Die wertende Wissenszurechnung: Dissertationsschrift 9783161599347, 9783161599354, 3161599349

Die Wissenszurechnung stellt ein Kernproblem im Umgang mit arbeitsteiligen Organisationen dar, das aufgrund der zunehmen

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Die wertende Wissenszurechnung: Dissertationsschrift
 9783161599347, 9783161599354, 3161599349

Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Erster Teil: Einleitung
§ 1 Problemaufriss
§ 2 Schwerpunktsetzung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
§ 3 Gang der Untersuchung
Zweiter Teil: Grundlagen der Wissenszurechnung
§ 4 Rechtserheblichkeit des Wissens
A. Definition des Wissens
I. Die Sicherheit des Wissens
II. „Recht auf Vergessen“
III. Rechtlich relevante Formen minderen Wissens
B. Rechtserheblichkeit der Kenntnis
C. Rechtserheblichkeit des Kennenmüssens
D. Rechtserheblichkeit des Kennenkönnens
§ 5 Die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation
A. Arbeitsteilige Organisation
B. Definition der Zurechnung
C. Zweck der (Fremd-)Zurechnung unter besonderer Berücksichtigung der arbeitsteiligen Organisation
D. Rechtfertigung der Zurechnung
I. Normative Rechtfertigung der Zurechnung
II. Begrenzung der Zurechnung: Das Kriterium der Verantwortlichkeit
§ 6 Die Zurechnung von Wissen
§ 7 Die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB unter besonderer Berücksichtigung arbeitsteiliger Organisationen
A. Anwendbarkeit auf Bevollmächtigte
B. Anwendbarkeit auf Organwissen
I. Organtheorie vs. Vertretertheorie
II. Auswirkung auf die Zurechnung von Organwissen gem. § 166 Abs. 1 BGB
C. Wissenszurechnung von Gehilfen – „Wissensvertretung“
D. Fazit
Dritter Teil: Die allgemeine wertende Wissenszurechnung
§ 8 Das bestehende „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell
A. Von der absoluten zur wertenden Wissenszurechnung
B. Die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung
I. Erste Ansätze – Das Karlsruher Forum 1994
II. Entscheidung des BGH vom 2. Februar 1996 – V ZR 239/94
III. Adaption in Rechtsprechung und Literatur
C. Die Wissensorganisation
I. Wesen der Wissensorganisation
1. Innenverhältnis
2. Außenverhältnis
a) Rechtsgrundlage
b) Pflichtencharakter vs. Obliegenheit
II. Ausgestaltung der Wissensorganisation
III. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Wissensorganisationspflicht
1. Innenverhältnis
2. Außenverhältnis
D. Fazit – Der Behelfscharakter des bestehenden wertenden Zurechnungskonzepts
§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen
A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells
I. Anwendungsbereich: Erfordernis einer hinreichenden Organisationsdichte
II. Erste Stufe: Unbedingte Zurechnung
1. Unbedingtheit der Zurechnung
2. Horizontale und vertikale Zurechnung
3. Zurechnungsobjekt: Kenntnis und fahrlässige Unkenntnis
4. Zurechnung von Teilwissen und Wissenszusammenrechnung
5. Die unbedingte Wissenszurechnung als Zwischenergebnis
III. Zweite Stufe: Wertungsmäßiges Korrektiv
1. Zweck der Korrektur
2. Mittel der Korrektur
a) Wissensnormabhängige Faktoren
b) Wissensnormunabhängige Faktoren
aa) Möglichkeit
bb) Zumutbarkeit
3. Beweislastverteilung
4. Fazit
IV. Kritische Würdigung
V. Fazit – Die allgemeine wertende Wissenszurechnung als Antwort auf die Kritik am „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzept
B. Normativer Zurechnungsgrund
I. Gleichstellungsargument
II. Vertrauensschutz
III. Risikoverteilung
C. Dogmatische Verankerung
I. Methodische Vorüberlegung – Die Rechtsfortbildung
1. Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung
2. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung
3. Abgrenzung
II. Planwidrigkeit der Regelungslücke
III. Einzelanalogie aus § 166 Abs. 1 BGB
IV. Einzelanalogie aus § 278 BGB
V. Exkurs: Das Zurechnungskonzept des § 166 Abs. 1 BGB vs. jenes des § 278 BGB
1. Die gesetzgeberische Idee hinter § 166 Abs. 1 BGB
2. Die gesetzgeberische Idee hinter § 278 BGB
3. Ein einheitliches Zurechnungskonzept?
VI. Gesamtanalogie aus den Vorschriften zur Passivvertretung
VII. Einzelanalogie aus § 31 BGB
VIII. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung
1. Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip
2. Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs
3. Fazit
IX. Rechtsfortbildung contra legem?
X. De lege ferenda – Kodifizierung des § 166a BGB
1. Notwendigkeit der Neuregelung
2. Systematik der Neuregelung
3. Formulierung der Neuregelung
D. Fazit
Vierter Teil: Die wertende Wissenszurechnung in unterschiedlichen Organisationsformen
§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person
A. Allgemeine Grenzen der Wissenszurechnung
I. Zeitliche Grenzen
II. Persönliche Grenzen
1. Nemo-tenetur-Grundsatz
2. Privat erlangtes Wissen
III. Organisatorische Trennlinien innerhalb des Unternehmens („Chinese Walls“)
IV. Technische Grenzen
B. Zurechnung von Organwissen
I. Leitungsorgan
1. Unmöglichkeit der Wissensorganisation durch die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht unter besonderer Berücksichtigung von Doppelmandaten
2. Unmöglichkeit der Weitergabe von Insiderinformationen
3. Begrenzung der Wissensorganisation durch Vertretungsbefugnis und Zuständigkeitsaufteilung
4. Die Business Judgement Rule als Grundlage für die Begrenzung der Wissenszurechnung?
II. Überwachende Organe
1. Die Wissenszurechnung vom Aufsichtsrat zur Gesellschaft
2. Wissenszurechnung vom Aufsichtsratsmitglied zum Gesamtgremium
3. Der Sonderfall der Kenntnis vom wichtigen Grund im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB
a) Möglichkeit der Wissenszurechnung
b) Treuwidrigkeit der Berufung auf das Nichtwissen des Aufsichtsrats
4. Unmöglichkeit der Wissensorganisation durch die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht
III. Gesellschafter- und Hauptversammlung
1. Vertretungsbefugnis der Gesellschafter- oder Hauptversammlung
2. Die Wissenszurechnung von der Gesellschafterversammlung zu der Gesellschaft
3. Die Wissenszurechnung vom Gesellschafter zur Gesellschafterversammlung
4. Der Sonderfall der Kenntnis vom wichtigen Grund im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB
IV. Interorganzurechnung
1. Gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten
2. Zugriffsmöglichkeiten der Gesellschaft auf die Informationen
3. Treuwidrigkeit der Berufung auf Nichtwissen bei Kenntnis eines unzuständigen Organs
C. Zurechnung von Mitarbeiterwissen (vertikale Zurechnung)
I. Dogmatische Anknüpfung
II. Zugriffsmöglichkeit der Gesellschaft auf Mitarbeiterwissen
III. Grenzen der Wissenszurechnung
D. Fazit
§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns
A. Die Konzernproblematik im Lichte der wertenden Wissenszurechnung
I. Der Konzern im Spannungsfeld zwischen rechtlicher Vielheit und funktionaler Einheit
II. Vielgestaltigkeit der Konzernstrukturen
B. Grundlagen der konzernweiten Wissenszurechnung
I. Der Grundsatz der erweiterten Wissensverantwortung in arbeitsteiligen Organisationen
II. Konzernrechtliches Trennungsprinzip
1. Grundsatz
2. Sonderfall: Einmann-Tochtergesellschaft
3. Sonderfall: Vertragskonzern
III. Die Begrenzung der Wissenszurechnung: Beherrschbarkeit des Informationsflusses und Bildung einer funktionalen Einheit als Maßstäbe der wertenden Korrektur
C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern
I. Beherrschbarkeit des Informationsflusses
1. Der Informationsfluss von der Mutter zur Tochter
a) Die Beherrschung des Informationsflusses
aa) Auskunftsrechte bei Bestehen einer schuldrechtlichen Sonderverbindung
bb) Auskunftsrechte aus Unternehmensverträgen iSd. § 291 AktG
cc) Auskunftsrechte als Ausfluss mitgliedschaftlicher Treuepflichten
dd) Zwischenfazit
b) Ausnahme: Zurechnungsfähigkeit des Wissens der Muttergesellschaft zur Tochtergesellschaft trotz fehlender Beherrschbarkeit des Informationsflusses
aa) Zurechnungsfähigkeit der Kenntnis der Muttergesellschaft bei Veranlassung nach dem Gedanken des § 166 Abs. 2 BGB
bb) Zurechnungsfähigkeit der Kenntnis der Muttergesellschaft abseits der konkreten Veranlassung?
(1) Zurechnung kraft Organisationspflicht der Muttergesellschaft?
(2) Zurechnung qua erzeugten Vertrauens?
c) Fazit
2. Der Informationsfluss von der Tochter zur Mutter
a) AG-Vertragskonzern
b) Faktischer AG-Konzern
c) GmbH-Konzern
aa) Informationsrecht gem. § 51a Abs. 1 GmbHG vs. Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 51a Abs. 2 GmbHG
bb) Das Informationsrecht als Annexkompetenz zum Weisungsrecht
cc) Zwischenfazit
3. Der Informationsfluss zwischen Schwestergesellschaften
4. Ausnahme: Möglichkeit der Kenntniserlangung trotz fehlender Beherrschungsmöglichkeit des Informationsflusses bei freiwilliger Informationsweitergabe
a) Informationsweitergabeberechtigung
b) Nachteilhaftigkeit der freiwilligen Informationsweitergabe
c) Anforderungen an die Qualität der freiwilligen Informationsweitergabe
5. Fazit
II. Bildung einer funktionalen Einheit
1. Singuläre funktionale Einheit: Veranlassung
2. Allgemeine funktionale Einheit
a) Intensives Beherrschungsverhältnis
aa) Zurechnung von der Tochter zur Mutter
bb) Zurechnung von der Mutter zur Tochter
b) Outsourcing
c) Gemeinsame Nutzung von Informationssystemen
d) Gemeinsames Auftreten am Markt
3. Personelle funktionale Einheit: Doppelmandate
a) Die Zurechnung des Wissens von Doppelmandatsträgern
b) Verschwiegenheitspflicht der Doppelmandatsträger als Grenze der Wissenszurechnung
c) Fazit
III. Fazit
D. Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern
I. Die einheitliche Leitung im Gleichordnungskonzern
II. Die Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern
1. Der faktische Gleichordnungskonzern
2. Der vertragliche Gleichordnungskonzern
a) Die Treuepflicht als Anknüpfungspunkt der Wissenszurechnung?
b) Die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit als Anknüpfungspunkt der Wissenszurechnung – Exkurs: Grundzüge der Wissenszurechnung in der Personengesellschaft
aa) Die Anwendbarkeit der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auf Personengesellschaften
bb) Die Zurechnung von Gesellschafterwissen
cc) Die vertikale Wissenszurechnung
dd) Fazit – Auswirkungen auf die Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern
E. Fazit
§ 12 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der nicht- konzernierten Unternehmensverbindung
A. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen in der Wirtschaft
I. Formen nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen
II. Bedeutung in der Wirtschaft
B. Vertragstypologische Einordnung nicht- konzernierter Unternehmensverbindungen
I. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen als BGB- Gesellschaft?
1. Der Rahmenvertrag als Organisationsvertrag
2. Einzelabreden als Organisationsvertrag
3. Fazit
II. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen als Austauschvertrag
1. Franchisevertrag
2. Lieferketten
3. Andere nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen
III. Fazit – Konsequenzen aus der vertragstypologischen Einordnung
C. Wissenszurechnung im Rahmen von nicht- konzernierten Unternehmensverbindungen
I. Möglichkeit der gemeinsamen Wissensorganisation – Beherrschbarkeit des Informationsflusses
1. Grundsatz – Verschwiegenheitspflicht vs. Offenbarungsbefugnis
2. Vertraglicher Informationsanspruch
a) Qualitätssicherungsvereinbarungen
b) Produktions- und lieferbezogene Informationspflichten
c) Franchising
3. Informationsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB)
a) Der Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben
b) Die Reichweite des Auskunftsanspruchs – Möglichkeit der gemeinsamen Wissensorganisation durch Treu und Glauben?
4. Freiwillige Informationsweitergabe
5. Exkurs: Unternehmensübergreifende Wissensvertretung
6. Fazit
II. Zumutbarkeit der gemeinsamen Wissensorganisation
1. Gemeinsam genutzte Informationssysteme
2. Bloße Möglichkeit der Wissenserlangung
a) Keine allgemeine Pflicht zur Wissensorganisation
b) Auftreten als „Repräsentant“ des nicht- konzernierten Unternehmensverbundes
aa) Analogieschluss zu § 31 BGB?
bb) Wertungsübertragung aus der Repräsentantenrechtsprechung
c) Intensive Verbundenheit
d) Drittgerichtete Pflicht zur Wissensorganisation als Ausprägung der Schutzpflicht im Rahmen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Franchising
aa) Rechtsgrundlage des Vertrages mit Schutzwirkung
bb) Franchising als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
cc) Der Vertrag mit Schutzwirkung als Grundlage einer gemeinsamen Wissensorganisation
dd) Zwischenfazit
e) Informationsaustausch durch gemeinsame Gremien (Franchisebeiräte)
aa) Differenzierung nach Gestaltung des Gremiums
bb) Differenzierung nach Art der Informationen
cc) Differenzierung nach Systempartnern
dd) Zwischenfazit
3. Fazit
D. Fazit
Fünfter Teil: Resümee
§ 13 Thesen zum zweiten Teil – Grundlagen der Wissenszurechnung
§ 14 Thesen zum dritten Teil – Die allgemeine wertende Wissenszurechnung
§ 15 Thesen zum vierten Teil – Die wertende Wissenszurechnung in unterschiedlichen Organisationsformen
A. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person
B. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns
C. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der nicht- konzernierten Unternehmensverbindung
Literaturverzeichnis
Sachregister

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Studien zum Privatrecht Band 98

Andreas Seidel

Die wertende Wissenszurechnung

Mohr Siebeck

Andreas Seidel, geboren 1991; Studium der Rechtswissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen und der Katholieke Universiteit Leuven (Belgien); Promotionsstudium an der Universität Göttingen; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung, Multimedia- und Telekommunikationsrecht an der Universität Göttingen; 2020 Promotion; seit 2020 Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Braunschweig.

ISBN 978-3-16-159934-7 / eISBN 978-3-16-159935-4 DOI 10.1628/978-3-16-159935-4 ISSN 1867-4275 / eISSN 2568-728X (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der GeorgAugust-Universität Göttingen im Sommersemester 2020 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis Dezember 2020 berücksichtigt. Die zugrundeliegenden Forschungsarbeiten wurden durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert, die Veröffentlichung durch Druckkostenzuschüsse des Arbeitskreises Wirtschaft und Recht des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und der Studienstiftung ius vivum unterstützt. Ein Projekt wie dieses wäre mir nicht möglich gewesen ohne eine Reihe von Menschen, auf deren Unterstützung ich mich stets verlassen konnte. Ihr Beitrag zu dieser Arbeit kann an dieser Stelle nur unvollkommen gewürdigt werden, gleichwohl soll wenigstens der Versuch unternommen werden: Zunächst gilt der Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Gerald Spindler für seine wohlwollende Förderung und die Gewährung eines außergewöhnlichen Maßes an akademischer Freiheit. Er ermutigte mich nicht nur zu Beginn, dieses schwierige, bereits intensiv diskutierte Thema erneut aufzuarbeiten und den noch immer offenen und teilweise unbequemen Fragen nachzuspüren. Sondern er war auch während der gesamten Bearbeitungszeit ein wertvoller Diskussionspartner, durch dessen kritisches Hinterfragen und seines Stils des Advocatus Diaboli die Arbeit an Kontur gewonnen hat. Ebenso gilt mein Dank meinem Zweitbetreuer Prof. Dr. Ivo Bach: Ihm nur für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu danken, würde seinem Beitrag nicht gerecht werden. Er stand mir ebenso als geschätzter Diskussionspartner zur Seite und half, zentrale Weichenstellungen dieser Arbeit zu reflektieren. Insbesondere für seinen Blick auf die beweisrechtliche Seite der Wissenszurechnung bin ich ihm dankbar. Ich danke dem Mohr Siebeck Verlag, namentlich Dr. Julia Caroline Scherpe-Blessing, für die Aufnahme in das Verlagsprogramm und ihren unermüdlichen Einsatz für sprachliche Stringenz. Die Zusammenarbeit im Stadium der Veröffentlichung – der vielleicht decouragierendste Teil eines solchen Projekts – war ausgesprochen angenehm und lösungsorientiert. Ihr Beitrag ist für den Leser von unschätzbarem Wert. Einen herzlichen Dank schulde ich der „Lehrstuhlfamilie Spindler“. In den vergangenen Jahren der Ausbildung war eine Konstante gewiss: Der große Zusammenhalt am Lehrstuhl. In erster Linie gilt mein Dank Marvin

VIII

Vorwort

Jäschke und Maren Wöbbeking, mit denen ich während der Promotionszeit nicht nur zusammenarbeiten, sondern auch zusammenleben durfte. Die Zeit mit ihnen behalte ich in guter Erinnerung. Ich danke ebenso Dr. Jan Bley, Patrick Brückner, Marie Dewitz, Dr. Simon Gerdemann, Niklas Kaufmann, Dr. Jana Mansen und Le´onie Strüßmann für die große, vielgestaltige Unterstützung, die sie mir zuteilwerden ließen. Darüber hinaus gilt der Dank Lea Gandyra für ihre große Geduld und ihren Zuspruch während der Schluss- und Veröffentlichungsphase dieser Arbeit. Abschließend danke ich meinen Eltern Anne und Wilfried Seidel, ohne deren unumstößlichen Rückhalt und deren unerschütterlichen Glauben an mich wäre all dies nicht denkbar gewesen. Ihnen sei diese Arbeit in Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Göttingen, im April 2021

Andreas Seidel

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX

Erster Teil: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

§ 1 Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

§ 2 Schwerpunktsetzung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

§ 3 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Zweiter Teil: Grundlagen der Wissenszurechnung . . . . . . . . . .

15

§ 4 Rechtserheblichkeit des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Definition des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sicherheit des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Recht auf Vergessen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtlich relevante Formen minderen Wissens . . . . . . . . . . . . . . .

17 18 20 23

B. Rechtserheblichkeit der Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

C. Rechtserheblichkeit des Kennenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

D. Rechtserheblichkeit des Kennenkönnens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

§ 5 Die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation . . . . . . . . .

29

A. Arbeitsteilige Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

B. Definition der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

C. Zweck der (Fremd-)Zurechnung unter besonderer Berücksichtigung der arbeitsteiligen Organisation . . . . . . . . . . . . .

32

A. I. II. III.

X

Inhaltsverzeichnis

D. Rechtfertigung der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Normative Rechtfertigung der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begrenzung der Zurechnung: Das Kriterium der Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 34

§ 6 Die Zurechnung von Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

§ 7 Die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB unter besonderer Berücksichtigung arbeitsteiliger Organisationen

41

A. Anwendbarkeit auf Bevollmächtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

B. Anwendbarkeit auf Organwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Organtheorie vs. Vertretertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkung auf die Zurechnung von Organwissen gem. § 166 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 43

C. Wissenszurechnung von Gehilfen – „Wissensvertretung“ . . . . . . . .

48

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

Dritter Teil: Die allgemeine wertende Wissenszurechnung . . .

51

§ 8 Das bestehende „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

A. Von der absoluten zur wertenden Wissenszurechnung . . . . . . . . . . .

53

Die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . Erste Ansätze – Das Karlsruher Forum 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidung des BGH vom 2. Februar 1996 – V ZR 239/94 . . . Adaption in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57 57 58 60

C. Die Wissensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wesen der Wissensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtencharakter vs. Obliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgestaltung der Wissensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Wissensorganisationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 64 64 66 66 69 73

B. I. II. III.

D. Fazit – Der Behelfscharakter des bestehenden wertenden Zurechnungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

46

78 79 82 86

Inhaltsverzeichnis

§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen . . . . . . . A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells I. Anwendungsbereich: Erfordernis einer hinreichenden Organisationsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erste Stufe: Unbedingte Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbedingtheit der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Horizontale und vertikale Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zurechnungsobjekt: Kenntnis und fahrlässige Unkenntnis . . . 4. Zurechnung von Teilwissen und Wissenszusammenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die unbedingte Wissenszurechnung als Zwischenergebnis . . . III. Zweite Stufe: Wertungsmäßiges Korrektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck der Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittel der Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wissensnormabhängige Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wissensnormunabhängige Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Möglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb)Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit – Die allgemeine wertende Wissenszurechnung als Antwort auf die Kritik am „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

89 90 90 95 95 96 97 98 98 99 99 101 102 103 103 104 105 108 109

116

Normativer Zurechnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichstellungsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117 118 121 123

C. Dogmatische Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Methodische Vorüberlegung – Die Rechtsfortbildung . . . . . . . . . 1. Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Planwidrigkeit der Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einzelanalogie aus § 166 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einzelanalogie aus § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Exkurs: Das Zurechnungskonzept des § 166 Abs. 1 BGB vs. jenes des § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gesetzgeberische Idee hinter § 166 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . .

125 126 126 127 129 131 133 137

B. I. II. III.

140 142

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Die gesetzgeberische Idee hinter § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ein einheitliches Zurechnungskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gesamtanalogie aus den Vorschriften zur Passivvertretung . . . . . VII.Einzelanalogie aus § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII.Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Rechtsfortbildung contra legem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. De lege ferenda – Kodifizierung des § 166a BGB . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formulierung der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143 145 147 148 149

154 156 156 161 161 162 164

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166

Vierter Teil: Die wertende Wissenszurechnung in unterschiedlichen Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

169

150

A. Allgemeine Grenzen der Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nemo-tenetur-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Privat erlangtes Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Organisatorische Trennlinien innerhalb des Unternehmens („Chinese Walls“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Technische Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170 170 173 173 177

B. Zurechnung von Organwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Leitungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmöglichkeit der Wissensorganisation durch die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht unter besonderer Berücksichtigung von Doppelmandaten . . . . . . . . 2. Unmöglichkeit der Weitergabe von Insiderinformationen . . . . 3. Begrenzung der Wissensorganisation durch Vertretungsbefugnis und Zuständigkeitsaufteilung . . . . . . . . . 4. Die Business Judgement Rule als Grundlage für die Begrenzung der Wissenszurechnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 187

179 184

188 191 191 194

Inhaltsverzeichnis

XIII

II. Überwachende Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wissenszurechnung vom Aufsichtsrat zur Gesellschaft 2. Wissenszurechnung vom Aufsichtsratsmitglied zum Gesamtgremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Sonderfall der Kenntnis vom wichtigen Grund im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglichkeit der Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Treuwidrigkeit der Berufung auf das Nichtwissen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unmöglichkeit der Wissensorganisation durch die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . III. Gesellschafter- und Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertretungsbefugnis der Gesellschafteroder Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wissenszurechnung von der Gesellschafterversammlung zu der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Wissenszurechnung vom Gesellschafter zur Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Sonderfall der Kenntnis vom wichtigen Grund im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Interorganzurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten . . . . . . . . . 2. Zugriffsmöglichkeiten der Gesellschaft auf die Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Treuwidrigkeit der Berufung auf Nichtwissen bei Kenntnis eines unzuständigen Organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224

Zurechnung von Mitarbeiterwissen (vertikale Zurechnung) . . . . . Dogmatische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugriffsmöglichkeit der Gesellschaft auf Mitarbeiterwissen . . . . Grenzen der Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

225 225 227 228

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230

§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233

C. I. II. III.

199 200 201 207 207 208 209 210 211 213 213 214 216 217 220

A. Die Konzernproblematik im Lichte der wertenden Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Konzern im Spannungsfeld zwischen rechtlicher Vielheit und funktionaler Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vielgestaltigkeit der Konzernstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 238

B. Grundlagen der konzernweiten Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . .

239

235

XIV

Inhaltsverzeichnis

I.

Der Grundsatz der erweiterten Wissensverantwortung in arbeitsteiligen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konzernrechtliches Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderfall: Einmann-Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderfall: Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Begrenzung der Wissenszurechnung: Beherrschbarkeit des Informationsflusses und Bildung einer funktionalen Einheit als Maßstäbe der wertenden Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beherrschbarkeit des Informationsflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Informationsfluss von der Mutter zur Tochter . . . . . . . . . a) Die Beherrschung des Informationsflusses . . . . . . . . . . . . . aa) Auskunftsrechte bei Bestehen einer schuldrechtlichen Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . bb)Auskunftsrechte aus Unternehmensverträgen iSd. § 291 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auskunftsrechte als Ausfluss mitgliedschaftlicher Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . dd)Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme: Zurechnungsfähigkeit des Wissens der Muttergesellschaft zur Tochtergesellschaft trotz fehlender Beherrschbarkeit des Informationsflusses . . . . . . . . . . . . . aa) Zurechnungsfähigkeit der Kenntnis der Muttergesellschaft bei Veranlassung nach dem Gedanken des § 166 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb)Zurechnungsfähigkeit der Kenntnis der Muttergesellschaft abseits der konkreten Veranlassung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zurechnung kraft Organisationspflicht der Muttergesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zurechnung qua erzeugten Vertrauens? . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Informationsfluss von der Tochter zur Mutter . . . . . . . . . a) AG-Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Faktischer AG-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationsrecht gem. § 51a Abs. 1 GmbHG vs. Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 51a Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb)Das Informationsrecht als Annexkompetenz zum Weisungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239 240 240 243 244

246 248 248 249 249 249 251 252 253

253

253

256 257 260 261 262 262 263 265

265 267

Inhaltsverzeichnis

cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Informationsfluss zwischen Schwestergesellschaften . . . . 4. Ausnahme: Möglichkeit der Kenntniserlangung trotz fehlender Beherrschungsmöglichkeit des Informationsflusses bei freiwilliger Informationsweitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationsweitergabeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachteilhaftigkeit der freiwilligen Informationsweitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen an die Qualität der freiwilligen Informationsweitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bildung einer funktionalen Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Singuläre funktionale Einheit: Veranlassung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine funktionale Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Intensives Beherrschungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zurechnung von der Tochter zur Mutter . . . . . . . . . . . bb)Zurechnung von der Mutter zur Tochter . . . . . . . . . . . b) Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeinsame Nutzung von Informationssystemen . . . . . . d) Gemeinsames Auftreten am Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Personelle funktionale Einheit: Doppelmandate . . . . . . . . . . . a) Die Zurechnung des Wissens von Doppelmandatsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschwiegenheitspflicht der Doppelmandatsträger als Grenze der Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die einheitliche Leitung im Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . II. Die Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . 1. Der faktische Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der vertragliche Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Treuepflicht als Anknüpfungspunkt der Wissenszurechnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit als Anknüpfungspunkt der Wissenszurechnung – Exkurs: Grundzüge der Wissenszurechnung in der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Anwendbarkeit der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auf Personengesellschaften . . . . . bb)Die Zurechnung von Gesellschafterwissen . . . . . . . . . .

XV 270 270

271 272 274 276 277 278 281 283 283 284 286 287 289 290 292 293 295 299 300 301 302 304 304 305 306

307 308 309

XVI

Inhaltsverzeichnis

cc) Die vertikale Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . dd)Fazit – Auswirkungen auf die Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

314

E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315

§ 12 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der nichtkonzernierten Unternehmensverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317

A. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen in der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formen nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen . . . . . . II. Bedeutung in der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317 317 320

B. Vertragstypologische Einordnung nichtkonzernierter Unternehmensverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen als BGBGesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Rahmenvertrag als Organisationsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelabreden als Organisationsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen als Austauschvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Franchisevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lieferketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen . . . . . III. Fazit – Konsequenzen aus der vertragstypologischen Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wissenszurechnung im Rahmen von nichtkonzernierten Unternehmensverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Möglichkeit der gemeinsamen Wissensorganisation – Beherrschbarkeit des Informationsflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz – Verschwiegenheitspflicht vs. Offenbarungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertraglicher Informationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Qualitätssicherungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Produktions- und lieferbezogene Informationspflichten c) Franchising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informationsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) . . . a) Der Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben . . . . . . . . b) Die Reichweite des Auskunftsanspruchs – Möglichkeit der gemeinsamen Wissensorganisation durch Treu und Glauben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313

321 322 322 324 325 326 326 328 330 332 333 335 336 338 338 339 340 342 342

344

Inhaltsverzeichnis

4. Freiwillige Informationsweitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Exkurs: Unternehmensübergreifende Wissensvertretung . . . . 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zumutbarkeit der gemeinsamen Wissensorganisation . . . . . . . . . 1. Gemeinsam genutzte Informationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bloße Möglichkeit der Wissenserlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine allgemeine Pflicht zur Wissensorganisation . . . . . . b) Auftreten als „Repräsentant“ des nichtkonzernierten Unternehmensverbundes . . . . . . . . . . . . . . . aa) Analogieschluss zu § 31 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb)Wertungsübertragung aus der Repräsentantenrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Intensive Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Drittgerichtete Pflicht zur Wissensorganisation als Ausprägung der Schutzpflicht im Rahmen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Franchising . . . aa) Rechtsgrundlage des Vertrages mit Schutzwirkung . . . bb)Franchising als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Vertrag mit Schutzwirkung als Grundlage einer gemeinsamen Wissensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . dd)Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Informationsaustausch durch gemeinsame Gremien (Franchisebeiräte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierung nach Gestaltung des Gremiums . . . . . bb)Differenzierung nach Art der Informationen . . . . . . . . cc) Differenzierung nach Systempartnern . . . . . . . . . . . . . dd)Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII 346 346 347 348 349 353 354 355 357 358 361

363 364 365 368 370 371 372 373 374 374 375

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

376

Fünfter Teil: Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

377

§ 13 Thesen zum zweiten Teil – Grundlagen der Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

379

§ 14 Thesen zum dritten Teil – Die allgemeine wertende Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

381

XVIII

Inhaltsverzeichnis

§ 15 Thesen zum vierten Teil – Die wertende Wissenszurechnung in unterschiedlichen Organisationsformen 383 A. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

383

B. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns . . . . . . .

385

C. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der nichtkonzernierten Unternehmensverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

386

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

389

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

415

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.E. a.F. ABl. Abs. AcP AEUV AG AktG allg. M. Alt. AnwBl Art. Aufl. BAG BAGE BauR BB BDSG bearb. v. BeckRS Begr. Beil. Beschl. BGB BGBl. BGH BGHZ BVerfG BVerfGE bzgl. bzw. c.i.c. CCZ DAX DB Del. VO ders./dies. Diss. DNotZ

andere Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz allgemeine Meinung Alternative Anwaltsblatt (Zeitschrift) Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Baurecht (Zeitschrift) Betriebsberater (Zeitschrift) Bundesdatenschutzgesetz bearbeitet von Beck Rechtsprechung Begründung (eines Gesetzentwurfs)/Begründer (eines Werkes) Beilage Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise Culpa in contrahendo Corporate Compliance Zeitschrift Deutscher Aktienindex Der Betrieb (Zeitschrift) Delegierte Verordnung Derselbe/Dieselbe(n) Dissertation Deutsche Notar-Zeitschrift

XX DrittelbG DRiZ DS-GVO

DStR DZWIR ebd. engl. et al. etc. EuGH f./ff. Fla. Dist. Ct. App. Fn. Form. FS GbR gem. GewO GG ggf. ggü. GmbH GmbHG GmbHR GS GWB GWR h.M. Habil. Halbs. Hdb. HGB Hrsg. hrsg. v. i.E. IFRS insb. InsO iSd. IT ITRB iVm. JuS JZ Kap. KG

Abkürzungsverzeichnis Drittelbeteiligungsgesetz Deutsche Richterzeitung VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABI. 2016 L 119, S. 1 ff., ABI. 2016 L 314, S. 72 ff. Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht ebenda Englisch et alii/et aliae et cetera Europäischer Gerichtshof folgende/fortfolgende Florida District Court of Appeal Fußnote Formular Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gedenkschrift Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) herrschende Meinung Habilitation Halbsatz Handbuch Handelsgesetzbuch Herausgeber herausgegeben von im Ergebnis International Financial Reporting Standards insbesondere Insolvenzordnung im Sinne des Informationstechnik IT-Rechtsberater (Zeitschrift) in Verbindung mit Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung Kapitel Kammergericht

Abkürzungsverzeichnis KonTraG LAG LG lit. LM Ltd. MaComp

MAR

MDR MitbestG MoMiG MontanMitbestG

Mot. Mrd. mwNachw. n.F. NJOZ NJW Nr. NStZ NZA NZBau NZG NZV OHG OLG Prot. RabelsZ RdA RG RGSt RGZ RIW RL Rn. ROHG

XXI

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.4.1998, BGBl. I, S. 786 ff. Landesarbeitsgericht Landgericht litera Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung Limited Rundschreiben 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1 ff. Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. I, S. 2026 ff. Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich Milliarde Mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Arbeit (Zeitschrift) Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie Randnummer Reichsoberhandelsgericht

XXII RW S. schweiz. BG SE sog. st. Rspr. StGB StPO SZW Transparenz-RL

UAbs. UMAG Univ. Urt. v. v. Chr. Verf. VersR vgl. VO vs. VVG VwVfG WISU WM WpHG z.B. ZBB ZfB ZfbF ZfIR ZGR ZHR ZIP zit. ZPO ZSR zugl. zust.

Abkürzungsverzeichnis Rechtswissenschaft (Zeitschrift) Seite/Satz schweizerisches Bundesgericht Societas Europaea sogenannt ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38 ff. Unterabsatz Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22.9.2005, BGBl. I, S. 2802 ff. Universität Urteil von/vom vor Christus Verfasser Versicherungsrecht (Zeitschrift) Vergleiche Verordnung versus Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsverfahrensgesetz Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift) Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert (als) Zivilprozessordnung Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zugleich Zustimmend

Erster Teil

Einleitung

§1

Problemaufriss Die Kooperation zum Zweck der Arbeitsteilung ist wahrlich keine Idee der Moderne. Sie ist spätestens seit der Neolithisierung (ab ca. 11.500 v. Chr.) integraler Bestandteil der humanen Gesellschaft, intensiviert und differenziert sich stetig und wurde insbesondere durch die Industrialisierung ab dem 18. Jahrhundert auf ein neues Niveau gehoben. Bis zum heutigen Tag lässt sich die deutliche Tendenz feststellen, dass die Wirtschaft immer stärker durch Arbeitsteilung geprägt ist und fortwährend neue Formen derselben hervorbringt. Dabei stellt die Schaffung einer juristischen Person wohl die rechtlich intensivste Organisationsform zum Zweck der Arbeitsteilung dar: Es wird eine eigene Rechtspersönlichkeit geschaffen, unter deren Dach diese Form der Zusammenarbeit stark reglementiert organisiert wird. Wenn sich mehrere selbstständige Gesellschaften unter einer einheitlichen Leitung organisieren und somit einen Konzern bilden, nimmt durch die gesellschaftsrechtliche Trennung der konzernverbundenen Unternehmen zwar der Grad der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit zwischen den beteiligten Unternehmen ab; nichtsdestoweniger wird durch die Bildung eines Konzerns eine weitere Ebene der arbeitsteiligen Organisation eröffnet. Doch auch ohne gesellschaftsrechtliche Verbundenheit können Unternehmen – vor allem durch enge vertragliche Beziehungen wie etwa im Fall des Franchisings oder im Rahmen von Just-in-time-Lieferbeziehungen – arbeitsteilig organisiert sein und hierdurch Vorteile generieren; es entstehen nicht-konzernierte, vertragliche Unternehmensverbindungen. Durch die Arbeitsteilung findet neben einer Handlungsaufspaltung häufig auch eine Wissensaufspaltung statt.1 Es kann regelmäßig nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Handelnde und der Wissende innerhalb einer Organisation personenidentisch sind. Eine solche Wissenszersplitterung lässt sich beispielsweise an den sog. Altlastenfällen verdeutlichen: In diesen Fallkonstellationen werden regelmäßig Industrieimmobilien unter Ausschluss 1 Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe „Kenntnis“ und „Wissen“ sowie „Kennenmüssen“ und „Wissenmüssen“ synonym verwendet, da dieses Begriffsverständnis auch der allgemeinen Diskussion zur Wissenszurechnung zugrunde liegt, vgl. bereits Oldenbourg, Die Wissenszurechnung, 1934, S. 1; ein anderes Verständnis hat aber offenbar Faßbender, der „Wissen“ als „erinnerbare Kenntnis“ definiert, Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 28; vgl. auch unten § 4 A.

4

§ 1 Problemaufriss

der Mängelgewährleistung für die Bodenbeschaffenheit verkauft. Erst nach dem Kauf stellt sich eine Kontamination des Bodens durch eine frühere Nutzung heraus, deren Beseitigung für eine weitere Nutzung des Grundstücks erforderlich ist. Dabei hatte zwar in der Regel der auf diesem Gelände produzierende Betriebsteil Kenntnis von der Verunreinigung, hat diese erkannt und nicht selten auch (zumindest fahrlässig) verursacht. Die für die Veräußerung von Liegenschaften zuständige Abteilung ist jedoch von der Kontamination in Unkenntnis geblieben. Mitunter liegen zwischen der Kontamination und der Veräußerung sogar mehrere Jahre oder Jahrzehnte, sodass neben der Wissenszersplitterung in personeller Hinsicht auch eine zeitliche Komponente hinzutritt.2 Die Notwendigkeit der Wissenszurechnung wird dabei deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass an die Kenntnis und das Kennenmüssen einer Person bestimmte Rechtsfolgen geknüpft werden, die regelmäßig die Rechtstellung des Wissenden verschlechtern bzw. den anderen Teil begünstigen.3 Im Beispiel der Altlastenfälle würde die Kenntnis des Verkäufers, wenn sie ein arglistiges Verhalten begründet, heute dazu führen, dass er sich gem. § 444 BGB nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen könnte.4 Ohne die Zurechnung von Kenntnis führte Arbeitsteilung dazu, dass Organisationen sich nachteiligen Rechtsfolgen entziehen könnten. Diese Option erschien dem Gesetzgeber bereits für die bloße Stellvertretung nach § 164 BGB unangemessen, wie der Blick auf § 166 Abs. 1 BGB nahelegt, und ist im Hinblick auf die hier zu untersuchenden arbeitsteiligen Organisationen ebenso wenig zufriedenstellend. Zudem ließen sich die bedingungslose Zulässigkeit der Wissensaufspaltung und die damit einhergehende Wissenssegmentierung innerhalb von arbeitsteiligen Organisationen insbesondere vor dem Hintergrund einer ausgeglichenen Risikoverteilung unter Beachtung der Risikobeherrschung nicht rechtfertigen. Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass die normierte Wissenszurechnung (insbesondere § 166 Abs. 1 BGB) in komplexen Organisationsformen häufig an ihre Grenzen stößt. So ist für die Zurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB beispielsweise (zumindest dem Wortlaut nach) die Qualifizierung des Wissenden als Stellvertreter notwendig.5 Darüber hinaus wird durch § 166 Abs. 1 BGB nur handlungsakzessorisches Wissen zugerechnet – mithin müssen der handelnde Vertreter und der Wissende personenidentisch sein. In dem soeben skizzierten Altlastenfall werden somit nicht nur aufgrund personeller, 2 3

Vgl. beispielhaft BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30. Zu der Rechtserheblichkeit des Wissens und Wissenmüssens vgl. unten § 4 B. und § 4

C. 4 Vor der Schuldrechtsreform kam die Rechtsfolge der sog. Arglisthaftung gem. §§ 463 S. 2, 476 BGB (a.F.) hinzu, vgl. BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35). 5 Zur Möglichkeit der Gehilfenzurechnung vgl. unten § 7 C.

§ 1 Problemaufriss

5

sondern häufig auch zeitlicher Inkonsistenzen der normierten Zurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB Grenzen gesetzt. Die normierte Wissenszurechnung ist schlicht nicht für die komplexe Arbeitsteilung geschaffen. Gesetzliches Leitbild war vielmehr eine Dreipersonenkonstellation zwischen Vertreter, Vertretenem und Drittem.6 Deshalb verwundert es auch nicht, dass der Streit um eine darüber hinausgehende Wissenszurechnung im Gesellschaftsrecht als Abbild einer Rechtsmaterie, die komplexe Organisationsformen zum Gegenstand hat, bereits im 19. Jahrhundert geführt wurde.7 Mit einigem Abstand dazu flammte die Frage in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre und Anfang der 2000er-Jahre – nach einem Grundsatzurteil des BGH vom 2. Februar 19968 zur Etablierung der sog. wertenden Wissenszurechnung – wieder auf und brachte damals 15 Monographien9 und unzählige Zeitschriften- und Sammelbandbeiträge hervor. Mit der wertenden Wissenszurechnung soll seit nunmehr über 20 Jahren die Lücke geschlossen werden, die die normierte Wissenszurechnung im Rahmen komplexer arbeitsteiliger Organisationen hinterlässt. Gleichzeitig zeigt die in den letzten Jahren wieder aufgeflammte Diskussion um die (wertende) Wissenszurechnung innerhalb von Gesellschaften und Konzernen deutlich die fortwährende Brisanz dieses Problemkreises. Erkennbar war dies zuletzt etwa im Nachgang des (gescheiterten) Übernahmeversuchs der Volkswagen AG durch die Porsche SE im Jahr 2008 zur Frage der Wissenszurechnung im Konzern,10 im Rahmen von Prospektfehlern zur Frage der Wissenszurechnungsfähigkeit der kognitiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB11 oder anhand der Themenwahl des vielbeachteten ZHR-Symposiums 2017.12 6

Zum gesetzlichen Leitbild, das § 166 Abs. 1 BGB zugrunde liegt, vgl. unten § 9 C.V. 1. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 603 ff., insb. S. 626 ff.; v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, S. 282 ff., 312. 8 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30. 9 Zählung nach Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253 (1253) ergänzt um Rosenmüller, Zurechnung im Konzern nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen, insbesondere bei rechtsgeschäftlicher Betätigung eines Konzerngliedes, 2001. 10 Vgl. hierzu OLG Celle, Urt. v. 24.8.2011 – 9 U 41/11, BeckRS 2011, 141384; Schwintowski, ZIP 2015, 617 (622 f.); Koch, ZIP 2015, 1757 (1765); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (804); Verse, AG 2015, 413 (418 ff.); Schirmer, AG 2015, 666 (667 ff.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (332); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357, passim. 11 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 23); Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 95; Thomale, Der gespaltene Emittent, 2018, S. 15 f.; Wagner, JZ 2017, 522 ff.; Seidel, AG 2019, 492 (500 f.); MünchKommBGB/Wagner, § 826 Rn. 38 ff.; Staudinger/Oechsler (2018), BGB, § 826 Rn. 81a ff. 12 ZHR-Symposium zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Königstein am Taunus am 13./14.1.2017, dessen erster Veranstaltungstag vollständig Fragen der Wissenszurechnung und Wissensorganisation im Unternehmensrecht gewidmet war, zu den verschriftlichten Referaten und den Diskussionsberichten vgl. ZHR 181 (2017), Heft 2/3, S. 159 ff. 7

6

§ 1 Problemaufriss

Vor dem Hintergrund einer derart langen und intensiv geführten Diskussion, den unzähligen Veröffentlichungen zu diesem Themenfeld und einer kaum zu überblickenden Fülle an Argumenten für und wider bestimmte Lösungsansätze stellt sich die kritische Frage nach der Daseinsberechtigung einer weiteren Forschungsarbeit zu diesem Themenkomplex. Es drängt sich allerdings immer stärker der Eindruck auf, dass die gefundenen Ergebnisse der wertenden Wissenszurechnung zu unumstößlichen Dogmen erhoben werden und Wendungen wie „typischerweise aktenmäßig festgehaltenes Wissen“ oder „Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation“ wie eine Monstranz hochgehalten werden, ein ehrlicher Austausch über die (deutlich zutage tretenden) Schwächen der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung jedoch kaum stattfindet. Vor allem erscheint es, als werde in letzter Zeit immer weniger nach Alternativen zu dem (schon bisher trefflich kritisierten) Pflichtenbezug oder nach einer tauglichen dogmatischen Begründung für dieses Zurechnungsmodell ernsthaft gesucht. Vielleicht lässt sich Thomale auch so verstehen, wenn er schreibt, dass das herrschende („pflichtenbasierte“) Wissenszurechnungsmodell „unter rechtsrealistischen Gesichtspunkten als geltendes Recht“ angesehen werden kann.13 So werden dogmatische Brüche und Wertungswidersprüche zwar teilweise erkannt, gleichwohl folgen aus dieser Kritik nur wenig konkrete Vorschläge für ein neues, widerspruchsfreies oder zumindest widerspruchsärmeres Konzept der Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen. Insofern besteht sehr wohl noch ein Diskussionsbedürfnis, bei welchem die vorliegende Arbeit ansetzt: Sie formuliert insbesondere die Kritik an dem bestehenden wertenden Wissenszurechnungsmodell und entwickelt im Anschluss daran ein neues Wissenszurechnungskonzept, das zwar aus den Fehlern des bestehenden Konzepts „lernt“, gleichsam aber dessen Vorzüge nicht außer Acht lässt.

13

Thomale, AG 2016, 641 (648).

§2

Schwerpunktsetzung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Die unzähligen Monographien, Zeitschriften- und Sammelbandbeiträge zur Wissenszurechnung im Recht der Unternehmen zeigen vor allem eines: die Komplexität und Vielgestaltigkeit der Frage nach einer Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass – soweit ersichtlich – dieser Frage noch nie in Gänze, sondern nur in Bezug auf eine Zurechnung innerhalb der juristischen Person (des privaten und des öffentlichen Rechts, insbesondere in Kapitalgesellschaften), innerhalb von anderen (Einheits-)Gesellschaftsformen sowie innerhalb des Konzernverbunds (in seinen unterschiedlichen Gestaltungsformen) nachgegangen wurde. Dabei wurde traditionell ein ableitendes Verfahren angewendet, wobei die Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns direkt aus den gefundenen Ergebnissen für die juristische Person entwickelt wurde. Die vorliegende Arbeit hat sich demgegenüber zum Ziel gesetzt, nicht nur die Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person oder innerhalb des Konzernverbunds in den Blick zu nehmen, sondern darüber hinaus auch andere Formen arbeitsteiliger Organisation, namentlich nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen vertraglicher Art, mit einzubeziehen. Würde nun die Darstellung wiederum die für den Konzern gefundenen Ergebnisse ableiten (die ihrerseits bereits aus den Grundsätzen zur Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person hergeleitet wurden), um Grundsätze für die Wissenszurechnung innerhalb von nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen zu entwickeln, drohte bei jedem Ableitungsschritt entlang der absteigenden unternehmensrechtlichen Verbundenheit die Gefahr von Wertungsfehlern. Aufgrund dessen besteht hier die Notwendigkeit, zunächst ein allgemeines Konzept der wertenden Wissenszurechnung zu etablieren und zu begründen, welches sich dann unmittelbar auf die verschiedenen arbeitsteiligen Organisationen anwenden lässt. Dazu wird zunächst das bestehende Konzept der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person dargestellt und es werden dessen erhebliche Schwächen aufgezeigt. Ausgehend von diesem Konzept und der darauf fußenden Kritik wird im Anschluss das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept für arbeitsteilige Organisationen entwickelt. Ziel ist es dabei, ein allgemeines Wis-

8

§ 2 Schwerpunktsetzung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands

senszurechnungskonzept zu schaffen, das sowohl in Bezug auf die verschiedenen Formen arbeitsteiliger Organisation als auch in Bezug auf die unterschiedlichen situativen Kontexte, in denen Wissen rechtserheblich werden kann, ausreichend wertungsoffen ist. Im Ergebnis soll das hier zu konzeptualisierende allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept somit einerseits ein dogmatisches Fundament der wertenden Wissenszurechnung anbieten und andererseits auch eine praktische Lösungshilfe bei der Frage nach der Wissenszurechnung in beliebigen arbeitsteiligen Organisationen darstellen. Dieses allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept soll im Anschluss auf die arbeitsteilige Organisation der juristischen Person unter besonderer Berücksichtigung der Kapitalgesellschaft, des Konzerns und der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung auf vertraglicher Grundlage, wie etwa dem Franchising oder im Rahmen der Just-in-time-Produktion, angewendet werden. Diese Organisationsformen wurden exemplarisch ausgewählt, da sie zum einen von hoher praktischer Relevanz im Rahmen der Arbeitsteilung sind (insbesondere die nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen im Rahmen der modernen Wirtschaft gewinnen immer stärker an Bedeutung) und sich zum anderen anhand dieser Organisationsformen allgemeine Wertungen im Recht der arbeitsteiligen Organisation aufzeigen lassen. Hierbei sei besonders auf die absteigende unternehmensrechtliche Verbundenheit von der Kapitalgesellschaft über den Konzernverbund bis zur nicht-konzernierten Unternehmensverbindung hingedeutet, die sich auch im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung wiederfinden wird. Der weite Rahmen der vorliegenden Arbeit, der im Hinblick auf die wertende Wissenszurechnung gezogen wird, macht gleichsam auch eine Begrenzung dieser Arbeit in Randbereichen notwendig. Von dieser Begrenzung betroffen sind zunächst von der wertenden Wissenszurechnung verschiedene Formen der Zurechnung von Kenntnis innerhalb arbeitsteiliger Organisationen. So kann zwar beispielsweise auch eine beliebige Person für eine juristische Person, eine Tochtergesellschaft für die Muttergesellschaft oder ein Franchisenehmer für den Franchisegeber als gewillkürter Stellvertreter auftreten, sodass auch das Wissen dieses Stellvertreters nach § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet wird, jedoch ergeben sich hier nur wenige Unterschiede im Vergleich zu anderen Vertretungskonstellationen nach § 164 BGB.1 Aus diesem Grund wird namentlich die Wissenszurechnung bei gewillkürter Stellvertretung nicht vertieft thematisiert, wobei nichtsdestotrotz beleuchtet werden muss, welche Qualität das Handeln eines Geschäftsführungsorgans für die juristische Person hat und ob dort nicht auch auf § 166 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden kann. Ebenso ist selbst-

1

Vgl. hierzu Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 119 ff.

§ 2 Schwerpunktsetzung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands

9

verständlich auf § 166 BGB einzugehen, wenn nach einer dogmatischen Anknüpfung für die wertende Wissenszurechnung de lege lata gesucht wird. Darüber hinaus müssen inhaltliche Eingrenzungen insbesondere im vierten Teil dieser Arbeit vorgenommen werden: Hier wird sich die Übertragung und Anwendung des zuvor entwickelten allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts auf die juristische Person des Privatrechts sowie konzernierte und nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen mit vertraglicher Grundlage beschränken. Auch wenn sich die Fragen der Wissenszurechnung auch bei allen anderen Formen arbeitsteiliger Organisation stellen, sodass genauso nach der Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen des öffentlichen Rechts, innerhalb von Personengesellschaften oder innerhalb des Unternehmens eines Einzelkaufmanns mit verschiedenen Arbeitnehmern, Stellvertretern, Prokuristen etc. gefragt werden kann, müssen im Rahmen der vorliegenden Darstellung Sonderfragen dieser Gesellschaftsformen außer Betracht bleiben. Selbstverständlich lassen sich jedoch die Grundsätze der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auch auf andere Formen arbeitsteiliger Organisation übertragen, wobei dort auf die jeweiligen Spezifika dieser Organisationsformen gesondert einzugehen ist. Insbesondere die Übertragung des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts etwa im Bereich von Personenhandelsgesellschaften oder Unternehmen von Einzelkaufleuten mit verschiedenen Stellvertretern muss daher einer gesonderten Veröffentlichung vorbehalten bleiben.2 Darüber hinaus kann vor allem im Rahmen der Unternehmensverbindungen (und hier insbesondere bei den nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen) nicht auf alle möglichen Gestaltungsformen eingegangen werden. Die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sind hier schlichtweg überwältigend und nahezu grenzenlos, sodass sich die Darstellung dort auf typische Verbundkonstellationen und Vertragsgestaltungen beschränken und teilweise beispielhaft bleiben muss. Um den roten Faden dieser Darstellung nicht zu verlieren, beschränkt sich die vorliegende Arbeit zuweilen darauf, auf Verbindungslinien zu anderen Rechtsgebieten hinzuweisen. Solche Verbindungslinien lassen sich etwa zum Datenschutzrecht oder auch in das Straf(prozess)recht ziehen. Auf eine umfassende Abhandlung wird verzichtet, sofern diese die weitere Argumentation nicht (oder nur in Randbereichen) vorantreiben würde. Die abschließende Betrachtung dieser Verbindungslinien soll einer gesonderten Veröffentlichung vorbehalten bleiben.

2

Vgl. zur Wissenszurechnung innerhalb von Personengesellschaften den Exkurs im Rahmen der Wissenszurechnung bei vertraglichen Gleichordnungskonzernen, § 11 D.II.2.b); vgl. zur Wissenszurechnung in Betrieben von Einzelkaufleuten Seidel, ZIP 2020, 1506, passim.

10

§ 2 Schwerpunktsetzung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands

Gleichsam gebietet es der Umfang dieser Arbeit, Probleme und Gedanken, die an verschiedenen Stellen dargestellt und analysiert werden können, an einer Stelle konzentriert zu besprechen und im weiteren Verlauf nur auf die dort gefundenen Ergebnisse zu verweisen.

§3

Gang der Untersuchung Klassischerweise dient bei Darstellungen zur Wissenszurechnung die Kapitalgesellschaft als Ausgangspunkt, der dann zur weiteren Untersuchung genutzt wird, insbesondere indem die dort gefundenen Ergebnisse abgeleitet und für andere Organisationsformen angepasst werden. Dieses ableitende Vorgehen, bei dem die für die Wissenszurechnung in der juristischen Person gefundenen Ergebnisse verallgemeinert und auf andere Organisationsformen angewendet werden, birgt jedoch wie gerade gezeigt Gefahren, insbesondere im Hinblick auf Wertungsfehler, auf jeder Ableitungsebene. Dies wird bei einem deduktiven Vorgehen, bei dem vom Allgemeinen auf etwas Besonderes geschlossen wird, vermieden, da hier stets eine direkte Übertragung des allgemeinen Konzepts auf die spezielle Organisationsform stattfindet. Aufgrund des breit angelegten Untersuchungsfeldes verschiedener arbeitsteiliger Organisationen, namentlich der juristischen Person sowie konzernierter und nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen, und angesichts vieler weiterer Formen arbeitsteiliger Organisation, bei denen die Zurechnung von Wissen und Wissenmüssen relevant werden kann, bietet sich daher ein solch deduktives Vorgehen an. Nachdem in einem einleitenden zweiten Teil dieser Arbeit die Grundlagen der Wissenszurechnung erläutert werden, indem vor allem die (Rechts-)Begriffe des Wissens und der Zurechnung einer ersten Analyse unterzogen werden (§§ 4 bis 7), wird dementsprechend im dritten Teil, der das Kernstück dieser Arbeit darstellt, das Konzept der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung quasi als „allgemeiner Teil“ entwickelt. Hierfür wird zunächst das bestehende Konzept der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung, wie es spätestens seit dem Grundsatzurteil des BGH von 1996 als allgemeine Grundlage der Wissenszurechnung in der juristischen Person verwendet wird, dargestellt und einer kritischen Würdigung unterworfen (§ 8). Dabei werden auch der Charakter der Wissensorganisation, seine Rechtsnatur und konkrete Ausgestaltungsformen analysiert (§ 8 C.), die im Rahmen sowohl der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung als auch des im weiteren Verlauf zu begründenden allgemeinen Wissenszurechnungskonzepts von erheblicher Bedeutung sind. Ausgehend von dem bestehenden wertenden Wissenszurechnungskonzept und insbesondere der hierauf fußenden Kritik wird im Anschluss das Konzept der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung entwickelt (§ 9). Hierfür

12

§ 3 Gang der Untersuchung

werden zunächst der Anwendungsbereich sowie die beiden „Stufen“ dieses Zurechnungskonzepts dargestellt, die – wie an späterer Stelle ausführlich ausgeführt wird – bloß aus Darstellungsgründen auseinandergezogen wurden. Insofern dürfen die auf der ersten Stufe gefundenen (Zwischen-)Ergebnisse nicht losgelöst von der zweiten Stufe betrachtet werden (§ 9 A.I. bis III.). Sodann wird das gefundene Ergebnis wiederum einer kritischen Würdigung unterzogen, wobei es zunächst nur für sich betrachtet (§ 9 A.IV.) und später auch in Relation zum herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzept gesetzt wird (§ 9 A.V.). Hieran anschließend sollen der normative Zurechnungsgrund (§ 9 B.) sowie die dogmatische Verankerung (§ 9 C.) dieses Konzepts erörtert werden; zwei zentrale Fragen, die für die bestehende „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung aufgrund des anhaltenden Streits hierüber bisher nicht als endgültig geklärt angesehen werden können. Anschließend an die Entwicklung und Prüfung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung im dritten Teil dieser Arbeit soll im vierten Teil quasi als „besonderer Teil“ dieses Zurechnungskonzept auf verschiedene arbeitsteilige Organisationen angewendet werden, wobei die Abhandlung einer Skala mit absteigender unternehmensrechtlicher Verbundenheit folgt. Begonnen wird dabei mit der Kapitalgesellschaft als besonders intensive Organisationsform, die als juristische Person mit einer eigenen, von ihren Gesellschaftern unabhängigen Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist (§ 10). Dem Aufbau des hier vorgestellten Zurechnungskonzepts folgend wird der Schwerpunkt auf die Grenzen der Wissenszurechnung gelegt, wobei zwischen allgemeinen Grenzen (§ 10 A.), den Grenzen im Hinblick auf die Zurechnung von Organwissen (§ 10 B.). und des Wissens von Mitarbeitern (vertikale Wissenszurechnung) (§ 10 C.) unterschieden wird. Anschließend wird das Konzept der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auf konzernierte Unternehmensverbindungen angewendet (§ 11). Hier sind die einzelnen konzernverbundenen Unternehmen zwar juristisch voneinander zu unterscheiden, zeichnen sich jedoch regelmäßig dadurch aus, dass sie sich als wirtschaftliche Einheit gerieren, und erfahren darüber hinaus durch Gesetz (im Fall des Aktienkonzerns) oder Rechtsprechung (im Fall des GmbH-Konzerns und anderer Konzernarten) eine intensive Bindung aneinander. Hierbei wird zunächst diese Konzernproblematik zwischen rechtlicher Vielheit und wirtschaftlicher Einheit im Lichte der Wissenszurechnung betrachtet (§ 11 A.) und hieraus allgemeine Grundsätze einer konzernweiten Wissenszurechnung erarbeitet (§ 11 B.). Daran anschließend werden die Grenzen der Wissenszurechnung vor dem Hintergrund der verschiedenen Konzernarten und getrennt zwischen dem Unterordnungs- (§ 11 C.) und dem Gleichordnungskonzern (§ 11 D.) dargestellt, wobei insbesondere die Möglichkeit und die Zumutbarkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation als konstitutive Merkmale der wertenden Wissenszurechnung untersucht werden.

§ 3 Gang der Untersuchung

13

Abschließend soll das Konzept der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auch auf nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen, wie sie beispielsweise im Franchising oder bei Lieferketten (insbesondere im Rahmen der Just-in-time-Produktion) auftauchen, angewendet werden (§ 12). Dabei findet zunächst als Grundlage der weiteren Untersuchung eine Annäherung an den Topos der „nicht-konzernierten Unternehmensverbindung“ statt, indem sowohl ihre Bedeutung in der Wirtschaft beleuchtet (§ 12 A.) als auch eine vertragstypologische Betrachtung dieser Unternehmensverbindungen unternommen werden (§ 12 B.). Anschließend wird im Rahmen der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung wiederum intensiv auf die Möglichkeit (§ 12 C.I.) und die Zumutbarkeit (§ 12 C.II.) einer gemeinsamen Wissensorganisation als Kernelemente der wertenden Wissenszurechnung eingegangen. Eine besondere Stellung nehmen dabei auch jüngere (informations-)technologische Entwicklungen ein, die sich an dieser Stelle schlagwortartig unter die schillernden und einer näheren Begutachtung bedürfenden Begriffe der Big Data Analytics und der Vernetzung durch Industrie 4.0 zusammenfassen lassen. Die vorliegende Arbeit schließt mit einem Resümee in Thesenform.

Zweiter Teil

Grundlagen der Wissenszurechnung Bevor der Frage nach der Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen nachgespürt werden kann, bedarf es zunächst der Antwort auf die Fragen, was Wissen (im rechtlichen Sinne) ist und wann es rechtserheblich wird, warum sich die Rechtsordnung der Figur der Zurechnung bedient und inwieweit sich Zurechnung und Arbeitsteilung bedingen. Dieses Fundament muss vorab gelegt werden, um darauf aufbauend die wertende Wissenszurechnung für arbeitsteilige Organisationen neu denken und konstruieren zu können.

§4

Rechtserheblichkeit des Wissens Nicht jede Tatsachenkenntnis ist als potentieller Gegenstand der Wissenszurechnung zu qualifizieren; vielmehr ist nur rechtserhebliches Wissen rechtlich von Bedeutung.1 Rechtserheblich wird die Kenntnis (genauso wie das Kennenmüssen) erst, wenn sie alleine oder zusammen mit anderen Umständen eine Rechtswirkung herbeiführt,2 wobei Vorschriften, in denen an Wissen Rechtsfolgen geknüpft werden, als „Wissensnormen“ bezeichnet werden.3 Da das rechtserhebliche Wissen als Zurechnungsobjekt die Grundlage dieser Arbeit darstellt, soll im Folgenden diese Rechtserheblichkeit skizziert werden. Aufgrund der Tatsache, dass der Wissensbegriff, der der Wissenszurechnung zugrunde liegt, noch immer nicht als vollständig geklärt angesehen werden kann,4 soll jedoch zunächst in gebotener Kürze eine (rechtliche) Definition des Wissens angeboten werden.

A. Definition des Wissens Wie auch im Strafrecht und im öffentlichen Recht werden im Zivilrecht an verschiedenen Stellen an „Tatsachen des inneren Seelenlebens“5 Rechtsfolgen geknüpft, wobei dies sowohl im Hinblick auf voluntative Elemente als auch auf kognitive Elemente möglich ist. Sofern die Rechtsordnung an kognitive 1

Das Wissen als Tatsache des inneren Seelenlebens hat keine unmittelbare Einwirkung auf die Außenwelt, sodass sie grundsätzlich nicht Anknüpfungspunkt rechtlicher Folgen ist. Hieraus ergibt sich auch der strafrechtliche Grundsatz „cogitationis poenam nemo patitur“ (= wegen bloßer Gedanken erleidet niemand Strafe), vgl. hierzu v. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 123; so auch Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und im anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 8. 2 Vgl. Oldenbourg, Die Wissenszurechnung, 1934, S. 1; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 36; Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und im anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 8. 3 Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 32; diese Terminologie verwendet auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 16 ff. 4 So auch Dauner-Lieb, FS Kraft (1998), S. 43 (48 f.); Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 6: „unzureichend geklärter Inhalt des Wissensbegriffs“. 5 V. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 123.

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§ 4 Rechtserheblichkeit des Wissens

Elemente Rechtsfolgen knüpft, wird Wissen rechtserheblich. Dabei meint das Wissen (bzw. die Kenntnis)6 nach einer bekannten Definition von v. Tuhr „eine durch äußere Ereignisse (Sinneseindrücke) oder durch geistige Vorgänge (Schlußfolgerungen) hergestellte, der Wirklichkeit entsprechende Vorstellung von einer Tatsache“.7 Dies kommt der Wortherkunft schon nahe, da der Begriff „Wissen“ aus dem Mittelhochdeutschen stammt und in etwa „gesehen haben“ bedeutet – der Kenntnis geht somit die Erkenntnis voraus. Wissen kann daher als Ergebnis einer (inneren oder äußeren) Kenntnisnahme von Informationen angesehen werden.

I. Die Sicherheit des Wissens V. Tuhr ging davon aus, dass Wissen „die Vorstellung einer Tatsache als einer sicher vorhandenen“ sei.8 Dieser Vorstellung folgt auch Fatemi, der Wissen als „Vorhandensein einer bestimmten Information im menschlichen Gedächtnis bei der zugleich festen inneren Überzeugung der Richtigkeit der Information“ definiert.9 Diese Sichtweise wird dahin gehend kritisiert, dass bereits die Vorstellung einer absolut sicheren Kenntnis nicht möglich sei.10 Zwar ist es möglich, dass eine Tatsache nach Ausschöpfung aller bekannten Erkenntnisquellen als für wahr gehalten wird, gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle möglichen Erkenntnisquellen bekannt sind, sodass aus objektiver Sicht eine absolut sichere Kenntnis nicht möglich ist.11 Wenn jedoch eine absolut sichere Kenntnis erforderlich wäre, damit die Rechtsfolgen, die an die positive Kenntnis gestellt werden, eintreten können, wäre der Kenntnisbegriff mangels nötiger Gewissheit seines eigenen Anwendungsbereichs beraubt. 6

Die Begriffe „Wissen“ und „Kenntnis“ werden synonym verwendet, vgl. auch Oldenbourg, Die Wissenszurechnung, 1934, S. 1; ein anderes Verständnis hat offenbar Faßbender, der „Wissen“ als „erinnerbare Kenntnis“ definiert, Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 28. 7 V. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 127; ausführlich zur Definition des Wissens auch Schrader, Wissen im Recht, 2017, S. 1 ff. 8 V. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 130, Hervorhebung des Verf. 9 Fatemi, NJOZ 2010, 2637 (2642), Hervorhebung des Verf. 10 So etwa Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 7. 11 RG, Urt. v. 14.1.1885 – I 408/84, RGZ 15, 338 (339): „Wer die Schranken des menschlichen Erkennens erfaßt hat, wird nie annehmen, daß er in dem Sinne zweifellos von der Existenz eines Vorgangs überzeugt sein dürfte, daß der Irrtum absolut ausgeschlossen wäre“; RG, Urt. v. 15.2.1927 – I 2/27, RGSt 61, 202 (206); Sallawitz, Die tatbestandliche Gleichstellung von grobfahrlässiger Unkenntnis mit Kenntnis, 1973, S. 51; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 53.

A. Definition des Wissens

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Doch selbst wenn man nicht von einer objektiv, sondern von einer subjektiv sicheren Kenntnis ausgeht, lässt sich dieser von v. Thur und Fatemi definierte Wissensbegriff nicht in den bestehenden Kenntnisbegriff integrieren. Ein derartiges Verständnis von Wissen würde zunächst der allgemeinen Ansicht über den Vorsatz zuwiderlaufen, die vorsätzliches Handeln grosso modo als wissentliches und willentliches definiert,12 wobei vom Vorsatz auch der Dolus Eventualis umfasst wird, für den im Hinblick auf das kognitive Element bereits ein „für möglich halten“ genügt und eben kein „sicheres Wissen“ erforderlich ist.13 Im Ergebnis würde die Voraussetzung einer „sicheren“ Vorstellung den Eventualvorsatz aus dem Wissen ausschließen und diesen somit negieren.14 Auch wenn dieser Verweis auf den Dolus Eventualis kritisiert wurde und stattdessen eine Trennung zwischen den Voraussetzungen der Kenntnis auf der einen und des Vorsatzes auf der anderen Seite vorgeschlagen wurde,15 so lässt sich dieses Argument vor dem Hintergrund einer ganzheitlichen Betrachtung wissensgetragener subjektiver Elemente dennoch nicht von der Hand weisen. Darüber hinaus ließe sich die Vorstellung vom Wissen als „sicheres Wissen“ nicht in die bisherige Judikatur, insbesondere im Hinblick auf § 123 BGB und § 826 BGB, integrieren, da hier im Rahmen des kognitiven Elementes sogar die Abgrenzung zur Luxuria aufgeweicht wurde, wie sich beispielsweise an Schlagworten wie „Behauptung ins Blaue hinein“ oder „Verschweigen auf gut Glück“ im Rahmen bestehender Aufklärungspflichten erkennen lässt.16 Zudem wurde vorgebracht, dass die Inbezugnahme leiser Zweifel in den Wissensbegriff im Hinblick auf die Dichotomie von Kenntnis und Kennenmüssen nicht erforderlich sei und im Rahmen von Zweifeln nur noch eine

12 Anstatt aller: Mot. I, S. 280 = Mugdan I, S. 507; BGH, Urt. v. 8.2.1965 – III ZR 170/63, NJW 1965, 962 (963); BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 (1381); MünchKommBGB/Grundmann, § 276 Rn. 154; Soergel/Pfeiffer, BGB, § 276 Rn. 45 jeweils mwNachw. 13 Allg. M. MünchKommBGB/Grundmann, § 276 Rn. 156; Staudinger/Caspers (2019), BGB, § 276 Rn. 22, jeweils mwNachw. 14 So auch Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und im anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 7; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (6) spricht hingegen nur davon, dass der Wissensbegriff von v. Tuhr nicht für den Eventualvorsatz verwendbar sei. 15 Fatemi, NJOZ 2010, 2637 (2638). 16 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (6) mwNachw. und unter Verweis auf BGH, Urt. v. 14.10.1993 – III ZR 156/92, NJW 1994, 253 (254); vgl. auch Dauner-Lieb, FS Kraft (1996), S. 43 (48); zur Annahme von Arglist bei Angaben „ins Blaue hinein“ erstmals BGH, Urt. v. 21.1.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382 (388); anstatt aller MünchKommBGB/Armbrüster, § 123 Rn. 16; Staudinger/Oechsler (2018), BGB, § 826 Rn. 87, jeweils mwNachw.

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§ 4 Rechtserheblichkeit des Wissens

fahrlässige Nichtkenntnis und somit Kennenmüssen in Betracht käme.17 Hierbei wird jedoch verkannt, dass das Merkmal des Kennenmüssens keinesfalls ein bloßer Auffangtatbestand für fehlende Kenntnis ist, sondern beide Merkmale einen eigenständigen Bedeutungsgehalt haben: So kann selbst für den Fall, dass keine Pflicht zur Kenntniserlangung bestand (und somit nicht vom Kennenmüssen ausgegangen werden kann), das Wissen zufällig erworben worden sein, sodass in diesem Fall der Kenntnis eine eigenständige Bedeutung neben dem Kennenmüssen zukommt.18 Es bleibt somit festzuhalten, dass der bestehende Kenntnisbegriff derart hohe Anforderungen wie eine sichere Vorstellung oder gar eine absolute Sicherheit nicht kennt. Vielmehr bestehen verschiedene Stufen des Wissens, die von einer genauen beziehungsweise sicheren Vorstellung bis zu einer eher allgemeinen reichen, wobei es genügt, dass sich die Kenntnis zu einem solchen Grad gefestigt hat, dass nach Treu und Glauben ein diese Tatsachen berücksichtigendes Verhalten zugetraut werden kann und muss.19 Der Rekurs auf den Grundsatz von Treu und Glauben erlaubt es auch, in Bezug auf verschiedene Wissensnormen unterschiedliche Anforderungen an den Grad der Sicherheit über die Tatsachenkenntnis zu knüpfen, je nach systematischem Umfeld dieser Norm und der jeweiligen Risikozuweisung.20

II. „Recht auf Vergessen“ Aufgrund der Unvollkommenheit der menschlichen geistigen Funktion besteht der Zustand des Wissens nicht ad infinitum; eine Tatsache kann vergessen werden.21 Der BGH hat in einer frühen Entscheidung aus 1952 fol17

Fatemi, NJOZ 2010, 2637 (2638). Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (173). 19 Gleichsinnig Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 53; Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 12; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (6); für eine Inbezugnahme von leisen Zweifeln, insb. wenn diese unbegründet sind Sallawitz, Die tatbestandsmäßige Gleichstellung von grobfahrlässiger Unkenntnis mit Kenntnis, 1973, S. 54; i.E. auch RG, Urt. v. 23.12.1911 – I 98/11, RGZ 78, 121 (123); RG, Urt. v. 10.1.1916 – VI 359/15, RGZ 88, 4 (6); auch v. Thur, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 127 hat die Vorstellung einer graduellen Kenntnis, jedoch nur in Bezug auf die Präzision der Information und nicht den Grad der Sicherheit, hier ist v. Thur der Ansicht, dass eine sichere Kenntnis erforderlich sei (S. 130), dies verkennt allerdings Sieger, der davon ausgeht, dass auch v. Thur die Graduierung der Kenntnis ebenso in Bezug auf den Grad der Sicherheit bezieht, vgl. Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 12, Fn. 29. 20 Ausführlich hierzu Sallawitz, Die tatbestandsmäßige Gleichstellung von grobfahrlässiger Unkenntnis mit Kenntnis, 1973, S. 54 ff.; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 196 ff.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 53 f.; in diese Richtung auch Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 187. 21 V. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, 18

A. Definition des Wissens

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gerichtig klargestellt, dass eine vergessene Tatsache keine Arglist begründe, da hierfür mindestens bedingter Vorsatz notwendig sei und bei einer solchen vergessenen Tatsache allenfalls Nachforschungspflichten entstehen könnten, die jedoch lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen könnten.22 Im Kern muss danach gefragt werden, ob das Vergessen von Tatsachen Auswirkung auf die rechtliche Kategorie des Wissens hat bzw. ob sich der vormals Wissende darauf berufen darf, die Tatsache vergessen zu haben. Eng mit dieser Frage verbunden ist diejenige, ob sich das Wissen nur auf die subjektive, biologisch-zerebrale Verfügbarkeit beschränkt oder ob die Kenntnis auch an (elektronisch) dokumentierte Informationen anknüpfen kann, mithin ob eine objektive Verfügbarkeitsdimension den Wissensbegriff erweitert. Damit gewinnt die Frage des „Rechts auf Vergessen“23 durch den Einzug der modernen Informationstechnologie neuen Aufwind, den v. Thur im Jahr 1914 noch nicht einmal erahnen konnte. Durch diese objektive Verfügbarkeitsdimension würde ein Pflichtenkonzept mit Nachforschungspflichten in den Wissensbegriff transferiert werden, der dem Wissen fremd ist und eher der Kategorie der fahrlässigen Unkenntnis zugeschrieben werden muss. Dabei ist der Wissensbegriff jedoch (wie oben dargestellt) kein statischer, sondern vielmehr geleitet durch den Grundsatz von Treu und Glauben: So muss der potentiell Wissensbelastete nach dem Maßstab von Treu und Glauben dazu befähigt – gleichsam aber auch verpflichtet – sein, in seinem Verhalten die in Rede stehenden Tatsachen berücksichtigen zu können, um von positiver Kenntnis auszugeben.24 Es bleibt somit zu fragen, welche Anforderungen nach Treu und Glauben an das Wissen gestellt werden können. Vor allem die Tatsache, dass der Beschränkung der Wissensnorm auf positive Kenntnis eine bewusste gesetzgeberische Wertung zugrunde liegt, die die Schutzwürdigkeit der Gegenseite im

S. 128; Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 12; Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und im anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 9. 22 BGH, Urt. v. 21.11.1952 – V ZR 158/51, LM § 463 Nr. 1 – Hausschwamm. 23 Mit dem Begriff „Recht auf Vergessen“ soll nicht an das „Recht auf Vergessenwerden“ angeknüpft werden, wie ihn etwa der EuGH in seinem Urt. v. 13.5.2014 – C-131/12, NJW 2014, 2257 – Google Spain verwendet. Vielmehr ist der Fragenkreis angesprochen, ob die Rechtsfolgen der Kenntnis ad infinitum gelten oder ob die einmal eingetretene Kenntnis zu einem späteren Zeitpunkt wieder entfallen kann, der Betroffene somit ein „Recht auf Vergessen“ hat; vgl. hierzu auch Spinder, ZHR 181 (2017), 311 (322 f.); vgl. auch unten § 10 A.I. 24 Zur Konkretisierung der erforderlichen Präzision der Kenntnis durch den Maßstab von Treu und Glauben erstmals v. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 127; ähnlich i.E. auch RG, Urt. v. 23.12.1911 – I 98/11, RGZ 78, 121 (123); zur Treu-und-Glaubens-Grenze in Bezug auf den Grad der Sicherheit einer Tatsache vgl. auch § 4 Fn. 19.

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§ 4 Rechtserheblichkeit des Wissens

Vergleich zu relativen Wissensnormen als geringer erachtet, hat zur Folge, dass in diesen Fällen ein Nachforschungsaufwand des Wissensbelasteten nicht gerechtfertigt wäre.25 Insofern steht der Einbeziehung einer objektiven Verfügbarkeitsdimension in den Wissensbegriff die gesetzgeberische Wertung für eine Wissensnorm, die auf positive Kenntnis beschränkt ist, entgegen. Auch der Umstand, dass der Wissensbegriff von dem Wissen einer natürlichen Person geprägt ist, spricht für eine Beschränkung auf den subjektivzerebralen Wissensbestand.26 Es kann somit nach den oben angeführten Grundsätzen nicht davon ausgegangen werden, dass der Begriff des Wissens um eine objektive Verfügbarkeitsdimension erweitert werden kann, sodass sich das Wissen auf den subjektiv-zerebralen Wissensbestand beschränkt. Doch auch wenn das Wissen rein subjektiv-biologisch bestimmt wird, bestehen – prozessual notwendige – Ansätze zur Objektivierung des Wissens. Vor allem mittels Beweisregeln und Erfahrungssätzen kann eine Rekonstruktion des Wissensbestands eines potentiell Wissensbelasteten und insbesondere eine Gleichsetzung mit dem bewussten Sich-Verschließen erreicht werden.27 Ist eine Information vergessen, geht Wissen verloren und es können folglich die Rechtsfolgen, die an die positive Kenntnis anknüpfen, nicht eintreten; davon unberührt ist allerdings ein etwaiger Fahrlässigkeitsvorwurf in Bezug auf das Vergessen bzw. eine unterlassene Dokumentation, sodass unter Umständen von einem Kennenmüssen ausgegangen werden kann.28 Dieser Fahrlässigkeitsvorwurf ist vor allem vor dem Hintergrund moderner Informationsspeicherungs- und -abfragemöglichkeiten zu sehen, wobei auf die sich aus den Informationsabfragepflichten ergebene Wissenszurechnung noch ausführlich einzugehen sein wird.29

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Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (174). So auch Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (174). 27 Vgl. zu den Ansätzen einer systemkonformen Objektivierung der Wissensverantwortlichkeit Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (174 ff.); zur Gleichstellung des bewussten sichVerschließens mit der positiven Kenntnis BGH, Urt. v. 12.7.1996 – V ZR 117/95, BGHZ 133, 246 (250) mwNachw.; zur Feststellung von Wissen durch Rückgriff auf Erfahrungsregeln und Hilfstatsachen Bohrer, DNotZ 1991, 124 (127 f.); Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (6); in neueren Gesetzen werden die Beweisschwierigkeiten in Bezug auf die positive Kenntnis durch die Anordnung von unwiderlegbaren Vermutungen gemildert, wie etwa in § 130 Abs. 2 InsO durch die Gleichstellung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit mit derjenigen von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, vgl. hierzu Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 54. 28 So auch v. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 128; Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 12; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 201; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (174). 29 Vgl. hierzu insb. § 8 B. und § 8 C. 26

B. Rechtserheblichkeit der Kenntnis

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III. Rechtlich relevante Formen minderen Wissens Sofern der Grad des Wissens, etwa bei erheblichen Zweifeln oder bloßen Vermutungen, unterhalb der oben genannten Treu-und-Glauben-Grenze liegt, ist dies, wo das Gesetz positive Kenntnis verlangt, rechtlich nicht von Bedeutung. Auch bei vergessenen Informationen kann nicht von Wissen gesprochen werden. Jedoch bestehen neben dem Wissen auch rechtlich relevante Formen minderen Wissens, wie das Kennenmüssen und das Kennenkönnen, wobei im Rahmen dieser Arbeit vor allem das Kennenmüssen von Interesse ist. § 122 Abs. 2 BGB definiert das Kennenmüssen als fahrlässige Unkenntnis, die vielerorts, wie etwa im Rahmen des § 122 Abs. 2 BGB oder § 142 Abs. 2 BGB, – aber gerade nicht in allen Konstellationen – der Kenntnis gleichgestellt wird. Im Rahmen des Kennenmüssens genügt, sofern nichts anderes normiert ist, jede Form der Fahrlässigkeit,30 sodass, nachdem auf der ersten Stufe eine Kenntnis verneint wurde, auf der zweiten Stufe untersucht werden muss, ob der Unwissende bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis erlangt hätte, also ob er in Bezug auf die fehlende Kenntniserlangung oder das Vergessen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.

B. Rechtserheblichkeit der Kenntnis Die Rechtsfolgen, die an das Wissen geknüpft werden, sind nicht einheitlich; vielmehr lassen sich verschiedene Fallgruppen unterscheiden:31 Zum einen bestehen zahlreiche Wissensnormen im Zusammenhang mit dem Fristenlauf. Hierbei setzt die Kenntnis eines bestimmten Umstandes eine verkürzte Ausschluss- oder Verjährungsfrist in Lauf. Dabei sind zuvorderst die §§ 121 Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 S. 1, 626 Abs. 2 S. 2, 2082 Abs. 2, 2283 Abs. 2 BGB sowie §§ 21 Abs. 1 S. 2, 24 Abs. 3, 28 Abs. 1, 96 Abs. 2 S. 2 VVG und § 586 Abs. 2 S. 1 ZPO zu nennen. Aus dem Öffentlichen Recht seien hierbei 30

RG, Urt. v. 10.12.1913 – V 303/13, RGZ 83, 348 (353); Staudinger/Singer (2017), BGB, § 122 Rn. 18, mwNachw.; für das Erfordernis der groben Fahrlässigkeit hingegen Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 556. 31 Diese Systematisierung geht zurück auf Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (4 f.); dem folgend Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 37 ff.; Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und im anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 8; v. Tuhr differenziert hingegen danach, ob der Tatbestand der Wissensnorm nur aus der Kenntnis besteht oder ob noch weitere Tatbestandsmerkmale hinzutreten müssen, vgl. v. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 128 ff.; dem folgend Oldenbourg, Die Wissenszurechnung, 1934, S. 1 f.; Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 12 f.; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 33 ff.

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§ 4 Rechtserheblichkeit des Wissens

noch die §§ 48 Abs. 4 S. 1 und 51 Abs. 3 VwVfG sowie aus dem Strafrecht § 77b Abs. 2 S. 1 StGB zu erwähnen. Zum anderen wird die Kenntnis im Rahmen des Nichterwerbs bzw. der Nichterlangung von Rechten bedeutsam, insbesondere in den Fällen des gutgläubigen Erwerbs, wie gem. §§ 892 Abs. 1 S. 1, 932 ff., 2366 BGB sowie § 366 HGB. In diese Fallgruppe zählen auch diejenigen Vorschriften, bei denen die Kenntnis den Erwerb von Gewährleistungsrechten ausschließt, wie etwa §§ 442 Abs. 1 S. 1, 536b S. 1, 640 Abs. 3 BGB. Darüber hinaus ist die Kenntnis in diesem Zusammenhang im Rahmen von Vertrauensvorschriften, wie § 173 BGB oder § 15 Abs. 1 und 3 HGB, relevant. Ebenso im Rahmen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht, bei denen eine Bösgläubigkeit des Geschäftsgegners seine Schutzwürdigkeit und damit die Möglichkeit des Berufens auf diese Rechtsscheinvollmachten ausschließt.32 Auch im Privatversicherungsrecht finden sich an verschiedenen Stellen Vorschriften, die bei Kenntnis des Versicherers bestimmte Rechte, wie etwa den Rücktritt, ausschließen, vgl. beispielsweise §§ 19 Abs. 5 S. 2, 30 Abs. 2, 97 Abs. 2 VVG. Während in dieser Fallgruppe regelmäßig die Kenntnis des Gläubigers in Rede steht, kann mitunter auch die Kenntnis des Schuldners für die Nichtentstehung von Ansprüchen entscheidend sein, wie etwa in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. Außerdem kann sich durch die Kenntniserlangung (vor allem für den Nichtberechtigten) die Rechtsstellung verschlechtern, wie etwa im Fall der verschärften Haftung des ungerechtfertigt Bereicherten iSd. § 819 Abs. 1 BGB oder des unberechtigten Besitzers iSd. § 990 Abs. 1 BGB. In diese Kategorie fällt auch die Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) für eine Verletzung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten, die sich aus dem Wissen eines Vertragspartners ergeben kann.33 Weitreichende Folgen hat die Kenntnis des Schuldners auch im Rahmen der Zession:34 Dies gilt beispielsweise für den Fall der Aufrechnung durch den Schuldner mit einer Forderung gegen den Zedenten, die gem. § 406 BGB auch gegen den Zessionar schuldbefreiende Wirkung entfaltet, wobei diese Wirkung entfällt, sofern der Schuldner beim Erwerb der Forderung Kenntnis von der Zession hatte. Genauso muss der Zessionar gem. § 407 BGB eine Leistung des Schuldners an den Zedenten sowie jedes Rechtsgeschäft mit diesem, das in Ansehung der Forderung vorgenommen wurde, grundsätzlich (bei einer stillen Zession) gegen sich gelten lassen; auch diese Wirkung tritt jedoch nicht ein, 32 BGH, Urt. v. 15.2.1982 – II ZR 53/81, NJW 1982, 1513 (1513); MünchKommBGB/Schubert, § 167 Rn. 106, 121; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 167 Rn. 43 jeweils mwNachw. 33 MünchKommBGB/Emmerich, § 311 Rn. 64 ff.; Staudinger/Feldmann (2018), BGB, § 311 Rn. 124 ff., jeweils mwNachw. 34 Daneben ist auch die Kenntnis des Zessionars in § 405 BGB von Bedeutung.

B. Rechtserheblichkeit der Kenntnis

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wenn der Schuldner Kenntnis von der Abtretung hatte. Im Privatversicherungsrecht verschlechtert sich die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers durch seine Kenntnis über gewisse Gefahrumstände zwar nicht unmittelbar, jedoch wird an seine Kenntnis eine Anzeigepflicht geknüpft, bei deren Verletzung ein Rücktrittsrecht des Versicherers besteht, vgl. § 19 Abs. 2 VVG. Darüber hinaus verschlechtert sich gem. § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO die Rechtsstellung des Insolvenzgläubigers durch seine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit, die dort ein Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters begründen kann. Zudem wird Wissen in Bezug auf die Arglist relevant, die sich vor allem auf die Anfechtung (wie in § 123 Abs. 1 BGB, ggf. iVm. § 22 VVG bei einer arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers), den Ausschluss kurzer Verjährungsfristen (wie in § 438 Abs. 3 S. 1 BGB oder § 634a Abs. 3 S. 1 BGB) sowie die Unwirksamkeit von Haftungsausschlüssen (wie in §§ 442 Abs. 1 S. 2, 444, 536d, 639 BGB) auswirkt. Insbesondere beim arglistigen Verschweigen ist dabei regelmäßig zumindest die Kenntnis vom verschwiegenen Umstand erforderlich,35 sodass auch Normen, die an das arglistige Verschweigen Rechtsfolgen stellen, zu den Wissensnormen gezählt werden müssen. Als letzte Kategorie der Rechtserheblichkeit des Wissens ist der Vorsatz zu nennen, in dem, wie oben beschrieben, auch ein kognitives bzw. intellektuelles Element enthalten ist.36 Somit können auch Normen der Verschuldenshaftung (besonders eindrücklich in § 826 BGB) und auch Strafnormen mit Ausnahme der Fahrlässigkeitsdelikte (aus zivilrechtlicher Sicht insbesondere in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB) als Wissensnormen im weiteren Sinne bezeichnet werden.37 Das Gesetz stellt zwar an einigen Stellen der Kenntnis das Kennenmüssen gleich, jedoch nicht zwangsläufig; vielmehr knüpft das Gesetz vielerorts allein an die (positive) Kenntnis Rechtsfolgen.38 Die Entscheidung, die Rechtsfolgen einer Wissensnorm nur an die positive Kenntnis zu knüpfen (absolute 35 Anstatt aller: MünchKommBGB/Armbrüster, § 123 Rn. 18; MünchKommBGB/ Westermann, § 438 Rn. 29 (vgl. hierzu auch der Verweis in MünchKommBGB/ Westermann, § 442 Rn. 12); MünchKommBGB/Busche, § 634a Rn. 37 f. (vgl. hierzu auch der Verweis in MünchKommBGB/Busche, § 639 Rn. 8) jeweils mwNachw.; vgl. zu Angaben „ins Blaue hinein“ auch § 4 Fn. 16. 36 RG, Urt. v. 4.12.1917 – IV 622/17, RGSt 51, 305 (311): „Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen sämtlicher Tatbestandsmerkmale“; vgl. ausführlich Bung, Wissen und Wollen im Strafrecht, 2009, S. 154 ff. 37 Hierzu bereits ausführlich Seidel, AG 2019, 492 (498 ff.). 38 Etwa §§ 121 Abs. 1 S. 1, 123 Abs. 1, 124 Abs. 2 S. 1, 406 f., 438 Abs. 3 S. 1, 442 Abs. 1 S. 1, 444 Alt. 1, 546b S. 1, 626 Abs. 2 S. 2, 634a Abs. 3 S. 1, 640 Abs. 2, 819 Abs. 1, 826, 892 Abs. 1 S. 1, 990 Abs. 1 S. 2, 2366 BGB, § 15 Abs. 1 und 3 HGB oder im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB iVm. einer Schutznorm, die Vorsatz voraussetzt.

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§ 4 Rechtserheblichkeit des Wissens

Wissensnorm), kann dadurch hervorgerufen werden, dass dem sanktionierten Verhalten das Verdikt eines sittlichen Makels oder einer besonderen Verwerflichkeit innewohnt.39 Die Rechtsordnung stellt durch diese absoluten Wissensnormen einen rechtsethischen Mindeststandard sicher, der das anstößige, missbräuchliche oder sogar strafbare Verhalten sanktioniert, wobei dies besonders deutlich wird beim Schadensersatz wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB), beim Rekurs auf die Arglist oder eine vorsätzliche Begehung.40 Abseits der Sanktionierung sittlich missbilligten Verhaltens liegt der Grund für eine Begrenzung der Wissensnorm auf positive Kenntnis darin, dass im Falle des tatsächlichen Wissenserwerbs der Wissensbelastete aufwandsfrei Rücksicht auf die Interessen des anderen Teils hätte nehmen können, sodass er in Bezug auf die betroffene Rechtsfolge seine persönliche Schutzwürdigkeit verliert.41

C. Rechtserheblichkeit des Kennenmüssens Die erste rechtlich relevante Form minderen Wissens ist das Kennenmüssen, wobei diese oft – jedoch nicht zwangsläufig und teilweise nur mit Einschränkungen – der Kenntnis gleichgestellt wird. Auch wenn das Kennenmüssen in § 122 Abs. 2 BGB als fahrlässige Nichtkenntnis legaldefiniert ist (und somit jeden Grad der Fahrlässigkeit einschließt), werden zum Teil die Rechtsfolgen des Kennenmüssens auf bestimmte Fahrlässigkeitsgrade beschränkt, wie beispielsweise auf die grobe Fahrlässigkeit im Rahmen der Gutgläubigkeit gem. § 932 Abs. 2 BGB. Unterhalb der beschriebenen Treu-und-Glauben-Grenze, die die Unterscheidung zwischen rechtlich relevantem (positivem) Wissen und Formen minderen Wissens anhand der Frage trifft, ob ein die Tatsache berücksichtigendes Verhalten dem potentiell Wissensbelasteten zugemutet werden kann, können allenfalls die Rechtsfolgen eintreten, die an eine fahrlässige Unkenntnis gestellt werden.42 Dabei ist das positive Wissen neben dem Wissenmüssen jedoch nicht bedeutungslos: Selbst wenn keine Nachforschungspflicht besteht und somit kein Fahrlässigkeitsvorwurf bezüglich des Nichtwissens erhoben werden kann, kann positives Wissen, das nichtsdestotrotz

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So etwa in Bezug auf § 826 BGB, BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 23). 40 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (171). 41 So auch Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (171); bzgl. der Möglichkeit der Verhaltensausrichtung am Wissen vgl. Walter, Die Wissenszurechnung im schweizerischen Privatrecht, 2005, S. 59 ff. 42 Vgl. auch § 4 A.I.

D. Rechtserheblichkeit des Kennenkönnens

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zufällig erlangt wurde, trotz fehlendem Wissenmüssen die Rechtsfolge der Wissensnorm herbeiführen.43 Ebenso wie bei der Beschränkung einer Wissensnorm auf positive Kenntnis ist der Entschluss des Gesetzgebers, eine Rechtsfolge nicht bei jeder Form der fahrlässigen Unkenntnis, sondern nur bei grober Fahrlässigkeit eintreten zu lassen, eine Wertung bezüglich der Frage, ab wann der potentiell Wissensbelastete in dieser Hinsicht nicht mehr schutzwürdig sein soll.44 Neben der gesetzgeberischen Wertung, bestimmte Rechtsfolgen nur bei grob fahrlässiger Unkenntnis eintreten zu lassen, besteht auf judikativer Seite ein zweites Korrektiv über die Wertungsoffenheit der Fahrlässigkeit selbst: Gem. § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, wobei die Beurteilung dieses Maßstabs je nach situativem Kontext unterschiedlich ist.45 Schilken umschreibt dies in Bezug auf das Wissenmüssen trefflich als „gebotene Wissensverwirklichung“.46 Der Grund für die Gleichstellung von Kenntnis und Kennenmüssen, die über die Auferlegung von Nachforschungspflichten erreicht wird, liegt in einer Bewertung der Risikosphären, wobei Eingriffsmöglichkeiten in die Rechtsgüter und Interessen Dritter, die über ein gewöhnliches Maß hinausgehen, diese gesetzgeberische Entscheidung rechtfertigen.47 Die Privilegien, die ein Nichtwissender genießt, sollen demnach nur eintreten, sofern gewisse Sorgfaltsanstrengungen in Bezug auf die gebotene Wissensverwirklichung unternommen wurden.48

D. Rechtserheblichkeit des Kennenkönnens Zudem stellt der Gesetzgeber zugunsten des Wissensbegünstigten dem Wissen teilweise das Wissenkönnen gleich, sodass letzteres die zweite rechtlich relevante Form minderen Wissens darstellt. Dabei wird insbesondere im Fall qualifizierter Rechtsscheinträger, denen ein öffentlicher bzw. abstrakter Rechtsschein innewohnt, auf die Kausalität der Kenntniserlangung des In-

43

Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (173). Hierzu auch v. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 140 f. 45 Vgl. hierzu auch Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 13. 46 Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 6. 47 Bohrer, Die Haftung des Dispositionsgaranten, 1980, S. 315 Fn. 88; ders., DNotZ 1991, 124 (125 f.); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 38; Adler, Wissen und Wissenszurechnung, 1997, S. 10. 48 Soergel/Henssler, BGB, § 932 Rn. 18. 44

28

§ 4 Rechtserheblichkeit des Wissens

halts des Rechtsscheinträgers für die Rechtsänderung verzichtet.49 So genügt das Kennenkönnen beispielsweise gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB in Bezug auf den Rechtsschein des Grundbuchs, gem. § 15 Abs. 3 HGB für das Handelsregister oder gem. § 2366 BGB für den Erbschein. Eine tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts des Rechtsscheinträgers ist in diesen Fällen somit nicht notwendig.

49

Für § 892 Abs. 1 S. 1 BGB Staudinger/Picker (2019), BGB, § 892 Rn. 145; für § 15 Abs. 3 HGB MünchKommHGB/Krebs, § 15 Rn. 98; Oetker/Preuß, HGB, § 15 Rn. 70; für § 2366 BGB Mot. V, S. 572 = Mugdan V, S. 306; MünchKommBGB/Grziwotz, § 2366 Rn. 25.

§5

Die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation A. Arbeitsteilige Organisation Ein zentraler Grund für den Erfolg der menschlichen Zivilisation ist die Fähigkeit zur Bildung arbeitsteiliger Strukturen. Auch wenn die Arbeitsteilung spätestens seit der Sesshaftwerdung des Menschen ab ca. 11.500 v. Chr. integraler Teil menschlichen Zusammenlebens ist, intensiviert und differenziert sie sich noch immer und kann aus der heutigen Wirtschaft schlichtweg nicht mehr hinweg gedacht werden.1 Der Begriff der Arbeitsteilung meint dabei die Aufteilung von Arbeitsabläufen mit dem Zweck, Synergieeffekte zu generieren sowie einen höheren Grad an Spezialisierung zu erreichen, um somit die Effektivität und Qualität steigern zu können.2 Dabei bedient sich der Geschäftsherr fremder Arbeitskraft, um seine eigene wirtschaftliche Potenz zu steigern.3 Jedoch kommt die arbeitsteilige Organisation nicht nur dem unmittelbaren Nutzer dieser Organisation zugute, indem Produktionsstückkostenvorteile geschaffen werden, sondern auch dem anderen Teil. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass einerseits gewisse Tätigkeiten nur durch Arbeitsteilung möglich sind und andererseits mit der Spezialisierung für gewöhnlich eine Qualitätssteigerung einhergeht sowie – zumindest potentiell – auch eine Kostensenkung möglich ist.4 Um den Bedürfnissen der modernen Wirtschaft gerecht zu werden, nimmt dabei die Größe der Einheiten in der

1 Vgl. sog. neolithische Revolution bzw. Neolithisierung, vgl. hierzu ; Moetz, Sesshaftwerdung, 2014, S. 15, 32 f. mit Fn. 34; Müller, in: Terberger/Gronenborn (Hrsg.), Vom Jäger und Sammler zum Bauern, S. 15, passim; Gronenborn, in: Terberger/Gronenborn (Hrsg.), Vom Jäger und Sammler zum Bauern, 2014, S. 25, passim. 2 Ausführlich hierzu schon Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 12 ff.; ausführlich auch Woeckener, Volkswirtschaftslehre, 2013, S. 5 ff.; teilweise wird Arbeitsteilung mit Spezialisierung gleichgesetzt: Smith, aaO., S. 10; Woeckener, aaO., S. 5. 3 Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 43; v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 803. 4 Diese beiderseitigen Vorteile sehen schon Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 42; Spiro, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen, 1984, S. 52, 60; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 33.

30

§ 5 Die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation

Tendenz stetig zu, wodurch zwar auf der einen Seite der Grad der Spezialisierung wächst und sich Synergieeffekte verstärken, auf der anderen Seite allerdings ein immer dichter werdendes Geflecht rechtlicher und wirtschaftlicher Verbindungen entsteht. Aufgrund des beschriebenen Geflechts benötigen diese expandierenden Einheiten eine innere Organisation, die die Arbeitsteilung koordiniert und Zuständigkeiten schafft.5 Diese Organisation kann eine Zusammenfassung von Produktionsmitteln und Vermögen in einer juristischen Person oder Gesamthandsgesellschaft, ein Zusammenschluss von mehreren juristisch selbstständigen Unternehmen zu einem Konzern oder eine nicht-konzernierte Unternehmensverbindung, die unterhalb der Schwelle einer gesellschaftsrechtlichen Beziehung auf schuldvertraglicher Grundlage verflochten ist, sein. Unterhalb der unternehmensrechtlichen Verbundenheit ist auch die Arbeitsteilung durch die bloße Stellvertretung des Geschäftsherrn durch den Vertreter, durch ein Dauerschuldverhältnis oder gar einen singulären Austauschvertrag möglich. Dabei kommt der Möglichkeit der Stellvertretung – entweder als gewillkürte oder aber als organschaftliche Vertretung – entscheidende Bedeutung zu. Selbst wenn auch ohne Stellvertretung – wie etwa im Fall von Dauerschuldverhältnissen oder gar singulären Austauschverträgen – arbeitsteiliges Handeln möglich ist,6 wäre ohne die Grundentscheidung des deutschen Zivilrechts, Handlungen einer Person, insbesondere der Abgabe von Willenserklärungen, nicht nur Wirkung für sich selbst, sondern auch Wirkung für andere zuzusprechen,7 eine arbeitsteilige Organisation jedenfalls nicht in diesen vielfältigen Organisationsformen und in diesem Maße möglich.

5

Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 881. Anders jedoch Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 29 wonach die §§ 164 ff. BGB ein arbeitsteiliges Handeln überhaupt erst ermöglichen. 7 Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Vertretungsorgan einer Gesellschaft für einen anderen iSd. § 164 BGB handelt (Vertretertheorie) oder sein Verhalten als eigenes Handeln der Gesellschaft zugerechnet wird (Organtheorie). In jedem Fall treffen die Rechtsfolgen der Willenserklärung nicht denjenigen, der tatsächlich physisch gehandelt hat, da selbst nach der (vorzugswürdigen) Organtheorie die eigene Handlung der Gesellschaft nur durch gesetzliche Fiktion mittels Zurechnung der Handlung vom Organ zur Gesellschaft erreicht wird; zum Streit vgl. allgemein K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 254 f. mwNachw.; Beuthien, NJW 1999, 1142 passim; für die Vertretertheorie v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 2, 1840, S. 282 ff., 312; für die Organtheorie v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 603 ff., insb. S. 626 ff.; Laband, AcP 73 (1888), 161 (187 f.); vgl. hierzu auch § 7 B.I. 6

B. Definition der Zurechnung

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B. Definition der Zurechnung Die Zurechnung ist eine in allen Rechtsgebieten bekannte8 dogmatische Rechtsfigur, die Tatsachen an ein Rechtssubjekt anknüpft, wobei hierdurch eine Selbstverantwortlichkeit sowohl für das eigene Verhalten als auch für den eigenen Geschäftskreis zum Ausdruck gebracht wird.9 Es besteht folglich neben der Zurechnung eigenen Verhaltens, wie etwa im Rahmen der Kausalität als Zurechnung eigenen Verhaltens (Eigenzurechnung),10 der in dieser Untersuchung keine entscheidende Rolle zukommen wird und die daher an dieser Stelle vernachlässigbar ist, auch die dogmatische Rechtsfigur der Fremdzurechnung, die die Rechtswirkungen einer Tatsache nicht unmittelbar in der sie betreffenden Person, sondern in einer von ihr verschiedenen Person eintreten lässt; mithin die Verknüpfung einer Tatsache mit einem Rechtssubjekt, das diese nicht selbst verursacht hat, wobei dies letztlich Ausdruck einer juristischen Fiktion ist.11 In dieser Terminologie stellt die Tatsache, die zugerechnet wird, das Zurechnungsobjekt dar, derjenige, der einen Tatbestand tatsächlich in sich erfüllt, das Zurechnungssubjekt und derjenige, an den die Tatsache geknüpft bzw. zugerechnet wird, das Bezugssubjekt bzw. der Zurechnungsempfänger. Die Zurechnung, die durch eine Zurechnungsnorm angeordnet wird, erfolgt stets mit Blick auf eine Bezugsnorm.12 Diese Bezugs- oder Grundnorm ordnet bei Erfüllung eines Tatbestands eine bestimmte Rechtswirkung an, die grundsätzlich den Handelnden trifft. Erst durch die Zurechnung wird das Zurechnungsobjekt vom Zurechnungssubjekt zum Bezugssubjekt gezogen bzw. dem letzteren zugeordnet. 8

Neben der Zurechnungsnormen im BGB (etwa §§ 31, 164, 166 Abs. 1, 278 S. 1, 855 BGB) vgl. insb. § 16 Abs. 4 AktG, § 5 MitbestG oder § 22 WpHG als weitere zivilrechtliche Zurechnungsnormen; vgl. auch § 14 StGB und § 32 Abs. 1 S. 2 VwVfG als Zurechnungsnormen außerhalb des Zivilrechts. 9 Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 4; Canaris, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht, 1971, S. 468; Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 6. 10 In diesem Sinne schon Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797, AA VI S. 227: „Zurechnung (imputatio) in moralischer Bedeutung ist das Urtheil, wodurch jemand als Urheber (causa libera) einer Handlung, die alsdann That (factum) heißt und unter Gesetzen steht, angesehen wird; welches, wenn es zugleich die rechtlichen Folgen aus dieser That bei sich führt, eine rechtskräftige (imputatio iudiciaria s. valida), sonst aber nur eine beurtheilende Zurechnung (imputatio diiudicatoria) sein würde.“; vgl. hierzu auch Bork, ZGR 1994, 237 (237); dabei ist neben der Kausalität als Zurechnung eigenen Verhaltens auch eine solche in Bezug auf die Vertrauenshaftung möglich, vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht, 1971, S. 467 ff. 11 Rehberg, Rechtfertigungsprinzip, 2014, S. 607 f.; Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 2 f.; Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 28. 12 So auch Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 3; Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 28 f.; Bork, ZGR 1994, 237 (238).

32

§ 5 Die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation

Dabei betont Deutsch zu Recht das Element der Verantwortung, wenn er die Zurechnung als „Verantwortung einer Person für ein Verhalten oder einen Erfolg im Hinblick auf die Rechtsfolgen“ definiert.13 Und auch Taupitz schließt sich dieser Lesart an, wenn er die Wissenszurechnung als „Verantwortlichkeit für fremdes Wissen“ beschreibt.14 Sofern die Zurechnung als Ausfluss von Verantwortlichkeit verstanden wird, folgt daraus gleichsam, dass diese ausscheiden muss, soweit das Bezugssubjekt für das Zurechnungsobjekt oder das Zurechnungssubjekt nicht verantwortlich ist.15 Das Kriterium der Verantwortlichkeit ist somit Begründung und Ausschlussgrund der Zurechnung zugleich, wobei zu fragen bleibt, wann eine solche Verantwortungserweiterung gerechtfertigt ist.16

C. Zweck der (Fremd-)Zurechnung unter besonderer Berücksichtigung der arbeitsteiligen Organisation Nachdem nun die Zurechnung als solche definiert ist, stellt sich die Frage, welcher Zweck mit der Zurechnung verfolgt werden soll. Die Antwort auf diese Frage ist wiederum eng mit dem Kriterium der Verantwortlichkeit verknüpft: Grundsätzlich trägt jedes Rechtssubjekt nur für das eigene Verhalten Verantwortung. Dieser Grundsatz findet eine bedeutende Ausnahme in der Fremdzurechnung, bei welcher Tatsachen, die in der Person eines Dritten eingetreten sind, dem Bezugssubjekt zugerechnet werden, mit der Folge, dass die Rechtswirkungen der Bezugsnorm bei diesem eintreten.17 Dabei garantiert die Zurechnung die Anwendung der Bezugsnormen und schützt somit vor Umgehung.18 Der Schutzzweck der Zurechnung wird etwa in Bezug auf 13

Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963, S. 64. Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (28). 15 Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 6. 16 Bork lässt eine Rechtfertigung der Zurechnung über die Verantwortlichkeit nicht genügen, da die Verantwortlichkeit nur Folge, nicht aber Begründung der Rechtfertigung sein könne, Bork, ZGR 1994, 237 (239); nichtsdestotrotz stellt die Frage nach der Verantwortlichkeit einen zentralen Zwischenschritt dar, um die Zurechnung begründen zu können. Die Verantwortlichkeit stellt eine wichtige Grundlage für das Eintreten von Rechtsfolgen dar, sodass zwar der Grund für das Einstehenmüssen erst belegt werden muss, dann jedoch die Verantwortlichkeit ein tragfähiges Argument für die Begründung der Zurechnung sein kann. 17 So auch Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 3; Canaris, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht, 1971, S. 468. 18 Hierzu ausführlich mit Blick auf rechtspolitisch-soziologische Erwägungen Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 40; Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 29; Bork, ZGR 1994, 237 (240). 14

D. Rechtfertigung der Zurechnung

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die Zurechnung im Konzern deutlich, da ohne Normen wie § 16 Abs. 4 AktG, § 22 Abs. 1 WpHG, § 5 MitbestG oder § 36 Abs. 2 GWB die betroffenen Rechtsfolgen durch die Schaffung von Konzernstrukturen umgangen werden könnten. Darüber hinaus bestehen auch Konstellationen, in denen ein originärer Schutz vor Rechtsmissbrauch nicht notwendig ist, die Begleitumstände jedoch trotzdem eine Zurechnung fremder Tatsachen erfordern. Dies kann etwa in § 278 BGB oder § 164 BGB erkannt werden, da der Grund für die Einschaltung von Gehilfen und Vertretern meist nicht primär in der Umgehung bestimmter Rechtsfolgen, sondern vielmehr in der Erfüllung einer vertragsgemäßen Leistung bzw. in der Arbeitsteilung als solcher liegt. Nichtsdestoweniger spaltet der Geschäftsherr damit vom Gesetzgeber grundsätzlich monolithisch konzipierte Vorgänge auf und stellt dem Dritten mehrere beteiligte Personen gegenüber. Diese Aufspaltung hat zur Folge, dass der Geschäftsherr in Bezug auf die rechtliche Interaktion mit Dritten nicht mehr (ausschließlich) selbst handelt, Willenserklärungen abgibt bzw. generell sämtliche Tatbestandsmerkmale selbst erfüllt, sodass deshalb eine Zurechnung notwendig wird.19 Es entsteht somit durch die arbeitsteilige Organisation eine Diskrepanz dahin gehend, dass der Dritte sich zwar wirtschaftlich nicht nur dem Geschäftsherrn gegenübersieht, sondern auch einer anonymen Masse an Hilfspersonen, er jedoch rechtlich (etwa durch den mit ihm geschlossenen Vertrag) nur dem Geschäftsherrn gegenübersteht; dieses Missverhältnis soll durch die Fremdzurechnung aufgelöst werden.20

D. Rechtfertigung der Zurechnung Durch die Fremdzurechnung treffen das Zurechnungssubjekt Rechtsfolgen, obwohl dieses den entsprechenden Tatbestand selbst nicht erfüllt hat, somit wird ausnahmsweise der Verantwortungsbereich des Bezugssubjekts erweitert, wobei dies aufgrund der damit einhergehenden Belastung einer Rechtfertigung bedarf.21 Von dieser Erweiterung des Verantwortungsbereichs ist jedoch die Zurechnung der Organe zu einer juristischen Person zu unterscheiden, die nicht selbst handeln kann, sondern hierfür auf ihre Organe angewiesen ist. Im Fall der Organzurechnung wird mithin der Verantwortungsbereich des Bezugssubjekts nicht erweitert, sondern überhaupt erst durch die Schaffung einer

19

Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 29; Bork, ZGR 1994, 237 (239). Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 43 f. 21 So bereits Binder, Philosophie des Rechts, 1925, S. 722 f.; dem folgend Bork, ZGR 1994, 237 (239); vgl. auch Rehberg, Rechtfertigungsprinzip, 2014, S. 608. 20

34

§ 5 Die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation

tatsächlichen Handlungsmöglichkeit eröffnet. Diese tatsächliche Handlungsmöglichkeit ist essentiell für ein Rechtssubjekt, sodass sich bereits aus dieser Notwendigkeit eine Rechtfertigung der Organzurechnung ergibt.22

I. Normative Rechtfertigung der Zurechnung Bei der Frage nach der Rechtfertigung der Zurechnung ist vor allem der Gedanke einer adäquaten Risikoverteilung entscheidend: Im Fall der Fremdzurechnung aufgrund von arbeitsteiliger Organisation soll derjenige, der die Vorteile aus einer solchen Organisation zieht, auch deren Nachteile tragen.23 Der Gesetzgeber ging grundsätzlich von dem Handeln einer einzelnen natürlichen Person aus, wobei durch arbeitsteiliges Handeln die vorgesehene Risikoverteilung durch die Aufspaltung von Arbeitsabläufen auf verschiedene Akteure in ein Ungleichgewicht gebracht wird, das durch die Zurechnung der unterschiedlichen Akteure zum Geschäftsherrn ausgeglichen werden soll.24 Mithin folgt aus der Erweiterung des Geschäftskreises durch die Arbeitsteilung gleichsam die Erweiterung des Verantwortungsbereichs.25 Eine solche Risikozuweisung zulasten des arbeitsteilig Handelnden ist jedoch nicht alternativlos, immerhin kommen insbesondere die Spezialisierung und die Senkung der Produktionsstückkosten auch dem Dritten zugute.26 Demzufolge wäre im Hinblick auf den Nutzen der Arbeitsteilung ebenso denkbar, dass die hiermit einhergehende Tätigkeitszersplitterung dem anderen Teil zum Nachteil gereichen soll, mit der Folge, dass eine Zurechnung ausgeschlossen oder zumindest auf den Fall des Rechtsmissbrauchs beschränkt wäre. Diese Sichtweise übersieht jedoch, dass der Geschäftsherr die Schaffung einer solchen Organisationform veranlasst hat und darüber hinaus über die Möglichkeit verfügt, auf die bestehende Organisation Einfluss zu nehmen und auf diese einzuwirken (Abwägungskriterien der Risikoschaffung und -beherrschung).27 Diese Möglichkeiten sind für den andern Teil im besten Fall 22

Vgl. hierzu Mot. I, S. 103 = Mugdan I, S. 409. Vgl. schon Mot. II, S. 30 = Mugdan II, S. 16; so auch BGH, Urt. v. 8.2.1974 – V ZR 21/72, BGHZ 62, 119 (124); BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (333); v. Caemmerer, FS Hauß (1978), S. 33 (34); Wolf, ZIP 1998, 1657 (1659 f.); kritisch Spiro, Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen, 1984, S. 60 ff. 24 So auch Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 31; Bork, ZGR 1994, 237 (239). 25 BGH, Urt. v. 8.2.1974 – V ZR 21/72, BGHZ 62, 119 (124); v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 803 f.; Brodmann, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts, 58 (1911), 187 (221 ff.). 26 Vgl. bereits § 5 A.; so auch Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 42; Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 33; Spiro, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen, 1984, S. 52, 60. 27 Ähnlich auch Bork, ZGR 1994, 237 (240), der von der „Leitungsmacht“ des Unternehmens als Rechtfertigungsgrund spricht. 23

D. Rechtfertigung der Zurechnung

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ungleich geringer, wenn nicht sogar völlig verwehrt, sodass der Geschäftsherr der arbeitsteiligen Organisation bildlich gesprochen „den durch diese Organisation geschaffenen Gefahren nähersteht“ als der andere Teil. Aufgrund dessen kann sehr wohl im Rahmen einer Risikoabwägung eine Zurechnung bei arbeitsteiligem Handeln gerechtfertigt werden. Ebenso wird insbesondere im Rahmen der Wissenszurechnung vom BGH häufig auf den Verkehrsschutz als Begründung rekurriert,28 wobei jedoch offen bleibt, was damit gemeint ist. So könnte hierin etwa ein Verweis auf das Verschuldensprinzip zu erkennen sein – gerade mit Blick auf die von der Rechtsprechung proklamierte Verpflichtung, die Verfügbarkeit des Wissens zu organisieren.29 Ein solcher Rechtfertigungsansatz mittels Verschuldensprinzip ist jedoch vor dem Hintergrund einer unbedingten (und somit verschuldensunabhängigen) Zurechnung nicht tragfähig.30 Jedoch wohnt dem Verkehrsschutz auch das Begründungsmuster der „Beherrschung eines selbsteröffneten Verkehrsbereichs“ inne.31 Damit ist auf die Schaffung und Unterhaltung einer arbeitsteiligen Organisation Bezug genommen, wobei der Verkehr vor den daraus entstehenden Risiken geschützt werden soll. Hierin kann jedoch bei Lichte betrachtet nichts anderes als eine Abgrenzung der Risikosphären gemeint sein.32 Somit ist – bei Ausklammerung des unzutreffenden Begründungsversuchs über das Verschuldensprinzips – der Verweis auf den Verkehrsschutz letztlich auch eine Rechtfertigung über das Interesse einer adäquaten Risikoverteilung.33 Darüber hinaus ist auch denkbar, dass eine Zurechnung über den Gedanken des Vertrauensschutzes begründet werden kann.34 Dieser Gedanke nimmt den anderen Teil in den Blick und fragt, ob Vertrauen in eine andere Person als den tatsächlich Handelnden zurechenbar entstanden ist, das eine Zurechnung zu dieser zu rechtfertigen vermag. Dieses Begründungsmuster der Zurechnung kann zwar bei Bezugsnormen, die an einen rechtsgeschäftlichen Kontakt anknüpfen, tragfähig sein, versagt jedoch, wenn kein Ver28 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (332); BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (36); vgl. dazu auch Bohrer, DNotZ 1991, 124 (125). 29 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (36). 30 Vgl. auch Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (504); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320) bezeichnet die hier in Rede stehende Wissenszurechnung deshalb auch aus „Hybrid zwischen echter (auf Verschulden abstellender) Pflicht und unbedingter Zurechnung“; vgl. zur Differenzierung zwischen Verschulden und Wissen Risse, NZG 2020, 856 (857). 31 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 32 So auch Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (504); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (27). 33 Ausführlich zum Begründungsversuch der Wissenszurechnung im Speziellen über das Konzept einer adäquaten Risikoverteilung vgl. unten § 9 B.III. 34 Spiro, Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen, 1984, S. 62 ff., 71 ff.; für die Wissenszurechnung im Speziellen vgl. auch § 9 B.II.

36

§ 5 Die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation

trauen gebildet werden konnte, insbesondere im nicht-rechtsgeschäftlichen Verkehr.35 Als drastisches Beispiel ließe sich hier das häufig bemühte Beispiel aus der Verhaltenszurechnung anführen, dass sich niemand in dem Wissen, dass hinter dem Schädiger eine Organisation als Bezugssubjekt steht, schädigen lässt. Ebenso muss das Verhältnis zur Haftung für enttäuschtes Vertrauen36 beachtet werden, wobei aus der Tatsache, dass bei enttäuschtem Vertrauen Haftungsfolgen eintreten können, noch nicht der Schluss gezogen werden darf, dass sich Vertrauensschutzerwägungen nicht zur Rechtfertigung der Zurechnung eignen.37 Vielmehr bietet sich unabhängig von der Vertrauenshaftung auch eine Rechtfertigung der Zurechnung im rechtsgeschäftlichen Kontakt an, wo Vertrauen in eine bestimmte Organisation billigerweise entstehen kann.

