und energieaufsichtliche Zuständigkeiten – eine gemeins. Rundfunkanstalt – ein gemeins. Landesamt für Mess- und Eichwesen – die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Luftfahrtverwaltung – die Errichtung eines Amtes für Statistik B-B – die Zusammenarbeit in der Notfallrettung – ein gemeins. Landesinstituts für Schule und Medien – ein gemeins. Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts

Vertragliche Zusammenarbeit

Übersicht über die aktuelle Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg1

Anlage 2 349

Gemeinsame Rechtsvorschriften

ExeVerwaltungsabkommen: Parallele Rechtsvorschriften: kutive – über das Kreiskrankenhaus – Korrespondierende RegeStaaken lungen in der Gemeinsa– über die Beteiligung Berlins men Geschäftsordnung für am Forstl Forschungsinstitut die Berliner Verwaltung Eberswalde (GGO II) und der Gemein– über die Zusammenarbeit in samen Geschäftsordnung der Messe-, Ausstellungs- und für die Ministerien des LanKongreßpolitik des Brandenburg (GGO) im Bereich der Rechtsetzungsvorhaben

– die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung – die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg – die gemeins. Akademie der Künste (außer Kraft) – die gemeins. Akademie der Wissenschaften – ein gemeins. Landeslabor – eine Zentrale Adoptionsstelle – die Aufsicht über die Deutsche Rentenversicherung B-B – die Feuersozietät B-B und die Öffentliche Lebensversicherung B-B (außer Kraft) – Neugliederungs-Vertrag (nicht in Kraft getreten)

Vertragliche Zusammenarbeit

Gemeinsame Einrichtungen: – Tätigkeit des Brandenburger Landwirtschaftsministeriums auch für Berlin – Tätigkeit der Brandenburger Bergbaubehörde auch für Berlin – Gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde B-B

Organisatorische Zusammenarbeit

Arbeitsgruppen (AG): – Jährliche gemeins. Kabinettssitzung der beiden Landesregierungen – Koordinierungsrat – Lenkungskreis der Staatssekretäre der Wissenschafts- und Wirtschaftsressorts – Ressortübergreifende Steuerungsgruppe der Staatssekretäre für Wirtschaft, Gesundheit und

Rechtlich unverbindliche Zusammenarbeit

350 Anlage 2

Gemeinsame Rechtsvorschriften Organisatorische Zusammenarbeit

– Gemeinsames Landes– über den Betrieb einer gemein- – Gemeinsame Raumordinstitut für Schule und nungsverfahrensverordnunsamen Bundesautobahn-VerMedien B-B gen im Rahmen der kehrsrechenzentrale – Sozialpädagogisches gemeinsamen Landespla– über die Organisation, VerfahFortbildungsinstitut B-B nung ren und Finanzierung der – Gemeinsame LandesplaGemeinsamen Landesplanungsabteilung nungsabteilung – Gemeinsames Landesamt – über die Aufteilung der Länfür Mess- und Eichwesen der-Kostenanteile für die ErB-B richtung von Wasserspeicher– Gemeinsame Rundfunkkapazitäten in Tagebaurestanstalt B-B (RBB) löchern im Spreegebiet des – Landesmedienanstalt Lausitzer Braunkohlereviers B-B (MABB) – zur Förderung länderübergrei– Gemeinsames Amt für fender Verbundprojekte aus Statistik B-B Forschung und Wissenschaft – Gemeins. Autobahnver– über die Bereitstellung eines kehrsrechnerzentrale ausreichenden Angebots im – Gemeins. VerkehrsmanaSchienenpersonennahverkehr gementzentrale – über die gemeins. Nutzung des – Wirtschaftspräsenz B-B polizeil. Vorgangsbearbeiin Brüssel tungssystems POLIKS – Gemeins. Landeslabor – über die gegenseitige UnterB-B stützung durch Polizeikräfte – AOK B-B – Die Gesund– zum Austausch von Personal heitskasse der Landesverwaltungen – Deutsche Rentenversiche– über die gemeins. Ausbildung rung B-B der Beamten des mittleren und – Öffentliche Lebensversides gehobenen Steuerverwalcherung B-B (inzwischen tungsdienstes