II. Begrenzung der Zurechnung: Das Kriterium der Verantwortlichkeit Insbesondere das Argument der Risikozuweisung spricht dafür, dass eine Zurechnung nur so weit erfolgen kann, wie eine Verantwortlichkeit des Bezugssubjekts als Zurechnungsempfänger für das Handeln des Zurechnungssubjekts begründet werden kann. Zur Verdeutlichung kann hier sowohl auf den Missbrauch der Vertretungsmacht als auch auf das Handeln einer Hilfsperson ohne Zusammenhang zum Geschäftskreis des Bezugssubjekts – mithin bei Gelegenheit – verwiesen werden. Im Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht hat der Geschäftsherr durch die Schaffung der arbeitsteiligen Organisation bzw. Funktionsaufspaltung eine Situation geschaffen, in der die Hilfsperson missbräuchlich tätig werden konnte. Insbesondere durch die Auswahl und Überwachung der Hilfspersonen hat er es somit in der Hand, die Arbeitsteilung ordnungsgemäß zu organisieren, sodass im Fall eines solchen Missbrauchs der Vertretungsmacht eine Zurechnung grundsätzlich erfolgt; nur im Fall der Evidenz oder des kollusiven Zusammenwirkens entfällt die Verantwortlichkeit, sodass das Verhalten des Vertreters nicht zugerechnet werden kann.38

35

So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (318); skeptisch ggü. der Begründung der Zurechnung über Verkehrsschutzinteressen im „Unrechtsverkehr“ auch Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (9); Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 222 ff. 36 Insb. quasivertragliche Haftung nach den Grundsätzen der Culpa in Contrahendo gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB oder vertragliche Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. 37 Vgl. hierzu auch im Speziellen zur Rechtfertigung der Wissenszurechnung § 9 B.II. 38 Allg. M., anstatt aller MünchKommBGB/Schubert, § 64 Rn. 213 ff.; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 167 Rn. 91 ff.; Soergel/Leptin, BGB, § 177 Rn. 15 ff. jeweils mwNachw.

D. Rechtfertigung der Zurechnung

37

Ähnliche Erwägungen können auch herangezogen werden, wenn die Hilfsperson bloß bei Gelegenheit und nicht in Ausübung des Geschäfts des Bezugssubjekts tätig wird: Soweit der Geschäftsherr der Hilfsperson die Möglichkeit gegeben hat, auf die Rechtsgüter des anderen Teils einzuwirken (Risikoerhöhung), und sofern sich durch die Handlung das Risiko der Arbeitsteilung verwirklicht hat, besteht ein unmittelbarer innerer (abseits des Missbrauchs grundsätzlich steuerbarer) Sachzusammenhang, sodass auch hier eine Zurechnung dieses Verhaltens erfolgt.39

39

BGH, Urt. v. 15.12.1959 – VI ZR 222/58, BGHZ 31, 358 (366); BGH, Urt. v. 29.1.1997 – VIII ZR 356/95, NJW 1997, 1233 (1234).

§6

Die Zurechnung von Wissen Ob sich das Wissen bzw. das Wissenmüssen1 überhaupt als Zurechnungsobjekt eigne, wird zuweilen bereits bezweifelt.2 Zunächst beschränken sich diese Zweifel auf § 166 BGB, da im Rahmen der Stellvertretung nicht das Wissen, sondern vielmehr ein Rechtsgeschäft zugerechnet werde und das Wissen des Vertreters dieses Rechtsgeschäft bestimme, sodass nicht das Wissen des Vertreters, sondern nur die Folgen des konkreten Rechtsgeschäfts dem Vertretenen zugerechnet würden.3 Dieser Sichtweise folgend würde das Wissen bloß ein „verhaltensakzessorischer, unselbstständiger Tatbestandsteil“ sein.4 Die Kenntnis wird in diesem Zusammengang zuweilen sogar unter den Begriff des Verhaltens subsumiert,5 mit der Folge, dass nicht die Wissenszurechnung, sondern eher eine spezielle Verhaltenszurechnung in Rede stünde. Diese Zweifel vermögen jedoch nicht zu verfangen, da zum einen durch die Stellvertretung kein Rechtsgeschäft, sondern vielmehr die Abgabe sowie die Annahme einer Willenserklärung zugerechnet wird, wie auch schon der Wortlaut des § 164 Abs. 1 und Abs. 3 BGB zu bemerken weiß.6 Wenn kein Rechtsgeschäft, sondern nur eine bestimmte Willenserklärung zugerechnet wird, muss daneben allerdings auch eine separate Wissenszurechnung erfolgen, da das Wissen nicht als Teil der Willenserklärung angesehen werden kann. Zum anderen kann zwar dem Kennenmüssen und der daraus resultierenden Nachforschungspflicht ein Verhaltenselement entnommen werden, dennoch stellt das Wissen einen inneren Bewusstseinstatbestand bzw. nach v. Thur eine „Tatsache des Vorstellungslebens“7 dar, der nicht unter den Begriff 1 Im Folgenden wird aus Gründen der Übersichtlichkeit nur noch von der Wissensoder Kenntniszurechnung gesprochen, mit umfasst ist davon stets auch die (potentielle) Zurechnung von fahrlässiger Unkenntnis, sofern die jeweils in Rede stehende Wissensnorm die Rechtsfolge auch an Kennenmüssen knüpft. 2 Zweifelnd Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 23 ff. 3 So Wilhelm, AcP 183 (1983), 1 (19). 4 Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 40. 5 So ausdrücklich Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 9. 6 Vgl. auch MünchKommBGB/Schubert, § 164 Rn. 230; Erman/Maier-Reimer/Finkenauer, BGB, § 164 Rn. 20. 7 v. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 127; vgl. auch S. 123: „Tatsachen des inneren Seelenlebens“.

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§ 6 Die Zurechnung von Wissen

des Verhaltens als nach außen sichtbarer Tatbestand gefasst werden kann.8 Vielmehr stellt das Handeln bzw. das Verhalten nach v. Thur lediglich das „Produkt des Seelenlebens“9 dar. Zwar wird in den meisten allgemeinen Zurechnungsnormen wie §§ 31, 164 oder 278 S. 1 BGB Verhalten zugerechnet, jedoch zeigen bereits Normen wie § 36 Abs. 2 GWB, § 22 Abs. 1 WpHG, § 16 Abs. 4 AktG oder § 5 MitbestG, dass nicht bloß Verhalten, sondern auch Marktanteile, Stimmrechte, Gesellschaftsanteile oder Arbeitnehmer zugerechnet werden können. Genauso wird durch § 166 Abs. 1 BGB10 der gesetzgeberische Wille deutlich, dass auch Wissen zurechnungsfähig sein soll.11 Darüber hinaus ist die Zurechnung des Wissens die logische Konsequenz aus der Möglichkeit der Verhaltenszurechnung, da in dem Moment, in dem die Rechtsfolgen des Handelns einen anderen treffen sollen, auch die „Tatsachen des Vorstellungslebens“, insbesondere Willensmängel und die Kenntnis, diesem zugerechnet werden müssen, um Wertungswidersprüche und unbillige Vorteile aus der Arbeitsteilung zu vermeiden.12 Dies wird besonders deutlich in Bezug auf die juristische Person, die – genauso wie sie nicht selbst handlungsfähig ist, sondern hierzu ihrer Organe bedarf –nicht selbst Kenntnis erlangen kann.13 Ohne Wissenszurechnung könnten somit die Rechtsfolgen, die an die Kenntnis gestellt werden, niemals eine juristische Person treffen. Damit kann zwar der Wissenszurechnung eine gewisse Akzessorietät zum Verhalten nicht abgesprochen werden, da schon die Rechtfertigung der Zurechnung an ein bestimmtes Verhalten des Bezugssubjekts anknüpft.14 Gleichsam muss jedoch anerkannt werden, dass durch die Wissenszurechnung die Rechtsfigur der Zurechnung auf Tatbestände, die nicht verhaltensbasiert sind, sondern auf die innere Tatsachen erweitert wird.15

8 So auch Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 35. 9 v. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1914, Band 2.1, S. 124. 10 Daneben besteht nach § 20 S. 1 VVG eine Kenntniszurechnung, wobei diese aufgrund ihrer starken Beschränkung auf das Versicherungsvertragsrecht nicht verallgemeinerungsfähig ist und daher nicht (jedenfalls nicht alleine) als Argument für eine bestimmte gesetzgeberische Wertentscheidung herangezogen werden kann. 11 Vgl. hierzu Mot. I, S. 227 = Mugdan I, S. 478; Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 10; ausdrücklich Richardi, AcP 169 (1969), 385 (397); Schilken geht sogar weiter und erklärt dieses Problem für unerheblich, Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 6. 12 Mot. I, S. 227 = Mugdan I, S. 477 f. 13 Anstatt aller Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 I., S. 377 ff. 14 Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 54 f.; vgl. auch oben § 5 D. 15 Westerhoff, Organ und (gesetzlicher) Vertreter, 1993, S. 51 f.; Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 53 f.

§7

Die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB unter besonderer Berücksichtigung arbeitsteiliger Organisationen Eine allgemeine Wissenszurechnungsnorm kennt das deutsche Recht nicht. Neben einigen Spezialvorschriften (vor allem im VVG)1 kommt der Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB (unter Berücksichtigung analoger Anwendungsbereiche) noch am ehesten die Bedeutung einer umfassenden Zurechnungsnorm zu. Die Grundnorm des § 166 Abs. 1 BGB, wonach bei dem Einfluss von Kenntnis oder Kennenmüssen auf eine Willenserklärung auf diejenige bzw. dasjenige des Vertreters abzustellen ist, ist auf alle Formen der Stellvertretung anwendbar. Demgegenüber findet Abs. 2, der eine Ausnahme von Abs. 1 für weisungsgebundene Entscheidungen des Vertreters darstellt, nur für die gewillkürte Stellvertretung Anwendung.

A. Anwendbarkeit auf Bevollmächtigte Unstreitig findet § 166 BGB Anwendung auf die gewillkürte Stellvertretung. Wenn sich eine arbeitsteilige Organisation Bevollmächtigter bedient, damit diese für ihn handeln, wird das Wissen dieser Personen gem. § 166 Abs. 1 BGB der Organisation zugerechnet. Hierbei ist lediglich entscheidend, dass der Vertreter im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung tatsächlich Kenntnis hatte; ob diese privat oder im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit erlangt wurde, ist hingegen irrelevant.2 Zudem erstreckt sich § 166 Abs. 1 BGB nicht bloß auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr, wie es der Wortlaut nahelegt, sondern erfasst mittels Analogieschluss auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen3 und teilweise sogar den außerrechtsgeschäftlichen Verkehr, etwa im Rahmen der Anwendung der §§ 814, 817, 819 BGB.4 Demgegenüber ist eine vollständige Übertragung der 1

Vgl. etwa § 2 Abs. 3 VVG, § 20 S. 1 VVG oder § 70 S. 1 VVG. Taupitz, FS E. Lorenz (1994), S. 673 (679). 3 Vgl. hierzu Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 233; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 100 ff. 4 Zum Anwendungsbereich des § 166 BGB auch im außerrechtsgeschäftlichen Bereich 2

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§ 7 Die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB

Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB auf den außerrechtsgeschäftlichen Verkehr abzulehnen. Insbesondere im Rahmen des Verjährungsbeginns nach § 199 Abs. 1 BGB soll die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers entscheidend sein. Eine Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB kommt dort grundsätzlich nicht in Betracht, sondern nur ausnahmsweise, wenn ein Wissensvertreter mit der selbstständigen Wahrnehmung der Angelegenheiten des Anspruchsinhabers betraut wurde.5 Die Wissenszurechnung über § 166 Abs. 1 BGB erfährt jedoch insbesondere in Bezug auf arbeitsteilige Organisationen, in denen häufig die Person des Wissenden und diejenige des Handelnden auseinanderfallen (nicht-handlungsakzessorisches Wissen) eine wesentliche Einschränkung: Abseits von § 166 Abs. 2 BGB, der auf das Wissen des Geschäftsherrn abstellt, ist lediglich die Zurechnung des Wissens des handelnden Vertreters möglich.6 § 166 Abs. 1 BGB sieht somit nur die Zurechnung handlungsakzessorischen Wissens vor.

B. Anwendbarkeit auf Organwissen Trotz der weiten Formulierung des § 166 Abs. 1 BGB, der dem Wortlaut nach auf sämtliche Vertretungsformen anwendbar ist, und trotz der gesetzgeberischen Wertung des § 26 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB, der dem Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters zuspricht, stellt sich die Frage, ob die Kenntnis oder das Kennenmüssen von Organmitgliedern gem. § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet werden kann. Dabei hängt sich die Diskussion um die Anwendbarkeit des § 166 BGB auf Organwissen an der Frage auf, welche Stellung Organe innerhalb juristischer Personen haben, wobei hier insbesondere das Vertretungsorgan im Zentrum der Überlegungen steht. Bei dieser Frage stehen sich die Vertreter der Vertretertheorie bzw. der zugrunde liegenden Fiktionstheorie den Vertretern der Organtheorie bzw. der zugrunde liegenden Theorie von der realen Verbandstheorie gegenüber.

Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 104 ff.; MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 85 ff.; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 11; bzgl. § 819 BGB vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1982 – VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293 (296). 5 BGH, Urt. v. 23.1.2007 – XI ZR 44/06, NJW 2007, 1584 (1587), zust. M. Schmidt, NJW 2007, 2447 (2449); BGH, Urt. v. 13.12.2012 – III ZR 298/11, NJW 448 (Rn. 18 f.); BGH, Urt. v. 4.7.2014 – V ZR 183/13, NJW 2014, 2861 (Rn. 13); noch zu § 852 BGB a.F. BGH, Urt. v. 29.1.1968 – III ZR 118/67, NJW 1968, 988 (988 f.). 6 BGH, Urt. v. 29.5.1958 – II ZR 105/57, WM 1958, 1104 (1105); so auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 133, 393.

B. Anwendbarkeit auf Organwissen

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I. Organtheorie vs. Vertretertheorie Die Organ- und die Vertretertheorie, die eine Antwort auf die Frage nach der Stellung der Organe innerhalb der juristischen Person geben sollen, hängen unmittelbar an der Diskussion um die Handlungsfähigkeit der juristischen Person, sodass zunächst ein kurzer Blick auf diese Diskussion geworfen werden muss: Dort stehen sich bereits im 19. Jahrhundert die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit, die von der eigenen Handlungs- und Willensfähigkeit der juristischen Person ausgeht, und die Fiktionstheorie gegenüber, die der juristischen Person nur eine fiktive Persönlichkeit zuspricht, die selbst weder willens- noch handlungsfähig sei, sondern hierzu der Vertretung bedürfe.7 Zwar lässt sich aus § 31 BGB der gesetzgeberische Wille entnehmen, einer juristischen Person eine eigene Verantwortlichkeit zuzuerkennen, jedoch hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des BGB ausdrücklich davon abgesehen, den dogmatischen Streit um die originäre Handlungs- und Willensfähigkeit der juristischen Person zu entscheiden.8 Dies wird auch deutlich an der offenen Formulierung des § 26 BGB, der nur davon spricht, dass der Vorstand die „Stellung eines gesetzlichen Vertreters“ habe und nicht der gesetzliche Vertreter „ist“.9 Doch auch wenn der Gesetzgeber bei der Schaffung des BGB die Frage offenließ, ob das Handeln der Organe für die juristische Person als eigenes Handeln im Sinne der von v. Gierke entwickelten Theorie der realen Verbandspersönlichkeit10 oder aber als fremdes Handeln im Sinne der von v. Savigny entwickelten Fiktionstheorie11 zu bewerten sei, hat sich das Meinungsspektrum erkennbar in eine Richtung bewegt, die der juristischen Person selbst eine eigene Willens- und Handlungsfähigkeit zuspricht.12 Gleichzeitig hat 7

Zum sog. Theorienstreit im 19. Jahrhundert vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 250 ff.; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 58 f.; Flume, Die juristische Person, 1983, § 1 II., S. 15 ff. 8 Prot. I, S. 1023 = Mugdan I, S. 609: „Die Entscheidung der Konstruktionsfrage, ob die jur. Person eine handlungsfähiges Wesen sei und durch ihre Organe sich im Verkehre bethätige oder ob sie handlungsunfähig sei und deshalb der Vertretung bedürfe, sollte der Wissenschaft überlassen bleiben.“. 9 Vgl. auch Soergel/Hadding, BGB, § 26 Rn. 2; Erman/Westermann, BGB, § 26 Rn. 2. 10 Die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit wurde zwar letztendlich entwickelt von v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 603 ff., er bediente sich jedoch Vorarbeiten von Beseler, Bluntschli, Kuntze, Baron und Salkowski, vgl. hierzu Flume, Die juristische Person, 1983, § 1 II., S. 17 f. 11 v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 2, 1840, S. 282 ff., 312. 12 BGH, Urt. v. 5.2.1958 – IV ZR 204/57, WM 1958, 557 (561); BGH, Urt. v. 13.1.1987 – VI ZR 303/85, BGHZ 99, 298 (300) = WM 1987, 286 (287); Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 58; Beuthien, NJW 1999, 1142 (1143 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 250 ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen

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§ 7 Die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB

sich immer stärker die Einsicht durchgesetzt, dass hierunter kein Eigenhandeln im natürlichen Sinne zu verstehen ist.13 Der Streit um die Handlungsfähigkeit der juristischen Person hat endlich auch erheblichen Einfluss auf die Frage nach der Stellung der Organe innerhalb der juristischen Person, da nach der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit das Organhandeln als Eigenhandeln der juristischen Person zu bewerten ist (so die Organtheorie) und nach der Fiktionstheorie die Organe bloße Vertreter der Gesellschaft sind (so die Vertretertheorie). Zwar wird verschiedentlich § 31 BGB eine „gesetzgeberische Interessenwertung im Sinne der Organtheorie“ unterstellt,14 da dadurch eine eigene Verantwortung des Vereins für Schäden proklamiert würde; genauso kann dieses Argument aus § 31 BGB jedoch auch umgekehrt werden, da nach der Organtheorie eine solche Regelung, die eine eigene Verantwortung des Vereins statuiert, nicht nötig gewesen wäre.15 Durch den ausdrücklichen Entschluss des Gesetzgebers, den Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie nicht entscheiden zu wollen,16 vermag jedoch für die Lösung dieses Theorienstreits keines der beiden Wortlautargumente zielführend zu sein.17 Die eigene Handlungsfähigkeit der juristischen Person, die durch ihre Organe ausgeübt wird (im Sinne der Organtheorie), überzeugt – neben der Tatsache, dass sich dieser Ansatz besser in das bestehende Regelungskonzept der juristischen Personen einpasst und es eher vermag, Gesetzeslücken sachgerecht zu schließen18 – vor allem wertungsmäßig. In den §§ 1 bis 89 BGB werden die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse in gleicher Weise den natürlichen wie auch den juristischen Personen zugeordnet.19 Zudem sollen juristische Personen im eigenen Namen anstelle ihrer Mitglieder am Rechtsverkehr teilnehmen.20 Für diese Teilnahme ist aber konsequenterweise nicht nur die

Rechts, Band I Halbband 1, 15. Aufl. 1959, § 103 IV 2, S. 617 f.; Soergel/Hadding, BGB, § 26 Rn. 2; dezidiert a.A. gegen das Eigenhandeln der juristischen Person Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 I., S. 378 f. 13 Vgl. etwa Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 58; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 253. 14 Soergel/Schultze-v. Lasaulx, BGB, 11. Aufl. 1978, § 26 Rn. 3. 15 Vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, S. 30, der § 31 BGB nach der Organtheorie lediglich eine deklaratorische Funktion beimisst. 16 Prot. I, S. 1023 = Mugdan I, S. 609: „Die Entscheidung der Konstruktionsfrage, ob die jur. Person eine handlungsfähiges Wesen sei und durch ihre Organe sich im Verkehre bethätige oder ob sie handlungsunfähig sei und deshalb der Vertretung bedürfe, sollte der Wissenschaft überlassen bleiben.“. 17 Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 I., S. 378. 18 Vgl. ausführlich Beuthien, NJW 1999, 1142 (1143 ff.). 19 Beuthien, NJW 1999, 1142 (1143). 20 Beuthien, NJW 1999, 1142 (1143).

B. Anwendbarkeit auf Organwissen

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Rechts-, sondern eben auch die Handlungsfähigkeit notwendig, sodass eine eigene Handlungsfähigkeit der juristischen Person folgerichtig ist.21 Als nicht-natürliche, sondern juristisch-fingierte Person kann sie jedoch nicht selbst handeln, sondern bedarf dazu ihrer Organe, die wie die Hände des Menschen für sie handeln.22 Dieses anthropomorphe Bild macht deutlich, dass das Handeln der Organe etwas qualitativ anderes als fremdes Handeln ist. Ein solches Handeln für einen anderen im Sinne eines fremden Handelns ist jedoch Voraussetzung für die Stellvertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB,23 sodass im Rahmen des Organhandelns eben nicht von einer Vertretung, sondern von einem eigenen Organhandeln der juristischen Person auszugehen ist.24 Gleichzeitig ist v. Gierke jedoch nicht dahin gehend misszuverstehen, dass er Organe der juristischen Person mit den menschlichen Organen gleichsetzen würde, vielmehr erkennt er die Einzigartigkeit der Organe der juristischen Person an und will dieses vergleichende Bild nur nutzen, um den qualitativen Unterschied zu fremdem Handeln zu verdeutlichen.25 Folglich ging auch er nicht davon aus, dass die juristische Person zum Eigenhandeln im natürlichen Sinne fähig sei – eine Sichtweise, der sich auch v. Savigny anschließen kann26 –, vielmehr ist das Handeln der Organe für die juristische Person sowohl von der Vertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB als auch von dem Eigenhandeln einer natürlichen Person zu unterscheiden und stellt etwas genuin anderes dar – Organhandeln. Folglich wird die juristische Person, die originär nicht selbst handeln kann, mittels Organhandeln handlungsfähig, wobei in dieser Konstruktion letztlich wiederum eine Zurechnung zu erkennen ist.27 21

So auch Beuthien, NJW 1999, 1142 (1143). Oertmann, Archiv für Bürgerliches Recht, 10 (1895), 187, (192) „In den [Organen] handelt die Gesammtheit ebenso, wie der Einzelmensch durch die Glieder seines Leibes. Ihr Handeln berechtigt und verpflichtet danach die juristische Person unmittelbar […].“; zum anthropomorphen Bild des Organs vgl. auch Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, S. 29. 23 Anstatt aller Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 164 Rn. 1; MünchKommBGB/ Schubert, § 164 Rn. 110; Erman/Maier-Reimer/Finkenauer, BGB, § 164 Rn. 1. 24 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 252; vgl. auch MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 94. 25 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 615. 26 v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 2, 1840, S. 282; so auch Oldenbourg, Die Wissenszurechnung, 1934, S. 9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 253: kein Eigenhandeln im natürlichen Sinne; Beuthien, NJW 1999, 1142 (1143). 27 So auch schon andeutungsweise v. Gierke, wenn er schreibt, dass das Wollen und Handeln der Organe als körperschaftliches Wollen und Handeln im Rechtssinne erscheine, v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 613, oder wenn er sagt, dass das Wissen und Nichtwissen bestimmter Organe der Gesamtperson zugeschrieben werde, v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 627; Vgl. auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, 22

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§ 7 Die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB

Auch wenn noch immer die Kluft zwischen den verschiedenen Standpunkten besteht, ist der Streit zwischen der Organ- und der Vertretertheorie mittlerweile zum Erliegen gekommen.28 Es geht jedoch zu weit, den Streit als unfruchtbar zu bezeichnen oder ihm keinerlei praktische Bedeutung (mehr) zuzubilligen.29 Auch wenn mittlerweile aufgrund gesetzgeberischer oder gerichtlicher Entscheidungen in vielen Einzelfragen ein Rückgriff auf diese Theorien obsolet geworden ist, bestehen immer noch Einzelfragen zur Handlungs- und Willensfähigkeit der juristischen Person sowie zur Stellung der Organe innerhalb der juristischen Person, die noch nicht als geklärt gelten können, sodass der dogmatische Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie (noch) nicht vollständig hinfällig geworden ist.30

II. Auswirkung auf die Zurechnung von Organwissen gem. § 166 Abs. 1 BGB Eine solche Frage, die noch immer für Streit sorgt, stellt diejenige nach der Zurechnungsfähigkeit von Organwissen nach § 166 Abs. 1 BGB dar. Hier scheiden sich noch immer die Geister: Nach der Vertretertheorie, die die Organe als bloße Vertreter der juristischen Person ansieht, fällt es nicht schwer und ist es sogar konsequent, § 166 Abs. 1 BGB auf Organwissen anzuwenden.31 Wenn man hingegen der vorzugswürdigen Organtheorie folgt, die das Organhandeln als eigenes Handeln der juristischen Person anerkennt, ist die Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB, der von einer Verschiedenheit von Vertreter und Vertretenem ausgeht, ausgeschlossen.32 § 166 Abs. 1 BGB rechnet S. 105, 217; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 252; ders., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987, S. 19; Baumann, ZGR 1973, 284 (289). 28 Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 210: „Die moderne Doktrin nimmt von dem Streit um die Theorie der juristischen Person kaum noch Kenntnis. Teilweise wird im Schrifttum festgestellt, daß, wenn über nichts sonst, so jedenfalls darüber Übereinstimmung bestehe, daß der endlose Streit zu einem Ende gekommen sei und nichts dafür spreche, ihn wieder aufleben zu lassen.“ mwNachw. zu dem Unwillen zur Wiederaufnahme dieser Diskussion. 29 So aber Soergel/Hadding, BGB, Vor § 21 Rn. 8; Flume, Die juristische Person, 1983, § 1 V., S. 25 ff. 30 So auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 211 f.; zu weiteren Auswirkungen der Organtheorie Bock, Rechtstheorie 25 (1994), 87 (97 ff.); ähnlich auch Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 59; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 29; zu weitgehend aber Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, S. 29 Fn. 75, der meint, dass es den Anschein habe, die Organtheorie wäre eigens wegen der Haftungsfrage entwickelt worden. 31 Für die Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB: grundlegend Baumann, ZGR 1973, 284 (290 ff.); Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (302); Tintelnot JZ 1985, 795 (799). 32 Gegen die Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB: Schilken, Wissenszurechnung im Zi-

B. Anwendbarkeit auf Organwissen

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nur fremde Kenntnis zu, das Organhandeln ist jedoch hiernach als eigenes Handeln zu attribuieren; die Organe (insbesondere das Leitungsorgan) vertreten nicht bloß, sondern repräsentieren die juristische Person zugleich.33 Wie oben dargestellt, ist das Organhandeln etwas qualitativ anderes als jenes eines Stellvertreters; mithin kommt auch dem Wissen eines Organmitglieds eine andere Qualität zu als demjenigen eines Stellvertreters, sodass Organwissen auch nicht über die Zurechnungsnorm für Vertreterwissen zugerechnet werden kann.34 Zudem hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Zurechnungsnorm eine originär handlungsfähige natürliche Person vor Augen und keine juristische Person, deren Handlungsfähigkeit nur mittels Organhandeln gewährleistet werden kann.35 Auch unterscheidet sich das Organhandeln vom Vertreterhandeln durch den Grundsatz der prinzipiell unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vertretungsorgans nach außen, der den §§ 164 ff. BGB gerade nicht zugrunde liegt.36 Nicht zuletzt spricht gegen die Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB auf Organwissen, dass dies eine reine Hilfskonstruktion wäre, die im Rahmen der Wissenszurechnung arbeitsteiliger Organisationen (insbesondere für den Fall des nicht-handlungsakzessorischen Wissens) immer noch einer weiteren Begründungslinie bedürfte. Andernfalls wäre bei der schlichten Anwendung des § 166 BGB die juristische Person in der Lage, weitestgehend das Wissen zu segmentieren. Zudem erweist sich auch die Konstruktion der Zurechnung von Organwissen über § 166 Abs. 2 BGB als verfehlt:37 Auch wenn diesem Ansatz zuvilrecht, 1983, S. 138, 144; Wiesner, BB 1981 1533 (1535); Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (220 f.); Scheuch, GmbHR 1996, 828 (829); Hartung, NZG 1999, 524 (526 f.); GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 38; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 83; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 53; MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 94; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 287 f. 33 So auch Hartung, NZG 1999, 524 (526); Scheuch, GmbHR 1996, 828 (829); GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 38; MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 94; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 287. 34 So auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 53; dies gibt auch Hartung, NZG 1999, 524 (526) zu; für das Verwaltungsorganisationsrecht auch Stober/Kluth/Kluth, Verwaltungsrecht, Band 2, 7. Aufl. 2010, § 82 Rn. 36. 35 Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 132; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 64; ähnlich auch Hartung, NZG 1999, 524 (526 f.); dies gibt selbst Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (302) zu; Beuthien, NJW 1999, 1142 (1143) bestreitet zwar, dass § 166 Abs. 1 BGB im Umkehrschluss erfordere, dass auch der Vertretene handlungsfähig ist, er verweist dabei jedoch nur auf das Vormundschaftsrecht, wobei der Minderjährige nicht handlungsunfähig, sondern nur geschäftsunfähig ist, sodass das Argument nicht zu treffen vermag. 36 MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 94. 37 Gegen die Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB: Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 131 f.; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 65 ff.; Waltermann, AcP 12 (1992), 181 (221); Scheuch, GmbHR 1996, 828 (829).

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§ 7 Die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB

gutegehalten werden muss, dass hierüber die Zurechnung nicht-handlungsakzessorischen Wissens möglich wäre, besteht die erste Hürde in der Beschränkung des § 166 Abs. 2 BGB auf die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, während hier organschaftliche Vertretungsmacht in Rede steht. Dagegen wird zwar von Baumann eingewendet, diese Beschränkung sei eine „Fehlleistung der Redaktoren des BGB“, die durch eine entsprechende Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB für andere Formen der Vertretungsmacht auszugleichen sei.38 Da sich der Gesetzgeber allerdings – wie mehrfach betont – bewusst für eine Beschränkung des Abs. 2 auf die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht entschieden hat,39 wird zumindest die Einschätzung eines redaktionellen Versehens widerlegt.40 Zudem spricht das Erfordernis eines Weisungsrechts bzw. einer Einflussnahmemöglichkeit des Vertretenen in Bezug auf den Vertreter gegen die Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB auf das Organwissen, da ein solches zwischen der juristischen Person und den Organmitgliedern gerade nicht besteht.41 Allenfalls könnte das Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer als solche Einflussmöglichkeit gesehen werden, darin liegt jedoch keine Einflussmöglichkeit der juristischen Person (selbst) auf das Vertretungsorgan, sondern vielmehr die Einflussnahmemöglichkeit eines Organs auf ein anderes. Hierbei muss das Trennungsprinzip bei Kapitalgesellschaften beachtet werden: nicht die Gesellschafterversammlung ist die Vertretene, sondern die juristische Person selber. Eine Einflussnahmemöglichkeit der vertretenen juristischen Person auf die Organe besteht somit auch bei der GmbH nicht.

C. Wissenszurechnung von Gehilfen – „Wissensvertretung“ In Analogie zur Wissenszurechnung von Stellvertretern gem. § 166 Abs. 1 BGB wird auch die Kenntnis und das Kennenmüssen von sog. „Wissensvertretern“ zugerechnet. Dies sind solche Personen, die „nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen [sind], im Rechtsverkehr als [de-

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Baumann, ZGR 1973, 284 (292). Im zweiten Entwurf zum BGB betont die Gesetzgebungskommission ausdrücklich die Notwendigkeit der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht, Prot. I S. 289 = Mugdan I S. 738; vgl. zudem bereits Mot. I S. 227 = Mugdan I S. 478: „Die Vorschrift auf alle Vollmachtsfälle bz. alle Vertretungsfälle auszudehnen, in welchen der Vertretene Kenntniß von der Vornahme eines Rechtsgeschäftes in seinem Namen hat, ist bedenklich, und praktisch liegt kein Bedürfniß dazu vor.“. 40 Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 131 f.; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 66. 41 Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 6; Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (221). 39

D. Fazit

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ren] Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten“, ohne aber als Vertreter oder auch nur als „Wissensvertreter“ ausdrücklich bestellt zu sein.42 Sofern allerdings nur eine interne Beratung seitens des Wissensvertreters stattfand, ist eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB abzulehnen.43 Nach dieser Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 166 Abs. 1 BGB, die ihren Ursprung im Versicherungsvertragsrecht – in concreto in der Wissenszurechnung nach § 70 VVG – hatte,44 kann nun auch das Wissen jener Hilfspersonen zugerechnet werden, die bei der Vorbereitung eines Geschäfts tätig geworden sind. Dies gilt, sofern sie mit Zustimmung des Geschäftsherrn als für ihn handelnd aufgetreten sind, mit eigener Verantwortung und mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestattet waren und damit in irgendeiner Weise maßgeblich an der Gestaltung des Geschäfts mitgewirkt und nicht bloß untergeordnete Hilfsdienste geleistet haben.45 Wie vorstehend gezeigt, gewährleistet § 166 Abs. 1 BGB jedoch nur die Zurechnung handlungsakzessorischen Wissens, sodass trotz des erweiterten personellen Anwendungsbereichs dieser Zurechnungsnorm die oben beschriebenen Grenzen im Rahmen der Wissenszurechnung arbeitsteiliger Organisationen im Hinblick auf nicht-handlungsakzessorisches Wissen bestehen bleiben.

D. Fazit Das deutsche Recht kennt zwar keine allgemeine Wissenszurechnungsnorm, am ehesten kommt im Zivilrecht jedoch § 166 Abs. 1 BGB eine solche Stellung zu. Die Wissenszurechnung nach dieser Norm ist gleichwohl äußerst lückenhaft – insbesondere in Bezug auf arbeitsteilige Organisationen. Selbst wenn unter Zuhilfenahme des Konzepts des Wissensvertreters der persönliche Anwendungsbereich erweitert wurde und nicht mehr nur auf Stellvertreter iSd. §§ 164 ff. BGB beschränkt ist, besteht die größte Unzulänglichkeit dieses Zurechnungskonzepts in der Beschränkung auf handlungsak-

42

Grundlegend BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (106 f.); mittlerweile allg. Meinung, anstatt aller: MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 28 f.; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 4; Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 6, jeweils mwNachw. 43 BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (106 f.). 44 Dazu MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 24 ff., insb. 25, 27; Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 33; vgl. auch Knappmann, NJW 1994, 3147 (3148 f.). 45 Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 34; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 4, 7; Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 6.

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§ 7 Die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB

zessorisches Wissen. Im Rahmen von arbeitsteiligen Organisationen sind Wissender und Handelnder jedoch meist nicht personenidentisch, die Frage nach einer Zurechnung in diesen Fällen bleibt somit – vor allem im Hinblick auf den Zweck der Zurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen – weiterhin gleichermaßen ungeklärt wie virulent. Darüber hinaus bleiben auch die Fragen nach einer Zurechnung von Organwissen und einer möglichen Wissenszusammenrechnung, die insbesondere durch eine Zurechnung nichthandlungsakzessorischen Wissens an Bedeutung gewinnt, bei der Zurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB unterbeleuchtet.

Dritter Teil

Die allgemeine wertende Wissenszurechnung Sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur haben schon früh erkannt, dass für arbeitsteilige Organisationen und hier zuvorderst innerhalb der juristischen Person ein besonderes Bedürfnis für ein über die Möglichkeiten der Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB hinausgehendes Zurechnungskonzept besteht. Auch wenn dieses konkurrierende Zurechnungsmodell zunächst nur im Hinblick auf Organwissen innerhalb von juristischen Personen entwickelt wurde, hat sich zunehmend ein grundlegenderes Bedürfnis für die Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen abgezeichnet, erst über die Ausweitung auf eine vertikale Wissenszurechnung in Gesellschaften, dann auch mit Blick auf eine konzernweite Wissenszurechnung. Darüber hinaus wurde immer wieder der Versuch unternommen, ausgehend von der Wissenszurechnung in der juristischen Person für andere arbeitsteilige Organisationsformen Zurechnungslösungen zu finden, auch wenn bisher leider die Wissenszurechnung nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen auf vertraglicher Grundlage, wie etwa im Bereich des Franchisings oder bei Lieferketten, vollkommen unterbeleuchtet geblieben ist. An dieser Stelle bietet es sich deshalb an – nach einer Darstellung des bestehenden wertenden Zurechnungsmodells für die juristische Person –, zunächst im folgenden dritten Teil dieser Arbeit allgemein nach einem Zurechnungskonzept für arbeitsteilige Organisationen zu fragen, bevor dieses im vierten Teil auf die verschiedenen Organisationsformen übertragen werden kann.

§8

Das bestehende „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell A. Von der absoluten zur wertenden Wissenszurechnung Zumindest bis Ende der 1980er-Jahre wurde die Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person neben der Zurechnung über § 166 Abs. 1 BGB als absolute Zurechnung von Organwissen verstanden.1 Obwohl dieser Ansatz mittlerweile aufgegeben wurde, ist er trotzdem von Bedeutung, um die Entwicklung der Wissenszurechnung nachvollziehen zu können. Da die absolute Wissenszurechnung jedoch bereits Gegenstand zahlloser Abhandlungen war, genügt an dieser Stelle eine kurze Skizzierung der für die Entwicklung der Wissenszurechnung in der juristischen Person relevanten Aspekte:2 Die Rechtsprechung folgte lange Zeit bei der Frage nach der Wissenszurechnung der Linie der Organtheorie3 und ging von der eigenen Wissensfähigkeit der juristischen Person aus, die durch das Organwissen vermittelt wird. In der Folge wurde das Wissen des jeweils vertretungsberechtigten Organs als Wissen der juristischen Person angesehen, sodass eine umfassende, unbedingte (absolute) Zurechnung stattfand.4 Diese Zurechnung ging so 1

Vgl. hierzu auch Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 20 f. Vgl. die Darstellungen in Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 208 ff.; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 317 ff.; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person, 1998, S. 35 ff.; Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 38 ff.; K. Schmidt, Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987, S. 12 ff.; Wagner, ZHR 181 (2017), 203 (206). 3 Auch wenn in der Rechtsprechung – mit Ausnahme von ROHG, Erk. v. 17.12.1877, 3. Senat, SeuffA 33, Nr. 255 – die Organtheorie nicht als dogmatische Begründung angeführt wird, zeigt sich indes deutlich, dass die Überlegungen auf der Organtheorie fußen; zu diesem Schluss kommen auch Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 IV., S. 399; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 224; Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 30, 38 ff.; Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 21; Baumann, ZGR 1973, 284 (288); Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (219); Scheuch, GmbHR 1996, 828 (828); zur Organtheorie sowie der zugrunde liegenden Theorie der realen Verbandspersönlichkeit und der Vertretertheorie sowie der zugrunde liegenden Fiktionstheorie vgl. oben § 7 B.I. 4 ROHG, Erk. v. 17.12.1877, 3. Senat, SeuffA 33, Nr. 255; RG, Urt. v. 8.2.1935 – V ZR 223/24, JW 1935, 2044 (2044); BGH, Urt. v. 30.4.1955 – II ZR 5/54, WM 1955, 830 (832); 2

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

weit, dass es gleichgültig war, in welcher Eigenschaft ein Organmitglied Kenntnis erlangt hat,5 ob das wissende Organmitglied einzel- oder gesamtvertretungsbefugt war,6 ob es an dem fraglichen Rechtsgeschäft mitgewirkt hat oder ob es sogar ausgeschieden war, ohne sein Wissen an andere Organmitglieder weitergegeben zu haben.7 Die Folge dieser Rechtsprechung war eine dauerhafte und situationsungebundene Zurechnung des Organwissens zu der juristischen Person.8 Gegen diese Rechtsprechung hat sich circa ab den 1970er-Jahren eine immer stärker werdende Opposition positioniert.9 Hierbei wurde vor allem vorgebracht, dass die Theorie der sog. „absoluten Wissenszurechnung“ einer rechtsdogmatischen Anknüpfung entbehre und stattdessen nur mit der „natürlichen Anschauung“ begründet würde.10 Tatsächlich hat der BGH die absolute Wissenszurechnung nie dogmatisch begründet, sondern seit seiner ersten Entscheidung hierzu aus dem Jahr 1955 bloß auf ein Leiturteil des Reichsgerichts aus dem Jahr 1935 verwiesen,11 welches seine Sichtweise jedoch ebenso wenig bzw. nur mit dem nebulösen Begriff der „Natur der Sache“ begründete.12 Nur einmal hat der IV. Zivilsenat des BGH die Wissenszurechnung tatsächlich dogmatisch fundiert und auf § 28 Abs. 2 BGB a.F. (§ 26

BGH, Urt. v. 3.3.1956 – IV ZR 314/55, BGHZ 20, 149 (153); BGH, Urt. v. 23.10.1958 – II ZR 127/57, WM 1959, 81 (84); BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282 (287); ebenso die damals herrschende Meinung im Schrifttum, anstatt aller Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 9; Richardi, AcP 169 (1969), 385 (388); Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl. 1987, § 166 Rn. 5; vgl. hierzu auch die Darstellungen bei Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 221 ff., 230 ff.; Baumann, ZGR 1973, 284 (284 ff.). 5 BGH, Urt. v. 30.4.1955 – II ZR 5/54, WM 1955, 830 (832). 6 BGH, Urt. v. 3.3.1956 – IV ZR 314/55, BGHZ 20, 149 (153). 7 BGH, Urt. v. 23.10.1958 – II ZR 127/57, WM 1959, 81 (84). 8 Zumindest auch für die OHG wurde diese Form der Wissenszurechnung vom BGH vertreten, vgl. BGH, Urt. v. 16.2.1961 – III ZR 71/60, BGHZ 34, 293 (297); für die GbR wurde – soweit ersichtlich – die Anwendung dieser Rechtsprechung nicht diskutiert, wobei zu bemerken ist, dass die Theorie der absoluten Wissenszurechnung spätestens durch BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 aufgegeben wurde, der (Außen-)GbR aber erst durch BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 die (Teil-)rechtsfähigkeit zugesprochen wurde. 9 So Baumann, ZGR 1973, 284 (286 ff.); Tintelnot, JZ 1987, 795 (799 f.); Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (217 ff.); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (30). 10 Die spätere Rechtsprechung des BGH stellt die absolute Wissenszurechnung apodiktisch unter Verweis auf RG, Urt. v. 8.2.1935 – V ZR 223/34, JW 1935, 2044 (2044) fest, wobei die Entscheidung des Reichsgerichts nur mit dem „Erfordernis des redlichen Geschäftsverkehrs“ und der „natürlichen Anschauung“ begründet wird; vgl. Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 230; Baumann, ZGR 1973, 284 (287); Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (217). 11 BGH, Urt. v. 30.4.1955 – II ZR 5/54, WM 1955, 830 (832). 12 RG, Urt. v. 8.2.1935 – V ZR 223/34, JW 1935, 2044 (2044).

A. Von der absoluten zur wertenden Wissenszurechnung

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Abs. 2 S. 2 BGB n.F.) gestützt.13 Hierin ist jedoch kein verallgemeinerungsfähiger Gedanke zu erkennen (wie auch die spätere BGH-Rechtsprechung zu diesem Thema zeigt, die nicht mehr auf § 28 Abs. 2 BGB a.F. verweist), da in besagter Entscheidung die Kenntnis von einem Bestätigungsschreiben in Rede stand, das nur einem Gesamtvertreter zugegangen war – und mithin die Nähe zur Passivvertretung augenfällig ist.14 Durch die fehlende Begründung der Rechtsprechung motiviert, entbrannte insbesondere in den 1980er-Jahren ein Streit über die dogmatische Herleitung der (absoluten) Wissenszurechnung in der juristischen Person, die sich in zwei Hauptlager unterteilen lässt, die entweder alternativ oder kumulativ an § 166 Abs. 1 BGB15 oder § 28 Abs. 2 BGB a.F. (§ 26 Abs. 2 S. 2 BGB n.F.)16 anknüpfen wollten.17 Abgesehen vor dem Streit über die Herleitung der absoluten Wissenszurechnung bestehen darüber hinaus auch tiefgreifende Wertungswidersprüche, die die Rechtsprechung nicht aufzulösen vermochte. Ein solcher Widerspruch besteht etwa zwischen dem Wissensrisiko einer juristischen Person, die beispielsweise aus Gründen interner Organisation oder gesetzlicher Vorgaben eine höhere Anzahl von Organmitgliedern hat, im Gegensatz zu einem Einzelkaufmann, der eine Vielzahl von Prokuristen für sich handeln lässt.18 Obwohl faktisch eine ähnliche Arbeitsteilung erreicht werden kann, würde nur im ersten Fall das Wissen sämtlicher Organmitglieder der juristischen Person absolut zugerechnet werden, wohingegen für den Einzelkaufmann in Bezug auf seine Bevollmächtigten über eine derart weitreichende Wissenszurechnung nicht nachgedacht wurde.19 Ebenso besteht ein Wertungswiderspruch, wenn ein Bevollmächtigter in das fragliche Rechtsgeschäft dazwischengeschaltet wird:20 Fehlt es hierbei an den Voraussetzungen des § 166 Abs. 2 BGB, ist die Vorkenntnis des Organmitglieds unerheblich. Die Vorkenntnis soll jedoch bei nicht am Rechtsgeschäft beteiligten Organmitgliedern nach der absoluten Wissenszurechnung trotzdem erheblich sein. 13

BGH, Urt. v. 3.3.1956 – IV ZR 314/55, BGHZ 20, 149 (152 f.). So auch Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 35. 15 Vor allem Baumann, ZGR 1973, 284 (290 ff.); auch Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 IV., S. 404, der daneben auch § 28 Abs. 2 BGB anwenden will; kritisch Scheuch, GmbHR 1996, 828 (829). 16 So etwa Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 IV., S. 404, der jedoch daneben § 166 BGB anwenden will; für eine Bezugnahme auf § 28 Abs. 2 BGB auch BAG, Urt. v. 20.9.1984 – 2 AZR 73/83, ZIP 1985, 240 (244). 17 Vgl. hierzu ausführlich Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 230 ff. 18 So auch Baumann, ZGR 1973, 284 (290); Tintelnot, JZ 1987, 795 (800). 19 Anders erst Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12): „Einzelkaufmann mit mehreren Prokuristen“; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (25): „sonstiges Unternehmen“ in Bezug auf die relative Wissenszurechnung. 20 Hierzu Tintelnot, JZ 1987, 795 (800). 14

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

Zudem ist der gezeigte Zurechnungsautomatismus nur schwierig mit dem normativen Begründungsansatz einer angemessenen Risikoverteilung unter Beachtung der Risikobeherrschung und -verantwortung zu vereinbaren, der sowohl im Allgemeinen die Zurechnung bei Arbeitsteilung als auch im Besonderen die Wissenszurechnung normativ zu begründen und zu rechtfertigen vermag.21 Nur wenn das Organmitglied in der juristischen Person vollständig aufginge, wäre ein Automatismus im Sinne der absoluten Wissenszurechnung konsequent, da aber das Organmitglied auch privat für sich Handeln kann, besteht keine vollständige Identität von Organmitglied und juristischer Person, sodass im Wege einer normativen Wertung zu fragen ist, wann eine Zurechnung gerechtfertigt ist.22 Dieser Argumentation konnte sich auch der BGH nicht verwehren, sodass in der sog. Gemeinde-Entscheidung von 1989 schließlich festgestellt wurde, dass die Frage der Wissenszurechnung nicht mit „logisch-begrifflicher Stringenz“, sondern nur in „wertender Beurteilung“ entschieden werden kann.23 Hierdurch wurde die Rechtsprechung der absoluten Wissenszurechnung aufgegeben und der Weg für eine wertende Wissenszurechnung bereitet.24

21

Vgl. zur Rechtfertigung der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation im Allgemeinen unter Berücksichtigung des Arguments angemessener Risikoverteilung oben § 5 D.I.; zur Rechtfertigung der wertenden Wissenszurechnung vgl. unten § 9 B. 22 Instruktiv Baumann, ZGR 1973, 284 (289 f.); zustimmend Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (218); auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 228; dieser Sichtweise verschließt sich allerdings auch v. Gierke nicht, wenn er eine Zurechnung als erforderlich ansieht und nur eine Unterscheidung zwischen Organen und Stellvertretern fordert, v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 613, 627. 23 BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (331). 24 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 20.

B. Die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung

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B. Die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung25 I. Erste Ansätze – Das Karlsruher Forum 1994 Diese Gelegenheit, die der BGH durch die Aufgabe der absoluten Wissenszurechnung und das Eingeständnis einer Öffnung der Zurechnung um eine wertende Betrachtung geschaffen hat, nutzten Taupitz und Medicus, als sie im Jahr 1994 im Rahmen des Karlsruher Forums über eine Neubetrachtung der Wissenszurechnung bei juristischen Personen nachdachten.26 Dabei stand vor allem die Frage im Raum, wie das Wissen anderer Personen innerhalb der Organisation, die nicht an dem jeweiligen in Rede stehenden Geschäft beteiligt waren, zuzurechnen sei. Als Ausgangspunkt hierfür diente die oben schon erwähnte sog. Gemeinde-Entscheidung des BGH aus 1989,27 in der der V. Zivilsenat in einem Nebensatz scheinbar en passant davon ausging, dass aus Gründen des Verkehrsschutzes eine Zurechnung des „einmal vermittelte[n], typischerweise aktenmäßig festgehaltene[n], Wissen[s]“28 geboten sei.29 Medicus und Taupitz gingen in der Folge davon aus, dass die Entscheidung des V. Senats, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts betraf, auch auf juristische Personen des Privatrechts auszuweiten sei.30 Sie gingen sogar weiter und plädierten für die Anwendung der wertenden Wissenszurechnung auf „alle Organisationen, die zu einer Wissenszersplitterung führen können“, was ausdrücklich auch den Einzelkaufmann einschließen sollte.31 Innerhalb der Organisationen solle eine Zurechnung des Wissens stattfinden, sofern

25

Dieses Konzept, das Wissen unter Zuhilfenahme von Wissensorganisationspflichten wertend zurechnet, bezeichnet sich nicht selbst als „pflichtenbasiert“, wohl auch, da es bislang die einzige große Strömung innerhalb der wertenden Wissenszurechnung geblieben ist. Aufgrund des davon abweichenden, hier vorgestellten und begründeten allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts bedurfte es allerdings eines Differenzierungsmerkmals. Hierfür eignet sich der Pflichtenbezug besonders, da die fehlende Bezugnahme auf Wissensorganisationspflichten in der Begründung der Wissenszurechnung ein Kernelement der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung ist. 26 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (8 ff.); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (24 ff.). 27 BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327. 28 BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (332). 29 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (11); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (28). 30 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (25). 31 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); vgl. auch Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (25): „eine rechtliche Einheit darstellende[…] Organisation (sei es eine juristische Person, eine Gesamthandsgesellschaft oder ein [sonstiges] Unternehmen)“.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

1. die wissende Person im Rahmen der Organisation für eine Informationsaufnahme und -weiterleitung bestimmt war und 2. bei ordnungsgemäß organisierter Kommunikation deren Kenntnis bei derjenigen Person vorhanden oder verfügbar sein müsste, die für die Organisation in concreto tatsächlich handelte.32 Hiermit wurde auf das „typischerweise aktenmäßig festgehaltene Wissen“ aus der Gemeinde-Entscheidung Bezug genommen und eine Wissensorganisation gefordert. Somit würde nicht das gesamte Wissen, das in der Organisation verfügbar ist, zugerechnet, sondern nur dasjenige, das bei „ordnungsgemäßer, und das heißt ,optimaler‘ Organisation […] bei der konkret handelnden Person vorhanden oder verfügbar wäre“.33 Begründet wurde dies zum einen mit dem Argument der Gleichstellung von juristischer und natürlicher Person bzw. der Eigenschaft der juristischen Person als Einheit, das auch schon der BGH in der Gemeinde-Entscheidung angeführt hatte.34 Zum anderen wurde auf das „Organisationsrisiko“ bei arbeitsteiliger Organisation abgestellt.35 Hierbei sollte es alleine auf die Verfügbarkeit von Informationen innerhalb der Organisation ankommen, wobei es unerheblich sei, ob eine Wissenszurechnung von einem Organmitglied oder von einem Sachbearbeiter stattfindet.36 Eine Begrenzung erfuhr die Zurechnung dabei über die Frage, ob ein Anlass zur Benutzung des Wissensspeichers bestand: Der Informationsaustausch müsse „möglich und naheliegend“ gewesen sein.37 So sollten sowohl zeitliche als auch persönliche Grenzen bestehen, die eine Wissenszurechnung ausschließen.38

II. Entscheidung des BGH vom 2. Februar 1996 – V ZR 239/94 Diese Gedanken griff der V. Zivilsenat des BGH im Jahr 1996 in einem Urteil zur vertraglichen Arglisthaftung auf und formulierte anhand dessen die Grundsätze, die er bereits 1989 in seiner Gemeinde-Entscheidung angedeutet hat, weiter aus.39 Anknüpfend an die geforderte „wertende Betrachtung“ im Rahmen der Wissenszurechnung von Organvertretern juristischer Personen differenzierten die Richter das „typischerweise aktenmäßig festgehaltene 32

So Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (25 f.); ähnlich auch Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (15). 33 Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (27). 34 BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (332). 35 Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (26 f.). 36 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12). 37 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12). 38 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (16); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (27). 39 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30.

B. Die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung

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Wissen“ als Zurechnungskriterium weiter aus, wobei sie ausdrücklich auf Medicus und Taupitz verwiesen. Der BGH wandte sich damit ausdrücklich von der Organtheorie ab und verwies stattdessen auf die „Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation“,40 freilich ohne dabei auf die Rechtsgrundlage dieser Pflicht einzugehen. Neben der normativen Begründung über die Gleichstellung, die bereits 1989 angeführt worden war, wurden nun auch der Verkehrsschutz bzw. die Risikoverteilung stärker in das Zentrum der Überlegungen gerückt.41 Die juristische Person wurde verpflichtet, den Informationsaustausch in zumutbarer Weise zu organisieren, da sie den von ihr eröffneten Verkehrsbereich grundsätzlich (in zumutbarer Weise) beherrschen müsse, wobei ausdrücklich auch auf die deliktischen Verkehrssicherungspflichten rekurriert wurde.42 Diese Pflicht zur ordnungsgemäßen Kommunikation wurde aufgespalten in die Informationsweiterleitungs- und die Informationsabfragepflicht.43 Eine Pflicht zur Informationsspeicherung, wie sie später zusätzlich formuliert wurde,44 nahm der BGH allerdings noch nicht explizit in den Pflichtenkanon auf, auch wenn eine Informationsweiterleitung ohne eine Einspeisung in die Informationsorganisation nicht denkbar ist und somit auch die Pflicht zur Informationsspeicherung zumindest gedanklich im Pflichtenkanon mitschwang. Die Pflicht zur Informationsweitergabe verlangte nach Ansicht des erkennenden V. Zivilsenats, dass „Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb dieser Organisation bei den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an jene Personen weitergegeben werden“.45 Umgekehrt verlangte die Informationsabfragepflicht, dass sichergestellt wird, „daß gegebenenfalls nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen Informationen nachgefragt werde“.46 Diese Pflichten sollten abgesehen von der juristischen Person „auch bei allen sonstigen Organisationsformen“ Beachtung finden.47

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BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (36 f.). 42 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 43 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 44 Zu dem Dreischritt aus Informationsspeicherungs-, -weiterleitungs- und -abfragepflicht vgl. Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (313); ders./Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441 (442); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 409 ff.; Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2541); Verse, AG 2015, 413 (416); Koch, ZIP 2015, 1757 (1760); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (803 f.); so auch GroßkommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 39; MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 51 ff. 45 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 46 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 47 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 41

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

Sofern Wissensorganisationspflichten verletzt wurden, sei die Gesellschaft so zu stellen, als hätte sie Kenntnis gehabt. Das „einmal vermittelte, ,typischerweise aktenmäßig festgehaltene‘, Wissen“ sei ihr somit auch weiterhin zuzurechnen, gleichgültig ob der Handelnde tatsächliche Kenntnis hatte.48 Die Kenntnis der juristischen Person ergäbe sich somit daraus, dass sie Aktenwissen besitzt, dessen Nutzung nicht in ihrem Belieben steht, sondern normativen Verkehrsschutzanforderungen unterliegt.49

III. Adaption in Rechtsprechung und Literatur Thomale hat im Jahr 2016 – 20 Jahre nach der Grundsatzentscheidung des V. Zivilsenats des BGH – die wertende Wissenszurechnung unter Zuhilfenahme von Wissensorganisationspflichten „unter rechtsrealistischen Gesichtspunkten als geltendes Recht“ bezeichnet.50 Diesen Eindruck kann man durchaus gewinnen, wenn man einen Blick in die entsprechende Kommentarliteratur wirft, in der häufig die wertende Wissenszurechnung in der juristischen Person im Grundsatz unangezweifelt dargestellt und übernommen wird.51 Lediglich über die dogmatische Ableitung, die Konkretisierung der Pflichten und die Grenzen dieses Konzepts wird zuweilen diskutiert. Auch wird teilweise die Zurechnung über ein Pflichtenkonzept kritisiert;52 ernsthafte Versuche, Schlüsse aus dieser Kritik zu ziehen und gegebenenfalls diese Kritik in die wertende Wissenszurechnung einfließen zu lassen und sie zu reformieren, sind bisher jedoch nicht ersichtlich.53 Darüber hinaus wird zwar regelmäßig dafür votiert, dass die Pflichten im Einzelfall in wertender Betrachtung bestimmt werden sollen,54 Hinweise auf

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BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35). BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35 f.). 50 Thomale, AG 2016, 641 (648). 51 So etwa Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 6; MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 45 ff.; Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 5, 9; GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 38 ff.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 84 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 54 ff.; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 78 Rn. 10 ff.; Hölters/Weber, AktG, § 78 Rn. 15 f.; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 78 Rn. 24 ff.; MünchKommGmbHG/Stephan/Thieves, § 35 Rn. 214 ff.; Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, § 35 Rn. 67; vgl. auch rechtsvergleichend, um die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung an alternative Wissenszurechnungskonzepten zu spiegeln Wagner, ZHR 181 (2017), 203 (210 ff.); Dias, FS Hopt (2020), S. 163, passim. 52 So etwa Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (318 ff.); vgl. auch K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 78 Rn. 10; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 84. 53 Vgl. etwa die Beiträge auf dem ZHR-Symposium 2017, die zuweilen zwar Kritik an dem bestehenden wertenden Zurechnungskonzept geäußert haben, darauf aufbauend jedoch keine konkreten Lösungsvorschläge entwickelt haben, vgl. ZHR 181 (2017), Heft 2/3. 54 So schon BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (331); BGH, Urt. 49

B. Die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung

61

die Kriterien dieser wertenden Betrachtung finden sich jedoch insbesondere in der Kommentarliteratur zur wertenden Wissenszurechnung nur gelegentlich.55 Insbesondere wird dabei selten zwischen dem rechtsgeschäftlichen und dem außerrechtsgeschäftlichen Verkehr differenziert,56 auch wenn zuweilen zwischen den Zeilen geschlossen werden kann, dass im Rahmen der Kommentierung vor allem der rechtsgeschäftliche Verkehr im Fokus steht, wenn etwa der Gedanke des Schutzes des Geschäftspartners als Begründung herangezogen wird.57 Diese Unterscheidung zwischen dem rechtsgeschäftlichen und dem außerrechtsgeschäftlichen Verkehr ist vor dem Hintergrund einer differenzierten Rechtsprechung gleichwohl notwendig.58 Anders als häufig dargestellt bezieht sich die Rechtsprechung zur Wissenszurechnung kraft Wissensorganisationspflichten – und hier insbesondere die Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH vom 2. Februar 1996 – nur auf die vertragliche Arglisthaftung.59 Demgegenüber ist die Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn deutlich strenger: Hier soll es weder auf die Möglichkeit zur Kenntnisnahme noch auf die Pflicht zur Wissensorganisation ankommen, sondern vielmehr auf die tatsächliche Kenntnis der Mitarbeiter in der zuständigen Abteilung.60 Diese v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35); vgl. auch Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 78 Rn. 26. 55 Vgl. etwa MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 101; MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 51 ff.; zur Ausgestaltung der Wissenszurechnung vgl. jedoch Naumann/Siegel, ZHR 181 (2017), 273, passim. 56 Nicht differenzierend Hölters/Weber, AktG, § 78 Rn. 15 f.; MünchKommGmbHG/Stephan/Thives, § 35 Rn. 214 ff.; wenig differenziert K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 78 Rn. 10 ff.; hinsichtlich der Kenntnis nach § 199 Abs. 1 BGB differenzierend MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 56; nach BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 wird zumindest häufig auf die dortige Ablehnung der Wissenszurechnung im Rahmen von § 826 BGB hingewiesen, vgl. etwa MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 101; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 54; sehr ausführlich in dieser Hinsicht Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 14 ff., 55 ff.; Thomale, Der gespaltene Emittent, 2018, S. 15 ff.; vgl. hierzu auch Reuter, ZIP 2017, 310 (313); ausführlich hierzu bereits Seidel, AG 2019, 492, passim. 57 So etwa KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 84. 58 Hierzu ausführlich Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 14 ff.; vgl. auch Seidel, AG 2019, 492, passim. 59 Erstmalig BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35 ff.); dem folgend BGH, Urt. v. 1.10.1999 – V ZR 218/98, NJW 1999, 3777 (3778); BGH, Urt. v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359 (360); BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 203/09, BeckRS 2011, 01685, Rn. 15 ff. (juris); vgl. zur Beschränkung dieser Rechtsprechung auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 23). 60 BGH, Urt. v. 22.4.1986 – VI ZR 133/85, NJW 1986, 2315 (2316); BGH, Urt. v. 9.3.2000 – III ZR 198/99, NJW 2000, 1411 (1412); BGH, Urt. v. 15.3.2011 – VI ZR 162/10, NJW 2011, 1799 (Rn. 11).

62

§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

Restriktion wird dadurch unterstrichen, dass es selbst dann ausschließlich auf die Kenntnis der für die Anspruchsverfolgung zuständigen Regressabteilung ankommen soll, wenn die Leistungsabteilung kraft behördeninterner Weisung verpflichtet war, die Akten mit Anhaltspunkten für die Haftung eines Dritten der Regressabteilung vorzulegen.61 Begründet wird diese Verengung der Wissenszurechnung auf das Kriterium der Zuständigkeit mit der Wertung, dass der Schädiger keinen Anspruch darauf habe, dass der Geschädigte eine Organisationform schaffen müsse, die die Kenntnis über die anspruchsbegründenden Tatsachen und damit einen Verjährungsbeginn zum frühestmöglichen Zeitpunkt eintreten lässt.62 Noch restriktiver ist die Rechtsprechung im Hinblick auf die subjektiven Elemente der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, wobei hier nicht nur der Schädigungsvorsatz, sondern bereits die Sittenwidrigkeit als solche im Hinblick auf die Wissenszurechnung problematisiert wurde.63 Im Rahmen des § 826 BGB verbiete das Kriterium der Verwerflichkeit sowie das der Sittenwidrigkeit immanente „moralische Unwerturteil“ das „mosaikartige“ Zusammensetzen der kognitiven Elemente.64 Die Übertragbarkeit der Wissensorganisationspflichten auf das Deliktsrecht abseits des § 826 BGB hat der VI. Zivilsenat des BGH jedoch ausdrücklich offengelassen.65 Für eine solche Differenzierung zwischen den einzelnen Wissensnormen wird nun auch immer stärker in der Literatur plädiert.66 Es müsse die jeweilige Norm auf ihre Risikoverteilung hinsichtlich einer Wissensaufspaltung zwischen Organisation und Externen untersucht werden, wobei zwischen einer unbedingten Zurechnung zum Schutz vor den Risiken der Wissensaufspaltung einerseits und der Steuerung der Wissenszurechnung durch die Kompetenzordnung innerhalb der Organisation und damit einer Risikobegrenzung für den Organisationsträger andererseits abzuwägen sei.67 Eine solche differenzierte Betrachtung, die bei der Frage nach der Reichweite der Wissenszurechnung die jeweilige Wissensnorm in den Fokus der Überlegungen rückt, vermag es auch, die komplexe Rechtsprechung zur Wissenszurechnung zu berücksichtigen. So kann für den rechtsgeschäftlichen Verkehr, in 61

BGH, Urt. v. 9.3.2000 – III ZR 198/99, NJW 2000, 1411 (1412). BGH, Urt. v. 22.4.1986 – VI ZR 133/85, NJW 1986, 2315 (2316). 63 Vgl. hierzu Seidel, AG 2019, 492 (500 f.); vgl. auch Thomale, Der gespaltene Emittent, 2018, S. 15 f. 64 BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 23). 65 BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 23); vgl. hierzu Seidel, AG 2019, 492 (498 ff.). 66 Vgl. etwa Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 55 ff.; Thomale, Der gespaltene Emittent, 2018, S. 15 ff.; vgl. auch Seidel, AG 2019, 492, passim, jeweils mwNachw. 67 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (319); so auch Koller, JZ 1998, 75 (81 ff.); Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 275 ff.; Ansätze auch bei Raiser, FS Bezzenberger (2000), S. 561, (575 f.); ähnlich auch Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 55 ff. 62

C. Die Wissensorganisation

63

dem unter Umständen auch eine Begründung über den Aspekt des Vertrauensschutzes herangezogen werden kann, eine weitreichendere Zurechnung erfolgen kann als beispielsweise im Deliktsrecht, bei dem auf Vertrauensschutzerwägungen regelmäßig nicht abgezielt werden kann.

C. Die Wissensorganisation Insbesondere nach dem in Rechtsprechung und Literatur herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzept ist die Wissensorganisation ein zentrales Element der Wissenszurechnung. Darüber hinaus wird auch in dem hier noch zu entwickelnden alternativen wertenden Wissenszurechnungskonzept der Wissensorganisation eine präsente Funktion zukommen, wie in § 9 dieser Arbeit noch zu zeigen sein wird. Entweder wird bereits (nach dem herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Zurechnungsmodell) durch die Pflicht zur Wissensorganisation die Wissenszurechnung begründet68 oder sie wird über die Kriterien der Möglichkeit und der Zumutbarkeit der Wissensorganisation begrenzt (nach dem hier vorgestellten zweistufigen allgemeinen wertenden Zurechnungsmodell).69 Aufgrund dessen bietet sich an dieser Stelle die Frage an, was unter dem Begriff der Wissensorganisation zu verstehen ist, welche Funktion und welcher Rechtscharakter ihr zukommt – insbesondere, ob eine Pflicht zur Wissensorganisation besteht oder vielmehr eine Obliegenheit hierzu. Dies ist sowohl für das Verständnis der Kritik an dem „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungsmodell entscheidend als auch für die Entwicklung eines sich aus der Kritik ergebenden neuen wertenden Wissenszurechnungsmodells. Aufgrund dessen ist es notwendig, dass Wesen der Unternehmenswissensorganisation schon jetzt eingehend zu beleuchten, bevor überhaupt das allgemeine wertende Wissenszurechnungsmodell als Antwort auf die Kritik des „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungsmodells entwickelt wurde. In der Folge wird hier vor allem die Wissensorganisation mit Blick auf die „pflichtenbasierte“ Zurechnung untersucht, um im Wesentlichen einen stringenten Gedankengang zu verfolgen, und nur dort, wo ein Seitenblick auf das in § 9 dieser Arbeit noch zu entwickelnde allgemeine wertende Wissenszurechnungsmodell unerlässlich ist, kurz darauf ver68

Deutlich BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35): „Jedenfalls für die Frage der Risikoverteilung bei Grundstücksgeschäften der […] vorliegenden Art hielt er es aus Gründen des Verkehrsschutzes für geboten, der Gemeinde das ihr durch Organvertreter einmal vermittelte ,typischerweise aktenmäßig festgehaltene‘ Wissen auch weiterhin […] zuzurechnen.“; vgl. auch die Darstellung bei Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (193). 69 Vgl. unten § 9 A.III.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

wiesen. Im Ausgleich dafür werden sich auch in § 9 dieser Arbeit Verweise auf die hier gefundenen Ergebnisse zur Wissensorganisation finden.

I. Wesen der Wissensorganisation Nach dem herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungsmodell wird der juristischen Person und auch anderen arbeitsteiligen Organisationsformen eine „Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation“ auferlegt, wobei deren Verletzung die Wissenszurechnung begründen soll.70 Dabei ist jedoch fraglich, ob diese Pflicht zur Wissensorganisation nur eine Organisationspflicht im Innenverhältnis der jeweiligen Organisation ist oder ob sie auch im Außenverhältnis (gegenüber Dritten) eine Pflicht darstellt. Bei der Beantwortung der Frage nach dem Wesen der Wissensorganisation muss somit zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis unterschieden werden. 1. Innenverhältnis Im Ausgangspunkt ist die Pflicht zur Wissensorganisation Teil der internen Unternehmensorganisationspflicht: Das Unternehmen muss so organisiert sein, dass „Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb der Organisation bei den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an jene Personen weitergegeben werden“ und dass umgekehrt sichergestellt ist, dass „gegebenenfalls nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen Informationen nachgefragt“ wird.71 Dabei obliegt die Unternehmensorganisationspflicht innerhalb der juristischen Person als Teil der Leitungsverantwortung dem Vorstand (§§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG) bzw. dem sonstigen Leitungsorgan.72 Diese Unternehmensorganisationspflicht als Teil der Leitungsverantwortlichkeit verpflichtet das Leitungsorgan, für eine gesetzmäßige, satzungskonforme, möglichst effiziente und angemessene Organisationsstruktur Sorge zu tragen, wobei der konkrete Inhalt dieser Pflicht insbesondere von Art, Umfeld, Größe und Börsennotierung des Unternehmens abhängt.73 Innerhalb von

70

Deutlich BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). So schon BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 72 Ausführlich hierzu Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 395 ff.; Hemeling ZHR 175 (2011), 368, passim, insb. S. 380; Goette, ZHR 175 (2011), 388, passim; RömmerCollmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 179 ff. 73 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 153; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 67 und 83; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 56; MünchHdbAG/HoffmannBecking, § 25 Rn. 6. 71

C. Die Wissensorganisation

65

Personengesellschaften obliegt sie je nach Umfang der konkreten Entscheidung entweder als Teil der Geschäftsführung den hierfür bestimmten Gesellschaftern oder (wenn diese Entscheidung das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und damit die Grundlagen der Gesellschaft betrifft) der Gesellschafterversammlung.74 Ausfluss der Unternehmensorganisationspflicht (oder teilweise auch als selbstständiger Ausfluss der Leitungsverantwortung verstanden) ist die Pflicht zur Einrichtung eines unternehmensinternen Informationssystems.75 Somit ist das Leitungsorgan bzw. das Geschäftsführungsorgan im Rahmen des Zumutbaren und der rechtlichen Grenzen dazu verpflichtet, eine Wissensorganisation zu schaffen, sodass die dem Unternehmen ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden können. Dabei kommt der Sicherung des unternehmensinternen Informationsflusses nicht nur eine führungsunterstützende bzw. haftungsbeschränkende Wirkung zu; vielmehr gelten Informationen zu Recht als „Unternehmensressource schlechthin“,76 quasi als „Rohstoff von Entscheidungen“,77 sodass dem Informationsmanagement die Stellung einer echten Führungsaufgabe zukommt.78 Die konkrete Ausgestaltung der Wissensorganisation ist dabei rechtlich nicht so weit determiniert, dass nur eine rechtmäßige Handlungsmöglichkeit besteht; die Frage, wie die Wissensorganisation auszugestalten ist, unterliegt somit einem unternehmerischen Ermessen.79 Besteht das Leitungs- bzw. Geschäftsführungsorgan nicht nur aus einer Person, sondern hat es mehrere Mitglieder, so kann zwar die interne Ressort-

74

Vgl. hierzu MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 7 ff.; MünchKommHGB/Rawert, § 114 Rn. 6 ff. 75 BGH, Urt. v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85 (Rn. 16); BGH, Urt. v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (62); Naumann/Siegel, ZHR 181 (2017), 273 (276); Fleischer, ZIP 2003, 1 (5); Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buck-Heeb, Corporate Compliance, § 2 Rn. 52; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 153; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 58. 76 Picot/Franck, WISU 1988, 544 (544). 77 Bea/Friedl/Schweitzer/Erichson/Hammann, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 2: Führung, S. 337 (338); ähnlich auch Naumann/Siegel, ZHR 181 (2017), 273 (274): Informationen als „Basis wirtschaftlichen Handelns“. 78 Fleischer, ZIP 2003, 1 (5); vgl. hierzu auch Bea/Friedl/Schweitzer/Zahn, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 2: Führung, S. 394 (400 ff.). 79 Vgl. hierzu Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (553); dies., NJW 2018, 2153 (2154); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (120); zur konkreten Ausgestaltung der Wissensorganisation vgl. unten § 8 A.II.; zu den Maßstäben der Ausgestaltung der Wissensorganisation und der Frage des pflichtgemäßen Ermessensgebrauchs vgl. sogleich unten, § 8 C.II., § 8 C.III.1.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

aufteilung einem einzelnen Organmitglied die Aufgabe der Einrichtung und Überwachung der Wissensorganisation zuweisen, die übrigen Organmitglieder können sich jedoch aufgrund des Prinzips der Gesamtverantwortung dadurch nicht vollständig von ihrer Verantwortung befreien. In diesem Fall trifft das ressortzuständige Organmitglied die Handlungs- oder Ressortverantwortung, wohingegen sich die Verantwortung der anderen Organmitglieder nach dem Gedanken der gegenseitigen Überwachung auf eine organinterne Überwachungs- und Kontrollpflicht beschränkt.80 Demgegenüber trifft den Aufsichtsrat die Pflicht zur Wissensorganisation nur ausnahmsweise, sofern er im Rahmen seiner Zuständigkeit Informationen erlangt hat, die eine Speicherung und Weiterleitung erforderlich machen, wie etwa im Bereich seiner Personalkompetenz dem Vorstand gegenüber, wenn beispielsweise Informationen in Rede stehen, die zur fristlosen Kündigung gem. § 626 BGB berechtigen. Auch für den Aufsichtsrat gilt das Prinzip der Gesamtverantwortung, sodass auch hier zwar eine gestufte Verantwortlichkeit – insbesondere im Fall von erledigenden Ausschüssen – möglich ist, die nicht unmittelbar beteiligten Aufsichtsratsmitglieder sich jedoch nicht ihrer Überwachungs- und Kontrollpflicht entledigen können, die durch die Berichtspflicht der Ausschüsse gem. § 307 Abs. 3 S. 5 AktG unterstrichen wird.81 2. Außenverhältnis Bereits aufgeworfen wurde die Frage, ob neben der Pflicht der Leitungs- bzw. Geschäftsführungsorgane (und vereinzelt auch des Aufsichtsrats) zur Wissensorganisation im Innenverhältnis auch im Außenverhältnis eine Pflicht zur Wissensorganisation besteht. Bei dieser Frage ist zunächst unklar, woraus sich diese Pflicht ergeben sollte,82 sodass erst einmal nach ihrer Rechtsgrundlage gefragt werden muss. a) Rechtsgrundlage Die Frage nach der Rechtsgrundlage einer im Außenverhältnis wirkenden Wissensorganisationspflicht wird von der Rechtsprechung weitgehend offengelassen und ist auch in der Literatur äußerst umstritten.83 Sofern nicht

80 Vgl. hierzu für den AG-Vorstand: Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (506 ff.); Fleischer, NZG 2003, 449 (452); Emde, FS U. H. Schneider (2011), S. 295 (306 f.); für GmbHGeschäftsführer: BGH, Urt. v. 8.7.1985 – II ZR 198/84, NJW 1986, 54 (55); BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 (377 f.). 81 Vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84 (85); Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 57 ff.; KölnKomm AktG/Mertens/Cahn, § 107 Rn. 179. 82 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (314). 83 So auch Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buck-Heeb, Corporate Compliance, § 2

C. Die Wissensorganisation

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der Gesetzgeber auf den Plan gerufen und eine Neuregelung der Wissenszurechnung „unter Berücksichtigung der Erkenntnisse von Wissenschaft und Praxis“ gefordert wird,84 könnte zunächst daran gedacht werden, die Pflicht zur Wissensorganisation als Nebenpflicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in die Rechtsgeschäfte hineinzulesen.85 Hiergegen spricht jedoch, dass in diesem Fall nur für den rechtsgeschäftlichen Kontext eine solche Pflicht begründet werden könnte und im außerrechtsgeschäftlichen Bereich (im Außenverhältnis) keine Pflicht zur Wissensorganisation bestünde.86 Abseits dieser nur bedingt tauglichen rechtsgeschäftlichen Lösung wird die Pflicht zur Wissensorganisation vor allem aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet.87 Hieraus soll eine Rechtspflicht zur Organisation aufgrund der Beherrschung eines selbst eröffneten Verkehrsbereichs entstehen,88 wobei allein aufgrund der Wortwahl die Nähe zu den Verkehrspflichten deutlich wird.89 So soll neben der Verantwortung für den Verkehr (Verkehrspflicht) und der Verantwortung für veranlasstes oder verschuldetes Vertrauen auch eine Wissensverantwortung bestehen.90 Auf die Vergleichbarkeit der Interessenlage im Rahmen von Verkehrspflichten und der Wissensorganisationspflicht wird später im Rahmen der Begründung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung noch näher einzugehen sein.91 Hier genügt jedoch zunächst die Feststellung, dass beiden die Tatsache gemein ist, dass ein selbst eröffneter Verkehrsbereich beherrscht wird, von dem Gefahren ausgehen: im Fall der Verkehrspflichten eine physische Gefahr für fremde Rechtsgüter, die aus dem eröffneten VerkehrsbeRn. 23; vgl. auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 636; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (172 f.). 84 Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (214, 226); ders., NJW 1993, 889 (895); ebenso für eine Neufassung des § 166 Beuthien, NJW 1999, 3585 passim, dessen Vorschlag für einen § 166 BGB (S. 3587) jedoch ebenso wenig die Besonderheiten der arbeitsteiligen Organisation erfasst. Lediglich über § 166 Abs. 1 Alt. 2 BGB des Vorschlags, der die Kenntnis und das Kennenmüssen des Vertretenen einbezieht, ließen sich Sonderregeln für die arbeitsteilige Organisation samt einer Pflicht zur Wissensorganisation schaffen. 85 Ähnlich für die Kategorisierung als besondere Ausprägung von Schutzpflichten Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (172). 86 Zu dieser Kritik vgl. auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (314). 87 Deutlich OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.6.2014 – I-7 U 247/12, BeckRS 2014, 14160 (juris Rn. 28); Taupitz, FS E. Lorenz (1994), S. 673 (688); Palandt/Ellenberger, BGB, § 166 Rn. 8. 88 Taupitz, FS E. Lorenz (1994), S. 673 (688). 89 Zur Vergleichbarkeit der Verkehrspflichten und der Wissensorganisationspflicht vgl. Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (172); Taupitz, FS E. Lorenz (1994), S. 673 (688 f.); Bohrer, DNotZ 1991, 124 (129, 131); Hagen, DRiZ 1997, 157 (160); Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (8); Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buck-Heeb, Corporate Compliance, § 2 Rn. 24. 90 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (8); vgl. auch Bohrer, DNotZ 1997, 129 (131). 91 Vgl. unten § 9 A.III.1.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

reich herrührt, und im Fall der Wissensorganisationspflicht eine Gefahr, die aus einer ungerechtfertigten Wissenszersplitterung hervorgeht. Bohrer formuliert diese Ähnlichkeit treffend, wenn er schreibt: „Wie die Verkehrssicherungspflicht auf dem Gedanken beruht, daß Rechtsgüterschutz nicht nur durch Anforderungen an Tun oder Unterlassen bewirkt wird, sondern ,daß jeder, der Gefahrquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen hat‘, beruht Wissensverantwortung auf dem Prinzip, daß die Teilnehmer des Rechts-(geschäfts-)verkehrs zu dessen Schutz nicht nur für ihre tatsächliche Kenntnis einzustehen haben, sondern schon bei der Informationsentgegennahme, -dokumentation und -nutzung Dritt-Belange zu berücksichtigen haben.“92

Gleichwohl scheint zumindest im Hinblick auf die Frage nach der Rechtsgrundlage einer solchen Pflicht zur Wissensorganisation der Verweis auf die Verkehrspflichten als zweifelhaft. Auch wenn die Herleitung der Verkehrspflichten als ebenso umstritten angesehen werden kann wie die der Wissensorganisationspflicht im Außenverhältnis,93 ergibt sich die zuerst genannte wohl entweder aus einer Präzisierung der Verletzung durch mittelbare Eingriffe bzw. der Beeinträchtigung durch Unterlassen und damit aus einer Konkretisierung des § 823 Abs. 1 BGB94 oder aber aus § 823 Abs. 2 BGB, wenn die Verkehrspflichten als Schutzgesetz qualifiziert werden.95 Gegen die Übertragung der Rechtsgrundlage der Verkehrspflichten auf die Wissensorganisationspflichten spricht zunächst, dass im Rahmen der Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB eine Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit, des Eigentums oder eines sonstigen Rechts vorliegen muss. Eine solche Rechts- oder Rechtsgutsverletzung ist jedoch im Hinblick auf die Verletzung von Wissensorganisationspflichten nur schwer vorstellbar. Und selbst wenn sie denkbar wäre, dürfte das Eingreifen von Wissensorganisationspflichten nicht von dem Vorliegen einer Rechts- oder Rechtsgutsverletzung abhängig gemacht werden.

92

Bohrer, DNotZ 1991, 124 (129). Zum Meinungsstreit zu der dogmatischen Grundlage der Verkehrspflichten Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 1 ff.; MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 441. 94 So BGH, Urt. v. 22.4.1958 – VI ZR 65/57, BGHZ 27, 137 (140 f.); BGH, Urt. v. 27.1.1987 – VI ZR 114/86, NJW 1987, 2671 (2672); Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 81; Stoll, Richterliche Fortbildung und gesetzliche Überarbeitung des Deliktsrechts, 1984, S. 13; Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 1986, S. 530; Canaris, FS Larenz II (1983), S. 27 (77 ff.); Picker, AcP 183 (1983), 369 (496 ff.); Medicus, JZ 1986, 778 (780); Katzenmeier, AcP 203 (2003) 79, (117); MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 442 f.; Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 4 f. „Die Verlagerung der Verkehrspflicht in den Abs. 2 des § 823 ist aber zumindest iE unnötig“. 95 So v. Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 157 ff.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 106; K. Huber, FS v. Caemmerer (1978), S. 359 (377, 380 f.); Leser, AcP 183 (1983), (585 f.). 93

C. Die Wissensorganisation

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Allenfalls ließen sich die Wissensorganisationspflichten als Schutzgesetze qualifizieren, wenn man die grundsätzliche Möglichkeit anerkennt, dass auch Gewohnheits- oder Richterrecht eine Normqualität im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugesprochen werden kann.96 Es bleibt dennoch fraglich, ob der Individualschutz der Wissensorganisationspflichten nicht ein bloßer Reflex der Verhaltensanforderung für die arbeitsteilige Organisation ist, sodass ihr nicht die Qualität eines Schutzgesetzes zukommen würde. Zudem erscheint es fragwürdig, die dogmatische Anknüpfung der Wissensorganisationspflichten im Deliktsrecht zu verorten. So vermag die Funktion der Wissensorganisationspflichten, die in der Steuerung der Informationsflüsse und der damit einhergehenden Vorbeugung vor Wissenszersplitterung liegt, nicht recht zur Ausgleichs- und Kompensationsfunktion des Deliktsrechts zu passen. Um eine Wissensorganisationspflicht im Außenverhältnis zu begründen, bliebe somit nur der Weg über eine Nebenpflicht gem. § 242 BGB, wobei zu fragen bleibt, worin die Hauptpflicht besteht, die durch die Nebenpflicht ergänzt oder konkretisiert werden soll.97 § 242 BGB kann jedoch nicht nur als Rechtsgrundlage für Nebenpflichten, sondern auch als solche für Obliegenheiten dienen.98 Somit ist neben der Frage der Rechtsgrundlage auch unklar, ob im Außenverhältnis eine „echte“ Rechtspflicht besteht oder aber eine bloße Obliegenheit, die im weiteren Verlauf beantwortet werden soll. b) Pflichtencharakter vs. Obliegenheit Bereits die überwiegend genutzte Wortwahl „Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation“ scheint darauf hinzudeuten, dass eine echte Rechtspflicht in Rede steht.99 Diese Einordnung als Pflicht wird jedoch teilweise bestritten und stattdessen von einer Obliegenheit zur Wissensorganisation gesprochen.100 96

Für die Anerkennung der Normqualität von Richterrecht plädieren vor allem diejenigen, die die dogmatische Grundlage für die Verkehrspflichten in § 823 Abs. 2 BGB erkennen, vgl. hierzu § 8 Fn. 95; vgl. zur Diskussion um die Einbeziehung von Gewohnheitsrecht und Richterrecht in § 823 Abs. 2 auch MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 554. 97 Zu dieser Kritik vor allem Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 433; zur Notwendigkeit einer Hauptpflicht, auf die eine Nebenpflicht iSd. § 242 BGB aufbauen kann vgl. Erman/Böttcher, BGB, § 242 Rn. 68. 98 Erman/Böttcher, BGB, § 242 Rn. 67. 99 Für eine „echte“ Rechtspflicht ausdrücklich Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 50 (51); dem in der Begründung folgend BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37); ebenso Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (507); Hagen, DRiZ, 1997, 157 (160); RömmerCollmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 175; wohl auch Risse, NZG 2020, 856 (863 f.). 100 BGH, Urt. v. 11.10.2007 – VII ZR 99/06, BGHZ 174, 32 (Rn. 17); OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2009 – 31 U 15/04, BeckRS 2010, 10780 (juris Rn. 59); Engelhardt, Wissensver-

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

Eine Obliegenheit ist ein bedingter Verhaltensbefehl bzw. eine Rechtspflicht minderer Zwangsintensität, deren Erfüllung ausschließlich im Interesse des Berechtigten an der Vermeidung eines angedrohten Rechtsnachteils liegt.101 Eine Obliegenheit liegt somit vor, sofern „an ein tatbestandlich bestimmtes Verhalten des Obliegenheitsbelasteten eine diesem [dem Obliegenheitsbelasteten] rechtlich nachteilige Rechtsfolge geknüpft ist, die nicht in einem Erfüllungsanspruch oder einem Schadensersatzanspruch wegen Obliegenheitsverletzungen besteht“.102 Der Unterschied zwischen einer echten Rechtspflicht und einer Obliegenheit als „Verschulden gegen sich selbst“ besteht somit darin, dass eine Pflichtverletzung den anderen Teil zum Schuldner macht bzw. diesem neue Ansprüche zuspricht, eine Obliegenheitsverletzung jedoch bloß verhindert, dass für den Obliegenheitsbelasteten positive Rechtsfolgen eintreten, dieser zum Gläubiger wird oder bestehende Rechte erhalten bleiben.103 Dabei soll die Rechtsfolge einer Wissensorganisations„pflicht“verletzung nach der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung sowohl nach der Rechtsprechung als auch nach weiten Teilen der Literatur nicht in einem Anspruch auf Erfüllung oder Schadenersatz liegen,104 sondern in der Zurechnung von Kenntnis und Kennenmüssen zum Organisationsbelasteten bzw. in der Versagung der Möglichkeit, sich auf Nichtwissen berufen zu können, mithin einer sonstigen rechtlich nachteilhaften Rechtsfolge.105 Eine ordnungsgemäße Wissensorganisation soll jedoch (zumindest von Dritten) nicht einklagbar sein. Die Schaffung und Unterhaltung einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation soll vielmehr dazu führen, dass dem potentiell Wissensbelasteten die Privilegien bzw. positiven Rechtsfolgen, die an seine Unkenntnis gestellt werden, erhalten bleiben bzw. ihm erst zugesprochen werden.

schulden, 2019, S. 60 ff.; Broemel, RW 2013, 62 (76 ff.); vgl. auch KölnKommWpHG/Hirte, § 21 Rn. 175; ausdrücklich offen lassend Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (168); vgl. auch Buck-Heeb, die schlicht von einer in Anführungszeichen gesetzten „Pflicht“ spricht, Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buck-Heeb, Corporate Compliance, § 2 Rn. 23; dies. CCZ 2009, 18 (19); unklar auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 636, der zumindest die Frage stellt, wie eine interne Organisationspflicht Außenwirkung entfalten kann. 101 So R. Schmidt, Die Obliegenheiten, 1953, S. 315 f.; Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, S. 218 f.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 39. 102 R. Schmidt, Die Obliegenheiten, 1953, S. 315. 103 Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 40; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 114. 104 Zur Konstruktion einer Art Wissenszurechnung über Haftungstatbestände vgl. sogleich § 8 Fn. 112. 105 Vgl. nur BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35, 37); hierzu auch Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 61.

C. Die Wissensorganisation

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Schon nach dem herrschenden „pflichten“basierten wertenden Wissenszurechnungsmodell muss man somit davon ausgehen, dass nur eine „Pflicht gegen sich selbst“106 – mithin eine Obliegenheit – zur Wissensorganisation besteht.107 Dieses Ergebnis wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch an Relevanz gewinnen, da nach der hier vertretenen und in § 9 noch zu entwickelnden allgemeinen wertenden Wissenszurechnung die Wissensorganisation nicht zurechnungsbegründend wirkt, sondern bei mangelnder Möglichkeit oder Zumutbarkeit einer ausreichenden Wissensorganisation die Zurechnung, rechtstechnisch betrachtet, begrenzt werden soll.108 Durch die zurechnungsbegrenzende Wirkung einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation wird die auf eine Obliegenheit hindeutende „Pflicht gegen sich selbst“ unterstrichen, indem sich die arbeitsteilige Organisation durch eine derartige Wissensorganisation bloß vor einer umfassenden Wissenszurechnung „schützen“ kann, die Rechtsfolge der Zurechnung jedoch bereits durch die arbeitsteilige Organisationsform als solche begründet wird.109 Die Rechtsfolgen einer Wissensorganisations„pflicht“verletzung sprechen somit deutlich gegen die Annahme des Pflichtencharakters und für die Annahme einer Obliegenheit.110 Mitunter wird zwar der Terminus Pflicht mit „eigenständiger Rechtsfolgenanordnung“ gewählt,111 dogmatisch untermauern lässt sich eine solche Konstruktion jedoch nicht. Teilweise wird auch der Versuch unternommen, neben (oder zuweilen auch anstelle) der Wissenszurechnung eine Haftung wegen positiver Vertragsverletzung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) oder einer Haftung nach den Grund-

106 Zum „Verschulden gegen sich selbst“ bzw. zur „Pflicht gegen sich selbst“ vgl. Zitelmann, Das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Allgemeiner Teil, 1900, S. 152 f.; vgl. auch Hähnchen, Obliegenheiten und Nebenpflichten, 2010, S. 137. 107 Hierfür BGH, Urt. v. 11.10.2007 – VII ZR 99/06, BGHZ 174, 32 (Rn. 17); OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2009 – 31 U 15/04, BeckRS 2010, 10780 (juris Rn. 59); Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 61; Broemel, RW 2013, 62 (76 ff.); vgl. auch KölnKommWpHG/Hirte, § 21 Rn. 175; ausdrücklich offen lassend Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (168); vgl. auch Buck-Heeb, die schlicht von einer in Anführungszeichen gesetzten „Pflicht“ spricht, Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buck-Heeb, Corporate Compliance, § 2 Rn. 23; dies. CCZ 2009, 18 (19); unklar auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 636, der zumindest die Frage stellt, wie eine interne Organisationspflicht Außenwirkung entfalten kann. 108 Vgl. hierzu unten § 9 A.III. 109 Vgl. hierzu ausführlich unten § 9 A.II. und III. 110 Vgl. Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 39; Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 61. 111 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (172); ähnlich auch Wagner, ZHR 181 (2017), 203 (208): Pflicht mit „spezifischer Sanktion“; Risse, NZG 2020, 856 (863): Pflichtverletzung mit „ungewohnter Rechtsfolge“.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

sätzen der culpa in contrahendo (c.i.c., §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) aufgrund der Verletzung der Wissensorganisationspflicht in Verbindung mit der Verschuldenszurechnung des § 278 BGB zu begründen.112 In diesem Fall würde der Anspruchsteller wegen einer schuldhaften Verletzung der Wissensorganisationspflicht mit den Mitteln der Naturalrestitution und der Differenzhypothese gem. § 249 BGB so zu stellen sein, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Ohne die Wissensorganisationspflichtverletzung wäre die Information zur zuständigen handelnden Stelle gelangt, sodass die nötige Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis vorgelegen hätte und die Rechtsfolge der Wissensnorm damit eingetreten wäre.113 Diese Konstruktion muss jedoch als Versuch verstanden werden, mit den Mitteln des Schadensersatzes die pflichtengebundene Wissenszurechnung zu umgehen bzw. diese Konstruktion völlig von der Zurechnung zu entfremden und dem Regime des Schadensersatzes zu unterstellen. Gleichwohl ist nicht nur die Rechtsgrundlage dieser Pflicht wie gezeigt zweifelhaft, auch bietet sie aufgrund der Bezugnahme auf die vertragliche Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB nur eine Lösung bei bestehenden Sonderverbindungen. Darüber hinaus verwischt diese Konstruktion die Trennung zwischen Kenntnis und Kennenmüssen, sofern man den Anwendungsbereich dieser Lösung nicht auf das Kennenmüssen bzw. auf relative Wissensnormen beschränken wollte. Es zeigt sich somit, dass der Versuch, die Wissensorganisationspflicht als „echte“ Rechtspflicht im Außenverhältnis auszugestalten, nicht tragfähig ist. Von der Frage nach einer allgemeinen Wissensorganisationspflicht im Außenverhältnis, die wie gesehen verneint werden muss und anstatt dessen von einer Obliegenheit ausgegangen werden sollte, müssen allerdings spezielle Wissensorganisationspflichten unterschieden werden: So besteht etwa im Rahmen der deliktischen Produkthaftung (Grundsätze der Produzentenhaftung), insbesondere bei den Produktbeobachtungspflichten, die Notwendigkeit eines Informationsmanagements, das Produktfehler dokumentiert.114 Auch für die Ad-hoc-Publizitätspflicht iSd. Art. 17 MAR115 wird eine Wissensorganisation vorausgesetzt.116 Diese speziellen Wissensorganisations112

Vgl. hierzu Koller, JZ 1998, 75 (81); Flume, AcP 197 (1997), 441 (451, 454); Canaris, Karlsruher Forum 1994, 33 (34). 113 Hagen, DRiZ 1997, 157 (162 f.). 114 Vgl. BGH, Urt. v. 7.12.1993 – VI ZR 74/93, NJW 1994, 517 (519) – Gewindeschneidemittel I; vgl. auch Kullmann/Pfister/Kullmann/Stöhr, Prodozentenhaftung, 1520, S. 56 f., Kullmann, S. 58b ff., 71; MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 990 f. 115 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1 ff., im Folgenden MAR. 116 Vgl. Klöhn/Klöhn, MAR, Art. 17 Rn. 106.

C. Die Wissensorganisation

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pflichten dürfen jedoch nicht mit der allgemeinen „Pflicht“ zur Wissensorganisation verwechselt werden.

II. Ausgestaltung der Wissensorganisation Die Ausgestaltung der Wissensorganisation als Teil der Unternehmensorganisation ist eine unternehmerische Entscheidung, die neben (unternehmerischen) Gestaltungszielen,117 die an dieser Stelle mangels nennenswerter Auswirkungen auf die Wissenszurechnung außer Acht gelassen werden sollen, vor allem von äußeren und inneren Gestaltungsbedingungen abhängt.118 Als rechtliche äußere Bedingungen der Wissensorganisation sind in Ermangelung grundsätzlicher gesetzgeberischer Entscheidungen hierüber in erster Linie die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und Rahmenbedingungen zu beachten. So muss „jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation […] im Rahmen des ihr Zumutbaren sicherstellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden können“.119

Dies gilt sowohl in vertikaler Hinsicht in Bezug auf verschiedene Hierarchieebenen als auch in horizontaler Hinsicht in Bezug auf dieselbe Hierarchieebene.120 Die Wissensorganisationspflicht lässt sich dabei mit dem BGH, dem das Schrifttum insoweit Folge leistet, in eine Wissensspeicherungs-, Wissensweiterleitungs- und Wissensabfragepflicht untergliedern.121 Es genügt somit nicht, die Informationen bloß zu speichern; es ist ebenso notwendig, dass „Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb dieser Organisation bei dem konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an jene Personen weitergegeben werden“ und dass sichergestellt wird, dass „gege117

Vgl. zu den Gestaltungszielen Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 215 f.; Frese/v. Werder, ZfbF 1989, Sonderheft 25, 1 (7 f.). 118 Frese/v. Werder, ZfbF 1989, Sonderheft 25, 1 (6); vgl. hierzu auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 214 ff. 119 BGH, Urt. v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85 (Rn. 16); BGH, Urt. v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 (Rn. 13); BGH, Urt. v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (62). 120 Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 410; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Frese/Graumann/Talaulicar/Theuvsen, Grundlagen der Organisation, 2019, S. 204 ff. 121 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 409 ff.; jüngst etwa Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2541); Verse, AG 2015, 413 (416); Koch, ZIP 2015, 1757 (1760); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (803 f.); Naumann/Siegel, ZHR 181 (2017), 273 (276); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (313); GroßkommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 39; MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 52 ff.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

benenfalls nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen Informationen nachgefragt“ wird.122 Dabei muss nicht jede Information gespeichert werden, sondern nur, sofern Anlass zur Speicherung bestand und es somit „typischerweise aktenmäßig festgehalten“ wird.123 Ebenso wenig genügt es, dass dem Leitungsorgan sämtliche Informationen zugetragen werden (bottom-up), es ist im gleichen Maße erforderlich, dass relevante Informationen an untergeordnete Ebenen getragen werden, damit auch diese die Informationen in ihrem Handeln berücksichtigen können (top-down).124 Abseits dieser allgemeinen Überlegungen zur Reichweite der Wissensorganisationspflicht sind konkrete rechtliche Bedingungen nur selten zu finden.125 Vor allem im Bereich des Werkvertragsrechts lassen sich jedoch im Anschluss an die sog. Dachpfetten-Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH126 einzelne Konkretisierungsansätze erkennen, wie etwa im Bereich der Dokumentationsdauer: Hier wurde insbesondere vor dem Hintergrund einer extensiven Gewährleistungshaftung für eine Dokumentationsdauer von 30 Jahren plädiert.127 Diese dreißigjährige Dokumentationspflicht ging auf die Verjährungsfrist für werkvertragliche Mängelgewährleistungsansprüche bei Arglist zurück, die gem. § 638 Abs. 1 S. 1 a.F. BGB iVm. § 195 a.F. BGB 30 Jahre betrug. Da diese lange Verjährungsfrist bei Arglist durch die Schuldrechtsmodernisierungsreform von 2002128 jedoch mittlerweile durch die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist gem. § 634a BGB iVm. § 195 BGB ersetzt wurde und somit der Anknüpfungspunkt für eine derart hohe Dokumentationsdauer nunmehr weggefallen ist, dürfte wohl auch an der vor 2002 begründeten dreißigjährigen Dokumentationspflicht nicht mehr festgehalten werden können.

122

BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). So schon BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (332); grundlegend BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35); dem folgend OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.6.2014 – I-7 U 247/12, BeckRS 2014, 14160 (juris Rn. 28). 124 Naumann/Siegel, ZHR 181 (2017), 273 (276). 125 So auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 656; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 409. 126 BGH, Urt. v. 12.3.1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 – Dachpfetten; zur Skizzierung der Rechtsprechungsentwicklung der Organisationspflichten im Werkvertragsrecht vgl. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 620 ff., 656. 127 So Wirth, BauR 1994, 33 (37) zurückgehend auf den weiten Anwendungsbereich der Arglist bei Organisationsmängeln mit der Folge einer dreißigjährigen Verjährungsfrist gem. § 638 Abs. 1 S. 1 a.F. BGB iVm. § 195 a.F. BGB, die durch BGH, Urt. v. 12.3.1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 (321) – Dachpfetten begründet wurde; vgl. hierzu auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 656. 128 Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I, S. 3138 ff. 123

C. Die Wissensorganisation

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Darüber hinaus betont die Rechtsprechung zu den Organisationspflichten im Werkvertragsrecht, dass zwar eine Organisationsfreiheit des Unternehmens besteht, bestimmte Mindestanforderungen trotzdem nicht unterlaufen werden dürfen,129 auch wenn diese Mindestanforderungen gleichwohl nicht näher umrissen oder gar bestimmt werden. Zudem bestehen vor allem im Kapitalmarktrecht konkrete Rahmenbedingungen, wie etwa in Bezug auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht gem. Art. 17 MAR. Hier enthält insbesondere Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 MAR bestimmte Bekanntmachungsmodalitäten: So müssen die Insiderinformationen „in einer Art und Weise veröffentlicht werden, die es der Öffentlichkeit ermöglicht, schnell auf sie zuzugreifen“. Die Veröffentlichung der Informationen soll zum einen in dem zentralen Speichersystem gem. Art. 21 Transparenz-RL130 und zum anderen auf der Website des Emittenten (mindestens für fünf Jahre) stattfinden.131 Auch darf die Veröffentlichung nicht mit der Vermarktung der Tätigkeit des Emittenten verbunden werden. Darüber hinausgehende Modalitäten der Publizitätspflicht gem. Art. 17 MAR werden auf Basis des Art. 17 Abs. 10 lit. a) MAR durch Art. 2 f. Durchführungs-VO (EU) 2016/1055132 geregelt. Daneben bestehen auch abseits des Kapitalmarktrechts gesetzliche Informationsorganisationspflichten, wie etwa hinsichtlich der Führung133 und Aufbewahrung der Handelsbücher bei Kaufleuten134, im Rahmen der Dokumentationspflicht im Steuerrecht135 oder aufgrund spezialgesetzlicher 129 OLG Köln, Urt. v. 1.7.1994 – 11 U 29/94, NJW-RR 1995, 180 (181 f.); in diese Richtung bereits BGH, Urt. v. 12.3.1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 (320 f.) – Dachpfetten. 130 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38 ff., im Folgenden Transparenz-RL. 131 Zu der Art und Weise der Ad-hoc-Publizitätspflicht gem. 17 MAR vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 5. Aufl. 2020, Modul C I.3 (Stand: 25.3.2020), S. 25 ff.; Umnuß/Franke/ Schulenburg, Corporate Compliance Checklisten, Kap. 3, Rn. 90 ff.; Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, Rn. 35.56; Schimansky/Bunte/Lwowski/Hopt/Kumpan, BR-Hdb, § 107 Rn. 166 f.; insb. zur Pflicht zur Informationssammlung im Rahmen der Produktbeobachtungspflicht vgl. MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 990 f. 132 Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 der Kommission vom 29. Juni 2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards hinsichtlich der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen und für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 173 vom 30.6.2016, S. 47 ff. 133 Vgl. § 91 AktG, § 41 Abs. 1 GmbHG, § 33 Abs. 1 GenG, §§ 27 Abs. 3, 666, 259 BGB. 134 Vgl. §§ 238 ff. HGB, § 74 Abs. 2 GmbHG. 135 Vgl. §§ 140 ff. AO.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

Pflichten, wie etwa aus dem Produkthaftungsrecht136 oder dem Gewerberecht137, die auch im Rahmen der Wissensorganisation beachtet werden müssen.138 Die Marktbedingungen als äußere Bedingungen der Wissensorganisation nehmen vor allem die Stabilität des Marktes in den Blick: Je dynamischer ein Markt ist, desto rascher und flexibler muss auf Veränderungen reagiert werden können, sodass eher eine Delegation von Kompetenzen und sogar eine eingeschränkte Kommunikation hingenommen werden müssen.139 Ebenso können die inneren Bedingungen der Wissensorganisation die Ausgestaltung der Wissensorganisation beeinflussen. So ist es etwa bei höher qualifizierten Mitarbeitern eher möglich, detaillierte Organisationsvorschriften abzubauen und eine Kompetenzverlagerung an untere Hierarchiestufen zu ermöglichen, womit dann selbstverständlich zugleich eine intensivere Kommunikation zwischen den einzelnen Hierarchiestufen nötig wird.140 Auch technologische Entwicklungen beeinflussen die Wissensorganisation im erheblichen Maße.141 Insbesondere durch (semi-)autonome Algorithmen und die Verwendung von Big Data (Analytics), die selbst größte, manuell nicht handhabbare Datenmengen autonom organisieren und so eine „Smart Knowledge Organisation“ ermöglichen, tendieren die technischen Grenzen der Zumutbarkeit einer Wissensorganisation asymptotisch gegen null.142 Wie bereits oben skizziert, steht die Ausgestaltung der Wissensorganisation als Teil der Unternehmensorganisation als unternehmerische Entscheidung im Ermessen der Organisation bzw. in concreto im Ermessen ihres Vorstands bzw. des Leitungsorgans.143 Geleitet wird dieses Ermessen durch 136 Hier treffen den Hersteller besondere Pflichten, insbesondere Konstruktionspflichten, Fabrikationspflichten und Produktbeobachtungspflichten, die die Sammlung und Verarbeitung von Informationen voraussetzen. Der Hersteller ist hier zu einer umfangreichen Dokumentation angehalten, um angesichts der modifizierten Beweislastverteilung eine Haftung zu vermeiden, vgl. hierzu Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. F 11; MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 949 ff. 137 Vgl. § 6 Abs. 4 UmweltHG. 138 Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 175. 139 Frese/v. Werder, ZfbF 1989, Sonderheft 25, 1 (6). 140 Frese/v. Werder, ZfbF 1989, Sonderheft 25, 1 (7). 141 Vgl. ausführlich zur Veränderung der Wissenszurechnung durch die Digitalisierung Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441, passim; dies., NJW 2018, 2153 (2153 ff.); vgl. auch Frese/v. Werder, ZfbF 1989, Sonderheft 25, 1 (6 f.); Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 215. 142 Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441 (444); dies., NJW 2018, 2153 (2153 ff.). 143 BGH, Urt. v. 12.3.1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 (320) – Dachpfetten; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 215; Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (120).

C. Die Wissensorganisation

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die äußeren und inneren Bedingungen der Wissenszurechnung, wobei den rechtlichen Bedingungen als Mindestanforderungen eine besondere Bedeutung zukommt.144 So mag eine bestimmte Organisationsform zwar optimal zu den Marktbedingungen und den inneren Bedingungen passen, wenn sie jedoch den rechtlichen Rahmenbedingungen widerspricht, kann sie nicht als ordnungsgemäß angesehen werden. Zwar kann das Leitungsorgan trotzdem für eine derartige nicht ordnungsgemäße Wissensorganisation plädieren und diese einrichten, in diesem Fall müsste sich die Organisation jedoch trotz faktischen Nichtwissens als wissend behandeln lassen.145 Aufgrund dieser verschiedenen Gestaltungsbedingungen, die für jede Organisationsform konkret bestimmt werden müssen, und den daneben bestehenden unternehmensinternen Gestaltungszielen fällt eine klare Umschreibung einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation schwer.146 In jedem Fall kann aber festgestellt werden, dass es nicht nur eine ordnungsgemäße Organisationsform gibt, sondern vielmehr eine Vielzahl möglicher Organisationsformen, die als ordnungsgemäß angesehen werden können. Selbst in einem konkreten Unternehmen kann das Leitungsorgan meist zwischen mehreren möglichen Organisationsformen wählen, die zwar unterschiedlich, jedoch gleichermaßen ordnungsgemäß sind. Aufgrund dieser Varianzen ist es für die Frage der Wissenszurechnung einfacher, mittels Indikatoren festzustellen, ob die gewählte Wissensorganisation angemessen ist, wobei eine Ex-ante-Betrachtung angezeigt ist.147 So lässt sich etwa fragen, – ob für die kenntniserlangende Person erkennbar gewesen sein musste, dass die betroffene Information zu einem späteren Zeitpunkt oder in einem anderen Bereich rechtserheblich sein könnte (Sphäre der Wissensspeicherung), – ob für den Wissenden erkennbar gewesen sein musste, dass seine Kenntnisse bei der Abwicklung eines späteren Rechtsgeschäfts relevant werden könnten (Sphäre der Wissensweiterleitung), und – ob für einen beliebigen Mitarbeiter aufgrund der Reichweite eines bestimmten Prozesses die Notwendigkeit zur Nachforschung nach relevanten Informationen in der Wissensorganisation bestand (Sphäre der Wissensabfrage). 144 Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 217; Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441 (442 f.). 145 So auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 217; zur Exkulpationswirkung einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation vgl. auch unten § 9 A.III. 146 So auch Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (311); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (321). 147 In diese Richtung auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 409; Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (311).

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

Insbesondere in Bezug auf die Informationsweiterleitungs- und -abfragepflicht darf dabei nicht eine Segmentierung des Wissens nach den einzelnen Standorten, Filialen oder Abteilungen stattfinden. Die Weiterleitung von Informationen darf nicht ohne Weiteres an der Grenze der eigenen Organisationseinheit Halt machen, sondern muss auch im Rahmen des Möglichen (insbesondere mit Blick auf Chinese Walls) und des Zumutbaren auf andere Organisationseinheiten ausgeweitet werden, wobei die Grenzen einer möglichen und zumutbaren Wissensorganisation noch ausführlich zu untersuchen sein werden.148 Diese organisationseinheitsübergreifende Wissensorganisation wurde bereits für die Informationsweitergabe zwischen den innerbetrieblich mit dem Verkauf und der Sanierung eines Grundstücks befassten Personen,149 der Verkaufsabteilung und der Werkstatt eines Gebrauchtwagenhändlers150 und verschiedene Filialen eines Kreditinstituts151 bejaht, im Allgemeinen jedoch nicht zwischen zwei verschiedenen Ämtern, wie dem Liegenschafts- und dem Baurechtsamt.152 Selbst bei verschiedenen Ämtern wurde eine Weiterleitung allerdings verlangt, sofern der Informationsaustausch „möglich und naheliegend“ war.153 Diese Pflicht muss zumindest für verschiedene Organisationseinheiten innerhalb einer juristischen Person bzw. innerhalb desselben Unternehmens gelten. Zurückhaltung ist demgegenüber bei den Anforderungen an die unternehmensübergreifende Wissensorganisation geboten, da dort dem Informationsaustausch mehr Restriktionen entgegenstehen und darüber hinaus nur selten eine Informationsabfragepflicht begründet werden kann.154

III. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Wissensorganisationspflicht Die Beantwortung der Frage nach den Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Wissensorganisations„pflichten“ hängt unmittelbar mit dem Wesen dieser sog. „Pflichten“ zusammen. Dabei wurde oben festgestellt, dass im Innenverhältnis eine Pflicht zur Wissensorganisation besteht, die zuvorderst den

148 Zur Begrenzung der Wissenszurechnung vgl. ausführlich § 9 A.III., sowie innerhalb der jeweiligen unternehmensrechtlichen Strukturen in den §§ 10–12; zur Begrenzung durch informationelle Trennlinien, sog. Chinese Walls vgl. unten § 10 A.III. 149 OLG Köln, Urt. v. 27.11.1992 – 19 U 82/92, VersR 1994, 686 (688). 150 LG München I, Urt. v. 27.1.1988 – 31 S 11767/87, ZIP 1988, 924 (925). 151 BGH, Urt. v. 1.6.1989 – III ZR 261/87, NJW 1989, 2879 (2880 f.); BGH, Urt. v. 1.6.1989 – III ZR 277/87, NJW 1989, 2881 (2882). 152 BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (108) – Knollenmergel. 153 BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (109) – Knollenmergel. 154 Zum Informationsfluss im Konzern vgl. unten § 11 C.I.; zum Informationsfluss im nicht-konzernierten Unternehmensverbund vgl. § 12 C.I.

C. Die Wissensorganisation

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Vorstand bzw. das sonstige Leitungsorgan (mitunter aber auch den Aufsichtsrat) trifft und sich aus der Leitungsverantwortung ergibt, aus der die Unternehmensorganisationspflicht entspringt.155 Im Außenverhältnis besteht hingegen nach zwar umstrittener, aber vorzugswürdiger Ansicht keine allgemeine echte Rechtspflicht, sondern eine Obliegenheit zur Wissensorganisation; eine solche kann nur in Ausnahmefällen im Außenverhältnis begründet werden.156 1. Innenverhältnis Im Innenverhältnis können die Mitglieder des Leitungsorgans bzw. des jeweils zuständigen Organs ihre Pflicht zur Wissensorganisation verletzten. Verletzt ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft schuldhaft eine ihm obliegende Pflicht, so ist es gegenüber der Gesellschaft zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet, § 93 Abs. 2, Abs. 3 AktG. Ebenso trifft den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft gem. § 116 AktG iVm. § 93 AktG eine Schadensersatzpflicht für Pflichtverletzungen. Der GmbH-Geschäftsführer haftet seiner Gesellschaft gegenüber für Pflichtverletzungen gem. § 43 Abs. 2, Abs. 3 GmbHG. Ebenso haften die geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft für pflichtwidriges Verhalten.157 Im Rahmen dieser Haftung im Innenverhältnis stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit der Business Judgement Rule. Diese ist sowohl für den Vorstand einer AG158 als auch für den Aufsichtsrat,159 den Geschäftsführer einer GmbH160 und für andere Geschäftsleiter in allen anderen Arten unternehmerischer Betätigung161 anerkannt und erleichtert die Haftung im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen. Bei dieser Art von Entscheidungen soll nämlich keine Pflichtverletzung vorliegen, sofern auf der Grundlage angemessener Informationen vernünftigerweise davon ausgegangen werden konnte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.162 155

Vgl. oben § 8 C.I.1. Vgl. oben § 8 C.I.2. 157 Vgl. Podewils, BB 2014, 2632, passim. 158 § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. 159 § 116 S. 1 AktG iVm. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. 160 Für den GmbH-Geschäftsführer wurde die Business Judgement Rule zwar nicht positiv durch das UMAG geregelt, trotzdem geht die allgemeine Meinung von der Übertragbarkeit dieser Grundsätze aus, vgl. BGH, Urt. v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280 (282) unter ausdrücklichem Verweis auf die ARAG-Garmenbeck-Rechtsprechung; MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 66 mwNachw. 161 Begr. RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 12: „Der Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens im Bereich unternehmerischer Entscheidungen ist nicht auf den Haftungstatbestand des § 93 AktG und nicht auf die Aktiengesellschaft beschränkt, sondern findet sich auch ohne positivrechtliche Regelung in allen Formen unternehmerischer Betätigung“. 156

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

Dabei ist eine unternehmerische Entscheidung in erster Linie eine solche, die aufgrund ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt ist, womit sie sich von der Beachtung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum unterscheidet.163 Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen somit Verstöße gegen die Treuepflichten, Informationspflichten oder allgemeine Gesetzes- und Satzungsverstöße nicht durch die Business Judgement Rule privilegiert werden.164 Unternehmerische Entscheidungen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie eine bewusste Wahl einer unternehmerischen Handlungsmöglichkeit von wirtschaftlicher Tragweite aus mehreren Handlungsalternativen enthalten, wobei einer Entscheidung dann eine besondere wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wenn sie entweder nach ihrem Umfang oder ihrem Risiko eine hohe Bedeutung für die Vermögens- oder Ertragslage hat oder aufgrund ihrer Gestaltungswirkung das Unternehmen derart prägt, dass dadurch seine künftige Entwicklung vorgezeichnet wird.165 Insoweit besteht auch kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das eine zukunftsbezogene Entscheidung mit Prognoseoder Risikocharakter verlangt; selbst wenn eine solche in der Regel vorliegen dürfte, kann eine unternehmerische Entscheidung auch dann angenommen werden, wenn das Organmitglied genau die Folgen seiner Entscheidung kennt.166 Somit ist für das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung nicht die Zukunftsgerichtetheit oder die Risikobehaftung entscheidend; eine solche Entscheidung lässt sich vielmehr besser bestimmen, wenn man sie von rechtlich determinierten Entscheidungen abgrenzt.167 162

Zu den Voraussetzungen der Business Judgement Rule vgl. ausführlich Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 13 ff. 163 Begr. RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 164 Begr. RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 165 Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 23; dem folgend Heermann, AG 1998, 201 (203); S. H. Schneider, DB 2005, 707 (711); U. H. Schneider, DB 2011, 99 (100). 166 So auch Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 101 f., 141; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (647); Ott, ZGR 2017, 149 (157); Spindler, NZG 2005, 865 (871); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 84; KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, § 93 Rn. 17; dem steht auch nicht der Wille des Gesetzgebers entgegen, da dieser nur hervorhebt, dass unternehmerische Entscheidungen durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen „geprägt“ seien, nicht aber, dass dies eine Voraussetzung wäre, vgl. Begr. RegE. UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 167 Nach der Gesetzesbegründung des UMAG stellt die rechtlich gebundene Entscheidung den Gegensatz zu unternehmerischen Entscheidungen dar, vgl. Begr. RegE. UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11; so auch Koch, ZGR 2006, 769 (784 f.); Paefgen, AG 2014, 554 (560 f.); Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (8); Ott, ZGR 2017, 149 (157); gegen ein zu enges Verständnis und insb. gegen einen kategorischen Ausschluss gebundener Aufgaben dezidiert K. Schmidt/Lutter/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rn. 16; kritisch Frh. v. Falkenhausen,

C. Die Wissensorganisation

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Aufgrund dessen muss im Rahmen von aktienrechtlichen Organisations-, Planungs- und Überwachungsaufgaben im Hinblick auf die Frage nach unternehmensrechtlichen Entscheidungen zwischen dem „ob“ und dem „wie“ differenziert werden:168 Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass den Mitgliedern des Leitungsorgans eine normative Vorgabe zur Wahrnehmung der Pflicht obliegt, für eine ordnungsgemäße Unternehmensorganisation, -planung und -überwachung zu sorgen, die nicht unter den safe harbour des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gefasst werden kann. Folglich ist hier eine vollständige gerichtliche Überprüfung möglich. Lediglich hinsichtlich der Art und Weise der Pflichterfüllung wird man von einem unternehmerischen Entscheidungsspielraum ausgehen müssen, sofern sie nicht normiert oder durch die Rechtsprechung vorgegeben ist, sodass im Rahmen von Entscheidungen über die konkrete Ausgestaltung der Unternehmensorganisation, -planung und -überwachung abseits gesetzlicher Vorgaben der Anwendungsbereich der Business Judgement Rule eröffnet ist.169 Von dieser Differenzierung scheint auch der Gesetzgeber des KonTraG170 ausgegangen zu sein, wenn er zwar die Einrichtung eines Frühwarnsystems (§ 91 Abs. 2 AktG) zur organschaftlichen Pflicht erhebt, dessen Ausgestaltung jedoch von der Größe, Branche, Struktur und dem Kapitalmarktzugang des Unternehmens abhängig machen will und somit einen Ermessensspielraum eröffnet.171 Als Teil der Unternehmensorganisationspflicht können Entscheidungen im Rahmen der internen Wissensorganisation einen unternehmerischen Charakter haben. Dies kann zwar nicht für die Entscheidung, ob überhaupt eine Wissensorganisation stattfinden soll, gelten, da insofern eine Pflicht ohne Ermessensspielraum besteht. Demgegenüber besteht bezüglich der Frage

NZG 2012, 644 (646 f.); vgl. auch ausführlich Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 111 ff. 168 Wie hier Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 4 Rn. 94 ff.; vgl. hierzu auch Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 116 f. 169 Vgl. hierzu Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, 2009, S. 188 ff.; Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528); Hauschka, GmbHR 2007, 11 (13); Frh. v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (647); Paefgen, AG 2014, 554 (558 f.); Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441 (444); implizit auch Hemeling, ZHR 175 (2011), 368 (377); einschränkend Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 118 ff.; a.A., die auch trotz eines Beurteilungsspielraums in Bezug auf die Ausgestaltung das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung kategorisch ablehnt, wenn eine normative Vorgabe zur Wahrnehmung der Tätigkeit besteht: Holle, AG 2011, 778 (780 ff.). 170 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998, BGBl. I, S. 786 ff. 171 Begr. RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 15; zustimmend Fleischer AG 2003, 291 (298), auch mit Blick auf die haftungsrechtlichen Konsequenzen.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

nach der konkreten Ausgestaltung der Wissensorganisation nicht nur eine Handlungsmöglichkeit. Vielmehr stehen hier verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung, die dem verpflichteten Organ einen Ermessensspielraum eröffnen.172 Folglich werden im Rahmen der Ausgestaltung der Wissensorganisation unternehmerische Entscheidungen getroffen, die den Anwendungsbereich der Business Judgement Rule (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) eröffnen.173 Dabei handelt es sich zwar meist nicht um prognostische Entscheidungen, aber eine solche Zukunftsgerichtetheit ist, wie gezeigt, auch keine notwendige Voraussetzung einer unternehmerischen Entscheidung. Für die Einordnung der Ausgestaltung der Wissensorganisation als unternehmerische Entscheidungen ist vielmehr bereits ausreichend, dass auch hier eine bewusste Auswahl einer unternehmerischen Handlungsmöglichkeit aus mehreren Alternativen erforderlich ist, wobei ihr insbesondere durch ihre gestalterische Wirkung eine wirtschaftliche Tragweite zukommt. Diese Einordnung hat auch zur Folge, dass die Gefahr von hindsight biases (Rückschaufehlern) im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation, etwa im Bereich von Altlastenfällen, vermieden wird.174 Wenn im Schrifttum gegen die Anwendung der Business Judgement Rule im Rahmen von Wissensorganisationspflichten vereinzelt Bedenken geäußert werden,175 so können diese Zweifel zwar aufgrund der Konzeption als safe harbour im Rahmen der Innenhaftung der Unternehmensführung für das Außenverhältnis gelten.176 Für die hier in Rede stehende Pflicht der Organe gegenüber der Gesellschaft, für eine ordnungsgemäße Wissensorganisation zu sorgen, die mithin nur das Innenverhältnis betrifft, können diese Bedenken jedoch nicht durchschlagen. 2. Außenverhältnis Im Außenverhältnis besteht hingegen keine allgemeine Pflicht zur Wissensorganisation, sondern lediglich eine Obliegenheit.177 Aufgrund dessen bestehen hier weder Erfüllungs- noch Schadensersatzansprüche im Falle einer fehlenden oder unzureichenden Wissensorganisation. Vielmehr besteht die 172

Vgl. hierzu oben § 8 A.II.; vgl. auch Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441

(444). 173

Vgl. bereits Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441 (444); Naumann/Siegel, ZHR 181 (2017), 273 (276); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (120). 174 Diesen Vorzug erkennt auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320) an, auch wenn er der Einordnung von Entscheidungen im Rahmen der Wissensorganisationspflicht unter den Anwendungsbereich der Business Judgement Rule kritisch gegenübersteht. 175 So zumindest in Bezug auf im Außenverhältnis wirkende Wissensorganisationspflichten Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320 f.). 176 Vgl. hierzu sogleich, § 8 C.III.2. 177 Vgl. ausführlich oben § 8 C.I.2.