Vertragliche Zusammenarbeit







– – –

– –



Wissenschaft sowie der Chefs der Senats- bzw. Staatskanzleien Gemeins. Landesplanungskonferenz u. interministerielle AG zu ihrer Vorbereitung Lenkungsausschuss BBI Lenkungsgruppe für ein länderübergreifendes Verkehrs- und Mobilitätsmanagement und AG Gemeins. Außenwirtschaftsbeirat AG Außenwirtschaft B-B Lenkungsgruppe Klimaschutzmanagement Regelmäßige Abstimmungen der Wissenschaftsressorts auf Leitungs- und Arbeitsebene sowie in gemeins. AGs zu den Themen Hochschulen, Hochschulkapazitäten und Hochschulgesetzgebung Zusammenarbeit in der Ständigen Konferenz der NS-Gedenkstätten im Raum Berlin Div. weitere Projektgruppen (bspw. zur Verbesserung des Verkehrsangebots der Region, zur Verbesserung des Arbeitsschutzes, . . .)

Rechtlich unverbindliche Zusammenarbeit

Anlage 2 351

u. a.

– über die Zusammenarbeit im Koordinierungsraum Havel – über die Gegenseitigkeit beim Besuch von Schulen in öffentlicher Trägerschaft – über das Kunstarchiv der Kunstsammlung von Parteien, Massenorganisationen und Staatsorganender ehemaligen DDR

Vertragliche Zusammenarbeit

Gemeinsame Rechtsvorschriften

gemeinsame Aktivitäten: – Gemeins. Vermarktung der Wirtschaftsregion B-B (Internetportal „Business Location Center“, Innovationsstrategiepapier,

Unverbindl. Vereinbarungen: – Kooperationsvereinbarung zwischen den Wirtschaftsfördergesellschaften – Vereinbarung der Wirtschaftsressorts zu den Informations- und Entscheidungsprozessen bei Ansiedlungen und Verlagerungsinvestitionen – Div. unverbindliche Absprachen (bspw. zwischen den Wirtschaftsressorts, auf aktive Abwerbung von Unternehmen im Bereich des BBI zu verzichten)

Prognosen und Leitziele: – Leitbild „Hauptstadtregion B-B“ – Gemeins. Verkehrsprognose B-B (2009) – Jährliches gemeins. Kriminalitätslagebild – Gemeins. Fachkräftestudie B-B – Gemeins. Bildungsbericht B-B – Masterplan „Gesundheitsregion B-B“

in AG umgewandelt und privatisiert) – Gemeins. Akademie der Wissenschaften – Gemeins. Akademie der Künste (seit 2006 bundesunmittelbare Körperschaft) – Stiftung Preußische Schlösser und Gärten B-B Formen des Privatrechts: – Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH – Medienboard B-B GmbH – Kooperierte Entsorgung im Bereich der Abfallwirtschaft durch die „Märkische Entsorgungsanlagen-Betriebsgesellschaft mbH“ und die „Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin mbH“ – Gesundheit B-B e. V. – Verkehrsverbund B-B (VBB) – Gemeinsames Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e. V.

Rechtlich unverbindliche Zusammenarbeit

Organisatorische Zusammenarbeit

352 Anlage 2

Vertragliche Zusammenarbeit

Gemeinsame Rechtsvorschriften – Kooperativer Bibliotheksverbund B-B (KOBV)

Organisatorische Zusammenarbeit









gemeins. Business-Marke „The German Capital Region“ mit Internetauftritt unter www.capital-region.de) Div. gemeins. Preisverleihungen (Qualitätspreis B-B, Innovationspreis B-B) Div. gemeins. Konferenzen (Innovationsgipfel B-B, jährliche gemeins. Außenwirtschaftskonferenz) Gemeins. Ausbildung des höheren Polizeivollzugsdienstes im 1. Studienjahr, der Beamten des mittleren und des gehobenen Steuerverwaltungsdienstes, der Diensthunde der Polizei Div. gemeins. Projekte (Gemeinsames Zentralabitur in Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch auf der Grdl. gemeinsamer Rahmenlehrpläne, Bildungsserver B-B, gemeins. Geodateninfrastruktur B-B, Projekte im Rahmen des Kooperationsnetzwerks Gesundheitswirtschaft, gemeins. Verwaltung des Naturparks Barnim auf der Grdl. des länderübergreifenden Pflege- und Entwicklungsplans, Ausbildungsatlas Gesundheit B-B, Studien-

Rechtlich unverbindliche Zusammenarbeit

Anlage 2 353

Judi- 5 Staatsverträge über: kative – die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte

Vertragliche Zusammenarbeit Organisatorische Zusammenarbeit führer Gesundheit B-B, Präventionsaltas und Atlas zur medizinischen Rehabilitation, gemeins. Suchportal der Weiterbildungsdatenbanken beider Länder, gemeins. Internetportal der B-B.ischen Gedenkstätten zur NS-Geschichte) – Regelmäßige Beteiligung des Landes Brandenburg an Sitzungen des Berliner Klimaschutzrates und des Landes Berlin an Beratungen vergleichbarer Gremien Brandenburgs – Enge Zusammenarbeit in der Krankenhausplanung; der Universitäten durch länderübergreifende Studiengänge, Lehrkooperationen, Fachgremien, Sonderforschungsbereiche, Graduiertenkollegs und der Exzellenzinitiative sowie Forschungsnetzwerke; der Polizei-, Feuerwehr- und Verfassungsschutzbehörden; auf europäischer Ebene in div. Projekten (bspw. INSPIRE, CIP)

Rechtlich unverbindliche Zusammenarbeit

– Gemeinsame Beurteilungs- – 4 gemeinsame Fachober- – Gemeinsame Ausbildung der Rechtspfleger gerichte (OVG, LSG, richtlinien für Richter und – Div. Anlass bezogene ArbeitsLAG, FG) Staatsanwälte gruppen (IT-Koordinierungs-

Gemeinsame Rechtsvorschriften

354 Anlage 2

runde Berlin-Brandenburg; Ar– Zentrales Mahngericht beitsgruppe zur Vereinheitlichung Berlin-Brandenburg (AG der richterrechtl. Vorschriften) Wedding) – Entscheidungsdatenbank unter – Gemeinsames Juristiwww.gerichtsentscheidungen. sches Prüfungsamt berlin-brandenburg.de – Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte beider Länder – Zuständigkeit des Kammergerichts Berlin für Staatsschutz-Strafsachen der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt

– Inhaltsgleiche Ausbildungsund Prüfungsordnungen für den Rechtspflegerdienst – Im Wesentlichen inhaltsgleiche Verordnungen über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des allgemeinen Vollzugsdienstes an Justizvollzugsanstalten – Vereinheitlichung der richterrechtlichen Vorschriften (im Zustimmungsverfahren)

– die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin für Rechtstreitigkeiten über technische Schutzrechte und Errichtung des Zentralen Mahngerichts Berlin-Brandenburg – die Errichtung eines Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamts – gemeinsamer Staatsschutzsenat – die Angleichung der Richtergesetze – die Errichtung und den Betrieb der Justizvollzugsanstalt Heidering

Rechtlich unverbindliche Zusammenarbeit

Organisatorische Zusammenarbeit

Gemeinsame Rechtsvorschriften

Vertragliche Zusammenarbeit

Anlage 2 355

Quelle: Kommunales Nachbarschaftsforum, online im Internet unter http://kommunalesnachbarschaftsforum.berlin-brandenburg.de/akteure/index.html.

Karte des Kommunalen Nachbarschaftsforums

Anlage 3 356 Anlage 3

Dokumentenverzeichnis I. Drucksachen des Bundestages BT Drs. 12/7109

BT Drs. 12/7818

Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3, 20a, 20b, 28, 29, 72, 74, 75, 76, 77, 80, 87, 93, 118a und 125a), vom 17. März 1994; Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der finanziellen Voraussetzungen für die Neugliederung der Länder Berlin und Brandenburg, vom 9. Juni 1994.