C. Die Wissensorganisation

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Rechtsfolge einer unzureichenden Wissensorganisation nach der herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung in der Zurechnung der Tatsachenkenntnis bzw. des Kennenmüssens in Bezug auf die jeweilige Information. Nach der hier vertretenden und in § 9 dieser Arbeit zu entwickelnden allgemeinen wertenden Wissenszurechnung, die die Zurechnung bereits an die arbeitsteilige Organisation als solche knüpft, könnte sich diese im Rahmen einer unzureichenden Wissensorganisation nicht von dem Verdikt der Zurechnung befreien. Im Hinblick auf spezielle Wissensorganisationspflichten im Außenverhältnis, die etwa als Ergänzung zur deliktischen Produkthaftung (Grundsätze der Produzentenhaftung) oder der Ad-hocPublizitätspflicht gem. Art. 17 MAR bestehen, sind die damit einhergehenden Rechtsfolgen zu beachten. Mangels allgemeiner Pflicht zur Wissensorganisation im Außenverhältnis kann insoweit auch nicht die Frage nach der Anwendung der Business Judgement Rule auftreten. Aber selbst wenn eine solche Pflicht zur Wissensorganisation im Außenverhältnis bestünde – und nichts anderes kann für die speziellen Wissensorganisationspflichten gelten –, ist eine Bezugnahme auf den safe harbour der Business Judgement Rule ausgeschlossen:178 Die Business Judgement Rule ist sowohl in ihrem US-amerikanischen Ursprung179 als auch nach der in der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung180 des BGH gefundenen Ausprägung und nicht zuletzt in ihrer Kodifizierung durch das UMAG181 als Haftungserleichterung für die Geschäftsleitung im Innenverhältnis ausgestaltet. Diese Ausrichtung wird zunächst durch den rechtsöko178 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320 f.); vgl. auch ders., im zugehörigen Diskussionsbericht zum ZHR-Symposium 2017, ZHR 181 (2017), 416 (417), wobei dort von abweichenden Meinungen anderer Teilnehmer (nicht namentlich genannt) berichtet wird; ders./Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441 (445); a.A. für die Anwendung der Business Judgement Rule im Rahmen der Wissensorganisationspflicht (für den Konzern) – allerdings ohne Begründung – Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (125). 179 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 151 ff.; Fleischer, FS Wiedemann (2002), S. 827 (833 f.); American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, 1994, Band 1, S. 139, § 4.01 (c): „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section [duty of care] if the director or officer (1) is not interested in the subject oft he business judgment; (2) is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate unter the circumstances; and (3) rationally belives that the business judgment is in the best interests oft he corporation.“; deutlich: American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, 1994, Band 1, S. 173. 180 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253 f.) – ARAG/Garmenbeck. 181 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22.9.2005, BGBl. I, S. 2802 ff.; Begr. RegE. UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11: „Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft“.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

nomischen Zweck der Business Judgement Rule nahegelegt:182 So soll durch diesen safe harbour das Leitungsorgan veranlasst werden, die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten genauestens einzuhalten, wobei gleichzeitig betont werden muss, dass zu strenge Sorgfaltspflichten häufig zu einer Risikoaversion auf Seiten der Entscheidungsträger führen, die wiederum negative volkswirtschaftliche Allokationswirkungen hervorrufen können.183 Eine solche Risikoscheu, die im hohen Maße zu Investitionsstaus führen kann, liegt ebenso wenig im Interesse der Aktionäre,184 sodass eine Haftungserleichterung wie der Business Judgement Rule sowohl im Interesse der Gesamtvolkswirtschaft als auch im Sinne der Unternehmenseigner liegt. Darüber hinaus soll durch die Business Judgement Rule auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen die Entscheidungsträger sich häufig mehreren Handlungsalternativen mit unterschiedlichen Ertragspotentialen, Risiken und Wahrscheinlichkeiten ausgesetzt sehen und die Entscheidungen dennoch unter einem großen Zeitdruck gefasst werden müssen.185 Diese Unwägbarkeiten im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen machen es notwendig, dem Entscheidungsträger einen Entscheidungsspielraum zuzubilligen, in dem er keine persönliche Haftung bei Fehlentscheidungen befürchten muss. Außerhalb der Wissensorganisationspflicht im Innenverhältnis kommt der Business Judgement Rule somit keine Bedeutung zu, auch wenn sich über andere dogmatische Anknüpfungspunkte etwaige Haftungserleichterungen ebenso erreichen lassen.186 Insbesondere sollte im Rahmen der Bewertung der Wissensorganisation eine Ex-ante-Perspektive eingenommen werden, da andernfalls die bereits oben skizzierte Gefahr von hindsight biases droht.187 Eine solche Beschränkung auf die Ex-ante-Perspektive ist jedoch nicht nur unter

182 Zur rechtsökonomischen Analyse der Business Judgement Rule Fleischer, FS Wiedemann (2002), S. 827 (829 ff.); vgl. zum Zweck auch Paefgen, AG 2004, 245 (247 f.); Koch, ZGR 2006, 769 (782). 183 Vgl. hierzu ausführlich Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 44 ff. mwNachw. 184 Delaware Court of Chancery, Gagliardi v. TriFoods International Inc., 683 A.2d 1049 (1996), recital 29: „Shareholders don’t want (or shouldn’t rationally want) directors to be risk averse. Shareholders‘ investment interests, acoss the full range of their diversifiable equity investments, will be maximized if corporate directors and managers honestly assess risk and reward and accept for the corporation the highest risk adjusted returns available that are above the firm’s cost of capial.“ 185 Plastisch Easterbrook/Fischel, The Economic Strcture of Corporate Law, 1991, S. 99: „Often managers must act now and learn later“. 186 Vgl. auch Spindler im Diskussionsbericht zum ZHR Symposium 2017, ZHR 181 (2017), 416 (417). 187 Hierauf weist bereits Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320) hin.

C. Die Wissensorganisation

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Zuhilfenahme der Business Judgement Rule möglich, sondern ist bereits der wertenden Wissenszurechnung immanent.188 Abseits der Frage, ob im Außenverhältnis die Business Judgement Rule anzuwenden ist, bleibt jedoch klärungsbedürftig, ob dem Unternehmen bei der Ausgestaltung der konkreten Wissensorganisation ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist. Hierbei könnte zwar auch gefragt werden, warum sich ein unternehmensfremder Dritter einen Ermessensspielraum entgegenhalten sollte, jedoch zeigt ein Blick auf einen anderen Bereich drittgerichteter Pflichten, wie den Verkehrssicherungspflichten, dass sich ein Ermessensspielraum und die Drittgerichtetheit von Pflichten nicht ausschließen müssen.189 So bestehen zwar im Rahmen der deliktischen Pflicht zur Verkehrssicherung Streupflichten, im Rahmen dieser ist es jedoch grundsätzlich unerheblich, ob mit Sand, Streusplitt oder Salz gestreut wird,190 vielmehr ist allein entscheidend, dass im Ergebnis ein gefahrloses Passieren der vereisten Stelle möglich ist. Solche Tendenzen zur Gewährung eines Ermessensspielraums im Außenverhältnis sind auch im Rahmen der Wissensorganisationspflichten erkennbar.191 Auch hier wird von der Rechtsprechung meist nur das Ergebnis – eine „ordnungsgemäße Wissensorganisation“ – festgelegt; wie dieses Ziel erreicht werden soll, bleibt jedoch – abseits der holzschnittartigen Konkretisierungen durch die Bezugnahme auf Teilpflichten zur Informationsspeicherung, -weiterleitung und -abfrage, die allerdings insbesondere im Bereich der speziellen Wissensorganisationspflichten durchaus präziser werden – bewusst offen.192 Außerhalb dieser Konkretisierungen verbleibt somit ein Ermessensspielraum.

188 Vgl. bereits oben § 8 A.II.; vgl. hierzu auch Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (121); Weller, ZGR 2016, 384 (404); Reuter, ZIP 2017, 310 (312). 189 Zu diesem Beispiel vgl. Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441 (445). 190 BGH, Urt. v. 1.7.1993 – III ZR 88/92, NJW 1993, 2802 (2803); so auch Horst, MDR 2001, 187 (188); MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 650; lediglich aus ökologischen Gründen wird auch von der Rechtsprechung immer stärker auf die für die Umwelt negativen Folgen der Streuung mit Salz hingewiesen. 191 Vgl. hierzu bereits oben § 8 A.II. 192 So auch Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 441 (445); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (120).

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

D. Fazit – Der Behelfscharakter des bestehenden wertenden Zurechnungskonzepts Das Konzept der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person wirft genauso viele Fragen auf, wie es Fürsprecher in Wissenschaft und Praxis hat. Es hat den Anschein, als tröste ein in der Praxis funktionierendes System über bestehende logische Brüche und dogmatische Verwerfungen hinweg. Nicht umsonst wird – zu Recht – von dem „Behelfscharakter“ des Pflichtenkonzepts gesprochen.193 Vielleicht ist Thomale auch dahin gehend zu verstehen, wenn er davon spricht, dass die wertende Wissenszurechnung unter „rechtsrealistischen Gesichtspunkten“ geltendes Recht darstellt;194 es besteht zwar ein Zurechnungskonzept, dass von allen Seiten getragen wird, dessen dogmatisches Fundament jedoch zumindest von nachgeordneter Bedeutung zu sein scheint. Neben den noch immer offenen Fragen nach der normativen Begründbarkeit und einer tragfähigen gesetzlichen Anknüpfung, die im späteren Verlauf der Arbeit noch einer genaueren Untersuchung unterworfen werden,195 bestehen die größten Zweifel in der Zurechnung unter Verweis auf Organisationspflichtverletzungen. Die rechtlichen Kategorien der Zurechnung und der Pflicht(verletzung) haben grundsätzlich keinen gemeinsamen Nenner und werden nur im Rahmen der modernen wertenden Wissenszurechnung miteinander verwoben. Dabei zeichnet sich die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation ansonsten immer durch ihre Unbedingtheit aus: Wenn eine bestimmte Person oder eine Person aus einer bestimmten Personengruppe für das Bezugssubjekt gehandelt hat, findet eine Zurechnung statt, ohne Ansehung auf das Hinzutreten weiterer Umstände. Sofern ein Vorstand oder ein verfassungsmäßig berufener Vertreter in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung gehandelt hat, wird diese Handlung nach § 31 BGB dem Verein zugerechnet. Sofern ein Vertreter für den Vertretenen eine Willenserklärung abgibt, wird ihre Wirkung dem Vertretenen nach § 164 Abs. 1 BGB zugerechnet. Gleiches gilt für den Zugang einer Willenserklärung an den Vertretenen gem. § 164 Abs. 3 BGB sowie dessen Willensmängel, Kenntnis und fahrlässige Unkenntnis gem. § 166 Abs. 1 BGB. Ebenso wird die Unredlichkeit von Hilfspersonen bei der Haftung nach § 990 BGB durch § 166 Abs. 1 BGB analog zugerechnet, sofern diese für

193

Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (315); zustimmend Buck-Heeb, ZHR 182 (2018), 96

(96). 194

Thomale, AG 2015, 641 (648). Zur Frage der normativen Begründbarkeit vgl. unten § 9 B.; zur Frage der dogmatischen Anknüpfung vgl. unten § 9 C. 195

D. Fazit – Der Behelfscharakter des bestehenden Zurechnungskonzepts

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den Besitzerwerber gehandelt hat und ihr dabei eine dem Vertreter vergleichbare Stellung zukommt.196 Sofern sich ein Schuldner eines Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen bedient, muss er sich im Rahmen der Erfüllung der Verbindlichkeit grundsätzlich dessen Verschulden nach § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen. Auch die Täuschungen von Personen, die im Lager bzw. auf der Seite des Erklärungsempfängers stehen und damit keine Dritten iSd. § 123 Abs. 2 BGB sind, werden dem Erklärungsempfänger zugerechnet, sodass ein Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB besteht.197 Auch die Zurechnungsnormen des VVG, namentlich §§ 2 Abs. 3, 20 S. 1, 70 S. 1 VVG knüpfen an die bloße Einschaltung eines Vertreters an. Zu dieser Unbedingtheit der Zurechnung passt das herrschende Konzept der wertenden Wissenszurechnung mittels Bezugnahme auf Wissensorganisationspflichten nicht. Durch die Wissensorganisationspflichten werden an die Zurechnung weitere Tatbestandsvoraussetzungen gestellt, die der Zurechnung ansonsten fremd sind. Die beschriebene Unbedingtheit vermag dabei auch normativ zu überzeugen, da die Zurechnung nichts anderes als eine Erweiterung des Verantwortungsbereichs darstellt. Sofern das Bezugssubjekt sich Dritter bedient und dadurch eine arbeitsteilige Organisation schafft, ist es nicht nur für sein eigenes Verhalten verantwortlich; aus der Erweiterung des Geschäftskreises muss auch eine Erweiterung des Verantwortungsbereichs folgen – unabhängig von weiteren Faktoren. Gelten diese Zweifel an der Restriktion durch das geschaffene Erfordernis von Wissensorganisationspflichten für die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation im Allgemeinen, müssen sie gleichviel mehr für den Fall der Wissenszurechnung gelten. Sofern Wissensnormen nur an positive Kenntnis und nicht auch an fahrlässige Unkenntnis anknüpfen,198 fällt die Wissenszurechnung bei einer fahrlässigen Wissensorganisationspflichtverletzung schwer.199 Bei konsequenter Anwendung des Pflichtenkonzepts würde der

196 BGH, Urt. v. 9.2.1960 – VIII ZR 51/59, BGHZ 32, 53 (56); BGH, Urt. v. 15.1.1964 – VIII ZR 236/62, BGHZ 41, 17 (21 f.); Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 269 ff.; MünchKommBGB/Raff, § 990 Rn. 25; Staudinger/Thole (2019), BGB, § 990 Rn. 68 f.; a.A. für die Heranziehung des Rechtsgedankens des § 831 BGB Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 17, wobei auch bei dieser Konstruktion die Zurechnung nur an die Stellung der Hilfsperson geknüpft wird, sofern diese für den Besitzerwerber gehandelt hat. 197 MünchKommBGB/Armbrüster, § 123 Rn. 73.; Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2017), BGB, § 123 Rn. 53; Soergel/Hefermehl, BGB, § 123 Rn. 32. 198 Vgl. zu absoluten Wissensnormen auch § 4 Fn. 38. 199 Zur Kritik vgl. auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 439 f.; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, 2001, S. 236; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (13); Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121 (154 f.); Drexl, Bankrechtstag 2002, S. 85 (100); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (118); MünchKommBGB/Schramm, 6. Aufl. 2012, § 166 BGB Rn. 30.

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§ 8 Das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell

juristischen Person positive Kenntnis zugerechnet werden, selbst wenn sie nur fahrlässig die Wissensorganisationspflichten verletzt hat.200 Die Zurechnung positiver Kenntnis bei einer bloß fahrlässigen Pflichtverletzung ist vor allem im Hinblick auf die unterschiedliche Unrechtsintensität zweifelhaft. Wie bereits dargestellt,201 erfordert die positive Kenntnis im Hinblick auf den Grad der Sicherheit zumindest, dass der potentiell Wissensbelastete nach dem Maßstab von Treu und Glauben dazu befähigt – gleichsam aber auch verpflichtet – ist, in seinem Verhalten die betreffende Tatsache berücksichtigen zu können.202 Eine Unsorgfältigkeit – abseits des bewussten Sich-Verschließens – ist allerdings für die Begründung positiver Kenntnis irrelevant, vielmehr begründet die fahrlässige Unkenntnis nach der Legaldefinition des § 122 Abs. 2 BGB bloßes Kennenmüssen.203 Die konsequente Anwendung der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung bewertet jedoch bloß verfügbares Wissen und tatsächliches Wissen gleich und führt somit zu einer Aufhebung der Grenze zwischen positiver Kenntnis und bloßem Kennenmüssen, wobei dies insbesondere die gesetzlichen Wertungen, die hinter absoluten Wissensnormen stehen, untergräbt und deshalb äußerst zweifelhaft ist.204

200

So auch Risse, NZG 2020, 856 (863); Altmeppen, NJW 2020, 2833 (Rn. 10). Vgl. oben § 4 A.1. 202 Gleichsinnig Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 53; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (6); Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 12. 203 Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 357; Watter, FS Kleiner (1993), S. 125 (139). 204 So auch Drexl, Bankrechtstag 2002, S. 85 (100); MünchKommBGB/Schramm, 6. Aufl. 2012, § 166 BGB Rn. 30; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, 2001, S. 236; ähnlich auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 439. 201

§9

Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen Neben den Vorzügen, die die wertende Wissenszurechnung im Unternehmen gegenüber der absoluten Wissenszurechnung hat,1 muss in Bezug auf das bestehende „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell festgestellt werden, dass dort gleichfalls Wertungswidersprüche sowie offene dogmatische und normative Fragen bestehen, die weder Rechtsprechung noch Literatur zu schließen bzw. zu beantworten vermögen.2 Obwohl die Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation als Verantwortungserweiterung grundsätzlich unbedingt ausgestaltet ist und nur an die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis sowie dem Handeln für die Organisation angeknüpft wird und obwohl durch die Integration der Wissensorganisationspflichten die Grenze zwischen positiver Kenntnis und Kennenmüssen verschwimmt, halten sowohl Rechtsprechung als auch Literatur an diesem Zurechnungsmodell fest.3

1

Vgl. hierzu bereits oben § 8 A. Zum „Behelfscharakter“ der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (315); zustimmend Buck-Heeb, ZHR 182 (2018), 96 (96); vgl. hierzu auch bereits § 8 D. 3 Ausdrücklich Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (118): „[…] wird in der Literatur und Rechtsprechung (mit Unbehagen bemerkt) im Ergebnis aber hingenommen.“, die in der Folge das bestehende Zurechnungskonzept dann selbst übernehmen; in jüngerer Zeit ebenso Buck-Heeb, WM 2016, 1469 (1469); Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (192 ff.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (313 ff.); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (359 f.); auch BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 23), das zwar die „pflichtenbasierte“ Wissenszurechnung für § 826 BGB ausschließt und deren Anwendung für das Deliktsrecht offenlässt, ansonsten das Konzept aber als bestehend voraussetzt. 2

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells Insofern drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, ob das bestehende „pflichtenbasierte“ wertende Zurechnungsmodell nicht modifiziert werden sollte und ob nicht dadurch die Unzulänglichkeiten und dogmatischen Brüche in der wertenden Wissenszurechnung beseitigt werden können. Dabei sollen die Überlegungen durch die Idee geleitet werden, ein verallgemeinerungsfähiges Wissenszurechnungskonzept für arbeitsteilige Organisationen zu schaffen, das zum einen die Unterschiedlichkeit zwischen Zurechnung und Pflichtverletzung beachtet und zum anderen offen ist für die unterschiedlichen Wertungen der verschiedenen Wissensnormen und Organisationsformen. Gleichzeitig wird versucht, trotz der Modifizierung des Zurechnungskonzepts bewährte Elemente der bisherigen „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung zu übertragen und so eine Symbiose aus bekannten Wertungen und einem neuen dogmatischen Fundament zu schaffen. Dabei sei vorweggeschickt, dass die sogleich eingeführte Zweistufigkeit des Zurechnungskonzepts lediglich Verdeutlichungszwecken dient, um die jeweils zugrunde liegenden Wertungen und dogmatischen Anknüpfungspunkte leichter nachvollziehen zu können. Gleichwohl ist die hier vorgestellte allgemeine wertende Wissenszurechnung als Einheit zu verstehen, wobei etwaige unbillige Ergebnisse der ersten Stufe erst auf der zweiten Stufe revidiert werden.

I. Anwendungsbereich: Erfordernis einer hinreichenden Organisationsdichte Es wurde bereits dargestellt, dass aufgrund des Angleichungsbedarfs zwischen dem Einflussbereich und dem Verantwortungsbereich innerhalb arbeitsteiliger Organisationen die Zurechnung innerhalb solcher Organisationen als Angleichungsmittel notwendig ist, um die Anwendung von Bezugsnormen, bei denen der Gesetzgeber von dem Handeln natürlicher Personen ausgegangen ist, zu gewährleisten und vor Umgehung zu schützen.4 Wenn sich jedoch ein solcher Angleichungsbedarf und mithin auch ein solcher Zurechnungsbedarf bereits aus der bloßen Tatsache der Arbeitsteilung ergibt, muss auch die Zurechnung bereits an dieses Merkmal anknüpfen. Aufgrund dessen ist es notwendig, dass das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept für alle Formen arbeitsteiliger Organisationen gleichermaßen anwendbar ist.5 Dies bedeutet allerdings nicht, dass im Rahmen 4 5

Vgl. bereits oben § 5 C. Für eine Ausweitung der Grundsätze der wertenden Wissenszurechnung über die

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

91

der Anwendung dieses Zurechnungskonzepts die Zurechnung zwangsläufig für alle Organisationsformen zu den gleichen Ergebnissen führt.6 Die inhaltliche Reichweite der Zurechnung innerhalb der verschiedenen Organisationsformen wird dabei auf der zweiten Stufe dieses Konzepts insbesondere durch die Faktoren der rechtlichen Organisationsbedingungen sowie der Zumutbarkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation bestimmt werden. Um dem vierten Teil dieser Arbeit nicht vorzugreifen, wird an dieser Stelle jedoch darauf verzichtet, die unterschiedlichen Zurechnungsbedingungen für die verschiedenen Organisationsformen darzustellen. Vielmehr sollen bloß die generelle Anwendbarkeit sowie die Ausgestaltung und Reichweite dieses Zurechnungskonzepts abstrakt erörtert werden, die im vierten Teil der vorliegenden Arbeit als Grundlage dienen sollen. Anwendbar ist das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept auf alle Formen arbeitsteiliger Organisationen, wobei eine gewisse Organisationsstruktur bzw. eine „hinreichende Organisationsdichte“ erreicht werden muss.7 Der Begriff der Arbeitsteilung ist derart allgemein, dass das arbeitsteilige Zusammenwirken beispielsweise bereits dann bejaht werden muss, wenn ein Unternehmen von einem anderen Bürobedarf kauft, da das erste Unternehmen auf diese Weise diese Arbeitsmaterialien nicht selber herstellen muss.8 Doch auch wenn die Arbeitsteilung ohne feste Organisationsstrukturen möglich ist – und mindestens ebenso häufig wie die Arbeitsteilung in festen Organisationsstrukturen stattfindet –, müssen solche Formen des arbeitsteiligen Zusammenwirkens aus dem Anwendungsbereich der wertenden Wissenszurechnung herausfallen, in denen nur eine punktuelle oder lose Zusammenarbeit stattfindet. Zum einen geht von lediglich punktuellen oder losen Verbindungen (im Vergleich zu arbeitsteiligen Organisationen) keine gesteigerte Gefahr einer systemimmanenten Wissenszersplitterung oder einer Informationsverschleppung aus. Zum anderen wäre eine gemeinsame Wissensorganisation, die seitens der wissenden Person die Speicherung und Weiterleitung von erkennbar relevanten Informationen sowie seitens der handelnden Person die Abfrage potentiell relevanter Informationen voraussetzen würde,9 in solchen Verbindungen nicht durchsetzbar.10 Die Partner einer punktuellen Arbeitsteilung, wie beispielsweise die Parteien eines Kaufvertrages, haben regelmäßig keine Möglichkeit, auf den Informationsbestand

juristische Person hinaus bereits Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); Canaris, Karlsruher Forum 1994, 33 (33). 6 Vgl. hierzu insbesondere die zweite Stufe des Zurechnungskonzepts unter § 9 A.III. 7 Zum Konzept der hinreichenden Organisationsdichte vgl. bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508 f.). 8 Zu diesem Beispiel bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). 9 Vgl. hizu etwa BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 10 Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508).

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

des anderen Teils zuzugreifen,11 sodass – zu Recht – auch noch niemand auf die Idee gekommen ist, im Rahmen solcher gewöhnlicher Kaufvertragsbeziehungen das Wissen der einen Partei der anderen auf wertender Grundlage zuzurechnen. Daher ist eine hinreichende Organisationsdichte erforderlich, um zur Anwendung der wertenden Wissenszurechnung zu gelangen,12 wobei die Grenzziehung mitunter schwierig sein kann: Wenn zum Beispiel eine Mutter oder ein Vater ihr bzw. sein Kind beauftragt, Erledigungen für sie bzw. ihn zu tätigen, wird hierunter regelmäßig mangels nötiger Organisationsdichte keine arbeitsteilige Organisation zu verstehen sein. Wenn diese Beauftragung jedoch im Rahmen eines gemeinsamen Familienunternehmens und in Bezug auf unternehmensbezogene Tätigkeiten stattfindet, stellt sich diese Situation schon anders dar.13 Entscheidend muss sein, ob sich aus der Organisationsdichte der jeweiligen Form der Arbeitsteilung schließen lässt, dass diese Struktur als „Organisation“ zu qualifizieren ist.14 Dabei stellen feste Organisationsstrukturen einen Indikator dar, wobei nicht zwangsläufig auf die tatsächlichen Strukturen abgestellt werden kann, sondern auf die nach Art und Umfang der Organisation erwartbaren, bei einer ordnungsgemäßen Organisation einzurichtenden Strukturen. Die Größe einer Organisation ist somit ein wichtiger Anhaltspunkt für eine bestimmte Organisationsdichte, da es umso erforderlicher wird, hinreichende Organisationsstrukturen zu etablieren, je größer eine Organisationseinheit ist.15 Ebenso können die Art und der Umfang der Geschäftstätigkeit Rückschlüsse auf die erwartbaren Organisationsstrukturen zulassen. Daneben kann auch im Wege einer tatsächlichen Feststellung der Organisationsstrukturen, wie feste Kompetenzzuordnungen, Vertretungsordnungen, Hierarchieebenen, Reportingstrukturen etc. (die ggf. über das für die jeweilige Arbeitsteilung erforderliche Maß an Organisationsstrukturen hinausgehen können), die Organisationsdichte bestimmt werden.16 11 Zur Möglichkeit der Beherrschung des Informationsflusses als Voraussetzung der wertenden Wissenszurechnung vgl. Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (365 ff.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (333); vgl. auch unten § 9 A.III.2.b)aa); vgl. hierzu auch Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508); die Zugriffsmöglichkeit auf den Informationsbestand anderer Organisationsteilnehmer ist bereits zuweilen im Konzern (vgl. § 11 C.I.) und erst recht in nichtkonzernierten Unternehmensverbindungen (vgl. § 12 C.I.) problematisch und ein häufiger Grund für die dortigen Beschränkungen der wertenden Wissenszurechnung. 12 Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). 13 Zu diesem Beispiel vgl. bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). 14 Zu den Kriterien zur Bestimmung einer hinreichenden Organisationsdichte vgl. bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). 15 Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). 16 Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508).

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

93

Im Übrigen kann auch die Organisationsform (ähnlich wie die Qualifizierung als Formkaufmann im Sinne des § 6 Abs. 1 HGB) als formales Kriterium zur Bestimmung einer hinreichenden Organisationsdichte dienen: Ist eine arbeitsteilige Struktur als Kapitalgesellschaft oder als Personenhandelsgesellschaft ausgestaltet, folgt bereits aus diesem Umstand die Qualifikation als arbeitsteilige Organisation im Sinne der wertenden Wissenszurechnung.17 Mithin erreichen eine solche hinreichende Organisationsdichte zweifelsohne sowohl eine juristische Person18 als auch eine Personen(handels)gesellschaft19. Zudem sind Konzerne20 und nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen auf vertraglicher Grundlage,21 wie etwa im Franchising oder bei (Just-in-time-)Lieferketten, Organisationsformen, die primär der langfristigen und organisierten Arbeitsteilung dienen, und fallen somit unter den Anwendungsbereich der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum nicht auch ein Einzelkaufmann, der seinen Betrieb mithilfe von verschiedenen Prokuristen und anderen Bevollmächtigten führt und dabei gleichfalls (bzw. teilweise sogar gleichermaßen) arbeitsteilig handelt, ohne in Form einer Gesellschaft aufzutreten, den gleichen Wissenszurechnungsregeln unterworfen sein sollte.22 Dabei kann auch nicht die auf natürliche Personen zugeschnittene Zurechnungsnorm des § 166 Abs. 1 BGB als Argument dafür gelten, dass hier kein Bedürfnis für die wertende Wissenszurechnung bestünde. Immerhin bliebe sonst ein Wertungswiderspruch zwischen einer arbeitsteiligen Organisation, der über die wertende Wissenszurechnung beispielsweise auch nicht-handlungsakzessorisches Wissen zugerechnet wird, und dem Einzelkaufmann, dem gem. § 166 Abs. 1 BGB nur handlungsakzessorisches Wissen zugerechnet werden kann. Gleiches muss natürlich auch für eine in arbeitsteiliger Hinsicht ebenso potente Einzelperson gelten, wie etwa im Bereich der freien Berufe. Die Integration des Erfordernisses einer hinreichenden Organisationsdichte ist allerdings nicht dahin gehend misszuverstehen, dass die wertende Wissenszurechnung ein „binäres System“ wäre, in dem nach Bejahung dieses Kriteriums die wertende Wissenszurechnung für alle arbeitsteiligen Organisationen zu den gleichen Zurechnungsergebnissen führen würde.23 Zwar werden hierdurch gewisse Formen der Arbeitsteilung (z.B. der Sohn, der Erledigungen für seine Eltern tätigt, oder rein punktuelle arbeitsteilige Verbin-

17

Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). Vgl. hierzu ausführlich § 10. 19 Vgl. hierzu der Exkurs im Rahmen der Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern, § 11 D.II.2.b). 20 Vgl. hierzu ausführlich § 11. 21 Vgl. hierzu ausführlich § 12. 22 Vgl. hierzu Seidel, ZIP 2020, 1506 (1509 ff.). 23 Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). 18

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

dungen) von der wertenden Wissenszurechnung ausgeschlossen, wenn sie nicht die nötige Organisationsdichte aufweisen, jedoch stellt diese Hürde nur eine Art Mindestvoraussetzung für bzw. ein Eintrittstor in die wertende Wissenszurechnung dar.24 Wird dieses Eintrittstor mit der Bejahung der hinreichenden Organisationsdichte durchschritten, besagt dies lediglich, dass die Grundsätze der wertenden Wissensorganisation anwendbar sind. Wie gleich zu zeigen sein wird, richtet sich auch innerhalb dieses Zurechnungssystems die Reichweite der wertenden Wissenszurechnung (bzw. anders formuliert: der Umfang der jeweils als angemessen anzusehenden Wissensorganisation) nach den erwartbaren Organisationsstrukturen:25 Im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung soll eine Wissenszurechnung nur so weit stattfinden, wie eine Wissensorganisation möglich und zumutbar ist.26 Die erwartbaren Organisationsstrukturen sind somit nicht nur für die Prüfung des Anwendungsbereichs der wertenden Wissenszurechnung, sondern genauso zu ihrer Begrenzung von Bedeutung. Bei sophistischer Betrachtung könnte zwar der Einwand erhoben werden, dass auf das Erfordernis einer hinreichenden Organisationsdichte als „Eintrittstor“ zur wertenden Wissenszurechnung verzichtet werden könnte: Immerhin wäre es ebenso denkbar, auch ohne solche als notwendig erachteten Organisationsstrukturen und trotz fehlender Möglichkeit zur Implementierung einer gemeinsamen Wissensorganisation zwar die wertende Wissenszurechnung für anwendbar zu erklären, gleichwohl aber jede Form der Wissensorganisation entweder schon für nicht möglich oder aber für unzumutbar zu qualifizieren, sodass in diesem Fall gleichfalls das Wissen nicht zugerechnet werden könnte.27 Schlussendlich kommen beide Sichtweisen zu dem gleichen Ergebnis: keine wertende Wissenszurechnung bei arbeitsteiligem Zusammenwirken ohne hinreichende Organisationsdichte. Dieses Ergebnis wird aber unter Zuhilfenahme des Kriteriums der hinreichenden Organisationsdichte leichter und ohne Eintritt in die zweistufige Prüfung erreicht und ist daher schon aus Praktikabilitätsgründen vorzugswürdig. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieses Wissenszurechnungskonzepts für arbeitsteilige Organisationen erfolgt die Wissenszurechnung (abseits von spezialgesetzlichen Wissenszurechnungsnormen wie etwa im VVG) nur über § 166 Abs. 1 BGB. Insofern stellt die allgemeine wertende Wissenszurechnung

24

Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). Seidel, ZIP 2020, 1506 (1508). 26 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (550 f.); vgl. auch BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (109) – Knollenmergel: „möglich und naheliegend“; zur Beschränkung der wertenden Wissenszurechnung im Hinblick auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Wissensorganisation vgl. unten § 9 A.III.2.b). 27 Zu dieser Erkenntnis bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1509). 25

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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nach dem hier vorgestellten Konzept innerhalb ihres Anwendungsbereichs eine Lex-specialis-Vorschrift für arbeitsteilige Organisationen dar.

II. Erste Stufe: Unbedingte Zurechnung 1. Unbedingtheit der Zurechnung Aufgrund des Zwecks der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation, der in der Anpassung des Verantwortungsbereichs der Organisation liegt,28 ist die Fremdzurechnung unbedingt auszugestalten. Die Zurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen wird dabei erforderlich, da der Gesetzgeber bei der Schaffung des BGB grundsätzlich von dem Handeln natürlicher Personen in Zweipersonenverhältnissen ausgegangen ist.29 Aus diesem Verständnis entspringt auch der Gedanke, dass jedes Rechtssubjekt grundsätzlich nur für das eigene Verhalten die Verantwortung trägt, sodass ein Gleichlauf zwischen Einflussbereich und Verantwortungsbereich besteht. In dem Fall der durch Arbeitsteilung hervorgerufenen „arbeitsteiligen Persönlichkeitserweiterung“ bzw. der faktischen Erweiterung des handelnden Rechtssubjekts dehnt sich jedoch der Geschäftskreis des in Rede stehenden Rechtssubjekts auf mehrere Personen aus, sodass das Gleichgewicht zwischen Einflussbereich und Verantwortungsbereich aus der Waage gerät. Um dieses Gleichgewicht (wieder-) herzustellen, muss somit die Erweiterung des Geschäftsbereichs auch eine Erweiterung des Verantwortungsbereichs zur Folge haben.30 Mithin ist vom Grundsatz der erweiterten Wissensverantwortung bei arbeitsteiligen Organisationen auszugehen. Um dem Zweck der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation gerecht zu werden und einen Gleichlauf zwischen dem Einflussbereich und dem Verantwortungsbereich (wieder-) herzustellen, muss die Zurechnung bereits durch die Zugehörigkeit des Zurechnungssubjekts (z.B. Vorstand) zu dem Verantwortungsbereich des Bezugssubjekts (z.B. Aktiengesellschaft) begründet werden. Dies zeigen auch die unterschiedlichen normativen Begründungsansätze des herrschenden „pflichtenbasierten“ Wissenszurechnungskonzepts für die juristischen Person, die entweder an der Gleichstellung oder dem Verkehrsschutz bzw. einer Risikoverteilung31 – mithin an der Struktur der Organisation als solcher – anknüpfen. 28

Zum Zweck der Zurechnung unter besonderer Berücksichtigung der arbeitsteiligen Organisation vgl. oben § 5 C. 29 Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 31; vgl. auch Bork, ZGR 1994, 237 (239 f.). 30 Zum Zweck der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation § 5 C.; zur Rechtfertigung der Zurechnung § 5 D.; Bork, ZGR 1994, 237 (240): Zurechnung als notwendiges Korrektiv im Rahmen der Arbeitsteilung oder Funktionsaufspaltung zwischen mehreren Rechtssubjekten. 31 Vgl. hierzu oben § 5 D.; vgl. auch unten § 9 B.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Im Allgemeinen werden (abseits des herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzepts) sowohl äußere Tatbestände (wie das Handeln) als auch innere Tatbestände (wie die Kenntnis) der arbeitsteiligen Organisation bereits zugerechnet, sofern das Zurechnungssubjekt zu einer Personengruppe gehört, die im Einflussbereich bzw. Geschäftskreis der Organisation liegt (etwa Organpersonen, Bevollmächtigte oder Angestellte) und das Zurechnungsobjekt (etwa das Handeln, eine Willenserklärung oder Wissen) in einem räumlich-zeitlichen Zusammenhang zur Organisation steht, etwa indem „für“ diese gehandelt wird.32 Für die wertende Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen ist nicht ersichtlich, warum diese anderen Zurechnungsregeln folgen soll, die abseits dieser Konstruktion völlig unbekannt und darüber hinaus wie gesehen dogmatisch zumindest fragwürdig sind.33 Dass die Wissenszurechnung im Rahmen der Zurechnungslehre keine Ausnahme ist, zeigt auch § 166 Abs. 1 BGB, der die Zurechnung bloß an die Vertretereigenschaft knüpft (sowie an die Negativvoraussetzung des Ausnahmetatbestands des Abs. 2). Wenn jedoch keine plausiblen Gründe ersichtlich sind, die wertende Wissenszurechnung anderen Regeln folgen zu lassen als im Rahmen der allgemeinen Zurechnungslehre bei arbeitsteiliger Organisation, muss auch hier die Zurechnung – zumindest im Ausgangspunkt – unbedingt erfolgen. 2. Horizontale und vertikale Zurechnung Um den Zweck der Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation zu erfüllen, muss sich die Zurechnung auf alle Personen beziehen, die sich im Verantwortungsbereich der Organisation befinden. Dadurch integriert sich die erste Stufe der hier vorgestellten allgemeinen wertenden Wissenszurechnung vollständig in die allgemeinen Zurechnungslehren im Rahmen von arbeitsteiligen Organisationen, nach denen eine Zurechnung bereits erfolgt, sofern das Zurechnungssubjekt zu einer Personengruppe gehört, die im Einflussbereich bzw. Geschäftskreis der Organisation steht, um den Verantwortungsbereich dem Einflussbereich anzupassen. Somit findet in dem hier in Rede stehenden ersten Schritt der wertenden Wissenszurechnung nicht nur eine Zurechnung des Wissens von Organmitgliedern statt, sondern ebenso solches von Mitarbeitern und anderen Personen, die sich im Einflussbereich bzw. Geschäftskreis der Organisation befinden, sodass in dem hier vorgestellten Konzept die horizontale und die vertikale Wissenszurechnung, die auch das bekannte „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungskonzept kennt,34 kombiniert werden. 32

Vgl. hierzu oben § 8 D. Vgl. hierzu oben § 8 D. 34 Vgl. zur vertikalen Wissenszurechnung nach dem anerkannten wertenden Wissens33

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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3. Zurechnungsobjekt: Kenntnis und fahrlässige Unkenntnis Da in dem allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzept die Zurechnung nicht als Rechtsfolge einer Organisationspflichtverletzung, sondern als unmittelbare Folge der Arbeitsteilung verstanden wird, kann nur diejenige Kenntnis und dasjenige Kennenmüssen der für die arbeitsteilige Organisation handelnden natürlichen Personen zugerechnet werden, die bzw. das auch tatsächlich in der natürlichen Person vorgelegen hat; sowohl die Kenntnis als auch die fahrlässige Unkenntnis des einzelnen Zurechnungssubjekts werden mithin unabhängig voneinander zugerechnet. Wenn seitens des Zurechnungssubjekts keine positive Kenntnis vorliegt, sondern lediglich der Vorwurf einer fahrlässigen Unkenntnis erhoben werden kann, wird nur diese der arbeitsteiligen Organisation als Bezugssubjekt zugerechnet. Durch die Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Zurechnungsobjekten vermag es die allgemeine wertende Wissenszurechnung, der Unterscheidung zwischen Wissen und Wissenmüssen innerhalb der verschiedenen Wissensnormen gerecht zu werden und die diesbezügliche gesetzgeberische Grenze zu wahren. In dieser Differenzierung besteht ein bedeutender Unterschied zwischen der hiesigen allgemeinen wertenden Wissenszurechnung und der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung: Dort soll sich beispielsweise die juristische Person als Folge einer unzureichenden Wissensorganisation nicht auf ihr Nichtwissen (bzw. das Nichtwissen der konkret für sie handelnden Person) berufen können.35 Durch diese Wissensfiktion36 kann sich bei konsequenter Anwendung des dortigen Zurechnungskonzepts die juristische Person selbst bei einer fahrlässigen Wissensorganisationspflichtverletzung nicht auf ihr Nichtwissen berufen, selbst wenn dem in Rede stehenden Mitarbeiter nur fahrlässige Unkenntnis zur Last gelegt werden kann (die im weiteren Verlauf nicht weitergegeben wurde).37 Die damit einhergehende Nivellierung der Grenze zwischen Wissen und Wissenmüssen ist dogmatisch nicht haltbar und war deshalb durch das hiesig neu zu begründende allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept zu korrigieren.

zurechnungskonzept Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 634 ff.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 337 ff., jeweils mwNachw. 35 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35 f.); vgl. hierzu auch oben § 8 B.II. 36 Zur Qualifizierung als Fiktion trefflich Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 87 ff.; so auch Risse, NZG 2020, 856 (859). 37 Vgl. hierzu auch oben § 8 D.; vgl. dazu auch Risse, NZG 2020, 856 (863); Altmeppen, NJW 2020, 2833 (Rn. 10).

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

4. Zurechnung von Teilwissen und Wissenszusammenrechnung Vor dem Hintergrund der unbedingten Zurechnung der Kenntnis und der fahrlässigen Unkenntnis aller für die arbeitsteilige Organisation tätigen Personen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch nicht-handlungsakzessorisches Wissen zugerechnet wird, ist es konsequent, dass Teilwissen der einzelnen Zurechnungssubjekte ebenso zum Bezugssubjekt zugerechnet wird wie dasjenige Wissen, das für sich alleine schon den Tatbestand einer Wissensnorm erfüllt. Wenn in einem solchen Fall das Teilwissen mehrerer Zurechnungssubjekte, das jeweils für sich betrachtet nicht zur Erfüllung des Tatbestands einer Wissensnorm genügt, der arbeitsteiligen Organisation zugerechnet wird und durch die Addition dieser Wissensteile die Rechtsfolge der Wissensnorm eintritt, so muss sich die Organisation diese Rechtsfolge entgegenhalten lassen. Es findet somit eine Wissenszusammenrechnung statt.38 5. Die unbedingte Wissenszurechnung als Zwischenergebnis Zwar scheint bei solchen Überlegungen zugunsten einer im Ausgangspunkt unbedingten Wissenszurechnung das Schreckgespenst der (richtigerweise abzulehnenden) Theorie der absoluten Wissenszurechnung39 durch und tatsächlich wäre ein solches Zurechnungskonzept ausgesprochen weit und im Hinblick auf ein etwaig schutzwürdiges Interesse an einer effektiven Wissensaufspaltung zu weit, wenn man es bei dieser ersten Stufe der absoluten Wissenszurechnung beließe.40 Dies gilt umso mehr, als die hier vorgestellte erste Stufe der Zurechnung, die sowohl das Wissen von Organpersonen als auch solches von Mitarbeitern zurechnet, in diesem Punkt sogar weiter ist als die Theorie der absoluten Wissenszurechnung, die nur auf Organwissen anwendbar war. Unter Beachtung der (sogleich zu entwickelnden) einschränkenden bzw. korrigierenden zweiten Stufe des hier vorzustellenden Konzepts entsteht jedoch keine übermäßige Belastung, sodass auch kein Vergleich mit der Theorie der absoluten Wissenszurechnung droht. Insofern sei hier wiederum an die einleitenden Worte dieses Abschnitts erinnert, wonach die Zweiteilung des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts lediglich der theoretisch-konzeptionellen Klarheit dient, sodass die erste Stufe des hier vorgestellten Konzepts auf keinen Fall ohne die nun folgende zweite Stufe verstanden werden darf. 38 Eine solche Wissenszusammenrechnung war auch schon nach dem anerkannten wertenden Wissenszurechnungskonzept bekannt, vgl. hierzu Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 326 ff. mwNachw. 39 Vgl. hierzu oben § 8 A. 40 So wohl aber Aden, NJW 1999, 3098 (3099).

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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III. Zweite Stufe: Wertungsmäßiges Korrektiv 1. Zweck der Korrektur Um eine unbillige Belastung der arbeitsteiligen Organisation aufgrund einer zu weiten Wissenszurechnung zu vermeiden, ist im Rahmen des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts eine zweite Stufe notwendig, die das auf der ersten Stufe gefundene Ergebnis korrigiert und somit die Wissenszurechnung begrenzt. Ein solches Korrektiv ergibt sich ebenfalls unmittelbar aus dem Zweck der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation: Hier sei noch einmal an die in § 5 dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse erinnert. Der Zweck der Zurechnung ist vor allem in der Gewährleistung der Anwendung der Bezugsnormen sowie der Sicherung der ratio legis dieser Normen zu erkennen, die entweder durch eine bewusste, missbräuchliche oder aber durch eine unbewusste, bloß durch die Arbeitsteilung in Kauf genommene Umgehung gefährdet wird.41 Insofern ist der Zweck der Zurechnung eng mit dem Kriterium der Verantwortung verknüpft: Mit Deutsch ist Zurechnung die „Verantwortung einer Person für ein Verhalten oder einen Erfolg im Hinblick auf die Rechtsfolgen“.42 Sofern die Zurechnung mithin als Ausfluss des Verantwortungsprinzips verstanden wird, folgt daraus auch, dass diese ausscheiden muss, sofern das Bezugssubjekt für das Zurechnungsobjekt (hier das Wissen einer für die Organisation tätigen Person und die etwaige Wissensaufspaltung) nicht verantwortlich ist.43 Das Kriterium der Verantwortung ist folglich Begründung und Ausschlussgrund der Zurechnung zugleich. Wenn die Wissenszurechnung der Wissensaufspaltung entgegenwirken und verhindern möchte, dass sich die Organisation ihrer erweiterten Wissensverantwortung entledigt, ist eine Zurechnung auch nur so weit nötig, wie dieser Zweck dadurch erreicht oder zumindest gefördert wird. Eine über diesen Zweck hinausgehende Zurechnung würde eine sachlich nicht zu rechtfertigende Benachteiligung darstellen. Daher besteht bei einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation, die in den Grenzen des Erforderlichen eine ungerechtfertigte Wissenszersplitterung verhindert, kein Grund für eine darüber hinausgehende Zurechnung von Kenntnis oder Kennenmüssen. Hierbei kann zunächst auf die deliktischen Verkehrspflichten rekurriert werden, wie auch schon oben im Rahmen der Frage nach dem Wesen und insbesondere dem Pflichtencharakter der Wissensorganisations„pflicht“ im

41

Vgl. hierzu bereits oben § 5 C. Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963, S. 64. 43 Vgl. hierzu bereits oben § 5 B.; vgl. auch Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 6. 42

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Außenverhältnis.44 Auch wenn dort echte Rechtspflichten in Rede stehen und nicht wie hier eine Wissenszurechnungsbegrenzung (bzw. im Allgemeinen eine Obliegenheit zur Wissensorganisation), ist die Ausgangslage dennoch vergleichbar: So treffen die Verkehrspflichten denjenigen, der eine Gefahrenquelle geschaffen hat und sie in seinem Einflussbereich andauern lässt; er hat nach Lage der Verhältnisse alle möglichen und zumutbaren Sicherungsmaßnahmen zu treffen.45 Demgegenüber liegt der Grund für die wertende Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen in der Möglichkeit einer unbilligen Wissensaufspaltung, die die Organisation durch ihre Arbeitsteilung schafft und unterhält, wobei eine unbillige Wissensaufspaltung aufgrund der drohenden Umgehung der Rechtsfolgen von Wissensnormen als Gefahrenquelle angesehen werden kann. Im Rahmen der Verkehrspflichten besteht allerdings keine Haftung für alle Schäden, da „eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt […] im praktischen Leben nicht erreichbar“ wäre; vielmehr wird eine Gefahr erst dann haftungsbegründend, wenn „sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden“.46 Der Umfang der Verkehrspflichten wird dabei durch die berechtigten Verkehrserwartungen bestimmt, die durch Abwägung des situativen Kontextes, der objektiven Erkennbarkeit der Gefahr, des Aufwands zur Gefahrenvermeidung, der Widmung und des erwartbaren Nutzerkreises sowie der Eigenverantwortlichkeit des Geschädigten bestimmt werden.47 Eine Begrenzung finden die Verkehrspflichten sowohl in der Möglichkeit der Gefahrvermeidung als auch in deren Zumutbarkeit.48 Diese Wertungen, dass eine vollständige Verkehrssicherheit nicht erreichbar ist, sondern gewisse Gefahrenlagen hingenommen werden müssen, und dass insbesondere weder etwas tatsächlich oder rechtlich Unmögliches noch etwas Unzumutbares verlangt werden kann, wurden in richterrechtlicher Rechtsfortbildung zwar aus § 823 Abs. 1 BGB entwickelt.49 Diesem mittler44 Vgl. hierzu bereits oben § 8 C.I.2.; ebenso unter Bezugnahme der Verkehrspflichten Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 267 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (319 f.). 45 Allg. M., anstatt aller: BGH, Urt. v. 28.4.1952 – III ZR 118/51, BGHZ 5, 378 (380); BGH, Urt. v. 17.6.1997 – VI ZR 156/96, BGHZ 136, 69 (77); BGH, Urt. v. 6.2.2007 – VI ZR 274/05, NJW 2007, 1683 (Rn. 14); Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 13; Erman/Wilhelmi, BGB, § 823 Rn. 78; Soergel/Krause, BGB, § 823 Anh. II Rn. 19 ff. 46 BGH, Urt. v. 2.10.2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 (Rn. 7), mwNachw. zur st. Rspr. 47 Kriterien nach Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 27 ff. 48 Vgl. hierzu Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 26 ff.; Soergel/Krause, BGB, § 823 Anh. II Rn. 32. 49 Zur Entstehung: v. Bar, JZ 1979, 332 (332 ff.); Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 1; nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur knüpfen die Verkehrspflichten an § 823 Abs. 1 BGB an, nach anderer Auffassung sei § 823 Abs. 2 BGB

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weile zum Gewohnheitsrecht avancierten Rechtsinstitut50 wohnen allerdings allgemeine Wertungen inne, die sich auch zur Begrenzung der Wissenszurechnung eignen. So entspricht es schon dem Rechtsgrundsatz „impossibilium nulla est obligatio“, dass etwas tatsächlich oder rechtlich Unmögliches nicht verlangt werden kann. Zudem besteht keine allgemeine Rechtspflicht, andere vor Schäden bzw. anderen rechtlichen Nachteilen zu bewahren, sondern nur, soweit ein schutzwürdiges Interesse des Benachteiligten besteht.51 Paart man diese allgemeinen Rechtsgedanken mit der Wertung, dass eine Wissenszurechnung nur insoweit nötig ist, wie ihr Zweck – eine unbillige Wissenszersplitterung zu verhindern – erreicht wird, kommt man unwillkürlich zu einer Einschränkung der unbedingten Wissenszurechnung. Wenn somit die arbeitsteilige Organisation dafür Sorge trägt, dass die mit der arbeitsteiligen Persönlichkeitserweiterung notwendigerweise einhergehende Wissensteilung nicht zu einer ungerechtfertigten Befreiung von wissensbasierten Rechtsfolgen führt, besteht kein Grund, die darüber hinausgehenden Rechtsfolgen die Organisation treffen zu lassen. Ansonsten wäre eine übergebührliche Belastung die Folge, die mit dem Zweck der Wissenszurechnung nicht zu vereinbaren wäre. 2. Mittel der Korrektur Damit ist im Rahmen einer wertenden Korrektur zu fragen, welche Vorkehrungen die arbeitsteilige Organisation treffen muss, um ihrer Wissensverantwortung nachzukommen und somit dem Verdikt der unbedingten Wissenszurechnung (erste Stufe) zu entgehen. Hierbei kann auch auf das Konzept der angemessenen Wissensorganisation zurückgegriffen werden. Wenn durch eine Wissensorganisation gewährleistet wird, dass relevante Informationen respektive – um im Duktus der BGH-Rechtsprechung zu bleiben – „aktenmäßig festzuhaltendes Wissen“ von der Kenntnis erlangenden Stelle gespeichert und nötigenfalls weitergeleitet sowie bei wissensrelevanten Stellen abgerufen werden, trägt die arbeitsteilige Organisation ihrer erweiterten Wissensverantwortung, die durch die Arbeitsteilung entsteht, Rechnung, sodass eine darüber hinausgehende unbedingte Zurechnung in diesem Fall eine unbillige Härte darstellen würde, die dem Zurechnungszweck nicht mehr entspräche. Die arbeitsteilige Organisation kann sich somit durch eine angemessene bzw. ordnungsgemäße Wissensorganisation vor einer unbedingten Wissenszurechnung „schützen“. Es bleibt jedoch zu fragen, was unter dem Begriff der Angemessenheit zu verstehen ist. oder §§ 831 und 838 BGB die passende Anknüpfung; zum Meinungsstand vgl. MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 441; Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 2 ff. 50 So auch Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 1 f.; Soergel/Krause, BGB, § 823 Anh. II Rn. 6. 51 Vgl. hierzu Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 25 mwNachw.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Ausgangspunkt dieser wertungsmäßigen Korrektur der Wissenszurechnung ist eine Abwägung, die neben einer teleologischen Betrachtung der Zurechnung, des situativen Kontextes, der tatsächlichen sowie rechtlichen Möglichkeit und der Zumutbarkeit vor allem die jeweiligen Wissensnormen ins Zentrum der Überlegungen rückt. Nur durch eine wertende Betrachtung, die sich an den einzelnen Wissensnormen und ihrem Regelungsumfeld orientiert, gelingt ein gerechter Ausgleich zwischen dem Schutz des Rechtsverkehrs vor den Risiken einer Wissensaufspaltung auf der einen Seite und der Risikobegrenzung für die arbeitsteilige Organisation durch eine adäquate Kompetenzordnung auf der anderen Seite.52 a) Wissensnormabhängige Faktoren53 Die Kontextabhängigkeit der wertenden Wissenszurechnung ist dabei stark durch die normative Begründung der wertenden Wissenszurechnung bedingt:54 Wird das Konzept der wertenden Wissenszurechnung nicht durch Vertrauensschutzerwägungen, sondern vielmehr unter Rückgriff auf den Gedanken einer ausgeglichenen Risikoverteilung (oder auch unter Zugrundelegung des sog. Gleichstellungsarguments) begründet, ist zunächst festzuhalten, dass eine Beschränkung der wertenden Wissenszurechnung auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht notwendig ist.55 Die wissensnormabhängige Begrenzung der Wissenszurechnung hängt entscheidend von dem ordnungssystematischen Kontext der Wissensnorm ab. Dies kann so weit reichen, dass etwa aufgrund der besonderen Verknüpfung zwischen kognitivem und voluntativem Element des Vorsatzes im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB (sowie ggf. aufgrund des Umstandes, dass das für die Sittenwidrigkeit erforderliche „moralische Unwerturteil“ nicht im Wege der Wissenszusammenrechnung ermittelt werden kann)56 eine Wissenszurechnung dort ausgeschlossen ist.57 Zudem ist im Rahmen des Verjährungsbeginns deliktischer Ansprüche aufgrund der dortigen Privilegierung

52 Vgl. hierzu schon Seidel, AG 2019, 492, passim; vgl. auch Thomale, Der gespaltene Emittent, 2018, S. 15 ff.; Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 14 ff., 72 ff.; Reuter, ZIP 2017, 310 (313). 53 Vgl. hierzu bereits ausführlich Seidel, AG 2019, 492, passim. 54 Vgl. hierzu schon Seidel, AG 2019, 492 (493 ff.). 55 Vgl. hierzu schon Seidel, AG 2019, 492 (494 f.) mwNachw.; zur normativen Begründung der wertenden Wissenszurechnung vgl. ausführlich unten § 9 B. 56 BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 23); zu diesem Argument vgl. bereits Seidel, AG 2019, 492 (500) mwNachw. 57 Vgl. hierzu schon Seidel, AG 2019, 492 (500 f.) mwNachw.; so auch BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 26): „[Mit dem Wollenselement] korrespondierende Kenntnisse derselben natürlichen Person“; so auch Staudinger/Oechseler (2018), BGB, § 826 Rn. 81b.

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des Geschädigten eine Einschränkung der Wissenszurechnung erforderlich, auch wenn im Rahmen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mittlerweile aufgrund der Öffnung der Wissensnorm hinsichtlich grob fahrlässiger Unkenntnis kein völliger Ausschluss der wertenden Wissenszurechnung nötig ist, wie noch unter Geltung des § 852 Abs. 1 BGB a.F.58 Demgegenüber bedarf es aufgrund der Begründung der wertenden Wissenszurechnung über den Gedanken einer ausgeglichenen Risikoverteilung und mit Blick auf den Verkehrsschutz keines generellen Ausschlusses des Anwendungsbereichs für das Deliktsrecht – auch wenn dort zur Begründung auf den Aspekt des Vertrauensschutzes verzichtet werden muss.59 b) Wissensnormunabhängige Faktoren Die durch die Analyse des Telos und des Regelungskontextes der Wissensnorm abstrakt bestimmten Grenzen der wertenden Wissenszurechnung sind zusätzlich im Hinblick auf wissensnormunabhängige Faktoren zu komplementieren. Diese wissensnormunabhängige Korrektur kann nicht abstrakt für alle arbeitsteiligen Organisationen gleichförmig verlaufen, sondern muss von den jeweiligen Organisationsstrukturen und rechtlichen sowie tatsächlichen Rahmenbedingungen abhängig gemacht werden. aa) Möglichkeit Wie oben bereits anklang, ergibt sich schon aus dem Rechtsgrundsatz „impossibilium nulla est obligatio“, dass etwas tatsächlich oder rechtlich Unmögliches nicht verlangt werden kann. Da die wertende Wissenszurechnung abstrakt dort ihre Grenze finden soll, wo die arbeitsteilige Organisation ihrer Wissensverantwortung nachkommt und einer unbilligen Wissenszersplitterung vorbeugt, muss sie somit konkret dort ihre Grenze finden, wo die Wissensorganisation unmöglich ist. Würde das wertende Wissenszurechnungskonzept über diesen Punkt hinaus Wissen zurechnen, würde die arbeitsteilige Organisation geradezu in eine überobligatorische Wissenszurechnung gedrängt und (im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit) in eine Kollision unterschiedlicher Handlungsgebote getrieben werden. In beiden Fällen würde die arbeitsteilige Organisation mit der Obliegenheit einer solchen Wissensorganisation belastet werden, der sie nicht gerecht werden kann.

58 Vgl. hierzu schon Seidel, AG 2019, 492 (496 ff.) mwNachw.; vgl. auch Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 94; Reuter, ZIP 2017, 310 (314); a.A. für die Nichtanwendung der wertenden Wissenszurechnung auch unter § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. BGH, Urt. v. 15.3.2011 – VI ZR 162/10, NJW 2011, 1799 (Rn. 11); zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. vgl. Koller, JZ 1998, 75, 84; BGH, Urt. v. 9.3.2000 – III ZR 198/99, NJW 2000, 1411 (1412). 59 Vgl. hierzu schon Seidel, AG 2019, 492 (498 ff.) mwNachw.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Daher ist die wertende Wissenszurechnung zunächst durch die tatsächliche Unmöglichkeit der Wissensorganisation begrenzt. So muss die wertende Wissenszurechnung insbesondere auch auf technische Bedingungen Rücksicht nehmen, wie etwa in Bezug auf begrenzte Speichermöglichkeiten. Hierbei muss jedoch festgestellt werden, dass technisch (mittlerweile) nahezu jede Wissensspeicherung, -weiterleitung und -abfrage möglich ist und diese Fallgruppe bei genauerem Hinsehen meist in derjenigen der Zumutbarkeit aufgeht. Dies gilt etwa für die Größe von Speichermedien, die mittlerweile praktisch keine (in diesem Zusammenhang relevante) Begrenzung findet; es stellt sich vielmehr nur noch die Frage, wann die Schwelle der Unzumutbarkeit erreicht wird. Auch die Begrenzung in der Speicherdauer bestimmter Datenträger ist vor dem Hintergrund von Sicherungskopien, Abschriften oder der Erneuerung und dem Austausch von Datenträgern keine Frage der tatsächlichen Möglichkeit mehr. Häufig dürfte die wertende Wissenszurechnung somit bei genauerer Betrachtung und vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts nicht durch die tatsächliche Unmöglichkeit, sondern vielmehr durch die Unzumutbarkeit begrenzt sein.60 Ebenso muss die wertende Wissenszurechnung dort begrenzt werden, wo die Informationsspeicherung, -weiterleitung oder -abfrage rechtlich unmöglich ist. Insofern kann keine Obliegenheit zur Wissensorganisation bestehen, wenn dabei gleichzeitig eine entgegengesetzte rechtliche Pflicht verletzt werden müsste. Besonders offensichtlich wird dies – neben datenschutzrechtlichen Grenzen – am Beispiel entgegenstehender Verschwiegenheitspflichten: Wenn beispielsweise ein Vorstandsmitglied der A-AG im Rahmen seiner Tätigkeit für diese unternehmensbezogene Informationen erlangt, kann es diese Informationen aufgrund der entgegenstehenden gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich nicht der B-AG weitergeben, selbst wenn es auch deren Vorstandsmitglied ist. Wenn aber insofern der Doppelmandatsträger eine Pflicht hat, das Wissen nicht weiterzugeben, kann ihn gleichzeitig keine Pflicht zur Offenlegung gegenüber der B-AG treffen. Kann aber die B-AG keinen Einfluss auf die Informationserlangung nehmen, so kann sie in Bezug auf diese Information auch keine Obliegenheit zur Wissensorganisation treffen.61 bb) Zumutbarkeit Darüber hinaus findet die Wissenszurechnung ihre Grenze in der Unzumutbarkeit der Wissensorganisation. Dies ergibt sich schon aufgrund ihres Zwecks, eine unbillige Wissenszersplitterung zu verhindern, und kommt auch in der Rechtsprechung zum Ausdruck, wenn dort für die Wissenszu60 61

Vgl. dazu sogleich § 9 A.III.2.b)bb). Vgl. zu diesem Beispiel unten § 10 B.I.1.

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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rechnung gefordert wird, dass die Wissensorganisation „möglich und naheliegend“ gewesen sein müsse.62 Darüber hinaus kann auch aus den Verkehrssicherungspflichten abgeleitet werden, dass eine absolute Verkehrssicherheit nicht notwendig ist und dass derjenige, der eine Gefahrenlage eröffnet oder unterhält, nicht vor allen daraus resultierenden Gefahren schützen muss, sondern nur im Rahmen des Möglichen (dazu bereits eben) und des Zumutbaren.63 Der Zumutbarkeitsgedanke ist dabei eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der sich neben der Berücksichtigung innerhalb der deliktischen Verkehrspflichten sowohl im Rahmen von Treu und Glauben iSd. § 242 BGB als auch bei den Nebenpflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB findet.64 Dabei ist die Grenze der Zumutbarkeit eine dynamische: Insbesondere aufgrund des technischen Fortschritts wird daher heute etwas anderes zumutbar sein als beispielsweise in zehn Jahren. In einem kleinen oder mittelständischen Unternehmen muss diese Grenze anders gezogen werden als in einem großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen.65 Insofern ist der Grad der Zumutbarkeit sowohl dem Fortschritt als auch konkreten Ressourcen unterworfen.66 Daneben ist er auch von der jeweiligen Organisationsform abhängig: Wenn etwa im Konzern aufgrund einer fehlenden allgemeinen Konzernleitungspflicht eine dezentrale Konzernierung möglich ist, die keine strikten Reportinghierarchien erfordert und somit gerade nicht von einer generellen Pflicht der Konzernmutter zur gemeinsamen konzerninternen Wissensorganisation ausgegangen werden kann,67 wäre es unzumutbar, im Rahmen der Wissenszurechnung trotzdem genau dies zu verlangen. 3. Beweislastverteilung Nachdem materiell-rechtlich das allgemeine wertende Zurechnungskonzept dargestellt und begründet wurde, stellen sich beweisrechtliche Anschlussfragen. Während die erste Stufe des hiesigen Zurechnungskonzeptes keine erheblichen beweisrechtlichen Zweifel hervorruft, stellt sich mit Blick auf die zweite Stufe insbesondere die Frage, wer den Beweis erbringen muss, dass eine ordnungsgemäße Wissensorganisation stattgefunden hat.68 62

BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (109), Hervorhebung des

Verf. 63

Allg. M., anstatt aller: BGH, Urt. v. 28.4.1952 – III ZR 118/51, BGHZ 5, 378 (380); BGH, Urt. v. 17.6.1997 – VI ZR 156/96, BGHZ 136, 69 (77); BGH, Urt. v. 6.2.2007 – VI ZR 274/05, NJW 2007, 1683 (Rn. 14); Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 13; Erman/Wilhelmi, BGB, § 823 Rn. 78; Soergel/Krause, BGB, § 823 Anh. II Rn. 19 ff. 64 Vgl. hierzu schon Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (551). 65 So schon Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (551). 66 Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (551). 67 Vgl. hierzu ausführlich unten § 11 B.III., § 11 C.II. 68 Zur Bedeutung der Beweislastverteilung im Rahmen der Wissenszurechnung vgl.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Im Grundsatz muss jede Partei eines Rechtsstreites die für sie günstigen Tatsachen darlegen und beweisen, wobei die Beweislastumkehr ein wesentliches ein Instrument darstellt, mit Hilfe dessen sich die objektive Beweislast (Feststellungslast) umkehren lässt; eine solche Konstruktion ist sowohl durch Gesetz69 als auch durch richterliche Rechtsfortbildung70 möglich.71 Wie bereits aufgrund der Formulierung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses im Rahmen der zweistufigen allgemeinen wertenden Wissenszurechnung zu vermuten steht, soll sich die arbeitsteilige Organisation durch deren zweite Stufe entlasten können. Es stellt sich mithin die Frage, ob eine solche Entlastungsregel durch die Konstruktion einer Beweislastumkehr erreichen werden kann. Die Beweislastumkehr durch richterliche Rechtsfortbildung ist ein Instrument der Rechtsprechung, das insbesondere dazu dient, in abstrakten Fallgruppen der grundsätzlich beweisbelasteten Partei durch eine Modifikation der Beweislastverteilung aus ihrer Beweisnot zu helfen. Diese Form der Rechtsfortbildung stellt eine Abweichung von der gesetzlichen Beweislastverteilung dar und ist daher begründungsbedürftig; dabei darf nicht auf den Einzelfall abgestellt werden, vielmehr muss eine generelle Beweislastregelung getroffen werden.72 In der sog. Hühnerpestentscheidung des VI. Zivilsenats des BGH wurde die Beweislastumkehr im Rahmen der deliktischen Produkthaftung vor allem auf das Argument der Beweisnähe und die Abgrenzung nach Risikosphären gestützt, wobei diese normativen Überlegungen komplettiert wurden durch den Rechtsgedanken, der hinter gesetzlichen Regelungen zur Beweislastumkehr, wie in § 831 Abs. 1 BGB, steht:73 Auch dort soll derjenige, der außerhalb einer Organisation steht und nur schwerlich die inneren Betriebsabläufe überblicken kann, vor einer systematischen Beweisnot geschützt werden.74 Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 167 ff.; vgl. auch jüngst in Bezug auf den sog. „Dieselskandal“ BGH, Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962. 69 Wie etwa in § 477 BGB oder in § 831 Abs. 1 BGB; zur Qualifizierung der materiellrechtlichen doppelten Vermutung in § 831 Abs. 1 S. 1 BGB als Beweislastumkehr in beweisrechtlicher Hinsicht vgl. Baumgärtel/Laumen/Prütting/Luckey, Hdb. Beweislast, § 831 BGB Rn. 1; vgl. auch Baur, Karlsruher Forum 1962, 14 (14). 70 Wie etwa im Bereich der deliktischen Produkthaftung; vgl. hierzu grundlegend BGH, Urt. v. 26.11.1968 – VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91 (104 ff.) – Hühnerpest. 71 Zur Beweislastumkehr im Allgemeinen vgl. Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, 1996, Rn. 450–452; Laumen, NJW 2002, 3739 (3741 f.); MünchKommZPO/Prütting, § 286 Rn. 126 ff.; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 286 Rn. 37. 72 Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, 1996, Rn. 450–452; MünchKommZPO/Prütting, § 286 Rn. 126. 73 BGH, Urt. v. 26.11.1968 – VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91 (105 f.) – Hühnerpest; vgl. hierzu auch Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, 1996, Rn. 450–452; Baumgärtel/ Laumen/Prütting/Katzenmeier, Hdb. Beweislast, § 823 BGB Anh. III Rn. 13 ff. 74 Vgl. exemplarisch zum Telos der Exkulpationsregel in § 831 BGB: Baumgärtel/Lau-

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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„[D]er Produzent [ist] ,näher daran‘, den Sachverhalt aufzuklären und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. Er überblickt die Produktionssphäre, bestimmt und organisiert den Herstellungsprozeß und die Auslieferungskontrolle der fertigen Produkte. Oft machen die Größe des Betriebes, seine komplizierte, verschachtelte, auf Arbeitsteilung beruhende Organisation, verwickelte technische, chemische oder biologische Vorgänge und dergleichen es dem Geschädigten praktisch unmöglich, die Ursache des schadenstiftenden Fehlers aufzuklären. […] Liegt so aber die Ursache der Unaufklärbarkeit im Bereich des Produzenten, so gehört sie auch zu seiner Risikosphäre.“75

Zunächst lässt sich das Begründungsmuster der Sachnähe für die Examination der Beweislast im Rahmen des zweistufigen allgemeinen wertenden Wissenszurechnungsmodells fruchtbar machen. Vor allem die (nach den wissensnormunabhängigen Gesichtspunkten der Möglichkeit und der Zumutbarkeit zu bewertenden) Angemessenheit der Wissensorganisation ist eine rechtliche Frage, deren zugrunde liegende Tatsachen in erster Linie durch die arbeitsteilige Organisation unter Beweis gestellt werden kann. Demgegenüber ist es ihrem Gegenüber regelmäßig nur schwerlich möglich, die erforderlichen Einblicke in die organisationellen Abläufe der arbeitsteiligen Organisation zu erlangen, die jedoch erforderlich wären, um Beweis dafür erbringen zu können. Darüber hinaus ist auch die Argumentationslinie der Abgrenzung nach Risikosphären (Risque-profit-Theorie) im Hinblick auf die hiesige Untersuchung der wertenden Wissenszurechnung nicht fremd.76 Wie unten, im Kontext der Frage nach der normativen Begründbarkeit der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung, die maßgeblich auf das Argument einer ausgeglichenen Risikoverteilung aufbaut, ausführlich darzulegen sein wird,77 lässt sich die Abgrenzung nach Risikosphären insbesondere mit Blick auf die Beherrschbarkeit der Wissensorganisation treffen. In Bezug darauf ist festzustellen, dass die Arbeitsteilung und somit auch die damit einhergehende Wissensaufspaltung von der arbeitsteiligen Organisation ausgehen. Darüber hinaus ist nur diese in der Lage, die notwendigen organisationalen Vorkehrungen zu treffen, um einer unbilligen Wissenszersplitterung vorzubeugen. Mithin ist die Angemessenheit der Wissensorganisation innerhalb der Risikosphäre der arbeitsteiligen Organisation zu verorten, sodass – nach den Grundsätzen zur Beweislastumkehr, die der BGH in seiner Hühnerpestentscheidung aufgestellt hat – eine Beweislastumkehr hierüber begründet werden kann.

men/Prütting/Luckey, Hdb. Beweislast, § 831 BGB Rn. 1; Diederichsen, ZRP 1968, 60, passim; Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33 (60); Baur, Karlsruher Forum 1962, 14, passim. 75 BGH, Urt. v. 26.11.1968 – VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91 (105 f.) – Hühnerpest. 76 Vgl. hierzu beispielhaft Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (319); Baumann, ZGR 1973, 284 (289 ff.); Seidel, AG 2019, 492 (495). 77 Vgl. ausführlich unten § 9 B.III.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Selbst der vom BGH angeführte Verweis auf die Exkulpationsregel des § 831 Abs. 1 BGB vermag hier zu treffen, wie an späterer Stelle noch ausführlich zu zeigen sein wird.78 An dieser Stelle genügt jedoch der teleologische Vergleich, dass hier wie dort derjenige, der außerhalb einer Organisation steht, nur schwerlich die inneren Betriebsabläufe überblicken kann, sodass hier wie dort der Außenstehende vor einer systematischen Beweisnot durch eine Beweislastumkehr geschützt werden soll. Daher liegt der Schluss nahe, dem Gegenüber einer arbeitsteiligen Organisation in seiner Beweisnot, die aus der fehlenden Möglichkeit zur Darlegung der Angemessenheit der jeweiligen Wissensorganisation entsteht, dadurch zu helfen, die Beweislast für Tatsachen im Hinblick auf die (fehlende) Angemessenheit der Wissensorganisation die arbeitsteilige Organisation treffen zu lassen und sie insofern umzukehren.79 Darüber hinaus besteht freilich – zumindest in Teilbereichen – auch die Möglichkeit, mittels einer Konstruktion der Handlungszurechnung gem. § 31 BGB gepaart mit einer sekundären Beweislastregel in Bezug auf die Kenntnis bestimmter haftungsbegründender Tatbestände den Geschädigten beweisrechtlich in eine für ihn beweisgünstige Position zu bringen, ohne dass es auf die Frage der Wissenszurechnung ankäme.80 Zu betonen ist allerdings, dass durch eine solche Konstruktion kein Wissen, sondern eine Handlung zugerechnet wird, sodass dieses Vorgehen – auch wenn es im Ergebnis zu ähnlichen Ergebnissen führt – nicht mit der wertenden Wissenszurechnung verwechselt werden darf und die Frage, wie Wissen in arbeitsteiligen Organisationen zugerechnet werden kann, davon unberührt bleibt. 4. Fazit Die wertungsmäßige Korrektur der auf der ersten Stufe entwickelten absoluten Wissenszurechnung stellt einen originären Teil des vorliegenden Wissenszurechnungskonzepts dar, der nur aus Gründen der theoretisch-konzeptionellen Klarheit von der ersten Stufe getrennt wurde. Die daraus resultierende Zurechnungsbegrenzung ergibt sich direkt aus dem Zweck der wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen, eine unbillige 78

Vgl. ausführlich unten § 9 A.IV. Ähnlich für die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung Engelhardt, Wissensverschulden, 2019, S. 169 ff.; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (176); Grigoleit/ders., AktG, § 78 Rn. 41, die mit gleicher Begründung jedoch lediglich eine sekundäre Darlegungslast der juristischen Person (bzw. anderer arbeitsteiliger Organisationen) annehmen; de lege ferenda zur Begründung einer gesetzlichen Beweislastumkehr im Rahmen der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung vgl. unten § 9 C.X. 80 Vgl. zu dieser Konstruktion jüngst BGH, Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 (Rn. 30 ff.); vgl. dazu auch Risse, NZG 2020, 856 passim; Altmeppen, NJW 2020, 2833, passim. 79

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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Wissenszersplitterung bzw. -segmentierung zu verhindern: Wenn die arbeitsteilige Organisation dafür Sorge trägt, dass die mit der arbeitsteiligen Persönlichkeitserweiterung notwendigerweise einhergehende Wissensteilung nicht zu einer ungerechtfertigten Befreiung von wissensbasierten Rechtsfolgen führt und sie somit ihrer erweiterten Wissensverantwortung nachkommt, besteht kein Grund, die über diesen Punkt hinausgehenden Rechtsfolgen die Organisation dennoch treffen zu lassen. Dabei ist der durch die Analyse des Telos und des Regelungskontextes der Wissensnorm abstrakt bestimmte Umfang des Korrektivs zusätzlich im Hinblick auf die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit sowie die Zumutbarkeit zu beschränken. Im Rahmen dessen ist zu bedenken, dass die wissensnormunabhängigen Faktoren auch abhängig von der jeweiligen Organisationsform sind, sodass die hier vorgestellten Fälle der Unmöglichkeit und der Unzumutbarkeit lediglich beispielhaft zu verstehen sind. Innerhalb der nächsten drei Paragrafen dieser Arbeit, in denen das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept auf unterschiedliche Formen arbeitsteiliger Organisation übertragen wird, sind die hier allgemein entwickelten Kriterien der wertungsmäßigen Korrektur an die jeweiligen Organisationsbedingungen anzupassen und zusätzlich mit organisationsspezifischen Fallgruppen und Beispielen zu füllen.

IV. Kritische Würdigung Um ein Wissenszurechnungskonzept zu begründen, das nicht auf die „Behelfskonstruktion“81 der durch Wissensorganisationspflichtverletzungen vermittelten Zurechnung zurückgreifen muss, sondern sich in die allgemeinen Zurechnungslehren einfügt, darüber hinaus die Grenze zwischen Wissen und Wissenmüssen beachtet und gleichzeitig wertungsoffen ist, ergibt sich nach alledem die Notwendigkeit einer in theoretisch-konzeptioneller Hinsicht zweistufigen Zurechnungskonstruktion. Dabei erfolgt auf der ersten Stufe eine unbedingte Wissenszurechnung. Dieser Schritt ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck der Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen, der in der Verhinderung einer unbilligen Wissensaufspaltung und der Erweiterung der Wissensverantwortung der Organisation liegt, und fügt sich zudem nahtlos in die allgemeinen Zurechnungslehren ein. Auf der zweiten Stufe erfolgt eine Korrektur dieser weiten Zurechnung, sofern eine ordnungsgemäße Wissensorganisation stattgefunden hat. Wie weit diese Wissensorganisation zu gehen hat und wann sie als angemessen

81

So Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (315); zustimmend Buck-Heeb, ZHR 182 (2018), 96 (96); vgl. hierzu auch oben § 8 D.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

anzusehen ist, bestimmt sich im Wege einer wertenden Betrachtung, die insbesondere die jeweilige Wissensnorm und ihren Regelungskontext in den Blick nimmt. Darüber hinaus hat sich die Wissensorganisation sowohl an der Möglichkeit als auch an der Zumutbarkeit der organisationsinternen Kommunikation in dem konkreten Fall zu orientieren. Diese Korrektur ergibt sich ebenso unmittelbar aus dem Zweck der Wissenszurechnung, da die arbeitsteilige Organisation im Fall einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation gerade ihrer Wissensverantwortung nachkommt und einer unbilligen Wissensaufspaltung entgegengewirkt wird. Wie gezeigt ist diese allgemeine wertende Wissenszurechnungskonstruktion stark an dem Telos der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation ausgerichtet und orientiert sich sowohl an der allgemeinen Zurechnungslehre als auch an der Notwendigkeit einer Wertungsoffenheit. Trotzdem bleibt zu überprüfen, ob diese Konstruktion auch dem Vergleich mit anderen Arten der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation standhält. Bei einem Vergleich dieses Zurechnungskonzepts mit anderen Zurechnungsanordnungen, insbesondere §§ 31, 166 Abs. 1 und 278 BGB, fällt zunächst auf, dass der zuzurechnende Personenkreis im Rahmen der zweistufigen Wissenszurechnung weiter ist als beispielsweise im Rahmen von § 31 BGB, der nur auf Organe und andere verfassungsmäßig berufene Vertreter und Repräsentanten82 beschränkt ist, oder im Rahmen von § 166 Abs. 1 BGB, der nur das Wissen von Vertretern zurechnet. Auch wenn in der bisherigen Diskussion um eine wertende Wissenszurechnung, dessen zuzurechnender Personenkreis nach dem herrschenden Zurechnungskonzept im Wesentlichen der gleiche ist, dieses Argument gegen jenes Konzept nicht angeführt wurde, ließe sich dennoch die Frage stellen, ob das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept die arbeitsteilige Organisation übergebührlich belasten würde. Vor allem im Vergleich zu § 278 BGB wird jedoch deutlich, dass die Zurechnung nicht zwangsläufig auf kleine Personenkreise beschränkt sein muss. Die gegenüber der Wissenszurechnung in der Praxis meist weitaus folgenreichere Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB findet neben Vertretern auf alle Erfüllungsgehilfen Anwendung, sodass auch im Rahmen der Wissenszurechnung nicht davon gesprochen werden kann, dass schon eine gewisse Größe des Personenkreises der Zurechnungssubjekte die arbeitsteilige Organisation übergebührlich belasten würde. Darüber hinaus ergibt sich 82 Zur Repräsentantenrechtsprechung einleitend RG, Urt. v. 9.3.1938 – VI 212/37, RGZ 157, 228 (236 f.); grundlegend BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 (21); dieser Rechtsprechung ist die Literatur weitestgehend gefolgt, vgl. Staudinger/Schwennicke (2019), BGB, § 31 Rn. 22 f.; MünchKommBGB/Leuschner, § 31 Rn. 14, jeweils mwNachw.; ablehnend Landwehr, AcP 164 (1964), 482 (483); Neumann-Duesberg, NJW 1966, 715 (716).

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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der eingeschränkte Personenbereich der Zurechnungssubjekte in §§ 31, 166 Abs. 1 BGB nicht aus dem Gedanken einer anderenfalls übermäßigen Belastung des Bezugssubjekts, sondern vielmehr aus der systematischen Stellung und dem Zweck der Zurechnungsnormen: Die Handlungszurechnung des § 31 BGB ist als logische Konsequenz der fehlenden originären Handlungsfähigkeit des Vereins, die durch das Organhandeln kompensiert werden soll, zu verstehen. Das Ziel der Handlungsfähigkeit des Vereins wird jedoch bereits durch die Zurechnung des Vertretungsorgans und anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter erreicht. Im Gegenteil, die Repräsentantenrechtsprechung des BGH macht deutlich, dass eine Ausweitung des Personenkreises der Zurechnungssubjekte möglich ist. Darüber hinaus erklärt sich die Beschränkung der Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB aus der systematischen Stellung der Norm in den §§ 164 ff. BGB, die die Stellvertretung regeln. Abseits der Frage nach der Größe des zuzurechnenden Personenkreises ist im Rahmen eines kritischen Vergleichs der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung mit anderen Arten der Zurechnung ein besonderes Augenmerk auf die Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB zu legen. Dabei fällt auf, dass § 166 Abs. 1 BGB kein einschränkendes Korrektiv wie die zweite Stufe des hier begründeten Zurechnungskonzepts enthält, sondern dort das Vertreterwissen unbedingt dem Geschäftsherrn zugerechnet wird.83 Im Vergleich zur Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 stellt sich somit die Frage, warum demgegenüber das hier vertretene zweistufige wertende Wissenszurechnungskonzept – im Übrigen genauso wie nach dem herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Konzept – eine Wertung zulässt und nicht ebenso radikal ist. Diese Frage wird anhand des zweistufigen Konzepts, das durch seine zweite Stufe ein deutliches Votum für ein wertendes Korrektiv enthält, besonders augenfällig. Aufgrund dessen ist zunächst nach Unterschieden zwischen dem hier in Rede stehenden wertenden Zurechnungskonzept und § 166 Abs. 1 BGB zu suchen und im Anschluss daran zu fragen, ob sich aus diesen Unterschieden eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen lässt. Dabei ist neben dem bereits oben dargestellten unterschiedlich weiten Personenkreis der Zurechnungssubjekte zunächst die Steuerungsmöglichkeit der Zurechnung seitens des Bezugssubjekts zu betrachten. Vor allem mit Blick auf die Vertretung qua Vollmacht fällt auf, dass der Vertretene in einem hohen Maße Einfluss darauf nehmen kann, wer in Ausführung eines kon83 Dabei stellt auch § 166 Abs. 2 BGB keine Ausnahme hierzu dar, da selbst im Anwendungsbereich des Abs. 2 das Vertreterwissen weiterhin (unbedingt) nach Abs. 1 zugerechnet wird. Durch Abs. 2 wird insofern nur festgestellt, dass sich der Vertretene bei eigener Kenntnis (oder Kennenmüssen) nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen kann, vgl. hierzu Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 36 f.; MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 108.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

kreten Geschäfts für ihn handelt. Der Vertretene hat bei § 166 Abs. 1 BGB die Möglichkeit, über die Vollmachtserteilung für ein bestimmtes Rechtsgeschäft denjenigen zu bestimmen, dessen Wissen zugerechnet werden soll. Abseits der für die arbeitsteilige Organisation weniger relevanten gesetzlichen Vertretung (sofern man die organschaftliche Vertretung nicht als gesetzliche, sondern als originäre Vertretungsform begreift) hat der Vertretene somit durch die Vollmachtserteilung selbst Einfluss auf die Person des Zurechnungssubjekts. Demgegenüber wird im ersten Schritt des hier vertretenen zweistufigen Zurechnungskonzepts das Wissen aller für die arbeitsteilige Organisation handelnden Personen zugerechnet. Dabei besteht zwar durch die Anstellung (bzw. bei Organpersonen durch die Bestellung) eine grundsätzliche Möglichkeit zur Einflussnahme auf den Personenkreis der Zurechnungssubjekte, nicht jedoch in Bezug auf eine bestimmte Handlung. Damit eng verbunden ist der Umstand, dass im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung nicht bloß eine handlungsakzessorische Wissenszurechnung stattfindet; vielmehr wird der arbeitsteiligen Organisation auf der ersten Stufe des hier vorgestellten Konzepts jegliches Wissen der für sie handelnden Personen zugerechnet. Demgegenüber ist im Rahmen des § 166 Abs. 1 BGB nur das handlungsakzessorische Wissen entscheidend; das Wissen anderer Personen, die nicht am konkreten Rechtsgeschäft beteiligt sind, bleibt im Umkehrschluss (abseits der Ausnahme des § 166 Abs. 2 BGB) unberücksichtigt. Anknüpfungspunkt ist somit nicht (alleine) die Bestellung des Vertreters, sondern dessen Einschaltung bei einem konkreten Rechtsgeschäft.84 Dieses Verständnis einer bloßen Zurechnung handlungsakzessorischen Wissens wird auch bei komplexeren Vertretungskonstellationen mit mehreren Vertretern deutlich. Bei einer Einzelvertretungsbefugnis wird nur das Wissen des am Rechtsgeschäft beteiligten Vertreters zugerechnet, nicht jedoch dasjenige anderer einzelvertretungsberechtigter Personen.85 Ist demgegenüber Gesamtvertretung angeordnet und sind somit mehrere Vertreter an dem Geschäft beteiligt, ist auch das Wissen aller beteiligten Vertreter entscheidend; für die Zurechnung genügt es, wenn ein Gesamtvertreter Kenntnis hatte.86 Ebenso ist auch die Kenntnis mehrerer Personen zu berücksichtigen, wenn neben dem Vertreter eine Hilfsperson bei den Vorbereitungen

84

Vgl. hierzu Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 102. BGH, Urt. v. 29.5.1958 – II ZR 105/57, WM 1958, 1104 (1105); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 339; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 24; MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 16; Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 5. 86 BGH, Urt. v. 12.11.1998 – IX. ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (61); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 338; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 24; MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 16; Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 5; Erman/MeierReimer/Finkenauer, BGB, § 166 Rn. 7, 31. 85

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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eines Geschäfts tätig gewesen ist, ohne dieses selbst abgeschlossen zu haben, jedoch mit eigener Verantwortung und mit gewisser Selbstständigkeit ausgestattet war und somit als Wissensvertreter zu qualifizieren ist.87 Da jedoch auch hier eine Zurechnung nur stattfindet, wenn der Wissensvertreter an der Vorbereitung des Geschäfts beteiligt war, ist auch dies letztlich eine Form der Zurechnung handlungsakzessorischen Wissens. Aus der Tatsache, dass § 166 Abs. 1 BGB nur handlungsakzessorisches Wissen zurechnet, ergibt sich auch, dass grundsätzlich keine Wissenszusammenrechnung stattfindet. Dies folgt zudem aus dem Umstand, dass diese Zurechnungsnorm auf das Handeln von Einzelpersonen zugeschnitten ist.88 Wenn jedoch das Wissen mehrerer Personen zugerechnet wird – etwa im Rahmen der Gesamtvertretung oder bei der Hinzuziehung von Wissensvertretern –, stellt sich auch dort die Frage, ob eine Zusammenrechnung von Teilwissen möglich ist. Dies wird insbesondere von denen bejaht, die auch die wertende Wissenszurechnung über § 166 Abs. 1 BGB analog herleiten wollen.89 Doch auch wenn man die wertende Wissenszurechnung nicht über § 166 Abs. 1 BGB herleitet,90 ist zumindest für den Fall der Gesamtvertretung eine Wissenszusammenrechnung anzunehmen. Hier hat der Vertretene die Vertretungsmacht mehreren Personen gemeinschaftlich gegeben; erst die Addition ihrer „Vertretungsmachtsteile“ führt zu einer wirksamen Vertretung des Geschäftsherrn. Aufgrund der Spiegelbildlichkeit der Zurechnungsnormen § 164 Abs. 1 BGB und § 166 Abs. 1 BGB ist es konsequent, auch die Addition ihrer Wissensteile als Wissen des Geschäftsherrn anzusehen, sodass eine Zusammenrechnung ebenso möglich wie auch konsequent ist.91 Sind jedoch neben denjenigen, die zur wirksamen Vertretung des Geschäftsherrn nötig sind, weitere Personen am Rechtsgeschäft beteiligt, deren Wissen zugerechnet wird (Wissensvertreter oder im Fall einer unechten Gesamtvertretung), entfällt das Additionsargument, sodass eine Zusammenrechnung in diesen Fällen der Zurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB ausscheiden muss.92 Demgegenüber findet über die wertende Wissenszurechnung – sowohl nach dem herrschenden „pflichtenbasierten“ als auch dem hier in Rede stehenden, vor-

87 Zur Wissenszurechnung von Wissensvertretern vgl. oben § 7 C.; vgl. auch Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 6. 88 Zur Konzeption des § 166 Abs. 1 BGB als Zurechnungsnorm für Einzelpersonen vgl. Mot. I, S. 226 = Mugdan I, S. 477; so auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 337. 89 So etwa Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 6; offenbar auch Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 9, ohne jedoch als Anknüpfung § 166 Abs. 1 BGB zu benennen. 90 Zur Frage der dogmatischen Anknüpfung der wertenden Wissenszurechnung § 9 C. 91 Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 339. 92 So auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 339; RGRK-BGB/Steffen, § 166 Rn. 6.

114

§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

zugswürdigen Konzept – nicht nur eine Wissenszurechnung, sondern ebenso eine -zusammenrechnung statt.93 Somit ist die wertende Wissenszurechnung sowohl im Hinblick auf den Personenkreis der Zurechnungssubjekte als auch in Bezug auf die Steuerungsmöglichkeit der Zurechnung sowie der Tatsache, dass hier auch nichthandlungsakzessorisches Wissen zugerechnet wird und stets eine Wissenszusammenrechnung stattfindet, deutlich weiter als die Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB. Im Rahmen des § 166 Abs. 1 BGB hat es der Vertretene durch die Wahl seines Vertreters bzw. seiner Vertreter sowie durch die Entscheidung, Hilfspersonen zu involvieren, selbst in der Hand, wessen Kenntnis er sich zurechnen lassen will und ob er eine Zusammenrechnung von Teilwissen in Kauf nimmt. Darüber hinaus findet dort aufgrund der Beschränkung der Zurechnung auf handlungsakzessorisches Wissen – abgesehen von der Einbeziehung mehrerer Vertreter bzw. Wissensvertreter für ein konkretes Rechtsgeschäft – keine Wissenssegmentierung statt, sondern vielmehr lediglich ein Austausch der Person, auf deren Kenntnis abzustellen ist. Und auch im Hinblick auf die Einbeziehung mehrerer Vertreter oder von Hilfspersonen kann der Vertretene durch die Auswahl der für das in Rede stehende Rechtsgeschäft tätigen Personen Einfluss auf die Reichweite der Zurechnung nehmen. Die Einflussnahme auf die konkrete Wissensorganisation findet bei der Zurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB somit bereits durch die Wahl der Vertretungsordnung statt. Demgegenüber hat die arbeitsteilige Organisation im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung im Ausgangspunkt keinen Einfluss auf die Reichweite der Zurechnung. Der Organisation wird auf der ersten Stufe des hier vertretenen Konzepts das Wissen sämtlicher für sie tätigen Personen zugerechnet, sodass der Wissensaufspaltung durch eine unbedingte Zurechnung begegnet wird. Dementsprechend beschränkt sich die Zurechnung auch nicht auf die handlungsakzessorische Kenntnis. Darüber hinaus findet eine Zusammenrechnung sämtlicher Teilwissensbeiträge statt. Anders als im Rahmen des § 166 Abs. 1 BGB hat sie im Fall der wertenden Wissenszurechnung somit keine Möglichkeit, durch die Wahl einer bestimmten Vertretungsordnung die Zurechnung zu kanalisieren. Findet im Rahmen der Wissenszurechnung über § 166 Abs. 1 BGB bereits über die konkrete Vertretungsordnung eine Wissensorganisation statt, so bedarf es hier eines Korrektivs, das eine Wissensorganisation ermöglicht. Insofern liegt der Grund für die unterschiedliche Behandlung der wertenden Wissenszurechnung und § 166 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die Existenz eines wertenden Korrektivs in der unterschiedlichen Reichweite der beiden Zurechnungskonzepte. Die deutlich eingeschränktere Zurechnung des § 166

93

Vgl. hierzu bereits oben § 8 B., § 9 A.II.

A. Entwicklung eines allgemeinen zweistufigen Zurechnungsmodells

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Abs. 1 BGB belastet den Geschäftsherrn weitaus weniger als die wertende Wissenszurechnung. Darüber hinaus gibt § 166 Abs. 1 BGB dem Geschäftsherrn die Möglichkeit der Wissensorganisation bereits durch die Wahl der Vertretungsordnung, wohingegen die erste Stufe des hier vorgestellten Zurechnungskonzepts keinen Raum für eine Wissensorganisation lässt. Aufgrund dieser beschriebenen Mehrbelastung, die – wie oben gezeigt – in diesem Ausmaß insbesondere vor dem Hintergrund des Telos der Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation nicht notwendig ist, besteht durch die Votierung für das wertende Korrektiv auf der zweiten Stufe des hier vorgestellten allgemeinen wertenden Zurechnungskonzepts kein Wertungswiderspruch im Vergleich zu der Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB. Zudem hat der Gesetzgeber selbst eine ähnliche Konstruktion für die Haftung nach § 831 BGB gewählt. Diese Norm, die ebenso das Recht der arbeitsteiligen Organisationen betrifft (dort zwischen dem Geschäftsherrn und dem Verrichtungsgehilfen), enthält zwar keine Zurechnungsanordnung des Verschuldens von Verrichtungsgehilfen, sondern knüpft vielmehr an das eigene Auswahl- und Überwachungsverschulden des Geschäftsherrn einen Schadensersatzanspruch gegen diesen, enthält aber dennoch eine Verantwortungszuweisung im Rahmen der Arbeitsteilung und ist genauso wie das hier vorgestellte wertende Wissenszurechnungskonzept zweistufig konzipiert: Nachdem festgestellt ist, dass der Verrichtungsgehilfe in Ausführung seiner Verrichtung widerrechtlich einen Dritten geschädigt hat und somit eine arbeitsteilige Organisation einen Schaden verursacht hat, tritt in einem ersten Schritt eine unbedingte Haftung des Geschäftsherrn als Leiter dieser Organisation ein. Dieser kann sich jedoch in einem zweiten Schritt exkulpieren, wenn er darlegt, dass er alles Erforderliche getan hat, um den Schaden abzuwenden. In concreto hat der Geschäftsherr insbesondere darzulegen, dass er bei der Auswahl und Überwachung nicht fahrlässig gehandelt hat oder dass der Schaden auch unter Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entstanden wäre, vgl. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB. Auch hier tritt die Einstandspflicht somit nicht ein, wenn der Geschäftsherr dafür Sorge getragen hat, dass aus der arbeitsteiligen Organisation keine vermeidbaren, aus der Arbeitsteilung hervorgerufenen Gefahren entstehen. Wenn der Geschäftsherr dafür Sorge getragen hat, seinen Gehilfen richtig auszuwählen, ihn angemessen auszurüsten und gegebenenfalls zu überwachen, ist er seiner aus der Arbeitsteilung hervorgerufenen Verantwortung nachgekommen, sodass eine darüber hinausgehende Haftung vor dem Hintergrund der durch die Arbeitsteilung entstandenen Risiken nicht gerechtfertigt ist. Gleiches gilt, wenn der Schaden nicht auf die Tätigkeit als Organisation zurückgeht, sondern auch entstanden wäre, wenn diese die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewendet hätte. Wenn somit der Grund für die Schadensverursachung nicht in der Organisation als solcher liegt, tritt auch nicht die Rechtsfolge des § 831 BGB ein.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Abschließend muss im Rahmen dieser kritischen Würdigung betont werden, dass bisher nur nach einem Konzept gesucht wurde, wertend Wissen in arbeitsteiligen Organisationen zuzurechnen. Davon unberührt bleiben die Fragen der normativen Begründbarkeit und der gesetzlichen Anknüpfung, auf die im Folgenden noch einzugehen ist.94

V. Fazit – Die allgemeine wertende Wissenszurechnung als Antwort auf die Kritik am „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzept Das zweistufige Wissenszurechnungsmodell aus unbedingter Zurechnung in einem ersten und einer wertenden Korrektur in einem zweiten Schritt ist das Ergebnis der Suche nach einem Wissenszurechnungskonzept, das sich sowohl in die allgemeine Zurechnungslehre integrieren lässt als auch offen ist für die unterschiedlichen Wertungen der verschiedenen Wissensnormen in ihrem jeweiligen Regelungsumfeld. Dabei ist zum einen die Unterschiedlichkeit von Zurechnung und Pflicht(verletzung) zu beachten und zum anderen die Differenz zwischen Wissen und Wissenmüssen zu wahren, die durch die „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung verwischt wurde. Wie bereits dargestellt, ergibt sich sowohl die erste als auch die zweite Stufe des hier vorgestellten allgemeinen wertenden Zurechnungskonzepts unmittelbar aus dem Telos der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation. Hierdurch wird gewährleistet, dass das Gleichgewicht zwischen dem Einflussbereich bzw. Geschäftskreis und dem Verantwortungsbereich der arbeitsteiligen Organisation (wieder)hergestellt, sie jedoch nicht durch eine zu extensive Wissenszurechnung unbillig belastet wird. Dabei wurde insbesondere gezeigt, dass sowohl der im Vergleich zu § 31 BGB oder § 166 Abs. 1 BGB größere Kreis der Zurechnungssubjekte als auch die Tatsache, dass die in § 166 Abs. 1 BGB normierte Wissenszurechnung nicht wertungsoffen ausgestaltet ist, aus Sicht der allgemeinen Zurechnungslehren weder ungewöhnlich noch hinderlich ist. Trotz der klaren Unterstreichung der Unbedingtheit der Zurechnung im Ausgangspunkt bleibt das hier in Rede stehende Zurechnungskonzept durch seine zweite Stufe offen für die unterschiedlichen Wertungen der verschiedenen Wissensnormen und ihrer Regelungskonzepte. Durch die Korrektur der auf der ersten Ebene festgestellten unbedingten Wissenszurechnung wird sowohl Raum für die unterschiedlichen Regelungsrahmen der Wissensnormen geschaffen als auch der Zweck der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation konsequent weiterverfolgt. Wenn nämlich die Organisation ihrer

94

Zur normativen Begründbarkeit vgl. unten § 9 B.; zur dogmatischen Anknüpfung vgl. unten § 9 C.

B. Normativer Zurechnungsgrund

117

erweiterten Verantwortung durch eine angemessene Wissensorganisation nachkommt, wäre eine darüber hinausgehende Wissenszurechnung nicht mehr mit ihrem Zweck zu vereinbaren, eine unbillige Wissenszersplitterung innerhalb der Organisation zu verhindern. Somit wird erst durch die Zusammenschau der ersten mit der zweiten Stufe des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts und durch die Verbindung von unbedingter Zurechnung einerseits und der wertungsmäßigen Korrektur andererseits der Zweck der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation vollends verwirklicht. Hierdurch vermag es das zweistufige allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept, ohne Rekurs auf Pflichten auszukommen. Die Wissenszurechnung wird nicht als Folge einer Wissensorganisationspflichtverletzung verstanden; vielmehr bedient sie sich dem Instrumentarium der Zurechnungslehre. Trotz dessen gelingt die Einbeziehung der angemessenen Wissensorganisation, hier jedoch nicht zur Begründung der Zurechnung, sondern vielmehr zu ihrer Begrenzung. Durch den Verzicht auf die Einbeziehung von Pflichten als Anknüpfungspunkt für die Zurechnung ist es ebenso möglich, die Trennung zwischen Wissen und Wissenmüssen zu bewahren, deren Fehlen in dem bekannten „pflichtenbasierten“ wertenden Zurechnungskonzept zu bemängeln war. Da in dem allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzept die Zurechnung nicht als Rechtsfolge einer Organisationspflichtverletzung, sondern als unmittelbare Folge der Arbeitsteilung verstanden wird, kann nur diejenige Kenntnis und dasjenige Kennenmüssen der für die arbeitsteilige Organisation arbeitenden natürlichen Personen zugerechnet werden, die bzw. das auch tatsächlich in der natürlichen Person vorgelegen hat. Eine Verwischung der Konturen zwischen positiver Kenntnis und bloßem Kennenmüssen droht somit nach dem hier vorgestellten wertenden Wissenszurechnungskonzept nicht.

B. Normativer Zurechnungsgrund Nachdem die Frage nach einem (modifizierten) wertenden Wissenszurechnungskonzept aufgeworfen und im Anschluss daran herausgearbeitet wurde, was unter einem solchen Konzept verstanden und wie es in die bestehende Dogmatik der Wissenszurechnung integriert werden kann, besteht noch immer die Frage nach dem normativen Zurechnungsgrund eines solchen wertenden Wissenszurechnungskonzepts.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Wie bereits im Grundlagenteil dargestellt,95 stellt die Fremdzurechnung96 eine begründungsnotwendige Ausnahme des Grundsatzes dar, dass jedes Rechtssubjekt (nur) für das eigene Verhalten die Verantwortung trägt.97 Die Fremdzurechnung soll in diesen Ausnahmefällen die Anwendung der Bezugsnormen sichern, die entweder durch eine bewusste, missbräuchliche oder durch eine unbewusste, bloß durch die Arbeitsteilung in Kauf genommene Umgehung gefährdet sein kann, und stellt somit ein Schutzinstrument gegen Umgehungsmöglichkeiten dar.98 Da das Bezugssubjekt mithin Rechtsfolgen treffen, obwohl es den entsprechenden Tatbestand nicht selbst erfüllt und somit der Verantwortungsbereich erweitert wird, bedarf es einer Rechtfertigung für die damit einhergehende rechtliche Belastung. Dabei nimmt die Organzurechnung innerhalb einer juristischen Person eine besondere Stellung ein, da durch sie der Verantwortungsbereich nicht erweitert, sondern überhaupt erst geschaffen wird und die Handlungsfähigkeit für ein Rechtssubjekt essentiell ist, sodass sich die Rechtfertigung der Zurechnung bereits hieraus ergibt. Die wertende Wissenszurechnung ist gleichwohl weitgehender als eine bloße Zurechnung von Organwissen. Wie bereits oben ausführlich dargelegt, findet neben einer bloßen Wissenszurechnung auch eine -zusammenrechnung statt, und nicht nur das Wissen von Organmitgliedern, sondern dasjenige aller an der arbeitsteiligen Organisation Beteiligten kann zugerechnet werden.99

I. Gleichstellungsargument Insbesondere von der Rechtsprechung wird vor allem das Gleichstellungsargument als Rechtfertigungsgrund für die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person angeführt,100 wobei auch die Literatur diesen 95

Vgl. oben § 5 C. sowie § 5 D., auf dessen Ausführungen an dieser Stelle verwiesen werden soll. 96 An dieser Stelle soll nicht erneut diskutiert werden, ob Organwissen fremdes oder eigenes Wissen der Gesellschaft ist. Es sei vielmehr auf die Darstellung unter § 7 B.I. verwiesen. In jedem Fall ist indes auch die Wertung des Organwissens als eigenes Wissen der Gesellschaft eine Fiktion, die normativ begründet werden muss; zum Begriff der Fremdzurechnung und der Abgrenzung zur Eigenzurechnung vgl. oben § 5 B. 97 Vgl. hierzu auch Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 3; Canaris, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht, 1971, S. 468. 98 Hierzu ausführlich mit Blick auf rechtspolitisch-soziologische Erwägungen Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 40; Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 29; Bork, ZGR 1994, 237 (240). 99 Vgl. oben § 9 A.II. 100 BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (332); BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (36 f.); BGH, Urt. v. 1.10.1999 – V ZR 218/98, NJW 1999,

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Gedanken immer wieder aufgreift und adaptiert.101 Danach soll derjenige, der mit einer juristischen Person in Kontakt tritt, nicht schlechter (aber auch nicht besser) gestellt werden als derjenige, der einer natürlichen Person gegenübersteht.102 Aufgrund dessen soll es der arbeitsteiligen Organisation verwehrt sein, die Risiken, die sich aus einer Wissensaufspaltung ergeben, auf den Rechtsverkehr abzuwälzen. Dabei ist dem Gleichstellungsargument zumindest dahin gehend recht zu geben, dass eine Organisation nicht bloß dazu genutzt werden darf, maßgebliche Entscheidungsträger von nachteiligen Kenntnissen abzuschirmen.103 Trotzdem wird teilweise schon das Bedürfnis einer solchen Gleichstellung infrage gestellt, da der Dritte wisse, dass er nicht mit einer natürlichen Person in Kontakt tritt, und sich bewusst dafür entscheide,104 was zumindest für den rechtsgeschäftlichen Verkehr zutrifft. Doch selbst wenn man der Gleichstellungsthese nicht schon von vornherein ihre Geltung absprechen will – insbesondere für den außerrechtsgeschäftlichen Verkehr –, so hinkt doch der Vergleich bei näherer Betrachtung: Zunächst muss dieser Vergleich aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen unvollkommen bleiben.105 So kann eine natürliche Person ganz selbstverständlich vergessen, eine juristische Person kann dies jedoch – gerade im Hinblick auf aktenmäßig festgehaltenes Wissen – nicht.106 Da eine natürliche Person auch keinen internen Verschwiegenheitspflichten unterliegt und in ihrem Inneren keine organisationellen Trennlinien (sog. Chinese Walls) bestehen, bleibt ihr Wissen auch in Folgehandlungen bestehen; bei unterschiedlichen Transaktionen einer juristischen Person kann dies – ins-

3777 (3778); BGH, Urt. v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359 (360); BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 203/09, BeckRS 2011, 01685, Rn. 16 (juris). 101 Vgl. bereits Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (11 f.); Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person, 1998, S. 170 ff.; Thomale, AG 2015, 641 (648); Verse, AG 2015, 413 (416), der dieses Argument jedoch stark mit dem Gedanken des Verkehrsschutzes verwebt; ansatzweise auch Taupitz, FS Lorenz (1994), S. 673 (683 f.), der jedoch noch auf dem Karlsruher Forum 1994 der Gleichstellungsthese kritisch gegenüberstand, vgl. Tauptiz, Karlsruher Forum 1994, 16 (27); zweifelnd Drexl, ZHR 161 (1997) 491 (505); vgl. auch Drexl, Bankrechtstag 2002, S. 85 (100 f.); vgl. zuletzt auch Armbrüster/ Kosich, ZIP 2020, 1494 (1501), die die wertende Wissenszurechnung über das Gleichstellungsargument sogar dogmatisch begründen wollen. 102 Zu diesem Argument vgl. etwa BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (36). 103 Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 124. 104 So Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (27); Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 43 f.; ähnlich auch Koller, JZ 1998, 75 (80). 105 Koller, JZ 1998, 75 (84); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (316). 106 Vgl. hierzu Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (322 f.).

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

besondere im Hinblick auf sog. Chinese Walls, aber auch sonst im Kontext interner Verschwiegenheitspflichten – anders sein.107 Zudem ist unklar, welche natürliche Person zur Bildung des Vergleichspaars herangezogen wird. Soll hier eine Einzelperson als Bezugspunkt gewählt werden oder eine solche, die durch den Einsatz von unterschiedlichen Stellvertretern und anderen Hilfspersonen ebenso wie eine juristische Person eine arbeitsteilige Organisation bildet? Darüber hinaus werden an einen Einzelkaufmann andere Verhaltensanforderungen zu stellen sein als an eine Privatperson, sodass zu fragen bliebe, welche der beiden Personen zur Bildung des Vergleichspaars herangezogen wird.108 Dabei drängt sich die Frage auf, ob nicht auch natürliche Personen, die sich arbeitsteilig organisieren, wie etwa bei Einzelkaufleuten oder vertraglich kooperierende Partnern, ebenso Wissensorganisationspflichten auferlegt werden müssen, sodass in diesem Fall eine Gleichstellung völlig andere Vorzeichen bekäme.109 Aufgrund dessen muss eine Gleichstellung der Wissenszurechnung der juristischen Person mit einer natürlichen Person scheitern.110 Weder ist der Bezugspunkt dieser Gleichstellung ersichtlich noch würden hierdurch die Besonderheiten der juristischen Person hinreichend deutlich, sodass ein Vergleich bis in das kleinste Detail ohnehin nicht möglich ist. Ebenso lässt sich die Gleichstellungsthese sowohl hinsichtlich einer Privilegierung der Organisation als auch bei einer Benachteiligung nutzbar machen, da insbesondere der BGH herausgestellt hat, dass die juristische Person nicht besser – aber auch nicht schlechter – gestellt werden dürfe als eine natürliche Person.111 Damit wird aber – wie Koller zutreffend herausgearbeitet hat – noch nicht die eigentliche Frage beantwortet, ob und wann eine juristische Person die Risiken aus der Wissensaufspaltung tragen soll, sondern schlicht undifferenziert für eine strikte Gleichbehandlung votiert.112 Eine solche strikte Gleichbehandlung von juristischer Person und natürlicher Person ist aber schon deshalb nicht geboten, da die juristische Person durch ihre Arbeitsteilung 107 Zu organisationellen Trennlinien (Chinese Walls) vgl. unten § 10 A.III.; zu Verschwiegenheitspflichten im Allgemeinen vgl. § 10 B.I.1., § 10 B.II.4., § 10 B.IV. 1. 108 Vgl. zu dieser Kritik Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (316); vgl. auch Altmeppen, NJW 2020, 2833 (Rn. 6). 109 Zur Einbeziehung von Einzelkaufmännern in den Anwendungsbereich der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung vgl. oben § 9 A.I.; vgl. hierzu ausführlich Seidel, ZIP 2020, 1506, passim; vgl. auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (316). 110 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (316); Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (554 f.); ausführlich hierzu Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 176 ff.; Koller, JZ 1998, 75, 77 ff.; ablehnend auch Sajnovits, WM 2016, 765 (768); Raiser, FS Bezzenberger (2000), S. 561 (576). 111 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (36). 112 Koller, JZ 1998, 75 (77 ff.); zustimmend Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (316 f.); ähnlich auch Raiser, FS Bezzenberger (2000), S. 561 (576).