II. Drucksachen des Abgeordnetenhauses von Berlin AvB Drs. 12/184

Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – über Bildung eines Regionalverbandes Berlin-Brandenburg, vom 26. März 1991; AvB Drs. 12/2357 Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorlage – zur Kenntnisnahme – über Empfehlungen und Bericht der Gemeinsamen Regierungskommission zur Klärung von Eckpunkten für die Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg, vom 12. Januar 1993; AvB Drs. 12/2681 Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorlage – zur Kenntnisnahme – über Gemeinsames Aktionsprogramm für die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg, vom 31. März 1993; AvB Drs. 12/4505 Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – über Zwischenbericht zum gemeinsamen Aktionsprogramm für die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg, vom 7. Juni 1994; AvB Drs. 12/4522 Abgeordnetenhaus von Berlin, Arbeitsentwürfe der Kanzleien für einen Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes (Neugliederungs-Vertrag) und einen Staatsvertrag zur Regelung der Volksabstimmungen in den Ländern Berlin und Brandenburg über den Neuregelungs-Vertrag, vom 7. Juni 1994; AvB Drs. 12/5298 Abgeordnetenhaus von Berlin, Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP auf Annahme einer Entscheidung über die Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg, vom 8. Februar 1995; AvB Drs. 12/5298-1 Abgeordnetenhaus von Berlin, Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne (AL)/UFV zum vorherigen Antrag, vom 9. Februar 1995;

358 AvB Drs. 13/1085

AvB Drs. 14/1165

AvB Drs. 15/632

AvB Drs. 15/2742

AvB Drs. 15/2828

AvB Drs. 15/3089

AvB Drs. 15/3370

AvB Drs. 15/4474

AvB Drs. 15/4501

AvB Drs. 16/0074

AvB Drs. 16/0548

Dokumentenverzeichnis Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorlage – zur Kenntnisnahme – über Vereinbarung der Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg über ihre Zusammenarbeit und die Einrichtung eines gemeinsamen Koordinierungsrates, vom 20. November 1996; Abgeordnetenhaus von Berlin, Jahresbericht 2001 des Rechnungshofs von Berlin gemäß Artikel 95 der Verfassung von Berlin und § 97 der Landeshaushaltsordnung, vom 26. März 2001; Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Landesrundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg, vom 26. Juni 2002; Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorblatt, Vorlage – zur Beschlussfassung – Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung eines Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg, vom 15. April 2004; Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorblatt, Vorlage – zur Beschlussfassung – Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg, vom 4. Mai 2004; Abgeordnetenhaus von Berlin, Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung, zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drittes Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin, vom 19. August 2004; Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie die weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden, vom 9. November 2004; Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie die weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden, vom 15. November 2005; Abgeordnetenhaus von Berlin, Beschlussempfehlung des Hauptausschusses I. zu der Vorlage – zur Beschlussfassung – Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2006 und 2007 (Haushaltsgesetz 2006/2007 – HG 06/ 07) und II. Ergänzungen und Änderungen zum Entwurf des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2006/2007 (Haushaltsgesetz 2006/2007 – HG 06/ 07), vom 23. November 2005; Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie die weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden, vom 22. November 2006; Abgeordnetenhaus von Berlin, Jahresbericht 2007 des Rechnungshofs von Berlin gemäß Artikel 95 der Verfassung von Berlin und § 97 der Landeshaushaltsordnung, vom 21. Mai 2007;

Dokumentenverzeichnis AvB Drs. 16/1052

AvB Drs. 16/1940

AvB Drs. 16/2787

AvB Drs. 16/3510

AvB Drs. 16/3589

AvB Drs. 16/3616

AvB Drs. 16/3657

359

Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie die weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden, vom 28. November 2007; Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden, vom 26. November 2008; Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie die weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden, vom 15. Dezember 2009; Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorlage – zur Beschlussfassung – Viertes Gesetz zur Änderung des Berliner Datenschutzgesetzes, vom 28. September 2010; Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorlage – zur Beschlussfassung – Gesetz zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB II) und zur Änderung weiterer Gesetze, vom 2. November 2010; Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorlage – zur Beschlussfassung – Gesetz zur Änderung des Vergnügungsteuergesetzes, vom 9. November 2010; Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorlage – zur Beschlussfassung – Gesetz zum Staatsvertrag zwischen den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt über die Übertragung der Zuständigkeit in Staatsschutz-Strafsachen, vom 19. November 2010.