B. Normativer Zurechnungsgrund

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und Wissensaufspaltung nicht nur Risiken erzeugt, sondern auch Vorteile wie die Senkung von Transaktionskosten geriert, sodass die Begründung einer Wissenszurechnung bei der juristischen Person nicht über den Gedanken der Gleichstellung, sondern nur über eine gerechte Risikoverteilung erreicht werden kann.113

II. Vertrauensschutz Anderenorts wird zur normativen Begründung der wertenden Wissenszurechnung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes abgestellt.114 Danach vertraue der Dritte, der mit einer Organisation in Kontakt tritt, darauf, dass das Wissen der für die Organisation handelnden Hilfsperson jener zugerechnet werde.115 Hieraus und aus dem Umstand, dass ein Vertrauen hinsichtlich einer Wissensorganisation bestünde, die die relevanten Informationen präsent hält und für die handelnden Hilfspersonen zur Verfügung stellt, ergebe sich die Notwendigkeit einer wertenden Wissenszurechnung.116 Bei genauerer Betrachtung ist diese Argumentation allerdings eine selbsterfüllende Prophezeiung: Der Rechtsverkehr kann nur auf die Existenz einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation (bzw. bei einer nicht ordnungsgemäßen Wissensorganisation auf eine entsprechende Wissenszurechnung) vertrauen, wenn das Recht eine solche vorsieht. Ob und in welchem Umfang das Recht eine solche vorsehen soll, ist jedoch gerade die Frage, die hier der Klärung bedarf. Insofern ist diese Argumentation ein Zirkelschluss. Davon abgesehen bietet der Begründungsversuch über den Vertrauensschutz den größten Angriffspunkt im Hinblick auf den außerrechtsgeschäftlichen Verkehr: Da dort kein Vertrauen entstehen kann, sich insbesondere niemand im Vertrauen auf einen bestimmten Umstand schädigen lässt, kann zumindest dort der Vertrauensschutz nicht zur Begründung einer Wissenszurechnung herangezogen werden, wie selbst Fürsprecher dieses Begründungsmodells eingestehen.117 Die Begründung der wertenden Wissenszurech113 Vgl hierzu Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (317); Koller, JZ 1998, 75 (77, 80); Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 121 f.; im Ergebnis auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 208. 114 Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (196); Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (308, 311, 313); Taupitz, JZ 1996, 734 (735): „berechtigte Erwartungen“; W. Schultz, NJW 1996, 1392 (1393); Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2541): Vertrauensschutz neben Verkehrsschutz; vgl. hierzu auch ausführlich Baum, Die Wissenszurechnung, 1999. S. 210 ff.; Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 132 ff. 115 Deutlich Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (311, 313). 116 Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (311, 313); Taupitz, JZ 1996, 734 (735). 117 So auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 222 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (318); Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (9); Faßbender, Innerbetriebliches Wissen

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

nung über den Gedanken des Vertrauensschutzes hätte somit zur Folge, dass dieses Zurechnungskonzept auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr begrenzt wäre.118 Darüber hinaus ist fraglich, worauf sich (im rechtsgeschäftlichen Verkehr) das Vertrauen des Vertragspartners beziehen soll.119 Jedenfalls kann er nicht darauf vertrauen, dass die arbeitsteilige Organisation im gleichen Maße wie eine einzelne natürliche Person sämtliche anfallenden Informationen präsent hat. Doch selbst wenn sich das Vertrauen nur auf eine „ordnungsgemäße Wissensorganisation“ beziehen sollte, kann hier kaum konkretes Vertrauen ausgebildet werden. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Ordnungsmäßigkeit der Wissensorganisation120 kann zumindest kein Vertrauen in eine bestimmte Organisationsstruktur entstehen, sodass das Vertrauen in die konkrete Wissensorganisation nur äußerst global und daher nicht besonders stark ausgeprägt sein könnte.121 Gegen dieses Begründungsmuster der wertenden Wissenszurechnung spricht zudem im Allgemeinen, dass die Haftung für enttäuschtes Vertrauen wie in der culpa in contrahendo (c.i.c., §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) oder in der vertraglichen Haftung (vormalig positive Vertragsverletzung, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) verschuldensabhängig konstruiert ist und gerade nicht verschuldensunabhängig wie die wertende Wissenszurechnung.122 Aufgrund dieser verschiedenen Antworten des Rechts auf die Fragen nach dem Umgang mit enttäuschtem Vertrauen einerseits und der Zurechnung von Wissen andererseits müssen auch dem Begründungsversuch der normativen Wissenszurechnung über die Grundsätze des Vertrauensschutzes erhebliche Bedenken entgegengebracht werden. Folglich bleibt dieser Begründungsversuch nicht nur – mit Blick auf den außerrechtsgeschäftlichen Verkehr – unvollkommen, sondern wirft zudem auch konzeptionelle und logische Fragen auf und ist daher abzulehnen.123 Insbesondere darf die wertende Wissenszurechnung auch nicht mit einer Haftung für enttäuschtes Vertrauen im Rahmen der Haftung nach den Grundsätzen der c.i.c. beziehungsweise im Rahmen der Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB verwechselt oder gar gleichgesetzt werden. und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 135; so sogar Grunewald, die ansonsten den Vertrauensschutz als taugliche Begründung ansieht, Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (317). 118 Vgl. hierzu bereits ausführlich Seidel, AG 2019, 492 (494). 119 Vgl. hierzu Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 213 ff., 225; Koller, JZ 1998, 75 (80); Seidel, AG 2019, 492 (494). 120 Vgl. hierzu bereits oben § 8 A.II.; vgl. hierzu auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (318). 121 Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 225; Seidel, AG 2019, 492 (494). 122 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (318). 123 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (318); kritisch auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 224 f.; Koller, JZ 1998, 75 (80 f.).

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III. Risikoverteilung Vielmehr ist die wertende Wissenszurechnung normativ über den Gedanken einer ausgeglichenen Risikoverteilung unter Beachtung der Risikobeherrschung zu begründen.124 Dabei findet die Risikoabwägung zwischen den beiden Polen der vollständigen Wissenszurechnung und der Möglichkeit einer vollständigen Wissensseparation statt, wobei sowohl wissensnormunabhängige Faktoren wie auch die Wertungen, die der Wissensnorm immanent sind, in den Blick zu nehmen sind: Wissensnormunabhängig lässt sich zunächst feststellen, dass durch die Arbeitsteilung sowohl eine Wissensaufspaltung (im negativen Sinne) als auch eine Wissensmehrung (im positiven Sinne) stattfindet. Zweifelsohne erzeugt die Arbeitsteilung Risiken, gerade auch in Bezug auf eine Wissensaufspaltung. Andererseits birgt sie ebenso Vorteile im Geschäfts- und Rechtsverkehr, wie etwa durch den positiven Skaleneffekt und insbesondere durch die Senkung von Transaktionskosten durch Spezialisierung und Generierung von „Mehr“-Wissen.125 Darüber hinaus werden gewisse Produkte und Dienstleistungen erst durch Arbeitsteilung möglich oder rentabel. Zudem kann zumindest für den rechtsgeschäftlichen Kontext festgehalten werden, dass sich der Vertragspartner bewusst für eine arbeitsteilige Organisation (samt ihren Risiken) entschieden hat und somit auch nicht erwarten kann, dass sämtliches Wissen an jeder Stelle dieser Organisation stets verfügbar wäre. Insofern eignet sich die Frage des Nutzens nicht, um eine Risikozuweisung in die eine oder die andere Richtung vorzunehmen. Abgesehen davon ist im Rahmen der Risikoverteilung allerdings ebenso die Frage der Beherrschbarkeit zu berücksichtigen. Diese Perspektive ist insbesondere im Rahmen deliktischer Verkehrspflichten nicht fremd, birgt darüber hinaus aber auch einen allgemeinen Rechtsgrundsatz: Wer einen selbst eröffneten Verkehrsbereich beherrscht, hat auch für die daraus resultierenden Gefahren einzustehen.126 In Bezug auf die Risikozuweisung im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen ist dabei zunächst festzuhalten, dass die Arbeitsteilung und somit auch die damit 124 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (319); Baumann, ZGR 1973, 284 (289 ff.); Seidel, AG 2019, 492 (495); mit starker Betonung der wissensnormabhängigen Faktoren Koller, JZ 1998, 75 (81 ff.); Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 225 ff., mit starkem Bezug auf den Kontext der Wissensnormen S. 275 ff.; ansatzweise auch Raiser, FS Bezzenberger (2000), S. 561 (575 f.) ebenfalls mit Betonung auf den Kontext der Wissensnormen. 125 Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 123 ff., 128 f.; Koller, JZ 1998, 75 (77); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (317). 126 BGH, Urt. v. 17.6.1997 – VI ZR 156/96, BGHZ 136, 69 (77); vgl. hierzu Zeuner, Karlsruher Forum 1983, 196 (198 f.); Staudinger/Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 13; Soergel/Krause, BGB, § 823 Anh. II Rn. 8 f., jeweils mwNachw.

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einhergehende Wissensaufspaltung von der Organisation ausgehen. Darüber hinaus kann nur diese die notwendigen organisationalen Vorkehrungen treffen, um einer unbilligen Wissenszersplitterung vorzubeugen. Mithin trägt sie auch die Verantwortung, für eine ordnungsgemäße Wissensorganisation zu sorgen, sodass sie der Verantwortung für einmal erlangtes Wissen dadurch nachkommen muss, dass sie dieses auch für die Zukunft organisiert. Des Weiteren bestünde bei fehlenden Regeln zur Wissensorganisation die Gefahr, dass arbeitsteilige Organisationen geschaffen werden, um rechtsmissbräuchlich gezielt eine Wissenszersplitterung herbeizuführen. Insofern lässt sich zudem das (rechtspolitische) Argument anführen, dass durch die wertende Wissenszurechnung im Hinblick auf die arbeitsteilige Organisation vernünftige Vermeidungsanreize gegen eine unbillige Wissenszersplitterung gesetzt werden. Dabei fällt auf, dass diese wissensnormunabhängigen Argumente – insbesondere das Wissensbeherrschungsargument – zunächst für eine einförmige Zurechnung des Wissens sprechen, sodass die mit der Wissenszurechnung einhergehende Erweiterung des Wissensverantwortungsbereichs durch die aus der Arbeitsteilung resultierende Erweiterung des Geschäftskreises erklärbar ist.127 Erst durch die Bezugnahme auf den Kontext der jeweiligen Wissensnorm wird die Möglichkeit geschaffen, die jeweilige Reichweite der Wissenszurechnung zu bestimmen. Erst hierdurch entsteht ein bewegliches System, das beispielsweise an die Wissenszurechnung im rechtsgeschäftlichen Kontext andere Anforderungen stellen kann als im außerrechtsgeschäftlichen Verkehr und insbesondere im Deliktsrecht. Diesen Ansatz scheint auch die Rechtsprechung zu verfolgen – freilich ohne dies so zu benennen –, wenn sie die Wissenszurechnung bei der vertraglichen Arglisthaftung128 anderen Regeln unterwirft als derjenigen zum Verjährungsbeginn,129 im Insolvenzrecht130 oder im Rahmen der Haftung gem. § 826 BGB131.132 Darüber hinaus lässt auch die Wertung des Gesetzgebers, die Rechtsfolgen von Wissensnormen teilweise nur an positive Kenntnis zu knüpfen und anderenorts auch fahrlässige Unkenntnis genügen zu lassen, darauf schließen, dass die rechtliche Bedeutung und damit die Konsequenzen des Wissens im entscheidenden Maße vom Kontext der Wissensnorm abhängig sind.133 127

Vgl. zur Rechtfertigung der Zurechnung im Allgemeinen oben § 5 D. BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30. 129 BGH, Urt. v. 22.4.1986 – VI ZR 133/85, NJW 1986, 2315; BGH, Urt. v. 9.3.2000 – III ZR 198/99, NJW 2000, 1411. 130 BGH, Urt. v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, NJW-RR 2006, 771. 131 BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250. 132 Vgl. zu den Unterschieden in der Rechtsprechung zur Wissenszurechnung bei unterschiedlichen Wissensnormen Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 11 ff.; Koller, JZ 1998, 75 (81 ff.); Seidel, AG 2019, 492 (495 ff.). 133 In diese Richtung auch Raiser, FS Bezzenberger (2000), S. 561 (575 f.). 128

C. Dogmatische Verankerung

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Der normative Begründungsansatz über eine ausgeglichene Risikoverteilung stellt somit auch die jeweiligen Wissensnormen in den Fokus und untersucht diese auf ihre jeweils eigene Risikoverteilung hinsichtlich einer Wissensaufspaltung zwischen der arbeitsteiligen Organisation und externen Dritten. In Bezug auf die Reichweite der Wissenszurechnung bzw. des Ausmaßes des Eingreifens des Korrektivs auf der zweiten Stufe des hier vorgestellten allgemeinen wertenden Wissenszurechnungsmodells soll im Wege einer Abwägung zwischen den beiden Polen einer unbedingten Zurechnung zum Schutz des Rechtsverkehrs vor den Risiken einer Wissensaufspaltung einerseits und der Steuerung der Wissenszurechnung durch eine Kompetenzordnung innerhalb der arbeitsteiligen Organisation sowie einer damit einhergehenden Risikobegrenzung andererseits ermittelt werden.134 Letztlich kommt in der Frage nach der Risikoverteilung auch deutlich der Wert des zweistufigen Zurechnungsmodells zum Ausdruck: Dort wird auf der ersten Stufe (in der Wissen unbedingt zugerechnet wird) dem Umstand Rechnung getragen, dass die Wissensaufspaltung von der Organisation selbst ausgeht und nur diese den innerbetrieblichen Wissensfluss organisieren kann. Auf der zweiten Stufe wird darüber hinaus in Ansatz gebracht, dass zum einen wissensnormunabhängige Aspekte und zum anderen der jeweilige Regelungskontext der in Rede stehenden Wissensnorm eine zu weit gehende Zurechnung begrenzen müssen, da eine darüber hinausgehende Wissenszurechnung die arbeitsteilige Organisation ungerechtfertigt belasten würde.

C. Dogmatische Verankerung Neben der Frage, wie die wertende Wissenszurechnung normativ begründet werden kann, stellt sich auch diejenige nach einer dogmatischen Verankerung dieses Rechtsinstituts. Diese Frage – die bereits Medicus in seinem Vortrag für das Karlsruher Forum 1994 gestellt hat, jedoch das Problem nur aufwarf, ohne eine Lösung anzubieten oder überhaupt Lösungsansätze anzuregen135 – wurde in der Vergangenheit schon äußerst kontrovers diskutiert und konnte bis heute nicht restlos geklärt werden.136 Auch hier kann man allerdings den Eindruck gewinnen, dass die unterschiedlichen Meinungen mittlerweile unvermittelt nebeneinander bestehen, eine fundierte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Argumenten jedoch nicht mehr stattfindet und kein 134

So auch Spindler, ZHR 181 (2018), 311 (319). Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (11). 136 Teilweise wurde sogar davon ausgegangen, dass ein solches Rechtsinstitut de lege lata die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung sprengen würden, vgl. Lehmann, DStR 1995, 1027 (1029); vgl. auch Risse, der die „apodiktische“ Schaffung der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung kritisiert, NZG 2020, 856 (859). 135

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

gesteigertes Interesse an einer ernsthaften Diskussion besteht. Nichtsdestoweniger bestehen auch heute noch verschiedene Ansätze, die auch jüngst noch vertreten werden, sodass hier einmal mehr „der Finger in die Wunde gelegt werden muss“.

I. Methodische Vorüberlegung – Die Rechtsfortbildung Es ist zunächst festzuhalten, dass eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Wissenszurechnung in arbeitsteiligen Organisationen de lege lata nicht besteht. Allerdings sind Gerichte anerkannterweise dazu berufen – teilweise sogar verpflichtet –, bestehende Lücken im Gesetz durch eine Rechtsfortbildung zu schließen.137 Sofern das Recht auf eine bestimmte Frage keine Antwort bereithält und sich diese auch nicht im Wege der Auslegung schließen lässt, ist eine solche Rechtsfortbildung möglich, wobei zwischen einer gesetzesimmanenten (bzw. -konkretisierenden) Rechtsfortbildung (praeter legem) und einer gesetzesübersteigenden (bzw. -überschreitenden) Rechtsfortbildung (extra legem) unterschieden werden muss.138 Eine letzte Eingrenzung erfolgt schließlich durch die grundsätzlich rechtswidrige Rechtsfortbildung contra legem,139 da eine Rechtsfortbildung, auch wenn sie über den Gesetzeswortlaut hinausgeht, selbstverständlich nicht dem Gesetz zuwiderlaufen darf und immer noch Art. 20 Abs. 3 GG unterworfen ist. 1. Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung Die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung dient der Füllung von Gesetzeslücken im engeren Sinne (bzw. eines planwidrigen Mangels einer Regelung für eine bestimmte Fallgestaltung innerhalb des von dem Gesetz geregelten Bereichs; in der Terminologie von K. Engisch „Mangel“), wobei zwischen offenen und verdeckten Lücken (in der Terminologie von K. Engisch „Lücke“ und „Fehler“) unterschieden werden muss.140 Während verdeckte Lücken

137 Zumindest für die zivilrechtliche Revision besteht gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO eine Pflicht zur Fortbildung des Rechts; aus verfassungsrechtlicher Sicht vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (287) – Soraya; vgl. hierzu Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung, 1995, S. 138, 174 ff.; Lang, FS Odersky (1996), S. 583 (586); Bumke, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, S. 33 (36 f.). 138 Nach Möllers wird die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung als Fortbildung intra legem und die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung als Fortbildung praeter legem bezeichnet, vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 13 Rn. 14 f. 139 Zu den Ausnahmen zur Rechtswidrigkeit der Rechtsfortbildung contra legem vgl. Hirsch, Rechtsanwendung, Rechtsfindung, Rechtsschöpfung, 2003, S. 17 f.; Meys, Rechtsfortbildung extra legem im Arbeitsrecht, 2009, S. 11 f. 140 Zur Terminologie vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 191 ff.; Ca-

C. Dogmatische Verankerung

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durch teleologische Reduktionen geschlossen werden, werden offene Lücken vor allem durch Erst-Recht-Schlüsse (argumentum a maiore ad minus, argumentum a minori ad maius), durch einen Umkehrschluss (argumentum e contrario) oder mithilfe der Analogie – die an dieser Stelle näher betrachtet werden soll – beseitigt: Im Rahmen der Analogie muss wiederum zwischen einer Einzelanalogie (oder Gesetzesanalogie) und einer Gesamtanalogie (oder Rechtsanalogie) unterschieden werden. Während die Einzelanalogie eine für einen bestimmten Tatbestand gegebene Regel auf einen anderen, wertungsmäßig vergleichbaren Tatbestand überträgt, wird bei der Gesamtanalogie mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge knüpfen, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz entnommen.141 Die Tatbestände dürfen dabei nicht absolut ungleich sein, sondern müssen gerade in der für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Hinsicht übereinstimmen.142 Am Beispiel der Analogie wird besonders deutlich, dass die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung eine klare gesetzgeberische Wertentscheidung zum Vorbild hat, die auf einen vergleichbaren Tatbestand übertragen wird. Diese Form der Rechtsfortbildung befindet sich noch innerhalb der Kodifikation.143 Folglich ist eine solche auch vergleichsweise einfach zu begründen. Immerhin ist der Gesetzgeber für einen ähnlichen Kontext rechtsetzend tätig geworden, sodass eine deutliche legislative Wertentscheidung vorliegt, die (eine hinreichende Vergleichbarkeit vorausgesetzt) nur übertragen werden muss. Aufgrund dieses vergleichsweise geringen Eingriffs in die Rechtsetzungsautonomie der Legislative wundert es auch nicht, dass der Richter sogar zur Lückenausfüllung im Wege der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung verpflichtet ist, sofern er eine Lücke im engeren Sinne feststellt.144 2. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung Im Gegensatz dazu ist bei einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung gerade kein direkter Vergleichstatbestand gegeben; vielmehr geht diese Fortbildung über die Grenze der bloßen Lückenfüllung im engeren Sinne hinaus. Eine solche Rechtsfortbildung wird daher erst bei sog. Lücken im weiteren naris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 16; Meys, Rechtsfortbildung extra legem im Arbeitsrecht, 2009, S. 8; vgl. zur Unterscheidung zwischen verdeckten und offenen Lücken Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 136 f.; vgl. zur alternativen Terminologie Engisch, Einführung in das juristische Denken, 2018, S. 193; zur Abgrenzung der Gesetzeslücke zum qualifizierten Schweigen vgl. unten § 9 C.II. 141 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 204; Bruns, JZ 2014, 162 (163). 142 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 202. 143 Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 414. 144 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 188.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Sinne erforderlich, von denen gesprochen werden kann, wenn „das Fehlen einer rechtlichen Regelung zwar nicht schon (wie bei einer Lücke im engeren Sinne) gemessen am Plan des Gesetzes selbst, wohl aber gemessen an den Erfordernissen der Gesamtrechtsordnung als behebungsbedürftige Unvollständigkeit erscheint“.145 Insofern werden neue Rechtsinstitute geschaffen, die in dem ursprünglichen Plan des Gesetzes nicht vorgesehen waren.146 Begrenzt wird diese Fortbildung durch die leitenden Prinzipien der Gesamtrechtsordnung. Mithin ist die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung zwar „extra legem“, aber nicht „contra ius“ – sie bewegt sich zwar außerhalb der gesetzlichen Regelungen, anerkennt jedoch trotzdem den äußeren Rahmen der Gesamtrechtsordnung und die ihr zugrunde liegenden Rechtsprinzipien.147 Insofern kann die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung als Fortsetzung der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung verstanden werden, wenn die gesetzesnahen Fortbildungsmethoden nicht zum Ziel gelangen bzw. genügen.148 Aufgrund dieser hohen Eingriffsintensität in die Rechtsetzungskompetenz der Legislative ist hier ein besonderer Begründungsaufwand nötig; eine solche Rechtsfortbildung ist daher nur möglich, wenn zusätzliche Gründe dies verlangen.149 Hinzu kommt, dass gerade aufgrund der Stellung dieser Rechtsfortbildung außerhalb der gesetzlichen Regelungen eine grundlegende rechtliche Wertung für eine solche Fortbildung sprechen muss, da ansonsten die Schwelle zur Rechtsfortbildung contra legem überschritten wäre. Insofern haben sich als Fallgruppen einer rechtmäßigen Rechtsfortbildung extra legem die „Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs“, die etwa zur Schaffung der Sicherungsübereignung geführt hat, und die – an dieser Stelle besonders relevante – „Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip“ herausgebildet.150 Dabei meint der Begriff der rechtsethische Prinzipien „richtungsgebende Maßstäbe rechtlicher Normierung, die vermöge ihrer eigenen Überzeugungskraft rechtliche Entscheidungen zu ,rechtfertigen‘ vermögen“, wobei sie sich von Zweck145

Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 246. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 414; Meys, Rechtsfortbildung extra legem im Arbeitsrecht, 2009, S. 8; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 232. 147 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 232. 148 A. Schmidt, Richterliche Rechtsfortbildung in Deutschland und der Schweiz, 2017, S. 71; ähnlich auch Bruns, JZ 2014, 162 (163). 149 Vgl. hierzu A. Schmidt, Richterliche Rechtsfortbildung in Deutschland und der Schweiz, 2017, S. 69 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 188; zur gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung im „Grenzbereich des Gewaltenteilungsprinzips“ vgl. auch Bruns, JZ 2014, 162 (163). 150 Vgl. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 233 ff.; Larenz, NJW 1965, 1 (7 f.); ders., FS Nikisch (1958), S. 275 (281 ff.); vgl. auch Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 414 f. 146

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mäßigkeitsgründen durch ihren materiellen Gerechtigkeitsgehalt unterscheiden.151 Ein solches Prinzip wird nicht durch den Gesetzgeber implementiert bzw. gesetzt, wie eine Norm gesetzt wird, vielmehr wird der Gesetzgeber von verschiedenen Prinzipien bei der Rechtsetzung (teilweise unbewusst) geleitet; sie entspringen mithin weder direkt dem Gesetz noch der Rechtsprechung, sondern liegen beiden zugrunde.152 Diese Prinzipien werden zumeist durch die Methode der Induktion, also des Schlusses vom Besonderen auf das Allgemeine, geschlossen.153 Darüber hinaus wird zuweilen eine Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die „Natur der Sache“, wie etwa in Bezug auf die Regelungen zum nicht rechtsfähigen Verein, angenommen,154 wobei hier freilich Zweifel aufgrund der Konturlosigkeit dieser rechtlichen Kategorie angezeigt sind.155 Sowohl im Hinblick darauf, dass die gesetzesübersteigernde Rechtsfortbildung eine Fortsetzung der gesetzesimmanenten Fortbildung mit anderen methodischen Mitteln ist, als auch insbesondere aufgrund der hohen Eingriffsintensität in die Rechtsetzungskompetenz der Legislative kommt dieser Art der Rechtsfortbildung eine Ultima-Ratio-Stellung zu.156 3. Abgrenzung Zumindest die äußeren Grenzen der Rechtsfortbildung, die Auslegung auf der einen und die Rechtsfortbildung contra legem auf der anderen Seite, sind vergleichsweise einfach zu bestimmen, auch wenn sie mitunter fließend sind: So erfolgt die Abgrenzung zwischen der Auslegung und der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung bereits anhand des Wortlautes, der die Grenze der Auslegung darstellt.157 Ebenso eingängig ist die Abgrenzung zwischen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung und derjenigen contra legem. 151

Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 240; vgl. hierzu bereits Larenz, NJW 1965, 1 (7); Larenz, FS Nikisch (1958), S. 275 (300). 152 Larenz, FS Nikisch (1958), S. 275 (301). 153 Vgl. hierzu Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 58 ff.; vgl. auch Coing, Juristische Methodenlehre, 1972, S. 15; ähnlich auch Larenz, FS Nikisch (1958), S. 275 (292). 154 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 236 ff.; Larenz, NJW 1965, 1 (5 f.); ders., FS Nikisch (1958), S. 275 (281 ff.); Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 59. 155 So auch Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 415. 156 So auch A. Schmidt, Richterliche Rechtsfortbildung in Deutschland und der Schweiz, 2017, S. 69. 157 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 19 ff.; Meys, Rechtsfortbildung extra legem im Arbeitsrecht, 2009, S. 5; Bumke, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, S. 33 (36); vgl. zum Grenzfall der Abgrenzung Auslegung – Rechtsfortbildung bei Generalklauseln, Meys, Rechtsfortbildung extra legem im Arbeitsrecht, 2009, S. 6.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Auch wenn eine richterliche Rechtsfortbildung möglich ist, wird diese Befugnis des Richters durch dessen Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) begrenzt. Die Rechtsfortbildung findet somit dort ihre Grenze, „wo gegen Anordnungen oder Wertungen des geltenden Rechts verstoßen [wird], also ,contra legem‘ judiziert wird“.158 Demgegenüber ist eine trennscharfe Unterscheidung zwischen der Rechtsfortbildung praeter legem und derjenigen extra legem nicht ohne Weiteres möglich, vielmehr bestehen bloß graduelle Unterschiede.159 Diese Abgrenzungsschwierigkeiten stehen dabei in Widerspruch zu einer deutlichen Abgrenzungsnotwendigkeit. Auch wenn jede Rechtsfortbildung in einer Grenzzone zwischen der ersten und der dritten Gewalt gebildet wird,160 ist die Rechtsfortbildung extra legem mangels ausdrücklicher Anknüpfung im Gesetz deutlich schwieriger zu begründen – gleichzeitig aber auch begründungsintensiver – als eine solche praeter legem. Ein Abgrenzungsversuch ist dennoch zu unternehmen, da die verschiedenen Stufen der Rechtsfortbildung eine unterschiedliche Methodik voraussetzen und ihnen ein unterschiedlich starker Eingriff in die Rechtsetzungsautonomie der Legislative zugrunde liegt. Insbesondere die Gesamtanalogie gibt dem Rechtsanwender die Möglichkeit, aus einer Vielzahl von Normen eine bestimmte ratio legis zu entnehmen. Diese Methodik ist äußerst verwandt mit derjenigen zum Auffinden eines rechtsethischen Prinzips: Hier wie dort werden unterschiedliche Normen auf ihren Zweck untersucht, dieser Zweck verallgemeinert und aus der Verallgemeinerung ein Schluss gezogen – entweder eine Gesamtanalogie oder aber eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung. Dabei kann die Abgrenzung zwischen diesen beiden Normbildungsmethoden nur anhand des Grades der Verallgemeinerung erfolgen. Insbesondere eine Anmerkung von Canaris aus seiner Methodenlehre scheint dabei einen Anhaltspunkt für eine rechte Unterscheidung zu geben: Bei einer Gesamtanalogie wird „mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge anknüpfen, ein ,allgemeiner Rechtsgrundsatz‘ entnommen“.161 Hieraus ließe sich ableiten, dass eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung in ihrem weitesten Sinne, der Gesamtanalogie, nur möglich ist, sofern die in Bezug genommenen Normen die gleiche Rechtsfolge aufweisen. 158

Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 33; vgl. auch Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildungen, 1995, S. 139; Zu den Ausnahmen zur Rechtswidrigkeit der Rechtsfortbildung contra legem vgl. Meys, Rechtsfortbildung extra legem im Arbeitsrecht, 2009, S. 11 f.; zur Grenze des Vorbehalts des Gesetzes bei der Rechtsfortbildung auch Payandeh, Judikative Rechtserzeugung, 2017, S. 320. 159 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 187 f.; Bruns, JZ 2014, 162 (163). 160 Hierzu Hirsch, Rechtsanwendung, Rechtsfindung, Rechtsschöpfung, 2003, S. 15. 161 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 204, Hervorhebung des Verf.

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Auch wenn sich eine solche Verengung der Abgrenzung auf die Betrachtung der Rechtsfolgenseite weder aus der Methodik noch aus der Eingriffsintensität der Fortbildung entnehmen lässt, so lässt sich daraus trotzdem ein wichtiger Hinweis für die Unterscheidung gewinnen: der nötige Grad der Abstrahierung zur Gewinnung einer Regel zur Anwendung auf den in Rede stehenden Sachverhalt. Ist dieser bei der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung noch relativ gering, fällt er bei der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung deutlicher auf. Bei der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung soll lediglich eine Lücke im engeren Sinne geschlossen werden, es besteht dabei eine klare – wenn auch nicht durch Auslegung zu ermittelnde – gesetzgeberische Wertung. Selbst bei Gesamtanalogien besteht durch die analog anzuwendenden Normen eine explizite legislative Wertentscheidung. Je weiter auf die ratio legis größerer Regelungskonzepte zurückgegangen werden muss und je weiter man sich von klaren gesetzgeberischen Wertentscheidungen entfernen muss, um die Fortbildung zu begründen, desto eher liegt eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung vor. Ebenso muss eine solche Rechtsfortbildung (extra legem) desto eher bemüht werden, je mehr (unterschiedliche) Normen auf ihren Telos und ihre zugrunde liegende ratio legis untersucht werden müssen, je deutlicher sich die gesetzlich geregelten Fälle von dem in Rede stehenden Sachverhalt unterscheiden und je weniger auf eine klare gesetzgeberische Wertentscheidung zurückgegriffen werden kann. Dabei kann die Frage nach der Rechtsfolge der gesetzlich geregelten Fälle eine Messgröße zur Abgrenzung der verschiedenen Rechtsfortbildungen sein. Dieser Aspekt muss jedoch in eine Gesamtschau eingestellt werden, in der der Grad der Abstraktion insgesamt erforscht wird. Mithin lässt sich die Abgrenzung dieser einzelnen Stufen der Rechtsfortbildung dahin gehend treffen, inwieweit sie aus dem positiv gesetzten Recht legitimierbar ist.162

II. Planwidrigkeit der Regelungslücke Auch wenn unschwer erkennbar ist, dass die Wissenszurechnung innerhalb arbeitsteiliger Organisationen nicht gesetzlich geregelt ist – mithin eine Lücke vorliegt163 –, bleibt zu fragen, ob diese Lücke auch planwidrig ist. Nicht jede Gesetzeslücke ist planwidrig, teilweise liegt vielmehr ein Fall des „qualifizierten“ oder „beredten“ Schweigens vor, bei dem der Gesetzgeber bewusst eine Regelungslücke gelassen hat. Auch wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass eine solche Nichtregelung rechtspolitisch kritisch betrach-

162

Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildungen, 1995, S. 139. 163 Zum Fehlen von gesetzlichen Wissenszurechnungsregeln vgl. auch Thomale, Der gespaltene Emittent, 2018, S. 10.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

tet werden muss, stellt das qualifizierte Schweigen eine materielle Regelung dar, sodass in diesem Fall einer Rechtsfortbildung doch zumindest deutliche Grenzen gesetzt sind, da der Gesetzgeber diese Entscheidung bewusst getroffen hat.164 Ob ein Fall des qualifizierten Schweigens vorliegt, muss – sofern möglich – durch eine historische Auslegung oder aber im Wege systematischer und teleologischer Überlegungen untersucht werden.165 Hierbei ist auffällig, dass der historische Gesetzgeber immerhin bereits in das BGB von 1900 sowohl eine sehr allgemeine Zurechnungsnorm (in Form des § 278 BGB) als auch eine Wissenszurechnungsnorm (in Form des § 166 Abs. 1 BGB) etabliert hat. Daher ist fraglich, ob überhaupt eine planwidrige Regelungslücke in Bezug auf eine allgemeine Wissenszurechnungsnorm für arbeitsteilige Organisationen besteht oder ob nicht vielmehr ein Fall des qualifizierten Schweigens vorliegt. Von letzterem könnte man jedoch nur ausgehen, wenn tatsächlich bewusst diese Regelungslücke gelassen wurde. Somit ist an dieser Stelle zu untersuchen, ob aus der Existenz der Zurechnungsnormen der §§ 166 Abs. 1 und 278 BGB bereits das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke geschlussfolgert werden kann. Wie später noch ausführlich zu zeigen sein wird, kann allerdings der Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB und der Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB noch nicht einmal ein einheitliches Regelungskonzept unterstellt werden. Die Schaffung dieser beiden Zurechnungsnormen lag in der Hand verschiedener Redaktoren, wobei der zuständige Redaktor für den späteren § 278 BGB noch nicht einmal bei den Beratungen zu § 166 BGB zugegen war.166 Zudem lagen den beiden Zurechnungsnormen unterschiedliche gesetzgeberische Ideen zugrunde: Während die Schaffung einer Zurechnung für Vertreterwissen von dem Repräsentationsprinzip und der Idee einer Spiegelbildlichkeit der Zurechnung der Wirkung einer Willenserklärung gem. § 164 BGB einerseits und der Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB andererseits getragen war,167 liegt der Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB die Idee eines Interessenausgleichs und einer ausgeglichenen Risikoverteilung bei arbeitsteiligem Handeln zugrunde.168 Im Rahmen der Beratung zur Schaffung des BGB hat kein Vergleich dieser beiden Zurechnungsnormen stattgefunden.169 Ebenso wenig lässt sich ein

164

Vgl. hierzu Hirsch, Rechtsanwendung, Rechtsfindung, Rechtsschöpfung, 2003, S. 16; A. Schmidt, Richterliche Rechtsfortbildung in Deutschland und der Schweiz, 2017, 58; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 194 f. 165 Vgl. A. Schmidt, Richterliche Rechtsfortbildung in Deutschland und der Schweiz, 2017, 58 f. 166 Vgl. unten § 9 C.V. 167 Vgl. unten § 9 C.V. 1. 168 Vgl. unten § 9 C.V. 2. 169 Vgl. hierzu unten § 9 C.V. 3.

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Hinweis darauf finden, dass der Gesetzgeber bewusst keine allgemeine Wissenszurechnungsnorm für arbeitsteilige Organisationen schaffen wollte: Auch wenn die Schaffung einer Verschuldenszurechnungsnorm im Sinne des heutigen § 278 BGB von dem Interesse eines Risikoausgleichs getragen war und auch die allgemeine Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen eine ähnliche dogmatische Begründung aufweist,170 kann trotzdem nicht davon ausgegangen werden, dass nur aufgrund der Tatsache, dass die Verschuldenszurechnung bei arbeitsteiligem Handeln geregelt wurde, e contrario keine Wissenszurechnung normiert werden sollte. So lassen sich für einen derartigen negativen Regelungswillen weder in den Motiven und Protokollen zum BGB noch in den Sitzungsprotokollen der Gesetzgebungskommissionen Anzeichen finden, sodass bereits die historische Auslegung gegen eine Form des qualifizierten Schweigens spricht.171 Ebenso spricht auch die Systematik dagegen, hinsichtlich einer allgemeinen Wissenszurechnungsnorm bei arbeitsteiliger Organisation von qualifiziertem Schweigen auszugehen: Immerhin behandeln die §§ 275 ff. BGB das allgemeine Leistungsstörungsrecht, und die §§ 276 bis 278 BGB müssen gemeinsam als Antwort auf die Frage nach dem Verschulden gelesen werden, sodass in diesem Regelungskontext eine Wissenszurechnungsnorm schlicht ein Fremdkörper gewesen wäre. Obwohl schon bei der Schaffung des BGB sowohl allgemeine Zurechnungsnormen (etwa § 278 BGB) als auch die Wissenszurechnung (§ 166 Abs. 1 BGB) bekannt waren, kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bewusst eine Leerstelle hinsichtlich einer allgemeinen Wissenszurechnungsnorm für arbeitsteilige Organisationen gelassen hat. Mithin kann nicht von einem Fall des qualifizierten Schweigens ausgegangen werden. Vielmehr liegt insbesondere aufgrund der normativen Notwendigkeit zur Schaffung einer Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen, die aus dem Gedanken einer ausgeglichenen Risikoverteilung heraus begründet werden kann,172 eine planwidrige Regelungslücke vor.

III. Einzelanalogie aus § 166 Abs. 1 BGB Zunächst erscheint es äußerst naheliegend, die allgemeine wertende Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation über einen Analogieschluss zu § 166 Abs. 1 BGB zu begründen, da diese Norm doch eine im Gesetz fundamental verankerte Wertung in Bezug auf die Wissenszurechnung enthält, über die man sich nur schwerlich hinwegsetzen kann.173 Auch wenn diese 170

Vgl. oben § 9 B.III. Vgl. insb. Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 237 ff. 172 Vgl. oben § 9 B.III. 173 Vgl. Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, 171

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Norm nicht direkt den Fall der wertenden Wissenszurechnung erfasse, wohne ihr dennoch der allgemeine Rechtsgedanke inne, dass derjenige, der sich bei der Erledigung bestimmter Aufgaben eines Vertreters bediene, die Kenntnisse und das Kennenmüssen dieser Personen gegen sich gelten lassen müsse.174 Immerhin nimmt der Vorstand nach § 26 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB die Stellung eines gesetzlichen Vertreters ein,175 sodass die §§ 164 ff. BGB zumindest prinzipiell anwendbar sind.176 Weiter ließe sich argumentieren, dass die Berufung mehrerer Vorstandsmitglieder nicht mehr den Zweck haben könne, die Gesellschaft handlungsfähig zu machen (hierzu würde schon eine natürliche Vertretungsperson genügen), sondern nur dazu diene, ihren Aktionsradius zu vergrößern. Diese Situation sei jedoch vergleichbar mit einer natürlichen Person, die sich (etwa als Einzelkaufmann) Generalbevollmächtigter, Betriebsleiter etc. als Stellvertreter bedient, um dadurch auch ihren Aktionsradius zu vergrößern. Warum dann aber die natürliche Person, die ihren Aktionsradius vergrößern will, anders behandelt werden soll als die juristische Person, sei nicht einleuchtend.177 Dabei wird jedoch verkannt, dass § 166 Abs. 1 BGB – dem Konzept der Vertretung folgend – von der Verschiedenheit von Vertreter und Vertretenem ausgeht. Im Hinblick auf die Zurechnung von Organwissen und unter Beachtung der Tatsache, dass die Vorstandsmitglieder nicht nur als Vertreter fungieren, sondern gleichsam die vertretene Gesellschaft selbst als ihr Leitungsorgan repräsentieren, eignet sich § 166 Abs. 1 BGB somit nicht für die gesetzliche Anknüpfung der wertenden Wissenszurechnung, da zumindest für das Organwissen nicht von einer derartigen Verschiedenheit ausgegangen werden kann.178 Wenn die juristische Person durch ihr Vertretungsorgan handelt, dann handelt dieses nicht als Vertreter, vielmehr handelt durch diese

S. 93 ff., 124 ff.; Baumann, ZGR 1973, 284 (290); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (26); vgl. aber auch Taupitz, FS E. Lorenz (1994), S. 673 (688), wo insbesondere auf eine aus Treu und Glauben abgeleitete Organisationspflicht abgestellt wird; M. Schultz, NJW 1990, 477 (478 ff.); W. Schultz, NJW 1996, 1392 (1393); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 59; ansatzweise auch Tintelnot, JZ 1987, 795 (800), der zumindest auf § 166 Abs. 2 BGB Bezug nimmt; zu § 166 Abs. 2 BGB vgl. auch Altmeppen, NJW 2020, 2833 (Rn. 12 ff.). 174 BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (106); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 59. 175 Zur Diskussion um die Formulierung des § 26 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB vgl. oben § 7 B.I. 176 Vgl. hierzu etwa der Bezug auf die Regelung des § 166 Abs. 1 in Mot. I, S. 102 = Mugdan I, S. 408; hierzu auch Baumann, ZGR 1973, 284 (291). 177 Baumann, ZGR 1973, 284 (290); vgl. hierzu auch Sieger, Das rechtlich relevante Wissen der juristischen Person des Privatrechts, 1979, S. 78. 178 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 285; MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 94.

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natürlichen Personen die juristische Person selbst; Gleiches muss auch für das Wissen gelten.179 Auch wenn die juristische Person durch die Wahl eines Vorstands, der aus mehr als einer Person besteht, ihren Aktionsradius vergrößern will (oder gar vergrößern muss, weil ohne eine solche größere Organisation das Geschäftsmodell der Gesellschaft nicht zu bewältigen wäre und aufgrund dessen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensführung ein mehrköpfiges Vertretungsorgan verlangt), besteht der Umstand, der die unterschiedliche Behandlung von Vertretungsorganen juristischer Personen im Vergleich zur natürlichen Person und ihren Vertretern rechtfertigt, somit in der Tatsache, dass der gesamte Vorstand das Leitungsorgan der Gesellschaft ist und damit nicht als von dieser verschieden angesehen werden kann, sondern als ihre „Augen und Ohren“ betrachtet werden muss. Darüber hinaus besteht im Recht der juristischen Person eine grundsätzlich unbeschränkbare Vertretungsmacht der Vertretungsorgane nach außen. Im Rahmen der Wissenszurechnung nach den Regeln des Stellvertretungsrechts soll jedoch gerade die Möglichkeit zur Steuerung der Wissenszurechnung durch die Ausgestaltung der Vertretungsmacht oder durch die Erteilung von Weisungen möglich sein, sodass die Heranziehung des § 166 Abs. 1 BGB auch in dieser Hinsicht Fragen aufwerfen würde.180 Wenn man hingegen die Zurechnung von Vorstandswissen ausklammert, scheinen zumindest die Kenntnis und das Kennenmüssen anderer Personen, die an der juristischen Person beteiligt sind, über den Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB zurechenbar zu sein; stellt diese Norm doch eine allgemeine Zurechnungsnorm für Wissen und Wissenmüssen für die Stellvertretung, immerhin eine der elementarsten Formen der Arbeitsteilung, dar. Diese Anknüpfung versagt jedoch, sofern eine nicht ordnungsgemäße Wissensorganisation in Rede steht: In einem solchen Fall liegt der Vorwurf vor allem auf der fehlenden bzw. unzureichenden Wissensorganisation, die der juristischen Person zugerechnet werden soll, sodass die Zurechnung über § 166 Abs. 1 BGB hier an ihre Grenzen stößt.181 Zudem geht die wertende Wissenszurechnung deutlich über die Zurechnungsmöglichkeiten des § 166 Abs. 1 BGB hinaus: Dies gilt zunächst in Bezug auf den Kontext der Wissenserlangung, da das wertende Zurechnungskonzept nicht nur auf den rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Rechtsverkehr zugeschnitten, sondern allgemein für das gesamte Wissen in einer arbeitsteiligen Organisation anzuwenden ist. Demgegenüber beschränkt sich § 166 Abs. 1 BGB zwar nicht nur auf rechtsgeschäftliche Handlungen, wie der Wortlaut suggerieren mag, sondern wird entsprechend zu179

Hartung, NZG 1999, 524 (526). So auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 626. 181 Vgl. hierzu auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311, (314); ähnlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 285. 180

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

mindest auch für rechtsgeschäftsähnliche Handlungen angewendet und teilweise sogar auf Realakte, wie bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei der Begründung der tatsächlichen Sachherrschaft durch einen Besitzdiener auf dessen Wissen im Zusammenhang mit §§ 989, 990 BGB abzustellen ist.182 Trotzdem lässt sich feststellen, dass (abseits der Konstruktion des Wissensvertreters, die in Analogie zu § 166 Abs. 1 BGB gebildet wird) mit zunehmender Entfernung des Zurechnungskontextes vom rechtsgeschäftlichen Verkehr die Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB immer stärker ausfranst und etwa im deliktischen Bereich nahezu einhellig abgelehnt wird.183 Die Reichweite der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung (genauso wie die des „pflichtenbasierten“ wertenden Zurechnungskonzeptes) ist somit um ein Vielfaches höher als diejenige des § 166 Abs. 1 BGB. Zudem sind nicht nur die Wissenszusammenrechnung (mit Ausnahme des gesamtvertretungsberechtigten Gremiums), sondern insbesondere auch die Inbezugnahme nicht-handlungsakzessorischen Wissens der Wissenszurechnung des Stellvertretungsrechts grundsätzlich fremd.184 Auch hier zeigt sich somit deutlich, dass die Möglichkeiten des wertenden Zurechnungsmodells signifikant weitreichender sind als diejenigen von § 166 Abs. 1 BGB, sodass eine dahin gehende Fortbildung nur schwerlich möglich wäre.185 Somit kann zwar mit Sicherheit nicht daran gezweifelt werden, dass über die § 166 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden Wertungen eine allgemeine Wissenszurechnung für arbeitsteilige Organisationen grundsätzlich möglich wäre. Es muss dennoch festgestellt werden, dass sich das Konzept der wertenden Wissenszurechnung (sowohl nach der hier vorgestellten allgemeinen wertenden als auch nach der „pflichtenbasierten“ wertenden Konzeption) nicht auf eine Analogie zu § 166 Abs. 1 BGB stützen lässt. Dafür wäre zwar nicht notwendig, dass eine absolute Gleichheit besteht zwischen dem in § 166 Abs. 1 BGB geregelten Tatbestand und demjenigen, der einer allgemeinen Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation zugrunde liegt, jedoch müsste eine Vergleichbarkeit gerade in der für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Hinsicht bestehen.186 Gegen eine solche Vergleichbarkeit müssen

182

Anstatt aller Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 104 ff.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 183 ff. 183 So auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 190 ff. noch zu § 852 BGB a.F.; zu eng jedoch Scheuch, GmbHR 1996, 828 (829), die § 166 BGB auf den rechtsgeschäftlichen Kontext beschränken will. 184 So auch Risse, NZG 2020, 856 (857). 185 In diese Richtung auch Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 129 ff., 135 f.; vgl. auch Scheuch, GmbHR 1996, 828 (829); Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253 (1258). 186 Vgl. oben § 9 C.I.1.; vgl. auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 202.

C. Dogmatische Verankerung

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starke Zweifel erhoben werden: Immerhin ist § 166 BGB von dem Repräsentationsprinzips getragen, die allgemeine wertende Wissenszurechnung folgt jedoch gerade nicht dem Repräsentationsgedanken (wie etwa noch die absolute Wissenszurechnung unter der Geltung der Organtheorie)187, sondern vielmehr der Idee eines Risikoausgleichs. Ein allgemeines Wissenszurechnungskonzept, das auf § 166 Abs. 1 BGB fußen sollte, müsste daher weitaus enger sein und böte eher für die vertikale als die horizontale Zurechnung eine Alternative. Gegenüber der Bezugnahme auf § 166 Abs. 1 BGB zur Begründung der konkreten, hier in Rede stehenden, allgemeinen wertenden Wissenszurechnung, die gleichzeitig eine Wissenszusammenrechnung und die Zurechnung nicht-handlungsakzessorischen Wissens ermöglicht, müssen jedoch erhebliche methodische sowie normative Bedenken geäußert werden, da diese Norm insbesondere zu stark von den dort erforderlichen konkreten Rechtsbeziehungen und auch von dem Wissen des jeweiligen Vertreters gelöst werden müsste.188

IV. Einzelanalogie aus § 278 BGB Die Frage, ob sich § 278 BGB zur Anknüpfung der wertenden Wissenszurechnung eigne, wurde schon häufig gestellt – beinahe genauso häufig aber rigoros abgelehnt. Dabei ist Harke gleichwohl recht zu geben, wenn er die meist knappe Begründung dieser Sichtweise kritisiert,189 die lediglich darauf fußt, dass die gesetzliche Anordnung, ein Schuldner habe das Verschulden eines von ihm eingesetzten Vertreters oder Erfüllungsgehilfen wie eigenes zu vertreten, nicht passe, wenn lediglich Kenntnis in Rede stehe, deren mangelnde Weitergabe der Organisation insgesamt oder anderer in ihr wirkenden Personen zur Last falle.190

187

Vgl. hierzu oben § 8 A. Spindler, ZHR 181 (2017), 311, (315); vgl. auch ders., Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 626; gegen die Begründung der wertenden Wissenszurechnung über den Rechtsgedanken des § 166 BGH auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 233; Buck-Heeb, AG 2015, 801 (803); Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 129 ff., 135 f.; Bohrer, DNotZ 1991, 124 (126); Scheuch GmbHR 1996, 828 (829); Hartung, NZG 1999, 524 (526 f.); Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253 (1258); Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (220 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 285; GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 38; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 83 f. 189 Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 56. 190 Richardi, AcP 169 (1969), 385 (390); Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 55; Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (188); ders., NJW 1993, 889 (894); MeyerReim/Testorf, VersR 1994, 1137 (1140); ähnlich auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 136; Risse, NZG 2020, 856 (857). 188

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Für eine Bezugnahme der wertenden allgemeinen Wissenszurechnung auf § 278 BGB spricht zunächst ihr weiter personeller Anwendungsbereich – nicht nur Vertreter, sondern alle „Personen, deren [sich der Schuldner] zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient“, sind taugliche Zurechnungssubjekte. Dies entspricht dem Zweck der Fremdzurechnung, das Gleichgewicht zwischen Einflussbereich und Verantwortungsbereich wiederherzustellen, das durch die Arbeitsteilung beeinträchtigt wird.191 Und tatsächlich wurde bereits in der ersten Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (I. Kommission) der Zweck der Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB in einer ausgeglichenen Risikoverteilung gesehen: „Der Schuldner, welcher sich der Hilfe Dritter bei der Bewirkung der Leistung bediene, handle im eigenen Interesse und folgeweise auch auf seine eigene Gefahr; in seiner Eigenschaft als Schuldner, der zu der Leistung verpflichtet sei, könne er sich der Verantwortung für diejenigen nicht entschlagen, die er bei den ihm dem Gläubiger gegenüber obliegenden Handlungen herbeiziehe.“192

Aus der Kongruenz der normativen Begründung von Verschuldenszurechnung und wertender Wissenszurechnung schließt Harke die Möglichkeit, das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungsmodell über § 278 BGB zu begründen.193 Gegen die Rechtsfortbildung der wertenden Wissenszurechnung aus § 278 BGB spricht jedoch der Umstand, dass auch diese Zurechnungsnorm unbedingt ausgestaltet ist und damit ihre Wirkung ohne Bezug auf eine Wertung bereits dann (zwingend) eintritt, wenn dem Zurechnungssubjekt „in Erfüllung der Verbindlichkeit“ ein Verschulden zur Last fällt. Sowohl ein Bezug auf ein Pflichtenkonzept („pflichtenbasiertes“ wertendes Wissenszurechnungskonzept) als auch auf ein wertendes Korrektiv (allgemeines wertendes Wissenszurechnungskonzept) widerspricht damit dem § 278 BGB zugrunde liegenden Automatismus. Dieser Wertungswiderspruch ist umso schwerwiegender, da die zwingende Verschuldenszurechnung eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers war, die bereits durch die I. Kommission deutlich artikuliert wurde: Der seinerzeit im deutschen Reich geltende Standpunkt, dass „konkret zu prüfen [sei], ob der Schuldner befugt sei, sich dritter Personen bei Bewirkung der Leistung zu bedienen und wenn dies bejaht werden müsse, […] der Schuldner für das Verschulden des Dritten nur insofern [hafte], als er bei der Auswahl oder Aufsicht gefehlt habe“, führe „zu 191

Zum Zweck der Fremdzurechnung vgl. oben § 5 C. Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 118. Sitzung vom 20.9.1882, Prot. I 1173, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 244; vgl. auch Mot. II, S. 30 = Mugdan II, S. 16 f.; vgl. hierzu auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 172. 193 Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 56 ff., insb. S. 57; in diese Richtung bereits Canaris, Karlsruher Forum 1994, 33 (34). 192

C. Dogmatische Verankerung

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größten praktischen Unzuträglichkeiten“, beeinträchtige „die Rechtssicherheit im höchsten Maße“, nötige „zu einer erheblichen Zahl von Spezialbestimmungen“, habe „in der neueren Zeit lebhafte Klagen veranlaßt“, sei „dem modernen Rechtsbewußtsein immer fremder geworden“ und sei „daher kaum noch zu halten“.194 Aufgrund dieses Wertungswiderspruchs zwischen der Wertungsoffenheit des wertenden Wissenszurechnungskonzepts und des ausdrücklichen gesetzgeberischen Willens gegen eine Exkulpationsmöglichkeit bei ordnungsgemäßer Auswahl und Überwachung – mithin einer ordnungsgemäßen Organisation –, die auch Harke trotz seiner historischen Begründung des Analogieschlusses zu § 278 BGB übersieht, muss einer derartigen gesetzlichen Anknüpfung mit großer Skepsis gegenübergetreten werden. Er argumentiert zwar, dass zumindest über die Bezugnahme auf die verschiedenen Wissensnormen, die alle unterschiedliche Wertentscheidungen für ein weites oder enges Wissensverständnis (bzw. der Möglichkeit der Zurechenbarkeit der Kenntnis) enthalten, die Wissenszurechnung eine wertende Komponente erhielte.195 Wie jedoch bereits oben gezeigt wurde, ist die auf der ersten Stufe gefundene unbedingte Zurechnung richtigerweise nicht nur durch die unterschiedlichen Wertungen der verschiedenen Wissensnormen (wissensnormabhängig), sondern mindestens im gleichen Maße durch wissensnormunabhängige Wertungen einzuschränken.196 Darüber hinaus sollte vor dem Hintergrund der Verschiedenartigkeit von Zurechnung und Pflichtverletzung und der fehlerhaften Bezugnahme der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auf ein Pflichtenkonzept auch nicht eine Norm wie § 278 BGB, die das Verschulden bei Pflichtverletzungen zurechnet, zur gesetzlichen Anknüpfung des Wissenszurechnungskonzepts genutzt werden.197 Aber selbst unter Zugrundelegung der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung, die bei genauerer Betrachtung mangels echter Rechtspflicht zur Wissensorganisation (im Außenverhältnis) nicht auf einem Pflichten-, sondern auf einem Obliegenheitskonzept fußt, kann § 278

194 Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 118. Sitzung vom 20.9.1882, Prot. I 1173, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 244; vgl. auch Mot. II, S. 29 f. = Mugdan II, S. 16 f.; HKK-BGB/Schermaier, §§ 276–278 Rn. 82; zur Abkehr vom gemeinrechtlichen Grundsatz der bloßen Einstandspflicht bei Auswahl- und Überwachungsverschulden vgl. auch Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 57, der hieraus jedoch keine weiteren Schlüsse zieht. 195 Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 61 f. 196 Vgl. oben § 9 A.III.2. 197 Vgl. hierzu auch Altmeppen, NJW 2020, 2833 (Rn. 9); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 173 f., die zumindest im Fall von Nachforschungspflichten eine gesetzliche Anknüpfung der Wissenszurechnung über § 278 BGB diskutiert.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

BGB nur zur Anknüpfung dienen, wenn man sich dafür entscheidet, diese Zurechnungsvorschrift allgemein auch auf Obliegenheiten auszudehnen.198

V. Exkurs: Das Zurechnungskonzept des § 166 Abs. 1 BGB vs. jenes des § 278 BGB Bei der Suche nach einer gesetzlichen Anknüpfung der wertenden Wissenszurechnung fällt auf, dass das Gesetz verschiedene Zurechnungskonzepte kennt. Deutlich wird dies insbesondere im Vergleich zwischen der Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB und der Verschuldenszurechnung nach § 278 BGB: Einerseits wird eine Kanalisierung der Informationsströme durch eine ausgewählte Vollmachtserteilung, die Auswahl bestimmter Personen oder Personengruppen (Abteilungen etc.) oder Weisungen ermöglicht, andererseits wird das Verschulden sämtlicher Vertreter und Gehilfen (zumindest sofern in Erfüllung der Verbindlichkeit und nicht nur bei Gelegenheit gehandelt wurde)199 zugerechnet. Sowohl durch die bloße Zurechnung handlungsakzessorischen Wissens als auch durch die regelmäßig fehlende Wissenszusammenrechnung200 wird die Möglichkeit der Wissenskanalisierung darüber hinausgehend erleichtert. Dabei ist augenfällig, dass die Zurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB einen deutlich engeren Rahmen hat als diejenige nach § 278 BGB, wobei zu fragen bleibt, warum die Reichweite der Wissenszurechnung hinter derjenigen der Verschuldenszurechnung derart auffällig zurückbleibt. Wie gesehen wird teilweise sogar der Versuch unternommen, die gesetzliche Anknüpfung der wertenden Wissenszurechnung über § 278 BGB und nicht über § 166 Abs. 1 BGB zu begründen, wogegen sich einwenden ließe, dass der historische Gesetzgeber durch die Schaffung einer Vorschrift zur Wissenszurechnung deutlich gemacht habe, dass ein Unterschied zwischen der Zurechnung von Verschulden auf der einen und Kenntnis auf der anderen Seite besteht, oder zumindest, dass § 278 BGB (abseits der Verschuldenszurechnung) keine allgemeine Zurechnungsnorm darstellen soll.201 198

Zur Qualifizierung der Wissensorganisations„pflichten“ als Obliegenheit vgl. oben § 8 C.I.2.; vgl. hierzu auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 173 f. mwNachw. zur Frage, ob § 278 BGB auch auf Obliegenheiten anwendbar ist; ähnlich auch für die Wissenszurechnung bei positiver Kenntnis Richardi, AcP 169 (1969), 385 (390); zur Frage der Anwendbarkeit des § 278 BGB auf Obliegenheiten (abseits eines normierten Anwendungsbefehls wie etwa in § 254 Abs. 2 S. 2 BGB) vgl. dagegen: RG, Urt. v. 3.11.1938 – IV 135/38, RGZ 158, 357 (361); Wieling, AcP 176 (1976), 334 (354); dafür: R. Schmidt, Die Obliegenheiten, 1953, S. 170 ff. 199 Vgl. zu dieser Einschränkung anstatt aller MünchKommBGB/Grundmann, § 278 Rn. 47 ff. 200 Zur Ausnahme bei Gesamtvertretung vgl. oben § 9 A IV. 201 So Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 173; ähnlich auch Münch-

C. Dogmatische Verankerung

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Diese Argumentation ist auf den ersten Blick äußerst charmant, ungleich mehr noch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass beide Normen (§§ 166 Abs. 1 und 278 BGB) bereits zum 1. Januar 1900 im BGB enthalten waren und somit auf den ersten Blick von einem einheitlichen Regelungswillen ausgegangen werden kann. Bei genauerer Betrachtung fällt zunächst auf, dass zwei verschiedene Redaktoren in der ersten Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (I. Kommission) die Vorarbeiten zu § 166 BGB und § 278 BGB erstellt haben. Für den allgemeinen Teil war Ministerialrath Dr. Albert Gebhard zuständig und für das Schuldrecht bzw. Obligationenrecht Ober-Tribunals-Direktor Dr. Franz Philipp Friedrich v. Kübel.202 Alleine deshalb lässt sich jedoch noch nicht an einem einheitlichen Regelungswillen, von dem beide Zurechnungsnormen beseelt sind, zweifeln. Dies gilt umso mehr, als dass ein Programm zur gegenseitigen Verständigung zwischen den einzelnen Redaktoren und der Gesamtkommission über systematische, grundsätzliche und Abgrenzungsfragen beschlossen wurde.203 Dieser Vorsatz wurde allerdings nur rudimentär verwirklicht; die Redaktoren waren vielmehr mit der Materialsammlung und der Aufstellung der Teilentwürfe (jeder Redaktor sollte für den ihm zugewiesenen Teil einen Teilentwurf verfassen, der als Grundlage für die weitere Diskussionen der Gesamtkommission dienen sollte) zu sehr beschäftigt, als dass sie sich mit der Gesamtkonzeption eingehend hätten befassen konnten.204 Zudem beschränkten sich die Redaktorenkonferenzen, die anfangs noch wöchentlich, später nur alle zwei bis drei Wochen stattfanden, meist auf die Klärung terminologischer Fragen und auf geschäftliche Mitteilungen.205 Aufgrund dessen verwundert zumindest nicht, dass in den Teilentwürfen von Gebhard und v. Kübel unterschiedliche Zurechnungsmechanismen gewählt wurden; dies vor allem auch deshalb, da beide Redaktoren unterschiedlich juristisch sozialisiert worden sind: Gebhard war als Vertreter des französisch-badischen Rechts von Baden vorgeschlagen, v. Kübel, der von KommBGB/Grundmann, § 278 Rn. 9; MünchKommBGB/Hanau, 3. Aufl. 1994, § 278 Rn. 29. 202 Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 8. Sitzung vom 29.9.1874, zitiert nach Jakobs/Schubert/Schubert, Die Beratung des BGB, Einführung, S. 222. 203 Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 7. Sitzung vom 28.9.1874, zitiert nach Jakobs/Schubert/Schubert, Die Beratung des BGB, Einführung, S. 220; vgl. auch Coing/Dölemeyer, Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Band III/2, S. 1583. 204 Jakobs/Schubert/Schubert, Die Beratung des BGB, Einführung, S. 41 f.; Coing/Dölemeyer, Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Band III/2, S. 1583. 205 Jakobs/Schubert/Schubert, Die Beratung des BGB, Einführung, S. 42.

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Württemberg vorgeschlagen wurde, war hingegen ein Vertreter des gemeinen Rechts.206 Jedoch fand auch nach der Erstellung der Teilentwürfe über diese Unterschiede zwischen § 166 Abs. 1 BGB und § 278 BGB in der I. Kommission keine Aussprache statt bzw. ist eine solche zumindest nicht protokolliert. Dabei ist auch irrelevant, dass v. Kübel 1884 starb, zu einem Zeitpunkt also, als die Beratungen zu den ersten beiden Büchern des BGB bereits abgeschlossen waren. Es muss gleichwohl festgestellt werden, dass er bei allen Sitzungen, die die Wissenszurechnung im Vertretungsrecht (§ 166 Abs. 1 in der endgültigen und heutigen Fassung des BGB) betrafen, abwesend war und somit diejenige Person, die als Redaktor zum Obligationenrecht vermutlich am ehesten in der Lage gewesen wäre, eine Diskussion über die Verschiedenartigkeit der Zurechnungskonzepte anzuregen, bei der Beratung zum späteren § 166 BGB nicht anwesend war.207 1. Die gesetzgeberische Idee hinter § 166 Abs. 1 BGB Im Rahmen der Wissenszurechnung im Vertretungsrecht lag der Fokus der Überlegungen auf der Durchsetzung des Repräsentationsprinzips.208 So folgte man auch bei der Schaffung des § 166 Abs. 1 BGB209 dem Grundsatz, dass im Fall der Vertretung ein Geschäft des Vertreters vorliege, das dem Vertretenen zugerechnet wird. Darüber hinaus finden sich in den Beratungen keine (ersichtlichen) Überlegungen, die von mehr als zwei Personen auf der Vertreterseite ausgehen. Es wurde stets der gesetzliche Regelfall des Dreipersonenverhältnisses zwischen Vertreter, Vertretenem und Geschäftspartner bemüht, jedoch nie über darüber hinausgehende Organisationsformen diskutiert.210 Fragen über Vertretermehrheiten, Mehrpersonenorgane oder eine Wissenszusammenrechnung wurden schlicht nicht diskutiert (zumindest wurde eine solche Diskussion nicht protokolliert). Daher erstaunt es auch

206 Coing/Dölemeyer, Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Band III/2, S. 1581; Jakobs/Schubert/Schubert, Die Beratung des BGB, Einführung, S. 41. 207 Vgl. die Sitzungsprotokolle der ersten Kommission zur 31. Sitzung am 9.12.1881, 32. Sitzung am 12.12.1881, 37. Sitzung am 21.12.1881, zitiert nach Jakobs/Schubert/Schubert, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 877 ff., 880 ff., 895 ff. 208 Mot. I, S. 226 f. = Mugdan I, S. 477 ff.; vgl. hierzu auch HKK-BGB/Schmoeckel, §§ 164–181 Rn. 28. 209 §§ 112–114 des Teilentwurfs (TE-AllgT); §§ 117 f. des Kommissionsentwurfs (KE); §§ 117 f. des Entwurfs nach der ersten Lesung 1888, sog. I. Entwurf (E I); § 136 des Entwurfs nach der zweiten Lesung 1894 f., sog. II. Entwurf (E II). 210 Vgl. etwa das Sitzungsprotokoll zur 31. Sitzung der ersten Kommission am 9.12.1881, Prot. I 223 ff., zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 1–240, Teil 2, S. 878 ff.

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nicht, dass der Fall der Zurechnung nicht-handlungsakzessorischen Wissens ausgeblendet wurde: Betrachtet man nur das Verhältnis zwischen dem Vertreter und dem Vertretenem, so liegt stets Handlungsakzessorietät vor. Auch wenn ein Negativbeweis über eine nicht stattgefundene Diskussion über den Umgang mit Mehrpersonenverhältnissen im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses nicht geführt werden kann, lässt sich doch zumindest bemerken, dass in den Materialien, insbesondere den Motiven und Protokollen zum BGB und den Sitzungsprotokollen der unterschiedlichen Gesetzgebungskommissionen, stets nur das Verhältnis zwischen einem Vertreter und einem Vertretenen betrachtet wurde und darüber hinausgehende Organisationsformen, insbesondere mit mehreren Vertretern, nicht den Weg in die Materialien gefunden haben. Hieraus lässt sich zumindest die Vermutung formulieren, dass über derartige Konstellationen auch nicht diskutiert wurde, wobei diese Vermutung zusätzlich durch die Tatsache genährt wird, dass vor allem die Sitzungsprotokolle im Übrigen sehr ausführlich sind. Getragen wird die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB somit von der Idee einer Spiegelbildlichkeit zwischen der Zurechnung der Willenserklärung auf der einen und der Zurechnung von Kenntnis auf der anderen Seite. § 166 Abs. 1 BGB stellt eine logische Konsequenz des dem Vertretungsrecht zugrunde liegenden Repräsentationsprinzips dar: Wenn in der Stellvertretung nicht mehr die Willenserklärung des Geschäftsherrn, sondern diejenige des Vertreters ausschlaggebend ist, so muss auch im Hinblick auf die Kenntnis und das Kennenmüssen auf den Vertreter abgestellt werden. Hiervon kann nur dort eine Ausnahme gemacht werden, wo der Geschäftsherr selbst entscheidenden Einfluss auf das Geschäft nimmt, indem er Weisungen erteilt. Daher enthält § 166 Abs. 2 BGB für diesen Sonderfall eine Ausnahmevorschrift vom Repräsentationsprinzip. Die §§ 164 und 166 BGB müssen somit zwangsweise zusammen gelesen und verstanden werden. 2. Die gesetzgeberische Idee hinter § 278 BGB Bei der Diskussion um die Zurechnung von Vertreter- und Gehilfenverschulden war zwar neben dem zuständigen Redaktor v. Kübel auch Gebhard anwesend, eine Diskussion um die unterschiedliche Zurechnungsreichweite fand jedoch nicht statt.211 Interessant ist dabei, dass die Frage, „in wie weit der Schuldner für Verschuldungen der Vertreter und Gehülfen haften solle“,212 noch nicht im Teil211 Vgl. die Sitzungsprotokolle der ersten Kommission der 118. Sitzung vom 20.9.1882 und der 127. Sitzung vom 11.10.1882, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 237 ff., 242 ff.; vgl. auch die Zusammenfassung der 117. Sitzung vom 18.9.1882, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 242. 212 Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 117. Sitzung

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entwurf zum Obligationenrecht von v. Kübel enthalten war. Eine diesbezügliche Diskussion kam erst im Anschluss an die Beratungen über die Rechtsfolgen einer vom Schuldner nicht zu vertretenen Unmöglichkeit auf.213 Dabei wirkte Gebhard sogar mit eigenen Anträgen aktiv an der Entstehung dieser Zurechnungsnorm mit, etwa indem er bereits im Anfangsstadium der Diskussion vorschlug: „Für den Schaden, welchen der Stellvertreter durch eine bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts begangene unerlaubte Handlung oder durch die Nichterfüllung von Verbindlichkeiten aus Schuldverhältnissen dem anderen Theile schuldhafter Weise zufügt, ist der Vertretene haftbar.“214

Hierbei wollte er diese Zurechnungsnorm für Vertreterverschulden im Allgemeinen Teil des BGB verortet wissen. Darüber hinausgehende Überlegungen zu einer allgemeinen Verschuldenszurechnung von Vertretern und Gehilfen stellte Gebhard, soweit es aus den Sitzungsprotokollen ersichtlich ist, jedoch nicht an. Vielmehr tritt sein Verständnis des Repräsentationsprinzips hier deutlich hervor: Es soll nicht nur hinsichtlich der Abgabe sowie des Empfangs von Willenserklärungen und der Kenntnis auf die Person des Vertreters abgestellt werden, vielmehr soll auch das Verschulden des Vertreters bei der Vornahme des entsprechenden Rechtsgeschäfts dem Vertretenen zugerechnet werden. Im weiteren Verlauf der Diskussion um den jetzigen § 278 BGB und der zugrunde liegenden Verschuldenszurechnung für gesetzliche Vertreter und Gehilfen blieb dieser Vorschlag jedoch ungehört. Teilweise wurde Gebhards Antrag ausdrücklich abgelehnt, teilweise auch nur unkommentiert verworfen.215 Stattdessen wurde ausgehend von Überlegungen zum Zweck der Zurechnung bei Arbeitsteilung eine allgemeine Zurechnungsnorm gefolgert: „Der Schuldner, welcher sich der Hilfe Dritter bei der Bewirkung der Leistung bediene, handle im eigenen Interesse und folgeweise auch auf seine eigene Gefahr; in seiner Eigenschaft als Schuldner, der zu der Leistung verpflichtet sei, könne er sich der Verantwortung für diejenigen nicht entschlagen, die er bei den ihm dem Gläubiger gegenüber obliegenden Handlungen herbeiziehe.“216

vom 18.9.1882, Prot. I 1171, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 242. 213 Vgl. hierzu Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 242. 214 Gebhard, Prot. I 1171, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 243. 215 Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 127. Sitzung vom 11.10.1882, Prot. I 1172, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 243. 216 Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 127. Sitzung vom 11.10.1882, Prot. I 1172, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 244.

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Diesem Zweck folgend, wurde für eine möglichst weite Zurechnung plädiert, die sich, bis auf einige sprachliche Anpassungen, bis dato noch in § 278 BGB findet. Beschlossen wurde folgende Formulierung: „Der Schuldner haftet in Ansehung der Erfüllung der Verbindlichkeit wegen des Verschuldens derjenigen Personen, derer er sich zur Bewirkung der Leistung bedient. Der Schuldner haftet ferner in gleicher Weise wegen Verschuldens seines gesetzlichen Vertreters.“217

Geleitet wurden die Erwägungen, die der Verschuldenszurechnung für gesetzliche Vertreter und Gehilfen iSd. heutigen § 278 BGB zugrunde gelegt wurden, somit in erster Linie von dem Gedanken einer ausgeglichenen Risikoverteilung, indem argumentiert wird, dass sich der Schuldner nicht dadurch seiner Verantwortung entledigen dürfe, dass er Dritte zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit einsetze. Diese Risikoverteilung wird insbesondere damit begründet, dass der Schuldner selbst zur Leistung verpflichtet sei; wenn er sich anderer zu ihrer Erfüllung bediene, täte er dies aus eigenem Interesse. Mithin ist die Verschuldenszurechnung im Sinne des heutigen § 278 BGB stark an den Telos der allgemeinen Zurechnungslehre angelehnt, bei der der Gedanke einer ausgeglichenen Risikoverteilung im Vordergrund steht. 3. Ein einheitliches Zurechnungskonzept? Auch wenn auf den ersten Blick eine Argumentation, die die Frage nach einer gesetzlichen Anknüpfung für die wertende Wissenszurechnung auf den historischen Gesetzgeber stützen will oder gar aus der Unterschiedlichkeit der Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB und der Verschuldenszurechnung nach § 278 BGB Schlüsse zieht, methodisch interessant scheinen mag, kann ein derartiger Begründungsansatz bei genauerer Betrachtung nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass im Rahmen der Diskussionen zu diesen beiden zentralen Zurechnungsnormen kein Vergleich stattgefunden hat, insbesondere auch nicht über die unterschiedliche Zurechnungsintensität gesprochen wurde, liegen beiden Vorschriften unterschiedliche gesetzgeberische Intentionen zugrunde: Während § 166 Abs. 1 BGB von der Idee des Repräsentationsprinzips getragen ist und quasi spiegelbildlich zu § 164 BGB die inneren Tatbestände wie Willensmängel, Kenntnis oder Kennenmüssen zurechnen soll, kommt in § 278 BGB das Prinzip einer adäquaten Risikoverteilung bei arbeitsteiliger Organisation zum Ausdruck. Im Gegensatz zu § 278 BGB, der von der Vorstellung der Arbeitsteilung und den damit einhergehenden Vorund Nachteilen geprägt ist, kommt in Bezug auf § 166 Abs. 1 BGB sowohl in 217 Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 127. Sitzung vom 11.10.1882, Prot. I 1172, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 243.

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den Motiven und Protokollen zum BGB als auch in den Sitzungsprotokollen der Gesetzgebungskommissionen deutlich zum Ausdruck, dass bei der Schaffung dieser Zurechnungsnorm ein Zweipersonenverhältnis zwischen (einem) Vertreter und (einem) Vertretenen und die Bedeutung der Vertretung als Repräsentation des Vertretenen im Zentrum der Überlegungen stand. Aufgrund dieser unterschiedlichen Zielrichtungen erscheint es fraglich, ob bei der Schaffung des BGB und hier insbesondere der Zurechnungsnormen für Verschulden und Wissen ein einheitlicher Gestaltungswille vorlag. Insbesondere aufgrund der unterschiedlichen gesetzgeberischen Ideen, die hinter den verschiedenen Zurechnungsnormen standen, und aufgrund der Tatsache, dass die Gesetzgebungskommissionen – soweit ersichtlich und sich aus den Gesetzgebungsmaterialien und Sitzungsprotokollen ergibt – nicht über die Verschiedenartigkeit der beiden Zurechnungssysteme und ihre Gründe dafür diskutiert haben, lässt sich somit ein einheitlicher Regelungswille ernsthaft bezweifeln. Aufgrund dessen ist es wahrscheinlicher, dass sowohl § 166 Abs. 1 BGB als auch § 278 BGB unterschiedliche gesetzgeberische Antworten auf verschiedene normative Probleme darstellen, als dass sich dahinter ein in sich geschlossenes und aufeinander Rücksicht nehmendes einheitliches Konzept verbirgt. Somit muss, auch wenn eine Argumentation mit einer vermeintlich einheitlichen Zurechnungslehre hinter § 166 Abs. 1 BGB und § 278 BGB auf den ersten Blick naheliegen mag und die Unterschiedlichkeiten dieser beiden Normen im Hinblick auf die Zurechnungsmechanismen und -gründe verwunderlich sein mögen, festgestellt werden, dass eine solche Einheitlichkeit dem historischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. Vielmehr kann nicht mehr ausgesagt werden, als dass der historische Gesetzgeber im Rahmen der Wissenszurechnung nicht (erkennbar) daran gedacht hat, auch abseits des Vertretungsrechts eine allgemeine Zurechnungsnorm zu schaffen. Hieraus mögen zwar auch Rückschlüsse gezogen werden können, jedoch sei noch einmal daran erinnert, dass auch die Zurechnung von Vertreter- und Gehilfenverschulden noch nicht im Teilentwurf zum Obligationenrecht enthalten war, sondern erst im Laufe der Diskussionen der I. Kommission angeregt wurde. Es muss daher anerkannt werden, dass der historische Gesetzgeber kein allgemeines Wissenszurechnungskonzept geschaffen hat und insbesondere die Frage der Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation – trotz der am Ende des 19. Jahrhunderts bereits bestehenden Diskussion – nicht bedacht hat. Insofern kann auch weder aus einer historischen allgemeinen Zurechnungslehre, die sich aus den beiden Zurechnungsnormen ergibt, noch aus der Unterschiedlichkeit von § 166 Abs. 1 BGB und § 278 BGB ein Rückschluss zur gesetzlichen Anknüpfung einer wertenden Wissenszurechnung gezogen werden – im Gegenteil: Es liegt eine gesetzliche Leerstelle vor.

C. Dogmatische Verankerung

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VI. Gesamtanalogie aus den Vorschriften zur Passivvertretung Teilweise wird auch versucht, die Wissenszurechnung über eine Gesamtanalogie aus den gesellschaftsrechtlichen Regeln zur Passivvertretung (beispielsweise § 26 Abs. 2 S. 2 BGB, § 78 Abs. 2 S. 2 AktG oder § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG) zu begründen.218 Diese Regeln weisen einige interessante Parallelen zur Wissenszurechnung auf, sodass ein solcher Analogieschluss nahezuliegen scheint:219 Die passive Vertretung unterscheidet sich von der aktiven dadurch, dass kein rechtsgeschäftliches Verhalten des Vertreters erforderlich ist; ausschlaggebend ist alleine, ob eine passive Vertretungsmacht eingeräumt ist und ob die Willenserklärung dem Vertreter zugeht. Eine Handlung des Vertreters im Rechtssinne ist somit nicht erforderlich, sondern lediglich eine Kenntniserlangung (bzw. genauer gesagt der Zugang).220 Insofern ist die Parallele zur Wissenszurechnung offensichtlich, da auch dort lediglich eine Kenntniserlangung bzw. eine fahrlässige Unkenntnis in der Person des Zurechnungssubjekts vorliegen muss. Aus Sicht der heutigen wertenden Wissenszurechnung bleibt jedoch zu fragen, wie sich der Automatismus, der in den Regeln zur Passivvertretung zum Ausdruck kommt, mit der wertenden Zurechnung, die eben keinen Automatismus darstellen soll, verträgt. Dabei fällt auf, dass viele, die die gesetzliche Anknüpfung der Wissenszurechnung in den Regeln zur Passivvertretung sehen, dies in Bezug auf die absolute Wissenszurechnung (vor dem Grundsatzurteil von 1996) vertreten haben.221 Dort fiel es leicht, den Automatismus der Passivvertretung mit demjenigen der Wissenszurechnung zu vergleichen. Jetzt, unter Berücksichtigung einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation und mit Blick auf die unterschiedlichen Wertungen der verschiedenen Wissensnormen, fällt es allerdings schwer, eine nötige Vergleichsbasis für eine Übertragung der Rechtsgrundsätze zu finden.222 Dies gilt umso mehr, als dass die gesellschaftsrechtlichen Regeln zur Passivvertretung nicht zur Disposition der Gesellschaften stehen, sondern zwingender Natur sind. Eine Wertungsoffenheit könnte somit noch nicht einmal durch eine Satzungsregelung in die Passivvertretung integriert werden.223 218

Lüders, BB 1990, 790 (794); Wiesner, BB 1981, 1533 (1536); in diese Richtung auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (315): Gesamtanalogie aus §§ 26 Abs. 2, 31 BGB, 78 Abs. 2 AktG; vgl. bereits Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 626 f. 219 Vgl. hierzu bereits Oldenbourg, Die Wissenszurechnung, 1934, S. 26. 220 Richardi, AcP 169 (1969), 385 (398 f.); Wiesner, BB 1981, 1533 (1536); zu den Parallelen auch Lüders, BB 1990, 790 (793 f.). 221 Vgl. etwa Wiesner, BB 1981, 1533 (1536); Lüders, BB 1990, 790 (793 f.). 222 Dieser Frage spürt leider auch Spindler nicht nach, der sich – unter Zugrundelegung der relativen Wissenszurechnung – für eine Anknüpfung an § 26 Abs. 2 S. 2 BGB (§ 28 Abs. 2 BGB a.F.) ausspricht, vgl. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 627. 223 Statt aller Mot. I. S. 100 = Mugdan I, S. 407; MünchKommBGB/Leuschner, § 26

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Zudem erforderte es einen erheblichen Begründungsaufwand, über die Passivvertretungsregeln für Vertretungsorgane von juristischen Personen eine ganzheitliche wertende Wissenszurechnung zu begründen, die nicht nur eine horizontale, sondern ebenso eine vertikale Ebene enthält. Sämtliche gesellschaftsrechtlichen Regeln zur Passivvertretung knüpfen diese an das Vertretungsorgan; eine Ausweitung auf andere Personen, die der Organisation angehören, findet nicht statt, vielmehr bedarf es in diesen Fällen der Konstruktion über § 164 Abs. 3 BGB oder über die Figur des Empfangsboten. Ebenso lückenhaft wäre die Anknüpfung der wertenden Wissenszurechnung über die Regeln der gesellschaftsrechtlichen Passivvertretung im Rahmen der Zurechnung in Konzernen oder nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen. Hier bestehen keine derartigen Regeln – wobei auch nicht einzusehen wäre, warum etwa ein Franchisenehmer für den Franchisegeber oder ein Tochterunternehmen gegenüber dem herrschenden Unternehmen zwangsweise passivvertretungsbefugt sein sollte. Mithin kann zwar nicht abgestritten werden, dass ein Wissenszurechnungskonzept potentiell an die Regeln zur Passivvertretung angeknüpft werden könnte, wobei es sogar im Rahmen einer Gesamtvertretung möglich wäre, auch dasjenige Wissen zuzurechnen, das nur ein Organmitglied hat.224 Jedoch fiele sowohl die Zurechnung von Personen außerhalb der Vertretungsorgane als auch die Ausweitung auf andere Formen arbeitsteiliger Organisation außer der juristischen Person und nicht zuletzt eine wertungsoffene Gestaltung des Zurechnungskonzepts bei dieser gesetzlichen Anknüpfung schwer. Zur Begründung des herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzepts und gleichviel mehr für die Begründung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung ist eine Rechtsfortbildung aus § 26 Abs. 2 S. 2 BGB, § 78 Abs. 2 S. 2 AktG oder § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG somit ungeeignet.225

VII. Einzelanalogie aus § 31 BGB Ebenso muss eine Herleitung der wertenden Wissenszurechnung über eine Analogie zu § 31 BGB, wie sie teilweise entweder singulär226 oder zusätzlich zu Rn. 40; Staudinger/Schwennicke (2019), BGB, § 26 Rn. 83; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 27; MünchKommGmbHG/Stephan/Thieves, § 35 Rn. 145 jeweils mwNachw. 224 Zumindest wendet die h.M. die Regeln zur Passivvertretung auch bei Gesamtvertretung an, anstatt aller Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 27 mwNachw. 225 Kritisch insoweit auch Bohrer, DNotZ 1991, 124 (126 f.). 226 So etwa Schürnbrand, Organschaft im Recht privater Verbände, 2007, S. 27; GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 38; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 53; Hölters/Weber, AktG, § 78 Rn. 15; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 78 Rn. 24, jeweils ohne nähere Auseinandersetzung mit der Kritik; dagegen Altmeppen, NJW 2020, 2833 (Rn. 3 ff.).

C. Dogmatische Verankerung

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der Anknüpfung an die Vorschriften zur Passivvertretung227 befürwortet wird, scheitern. Zugegebenermaßen besprechen viele, die die wertende Wissenszurechnung an § 31 BGB festmachen wollen, diese Herleitung im Rahmen der Zurechnung von Organwissen (insbesondere der Zurechnung des Wissens von Vertretungsorganen) oder wenigstens in Bezug auf die Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person, sodass zumindest der personelle Anwendungsbereich vergleichbar ist. In Bezug auf das hier in Rede stehende allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept (genauso wie das „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnungskonzept, wenn es nicht nur auf Organwissen beschränkt wird) sprechen jedoch – ebenso wie oben bereits bezüglich der Vorschriften zur Passivvertretung228 – sowohl die Wertungsoffenheit des hier in Rede stehenden Zurechnungskonzepts als auch die Möglichkeit einer vertikalen Wissenszurechnung gegen eine gesetzliche Anknüpfung an § 31 BGB.229 Darüber hinaus wäre eine Zurechnung bei anderen Organisationsformen als der juristischen Person oder der (rechtsfähigen) Personengesellschaft, wie etwa dem Betrieb eines Einzelkaufmanns, innerhalb eines Konzern oder in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen, über eine Analogie zu § 31 BGB nicht begründbar.

VIII. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung Zwar ist der Versuch einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung von einem dogmatischen Begründungsstandpunkt aus verständlich. So versuchen Richter regelmäßig, ihre Entscheidungen mittels ausdrücklicher Rechtsanweisungen oder zumindest klarer normativer Ableitungszusammenhänge zu legitimieren und damit eine Übereinstimmung mit dem positiven Recht zu suggerieren.230

227

In diese Richtung Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (315). Zu der (abzulehnenden) dogmatischen Herleitung der wertenden Wissenszurechnung über eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften zur Passivvertretung vgl. ausführlich oben § 9 C.VI. 229 Immerhin ließe sich hier über eine vertikale Wissenszurechnung in engen Grenzen auf Grundlage der sog. Repräsentantenrechtsprechung nachdenken, jedoch wäre selbst unter Zugrundelegung dieser Erweiterung der personelle Anwendungsbereich der wertenden Wissenszurechnung deutlich begrenzt; zur sog. Repräsentantenrechtsprechung einleitend RG, Urt. v. 9.3.1938 – VI 212/37, RGZ 157, 228 (236 f.); grundlegend BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 (21); dieser Rechtsprechung ist die Literatur weitestgehend gefolgt, vgl. Staudinger/Schwennicke (2019), BGB, § 31 Rn. 22 f.; MünchKommBGB/Leuschner, § 31 Rn. 14, jeweils mwNachw. 230 So auch Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildungen, 1995, S. 139; vgl. hierzu auch Aleixo, Verantwortbares Richterrecht, 2014, S. 103 f. 228

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Dennoch muss anerkannt werden, dass sich bereits das „pflichtenbasierte“ wertenden Wissenszurechnungskonzept – genauso wie das hier vorgestellte allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept – mittlerweile so weit von den bekannten Zurechnungsnormen des Zivilrechts gelöst und entfernt hat, dass eine Bezugnahme auf diese Normen mehr Fragen aufwirft, als dass sie ein tragfähiges Konzept darstellen könnten.231 Ein derart komplexes wie auch allgemeines Wissenszurechnungskonzept, das einerseits sowohl in horizontaler Richtung auf der Organebene als auch in vertikaler Richtung auf alle anderen Organisationsebenen Anwendung findet und andererseits sowohl für wissensnormabhängige als auch wissensnormunabhängige Wertungen (wie etwa in Bezug auf die Möglichkeit und die Zumutbarkeit einer Wissensorganisation) offen ist, lässt sich wie gesehen nur schwerlich an bestehende Normen anknüpfen. Einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung muss somit mit großer Skepsis gegenübergetreten werden.232 Ohne gesetzliche Anknüpfung ist die wertende Wissenszurechnung de lege lata mithin lediglich durch eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung dogmatisch fassbar.233 Insofern könnte alleine eine Fortbildung mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip oder mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs zur dogmatischen Anknüpfung einer wertenden Wissenszurechnung dienen. 1. Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip Solche rechtsethischen Prinzipien stellen richtungsgebende Maßstäbe rechtlicher Normierung dar, die aufgrund ihrer immanenten Überzeugungskraft rechtliche Entscheidungen zu begründen und zu rechtfertigen vermögen, wobei sie sich von reinen Zweckmäßigkeitsgründen durch ihren materiellen Gerechtigkeitsgehalt unterscheiden.234 Ein solches rechtsethisches Prinzip könnte der Gedanke einer ausgeglichenen Risikoverteilung sein.235 Dieser Gedanke wurde oben bereits als trag231

In diese Richtung auch Risse, NZG 2020, 856 (861). So auch Buck-Heeb, AG 2015, 801 (803); Sajnovits, WM 2016, 765 (767); Bohrer, DNotZ 1991, 124 (126 f.); Waltermann, NJW 1993, 889 (892); Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253 (1258); vgl. hierzu auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 156; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 635 ff.; ähnlich auch Risse, NZG 2020, 856 (861). 233 Ausführlich hierzu Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 156 ff.; vgl. auch BuckHeeb, AG 2015, 801 (803), die jedoch den Begriff der „freien Rechtsfortbildung“ benutzt; ebenso Sajnovitz, WM 2016, 765 (767) an der Möglichkeit einer zulässigen Rechtsfortbildung hingegen zweifelnd Lehmann, DStR 1995, 1027 (1029). 234 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 240. 235 In diese Richtung auch Buck-Heeb, AG 2015, 801 (803); vgl. hierzu auch schon Larenz, NJW 1965, 1 (7) in Bezug auf die Zurechnung im Allgemeinen; vgl. hierzu bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1511). 232

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fähiger normativer Begründungsansatz für die wertende Wissenszurechnung herausgearbeitet,236 sodass nun gefragt werden soll, ob er sich auch als Anknüpfungspunkt einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung eignen kann. Ausdruck einer ausgeglichenen Risikoverteilung ist es dabei nicht bloß, die Risikoschaffung zu betrachten und zu fragen, wer eine Gefahr bzw. ein Risiko schafft oder unterhält, sondern darüber hinaus, wer Vorteile aus diesem Umstand zieht. Ebenso ist in die Bewertung der Risikoverteilung mit einzustellen, wer die Verantwortung für ein gewisses Risiko trägt und wer in welchem Maße eine Einfluss- und Steuerungsmöglichkeit besitzt. Dabei unterscheidet sich die bloße Risikoverursachung von der Verantwortung und der Steuerungsmöglichkeit dadurch, dass auf der einen Seite ein Element der gesteigerten Zugehörigkeit des Risikos zu dessen Verursacher im Vergleich zur bloßen Verursachung hinzutritt und dass auf der anderen Seite nicht nur ein Risiko gesetzt wird, das dann außerhalb des Zugriffsbereichs des Verursachers liegt, sondern weiterhin die Möglichkeit der Einflussnahme und Steuerung besteht. Das Prinzip einer ausgeglichenen Risikoverteilung trägt einen tiefen materiellen Gerechtigkeitsgehalt in sich, schafft es doch einen Ausgleich zwischen einem Risiko und dem entsprechenden etwaigen Nutzen, zwischen Nach- und Vorteilen.237 Eine ausgeglichene Risikoverteilung ist Ausdruck jeder Normsetzung, insbesondere derjenigen des Zivilrechts, wobei der Umstand, dass eine solche ausgeglichene Risikoverteilung ein richtungsgebender Maßstab der rechtlichen Normierung darstellt, besonders sichtbar wird in Bezug auf Regelungen des arbeitsteiligen Zusammenwirken: Neben der Tatsache, dass vom historischen Gesetzgeber bei der Schaffung der Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB bei arbeitsteiliger Organisation ausdrücklich auf dieses Prinzip verwiesen wurde,238 ist vor allem die Entwicklung der betrieblichen Organisationspflichten im Rahmen des Deliktsrechts ein starker Ausdruck dieses rechtsethischen Prinzips.239 Sowohl bei den deliktischen Unternehmensorganisationspflichten im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, die Unternehmensträger dazu verpflichten, innerbetriebliche Abläufe so zu organisieren, dass Schädigungen Dritter in einem gebotenen Umfang vermieden werden,240 als auch bei dem dezentralisierten Entlastungsbeweis im Rah236

Vgl. oben § 9 B.III. Zum rechtsethischen Prinzip der Gerechtigkeit im Allgemeinen vgl. Larenz, NJW 1965, 1 (7). 238 Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 127. Sitzung vom 11.10.1882, Prot. I 1173, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 244. 239 Vgl. Brandes, Die Haftung für Organisationspflichtverletzungen, 1994, S. 111 ff.; vgl. hierzu auch Ihrig, ZHR 181 (2017), 381 (388 f.). 240 Vgl. zur Unternehmensorganisationspflicht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB Bran237

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

men des § 831 BGB241 wird ein starker Bezug auf eine gerechte Risikoverteilung deutlich. Darüber hinaus lässt sich auch in der Entwicklung der Repräsentantenhaftung242 und der damit einhergehenden Erweiterung der Zurechnung nach § 31 BGB der Wille zur Schaffung einer ausgeglichenen Risikoverteilung erkennen. Insbesondere die Nähe zwischen den betrieblichen Organisationspflichten und der wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation ist dabei offenbar:243 Auch die betrieblichen Organisationspflichten dienen der Zuweisung eines Verantwortungsbereichs bei der Einschaltung Dritter in die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen, wobei auch dort der Gegenüber nur vor denjenigen Gefahren abgeschirmt werden muss, deren Vermeidung im Bereich des Möglichen und des Zumutbaren liegt. Darüber hinaus liegt eine weitere Parallele in der sachlichen Reichweite dieser Pflicht: So genügt es nicht, die Arbeit der gesetzlichen Vertreter oder der Repräsentanten ordnungsgemäß zu organisieren; vielmehr ist erforderlich, dass sämtliche innerbetrieblichen Abläufe ordnungsgemäß organisiert werden, sodass neben die horizontale Organisationspflicht auch eine vertikale tritt. Es wird somit deutlich, dass das Recht arbeitsteiliger Organisationen aufgrund der komplexen Interessen- und Gefahrenlage im erheblichen Maße von einem Risikoausgleich abhängig ist: So führt die Arbeitsteilung zu gewissen Risiken, die insbesondere durch verschiedene Zuständigkeiten und durch die Vergrößerung des Gefahrenkreises entstehen. Umgangssprachlich besteht die Gefahr, dass „die eine Hand nicht weiß, was die andere tut“. Zu diesen Risiken gehört auch die hier gegenständliche Gefahr der Wissenszersplitterung, die durch verschiedene Zuständigkeiten in der Organisation ent-

des, Die Haftung für Organisationspflichtverletzung, 1994, S. 116; v. Bar Verkehrspflichten, 1980, S. 96; RG, Urt. v. 20.11.1902 – VI. 288/02, RGZ 53, 53 (58); BGH, Urt. v. 25.10.1951 – III ZR 95/50, BGHZ 4, 1 (2 f.); BGH, Urt. v. 13.5.1955 – I ZR 137/53, BGHZ 17, 214 (220 f.); vgl. auch MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 108 f. 241 Vgl. zum dezentralisierten Entlastungsbeweis Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 311 ff. vgl. auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 690 f.; RG, Urt. v. 14.12.1911 – VI 75/11, RGZ 78, 107 (108). 242 Ansatzweise bereits RG, Urt. v. 3.2.1919 – VI 347/18, RGZ 94, 318 (320); vgl. hierzu insbesondere BGH, Urt. v. 27.4.1962 – VI ZR 210/61, VersR 1962, 664 (665); BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 (21); vgl. dazu auch Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rn. 10. 243 Diese Parallelität zwischen der Herleitung der betrieblichen Organisationspflichten und derjenigen einer wertenden Wissenszurechnung erkannte schon Schlechtriem, FS Heiermann (1995), S. 281 (291 f.): „[…] die Entscheidung im Bereich der Wissenszurechnung [hat] nur nachvollzogen […], was mit dem Begriff des ,Organisationsverschuldens‘ für die Zurechnung fremden Fehverhaltens längst ständige und akzeptierte Rechtsprechung ist.“; vgl. hierzu auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 172 ff.; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381 (388 f.).

C. Dogmatische Verankerung

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steht, vor allem durch das Auseinanderfallen von demjenigen, der Wissen erlangt, und demjenigen, der handelt und Wissen dementsprechend benötigt. Gleichzeitig werden durch eine Arbeitsteilung aber nicht bloß Risiken geschaffen, sondern auch Vorteile generiert. So werden Synergieeffekte geschaffen, ein höherer Grad an Spezialisierung erreicht und somit sowohl die Effektivität als auch die Qualität der Leistung gesteigert. Bestimmte Leistungen werden sogar erst durch eine solche Organisation möglich. Insofern wäre es zwar eine Art der Risikoverteilung, der arbeitsteiligen Organisation die Wissenslast vollständig aufzubürden und eine völlige Wissenszurechnung zu verlangen, da sie die Wissenszersplitterung auch verursacht hat. Allerdings gehört es genauso zu einem Ausgleich, dass auch die Vorteile einer solchen Organisationsform berücksichtigt werden, sodass nicht etwa bloß nach einer einseitigen Risikobelastung, sondern vielmehr nach einer ausgeglichenen Risikoverteilung gefragt werden muss. Insbesondere muss dabei auch der Umstand Berücksichtigung finden, dass nicht jede Wissenszersplitterung im Verantwortungsbereich des potentiell Wissensbelasteten liegt, sondern rechtliche oder tatsächliche Notwendigkeiten wie etwa Verschwiegenheitspflichten eine Wissensweitergabe mitunter unmöglich oder zumindest unverhältnismäßig machen können. Auch der Aspekt der Steuerungsmöglichkeit der Wissenskanäle ist von Relevanz, wobei gerade hier die Fragen der Verantwortlichkeit und der Steuerungsmöglichkeit einander bedingen. Es lässt sich daher feststellen, dass sowohl die Gesetzgebung als auch die Rechtsprechung in vielfältiger Weise Rücksicht auf die Besonderheiten von Arbeitsteilung nimmt, wobei diese Überlegungen regelmäßig von dem Prinzip einer ausgeglichenen Risikoverteilung geleitet werden. Insofern wohnt diesem Prinzip ein materieller Gerechtigkeitsgehalt inne, dem eine immanente Überzeugungskraft zukommt, sodass es Grundlage einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung sein kann.244 Gerade im Bereich des Rechts der arbeitsteiligen Organisationen kommt dem rechtsethischen Prinzip einer ausgeglichenen Risikoverteilung ein besonderer Stellenwert zu, sodass folglich auch zur dogmatischen Begründung der Grundsätze einer wertenden Wissenszurechnung über eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung hieran angeknüpft werden kann.245 Jedoch stellt nicht nur die Idee einer gerechten Risikoverteilung ein rechtsethisches Prinzip dar, auf dem eine gesetzesübergreifende Rechtsfortbildung aufbauen könnte: Auch den Gedanken der Gleichstellung246 und des Ver244

Vgl. hierzu Buck-Heeb, AG 2015, 801 (803); in diese Richtung auch Lang, FS Odersky (1996), S. 583 (586). 245 Vgl. bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1511); vgl. auch Buck-Heeb, AG 2015, 801 (803); Bohrer, DNotZ 1991, 124 (125); ähnlich auch Waltermann, NJW 1993, 889 (892), der eine Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die in den „§§ 166, 278, 831 BGB zum Ausdruck kommenden Grundprinzipien“ begründen will. 246 Vgl. oben § 9 B.I.

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trauensschutzes247 wohnt ein materieller Gerechtigkeitsgehalt inne, sodass auch dort von einem rechtsethischen Prinzip gesprochen werden kann. Gleichwohl eignen sich diese Ansätze wie gezeigt nicht zur normativen Begründung eines wertenden Wissenszurechnungsmodells im hier beschriebenen Sinne, sodass diese Prinzipien auch für die Begründung einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung im konkreten Fall nicht zur Verfügung stehen können. 2. Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs Eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung lässt sich nicht nur unter Bezug auf ein rechtsethisches Prinzip begründen, sondern darüber hinaus auch unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Rechtsverkehrs.248 Dabei muss im Hinblick auf die wertende Wissenszurechnung zwischen der Perspektive der arbeitsteiligen Organisation und derjenigen ihres Gegenübers unterschieden werden, wobei im Hinblick auf die Perspektive des Gegenübers zusätzlich zwischen dem rechtsgeschäftlichen und dem nicht-rechtsgeschäftlichen Verkehr differenziert werden muss. Im Rahmen dieser Differenzierung soll hier zunächst nach dem (schutzwürdigen) Bedürfnis des Gegenübers einer arbeitsteiligen Organisation nach einer wertenden Wissenszurechnung gefragt werden. Dieser hat ein vitales Interesse daran, dass Informationen innerhalb der Organisation an die relevanten Stellen gelangen und nicht innerhalb der Organisation verloren gehen. Zumindest besteht ein Interesse daran, dass die arbeitsteilige Organisation ihre Struktur nicht dazu missbraucht, sich ihrer Wissensverantwortung zu entledigen. Verhindert wird eine solche unrechtmäßige Wissenszersplitterung durch die Zurechnung dieses Wissens und durch eine damit verbundene ordnungsgemäße Wissensorganisation. Hierbei hat vor allem derjenige ein legitimes Interesse an der Wissenszurechnung, der im außerrechtsgeschäftlichen Verkehr auf eine arbeitsteilige Organisation stößt, da er – insbesondere als Geschädigter im Rahmen des Deliktsrechts – keinen Einfluss auf sein Gegenüber nehmen konnte. Anders als beim rechtsgeschäftlichen Verkehr hat er sich sein Gegenüber nicht ausgesucht. Er hatte in der Regel keinen Einfluss auf die Wahl des Kontaktes, sodass er erst Recht keine Wahl im Hinblick auf dessen Wissensorganisation haben konnte. Während man beim rechtsgeschäftlichen Verkehr noch mit den Vorteilen einer arbeitsteiligen Organisation, von denen auch der Vertragspartner als Gegenüber profitiert, argumentieren und hieraus seine verringerte Schutzbedürftigkeit herleiten kann,249 lässt sich dies nicht auf den 247

Vgl. oben § 9 B.II. Vgl. hierzu bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1512). 249 Vgl. zu diesem Argument oben § 5 D.; vgl. hierzu auch Oldenbourg, Wissenszurech248

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außerrechtsgeschäftlichen Verkehr übertragen. Vielmehr besteht meist eine Situation, in der sich der Gegenüber ungeplant (mitunter im deliktischen Kontext sogar ungewollt als Geschädigter) einer solchen arbeitsteiligen Organisation gegenübersieht, sodass daher insbesondere im außerrechtsgeschäftlichen Verkehr ein schutzwürdiges Interesse des Rechtsverkehrs an einem Schutz vor unbilliger Wissenszersplitterung durch eine Wissenszurechnung besteht. Jedoch nicht nur dort, sondern auch im rechtsgeschäftlichen Verkehr besteht ein solches Interesse. Dies ergibt sich bereits aus der vertraglichen Treuepflicht sowie dem Verbot der rechtsmissbräuchlichen Rechtsformwahl. Auch wenn sich ein Vertragspartner den Kontakt zu einer bestimmten arbeitsteiligen Organisation ausgesucht hat und auch wenn er selbst von der Arbeitsteilung profitiert, hat der Rechtsverkehr trotzdem ein starkes Interesse an deren ordnungsgemäßen Organisation, wozu selbstverständlich auch eine ordnungsgemäße Informationsorganisation gehört, bei deren Verletzung das nicht weitergeleitete Wissen zugerechnet wird.250 In ganz ähnlicher Weise würde das Gesetz ja auch einer Person, die sich für einen Vertragspartner entscheidet, der sich bekanntermaßen Erfüllungsgehilfen bedient, nicht den Schutz des § 278 BGB versagen, nur weil er sich dieses Umstandes im Vorfeld bewusst war. Gleichzeitig besteht für die arbeitsteilige Organisation weder die (sowohl rechtliche als auch tatsächliche) Möglichkeit zur Schaffung einer allumfassenden Informationsweitergabe noch kann von ihr unter Berücksichtigung des Kriteriums der Zumutbarkeit eine solche Informationsorganisation erwartet werden. So hat auch die arbeitsteilige Organisation ein billigenswertes Interesse, nur so weit wissensbelastet zu werden, wie eine ordnungsgemäße Informationsorganisation es verlangt, und nicht darüber hinaus. So ist es weder möglich, ihr Wissen zuzurechnen, dessen Weitergabe rechtswidrig gewesen wäre, noch darf die Organisation übergebührlich wissensbelastet werden, etwa durch unangemessen lange Speicherungspflichten oder in Bezug auf Informationen, denen man ex ante ihre Speicherungsbedürftigkeit nicht angesehen hat, auch wenn sie sich ex post als speicherungsbedürftig herausgestellt haben. In diesen Fällen würde eine Wissenszurechnung eine unzumutbare Härte darstellen.251 Mithin besteht in Bezug auf die Interaktion mit arbeitsteiligen Organisationen ein vitales Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach einer Wissenszurechnung, 1934, S. 42; Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 33; Spiro, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen, 1984, S. 52, 60. 250 Zum Bedürfnis von Zurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen vgl. oben § 5 C. sowie § 5 D. 251 Zum Bedürfnis der Einschränkung einer ausufernden Wissenszurechnung vgl. oben § 9 A.III.

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nung, um vor einer unbilligen Wissenszersplitterung geschützt zu werden, wobei dieses Bedürfnis in Einklang mit demjenigen der arbeitsteiligen Organisation nach einer angemessenen und nicht überbeanspruchten Wissenszurechnung gebracht werden muss. Die Grundsätze der wertenden Wissenszurechnung lassen sich somit auch über eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs begründen.252 3. Fazit Insofern lässt sich die wertende Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aufgrund klarer normativer Ableitungszusammenhänge de lege lata nur mithilfe einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung begründen. Eine solche gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung lässt sich insbesondere unter Zugrundelegung des rechtsethischen Prinzips der ausgeglichenen Risikoverteilung begründen, das selbst auch von der ersten Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Bezug auf das Recht arbeitsteiliger Organisationen herangezogen wurde.253 Subsidiär lässt sich eine solche Rechtsfortbildung auch mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs entwickeln. Dabei ist sowohl das Bedürfnis des Gegenübers einer arbeitsteiligen Organisation, vor einer unbilligen Wissenszersplitterung durch die Wissenszurechnung geschützt zu werden, als auch das Bedürfnis der arbeitsteiligen Organisation nach einer angemessenen, nicht überbeanspruchenden Wissensorganisation, die weder tatsächlich oder rechtlich unmögliche noch unzumutbare Maßnahmen verlangt, um sich vor einer ausufernden Wissenszurechnung schützen zu können, zu beachten und in einen Ausgleich zu bringen.

IX. Rechtsfortbildung contra legem? Mitunter werden gegen das Konzept der wertenden Wissenszurechnung verfassungsrechtliche Bedenken erhoben oder zumindest die verfassungsrechtliche Legitimität infrage gestellt.254 Vor allem die Möglichkeit einer dogma-

252

Seidel, ZIP 2020, 1506 (1512). Erste Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 127. Sitzung vom 11.10.1882, Prot. I 1173, zitiert nach Jakobs/Schubert/Jakobs, Die Beratung des BGB, §§ 241–432, S. 244. 254 Vgl. Lehmann, DStR 1995, 1027 (1029); Waltermann, NJW 1993, 889 (892 f.); ders., AcP 192 (1992), 181 (226); Bedenken auch bei Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (9); vgl. auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (215), der die Bedenken immerhin „nicht verwunderlich“ findet; vgl. bereits Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 637. 253

C. Dogmatische Verankerung

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tischen Anknüpfung wird dabei in Zweifel gezogen, wobei insbesondere daran gezweifelt wird, ob eine zulässige Rechtsfortbildung vorliegt. Gegebenenfalls besteht aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung für eine Regelung der Zurechnung (nur) von Vertreterwissen gem. § 166 Abs. 1 BGB (und einiger anderer Sondertatbestände der Wissenszurechnung) eine entgegenstehende Wertung des Gesetzgebers in Bezug auf einer darüber hinausgehende, wertende Wissenszurechnung, sodass in diesem Fall eine Rechtsfortbildung contra legem in Rede stünde, die nur unter engen Voraussetzungen zulässig wäre.255 Hierfür müsste eine Rechtsfortbildung – abseits der Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit – entgegen der gesetzgeberischen Absicht vorliegen, wobei es nicht ausreichen soll, dass sich die Entscheidung nicht bloß nicht aus dem Willen des Gesetzgebers ableiten lässt (dann Rechtsfortbildung extra legem); vielmehr ist zumindest nach einem extensiven Verständnis des Begriffs „contra legem“ erforderlich, dass darüber hinaus der gesetzgeberische Wille positiv darauf gerichtet ist, dass eine Rechtsfortbildung ohne Einschränkungen unterbleibe.256 Dem restriktiven Verständnis Canaris’ – auf Grundlage eines objektiv-gegenwartsbezogenen Gesetzesverständnisses und unter Zugrundelegung eines am Maßstab der Gesamtrechtsordnung orientierten weiten Lückenbegriffs – folgend, stellt eine Rechtsfortbildung contra legem nur eine solche Rechtsfortbildung dar, die nicht mehr mit spezifisch rechtlichen Erwägungen begründet werden kann.257 Eine Bezugnahme auf den ursprünglichen gesetzgeberischen Willen ist mithin nicht zu finden, vielmehr ist der einzige maßgebliche Bezugspunkt das aktuelle vorherrschende Rechtsverständnis, das von demjenigen zur Zeit der Normgebung abweichen kann.258 Oben wurde bereits festgestellt, dass die wertende Wissenszurechnung zwar nicht mittels gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung unter Bildung einer Analogie zu § 166 Abs. 1 BGB, § 278 BGB, den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Passivvertretung oder § 31 BGB, aber dennoch über eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung normativ fassbar ist. Eine solche Rechtsfortbildung extra legem findet zwar dem Begriff nach „extra legem“, also außerhalb des (geschriebenen) Gesetzes, statt, aber dennoch „intra ius“,

255

Zu den Voraussetzungen einer ausnahmsweise zulässigen Rechtsfortbildung contra legem vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 415; Meys, Rechtsfortbildung extra legem im Arbeitsrecht, 2009, S. 11 f.; Hirsch, Rechtsanwendung, Rechtsfindung, Rechtsschöpfung, 2003, S. 17 f. 256 Meys, Rechtsfortbildung extra legem im Arbeitsrecht, 2009, S. 11. 257 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 251; Möllers, Juristische Methodenlehre, § 13 Rn. 18. 258 Vgl. zur Frage der Einordnung der wertenden Wissenszurechnung als Rechtsfortbildung contra legem unter Zugrundelegung des objektiv-gegenwartsbezogenen Gesetzesverständnisses auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 165 ff.

158

§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

also innerhalb der Gesamtrechtsordnung. Auch wenn eine solche Rechtsfortbildung einen erheblichen Eingriff in die Rechtsetzungskompetenz der Legislative darstellt, ist sie dennoch grundsätzlich möglich und verfassungsrechtlich zulässig – zumindest in den oben skizzierten Fallgruppen.259 Insofern wurde bereits dargelegt, dass sich eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung im Fall der wertenden Wissenszurechnung für arbeitsteilige Organisationen sowohl mit Rücksicht auf das rechtsethische Prinzip einer ausgeglichenen Risikoverteilung als auch mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs begründen lässt, sodass an der grundsätzlichen dogmatischen Herleitung dieses Zurechnungskonzepts über eine Rechtsfortbildung extra legem keine methodischen Bedenken mehr bestehen können. Jedoch kann man in der Tat zumindest auf den ersten Blick den Eindruck gewinnen, als stünde § 166 Abs. 1 BGB der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung entgegen. Immerhin ist dort eine von den Grundsätzen der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung abweichende Regelung zur Wissenszurechnung getroffen worden, die den Anschein erwecken lässt, das hier gewonnene Rechtsinstitut sei contra legem. Es wurde jedoch oben bereits nachgewiesen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Wissenszurechnungsnorm keine abschließende Regelung zur Wissenszurechnung treffen wollte, sondern vielmehr das Repräsentationsprinzip im Vertretungsrecht im Blick hatte und eine Spiegelbildlichkeit von Willenserklärung (§ 164 BGB) und Kenntnis (§ 166 BGB) in der Rechtsfolge herstellen wollte: Derjenige, der die Entscheidung über die Willenserklärung trifft, soll auch derjenige sein, auf dessen Kenntnis abgestellt wird.260 Aufgrund dessen besteht auch lediglich innerhalb dieses Anwendungsbereichs des § 166 BGB die Möglichkeit, dass die wertende Wissenszurechnung contra legem fortgebildet wird. Doch auch innerhalb des Anwendungsbereichs des § 166 BGB lässt sich die Konstruktion einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen mit spezifischen rechtlichen Erwägungen begründen, wobei an dieser Stelle auf die Ausführungen zu der Begründung einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung unter Berücksichtigung des rechtsethischen Prinzips einer ausgeglichenen Risikoverteilung sowie unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Rechtsverkehrs verwiesen werden soll.261 Dabei gibt der Umstand, dass die tatsächlichen Bedingungen der heute üblichen Arbeitsteilung mit dem unter anderen tatsächlichen Bedingungen entwickelten Instrumentarium des BGB von 1900 (insbesondere § 166 BGB) trotz der Ausschöpfung der Möglichkeiten analoger Rechtsanwendungen 259

Zu den Fallgruppen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung vgl. oben § 9 C.I.2.; vgl. hierzu auch Bruns, JZ 2014, 162 (163). 260 Vgl. oben § 9 C.V. 1. 261 Vgl. oben § 9 C.VII.1. und § 9 C.VII.2.

C. Dogmatische Verankerung

159

nicht interessengerecht erfasst werden, Anlass zur Feststellung, dass eine solche Rechtsfortbildung nicht contra legem judiziert wird.262 Neben den Änderungen der tatsächlichen Bedingungen arbeitsteiliger Organisation, die insbesondere durch ihre Intensivierung und teilweise auch durch neue Formen arbeitsteiliger Organisation auffallen, liegt dem heutigen Rechtsverständnis zudem eine andere Überzeugung in Bezug auf die Arbeitsteilung zugrunde.263 Während zur Zeit der Schaffung des BGB noch der Gedanke einer Privilegierung arbeitsteiliger Aktivität gegenüber der Leistungserbringung durch einen Alleinunternehmer vorherrschte, wie etwa den Beratungen zur Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherrn in § 831 BGB entnommen werden kann,264 wird heute die Funktion des Zivilrechts auch in der Herstellung und Aufrechterhaltung eines „level playing fields“ gesehen:265 So soll ein rechtlicher Rahmen für eine Marktgesellschaft bereitgestellt werden, sodass den privaten Rechtssubjekten ein breiter Raum für die Selbstgestaltung ihrer Angelegenheiten ermöglicht werden kann.266 Dieses Prinzip wird zudem gestützt durch die Law-and-econonmics-Bewegung, die den Gedanken der Effizienz als fundamentales Rechtsprinzip hervorhebt.267 Hierbei wäre es Aufgabe des Zivilrechts, ein Rechtsumfeld zu schaffen, in dem sich die effizienteste Form unternehmerischen Handelns durchsetzen würde,268 womit gleichsam eine Privilegierung einer bestimmten Form unternehmerischer Aktivität nicht zu vereinbaren wäre.269 Ebenso wird nun stärker als zur Zeit der Beratung zum BGB Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss des verfassungsrechtlich verankerten Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) die soziale Aufgabe des Zivilrechts betont.270 Zentrales Motiv dieser Aufgabe ist der Schutz des Schwächeren, wobei in letzter Zeit neben dem Mieterschutz und dem Arbeitnehmerschutz

262

Vgl. Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (213). Vgl. hierzu Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 171 ff. 264 Mot. II, S. 736 f. = Mugdan II, S. 411; zur Privilegierung arbeitsteiliger Organisation vgl. auch Prot. II, S. 2785 = Mugdan II, S. 1094: „der Schonung bedürfender industrieller Zweige sowie die kleine Landwirtschaft“; vgl. hierzu auch HKK-BGB/Kannowski, §§ 831–839a, 841 Rn. 6; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 167, 172. 265 Vgl. hierzu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 63 f. 266 Zöllner, JuS 1988, 329 (335); vgl. auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 172. 267 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, passim, insb. S. 79 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. XXXIII f., 18 f., 528 ff., 594 ff. 268 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 63. 269 Vgl. Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 173. 270 Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, 1975, passim; v. Hippel, Der Schutz des Schwächeren, 1982, passim; vgl. hierzu auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 174. 263

160

§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

vor allem der Verbraucherschutz hervorgehoben wurde.271 Mit diesem allgemeinen Schutzzweck des Zivilrechts zugunsten Schwächerer und dem Verbraucherschutz im Besonderen ist jedoch eine Privilegierung arbeitsteiliger Aktivität nur schwerlich zu vereinbaren.272 Darüber hinaus lag, wie auch aus den Materialien der Beratungen zur Schaffung des BGB deutlich wird, die Intention zur Schaffung der Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB nicht in einem Schutz vor Wissensaufspaltung bei arbeitsteiligen Organisationen, sondern lediglich in einer Antwort auf die Frage nach der umfassenden Repräsentation des Geschäftsherrn.273 Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber mit der Schaffung einer Wissenszurechnung im Rahmen der Vertretung (und der Schaffung einer Verschuldenszurechnung im Sinne des § 278 BGB) e contrario bewusst gegen eine allgemeine Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation ausgesprochen hat. Zumindest kann hierfür weder den Gesetzgebungsmaterialien noch den Beratungsprotokollen ein tragfähiger Anhaltspunkt entnommen werden.274 Daher muss die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung zur Begründung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung nicht contra legem judiziert werden. Vielmehr wird eine ergänzende Regelung geschaffen, die nicht die Frage der Repräsentanz bei der Vertretung, sondern die Frage nach der Wissenszersplitterung bei arbeitsteiliger Organisation adressiert. Die Schaffung einer ergänzenden Regelung stellt allerdings keine Fortbildung contra legem dar, sondern eine solche extra legem, also eine solche „neben“ den bestehenden Regelungen. Zwar kann dabei nicht geleugnet werden, dass durch diese Rechtsfortbildung ein umfangreicheres System der Wissenszurechnung etabliert wird als bloß unter dem Regime des § 166 BGB, dies ist jedoch nicht Ausdruck einer Rechtsfortbildung contra legem, sondern lediglich Ausdruck einer erhöhten Schutzbedürftigkeit gegen eine unbillige Wissenszersplitterung und einer damit einhergehenden Erweiterung des Schutzkonzepts in Bezug auf arbeitsteilige Organisationen.

271 Vgl. v. Hippel, Der Schutz des Schwächeren, 1982, S. 19 ff. (Mieterschutz), S. 2 ff. (Arbeitnehmerschutz), S. 29 ff. (Verbraucherschutz). 272 So auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 174. 273 Mot. I, S. 226 f. = Mugdan I, S. 477 ff.; vgl. hierzu auch HKK-BGB/Schmoeckel, §§ 164–181 Rn. 28. 274 Vgl. bereits oben § 9 C.V. 1.; § 9 C.V. 3.

C. Dogmatische Verankerung

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X. De lege ferenda – Kodifizierung des § 166a BGB 1. Notwendigkeit der Neuregelung Auch wenn die wertende Wissenszurechnung de lege lata durch eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung eine hinreichende dogmatische Anknüpfung findet, stellt sich dennoch die Frage, ob de lege ferenda nicht die Notwendigkeit einer Neuregelung seitens des Gesetzgebers besteht.275 Dabei kann gegen eine solche Bestrebung nicht in Ansatz gebracht werden, dass auch de lege lata diese Grundsätze durch die Rechtsfortbildung anwendbar sind: Wie an der Kodifizierung der culpa in contrahendo in § 311 Abs. 2 BGB276 oder der Störung der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB277 deutlich ersichtlich ist, hindert die dogmatische Konstruktion mittels Rechtsfortbildung de lege lata nicht an einer Kodifizierung de lege ferenda.278 Die Notwendigkeit einer Neuregelung bzw. der Kodifizierung der Grundsätze der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation kann dabei insbesondere aus dem Aspekt der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gefolgert werden: Aufgrund der stetig wachsenden arbeitsteiligen Organisation der Wirtschaft und vor dem Hintergrund immer neuer Formen der Arbeitsteilung mag es zwar im Ansatz gerechtfertigt erschienen sein, sich im Jahr 1900 auf eine Regelung der Wissenszurechnung bei der Stellvertretung beschränkt zu haben und § 166 Abs. 1 BGB auf konkrete Rechtsbeziehungen zuzuschneiden, jedoch besteht inzwischen eine weitaus höhere Regelungsnotwendigkeit aufgrund der veränderten tatsächlichen wie auch rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf die Rechtserheblichkeit von Wissen in arbeitsteiligen Organisation und mithin auch der Wissenszurechnung.279 Angesichts des stetig wachsenden Maßes arbeitsteiliger Organisation, ihrer Bedeutung für die Wirtschaft und des Umstandes, dass immer neue Formen der Arbeitsteilung entwickelt werden, sollte daher de lege ferenda die Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation kodifiziert werden.280

275

Für eine solche Neuregelung Waltermann, NJW 1993, 889 (892 f., 895); ders., AcP 192 (1992), 181 (213 f., 226). 276 Vgl. hierzu Staudinger/Feldmann (2018), BGB, § 311 Rn. 99. 277 Vgl. hierzu MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 26 f. 278 Ausdrücklich zur Störung der Geschäftsgrundlage Begr. GesE Schuldrechtsmodernisierungssetz, BT-Drs. 14/6040, S. 175: „Da die Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage ein anerkanntes Rechtsinstitut darstellen und ihre Anwendung in aller Regel zu übereinstimmenden und befriedigenden Ergebnissen führt, kann als Mangel des geltenden Rechts im Grunde nur das Fehlen einer allgemeinen Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch angeführt werden.“ 279 Waltermann, NJW 1993, 889 (892). 280 Waltermann, NJW 1993, 889 (892 f.).

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§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

Eine solche Kodifizierung würde darüber hinaus nicht nur die Fragen nach der dogmatischen Anknüpfung und die Diskussion um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Zurechnungsgrundsätze beenden, sie würde gleichsam Fragen des Anwendungsbereichs abschließend klären, wie etwa zur Einbeziehung des Deliktsrechts281 oder der Übertragung der von der Rechtsprechung und Literatur in Bezug auf juristische Personen gefundenen Zurechnungsgrundsätze auf den Konzern282 – und auch über den Konzern hinaus auf andere arbeitsteilige Organisationsformen, wie etwa nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen. 2. Systematik der Neuregelung Das BGB enthält kein Sonderrecht für arbeitsteilige Organisationen, lediglich werden an verschiedenen Stellen Einzelfragen in Bezug auf arbeitsteilige Organisationen behandelt, ohne jedoch einen Anspruch auf Vollständigkeit oder Abgeschlossenheit zu erheben.283 So regeln die §§ 21 ff. BGB den Verein als juristische Person, §§ 80 ff. BGB die Stiftung bürgerlichen Rechts, § 89 BGB die Organhaftung und die Insolvenz juristischer Personen des öffentlichen Rechts, §§ 164 ff. BGB die Vertretung, § 278 BGB die Verschuldenszurechnung für Erfüllungsgehilfen, §§ 705 ff. BGB die BGB-Gesellschaft, §§ 741 ff. BGB die Bruchteilsgemeinschaft und § 831 BGB die deliktische Haftung für Verrichtungsgehilfen. Stellt man sich nun die Frage, wo eine Neuregelung zur allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen systematisch verortet werden sollte, kann mithin nicht an einem spezifischen Sonderrecht für solche Organisationen angeknüpft werden. Dabei sollte – zumindest, wenn an der bisherigen Entscheidung, kein gebündeltes Sonderrecht für arbeitsteilige Organisationen innerhalb des BGB integrieren zu wollen, festgehalten werden soll – auch nicht ein gesonderter Abschnitt innerhalb des allgemeinen Teils des BGB eingefügt werden, in dem die Wissenszurechnungsregeln für solche Organisationen geregelt werden, sondern an bestehende Regeln angeknüpft werden.

281

Zur jüngeren Diskussion um die Wissenszurechnung im Rahmen von § 826 BGB vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 (Rn. 23); vgl. zur Einbeziehung des Deliktsrecht in die wertende Wissenszurechnung bereits oben § 9 A.III.2.a); vgl. hierzu auch ausführlich Seidel, AG 2019, 492 (498 ff.). 282 Zur jüngeren Diskussion um die Wissenszurechnung im Konzern einerseits Schwintowski, ZIP 2015, 617 (618, 623); andererseits Verse, AG 2015, 413 (418 ff.); Koch, ZIP 2015, 1757 (1760 ff.); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (804 ff.); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (123 ff.); Werner, WM 2016, 1474 (1477 ff.); zurückhaltend auch Schirmer, AG 2015, 666 (668 f.). 283 Vgl. bereits Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 168.

C. Dogmatische Verankerung

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Hierbei böte sich zunächst eine Regelung innerhalb des zweiten Titels des ersten Abschnitts innerhalb des ersten Buches des BGB (§§ 21–89 BGB, juristische Personen) an. Insbesondere die erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Organhaftung iSd. § 31 BGB über den Verein hinaus auf andere Formen juristischer Personen und Personengesellschaften könnte dafürsprechen, dass die §§ 21 ff. BGB eine Art „Allgemeinen Teil des Rechts arbeitsteiliger Organisationen“ darstellen. Insofern könnte die Neuregelung entweder in den Regelungskontext des § 31 BGB integriert oder aber nach § 89 BGB ein vierter Untertitel eingefügt werden, in welchem die Regelung zur allgemeinen Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation beheimatet wird. Hiergegen spricht jedoch, dass die §§ 21 ff. BGB der Titelüberschrift zur Folge nur juristische Personen ansprechen. Auch wenn § 31 BGB in analoger Anwendung mittlerweile auch für Personengesellschaften gilt,284 sind diese Analogien gewachsener Natur. Im Gegensatz dazu wäre die Kodifizierung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation eine originäre Erweiterung der §§ 21 ff. BGB über die juristische Person hinaus auf alle anderen Arten arbeitsteiliger Organisation. Anders als die Haftung für Organverschulden gem. § 31 BGB, in die andere juristische Personen und Personengesellschaften mittels Analogieschluss mit einbezogen sind, wäre eine kodifizierte Wissenszurechnung für arbeitsteilige Organisationen von vornherein auf alle Organisationsformen ausgeweitet, wobei dies der Systematik der §§ 21 ff. BGB widerspräche. Eine Neuregelung der Wissenszurechnung für arbeitsteilige Organisationen kann somit nicht im Regelungsumfeld der §§ 21–89 BGB verortet werden. Mit der gleichen Argumentation ist auch eine Verortung der Neuregelung innerhalb des ersten Abschnittes des ersten Buches des BGB (§§ 1–89 BGB) abzulehnen, auch wenn beispielsweise die §§ 15–20 BGB momentan unbesetzt sind und entweder hier oder in Anschluss an § 89 BGB ein neuer Abschnitt eingefügt werden könnte. Da dieser erste Abschnitt jedoch nur das Recht der Personen regelt und der Terminus der arbeitsteiligen Organisation über diesen Personenbegriff hinausgeht, muss von einer Verortung der Neuregelung innerhalb der §§ 1–89 BGB abgesehen werden. Von dem Anwendungsbereich des § 278 BGB ausgehend, wäre zumindest auf den ersten Blick auch eine Verortung der Neuregelung in dessen Regelungsumfeld denkbar. Diese Zurechnungsnorm hat zwar einen äußerst weiten personellen Anwendungsbereich, ist jedoch sachlich erheblich eingeschränkt, da hier ein begründetes Schuldverhältnis erforderlich ist. Die Ko284

Für die OHG: RG, Urt. v. 13.2.1911 – VI 652/09, RGZ 76, 35 (48); BGH, Urt. v. 8.2.1952 – I ZR 92/15, NJW 1952, 537 (538); für die GbR: BGH, Urt. v. 24.2.2003 – II ZR 285/99, BGHZ 154, 88 (94) = NJW 2003, 1445; BGH, Urt. v. 3.5.2007 – IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169 (Rn. 9) = NJW 2007, 2490.

164

§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

difizierung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation innerhalb des Titels „Verpflichtung zur Leistung“ (§§ 241–292 BGB) wäre zwar für eine bloß leistungsbezogene Wissenszurechnung möglich. Die Zurechnung von Wissen ist jedoch auch im außerrechtsgeschäftlichen Verkehr denkbar und sinnvoll. Hier würde die Verortung einer kodifizierten Wissenszurechnung für arbeitsteilige Organisationen im besten Fall den fälschlichen Eindruck eines eingeengten sachlichen Anwendungsbereichs erwecken, im schlimmsten Fall sogar als systematisches Argument für eine Beschränkung der Zurechnung auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr genutzt werden können. Zuletzt ist eine Verortung der Neuregelung im Umfeld des § 166 BGB, namentlich in einem neu zu schaffenden § 166a BGB, denkbar. Hiergegen spricht zwar der Umstand, dass § 166 BGB im Regelungsumfeld der Vertretung steht und die allgemeine wertende Wissenszurechnung nicht nur im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Vertretung Anwendung finden soll. Jedoch spricht für eine Neuregelung durch eine Ergänzung des § 166 BGB zum einen die Tatsache, dass diese Vorschrift die zentrale Wissenszurechnungsvorschrift im BGB ist. Zudem würde durch die Kodifizierung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung in einem neu zu schaffenden § 166a BGB deutlich der Lex-specialis-Charakter zu den Zurechnungsregeln des jetzigen § 166 BGB zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig verdeutlicht die Kodifikation in einem neuen Paragrafen den Unterschied der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung zur bloßen Wissenszurechnung im Rahmen der Vertretung. Insofern bietet sich für eine Neuregelung der Wissenszurechnungsgrundsätze für arbeitsteilige Organisationen am ehesten § 166a BGB im Anschluss an die jetzt bestehenden Wissenszurechnungsregeln an.285 3. Formulierung der Neuregelung Die Kodifizierung der Grundsätze der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen sollte zunächst im Anwendungsbereich deutlich auf alle Organisationsformen ausgedehnt sein. Hierbei findet zwar eine gewisse Eingrenzung der Bezugssubjekte dahin gehend statt, dass eine Organisation in Rede stehen muss, die zum Zweck der Arbeitsteilung gegründet wurde und aufrechterhalten wird; ansonsten ist die Zurechnung jedoch nicht bloß auf juristische Personen oder auf Gesellschaften im Allgemeinen begrenzt, vielmehr sollen diese Regelungen beispielsweise auch für Einzelkaufleute in komplexen Organisationsstrukturen, in Konzernstrukturen oder in nicht-konzernierten, rein vertraglich verbundenen Unter-

285

Für eine Anknüpfung eines neuen Wissenszurechnungskonzepts für arbeitsteilige Organisationen an § 166 BGB bereits Waltermann, AcP 192 (1992), 181 (226).

C. Dogmatische Verankerung

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nehmen wie etwa im Rahmen von Lieferketten oder im Franchising Anwendung finden.286 Gleichzeitig kommt durch den Terminus „arbeitsteilige Organisation“ zum Ausdruck, dass eine gewisse Organisationsdichte erreicht werden muss. Durch die Regelung der Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation soll nicht die Regelungen des § 166 BGB ad absurdum geführt werden. Vielmehr soll sie eine Spezialvorschrift für Organisationsstrukturen bieten, in denen ansonsten eine unbillige Wissenszersplitterung drohen würde. Unterhalb dieser Schwelle und außerhalb des Anwendungsbereichs der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung soll weiterhin das Wissen (innerhalb des BGB) nach § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet werden können. Darüber hinaus sollte durch eine entsprechende Formulierung die Zweistufigkeit dieser Regelung zum Ausdruck gebracht werden. So soll einerseits eine grundsätzliche Unbedingtheit der Wissenszurechnung auf der ersten Stufe bestehen als auch eine wertende Korrektur, die sowohl wissensnormabhängige wie auch wissensnormunabhängige Faktoren einbezieht. Dieser Regel-Ausnahme-Charakter soll zudem durch eine Beweislastumkehr auf der zweiten Stufe verdeutlicht werden, wobei die Beweislastumkehr ebenso wie im Rahmen der deliktischen Produkthaftung (Produzentenhaftung) insbesondere aus der Tatsache resultiert, dass der Gegenüber einer arbeitsteiligen Organisation nicht die Wissensorganisationsprozesse der Organisation nachvollziehen kann und somit nicht den Nachweis darüber führen kann, ob die Organisation alles Mögliche und ihr Zumutbare zur Verhinderung einer unbilligen Wissensaufspaltung getan hat. § 166a BGB – Wissenszurechnung in arbeitsteiligen Organisationen 1

Innerhalb einer arbeitsteiligen Organisation gilt die Kenntnis von rechtserheblichen Umständen, die eine Person, die diese Organisation vertritt oder für diese Organisation tätig ist, erhält, als diejenige der arbeitsteiligen Organisation selbst. 2Dies gilt nicht, soweit die arbeitsteilige Organisation alles Erforderliche getan hat, um einer unbilligen Wissenszersplitterung vorzubeugen; hierbei ist auch auf den Regelungskontext der jeweiligen Wissensnorm Bezug zu nehmen. 3Entsprechendes gilt für Umstände, die ein Organisationsmitglied infolge eigener oder der Fahrlässigkeit eines anderen Organisationsmitglieds nicht kennt.

286

Für einen derart weiten Anwendungsbereich der wertenden Wissenszurechnung, der nicht nur auf Unternehmen ausgerichtet ist, sondern etwa auch auf Einzelkaufmänner mit mehreren Prokuristen vgl. bereits Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); Canaris, Karlsruher Forum 1994, 33 (33).

166

§ 9 Entwicklung einer allgemeinen wertenden Wissenszurechnung

D. Fazit Die allgemeine wertende Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen ist als Antwort auf die vielen unbeantworteten und teilweise auch unbeantwortbaren Fragen der „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre zu verstehen. Dabei dürfte dieses Zurechnungskonzept zwar häufig zu gleichen Ergebnissen führen wie das „pflichtenbasierte“ Zurechnungskonzept – wie auch noch im vierten Teil dieser Arbeit anhand der unterschiedlichen Organisationsformen zu zeigen sein wird –, jedoch hat es in dogmatischer Hinsicht den Vorzug, viele Widersprüche des herrschenden Zurechnungskonzepts überwinden zu können. Das zweistufige allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept für arbeitsteilige Organisationen ist sowohl auf der ersten Stufe, die sich durch eine unbedingte Zurechnung des Wissens (und des Wissenmüssens) zum Bezugssubjekt auszeichnet, als auch auf der zweiten Stufe, die eine wertende Korrektur dieser weiten Zurechnung vornimmt, vollkommen am Zweck der Zurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen orientiert. Zudem lässt sich dieses Zurechnungskonzept, das nicht direkt an eine etwaige Pflicht zur Wissensorganisation anknüpft, sondern bloß eine angemessene Wissensorganisation in die wertende Korrektur mit einbezieht, in die bestehende zivilrechtliche Zurechnungslehre integrieren. Normativ begründen lässt sich dieses wertende Zurechnungskonzept – im Übrigen genauso wie auch die „pflichtenbasierte“ Wissenszurechnung – mit Hilfe des rechtsethischen Prinzips einer ausgeglichenen Risikoverteilung, wobei dieses Prinzip gleichzeitig als Grundlage der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung dient, die de lege lata die Wissenszurechnung für arbeitsteilige Organisationen dogmatisch verankert. Subsidiär lässt sich die nötige Rechtsfortbildung zudem über die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs begründen. De lege ferenda ist jedoch insbesondere zur Klarstellung und aus Gründen der Rechtssicherheit eine Kodifizierung dieses Zurechnungskonzepts opportun.

Vierter Teil

Die wertende Wissenszurechnung in unterschiedlichen Organisationsformen Das im dritten Teil dieser Arbeit entwickelte allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept soll nun im vierten Teil auf unterschiedliche Formen arbeitsteiliger Organisation angewandt werden. Insofern wird zwar stets auf die Grundlagen und die Begründungsansätze dieses zweistufigen allgemeinen wertenden Wissenszurechnungsmodells rekurriert und es in gebotener Kürze umrissen; jedoch wird die Grundkonzeption dieses Zurechnungsmodells hier nicht erneut umfassend erklärt werden. Hierzu muss auf die obigen Erläuterungen in § 9 dieser Arbeit verwiesen werden. Im Rahmen der Anwendung des hier vorgestellten zweistufigen Zurechnungskonzepts wird zudem bei gegebenem Anlass auf das herrschende, aber dogmatisch angreifbare „pflichtenbasierte“ wertende Zurechnungskonzept verwiesen werden, wobei gezeigt werden wird, dass das hier vorgestellte Konzept zwar dogmatisch besser begründbar und leichter in die allgemeine Zurechnungslehre integrierbar ist, in der Praxis gleichwohl nur wenige wesentliche Unterschiede in der rechtlichen Bewertung der Wissenszurechnung und ihrer Reichweite bestehen. Hierbei wird der Schwerpunkt auf der zweiten Stufe des Zurechnungskonzepts liegen; insofern darf die zugegebenermaßen sehr weite Wissenszurechnung der ersten Stufe nicht für sich alleine betrachtet werden, sondern nur unter Berücksichtigung der zweiten Stufe, die diese weite Zurechnung korrigiert bzw. einschränkt.

§ 10

Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person Ausgangspunkt des vierten Teils soll die Anwendung des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts auf die Organisationsform der juristischen Person sein. Sie stellt aufgrund ihrer intensiven unternehmensrechtlichen Verbundenheit sowie ihrem Zweck, der neben anderen insbesondere in der Schaffung einer von ihren Mitgliedern bzw. Gesellschaftern getrennten, eigenständigen Organisation zur gemeinsamen Interessenverfolgung gesehen werden kann, einen Prototyp arbeitsteiliger Organisation dar. Dabei ist – dem oben vorgestellten zweistufigen allgemeinen wertenden Wissenszurechnungsmodell folgend und um einen Gleichlauf zwischen Einflussbereich und Verantwortungsbereich wiederherzustellen – der juristischen Person zunächst in einem ersten Schritt bzw. auf der ersten Stufe des hier vorgestellten wertenden Wissenszurechnungskonzepts die Kenntnis sowie die fahrlässige Unkenntnis sämtlicher Personen, die sich im Einflussbereich der juristischen Person befinden, und somit aller für sie tätigen Personen zuzurechnen. Insofern findet sowohl eine Zurechnung von Organwissen wie auch von Mitarbeiterwissen statt, sodass dieses Konzept die horizontale und die vertikale Wissenszurechnung vereinigt.1 Hierdurch wird der Zweck der Zurechnung, eine unbillige Wissensaufspaltung innerhalb der juristischen Person zu verhindern, verwirklicht.2 Gleichwohl kann, wie oben gezeigt wurde, diese unbedingte Wissenszurechnung nicht unkorrigiert gelassen werden. In Bezug auf die wertungsmäßige Korrektur der auf der ersten Stufe stattgefundenen unbedingten Wissenszurechnung wird an dieser Stelle insbesondere auf die wissensnormunabhängigen Faktoren einzugehen sein; die Kontextualität der Wissenszurechnung betrifft demgegenüber alle Formen arbeitsteiliger Organisation gleichermaßen.3 Insofern wird hier vor allem untersucht werden, welche Formen 1

Zur horizontalen und vertikalen Wissenszurechnung nach dem herrschenden „pflichtenbasierten“ Wissenszurechnungskonzept vgl. Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 92 ff., 317 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 625 ff., 634 ff. 2 Zur teleologischen Begründung der ersten Stufe vgl. oben § 9 A.II. 3 Zur wissensnormabhängigen Korrektur bzw. zur Kontextabhängigkeit der wertenden Wissenszurechnung vgl. oben § 9 A.III.2.a); vgl. bereits ausführlich Seidel, AG 2019, 492, passim.

170

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

der Wissensorganisation innerhalb der juristischen Person, ihrer Organe und Mitarbeiter möglich und zumutbar sind, da eine darüber hinausgehende Wissenszurechnung wie oben gezeigt eine ungerechtfertigte Belastung der juristischen Person darstellen würde und vom Zweck der Zurechnung, eine unbillige Wissenszersplitterung zu verhindern, nicht getragen wäre. In diesen darüber hinausgehenden Fällen muss die Zurechnung von Wissen und Wissenmüssen daher ausscheiden.4

A. Allgemeine Grenzen der Wissenszurechnung I. Zeitliche Grenzen Insbesondere mit Blick auf die Zumutbarkeit der Wissensorganisation stellt sich die Frage, ob diese in zeitlicher Hinsicht beschränkt werden kann oder ob eine einmal erlangte Information „auf ewig“ dem Unternehmen zugerechnet werden muss. Man könnte zwar bereits vorher die Frage nach der Möglichkeit einer solchen „unendlichen“ Wissensorganisation aufwerfen. Jedoch muss in Bezug auf die tatsächliche Möglichkeit einer solch umfassenden Wissensorganisation festgestellt werden, dass (zumindest unter Einsatz moderner Speichermedien) der Speicherbarkeit von Informationen nunmehr keine oder zumindest nur vernachlässigbare Grenzen gesetzt sind (zumindest wenn Speichermedien aktualisiert werden und abhängig von der Lebensdauer des Speichermediums zu gegebenem Anlass eine erneute Kopie angefertigt wird).5 Gefragt nach der rechtlichen Möglichkeit einer solch umfassenden, unendlichen Wissensorganisationspflicht könnte dem für personenbezogene Daten allenfalls das Datenschutzrecht im Wege stehen. Hier steht einer zeitlich unbegrenzten Datensammlung vor allem der Grundsatz der Speicherbegrenzung gem. Art. 5 Abs. 1 lit. e) DS-GVO6 als Konkretisierung des Grundsatzes der Datensparsamkeit in zeitlicher Hinsicht entgegen. Danach darf bei der Speicherung personenbezogener Daten die für die Wissensorganisation häufig unerlässliche Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange möglich sein, wie es für die Verarbeitungszwecke erforderlich ist.7 4

Zur Begrenzung der Wissenszurechnung vgl. oben § 9 A.III. Vgl. hierzu auch Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (550 f.); dies., NJW 2018, 2153 (2153 f.). 6 VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABI. 2016 L 119, S. 1 ff., ABI. 2016 L 314, S. 72 ff., im Folgenden DS-GVO. 7 Vgl. hierzu Kühling/Buchner/Herbst, DS-GVO, BDSG, Art. 5 DS-GVO Rn. 64; Paal/ 5

A. Allgemeine Grenzen der Wissenszurechnung

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Wenn somit die Datenverarbeitung zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Speicherbegrenzung rechtswidrig wird, entsteht aufgrund des datenschutzrechtlichen Verbots der Datenerhebung mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. Art. 6 DS-GVO) eine Pflichtenkollision in Bezug auf die Wissensorganisation. Auch von einer arbeitsteiligen Organisation wie der juristischen Person kann in einem solchen Fall nicht verlangt werden, eine Wissensorganisation zu schaffen, die gleichzeitig gegen Datenschutzrecht verstößt, sodass in diesen Fällen keine Zurechnung stattfinden kann.8 Wenn jedoch die juristische Person ohnehin rechtswidrig erlangte Daten oder solche, deren Rechtswidrigkeit erst im Laufe der Zeit aufgrund der Verletzung der Speicherbegrenzung eingetreten ist, für ihre Zwecke nutzt und dabei sehenden Auges die datenschutzrechtswidrige Datenerhebung in Kauf nimmt, wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn sich diese juristische Person dann (nur) im Rahmen der Wissenszurechnung auf das Datenschutzrecht und mithin auf die damit verbundene Pflichtenkollision berufen würde.9 Neben der Schranke der Unmöglichkeit der Wissensorganisation spielt bei der Frage nach einer Einschränkung der Wissenszurechnung in zeitlicher Hinsicht vor allem die (Un-)Zumutbarkeit der Wissensorganisation eine zentrale Rolle. So lässt sich die Frage stellen, ob auch die juristische Person „dement“ werden kann bzw. ob auch ihr ein „Recht zum Vergessen“ eingeräumt werden muss.10 Ohne allzu sehr personifizierende Begriffe benutzen zu wollen und hierdurch sich dem Vorwurf auszusetzen, in das Begründungsmuster des fragwürdigen Gleichstellungsarguments zu verfallen, ist hiermit die Frage adressiert, ob eine zeitlich unbegrenzte Wissensorganisation zumutbar ist. In dieser Absolutheit muss die Antwort lauten: Nein, eine zeitlich unbegrenzte Wissensorganisation in Bezug auf alle in Betracht kommenden Tatsachen ist nicht zumutbar.11 Die ungleich schwerere Frage ist allerdings, wo Pauly/Frenzel, DS-GVO, BDSG, Art. 5 DS-GVO Rn. 43; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, Datenschutzrecht, Art. 5 DS-GVO Rn. 151. 8 Vgl. hierzu Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 519 f.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (322), ders./Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (556); dies., NJW 2018, 2153 (2154 f.); Verse, AG 2015, 413 (417); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (810); Faßbender/ Neuhaus, WM 2002, 1253 (1256); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (122). 9 Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (556 f.); dies., NJW 2018, 2153 (2155). 10 Vgl. hierzu Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (322 f.). 11 Vgl. auch BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (38 f.); RömmerCollmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 177; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (322); Kieser/Kloster, GmbHR 2001, 176 (181); MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 57; unter Zugrundelegung des Gleichstellungsarguments auch Scheuch, GmbHR 1996, 828 (830); ähnlich auch Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (15).

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hier die Grenze der Zumutbarkeit liegt. Anhaltspunkte hierfür können die üblicherweise verlangten Dokumentations- und Archivierungspflichten sein, wie sie etwa aus dem Bilanz- oder Steuerrecht bekannt sind.12 Wenn ein Dokument vernichtet werden darf, dann muss dies auch Auswirkungen auf die Wissensorganisation bezüglich der enthaltenden Informationen und somit auch auf die Wissensorganisation haben. Jedoch ermöglichen auch diese Fristen keine exakte Grenzziehung. Selbst wenn aus bilanz- oder steuerrechtlicher Sicht ein Dokument vernichtet werden darf, ist es möglich, dass bei erkennbarer weiterer Relevanz der in dem Dokument enthaltenen Informationen die Wissensspeicherung auch weiterhin nötig ist. Im Ergebnis können spezialgesetzliche Dokumentations- und Archivierungspflichten somit zwar einen Anhaltspunkt für die Dauer der Wissensspeicherung darstellen, letztlich ausschlaggebend muss jedoch die erkennbare Relevanz der Information sein: Je erkennbar wichtiger eine Information ist, desto länger muss sie gespeichert werden.13 In praktischer Hinsicht muss allerdings beachtet werden, dass ein Beweisproblem entstehen kann, wenn die juristische Person die Dokumente nach Ende der Dokumentationspflicht vernichtet hat, die Wissensorganisationspflicht jedoch über diesen Zeitpunkt hinausgeht.14 Darüber hinaus ist im Kontext der zeitlichen Perspektive der Wissenszurechnung auch fraglich, inwiefern das Wissen ausgeschiedener Organmitglieder oder Mitarbeiter in der Wissensorganisation berücksichtigt werden muss. Auch wenn diese Frage immer wieder gestellt wird, stellt diese Konstellation unter Beachtung der wertenden, auf eine angemessene Wissensorganisation abstellenden Wissenszurechnung bei genauerer Betrachtung eigentlich kein Problem dar: Innerhalb der ordnungsgemäßen Wissensorganisation ist an dieser Stelle entscheidend, ob der Wissensträger eine bestimmte Information aufgrund ihrer erkennbaren Relevanz speichern musste. Die Informationsspeicherungspflicht besteht jedoch schon, wenn das in Rede stehende Organmitglied bzw. der betreffende Mitarbeiter noch nicht ausgeschieden ist, sodass in diesem Fall gar nicht das Wissen eines ausgeschiedenen Organmitglieds oder Mitarbeiters in Rede steht, sondern eines amtierenden Organmitglieds bzw. Mitarbeiters.15 Insofern muss auch das 12 So auch Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 177; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (322); Kieser/Kloster, GmbHR 2001, 176 (181); MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 57. 13 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (38 f.); Kieser/Kloster, GmbHR 2001, 176 (181, Fn. 69); ähnlich wohl auch MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 57. 14 Kieser/Kloster, GmbHR 2001, 176 (181, Fn. 69). 15 Ähnlich auch Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (120 f.); Armbrüster/Kosich weisen allerdings zu Recht darauf hin, dass der Zeitpunkt der Informationserlangung nicht zwangsläufig mit demjenigen der Erkenntnis der Speicherungspflichtigkeit zusammenfallen muss und im Fall einer späteren Erkenntnis der Speicherungspflichtigkeit auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist, ZIP 2020, 1494 (1502).

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Wissen eines ausgeschiedenen Organmitglieds oder Mitarbeiters zugerechnet werden, sofern die Relevanz der Information ex ante erkennbar war (und die Abfrage dieser Information in der konkreten Situation für amtierende Organmitglieder oder Mitarbeiter möglich und zumutbar ist).16 In dem Sinne kann auch im Rahmen des Abrufens einer bestimmten Information kein Unterschied zwischen Informationen von bestehenden Organmitgliedern oder Mitarbeitern und solchen von ausgeschiedenen Organmitgliedern oder Mitarbeitern bestehen. Die Frage der Reichweite der Wissensabrufungspflicht hängt alleine von der Relevanz der Information ab und nicht davon, ob die Person, die die Information gespeichert hat, schon aus dem Dienst ausgeschieden ist. Bei dem Ausscheiden von Mitarbeitern und Organmitgliedern besteht sogar eine besondere Sorgfaltspflicht zur Überprüfung der bekannten Informationen. Insbesondere da nach dem Ausscheiden grundsätzlich keine Zugriffsmöglichkeit mehr auf das Wissen der betreffenden Personen existiert und somit ab diesem Zeitpunkt keine Pflicht zur Wissensspeicherung oder -weiterleitung mehr besteht, ist der Ausscheidende aufgrund seiner arbeitsrechtlichen oder gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im besonderen Maße verpflichtet, potentiell relevante Tatsachen für die Zeit nach seinem Ausscheiden zu dokumentieren.17 Demgegenüber dürfte nur in Ausnahmefällen aufgrund einer nachwirkenden Treuepflicht auch nach dem Ausscheiden aus dem Dienst eine Pflicht zur Informationsweiterleitung bestehen.18

II. Persönliche Grenzen 1. Nemo-tenetur-Grundsatz Der strafprozessuale Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ – „niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen“ – ist sowohl in § 136 Abs. 1 S. 2 StPO für den Beschuldigten als auch in § 55 Abs. 1 StPO für den Zeugen verankert und verbürgt neben anderem das Recht zu schweigen, wenn eine Aussage eine Selbstbelastung zur Folge hätte.19 16

Vgl. auch BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (331); Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (307); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (121); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (325); GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 43; vgl. bereits Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 138 f.; Bohrer, DNotZ 1991, 124 (127 ff.); ähnlich auch Baumann, ZGR 1973, 284 (295), der sich gegen eine absolute Wissenszurechnung ausgeschiedener Organmitglieder ausspricht und stattdessen auf die Wissensorganisation abstellt. 17 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (325). 18 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (325). 19 Monographisch zum Nemo-tenetur-Grundsatz vgl. Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, 2006, passim, insb. S. 23 ff.; Doege, Die Bedeutung des nemo-tenetur-Grundsatzes in nicht von Strafverfolgungsorganen geführten Befragungen, 2016, S. 59 ff.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Auch wenn der originäre Anwendungsbereich der Selbstbelastungsfreiheit innerhalb der Strafverfolgung und des Strafprozesses liegt, zeigen sich im Anschluss an den sog. Gemeinschuldnerbeschluss des BVerfG20 sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur Aufweichungstendenzen dieses Anwendungsbereichs.21 Auch im Bereich des Zivilrechts finden sich zunehmend Überlegungen, eine Wissensdokumentations- und Wissensweiterleitungspflicht eines bestimmten Wissensträgers abzulehnen, wenn er sich hierdurch selbst belasten würde.22 Zwar besteht keine Pflicht, sich selbst nicht beschuldigen zu dürfen, sodass keine Pflichtenkollision im Hinblick auf die Wissensspeicherungs- und Wissensweiterleitungspflicht besteht. Jedoch könnte tatsächlich überlegt werden, dass eine Pflicht zur Dokumentation und Weiterleitung von Tatsachen, die das Organmitglied oder den Mitarbeiter als Pflichtenadressaten selbst belasten, die Selbstbelastungsfreiheit konterkarieren würde und deshalb eine derart weitreichende Wissensorganisation unzumutbar wäre. Mithin wäre eine Wissenszurechnung in diesen Fällen ausgeschlossen. Hiergegen spricht zwar, dass in dem vorliegenden Fall kein Aussagezwang gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde oder eines Gerichts in Rede steht, sondern lediglich ein Privatrechtsverhältnis zwischen der Organperson bzw. dem Mitarbeiter und der juristischen Person.23 Darüber hinaus wird zum Teil vorgebracht, dass der Nemo-tenetur-Grundsatz selbst im Zivilverfahren nur eingeschränkt gilt: Nach herrschender Meinung muss sich eine Partei zwar nicht selbst einer ehrrührigen Handlung oder einer Straftat bezichtigen, sodass sie die Aussage verweigern darf;24 gleichwohl berechtigt sie dies nicht zu wahrheitswidrigem Behaupten oder Bestreiten, auch kann dieses Schweigen zur Folge haben, dass ihr Vorbringen dadurch als unvollständig oder das des Gegners als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO) zu werten ist.25 Hieraus wird mitunter geschlussfolgert, dass, wenn selbst im Zivilprozess die Selbstbezichtigungsfreiheit nur eingeschränkt gewährleistet wird, dies erst recht Auswirkungen auf ein rein privatrechtliches Verhältnis, wie innerhalb der Wissensorganisation, haben müsse.26 Zudem müsse beachtet wer20

BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37. Vgl. hierzu kritisch Verrel, NStZ 1997, 361, 361 ff. mwNachw. 22 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 85; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (322); ähnlich auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1999 – 6 U 146/98, WM 2000, 1393 (1397); Grunewald, NZG 2013, 841 (845); Seibt/Cziupka, AG 2015, 93 (104). 23 So Sajnovits, WM 2016, 765 (772). 24 BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 (44); Stein/Jonas/Kern, ZPO, § 138 Rn. 13; MünchKommZPO/Fritsche, § 138 Rn. 14; Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 3. 25 MünchKommZPO/Fritsche, § 138 Rn. 14; Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 3; ähnlich auch Sajnovits, WM 2016, 765 (772): „Nemo-tenetur-Grundsatz [hat] keinerlei Auswirkungen auf die zivilprozessuale Wahrheitspflicht des § 138 ZPO“. 26 Sajnovits, WM 2016, 765 (772). 21

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den, dass in Anlehnung an den Gesamtschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts27 selbst bei einer Wissensspeicherungs- und -dokumentationspflicht trotz einer drohenden Selbstbezichtigung das Organmitglied (bzw. der Mitarbeiter) über ein Beweisverwertungsverbot ausreichend geschützt wäre.28 Die Wissenszurechnung muss jedoch ausgeschlossen sein, wenn das Bezugssubjekt (hier die juristische Person) die Wissensspeicherung und -weitergabe nicht steuern oder beherrschen kann, da in diesen Fällen eine (verlässliche) Wissensorganisation nicht möglich ist.29 Sofern das Bezugssubjekt nämlich keinen Anspruch hat, die in Rede stehende Information von dem Wissenden zu erhalten, kann es die Wissensorganisation nicht rechtlich abgesichert beherrschen, sodass in diesem Fall mangels Informationsbeherrschung und der daraus folgenden fehlenden Wissensverantwortung für diese Informationen die Wissenszurechnung grundsätzlich ausgeschlossen sein muss. Es stellt sich somit die Frage, ob überhaupt eine Auskunftspflicht von Organpersonen oder Mitarbeitern bezüglich Tatsachen besteht, die diese selbst belasten, bzw. ob ein Anspruch der Gesellschaft auf Offenlegung solcher Tatsachen besteht. Eine solche Pflicht könnte sich etwa aus einem besonderen Treueverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied bzw. dem Mitarbeiter ergeben,30 wobei dem entgegenzuhalten ist, dass damit auch eine Pflicht zur Selbstbelastung einherginge und dies eine starke Belastung für den Verpflichteten mit sich bringen würde.31 Auch wenn der Nemo-tenetur-Grundsatz auf die Strafverfolgung und das Strafverfahren zugeschnitten ist und obwohl der Zwang zur strafrechtlichen Selbstbezichtigung nicht auf derselben Intensitätsstufe mit einem zivilrechtlichen Zwang steht, kann dennoch der zugrunde liegende Gedanke, dass es als absurd bzw. „widernatürlich“ empfunden wird, den Menschen zur Gefährdung eigener Interessen, wie dem Drang nach Sanktionslosigkeit, zu verpflichten, auch auf den zivilrechtlichen Zwang zur Selbstbezichtigung übertragen werden.32 Ein solches Verhalten kann allge27

BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 (51 f.). Sajnovits, WM 2016, 765 (772 f.); ähnlich auch KölnKommWpHG/Versteegen, 1. Aufl. 2007, § 15 Rn. 113. 29 Vgl. etwa Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (323). 30 So etwa Schmolke, RIW 2008, 395 (371). 31 Taupitz, Die zivilrechtliche Pflicht zur unaufgeforderten Offenlegung eigenen Fehlverhaltens, 1989, S. 30 f.; Grunewald, NZG 2013, 841 (845); Prütting, FS Laufs (2006), S. 1009 (1021). 32 Vgl. auch Taupitz, Die zivilrechtliche Pflicht zur unaufgeforderten Offenlegung eigenen Fehlverhaltens, 1989, S. 31; Winkler v. Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten im deutschen Zivilrecht, 1986, S. 52; Seibt/Cziupka, AG 2015, 93 (104); vgl. auch Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, 1977, S. 145: Pflicht zur Selbstbelastung sei „anstößig“ und „unnatürlich“; Hahn, Offenbarungspflichten im Umweltschutzrecht, 1984, S. 159. 28

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

mein nicht erwartet werden, sodass es auch nur schwerlich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder der Festlegung von Organpflichten Mitarbeitern oder Organmitgliedern auferlegt werden kann.33 Zwar kann ausnahmsweise ein solcher Selbstbelastungszwang bzw. eine solche Offenlegungspflicht bestehen, wie sie etwa im Rahmen der sog. Sekundärhaftung für Anwälte angenommen wurde; jedoch beruhte diese insbesondere auf besonders günstigen Verjährungsregeln vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und wurde nach der Anpassung der Verjährungsregeln nach 2002 aufgegeben.34 Dabei hätte ein solcher Selbstbelastungszwang hier gerade für die Verjährung zweifelhafte Folgen: Durch die Konstruktion einer solchen Selbstbezichtigungspflicht, die während der Anstellung wohl permanent zu erfüllen wäre, würde bei einer unterlassenden Offenlegung dauerhaft eine Pflichtverletzung vorliegen, sodass die Verjährung völlig aus den Angeln gehoben würde – zumal die Frist des § 93 Abs. 6 AktG keineswegs günstiger ist als die allgemeine Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB.35 Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine zivilrechtliche Pflicht zur Offenlegung eigenen justiziablen Verhaltes der Organmitglieder oder der Mitarbeiter gegenüber der juristischen Person besteht.36 Wenn die juristische Person jedoch keinen Anspruch auf den Erhalt dieser Informationen hat und somit keinen (rechtlich gesicherten) Einfluss darauf nehmen kann, dass die jeweiligen Informationen an die relevanten Stellen innerhalb der Organisation gelangen, ist eine darauf gerichtete Wissensorganisation faktisch nicht durchsetzbar. Folglich ist eine Zurechnung von Informationen, die den Wissenden bei der Dokumentation oder der Weitergabe einer Selbstbezichtigung aussetzen würde, ausgeschlossen.37 Darüber hinaus kann auch die Behauptung des Schutzes des Organmitglieds bzw. des Mitarbeiters durch ein Beweisverwertungsverbot der zivilrechtlich erlangten, selbstbelastenden Informationen im Rahmen des Strafverfahrens nicht geteilt werden.38 In vielen Fällen würde die juristische Person erst durch eine solche Wissensdokumentations- und -weiterleitungspflicht

33

Grunewald, NZG 2013, 841 (845). Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 13.11.2008 – IX 69/07, NJW 2009, 1350 (Rn. 8); Bruns, BB 2003, 1347, passim; Grunewald, NZG 2013, 841 (844). 35 Vgl. hierzu Grunewald, NZG 2013, 841 (845). 36 So auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1999 – 6 U 146/98, WM 2000, 1393 (1397); Taupitz, Die zivilrechtliche Pflicht zur unaufgeforderten Offenlegung eigenen Fehlverhaltens, 1989, S. 30 f.; Grunewald, NZG 2013, 841 (845); Prütting, FS Laufs (2006), S. 1009 (1021); Fleischer, WM 2003, 1045 (1051); vgl. auch KölnKommWpHG/Klöhn, § 15 Rn. 160. 37 So auch (ohne Begründung) Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (322). 38 So aber Sajnovits, WM 2016, 765 (772 f.). 34

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von der Straftat bzw. der Sanktionsmöglichkeit und der Täterschaft des Wissenden erfahren, sodass der Wissende selbst Anstoß zu Ermittlungen gegen ihn geben würde. Zudem besteht die Gefahr, dass trotz eines Beweisverwertungsverbotes Repressionen im Unternehmen oder durch die Öffentlichkeit drohen. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Beweisverwertungsverbot einen vergleichbaren Schutz gegenüber dem Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, darstellt. Zuletzt muss festgestellt werden, dass – aufgrund der bereits oben dargestellten Unzulänglichkeiten und der dogmatischen Zweifel an einer absoluten Wissenszurechnung39 – in keinem Fall davon ausgegangen werden kann, dass trotz einer fehlenden Wissensorganisationspflicht wegen einer drohenden Selbstbezichtigung in Anlehnung an die Organtheorie gleichwohl diese Informationen (zumindest in gravierenden Fällen) der Gesellschaft zuzurechnen sind.40 Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass in diesen Fällen die Gesellschaft keinen Einfluss auf die entsprechende Wissensorganisation nehmen kann, sodass auch nicht sichergestellt werden kann, dass das Wissen zu den entscheidenden bzw. handelnden Stellen gelangen kann. 2. Privat erlangtes Wissen Für die Zurechnung privat erlangter Kenntnis muss zunächst unterschieden werden, ob der Kenntnisträger selbst an dem Rechtsgeschäft beteiligt war oder ob eine nicht-handlungsakzessorische Wissenszurechnung in Rede steht. Sofern nämlich der Wissende selbst an dem entsprechenden Rechtsgeschäft beteiligt ist, spricht schon die Wertung des § 166 Abs. 1 BGB für die Zurechnung (sofern keine anderen Zurechnungsschranken dem entgegenstehen).41 § 166 Abs. 1 BGB rechnet immerhin das Wissen des Vertreters zu, gleich welchen Ursprung seine Informationen haben, ob diese privat oder im Rahmen der Vertretung erlangt wurden. Sofern jedoch die Zurechnung nicht-handlungsakzessorischen Wissens in Rede steht, stellt sich die Frage, ob auch dort privat erlangte Kenntnis zurechnungsrelevant sein kann. Hierzu hat der BGH (allerdings noch vor 1996 und somit vor dem Grundsatzurteil zur „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnung) entschieden, dass das privat erlangte Wissen des Geschäftsführers grundsätzlich keine Kenntnis der Gesellschaft begründen kann.42 39

Vgl. hierzu oben § 8 A. So aber KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 85. 41 Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 190; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 350; Buck-Heeb, WM 2008, 281 (282 f.); Sajnovits, WM 2016, 765 (771); Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (306); im Ergebnis auch Fleischer, NJW 2006, 3239 (3242); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (326); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (376). 42 BGH, Urt. v. 9.4.1990 – II ZR 1/89, ZIP 1990, 636 (637 f.); vgl. zur Einordnung der 40

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Unter Zugrundelegung des wertenden Wissenszurechnungskonzepts bietet sich hingegen eine differenzierte Antwort auf dieses Problem an, wobei die Möglichkeit der Gesellschaft zur Einflussnahme auf die Informationsweitergabe entscheidend sein muss. Insofern muss die Wissenszurechnung in jedem Fall bei einer Pflichtenkollision ausscheiden. Beachtenswert sind hier vor allem Fälle, in denen ein Organmitglied durch eine Doppelorganschaft gleichzeitig in verschiedenen Gesellschaften aktiv ist und sich die Frage stellt, ob das Wissen, das es im Rahmen seiner Tätigkeit für das eine Unternehmen erlangt hat, dem anderen Unternehmen zugerechnet werden kann. Sofern hier insbesondere gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten einer Wissensweitergabe entgegenstehen, muss eine Zurechnung ausscheiden.43 Positiv gewendet kann auch die privat erlangte Kenntnis von Organpersonen und Mitarbeitern der Gesellschaft zugerechnet werden, wenn eine Pflicht zur Nutzung dieser Information bzw. zur Wissensspeicherung und -weiterleitung besteht.44 Dabei muss zwischen Organmitgliedern und Mitarbeitern unterschieden werden. Aufgrund der organschaftlichen Treuepflicht von Organpersonen der Gesellschaft gegenüber können diese auch verpflichtet sein, privat erlangtes Wissen der Gesellschaft weiterzugeben.45 Hier kann an die im Rahmen der Geschäftschancenlehre entwickelte Kasuistik angeknüpft werden, wonach auch privat erlangte Geschäftschancen zumindest von geschäftsführenden Organmitgliedern aufgrund der Treuepflicht für die Gesellschaft genutzt werden müssen, wenn sie im Zusammenhang mit ihrem Wirkungskreis stehen.46 Demgegenüber besteht für Mitarbeiter auf unteren Hierarchiestufen nur eine reduzierte arbeitsvertragliche Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft.47 Aufgrund dessen wird auch nur in Ausnahmefällen bei solchen Mitarbeitern

dargelegten Rechtsprechung als vor der „Kehrtwende“ von der absoluten zur wertenden Wissenszurechnung Fleischer, NJW 2006, 3239 (3241 f.). 43 Vgl. zur Doppelorganschaft unten § 10 B.I.1.; § 10 B.I.4.; § 11 C.II.3. 44 Sajnovits, WM 2016, 765 (770); MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 102; GroßKommAktG/Kort § 76 Rn. 205; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 88; UHL/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 202. 45 Sajnovits, WM 2016, 765 (770); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (326). 46 Vgl. auch Sajnovits, WM 2016, 765 (770); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (326); ähnlich auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 88 unter starker Betonung der Trennung zwischen privater und amtlicher Sphäre; zur Geschäftschancenlehre vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, ZIP 1985, 1484 (1485); BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 (363 f.); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 258; kritisch Fleischer, NJW 2006, 3239 (3240). 47 Zur arbeitsvertraglichen Treuepflicht vgl. Hürholz, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers, 1968, S. 98 ff.; MünchKommBGB/Spinner, § 611a Rn. 993 ff.; MünchHdbArbR I/Reichold, § 53 Rn. 1 ff.

A. Allgemeine Grenzen der Wissenszurechnung

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eine Pflicht zur Nutzung privat erworbenen Wissens angenommen werden können.48 Neben der Stellung der Organperson bzw. des Mitarbeiters innerhalb des Unternehmens sind auch die Bedeutung der Information für die Gesellschaft sowie der Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Wissenden und der Information entscheidend. Eine Pflicht zur Weiterleitung privat erlangten Wissens ist somit umso eher anzunehmen, je höher die Stellung des Mitarbeiters bzw. der Organperson innerhalb der Gesellschaft ist.49 Ebenso ist eher von einer solchen Pflicht auszugehen, wenn die Information zwar privat, jedoch trotzdem im beruflichen Kontext mitgeteilt wurde, wie etwa auf geschäftlich veranlassten Feiern.50

III. Organisatorische Trennlinien innerhalb des Unternehmens („Chinese Walls“) Auch durch die Unternehmensorganisation selber kann die Möglichkeit der unternehmensweiten Weitergabe und Abfrage von Informationen beschränkt sein. So können etwa zur Trennung potentiell konfliktauslösender Geschäftsbereiche neben der Möglichkeit, bestimmte Aufgaben in selbstständige Tochtergesellschaften auszugliedern, auch Vertraulichkeitsbereiche geschaffen werden, indem sog. Chinese Walls innerhalb des Unternehmens etabliert werden. Als solche werden die durch organisatorische Maßnahmen umgesetzten Vereinbarungen bezeichnet, wonach bestimmte Informationen, die in einem Geschäftsbereich anfallen, weder direkt noch indirekt Personen außerhalb dieses Geschäftsbereichs zur Verfügung gestellt werden dürfen.51 Dabei werden zum einen Vertraulichkeitsbereiche abgeschottet und zum anderen Informationsflüsse kanalisiert, wodurch die Organisation wissensmäßig in unterschiedliche, selbstständige agierende, aber dennoch rechtlich unselbstständige Einheiten untergliedert wird.52 Dies erfolgt neben einer per48 Sajnovits, WM 2016, 765 (770); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (326); Buck-Heeb, WM 2008, 281 (284); vgl. hierzu bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1514); ähnlich auch MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 60; zur Begrenzung der vertikalen Wissenszurechnung in Bezug auf privat erlangtes Wissen vgl. auch unten § 10 C.III. 49 Vgl. hierzu schon Seidel, ZIP 2020, 1506 (1514). 50 Vgl. hierzu auch Buck-Heeb, WM 2008, 281 (284); MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 60; vgl. bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1514). 51 Vgl. hierzu Grohnert, Rechtliche Grundlagen einer Compliance-Organisation und ausgewählte Fragen der Umsetzung, 1999, S. 12; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 499; Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 357 f.; Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 210; Assmann, AG 1994, 237 (256); Eisele, WM 1993, 1021 (1024); Schimansky/Bunte/Lwowski/Faust, BR-Hdb., § 109 Rn. 141 ff. 52 Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 500; Hopt, FS Heinsius (1991), S. 289 (319); Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rn. 107.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

sonellen und räumlichen Trennung der Geschäftsbereiche insbesondere durch eine Unterbindung von Kommunikationsmöglichkeiten, etwa durch eine Beschränkung von Zugriffsberechtigungen für unternehmensinterne Informationen, getrennt nach den unterschiedlichen konfligierenden Geschäftsbereichen.53 Neben der Verwendung solcher Chinese Walls beispielsweise in großen Wirtschaftskanzleien zur Vermeidung von Interessenkonflikten54 besteht die Notwendigkeit zur Schaffung solcher Vertraulichkeitsbereiche vor allem im Wertpapierhandelsrecht.55 So verpflichtet etwa § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG Wertpapierdienstleistungsunternehmen, wirksame Vorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu treffen, worunter auch die Pflicht fallen kann, arbeitsfähige Vertraulichkeitsbereiche zu etablieren.56 Art. 34 Abs. 3 UAbs. 2 del. VO 2017/56557 konkretisiert diese Pflicht dahin gehend, dass zum einen wirksame Verfahren etabliert werden sollen, die den Informationsaustausch zwischen relevanten Personen, deren Tätigkeiten einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnten, verhindern oder kontrollieren sollen, wenn dieser Informationsaustausch den Interessen eines oder mehrerer Kunden abträglich sein könnte (lit. a)). Zum anderen sollen Maßnahmen geschaffen werden, die die gleichzeitige oder unmittelbar nachfolgende Einbeziehung einer relevanten Person in verschiedene Wertpapier- oder Nebendienstleistungen bzw. Anlagetätigkeiten verhindern oder kontrollieren, wenn diese Einbeziehung ein ordnungsgemäßes Konfliktmanagement beeinträch53 Zu den Maßnahmen zur Schaffung von Chinese Walls vgl. Grohnert, Rechtliche Grundlagen einer Compliance-Organisation und ausgewählte Fragen der Umsetzung, 1999, S. 13 ff.; Hoffmann, Rechtliche Schranken interner Informationsflüsse in Kreditinstituten, 1998, S. 153 f.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 500; Eisele, WM 1993, 1021 (1024 f.); Hopt, FS Heinsius (1991), S. 289 (319); vgl. auch Assmann/U. H. Schneider/Mülbert/Koller, WpHG, § 80 Rn. 37 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Faust, BR-Hdb., § 109 Rn. 142 ff. 54 Vgl. hierzu Abel, AnwBl 1996, 436 (437 f.); Kilian, WM 2000, 1366 (1375 ff.); Schramm, DStR 2003, 1316 (1317); Schwintowski, VersR 2012, 1325 (1329). 55 Vgl. hierzu Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 500 ff.; zum US-amerikanischen Vorbild der Chinese Walls vgl. McVea, Financial Conglomerates and the Chinese Wall, 1993, S. 171 ff.; Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 359 ff.; Hoffmann, Rechtliche Schranken interner Informationsflüsse in Kreditinstituten, 1998, S. 141 ff. 56 Vgl. Assmann/U. H. Schneider/Mülbert/Koller, WpHG, § 80 Rn. 35; noch zu § 33 Nr. 2 WpHG a.F. Hoffmann, Rechtliche Schranken interner Informationsflüsse in Kreditinstituten, 1998, S. 149. 57 Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. L 87 vom 31.3.2017, S. 1 ff.

A. Allgemeine Grenzen der Wissenszurechnung

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tigen könnte (lit. e)). Darüber hinaus konkretisiert auch die MaComp58 die Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen zur Erfassung und Überwachung der Weitergabe von compliancerelevanten Informationen, vgl. AT 6.2 Nr. 3 lit. a). Insofern werden informationelle Trennlinien innerhalb eines Unternehmens geschaffen, die gerade die Informationsweitergabe zwischen unterschiedlichen Geschäftsbereichen verhindern sollen. Es liegt somit auf der Hand, dass die wertende Wissenszurechnung, die gerade auf einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation fußt und mithin nur unter der Voraussetzung der Möglichkeit zur Informationsweiterleitung diese Information zurechnen kann, durch solche informationellen Trennlinien beeinflusst wird.59 Hierbei ist zunächst zu bemerken, dass der Zweck der Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen – die Kommunikation zwischen den interessenkonfliktintensiven Abteilungen zu verhindern und dadurch Interessenkonflikte zu vermeiden – nur gefördert werden kann, wenn die Schaffung von Chinese Walls auch Auswirkungen auf die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Wissensorganisation zwischen den Vertraulichkeitsbereichen hat.60 Anderenfalls müsste das Unternehmen im eigenen Interesse und mit Blick auf die Wissenszurechnung gerade dafür Sorge tragen, diese Vertraulichkeitsbereiche zu durchbrechen und die Chinese Walls zum Zwecke der Wissensorganisation zu überwinden. Besteht eine Pflicht zur Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen, wie sie etwa im Wertpapierhandelsrecht aus dem Gebot des § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG, wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu vermeiden, hergeleitet wird,61 ist das Unternehmen zur Schaffung von organisationellen und technischen Vorkehrungen verpflichtet, um diese Vertraulichkeitsbereiche einzuhalten. Diese Pflicht steht damit im Widerspruch zur Obliegenheit zur Wissensorganisation bzw. zur Wissensweiterleitung, die gerade die Weitergabe von relevanten Informationen an verschiedene Stellen innerhalb der Organisation verlangt. Da jedoch im Rahmen der Wissensorganisation lediglich eine „ord-

58 Rundschreiben 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp, Geschäftszeichen: WA 31 – Wp 2002–2017/0011 vom 19.4.2018, geändert am 29.4.2020, im Folgenden MaComp. 59 Dieses Konfliktpotential erkennt auch Horn, ZBB 1997, 139 (146): „weiter klärungsbedürftige Frage“. 60 So zu recht Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 503. 61 Zur Pflicht zur Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen im WpHG vgl. Assmann/U. H. Schneider/Mülbert/Koller, WpHG, § 80 Rn. 35; Schwark/Zimmer/Fett, Kapitalmarktsrechts-Kommentar, § 80 WpHG Rn. 88 ff.; noch zu § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WpHG a.F. KölnKommWpHG/Meyer/Paetzel/Will, § 33 Rn. 174; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rn. 107.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

nungsgemäße“, mithin keine rechtlich unmögliche Wissensorganisation verlangt werden kann, muss diese Pflichtenkollision zu Gunsten der Einrichtungs- und Durchsetzungspflicht von Vertraulichkeitsbereichen aufgelöst werden, sodass die Pflicht zur Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen die Wissenszurechnung beschränkt.62 Diese Einschränkung muss sich auf alle Informationen beziehen, die von diesem Vertraulichkeitsbereich umfasst sind, mithin zuvorderst auf die Weitergabe von Insiderinformationen und darüber hinaus auf alle solchen Informationen, deren Kenntnis einen Interessenkonflikt zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und einem seiner Kunden oder zwischen den Kunden auslösen kann.63 Zugleich beschränkt sich die Begrenzung der Wissenszurechnung auf den Personenkreis, der von den Restriktionen der Chinese Walls umfasst ist, mithin alle untergeordneten Angestellten, großteils auch die leitenden Angestellten, nicht jedoch auf die Geschäftsführung.64 Eine Beschränkung der Wissenszurechnung durch den Einsatz von Chinese Walls besteht dabei insbesondere in Bezug auf Insiderinformationen:65 Aufgrund des Verbots zur unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen gem. Art. 14 lit. c) MAR besteht hier nicht nur eine der Wissensorganisation entgegenstehende Organisationspflicht des Unternehmens zur Schaffung organisatorischer und technischer Vorkehrungen zur Bewältigung von Interessenkonflikten, sondern darüber hinaus ebenso ein – straf-, verwaltungs- und zivilrechtlich sanktionierbares – Verbot der unbefugten Weitergabe.66 Dabei kann auch eine Weitergabe von Informationen über die Grenze von Vertraulichkeitsbereichen hinweg unrechtmäßig sein, sodass auch hier das Verbot des Art. 14 lit. c) MAR zum Tragen kommen kann.67 Wenn allerdings im Fall von erlaubten „Wall Crossings“, bei denen in bestimmten Konstellationen der Übertritt von Mitarbeitern von einem in

62 Im Ergebnis auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 507 f.; Hoffmann, Rechtliche Schranken interner Informationsflüsse in Kreditinstituten, 1998, S. 223; Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 387 f.; Hopt, FS Heinsius (1991), S. 289 (320 f.); Scharrenberg, in: Claussen/Schwark, Insiderrecht für Finanzanalysten, 1997, S. 107 (117). 63 Zum Umfang des Vertraulichkeitsbereichs vgl. Assmann/U. H. Schneider/Mülbert/Koller, WpHG, § 80 Rn. 35. 64 Zur personellen Erstreckung der Vertraulichkeitsbereiche vgl. Assmann/U. H. Schneider/Mülbert/Koller, WpHG, § 80 Rn. 41. 65 Vgl. hierzu bereits Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 504 ff., insb. S. 507; Ertel, Die Wissenszurechnung im deutschen und im anglo-amerikanischen Zivilrecht, 1998, S. 209 f. 66 Zu den Sanktionsmöglichkeiten bei einem Verstoß gegen Art. 14 WpHG vgl. Klöhn/Klöhn, MAR, Art. 14 Rn. 48 ff., 95 ff., 110 ff., 120 ff. 67 Vgl. auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Faust, BR-Hdb, § 109 Rn. 136 f., 141a; Klöhn/Klöhn, MAR, Art. 10 Rn. 93, 96, 124.

A. Allgemeine Grenzen der Wissenszurechnung

183

den anderen Vertraulichkeitsbereich zulässig ist,68 oder im Fall einer versehentlichen oder absichtlichen Missachtung eines Vertraulichkeitsbereichs eine bestimmte relevante Information außerhalb eines Vertraulichkeitsbereichs gelangt ist und somit die Wissensweitergabe entweder bereits explizit vorgesehen oder aber zwar rechtlich verboten, jedoch tatsächlich geschehen ist, spricht in diesen Fällen nichts gegen eine Zurechnung – zumindest in dem Maße, in dem bereits die Vertraulichkeit durchbrochen wurde.69 Besteht demgegenüber keine Pflicht zur Errichtung von Vertraulichkeitsbereichen durch die Schaffung von Chinese Walls, ist die Folge der Beschränkung der Wissenszurechnung fraglich. Wenn die Schaffung von Chinese Walls innerhalb des Unternehmens stets zur Folge hätte, dass die Wissenszurechnung an diesen „innerbetrieblichen Informationsmauern“ enden würde, hätte es letztlich das Unternehmen selbst in der Hand, die Wissenszurechnung nach Gusto zu beschränken. Insofern kann die nicht-pflichtgebundene Entscheidung, innerbetriebliche Vertraulichkeitsbereiche durch die Etablierung von Chinese Walls einzurichten, grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wissenszurechnung haben.70 Entspricht jedoch die Etablierung von Chinese Walls einer branchen- oder organisationstypischen Vorgehensweise in Bezug auf bestimmte Informationsflüsse, kann auch in diesen Fällen – insbesondere wenn die damit einhergehenden Informationsschranken offengelegt werden – unter dem Aspekt der Unzumutbarkeit der Wissensorganisation vereinzelt die Wissenszurechnung beschränkt sein.71 Dies gilt vor allem, da in den Fällen der Üblichkeit des Gebrauchs von Chinese Walls die Geschäftspartner der Unternehmen von einer solchen Nutzung ausgehen können bzw. müssen und somit keine besondere Notwendigkeit zum Verkehrsschutz besteht, der ansonsten gegen eine Beschränkung der Wissenszurechnung sprechen würde. Hiervon unberührt bleibt freilich, dass eine Wissensorganisation ohnehin bei dem Vorliegen entgegenstehender Verschwiegenheitspflichten (etwa gesellschaftsrechtliche oder auch tätigkeitsbezogene wie etwa bei einem Rechtsanwalt) regelmäßig rechtlich unmöglich ist, sodass schon aus diesen Gründen die Wissenszurechnung begrenzt werden muss.72

68

Zu erlaubten „Wall Crossings“ vgl. Assmann/U. H. Schneider/Mülbert/Koller, WpHG, § 80 Rn. 42; Schwark/Zimmer/Fett, Kapitalmarktsrechts-Kommentar, § 80 WpHG Rn. 95. 69 So auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 508; Hoffmann, Rechtliche Schranken interner Informationsflüsse in Kreditinstituten, 1998, S. 224. 70 Ähnlich auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 509. 71 So auch Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 388 f. 72 Zur Begrenzung der Wissenszurechnung durch Verschwiegenheitspflichten vgl. § 10 B.I.1., § 10 B.II.4., § 10 IV. 1.

184

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

IV. Technische Grenzen Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob auch technische Grenzen die wertende Wissenszurechnung beschränken können. Die schlichte Antwort ist, dass technische Rahmenbedingungen selbstverständlich auch die Möglichkeit oder die Zumutbarkeit der Wissensorganisation beeinflussen können und daher eine Beschränkung der Wissenszurechnung durch technische Grenzen natürlich möglich ist.73 In Bezug auf die Frage, wie diese Grenzen konkret aussehen und wann sie eintreten, muss allerdings einmal mehr zwischen der Möglichkeit und der Zumutbarkeit der Wissensorganisation differenziert werden: Die Möglichkeit der Wissensorganisation durch elektronische Speicher könnte insbesondere durch die Speichergröße und Rechenleistung begrenzt werden. Diese beiden Parameter stellen jedoch in heutiger Zeit zumeist keine ernst zu nehmende Restriktion mehr dar, da größere Speichermedien (Server, Rechenzentren etc.) und mehr Rechenleistung (in der Regel und in dem für die Wissensorganisation notwendigen Maß) keine Frage der technischen Realisierbarkeit mehr sind, sondern vor allem eine Frage der Kosten und somit eine Frage der Zumutbarkeit (dazu sogleich). Darüber hinaus könnte auch die Speicherdauer, die insbesondere bei elektronischen Datenspeichern (aber auch bei analogen, wie etwa Papier) endlich ist, die Wissensorganisation in zeitlicher Hinsicht begrenzen.74 Da dem Datenverlust durch Überschreitung der Lebensdauer der Speichermedien allerdings durch Aktualisierungen und Sicherungskopien vorgebeugt werden kann, stellt auch die Speicherdauer regelmäßig keine Grenze für die Möglichkeit der Wissensorganisation dar, sondern allenfalls für die Zumutbarkeit. In Bezug auf die technische Realisierbarkeit elektronischer Wissensspeicher, die die Frage der Möglichkeit einer solchen Wissensorganisation konkretisiert, muss somit festgestellt werden, dass sowohl die Möglichkeit besteht, elektronische Wissensspeicher einzurichten, die groß genug sind, um eine vollständige Wissensorganisation durchzuführen, als auch die Möglichkeit, alte (physische) Dokumente zu digitalisieren und durchsuchbar zu machen, sodass auch die in denen enthaltenen Informationen erfasst werden können. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, stetig Back-ups durchführen zu lassen, um so Datenverlust oder -beschädigung vorzubeugen und Sicherheitssysteme einzurichten, um vor Fremdgefährdungen zu schützen. Es besteht sogar die Möglichkeit, mithilfe von Big Data Analytics eine sog. „Smart Knowledge Organisation“ einzurichten.75 Dabei bezieht sich der 73

Vgl. hierzu bereits Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 449, passim. Vgl. hierzu bereits oben § 10 A.I. 75 Vgl. hierzu bereits Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 449, 551 f. 74

A. Allgemeine Grenzen der Wissenszurechnung

185

Begriff „Big Data (Analytics)“ nicht nur auf den Einsatz großer Datenmengen, sondern vielmehr auch auf die Analysemethoden und -werkzeuge zur Verarbeitung solcher großer Datenmengen.76 Die hierfür eingesetzten (semi-) autonomen Algorithmen sind in der Lage, sowohl in eigenen Datenbanken als auch unter Zuhilfenahme fremder, aber dennoch verfügbarer Datensätze Daten zu sammeln (sog. Data Mining), diese zu analysieren und zu strukturieren, sie zu speichern, zu erhalten und schlussendlich gezielt zur Verfügung zu stellen.77 Auch wenn es weiterhin nötig ist, in irgendeiner Weise Datensätze einzuspeisen (bzw. einspeisen zu lassen), tendieren durch den Einsatz dieser (semi-)autonomen Datenverarbeitungsalgorithmen, die selbst größte, manuell kaum handhabbare Datenmengen autonom organisieren, die Grenzen der technischen Realisierbarkeit einer elektronischen Wissensorganisation asymptotisch gegen null. Doch selbst wenn die technische Realisierbarkeit einer solch umfangreichen Wissensorganisation (etwa durch den Einsatz solcher „intelligenter“ Wissensorganisationswerkzeuge) möglich ist, schließt sich die Frage an, ob die Einrichtung, Unterhaltung und Überwachung einer solchen Wissensorganisation auch zumutbar ist. Die Frage nach der Zumutbarkeit einer solchen digitalen Wissensorganisation (bzw. einer solchen „Smart Knowledge Organisation“) lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern muss vielmehr mit Blick auf das jeweilige Unternehmen und den technischen Fortschritt im Allgemeinen untersucht werden.78 Insofern dürften die Anforderungen heute andere sein als in zehn Jahren; gleichzeitig werden die Ansprüche an eine mittelständische GmbH andere sein als die an eine DAX-notierte AG.79 Als Maßstab zur Entscheidung über den Umfang einer als angemessen anzusehenden Wissensorganisation und somit auch als Indikatoren zur Beantwortung der Frage nach der Notwendigkeit einer IT-gestützten Wissensorganisation bzw. der Zumutbarkeit der Nutzung einer solchen Organisation dienen dabei insbesondere Art und Umfang des Geschäftsbetriebs, die Größe und Ressortaufteilung der Organe und die Reportinghierarchie innerhalb des Unternehmens.80

76

Weber/Thouvenin/Wespi, Big Data und Datenschutz, 2014, S. 3 (3); Koch, ITRB 2015, 13 (13); Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 449, 551. 77 Vgl. enisa, Privacy by design in big data – an overview of privacy enhancing technologies in the era of big data analytics, 2015, S. 11 f.; Weber/Thouvenin/Wespi, Big Data und Datenschutz, 2014, S. 3 (3 f.); Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 449, 551 f. 78 Zur Frage der Zumutbarkeit „intelligenter“ Wissensorganisationswerkzeuge vgl. auch Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (553); dies., NJW 2018, 2153 (2154). 79 Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (553). 80 Buck-Heeb CCZ 2009, 18 (23); Gasteyer/Goldschmidt AG 2016, 116 (120); Spindler/ Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (553).

186

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Wenn nach diesen Parametern eine IT-gestützte Wissensorganisation erforderlich wird und diese auch eingerichtet wird – gleiches muss für „Smart Knowledge Organisations“ gelten –, muss auch in diesem Umfang die Wissenszurechnung stattfinden.81 Insbesondere besteht keine allgemeine Zurechnungsgrenze, wenn durch (vermeidbare) Systemfehler in der Wissensorganisation Informationen verloren gehen. Einer Zurechnungsgrenze bedarf es nur, wenn im zumutbaren Maße Schutzvorkehrungen gegen technische Fehler eingerichtet wurden, wobei jedoch auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die juristische Person gegen alle möglichen, noch so unwahrscheinlichen Eventualitäten Vorkehrungen treffen muss.82 Insofern gilt hier nichts anderes als im Rahmen einer „analogen“ Wissensorganisation: Wenn die Gesellschaft (bzw. die arbeitsteilige Organisation im Generellen) durch ihr mögliche und zumutbare Maßnahmen eine ordnungsgemäße Wissensorganisation gewährleistet und somit einer unbilligen Wissenszersplitterung bzw. einem unbilligen Datenverlust vorbeugt, erfüllt sie hierdurch ihre erweiterte Wissensverantwortung, sodass eine darüber hinausgehende Wissenszurechnung nicht gerechtfertigt ist.83 Doch selbst wenn mangels Zumutbarkeit keine Verpflichtung zur Implementierung eines IT-gestützten oder sogar „intelligenten“ Informationsmanagements besteht, ein solches jedoch trotzdem (überobligatorisch) genutzt wird – etwa um durch diese Informationskanäle abteilungsübergreifende Projekte organisieren zu können oder zum Zwecke einer möglichst umfassenden Reportingstruktur –, muss diese auch tatsächlich zum Zweck der Wissensorganisation genutzt werden.84 Insofern verbietet sich schon aus Treu und Glauben und mit Blick auf das Verbot rechtsmissbräuchlichen Handelns, dass ein bestimmtes Informationssystem zwar genutzt wird, die Vorteile daraus gezogen werden, etwaig nachteilhaftige Rechtsfolgen, die durch die Kenntniserlangung entstehen, jedoch nicht akzeptiert werden. Somit muss auch bei der überobligatorischen Implementierung eines IT-gestützten oder gar „intelligenten“ Informationsmanagements dieses zum Zwecke der Wissensorganisation genutzt werden.

81

Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2154). Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (323). 83 Vgl. zum Zweck der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung oben § 9 A.III.1. 84 Vgl. hierzu auch Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2154).

82

B. Zurechnung von Organwissen

187

B. Zurechnung von Organwissen Für die Zurechnung von Organwissen bzw. des Wissens von Organmitgliedern besteht eine besondere Notwendigkeit, die über das bereits dargelegte grundsätzliche Bedürfnis nach Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen hinausgeht. Organe machen juristische Personen erst handlungsfähig; dies gilt im Besonderen für das Exekutivorgan, jedoch teilweise ebenso für das Willensbildungsorgan und insbesondere im Rahmen von Zustimmungskompetenzen auch für überwachende Organe. Wenn die Organe für die juristische Person handeln müssen, um diese faktisch zu befähigen, am Rechtsverkehr teilzunehmen, ist es notwendig, ihr Wissen der juristischen Person zuzurechnen. Nichtsdestoweniger können sowohl rechtliche als auch tatsächliche Umstände eine Wissenszurechnung innerhalb der Organe zwischen ihren Mitgliedern oder auch zwischen den verschiedenen Organen unmöglich machen oder zumindest eine Wissenszurechnung unzumutbar erscheinen lassen. In diesen Fällen soll nach dem hier vorgestellten Zurechnungskonzept eine Wissenszurechnung – ebenso wie auch nach dem herrschenden „pflichtenbasierten“ Konzept – ausscheiden.85

I. Leitungsorgan Sowohl in einem einköpfigen Leitungsorgan als auch in einem mehrköpfigen Gremium besteht das Bedürfnis nach einer Wissenszurechnung: Auch, wenn dies für ein Ein-Personen-Organ sonderbar erscheinen mag, kann auch dort eine horizontale Wissenszurechnung notwendig werden, wie etwa in zeitlicher Hinsicht über die Amtszeit eines Organmitglieds hinweg zu künftigen Generationen. Neben einer Wissenszurechnung in zeitlicher Hinsicht besteht zumindest für mehrgliedrige Leitungsorgane zudem die Belastung durch eine Wissenszurechnung von einem Organmitglied auf das andere (wobei bei genauer Betrachtung das Wissen nicht dem anderen Organmitglied, sondern der juristischen Person zugerechnet wird, wobei sich diese die Kenntnis des wissenden Organmitglieds entgegenhalten lassen muss, auch wenn ein anderes, nichtwissendes Organmitglied gehandelt hat). Darüber hinaus kann das Wissen von Organmitgliedern auch auf nachgeordneten Hierarchieebenen relevant werden, sodass auch eine Notwendigkeit einer vertikalen Wissenszurechnung besteht. Dabei ist wiederum zu beachten, dass eine Wissenszurechnung weder bei einer rechtlich oder tatsächlich unmöglichen noch bei einer unzumutbaren Wissensspeicherung oder -abfrage stattfinden kann, sodass hier insbesondere nach den Grenzen der wertenden Wissenszurechnung zu fragen ist. 85

Vgl. zur Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung oben § 9 A.III.

188

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

1. Unmöglichkeit der Wissensorganisation durch die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht unter besonderer Berücksichtigung von Doppelmandaten Neben der tatsächlichen Unmöglichkeit als Grenze der Wissenszurechnung, die bereits oben Gegenstand der Untersuchung war,86 ist auch die rechtliche Unmöglichkeit der Wissensspeicherung oder -weitergabe zu berücksichtigen, die vor allem im Rahmen von Pflichtenkollisionen relevant wird. Besteht beispielsweise eine Pflicht zur Verschwiegenheit in Bezug auf bestimmte Informationen, entsteht eine solche Pflichtenkollision mit der Pflicht zur Wissensweitergabe im Kontext der Wissenszurechnung. Die entstehende Pflichtenkollision wird gelöst, indem in diesen Fällen die im gesellschaftsinternen Verhältnis geltende Pflicht zur Wissensweitergabe entfällt, sodass das Wissen um diese Informationen auch nicht zugerechnet werden kann.87 Immerhin kann nicht erwartet werden, dass unter Verstoß gegen rechtliche Vorgaben Informationen weitergeleitet und verwendet werden müssen.88 Innerhalb des Vorstands besteht jedoch grundsätzlich kein Verbot der Wissensweitergabe durch gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten. Zwar besteht diese Pflicht gegenüber Außenstehenden (auch innerhalb der Gesellschaft), die einzelnen Organmitglieder sind jedoch nicht einander zur Verschwiegenheit (über gesellschaftsinterne Sachverhalte) verpflichtet.89 Eine solche Verschwiegenheitspflicht würde nicht nur eine Zusammenarbeit innerhalb des Organs unmöglich machen, sondern vor allem das Prinzip der Gesamtverantwortung ad absurdum führen; vielmehr gebietet schon die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht einem Vorstandsmitglied, den übrigen Vorstandsmitgliedern sämtliche Angelegenheiten, die für die Gesellschaft – und insbesondere für die Tätigkeit der anderen Organmitglieder – relevant sind, den übrigen Organmitgliedern mitzuteilen. Wenn jedoch das Vorstandsmitglied gleichzeitig auch eine Tätigkeit in einer anderen Gesellschaft ausübt, wie etwa bei Doppelmandaten,90 entste-

86

Vgl. hierzu bereits § 10 A.I. und IV. Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 32); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 470 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 972; ders., ZHR 181 (2017), 311 (321); Verse, AG 2015, 413 (417 f.); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (810 f.); Sajnovits, WM 2016, 765 (771 f.); Thomale, AG 2016, 641 (649 f.). 88 So Verse, AG 2015, 413 (418). 89 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239 (246); BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – II ZB 4/96, BGHZ 135, 48 (56); v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht im Aktienrecht, 1972, S. 90 f.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 116, jeweils mwNachw. 90 Zur Zulässigkeit von Vorstandsdoppelmandaten vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105 (Rn. 14); monographisch Anders, Vorstandsdoppelmandate, 2006, 87

B. Zurechnung von Organwissen

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hen dennoch Verschwiegenheitspflichten.91 In diesen Fällen personeller Verflechtung obliegt dem Vorstandsmitglied in Bezug auf seine Tätigkeit in dem anderen Unternehmen eine Verschwiegenheitspflicht bezüglich dessen betrieblichen Informationen, die es aufgrund seiner dortigen Tätigkeit erlangt hat,92 sodass ihm die Wissensweitergabe an das in Rede stehende Unternehmen aufgrund der daraus resultierenden Pflichtenkollision rechtlich unmöglich ist. Folglich kann eine Wissenszurechnung von Informationen, die ein Vorstandsmitglied im Rahmen seiner Tätigkeit für ein anderes Unternehmen erlangt hat, nur zugerechnet werden, wenn keine entgegenstehende Verschwiegenheitspflicht besteht.93 Aber auch unter dieser Voraussetzung kommt eine Zurechnung nur in Betracht, wenn entweder das wissende Vorstandsmitglied selbst gehandelt hat (Rechtsgedanke der Zurechnung handlungsakzessorischen Wissens gem. § 166 Abs. 1 BGB) oder wenn unter den engen Voraussetzungen der Zurechnung privat (bzw. im Rahmen einer Tätigkeit außerhalb der juristischen Person) erlangter Kenntnis das Wissen oder die fahrlässige Unkenntnis zugerechnet werden können.94 Hieran anschließend stellt sich die Frage, ob das Wissen zugerechnet werden kann, wenn das wissende Vorstandsmitglied zwar tatsächlich (alleine) gehandelt hat, ihn jedoch trotzdem eine Verschwiegenheitspflicht belastet. Hierbei ist ohnehin schon fraglich, ob das Vorstandsmitglied das im Rahmen seiner Tätigkeit für ein anderes Unternehmen erlangte Wissen völlig unberücksichtigt lassen kann, da von einem verhaltenspsychologischen Standpunkt aus betrachtet kaum davon ausgegangen werden kann, das diese Informationen (bewusst oder unbewusst) nicht in die Entscheidungen mit einfließen.95 S. 82 ff.; Bank, NZG 2013, 801 (801 f.); KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 70; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rn. 219. 91 Zu den Erscheinungsformen personeller Verflechtungen in der Verwaltung wirtschaftlich selbstständiger juristischer Personen vgl. Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 465 ff.; vgl. auch Bank, NZG 2013, 801 (801). 92 Vgl. etwa § 93 Abs. 1 S. 3 AktG für Vorstandsdoppelmandate und § 116 S. 2 AktG für die gleichzeitige Tätigkeit in einem Aufsichtsrat. 93 MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 103; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 55; zur Wissenszurechnung bei Informationen von Doppelmandatsträgern bei entgegenstehenden Verschwiegenheitspflichten im Allgemeinen vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 32); Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 275 f.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 468 ff., insb. S. 477; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (242); Werner, ZHR 145 (1981), 252 (265); Schröter, Bankrechtstag 2002, S. 163 (168 f.); Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253 (1256); Buck-Heeb, WM 2008, 281 (285); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (321); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rn. 90, § 116 Rn. 194. 94 MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 103; zur Zurechnung privat erlangter Kenntnis vgl. unten § 10 A.II.2. 95 Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 476.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Neben der Frage, ob das Wissen mit einfließen kann, stellt sich diejenige, ob dieses Wissen auch einfließen muss bzw. ob insofern das Wissen zugerechnet wird. Wenn das wissende Organmitglied alleine handelt (etwa aufgrund einer entsprechenden Ressortverteilung), muss es allerdings nicht seine Pflicht zur Verschwiegenheit brechen; es offenbart keine Informationen, sondern nutzt sie bloß selber. Trotzdem scheint hier der Wissenszurechnung entgegenzustehen, dass in diesen Fällen die juristische Person nicht in der Lage ist, das Wissen und seine Weiterleitung zu beherrschen und so eine Wissensorganisation zu gewährleisten, da dem die Verschwiegenheitspflicht entgegensteht.96 Wenn man also die Möglichkeit zur Wissensorganisation als zwingende Voraussetzung für die Wissenszurechnung auch in diesen Fällen sieht, müsste daher eine Wissenszurechnung ausscheiden. Jedoch besteht bei handlungsakzessorischem Wissen nicht die Notwendigkeit, Wissen organisieren zu müssen, sodass es auch nicht darauf ankommen kann, ob die juristische Person das Wissen organisieren kann. Da das Organmitglied in diesem Fall auch nicht seine Verschwiegenheitspflicht brechen muss, spricht nichts dagegen, dass es bei seiner Tätigkeit sein Wissen auch einsetzen muss, sodass eine Zurechnung stattfindet.97 Hierfür streitet auch die Wertung des § 166 Abs. 1 BGB, der das Wissen des Vertreters zurechnet, gleichgültig, wie dieser es erlangt hat, wenn nicht sogar die Wissenszurechnung in diesem Fall des handlungsakzessorischen Wissens über § 166 Abs. 1 BGB (analog) hergeleitet wird.98 Wenn das wissende Organmitglied jedoch nicht alleine handelt, sondern im Falle einer Gesamtvertretung mit anderen gemeinsam, kann es sein Wissen aufgrund der Verschwiegenheitspflicht nicht mit den übrigen entscheidenden Organwaltern teilen, sodass in diesem Fall keine Wissensweiterleitungspflicht gegenüber den anderen Entscheidungsträgern besteht und infolgedessen auch das Wissen nicht zugerechnet werden kann. Zur rechtlichen Bewertung der Frage des Vorliegens einer Pflichtenkollisionen bei personellen Verflechtungen im Konzern und der daraus folgenden Frage der Wissenszurechnung in diesen Fällen vgl. unten.99

96

Zu diesem Gedanken vgl. Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (328 f.). So auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 476; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 194; Erman/Maier-Reimer/Finkenauer, BGB, § 166 Rn. 21. 98 So auch Erman/Maier-Reimer/Finkenauer, BGB, § 166 Rn. 21; zur Frage der Zurechenbarkeit von Organwissen über § 166 Abs. 1 BGB vgl. oben § 7 B., § 9 C.III. 99 Vgl. unten § 11 C.II.3. 97

B. Zurechnung von Organwissen

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2. Unmöglichkeit der Weitergabe von Insiderinformationen Auch das Verbot der Weitergabe von gesellschaftsinternen Insiderinformationen nach Art. 14 lit. c) MAR100 (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F.) kann die Wissensweitergabe innerhalb des Leitungsorgans nicht beschränken, da auch insofern keine Verschwiegenheitspflicht greift. Lediglich eine Weitergabe an Dritte ist von diesem Verbot erfasst.101 Über dieses am Wortlaut orientierte Argument hinaus spricht aber auch schon die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Organmitglieder untereinander und die sich daraus ergebene Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht und dem gleichzeitigen Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit gegen eine Erstreckung des Weiterleitungsverbotes innerhalb des Leitungsorgans. In Bezug auf Insiderinformationen aus anderen Unternehmen, die etwa durch eine dortige Tätigkeit erlangt wurden, muss freilich anderes gelten: Hinsichtlich dieser Informationen sind die übrigen Vorstandsmitglieder in Bezug auf das andere Unternehmen Dritte, sodass insofern das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen besteht. Aufgrund der daraus resultierenden Pflichtenkollision ist hier der wertenden Wissenszurechnung eine Grenze gesetzt. 3. Begrenzung der Wissensorganisation durch Vertretungsbefugnis und Zuständigkeitsaufteilung Im Rahmen der Wissenszurechnung innerhalb des Leitungsorgans ist zunächst zwischen dem Wissen des Gesamtorgans und demjenigen der Organmitglieder zu differenzieren. Sofern das Wissen dem Organ in Gänze bzw. all seinen Mitgliedern vorliegt, ist eine Zurechnung zu anderen Organmitgliedern obsolet. Und auch die Frage nach der Zurechenbarkeit des Wissens zur juristischen Person ist hier vergleichsweise einfach zu beantworten: Sofern alle vertretungsbefugten, an der betreffenden Entscheidung teilnehmenden Organmitglieder über das in Rede stehende Wissen verfügen (bzw. in fahrlässiger Weise nicht verfügen), ist der juristischen Person dieses Wissen (bzw. Wissenmüssen) zuzurechnen. Gleiches gilt auch, wenn zwar nicht alle Organmitglieder an der Entscheidung partizipieren, jedoch alle entscheidenden Mitglieder über das relevante Wissen verfügen.102 Im Fall handlungsakzessorischen Wissens ist die auf der ersten Stufe unbedingt ausgestaltete wertende Wissenszurechnung somit nicht einzuschränken. 100

Zur Frage der Wissenszurechnung im Kapitalmarktrecht, insb. im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht gem. Art. 17 MAR vgl. ausführlich Thomale, Der gespaltene Emittent, 2018, passim; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, passim. 101 Park/Hilgendorf/Kusche, Kapitalmarktstrafrecht, Art. 14 MAR Rn. 68. 102 Vgl. hierzu auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 86, die die Wissenszurechnung über § 31 BGB herleiten; vgl. auch Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (302), die die Wissenszurechnung jedoch über § 166 BGB konstruiert.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Anderes kann sich nur ergeben, wenn die Person des Handelnden und des Wissenden auseinanderfallen, mithin kein handlungsakzessorisches Wissen vorliegt. Sowohl bei der Gesamtvertretung als auch bei der Einzelvertretung kann hier das Wissen eines einzelnen Organmitglieds dem gesamten Organ zugerechnet werden, gleichgültig, ob es von der betreffenden Maßnahme Kenntnis hatte oder gar an ihr beteiligt war.103 Hierbei obliegt den Mitgliedern des Leitungsorgans eine Pflicht zur Organisation der gremieninternen Erfassung und Speicherung von Informationen sowie zur Sicherung dieser Informationen (etwa gegenüber IT-Risiken) und zur Weiterleitung und Abfrage dieser Informationen (sog. horizontale Wissensorganisationspflicht).104 Wenn insbesondere in großen Unternehmen die Geschäftsverteilung innerhalb des Leitungsorgans dahin gehend modifiziert wird, dass entgegen des Grundsatzes der Gesamtgeschäftsführung105 nicht mehr alle Organmitglieder gemeinschaftlich alle Geschäftsführungsmaßnahmen tätigen müssen, sondern durch eine Ressortaufteilung die anfallenden Geschäftsführungsaufgaben auf einzelne Organmitglieder verteilt werden, stellt sich die besondere Frage, ob hierdurch eine Segmentierung des Wissens möglich ist.106 Begründen ließe sich dies über die Wirkung der Ressortaufteilung, da durch eine solche Aufgabenübertragung an einzelne Vorstandsmitglieder oder -mitgliedergruppen das Prinzip der Gesamtverantwortung modifiziert wird: Während die Organmitglieder innerhalb ihres Geschäftsbereichs auch weiterhin in vollem Umfang verantwortlich sind, wandelt sich für die anderen Geschäftsbereiche ihre Gesamtverantwortung in eine Überwachungsverantwortlichkeit um.107 Diese Geschäftsverteilung soll nicht nur im Innen-, sondern auch im Außenverhältnis Wirkung entfalten, sodass – auch wenn dies keine Aufhebung der Haftung zur Folge hat – doch zumindest eine Haftungsbeschränkung damit einhergeht: In diesem Fall trägt jedes Organmitglied zwar die volle Verantwortung für sein eigenes Arbeitsgebiet, im Übrigen tritt haftungsrechtlich jedoch dahin gehend eine Entlastung ein, dass es nur noch für Überwachungs- und Kontrollfehler verantwortlich ist.108 103 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (323 f.); GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 42; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 86; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 125; Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 5. 104 Zur internen Pflicht zur Wissensorganisation vgl. bereits oben § 8 C.I.1; vgl. auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (323 f.); Buck-Heeb, CCZ 2009, 18 (23 f.); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (120). 105 Für die AG § 77 Abs. 1 S. 1 AktG; für die GmbH § 77 Abs. 1 S. 1 AktG analog, vgl. hierzu MünchHdbGmbH/Diekmann, § 44 Rn. 78. 106 So etwa Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (324), der dies jedoch gleichsam einschränkt. 107 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 (377 f.); Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, 2008, S. 13, 57 ff., 92 f.; Fleischer, NZG 2003, 449 (452); vgl. auch MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 22 Rn. 24 ff. 108 BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 (377 f.); vgl. auch Altmep-

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Mit Blick auf die Wertung der §§ 26 Abs. 2 BGB, 78 Abs. 2 S. 2 AktG, 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG zur Regelung der Einzelempfangszuständigkeit für Willenserklärungen (Passivvertretung) wird jedoch deutlich, dass dem Dritten im Rahmen der Zurechnung der Aufwand erspart werden soll, die konkrete Zuständigkeit im Organ zu ermitteln. Wenn dem Dritten durch die zwingenden Vorschriften zur Passivvertretung die Mühe der Aufklärung einer internen Geschäftsverteilung abgenommen werden soll, ist es nicht nachvollziehbar, warum das Risiko einer arbeitsteiligen Organisation in den Fällen reiner Kenntnisnahme alleine der Gegner tragen sollte.109 Nicht nur die Interessenlage zwischen demjenigen, der eine Willenserklärung abgibt, und demjenigen, der eine Tatsache mitteilt, ist vergleichbar, auch ist letzterer nicht weniger schutzbedürftig im Vergleich zum ersten.110 Zudem zeigt § 31 BGB, wonach deliktisches Verhalten der Organmitglieder ebenso ohne Rücksicht auf interne Zuständigkeiten zugerechnet wird, dass die Frage der Zurechnung von der Geschäftsverteilung unberührt bleiben soll.111 Insofern muss die Frage nach der Reichweite der Zurechnung von der Frage der (internen) Haftung der Organmitglieder für Organisationsmängel unterschieden werden. Schon aufgrund der Wirkrichtung sind diese beiden Fragen nicht vergleichbar: Die Zurechnung dient der Gewährleistung der Anwendbarkeit von Bezugsnormen im Hinblick auf die juristische Person,112 wohingegen die Haftung der Organmitglieder diese selbst betrifft. Diese unterschiedliche Wirkrichtung (juristische Person vs. Organmitglieder) trägt auch wertungsmäßig den differenzierten Umgang mit der Ressortaufteilung, da auf der einen Seite die juristische Person bezüglich der Zurechnung der für sie tätigen Organe weniger schutzbedürftig ist und auf der anderen Seite die Organhaftung nicht auf Maßnahmen ausgedehnt werden kann, auf deren Umsetzung das in dieser Hinsicht kompetenzlose Organmitglied keinen Einfluss hatte. Den Regeln der Leitungsorganzurechnung konsequent folgend kann somit eine Ressortaufteilung nicht per se zu einer rechtmäßigen Wissenssegmentierung und mithin auch nicht zu einer generellen Korrektur der Wissenszurechnung führen. Vielmehr besteht auch in diesem Fall die grundsätzliche

pen, ZIP 2016, 97 (102); MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 26 Rn. 10; zweideutig hingegen Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (324), der der „quasi-Außenwirkung einer im Prinzip nur intern wirkenden Geschäftsverteilung“ zweifelnd gegenübersteht. 109 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (324). 110 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (324); vgl. hierzu auch Scheuch, FS Brandner (1996), S. 121 (123) zu Personenhandelsgesellschaften. 111 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (324). 112 Hierzu ausführlich mit Blick auf rechtspolitisch-soziologische Erwägungen Oldenbourg, Wissenszurechnung, 1934, S. 40; Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 29; Bork, ZGR 1994, 237 (240); zum Zweck der Zurechnung vgl. bereits oben § 5 C.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Zurechnung des Wissens sämtlicher Mitglieder des Leitungsorgans fort, wenn keine anderen Gründe im Einzelfall gegen die Zurechnung sprechen. Insofern ist auch im Fall einer Ressortaufteilung eine gemeinsame Informationsverarbeitungs- und Informationsabfrageorganisation einzurichten, wobei zu beachten ist, dass innerhalb des Leitungsorgans eine Interorganwissensorganisation besonders leicht etabliert werden kann, da zum einen lediglich ein sehr begrenzter Personenkreis an diesem Informationssystem partizipieren muss und zum anderen aufgrund der dort fehlenden gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten bezüglich gesellschaftseigener Geschäftsinformationen die konkrete Wissensorganisation dahin gehend nicht beschränkt zu werden braucht. 4. Die Business Judgement Rule als Grundlage für die Begrenzung der Wissenszurechnung? Vergegenwärtigt man sich die Erwägungen, die für den Haftungsfreiraum der Business Judgement Rule sprechen, und vergleicht man diese mit den normativen Überlegungen zur wertenden Wissenszurechnung, liegt zumindest die Frage nach einer Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung durch die Business Judgement Rule beziehungsweise allgemeiner, die Frage nach dem Verhältnis dieser beiden Rechtsinstitute, nicht fern. Die Einräumung eines Haftungsfreiraums für unternehmerische Entscheidungen lässt sich aus verhaltenspsychologischer Sicht damit begründen, dass insbesondere bei (prognostischen) Entscheidungen unter Unsicherheiten, wie sie vor allem im unternehmerischen Bereich häufig sind, die Gefahr von Rückschaufehlern (hindsight bias) droht.113 Doch nicht nur bei der nachträglichen Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen, auch im Rahmen der Frage nach der Relevanz einer bestimmten Information und somit nach der Notwendigkeit der Informationsspeicherung im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation besteht die Gefahr, eine Situation im Nachhinein und unter Berücksichtigung deren Ausgangs anders zu beurteilen – mithin die Gefahr von Rückschaufehlern.114 Ein weiterer Aspekt zur Begründung einer Haftungserleichterung bei unternehmerischen Entscheidungen durch die Business Judgement Rule ist die Tatsache, dass diese Entscheidungen oftmals unter Zeitdruck getroffen wer113 Vgl. hierzu Fleischer, FS Wiedemann (2002), S. 827 (830 ff.); Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (4): hindsight bias als „psychologisches Gemeingut“; ders., ZIP 2014, 579 (580); Hellwig, Finanzmarktregulierung, 68. DJT 2010, Gutachten E, S. E 35: „In Nachhinein ist man klüger. Daraus folgt nicht unbedingt, dass man im Vorhinein die falschen Entscheidungen getroffen hat. Der Umstand, dass ein Risiko schlecht ausgeht, ist noch kein Beleg dafür, dass ein Risiko nicht hätte eingegangen werden dürfen.“; GroßKommAktG/Hopt/ Roth, § 93 Rn. 63. 114 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320 f.).

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den müssen, sodass eine „umfassende Entscheidungsvorbereitung schwierig oder gar unmöglich sein kann“.115 Dieser Zeitdruck kann jedoch genauso auf der Seite des Informationsabfragenden bestehen; auch dieser trifft mitunter Entscheidungen, die eine umfassende Entscheidungsvorbereitung nicht zulassen, sodass auch eine allumfassende Recherche in Wissensspeichern und das Abrufen aller potentiell relevanten Informationen nicht immer möglich ist. Insofern ähneln sich zumindest einzelne Aspekte der ratio legis der Business Judgement Rule im Hinblick auf diejenige der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung, wobei selbstredend keine absolute Übereinstimmung des normativen Fundaments besteht.116 Abseits der genannten Ähnlichkeiten bestehen immerhin auch große Unterschiede zwischen den beiden Rechtsinstituten: Zunächst sind die Bezugspunkte und Wirkrichtungen verschieden. Während die Business Judgement Rule die Haftung von Organpersonen im Innenverhältnis erleichtern soll,117 richtet sich die wertende Wissenszurechnung gegen die arbeitsteilige Organisation als solche (hier gegen die juristische Person) und wirkt im Außenverhältnis gegenüber Dritten. Insofern ist fraglich, ob die für das Innenverhältnis zwischen Organperson und juristischer Person konzipierte Business Judgement Rule auch auf das bei der Wissenszurechnung in Rede stehende Außenverhältnis zwischen juristischer Person und einem Dritten übertragen werden kann.118 Die Business Judgement Rule will eben nicht die juristische Person schützen, sondern vielmehr dem unternehmerisch handelnden Organ einen „sicheren Hafen“119 bieten. Nicht die juristische Person soll vor unternehmerischem Risiko geschützt werden, sondern das Organmitglied, das für die juristische Person diese Risiken eingeht,

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Begr. RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 12; vgl. auch Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 99: „Often managers must act now and learn later“. 116 Die Business Judgement Rule will etwa auch der Gefahr einer Erfolgshaftung vorbeugen und Anreize für defensives, risikoaverses Verhalten von Unternehmensleitern verhindern; zu den verschiedenen Begründungsansätzen vgl. Begr. RegE UMAG, BTDrs. 15/5092, S. 11 f.; Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 14 ff.; Fleischer, FS Wiedemann (2002), S. 827 (829 ff.); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 63; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253) – ARAG/Garmenbeck; zum teleologischen Fundament der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung vgl. oben § 9 D.III. 117 Für den AG-Vorstand § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, für den AG-Aufsichtsrat § 116 S. 1 iVm. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG; für den GmbH-Geschäftsführer § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog, vgl. hierzu anstatt aller MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 66 mwNachw.; für andere Formen unternehmerischer Betätigung ausdrücklich: Begr. RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 12. 118 Diese Frage aufwerfend Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320 f.). 119 Begr. RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

da ein risikoaverses Verhalten dieser Entscheidungsträger zum einen zu negativen Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft führen würde und zum anderen wohl auch kaum im Interesse der Aktionäre läge, die in der Regel zumindest die Eingehung vernünftiger Risiken zur Steigerung ihrer Rendite billigen.120 Das Organmitglied soll keiner Erfolgshaftung unterliegen,121 hingegen soll nicht die juristische Person von dem Risiko unternehmerischen Handelns auf Kosten ihrer Schuldner befreit werden. Darüber hinaus unterscheiden sich auch die beiden angesprochenen Rechtsinstitute fundamental: Die Business Judgement Rule entstammt als Haftungserleichterung dem Haftungsrecht, die wertende Wissenszurechnung ist jedoch ein Zurechnungskonzept. Ausgehend von dem Wortlaut der kodifizierten Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist demnach für die wertende Wissenszurechnung nicht einmal ersichtlich, worin die Pflichtverletzung liegen sollte, deren korrespondierende Haftung erleichtert werden soll. Zwar wird mitunter eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Wissensorganisation im Außenverhältnis zu Dritten befürwortet.122 Jedoch besteht, wie oben gezeigt,123 eine Pflicht zur Wissensorganisation nur im Innenverhältnis als Teil der Pflicht zur Unternehmensleitung,124 während im Außenverhältnis zu Dritten nur eine Obliegenheit zur Wissensorganisation angenommen werden kann.125

120 Vgl. hierzu Ruffner, ZSR NF 119 (2000), II. Halbband, 195 (213); Fleischer, ZIP 2004, 685 (685 f.); ders., FS Wiedemann (2002), S. 827 (830); Paefgen, AG 2004, 245 (247); Lohse, Unternehmerisches Ermessen, 2005, S. 37; aus dem US-amerikanischen Recht: Court of Chancery of Delaware, New Castle County, Urt. v. 19.7.1996, 683 A.2d. 1049 (1052) (Del. Ch. 1996) – Gagliardi v. TriFoods Int’l Inc.: „Shareholders don’t want (or shouldn’t rationally want) directors to be risk averse. Shareholders’ investment interests, across the full range of their diversifiable equity investments, will be maximized if corporate directors and managers assess risk and reward and accept for the corporation the highest risk adjusted returns available that are above the firm’s cost of capital.“; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253) – ARAG/Garmenbeck. 121 Paefgen, AG 2004, 245 (247); KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 13; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 63. 122 Für eine „echte“ Rechtspflicht ausdrücklich Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 50 (51); dem in der Begründung folgend BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37); ebenso Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (507); Hagen, DRiZ, 1997, 157 (160); RömmerCollmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 175. 123 Vgl. oben § 8 C.I. 124 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85 (Rn. 16); BGH, Urt. v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (62); Naumann/Siegel, ZHR 181 (2017), 273 (276); Fleischer, ZIP 2003, 1 (5); Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buck-Heeb, Corporate Compliance, § 2 Rn. 52; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 153; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 126. 125 So auch OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2009 – 31 U 15/04, BeckRS 2010, 10780 (juris Rn. 59); Broemel, RW 2013, 62 (76 ff.); vgl. auch KölnKommWpHG/Hirte, § 21 Rn. 175;

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Aber selbst wenn die Business Judgement Rule als Haftungserleichterung aufgrund der Verschiedenheit zu einem Wissenszurechnungsmodell keine taugliche Begrenzung für die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person darstellen kann, können immerhin aus den Überlegungen zur ratio legis der Business Judgement Rule in Bezug auf die wertende Wissenszurechnung Maßstäbe für deren Begrenzung definiert werden: Dies gilt zunächst für die drohende Gefahr von Rückschaufehlern, der innerhalb der wertenden Wissenszurechnung dadurch begegnet wird, dass für die Beantwortung der Frage nach der Ordnungsmäßigkeit der Wissensorganisation eine Ex-ante-Perspektive einzunehmen ist.126 Doch auch darüber hinaus lässt sich fragen, ob sich die Wertungen der Business Judgement Rule ebenso für die Konturierung der Ordnungsmäßigkeit der Wissensorganisation fruchtbar machen lassen. Insbesondere der Prozess des Informationsabrufens innerhalb der Wissensorganisation weißt Parallelen zum situativen Kontext der Business Judgement Rule auf: Nicht nur unternehmerische Entscheidungen müssen oftmals unter Zeitdruck und ohne ausreichende Gelegenheit für eine umfassende Entscheidungsvorbereitung getroffen werden, auch im Rahmen der Informationsabfrage kann es zu Situationen kommen, in denen die Abfrage nur unter Zeitnot stattfinden kann. Diese Fälle lassen sich sogar kombinieren, wenn eine unternehmerische Entscheidung unter Zeitnot getroffen werden muss und deshalb die Informationsabfrage nicht vollumfänglich durchgeführt werden kann. In diesen Fällen, in denen die Informationsabfrage unter Zeitnot erfolgt, stellt sich daher die Frage, ob die Wertung der Business Judgement Rule, dass nur eine angemessene und keine allumfassende Informationsgrundlage bestehen muss, auch auf die Wissenszurechnung übertragen werden kann. Dabei steht zu bedenken, dass hierdurch nicht die Organperson, sondern die juristische Person privilegiert werden würde – ein Umstand, der von der Business Judgement Rule nicht vorgesehen ist. Wie oben gezeigt, soll die Haftungserleichterung eben nicht die juristische Person, sondern nur die Organperson treffen, sodass auf den ersten Blick die Übertragbarkeit problematisch erscheint. Nichtsdestoweniger steht die wertende Wissenszurechnung – anders als noch unter Geltung der Theorie der absoluten Wissenszurechnung127 – unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit.128 Innerhalb dieses Zumutbarkeitskriteriwohl auch Buck-Heeb, die von einer „nicht im Rechtssinne zu verstehenden ,Pflicht‘“ spricht, Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buck-Heeb, Corporate Compliance, § 2 Rn. 23. 126 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320); GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 41. 127 Vgl. hierzu oben § 8 A., insb. § 8 Fn. 4. 128 Vgl. hierzu Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (550 f.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (320 f.); sowohl durch die Bezugnahme auf die Ordnungsmäßigkeit der

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

ums ist zwangsläufig zu berücksichtigen, ob die handelnden Organpersonen mit angemessenem Aufwand eine gewisse Information hätten erlangen können, sodass innerhalb der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung auch die Angemessenheit des Informationsbeschaffungs- bzw. Informationsabfrageprozesses zu beachten ist. Anders gewendet wäre es schlicht nicht vorstellbar, würde dem Handelnden durch den Rekurs auf die Ordnungsmäßigkeit der Wissensorganisation auferlegt werden, sämtliche Erkenntnisquellen auszuschöpfen und diese auf potentiell relevante Informationen zu durchsuchen.129 Eine juristische Person, die ihre Entscheidungsträger zu einer derart weitreichenden Informationsabfrage anhalten würde (bzw. müsste, um die Wissenszurechnung wirksam zu begrenzen), wäre nahezu handlungsunfähig. Innerhalb der Frage der Angemessenheit sind insbesondere die Kosten und Nutzen der Informationsermittlung bzw. die Grenzkosten und -nutzen jeder weiteren Informationsermittlung abzuwägen.130 Selbst wenn die Wissenszurechnung somit nicht durch die Business Judgement Rule begrenzt werden kann, findet eine Begrenzung der Wissenszurechnung auf ein zumutbares Maß der Wissensorganisation dennoch statt, sodass auch im Rahmen der Informationsabfrage keine allumfassende, sondern bloß eine angemessene Informationsgrundlage zu verlangen ist. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Angemessenheit der Informationsgrundlage auf Seiten des Informationsabfragenden unter dem Gesichtspunkt der fortschreitenden Digitalisierung und der zunehmenden Bedeutung (semi-)autonomer Algorithmen zur Sichtung, Organisation und Gewichtung großer Datenmengen (Big Data) neu zu bewerten ist.131 Wenn durch den Einsatz dieser Algorithmen auch die Auswertung großer Informationsmengen (semi-)autonom möglich ist, verschieben sich die technischen Grenzen der Zumutbarkeit asymptotisch gegen null; die Wissenszurechnung wird in diesem Fall – neben der Frage nach der Zumutbarkeit einer solchen hochtechnisierten Wissensorganisation – nur noch durch Speicherkapazitäten und die Verfügbarkeit dieser Algorithmen begrenzt.132

organisationsinternen Kommunikation als auch auf den Topos des „typischerweise aktenmäßig festgehaltenen Wissens“ wird die Wissenszurechnung auf ein zumutbares Maß beschränkt, vgl. hierzu BGH, Urt. v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359 (360); Bohrer, DNotZ 1991, 124 (129); MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 52 ff. 129 Vgl. hierzu auch Peltzer, FS Hoffmann-Becking (2013), S. 861 (866). 130 Vgl. hierzu auch Fleischer, FS Wiedemann (2002), S. 827 (841). 131 Vgl. hierzu eingehend Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2153 ff.); dies., FS MarschBarner (2018), S. 549, passim. 132 Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2153).

B. Zurechnung von Organwissen

199

II. Überwachende Organe Im Gegensatz zur Diskussion um die Zurechnung von Wissen aus dem Geschäftsführungsorgan wurde die Frage nach der Wissenszurechnung bei überwachenden Organen (Aufsichtsrat) lange Zeit vergleichsweise stiefmütterlich behandelt.133 Nur am Rande werden Konstellationen untersucht, in denen ausnahmsweise ein anderes Organ als das Geschäftsführungsorgan Kenntnis erlangt und sich die Frage nach der Zurechnung stellt. Dies gilt neben dem Wissen der Gesellschafterversammlung (bzw. der Hauptversammlung)134 insbesondere für den Aufsichtsrat. In diesem Zusammenhang steht vor allem das den Fristenlauf des § 626 Abs. 2 S. 2 BGB auslösende Wissen um Tatsachen im Zentrum, die die fristlose Kündigung eines Vorstandsmitglieds bzw. Geschäftsführers aus wichtigem Grund rechtfertigen.135 Da die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber dem Vorstand gem. § 112 AktG dem Aufsichtsrat obliegt und dieser auch gem. § 84 AktG die Personalkompetenz über den Vorstand innehat, steht in diesen Fällen ausnahmsweise nicht das Wissen des originären Vertretungsorgans in Rede, sondern dasjenige des Aufsichtsrats. Gleiches gilt für die (quasi-)paritätisch mitbestimmte GmbH (nach dem MitbestG oder dem MontanMitbestG), in der dem Aufsichtsrat ebenso zwingend die Vertretung der Gesellschaft gegenüber der Geschäftsführung obliegt (§§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, 3 Abs. 2 MontanMitbestG iVm. § 112 AktG) und diesem darüber hinaus unabdingbar die Personalkompetenz zukommt (§§ 31 Abs. 1 MitbestG, 12 MontanMitbestG).136 Dies hat zur Folge, dass dort über die Zurechnungsfähigkeit des Wissens des Aufsichtsrats nachgedacht werden muss. Daneben wird das Wissen des Aufsichtsrats innerhalb seiner Zuständigkeit auch dann rechtserheblich, wenn er gem. § 112 AktG (iVm. §§ 52 Abs. 1 GmbHG, 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, 3 Abs. 2 MontanMitbestG) die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand bzw. dem Geschäftsführer vertritt, beispielsweise in Bezug auf den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 BGB bei Ansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern bzw. Geschäftsführern.

133

So auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 281. Vgl. hierzu unten § 10 B.III. 135 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 19.5.1980 – II ZR 169/79, NJW 1981, 166; BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NZG 2002, 46; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 283 ff.; Stein, ZGR 1999, 264, passim; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770 (774 f.). 136 Gleiches gilt, wenn die Satzung einer GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat oder einem solchen nach dem DrittelbG für die Personalkompetenz des Aufsichtsrats votiert, vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1997 – II ZR 278/95, WM 1997, 1015 (1015); Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 116 f.; Gach/Pfüller, GmbHR 1998, 64 (73). 134

200

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Die Frage nach der Wissenszurechnung im Aufsichtsrat drang erst in den letzten Jahren in den Fokus der allgemeinen Diskussion über die Wissenszurechnung im Unternehmen, wobei dies wohl auch mit der Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit zusammenhängen dürfte. Damit einher geht der Umstand, dass immer mehr Tatsachen dem Aufsichtsrat – auch außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs – bekannt werden. Für Aufsehen hat hier vor allem das juristische Nachspiel zu der versuchten Übernahme der Volkswagen AG durch die Porsche SE gesorgt, wobei es zu klären galt, ob das Wissen des damaligen Aufsichtsratsmitglieds der Porsche SE, Ferdinand Pie¨ch, der während des Übernahmeversuchs im Jahr 2008 gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG war, der Volkswagen AG zugerechnet werden kann.137 1. Die Wissenszurechnung vom Aufsichtsrat zur Gesellschaft Bei der Frage nach der Wissenszurechnung vom Aufsichtsrat zur Gesellschaft muss grundlegend zwischen dem Handeln innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Aufsichtsrats und demjenigen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs unterschieden werden. Obwohl dem Aufsichtsrat grundsätzlich nur gesellschaftsinterne Aufgaben, insbesondere Überwachungs- und Mitbestimmungsaufgaben, zukommen, obliegt ihm zuweilen auch die Vertretung der Gesellschaft. Dies gilt etwa gem. § 84 Abs. 1 AktG für die Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern und gem. § 112 AktG für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand.138 Auch in der GmbH ist der Aufsichtsrat aufgrund der Verweisung in § 52 Abs. 1 GmbHG (bzw. den entsprechenden Verweisungsnormen in den jeweiligen Mitbestimmungsgesetzen) auf § 112 AktG gegenüber den Geschäftsführern vertretungsberechtigt, wobei dieser Grundsatz im fakultativen Aufsichtsrat und dem Aufsichtsrat nach dem DrittelbG aufgrund seiner satzungsdispositiven Personalkompetenz dort oftmals eingeschränkt werden muss.139 In einer GmbH mit (quasi-)paritätischem Aufsichtsrat, der nach dem MitbestG oder dem MontanMitbestG gebildet wird, 137 OLG Celle, Urt. v. 24.8.2011 – 9 U 41/11, BeckRS 2011, 141384; vgl. hierzu Koch, ZIP 2015, 1757 (1757); neben der Frage der Wissenszurechnung aus dem Aufsichtsrat stand in diesem Fall zusätzliche die Frage der konzernweiten Wissenszurechnung im Raum, die an dieser Stelle noch ausgeklammert und an anderem Ort behandelt werden soll, vgl. hierzu unten § 11. 138 Vgl. hierzu Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 282; gleiches gilt auch für den Verwaltungsrat, vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 168/96, AG 1998, 35 (36); zu weiteren, in § 112 AktG nicht geregelten Vertretungsbefugnissen des Aufsichtsrats vgl. GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rn. 49 ff. 139 Vgl. hierzu MHLS/Giedinghagen, GmbHG, § 52 Rn. 277 ff.; MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 401.

B. Zurechnung von Organwissen

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steht die Personalkompetenz allerdings zwingend dem Aufsichtsrat zu, sodass dieser auch über die Bestellung und den Widerruf sowie die Anstellung und Kündigung von Geschäftsführern entscheidet, vgl. § 31 Abs. 1 MitbestG oder § 12 MontanMitbestG. Innerhalb des Zuständigkeitsbereichs im Rahmen einer eigenen Vertretungsberechtigung des Aufsichtsrats gegenüber der juristischen Person – etwa im Rahmen der §§ 84, 112 AktG – muss die Wissensfähigkeit der juristischen Person durch den Aufsichtsrat als vertretungsberechtigtes Organ hergestellt werden, um die Wissensfähigkeit der Gesellschaft auch diesbezüglich zu gewährleisten. Andernfalls würden Wissensnormen, wie etwa § 626 Abs. 2 S. 2 BGB bei der fristlosen Kündigung von Vorstandsmitgliedern aus wichtigem Grund, nicht zur Anwendung gelangen können und mithin die Wissensverantwortung der juristischen Person in diesen Fällen ausgehöhlt werden. Insofern bedarf es bei einer eigenen Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats auch der Wissenszurechnung gegenüber der juristischen Person.140 Anders ist die Frage der Wissenszurechnung jedoch zu bewerten, wenn das Wissen außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs erlangt wurde. Sofern der Aufsichtsrat bzw. seine Mitglieder Wissen erlangen, das außerhalb seines bzw. ihres Zuständigkeitsbereichs relevant wird, müsste es dem zuständigen Organ zugerechnet werden, das zu entsprechenden Maßnahmen berufen ist. In diesem Fall liegt jedoch keine Wissenszurechnung innerhalb des Aufsichtsrats vor, sondern eine Interorganzurechnung.141 2. Wissenszurechnung vom Aufsichtsratsmitglied zum Gesamtgremium142 Im Unterschied zur Wissenszurechnung innerhalb des Vorstands ist für den Aufsichtsrat bereits umstritten, ob das Wissen einzelner Aufsichtsratsmitglieder (bzw. im Besonderen des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters) genügen soll, um den Aufsichtsrat als wissend anzusehen und demzufolge die Rechtsfolge der Wissensnorm auszulösen. Mithin ist fraglich, ob eine Wissenszurechnung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds möglich sein soll oder ob nur das Wissen des Gesamtgremiums ausschlaggebend ist. Jedenfalls kann man nicht ohne Weiteres dem II. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 6.4.1964 folgen, wenn dort bloß aus der Möglichkeit der Zurechnung von Wissen eines einzelnen Vorstandsmitglieds auf die Zurechnungsfähigkeit des Wissens eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ge-

140 Koch, ZIP 2015, 1757 (1758 f.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (327); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rn. 87 ff.; MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rn. 27; Semler/v. Schenck/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, § 112 Rn. 67 f. 141 Vgl. zur Interorganzurechnung unten § 10 B.IV. 142 Zur Zurechnung der Kenntnis über Tatsachen, die einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 2 BGB darstellen vgl. im Besonderen unten § 10 B.II.3.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

schlossen wird.143 Im Rahmen der Wissenszurechnung einzelner Aufsichtsratsmitglieder kann nicht ohne Weiteres auf die Wissenszurechnung im Vorstand Bezug genommen werden, vielmehr sind hier die Besonderheiten des Aufsichtsrats ausreichend zu würdigen. Ebenso wenig kann aus dem 2008 durch das MoMiG144 eingeführten § 112 S. 2 AktG, der eine Einzelpassivvertretungsbefugnis der Aufsichtsratsmitglieder geschaffen hat, die Möglichkeit zur Zurechnung des Wissens eines Aufsichtsratsmitglieds zu den übrigen Organmitgliedern und darüber auch zur Gesellschaft geschlossen werden:145 Dieser Ansatz lässt außer Acht, dass die gesetzlichen Regeln zur Einzelpassivvertretung (auch § 112 S. 2 AktG) eine zwingende Einzelvertretung vorsehen, das herrschende Konzept zur Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person jedoch gerade keinen Automatismus, sondern eine wertende Betrachtung vorsieht. Zudem vermögen es die Fürsprecher dieses Ansatzes freilich auch nicht, die Argumente, die gegen die Begründung der Wissenszurechnung über die Vorschriften der Passivvertretung sprechen,146 zu entkräften. Insofern kann nicht von der Einzelvertretungsbefugnis im Rahmen der Passivvertretung auf die Möglichkeit der Zurechnung des Wissens einzelner Aufsichtsratsmitglieder geschlossen werden. Demgegenüber scheint gegen eine Wissenszurechnung innerhalb des Aufsichtsrats von dem wissenden Organmitglied zu den übrigen die Konzeption des Aufsichtsrats als Kollegialorgan zu sprechen.147 Im Unterschied zu den Mitgliedern des Vorstands nehmen die Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben primär innerhalb des Kollegiums wahr; die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats richten sich in erster Linie nicht an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder, sondern an den Aufsichtsrat als Kollegium.148 143

BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282 (287), zwar ohne Begründung, jedoch unter Verweis auf Entscheidungen, die allesamt die Wissenszurechnung im Vorstand oder in der Geschäftsführung betrafen. 144 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. I, S. 2026 ff. 145 So aber GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rn. 87; KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, § 112 Rn. 34; bereits vor der Neuregelung des § 112 S. 2 AktG durch eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften der Einzelpassivvertretung für den Aufsichtsrat Lüders, BB 1990, 790 (795); ebenso für die Bezugnahme auf die Vorschriften der Passivvertretung Wiesner, BB 1981, 1533 (1537), der jedoch (vor der Neuregelung des § 112 S. 2 AktG) keine Gesamtanalogie der Vorschriften zur Einzelpassivvertretung für den Aufsichtsrat annimmt und deshalb im Ergebnis gegen eine Wissenszurechnung von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern votiert. 146 Vgl. bereits oben § 9 C.VI.; in Bezug auf die Wissenszurechnung im Aufsichtsrat vgl. auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 288. 147 Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 287 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (327); Wiesner, BB 1981, 1533 (1537). 148 Wiesner, BB 1981, 1533 (1537).