III. Drucksachen des Landtages des Landes Brandenburg LtBbg Drs. 2/126

LtBbg Drs. 3/2796

LtBbg Drs. 3/4540

LtBbg Drs. 3/7387

Landtag Brandenburg, Antrag der Fraktion der SPD über Änderungen zum Arbeitsentwurf Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes (Neugliederungs-Vertrag), vom 6. Dezember 1994; Landtag Brandenburg, Große Anfrage 25 der Fraktion der PDS an die Landesregierung, Nachhaltige Entwicklung in der Region Berlin-Brandenburg und Reform des Föderalismus, vom 10. Mai 2001; Landtag Brandenburg, Gesetzentwurf der Landesregierung, Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg, vom 25. Juni 2002; Landtag Brandenburg, Gesetzentwurf der Landesregierung, Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung eines Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg, vom 16. April 2004;

360 LtBbg Drs. 3/7444

LtBbg Drs. 3/7579

LtBbg Drs. 4/6429

LtBbg Drs. 4/6687

Dokumentenverzeichnis Landtag Brandenburg, Gesetzentwurf der Landesregierung, Gesetz zu dem Staatsvertrag vom 26. April 2004 über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg sowie zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg und anderer Gesetze, vom 28. April 2004; Landtag Brandenburg, Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung, Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg sowie zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg und anderer Gesetze – Drucksache 3/7444 –, vom 11. Juni 2004; Landtag Brandenburg, Bericht der Landesregierung, Ergebnisse der Aufgabenkritik nach § 2 Abs. 6 des Gesetzes über Ziele und Vorgaben zur Modernisierung der Landesverwaltung (VerwModG), vom 27. Juni 2008; Landtag Brandenburg, Bericht der Landesregierung, Raumordnungsbericht 2008, vom 3. September 2008.

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Stichwortverzeichnis Absprachen siehe Zusammenarbeit, informale Ansiedlungskonkurrenz 323 Arbeitsgemeinschaften siehe Zusammenarbeit, informale Aufsichtsbefugnisse siehe Rechtsaufsicht Auftragsverwaltung siehe Institutionelle Beteiligungsverwaltung Ausschusssitzungen siehe Zusammenarbeit, informale Befugnisse, hoheitsrechtliche 208 Berliner Wasserbetriebe 215 Besprechungen siehe Zusammenarbeit, informale Bezirke 120 Bildungsbereich 71, 268, 269 Bundesland – Eigenständigkeit 246 – Fürsorgepflicht siehe Sozialstaatsprinzip – Handlungsfähigkeit 115, 209, 275, 316, 329 – Länderhoheiten 250 – Pflichtaufgaben 213 – Schutzpflichten 209, 231 – Selbstverwaltungskörperschaft 260 – Staatscharakter 202 Bundesstaat – kooperativer 92, 106 – unitarischer 92 Bundesstaatsprinzip 90, 98, 117, 172, 202, 246, 260, 325, 331 – Bundestreue 147, 221, 228 – Mischverwaltung 104 – Staatsgewalt 102, 110, 116 – Subsidiaritätsprinzip 104 – Territorialprinzip 103, 257