B. Zurechnung von Organwissen

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Aus der Konzeption des Aufsichtsrats als Kollegialorgan und der Tatsache, dass die Aufgaben des Aufsichtsrats in der Regel innerhalb des Kollegiums (entweder innerhalb des Gesamtgremiums oder innerhalb eines Ausschusses) wahrgenommen werden, wird nun teilweise geschlussfolgert, dass deshalb eine Wissenszurechnung innerhalb des Aufsichtsrats – anders als etwa im Vorstand – generell nicht möglich sei.149 Doch auch wenn die Tätigkeit des Aufsichtsrats in der Regel eine Arbeit innerhalb des Kollegiums ist und auch wenn sich die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrat in der Regel an das Gesamtgremium richten und nicht an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder, sind diese Tatsachen für die Frage der Möglichkeit einer Wissenszurechnung nicht entscheidend. Wenn bereits die Tatsache, dass Entscheidungen innerhalb einer Personenmehrheit geschlossen werden müssen, gegen eine Wissenszurechnung einzelner Organmitglieder spräche, müsste konsequenterweise auch die Zurechnung des Wissens eines nur gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieds nicht möglich sein – hiergegen erhebt sich jedoch gleichwohl wenig Widerstand.150 Stattdessen ist auch im Rahmen der Zurechnung von dem Wissen einzelner Aufsichtsratsmitglieder im Ausgangspunkt unter Zugrundelegung der ersten Stufe der zweistufigen wertenden Wissenszurechnung davon auszugehen, dass auch solches Wissen zurechenbar ist.151 Von einer Wissenszurechnung ist nur abzusehen, wenn wissensnormabhängige oder wissensnormunabhängige Gründe in der konkreten Fallgruppe gegen eine Wissenszurechnung sprechen.152 An dieser Stelle soll hier wiederum ein besonderes Augenmerk auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Wissensorganisation als wissenszurechnungsbegrenzende Faktoren gelegt werden. Wenn nämlich die Gesellschaft keinen Einfluss auf die Organisation des rechtlich relevanten Wissens in der konkreten Fallgruppe (hier des Wissens von Aufsichtsratsmitgliedern innerhalb der Zuständigkeit des Aufsichtsrats) nehmen kann, kann ihr auch nicht die Kenntnis dieser Informationen zugerechnet werden. Insofern ist im Rahmen der Untersuchung der Möglichkeit einer Wissenszurechnung von einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied entscheidend, ob und wann mit einer Informationsweitergabe von dem wissenden Aufsichtsratsmitglied an die restlichen Aufsichtsratsmitglieder billigerweise gerechnet

149

Vgl. etwa Buck-Heeb, AG 2015, 801 (804); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (327); MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rn. 27. 150 Vgl. hierzu Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (307 ff.); GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 42; MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 99; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 55; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 23 Rn. 32. 151 Zur Begründung der grundsätzlichen Wissenszurechnung innerhalb von arbeitsteiligen Organisationen vgl. oben § 9 A.II. 152 Zur Einschränkung der grundsätzlichen Wissenszurechnung innerhalb von arbeitsteiligen Organisationen vgl. oben § 9 A.III.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

werden darf. Wenn es hingegen dem wissenden Aufsichtsratsmitglied unmöglich oder unzumutbar war, das Gesamtgremium in Kenntnis zu setzen, muss demgegenüber die Wissenszurechnung ausscheiden. Hierbei ist zunächst zu betonen, dass jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied aus der Treuepflicht bzw. aus der Pflicht zur kollegialen und vertrauensvollen Zusammenarbeit grundsätzlich innerhalb des Zuständigkeitsbereichs auch eine Pflicht zur Weitergabe der tätigkeitsbezogenen und unternehmensbezogenen Informationen hat, die ihm bekannt geworden sind (soweit ihm die Wissensweitergabe insbesondere durch Verschwiegenheitspflichten nicht rechtlich unmöglich ist).153 Fraglich ist allerdings, wann und wem gegenüber es zur Wissensweitergabe verpflichtet ist. In Bezug auf die zeitliche Dimension der Wissensweitergabe muss in entscheidendem Maße auf die in Rede stehende Tatsache abgestellt werden. Vor allem bei Informationen, die einer eingehenden Überprüfung oder Einarbeitung bedürfen oder besonders dringlich sind, ist es notwendig, dass die Informationsweitergabe nicht erst innerhalb der nächsten Aufsichtsratssitzung (oder Ausschusssitzung) erfolgt, sondern die Informationen schon vorab (z.B. postalisch oder elektronisch) zur Verfügung gestellt werden, sofern die Kenntnisnahme innerhalb der Sitzung nicht ausreichend wäre.154 Hier schließt sich die Frage an, ob das wissende Aufsichtsratsmitglied selbst die übrigen Aufsichtsratsmitglieder in Kenntnis setzen darf bzw. muss oder ob die Informationskette über den Aufsichtsratsvorsitzenden verläuft. Diese Frage wird allerdings nur virulent, wenn aufgrund der Dringlichkeit der Information die Informationsweitergabe ausnahmsweise schon vorab erfolgen muss und nicht erst innerhalb der nächsten Aufsichtsratssitzung, da innerhalb der Sitzung ohnehin ein Rederecht aller Mitglieder besteht und es hier zudem gekünstelt wäre, wenn das wissende Aufsichtsratsmitglied die

153 Buck-Heeb, AG 2015, 801 (809); Bürgers/Körber/Israel, AktG, § 111 Rn. 7; Semler/v. Schenck/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, § 116 Rn. 140 f.; Kalss/Kunz/Kalss, Handbuch für den Aufsichtsrat, Kap. 26 Rn. 119 (aus österreichischer Sicht); vgl. auch Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 892; Köstler/Müller/Sick, Aufsichtsratspraxis, 10. Aufl. 2013, Rn. 573; von einer solchen Pflicht zur Informationsweitergabe gehen auch jene Stimmen in Rechtsprechung und Literatur aus, die sich gegen die Wissenszurechnung im Aufsichtsrat aussprechen, da nach dieser Meinung trotzdem verlangt werden könne, dass das einzelne Aufsichtsratsmitglied sein Wissen in das Aufsichtsratsgremium einbringen und dem Aufsichtsrat damit die für die Beschlussfassung erforderliche Kenntnis vermitteln soll, wobei nach Treu und Glauben das Aufsichtsratsgremium ab demjenigen Zeitpunkt als wissend angesehen werden soll, zu dem der Aufsichtsrat in zumutbarer Weise hätte einberufen und in Kenntnis gesetzt werden können, vgl. hierzu BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 (92 f.); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 290 f. 154 Ähnlich auch Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 184.

B. Zurechnung von Organwissen

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Information erst dem Aufsichtsratsvorsitzenden gegenüber mitteilen würde, der dann wiederum gleich den übrigen Mitgliedern die eben erhaltene Information weitergeben würde. Aber auch außerhalb der Sitzung spricht für die direkte Wissensweitergabe vom wissenden Aufsichtsratsmitglied an das gesamte Gremium – vor allem vor dem Hintergrund der Dringlichkeit – die resultierende Zeitersparnis durch das Fehlen eines Intermediärs. Dagegen ist zwar einzuwenden, dass zumindest bei der Informationsübermittlung von dem Vorstand der Regelinformationsfluss über den Aufsichtsratsvorsitzenden verläuft.155 Allerdings ist dabei zu beachten, dass bei der Informationserlangung von dem Vorstand der Aufsichtsrat einem (gesellschaftsinternen) Außenstehenden gegenübersteht. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass der Aufsichtsratsvorsitzende als Repräsentant des Aufsichtsrats bei Informationen, die von außen an das Gremium herangetragen werden, als Intermediär fungiert; ihm kommt somit dort die Funktion einer „Clearing-Stelle“ für Aufsichtsratsinformationen von außen zu.156 Hier steht jedoch keine Informationsweiterleitung von Dritten (auch wenn diese eine gesellschaftsinterne Funktion wahrnehmen) in Rede (Interorganbeziehung), sondern eine Intraorganweiterleitung. Somit ist die Situation eher vergleichbar mit der Informationsweiterleitung eines Ausschusses an das Plenum. Dort ist indes anerkannt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende nicht selbst die Ausschussberichte vortragen muss (dies gilt vor allem für den Prüfungsausschuss, dem der Aufsichtsratsvorsitzende nicht angehören soll); vielmehr soll eine direkte Informationsübermittlung vom Aufsichtsratsausschuss an das Plenum (meist durch den Ausschussvorsitzenden) zulässig sein.157 Insofern ist für eine Informationsweitergabe innerhalb des Aufsichtsrats nicht zwangsläufig der Aufsichtsratsvorsitzende zuständig. Zwar könnte eingewendet werden, dass in einem solchen Fall der Ausschussvorsitzende ebenso eine repräsentierende Funktion gegenüber dem Plenum zukommt, sodass keine Vergleichbarkeit mit einem einzelnen wissenden Aufsichtsratsmitglied besteht. Jedoch kann aus der Möglichkeit, auch einzelne Aufsichtsratsmitglieder mit eigenen Aufgaben zu betrauen,158 denen dann auch die 155

Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 247 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 187; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 107 Rn. 110; Kalss/Kunz/Kalss, Handbuch für den Aufsichtsrat, Kap. 1 Rn. 83 (aus österreichischer Sicht). 156 Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 247; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 187; Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Seibt, Hdb. Corporate Governance, S. 403 f. 157 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 107 Rn. 471; MünchKommAktG/Habersack, § 107 Rn. 170; Semler/v. Schenck/Mutter, Der Aufsichtsrat, § 107 AktG Rn. 374; Kalss/ Kunz/Kalss, Handbuch für den Aufsichtsrat, Kap. 1 Rn. 122 (aus österreichischer Sicht). 158 Semler/v. Schenck/Mutter, Der Aufsichtsrat, § 107 Rn. 400 f.; MünchKommAktG/Habersack, § 107 Rn. 100; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rn. 157.

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

nötigen Informationspflichten gegenüber dem Plenum obliegen,159 gefolgert werden, dass jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied Informationspflichten gegenüber dem Plenum obliegen können. Somit obliegt jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied, das im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Aufsichtsrat relevante Informationen erlangt, eine Wissensweiterleitungspflicht, der entweder innerhalb der nächsten Aufsichtsratssitzung oder – sofern eine dringliche Information in Rede steht – auch im Vorfeld einer Sitzung nachgekommen werden muss. Insbesondere bei einer Wissensweitergabe innerhalb der Aufsichtsratssitzung kann das Aufsichtsratsmitglied seiner Pflicht nachkommen, indem es die Information selbst an alle anwesenden Aufsichtsratsmitglieder adressiert. Wenn das wissende Aufsichtsratsmitglied schon vorab die Information weitergeben muss (insbesondere, wenn eine hohe Dringlichkeit besteht und daher ein Umweg über den Aufsichtsratsvorsitzenden als Intermediär unzumutbar ist), hat es die Information in geeigneter Form (postalisch, per E-Mail etc.) sämtlichen Aufsichtsratsmitgliedern zur Verfügung zu stellen. Wenn dem einzelnen wissenden Aufsichtsratsmitglied mithin eine Pflicht zur Wissensweitergabe obliegt, kann ihm innerhalb dieser Pflicht die Wissensweitergabe nicht unzumutbar sein; vielmehr hat die Gesellschaft grundsätzlich einen Anspruch auf die Weitergabe gesellschaftsbezogener Informationen, die ein Aufsichtsratsmitglied erlangt hat. Darüber hinaus kommt den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern als Ausfluss aus dem Recht des Aufsichtsrats zur Selbstorganisation die Pflicht zum Hinwirken auf eine funktionelle Organisation zu,160 sodass eine Pflicht zur Wissensorganisation auch hierüber begründet werden kann. Gleichzeitig besteht innerhalb des Aufsichtsrats eine Pflicht der einzelnen Mitglieder, die ordnungsgemäße Pflichterfüllung der anderen Aufsichtsratsmitglieder zu kontrollieren und zu überwachen,161 sodass die ordnungsgemäße Wissensorganisation innerhalb des Aufsichtsrats auch kontrolliert und sichergestellt werden kann. Insofern ist eine Wissensorganisation innerhalb des Aufsichtsrats grundsätzlich möglich und zumutbar. Aufgrund dessen ist es jedoch nicht ersicht159

Zur Berichtspflicht des beauftragten Aufsichtsratsmitglieds vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 287; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 406; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 59. 160 Vgl. Habersack, ZSR 124 (2005) II, 533 (544 ff.); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 889; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 75; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 12. 161 Vgl. Dröge, Haftung für Gremienentscheidungen, 2008, 54 f.; Habersack, Karlsruher Forum 2009, 5 (25 ff.); GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 87; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 11; MünchKommAktG/Habersack, § 116 Rn. 34; zu den Mitteln zur Durchsetzung der pflichtgemäßen Arbeit des Aufsichtsrats durch das einzelne Aufsichtsratsmitglied vgl. Semler/v. Schenck/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, § 116 Rn. 131 ff.

B. Zurechnung von Organwissen

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lich, warum nicht auch im Aufsichtsrat das Wissen einzelner Mitglieder zurechenbar sein soll (sofern keine Gründe im Einzelfall gegen eine Wissenszurechnung sprechen, wie etwa die Verschwiegenheitspflicht162). Vielmehr ist in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen der wertenden Wissenszurechnung davon auszugehen, dass auch innerhalb des Aufsichtsrats eine Wissenszurechnung grundsätzlich möglich ist. 3. Der Sonderfall der Kenntnis vom wichtigen Grund im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB a) Möglichkeit der Wissenszurechnung Neben der wissensnormunabhängigen Begrenzung der Wissenszurechnung sind für die Bewertung der Grenzen der Wissenszurechnung auch wissensnormabhängige Faktoren entscheidend, sodass – selbst wenn die Wissenszurechnung innerhalb des Aufsichtsrats grundsätzlich möglich ist – in Bezug auf einzelne Wissensnormen etwas anderes gelten mag. Da das Wissen des Aufsichtsrats um einen zur fristlosen Kündigung eines Vorstandmitglieds bzw. Geschäftsführers berechtigenden wichtigen Grund die in der Praxis häufigste und gleichzeitig eine äußerst umstrittene Fallgruppe der Wissenszurechnung vom Aufsichtsrats ist,163 soll an dieser Stelle die Wissensnorm des § 626 Abs. 2 BGB im Besonderen untersucht werden, ob nicht hier wissensnormabhängige Gründe gegen die Zurechnung der Kenntnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder sprechen. Im Rahmen des § 626 Abs. 2 S. 2 BGB soll es auf das Wissen des Kündigungsberechtigten ankommen. Kündigungsberechtigt ist jedoch weder ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied (auch nicht der Aufsichtsratsvorsitzende) noch die Gesamtheit aller Aufsichtsratsmitglieder. Die Kompetenz zur Kündigung eines Vorstandsmitglieds bzw. Geschäftsführers liegt vielmehr bei dem Aufsichtsrat als Kollektivorgan innerhalb einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung (oder im Rahmen einer schriftlichen, fernmündlichen oder anderen vergleichbaren Form der Beschlussfassung ohne Sitzung nach § 108 Abs. 4 AktG) bzw. bei einem vom Aufsichtsrat hierzu eingesetzten Ausschuss.164 Hierbei ist neben der Bezugnahme auf das Gesamtgremium als

162

Zur Begrenzung der Wissenszurechnung von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Verschwiegenheitspflicht vgl. unten § 10 B.II.4. 163 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 19.5.1980 – II ZR 169/79, NJW 1981, 166; BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NZG 2002, 46; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 283 ff.; Stein, ZGR 1999, 264, passim; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770 (774 f.); Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 159 ff.; Scholz/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 521. 164 BGH, Urt. v. 19.5.1980 – II ZR 169/79, NJW 1981, 166 (166); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 290; MünchKommAktG/Spindler, § 84 Rn. 175; Spindler/ Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 146; zur Kündigungsbefugnis eines Aufsichtsratsausschus-

208

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Entscheidungsträger auch bedeutend, dass dieser grundsätzlich innerhalb einer Sitzung zusammengetreten sein muss, um über die Kündigung beraten und Beschluss fassen zu können. Gem. § 626 Abs. 2. S. 2 BGB muss ebendieser Kündigungsberechtigte Kenntnis von dem eine fristlose Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grund haben. Zweck der zweiwöchigen Frist ist neben dem Schutz des potentiell zu kündigenden Dienstverpflichteten auch, dass der Kündigungsberechtigte ausreichend Zeit zur Beratung und Beschlussfassung haben soll.165 Wenn nun aber bereits das Wissen einzelner Aufsichtsratsmitglieder ausreichen würde, um im Wege der Zurechnung das gesamte Gremium als wissend zu behandeln, würde die Beratungsfunktion der Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB konterkariert werden.166 Somit kann das Wissen einzelner Aufsichtsratsmitglieder nicht genügen (auch nicht im Wege der Zurechnung), um die Kündigungsfrist iSd. § 626 Abs. 2 BGB in Gang zu setzen; vielmehr ist auf die Kenntnis des Aufsichtsrats (bzw. des Ausschusses) als Gremium abzustellen.167 Allein die Kenntnis der Organmitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitwirkende an der kollektiven Entscheidungsfindung kann für das Wissen des Aufsichtsrats und somit für den Beginn der Frist maßgeblich sein.168 b) Treuwidrigkeit der Berufung auf das Nichtwissen des Aufsichtsrats Es muss jedoch zugegeben werden, dass die in diesem Kontext fehlende Zurechnungsmöglichkeit zu unbilligen Ergebnissen führen kann, etwa wenn ein Aufsichtsratsmitglied Kenntnis von rechtserheblichen Tatsachen erhält, die zu einer fristlosen Kündigung eines Vorstandsmitglieds bzw. Geschäftsführers berechtigen, es diese Tatsachenkenntnis jedoch nicht an die übrigen Aufsichtsratsmitglieder weitergibt und somit die Drohkulisse der außerordentlichen Kündigung potentiell beliebig lange über dem betroffenen Mitglied des Leitungsorgan schweben kann. Zwar kann in diesen Fällen wie eben gezeigt keine Wissenszurechnung von einem Organmitglied zu den übrigen erfolgen. Allerdings spricht vieles dafür, dass der Gesellschaft im Rahmen

ses vgl. BGH, Urt. v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190 (192 f.); GroßKommAktG/Kort, § 84 Rn. 534; MünchKommAktG/Spindler, § 84 Rn. 175, beide jeweils mwNachw. 165 Vgl. hierzu Stein, ZGR 1999, 264 (271); MünchKommGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 432. 166 So auch Stein, ZGR 1999, 264 (271). 167 BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NZG 2002, 46 (47 f.); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 290; Stein, ZGR 1999, 264 (286); MünchKommAktG/Spindler, § 84 Rn. 175; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 159; vgl. auch BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, NZG 1998, 634 (634 f.) für die GmbH-Gesellschafterversammlung. 168 Vgl. Stein, ZGR 1999, 264 (269) für die GmbH-Gesellschafterversammlung; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770 (774); Scholz/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 521.

B. Zurechnung von Organwissen

209

einer dadurch drohenden „Verschleppung“ der Inkenntnissetzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben versagt werden sollte, sich auf die Unkenntnis des Aufsichtsrats über den wichtigen Grund zu berufen, wodurch zumindest ein ähnliches Ergebnis im Vergleich zur Wissenszurechnung erzielt werden kann.169 Dabei ist entscheidend, dass das einzelne wissende Aufsichtsratsmitglied wie oben gezeigt grundsätzlich eine Pflicht zur Wissensweitergabe hat (sofern keine anderen Gründe wie beispielsweise Verschwiegenheitspflichten zu einer Pflichtenkollision führen),170 sodass die Gesellschaft auch Einfluss auf die Wissensweitergabe nehmen kann. Wenn sie hiervon jedoch keinen Gebrauch macht und in der Folge das Wissen eines Aufsichtsratsmitglieds nicht in angemessener Weise und Frist in das Gesamtgremium hereingetragen wird, wäre es treuwidrig, wenn sich die Gesellschaft, die selbst auf die Wissensweitergabe hätte Einfluss nehmen können, auf das Nichtwissen des zuständigen Gremiums berufen würde. Insofern muss ihr in diesen Fällen, in denen die Kündigungsfrist derart „verschleppt“ wird, die Berufung auf das Nichtwissen des zuständigen Gremiums versagt sein.171 4. Unmöglichkeit der Wissensorganisation durch die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht Ebenso wie auch im Rahmen der Wissenszurechnung innerhalb des Vorstands kann auch das Wissen von Aufsichtsratsmitgliedern nicht zugerechnet werden, wenn der Wissensorganisation die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht. Zwar ergibt sich aus der Treuepflicht grundsätzlich auch innerhalb des Aufsichtsrats der Grundsatz einer kollegialen und vertrauensvollen Zusammenarbeit,172 sodass auch hier in Bezug auf gesellschaftsinterne Informationen (Geheimnisse und vertrauliche Angaben der Gesellschaft) kein Raum für gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten besteht.173

169

OLG München, Urt. v. 14.3.2012 – 7 U 681/11, AG 2012, 753 (757); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 290 f.; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770 (774); Stein, ZGR 1999, 264 (287). 170 Vgl. ausführlich oben § 10 B.II.2. 171 Ähnlich auch Grumann/Gillmann, DB 2003, 770 (774 f.); Stein, ZGR 1999, 264 (281, 286 f.). 172 Vgl. hierzu Buck-Heeb, AG 2015, 801 (809); Bürgers/Körber/Bürgers/Israel, AktG, § 111 Rn. 7. 173 OLG Hamburg, Urt. v. 25.5.1984 – 11 U 183/83, AG 1984, 248 (251); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 463; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986,. S. 264; Oetker, FS Hopt (2010), Band 1, S. 1091 (1093); Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 106; K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 116 Rn. 38.

210

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Jedoch dürfen Aufsichtsratsmitglieder – genauso wie Vorstandsmitglieder, hier allerdings durch die Konstruktion des Aufsichtsratsmandats als Nebenamt verstärkt – mehrere Aufsichtsratsmandate in unterschiedlichen Unternehmen gleichzeitig aufnehmen (innerhalb der Grenze des § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AktG), wie bereits die Normierung der zahlenmäßigen Begrenzung im Umkehrschluss beweist. Wenn jedoch ein Aufsichtsratsmitglied gleichzeitig in einem anderen Unternehmen (oder sogar mehreren anderen Unternehmen) tätig ist, besteht jeweils eine Verschwiegenheitspflicht bezüglich derjenigen Informationen, die es im Rahmen seiner Tätigkeit für das jeweilige Unternehmen erlangt, wie es sich etwa für die Arbeit als Aufsichtsratsmitglied aus § 116 S. 2 AktG und §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 3 AktG ergibt.174 In diesen Fällen steht die Informationsweitergabepflicht gegenüber dem potentiell wissensbelasteten Unternehmen der Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem anderen Unternehmen entgegen. Die hieraus resultierende Pflichtenkollision wird aufgelöst, indem hier keine Pflicht zur Wissensweitergabe entsteht und somit eine Wissenszurechnung ausscheiden muss.175 Insofern kommt eine Zurechnung des Wissens eines Aufsichtsratsmitglieds in Doppelorganschaft, das es im Rahmen seiner Tätigkeit für ein anderes Unternehmen erlangt hat, nur in Betracht, wenn keine entgegenstehende Verschwiegenheitspflicht besteht. Aber auch unter dieser Voraussetzung kann das Wissen nur zugerechnet werden, wenn der Wissende selbst gehandelt hat oder wenn unter Beachtung der Grundsätze der Zurechnung privat (außerhalb der Tätigkeit für die in Rede stehende juristische Person) erlangter Kenntnis das Wissen zugerechnet werden muss.176

III. Gesellschafter- und Hauptversammlung Während Situationen, in denen die Kenntnis des Leitungsorgans einer juristischen Person derjenigen zugerechnet werden muss, absolut üblich sind und auch die Wissenszurechnung vom Aufsichtsrat insbesondere im Zuge der 174 Vgl. hierzu Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (111); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, 122 f.; zur Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsratsmitglieds im Allgemeinen vgl. Oetker, FS Hopt (2010), Band 1, S. 1091, passim; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 462 ff. 175 BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 32); Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 275 f.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 477; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (242); Werner, ZHR 145 (1981), 252 (265); Schröter Bankrechtstag 2002, S. 163 (168 f.); Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253 (1256); Buck-Heeb, WM 2008, 281 (285); GroßKommAktG/Hopt/ Roth, § 112 Rn. 90, § 116 Rn. 194. 176 Zur Wissenszurechnung bei privat erlangter Kenntnis vgl. oben § 10 A.II.2.; vgl. hierzu auch MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 103; zur Frage nach der Wissenszurechnung bei Doppelmandatsträgern im Konzern vgl. unten § 11 C.II.3.

B. Zurechnung von Organwissen

211

Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand, wie etwa bei der Kündigung eines Vorstandsmitglieds und der Frage nach der Tatsachenkenntnis iSd. § 626 Abs. 2 S. 2 BGB, keine Seltenheit ist, muss in Bezug auf die Wissenszurechnung aus der Gesellschafter- oder Hauptversammlung zunächst die Frage gestellt werden, an welchen Stellen Gesellschafter bzw. Aktionäre rechtserhebliche Kenntnis erlangen können. Hierbei soll zunächst bloß die Wissenszurechnung innerhalb der Gesellschafter- oder Hauptversammlung und von dieser zur Gesellschaft im Zentrum stehen, der Frage nach der Zurechnung der Kenntnisse der Gesellschafter- oder Hauptversammlung zu anderen Organen (Interorganzurechnung) soll erst unten nachgegangen werden.177 Daraus folgt auch, dass hier insbesondere das Organwissen innerhalb von Vertretungssituationen im Fokus steht, wohingegen die Kenntnis eines unzuständigen Organmitglieds erst später ihm Rahmen der Interorganzurechnung betrachtet werden soll.178 1. Vertretungsbefugnis der Gesellschafter- oder Hauptversammlung Insofern ist zunächst zu fragen, in welchen Fällen der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung eine Vertretungskompetenz zukommt, wobei festgestellt werden muss, dass die Hauptversammlung der AG, selbst wenn ihr ein Zustimmungsrecht zukommt, keinerlei Vertretungskompetenzen besitzt.179 Demgegenüber kann jedoch der GmbH-Gesellschafterversammlung zumindest vereinzelt eine Vertretungskompetenz zukommen, auch wenn sie grundsätzlich als Innenorgan konzipiert ist und obwohl dem GmbH-Geschäftsführer in der GmbH im Allgemeinen die Funktion des Vertretungsorgans zukommt. Ausnahmsweise verfügt jedoch zumindest die GmbH-Gesellschafterversammlung einer nicht mitbestimmten GmbH oder einer solchen mit einer Mitbestimmung nach dem DrittelbG über eine Vertretungskompetenz bei bestimmten körperschaftlichen Rechtsgeschäften: So hat die Gesellschafterversammlung einer GmbH ohne Aufsichtsrat nicht nur gem. § 46 Nr. 5 GmbHG die Kompetenz zur Bestimmung und Beschlussfassung über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern; vielmehr kann die Gesellschafterversammlung in diesen Fällen die Bestellung und Abberufung auch selbst vollziehen.180 Darüber hinaus kommt ihr auch

177

Vgl. unten § 10 B.IV. Vgl. unten § 10 B.IV. 2. 179 Dazu auch Buck-Heeb, AG 2015, 801 (808) wmNachw.; KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, § 101 Rn. 5. 180 Vgl. BGH, Urt. v. 22.9.1969 – II ZR 144/68, BGHZ 52, 316 (321); Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 80 ff.; UHL/Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 51 ff., 53; MHLS/Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 196 ff., 209; MünchKommGmbHG/Liebscher, § 46 Rn. 98 ff., 108. 178

212

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

aufgrund einer Annexkompetenz die Vertretungsbefugnis in Bezug auf die Anstellung und Kündigung von Geschäftsführern zu.181 Auch für eine GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat oder einem solchen nach DrittelbG182 ergibt sich die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern samt der Kompetenz zur Vornahme des Ausführungsgeschäfts (sofern keine abweichende Satzungsbestimmung vorliegt, die dem Aufsichtsrat die Personalkompetenz zuspricht)183 aufgrund der fehlenden Verweisung des § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 84 AktG aus § 46 Nr. 5 GmbHG, sodass auch für diese Gesellschaften nicht der Aufsichtsrat, sondern die Gesellschafterversammlung die Bestellungs- und Abberufungskompetenz für Geschäftsführer hat.184 Darüber hinaus verfügt die Gesellschafterversammlung solcher Gesellschaften trotz der Verweisung des § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 112 AktG aufgrund einer Annexkompetenz auch über die Vertretungsbefugnis in Bezug auf die Anstellung und Kündigung der Geschäftsführer, um einer Aufspaltung der Bestellungs- und Abberufungskompetenz einerseits von der Kompetenz zur Regelung der schuldrechtlichen Grundlagen andererseits zu vermeiden.185 Da somit der Gesellschafterversammlung einer nicht mitbestimmten GmbH oder einer solchen, die dem DrittelbG unterfällt, grundsätzlich die Kompetenz zur Kündigung von Geschäftsführern obliegt, wird zumindest für den Fall einer fristlosen Kündigung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB das Wissen dieses Gesellschaftsorgans in Bezug auf den Beginn der zweiwöchigen Kündigungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB rechtserheblich.186 181 Vgl. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 108 ff.; Gach/Pfüller, GmbHR 1998, 64 (64 f.); UHL/Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 61 ff.; MHLS/Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 246 ff.; MünchKommGmbHG/Liebscher, § 46 Rn. 124 ff. 182 Anders jedoch für eine GmbH, die dem MitbestG oder dem MontanMitbestG unterfällt, da hier dem Aufsichtsrat zwingend die Personalkompetenz zukommt, vgl. § 31 Abs. 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG. 183 Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1997 – II ZR 278/95, WM 1997, 1015 (1015); Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 116 f.; Gach/Pfüller, GmbHR 1998, 64 (73); UHL/Hüffer/ Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 85 ff.; MHLS/Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 217, 325; MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 384; Scholz/U.H. Schneider/Seyfarth, GmbHG, § 52 Rn. 176. 184 Vgl. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 112 f.; Gach/Pfüller, GmbHR 1998, 64 (73); UHL/Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 104; MHLS/Giedinghagen, GmbHG, § 52 Rn. 266; MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 384. 185 Vgl. Lieder, NZG 2015, 569 (570 ff.); UHL/Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 104; UHL/Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 61; MHLS/Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 246; MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 385; in diese Richtung auch Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 113; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 169/90, GmbHR 1991, 363 (363). 186 Zu dieser Konstellation vgl. auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 294 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (331); Lüders, BB 1990, 790 (795).

B. Zurechnung von Organwissen

213

2. Die Wissenszurechnung von der Gesellschafterversammlung zu der Gesellschaft Wenn nun ausnahmsweise die Gesellschafterversammlung eine Vertretungskompetenz besitzt und ihr Wissen rechtserheblich wird, muss denknotwendig auch eine Wissenszurechnung von dem hier vertretungsberechtigten Organ zur Gesellschaft erfolgen, um die Gesellschaft auch in diesen Vertretungssituationen wissensfähig zu machen. Insofern gilt hier nichts anderes als in Bezug auf andere zur Vertretung berufenen Organe, namentlich dem Leitungsorgan und dem Aufsichtsrat (innerhalb ihrer jeweiligen Vertretungskompetenzen).187 3. Die Wissenszurechnung vom Gesellschafter zur Gesellschafterversammlung Ebenso wie bereits im Rahmen der Wissenszurechnung vom Aufsichtsratsmitglied zum Gesamtgremium wird auch die Frage nach einer Wissenszurechnung vom einzelnen Gesellschafter zur Gesellschafterversammlung häufig mit dem Argument verneint, dass die Gesellschafterversammlung ein Kollegialorgan sei.188 Jedoch ist ebenso wie für die Wissenszurechnung innerhalb des Aufsichtsrats auch bei der Gesellschafterversammlung nicht entscheidend, dass diese in der Regel ihre Aufgaben innerhalb des Kollegiums erledigt und dass sich die Rechte und Pflichten der Gesellschafterversammlung grundsätzlich an das Gesamtgremium richten und nicht an die einzelnen Gesellschafter. Vielmehr ist im Ausgangspunkt wiederum unter Zugrundelegung der ersten Stufe des hier vorgestellten zweistufigen allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts davon auszugehen, dass auch das Wissen einzelner Gesellschafter der Gesellschaft zurechenbar ist.189 Von einer Wissenszurechnung ist allerdings abzusehen, wenn wissensnormabhängige oder wissensnormunabhängige Gründe in concreto gegen eine Wissenszurechnung sprechen. An dieser Stelle soll dabei ein besonderes Augenmerk auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Wissensorganisation als wissenszurechnungsbegrenzenden Faktors gelegt werden. Wenn nämlich die Gesellschaft keinen Einfluss auf die Organisation des rechtlich relevanten Wissens in dem konkreten Fall (hier dem Wissen von Gesellschaftern innerhalb der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung) nehmen kann, kann ihr auch nicht die Kenntnis dieser Informationen zugerechnet werden. 187

Vgl. hierzu bereits oben für den Aufsichtsrat § 10 B.II.1.; implizit auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (331). 188 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 (92); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 296 f.; Stein, ZGR 1999, 264 (270 f.); MünchKommGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 432; UHL/Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 113; Scholz/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 521; Staudinger/Preis (2019), BGB, § 626 Rn. 304. 189 Zur Begründung vgl. oben § 9 A.II.

214

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Insofern ist im Rahmen der Untersuchung der Möglichkeit einer Wissenszurechnung von einem einzelnen Gesellschafter zu fragen, ob und wann mit einer Informationsweitergabe vom wissenden Gesellschafter an die Gesellschafterversammlung billigerweise gerechnet werden darf. Wenn es hingegen dem wissenden Gesellschafter (rechtlich oder tatsächlich) unmöglich oder unzumutbar ist, das Gesamtgremium in Kenntnis zu setzen, bzw. die Gesellschaft keine Einfluss- und Steuerungsmöglichkeit der Wissensorganisation hat, muss eine Wissenszurechnung ausscheiden.190 Dabei ist entscheidend, dass sich aus der Treue- und Loyalitätspflicht herleiten lässt, dass jeder einzelne Gesellschafter verpflichtet ist, gesellschaftsrelevante Tatsachen, die ihm bekannt werden, den übrigen Gesellschaftern weiterzuleiten, sofern ihm diese Wissensweiterleitung möglich und zumutbar ist und sofern die Informationen für die Mitgesellschafter zur sachgerechten Interessenwahrnehmung unverzichtbar sind.191 Diese Pflicht geht sogar so weit, dass eigene Absichten und Interessenkonflikte, deren Kenntnis für andere Gesellschafter wesentlich ist, offengelegt werden müssen.192 Mithin können auch die Gesellschafter verpflichtet sein, ihre erlangte Kenntnis an die übrigen Gesellschafter weiterzugeben, sodass ihnen die Wissensweitergabe insoweit nicht unzumutbar sein kann. Sofern keine anderen Gründe (wie etwa eine durch Verschwiegenheitspflichten entstehende Pflichtenkollision) gegen die Wissensweitergabe in concreto sprechen, kann die Gesellschaft das Wissen einzelner Gesellschafter organisieren. Daher muss im Grundsatz die Möglichkeit der Wissenszurechnung innerhalb der Gesellschafterversammlung von einem wissenden Gesellschafter zu den übrigen Gesellschaftern möglich sein. 4. Der Sonderfall der Kenntnis vom wichtigen Grund im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB Neben der wissensnormunabhängigen Begrenzung der Wissenszurechnung sind für die Bewertung der Grenzen der Wissenszurechnung auch wissensnormabhängige Faktoren relevant. Infolgedessen ist in Bezug auf das Wissen um einen zur fristlosen Kündigung eines Vorstandmitglieds bzw. Geschäftsführers berechtigenden wichtigen Grundes besonders zu fragen, ob in Bezug auf die Kenntnis iSd. § 626 Abs. 2 BGB wissensnormabhängige Gründe gegen eine Wissenszurechnung sprechen, die das oben festgestellte Ergebnis der

190

Vgl. hierzu bereits oben § 9 A.III.2. Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2006 – II ZR 166/05, NJW 2007, 917 (Rn. 9); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (332); MHLS/Lieder, GmbHG, § 13 Rn. 191; MünchKommGmbHG/ Merkt, § 13 Rn. 170; vgl. auch Wiedemann, FS Heinsius (1991), S. 949 (954). 192 Wiedemann, FS Heinsius (1991), S. 949 (954); MHLS/Lieder, GmbHG, § 13 Rn. 191; MünchKommGmbHG/Merkt, § 13 Rn. 170. 191

B. Zurechnung von Organwissen

215

grundsätzlichen Zurechenbarkeit des Wissens von Gesellschaftern umkehren.193 Dabei ist im Rahmen der Kenntnis iSd. § 626 Abs. 2 BGB wiederum ein besonderes Augenmerk auf den Begriff des Kündigungsberechtigten zu legen: Sofern der Gesellschafterversammlung die Kompetenz zur Kündigung von Geschäftsführern zukommt, sind weder einzelne Gesellschafter noch das Kollektiv aller Gesellschafter kündigungsberechtigt, sondern vielmehr die Gesellschafterversammlung.194 Nun könnte man zwar davon ausgehen, dass das Abstellen auf den Zusammentritt der Versammlung einem reinen Formalismus gleichkomme, jedoch ginge dies am Telos des § 626 Abs. 2 BGB vorbei: Diese Norm beruht auf dem Gedanken, dass der Kündigungsberechtigte aus seiner Kenntnis die nötigen Konsequenzen ziehen kann, hierzu sind die Gesellschafter, selbst wenn sie alle außerhalb der Gesellschafterversammlung Kenntnis erlangt haben, allerdings nicht ohne den Zusammentritt als Kollegialorgan in der Lage.195 Darüber hinaus hat das Zusammentreten des Gremiums nicht nur den Zweck der Unterrichtung der Gesellschafter, sondern vor allem auch der gemeinsamen Beratung.196 Diese Beratungsmöglichkeit wird jedoch ausgehöhlt, wenn die zweiwöchige Kündigungsfrist bereits ab der Kenntnis einzelner Gesellschafter oder selbst aller Gesellschafter außerhalb der Gesellschafterversammlung zu laufen beginnt. Insofern ist nicht die Kenntnis des wichtigen Grundes als solche entscheidend, sondern die Kenntnis der Organmitglieder in ihrer besonderen Eigenschaft als Mitwirkende an der kollektiven Willensbildung eines kollegialen Beratungs- und Beschlussorgans.197 Somit genügt es für die Kenntnis des Organs nicht, dass einzelne Gesellschafter oder selbst alle Gesellschafter außerhalb der Gesellschafterversammlung von einem gewissen Umstand Kenntnis erlangt haben, vielmehr bedarf es zudem des Zusammentritts der Gesellschafterversammlung.198 Wenn die Einberufung der Gesellschafterversammlung nach Kenntniserlan193

Vgl. zum Sonderfall der Kenntnis iSd. § 626 Abs. 2 BGB bereits oben § 10 B.II.3. BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR 234/91, NJW 1993, 463 (464); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 294; UHL/Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 113. 195 BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 (92); Stein, ZGR 1999, 264 (270). 196 Stein, ZGR 1999, 264 (271); MünchKommGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 432. 197 BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 (92); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 296; UHL/Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 113; Scholz/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 521. 198 So auch BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 (92); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 296 f.; Stein, ZGR 1999, 264 (270 f.); MünchKommGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 432; UHL/Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 113; Scholz/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 521; Staudinger/Preis (2019), BGB, § 626 Rn. 304. 194

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§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

gung jedoch treuwidrig hinausgezögert wird, um die Frist nicht in Gang zu setzen, kann sich die Gesellschaft auf diesen fehlenden Zusammentritt der Gesellschafterversammlung nicht berufen; gem. § 242 BGB gilt die Gesellschaft dann als wissend, wenn die Gesellschafterversammlung in zumutbarer Weise hätte zusammentreten können.199 Ebenso kann es treuwidrig sein, wenn sich die Gesellschaft auf die Unkenntnis iSd. § 626 Abs. 2 BGB der Gesellschafterversammlung beruft, obwohl einzelne Gesellschafter die Kenntnis von dem zur fristlosen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes hatten, diese jedoch nicht an das Gesamtgremium weitergegeben haben.200 Wie bereits oben dargestellt, können die Gesellschafter nämlich verpflichtet sein, ihr Wissen um das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der zur fristlosen Kündigung eines Geschäftsführers berechtigt, an die übrigen Gesellschafter weiterzugeben.201 Den Gesellschaftern ist die Wissensweitergabe über diese Informationen (soweit keine Verschwiegenheitspflichten oder andere gesetzliche Hinderungsgründe bestehen) somit nicht nur möglich und zumutbar, sie sind sogar zur Offenlegung verpflichtet, sodass die Gesellschaft eine Möglichkeit zur Wissensorganisation hat. Wenn sie diese Möglichkeit hingegen ungenutzt lässt, ist es nicht recht einzusehen, dass sich die Gesellschaft in diesen Fällen auf die Unkenntnis der Gesellschafterversammlung berufen kann. Insofern muss ihr in diesen Fällen die Berufung auf das Nichtwissen des zuständigen Gremiums versagt sein.202

IV. Interorganzurechnung Während die Zurechnung innerhalb eines Organs von einem wissenden Organmitglied zu dem Gesamtorgan (bzw. zu einem Organausschuss) in der Regel im Rahmen der eigenen Kompetenz des Organs relevant wird, ist für die Zurechnung von Wissen eines unzuständigen Organs vor allem die Interorganzurechnung entscheidend. In diesen Fällen erfährt beispielsweise ein Aufsichtsratsmitglied eine Tatsache, die für den Vorstand und seine Tätigkeit rechtserheblich sein kann, woran sich daran anknüpfend die Frage stellt, ob auch über die Organgrenzen hinweg Wissen zugerechnet werden kann und welche Beschränkungen dort bestehen.

199 BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 (92 f.); Stein, ZGR 1999, 264 (271 f.); Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247 (1251); UHL/Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 113; Scholz/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 522. 200 Ähnlich auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 298; vgl. auch BGH, Urt. v. 5.4.1990 – IX 16/89, NJW-RR 1990, 1330 (1332). 201 Vgl. hierzu bereits (für den Aufsichtsrat) oben § 10 B.II.3.a). 202 Vgl. hierzu bereits (für den Aufsichtsrat) oben § 10 B.II.3.b); ähnlich auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 298; Stein, ZGR 1999, 264 (276 ff.).

B. Zurechnung von Organwissen

217

Hierbei ist es zu kurz gesprungen, wenn behauptet wird, dass die organschaftliche Zergliederung und Kompetenzverteilung innerhalb einer Aktiengesellschaft in Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung bzw. in den Geschäftsführer, die Gesellschafterversammlung (und ggf. den Aufsichtsrat) innerhalb einer GmbH nicht den Zweck verfolge, eine arbeitsteilige Organisation zu schaffen bzw. eine stärkere Arbeitsteilung zu ermöglichen, sodass die Gesellschaft infolgedessen auch nicht das daraus entstehende Risiko einer Wissensaufspaltung veranlasst habe und hieraus eine allgemeine Grenze der Wissenszurechnung hergeleitet wird.203 Zwar ist es zutreffend, dass von Gesetzes wegen diese Kompetenzordnung vorgegeben wird (außer in Bezug auf den fakultativen Aufsichtsrat innerhalb einer nicht mitbestimmten GmbH), jedoch wurde bewusst eine gewisse Organisationsstruktur gewählt; die Gründer haben sich aktiv für die Schaffung einer AG oder einer GmbH entschieden, um daraus auch Vorteile ziehen zu können. Insofern erscheint das Argument, die Gesellschaft habe in diesem Fall die Wissensaufspaltung nicht veranlasst, nur auf den ersten Blick stichhaltig. Vielmehr ist auch im Rahmen der Interorganzurechnung auf die bekannten Kriterien zur Beschränkung der Wissenszurechnung zurückzugreifen, vor allem auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit zur Schaffung und Unterhaltung einer Interorganwissensorganisation. 1. Gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten Dabei ist auch hier zunächst zu beachten, dass die wertende Wissenszurechnung ausgeschlossen ist, wenn die Wissensorganisation in der konkreten Zurechnungskonstellation der juristischen Person (rechtlich oder tatsächlich) unmöglich oder unzumutbar ist. Rechtlich unmöglich ist die Wissensorganisation insbesondere, wenn eine Verschwiegenheitspflicht auf Seiten des Wissenden besteht, die ihm eine Informationsweitergabe verbietet. In diesen Fällen wird die entstehende Pflichtenkollision zwischen der grundsätzlichen Pflicht zur Informationsweitergabe und der konkreten Verschwiegenheitspflicht zugunsten der Verschwiegenheitspflicht aufgelöst, sodass in Bezug auf die davon betroffenen Informationen die Wissensweiterleitungspflicht entfällt; mit der Folge, dass hierdurch die Wissenszurechnung beschränkt wird.204 Im Zuge dessen ist zu fragen, in welchen Beziehungen Interorganverschwiegenheitspflichten bestehen, wobei hier zwischen den jeweiligen Organbeziehungen und den unterschiedlichen Gesellschaftsformen differenziert werden muss. 203

In diese Richtung aber Buck-Heeb, AG 2015, 801 (807). Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 32); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 462 ff.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 470 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (321); Sajnovits, WM 2016, 765 (771 f.). 204

218

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Innerhalb der AG bestehen bezüglich unternehmensbezogenen Tatsachen, genauso wie innerhalb des Vorstands und des Aufsichtsrats, grundsätzlich auch zwischen diesen beiden Organen keine Verschwiegenheitspflichten.205 Im Gegenteil: Nach Ansicht des BGH sind die „Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft […] dem Aufsichtsrat gegenüber zu unbedingter Offenheit verpflichtet“.206 Dies gilt auch für Tatsachen, die nicht unter die Berichtspflicht des § 90 AktG fallen.207 Zweck dieser weitreichenden Informationspflicht ist zunächst, dass das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat von „gegenseitigem Vertrauen“208 geprägt sein soll, was auch das Vertrauen der Vorstands- bzw. der Aufsichtsratsmitglieder auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht des jeweils anderen Organs einschließt. Zudem könnte der Aufsichtsrat ohne eine solche Offenheit seinen Aufgaben, die vor allem in der Überwachung und Kontrolle des Vorstands liegen, nur defizitär nachkommen.209 Nur ausnahmsweise, wenn nämlich einzelne Aufsichtsratsmitglieder gem. § 90 Abs. 3 S. 2 AktG einen Bericht verlangen und der Aufsichtsrat die betreffenden Informationen zur Ausübung seiner Kompetenzen offensichtlich nicht benötigt und darüber hinaus der Missbrauch dieser Informationen konkret zu befürchten ist, können Verschwiegenheitspflichten entstehen.210 Gleiches gilt für die Informationen des Aufsichtsrats, bezüglich derer ein Geheimhaltungsinteresse gegenüber dem Vorstand besteht, wie etwa im Zusammenhang mit Anstellungsbedingungen von Vorstandsmitgliedern oder der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen diese.211 Eine Verschwiegenheitspflicht des Vorstands besteht allerdings gegenüber den Aktionären, selbst wenn es sich dabei um Mehrheitsaktionäre handelt, soweit die Tatsachen nicht ein legitimes Informationsverlangen der Aktionäre oder der Hauptversammlung betreffen.212 Gleiches gilt für das Verhält-

205 Allg. M., anstatt aller: BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239 (246); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 463; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 292, § 116 Rn. 201. 206 BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239 (246). 207 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 116; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 292. 208 BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239 (246). 209 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 292, § 116 Rn. 237; MünchKommAktG/Habersack, § 116 Rn. 52; vgl. hierzu auch MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 146 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 167. 210 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 117; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 293. 211 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 238; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 58; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 106. 212 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 239; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 142.

B. Zurechnung von Organwissen

219

nis der Aufsichtsratsmitglieder zu Aktionären.213 Dieser Umstand ist aus dem Blickwinkel der Wissenszurechnung indes relativ unerheblich, da eine Wissenszurechnung zur Hauptversammlung aufgrund des vorgegebenen Kompetenzradius der Hauptversammlung (wenn überhaupt) nur in den seltensten Fällen relevant werden dürfte. In umgekehrter Richtung besteht jedoch durchaus die Möglichkeit, dass das Wissen einzelner Aktionäre für die Tätigkeit des Vorstands oder des Aufsichtsrats relevant wird. Da die Aktionäre hingegen nur eingeschränkte Informationsrechte haben und sich diese vor allem gegen den Vorstand (vgl. insb. das Auskunftsrecht des Aktionärs gem. § 131 AktG) oder den Aufsichtsrat im Wege seiner Berichtspflicht (vgl. § 171 Abs. 2 AktG) und seiner Auskunftspflicht214 richten,215 ist es unwahrscheinlich, dass ein Aktionär in seiner Tätigkeit als Aktionär Erkenntnisse erlangt, die für die Gesellschaft rechtserheblich werden können, diese Informationen jedoch nicht bereits anderweitig in der Gesellschaft (vor allem im Vorstand) verfügbar sind. Insofern dürfte eine Wissenszurechnung von Aktionären zur Gesellschaft vor allem in Bezug auf privat erlangtes Wissen (bzw. solches, dass er nicht in seiner Eigenschaft als Aktionär erhalten hat) relevant werden, wobei hier eine Einschränkung der Wissenszurechnung nicht zuvorderst durch gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten dem Bezugssubjekt gegenüber, sondern durch die dafür eigens entwickelten Kriterien zur Begrenzung der Wissenszurechnung erfolgt.216 Auch innerhalb der GmbH bestehen zwischen den Geschäftsführern und dem Aufsichtsrat grundsätzlich keine organschaftlichen Verschwiegenheitspflichten.217 Ebenso wenig besteht eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Gesellschafterversammlung und – aufgrund des allgemeinen Informationsrechts der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern gem. § 51a Abs. 1 GmbHG – auch nicht gegenüber einzelnen Gesellschaftern, sofern das

213 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rn. 473, 533; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 106. 214 Vgl. zu dem gesetzlich nicht geregelten Auskunftsrecht der Hauptversammlung ggü. Aufsichtsratsmitgliedern bzgl. Fragen, die in die Kompetenz des Kontrollorgans fallen GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 560 ff. 215 Zu den Informationsrechten der Aktionäre vgl. Schäfers, Informationsrechte von Aktionären, 2007, S. 15, 52 ff.; Brete/Braumann, GWR 2019, 59 (62 ff.); vgl. zu der Beschränktheit des Fragerechts der Aktionäre auch BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – II ZB 4/96, BGHZ 135, 48 (54). 216 Vgl. hierzu bereits oben § 10 A.II.2. 217 Zur Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht zwischen GmbH-Geschäftsführern und dem GmbH-Aufsichtsrat vgl. UHL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 156; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 301; MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 205; Scholz/U.H. Schneider/Seyfarth, GmbHG, § 52 Rn. 581.

220

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

Informationsverlangen nicht missbräuchlicher Natur ist und deshalb ein Informationsverweigerungsrecht besteht, vgl. § 51a Abs. 2 GmbHG.218 Dementsprechend bestehen zwischen den Organen einer AG oder einer GmbH recht eingeschränkte organschaftliche Verschwiegenheitspflichten. Darüber hinaus dürfte den bestehenden Verschwiegenheitspflichten (insbesondere im Hinblick auf die Hauptversammlung der AG und der Verschwiegenheitspflicht bei einem missbräuchlichen Auskunftsverlangen einzelner GmbH-Gesellschafter) aus der Perspektive der Begrenzung der Wissenszurechnung nur eine verhältnismäßig geringe Bedeutung zukommen. Zum einen dürfte eine Wissenszurechnung von Aktionären zu anderen Gesellschaftsorganen eher die Ausnahme darstellen. Und zum anderen ist selbst bei einer Verschwiegenheitspflicht wegen eines missbräuchlichen Auskunftsverlangens zwar gegenüber diesem Organmitglied Stillschweigen zu bewahren, nicht jedoch in Bezug auf die restlichen Organmitglieder, sodass auch in diesen Fällen eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber allen Organmitgliedern nicht die Regel sein dürfte. Wenn allerdings keine unternehmensbezogenen Tatsachen der Gesellschaft, der das Wissen zugerechnet wird (Bezugssubjekt), in Rede stehen, sondern zum Beispiel das Wissen aus einer Tätigkeit für ein anderes Unternehmen zugerechnet werden soll, stellt in dem Verhältnis der anderen Gesellschaft zu dem Bezugssubjekt letzteres selbstverständlich einen außenstehenden Dritten dar, sodass insbesondere im Fall von Doppel- und Mehrfachmandaten organschaftliche Verschwiegenheitspflichten entstehen können.219 Zur Verschwiegenheitspflicht bei Doppelmandaten vgl. bereits oben.220 2. Zugriffsmöglichkeiten der Gesellschaft auf die Informationen Der juristischen Person kann das Wissen ihrer Organmitglieder (ebenso wie auch dasjenige der Mitarbeiter) nur zugerechnet werden, sofern der Organisationspflichtige in der Lage ist, die Informationen und ihre Weiterleitung zu beherrschen.221 Kann der Organisationspflichtige hingegen nicht in rechtlich zulässiger Weise die Wissensweitergabe steuern und beherrschen bzw. ist ihm dies nicht zumutbar, trägt er insofern auch keine Wissensverantwortung, sodass eine Wissensorganisation ausscheiden muss. 218

Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – II ZB 4/96, BGHZ 135, 48 (54); UHL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 156; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 301; MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 205. 219 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 32); Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 275 f.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 468 ff., insb. S. 477; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (242); Werner, ZHR 145 (1981), 252 (265); Schröter Bankrechtstag 2002, S. 163 (168 f.); Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253 (1256). 220 Vgl. § 10 B.I.1., § 10 B.II.4. 221 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (323, 328).

B. Zurechnung von Organwissen

221

Während im Rahmen der Intraorganzurechnung bei unternehmensbezogenen Informationen aufgrund von Offenlegungspflichten der einzelnen Organmitglieder gegenüber dem Gesamtorgan in der Regel eine solche Zugriffsmöglichkeit auf diese Tatsachen vorliegt, ist diese Möglichkeit im Rahmen der Interorganzurechnung nicht zwingend gegeben. Zwar könnte für die Wissenszurechnung auch im Verhältnis zwischen den verschiedenen Gesellschaftsorganen die Treupflicht der einzelnen Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft sprechen, die die wissenden, aber unzuständigen Organmitglieder unter Umständen zur Weiterleitung von Informationen, die für das zuständige Organ erkennbare Relevanz aufweisen, verpflichten kann.222 Jedoch stehen z.B. dem Vorstand als grundsätzlich Organisationspflichtigem innerhalb der AG abgesehen vom Verlangen der Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung223 keine hinreichenden Einflussnahme- oder Sanktionsmöglichkeiten gegen den Aufsichtsrat zu, um dessen Einhaltung der Wissensorganisation zu kontrollieren.224 Eine solche Einflussnahmemöglichkeit auf die konkrete Wissensorganisation des Aufsichtsrats ist dabei weder gesetzlich vorgesehen, wie man schon aus dem Fehlen einer § 90 AktG entsprechenden Berichtspflicht des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand schließen kann, noch kann sie aus sonstigen Rechtsgrundsätzen hergeleitet werden.225 Der Vorstand verfügt zwar gem. § 76 Abs. 1 AktG über eine umfassende Leitungsmacht, sodass er grundsätzlich die erforderlichen Organisationsbefugnisse zur Einrichtung einer Wissensorganisation hat. Jedoch ist der Aufsichtsrat von dieser Gestaltungsmacht ausgenommen.226 Eine solche Einflussnahmemöglichkeit des Vorstands wäre insbesondere vor dem Hintergrund der aktienrechtlichen Grundannahme der Unabhängigkeit des Aufsichtsrats als Organ zur Überwachung der Vorstandsarbeit zweifelhaft.227 Entsprechendes gilt für den Geschäftsführer einer GmbH, der nicht nur dem GmbH-Aufsichtsrat (sofern ein Aufsichtsrat besteht), sondern vor allem 222

In diese Richtung Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (332); Buck-Heeb, WM 2016, 1469 (1473); vorsichtig hingegen dies., AG 2015, 801 (809). 223 Zum Abberufungsverlangen des Vorstands bzgl. Aufsichtsratsmitglieder ggü. der Hauptversammlung vgl. Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721 (722); Thum/Klofat, NZG 2010, 1087 (1089 f.). 224 Vgl. Buck-Heeb, WM 2016, 1469 (1473); dies., AG 2015, 801 (808); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (328); Leyendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72 (74); Koch, ZIP 2015, 1757 (1761); zu den eingeschränkten Einflussmöglichkeiten des Vorstands ggü. dem Aufsichtsrat vgl. auch Thum/Klofat, NZG 2010, 1087, passim. 225 So auch Langendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72 (74); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (808). 226 So auch Koch, ZIP 2015, 1757 (1762); Leyendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72 (74); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (328). 227 Vgl. auch Buck-Heeb, AG 2015, 801 (808); zur Unabhängigkeit des Aufsichtsrats vgl. Koch, ZGR 2014, 697 (726 ff.).

222

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

auch der Gesellschafterversammlung gegenüber ebenso wenig über ausreichende Einflussnahme- oder Sanktionsmöglichkeiten verfügt.228 Freilich lässt sich über die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder ein Anspruch der Gesellschaft auf Informationsweitergabe gegen diese konstruieren, der von dem Vorstand durchgesetzt werden könnte (sofern dem keine Pflichtenkollision entgegensteht).229 Jedoch muss im Rahmen der Durchsetzung zunächst berücksichtigt werden, dass schon die Möglichkeit der Leistungsklage auf Erfüllung organschaftlicher Pflichten im Allgemeinen kritisch bewertet wird.230 Demgegenüber würde hier weder die Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz in Geld aus §§ 116 S. 1 iVm. 93 Abs. 2 S. 1 AktG noch eine Klage auf Feststellung gem. § 256 ZPO, die dem Vorstand in Vertretung der Gesellschaft insofern wohl zusteht,231 den Vorstand in die Lage versetzen, eine ordnungsgemäße Weiterleitung des Wissens des Aufsichtsrats an ihn durchzusetzen. Darüber hinaus muss festgestellt werden, dass dem Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat weder Weisungsnoch Informationsrechte zukommen, sodass eine „gegenläufige“ Überwachung in diese Richtung zusätzlich erschwert wird.232 Mithin müssen die Möglichkeiten, die der Vorstand in Bezug auf die Durchsetzung einer ordnungsgemäßen Organisation des Wissens von Aufsichtsratsmitgliedern hat, aufgrund des umgekehrten Kontrollgefälles als äußerst gering betrachtet werden, sodass in dieser Konstellation der Wissenszurechnung eine deutliche Grenze gesetzt ist.233 Die Gesellschaft hat somit zwar zumindest grundsätzlich über die Treuepflicht einen Anspruch auf die Wissensweitergabe zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstand, jedoch hat der Vorstand als konkret Organisationsverpflichteter keine praktische Handhabe, die Nutzung dieser Wissensorganisationsstrukturen durch den Aufsichtsrat zu gewährleisten. Insbesondere wenn man schon aus der bloßen Pflicht zur Wissensweitergabe auf die Möglichkeit der Wissensorganisation schließen würde, bedeutete dies gleichzeitig, 228 Zur Interorganbeziehung zwischen dem GmbH-Geschäftsführer und der Gesellschafterversammlung vgl. Geißler, GmbHR 2009, 1071 (1071 ff.); vgl. auch MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rn. 107 ff. 229 Zur Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Aufsichtsrat vgl. GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 308 f.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 72. 230 Vgl. GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 606; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 240, jeweils mwNachw. 231 Koch, ZHR 180 (2016), 578 (601). 232 Koch, ZHR 180 (2016), 578 (593); vgl. auch GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 308 f. 233 Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (123); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (328); Leyendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72 (74); Werner, WM 2016, 1474 (1476 f.); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (808).

B. Zurechnung von Organwissen

223

dass im Rahmen dieser Pflicht auch eine Wissenszurechnung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand bestünde. Eine solche Wissenszurechnung trotz fehlender konkreter Organisations- und Einflussnahmemöglichkeit des konkret Organisationspflichtigen wäre jedoch für das Unternehmen mit nicht abschätzbaren Folgen behaftet, da die Geschäftsleitung nie wissen könnte, welche ungeahnten Kenntnisse innerhalb des Aufsichtsrats bestehen, gleichzeitig auch keinen Einfluss auf die Wissensweiterleitung aus dem Aufsichtsrat nehmen kann und trotzdem stets eine Wissenszurechnung befürchten müsste.234 Daher muss im Rahmen der Wissenszurechnung auf die konkrete Zugriffsmöglichkeit auf die Informationen und auf die reale Durchsetzungsmöglichkeit der Wissensorganisation abgestellt werden, woraus für die Interorganzurechnung folgt, dass der organisationspflichtige Vorstand gerade keine Einflussnahmemöglichkeiten auf die ordnungsgemäße Nutzung der Wissensorganisationskanäle durch Aufsichtsratsmitglieder hat. Entsprechendes gilt auch im Verhältnis zwischen dem Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan und der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung, da auch dort keine Möglichkeit besteht, seitens des Vertretungs- und Geschäftsführungsorgans für eine ordnungsgemäße Wissensspeicherung sowie -weiterleitung zu sorgen und dies nötigenfalls auch durchzusetzen.235 Darüber hinaus fehlt es bereits an einem tauglichen Zurechnungsgrund in diesen Fällen. Dieser ist nämlich allgemein in der Herrschaft über die Informationen bzw. in einer Steuerbarkeit der Risiken zu erkennen, wobei diese Herrschaft dem organisationpflichtigen Vorstand fehlt und es ihm gerade an der Steuerungsmöglichkeit der Informationsweiterleitung mangelt.236 Folgerichtig muss eine Interorganzurechnung grundsätzlich mangels Einflussnahmemöglichkeit ausscheiden.237 In der Unternehmenspraxis ist es allerdings nicht unüblich, dass auch der Aufsichtsrat in das Informationssystem des Unternehmens mit eingebunden ist.238 Wenn der Aufsichtsrat in diesen Fällen proaktiv an der Einspeisung relevanter Informationen in eine Wissensorganisation teilnimmt, ist es dort unerheblich, dass der Vorstand keine Möglichkeiten zur Durchsetzung einer Interorganwissensorganisation hat. Wenn der Aufsichtsrat somit in das Unternehmensinformationssystem eingebunden ist und er dort auch tatsächlich

234 235

Koch, ZIP 2015, 1757 (1762): „tickende Zeitbombe“. So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (331); dazu auch Buck-Heeb, AG 2015, 801

(808). 236

Vgl. auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (328 f.). So auch Koch, ZIP 2015, 1757 (1760 ff.); Leyendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72 (73 ff.); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (807 ff.); dies., WM 2016, 1469 (1473); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (328 f.). 238 Vgl. Deloitte, Entwicklungen der Aufsichtsratspraxis in Deutschland, 2004, S. 8. 237

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seine Informationen einspeist, die er etwa im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit erlangt hat, erhält auch der Vorstand die konkrete Möglichkeit zur Nutzung dieser Informationen, sodass die Wissenszurechnung hier nicht begrenzt werden muss.239 3. Treuwidrigkeit der Berufung auf Nichtwissen bei Kenntnis eines unzuständigen Organs Neben der grundsätzlich zu verneinenden Frage nach der Möglichkeit einer Interorganzurechnung könnte der Gesellschaft jedoch unter Umständen zumindest die Berufung auf die Unkenntnis seitens des zuständigen Organs nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sein. In diese Richtung entschied zumindest der BGH im Jahr 1984 für den Fall, dass der Aufsichtsrat einer Genossenschaft Kenntnis von einem zur fristlosen Kündigung berechtigenden wichtigen Grund hatte, er in einer solchen Situation die kündigungsberechtigte Generalversammlung einberufen und informieren muss, dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen ist.240 Für eine solche Verwirkung der Möglichkeit der Berufung auf das Nichtwissen spricht auch, dass für diesen Begründungsansatz die Perspektive des konkret Organisationspflichtigen verlassen werden kann und diejenige der Gesellschaft eingenommen wird. Insofern muss gefragt werden, ob sich die Gesellschaft als solche auf das Nichtwissen des zuständigen Organs berufen kann. Diese Verwirkung als Sonderfall des Verbots der unzulässigen Rechtsausübung lässt sich allerdings nur begründen, sofern sich für das wissende, aber unzuständige Organ (bzw. Organmitglied) aus der Treuepflicht bzw. aus der Pflicht zur kollegialen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Organen eine Offenbarungspflicht in Bezug auf die konkret in Rede stehende Tatsache dem zuständigen Organ gegenüber begründen lässt,241 der Wissensträger jedoch pflichtwidrig dieser Offenlegung nicht nachkommt.242 Die Pflicht zur Offenlegung von Tatsachen zwischen den Organen darf indes nicht überbeansprucht werden. Hier oblag dem BGH 1984 eine zugegebenermaßen vergleichsweise einfache Entscheidung, da dem Aufsichtsrat dort Tatsachen bekannt geworden sind, die eine fristlose Kündigung eines Genossenschaftsvorstands gerechtfertigt hätten, sodass die Relevanz dieser Tatsachen für das zuständige Organ (Generalversammlung) recht einfach bejaht werden konnte. Demgegenüber dürfte etwa die Beantwortung der Frage nach einer konkreten Offenbarungsfrist in Bezug auf bestimmte Tatsachen, die dem Aufsichtsrat im Rahmen seiner allgemeinen Kontroll- und

239

Vgl. auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (329). BGH, Urt. v. 18.6.1984 – II ZR 221/83, NJW 1984, 2689 (2690). 241 Vgl. hierzu Buck-Heeb, WM 2016, 1469 (1473); dies., AG 2015, 801 (809). 242 Vgl. auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 301 ff. 240

C. Zurechnung von Mitarbeiterwissen (vertikale Zurechnung)

225

Überwachungspflicht bekannt werden, schwerer fallen, sodass auch die Anschlussfrage nach einer etwaigen Verwirkung der Berufung auf das Nichtwissen des zuständigen Organs diffiziler ist.

C. Zurechnung von Mitarbeiterwissen (vertikale Zurechnung)243 Häufig sind die Mitarbeiter eines Unternehmens unmittelbarer in die konkreten Arbeitsabläufe involviert als die Organmitglieder. In vielen Fällen haben die Mitarbeiter einen direkten Kontakt zu außenstehenden Dritten, treten mit diesen in Interaktion und erlangen darüber Kenntnisse. Neben den Organmitgliedern sind somit auch (oder vielleicht sogar besonders) die Mitarbeiter wichtige Wissensträger innerhalb des Unternehmens. Gleichzeitig kann jedoch aufgrund der unternehmensinternen Arbeitsteilung, insbesondere durch die Zerteilung eines Unternehmens in verschiedene Abteilungen, Standorte etc., nicht davon ausgegangen werden, dass der wissende Mitarbeiter auch stets derjenige sein wird, in dessen Tätigkeitsbereit dieses Wissen im späteren Verlauf rechtserheblich wird. Insofern wäre eine Wissenszurechnung, die nur innerhalb der Gesellschaftsorgane und zwischen diesen (horizontal) stattfindet, höchst unzureichend, sodass bereits deshalb ein erhebliches praktisches Bedürfnis zur Zurechnung von Mitarbeiterwissen (vertikal) besteht. Im Gegensatz zu den Organen einer juristischen Person sind deren Mitarbeiter aus einer organisationsrechtlichen Perspektive nicht notwendig, um die juristische Person handlungsfähig zu machen, sodass eine vertikale Wissenszurechnung zumindest nicht im Hinblick auf die Herstellung der Wissensfähigkeit erforderlich ist. Nichtsdestoweniger bedient sich die juristische Person ihrer Mitarbeiter, um den Grad der Arbeitsteilung zu steigern und hierdurch ihren Aktionsradius zu vergrößern. Demnach ist auch die vertikale Wissenszurechnung normativ angezeigt.244

I. Dogmatische Anknüpfung Obwohl die normative Gebotenheit der Zurechnung von Mitarbeiterwissen kaum bestritten wird, wird gleichwohl im Rahmen des klassischen „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungsmodells mit einer dogmatischen Begründung dieser Wissenszurechnungskonstellation (vor allem im Hinblick auf den Versuch der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung) ge-

243

Vgl. hierzu bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1509 ff.). Zur Begründung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung, von der auch die vertikale Wissenszurechnung erfasst ist, vgl. oben § 9 A.II. 244

226

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

rungen.245 Insbesondere wenn die wertende Wissenszurechnung dogmatisch an die Vorschriften zur Passiveinzelvertretungsbefugnis der Mitglieder des Vertretungsorgans (§§ 26 Abs. 2 S. 2 BGB, 78 Abs. 2 S. 2 AktG, 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG) oder an die Organzurechnung nach § 31 BGB angeknüpft wird,246 die auf ein Vertretungsorgan zugeschnitten sind, fällt es schwer, diesen Begründungsansatz auch auf die vertikale Wissenszurechnung zu übertragen.247 Gegen die alternativen Begründungsansätze über § 166 Abs. 1 BGB (analog) oder § 276 BGB (analog) sprechen darüber hinaus die allgemeinen Argumente, die diesbezüglich zu einer Ablehnung jener dogmatischen Ableitungen geführt haben.248 Selbst der Weg über die Konstruktion des Wissensvertreters nach § 166 Abs. 1 BGB analog eignet sich vorliegend nicht, da dort zum einen die Hilfsperson gleichwohl damit beauftragt gewesen sein muss, als Repräsentant aufzutreten und bestimmte Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen, zum zweiten dort eine zwingende und eben keine wertende Wissenszurechnung die Folge ist und zum dritten nur handlungsakzessorisches Wissen zugerechnet wird.249 Wenn jedoch zahlreiche Voraussetzungen der Zurechnungsnormen ausgetauscht und durch neue, den bestehenden Zurechnungsnormen fremde Voraussetzungen ersetzt werden müssten, stößt jede Analogie an ihre Grenzen.250 Demgegenüber vermag das hier vorgestellte allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept (de lege lata auf Grundlage einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung) auch für die vertikale Wissenszurechnung einen tauglichen dogmatischen Begründungsansatz zu bieten:251 So fallen auch Mitarbeiter als Personen, die im Verantwortungs- und Einflussbereich der juristischen Person arbeiten, unter den persönlichen Anwendungsbereich der

245

Vgl. etwa Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 634 ff.; Seidel, ZIP 2020, 1506 (1510). 246 So etwa Lüders, BB 1990, 790 (794); Wiesner, BB 1981, 1533 (1536); vgl. auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (315): Gesamtanalogie aus §§ 26 Abs. 2, 31 BGB, 78 Abs. 2 AktG; vgl. bereits Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 626 f. 247 Dazu auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 634. 248 Vgl. hierzu oben § 9 C.III., § 9 C.IV.; vgl. auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1998, S. 136 f.; Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998, S. 86 ff.; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 407; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 634 f.; Taupitz, FS Lorenz (1994), S. 673 (688 f.). 249 Dazu BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (106 f.); BGH, Urt. v. 18.1.1994 – VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150 (1151); Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 50 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 634 f.; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160 (183); vgl. dazu auch oben § 7 C. 250 So zu recht Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 635. 251 Zur dogmatischen Begründung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung vgl. oben § 9 C., insb. zur gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung § 9 C.VIII.; vgl. hierzu auch Seidel, ZIP 2020, 1506 (1510 ff.).

C. Zurechnung von Mitarbeiterwissen (vertikale Zurechnung)

227

allgemeinen wertenden Wissenszurechnung. Die daraus folgende unbedingte Zurechnung des Mitarbeiterwissens, die durch die erste Stufe des hier vorgestellten zweistufigen Zurechnungsmodells begründet wird, muss dabei wiederum in einem zweiten Schritt wertungsmäßig beschränkt werden.252 Im Rahmen dieser wertungsmäßigen Beschränkung der Wissenszurechnung müssen sowohl wissensnormabhängige als auch wissensnormunabhängige Faktoren berücksichtigt werden, die insbesondere mit Blick auf die konkrete Zurechnungssituation zwischen dem Zurechnungssubjekt (hier dem Mitarbeiter) und dem Bezugssubjekt (hier der juristischen Person) herausgebildet werden müssen.

II. Zugriffsmöglichkeit der Gesellschaft auf Mitarbeiterwissen Wenn der Gesellschaft bzw. dem konkret Wissensorganisationsverpflichteten die Möglichkeit zukommt, den Informationsfluss von dem Wissenden zu den potentiell Handelnden zu steuern und zu überwachen, sowie die Informationsspeicherung, -weiterleitung und -abfrage in concreto sowohl möglich als auch zumutbar ist, besteht keine Notwendigkeit, die Wissenszurechnung zu beschränken. Insofern kommt der Zugriffsmöglichkeit auf das Wissen eine erhebliche Bedeutung zu. Im Verhältnis der juristischen Person zu ihren Mitarbeitern ist im Hinblick hierauf zu berücksichtigen, dass etwa der Vorstand einer AG gem. § 76 Abs. 1 AktG über eine umfassende Leitungsmacht verfügt, die sich auf das gesamte Unternehmen erstreckt.253 Für die GmbH gilt Entsprechendes, sofern die Leitungsmacht des Geschäftsführers weder generell durch die Satzung noch konkret durch Gesellschafterbeschlüsse beschnitten wird.254 Sowohl dem Vorstand als auch dem Geschäftsführer sind die Angestellten des Unternehmens untergeordnet, sie üben dem einzelnen Angestellten gegenüber die Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers aus.255 Mithin steht ihnen auch die Befugnis zur Schaffung und Unterhaltung einer unternehmensinternen Wissensorganisation unterhalb der Vorstandsebene zu.256 Darüber hinaus besteht über 252

Zur Entwicklung und Begründung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung vgl. oben § 9 A. 253 Dazu Schwark, ZHR 142 (1978), 203 (214 ff.); Fleischer, ZIP 2003, 1, passim, jeweils mwNachw. 254 Dazu BGH, Urt. v. 14.12.1958 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258(278); Fleischer, ZIP 2003, 1 (3); MünchHdbGmbHG/Dieckammn, § 41 Rn. 1 ff. 255 Das Vertretungsorgan (Vorstand, Geschäftsführer) übt auch die Arbeitgeberfunktion für die juristische Person aus, wobei dem Arbeitgeber gem. § 106 GewO ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht zukommt; vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1 (3); MünchHdbGmbH/Dieckmann, § 41 Rn. 15; konkret in Bezug auf die Wissensorganisation auch BuckHeeb, AG 2015, 801 (807). 256 Vgl. auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 395.

228

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

das Weisungsrecht auch die Möglichkeit, die Einhaltung dieser Wissensorganisationsstrukturen durchzusetzen. Somit hat das Leitungsorgan die konkrete Möglichkeit, das Wissen der Mitarbeiter unterhalb der Vorstands- bzw. Geschäftsführungsebene zu organisieren sowie auf die Organisation Einfluss zu nehmen und sie zu überwachen.257 Da das Wissen der Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens durch entsprechende Wissensorganisationsstrukturen und Reportinghierarchien verfügbar ist oder zumindest bei einer ordnungsgemäßen Organisationsleistung seitens des Leitungsorgans hätte verfügbar sein müssen, besteht in dieser Hinsicht kein Anlass, die Wissenszurechnung von Mitarbeitern grundsätzlich zu beschränken.258 Insofern muss dasjenige Wissen eines Mitarbeiters, das einmal erlangt wurde und somit in der Organisation verfügbar war, der Gesellschaft zugerechnet werden, soweit es typischerweise aktenmäßig festzuhalten war.259

III. Grenzen der Wissenszurechnung Doch selbst wenn eine Wissensorganisation von Mitarbeiterwissen grundsätzlich möglich ist, kann die Zurechnung mitunter begrenzt sein. Neben wissensnormabhängigen Faktoren260 ist dabei vor allem wissensnormunabhängig zu fragen, ob die Wissensweitergabe dem wissenden Mitarbeiter konkret möglich oder zumutbar war. Hierbei ist zunächst entscheidend, ob handlungsakzessorisches Wissen oder nicht-handlungsakzessorisches Wissen des Mitarbeiters in Rede steht. Wenn der wissende Mitarbeiter als (Wissens-)Vertreter selbst an dem Rechtsgeschäft beteiligt war, ergibt sich die Zurechnung seiner Kenntnis nämlich bereits aus § 166 Abs. 1 BGB, ohne nach der Herkunft der Informationen (dienstlich oder privat erlangt) zu unterscheiden.261 257

So auch Koch, ZIP 2015, 1757 (1762). So auch Koch, ZIP 2015, 1757 (1762); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (807); Bohrer, DNotZ 1991, 124 (129 f.); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 401 ff.; in diese Richtung auch BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262790, BGHZ 117, 104 (107 f.); kritisch aufgrund der zweifelhaften dogmatischen Anknüpfung Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 635; im Grunde auch Sajnovits, WM 2016, 765 (770), jedoch mit starkem Fokus auf wissensnormabhängige Zurechnungsbegrenzungsfaktoren. 259 In diese Richtung auch BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262790, BGHZ 117, 104 (107 f.); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 401 ff.; Buck-Heeb, AG 2015, 801 (807). 260 Vgl. hierzu bereits oben § 9 A.III.2.a); vgl. ausführlich Seidel, AG 2019, 492. 261 Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 190; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, 350; Buck-Heeb, WM 2008, 281 (282 f.); Sajnovits, WM 2016, 765 (771); Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (306); vgl. bereits Seidel, ZIP 2020, 1506 (1513 f.); im Ergebnis auch Fleischer, NJW 2006, 3239 (3242); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (326); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (376). 258

C. Zurechnung von Mitarbeiterwissen (vertikale Zurechnung)

229

Im Hinblick auf nicht-handlungsakzessorisches Wissen erlangt innerhalb der sodann vorzunehmenden Bewertung der Zumutbarkeit der Wissensorganisation insbesondere die Frage Bedeutung, ob das Wissen privat oder auf dienstlichem Weg erlangt wurde,262 wobei zunächst zu klären ist, welches Wissen privat und welches in Ausübung der beruflichen Tätigkeit gewonnen wurde.263 Wenn beispielsweise ein Montagearbeiter bei einem Gespräch mit einem Lieferanten neben der Arbeit betrieblich relevante Informationen erhält, stellt sich bereits die Frage, ob dieses Wissen privat oder dienstlich erlangt wurde.264 Im Rahmen der Abgrenzung ist sowohl das dienstliche Umfeld als auch die jeweilige Tätigkeit des Informationserlangenden entscheidend. So spricht zwar das Gespräch während der Arbeitszeit gegen eine Einordnung als privat erlangtes Wissen, jedoch muss auch beachtet werden, dass es regelmäßig nicht zu den Aufgaben des Montagearbeiters gehören wird, Informationen der Lieferanten aufzunehmen und weiterzuleiten, sodass in diesem Fall von privat erlangtem Wissen ausgegangen werden kann. Hierbei kann auch auf die Kasuistik zum Handeln „bei Gelegenheit“ im Rahmen der Zurechnung nach § 278 BGB angeknüpft werden.265 Wenn auf der anderen Seite ein leitender Angestellter, zu dessen Aufgaben auch die Repräsentation der Gesellschaft gehört, zu einer gesellschaftlichen Veranstaltung geht, (auch) um seiner Repräsentationsaufgabe nachzukommen, sprechen gute Gründe dafür, dass das dort erlangte Wissen gerade nicht privat gewonnen wurde. Sofern bei dieser Prüfung festgestellt wurde, dass das Wissen des Mitarbeiters (für Organmitglieder kann hier nichts anderes gelten) privat erlangt wurde, stellt sich nun die Frage, ob insofern auch eine Pflicht zur Weitergabe dieser Informationen an die Gesellschaft als Ausfluss seiner Treuepflicht bestand.266 Dabei ist davon auszugehen, dass die unternehmensinterne Speicherung und Weiterleitung privat erlangten Wissens dem Mitarbeiter umso eher unzumutbar ist, je niedriger er in der Unternehmenshierarchie steht und je eingeschränkter sein Tätigkeits- und Verantwortungsbereich ist.267 Während bei leitenden Angestellten und Prokuristen, insbesondere auf der Füh262

Vgl. zur Zurechnung privat erlangter Kenntnis im Allgemeinen bereits oben § 10 A.II.2. 263 Vgl. hierzu Seidel, ZIP 2020, 1506 (1513). 264 Zu diesem Beispiel vgl. auch Seidel, ZIP 2020, 1506 (1513). 265 Zum Handeln bei Gelegenheit vgl. oben § 5 Fn. 39. 266 Vgl. hierzu bereits § 10 A.II.2.; zur arbeitsvertraglichen Treuepflicht vgl. Hürholz, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers, 1968, S. 98 ff.; MünchKommBGB/Spinner, § 611a Rn. 993 ff.; MünchHdbArbR I/Reichold, § 53 Rn. 1 ff.; zur wertenden Zurechnung von Mitarbeiterwissen vgl. auch Sajnovits, WM 2016, 765 (770); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (326); Buck-Heeb, WM 2008, 281 (284); ähnlich auch MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 60. 267 Vgl. auch Seidel, ZIP 2020, 1506 (1514).

230

§ 10 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person

rungsebene direkt unterhalb des Vorstands, noch eher eine Pflicht zur Weitergabe privat erlangten Wissens als Ausfluss der arbeitsrechtlichen Treuepflicht angenommen werden kann, nimmt die Pflichtenintensität bei hierarchisch niedriger gestellten Mitarbeitern ab. Wenn jedoch eine Pflicht zur Wissensweitergabe seitens eines Mitarbeiters besteht, kann die Wissensorganisation dem Mitarbeiter in Bezug auf diese Information weder unmöglich noch unzumutbar sein, sodass in diesem Fall die Wissenszurechnung keiner grundsätzlichen Beschränkung unterliegt.268 Daneben hängt die Zurechnung privat erlangten Wissens von Mitarbeitern auch von der Wichtigkeit der Information ab. Mithin lässt sich hier wieder die vom BGH geprägte Formel vom „typischerweise aktenmäßig festgehaltenen Wissen“ bemühen,269 wobei diese Charakterisierung in casu insbesondere von der Stellung des Mitarbeiters innerhalb des Unternehmens und der Wichtigkeit der Information abhängig zu machen ist.

D. Fazit Das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept eröffnet in Bezug auf die Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen sowohl die Möglichkeit der Zurechnung des Wissens des Vertretungsorgans als auch des Wissens des Aufsichtsrats und der Gesellschafterversammlung sowie von Mitarbeitern gleichermaßen. Insofern ist – schon um die Wissensfähigkeit der juristischen Person herzustellen – davon auszugehen, dass im Rahmen des Zuständigkeitsbereichs der Organe (vor allem im Hinblick auf ihre Vertretungskompetenzen) eine Zurechnung des Wissens des Gesamtorgans zur juristischen Person stattfindet. Zudem erstreckt sich die Möglichkeit der Zurechnung des Wissens einzelner Organmitglieder nicht nur auf die Mitglieder des Leitungsorgans; vielmehr muss auch das Wissen einzelner Aufsichtsratsmitglieder oder einzelner Gesellschafter dem Gesamtorgan zugerechnet werden, wenn eine entsprechende Offenbarungspflicht des wissenden Organmitglieds besteht (und wenn nicht, wie im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB, wissensnormabhängige Gründe gegen eine Wissenszurechnung sprechen). Demgegenüber ist aufgrund der fehlenden Zugriffsmöglichkeit des konkret organisationsverpflichteten Vorstands bzw. Geschäftsführers auf das Wissen der Aufsichtsratsmitglieder oder der Gesellschafter sowie seiner fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten in den meisten Fällen eine Interorganwissensorganisation ausgeschlossen. Anderes gilt nur, sofern insbesondere

268 269

Vgl. auch Seidel, ZIP 2020, 1506 (1514). BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35).

D. Fazit

231

der Aufsichtsrat tatsächlich in das Informationssystem des Unternehmens eingebunden ist und dort sein Wissen einspeist. Darüber hinaus kann der Gesellschaft auch die Berufung auf das Nichtwissen gem. § 242 BGB versagt sein, wenn ein unzuständiges Organ von einer Tatsache Kenntnis erlangt, diese jedoch in treuwidriger Weise nicht rechtzeitig an das zuständige Organ weitergibt. Neben der Möglichkeit zur horizontalen Wissenszurechnung auf Organebene kann nach dem allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzept auch in vertikaler Richtung das Wissen von Mitarbeitern zugerechnet werden. Anders als im Rahmen der Interorganzurechnung verfügt das jeweilige Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan hier über die Möglichkeit zum Zugriff auf dieses Wissen und kann mittels Weisungsrechten auch die Nutzung von Informationssystemen durchsetzen. Die Zurechnung des Wissens innerhalb juristischer Personen erfolgt allerdings auch innerhalb dieser abstrakten Leitlinien nicht schrankenlos. Vielmehr kann eine Wissenszurechnung nur stattfinden, wenn die juristische Person bzw. der innerhalb der Organisation konkret Organisationsverpflichtete in rechtlich zulässiger Weise den Wissensfluss steuern und beherrschen kann und wenn ihm dies auch zumutbar ist. Die Grenze der Unmöglichkeit der Wissensorganisation ist insbesondere bei Pflichtenkollisionen erreicht, die etwa im Rahmen von Verschwiegenheitspflichten des Wissenden zulasten der Wissenszurechnung aufgelöst werden. Daneben können auch organisatorische Trennlinien innerhalb eines Unternehmens (Chinese Walls) den Wissensfluss begrenzen, worauf im Rahmen der Wissenszurechnung zu reagieren ist. Zudem ist im Zuge der Frage nach der Zumutbarkeit einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation zum einen auf der Seite der Wissensweitergabe die Einnahme einer Ex-ante-Sicht für die Erkennbarkeit der späteren Bedeutung der relevant gewordenen Information zu beachten und zum anderen auf der Seite der Wissensabfrage auch zeitliche Grenzen der Wissensorganisation. Nicht zuletzt kann die Quelle der Information selbst die Wissenszurechnung beeinflussen: Im Gegensatz zur Kenntniserlangung von Informationen im Rahmen der beruflichen bzw. organschaftlichen Tätigkeit für das Unternehmen muss bei privater Kenntniserlangung (etwa im Zusammenhang mit der Tätigkeit für ein anderes Unternehmen) neben den Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem anderen Unternehmen auch die Zumutbarkeit der Wissensweitergabe im Hinblick auf diese Informationen besonders geprüft werden, wobei neben der erkennbaren Relevanz der Informationen auch die Stellung des Wissenden im Unternehmen zu berücksichtigen ist.

§ 11

Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns Durch die Schaffung eines Konzerns, durch die Zusammenfassung verschiedener Unternehmen unter eine einheitliche Leitung (vgl. § 18 AktG), wird eine Organisation ins Leben gerufen, in der intern eine Dezentralisierung ermöglicht wird, ohne zwingend die zentrale Steuerung der Substanz zu gefährden oder gar zu verlieren.1 Dabei bilden Konzernstrukturen vielfach eine Grundlage des Größenwachstums, wie etwa durch die Nutzung des sog. Pyramideneffekts.2 Darüber hinaus ergeben sich durch eine Konzernierung häufig Synergieeffekte, Kostenvorteile können durch die Produktion höherer Stückzahlen entstehen, und die erhöhte Finanzkraft kann größere Investitionen oder eine eigene Forschung ermöglichen.3 Zudem wird durch die Bildung von Konzernen bei international tätigen Unternehmungen die Möglichkeit geschaffen, die Tochtergesellschaften im Ausland nach dem Recht des Gastlandes zu organisieren und so insbesondere eine einfachere Anpassung an dessen Rechts- und Sozialordnung zu ermöglichen.4 Ebenso lassen sich durch ein zentrales Finanzmanagement finanzielle Reserven und Gewinne abschöpfen und in der Muttergesellschaft bündeln (sog. cash pooling), um sie an anderer Stelle innerhalb des Konzerns zu reinvestieren, an der sie gerade gebraucht werden.5 Nicht zuletzt können Haftungsrisiken auf einzelne Konzernglieder beschränkt und somit gesteuert und leichter handhabbar gemacht werden.6 1

Vgl. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 58 Rn. 10. Vgl. Theisen, Der Konzern, 2000, S. 92 ff.; GroßKommAktG/Windbichler, Vor §§ 15 ff. Rn. 17; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 58 Rn. 11. 3 Vgl. Prantl, Konzernbildung, Konzernrecht und Minderheitenschutz in Deutschland, 1994, S. 38 ff.; KölnKommAktG/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 14; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 58 Rn. 11. 4 Vgl. Haussmann, Die Tochtergesellschaft, 1923, S. 16; GroßKommAktG/Windbichler, Vor §§ 15 ff. Rn. 17; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 58 Rn. 10. 5 Vgl. Prantl, Konzernbildung, Konzernrecht und Minderheitenschutz in Deutschland, 1994, S. 49 f.; GroßKommAktG/Windbichler, Vor §§ 15 ff. Rn. 17; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 58 Rn. 10. 6 Vgl. Haussmann, Die Tochtergesellschaft, 1923, S. 16; Prantl, Konzernbildung, Konzernrecht und Minderheitenschutz in Deutschland, 1994, S. 50 f.; Binder, Beteiligungsführung in der Konzernunternehmung, 1994, S. 56 ff. 2

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Insofern dient der Konzern als gesellschaftsrechtliche Organisationsform sowohl der Vergrößerung des unternehmerischen Aktionsradius als auch der Gestaltung einer möglichst effizienten arbeitsteiligen Organisation.7 Daher ist nach der Untersuchung der Anwendung der Grundsätze der wertenden Wissenszurechnung auf die juristische Person8 nun zu fragen, inwieweit das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept auch innerhalb eines Konzerns anzuwenden ist. Dabei ist es bereits aufgrund der Gefahr missbräuchlicher Konzernstrukturen notwendig, dass die gesellschaftsrechtliche Trennung konzernverbundener Gesellschaften nicht zwangsläufig dazu führt, dass die Wissenszurechnung an der Gesellschaftsgrenze endet. Ohne die Möglichkeit einer konzernweiten Wissenszurechnung hätte es eine Unternehmensgruppe ansonsten selber in der Hand, das Wissen innerhalb des Konzerns nach Belieben zu segmentieren und hierüber einzelne Konzernglieder von einer Wissensbelastung und den damit einhergehenden Rechtsfolgen zu befreien.9 Diese Konsequenz wurde bereits Ende der 1990er-Jahre und damit quasi parallel zur Etablierung des „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzepts für juristische Personen erkannt, sodass schon Ende des 20. Jahrhunderts eine Diskussion um eine konzernweite Wissenszurechnung aufkam.10 Diese Diskussion flammte erneut im Nachgang zu dem Übernahmeversuch der Volkswagen AG durch die Porsche SE zwischen 2007 und 2009 sowie dem anschließenden Urteil des OLG Celle vom 24. August 2011,11 insbesondere seit 2015 wieder auf und hat neben der Frage nach der Wissenszurechnung im Einheitsunternehmen erheblich an Diskursschärfe gewonnen.12 Obwohl somit wahrgenommen werden kann, dass schon seit längerer Zeit die Notwendigkeit einer Wissenszurechnung bei Unternehmensgruppen bekannt ist und über die Reichweite der Wissenszurechnung im Unternehmensverbund nachgedacht wird, muss nichtsdestoweniger festgestellt wer-

7

So auch Haussmann, Die Tochtergesellschaft, 1923, S. 16 f. Vgl. hierzu oben § 10. 9 Hierzu schon Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 95; ähnlich auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 393; vgl. auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (358). 10 Vgl. etwa Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 201 ff.; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, passim; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 963 ff. 11 OLG Celle, Urt. v. 24.8.2011 – 9 U 41/11, BeckRS 2011, 141384. 12 Vgl. etwa Schwintowski, ZIP 2015, 617 (622 f.); Koch, ZIP 2015, 1757 (1765); BuckHeeb, AG 2015, 801 (804); Verse, AG 2015, 413 (418 ff.); Schirmer, AG 2015, 666 (667 ff.); Reuter, ZIP 2017, 310 (313); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (332); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357, passim; vgl. auch OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 4.9.2019 – 13 U 136/18, ZIP 2020, 123. 8

A. Die Konzernproblematik im Lichte der wertenden Wissenszurechnung

235

den, dass die Grundlagen dieser Frage ernüchternderweise immer noch als „wenig geklärt“ oder gar „ungeklärt“ gelten müssen.13 Kompliziert wird die Wissenszurechnung innerhalb eines Konzerns vor allem aufgrund des Spannungsfelds aus rechtlicher Vielheit und funktionaler Einheit, sodass untersucht werden muss, welcher Umfang einer einheitlichen Leitung der Unternehmensgruppe es rechtfertigt, die rechtliche Eigenständigkeit der beteiligten Unternehmen im Wege der Zurechnung zu überwinden.14 Gleichzeitig stellt sich aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Trennung der konzernbeteiligten Unternehmen die Frage, unter welchen Umständen überhaupt das Wissen von der einen zu der anderen Gesellschaft weitergegeben werden darf, die auch auf die Reichweite der Wissenszurechnung ausstrahlt. Darüber hinaus zeichnet sich das Konzernrecht durch seine Vielschichtigkeit und seine Vielgestaltigkeit aus, sodass auch für die Frage nach der wertenden Wissenszurechnung einerseits zwischen den einzelnen Zurechnungsrichtungen (bottom up, top down und horizontal) unterschieden und andererseits auf die Vielgestaltigkeit der Gruppenstrukturen eingegangen werden muss.

A. Die Konzernproblematik im Lichte der wertenden Wissenszurechnung I. Der Konzern im Spannungsfeld zwischen rechtlicher Vielheit und funktionaler Einheit Konzerne lassen sich prägnant als wirtschaftliche Einheit bei rechtlicher Vielfalt umreißen.15 Auch wenn diese Charakterisierung in Randbereichen, wie etwa im Kontext des faktischen Konzerns, bei denen nicht immer eine wirtschaftliche Einheit erkannt werden kann, unscharf ist, so wird hierdurch die besondere Problematik der Wissenszurechnung innerhalb von Konzernen dennoch deutlich: Zutreffend ist diese Charakterisierung jedenfalls insofern, als dass durch die Bildung von Konzernen die konzernzugehörigen Gesellschaften nicht ihre gesellschaftsrechtliche Trennung verlieren.16 Obgleich diese Gesellschaf13 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 56a: „wenig geklärt“; MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 103 „noch nicht geklärt“; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 132: „ungeklärt“; UHL/Paefgen, § 35 Rn. 210: „bedarf weiterer Klärung“; vgl. auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (358). 14 Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (358); vgl. auch § 11 A.I. 15 Vgl. K. Schmidt, FS Lutter (2000), S. 1167 (1168 f.); Bälz, FS L. Raiser (1974), S. 287 (320): „polykorporatives Unternehmen“; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (357). 16 Zur überholten Einheitstheorie vgl. instruktiv Hausmann, Die Tochtergesellschaft,

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

ten zwar unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sind und – zumindest im Rahmen eines Unterordnungskonzerns – Abhängigkeitsverhältnisse bestehen, sind sie individuelle Rechtssubjekte und bleiben dies trotz ihrer Zugehörigkeit zu einem Konzern.17 Dem Konzern als Zusammenfassung der unterschiedlichen konzernzugehörigen Gesellschaften kommt demgegenüber nicht die Qualität eines Rechtssubjektes zu. Die gesellschaftsrechtliche Betrachtung zwingt somit dazu, die Vielheit innerhalb des Konzerns anzuerkennen, die durch die Trennung der an ihr beteiligten Rechtssubjekte besteht – selbst wenn die Leistungsstrukturen vieler Konzerne als ein einheitliches Ganzes erscheinen.18 Aufgrund dieser gesellschaftsrechtlichen Trennung zwischen den konzernzugehörigen Gesellschaften und dem Fehlen einer einheitlichen konzernweiten Rechtssubjektivität verbietet sich jedoch die schlichte Übertragung der für die juristische Person gefundenen Maßstäbe zur wertenden Wissenszurechnung auf die konzerninterne Wissenszurechnung. Gleichwohl besteht innerhalb eines Konzerns die Möglichkeit der Einflussnahme seitens der beherrschenden gegenüber der abhängigen Gesellschaft. So besteht innerhalb eines AG-Vertragskonzerns die Möglichkeit, Weisungen (auch solche, die nachteilig für das weisungsempfangende Tochterunternehmen sind) zu erteilen, vgl. § 308 Abs. 1, Abs. 2 AktG. Innerhalb eines GmbH-Konzerns (sowohl vertraglich als auch faktisch und qualifiziert faktisch) besteht ohnehin aufgrund des Weisungsrechts der GmbH-Gesellschafterversammlung aus § 37 Abs. 1 GmbHG die Möglichkeit, der abhängigen GmbH durch das Mutterunternehmen (das regelmäßig Mehrheitsgesellschafter ist) Weisungen zu erteilen. Und selbst innerhalb eines faktischen AG-Konzerns besteht – auch wenn dort keine direkte Einflussnahmemöglichkeit durch die herrschende Gesellschaft in Bezug auf die abhängige AG durch ein Weisungsrecht besteht – die Möglichkeit, indirekt auf die abhängige Gesellschaft Einfluss zu nehmen, wie etwa durch die Besetzung von Führungspositionen in der abhängigen Gesellschaft durch Organmitglieder oder leitende Angestellte aus der herrschenden Gesellschaft.19 1923, S. 26 ff.; Kronstein, Die abhängige juristische Person, 1931, S. 3 f.; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 129 f. 17 Dazu Bälz, FS L. Raiser (1974), S. 287 (288 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 490. 18 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 490. 19 Diese Möglichkeit erkennt auch § 311 Abs. 1 AktG, wo die Möglichkeit der Veranlassung vorausgesetzt wird; zu den Einflussnahmemöglichkeiten im faktischen Konzern vgl. Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 80 f., 109; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 113 f.; KölnKommAktG/Koppensteineiner, § 311 Rn. 22 ff.; vgl. auch Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit einer Aktiengesellschaft auf schuldvertraglicher und tatsächlicher Grundlage, 1978, S. 45 ff.; Brüggemeier, AG 1988, 93 (95).

A. Die Konzernproblematik im Lichte der wertenden Wissenszurechnung

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Darüber hinaus bestehen regelmäßig konzernweite Leistungsstrukturen oder sogar ein gemeinsames Auftreten am Markt, die Konzerne nicht selten als einheitliche Gebilde bzw. als „Unternehmen höherer Ordnung“20 wirken lassen. Viele Konzerne haben konzernweite Arbeitsabläufe etabliert, an denen mehrere Konzernglieder beteiligt sind, bei denen zum Beispiel mit Hilfe von konzernweiten Lieferketten Produkte hergestellt werden oder wo abhängige Servicegesellschaften der herrschenden Gesellschaft (exklusiv) Dienstleistungen zur Verfügung stellen. In diesen Fällen wirkt der gesamte Konzern (oder wirken Teile des Konzerns) arbeitsteilig zusammen, sodass zwar am Ende der Kette dem externen Dritten nur ein konzernverbundenes Unternehmen, beispielsweise als Vertragspartner, gegenübersteht, jedoch auch andere Konzernglieder an den Arbeitsabläufen beteiligt waren. In solchen Fällen, in denen Konzerne funktionale Einheiten bilden, erweitert der Konzern seinen Geschäftsbereich auf mehrere Gesellschaften. Würde die Wissenszurechnung nun trotzdem an der Gesellschaftsgrenze Halt machen und wäre eine konzernweite Wissenszurechnung in jedem Fall ausgeschlossen, würde somit das Verhältnis zwischen Geschäfts- bzw. Einflussbereich auf der einen Seite und dem Wissensverantwortungsbereich auf der anderen Seite ins Ungleichgewicht geraten. Um einen Gleichlauf wiederherzustellen muss daher die wertende Wissenszurechnung im Grundsatz auf den Konzern ausgeweitet werden.21 Die Notwendigkeit einer Verantwortungsausweitung auf den Konzern lässt sich auch anhand der §§ 302 ff., 309 AktG für den Vertragskonzern und der §§ 311, 317 AktG für den faktischen Konzern erkennen. Danach bestehen sowohl Ausgleichsansprüche der abhängigen Gesellschaft gegenüber der herrschenden Gesellschaft als auch Ansprüche der Gläubiger sowie von Dritt-Aktionären, die an der abhängigen Gesellschaft beteiligt sind, jedoch selbst nicht Konzernglieder sind. Auch diese Ansprüche dienen dem Ausgleich etwaiger durch die Konzernierung entstehender Nachteile, um den Risiken einer Konzernierung für die abhängige Gesellschaft und für außenstehende Dritte entgegenzuwirken. Insofern kommt dem Konzernrecht neben der Funktion eines Konzernorganisationsrechts auch diejenige eines Konzernschutzrechts zu.22 Besonders deutlich wird die Notwendigkeit einer Ausweitung des Verantwortungsbereichs innerhalb des Konzerns in den Fällen, in denen Unterneh20

So etwa Bälz, FS L. Raiser (1974), S. 287 (289). Hier wird somit die erste Stufe des zweistufigen wertenden Wissenszurechnungskonzepts übertragen, vgl. dazu oben § 9 A.II. 22 Zu der Differenzierung zwischen Konzernorganisationsrecht und Konzernschutzrecht vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1995, S. 17 ff., 35 f.; ders., ZHR 163 (1999), 1, passim; K. Schmidt, FS Lutter (2000), S. 1167 (1167 ff.). 21

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

men gezielt Betätigungsfelder in Tochtergesellschaften ausgliedern, um (ggf. rechtsmissbräuchlich) die gesellschaftsrechtliche Trennung innerhalb von Konzernen für sich zu nutzen. In Bezug auf rechtserhebliches Wissen könnten Unternehmen ohne die Möglichkeit einer konzernweiten Wissenszurechnung Wissen uneingeschränkt separieren und hierdurch nachteilige Rechtsfolgen nach Belieben vermeiden. Insofern ist nicht ersichtlich, warum ausgerechnet die Wissensverantwortung im Konzern zwangsläufig an der Gesellschaftsgrenze Halt machen und warum nicht auch hier die funktionale Einheit, die Konzerne bilden können, berücksichtigt werden sollte. Dabei kann es auch kein Argument sein, dass eine konzernweite Wissenszurechnung (abseits des § 166 Abs. 1 BGB bei konzernweiten Vertretergeschäften) gesetzlich nicht geregelt ist, da bereits für das Einheitsunternehmen de lege lata eine Regelung der wertenden Wissenszurechnung ebenso fehlt.23

II. Vielgestaltigkeit der Konzernstrukturen Neben dem Spannungsfeld aus rechtlicher Vielheit und funktionaler Einheit, innerhalb dessen die Antwort auf die Frage nach dem Umfang und den Grenzen der wertenden Wissenszurechnung innerhalb von Konzernen gesucht werden muss, erschwert auch die Vielgestaltigkeit der Konzernstrukturen und -perspektiven die Suche nach der Reichweite einer konzernweiten, wertenden Wissenszurechnung. Zunächst ist dabei zu beachten, dass sich Konzernarten je nach Gesellschaftsform und Abhängigkeitsverhältnis stark voneinander unterscheiden: So ist aufgrund des Weisungsrechts der GmbH-Gesellschafterversammlung in Bezug auf den Geschäftsführer (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG) die Einflussmöglichkeit innerhalb eines GmbH-Konzerns anders zu bewerten als in einem AG-Konzern, in dem der Vorstand grundsätzlich in eigener Verantwortung die Gesellschaft leitet (vgl. § 76 AktG Abs. 1 AktG). Sind Personengesellschaften abhängige Konzernglieder, muss darüber hinaus auch das grundsätzliche Einstimmigkeitsprinzip im Rahmen der Willensbildung der Gesellschafterversammlung der BGB-Gesellschaft (vgl. § 709 Abs. 1 BGB) und der OHG (vgl. § 119 Abs. 1 HGB) beachtet werden. Zudem sind die Einflussnahmemöglichkeiten in einem Vertragskonzern stärker ausgeprägt als in einem faktischen Konzern und vor allem im Hinblick auf die Wissenszurechnung erweitert um das Weisungsrecht des Mutterunternehmens gem. § 308 AktG.

23

Vgl. zur dogmatischen Anknüpfung der wertenden Wissenszurechnung bereits oben § 9 C.

B. Grundlagen der konzernweiten Wissenszurechnung

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Neben der Differenzierung nach der Konzernart besteht auch innerhalb dieser Konzernarten nicht nur eine Art und Weise, einen Konzern zu nutzen und zu leiten. Hier muss insbesondere eine auf singuläre Interaktionen ausgerichtete, lose Konzernverbundenheit von einer intensiven Verbundenheit unterschieden werden. Ebenso besteht sowohl die Möglichkeit, einen Konzern zentral zu lenken und zu verwalten oder eine dezentrale Konzernstruktur zu etablieren, wobei wiederum verschiedene Graduierungen denkbar sind.

B. Grundlagen der konzernweiten Wissenszurechnung I. Der Grundsatz der erweiterten Wissensverantwortung in arbeitsteiligen Organisationen Wie bereits im Rahmen der Entwicklung des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts in § 9 dieser Arbeit hergeleitet wurde, trägt nicht nur eine juristische Person, sondern jede arbeitsteilige Organisation eine erweiterte Wissensverantwortung. Die Anpassung des (Wissens-)Verantwortungsbereichs im Rahmen arbeitsteiliger Organisationen – hier: bei Konzernen – resultiert dabei aus der Erweiterung des Einflussbereichs dieser Organisationen.24 Der Konzern erweitert durch die einheitliche Leitung mehrerer Unternehmen seinen Geschäftsbereich, der im Rahmen der einzelnen Unternehmen auf diese beschränkt wäre, sodass im Ergebnis ein gemeinsamer, vergrößerter Geschäfts- bzw. Einflussbereich entsteht. Besonders deutlich wird dies etwa im Rahmen des Outsourcings, bei dem gewisse Tätigkeitsbereiche in ein konzernzugehöriges Tochterunternehmen ausgegliedert werden. Ausfluss dieser erweiterten Wissensverantwortung ist die erste Stufe des hier vorgestellten zweistufigen allgemeinen wertenden Wissenszurechnungsmodells, die eine umfassende Wissenszurechnung sämtlichen Wissens innerhalb der arbeitsteiligen Organisation (hier: des Konzerns) propagiert, um einen Gleichlauf zwischen Einflussbereich und Verantwortungsbereich herzustellen. Um dem Bild der Spiegelbildlichkeit der Wissensverantwortung vollständig gerecht zu werden, darf das Konzept der wertenden Wissenszurechnung allerdings nicht bei der unbedingten Zurechnung der ersten Stufe stehen bleiben, sondern bedarf einer wertenden Korrektur: Wenn die arbeitsteilige Organisation (hier: der Konzern) seiner erweiterten Wissensverantwortung

24 Zur unbedingten Wissenszurechnung der ersten Stufe des hier vorgestellten wertenden Wissenszurechnungskonzepts vgl. ausführlich oben § 9 A.II.; zum Zweck der Zurechnung unter besonderer Berücksichtigung der arbeitsteiligen Organisation vgl. oben § 5 C.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

nachkommt und eine angemessene Wissensorganisation schafft, in der im Rahmen der (rechtlichen und tatsächlichen) Möglichkeit sowie der Zumutbarkeit das aktenmäßig festzuhaltende Wissen gespeichert, weitergeleitet und abgerufen wird, besteht keine Notwendigkeit zu einer darüber hinausgehenden Wissenszurechnung. Mehr noch, eine solche Wissenszurechnung wäre vor dem Hintergrund des Zwecks der Wissenszurechnung, eine ausgeglichene Risikoverteilung zu schaffen, nicht zu rechtfertigen.25

II. Konzernrechtliches Trennungsprinzip 1. Grundsatz Nachdem die Frage, ob eine konzernweite wertende Wissenszurechnung (vom Telos der Zurechnung aus betrachtet) stattfinden sollte, bejaht wurde und nachdem auch festgestellt wurde, dass die Wissenszurechnung im Konzern über das allgemeine wertende Wissenszurechnungsmodell normativ begründet werden kann, stellt sich nunmehr die entscheidende Frage, wo die Grenzen dieser Wissenszurechnung liegen bzw. welche Korrekturen auf der zweiten Stufe des hier vorgestellten Zurechnungskonzepts vorgenommen werden müssen. Dabei verbietet sich aufgrund des konzernrechtlichen Trennungsprinzips,26 das die gesellschaftsrechtliche Eigenständigkeit der konzernabhängigen Gesellschaften unterstreicht, eine schlichte Übertragung der für die Wissenszurechnung in der juristischen Person gefundenen Ergebnisse.27 Zwar hat der BGH betont, dass das Problem der arbeitsteiligen Wissensaufspaltung „in gleicher Weise“ wie bei juristischen Personen auch bei „allen sonstigen Organisationsformen“ auftauche,28 sodass über die schlichte Übertragbarkeit der Ergebnisse, die für die juristische Person gefunden wurden, auf andere Organisationsformen wie den Konzern nachgedacht werden könne. Darüber hinaus kann beobachtet werden, dass auch andernorts – namentlich im Sanktionsregime des Kartell- und Kapitalmarktrechts – das Trennungsprinzip zunehmend zugunsten einer Einheitsbetrachtung des Konzerns durchbrochen wird.29 Jedoch gibt allein dies noch keinen hinreichenden Anlass, diesen fundamentalen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz vollends bzw.

25 Zur wertenden Korrektur auf der zweiten Stufe des hier vorgestellten wertenden Wissenszurechnungskonzepts vgl. ausführlich oben § 9 A.III. 26 Zum konzernrechtlichen Trennungsprinzip vgl. bereits oben § 11 A.I. 27 So auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (360); Armbrüster/Kosich, ZIP 2020, 1494 (1503); dagegen jedoch Schwintowski, ZIP 2015, 617 (622 f.). 28 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 29 Hierzu Habersack, AG 2016, 691 (696 f.); Hommelhoff, AG 2016, 684 (690); Klusmann, ZGR 2016, 252 (253 ff.); Veil, ZGR 2016, 305 (313 ff.).

B. Grundlagen der konzernweiten Wissenszurechnung

241

zumindest im Hinblick auf die wertende Wissenszurechnung aufzugeben.30 Vielmehr besteht die gesetzgeberische Entscheidung der §§ 18, 291 ff. AktG für die Möglichkeit einer Aufspaltung unternehmerischer Tätigkeit auf verschiedene rechtliche Einheiten und die damit verbundene Trennung dieser verschiedenen Rechtssubjekte im Grundsatz nach wie vor, sodass sie auch im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung Beachtung verdient. Aufgrund dessen kann nicht der Ansicht des OLG München gefolgt werden, das die Wissenszurechnung zwischen konzernverbundenen Unternehmen ebenso beurteilen möchte wie diejenige innerhalb einer juristischen Person.31 Allerdings wird auch dort diese Entscheidung nicht substantiiert, sondern lediglich unter Verweis auf die eben zitierte Grundsatzentscheidung des BGH zur wertenden Wissenszurechnung, begründet. Hierbei verkennt das OLG München nicht nur die zentrale Bedeutung des konzernrechtlichen Trennungsprinzips, sondern ebenso den Kontext der dort zitierten Entscheidung von 1996, die zwar missverständlich, aber aus dem Kontext der damaligen Diskussion erkennbar nicht auf den Konzern bezogen war, sondern vielmehr auf die Gesamthandsgesellschaften und Einzelkaufleute (mithin anderen Organisationsformen von Einheitsunternehmen).32 Immerhin nimmt der BGH dort Bezug auf die Beiträge von Medicus und Taupitz auf dem Karlsruher Forum 1994 und schließt sich deren Ausführungen bloß an.33 Als diese jedoch von der Ausweitung auf andere Organisationsformen gesprochen haben, bezogen sie sich gerade nicht auf Konzernstrukturen, sondern auf die Übertragung auf öffentlich-rechtliche Organisationsformen, Gesamthandsgesellschaften und das Unternehmen eines Einzelkaufmanns mit vergleichbarer Arbeitsteilung.34 Darüber hinaus stellt die Diskussion um die Qualifizierung eines Konzerns als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (bzw. als OHG)35 auch in diesem Zusammenhang bloß ein Irrfeuer dar. Zwar ist die wertende Wissenszurechnung zweifellos auch in der BGB-Gesellschaft anwendbar,36 die hier zum 30

So auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (361). OLG München, Urt. v. 27.7.2006 – 23 U 5590/05, BB 2007, 14 (15); dagegen aber OLG Frankfurt a.M. Urt. v. 4.9.2019 – 13 U 136/18, ZIP 2020, 123 (124). 32 Zu diesem Ergebnis kommt auch Schürnbrand, ZHR 181/2017), 357 (361). 33 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 34 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (24). 35 Sofern der Konzern einen handelsgewerblichen Zweck verfolgt, der nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, müsste die Diskussion vielmehr um die Qualifizierung als OHG geführt werden. Aus Gründen der Prägnanz wird hier pars pro toto nur die BGB-Gesellschaft genannt. 36 So auch BGH, Urt. v. 16.2.1961 – III ZR 71/60, BGHZ 34, 293 (297); BGH, Urt v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (61 ff.); Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (25 f.); Schwintowski, ZIP 2015, 617 (620); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (361); EBJS/Hillmann, HGB, § 125 Rn. 15 f.; vgl. auch 31

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Tragen kommen könnte, und mitunter lassen sich Konzerne auch als GbR qualifizieren,37 jedoch lässt sich diese Argumentationskette in den meisten Fällen nicht fruchtbar machen: Nach mittlerweile gefestigter Ansicht stellen insbesondere Unterordnungskonzerne keine BGB-Gesellschaften dar, da dort das konzernspezifische Über- und Unterordnungsverhältnis nicht mit der auf Gleichordnung basierenden Figur der Gesellschaft zu vereinbaren ist und darüber hinaus im Konzern im Wesentlichem (und im Rahmen des konzernrechtlich Zulässigen) das herrschende Unternehmen über die Ziele des Konzerns bestimmt und nicht – wie im Rahmen einer GbR wesensprägend – der gemeinsame Zweck im Wege einer gleichberechtigten Entscheidung aller Gesellschafter bestimmt wird.38 Menz spricht hier trefflich von „Subordination“ anstelle von „Koordination“.39 Insofern verbietet sich zumindest bei der Beantwortung der Frage nach einer Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern der Verweis auf die Zurechnungsregeln im Personengesellschaftsrecht. Lediglich der vertragliche Gleichordnungskonzern kann aufgrund der dortigen Gleichstellung der beteiligen Unternehmen als BGBGesellschaft qualifiziert werden,40 sodass hier zumindest über eine Übertragung der Ergebnisse der Wissenszurechnung bei Personengesellschaften nachgedacht werden kann.41 Aufgrund dessen wird vielfach betont, dass aus der bloßen Konzernzugehörigkeit noch keine Wissenszurechnung gefolgert werden könne.42 Nach BGH, Urt. v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001 (360); zum Exkurs zur Wissenszurechnung in Personengesellschaften vgl. unten § 11 D.II.2.b). 37 Für die Qualifizierung eines vertraglichen Gleichordnungskonzerns als BGB-Innengesellschaft Menz, Wirtschaftliche Einheit und Kartellverbot, 2004, S. 38, 64 f.; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 18 Rn. 10; Erman/Westermann, BGB, Vor § 705 Rn. 41. 38 In jüngerer Zeit ausführlich hierzu Menz, Wirtschaftliche Einheit und Kartellverbot, 2004, S. 64 f.; so auch Bälz, FS L. Raiser (1974), S. 287 (323, 333); Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969, S. 76 ff.; Klippert, Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Konzernen, 1984, S. 37 f.; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (361); Lutter, ZGR 1987, 324 (335); kritisch Spindler/Stilz/Schall, AktG, Vor § 15 Rn. 7; a.A. Harms, Konzerne im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1968, S. 147 ff.; a.A. für den faktischen Konzern Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 221 ff. 39 Menz, Wirtschaftliche Einheit und Kartellverbot, 2004, S. 64. 40 So auch Menz, Wirtschaftliche Einheit und Kartellverbot, 2004, S. 38, 64 f.; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 18 Rn. 10; Erman/Westermann, BGB, Vor § 705 Rn. 41; vgl. auch § 11 D.II.2.b). 41 Vgl. ausführlich unten § 11 D.II.2.b). 42 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.9.2019, 13 U 136/18, ZIP 2020, 123 (124); Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 257 f.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 964 f.; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (360 ff.); Buck-Heeb, AG 2015, 801 (804); Gasteyer/ Goldschmidt, AG 2016, 116 (123 f.); Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (508); Altmeppen, NJW 2020, 2833 (Rn. 30); a.A. Schwintowski, ZIP 2015, 617 (622 f.).

B. Grundlagen der konzernweiten Wissenszurechnung

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der hier vertretenen (zweistufigen) Theorie der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung muss diese Ansicht zwar leicht modifiziert werden, wird jedoch nicht völlig aufgehoben. Die Konzernzugehörigkeit als Zugehörigkeit zu einer arbeitsteiligen Organisation eignet sich danach (auf der ersten Stufe) sehr wohl dazu, eine grundsätzliche Wissenszurechnung zu begründen. Hinter dieser Aussage darf jedoch kein Punkt gesetzt werden, sondern es bedarf eines Kommas, nach welchem die wertende zweite Stufe des hier vorgestellten Zurechnungskonzepts das eben gefundene Ergebnis einschränkend korrigiert. Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Trennung der konzernzugehörigen Unternehmen können im Rahmen der konzerninternen Wissenszurechnung dabei nicht einfach die Wertungen der Wissenszurechnung in der juristischen Person übernommen werden. Die Gleichstellung von Einzelgesellschaft und Konzern würde einer Negation des Trennungsprinzips gleichkommen.43 Daher müssen zum einen neue Bewertungsmaßstäbe gefunden und zum anderen die gefundenen Bewertungskriterien wie Verschwiegenheitspflichten oder der Datenschutz neu angepasst werden. Der herrschenden Ansicht, dass eine Konzernverbundenheit alleine nicht für die Wissenszurechnung genügt, kann somit zumindest insoweit zugestimmt werden, als dass aus der Konzernverbundenheit als solcher nicht gefolgert werden kann, dass eine Wissenszurechnung im gleichen Maße wie bei der juristischen Person erfolgt, sondern regelmäßig in einem geringeren Umfang. 2. Sonderfall: Einmann-Tochtergesellschaft Anderes kann auch nicht für sog. Einmann-Tochtergesellschaften gelten, bei denen die Konzernmutter alleinige Gesellschafterin der abhängigen Gesellschaft ist.44 Man könnte zwar darüber nachdenken, in diesen Fällen die Wissenszurechnung den gleichen Regeln folgen zu lassen wie in Bezug auf Einheitsunternehmen, da hier keine schutzwürdigen Interessen von Minderheitsgesellschaftern in der abhängigen Gesellschaft berücksichtigt werden müssen, deren Interessen vorrangig gegenüber dem Verkehrsschutz zu bewerten wären.45 Jedoch würde durch einen solchen Ansatz die rechtliche Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft ignoriert werden und (zumindest im Bereich der Wissenszurechnung) letztlich wieder eine Einheitsbetrachtung vorgenommen werden.46 Und selbst wenn man dieses Argument aufgrund der starken wirt-

43

Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (361). So aber Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (519); ders., Bankrechtstag 2002, S. 85 (114). 45 Vgl. hierzu Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (362). 46 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 973; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (362). 44

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

schaftlichen Verbundenheit bezweifeln würde, muss gleichwohl bedacht werden, dass selbst eine hundertprozentige Beteiligung noch keine Aussage über die Ausgestaltung der Konzernführung oder gar die Ausgestaltung der Informationsströme trifft.47 Auch bei einer Einmann-Tochtergesellschaft als abhängiger Gesellschaft bleibt es der Alleingesellschafter-Muttergesellschaft unbenommen, ihre Leitungsmacht und das Weisungsrecht nur auf grundsätzliche, strategische Fragen zu beschränken und darüber hinaus einen subsidiären Leitungsansatz zu verfolgen.48 Darüber hinaus besteht gegenüber der faktisch abhängigen hundertprozentigen Tochter noch nicht einmal eine rechtlich abgesicherte Leitungsmacht.49 Zwar sind Einmann-Tochtergesellschaften in der Praxis häufig zentralistisch organisiert und verfügen über eine intensive Kopplung an die Muttergesellschaft, sodass aus diesen Umständen eine erweiterte Wissenszurechnung folgen mag. Auch darf im Rahmen einer Ausgliederung einer hundertprozentigen Konzerntochter dadurch keine rechtsmissbräuchliche Wissenssegmentierung ermöglicht werden.50 Jedoch sagt das Fehlen von Minderheitsgesellschaftern in einer Tochtergesellschaft für sich genommen noch nichts über die Reichweite der Wissensorganisation aus. Insofern kann alleine aus diesem Umstand noch keine Aussage über die Grenzen der Wissenszurechnung getroffen werden, sondern erst aus dem Vorliegen weiterer Umstände, die zum Fehlen von außenstehenden Gesellschaftern hinzutreten, wie etwa besagte rechtsmissbräuchliche Rechtsformwahl oder eine intensive Konzernleitung.51 3. Sonderfall: Vertragskonzern Ebenso lässt sich alleine aus dem Umstand des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages noch keine Aussage über die Wissenszurechnung treffen.52 Zwar besteht hier seitens des beherrschenden Unternehmens das Recht, der abhängigen Gesellschaft auch nachteilige Weisungen zu erteilen (§ 308 Abs. 1 AktG), sodass über eine einheitliche Betrachtung der weisungsgebenden

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Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 973; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (362). 48 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 973. 49 Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (362). 50 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 973. 51 Hierzu bereits Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 973; ders., ZHR 181 (2017), 311 (343); Verse, AG 2015, 413 (419, Fn. 49); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (362); GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 44; Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 132.; zu den Umständen, die für eine konzernweite Wissenszurechnung sprechen vgl. insb. unten § 11 C.II. 52 So aber (assertorisch) MünchHdbGmbH/Diekmann, § 44 Rn. 45; Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (512).

B. Grundlagen der konzernweiten Wissenszurechnung

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Muttergesellschaft und der weisungsempfangenden Tochtergesellschaft nachgedacht werden könnte. Jedoch besteht auf Seiten des herrschenden Konzernunternehmens nur das Recht zur Konzernleitung und keine grundsätzliche Pflicht zur Ausübung dieses Rechtes (zugunsten Dritter), die die Muttergesellschaft zur zentralistischen Konzernführung zwingen würde.53 Aufgrund einer fehlenden allgemeinen Konzernorganisationspflicht besteht mithin keine konzernweite Informationsorganisationspflicht.54 Ebenso wenig vermag eine – zum Zwecke der Argumentation hier angenommene – Pflicht zur Konzern-Compliance zu einem anderen Ergebnis zu führen, da eine solche Compliance immer nur die Folge, nicht aber der Grund einer etwaigen Konzernorganisationspflicht sein kann.55 Darüber hinaus verbleiben selbst in einem zentralistisch organisierten Vertragskonzern regelmäßig eigene Autonomiebereiche der Tochtergesellschaft, sodass erst recht dort von einer pauschalen Durchbrechung des konzernrechtlichen Trennungsprinzips abgesehen werden muss.56 Verstärkt wird dieses Argument dadurch, dass in diesem weisungsfreien Raum die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft ihre Entscheidungen sogar an den eigenen Interessen der abhängigen Gesellschaft ausrichten muss.57 Außerdem wird insbesondere bei einem Blick auf den GmbH-Konzern die fehlende Unterscheidungskraft des Vorliegens eines Beherrschungsvertrages deutlich, da im GmbH-Konzern ohnehin – auch ohne Beherrschungsvertrag – ein Weisungsrecht des beherrschenden Gesellschafters (der Muttergesellschaft) innerhalb der Gesellschafterversammlung gem. § 37 Abs. 1 Alt. 2 GmbHG besteht und die Konzernmutter daher in jedem Fall über einen rechtlich gesicherten Einfluss auf die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft verfügt.58 53

Vgl. hierzu LAG Hamm, Beschl. v. 24.6.1977 – 3 Ta BV 39/77, AG 1977, 323 (323); Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 216 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (334); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 60; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 AktG Rn. 34; grds. auch Fleischer, DB 2005, 759 (761 f.); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 96 f.; Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften, 2001, S. 117 f. 54 Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 212 ff., 218 ff., 268; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (334); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (124 f.); Bork, ZGR 1994, 237 (252 ff.). 55 So auch Spindler, WM 2008, 905 (905); vgl. hierzu auch Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (145 ff.); Mülbert, ZHR 179 (2015), 645 (662 ff.); Goette, ZHR 175 (2011), 388 (390 ff.); Habersack, AG 2014, 1 (2 f.). 56 Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (363). 57 Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 AktG Rn. 54; MünchKommAktG/Altmeppen, § 308 Rn. 158. 58 Hierzu auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (363).

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Insofern genügt nicht bereits das bloße Vorliegen eines Beherrschungsvertrages, um die konzernrechtliche Trennung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft in Bezug auf die Wissenszurechnung aufzuheben, sodass auch nicht im Rahmen eines Vertragskonzerns davon ausgegangen werden kann, dass dort die Wissenszurechnung die gleichen Grenzen hat wie bei einem Einheitsunternehmen.

III. Die Begrenzung der Wissenszurechnung: Beherrschbarkeit des Informationsflusses und Bildung einer funktionalen Einheit als Maßstäbe der wertenden Korrektur Nachdem festgestellt wurde, dass aufgrund des konzernrechtlichen Trennungsprinzips die Wissenszurechnung im Konzern nicht den gleichen Regeln folgen kann wie derjenigen im Einheitsunternehmen und nachdem selbst für Einmann-Tochtergesellschaften und Vertragskonzerne dieses Ergebnis bestätigt wurde, stellt sich nun die Frage, welche Kriterien die Wissenszurechnung innerhalb von Konzernen auf der korrigierenden zweiten Stufe des hier vorgestellten allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts beschränken. Dabei ist im Grundsatz an den oben in § 9 dieser Arbeit gefundenen Ergebnissen anzuknüpfen: Die wertende Wissenszurechnung findet dort ihre Grenzen, wo – abseits gesetzlicher Wertungen – die arbeitsteilige Organisation (hier: der Konzern) seiner Wissensverantwortung nachkommt und sie insbesondere im Rahmen des Möglichen und des Zumutbaren eine Wissensorganisation geschaffen hat, die sowohl die Speicherung von aktenmäßig festzuhaltenden Informationen umfasst, als auch deren Weiterleitung und Abfrage. Im Rahmen des Konzerns ist hierbei zunächst als Ausdruck des Möglichkeitskriteriums innerhalb der wertenden Beschränkung der Wissenszurechnung nach der Beherrschbarkeit des Informationsflusses zu fragen (§ 11 C.I.). Nur wenn das Bezugssubjekt, also der Zurechnungsempfänger und damit der potentiell durch die Zurechnung Wissensbelastete selbst den Informationsfluss steuern kann und darauf Einfluss nehmen kann, dass wesentliche Informationen an die relevanten Stellen innerhalb des Konzerns gelangen, ist eine solche Wissensorganisation möglich. Sofern der Informationsfluss seitens des Zurechnungsempfängers jedoch nicht beherrschbar war, muss auch eine Wissenszurechnung im Grundsatz ausscheiden, da hier im Umkehrschluss die Wissensorganisation gerade nicht möglich war. Anderes gilt nur im Bereich veranlasster Maßnahmen aufgrund der Wertung des § 166 Abs. 2 BGB (vgl. unten § 11 C.I.1.b)aa)) sowie in Bezug auf Informationen, die für den Zurechnungsempfänger trotz der fehlenden Beherrschbarkeit verfügbar waren, etwa aufgrund eines freiwilligen Informationsaustausches wie beispielsweise bei der Verwendung eines konzernweiten gemeinsamen Infor-

B. Grundlagen der konzernweiten Wissenszurechnung

247

mationsverarbeitungssystems (vgl. unten § 11 C.I.4.).59 Darüber hinaus stellen auch gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten – insbesondere im Rahmen von Doppelmandaten – und das Datenschutzrecht wichtige Grenzen der Möglichkeit einer Wissensorganisation dar, die im Rahmen der korrigierenden zweiten Stufe des hier vorgestellten Zurechnungskonzepts beachtet werden müssen. Aufgrund des konzernrechtlichen Trennungsprinzips, einer fehlenden allgemeinen Konzernleitungspflicht und der damit einhergehenden fehlenden Pflicht zur Schaffung einer gruppenweiten Informationsorganisation kann jedoch aus dem bloßen Umstand der Beherrschbarkeit des Informationsflusses noch keine abschließende Aussage über die Grenzen der Wissenszurechnung getroffen werden. Vielmehr muss zwischen dem wissenden und dem handelnden Konzernglied als Ausfluss des Zumutbarkeitskriteriums im Rahmen der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung eine funktionale Einheit bestehen, ohne die eine Wissenszurechnung ausscheiden muss (vgl. unten § 11 C.II.). Wenn ein herrschendes Unternehmen somit das abhängige Unternehmen nicht veranlasst, es keine Weisungen erteilt hat und auch kein anderer Grund besteht, beide Unternehmen in der konkreten Zurechnungssituation als funktionale Einheit zu betrachten, muss die wertende Wissenszurechnung ausscheiden. Hier lassen sich Fallgruppen bilden, die für das Vorliegen einer funktionalen Einheit sprechen: Neben der Veranlassung einer Maßnahme (worunter an dieser Stelle sowohl die rein faktische Veranlassung als auch eine Weisung verstanden werden sollen) sprechen vor allem eine intensive Beherrschung (etwa durch regelmäßige Weisungen oder eine konsequente Reportinghierarchie innerhalb des Konzerns), die Ausgliederung einzelner Tätigkeitsfelder in eine konzerneigene Tochtergesellschaft zum Zweck der Arbeitsteilung (konzerninternes Outsourcing), die Führung einer gemeinsamen Datensammlung sowie die gemeinsame Nutzung von Informationssystemen oder ein gemeinsames Auftreten am Markt für die Bildung einer funktionalen Einheit und somit für eine Wissenszurechnung (vgl. ausführlich unten § 11 C.II.2.). Insofern vermag es das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept, die wertende Wissenszurechnung im Konzern abzubilden: Nachdem in einem ersten Schritt der Grundsatz der Wissenszurechnung postuliert wurde, müssen (in der Praxis weitreichende) Einschränkungen dieses Ergebnisses vorgenommen werden. Diese Einschränkungen stehen jedoch nicht im Gegensatz zum allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzept, sondern gehen in ihm auf.

59

Vgl. zu dieser Konstellation BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 (229).

248

§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Und selbst wenn eine Zurechnung nach den Grundsätzen der wertenden Wissenszurechnung mangels Beherrschung des Informationsflusses oder mangels funktionaler Einheit zwischen dem Zurechnungssubjekt und dem Zurechnungsempfänger ausscheiden muss oder die wertende Wissenszurechnung aus anderen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist, lässt sich das Wissen innerhalb des Konzerns immer noch über § 166 Abs. 1 BGB zurechnen, wenn ein Konzernunternehmen als Vertreter tätig wird, oder auch über eine Analogie zu § 166 Abs. 1 BGB, wenn ein Konzernunternehmen als Wissensvertreter für ein anderes Unternehmen auftritt.60 Die anderen Zurechnungsmöglichkeiten abseits der wertenden Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation bleiben somit von den Grenzen dieses Zurechnungskonzepts unberührt.

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern Im Unterordnungskonzern als Idealtypus eines Konzerns beherrscht ein Unternehmen ein oder mehrere andere abhängige Unternehmen, wobei alle Gliedunternehmen unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sind (vgl. § 18 Abs. 1 AktG). Durch das Abhängigkeitsverhältnis besteht hier in besonderer Weise die Möglichkeit des herrschenden Unternehmens, auf die abhängigen Unternehmen Einfluss zu nehmen. Gleichzeitig verfügen letztere über gewisse Schutzrechte, die sie vor einer ausbeutenden und treuwidrigen Einflussnahme schützen sollen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis muss auch im Rahmen der Wissenszurechnung Berücksichtigung finden. Wie zuvor dargestellt, wird die wertende Wissenszurechnung innerhalb eines Konzerns vor allem durch die Faktoren der Beherrschbarkeit des Informationsflusses (I.) und der Bildung einer funktionalen Einheit (II.) begrenzt.

I. Beherrschbarkeit des Informationsflusses Die Wissenszurechnung findet ihre Grenze dort, wo es dem potentiellen Zurechnungsempfänger unmöglich ist, eine ordnungsgemäße Wissensorganisation aufzubauen und zu unterhalten. Wenn jedoch das Bezugssubjekt insbesondere einen (rechtlich und auch praktisch) durchsetzbaren Informationsanspruch gegen den Wissenden (hier ein anderes konzernverbundenes Unternehmen) hat, der ihm die Möglichkeit verschafft, Wissen abzufragen, muss regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Informationsfluss dem Grunde nach beherrschbar ist, sodass auch von einer grundsätzlichen 60

Vgl. auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (365).

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

249

Möglichkeit der Wissensorganisation auszugehen ist. Diese Voraussetzung ist allerdings im Konzern in vielerlei Konstellationen gerade nicht gegeben, sodass allein schon aufgrund dieser Tatsache das oben begründete RegelAusnahme-Verhältnis des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts, wonach die Wissenszurechnung innerhalb einer arbeitsteiligen Organisation der Grundsatz ist und die Grenzen die begründungsbedürftigen Ausnahmen, hier faktisch umgekehrt wird und Spindler im Ergebnis recht behält, wenn er schreibt, dass die Wissenszurechnung im Konzern nicht die Regel, sondern die begründungsbedürftige Ausnahme sei.61 Wenn jedoch die Wissenszurechnung die Beherrschbarkeit des Informationsflusses (oder ggf. zumindest die Möglichkeit des Zugriffs auf die Informationen)62 voraussetzt, dann bedarf es einer Unterscheidung der verschiedenen Zurechnungsrichtungen, da die Beherrschungsmöglichkeiten der Muttergesellschaft andere sind als diejenigen der Tochtergesellschaft oder einer gleichrangigen Schwestergesellschaft. 1. Der Informationsfluss von der Mutter zur Tochter a) Die Beherrschung des Informationsflusses Sollen rechtserhebliche Informationen innerhalb eines Konzerns von der Muttergesellschaft zur Tochtergesellschaft zugerechnet werden, so bedarf es hierzu im Ausgangspunkt der Beherrschungsmöglichkeit des Informationsflusses seitens der Tochtergesellschaft als Zurechnungsempfänger.63 Zur Beherrschung des Informationsflusses bedarf es seinerseits einer rechtlich abgesicherten Möglichkeit zum Zugriff auf Informationen, die in der Regel durch einen Informationsanspruch der abhängigen Gesellschaft gegenüber der herrschenden Gesellschaft gewährleistet wird.64 aa) Auskunftsrechte bei Bestehen einer schuldrechtlichen Sonderverbindung Ein solcher Informations- bzw. Auskunftsanspruch der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft kann sich zunächst im Rahmen bestehender schuldrechtlicher Sonderverbindungen innerhalb des Konzerns ergeben, wie beispielsweise im Rahmen von Cash-Pool- oder Cash-ManagementVerträgen, konzerninternen Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverträgen oder Verträgen über Lieferungen und Leistungen. Namentlich in Cash-Pool- und Cash-Management-Verträgen wird überwiegend die Einrichtung eines geeigneten Informations- oder „Frühwarnsys-

61

Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (333). Vgl. zur freiwilligen Informationsweitergabe unten § 11 C.I.4. 63 So auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.9.2020 – 13 U 136/18, ZIP 2020, 123 (124). 64 So auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (365). 62

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

tems“ verlangt,65 wobei diesbezüglich in der Regel weitgehende Informationsrechte der teilnehmenden Tochtergesellschaften sowie korrespondierende aktive Berichtspflichten des herrschenden Unternehmens ausdrücklich vereinbart oder anderenfalls im Wege ergänzender Vertragsauslegung in den Vertrag integriert werden.66 Darüber hinaus können sich mitunter aus gruppeninternen Verträgen über Lieferungen und Leistungen vertragliche Auskunftsrechte ergeben.67 Im Rahmen von Verträgen mit Auftrags- oder Geschäftsbesorgungscharakter bestehen schon aufgrund gesetzlicher Anordnung (§§ 666, 675 Abs. 1 BGB) Auskunftspflichten. Daneben besteht die Möglichkeit – sofern eine Sonderrechtsbeziehung zwischen der Tochter und der Mutter vorliegt –, ein Auskunftsrecht aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) herzuleiten.68 Auch wenn nach gefestigter Ansicht im Rahmen schuldrechtlicher Sonderverbindungen keine allgemeinen Auskunftsansprüche der Parteien untereinander bestehen,69 kann trotzdem ein solcher Anspruch im Ausnahmefall bestehen, „wenn es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, daß der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seiner Rechte im Ungewissen, der Inanspruchgenommene aber in der Lage ist, die verlangte Auskunft unschwer zu erteilen“.70

65 Hierzu BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 (Rn. 14); Pöschke, ZGR 2015, 550 (556 f.); Henze, WM 2005, 717 (726); Decker, ZGR 2013, 392 (401 f.); Göcke/Rittscher, DZWIR 2012, 355 (359 f.); Emmerich/Habersack/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 47b; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbhG, § 30 Rn. 56b; vgl. allgemein zu Informationssystemeinrichtungspflichten im Konzern, S. H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006, S. 310 ff.; anders Decker, ZGR 2013, 392 (406, 410), der den Cash-Pool als BGB-Gesellschaft begreift und aufgrund dessen einen entsprechenden Informationsanspruch auf § 716 BGB stützen kann. 66 Vgl. hierzu Pöschke, ZGR 2015, 550 (556 f., 558); vgl. auch Altmeppen, NZG 2010, 401 (405), der sogar für die abhängige Gesellschaft davon ausgeht, dass ein gesetzlicher Anspruch besteht. 67 Vgl. hierzu Pöschke, ZGR 2015, 550 (557). 68 Pöschke, ZGR 2015, 550 (558 f.); zust. Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 311 Rn. 36e. 69 RG, Urt. v. 3.6.1921 – II 590/20, RGZ 102, 235 (236); BGH, Urt. v. 7.5.1980, VIII ZR 120/79, NJW 1980, 2463 (2463 f.); Staudinger/Looschelders/Olzen (2019), BGB, § 242 Rn. 605. 70 BGH, Urt. v. 7.5.1980, VIII ZR 120/79, NJW 1980, 2463 (2463); ähnlich bereits RG, Urt. v. 19.11.1938 – II 69/38, RGZ 158, 377 (379); ähnlich auch BGH, Urt. v. 5.11.2002 – XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307 (316); Staudinger/Looschelders/Olzen (2019), BGB, § 242 Rn. 605; MünchKommBGB/Krüger, § 260 Rn. 12; zu dem Auskunftsrecht aus Treu und Glauben vgl. auch unten § 12 C.I.3.

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

251

bb) Auskunftsrechte aus Unternehmensverträgen iSd. § 291 AktG Ebenso können sich aus einem Unternehmensvertrag iSd. § 291 AktG Auskunftsrechte der Tochtergesellschaft ergeben. Auch wenn aufgrund der organisationsrechtlichen Dimension der Verträge iSd. § 291 AktG über den Umfang der Vertragsfreiheit bzw. konkreter über die Möglichkeit und den Umfang von Nebenabreden gestritten wird,71 besteht jedenfalls dahin gehend Einigkeit, dass Nebenabreden, die das Vertragsverhältnis über die gesetzlichen Mindestanforderungen der §§ 291 ff. AktG hinaus gestalten, möglich sein sollen, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften dem entgegenstehen.72 Da jedoch Konstellationen, in denen die Vereinbarung bestimmter Auskunftsrechte gegen zwingende aktienrechtliche Vorschriften verstoßen, nur schwerlich vorstellbar sind, wird es regelmäßig zulässig sein, Auskunftsrechte der Tochtergesellschaft gegenüber ihrer Mutter unternehmensvertraglich zu vereinbaren.73 Darüber hinaus lässt sich auch im Rahmen einer unternehmensvertraglichen Verbindung darüber nachdenken, Auskunftsrechte der Tochtergesellschaft aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) herzuleiten. Eine allgemeine Aufklärungspflicht aufgrund einer vertraglichen Verbundenheit kann § 242 BGB zwar nicht entnommen werden, wohl aber im Ausnahmenfall in den oben beschriebenen Grenzen.74 Ein solcher Anspruch der abhängigen Gesellschaft soll etwa aufgrund des Konzernprivilegs in §§ 291 Abs. 3, 57 Abs. 1 S. 3 Fall 1 AktG bzw. § 30 Abs. 1 S. 2 Fall 1 GmbHG und der daraus folgenden Suspendierung des Kapitalschutzes im Vertragskonzern in Bezug auf solche Informationen hergeleitet werden können, die über die Leistungsfähigkeit und die finanziellen Verhältnisse der herrschenden Gesellschaft Aufschluss geben, wenn Leistungen erfolgen sollen, die ohne diese Konzernprivilegierung unzulässig wären.75 Darüber hinaus lässt sich darüber nachdenken, über § 242 BGB eine Auskunftspflicht des herrschenden Unternehmens in Bezug auf solche Informationen herzuleiten, die das abhängige Unternehmen zur Prüfung der Zu-

71

Hierzu ausführlich und mwNachw. MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 31 ff.; K. Schmidt/Lutter/Langenbucher, AktG, § 291 Rn. 27 ff. 72 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211 (217); OLG München, Urt. v. 14.6.1991 – 23 U 4638/90, AG 1991, 358 (360); Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1983, S. 49 ff.; ders., AG 1981, 175 (176); MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 33; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 AktG Rn. 18, jeweils mwNachw. 73 So auch Pöschke, ZGR 2015, 550 (561). 74 Vgl. hierzu oben § 11 Fn. 70 f.; zu dem Auskunftsrecht aus Treu und Glauben vgl. auch unten § 12 C.I.3. 75 Hierzu ausführlich Pöschke, ZGR 2015, 550 (564 ff.); vgl. auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (365); Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 311 Rn. 36e.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

lässigkeit einer Weisung iSd. § 308 AktG benötigt.76 Auch wenn – wie gleich darzulegen sein wird – bei Weisungen des herrschenden Unternehmens ohnehin aufgrund des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 2 BGB eine Wissenszurechnung zur Tochtergesellschaft stattfinden soll,77 spricht vieles dafür, der Tochtergesellschaft wenigstens einen entsprechenden Informationsanspruch zuzusprechen, wenn ihr ohnehin das Wissen der weisungsgebenden Muttergesellschaft zugerechnet wird. cc) Auskunftsrechte als Ausfluss mitgliedschaftlicher Treuepflichten Darüber hinaus kann, auch wenn über die mehrheitliche Beteiligung hinaus keine rechtlichen Sonderbeziehungen zwischen der Mutter- und der Tochtergesellschaft bestehen oder sich zumindest keine Auskunftsrechte aus diesen Sonderbeziehungen ergeben, über die mitgliedschaftliche Treuepflicht im Konzern – soweit eine solche Pflicht angenommen wird – ein Auskunftsanspruch gefolgert werden.78 Insbesondere können über Treuepflichten Auskunftsansprüche über Informationen in Bezug zur mitgliedschaftlichen Stellung des Tochterunternehmens entstehen, wie etwa zum Bestehen und zur Höhe unerlaubt erlangter Sondervorteile durch die herrschende Gesellschaft, da hier das Informationsinteresse der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der herrschenden Gesellschaft obsiegen dürfte.79 Demgegenüber sind Auskünfte ohne Bezug zur mitgliedschaftlichen Stellung aufgrund regelmäßig entgegenstehender schützenswerter Geheimhaltungsinteressen der herrschenden Gesellschaft nur ausnahmsweise zu erteilen, beispielsweise bei anderenfalls drohenden gravierenden Nachteilen für die abhängige Gesellschaft oder wenn in dem konkreten Fall keine rechtlich geschützten Interessen der herrschenden Gesellschaft entgegenstehen.80

76 Pöschke, ZGR 2015, 550 (567 ff.); wohl a.A. MünchKommAktG/Altmeppen, § 308 Rn. 151. 77 Dazu sogleich, § 11 C.I.1.b)aa). 78 Zur Reichweite der Treuepflicht im Konzern vgl. ausführlich Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000, passim; Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, passim; vgl. auch Pöschke, ZGR 2015, 550 (571 ff.); GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rn. 152 ff.; für eine Treuepflicht auch im Vertragskonzern vgl. Tröger, Treuepflicht im Konzernrecht, 2000, S. 210 ff.; Zöllner, ZHR 162 (1998), 235 (241); Burgard, FS Lutter (2000), S. 1033 (1044); a.A. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 134; Bachmann, NZG 2001, 961 (970 f.); Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 89; GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rn. 152. 79 Pöschke, ZGR 2015, 550 (579 f.); ähnlich auch BGH, Urt. v. 11.12.2006 – II ZR 166/05, NJW 2007, 917 (917). 80 Pöschke, ZGR 2015, 550 (580).

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

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Darüber hinaus bestehen Informationsansprüche der abhängigen Gesellschaft in Bezug auf solche Informationen, die zur Erfüllung von Pflichten mit Konzernbezug notwendig sind.81 Hierunter fallen etwa Auskunftsansprüche bezüglich Informationen, die die abhängige Gesellschaft zwingend benötigt, um den Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktG zu erstellen, ihre Rechnungslegungspflichten nach HGB oder IFRS zu erfüllen oder ihren Pflichten zur Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 MAR nachzukommen.82 dd) Zwischenfazit Insofern ist festzuhalten, dass die Tochtergesellschaft im Verhältnis zur Muttergesellschaft zwar an verschiedenen Stellen und aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen Auskunftspflichten in dieser Richtung bestehen.83 Trotzdem dürfte diese Erkenntnis für die Frage der Begrenzung der Wissenszurechnung ohne größere Bedeutung sein, da ebenso gezeigt wurde, dass diese Auskunftsansprüche der abhängigen Gesellschaft lediglich punktueller Natur sind und darüber hinaus in der Regel nur einzelne Aspekte des Konzerninnenlebens betreffen. Daher muss zwar anerkannt werden, dass die Konzerntochter in einigen Bereichen den Informationsfluss von der Muttergesellschaft durch die Ausübung ihrer Auskunftsansprüche beherrschen kann, die hiervon betroffenen Informationen jedoch häufig nur wenig Relevanz im Rahmen der Wissenszurechnung haben werden. b) Ausnahme: Zurechnungsfähigkeit des Wissens der Muttergesellschaft zur Tochtergesellschaft trotz fehlender Beherrschbarkeit des Informationsflusses aa) Zurechnungsfähigkeit der Kenntnis der Muttergesellschaft bei Veranlassung nach dem Gedanken des § 166 Abs. 2 BGB Doch selbst wenn die Tochtergesellschaft keine Möglichkeit zur Beherrschung des Informationsflusses hat, lässt sich zumindest im Fall der Veranlassung einer Maßnahme durch die Muttergesellschaft über eine Wissenszurechnung nachdenken. Hierbei ist zunächst an eine Weisung der Muttergesellschaft in einem Vertragskonzern nach § 308 Abs. 1 AktG zu denken, 81

Pöschke, ZGR 2015, 550 (581 ff.); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (365); Hüffer/ Koch/Koch, AktG, § 311 Rn. 36e. 82 Vgl. hierzu S.H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006, S. 166 f.; Singhof, ZGR 2001, 146 (169 f.); Pöschke, ZGR 2015, 550 (581); MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 426. 83 A.A. gegen Informationsansprüche in diese Richtung Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (337); so wohl auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.9.2019 – 13 U 136/18, ZIP 2020, 123 (124); den Gegenpol bildet U.H. Schneider, der bei ausgeübter einheitlicher Leitung für ein weitreichendes Auskunftsrecht über die beabsichtigte Konzerngeschäftspolitik plädiert, vgl. U.H. Schneider, FS Lutter (2000), S. 1193 (1203 f.).

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

genauso könnte dies aber auch eine Weisung durch einen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung einer abhängigen GmbH nach § 37 Abs. 1 Alt. 2 GmbHG sein, die durch die beherrschende Stellung der Muttergesellschaft beschlossen wurde,84 oder eine faktische Veranlassung durch Einflussnahme in einem faktischen Konzern. Wenn die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft anweist, eine bestimmte Maßnahme durchzuführen, ist diese Situation vergleichbar mit dem Rechtsgedanken, der § 166 Abs. 2 BGB zugrunde liegt.85 Zwar handelt das Geschäftsführungsorgan der angewiesenen abhängigen Gesellschaft für diese und nicht für die Muttergesellschaft, sodass keine Form der Stellvertretung vorliegt und dementsprechend § 166 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist. Im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung dürfen jedoch auch gesetzliche Wertungen nicht unberücksichtigt bleiben. In § 166 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass derjenige, auf dessen Veranlassung hin eine Maßnahme getroffen wird, sich seines Wissens nicht durch die Einschaltung einer Mittelsperson entledigen kann und dass (auch) das Wissen desjenigen maßgeblich sein soll, der das Handeln maßgeblich prägt.86 § 166 Abs. 2 BGB liegt somit – im Übrigen ebenso wie Abs. 1 – die Wertung zugrunde, dass in Bezug auf die rechtserhebliche Kenntnis auf diejenige Person abgestellt werden soll, auf deren Interessenbewertung und Entschließung es im Rahmen der Vertretung ankommt.87 Dem scheint zwar entgegenzustehen, dass § 166 Abs. 2 BGB das Wissen dem Geschäftsherrn als der hinter der Maßnahme stehenden Person zurechnet, hier jedoch das Wissen über die in § 166 Abs. 2 BGB enthaltene Wertung der Tochtergesellschaft als unmittelbar Handelnde zugerechnet werden soll. Bei einer veranlassten Maßnahme der Tochtergesellschaft liegt – anders als im Rahmen der Stellvertretung – kein Geschäft des Hintermanns vor, sondern des unmittelbar Handelnden, quasi eine Art der mittelbaren Stellvertretung. Die Wertung des § 166 Abs. 2 BGB, nach der derjenige, auf dessen Veranlassung hin eine Maßnahme getroffen wird, sich seines Wissens nicht durch die Einschaltung einer Mittelsperson entledigen kann und somit (auch) auf das Wissen desjenigen abgestellt werden muss, der das Handeln maßgeblich prägt, lässt sich allerdings auch auf die Weisung der Muttergesellschaft ge-

84 Vgl. zum Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafterversammlung BGH, 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (278); BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957 (960); Mennicke, NZG 2000, 622 (622 ff.); Ebert, GmbHR 2003, 444 (444 ff.); Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 75 ff. mwNachw. 85 So auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366). 86 Vgl. hierzu Mot. I, S. 227 = Mugdan I, S. 478; vgl. auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 966. 87 BGH, Urt. v. 24.10.1968 – II ZR 214/66, BGHZ 51, 141 (147).

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

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genüber der Tochtergesellschaft gem. § 308 Abs. 1 AktG übertragen. Auch dort findet auf Veranlassung einer anderen Person als der handelnden eine Maßnahme statt, ohne dass die veranlassende Person selbst in Erscheinung tritt. Insofern muss auch die wertende Wissenszurechnung hierauf Rücksicht nehmen, sodass folglich das Wissen der Muttergesellschaft über die angewiesene Maßnahme der Tochtergesellschaft zugerechnet werden muss.88 Gleiches muss für den GmbH-Konzern gelten, wenn der Geschäftsführer einer abhängigen GmbH durch einen Gesellschafterbeschluss iSd. § 37 Abs. 1 Alt. 2 GmbHG zu einer bestimmten Maßnahme veranlasst wird, da auch hier die Muttergesellschaft als Mehrheitsgesellschafterin durch ihre Weisung das Handeln maßgeblich prägt.89 Selbst im faktischen AG-Konzern, in dem der herrschenden Gesellschaft kein Weisungsrecht nach dem Muster des § 308 Abs. 1 AktG zusteht, und auch in anderen Konzernformen, in denen zwar der Muttergesellschaft ein formelles Weisungsrecht grundsätzlich zusteht, sie von diesem jedoch keinen Gebrauch macht, sondern nur einen Wunsch oder eine Empfehlung äußert oder auf faktische Weise durch ihre beherrschende Stellung auf die Entscheidung der Tochtergesellschaft Einfluss nimmt, lässt sich das Wissen der Muttergesellschaft der ausführenden Tochtergesellschaft nach dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 2 BGB, integriert in die wertende Wissenszurechnung, zurechnen.90 Insofern wird der Weisungsbegriff in § 166 Abs. 2 BGB weit ausgelegt, es soll nämlich nicht auf eine rechtliche Bindungswirkung der Einflussnahme ankommen, sondern lediglich auf die faktische Prägung der Maßnahme nach dem Willen der Muttergesellschaft.91 Hiergegen lässt sich nun einwenden, dass der Tochtergesellschaft somit das Wissen der veranlassenden Muttergesellschaft zugerechnet wird, sogar,

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So auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.9.2019 – 13 U 136/18, ZIP 2020, 123 (124); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (335); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); i.E. auch Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern 2000, S. 152 ff., der dies jedoch über die Vorstellung eines Quasi-Organs lösen möchte. 89 BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957 (960); Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 966; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); Ellers, GmbHR 2004, 934 (937); hierfür ist es sogar ohne Belang, ob an dem Gesellschafterbeschluss auch gutgläubige Minderheitsgesellschafter mitgewirkt haben, solange die Stimmen der herrschenden Muttergesellschaft den Beschluss alleine tragen, vgl. Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); vgl. auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 967 f. 90 So auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.9.2019 – 13 U 136/18, ZIP 2020, 123 (124); Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 966 f.; ders., ZHR 181 (2017), 311 (336); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366). 91 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 21.6.1968 – V ZR 32/65, BGHZ 50, 364 (368); UHL/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 206; MünchKommGmbHG/Stephan/Thieves, § 35 Rn. 223; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 33 ff., jeweils mwNachw.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

wenn sie selbst keinen Einfluss auf die Erlangung der in Rede stehenden Informationen hatte. Vor dem Hintergrund der Möglichkeit der Wissensorganisation als Begrenzungsfaktor der Wissenszurechnung stellt dies einen nicht unerheblichen Bruch dar. Auch wenn dieser Umstand vor dem Hintergrund einer klaren gesetzgeberischen Wertung, die in § 166 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt, zu rechtfertigen ist und die Möglichkeit der Wissensorganisation eben nur ein Wertungskriterium ist, jedoch nicht die Wertung abschließend bestimmt, ist doch in solchen Veranlassungssituationen umso eher von einem Auskunftsanspruch der Tochtergesellschaft gegenüber der Mutter auszugehen, um die Tochtergesellschaft vor einer Wissenszurechnung bei gleichzeitig fehlender Wissensbeherrschungsmöglichkeit zu schützen. Im faktischen Konzern besteht etwa im Zusammenhang mit dem nach § 311 AktG erforderlichen Nachteilsausgleich die Pflicht des herrschenden Unternehmens, dem Tochtervorstand die Umstände der veranlassten Maßnahme zu erläutern.92 Zudem spricht abseits dieser Regelung – insbesondere im Vertragskonzern –vieles dafür, ein Auskunftsanspruch über Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Tochtergesellschaft zuzusprechen, der sie in die Lage versetzt, das ihr zugerechnete Wissen auch tatsächlich erlangen zu können. bb) Zurechnungsfähigkeit der Kenntnis der Muttergesellschaft abseits der konkreten Veranlassung? Hat die herrschende Gesellschaft die abhängige Gesellschaft nicht zu einer bestimmten Maßnahme veranlasst, stellt sich die Frage, ob ihr Wissen auch dort der Tochtergesellschaft zugerechnet werden kann. Der Weg über den Rechtsgedanken des § 166 Abs. 2 BGB muss hier allerdings verwehrt bleiben, da bei dem Fehlen einer konkreten Veranlassung der Maßnahme keine der Vertretung vergleichbare Einflussnahme seitens der Konzernmutter als „Quasi-Geschäftsherr“ vorliegt. Allenfalls ließe sich über eine Wissensorganisationspflicht der Muttergesellschaft nachdenken, die auch auf die Tochtergesellschaft ausstrahlt, oder über eine Zurechnung qua erzeugten Vertrauens.93 Diese Konzepte setzen wiederum nicht bei der Beherrschbarkeit der Informationsabläufe für die Tochtergesellschaft als potentiellem Zurechnungsempfänger an, sondern bei der Muttergesellschaft. Insofern würde hier der Tochter Wissen zugerechnet werden, ohne dass sie selbst den Informations-

92 Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 187 f.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (336); Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Kropff, AktG, 1976, § 311 Rn. 52; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 153; weitergehend U.H. Schneider, FS Lutter (2000), S. 1193 (1202 ff.), der einen Auskunftsanspruch auch bzgl. der künftigen Geschäftspolitik annimmt. 93 Vgl. hierzu etwa Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (337 ff., 340 f.).

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fluss steuern kann und somit selbst weder Einfluss auf die Speicherung noch auf die Weiterleitung der maßgeblichen Informationen hat. Damit steht hier abermals eine Wissenszurechnung zur Diskussion, bei der dem Zurechnungsempfänger selbst keine Möglichkeit zur Wissensorganisation zukommt. Mit Blick auf die Wissenszurechnung bei einer konkreten Veranlassung mag hier eingewendet werden, dass auch dort das Wissen der Muttergesellschaft über den Rechtsgedanken des § 166 Abs. 2 BGB zu der Tochter zugerechnet werden kann, ohne dass letztere Einfluss auf die Wissensweitergabe hat. Dort wurde mit der gesetzlichen Wertung des § 166 Abs. 2 BGB argumentiert, die in die wertende Wissenszurechnung im Konzern übertragen wurde. Begründet wurde dies mit einer vergleichbaren Interessenlage, da auch im Rahmen der Veranlassung einer Maßnahme im Konzern der maßgebliche Einfluss bei der Konzernmutter liegt und nicht bei der Tochtergesellschaft. Eine solche Wertung liegt jedoch weder im Rahmen vernachlässigter Wissensorganisationspflichten der Muttergesellschaft noch im Rahmen des enttäuschten Vertrauens in die Muttergesellschaft vor. In beiden Fällen fehlt eine gesetzliche Wertung entsprechend derjenigen aus § 166 Abs. 2 BGB, die eine Wissenszurechnung nahelegt. Darüber hinaus würde in beiden Fällen wegen eines Fehlverhaltens der Muttergesellschaft das Wissen der Tochtergesellschaft zugerechnet werden, die selbst keinerlei Möglichkeit zur Einflussnahme besitzt. Auch wenn die Muttergesellschaft ihrer (hier zu unterstellenden) Wissensorganisationspflicht nicht nachgekommen ist oder wenn sie erzeugtes Vertrauen enttäuscht hat, mangelt es an der Beherrschbarkeit der Informationskanäle seitens der Tochtergesellschaft, sodass dieses Fehlverhalten der Muttergesellschaft auch nicht dazu führen kann, dass die Tochtergesellschaft als Zurechnungsempfängerin ihre Wissensverantwortung missachtet hat. Insofern erscheint schon wegen der fehlenden Einflussmöglichkeit der Tochtergesellschaft auf die Wissensweiterleitung und dem gleichzeitigen Fehlen einer gesetzlichen Wertung, die diese Grundvoraussetzung der Wissenszurechnung ausnahmsweise dispensieren könnte, eine Wissenszurechnung von der Mutter- zur Tochtergesellschaft bei fehlender Beherrschbarkeit des Informationsflusses in dieser Richtung und gleichzeitigem Fehlen einer konkreten Veranlassung zweifelhaft. (1) Zurechnung kraft Organisationspflicht der Muttergesellschaft? Abseits der generellen Frage nach der Zurechnungsfähigkeit von Wissen der Muttergesellschaft zur Tochter bei der Verletzung von Informationsspeicherungs- und -weiterleitungspflichten seitens der Muttergesellschaft ist grundlegend zu prüfen, ob der Muttergesellschaft innerhalb eines Konzerns überhaupt eine Wissensorganisationspflicht zukommt, auf die eine Wissenszurechnung zur Tochtergesellschaft aufbauen könnte.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Eine solche Wissensorganisationspflicht der Muttergesellschaft eines faktischen AG-Konzerns scheitert jedoch schon an der Konzeption dieser Konzernart: Bereits der an einzelnen Maßnahmen anknüpfende Nachteilsausgleich gem. § 311 AktG impliziert gerade keine Pflicht zur intensiven Ausübung der Leitungsmacht, sondern ist am Leitbild eines dezentral organisierten Konzerns ausgerichtet.94 Aufgrund dieser Konzeption des faktischen AG-Konzerns kann nicht von einer Pflicht zur einheitlichen Leitung des Konzerns der Muttergesellschaft gegenüber der abhängigen Gesellschaft ausgegangen werden,95 sodass einer allgemeinen Konzernorganisationpflicht, deren Teil die konzerninterne Wissensorganisationspflicht sein würde, bereits die Rechtsgrundlage fehlt.96 Darüber hinaus spricht gegen eine solche Konzernleitungspflicht im Verhältnis zur abhängigen Gesellschaft auch der Umstand, dass ihr Vorstand trotz ihrer Abhängigkeit weiterhin zur eigenverantwortlichen Leitung verpflichtet bleibt (§ 76 AktG).97 Demgegenüber hat namentlich Schwintowski dafür plädiert, aus dem grundsätzlichen Nachteilszufügungsverbot und der ausnahmsweisen Nachteilsausgleichspflicht gem. § 311 AktG sowie dem Gedanken der Schadensminderungsobliegenheit gem. § 254 Abs. 2 BGB die Pflicht der Muttergesellschaft herzuleiten, dem Tochterunternehmen die für sie nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen.98 Begründet wurde diese These mit dem Argument, dass, wenn das herrschende Unternehmen für den schädigenden Eingriff zum Nachteilsausgleich verpflichtet sei, es „nach der Ratio des § 254 BGB ,erst recht‘ im Vorfeld des schädigenden Eingriffs verpflichtet sei[…], dem abhängigen Unternehmen Informationen zu geben, die diese Schädigung vermeiden“.99 Diese Ansicht, die – soweit ersichtlich – bisher ausschließlich auf Widerspruch gestoßen ist,100 verkennt allerdings, dass durch eine solche Informa-

94 Vgl. hierzu Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (338); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 61 Rn. 2; Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 1 ff. 95 Hüffer, Liber Amicorum Happ (2006), S. 93 (97 f.); Flume, Die juristische Person, 1983, § 3 III.3., S. 90 Fn. 97; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 152; Emmerich/ Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 10; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 403; K. Schmidt/Lutter/J. Vetter, AktG, § 311 Rn. 132; MünchHdbAG/Krieger, § 70 Rn. 26, jeweils mwNachw.; a.A. für eine Konzernleitungspflicht ggü. der abhängigen Gesellschaft U.H. Schneider, FS Hadding (2004), S. 621 (630); ähnlich auch ders./S.H. Schneider, AG 2005, 57 (61). 96 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (338); zur fehlenden Rechtsgrundlage auch KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 152. 97 Hierzu MünchHdbAG/Krieger, § 70 Rn. 26. 98 Schwintowski, ZIP 2015, 617 (618). 99 Schwintowski, ZIP 2015, 617 (618). 100 Verse, AG 2015, 413 (414 f.); Koch, ZIP 2015, 1757 (1764 f.); Gasteyer/Goldschmidt,

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tionspflicht faktisch eine Konzernleitungspflicht in den faktischen AGKonzern implementiert werden würde, auch wenn diese gerade der Konzeption dieser Konzernart widerspricht.101 Ebenso verkennt sie die teleologische Bedeutung des § 311 AktG: Diese Norm hat gerade nicht den Zweck, eine Nachteilszufügung zu verbieten (dies ergäbe sich bereits aus §§ 57, 117 AktG und der mitgliedschaftlichen Treuepflicht), sondern vielmehr umgekehrt eine Nachteilszufügung ausnahmsweise zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 311 AktG – insbesondere der Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 1 a.E. AktG – erfüllt sind.102 Insofern wäre es widersinnig, eine Pflicht, den Nachteilsausgleich zu minimieren, gleichfalls über § 311 AktG herleiten zu wollen. Schlussendlich ließe sich eine solche Konstruktion in keinem Fall auf die Schadensgeringhaltungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB stützen, da sich zum einen diese Obliegenheit an den Geschädigten richtet, hier jedoch eine Pflicht der Muttergesellschaft als Schädiger begründet werden soll, und da zum anderen der Anwendungsbereich des § 254 Abs. 2 BGB zeitlich in das Vorfeld der Schädigung ausgedehnt werden würde.103 Demgegenüber ließe sich allenfalls überlegen, in Bezug auf den AG-Vertragskonzern oder den GmbH-Konzern eine solche Wissensorganisationspflicht (insbesondere eine Informationsweiterleitungspflicht) aus dem dortigen Weisungsrecht der Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochter abzuleiten. Jedoch folgt aus dem Weisungsrecht der Muttergesellschaft gerade keine allgemeine Weisungspflicht gegenüber der Tochtergesellschaft.104 Eine allgemeine Konzernleitungspflicht, als deren Ausfluss eine Informationsorganisationspflicht deduziert werden könnte, besteht somit auch hier nicht.105 Stattdessen weisen im Vertragskonzern die §§ 302 ff. AktG ein austariertes Schutzkonzept für Minderheitsgesellschafter und Gläubiger durch Verlustausgleichsansprüche und Sicherungsmechanismen vor, die unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Leitung sind.106 Vor dem Hintergrund dieses bereits an der bloßen Abhängigkeit ansetzenden Schutzkonzepts ist eine Pflicht zur intensiven Konzernleitung bzw. in concreto zur Wissensweiterlei-

AG 2016, 116 (123, Fn. 41); Werner, WM 2016, 1474 (1477 f.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (338). 101 Hierzu vgl. auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (338). 102 So auch Koch, ZIP 2015, 1757 (1765). 103 So auch Koch, ZIP 2015, 1757 (1764); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (123, Rn. 41); Werner, WM 2016, 1474 (1478); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (338). 104 Hierzu Fleischer, DB 2005, 759 (759 ff.); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 60; Emmerich/Habersack/Emmerich, GmbH- und Aktienkonzernrecht, § 308 AtkG Rn. 34 f., § 309 AktG Rn. 35 f.; MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 60 ff., 65 ff., § 309 Rn. 50 ff., 53 ff.; MünchKommGmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 848 f. 105 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (339). 106 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (339).

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tung jedoch nicht erforderlich, da bei einer Schädigung der Tochter die Ausgleichsansprüche gegen die Muttergesellschaft eingreifen.107 Insofern kann weder im faktischen AG-Konzern noch im AG-Vertragskonzern oder im GmbH-Konzern mangels allgemeiner Konzernleitungspflicht von einer generellen Pflicht der beherrschenden Gesellschaft zur Wissensorganisation ausgegangen werden, sodass eine Wissenszurechnung von der Mutter- zur Tochtergesellschaft abseits einer konkreten Veranlassung kraft Wissensorganisationspflichten der Muttergesellschaft ausscheiden muss. (2) Zurechnung qua erzeugten Vertrauens? Daneben stellt sich die Frage, ob eine Wissenszurechnung zur Tochtergesellschaft aufgrund enttäuschten Vertrauens in die Muttergesellschaft möglich ist. In einem solchen Fall hat die Muttergesellschaft zurechenbar konkretes Vertrauen erweckt, dass ihre Tochtergesellschaft von ihr Informationen erhält, dieses Vertrauen jedoch im späteren Verlauf enttäuscht. Neben der oben getroffenen Feststellung, dass es bereits zweifelhaft erscheint, der abhängigen Gesellschaft Wissen der beherrschenden Gesellschaft zuzurechnen, obwohl erstere mangels Informationsweiterleitungsanspruch keine rechtlich abgesicherte Zugriffsmöglichkeit auf dieses Wissen hatte, sondern ihr alleine aufgrund einer Verhaltensweise der beherrschenden Gesellschaft ohne ihr Zutun Wissen zugerechnet werden würde,108 stellt sich zudem die Frage, ob enttäuschtes Vertrauen überhaupt eine taugliche Zurechnungsgrundlage darstellen kann.109 In einem solchen Fall haftet – das nötige Verschulden und einen kausalen Schaden vorausgesetzt – die Muttergesellschaft im Rahmen der Sachwalterhaftung gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB für eine nicht ausreichende Wissensorganisation, soweit sich der Gläubiger auf das von der Muttergesellschaft zurechenbar hervorgerufene Vertrauen auf eine konzernweite Wissensorganisation verlassen hat.110 Hierbei handelt es sich jedoch um eine originäre Haftung der Muttergesellschaft und nicht um eine Zurechnung zur Tochtergesellschaft. Diese Zuordnung zur Muttergesellschaft ist auch vor dem Hintergrund der Verantwortung für das enttäuschte Vertrauen konsequent, da nicht die Tochtergesellschaft, sondern die Muttergesellschaft Vertrauen erzeugt und im späteren Verlauf enttäuscht hat. Nicht die Tochtergesellschaft hatte Einfluss auf das erweckte Vertrauen seitens der Mutter-

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So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (339). Vgl. hierzu § 11 C.I.1.b)bb)(1). 109 Vgl. hierzu auch bereits oben § 9 B.II. 110 Vgl. hierzu Riekers, Konzernvertrauen und Konzernrecht, 2004, S. 166 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (340). 108

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gesellschaft, sondern nur die Muttergesellschaft selber, sodass diese auch die Verantwortung hierfür trägt. Dies gilt umso mehr, als dass ein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen des Vertragspartners der Tochtergesellschaft nicht allein aus der Tatsache der Konzernierung oder der Nutzung von Konzernlogos folgt, da die Tatsache der Abhängigkeit iSd. § 18 AktG keine Aussage darüber zulässt, wie intensiv die Leitung innerhalb des Konzerns erfolgt und inwieweit die Tochtergesellschaft mit erforderlichen Informationen (im Allgemeinen und konkret im Hinblick auf das in Rede stehende Rechtsgeschäft) von der Muttergesellschaft ausgestattet wird.111 Insofern enthält die Tatsache, dass eine einheitliche Leitung ausgeübt wird, noch keine Aussage über den Umfang und das Ausmaß dieser Leitung, sodass kein konkretes Vertrauen in eine bestimmte (Wissens-)Organisationsstruktur ausgebildet werden kann.112 Mithin eignet sich das enttäuschte Vertrauen in eine bestimmte (Wissens-)Organisationsstruktur nicht zur Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns. Vielmehr besteht hier die Möglichkeit der Haftung wegen enttäuschten Vertrauens aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB, sofern insbesondere die Muttergesellschaft Verschulden trifft. c) Fazit Wie dargestellt stehen der Tochtergesellschaft nur in engen Grenzen Informationsansprüche gegen die Muttergesellschaft zu, wobei regelmäßig nur im Rahmen solcher Informationsansprüche davon ausgegangen werden kann, dass der Tochtergesellschaft eine rechtlich abgesicherte Möglichkeit zur Erlangung rechtserheblicher Informationen zukommt und sie nur in diesen Fällen den Informationsfluss innerhalb des Konzerns bzw. in Bezug auf die Muttergesellschaft beherrschen kann. Diese Beherrschungsmöglichkeit bzw. die daraus folgende Möglichkeit zur Wissensorganisation stellt jedoch grundsätzlich eine zentrale Voraussetzung der wertenden Wissenszurechnung dar, um eine unbillige Wissenszurechnung zu vermeiden, sodass in der Folge abseits dieser eng umrissenen Informationsansprüche im Grundsatz eine Wissenszurechnung von oben nach unten ausscheiden muss. Neben diesen rudimentären Zurechnungsmöglichkeiten der Tochtergesellschaft besteht lediglich die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis Informationen von der Muttergesellschaft zu erlangen, wie etwa im Rahmen einer gemeinsam genutzten Datensammlung.113 Hier kann die Tochtergesellschaft 111 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (340 f.); ähnlich auch Lutter, GS KnobbeKeuk, 1997, S. 229 (240 f.); vgl. auch zum schweizerischen Recht Druey, SZW 1995, 93 (96 f.); dem folgend schweiz. BG, Urt. v. 16.4.1998, BGE 124 III 297 (304). 112 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (340 f.). 113 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 (229); vgl. auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (365).

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allerdings den Informationsfluss nicht beherrschen, sondern ist auf den guten Willen der Muttergesellschaft angewiesen. Inwieweit dies ausnahmsweise für die Zurechnung dieser so erlangten Kenntnisse genügt, wird an späterer Stelle zu erörtern sein.114 Von dem Grundsatz der Beherrschungsmöglichkeit des Informationsflusses muss gleichwohl eine Ausnahme im Fall der Veranlassung einer Maßnahme durch die Muttergesellschaft gemacht werden, da dort – selbst ohne Informationsbeherrschungsmöglichkeit seitens der Tochtergesellschaft – die gesetzliche Wertung, die § 166 Abs. 2 BGB zugrunde liegt, für eine Wissenszurechnung spricht. 2. Der Informationsfluss von der Tochter zur Mutter a) AG-Vertragskonzern Mit Blick auf das Informationsmanagement innerhalb eines AG-Vertragskonzerns ist zunächst zu bemerken, dass das Weisungsrecht der Mutter- gegenüber der Tochtergesellschaft gem. § 308 AktG überhaupt nur sinnvoll auf Grundlage detaillierter Kenntnisse über die Verhältnisse der Tochtergesellschaft ausgeübt werden kann, sodass eine praktische Notwendigkeit für einen entsprechenden Informationsanspruch der Muttergesellschaft besteht. Mader betont zutreffend, dass ohne Information das Weisungsrecht die „bloße Hülle einer Rechtsposition [wäre], die im besten Falle quasi blind, im schlechtesten Falle überhaupt nicht ausgeübt werden [könnte]“.115 Aufgrund dieser Notwendigkeit ist als Annexkompetenz zu dem Weisungsrecht gem. § 308 AktG auch ein Auskunftsrecht der herrschenden Gesellschaft gegenüber dem Vorstand des abhängigen Unternehmens über alle Umstände, die für die Ausübung des Weisungsrechts relevant sind, anerkannt.116 Darüber hinaus lässt sich zur Stützung dieses Informationsanspruches auch mit der Verlustausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft gem. § 302 AktG argumentieren, da diese somit das wirtschaftliche Risiko der abhängigen Ge-

114

Vgl. unten § 11 C.I.4. Mader, Der Informationsfluss im Unternehmensverbund, 2016, S. 96. 116 Vgl. hierzu auch Mader, Der Informationsfluss im Unternehmensverbund, 2016, S. 95 ff.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 99 f.; Fleischer, ZGR 2009, 505 (530 f.); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (367); Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (107 f.); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 29; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 AktG Rn. 39a; MünchHdbAG/Krieger, § 71 Rn. 156; demgegenüber besteht weder das Weisungsrecht noch der Informationsanspruch ggü. dem Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft, vgl. Spindler/ Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 121; Semler/v. Schenck/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, § 116 Rn. 463, jeweils mwNachw. 115

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sellschaft trägt und daher zur möglichen Risikominimierung auf hinreichende Informationen angewiesen ist.117 Zudem muss festgestellt werden, dass im Vertragskonzern aufgrund des Weisungsrechts iSd. § 308 AktG unproblematisch die Möglichkeit besteht, eine Weisung zur Einrichtung eines konzernweiten Informationssystems zu erteilen, sodass der Zugriff auf das Wissen der Tochtergesellschaft ohne Weiteres für die Muttergesellschaft möglich ist.118 Dem lässt sich auch nicht die Verschwiegenheitspflicht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft entgegenhalten. Zwar besteht für Vorstandsmitglieder grundsätzlich eine sich aus der Treuepflicht ergebende Pflicht zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten (§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG), die insbesondere auch gegenüber Aktionären Wirkung entfaltet, selbst wenn es sich um Mehrheitsaktionäre handelt.119 Durch eine solche Verschwiegenheitspflicht im Vertragskonzern würde jedoch faktisch die Möglichkeit einer einheitlichen Leitung, die gerade das Kennzeichen des Vertragskonzerns darstellt, unmöglich gemacht werden, da „einheitliche Leitung“ nichts anderes bedeuten kann als unternehmerische Leitung, mithin strategische und taktische Führung der zum Konzern verbundenen Unternehmen, die ohne eine ausreichende Informationsgrundlage unmöglich ist.120 Darüber hinaus kann derjenige, der, wie eben hergeleitet, eine Pflicht zur Informationsweitergabe hat, nicht im gleichen Zuge verpflichtet sein, Stillschweigen über diese Informationen zu bewahren, sodass in dieser Konstellation eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht angenommen werden muss.121 b) Faktischer AG-Konzern Demgegenüber stehen dem herrschenden Unternehmen in einem faktischen AG-Konzern bloß vereinzelt spezialgesetzliche Informationsansprüche gegen die Tochtergesellschaft zu. Zuvorderst ist hier § 294 Abs. 3 S. 2 HGB zu nennen, demzufolge das Mutterunternehmen von jedem Tochterunternehmen alle Aufklärungen und Nachweise verlangen kann, die zur Aufstellung des Konzernabschlusses, des Konzernlageberichts und des gesonderten nicht-finanziellen Konzernberichts erforderlich sind. Darüber hinaus kann die herrschende Gesellschaft – sofern sie Aktionärin der abhängigen Gesell-

117

Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, Rn. 478; Fleischer, ZGR 2009, 505 (530); Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (108). 118 Zu diesem Ergebnis kommt auch Fleischer, ZGR 2009, 505 (531). 119 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 141 f. 120 So auch Lutter, ZIP 1997, 613 (616 f.). 121 So auch Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 478; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (346); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (367).

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schaft ist – in der Hauptversammlung gem. § 131 AktG Auskunft über deren Angelegenheiten verlangen.122 Im faktischen Konzern besteht hingegen kein allgemeiner Informationsanspruch der Muttergesellschaft, da die Anerkennung eines solchen Anspruchs auf ein teleologisch und systematisch höchst zweifelhaftes Weisungsrecht im faktischen Konzern hinauslaufen würde.123 Insbesondere kann nicht aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber den faktischen Konzern durch die §§ 311 ff. AktG anerkannt hat, gefolgert werden, dass er auch eine effektive Konzernleitung tatsächlich ermöglichen müsse, wozu auch die Anerkennung eines – für diesen Fall zugegebenermaßen notwendigen – Informationsanspruchs gehören würde.124 Dieses Argument verkennt nämlich, dass der Gesetzgeber den faktischen Konzern zwar ermöglichen wollte, ihn aber nicht durch die Zuerkennung weitergehender Rechte positiv fördern wollte, sodass der Begründungsversuch eines allgemeinen Informationsanspruchs der Muttergesellschaft in einem faktischen Konzern bereits das gesetzliche Leitmotiv der Schaffung des Rechts faktischer Konzerne verkennt.125 Zudem bietet der auf Informationen zur Konzernrechnungslegung zugeschnittene § 294 Abs. 3 S. 2 HGB, der in entsprechender Anwendung einen allgemeinen Informationsanspruch begründen soll,126 eine zu schmale Analogiebasis, um einen solchen Anspruch zum Zwecke der Konzernkontrolle hierauf zu gründen.127 Darüber hinaus widerspricht die Annahme eines allgemeinen Informationsanspruchs der Muttergesellschaft im faktischen Konzern der Systematik des § 311 AktG, der von Veranlassung und freiwilliger Übernahme geprägt ist.128 Im faktischen Konzern besteht gerade kein Anspruch auf Konzerngefolgschaft; die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft darf sich daher durchaus der Konzernführung entziehen.129 In der Folge muss aufgrund der dargestellten dogmatischen Brüche, die bei der Etablierung eines allgemeinen

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Zu den gesetzlich normierten Informationsansprüchen der herrschenden Gesellschaft ggü. der abhängigen Gesellschaft vgl. Mader, Der Konzern 2015, 476 (478). 123 KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 147 mit Fn. 376. 124 So aber Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 159 f.; vgl. auch Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 1996, Rn. 300. 125 Mader, Der Konzern 2015, 476 (482); vgl. auch ausführlich zu den Leitmotiven des Gesetzgebers bei der Schaffung des Rechts faktischer Konzerne ders., Der Informationsanspruch im Unternehmensverbund, 2016, S. 236 ff., 249 ff. 126 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 1996, Rn. 300 ff. 127 Verse, ZHR 175 (2011), 401 (423); zur Kritik gegen eine Analogie über § 294 Abs. 3 S. 2 AktG vgl. auch Mader, Der Informationsfluss im Unternehmensverbund, 2016, S. 252 ff.; ders., Der Konzern 2015, 476 (482). 128 Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 311 Rn. 36d; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 425. 129 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 179.

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Informationsanspruchs des herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern drohen würden, ein solcher Anspruch abgelehnt werden.130 Trotz vereinzelter Informationsrechte der Muttergesellschaft und insbesondere vor dem Hintergrund eines fehlenden allgemeinen Informationsanspruchs gegenüber der Tochtergesellschaft kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass die Muttergesellschaft einen umfassenden Informationstransfer von der Tochter zu ihr beherrschen kann. Sofern keine freiwillige Wissensorganisation zwischen Mutter und Tochter aufgebaut wird,131 kann somit keine Rede davon sein, dass das herrschende Unternehmen den Informationsfluss von dem abhängigen Unternehmen zu ihr zu beherrschen vermag, sodass im Regelfall die Wissenszurechnung des Wissens der Tochter zur Mutter im faktischen Konzern bereits deshalb ausscheiden muss.132 c) GmbH-Konzern In der GmbH hat jeder Gesellschafter das Recht, von den Geschäftsführern unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen (§ 51a Abs. 1 GmbHG). Darüber hinaus kommt der GmbH-Gesellschafterversammlung die Möglichkeit zu, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen, sodass die Gesellschafterversammlung auch die Geschäftsführung anweisen kann, bestimmte Auskünfte zu erteilen bzw. ein bestimmtes Informationssystem einzurichten und zu unterhalten. In einem GmbHKonzern, in dem die Muttergesellschaft herrschende Gesellschafterin ist, kommt ihr mithin, vermittelt durch diese beiden Rechtsinstitute, die Möglichkeit zu, auf das Wissen der abhängigen GmbH zuzugreifen und hierüber den Informationsfluss zu ihr zu beherrschen.133 aa) Informationsrecht gem. § 51a Abs. 1 GmbHG vs. Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 51a Abs. 2 GmbHG Diesem Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters könnte allerdings eine Verschwiegenheitspflicht bzw. das Auskunftsverweigerungsrecht des § 51a Abs. 2 GmbHG entgegenstehen. Danach findet der mitgliedschaftliche

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So auch Mader, Der Informationsfluss im Unternehmensverbund, 2016, S. 270 ff.; ders., Der Konzern 2015, 476 (478 ff.); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 179; Hüffer, FS Schwark (2009), S. 185 (187 ff.); Verse, ZHR 175 (2011), 401 (422 f.); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (367); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 147 mit Fn. 376; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 311 Rn. 36d; a.A. Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 1996, Rn. 300 ff.; U. H. Schneider/Burgard, FS Ulmer (2003), S. 579 (597 ff.). 131 Zur freiwilligen Informationsweitergabe vgl. unten § 11 C.I.4. 132 So auch Mader, Der Konzern, 2015, 476 (478). 133 Vgl. hierzu Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366 f.).

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Individualanspruch auf Auskunftserteilung seine Grenze in einem Verweigerungsrecht der Geschäftsführer, sofern zu besorgen ist, dass der Gesellschafter die Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendet und er dadurch der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen würde. Über die Verweigerung muss zwar die Gesellschafterversammlung Beschluss fassen, jedoch unterliegt der betroffene Gesellschafter insoweit einem Stimmverbot, sodass selbst die Konzernmutter als beherrschende Gesellschafterin eine Verweigerung nach § 51a Abs. 2 S. 2 GmbHG nicht abwenden könnte.134 Somit stellt sich zunächst die Frage, ob der Muttergesellschaft im Rahmen eines solchen Informationsverlangens iSd. § 51a Abs. 1 GmbHG zum Zweck einer konzernweiten Wissensorganisation ein Auskunftsverweigerungsrecht entgegengehalten werden kann. Hierzu müsste zu befürchten sein, dass die Muttergesellschaft mit ihrem Informationsverlangen einen gesellschaftsfremden Zweck erfüllt und darüber hinaus aufgrund dessen ein nicht unerheblicher Nachteil droht, vgl. § 51a Abs. 2 S. 1 GmbHG. Dabei ist zunächst offensichtlich, dass das Mutterunternehmen die gemeinsame Wissensorganisation nicht bloß zu Zwecken der abhängigen GmbH einführt, sondern vielmehr zu Zwecken, die dem ganzen Konzern – mithin zumindest auch der Konzernmutter – dienen. Demgegenüber ist zweifelhaft, ob deshalb ein nicht unerheblicher Nachteil für die abhängige GmbH droht. Diesbezüglich muss beachtet werden, dass ex ante nur schwer feststellbar ist, wann die Weitergabe von Informationen von Nachteil für die Tochtergesellschaft ist, da Informationen ex post zu vielseitigen Zwecken eingesetzt werden können, wie etwa zur weiteren Ausübung der Konzernleitung oder auch zugunsten anderer konzernabhängiger Unternehmen, wobei dies ein Schädigungspotential mit sich bringen kann.135 Insofern kann auch die Informationsweitergabe an die Muttergesellschaft potentiell nachteilig für die Tochtergesellschaft sein. Wenn sich allerdings die Muttergesellschaft verpflichtet, die erlangten Informationen der Tochtergesellschaft nicht zur Förderung eigener unternehmerischer Interessen, sondern ausschließlich zum Zwecke der konzerninternen Kontrolle bzw. zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation zu nutzen oder gar, wenn eine nachteilige Informationsverwendung durch das herrschende Unternehmen ausgeschlossen werden kann, kann die drohende Nachteilhaftigkeit für die abhängige GmbH ausgeschlossen werden.136 134 So schon der Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 8/3908, S. 76. 135 Vgl. Mader, WM 2015, 2074 (2076 f.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (348). 136 So auch Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, S. 113 ff.; Bauer/SchmidtBendun, FS Wegen (2015), S. 105 (115); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (368); Emme-

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bb) Das Informationsrecht als Annexkompetenz zum Weisungsrecht Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein Informationsverweigerungsrecht bzw. im Allgemeinen Verschwiegenheitspflichten der Geschäftsführer der abhängigen GmbH gegen eine Informationsweitergabe sprechen und, insbesondere auch gegen die Eröffnung einer konzernweiten Wissensorganisation durch eine Weisung der GmbH-Gesellschafterversammlung. Anerkanntermaßen findet die Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsführer ihre Grenze dort, wo eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung bestimmter Tatsachen besteht, wie etwa unter den Geschäftsführern selbst oder gegenüber dem Aufsichtsrat.137 Auch soll eine Geheimhaltungspflicht nicht gegenüber der Gesellschafterversammlung bzw. den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit bestehen.138 Da die GmbH-Gesellschafterversammlung befugt ist, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen, muss sie auch berechtigt sein, über alle Informationen der Gesellschaft wie Geschäftsführer voll unterrichtet zu werden, um ihr Weisungsrecht auf einer angemessenen Informationsgrundlage ausüben zu können.139 Darüber hinaus kann die Gesellschafterversammlung aufgrund ihres Weisungsrechtes schlicht die Weisung zur Informationsweitergabe bzw. gar zur Einrichtung und Unterhaltung einer gemeinsamen Wissensorganisation erteilen. Die Konzernmutter verfügt somit grundsätzlich als herrschende Gesellschafterin einer abhängigen GmbH als Annexkompetenz zum Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung über ein umfassendes Informationsrecht. Gleichwohl besteht das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung nicht schrankenlos. Insbesondere sind Gesellschafterbeschlüsse zur Weisung von Geschäftsführern § 47 Abs. 4 GmbHG unterworfen, sodass zumindest in den dort genannten Situationen eines konkreten Interessenkonfliktes ein Stimmrechtsverbot in der Person des jeweiligen Gesellschafters besteht.140 rich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 51a; K. Schmidt/Lutter/J. Vetter, AktG, § 311 Rn. 72; MünchHdbAG/Krieger, § 70 Rn. 28; Hüffer/ Koch/Koch, AktG, § 311 Rn. 36b; ähnlich, aber auf das Erfordernis einer Vertraulichkeitsvereinbarung verzichtend Mader, Der Informationsfluss im Unternehmensverbund, 2016, S. 364 ff.; Verse, ZHR 175 (2011), 401 (420 f.); a.A. Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (348 f.). 137 Vgl. hierzu UHL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 79; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 301, jeweils mwNachw. 138 Vgl. auch BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – II ZB 4/96, BGHZ 135, 48 (54); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 773; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (347); MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 301; Scholz/U.H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 149. 139 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 773; vgl. hierzu auch Mader, Der Informationsfluss im Unternehmensverbund, 2016, S. 200. 140 Lohr, NZG 2002, 551 (557); Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 128; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Ganzer, GmbHG, § 47 Rn. 88.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Dies gilt mangels Konzernprivileg auch im GmbH-Konzern (sofern neben der Konzernmutter noch andere Gesellschafter bestehen und kein Beherrschungsvertrag zwischen der abhängigen GmbH und der herrschenden Gesellschaft geschlossen wurde), sodass zum Schutz der Minderheitsgesellschafter auch sie einem Stimmrechtsverbot unterliegen kann.141 Abseits der in § 47 Abs. 4 GmbHG genannten Fallgruppen des Stimmrechtsausschlusses, namentlich bei Beschlüssen über die Entlastung von Gesellschaftern, über die Befreiung von Verbindlichkeiten gegenüber einem Gesellschafter, über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts, das einen Gesellschafter betrifft, und über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter, lässt sich aus § 47 Abs. 4 GmbHG jedoch kein allgemeines Stimmrechtsverbot bei Interessenkonflikten ableiten.142 Die fehlende Analogiefähigkeit hinsichtlich eines allgemeinen Stimmrechtsverbotes ergibt sich zum einen aus dem deutlichen gesetzgeberischen Willen,143 keine Generalklausel schaffen zu wollen und anstatt dessen § 47 Abs. 4 GmbHG auf die aufgezählten Fälle zu beschränken.144 Darüber hinaus würde durch eine solche allgemeine Ausweitung des Stimmrechtsverbots die Bedeutung des Stimmrechts als Mitverwaltungsrecht des Gesellschafters verkannt werden.145 Aufgrund dessen können die Tatbestände des § 47 Abs. 4 GmbHG zwar extensiv ausgelegt werden, eine taugliche Analogiebasis für andere Fälle allgemeiner Interessenkonflikte bietet diese Norm jedoch nicht.146 Abseits des § 47 Abs. 4 GmbHG besteht somit nur im Einzelfall die 141

BGH, Urt. v. 29.3.1973 – II ZR 139/70, NJW 1973, 1039 (1040); Westermann, FS Raisch (1995), S. 309 (316 ff.); MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 201 mwNachw. 142 BGH, Urt. v. 10.2.1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107 (109 f.); BGH, Urt. v. 20.1.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28 (33); Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 146 ff.; Schäfer, ZGR 2014, 731 (741 ff.); MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 133; MHLS/Römermann, § 47 Rn. 81; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 76. 143 Ein solcher Wille lässt sich den Begründungen zur Schaffung dieser punktuellen Stimmrechtsausschlüsse entnehmen, da auch dort stets nur von der Entlastung, der Befreiung von einer Verpflichtung und dem Abschluss eines den Gesellschafter betreffenden Rechtsgeschäfts die Rede ist, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz oder eine Generalklausel wird hingegen nicht entwickelt, vgl. den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, amtliche Ausgabe, 1891, S. 99 unter Verweis auf die Begründung zum Gesetz betreffend die Kommaditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (1884), Aktenstück Nr. 21 vom 7. März 1884, S. 321 iVm. 294, zitiert nach Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 465, 492. 144 MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 133; MHLS/Römermann, GmbHG, § 47 Rn. 81. 145 MHLS/Römermann, GmbHG, § 47 Rn. 81. 146 So auch Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 263 f.; MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 133 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Ganzer, GmbHG, § 47 Rn. 62, jeweils mwNachw.

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Möglichkeit, über die Treuepflicht der Gesellschafter und das daraus folgende Verbot des Stimmrechtsmissbrauchs, die GmbH und insbesondere auch die Minderheitsgesellschafter vor missbräuchlichem und GmbH-schädigendem Gesellschafterverhalten zu schützen.147 Es stellt sich mithin die Frage, inwieweit der Informationsanspruch als Annex zum Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung bzw. die Weisung zur Schaffung und Unterhaltung einer gemeinsamen Wissensorganisation von der Treuepflicht der Konzernmutter und des Verbots des Stimmrechtsmissbrauchs begrenzt wird. Dabei wird durch das Fehlen von Vorschriften, die den §§ 311 ff. AktG vergleichbar sind, und aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf die GmbH deutlich, dass im GmbHKonzern ein uneingeschränktes Verbot nachteiliger Einflussnahmen durch das Mutterunternehmen gegenüber der abhängigen GmbH besteht.148 Es besteht vielmehr ein, sich aus der Treuepflicht der Muttergesellschaft ableitendes, umfassendes Schädigungsverbot, das ihr als Gesellschafterin der abhängigen GmbH (insbesondere wenn die GmbH auch andere konzernfreie Gesellschafterinnen hat) die Pflicht auferlegt, ihr durch die Gesellschafterversammlung vermitteltes Weisungsrecht nicht zum Nachteil der konzernabhängigen GmbH auszuüben, sondern am eigenen Unternehmensinteresse der GmbH auszurichten; namentlich so, dass die wirtschaftliche Stabilität, die Ertragskraft und die Zukunftschancen der abhängigen Gesellschaft nicht gefährdet werden.149 Insofern stellt Rehbinder in Bezug auf den GmbHKonzern richtigerweise fest, dass Konzernmacht bzw. Herrschaft der Mehrheit im Allgemeinen bedeute, „daß diese Geschäftspolitik der abhängigen GmbH bestimmen, nicht jedoch, daß sie ihre eigenen Unternehmensinteressen auf Kosten der Gesellschaft durchsetzen kann.“150 Aufgrund dessen ist auch das Mutterunternehmen als herrschende Gesellschafterin der konzernabhängigen GmbH im Rahmen ihrer Treuepflicht verpflichtet, ihr Informationsverlangen nicht auf Kosten der abhängigen GmbH durchzusetzen. Dies kann insbesondere gewährleistet werden, wenn das Mutterunternehmen mit der GmbH eine Vertraulichkeitsvereinbarung schließt und sich verpflichtet, die erlangten Informationen nicht zur Förderung eigener unternehmerischer Interessen, sondern ausschließlich zum

147

Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.2.1981 – II ZR 168/79, BGHZ 80, 70 (71); MHLS/Römermann, GmbHG, § 47 Rn. 80 ff.; UHL/Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 196 f.; MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 134. 148 Vgl. hierzu Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 AktG Rn. 23. 149 Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2018, 527 (527); Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 AktG Rn. 23; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 61 Rn. 16. 150 Rehbinder, ZGR 1976, 386 (390).

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Zweck der konzerninternen Kontrolle bzw. zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation zu nutzen.151 In dieser Weise kann ein kongruentes System der Informationsrechte des Mutterunternehmens im GmbH-Konzern einerseits aus § 51a GmbHG und andererseits als Annex zum Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafterversammlung (§ 37 GmbHG) geschaffen werden. cc) Zwischenfazit Somit besteht für die Muttergesellschaft einer konzernabhängigen GmbH sowohl über § 51a Abs. 1 GmbHG als auch über das Informationsrecht der von ihr geführten Gesellschafterversammlung als Annex des Weisungsrechtes die Möglichkeit, umfassend auf die Informationen ihrer Tochtergesellschaft zuzugreifen, ohne dass dem in der Regel Verschwiegenheitspflichten oder das Informationsverweigerungsrecht iSd. § 51a Abs. 2 GmbHG entgegenstehen würden. Insofern vermag es die herrschende Gesellschaft innerhalb eines GmbH-Konzerns, den Informationsfluss von der konzernabhängigen GmbH zu ihr grundsätzlich (soweit nicht im Einzelfall Verschwiegenheitspflichten oder ein datenschutzrechtliches Informationsweitergabeverbot besteht) in vollem Umfang zu beherrschen. 3. Der Informationsfluss zwischen Schwestergesellschaften Im Verhältnis gleichrangiger konzernangehöriger Gesellschaften untereinander, wie etwa zwischen verschiedenen abhängigen Gesellschaften einer gemeinsamen Muttergesellschaft, ist zunächst festzustellen, dass zwischen diesen Schwestergesellschaften häufig keine direkte Verbindung besteht. Sie gehören zwar dem gleichen Konzern an, zwischen ihnen besteht jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis. Zudem ist zur Schaffung eines solchen „Schwestergesellschaftsverhältnisses“ kein Unternehmensvertrag notwendig oder ein anderes rechtsgeschäftliches Verhältnis. Die Begründung dieses Verhältnisses entsteht vielmehr bloß durch die nebeneinander bestehende Abhängigkeit zur gleichen herrschenden Gesellschaft, mithin quasi „über das Eck“. Aufgrund dieser regelmäßig fehlenden direkten Verbindung der Schwestergesellschaften untereinander fällt es in der Regel schwer, Informationsansprüche zwischen diesen herzuleiten. Wenn jedoch auch zwischen den gleichrangigen konzernzugehörigen Gesellschaften direkte Leistungsbeziehungen bestehen, können hierüber Auskunftsansprüche hergeleitet werden. So vor allem bei gruppeninternen Verträgen über Lieferungen und Leistungen, in denen vertragliche Auskunftsrechte entweder als Nebenpflichten ausdrücklich geregelt sind oder im Wege der Auslegung oder gar durch einen

151

Vgl. hierzu bereits § 11 Fn. 137.

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Bezug auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet werden können.152 Darüber hinaus ergeben sich bei Verträgen mit Auftrags- oder Geschäftsbesorgungscharakter schon aufgrund gesetzlicher Anordnung Auskunftspflichten, vgl. §§ 666, 675 Abs. 1 BGB.153 Insbesondere im Rahmen konzerninterner Servicegesellschaften, die bestimmte gruppeninterne Aufgaben wahrnehmen, etwa indem gruppenweit anfallende Aufgaben an eine bestimmte Tochtergesellschaft ausgegliedert werden (Outsourcing), sind derartige Leistungsbeziehungen, die nicht nur zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft bestehen, sondern sämtliche Konzernglieder miteinander verweben, die Regel. Besonders deutlich wird dies beispielsweise bei konzerninternen Servicegesellschaften, die die gruppeninterne Kommunikation und Informationsverwaltung zentralisieren sollen. In diesen Fällen können sich aufgrund der bestehenden rechtsgeschäftlichen Leistungsbeziehungen, die auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen, in diesem Verhältnis Auskunftsansprüche ergeben. Abseits solcher rechtsgeschäftlicher Leistungsbeziehungen zwischen Schwestergesellschaften, besteht hingegen kein taugliches Rechtsverhältnis, an das Informationspflichten angeknüpft werden könnten, sodass in diesem Verhältnis Informationsansprüche eher die Ausnahme sind und daher der Informationsfluss zwischen den Schwestergesellschaften von diesen in der Regel nicht beherrscht werden kann.154 Wenn kein freiwilliger Informationsaustausch innerhalb des Konzerns stattfindet, in dem auch die abhängigen Gesellschaften untereinander eingebunden sind und hierüber Informationen erlangen können, wie etwa im Fall einer gemeinsam genutzten Datenbank,155 scheitert die Wissenszurechnung in diesem Verhältnis regelmäßig in Ermangelung einer Möglichkeit zur Wissenserlangung.156 4. Ausnahme: Möglichkeit der Kenntniserlangung trotz fehlender Beherrschungsmöglichkeit des Informationsflusses bei freiwilliger Informationsweitergabe Sofern ein Konzernunternehmen keinen Anspruch auf bestimmte Informationen anderer konzernzugehöriger Unternehmen hat, hat es im Grundsatz auch keine rechtlich abgesicherte Zugriffsmöglichkeit auf diese Informationen, sodass es folglich den Informationsfluss nicht beherrschen kann. Wenn

152

Vgl. hierzu Pöschke, ZGR 2015, 550 (557). Insofern gilt bzgl. rechtsgeschäftlichen Auskunftsansprüchen aufgrund schuldvertraglicher Sonderverbindungen hier nichts anderes als im Verhältnis zwischen Ober- und Untergesellschaft, vgl. dazu bereits oben § 11 C.I.1.a)aa). 154 Ähnlich auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (365). 155 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224. 156 Vgl. zur freiwilligen Informationsweitergabe unten § 11 C.I.4. 153

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

das jeweilige Unternehmen jedoch keine Möglichkeit zur Wissenserlangung und somit keinen Einfluss auf den Erhalt der Informationen hat, kann es für diese Informationen auch keine Wissensverantwortung tragen, sodass eine Wissenszurechnung grundsätzlich ausscheiden muss. Neben der Informationsbeschaffung mittels Durchsetzung eines darauf gerichteten Anspruchs gegenüber dem informationstragenden konzernzugehörigen Unternehmen besteht auch die Möglichkeit, auf konzerninterne Informationen zugreifen zu können, selbst wenn kein entsprechender Informationsanspruch besteht. Dies ist etwa möglich, wenn das wissende Unternehmen singulär andere konzernzugehörige Unternehmen über bestimmte Tatsachen in Kenntnis setzt, oder aber – und dies ist in vielen Konzernen praktizierte Realität – wenn institutionalisierte Wissensorganisationen innerhalb des Konzerns bestehen, in denen konzernzugehörige Unternehmen freiwillig (oder auf Grundlage einer konzerninternen Absprache) Informationen einspeisen, wie etwa im Rahmen gemeinsam genutzter Datenbanken.157 a) Informationsweitergabeberechtigung Dabei stellt sich die Frage, ob innerhalb eines Konzerns die verschiedenen konzernangehörigen Unternehmen zur freiwilligen Informationsweitergabe berechtigt sind. Insbesondere ist eine gemeinsame Wissensorganisation nur möglich, sofern die betroffenen Informationen nicht von einer Verschwiegenheitspflicht geschützt sind, sodass zunächst untersucht werden muss, ob nicht das Geschäftsführungsorgan (hier vor allem der Vorstand und der Geschäftsführer) ihre Verschwiegenheitspflicht verletzt,158 wenn sie vertrauliche Gesellschaftsinformationen innerhalb des Konzerns weitergeben. Aufgrund der Tatsache, dass die Verschwiegenheitspflicht ihre Grenze im Gesellschaftsinteresse findet und sie daher eingeschränkt werden muss, wenn eine Offenbarung eines Geheimnisses im unternehmerischen Interesse der Gesellschaft liegt,159 wird teilweise argumentiert, dass es in dem eigenen unternehmerischen Interesse eines jeden konzernabhängigen Unternehmens läge, konzernrelevante Informationen innerhalb des Konzerns weiterzugeben; insbesondere läge es im Interesse der Tochtergesellschaft, dass die Muttergesellschaft die Konzernleitung auf dem Fundament einer hinreichenden

157

So etwa BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224. Zur Verschwiegenheitspflicht des AG-Vorstands vgl. MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 130 ff.; zur Verschwiegenheitspflicht des GmbH-Geschäftsführers vgl. MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 199 ff.; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 291 ff., jeweils mwNachw. 159 Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (106 f.); GroßKommAktG/Hopt/ Roth, § 93 Rn. 300; MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 207, jeweils mwNachw. 158

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Informationsgrundlage aufbaue, sodass sich aus der Informationsweitergabe im Konzern im Grundsatz keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ergäbe.160 Sofern auch das Tochterunternehmen in eine gemeinsame Informationsorganisation eingebunden wird, kann sogar tatsächlich davon ausgegangen werden, dass eine hierauf gerichtete Informationsweitergabe im eigenen unternehmerischen Interesse liegt.161 Diese Argumentation übersieht jedoch, dass durch die Konzernierung der Pflichtenkanon der Geschäftsführung modifiziert und teilweise dispensiert wird.162 Die Frage nach der Befugnis zur Informationsweitergabe im Konzern lässt sich somit richtigerweise nicht mit Blick auf die Verschwiegenheitspflicht lösen, sondern nur unter Zugrundelegung der konzernrechtlichen Sondervorschriften: Im faktischen AG-Konzern modifiziert die Nachteilsausgleichspflicht gem. § 311 AktG die Verschwiegenheitspflicht gem. § 93 Abs. 1 S. 3, 4 AktG, sodass dort die Frage nach der Nachteilhaftigkeit der Informationsweitergabe und deren etwaiger Kompensationsbedürftigkeit und -fähigkeit in den Fokus der Überlegung gerückt werden muss, dazu sogleich.163 Auch im faktischen GmbH-Konzern wird die Verschwiegenheitspflicht modifiziert, selbst wenn eine dem § 311 AktG vergleichbare Vorschrift fehlt. Dort wird aus der gesteigerten Treuepflicht des herrschenden Gesellschafters ein striktes Schädigungsverbot gefolgert, welches dem herrschenden Unternehmen verbietet, eigene Interessen zulasten der abhängigen GmbH zu verfolgen,164 sodass auch hier die Frage nach der Nachteilhaftigkeit der Wissensübermittlung im Folgenden einer dringlichen Entscheidung bedarf. Demgegenüber ergibt sich im Vertragskonzern ohnehin – wie oben bereits dargestellt165 – als Ausfluss aus dem dortigen Weisungsrecht gem. § 308 AktG ein Informationsanspruch der Muttergesellschaft, die die Verschwiegenheitspflicht dispensiert.166 160 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 110 ff.; Hüffer, FS Schwark (2009), S. 185 (192); Mader, WM 2015, 2074 (2079); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 288; Bürgers/Körber/Fett, AktG, § 311 Rn. 60; wohl auch MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 429. 161 Vgl. hierzu unten § 11 C.I.4.b). 162 Fleischer, ZGR 2009, 505 (533 f.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (347 f.). 163 So auch Mader, WM 2015, 2074 (2079); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (347 f.); Fleischer, ZGR 2009, 505 (533 f.); Bürgers/Körber/Fett, AktG, § 311 Rn. 60; im Ergebnis auch Dittmar, AG 2013, 498 (501); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 288; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 429; K. Schmidt/Lutter/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rn. 26; Lutter/Bayer/Krieger, Holding-Hdb., Rn. 7.24. 164 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 118 f.; zur gesteigerten Treuepflicht vgl. auch BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15 (18 ff.); Scholz/Emmerich, GmbHG, GmbH-KonzernR Rn. 71 ff. 165 Vgl. hierzu oben § 11 C.I.2.a). 166 So auch Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 478;

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Darüber hinaus zieht die Informationsweitergabe an die Konzernmutter auch keine Verpflichtung nach § 131 Abs. 4 AktG, auf Verlangen auch die anderen Aktionäre entsprechend zu informieren, nach sich, da die Grundlage der Information nicht die Aktionärseigenschaft der Konzernmutter ist, sondern die Konzernleitung.167 b) Nachteilhaftigkeit der freiwilligen Informationsweitergabe Insbesondere mit Blick auf den faktischen AG-Konzern und die dortige punktuelle Nachteilsausgleichspflicht gem. § 311 AktG, die dem Tochtervorstand Grenzen für die freiwillige Durchführung von Maßnahmen, die die Interessen seiner Gesellschaft zugunsten der Interessen der Muttergesellschaft hintanstellen, aufzeigt, ist zu untersuchen, inwieweit die Informationsweitergabe einen ausgleichspflichtigen Nachteil darstellt.168 Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Nachteilhaftigkeit der freiwilligen Informationsweitergabe auch im Hinblick auf den faktischen GmbH-Konzern und das dortige Nachteilszufügungsverbot. Dabei ist anfangs festzustellen, dass zumindest etwaige Kosten für die Informationsgewinnung und -übermittlung Nachteile darstellen.169 Inwieweit darüber hinaus die Informationsweitergabe als solche einen ausgleichspflichtigen Nachteil darstellt, ist demgegenüber unklar. Hierbei bedarf es zunächst der Feststellung, dass die Nachteilhaftigkeit ex ante nur schwerlich quantifizierbar ist, da die gewonnenen Informationen ex post vielseitig und nicht abschätzbar genutzt werden können.170 Wenn jedoch eine Maßnahme nachteilig ist und eine konkrete Berechnungsmöglichkeit der Kompensation, die § 311 AktG vorschreibt, fehlt, ist es folgerichtig, die Informationsweitergabe in diesem Fall zu sperren.171

Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (108); Fleischer, ZGR 2009, 505 (533); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (346); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (367); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 288. 167 LG München I, Urt. v. 26.4.2007 – 5 HK O 12848/06, Der Konzern 2007, 448 (455 f.); Habersack/Verse, AG 2003, 300 (305 ff.); Mader, WM 2015, 2074 (2080); Bauer/ Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (108); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 288; MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rn. 162 ff.; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 432; Lutter/Bayer/Krieger, Holding-Hdb., Rn. 7.23. 168 Ausführlich hierzu Mader, Der Informationsfluss im Unternehmensverbund, 2016, S. 364 ff., mwNachw. 169 Schürnbrand, ZHR 181 (2018), 357 (368). 170 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (348). 171 So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (348); Holle, Legalitätskontrolle im Kapitalgesellschafts- und Konzernrecht, 2014, S. 134; Hüffer, FS Schwark (2009), S. 185 (194); Wittmann, Informationsfluss im Konzern, 2008, S. 120 ff.

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

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Um diese Nachteilhaftigkeit zu kompensieren, genügt es nicht, dass die Informationsübermittlung reziprok ausgestaltet wird – sodass nicht nur die Muttergesellschaft Zugriff auf die Informationen der Tochtergesellschaft hat, sondern auch umgekehrt – und dadurch ein verbundweites Informationssystem entsteht.172 Durch ein solches System würden nämlich die drohenden Nachteile für die Tochtergesellschaft nicht entfallen, sondern bloß potentielle Vorteile für die Tochtergesellschaft hinzutreten.173 Sofern eine solche Kompensation der drohenden Nachteile mit potentiellen Vorteilen grundsätzlich überhaupt möglich ist,174 setzt diese allerdings voraus, dass die Vorteile und Nachteile gleichwertig sind.175 Diese Feststellung lässt sich jedoch aufgrund der oben beschriebenen fehlenden Quantifizierungsmöglichkeit der mit der Informationsweitergabe verbundenen Nach- bzw. Vorteile nicht treffen.176 Somit vermag es die Einbindung in ein reziprokes Informationssystem noch nicht, die Nachteilhaftigkeit der Informationsweitergabe zu beseitigen.177 Wenn jedoch die Informationen nicht zur Förderung eigener unternehmerischer Ziele der Muttergesellschaft genutzt werden, sondern ausschließlich zum Zweck der Arbeitserleichterung oder -koordination im Konzern und diese legitime Informationsverwendung gewährleistet werden kann, kann nicht mehr von einer Nachteiligkeit der Informationsweiterleitung ausgegangen werden. Hierzu eignet sich zwar eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit konkretisierter Informationsnutzungsbestimmung.178 Allerdings bleibt zu prüfen, wie die sich hieraus ergebende Pflicht durch wirksame Sanktionen sichergestellt werden kann. Die bloße Möglichkeit des Schadensersatzes aus § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung der Vertraulichkeitsvereinbarung genügt jedenfalls nicht, da sich die Höhe des Schadens aufgrund der darge-

172

So aber Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 178; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (368). 173 Mader, WM 2015, 2074 (2077). 174 Dafür Elsner, Die laufende Kontrolle der Tochtergesellschaften durch die Verwaltung der Muttergesellschaft, 2004, S. 106; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 349; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 311 Rn. 36b; gegen die Zulässigkeit Spindler/Stilz/Müller, AktG, § 311 Rn. 52. 175 Vgl. hierzu MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 347. 176 Mader, WM 2015, 2074 (2077 f.); Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 311 Rn. 36b. 177 Mader, Der Informationsfluss im Unternehmensverbund, 2016, S. 400 ff.; ders., WM 2015, 2074 (2078); im Ergebnis auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (348); Wittmann, Informationsfluss im Konzern, 2008, S. 122 f. 178 Ähnlich auch Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 115 ff.; Mader, WM 2016, 2074 (2078); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (368); Fleischer, ZGR 2009, 505 (535); Hüffer, FS Schwark (2009), S. 185 (193); Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (115); MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 349; K. Schmidt/Lutter/J. Vetter, AktG, § 311 Rn. 72; Lutter/Bayer/Krieger, Holding-Hdb., Rn. 7.24.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

stellten Schwierigkeiten im Rahmen der Quantifizierung der Nachteilhaftigkeit nicht hinreichend berechnen lässt.179 Hierbei trägt auch der Hinweis darauf, dass diese fehlende Bezifferbarkeit des für die Tochtergesellschaft entstandenen Schadens bei pflichtwidriger Veranlassung von Maßnahmen durch die Muttergesellschaft kein originäres Problem der Informationsweitergabe, sondern dem System der §§ 311 ff. AktG immanent sei, ebenso wenig zur Lösung des Problems bei wie der Verweis darauf, dass sich ein Konzern nur mit Hilfe einer hinreichenden Informationsgrundlage führen lässt.180 Vielmehr lässt sich nur durch eine vertragsstrafenbewährte Vertraulichkeitsvereinbarung mit konkretisierter Informationsnutzungsbestimmung ein ausreichender Schutz der Konzerntochter sicherstellen, wobei die Höhe der Vertragsstrafe so hoch anzusetzen ist, dass die prognostizierbaren Nachteile ausgeglichen werden könnten, jedenfalls aber eine abschreckende Wirkung besteht. Hierdurch wird gewährleistet, dass auch im faktischen Konzern eine freiwillige Informationsweitergabe unter den genannten Voraussetzungen möglich bleibt. In der Praxis wird dieses Recht des Vorstandes der abhängigen Gesellschaft, der Mutter Informationen auch außerhalb der Hauptversammlung weitergeben zu können, ohne gegen die Verschwiegenheitspflicht oder den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen und ohne ein Recht der Minderheitsaktionäre nach § 131 Abs. 4 AktG auszulösen, sowie die dadurch eröffnete Möglichkeit zur Einrichtung einer freiwilligen gemeinsamen Wissensorganisation als wichtigste Privilegierung des faktischen Konzerns qualifiziert.181 c) Anforderungen an die Qualität der freiwilligen Informationsweitergabe Im Rahmen der freiwilligen Informationsweitergabe erhalten konzernangehörige Unternehmen Zugriff auf Informationen, auch ohne einen Anspruch auf diese zu haben. Dabei ist jedoch fraglich, wie diese Zugriffsmöglichkeit ausgestaltet sein muss, da die Wissenszurechnung sich nur rechtfertigen lässt, wenn der Zurechnungsempfänger tatsächlich die Möglichkeit hatte, auf das Wissen zuzugreifen.182 Somit bleibt zum Schluss zu untersuchen, wann die freiwillige Informationsweitergabe den Anforderungen an die Beherrschbarkeit des Informationsflusses genügt. Zunächst lässt sich feststellen, dass sich die Frage nach der Wissenszurechnung im Konzern nicht mehr stellt, wenn eine konkrete Information tatsäch-

179

So zu recht Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (348 f.). So aber Mader, WM 2015, 2074 (2078). 181 Vgl. hierzu J. Vetter, 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 231 (252). 182 Zur Möglichkeit der Wissensorganisation als Voraussetzung der Wissenszurechnung vgl. oben § 9 A.III.2.b)aa). 180

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

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lich freiwillig einem anderen konzernzugehörigen Unternehmen übermittelt wurde und somit in diesem verfügbar war. In diesem Fall hat dieses konzernzugehörige Unternehmen bereits tatsächlich die entsprechende Information, sodass dort die Grundsätze der Wissenszurechnung im Einheitsunternehmen Anwendung finden müssen. Bei unternehmensübergreifenden konzernweiten Informationsorganisationen ist es demgegenüber entscheidend, ob der Informationsfluss tatsächlich für den jeweiligen potentiellen Zurechnungsempfänger steuerbar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn Organisationsstrukturen geschaffen werden, bei denen einerseits dafür Sorge getragen wird, dass Informationen, die auch über die Unternehmensgrenze hinaus eine erkennbare Relevanz für andere konzernangehörige Unternehmen haben, in dieser Wissensorganisation weitergegeben werden, und auf der anderen Seite konzernzugehörige Unternehmen selbstständig auf für sie erkennbar relevante Informationen zugreifen können. 5. Fazit Innerhalb des Konzerns wird die Möglichkeit der Wissensorganisation durch die Frage nach der Beherrschbarkeit des konzerninternen Informationsflusses deutlich beeinflusst. Im Rahmen der Beantwortung dieser Frage ist maßgeblich nach der Zurechnungsrichtung und der jeweiligen Konzernart zu differenzieren. Während bei der Zurechnung von der Mutter- zur Tochtergesellschaft und zwischen Schwestergesellschaften aufgrund der dort stark eingeschränkten Auskunftsansprüche, die allenfalls im Einzelfall den Informationsfluss zur abhängigen Gesellschaft ermöglichen, die gemeinsame Wissensorganisation nur im Einzelfall möglich ist, besteht dort zumindest im Fall der Veranlassung einer Maßnahme durch die Muttergesellschaft aufgrund des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, der Tochtergesellschaft wertend das Wissen der Muttergesellschaft zuzurechnen. Demgegenüber muss bei der Zurechnung von der Tochter- zur Muttergesellschaft stark zwischen den verschiedenen Konzernarten unterschieden werden. Sofern ein Beherrschungsvertrag vorliegt, bestehen bereits umfassende Informationsansprüche als Annex zum Weisungsrecht des § 308 AktG, um überhaupt die Möglichkeit zu schaffen, Weisungen auf Grundlage angemessener Informationen treffen zu können. Darüber hinaus kann die Konzernmutter auch schlicht die Weisung zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation erteilen, wodurch sie in jedem Fall den Informationsfluss zu ihr beherrschen kann. Fehlt ein solcher Beherrschungsvertrag in einem AGKonzern und mithin auch das Weisungsrecht iSd. § 308 AktG, bestehen hingegen lediglich vereinzelt spezialgesetzliche Auskunftsansprüche der Muttergesellschaft, die – abseits einer freiwilligen Informationsweitergabe – die

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Beherrschung des Informationsflusses stark einschränken. Demgegenüber bestehen im faktischen GmbH-Konzern sowohl aufgrund des Auskunftsanspruchs iSd. § 51a Abs. 1 GmbHG als auch aufgrund des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung, die im faktischen Konzern regelmäßig von der Konzernmutter beherrscht wird, umfassendere Informationsrechte. Doch selbst wenn der Muttergesellschaft kein Informationsanspruch gegenüber der Tochtergesellschaft zusteht (wie insbesondere im faktischen AG-Konzern), kann sie mitunter trotzdem den Informationsfluss beherrschen, indem freiwillig eine gemeinsame Wissensorganisation eingerichtet wird.

II. Bildung einer funktionalen Einheit Aus der bloßen Möglichkeit zur Beherrschung des Informationsflusses innerhalb des Konzerns bzw. zwischen den einzelnen konzernabhängigen Gesellschaften folgt noch nicht, dass innerhalb dieser Beherrschungskorridore konzerninternes Wissen stets zugerechnet werden kann. Dies wäre allenfalls denkbar, wenn eine gegenüber Dritten wirkende Konzernleitungspflicht bestünde, die eine aktive, zentralistische Konzernleitung, samt umfassender gruppeninterner Wissensorganisation erforderlich machen würde, sodass sich in der Folge Konzernaußenstehende im Rahmen der Wissenszurechnung auf diese Pflicht berufen könnten. Darüber hinaus könnte man ebenso über einen Gleichlauf von Informationsbeherrschungsmöglichkeit und Wissenszurechnung nachdenken, wenn zumindest eine Konzernleitungspflicht gegenüber dem abhängigen Unternehmen bestünde,183 sofern man argumentiert, dass in diesem Fall für die Beurteilung der rechtserheblichen Wissensumstände auf den Konzernvorstand als das entscheidende Willensbildungsorgan abgestellt werden müsste – selbst dann, wenn er es pflichtwidrig unterlassen hätte, eine Weisung zu erteilen.184 Eine solche Konzernleitungspflicht gegenüber der abhängigen Gesellschaft oder gar gegenüber konzernfremden Dritten lässt jedoch nicht bloß eine taugliche Rechtsgrundlage vermissen,185 sie verkennt darüber hinaus auch die begrenzten Einwirkungsmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens im Konzern:186

183

So etwa für eine Konzernleitungspflicht zugunsten der abhängigen Gesellschaft U.H. Schneider, ZHR 143 (1979), 485 (506 ff.); ders., BB 1981, 249 (256 ff.); Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 169 ff. 184 In diese Richtung argumentiert Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 212, der freilich später auch eine Konzernleitungspflicht zugunsten der abhängigen Gesellschaft ablehnt, vgl. ebd., S. 216 ff. 185 Vgl. Fleischer, DB 20015, 759 (761); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 152. 186 Gegen eine Konzernleitungspflicht ggü. der abhängigen Gesellschaft und konzernfremden Dritten LAG Hamm, Beschl. v. 24.6.1977 – 3 Ta BV 39/77, AG 1977, 323 (323);

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

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Im faktischen Konzern fehlt es dem herrschenden Unternehmen nämlich bereits an einer rechtlichen Einflussmöglichkeit, da dort der Vorstand der Tochtergesellschaft zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, den „Weisungen“ der Muttergesellschaft Folge zu leisten bzw. den Veranlassungen nachzukommen.187 Darüber hinaus würde eine solche Pflicht auch dem Zweck der faktischen Konzernierung widersprechen, der von dezentralen Strukturen und bloß singulären Einflussnahmen ausgeht. Im Vertragskonzern billigt zwar § 308 Abs. 1 AktG der Muttergesellschaft ein Weisungsrecht zu, jedoch besteht auch danach gerade keine Weisungspflicht.188 Insofern ergibt sich auch aus § 309 Abs. 1 AktG nichts anderes, da die dortige Sorgfaltspflicht – die ausweislich des Abs. 4 S. 3 auch gegenüber Dritten gilt – die Erteilung einer Weisung voraussetzt, wobei die Unterlassung von Weisungen (grundsätzlich)189 nicht pflichtwidrig sein soll.190 Aufgrund der fehlenden allgemeinen Konzernorganisationspflicht gegenüber dem abhängigen Unternehmen und erst recht gegenüber konzernfremden Dritten besteht in der Folge auch keine konzernweite Informationsorganisationspflicht in dieser Richtung.191 Vielmehr bedarf es neben der Beherrschung des Informationsflusses in der jeweiligen Zurechnungsrichtung auch der Bildung einer funktionalen Einheit innerhalb des Konzerns. Nur wenn in der konkreten Zurechnungssituation zwischen dem Wissenden und dem Zurechnungsempfänger eine solche funktionale Einheit besteht, rechtSchüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 216 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (334); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 60; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 AktG Rn. 34; grds. auch Fleischer, DB 2005, 759 (761 f.); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 96 f.; Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften, 2001, S. 117 f. 187 Vgl. Fleischer, DB 2005, 759 (761); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 96; Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 10. 188 Vgl. hierzu Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 96; Fleischer, DB 2005, 759 (762); MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rn. 54; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 Rn. 34; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 60. 189 Zu der ausnahmsweise bestehenden Schadensersatzpflicht bei unterlassenden Weisungen, insb. wenn durch vorangegangene Weisungen eine Lage geschaffen wurde, die nunmehr weitere Weisungen erfordert vgl. Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 217; MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rn. 58 ff. mwNachw. 190 Vgl. hierzu Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 96 f.; Bous, Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzernverbundener Kapitalgesellschaften, 2001, S. 118; Fleischer, DB 2005, 759 (762); Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 309 Rn. 10. 191 So auch Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 212 ff., 218 ff., 268; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (334); Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (124 f.); Bork, ZGR 1994, 237 (252 ff.).

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

fertigt es diese, den Konzern als Einheit zu betrachten. Insofern „überwindet“ die funktionale Einheit im Hinblick auf die wertende Wissenszurechnung die gesellschaftsrechtliche Trennung der Unternehmen. Letztlich stellt das Erfordernis der Bildung einer funktionalen Einheit eine besondere Ausprägung des allgemeinen Zumutbarkeitskriteriums dar: Durch die gesetzlichen Wertungen der gesellschaftsrechtlichen Trennung der konzernzugehörigen Unternehmen und der fehlenden allgemeinen Konzernleitungspflicht lässt sich im Grundsatz festhalten, dass eine allgemeine konzernweite Wissensorganisation unzumutbar ist und mithin keine allgemeine konzernweite Wissensverantwortung besteht. Nur wenn Konzernglieder durch die Bildung einer funktionalen Einheit die gesellschaftsrechtliche Trennung „überwinden“ und sich dazu entschließen, in dieser Weise konkret arbeitsteilig zusammenzuarbeiten, entsteht eine auf den Konzern ausgeweitete Wissensverantwortung.192 Demgemäß ist es in diesen Fällen auch grundsätzlich zumutbar, das (konzernweit rechtserhebliche) Wissen konzernintern zu organisieren. Mithin entsteht dort, wo eine funktionale Einheit zwischen Konzerngliedern besteht – und gleichzeitig der Informationsfluss in dieser Beziehung beherrschbar ist – eine Obliegenheit zur Wissensorganisation,193 wobei eine Obliegenheitsverletzung dazu führt, dass sich das konzernzugehörige Bezugssubjekt als Zurechnungsempfänger nicht von dem Verdikt der Wissenszurechnung befreien kann. Folglich stellt das Kriterium der funktionalen Einheit als Ausprägung des allgemeinen Zumutbarkeitskriteriums eine notwendige Grenze der Wissenszurechnung im Konzern dar, um der fehlenden Pflicht zur zentralistischen Konzernführung zu entsprechen.194 Insofern greift auch die Ansicht Gasteyers und Goldschmidts zu kurz, die bloß aus der rechtlichen Selbstständigkeit der konzernverbundenen Unternehmen ableiten wollen, dass selbst aus der Bildung einer funktionalen Einheit keine Wissenszurechnung folgen könne.195 Es ist zwar richtig, dass im Konzern die rechtliche Selbstständigkeit der konzernzugehörigen Unternehmen nicht aufgehoben wird,196 wie oben dargestellt knüpft die Wissenszurech192 Ähnlich auch MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 64: Wissenszurechnung ist im Konzern möglich, wenn ein bewusstes Zusammenwirken konzernangehöriger Unternehmen im Rahmen eines arbeitsteiligen Vorgehens vorliegt; ähnlich auch Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 203: wenn ein Konzernverbund eine wirtschaftliche Einheit bildet, kann der Rechtsverkehr davon ausgehen, dass ein Informationsaustausch stattfindet. 193 Zur Frage, ob die „Pflicht“ zur Wissensorganisation eine Pflicht im Rechtssinne oder nicht vielmehr eine Obliegenheit darstellt vgl. oben § 8 C.I.2. 194 Ebenso für ein Abstellen auf die funktionale Einheit Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121 (159 f.); Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 103 ff.; ähnlich auch Bork, ZGR 1994, 237 (256): Beherrschbarkeit des Organisationsbereichs. 195 Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116 (124). 196 Vgl. bereits oben § 11 A.I.

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nung jedoch nicht an der Rechtspersönlichkeit an, sondern bereits an der arbeitsteiligen Organisation.197 Im Rahmen der Wissenszurechnung im Konzern wird der Umstand der rechtlichen Selbstständigkeit konzernverbundener Unternehmen berücksichtigt, indem nicht auf die Ergebnisse der Wissenszurechnung im Einheitsunternehmen zurückgegriffen wird, sondern die Grenzen neu ermittelt werden (mit restriktiveren Ergebnissen). Gerade wenn aber dem konzernzugehörigen Unternehmen die Beherrschung des Informationsflusses möglich ist und es darüber hinaus auch mit einem anderen (wissenden) Unternehmen eine funktionale Einheit bildet – etwa durch die Veranlassung einer Maßnahme, durch die gemeinsame Nutzung von Datenbanken oder die Ausgliederung konzerninterner Aufgaben – sprechen gute Gründe für die Annahme der wertenden Wissenszurechnung. Dort wirken die konzernzugehörigen Unternehmen (trotz ihrer verbleibenden rechtlichen Selbstständigkeit) qualifiziert arbeitsteilig zusammen, dem potentiellen Zurechnungsempfänger ist die Kenntniserlangung möglich und durch die besondere funktionale Einheit, die beide bilden, wird die gesellschaftsrechtliche Trennung im Konzern nivelliert, sodass die Zurechnung nur konsequent ist. Die Bezugnahme auf die Bildung einer funktionalen Einheit weist daher Ähnlichkeiten auf mit der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH zur behördenübergreifenden Zurechnung der Kenntnis insolvenzrechtlicher Aufrechnungshindernissen, der ebenso auf die Bildung einer „aufgabenbezogenen neuen Handlungs- und Informationseinheit“ als Zurechnungsgrund abstellt.198 Diese neue Struktur, die durch die funktionale Einheit zwischen den konzernzugehörigen Gesellschaften gebildet wird, überwindet dabei die durch deren rechtliche Selbstständigkeit gezogenen Grenzen.199 1. Singuläre funktionale Einheit: Veranlassung Zunächst liegt eine solche funktionale Einheit von konzernzugehörigen Unternehmen bei der (singulären) Veranlassung von Maßnahmen auf der Hand. Wie bereits oben gezeigt, lässt sich in diesen Fällen, in denen beispielsweise die Muttergesellschaft innerhalb eines Vertragskonzerns eine Weisung iSd. § 308 AktG erteilt oder sie innerhalb eines GmbH-Konzerns als herrschende Gesellschafterin, vermittelt durch die GmbH-Gesellschafterversammlung, der Tochtergesellschaft eine Weisung erteilt, davon ausgehen, dass die Muttergesellschaft das Handeln maßgeblich prägt bzw. bildlich gesprochen die Zügel in der Hand hält.200 In diesen Fällen spricht schon der Rechtsgedanke 197

Vgl. dazu ausführlich oben § 9 A.I. BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, NJW 2011, 2791 (Rn. 19, 21). 199 So auch Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 103 f. 200 So auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (335); i.E. auch Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern 2000, S. 152 ff.; vgl. hierzu auch Mot. I, S. 227 = Mugdan I, S. 478. 198

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des § 166 Abs. 2 BGB – im Übrigen genauso wie derjenige des Abs. 1 –, dem die Wertung zugrunde liegt, dass in Bezug auf die rechtserhebliche Kenntnis (auch) auf denjenigen abgestellt werden soll, dessen Interessenbewertung und Entschließung für die Maßnahme entscheidend ist, für eine funktionale Einheit zwischen demjenigen, der entscheidend hinter der Maßnahme steht, und demjenigen, der diese ausführt.201 Somit entsteht sowohl durch die Weisungserteilung im Vertragskonzern gem. § 308 AktG202 als auch durch die Weisung der GmbH-Gesellschafterversammlung innerhalb eines GmbHKonzerns203 eine funktionale Einheit zwischen der weisenden Konzernmutter und der ausführenden Tochter. Darüber hinaus lässt sich der Rechtsgedanke des § 166 Abs. 2 AktG wie gezeigt auch auf die Veranlassung im faktischen AG-Konzern übertragen, da der Weisungsbegriff dort weit ausgelegt wird und es demnach nicht auf eine rechtliche Bindungswirkung der Einflussnahme ankommen soll, sondern lediglich auf die faktische Prägung der Maßnahme nach dem Willen des Geschäftsherrn.204 Insofern genügen für die Annahme einer die funktionale Einheit begründenden Veranlassung bereits geäußerte Wünsche oder Empfehlungen sowie die auf faktische Weise durch ihre beherrschende Stellung ausgeübte Einflussnahme der Muttergesellschaft.205 In diesen Fällen der Veranlassung entsteht im Hinblick auf die veranlasste Maßnahme eine (singuläre) funktionale Einheit zwischen der veranlassenden Muttergesellschaft und der ausführenden Tochter. Es entsteht jedoch nur in Bezug auf die jeweils veranlasste Maßnahme eine funktionale Einheit, sodass auch nur diesbezüglich Wissen zugerechnet werden kann. Abseits der konkreten Veranlassung findet demgegenüber keine Wissenszurechnung statt.