Bundestreue 320 clausula rebus sic stantibus 227 Delegation, partielle 223 Demokratieprinzip 146, 172, 190, 214, 261, 284, 299, 335 – Legitimationskette 215, 222, 299 – Letztverantwortung 224, 245 – Zustimmungszwang 216, 284 Dritte Ebene 331 Effektivitätsprinzip 106 Eigenstaatlichkeit siehe Identitätsgarantie Eingemeindung 19, 28, 30, 31, 321 Einstimmigkeitsprinzip 226 Erfüllungsverantwortung 205 Fachobergerichte, gemeinsame 271 – auswärtige Sitzungen 308 – Form der Einrichtung 287 – Kosten 280, 291 – Rechtsprechungstätigkeit 295 – Reichweite der Entscheidung 296 – Selbstverwaltungstätigkeit 295, 300 – Staatsvertrag 277 – Verwaltungsabkommen 307 – Verwaltungsaufgaben 287 – Zuständigkeit 297 Finanzhoheit 254 Föderalismus siehe Bundesstaatsprinzip Funktionsfähigkeit siehe Bundesland, Handlungsfähigkeit Fusion 15, 21, 42, 49, 59, 118, 322, 332 – Neugliederungsvertrag 51 Garantenpflicht, staatliche 244 Gebietshoheit 257

Stichwortverzeichnis Gemeinschaftseinrichtungen 162, 193, 216, 330 – Arten der G. 162 – echte G. 167, 203, 267, 291, 309 – Errichtung 173 – Rechtmäßigkeit von G. 224 Gemeinwohlverantwortung 229, 260 Gerichtsfusion siehe Fachobergerichte Gerichtsstruktur siehe Fachobergerichte Gesamthandsgemeinschaft 292 Gesetzesvorbehalt 231 Gesetzgebungsauftrag 207 Gesetzgebungskompetenz 207, 275, 297 – Ausführung v. Bundesgesetzen 240, 262, 315 – landeseigener Bereich 236, 265 Gestaltungsermessen 233 Gesundheitsschutz 320 Gewaltenteilung 219, 301 Groß-Berlin-Gesetz siehe Eingemeindung Grundrechte 231, 310, 319 – Landesgrundrechte 234 – Normenkollision 234 – Schutzpflicht 319 – soziale G. 242 Grundversorgung 241, 246 Haftung 230 Haushaltsautonomie siehe Finanzhoheit Hoheitsrechte siehe Staatsaufgaben Homogenitätsprinzip 116 Identitätsgarantie 110, 111 – der Bundesländer 114, 249 Infrastruktur 34, 63, 178 – gemeinsame Verkehrsplanungsabteilung 328 Institutionelle Beteiligungsverwaltung 162, 196, 203, 267, 288 Institutsleihe siehe Institutionelle Beteiligungsverwaltung Integrationsprozess, europäischer 107 Interföderationsrecht 147

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Justiz 192, 272, 275, 277, 311 Kompetenz-Kompetenz 113 Konferenzen siehe Zusammenarbeit, informale Kontrolldefizit 215, 220, 230, 284 Kontrollrechte, parlamentarische 217, 284 Kooperation siehe Zusammenarbeit Koordinierungsrat 182, 191, 327 Koppelgeschäft 327 Kündigungsmöglichkeit siehe Staatsvertrag, Beendigung Kunst- und Kulturbereich 73, 239, 263, 268 Ländergemeinschaft siehe Dritte Ebene Länderkompetenzen siehe Gesetzgebungskompetenz Landesplanung 33, 44, 46, 61, 121, 165, 180, 183, 228, 259 – dezentrale Konzentration 46 – Gebietsreform 47 – Leitbild 63 Landesverfassungsgerichtsbarkeit 271 Leistungsrechte 233 Letztentscheidungsbefugnis 226 Letztverantwortung 224, 311 Lex-posterior-Regel 146 Mehrländereinrichtung 165, 289 – Bundesverfassungsgericht 290 – Eigentumsverhältnisse 290 Mischverwaltung 173 Mustergesetze siehe Parallelgesetzgebung Öffentlichkeitsarbeit 189 Organisationshoheit 253 Parallelgesetzgebung 149, 179, 197, 262 Parlamentsausschuss 151, 335 Personalhoheit 254 Pflichtaufgaben siehe Bundesland, P.

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Stichwortverzeichnis

Planungshoheit 258 Privatisierung 176, 204 – Aufgabenprivatisierung 205 – Beleihung 205 – funktionale P. 205 – Mitwirkung Privater 223 – Verbot der Mitentscheidung 223 Raumordnung siehe Landesplanung Rechtsaufsicht 224 Rechtsprechungshoheit 271 Rechtsprechungstätigkeit siehe Justiz Rechtsschutz 148, 229, 303, 310 Rechtsstaatsprinzip 147, 190, 229, 301 – rechtliches Gehör 308 – Rechtssicherheit 290 – überlange Verfahrensdauer 311 – Verhältnismäßigkeit 233 Regierungsabkommen 157 Regierungsvorbehalt 219, 302 Region Berlin-Brandenburg 21, 32, 42, 53 – Begriffsbestimmung 53, 83 Regionalplanung siehe Landesplanung Ressortabkommen 157, 159 Richter 278, 294 – gesetzlicher R. 311 – Unabhängigkeit 309 Schuldenbremse 16, 74, 256 Schutz der Staatsbürger siehe Bundesland, Schutzpflichten Selbstpreisgabe 118, 247, 262, 267, 273, 318, 328 Selbstverwaltung, kommunale 250 – Allzuständigkeitsprinzip 252 – Gemeindehoheiten 253 Sicherheit 211, 220, 238, 246, 320 Sitzprinzip 173, 280, 292 Souveränität 102 Sozialstaatsprinzip 214, 233, 244, 320 Staatlichkeit 108, 202 – Verlust der S. 206

Staatsaufgaben 116 – Auffangverantwortung 245 – Bereitstellung öff. Güter 240 – generelles Übertragungsverbot 212 – Gewährleistungsverantwortung 244, 319 – Kernbereich 202, 209, 240, 247, 250, 261 – notwendige S. siehe Kernbereich – Übertragung von S. 108, 110, 133, 173, 189, 202, 206, 222, 240, 283 Staatsvertrag 131, 134, 137, 262 – Abschlussverfahren 139, 216, 282 – Arten des S. 136 – Beendigung 146, 226, 228, 274, 285 – Bindungswirkung 227 – exekutives Element 219 – legislatives Element 219 – Mitwirkung der Legislative 142, 282 – Ratifikation 144, 281 – Rechtsweg 148 – Veröffentlichung 144, 282 – Zuständigkeit 140 – Zustimmungspflicht, parlamentarische 221 Staatsverwaltung, mittelbare 168, 227 Staatszielbestimmung 214, 239, 242 Staatszweck 203 Stadt-Umland-Problematik 18 Transparenzprinzip 191, 218 – fehlende T. 215 Umweltbereich 69, 236 Untermaßverbot 232 Verfassungsänderung 285 Verfassungsautonomie 116, 254, 271, 275, 318 Verfassungsidentität siehe Identitätsgarantie Verhältnismäßigkeit siehe Rechtsstaatsprinzip, V.

Stichwortverzeichnis Verkehrswesen siehe Infrastruktur Verwaltungsabkommen 131, 155 – Abschlussverfahren 158 – Arten des V. 157 – Beendigung 161 – Form 160 – normative V. 159 – Zuständigkeit 157, 158 Verwaltungsvorbehalt 302 Videokonferenz 306 Wesentlichkeitstheorie 133, 216 Zentralisierung 325, 327 Zusammenarbeit 16, 17, 21 – Ebenen der Z. 81, 121 – faktischer Zwang 272 – Formen der Z. 105, 130

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– Gesamtbetrachtung 246, 260, 275, 314, 318 – Grenzen der Z. 101, 104, 114, 118, 203, 318 – informale Z. 150, 180, 192, 198, 261 – informelle Z. siehe informale Z. – kommunale 120, 122, 174, 184 – Kooperationsvereinbarung 58 – Koordinierungsrat 80 – Paketlösung 79 – privatrechtliche Z. siehe Privatisierung – Rechtsgrundlagen 93, 96 – Verpflichtung zur Z. 319 – Zweck 44, 57, 70, 74, 76 Zusammenschluss siehe Fusion Zweckverband 174, 267 – Zweckverband Groß-Berlin 27 Zweites Deutsches Fernsehen 292