201

BGH, Urt. v. 24.10.1968 – II ZR 214/66, BGHZ 51, 141 (147). So auch Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (335); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); Armbrüster/Kosich, ZIP 2020, 1494 (1504); i.E. auch Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern 2000, S. 152 ff., der dies jedoch über die Vorstellung der Muttergesellschaft als „Quasi-Organ“ der Tochtergesellschaft lösen möchte. 203 BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957 (960); Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 966; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); Ellers, GmbHR 2004, 934 (937); hierfür ist es sogar ohne Belang, ob an dem Gesellschafterbeschluss auch gutgläubige Minderheitsgesellschafter mitgewirkt haben, solange die Stimmen der herrschenden Muttergesellschaft den Beschluss alleine tragen, vgl. Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); vgl. auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 967 f. 204 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 21.6.1968 – V ZR 32/65, BGHZ 50, 364 (368); UHL/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 206; MünchKommGmbHG/Stephan/Thieves, § 35 Rn. 223; Staudinger/Schilken (2019), BGB, § 166 Rn. 33 ff., jeweils mwNachw. 205 So auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 966 f.; ders., ZHR 181 (2017), 311 (336); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (366); Armbrüster/Kosich, ZIP 2020, 1494 (1504). 202

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Etwas anderes ist nur denkbar, wenn aufgrund anderer Umstände, wie etwa einer intensiven Beherrschung (durch eine Vielzahl einzelner Weisungen, die einen Eindruck der umfassenden Einflussnahme zulassen),206 eine allgemeine funktionale Einheit besteht. 2. Allgemeine funktionale Einheit a) Intensives Beherrschungsverhältnis Wenn dagegen nicht nur einzelne Maßnahmen veranlasst werden, sondern die Muttergesellschaft eine intensive Beherrschung ausübt, kommt nicht nur die Bildung einer singulären funktionalen Einheit in Bezug auf jede einzelne Veranlassung in Betracht, sondern vielmehr eine dauerhafte, allgemeine funktionale Einheit. Es stellt sich die Frage, ob durch die regelmäßige Ausübung einheitlicher Leitungsmacht eine von der einzelnen Veranlassung unabhängige, allgemeine funktionale Einheit entsteht, die eine generelle Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns ermöglicht, und somit auch, wenn das Mutterunternehmen im Einzelfall eine Veranlassung unterlassen hat. Hier versagt das Argument, die Muttergesellschaft habe keine allgemeine Pflicht der Tochtergesellschaft oder Dritten gegenüber zur Konzernleitung und erst recht keine Pflicht zur intensiven Beherrschungsausübung, sodass aus der bloßen Möglichkeit zur Beherrschung der Informationsflüsse noch nicht geschlossen werden könne, dass in diesen Fällen auch stets eine Wissenszurechnung gerechtfertigt wäre: Trotz der fehlenden Pflicht zur intensiven Konzernleitung zeichnet sich die Beherrschung der Tochtergesellschaft hier nämlich gerade durch die (freiwillige) regelmäßige Ausübung einheitlicher Leitungsmacht durch die Muttergesellschaft aus. Durch die regelmäßige und umfassende Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft wird ihre Geschäftsführung über einzelne Weisungen hinaus von der Konzernmutter (bzw. ihrem Geschäftsführungsorgan) bestimmt, sodass das Geschäftsführungsorgan der Tochter regelmäßig nicht mehr selbstverantwortlich die wesentlichen Entscheidungsprozesse der eigenen Gesellschaft leitet, sondern bloß mit der schlichten Umsetzung der Weisungen beschäftigt ist.207 Eine solch intensive Beherrschung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Geschäftsführungsorgan der Konzernmutter umfassende Führungsentscheidungen trifft, die in einem unabhängigen Unternehmen das Leitungsorgan der Tochtergesellschaft treffen müsste, bzw. wenn die Geschäftsführung in ihrem Kern auf die Muttergesellschaft übergegangen ist.208 Dabei ist es auch möglich, dass eine intensive Beherrschung nur auf einzelne Bereiche 206

Vgl. hierzu sogleich § 11 C.II.2.a). Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern 2000, S. 225. 208 Vgl. zur Frage des erforderlichen Ausmaßes der Einflussnahme Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 227 ff.; vgl. auch Lutter, AG 1990, 179 (183). 207

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

beschränkt ist, sodass auch im Hinblick auf die Wissenszurechnung diesbezüglich differenziert werden muss.209 Aufgrund der dafür nötigen intensiven Beherrschung ist allerdings davon auszugehen, dass diese Fallgruppe der funktionalen Einheit regelmäßig nur im Vertragskonzern oder allenfalls im qualifiziert faktischen Konzern vorliegt; in dem auf eine dezentrale Konzernführung zugeschnittenen und auf dem Prinzip der freiwilligen Befolgung veranlasster Maßnahmen beruhendem faktischen Konzern dürfte demgegenüber die nötige Beherrschungsintensität nur im Ausnahmefall vorliegen. aa) Zurechnung von der Tochter zur Mutter Infolge eines solch intensiven Beherrschungsverhältnisses wird das Geschäftsführungsorgan der Konzernmutter zum eigentlichen Willens- und Wissenszentrum des Konzerns, das umfassend über alle relevanten Abläufe innerhalb der Tochtergesellschaft informiert sein muss, um sorgfältige Weisungsentscheidungen iSd. §§ 93 Abs. 1, 309 Abs. 1 AktG treffen zu können.210 Insofern ist sogar davon auszugehen, dass sich aus der Pflicht zur sorgfältigen Weisungserteilung auch die Pflicht ergibt, ausreichend über die Verhältnisse des Weisungsempfängers informiert zu sein, da sowohl eine sorgfältige Weisungserteilung im Einzelfall als auch die Konzernplanung und -steuerung im Allgemeinen nur aufgrund einer angemessenen Informationsgrundlage möglich ist; hier kann nichts anderes gelten als in Bezug auf die Informationsverantwortung des Vorstands gem. § 93 Abs. 1 AktG.211 Darüber hinaus lässt sich die Wissensverantwortung der Muttergesellschaft im Hinblick auf das Wissen der Tochtergesellschaft bei intensiv ausgeübter Leitungsmacht zumindest indirekt auch dem Konzept des § 309 Abs. 1 AktG entnehmen. Danach kommt dem herrschenden Unternehmen zwar grundsätzlich keine Pflicht zur Weisungserteilung zu bzw. stellt das Unterlassen einer Weisung im Grundsatz keine Pflichtverletzung iSd. § 309 Abs. 1 AktG dar, ausnahmsweise kann jedoch auch eine unterlassene Weisung eine Haftung der herrschenden Gesellschaft begründen.212 Dies vor allem, wenn das Vorverhalten der herrschenden Gesellschaft eine solche Ausnahme begründet, wie etwa bei der Erteilung unvollständiger Weisungen oder bei Weisungen, die erst in Kombination mit anderen Direktiven ein 209

Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 229. Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 255; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 1996, Rn. 290 ff.; Scheffler, AG 1991, 256 (259). 211 Vgl. zur Informationsverantwortung des Vorstands als Teil der allgemeinen Sorgfaltspflicht Fleischer, ZIP 2003, 1 (5). 212 Anstatt aller Kantzas, Das Weisungsrecht im Vertragskonzern, 1988, S. 165; Henze/ Lübke, Der Konzern 2009, 159 (163); Spindler/Stilz/Veil, AktG, § 309 Rn. 17, jeweils mwNachw. 210

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unternehmerisch sinnvolles Handlungsprogramm ergeben.213 Somit kommt auch im Rahmen der ausnahmsweisen Haftung für unterlassene Weisungen die Grundwertung zum Ausdruck, dass zwar im Ausgangspunkt keine allgemeine Konzernleitungspflicht besteht, allerdings sehr wohl im Ausnahmefall ein Einschreiten der herrschenden Gesellschaft geboten sein kann, wenn sie durch ihr Vorverhalten eine Situation geschaffen hat, in der die Tochtergesellschaft nicht mehr autonom agieren kann und hierdurch ein Schaden droht. Dasselbe gilt im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung: Auch hier lässt sich zwar aufgrund der fehlenden grundsätzlichen Konzernleitungspflicht über die bloße Konzernzugehörigkeit noch keine Wissenszurechnung begründen. Wenn die herrschende Gesellschaft gleichwohl durch die freiwillige Ausübung einer intensiven Leitungsmacht eine Situation geschaffen hat, in der nicht mehr das Geschäftsführungsorgan der Tochtergesellschaft selbst unternehmensbezogene Entscheidungen trifft, sondern vielmehr dasjenige der Muttergesellschaft das Wissens- und Willenszentrum der Tochtergesellschaft ist, muss die Muttergesellschaft auch umfassend über sämtliche Abläufe innerhalb der Tochtergesellschaft informiert sein, um sorgfältige Weisungsentscheidungen iSd. §§ 93 Abs. 1, 309 Abs. 1 AktG treffen zu können. Wenn der herrschenden Gesellschaft jedoch selbst die Pflicht zukommt, sich eine ausreichende Informationsgrundlage zur umfassenden Ausübung der Leitungsmacht zu verschaffen, kann ihr ebendieses im Rahmen der Wissenszurechnung auch zugemutet werden, sodass in einem zentralistischen Konzern, wie er hier beschrieben ist, zumindest die Wissenszurechnung von der Tochter- zur Muttergesellschaft begründet werden kann.214 Aber auch abseits einer Pflicht zur Informationsbeschaffung besteht im Rahmen einer derart intensiven Beherrschung schon rein faktisch das Bedürfnis für eine angemessene Informationsversorgung des Entscheidungsträgers, sodass bereits aufgrund eigener Interessen der Muttergesellschaft davon auszugehen ist, dass ausreichende Informationskanäle eröffnen werden, um sich selbst mit dem erforderlichen Wissen zu versorgen. In diesem Fall verfügt die Konzernmutter ohnehin über den Zugang zum Wissen der Tochtergesellschaft (mit Ausnahme etwaiger vertraulicher Informationen, etwa aufgrund des Datenschutzrechts)215, sodass ihr dieses zugerechnet werden muss.

213 MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rn. 59; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 309 Rn. 6. 214 So auch Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 226. 215 Zum Datenschutz im Konzern vgl. Poll, Datenschutz in und durch Unternehmensgruppen im europäischen Datenschutzrecht, 2018, passim, insb. S. 71 ff., 125 ff.

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bb) Zurechnung von der Mutter zur Tochter Demgegenüber wird bei einer intensiven Beherrschung der Tochter nur selten deren Wissen entscheidungserheblich. Vor allem im nicht-rechtsgeschäftlichen Bereich und wenn die Mutter trotz ihrer regelmäßigen Einflussnahme der Tochter einzelne Entscheidungen überlässt und somit in diesen Fällen deren Kenntnisstand relevant wird, stellt sich die Frage, ob im Rahmen der intensiven Beherrschung auch die Zurechnung von oben nach unten möglich ist. Wenn bei der Tochtergesellschaft einzelne Entscheidungsbefugnisse verbleiben, können diese nur angemessen erfüllt werden, wenn ihr Leitungsorgan ausreichend informiert ist und insbesondere auch über die Geschäftspolitik hinreichend instruiert wurde, sodass auch in der Richtung von der Mutter- zur Tochtergesellschaft ein Wissenstransfer nötig werden kann.216 Eine solche Pflicht zur Schaffung eines Wissenstransfers von der Mutterzur Tochtergesellschaft bzw. eine entsprechende Wissensweiterleitungspflicht lässt sich in Ausnahmefällen als Nebenpflicht aus § 309 Abs. 1 AktG herleiten. Insbesondere wenn die verbleibenden Entscheidungskompetenzen der Tochtergesellschaft so ausgestaltet sind, dass eine sinnvolle Aufgabenerfüllung nicht ohne einen Informationstransfer von der Muttergesellschaft möglich ist, lässt sich tatsächlich eine Informationspflicht aus § 309 Abs. 1 AktG begründen.217 In einem derartigen Fall, in dem aufgrund des Vorverhaltens der Muttergesellschaft – insbesondere durch die Verengung des Entscheidungsradius der Tochtergesellschaft auf bestimmte Bereiche und den damit potentiell einhergehenden Informationsverlust auf Seiten des Geschäftsführungsorgans der Tochtergesellschaft – eine ordnungsgemäße Aufgabenbewältigung für die Tochtergesellschaft ohne zusätzliche Informationen der Muttergesellschaft nicht mehr möglich ist, entspricht es der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, die Tochtergesellschaft (bzw. ihr Geschäftsführungsorgan) mit den notwendigen Informationen zu versorgen, um so eine ordnungsgemäße Aufgabenbewältigung überhaupt erst zu ermöglichen. Insofern kann, wenn eine Pflicht zur Wissensweiterleitung seitens der Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft besteht, im Rahmen dieser Pflicht auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Informationsbeschaffung für die Tochtergesellschaft im Grundsatz unzumutbar ist, sodass dort auch die Wissenszurechnung von oben nach unten möglich ist. Wenn jedoch ohne zusätzlichen Informationstransfer von der Muttergesellschaft eine ordnungsgemäße Aufgabenbewältigung der Tochtergesellschaft möglich ist – wie etwa im Rahmen zugewiesener Kompetenzbereiche, die von der Muttergesellschaft absolut losgelöst sind und völlig autark von 216 217

Vgl. hierzu auch Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 226. So auch Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 226.

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der Tochtergesellschaft erledigt werden können –, fällt die Begründung einer Nebenpflicht zur Informationsweitergabe aus § 309 Abs. 1 AktG schwer. § 309 Abs. 1 AktG knüpft immerhin an die einzelne Weisungserteilung an und lässt nur im Ausnahmefall die Unterlassung einer Weisungserteilung genügen. Hier steht allerdings gerade keine Weisungserteilung in Rede, sondern das Überlassen eines eigenen Handlungsspielraums für die Tochtergesellschaft, mithin ein Unterlassen. Diesbezüglich soll das Geschäftsführungsorgan der Muttergesellschaft die Sorgfaltspflicht gem. § 309 Abs. 1 AktG nur im Ausnahmefall treffen, wenn sie durch ihr Vorverhalten eine Situation geschaffen hat, in der die Tochtergesellschaft nicht mehr aus eigener Kraft agieren kann. Dies ist in der zweiten Konstellation hingegen gerade nicht der Fall, sodass dort auch keine Wissensweiterleitungspflicht als Nebenpflicht aus § 309 Abs. 1 AktG hergeleitet werden kann.218 b) Outsourcing Der intensiven Beherrschung der Tochtergesellschaft, durch die die herrschende Gesellschaft Entscheidungen für die abhängige Gesellschaft trifft, lässt sich das Outsourcing gegenüberstellen, wobei eine Gesellschaft die ihr obliegenden Aufgaben durch eine andere Konzerngesellschaft erledigen lässt. Diese Auslagerung unternehmenseigener Aufgaben ist nicht nur innerhalb eines Konzerns denkbar, ist dort jedoch besonders üblich, wie etwa im Bereich der IT-Infrastruktur, Logistik, Fuhrparks, Einkaufs- oder Vertriebsgesellschaften. Gleiches gilt im Rahmen einer vollständigen Arbeitsteilung, wie beispielsweise, wenn die eine konzernzugehörige Gesellschaft (sog. Objektgesellschaft) Eigentümerin von Immobilien ist und damit handelt, während die immobilienwirtschaftliche und technische Betreuung vollständig auf eine andere konzernzugehörige Gesellschaft (sog. Immobilienverwaltungsgesellschaften) ausgelagert ist.219 Insofern können durch das Outsourcing zum einen konzernweit anfallende Aufgaben gebündelt werden und darüber hinaus Risiken minimiert oder zumindest gesteuert werden. Die Notwendigkeit zur Wissenszurechnung wird dabei besonders deutlich, wenn die gesamte Informationsverwaltung der Muttergesellschaft (oder gar die konzernweite Informationsverwaltung) auf eine abhängige Gesellschaft ausgelagert wird und somit ohne eine Wissenszurechnung die Muttergesellschaft (bzw. die übrigen konzernzugehörigen Gesellschaften) ihre Kenntnisse vollkommen segmentieren könnte.220

218 Anders wohl Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000, S. 226, der die Grenzen der Wissensweiterleitungspflicht weiter zieht. 219 Vgl. Marschke, ZfIR 2012, 445 (448 f.); vgl. auch Spindler, ZHR 181 (311), 311 (336). 220 Vgl. hierzu auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 56e; GroßKommAktG/Habersack/Foerster, § 78 Rn. 44.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Auch im Rahmen dieser qualifizierten arbeitsteiligen Organisation, in der eigene Aufgaben des Unternehmens auf andere Gesellschaften verteilt werden, um ein gemeinsames Konzernziel zu erreichen, liegt die Bildung einer funktionalen Einheit der an dem Outsourcing partizipierenden Gesellschaften auf der Hand.221 Der BGH erkennt diesbezüglich in einem obiter dictum zutreffend, dass auch zwischen verschiedenen Gesellschaften eine Wissenszurechnung stattfindet, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben einer Gesellschaft so organisiert ist, „dass ein Teil ihres Aufgabenbereichs auf eine natürliche Person oder eine selbstständige juristische Einheit ausgegliedert ist“.222 In den Fällen der Auslagerung einzelner Aufgabenbereiche in eine andere Gesellschaft, wie sie auch im Rahmen des konzerninternen Outsourcing Praxis ist, wirken diejenige Gesellschaft, die die ausgelagerte Aufgabe nutzt – und demnach nun nicht mehr selber ausführen muss – und diejenige Gesellschaft, die konzernintern nun die ausgelagerte Aufgabe für alle Konzernglieder oder zumindest für Teile des Konzerns vornimmt, intensiv arbeitsteilig zusammen. Besonders deutlich wird die funktionale Einheit erkennbar, wenn man die Variable des Outsourcings streicht, sodass jede Gesellschaft die vormals ausgelagerte Aufgabe nunmehr selbst wieder übernehmen muss. In diesem Fall, in dem die jeweiligen Gesellschaften nun diese Aufgabe wieder selbst übernehmen, dürfte kaum bezweifelt werden, dass die Wissensorganisation auch das mit dieser Aufgabe einhergehende Wissen umfassen muss. Wenn nun allerdings dieser Aufgabenteil auf eine andere (konzernzugehörige) Gesellschaft übertragen wird, kann bereits aus Gründen des Umgehungsschutzes nichts anderes gelten.223 Anders gewendet kann die Entscheidung, einen Arbeitsprozess statt durch Abteilungen innerhalb desselben Rechtsträgers durch rechtlich selbstständige (konzernzugehörige) Einheiten durchführen zu lassen, nicht zu einer grundsätzlich anderen Bewertung der Wissensverantwortung führen; sofern die Arbeitsteilung vorher der wertenden Wissenszurechnung und der damit einhergehenden Obliegenheit zur Wissensorganisation unterlag, muss dies auch gelten, wenn aus unselbstständigen Betriebsteilen selbstständige Tochtergesellschaften wurden.224 Insofern ist die wertende Wissenszurechnung, die ihren Anknüpfungspunkt in der Arbeitstei-

221

Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359 (360); Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 101; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (378 ff.); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (336 f.); Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121 (157 f., 159); Verse, AG 2015, 413 (419). 222 BGH, Urt. v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359 (360); vgl. hierzu auch Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 101; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (336 f.). 223 Ähnlich auch Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121 (159). 224 So auch Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 101; Armbrüster/Kosich, ZIP 2020, 1494 (1503 f.).

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lung findet, sodass die Zurechnungsgrundsätze nicht bloß auf juristische Personen, sondern auf jede Art von arbeitsteiligen Organisationen anwendbar ist, rechtsformunabhängig.225 Im Schrifttum findet sich darüber hinaus der erläuternde Hinweis, dass die Inanspruchnahme der Vorteile arbeitsteiliger Aufgabenerledigung im Konzern es rechtfertige, den Rechtsverkehr nicht nur vor den Wissensorganisationsmängeln innerhalb der Gesellschaften zu schützen, sondern im gesamten Konzern, wodurch auch ein allgemeiner Gerechtigkeitsaspekt in die Diskussion mit einfließt.226 c) Gemeinsame Nutzung von Informationssystemen Schon früh – und sogar noch vor dem Grundsatzurteil aus 1996227 – hat der IV. Zivilsenat des BGH in Bezug auf konzernverbundene Gesellschaften mit gemeinsam genutzten Informationssystemen entschieden, dass auch das Wissen anderer Unternehmen zugerechnet werden kann, wenn es aufgrund einer gemeinsam geführten elektronischen Datensammlung oder im Wege herkömmlicher Akten hätte berücksichtigt werden können.228 Nach Ansicht des BGH ist eine solche konzernweite Zurechnung im Rahmen einer gemeinsamen Datensammlung jedoch nur möglich, wenn ein konkreter Anlass zur unternehmensübergreifenden, konzernweiten Datenabfrage bestand (in den Grenzen des gemeinsamen Informationssystems), wie beispielsweise, wenn der Gegenüber auf die Daten bei anderen konzernzugehörigen Unternehmen ausdrücklich hingewiesen hat.229 Diese Einschränkung kann nur als Versuch gewertet werden, eine unzumutbare Wissensorganisation im Rahmen der Wissenszurechnung ausschließen zu wollen. Insbesondere wenn keine elektronische Datensammlung, sondern eine herkömmliche, papierbasierte Aktensammlung in Rede steht, ist sicherlich eine anlasslose händische Durchsuchung des gesamten Konzernwissensbestands grundsätzlich nicht zumutbar. Dies dürfte sich jedoch mittlerweile geändert haben. Regelmäßig dürfte eine gemeinsame Datensammlung – erst recht

225

Vgl. hierzu bereits ausführlich die Begründung der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung § 9 A.; vgl. hierzu auch Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 101. 226 Grigoleit, LM Nr. 43 zu § 166 BGB; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (379); UHL/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 210; MünchKommGmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 218. 227 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30. 228 BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 (229). 229 BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 (229 f.); zur anlassbezogenen Wissenszurechnung bei gemeinsamer Datennutzung im Konzern vgl. auch BGH, Urt. v. 28.9.2005 – IV ZR 255/04, NJW 2006, 289 (Rn. 33 ff.); vgl. hierzu auch Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017, S. 98 ff.; Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121 (156 f.); Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (495 f.).

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über mehrere Standorte hinweg – elektronisch erfolgen, sodass auch der Zugriff auf die fremden Datensätze ortsungebunden möglich ist und darüber hinaus die Datensätze auch auf relevante Informationen durchsuchbar gestaltet werden können. Erst recht im Rahmen einer Big-Data-gestützten Wissensorganisation (sog. Smart Knowledge Organisation) verschieben sich die Grenzen der Zumutbarkeit asymptotisch gegen null.230 Wenn allerdings die anlasslose Informationsabfrage in der konzernweiten Datensammlung genauso einfach möglich ist – bzw. ggf. sogar kein Unterschied mehr zwischen der unternehmenseigenen Datenbank und der konzernweiten besteht –, ist eine konzernweite Informationsabfrage zumutbar, sodass die konzernweite Wissenszurechnung im Rahmen einer gemeinsam genutzten Datensammlung auch ohne konkreten Anlass zur unternehmensübergreifenden Datenabfrage möglich ist. Jedenfalls ändert die fehlende Anlassbezogenheit der Informationsabfrage nichts an der funktionalen Einheit, die die konzernzugehörigen Gesellschaften durch die Etablierung und Unterhaltung der gemeinsamen Datensammlung bilden.231 Bei einer solchen Datensammlung entscheiden sich die konzernzugehörigen Gesellschaften immerhin gemeinsam zur gegenseitigen Informationsweitergabe bzw. wenigstens übt die herrschende Gesellschaft dementsprechend ihre Leitungsmacht aus, der die abhängige Gesellschaft Folge leistet. In beiden Fällen wirken die Konzerngesellschaften somit zusammen und nutzen die gemeinsame Datensammlung. Wenn jedoch der potentielle Zurechnungsempfänger Zugriff auf konzernweit erlangte Daten hat, reicht seine Wissensverantwortung grundsätzlich auch genauso weit (sofern nicht aus anderen Gründen die Wissensorganisation unmöglich oder unzumutbar ist). d) Gemeinsames Auftreten am Markt Ebenso bilden konzernzugehörige Gesellschaften eine funktionale Einheit, wenn sie gemeinsam am Markt auftreten. Wenn sie beispielsweise durch gemeinschaftliche Werbekampagnen, ein einheitliches Corporate Design oder gar durch eine Repräsentation des gesamten Konzerns durch die Konzernmutter gemeinsam in Erscheinung treten, wird der Eindruck erweckt, als

230

Vgl. hierzu Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (551 ff.); dies., NJW 2018, 2153 (2153 f.). 231 Für die abstrakte, nicht anlassbezogene Möglichkeit der Wissenszurechnung bei gemeinsam genutzten Datenbanken auch Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121 (159); ebenso ohne Bezug auf das Erfordernis einer Anlassbezogenheit der unternehmensübergreifenden Informationsabfrage bei einer konzernweiten gemeinsamen Datensammlung Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (335); vgl. auch Armbrüster/Kosich, ZIP 2020, 1494 (1503).

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wirkten die konzernzugehörigen Gesellschaften zusammen und bildeten eine funktionale Einheit.232 Das durch ein derartiges gemeinsames Auftreten am Markt erzeugte Vertrauen kann deutlich gemacht werden an dem Sachverhalt, über den der Florida District Court of Appeal 1975 zu urteilen hatte (allerdings nicht zur Wissenszurechnung, sondern zu Schadensersatzansprüchen): „Die Vermietungsgesellschaft Hertz Corporation, Delaware ist über eine Zwischenholding weltweit durch jeweils national ansässige Tochtergesellschaften tätig. Ein Ehepaar, das mit einem am Londoner Flughaften am Hertz-Rent-a-Car-Schalter gemieteten Wagen schwer verunglückte, verklagt die amerikanische Muttergesellschaft auf Schadenersatz. Das einheitliche Erscheinungsbild des Konzerns bis hin zum Logo, der Farbgebung und dem Design in allen Formularen und Geschäftseinrichtungen wird hierzu begründend angegeben. [Das Gericht] gab dieser Schadensersatzklage gegen die amerikanische Muttergesellschaft unter Vertrauensgesichtspunkten statt.“233

Dabei können neben einem gemeinsamen Corporate Design wie im Fall der Hertz-Autovermietung insbesondere durch einheitliche Formulare und Eingabemasken, durch die nicht erkennbar ist, mit welcher konzernzugehörigen Gesellschaft kontrahiert wird, oder durch weitgehend zentralisierte Abläufe für Reservierungen, die Kreditwürdigkeitsprüfung, Zahlungen und Reklamationen berechtigte Erwartungen an die Einheitlichkeit des Verbundes geweckt werden. Wenn konzernzugehörige Unternehmen derart zusammenwirken, dass nach außen der Eindruck von Geschlossenheit vermittelt wird, wird für den Außenstehenden die gesellschaftsrechtliche Trennung überdeckt, sodass von einer funktionalen Einheit ausgegangen werden muss. Diese funktionale Einheit muss jedoch auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr beschränkt werden; demgegenüber scheidet sie regelmäßig bei deliktischen Ansprüchen oder vergleichbaren gesetzlichen Rechtsverhältnissen mangels Möglichkeit zur Ausbildung berechtigten Vertrauens aus.234 Folglich kann auch nur innerhalb des rechtsgeschäftlichen Verkehrs bei einem gemeinsamen Auftreten am Markt die Möglichkeit zur konzernweiten wertenden Wissenszurechnung bestehen.235 232

Römmer-Collmann, Die Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 203. 233 Florida District Court of Appeal, Hertz International, Ltd. vs. Richardson, 317 So 2d 824 (Fla. Dist. Ct. App. 1975), zit. nach Theisen, Der Konzern, 2000, S. 633; vgl. hierzu auch Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 287 f. 234 Vgl. zu dieser Einschränkung auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (378). 235 So auch Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 287 ff.; Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121 (159); Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (518); MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 66: Auftreten als Einheit; darstellend Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 56e; kritisch Schürnbrand ZHR 181 (2017), 357 (378); a.A. (ohne Begründung) GroßKommAktG/Kort, § 76 Rn. 204.

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Gegen die so begründete Wissenszurechnung kann auch nicht eingewendet werden, dass keine allgemeine Konzernvertrauenshaftung bei einem bloßen Auftreten als Gruppe besteht.236 Im Rahmen der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung begründet nämlich im Grundsatz bereits die arbeitsteilige Organisation die Zurechnung, diese soll nur ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn die Wissensorganisation unmöglich oder unzumutbar ist oder gesetzliche Wertungen einer Wissenszurechnung entgegenstehen, wie im Rahmen der konzernweiten Wissenszurechnung der Umstand der rechtlichen Selbstständigkeit der konzernzugehörigen Unternehmen. Wie oben bereits dargelegt, wird allerdings durch die funktionale Einheit diese rechtliche Selbstständigkeit im Kontext der wertenden Wissenszurechnung „überwunden“, sodass sie dennoch möglich bleibt. Da durch ein derartiges gemeinsames Auftreten am Markt und dem daraus abgeleiteten berechtigten Vertrauen eine funktionale Einheit gebildet wird, ist es nur konsequent, auch die Möglichkeit zur wertenden Wissenszurechnung diesbezüglich zu bejahen. 3. Personelle funktionale Einheit: Doppelmandate Sind Konzerngesellschaften durch eine (teilweise) personelle Identität ihrer Organe durch Doppel- und Mehrfachmandate237 miteinander verbunden, stellt sich die Frage, ob diese personelle Verbindung eine (personelle) funktionale Einheit begründen kann, die die wertende Wissenszurechnung im Konzern ermöglicht. Virulent wurde diese Frage zuletzt im Nachgang des Übernahmeversuchs der Volkswagen AG durch die Porsche SE im Jahr 2008, als das damalige Aufsichtsratsmitglied der Porsche SE, Ferdinand Pie¨ch, gleichzeitig auch Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG war. Hier galt es zu klären, ob das Wissen, das er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Porsche SE erlangt hat, über seine Organstellung bei der Volkswagen AG letzterer zugerechnet werden muss.238

236 So aber Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (378); zur fehlenden Haftung aus Konzernvertrauen bei dem einheitlichen Auftreten als Gruppe auch Rieckers, NZG 2007, 125 (126 ff.); Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 92. 237 Zur gesellschaftsrechtlichen und konzernrechtlichen Zulässigkeit solcher Doppelmandate, die an dieser Stelle nicht näher untersucht werden soll vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105 (Rn. 14); monographisch Anders, Vorstandsdoppelmandate, 2006, S. 82 ff.; vgl. auch Dreher, FS Lorenz (1994), S. 175 (183 ff.); Bank, NZG 2013, 801 (801 f.); KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 70; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rn. 219. 238 OLG Celle, Urt. v. 24.8.2011 – 9 U 41/11, BeckRS 2011, 141384; vgl. hierzu auch Verse, AG 2015, 413, passim; Koch, ZIP 2015, 1757, passim; Schwintowski, ZIP 2015, 617 (622 f.).

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a) Die Zurechnung des Wissens von Doppelmandatsträgern Die Beantwortung der Frage, ob eine personelle Identität der Organe innerhalb eines Konzerns zur Bildung einer funktionalen Einheit genügt und damit die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns ermöglicht, hat ihren Ausgangspunkt in der allgemeineren Frage nach der Zurechnung privat erlangten Wissens. Das Wissen, das ein Vorstandsmitglied der Obergesellschaft (O) als gleichzeitiges Vorstandsmitglied der Untergesellschaft (U) in einer Vorstandssitzung der letzteren erlangt, hat er nicht in seiner Funktion für O erlangt, sondern in seiner Funktion für U und somit aus Sicht der O privat. Wie bereits oben dargestellt, muss hier zunächst anhand des Merkmals der Handlungsakzessorietät des Wissens differenziert werden:239 Soll das privat erlangte Wissen eines Doppelmandatsträgers zugerechnet werden, der selbst am entsprechenden Rechtsgeschäft beteiligt ist (handlungsakzessorisches Wissen), so spricht schon die Wertung des § 166 Abs. 1 BGB für die Zurechnung der privat erlangten Kenntnis (sofern keine anderen Zurechnungsschranken bestehen).240 Es kann immerhin nicht davon ausgegangen werden, dass der Doppelmandatsträger das Wissen, das er im Rahmen seiner Tätigkeit für die eine Gesellschaft erlangt hat, beim Betreten der anderen Gesellschaft „an der Garderobe“ abgibt.241 Jedoch kann auch privat erlangtes, nicht-handlungsakzessorisches Wissen eines Organmitglieds einer Gesellschaft zugerechnet werden, sofern eine Pflicht zur Nutzung der Informationen bzw. zur Wissensspeicherung und -weiterleitung besteht, die ihrerseits insbesondere nicht durch gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten ausgeschlossen wird.242 Eine solche Verpflichtung zur Nutzung der privat erlangten Informationen kann sich vor allem aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben, insbesondere, wenn die Informationen im Zusammenhang mit dem Wirkungskreis des Doppelmandatsträgers in der Gesellschaft, der das Wissen zugerechnet werden soll, stehen und erkennbar eine hohe Bedeutung für diese Gesellschaft aufweisen.243 239 Vgl. zur Zurechnung privat erlangten Wissens im Einheitsunternehmen oben § 10 A.II.2.; vgl. zum Ausschluss der Wissenszurechnung bei Verschwiegenheitspflichten oben § 10 B.I.1. 240 Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 190; Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 350; Buck-Heeb, WM 2008, 281 (282 f.); Sajnovits, WM 2016, 765 (771); Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (306); im Ergebnis auch Fleischer, NJW 2006, 3239 (3242); Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (326); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (376); Grigoleit/Grigoleit, AktG, § 78 Rn. 44. 241 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (341). 242 Sajnovits, WM 2016, 765 (770); MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 102; GroßKommAktG/Kort § 76 Rn. 205; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 88; UHL/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 202. 243 Vgl. bereits oben § 10 A.II.2.; vgl. auch Sajnovits, WM 2016, 765 (770); Spindler,

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Darüber hinaus muss in Bezug auf konzerninterne Doppelmandate beachtet werden, dass die (teilweise) personelle Identität der Organe und die dadurch entstehenden „personellen Brücken“ innerhalb des Konzerns maßgeblich zur Durchsetzung der einheitlichen Leitung (insbesondere im faktischen Konzern) beitragen.244 Abseits von Beherrschungsverträgen findet eine Einflussnahme der herrschenden Gesellschaft auf die Untergesellschaft häufig durch personelle Verflechtungen statt, wie beispielsweise in einem faktischen Konzern, in dem die Konzernmutter Mehrheitsaktionärin der Tochtergesellschaft ist und dadurch den Aufsichtsrat nach ihren Vorstellungen (innerhalb der durch die Unternehmensmitbestimmung gesetzten Grenzen) bilden kann, der wiederum – unter dem damit bestehenden mittelbaren Einfluss der Konzernmutter – den Vorstand der Tochtergesellschaft bestellt. Dementsprechend sind Konzernleitungsstrukturen häufig so gewählt, dass ein oder mehrere Vorstandsmitglieder der Konzernmutter zugleich auch Vorstandsmitglieder in der Tochtergesellschaft sind. Durch diese personellen Verflechtungen (insbesondere durch Vorstandsdoppelmandate) wird zum einen eine erleichterte Übersetzung der von der herrschenden Gesellschaft vorgegebenen Unternehmenspolitik in den abhängigen Gesellschaften erreicht und zum anderen eine möglichst unmittelbare Berücksichtigung der Interessen der abhängigen Gesellschaften an der Formulierung der Konzernziele.245 Insofern sollen durch personelle Verflechtungen im Konzern nicht nur Geschäftsbeziehungen aufgebaut werden, wie es im Rahmen von Doppelmandaten bei rechtlich voneinander unabhängigen Gesellschaften üblich ist;246 vielmehr soll hierdurch eine einheitliche Leitung des Konzerns bzw. der verflochtenen Unternehmen erleichtert, vertieft oder teilweise auch erst ermöglicht werden.247 Folglich entsteht durch personelle Verflechtungen innerhalb von Unternehmensgruppen eine funktionale Einheit (auf personeller Ebene), die eine Wissenszurechnung im Konzern ermöglicht. Neben der allgemeinen Begründung der Zurechnung von privat erlangtem Wissen durch einen Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB bei handlungsakzessorischem Wissen oder durch eine sich aus der Treuepflicht ergebende Offenlegungspflicht bei nicht-handlungsakzessorischem Wissen tritt im Konzern somit auch die Begründungsalternative der Zurechnung im Rah-

ZHR 181 (2017), 311 (326); ähnlich auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 88 unter starker Betonung der Trennung zwischen privater und amtlicher Sphäre; Buck-Heeb, WM 2008, 281 (284); MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 60. 244 Zu den Erscheinungsformen personeller Verflechtungen im Konzern vgl. Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990, S. 19 ff.; Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1015 f.); Bank, NZG 2013, 801 (801); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (370). 245 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1015); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (370). 246 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, 1958, S. 91. 247 So auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (370).

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men der gebildeten funktionalen Einheit hinzu, sodass grundsätzlich eine Zurechnung des Wissens von Doppelmandatsträgern im Konzern möglich ist.248 b) Verschwiegenheitspflicht der Doppelmandatsträger als Grenze der Wissenszurechnung Genauso wie im Rahmen der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung im Generellen und im Rahmen von Doppelmandaten bei rechtlich unverbundenen Gesellschaften im Speziellen findet die Wissenszurechnung auch hier ihre Grenze in der rechtlichen Unmöglichkeit der Wissensweitergabe, insbesondere durch gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten, da nach der meinungsprägenden Formulierung von Medicus „die Rechtsordnung […] nicht ohne Selbstwiderspruch sowohl die Geheimhaltung als auch die Verwertung von Wissen gebieten“249 kann.250 Nur wenn die Verschwiegenheitspflicht absolut gilt und nicht über eine Pflicht zur Wissensorganisation ausgehöhlt wird, kann sichergestellt werden, dass sensible Informationen offen innerhalb der Gesellschaftsorgane diskutiert werden und mithin eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist.251 Darüber hinaus kennt zumindest das Aktienrecht keine generelle Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht zwischen Konzerngesellschaften.252 Daher kann eine Zurechnung des Wissens von Doppelmandatsträgern im Konzern nur dort erfolgen, wo ausnahmsweise keine Geheimhaltungspflicht besteht oder sie aufgehoben wird. 248 So auch Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 279 f.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (341); Armbrüster/Kosich, ZIP 2020, 1494 (1503); Scholz/U.H. Schneider/S.H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 132; offen lassend OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.9.2019 – 13 U 136/18, ZIP 2020, 123 (124). 249 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (13). 250 Vgl. zur Beschränkung der wertenden Wissenszurechnung bei entgegenstehenden Verschwiegenheitspflichten bereits oben § 10 B.I.1; § 10 B.II.4; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 32); so auch Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 470 ff.; Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern, bei Banken und Versicherungen, 2004, S. 280; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (341); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (371); Verse, AG 2015, 413 (414 ff.); Koch, ZIP 2015, 1757 (1762 ff.); Buck-Heeb, AG 2015, 801, (810 f.); Werner, WM 2016, 1474 (1477 ff.); Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2541 f.); Sajnovits, WM 2016, 765 (771 f.); Habersack, DB 2016, 1551 (1553); Wilsing/Kleemann, BB 2016, 1425 (1425); Thelen, NZG 2016, 1062 (1063); Thomale, AG 2016, 641 (649 f.); a.A. – Irrelevanz von Verschwiegenheitspflichten – Schwintowski, ZIP 2015, 617 (618, 623), teilweise zust. insoweit auch Schirmer, AG 2015, 666 (668). 251 BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 32); zust. Wilsing/ Kleemann, BB 2016, 1425 (1425). 252 Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (341 f.); MünchKommAktG/Habersack, § 116 Rn. 60; ebenso Wilsing/Kleemann, BB 2016, 1425 (1425).

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Insofern kann zwar nicht der Ansicht Schwintowskis gefolgt werden, der aus der Annahme umfassender Auskunftspflichten im Konzern über alle Informationen, die für andere Unternehmen im Gesamtkonzern von wesentlicher, regelmäßig kursrelevanter Bedeutung sind,253 herleitet, dass Doppelmandatsträger nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hätten, vertrauliche Informationen (innerhalb der Informationsansprüche) weiterzugeben254 und insbesondere keine Verschwiegenheitspflicht dem entgegenstünde.255 Jedoch muss zugestanden werden, dass die Verschwiegenheitspflicht dort ihre Grenze findet, wo gesetzliche Offenlegungspflichten über bestimmte Tatsachen bestehen.256 Darüber hinaus kann auch keine Pflicht zur Verschwiegenheit bezüglich solcher Informationen bestehen, bei denen ein Auskunftsanspruch innerhalb des Konzerns besteht, die somit gerade weitergegeben werden dürfen. Daher müssen auch im Rahmen der konzerninternen Zurechnung des Wissens von Doppelmandatsträgern die bestehenden Informationsrechte, die vor allem im Verhältnis der Mutter zur Tochter bestehen können, berücksichtigt werden.257 Die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht kann allerdings nur so weit reichen, wie das konkrete Organmitglied zur Offenbarung verpflichtet ist, wobei das grundsätzliche Informationsvermittlungsmonopol des Leitungsorgans zu beachten ist.258 Regelmäßig ist es alleine seine Aufgabe, über die Informationserteilung an andere Gesellschaften zu entscheiden.259 Auch im Vertragskonzern richtet sich das Weisungsrecht gem. § 308 AktG nur gegen den Vorstand, sodass eine Weisung zur Wissensweitergabe auch nur diesen binden kann.260 Selbst wenn im Ausnahmefall, bei Tatsachen, die aus der Sphäre des Aufsichtsrats stammen, dieser zur Dispensierung von der Verschwiegenheitspflicht und damit zur Informationsweitergabe befugt ist, ist hierzu ein Beschluss des Kollegialorgans erforderlich.261 Demgegenüber sind

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Vgl. hierzu bereits (ablehnend) oben § 11 C.I.1.b)bb)(1). Schwintowski, ZIP 2015, 617 (617 f.). 255 Schwintowski, ZIP 2015, 617 (623) vgl. insb. These 3 und 4. 256 Schwintowski, ZIP 2015, 617 (617 f.); vgl. auch Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 528 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 167; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 297; UHL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 79; MHLS/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 301. 257 Vgl. hierzu bereits oben § 11 C.I.1. und § 11 C.I.2. 258 Vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 (329); BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 35); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (372). 259 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 120; Bank, NZG 2013, 801 (803); Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105, 112 ff.; MünchKommAktG/Habersack, § 116 Rn. 60; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 121. 260 Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB 1988, Beil. 13, 1 (5). 261 BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, BGHZ 193, 110, Rn. 40; BGH, Urt. 254

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

297

– zumindest in der AG – die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder nicht berechtigt, Wissen außerhalb der Gesellschaft weiterzugeben.262 Sofern Aufsichtsratsmitglieder der Tochtergesellschaft in der Muttergesellschaft Mitglieder des Leitungsorgans oder Angestellte sind, wird zwar zuweilen für eine unmittelbare Informationsweitergabe durch den Doppelmandatsträger plädiert, wobei insbesondere auf die Bedürfnisse der Praxis verwiesen wird.263 Hiergegen spricht jedoch das aktienrechtliche Kompetenzgefüge, das regelmäßig dem Vorstand und ausnahmsweise dem Aufsichtsrat die Kompetenz zuweist, über die Weitergabe von Informationen zu entscheiden, nicht jedoch dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied.264 Eine direkte Informationsweiterleitung durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder würde dem zuständigen Informationsweiterleitungsorgan sowohl grundsätzlich als auch im Einzelfall die Möglichkeit nehmen, eine Entscheidung über das Ob, Wann und Wie der Weiterleitung zu treffen.265 Zudem würden die mangelnde Vertraulichkeit und die daraus folgende Unklarheit darüber, welche Informationen vom Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft offengelegt wurden, die vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb des Aufsichtsrats der Tochtergesellschaft und zwischen diesem und dem Leitungsorgan der Tochtergesellschaft erheblich erschweren.266 Außerdem kann aus der Ausnahmevorschrift des § 394 AktG, der eine Lockerung der Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern von Gebietskörperschaften vorsieht, der gesetzgeberische Wille gegen eine generelle Informationsübermittlung durch Aufsichtsratsmitglieder entnommen werden.267 Darüber hinaus kann auch der Vorstellung von einer Ex-ante-Dispensierung einzelner Aufsichtsratsmitglieder von ihrer Verschwiegenheitspflicht aufgrund des zwingenden Charakters des § 116 S. 2 AktG nicht gefolgt wer-

v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, BGHZ 196, 195, Rn. 30; BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 35); ausführlich dazu Wilsing/von der Linden, ZHR 178 (2014), 419 (432 ff.), die die Aufsichtsratszuständigkeit allerdings nur im Rahmen seiner eigenen Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz annehmen; vgl. auch Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2542); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 226 mwNachw. 262 BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 34); so auch Mülbert/ Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2542); Habersack, DB 2016, 1551 (1554); Wilsing/Kleemann, BB 2016, 1425 (1425). 263 So etwa KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 42; MünchHdbAG/HoffmannBecking, § 33 Rn. 60; K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 116 Rn. 37. 264 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 121; Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (113); Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 116 Rn. 12. 265 Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (113). 266 Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (113 f.); Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2542). 267 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 121; Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (113); Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 116 Rn. 12.

298

§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

den.268 Die Reichweite der Verschwiegenheitspflicht wird alleine vom objektiv zu beurteilenden Unternehmensinteresse an der Geheimhaltung bestimmt, wobei eine Abwägung zwischen dem Geheimhaltungs- und dem Offenbarungsinteresse nur mit Blick auf die konkrete Information und die Begleitumstände möglich ist.269 Lediglich ist eine Ex-post-Dispensierung einzelner Aufsichtsratsmitglieder möglich, die einen Beschluss des für die Wissensweiterleitung zuständigen Organs voraussetzt, wobei insbesondere dem Vorstand aus praktischen Erwägungsgründen auch die Möglichkeit eines konkludenten Dispenses möglich sein soll.270 Insofern obliegen einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern (in der AG) keine Offenbarungspflichten und auch keine originären Informationsweiterleitungsrechte. Allenfalls kann das für die Informationsweitergabe zuständige Organ (meist das Leitungsorgan) ex post das einzelne Aufsichtsratsmitglied von seiner Verschwiegenheitspflicht dispensieren. Somit besteht nur in diesen engen Grenzen eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht, sodass auch nur innerhalb dieser Grenzen eine Zurechnung des Wissens eines Aufsichtsratsdoppelmandatsträgers möglich ist.271 Demgegenüber sind im GmbH-Konzern mit Blick auf das umfassende Auskunftsrecht gem. § 51a GmbHG272 selbst Aufsichtsratsmitglieder im Verhältnis zu den Gesellschaftern nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet.273 Insofern ist davon auszugehen, dass mangels Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Gesellschaftern das Wissen von Doppelmandatsträgern (in der Wirkungsrichtung des § 51a GmbHG, mithin von der Tochter- zur Muttergesellschaft) zugerechnet werden kann.274 Einzelne Vorstandsmitglieder sollen nur dann zur Informationsweitergabe berechtigt sein, wenn die Informationen alleine ihr Ressort betreffen;

268 BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 34); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (373); Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2542); Hüffer/ Koch/Koch, AktG, § 116 Rn. 12. 269 So auch Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2542); ähnlich BGH, Urt. v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, NJW 2016, 2569 (Rn. 34); Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (114). 270 Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540 (2542); ähnlich auch Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 121 f.; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 428; Spindler/ Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 97; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 116 Rn. 12. 271 So auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (373); Habersack, DB 2016, 1551 (1554); Wilsing/Kleemann, BB 2016, 1425 (1425). 272 Vgl. hierzu bereits oben § 11 C.I.2.c)aa). 273 Vgl. hierzu bereits oben § 10 B.IV. 1., § 11 C.I.2.c); Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 25; MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 666; a.A. (ohne Begründung) Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 67. 274 So auch Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (373).

C. Wissenszurechnung im Unterordnungskonzern

299

wenn hingegen die Information für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung ist, fällt die Informationsweitergabe in den Aufgabenbereich des Gesamtvorstands, sodass das einzelne Vorstandsmitglied in diesem Fall keine Auskunftspflicht hat, folglich nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden ist und daher auch die Zurechnung des Wissens eines Vorstandsdoppelmandatsträgers ausscheiden muss.275 Im Vertragskonzern besteht darüber hinaus wie oben bereits dargestellt276 schon aufgrund der Möglichkeit der einheitlichen Leitung ein starkes praktisches Bedürfnis einer ausreichenden Informationsgrundlage, um eine strategische und taktische Führung des Konzerns zu gewährleisten.277 Aufgrund dessen und vor allem aufgrund des Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens, das sich auch auf das Verlangen nach einer Informationsweitergabe beziehen kann, besteht dort eine Pflicht zur Informationsweitergabe seitens der Tochtergesellschaft, sodass in dieser Richtung (und im Rahmen eines berechtigten Informationsverlangens) bereits deshalb keine Verschwiegenheitspflicht besteht, sodass insofern auch nicht die wertende Wissenszurechnung beschränkt sein kann.278 c) Fazit Es bleibt somit festzuhalten, dass – abseits der generellen Möglichkeit der Zurechnung privaten Wissens279 – Vorstandsdoppelmandate im Konzern eine funktionale Einheit in personeller Hinsicht begründen, sodass grundsätzlich eine Zurechnung des Wissens von Doppelmandatsträgern im Konzern möglich und zumutbar ist. Diese Wissenszurechnung wird jedoch erheblich durch die organschaftliche Verschwiegenheitspflicht, die auch innerhalb des Konzerns nicht aufgebhoben ist, beschränkt. Aufgrund der entgegenstehenden Verschwiegenheitspflicht ist insbesondere das Wissen von AG-Aufsichtsratsmitgliedern nur ausnahmsweise zuzurechnen, wenn ein entsprechender Dispens eine Wissensweitergabe möglich macht. Demgegenüber sind GmbH-Aufsichtsratsmitglieder den Gesellschaftern gegenüber nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, sodass in dieser Konstellation eine Zurechnung von GmbH-Aufsichtsratsdoppelmandatsträgern möglich ist. Auch die Mitglieder des Leitungsorgans sind durchaus zur Informationsweitergabe befugt, sofern die in Rede 275 Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (373); vgl. hierzu auch Habersack, DB 2016, 1551, 1554; Bank, NZG 2013, 801 (803); Bauer/Schmidt-Bendun, FS Wegen (2015), S. 105 (110), jeweils mwNachw. 276 Vgl. oben § 11 C.I.2.a). 277 So auch Lutter, ZIP 1997, 613 (616 f.). 278 So auch Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 478; Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (346); Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (367). 279 Vgl. hierzu bereits oben § 10 A.II.2.

300

§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

stehenden Informationen ihr Ressort betreffen und sie nicht von derartiger Relevanz für die Gesellschaft sind, dass das Gesamtgremium über deren Weitergabe entscheiden muss. Insofern ist auch hier eine Wissenszurechnung möglich. Dies gilt erst recht für Vorstandsmitglieder der Tochtergesellschaft in einem Vertragskonzern.

III. Fazit Auch wenn im Unterordnungskonzern als arbeitsteiliger Organisation grundsätzlich der Raum für die wertende Wissenszurechnung begründet ist (erste Stufe), muss doch zugegeben werden, dass im Ergebnis und unter Beachtung der zweiten Stufe des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts die Zurechnung von Wissen die Ausnahme darstellt. Die wertende Wissenszurechnung ist nämlich insbesondere ausgeschlossen, wenn eine Wissensorganisation (rechtlich oder tatsächlich) unmöglich oder unzumutbar ist, wobei die Bewertung dieser Grenzen aufgrund der Besonderheiten von konzernierten Unternehmensgruppen zu anderen Ergebnissen führen muss als bei der Wissenszurechnung in der juristischen Person. Hierbei ist zunächst die eingeschränkte Möglichkeit zur Informationsbeherrschung im Konzern zu beachten, wobei sowohl im Hinblick auf die Zurechnungsrichtung als auch auf die jeweilige Konzernierungsform unterschieden werden muss. Dabei sind im Verhältnis von der Tochter- zur Muttergesellschaft die äußerst begrenzten Informationsansprüche zu beachten. Im umgekehrten Verhältnis bestehen je nach Konzernierungsform unterschiedlich weitreichende Informationsrechte der Muttergesellschaft, sodass diese insbesondere im AG-Vertragskonzern aufgrund des Weisungsrechts in § 308 AktG und im GmbH-Konzern aufgrund des Informationsanspruchs aus § 51a GmbHG und einer Annexkompetenz zum Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafterversammlung über eine umfassende Möglichkeit verfügt, den Informationsfluss von der Tochtergesellschaft zu ihr zu beherrschen. Nur ausnahmsweise soll die Wissenszurechnung im Konzern ohne Beherrschungsmöglichkeit des Informationsflusses möglich sein: Einerseits gilt dies für die Zurechnung des Wissens der Mutter zur Tochter bei veranlassten Maßnahmen aufgrund der Wertung des § 166 Abs. 2 BGB. Andererseits soll im Konzern auch eine freiwillige Informationsweitergabe (insbesondere im Wege einer gemeinsamen Nutzung von Informationssystemen) möglich sein, sodass für diesen Fall auch die Abfrage und Nutzung dieser freiwillig erlangten Informationen im Zuge der Wissenszurechnung zumutbar ist. Darüber hinaus kann aufgrund einer fehlenden Pflicht zur Konzernleitung und einer damit einhergehenden fehlenden allgemeinen konzernweiten Wissensorganisationspflicht nur davon ausgegangen werden, dass die Schaffung und Unterhaltung einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation zu-

D. Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern

301

mutbar ist, wenn im Konzern oder zumindest zwischen einzelnen konzernzugehörigen Gesellschaften eine funktionale Einheit gebildet wird. Neben einer punktuellen funktionalen Einheit durch die Veranlassung einer Maßnahme ist vor allem im Rahmen eines intensiven Beherrschungsverhältnisses, des Outsourcings, der gemeinsamen Nutzung von Informationssystemen und dem gemeinsamen Auftreten am Markt von einer solchen Einheit auszugehen. Darüber hinaus entsteht durch Doppelmandatsträger eine funktionale Einheit in personeller Hinsicht, sodass deren Wissen – sofern keine anderen rechtlichen Grenzen wie insbesondere die Verschwiegenheitsverpflichtung dagegensprechen – auch innerhalb des Konzerns zugerechnet werden kann. Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass das auf der ersten Stufe des zweistufigen allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts gefundene (Zwischen-)Ergebnis der vollständigen Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen im Unterordnungskonzern unter Berücksichtigung der korrigierenden zweiten Stufe stark ausgehöhlt wird. Dieses so korrigierte Endergebnis überzeugt jedoch insbesondere vor dem Hintergrund der legislativen Entscheidung gegen eine allgemeine Konzernleitungspflicht und den (teilweise stark) eingeschränkten Informationsrechten im Konzern.

D. Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern Der Gleichordnungskonzern iSd. § 18 Abs. 2 AktG ist die Zusammenfassung rechtlich selbstständiger Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung bei gleichzeitiger fehlender Abhängigkeit. Während (zumindest im Aktienrecht) der Unterordnungskonzern kodifiziert ist, hat sich der Gesetzgeber im Rahmen des Gleichordnungskonzerns deutlich zurückgehalten, regulativ einzugreifen. Neben der Legaldefinition in § 18 Abs. 2 AktG stellt § 291 Abs. 2 AktG lediglich fest, dass kein Beherrschungsvertrag vorliegt, wenn Unternehmen, die nicht voneinander abhängig sind, sich durch Vertrag unter eine einheitliche Leitung stellen, ohne dass dadurch eines der Unternehmen von dem anderen abhängig wird. Abseits dessen bleibt unkodifiziert, welchen Regeln Gleichordnungskonzerne unterliegen; klar ist lediglich, dass die Vorschriften, mit denen der Gesetzgeber die Probleme abhängiger Gesellschaften zu lösen sucht, auf gleichgeordnete Gesellschaften nicht anwendbar sind.280 Nachdem lange Zeit die Rechtsfigur des Gleichordnungskonzerns – nicht nur im AktG, sondern gleichermaßen in Literatur und Rechtsprechung – ein

280

S. 1.

Gromann, Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979,

302

§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Schattendasein fristete, da seine wirtschaftliche Bedeutung als nur gering eingeschätzt wurde,281 setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Gleichordnungskonzerne – je nach rechtlicher Bewertung – häufiger vorkommen, als früher angenommen wurde.282 Dies kann namentlich für grenzüberschreitende Kooperationen, für mehrere von einer Familie beherrschte Unternehmen und nicht zuletzt in der Versicherungswirtschaft angenommen werden.283 Aufgrund dessen soll an dieser Stelle zumindest kurz auf die Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern eingegangen werden, zumal – soweit ersichtlich – diese Frage im Rahmen der Diskussion um die Wissenszurechnung im Konzern bisher unbearbeitet blieb.

I. Die einheitliche Leitung im Gleichordnungskonzern Neben dem Fehlen eines Abhängigkeitsverhältnisses ist die einheitliche Leitung das zweite entscheidende Merkmal eines Gleichordnungskonzerns, wobei die einheitliche Leitung planmäßig auf der Ebene der Unternehmen als Ganzes erfolgen muss; die Koordination einzelner Bereiche genügt hingegen nicht.284 Dabei beruht die einheitliche Leitung im Gleichordnungskonzern regelmäßig auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den beteiligten Unternehmen, die den Gegenstand und den Umfang der einheitlichen Leitung sowie deren Mittel festlegt und auch konkludent geschlossen werden kann.285 Der Gleichordnungsvertrag ist kein Unternehmensvertrag, sondern ein Gesellschaftsvertrag, wobei die Vertragspartner – mithin die gleichgeordneten Konzernunternehmer – eine BGB-(Innen-)Gesellschaft gründen.286 Als ge-

281

So etwa K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417 (417): „terra incognita“; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557 (557): „seltenes Phänomen der Rechtspraxis“; vgl. hierzu auch MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 49 mwNachw. 282 Vgl. hierzu ausführlich Gromann, Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979, S. 10; vgl. auch Wellkamp, DB 1993, 2517 (2517); Emmerich/ Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 26; GroßKommAktG/Windbichler, § 18 Rn. 48. 283 Zu grenzüberschreitenden Kooperationen vgl. etwa BAG, Beschl. v. 30.3.2004 – 1 ABR 61/01, BAGE 110, 100 – Bofrost; zu Gleichordnungskonzernen bei Familienunternehmen vgl. MünchHdbGmbH/Kiefner § 67 Rn. 38; zu Gleichordnungskonzernen zwischen VVaG Timm/Messing, FS Hommelhoff (2012), S. 1237 (1238 f.). 284 GroßKommAktG/Windbichler, § 18 Rn. 49 mwNachw.; MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 51; vgl. auch K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417 (422): „Kartellbildung macht noch keinen Gleichordnungskonzern“. 285 GroßKommAktG/Windbichler, § 18 Rn. 50 f.; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 29; MünchHdbGmbH/Kiefner, § 67 Rn. 40. 286 Gromann, Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979,

D. Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern

303

meinsamer Zweck der Gesellschaft ist die Zusammenfassung der wirtschaftlichen Aktivität der Gesellschafter zum Zweck der Erzielung höherer Gewinne zu erkennen.287 Reine Gleichordnungsverträge, die nur die Gleichordnung der Gesellschaften betreffen, sind jedoch die Seltenheit; vielmehr sind die Strukturen häufig komplexer, schließen (gemeinsame) Tochtergesellschaften, personelle Verflechtungen oder wechselseitige Beteiligungen mit ein, sodass dem Vertrag die Rolle eines Grundlagenvertrages zukommt.288 Als Mittel zur Durchsetzung der vertraglich festgelegten einheitlichen Leitung wird vielfach gleichzeitig mit der Bildung eines Gleichordnungskonzerns ein gemeinsames Koordinierungsorgan (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) etabliert oder gar eine gemeinsame Koordinierungsgesellschaft (in der Regel als GmbH) gegründet, an welcher die Gesellschafter, die gleichzeitig konzernzugehörige Unternehmen sind, gleichberechtigt beteiligt sind.289 Die so etablierte Gesellschaft (gleiches gilt für das Koordinierungsorgan, sofern ihm eine Unternehmensqualität iSd. § 17 AktG zugesprochen wird) darf allerdings nur Koordinationsaufgaben wahrnehmen, die Konzernleitung muss hingegen bei den gleichgeordneten Konzernunternehmen liegen, da ansonsten ein Abhängigkeitsverhältnis begründet werden würde.290 Die einheitliche Leitung setzt jedoch auch im Gleichordnungskonzern weder die Schaffung gemeinschaftlicher Koordinierungsorgane noch besondere Absprachen der Beteiligten voraus; es genügt vielmehr das Faktum der einheitlichen Leitung, die insbesondere durch personelle Verflechtungen oder S. 29; Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 111, 128; Timm/ Messing, FS Hommelhoff (2012), S. 1237 (1241); Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 29; GroßKommAktG/Windbichler, § 18 Rn. 51; wenn jedoch zugleich eine Gewinngemeinschaft gem. § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG oder eine Betriebsüberlassung gem. § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG vereinbart wird, entfalten auch die §§ 293 ff. AktG ihre Wirkung unter dem Aspekt „anderer“ Unternehmensverträge, vgl. Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 29; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 18 Rn. 20. 287 Gromann, Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979, S. 29. 288 Vgl. hierzu Windbichler, AG 1981, 169 (170 ff.); GroßKommAktG/dies., § 18 Rn. 51; vgl. auch Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 29. 289 Gromann, Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979, S. 42 ff.; Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 129 ff.; Keck, Nationale und internationale Gleichordnungskonzerne im deutschen Konzern- und Kollisionsrecht, 1998, S. 62 ff.; MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 53; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 18 Rn. 20. 290 Zum Leitungsorgan vgl. Gromann, Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979, S. 47 ff.; GroßKommAktG/Windbichler, § 18 Rn. 52; zur Leitungsgesellschaft vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 53; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 18 Rn. 20.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

durch wechselseitige Beteiligungen abgesichert werden kann.291 Beispiel einer solchen faktischen einheitlichen Leitung im Gleichordnungskonzern ist etwa die Leitung mehrerer Gesellschaften durch dieselben Familienmitglieder, die zumindest im Wesentlichen gleichmäßig in den Leitungsorganen der so verbundenen Unternehmen vertreten sind.292

II. Die Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern Während mithin im vertraglichen Gleichordnungskonzern regelmäßig eine GbR zwischen den Gleichordnungsunternehmen vorliegt, die im Fall einer bestehenden gemeinsamen Koordinierungsgesellschaft zusätzlich durch diese Gesellschaft gestützt wird, besteht im Rahmen faktischer Gleichordnungskonzerne keine vertragliche Verbindung der konzernzugehörigen Unternehmen. Hierbei ist zu untersuchen, welche Auswirkungen diese Tatsache auf die Grenzen der Wissenszurechnung hat. 1. Der faktische Gleichordnungskonzern In Ermangelung gesetzlicher Sonderregeln wie des § 308 AktG oder zumindest des § 311 AktG besteht keine Grundlage für eine Suspendierung der §§ 76 Abs. 1, 93 AktG und folglich kein Anknüpfungspunkt für ein Weisungsrecht.293 Darüber hinaus fehlt es im faktischen Gleichordnungskonzern gerade an einer Vereinbarung zwischen den Gleichordnungsunternehmen, sich unter eine einheitliche Leitung zu stellen, sodass sich auch hierüber keine Folgepflicht begründen lässt.294 Selbst im faktischen (AG-)Unterordnungskonzern besteht kein Weisungsrecht gegenüber der abhängigen Gesellschaft, sondern nur die Möglichkeit zur Veranlassung, wobei der Vorstand frei in der Entscheidung ist, dieser Veranlassung zu folgen, sodass erst recht nichts anderes für den faktischen AG-Gleichordnungskonzern (der gänzlich ohne Abhängigkeitsverhältnis

291 BGH, Beschl. v. 19.1.1993 – KVR 32/91, BGHZ 121, 137 (146 f.); Keck, Nationale und internationale Gleichordnungskonzerne im deutschen Konzern- und Kollisionsrecht, 1998, S. 58 ff., 64 f.; Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1995, S. 114; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557 (558); Timm/Messing, FS Hommelhof (2012), S. 1237 (1240). 292 Vgl. hierzu Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 31. 293 So auch Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 65 Rn. 9; Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 160; wohl auch MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 219, der zugibt, dass „Weisungen“ im Gleichordnungskonzernrecht nicht im Sinne einer Weisung im Unterordnungskonzernrecht zu verstehen, sondern vielmehr Ausfluss der Vertragstreue ist. 294 Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 159 f.

D. Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern

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ausgestaltet ist) gelten kann. Auch für den GmbH-Gleichordnungskonzern kann grundsätzlich nichts anderes gelten, da selbst bei einer Kapitalverflechtung der einzelnen Gleichordnungsunternehmen keinem der Gesellschafter eine beherrschende Stellung zukommen wird, da andernfalls schon die Vermutungswirkung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG für einen Unterordnungs- und gegen einen Gleichordnungskonzern spricht. Mangels Weisungsrecht kann sich eine Informationsweiterleitungspflicht allenfalls aus einer Treuepflicht aufgrund schuldrechtlicher Sonderverbindungen ergeben.295 Diese dürften jedoch vor dem Hintergrund der rein faktischen Natur des Gleichordnungskonzerns eher die Ausnahme sein, sodass auch hierüber in der Regel keine Möglichkeit zur Beherrschung des Informationsflusses innerhalb des faktischen Gleichordnungskonzerns entsteht. Darüber hinaus ist zwar denkbar, dass die Gleichordnungsunternehmen freiwillig ein gemeinsames Informationssystem schaffen, über welches dann der konzerninterne Informationsfluss beherrschbar sein würde. Jedoch dürfte es in der Praxis unwahrscheinlich sein, dass Unternehmen, die noch nicht einmal in konkludenter Weise einen Gleichordnungsvertrag geschlossen haben, dennoch ein gemeinsames Informationssystem einrichten. Insofern ist davon auszugehen, dass im faktischen Gleichordnungskonzern bis auf wenige Ausnahmen keine Möglichkeit besteht, auf das Wissen anderer Gleichordnungsunternehmen zuzugreifen, sodass die wertende Wissenszurechnung hier in der Regel ausscheiden muss. Insbesondere bei faktischen Gleichordnungskonzernen, die über personelle Verflechtungen entstehen, kann jedoch daran gedacht werden, dass insofern bei den Organmitgliedern durch ihre Tätigkeit für eine andere konzernzugehörige Gesellschaft „privat erlangtes Wissen“ entsteht, das unter den oben genannten Umständen und vor allem unter Berücksichtigung von Verschwiegenheitspflichten zurechnungsfähig ist.296 2. Der vertragliche Gleichordnungskonzern Wenn der Gleichordnungskonzern demgegenüber über eine vertragliche Grundlage verfügt – mithin zwischen den Gleichordnungsunternehmen eine BGB-(Innen-)Gesellschaft besteht und teilweise darüber hinaus sogar eine Gesellschaft zur Koordinierung der gemeinsamen unternehmerischen Tätigkeit gegründet wurde –, hat dies auch Auswirkungen auf die wertende Wissenszurechnung.

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Zur Treuepflicht im Gleichordnungskonzern Drygala, Der Gläubigerschutz bei der typischen Betriebsaufspaltung, 1991, S. 120 ff.; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557 (566). 296 Vgl. zu Doppelmandaten im Konzern bereits oben § 11 C.II.3.; vgl. zur Zurechnung privat erlangten Wissens bereits oben § 10 A.II.2.

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass im vertraglichen Gleichordnungskonzern ein Verbot nachteiliger Weisungen besteht.297 Zudem kann auch nicht der Vorstellung einer Derogation des § 76 Abs. 1 AktG durch die Annahme des § 291 Abs. 2 AktG als lex specialis und einem daraus folgenden Weisungsrecht (selbst wenn dieses auf neutrale Weisungen beschränkt ist) gefolgt werden.298 Dies schon allein deshalb, da § 291 Abs. 2 AktG außer der Klarstellung, dass in einem Gleichordnungsvertrag kein Beherrschungsvertrag zu sehen ist, keine weitere Aussage trifft, insbesondere auch nicht über ein Lex-specialis-Verhältnis zu § 76 Abs. 1 AktG.299 Aufgrund der Fortgeltung des § 76 Abs. 1 AktG kann für einen AG-Gleichordnungskonzern mit vertraglicher Grundlage in der Tat kein Weisungsrecht – selbst für neutrale Weisungen – angenommen werden.300 a) Die Treuepflicht als Anknüpfungspunkt der Wissenszurechnung? Gleichwohl besteht im vertraglichen Gleichordnungskonzern zwischen den Gleichordnungsunternehmen eine Pflicht zur Vertragstreue und Erfüllung des Gesellschaftsvertrages der gemeinsamen BGB-Gesellschaft.301 Die gleichgeordneten Unternehmen schließen sich regelmäßig in einem Gleichordnungskonzern zusammen, um einen gemeinsamen Zweck – meist die Förderung der gemeinsamen unternehmerischen Tätigkeit – zu verfolgen. Die hierdurch entstehende Treuebindung wird besonders deutlich, wenn die Gleichordnungsunternehmen eine gemeinsame Koordinierungsgesellschaft gründen, liegt jedoch jedem vertraglichen Gleichordnungskonzern durch die bestehende BGB-Gesellschaft zugrunde. Daher besteht im Rahmen von gemeinsam koordinierten Absprachen der gleichgeordneten Unternehmen (die nicht dem Schädigungsverbot widersprechen) aufgrund der Treuepflicht grundsätzlich eine Folgepflicht; insofern leiten die Leitungsorgane ihr jewei297 Gromann, Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979, S. 58 ff.; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 389; Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 139 ff.; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557(561); MünchHdBAG/Krieger § 69 Rn. 89; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 36; MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 220; a.A. für die Zulässigkeit nachteiliger Weisungen hingegen Wellkamp, DB 1993, 2517 (2519). 298 So aber KölnKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 103; vgl. auch Gromann, Die Gleichordnungskonzerne im Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1979, S. 61. 299 K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417 (428). 300 Vgl. hierzu auch Rasch, Deutsches Konzernrecht, 1974, S. 109; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 36; gegen ein Weisungsrecht und für die Lösung über Treuepflichten auch MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 219. 301 Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557 (566); MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 219.

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liges Gleichordnungsunternehmen nicht mehr alleine, sondern in Koordination mit den Leitungsorganen der anderen Gesellschaften.302 Das hieraus folgende gemeinsame Auftreten ergibt sich allerdings nicht aus einem Weisungsrecht, wie wir es im Rahmen von Beherrschungsverträgen kennen, sondern aus einem gemeinsamen Entschluss und einer sich aus der Treuepflicht ergebenen Folgepflicht der Leitungsorgane der konzernverbundenen Gesellschaften. Ausfluss dieser Treuepflicht kann auch die Pflicht zur Informationsweitergabe sein (sofern sie nicht rechtlich unmöglich ist, etwa in Bezug auf das Datenschutzrecht). Dies gilt insbesondere, wenn eines der gleichgeordneten Unternehmen über bestimmte Informationen verfügt, die zur gemeinsamen Koordination des Konzerns notwendig sind und erkennbar dem anderen Teil nicht zur Verfügung stehen. In diesen Grenzen ist die Wissensorganisation im vertraglichen Gleichordnungskonzern möglich. b) Die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit als Anknüpfungspunkt der Wissenszurechnung – Exkurs: Grundzüge der Wissenszurechnung in der Personengesellschaft Darüber hinaus muss im vertraglichen Gleichordnungskonzern berücksichtigt werden, dass zwischen den Gleichordnungsunternehmen eine GbR besteht und darüber hinaus ggf. eine gemeinsame Koordinierungsgesellschaft, die den Zweck haben, das gemeinsame Handeln abzustimmen.303 Insofern liegt in Bezug auf die Koordinierungstätigkeit der Gleichordnungsunternehmen eine Personengesellschaft vor (oder gar eine juristische Person, deren Gesellschafter die Gleichordnungsunternehmer sind), sodass im Rahmen der Wissenszurechnung auch hierauf abgestellt werden kann.304 Somit kann für die Koordinierungsgesellschaft als juristische Person auf die in § 10 dieser Arbeit entwickelten Grundsätze verwiesen werden. Für die GbR, die die gleichgeordneten Unternehmen im Rahmen des Vertragsgleichordnungskonzerns gründen, ist demgegenüber zu fragen, welchen Regeln die Wissenszurechnung innerhalb von Personengesellschaften folgt. Dabei werden häufig schlichtweg die Grundsätze der wertenden Wissenszurechnung, die für die juristische Person entwickelt wurden, gleichermaßen auch auf Personengesellschaften angewendet.305 Im Folgenden soll unter302

Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 388 f. Vgl. hierzu oben § 11 D.I. 304 Zur Wissenszurechnung in der juristischen Person vgl. § 10. 305 Vgl. schon BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37): „auch bei allen sonstigen Organisationsformen […], insbesondere bei Gesamthandsgesellschaften“; vgl. auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 372 ff.; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (25 f.); Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12); Drexl, ZHR 161 (1997), 491 (492 f.); Staub/Habersack, HGB, § 125 Rn. 22 ff.; differenzierter hingegen Spindler, Unternehmens303

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

sucht werden, inwieweit die Grundsätze der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung hier tatsächlich anzuwenden sind. aa) Die Anwendbarkeit der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auf Personengesellschaften Im Rahmen der hier vorgestellten allgemeinen wertenden Wissenszurechnung ist zunächst zu fragen, ob auch Personengesellschaften unter den Anwendungsbereich dieses Zurechnungskonzepts fallen.306 Zumindest in Außengesellschaften wirken die Gesellschafter arbeitsteilig zusammen, um den gemeinsamen Gesellschaftszweck zu verwirklichen, sodass ohne weiteres eine arbeitsteilige Organisation vorliegt.307 Auch im Rahmen von Innengesellschaften muss das Zusammenwirken der Gesellschafter (zum Zweck der Erreichung des Gesellschaftszwecks) grundsätzlich bejaht werden, sodass hiernach die allgemeine wertende Wissenszurechnung sowohl auf Außenwie auch auf Innengesellschaften gleichermaßen anwendbar wäre. Anderes gilt freilich, wenn die Gesellschaft nicht die nötige Organisationsdichte erreicht, um als arbeitsteilige Organisation zu gelten. Dies wird beispielsweise für viele Innen-GbRs gelten, die nicht nach außen auftreten und nur äußerst lose organisiert sind. Zu denken ist hier etwa an eine LottoTippgemeinschaft308 oder eine auf Dauer angelegte Fahrgemeinschaft309. Die Ausklammerung solcher organisationsarmer Innen-GbRs ist ebenso wertungsmäßig konsequent, da von ihnen mangels gemeinsamen Auftretens im Rechtsverkehr im Vergleich zu Außengesellschaften regelmäßig keine vergleichbaren Gefahren ausgehen. Mitunter kann jedoch auch von einer InnenGbR die Gefahr einer Wissensaufspaltung einhergehen, wie insbesondere bei Gleichordnungskonzernen. Durch die einheitliche Leitung eines Gleichordnungskonzerns stimmen die beteiligten Unternehmen in einem nicht unerheblichen Maße ihre Geschäftstätigkeit ab und wirken im Rahmen dieser Koordinierung arbeitsteilig zusammen. Hierdurch kann – auch wenn diese GbR als solche nicht nach außen auftritt – das Risiko einer Wissenszersplitterung drohen. Insofern liegt der Grund für die Wissensaufspaltung als Anknüpfungspunkt der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung weder in dem gemeinorganisationspflichten, 2001, S. 628 ff.; anders hingegen BGH, Urt. v. 17.5.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159 (2160): gegen eine Übertragung der für die juristische Person gefundenen Ergebnisse. 306 Vgl. zum Anwendungsbereich § 9 A.I. 307 Zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit im Gleichordnungskonzern sowohl unter rechtlicher als auch unter betriebswirtschaftlicher Sicht vgl. Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 79 ff. 308 Vgl. hierzu Fleischer/Hahn, NZG 2017, 1, passim. 309 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 20.12.1966 – VI ZR 53/65, BGHZ 46, 313 (315).

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samen Auftreten nach außen noch in einem Über-/Unterordnungsverhältnis, sodass für die Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Personengesellschaften – und hier insbesondere bei dem Grenzfall der Innen-GbR – alleine auf eine hinreichende Organisationsdichte abzustellen ist. Liegt bei einer Personengesellschaft eine solche Organisationsdichte vor (wie etwa im Fall eines Gleichordnungskonzerns oder bei wirtschaftlich handelnden Außen-Personengesellschaften) ist das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept auch auf diese anwendbar. bb) Die Zurechnung von Gesellschafterwissen Daher ist auch in der Personengesellschaft das Wissen ihrer Gesellschafter grundsätzlich zuzurechnen, soweit weder wissensnormabhängige noch wissensnormunabhängige Faktoren die wertende Wissenszurechnung begrenzen.310 So ist zunächst das Wissen von vertretungsberechtigten Gesellschaftern zuzurechnen und ist insofern auch allgemein anerkannt.311 Hierbei wird die Wissenszurechnung traditionellerweise entweder an § 166 BGB oder an § 31 BGB geknüpft, wobei die Frage nach der gesetzlichen Anknüpfung aufgrund der Diskussion über die Rechtssubjektivität der Gesamthandsgesellschaft und der damit verbundenen Frage nach dem Wesen der für sie vorgesehenen Vertretung einen besonderen Einschlag erhält.312 Interessanterweise verdrängt diese Diskussion, die hier als richtungsweisend für die Frage der Rechtsgrundlage der Wissenszurechnung angesehen wird, völlig diejenige, wie die §§ 31 und 166 BGB einen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine Wissenszurechnung nach wertenden Gesichtspunkten – die auch hier in der neueren Literatur anerkannt ist313 – darstellen können. Es lässt sich der Eindruck gewinnen, dass im Rahmen der Wissenszurechnung innerhalb von Personengesellschaften der personengesellschaftsrechtliche Streit um das Wesen dieser Gesellschaftsformen den Blick auf die allgemeine Diskussion um die wertende Wissenszurechnung verstellt, die meist nur am Rand (und

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Zur Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung vgl. § 9 A.III. Vgl. hierzu (freilich mit unterschiedlichen Begründungen) BGH, Urt. v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (61 f.); Spindler, Unternehmensorganisationsfplichten, 2001, S. 629; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 285; Scheuch, FS Brandner (1996), S. 121 (123 ff.) mwNachw.; Staub/Habersack, HGB, § 125 Rn. 20 mwNachw.; differenziert hingegen Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, 2001, S. 263 ff. 312 Vgl. hierzu Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 116 ff.; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, 2001, S. 261 ff.; Scheuch, FS Brandner (1996), S. 121 (123 ff.). 313 Zur wertenden Wissenszurechnung in Personengesellschaften vgl. etwa Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 628; Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (319); Staub/Habersack, HGB, § 125 Rn. 22; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 125 Rn. 13; Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 125 Rn. 4; EBJS/Hillmann, HGB, § 125 Rn. 15. 311

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

dann auch häufig nur als Organisationsverschulden) geführt wird.314 Zugegebenermaßen wurde die Wissenszurechnung in der Personengesellschaft im Nachgang zum Karlsruher Forum 1994315 und der Grundsatzentscheidung des BGH vom 2.2.1996 zur Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person316 auch nicht in der gleichen Intensität diskutiert wie zur juristischen Person. Das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept löst sich allerdings von bestehenden Wissenszurechnungskategorien – ein Umstand, der auch hier berücksichtigt werden muss.317 Dies ist zunächst daran erkennbar, dass die Anwendung dieses Zurechnungskonzepts nicht an die Rechtssubjektivität einer Organisation, sondern bereits an den Umstand der Arbeitsteilung anknüpft. Darüber hinaus lässt sich diese Loslösung von bestehenden Zurechnungskonzepten auch an der dogmatischen Begründung festmachen, da sich die wertende Wissenszurechnung nach den bestehenden Grundsätzen weder über eine Analogie zu § 166 BGB noch zu § 31 BGB oder anderen Analogieschlüssen, sondern de lege lata nur über eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung herleiten lässt.318 In der Konsequenz muss auch das Wissen ihrer Gesellschafter der Personengesellschaft grundsätzlich zugerechnet werden, wobei dieses Ergebnis zumindest für vertretungsberechtigte Gesellschafter keiner grundlegenden wertungsmäßigen Korrektur (abseits genereller Zurechnungsgrenzen, wie etwa zu privat erlangtem Wissen oder zur Wissensweiterleitung bei Selbstbelastung)319 bedarf. Insbesondere sind die Gesellschafter einer Personengesellschaft untereinander nicht zur Verschwiegenheit über Gesellschaftsinterna verpflichtet,320 sodass sich hieraus nicht die (rechtliche) Unmöglichkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation ableiten lässt. Gleichzeitig ist kein Grund ersichtlich, warum die Wissensorganisation zwischen den vertretungsberechtigten Gesellschaftern im Allgemeinen unzumutbar sein sollte.321 Zumindest in unternehmenstragenden Personengesellschaften besteht eine Unternehmensorganisationspflicht, zu der auch eine gesellschaftsinterne 314 So etwa Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, 2001, S. 269; Scheuch, FS Brandner (1996), S. 121 (130 f.). 315 Vgl. insb. die Beiträge von Medicus, Karlsruher Forum 1994, S. 4 und Taupitz, Karlsruher Forum, 1994, S. 16. 316 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30. 317 Für eine grundsätzliche Gleichbehandlung der juristischen Person und der Personengesellschaft in Bezug auf die wertende Wissenszurechnung auch Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (319). 318 Vgl. hierzu bereits oben § 9 C.VIII. 319 Hierzu kann auf die Erwägungen zu allgemeinen Grenzen der wertenden Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person verwiesen werden, vgl. § 10 A. 320 OLG Hamm, Urt. v. 15.6.2000 – 27 U 146/99, NZG 2001, 73 (74). 321 Hierzu auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 373, 374 f.

D. Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern

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Wissensorganisationspflicht gehört.322 Insofern ist auch die Personengesellschaft so zu organisieren, dass erkennbar relevante Informationen in die unternehmensinterne Wissensorganisation eingespeist werden. Diese Wissensorganisationspflicht, die der BGH für die Personengesellschaft dem Grunde nach genauso wie für die juristische Person anerkannt hat,323 obliegt je nach Umfang der konkreten Entscheidung entweder als Teil der Geschäftsführung den hierfür bestimmten Gesellschaftern oder (wenn diese Entscheidung das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und damit die Grundlagen der Gesellschaft betrifft) der Gesellschafterversammlung.324 Somit ist das Geschäftsführungsorgan im Rahmen des Zumutbaren und der rechtlichen Grenzen dazu verpflichtet, eine Wissensorganisation zu schaffen, sodass die dem Unternehmen ordnungsgemäß zugehenden rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die relevanten Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden können. Darüber hinaus ergibt sich für gesamtvertretungsberechtigte Gesellschafter schon aufgrund der Notwendigkeit zur gemeinschaftlichen Vertretung ein praktisches Bedürfnis für die Weitergabe der entscheidungserheblichen Informationen. Auch für einzelvertretungsberechtigte Gesellschafter kann nichts anderes gelten:325 Wie schon im Rahmen der organinternen Wissenszurechnung innerhalb des Leitungsorgans einer juristischen Person kann auch hier die Entscheidung für eine Einzelvertretungsbefugnis und eine Ressortverteilung nicht zu einer Wissenssegmentierung führen.326 Hierfür spricht im Übrigen auch die Wertung des § 125 Abs. 2 S. 3 HGB, der im Rahmen der Passivvertretung etwaige Zuständigkeitsbereiche unberücksichtigt lässt. Wenn dem Dritten durch die zwingenden Vorschriften zur Passivvertretung die Mühe der Aufklärung einer internen Geschäftsverteilung im Hinblick auf die Abgabe einer Willenserklärung abgenommen werden soll, ist es nicht nachvollziehbar, warum das Risiko einer arbeitsteiligen Organisation in den Fällen reiner Kenntnisnahme alleine der Gegner tragen sollte.327 Mithin ist zwischen den vertretungsbefugten Gesellschaftern eine gemeinsame Informationsverarbeitungs- und Informationsabfrageorganisation einzurichten, wobei zu beachten ist, dass eine Intraorganwissensorganisation

322

BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37); so auch Staub/Habersack, HGB, § 125 Rn. 22; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (22); vgl. hierzu auch § 8 C.I.1. 323 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37), der insofern Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16 (22) zustimmt. 324 Vgl. hierzu MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 7 ff.; MünchKommHGB/Rawert, § 114 Rn. 6 ff. 325 So auch Scheuch, FS Brandner (1996), S. 121 (122). 326 Vgl. hierzu bereits oben § 10 B.I.3. 327 Vgl. hierzu auch (für die juristische Person) Spindler, ZHR 181 (2017), 311 (324); vgl. auch Scheuch, FS Brandner (1996), S. 121 (123).

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

besonders leicht etabliert werden kann, da einerseits lediglich ein sehr begrenzter Personenkreis an diesem Informationssystem partizipieren muss und andererseits aufgrund der fehlenden gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten innerhalb des Leitungsorgans bezüglich gesellschaftseigener Geschäftsinformationen die konkrete Wissensorganisation dahin gehend nicht beschränkt zu werden braucht. Demgegenüber lässt sich mit Blick auf § 125 Abs. 2 S. 3 HGB durchaus fragen, ob der Möglichkeit der Beschränkung der Vertretungsmacht auf bestimmte Gesellschafter und insbesondere der Beschränkung der Einzelpassivvertretung auf vertretungsberechtigte Gesellschafter auch eine gesetzliche Wertung zur Beschränkung der Wissenszurechnung auf diese Gesellschafter innewohnt bzw. ob auch das Wissen nicht-vertretungsbefugter Gesellschafter zuzurechnen ist.328 Insbesondere wenn man die wertende Wissenszurechnung über eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften über die Passivvertretung begründen will, böte sich eine solche Beschränkung an.329 Hiergegen ist allerdings einzuwenden, dass das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept nicht auf eine Vertretungsbefugnis abstellt, sondern allein auf die Ordnungsmäßigkeit der Wissensorganisation.330 Dabei ist jedoch nicht erkennbar, dass die Einbeziehung nicht-vertretungsberechtigter Gesellschafter in die gemeinsame Wissensorganisation im Allgemeinen unmöglich oder unzumutbar wäre. Insbesondere umfasst die Unternehmensorganisationspflicht und die sich daraus ableitende Wissensorganisationspflicht nicht nur die vertretungsberechtigten Gesellschafter, sondern grundsätzlich das gesamte Unternehmen, sodass auch nicht-vertretungsberechtigte Gesellschafter hieran zu partizipieren sind. Wenn somit das Wissen nicht-vertretungsbefugter Gesellschafter aktenmäßig festzuhalten war und die entsprechende Wissensorganisation möglich und zumutbar war, ist auch dieses zuzurechnen.331 Darüber hinaus stellt sich aufgrund der besonderen personellen Verbundenheit innerhalb der Personengesellschaft, die vom jeweiligen Bestand der Gesellschafter abhängig ist, die Frage, ob auch das Wissen ausgeschiedener oder verstorbener Gesellschafter zugerechnet werden kann.332 Insofern könnte in den Bestimmungen über die Auflösung von Personengesellschaften beim

328

Ablehnend Scheuch, FS Brandner (1996), S. 121 (122). Vgl. zur (abzulehnenden) dogmatischen Anküpfung der wertenden Wissenszurechnung an eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften über die Passivvertretung vgl. oben § 9 C.VI. 330 Vgl. hierzu auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 285. 331 Ähnlich auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 628; a.A. (ohne Begründung) Staub/Habersack, HGB, § 125 Rn. 26. 332 Ablehnend BGH, Urt. v. 17.5.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159 (2160); dagegen Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 628 f. 329

D. Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern

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Ausscheiden oder Versterben eines der Gesellschafter (vgl. etwa §§ 723 Abs. 1, 727 Abs. 1 BGB, § 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB, sofern keine Fortsetzungsklausel vereinbart wurde) eine gesetzliche Wertung zugunsten einer besonderen zeitlichen Schranke der Wissenszurechnung bestehen. Hiergegen spricht jedoch, dass die Wissensorganisationsobliegenheit die Gesellschaft schon in dem Moment trifft, in dem der Gesellschafter (für einen Mitarbeiter gilt nichts anderes) eine Information erhält; schon in diesem Moment ist er dem Grunde nach (die Möglichkeit und Zumutbarkeit vorausgesetzt) verpflichtet, die Information zu speichern. Ob diese Person später die Gesellschaft verlässt, ist in dem Moment der Speicherung völlig unerheblich (und nicht selten noch nicht einmal absehbar). Zwar kann dem ausgeschiedenen Gesellschafter keine aktive Wissensweiterleitungspflicht mehr treffen (sofern die Gesellschaft trotz des Ausscheidens eines der Gesellschafter fortbesteht), wenn die Information zu einem späteren Zeitpunkt relevant wird, jedoch ist sie bei ordnungsgemäßer Wissensorganisation dann ohnehin bereits aktenmäßig gespeichert.333 Im Rahmen der Zumutbarkeit ist allerdings auch die Größe und Erscheinung der jeweiligen Personengesellschaft in Anschlag zu bringen. So können etwa bei einer mittelständischen Personengesellschaft, die über Jahrzehnte gewachsen ist und über eine feste Organisationsstruktur verfügt, andere Anforderungen an die Zumutbarkeit der Wissensorganisation gestellt werden als an eine kleine, nur rudimentär organisierte Gesellschaft. cc) Die vertikale Wissenszurechnung Sofern die Personengesellschaft – insbesondere als unternehmenstragende Gesellschaft – über Mitarbeiter verfügt, tritt zu der horizontalen Wissenszurechnung zwischen den Gesellschaftern auch eine vertikale Zurechnung. Im Verhältnis zu Mitarbeitern ist die Personengesellschaft als Arbeitgeberin zu qualifizieren, wobei die vertretungsberechtigten Gesellschafter die Arbeitgeberfunktion für die Gesellschaft wahrnehmen.334 Insofern verfügt die Personengesellschaft über das arbeitsrechtliche Direktionsrecht, das als Teil der Geschäftsführung von den geschäftsführenden Gesellschaftern ausgeübt wird.335 Daher kann die Personengesellschaft Reportingstrukturen einrichten und diese durch ihr Direktionsrecht durchsetzen, sodass die vertikale Wissenszurechnung auch in der Personengesellschaft grundsätzlich sowohl möglich als auch zumutbar ist. Mithin unterscheidet sich die vertikale Wissenszurech-

333

So auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 631; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 285; Staub/Habersack, HGB, § 125 Rn. 25. 334 BAG, Beschl. v. 28.2.2006 – 5 AS 19/05, NZA 2006, 453 (454). 335 Eufinger, RdA 2018, 224 (226).

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§ 11 Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns

nung in einer unternehmenstragenden Personengesellschaft dem Grunde nach nicht von derjenigen innerhalb der juristischen Person, sodass in diesem Punkt auf die dortigen Ergebnisse verwiesen werden kann.336 In concreto können hier jedoch sehr wohl andere Grenzen – vor allem mit Blick auf die Zumutbarkeit der konkreten Wissensorganisation – gesetzt werden, da Personengesellschaften im Vergleich zu juristischen Personen oft kleiner sind und keine derart ausgeprägten Organisationsstrukturen aufweisen. dd) Fazit – Auswirkungen auf die Wissenszurechnung im Gleichordnungskonzern Die Wissenszurechnung bei Personengesellschaften folgt somit ähnlichen Voraussetzungen wie diejenige bei juristischen Personen, wobei insbesondere im Rahmen der horizontalen Wissenszurechnung (zwischen den Gesellschaftern) die besonderen Gesellschafterstrukturen innerhalb der Personengesellschaft zu berücksichtigen sind. Insofern kann auch das Wissen innerhalb einer GbR – und somit auch zwischen den beteiligten Unternehmen an einem vertraglichen Gleichordnungskonzern – zugerechnet werden. In Bezug hierauf ist jedoch zu beachten, dass der Zweck der Gleichordnungs-GbR (Gleiches gilt für die gemeinsame Koordinierungsgesellschaft) regelmäßig nur in der Koordination des Gleichordnungskonzerns liegt. Daraus folgt, dass die gleichgeordneten Unternehmen in diesen Fällen nur als Gesellschafter der gemeinsamen GbR bzw. der Koordinierungsgesellschaft handeln, wenn die Koordination des Gleichordnungskonzerns in Rede steht. In allen anderen Angelegenheiten muss das Wissen der Gesellschafter als „privat erlangt“ gelten, samt der Restriktionen (vor allem der Verschwiegenheitspflicht), die bereits oben dargestellt wurden.337 In Bezug auf ihre Koordinierungstätigkeit und das hiermit in Verbindung stehende Wissen muss es allerdings dabei bleiben, dass die Zurechnung des Wissens den Regeln des Einheitsunternehmens folgt.

336 Vgl. oben § 10 C.; so auch Grunewald, FS Beusch (1993), S. 301 (319); insofern differenziert Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 634 ff. auch nicht zwischen einer unternehmenstragenen juristischen Person und einer solchen Personengesellschaft; zur Weiterleitungspflicht an unterorganschaftliche Hilfspersonen auch Baum, Die Wissenszurechnung, 1999, S. 375. 337 Zur Wissenszurechnung „privat erlangten Wissens“ vgl. bereits oben § 10 A.II.2.

E. Fazit

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E. Fazit Es wurde nachgewiesen, dass nicht von einer einheitlichen Wissenszurechnung im Konzern ausgegangen werden kann, die Grenzen der wertenden Wissenszurechnung hier jedoch auf jeden Fall weiter sind im Vergleich zu juristischen Personen. Während im Rahmen von Gleichordnungskonzernen teilweise sogar auf die Wissenszurechnung in juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften verwiesen werden kann (bei vertraglichen Gleichordnungskonzernen) und deshalb eine vergleichsweise weitgehende Wissenszurechnung (in Koordinierungsfragen) möglich ist, müssen sowohl für den faktischen Gleichordnungskonzern als auch insbesondere für den Unterordnungskonzern die Grenzen der wertenden Wissenszurechnung vollkommen neu gedacht werden. Dabei rücken vor allem im Unterordnungskonzern sowohl die gesellschaftsrechtliche Trennung der konzernverbundenen Unternehmen als auch die selbst im Vertragskonzern fehlende allgemeine Konzernleitungspflicht in den Fokus der Überlegungen. Hieraus ergibt sich zunächst im Vergleich zur Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person eine deutlich eingeschränkte Beherrschungsmöglichkeit des konzerninternen Informationsflusses und darüber hinaus auch eine fehlende allgemeine Pflicht zur Wissensorganisation im Konzern (als Ausfluss der fehlenden Konzernleitungspflicht). Da die wertende Wissenszurechnung überall dort ausscheiden muss, wo anderweitige Wertungen ihr entgegenstehen, insbesondere wo die Wissensorganisation (tatsächlich oder rechtlich) unmöglich ist, muss sie grundsätzlich immer ausscheiden, sofern keine Möglichkeit zur Beherrschung der Informationsweitergabe besteht. Etwas anderes ist nur möglich bei einer freiwilligen Informationsweitergabe oder aufgrund der Wertung des § 166 Abs. 2 BGB bei veranlassten Maßnahmen. Ebenso müssen im Rahmen der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung vor allem die gesetzgeberischen Entscheidungen sowohl für das Trennungsprinzip als auch gegen eine allgemeine Konzernleitungspflicht Beachtung finden. Deshalb kann nur dort, wo durch eine funktionale Einheit (singulär, allgemein oder personell) die gesellschaftsrechtliche Trennung im Konzern überwunden wird, Wissen zugerechnet werden. Mit Blick auf § 10 und § 11 dieser Arbeit und im Vergleich der Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person einerseits und zwischen konzernverbundenen Unternehmen andererseits, ist festzustellen, dass die Grenzen der wertenden Wissenszurechnung im Konzern weiter sind. Somit lässt sich schon hier die Vermutung aufstellen, dass sich mit abnehmender gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit die Grenzen der Wissenszurechnung ausweiten.

§ 12

Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung Während die Diskussion um die Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person schon seit Langem intensiv geführt wird und mitunter sogar zuweilen den Anschein erweckt, als sei sie in einer bestimmten Richtung festgefahren und während die Frage der Wissenszurechnung im (Unterordnungs-)Konzern zumindest seit den 1990er-Jahren ebenfalls entdeckt und belebt wurde, ist die Wissenszurechnung bei nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen noch vollkommen unterbeleuchtet. Die Gründe für diese fehlende Aufmerksamkeit zu suchen stellt sich vergleichsweise müßig dar, haltbar ist dieser Zustand jedenfalls auf Dauer nicht. Im Rahmen dieser Arbeit soll die Bedeutung der Wissenszurechnung innerhalb nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen zunächst anhand einer kurzen Darstellung der Erscheinungsformen solcher Verbindungen und deren Bedeutung in der Wirtschaft herausgearbeitet werden (A.), bevor sie rechtlich eingeordnet werden (B.). Ausgehend von dieser rechtlichen Einordnung soll anschließend das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept auf diese Unternehmensverbindungen angewendet werden (C.), wobei der Schwerpunkt wiederum auf der zweiten, begrenzenden Stufe des hier vorgestellten Zurechnungsmodells liegen wird.

A. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen in der Wirtschaft I. Formen nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen Mit dem Begriff der nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen sind alle vertraglich strukturierten Verbindungen zwischen zwei oder mehreren Unternehmen gemeint, die zwar zum Zweck der Arbeitsteilung zusammenwirken, diesem Zusammenwirken jedoch keine gesellschaftsrechtliche Organisationsform geben. Dieses Zusammenwirken kann entweder durch Abhängigkeitsverhältnisse geprägt sein (subordinative Kooperation) oder durch eine Gleichordnung (koordinative Kooperation).

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

Dabei fällt eine Abgrenzung auf einer Skala absteigender unternehmensrechtlicher Verbundenheit nach oben bereits durch die begriffliche Schöpfung der nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen leicht, indem gefragt wird, ob die jeweilige Unternehmensverbindung eine gesellschaftsrechtliche Struktur aufweist, etwa in Form einer juristischen Person, einer Personenhandelsgesellschaft oder eines Konzerns. Die Abgrenzung nach unten muss anhand eines Mindestmaßes an struktureller Verbundenheit erfolgen. So müssen zum einen singuläre oder nur unregelmäßige Leistungsbeziehungen, wie sie etwa beim Einkauf von Waren üblich sind, ausscheiden, auch wenn durch sie ein gewisses Maß an Arbeitsteilung stattfindet. Dies gilt erst recht für rein soziale Netzwerke und Sozialbeziehungen, auch wenn diese durchaus einen ökonomischen Nutzen haben können.1 Subordinative Kooperationen lassen sich vor allem in Vertriebs- und Absatzsystemen, wie beispielsweise dem Franchising, finden. Dort überlässt ein Franchisegeber einem rechtlich selbstständigen Franchisenehmer ein nach den Vorstellungen des Franchisegebers gestaltetes Geschäftskonzept zur entgeltlichen Nutzung, wobei der Franchisenehmer (auf Zeit) zum Beispiel die Rechte zur Benutzung einer Marke oder eines Firmennamens, der Erzeugung und/oder des Vertriebs einer Ware(ngruppe), der Anwendung eines Produktionsverfahrens oder einer Rezeptur oder zur Nutzung eines bestimmten Absatzprogramms erhält und der Franchisegeber den Franchisenehmer zur Einrichtung und Führung des Betriebs unterstützt.2 Dabei muss das Franchising insbesondere von einem Filialsystem abgegrenzt werden, in welchem anstelle von selbstständigen Franchisenehmern unselbstständige Abteilungen einer Gesellschaft oder eines Einzelkaufmanns agieren.3 Daneben bestehen auch koordinative (gleichgeordnete) Kooperationen, bei denen kein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen den Kooperationspartnern besteht, sondern sich diese „auf Augenhöhe“ begegnen, um gemeinsame 1

Vgl. hierzu Teubner, ZHR 165 (2001), 550, passim, insb. S. 553. Martinek, Franchising, 1987, S. 11; Tietz/Mathieu, Das Franchising als Kooperationsmodell für den mittelständischen Groß- und Einzelhandel, 1979, S. 6 vgl. auch Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 4087/88 der Kommission vom 30. November 1988 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Franchisevereinbarungen, ABl. EG L 359 vom 28.12.1988, S. 46 ff. – EG-GruppenfreistellungsVO, abgelöst durch die Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. EG L 336 vom 29.12.1999, S. 21 ff., ersetzt durch die Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. L 102 vom 23.4.2010, S. 1 ff. 3 Vgl. hierzu Tietz/Mathieu, Das Franchising als Kooperationsmodell für den mittelständischen Groß- und Einzelhandel, 1979, S. 9. 2

A. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen in der Wirtschaft

319

Ziele zu erreichen. Hierunter können etwa die Glieder einer Produktionskette gefasst werden, wobei der Zulieferbetrieb von der Abnahme seiner Produkte durch den Endprodukthersteller profitiert und letzterer wiederum von einem „schlankeren“ Unternehmen, das die Fertigung der Einzelteile auf gesellschaftsfremde Unternehmen ausgliedert (gesellschafts- und konzernfremdes Outsourcing). Obwohl die Kooperationspartner prinzipiell gleichgeordnet sind und kein funktionales Abhängigkeitsverhältnis wie im Franchising besteht, können durch bestimmte Organisationsmodalitäten faktisch hierarchische Züge enthalten sein. So besteht etwa eine faktische Abhängigkeit des Zulieferbetriebs, wenn die hergestellten Produkte derart auf die Bedürfnisse des Endproduktherstellers zugeschnitten sind, dass der Zulieferer keinen anderen Abnehmer für seine Produkte finden wird. Demgegenüber kann der Endprodukthersteller von dem Zulieferer abhängig werden, wenn er im Zuge einer Just-intime-Produktion über keine nennenswerten Lagermöglichkeiten verfügt, sodass er auf eine stetige Lieferung (kleiner) Mengen angewiesen ist. Diese Situation kann im Rahmen der Just-in-time-Produktion auch bei dem Zulieferbetrieb eintreten, sofern er ebenso über keine nennenswerten Lagermöglichkeiten verfügt und somit von einer regelmäßigen Abnahme seiner Waren abhängig ist. Eine „schlanke Produktion“ (engl. lean production) entsteht, die sich insbesondere durch ihre Ressourceneffizienz auszeichnet, dies jedoch um den Preis eines fragilen Systems gegenseitiger Abhängigkeit.4 Die fragilen Produktionssysteme lassen sich vor allem durch eine intensive Kommunikation der Produktionsglieder untereinander festigen. Insofern haben die Vernetzung der Produktionsschritte und der Einfluss der schlagwortartigen „Industrie 4.0“ einen großen Einfluss auf die Stabilität dieser Produktionssysteme.5 Diese Darstellung beansprucht nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sie soll lediglich einen Eindruck über die Vielfältigkeit nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen vermitteln. Die Bandbreite solcher Unternehmensverbindungen ist unwahrscheinlich groß und hängt insbesondere davon ab, bis zu welchem Grad der unternehmensrechtlichen Verbundenheit man noch von einem Unternehmensverbund spricht. So können auch andere gesellschaftsübergreifende Vertriebssysteme ohne Konzernverbund wie etwa Handelsvertreter-, Kommissionärs- oder Vertragshändlersysteme unter den Begriff des nicht-konzernierten Unternehmensverbundes subsummiert werden. Auch im Hinblick auf Wertschöpfungsketten ist die Just-in-time-Produktion nur eine Organisationsmöglichkeit. Abgesehen von Produktions-

4 5

sim.

Vgl. hierzu Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, S. 43 ff. Vgl. hierzu v. Baum/Appt/Schenk, DB 2017, 1824, passim; dies., DB 2017, 1888, pas-

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

und Distributionssystemen lassen sich unter Umständen auch Konsortien wie im Bereich der Mitversicherung unter den Begriff nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen fassen. Im weiteren Verlauf wird sich allerdings aus Gründen der Anschaulichkeit vor allem an den näher beschriebenen Erscheinungsformen des Franchisings und der Just-in-time-Produktion orientiert und die Darstellung durch Beispiele untermalt. Selbstverständlich lässt sich das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept auch auf andere Erscheinungsformen nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen übertragen. Dabei sind jedoch jeweils die erscheinungsbildprägenden Besonderheiten jeder einzelnen Unternehmensverbindung zu berücksichtigen, die insbesondere bei schuldvertraglicher Verbundenheit aufgrund der Vertragsfreiheit außerordentlich vielfältig sein können.

II. Bedeutung in der Wirtschaft Die Bedeutung nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen in der Wirtschaft ist immens.6 Dies zeigt exemplarisch eine Studie im Auftrag des deutschen Franchiseverbands für das Jahr 2019, wonach es 960 Franchisesysteme gab, an denen 133.424 Partner mit insgesamt 171.824 Betrieben beteiligt waren. Im Jahr 2019 arbeiteten 716.935 Beschäftigte in Franchisebetrieben, die insgesamt einen Umsatz von 129 Mrd. Euro erwirtschafteten.7 Fragt man nach den Vorteilen nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen ist hier (im Rahmen subordinativer Verbindungen) vor allem die Sicht desjenigen interessant, in dessen Händen die nötige wirtschaftliche Macht liegt, sein Geschäftsmodell auch durch eine einzige Gesellschaft (mit verschiedenen Abteilungen oder Filialen) oder in einem Konzern zu organisieren.8 Während der schwächere Part (Franchisenehmer, Zulieferer etc.) mangels Ressourcen, Know-how oder bestimmter Rechte regelmäßig nicht die Möglichkeit hat, ohne den anderen Teil das Geschäftsmodell auszuüben,9 ist es für den stärkeren Part tendenziell eine bewusste Entscheidung, eine nicht-konzernierte Unternehmensverbindung zu schaffen. Die Gründe hierfür sich vielfältig, häufig dürfte aber die Streuung unternehmerischer Risiken auf gesellschaftsrechtlich und (weitestgehend) wirtschaftlich voneinander getrennter Unternehmen auf verschiedene Akteure 6

Vgl. hierzu auch Metzlaff/Skaupy, Praxishandbuch Franchising, § 1 Rn. 9 ff. Deutscher Franchiseverband e.V., Franchisestatistik 2019 – Zahlen, Daten & Fakten, 2019, S. 6. 8 Zu den Vorteilen des Franchisings für den Franchisegeber vgl. Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 52 ff. 9 Zu den Vorteilen des Franchisings für den Franchisenehmer vgl. Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 57 ff. 7

B. Vertragstypologische Einordnung

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ein zentraler Aspekt sein. Dies gilt sowohl für ein Franchiseprojekt, dessen Geschäftsmodell der Franchisegeber nicht ohne den Franchisenehmer durchführen könnte, als auch für die meisten Wertschöpfungsketten. So dürfte es beispielsweise für einen Automobilzulieferer, der Kunststoffteile herstellt, ungleich schwieriger sein, ein komplettes Kfz herzustellen, als es für den Kfz-Hersteller wäre, Kunststoffteile zu fertigen und diese dann zu montieren. Nichtsdestoweniger kann auch der stärkere Teil einer nicht-konzernierten Unternehmensverbindung sein Geschäftsmodell (sei es in verschiedenen Abteilungen, Filialen oder Tochtergesellschaftern) häufig ebenso wenig alleine durchführen.10 So kann die zusätzliche Finanzkraft anderer Unternehmer das gemeinsame Geschäftsmodell vorantreiben11 und nicht zuletzt kann auch zusätzliches Know-how in die wirtschaftliche Unternehmung hineingetragen werden. Um bei dem Beispiel des Kunststoffzulieferers in der Automobilbranche zu bleiben, ist es etwa auch möglich, dass der Kfz-Hersteller eben doch nicht (oder zumindest nicht in gleicher Qualität) die Produkte des Zulieferers selbst herstellen kann. Dies gilt umso mehr, je technisch anspruchsvoller die zugelieferten Einzelteile sind, sodass gerade in hochkomplexen Endprodukten der Endprodukthersteller mitunter gut beraten ist, für die Herstellung bestimmter Bauteile unternehmens- bzw. konzernfremde Unternehmen zu beauftragen, die sich entsprechend spezialisiert haben. Insofern verwundert es nicht, dass sich gerade in komplexen Wertschöpfungsketten und bei großem Expansionsdruck neben einer gesellschafts- und konzerninternen Arbeitsteilung auch Formen nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen etabliert haben und mittlerweile aus der Wirtschaft nicht mehr weggedacht werden können.

B. Vertragstypologische Einordnung nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen Selbstverständlich können die hier behandelten wirtschaftlichen Unternehmungen auch innerhalb einer Gesellschaft (dann folgt die wertende Wissenszurechnung den in § 10 dieser Arbeit aufgezeigten Regeln) oder durch konzernabhängige Unternehmen (dann folgt die wertende Wissenszurechnung den in § 11 dieser Arbeit aufgezeigten Regeln) realisiert werden.12 In diesem 10

Zum Franchising als Mittel zur Expansion vgl. Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 53 f. 11 Zum Franchising als Finanzierungswerkzeug vgl. Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 54 f. 12 Zur „konzernrechtlichen Lösung“ besonders intensiver Just-in-time-Lieferverbindungen mit starker Abhängigkeit vgl. Nagel, DB 1988, 2291 (2292); vgl. hierzu ebenfalls Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 75 ff.

322

§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

Kapitel soll jedoch explizit die Frage gestellt werden, welchen Regeln die wertende Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen folgen soll, wenn eine nicht-konzernierte Unternehmensverbindung in Rede steht. Gleichwohl wird es im Rahmen dessen unerlässlich sein, das Verhältnis zu anderen Formen arbeitsteiliger Organisation zu klären, insbesondere im Hinblick auf die BGB-Gesellschaft. Deshalb muss zu Beginn eine systematische Einordnung nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen erfolgen, einerseits um das Verhältnis dieser Unternehmensverbindungen zur BGB-Gesellschaft zu untersuchen und hieraus gegebenenfalls Rückschlüsse für die wertende Wissenszurechnung ziehen zu können, andererseits allerdings auch, um die Grenzen der wertenden Wissenszurechnung bestimmen zu können.

I. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen als BGB-Gesellschaft? Zunächst könnte innerhalb nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen zwischen den Unternehmen ein Organisationsvertrag bestehen, wobei sich hier vor allem die BGB-(Innen-)Gesellschaft als Gesellschaftsform anbieten würde. In diesem Fall könnten in Bezug auf die Wissenszurechnung schlicht die dort geltenden Grenzen der wertenden Wissenszurechnung angewendet werden.13 Es stellt sich somit die Frage, ob arbeitsteilige Unternehmensverbindungen generell eine BGB-Gesellschaft zwischen den beteiligten Unternehmen begründen. Hierbei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass solche Unternehmensverbindungen, wie sie gerade in Rede stehen, im Einzelfall gesellschaftlich strukturiert sein können – dies wäre insoweit zu bejahen –, es soll vielmehr die abstrakte Einordnung dieser Unternehmensverbindungen als Gesellschaft untersucht werden. Nur wenn dies nämlich verneint wird, bleibt tatsächlich ein eigenständiger Anwendungsbereich der Wissenszurechnung auf nichtkonzernierte Unternehmensverbindungen. 1. Der Rahmenvertrag als Organisationsvertrag Um zwischen den arbeitsteilig handelnden Unternehmen eine BGB-Gesellschaft zu erkennen, wäre zunächst ein gemeinsamer Zweck als essentiale negotii notwendig, vgl. § 705 BGB. Hierfür wäre jedoch eine Interessengleichrichtung oder -verschmelzung erforderlich und gerade kein Interessengegensatz.14 Am Beispiel des Franchisings wird allerdings deutlich, dass eine 13

Vgl. hierzu oben § 11 D.II.2.b). Allg. M., anstatt aller K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 61 ff.; Staudinger/Habermeier (2003), BGB, § 707 Rn. 17; MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 152, jeweils mwNachw. 14

B. Vertragstypologische Einordnung

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Interessengleichrichtung regelmäßig gerade nicht vorliegt.15 Dort liegt das Interesse des Franchisegebers zunächst in der Expansion seiner Projektidee und darüber hinaus selbstverständlich in dem Erhalt des vereinbarten (Nutzungs-)Entgelts. Demgegenüber liegt das Interesse des Franchisenehmers vor allem in der Nutzung des Geschäftskonzepts samt den dazugehörigen Namen und Marken sowie des Corporate Design, wobei aufgrund der regelmäßigen Dominanz des Franchisegebers oftmals eine auffällig einseitige Interessenausrichtung des gesamten Vertriebssystems auf ihn festzustellen ist.16 Bei Produktionsketten wird dieser grundlegende Interessengegensatz noch deutlicher: Während der Endprodukthersteller die Fertigungsteile erwerben und zu einem Endprodukt zusammensetzen möchte, verfolgt der Zulieferer das Ziel, seine Fertigungsteile zu verkaufen. Indes ist es eher fernliegend, anzunehmen, dass im Verhältnis zwischen Zulieferer und Endprodukthersteller bzw. zwischen Franchisegeber und -nehmer eine Interessengleichrichtung erfolgt. Natürlich haben beide ein wirtschaftliches Interesse am Erfolg des Endprodukts bzw. der Geschäftsidee, da beide wirtschaftlich davon abhängig sind. Dies kann jedoch nicht als gemeinsamer, sondern nur als gleicher Zweck bezeichnet werden, der gerade nicht zur Begründung einer BGB-Gesellschaft genügt.17 Auch kann nicht behauptet werden, die gegenläufigen Interessen der Vertragsteile seien nur bloße Absichten und Motive, die einem gemeinsamen Zweck nicht entgegenstehen, da diese Interessen der hauptsächliche Grund zum Vertragsschluss sind. Insofern könnte mit dem gleichen Argument jeder Austauschvertrag zu einer (kurzzeitigen) BGB-Gesellschaft erhoben werden, der den gemeinsamen Zweck verfolgt, einen Austausch von Gütern oder Dienstleistungen erfolgreich zu erfüllen. Die Absurdität dieser Vorstellung liegt auf der Hand. Doch selbst wenn man im Verhältnis zwischen Zulieferer und Endprodukthersteller in der Erzeugung industrieller Produkte bzw. im Verhältnis zwischen Franchisegeber und -nehmer in der Verbreitung des Geschäftskonzepts einen gemeinsamen Zweck erkennen wollte, muss dennoch anerkannt werden, dass diese Verträge meist nur zeitlich befristet sind und zur Fortsetzung der Beziehung regelmäßig der Vertragserneuerung bedürfen, BGBGesellschaften – Gelegenheitsgesellschaften ausgenommen – jedoch regelmäßig auf Dauer geschlossen werden.18 Die Gesellschaft soll endigen, wenn 15

Vgl. hierzu auch Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 31. 16 Vgl. hierzu Teubner, ZHR 154 (1990), 295 (300). 17 So auch Jacobsen, GS Skaupy, 2003, S. 159 (168); Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 143 ff.; für einen gemeinsamen Zweck im Verhältnis zwischen Zulieferer und „Assembler“ aber (ohne Begründung) Zirkel, NJW 1990, 345 (350); zur Unterscheidung zwischen dem gemeinsamen und einem gleichen Zweck vgl. Böhmer, JZ 1994, 982 (983 f.). 18 Zirkel, NJW 1990, 345 (350).

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der vereinbarte Zweck erreicht oder die Erreichung unmöglich geworden ist (vgl. § 726 BGB). Dass demgegenüber auch eine zeitlich befristete BGBGesellschaft möglich ist, zeigt § 723 Abs. 1 BGB, sodass aus der zeitlichen Befristung alleine noch nicht geschlossen werden kann, dass die Rahmenverträge keinen organisationsrechtlichen Charakter haben. Darüber hinaus muss allerdings in Bezug auf subordinative Kooperationen, wie sie regelmäßig in Franchisevertriebssystemen und häufig auch in Just-in-time-Lieferketten zu finden sind, festgestellt werden, dass gerade dieses Merkmal einer Qualifizierung als BGB-Gesellschaft entgegensteht, für die gerade die Gleichordnung der Gesellschafter wesensprägend ist.19 2. Einzelabreden als Organisationsvertrag Aber selbst wenn nicht die gesamte arbeitsteilige Unternehmensverbindung als Gesellschaft qualifiziert werden kann, könnten zumindest einige Elemente der Zusammenarbeit eine BGB-(Innen-)Gesellschaft darstellen. Insbesondere sog. Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Endproduktherstellern und Zulieferern könnten eine solche organisationsrechtliche Komponente haben. Hier liegt der gemeinsame Zweck – die Effektivierung der Schadensprävention sowie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Qualitätssicherung – auf der Hand.20 Darüber hinaus lässt sich weder aus der Tatsache, dass regelmäßig kein Gesamthandsvermögen besteht, noch aus der zeitlichen Befristung solcher Abreden schließen, dass deshalb keine BGB-Gesellschaft vorliegen könne.21 Hiergegen spricht zum einen, dass das Fehlen eines Gesamthandsvermögens nicht per se gegen die Annahme einer BGB-Gesellschaft spricht; vielmehr ergibt sich aus der Vereinbarung, dass kein Gesellschaftsvermögen entstehen soll, lediglich, dass eine Innengesellschaft entsteht.22 Das fehlende Gesamthandsvermögen sagt somit noch nichts über die Qualifizierung als BGBGesellschaft aus, in dieser Hinsicht ist nur die Pflicht zur Förderung des gemeinsamen Zwecks konstitutive Voraussetzung einer BGB-Gesellschaft. Zum anderen wird mit Blick auf die in § 723 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Möglichkeit zur zeitlichen Befristung von BGB-Gesellschaften deutlich, dass 19

Vgl. hierzu Teubner, ZHR 154 (1990), 295 (300); vgl. hierzu auch aus Sicht der Subordination im Unterordnungskonzern Menz, Wirtschaftliche Einheit und Kartellverbot, 2004, S. 64 f.; Bälz, FS L. Raiser (1974), S. 287 (323, 333); Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969, S. 76 ff.; Klippert, Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Konzernen, 1984, S. 37 f. 20 Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Endproduktherstellern und Zulieferern, 1993, S. 27; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 257 f. 21 So Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Endproduktherstellern und Zulieferern, 1993, S. 27. 22 Staudinger/Habermeier (2003), BGB, § 705 Rn. 59.

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auch hieraus kein Argument gegen den organisationsrechtlichen Charakter solcher Abreden gezogen werden kann. Wie bereits erwähnt ist jedoch die beidseitige Förderpflicht eine konstitutive Voraussetzung der BGB-Gesellschaft. Diese könnte darin gesehen werden, dass beide Teile durch ihre Produktionsüberwachung und Datenweitergabe im Störfall den Gesellschaftszweck fördern. Und zumindest für gleichgeordnete Verbindungen, in denen durch eine ausgewogene Verteilung der Verhandlungsmacht die Qualitätssicherungsvereinbarung nicht einseitig von dem Abnehmer vorgegeben wird, sondern eine echte Aufgabenteilung mit Förderpflichten beider Seiten zwischen den Parteien vereinbart wird, kann von einer beiderseitigen Förderpflicht ausgegangen werden.23 Wenn hingegen – wie in der Praxis üblich – eine beiderseitige Pflichtenteilung fehlt und insbesondere nicht zu erwarten ist, dass die Abnehmerseite als üblicherweise verhandlungsstärkere Partei und als regelmäßiger Initiator der Qualitätssicherungsvereinbarung ein Interesse daran hat, ohne Not die eigenen Pflichtenpositionen auszubauen, ist nicht von einer beiderseitigen Förderung auszugehen.24 In diesen Fällen kann mithin nicht von der Gründung einer BGB-Gesellschaft ausgegangen werden. 3. Fazit Somit kann im Regelfall in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen keine BGB-(Innen-)Gesellschaft gesehen werden. Wenn nicht schon das Subordinationsverhältnisses gegen diese Annahme spricht, so doch vor allem der fehlende gemeinsame Zweck. Darüber hinaus sind auch Einzelabreden als Teil von nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen regelmäßig nicht als BGB-Gesellschaft zu qualifizieren, da insofern häufig die beiderseitige Förderpflicht fehlt. Nichtsdestoweniger sind gesellschaftsrechtliche Grundelemente in solchen Unternehmensverbindungen klar erkennbar. Insbesondere der Dauerschuldcharakter, das enge beiderseitige Vertrauensverhältnis, das durch die intensiven Verflechtungen entsteht, und die mitunter bestehende Existenz gewisser Kontrollrechte rücken diese nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen doch zumindest in die Nähe einer Gesellschaft, auch wenn wie gezeigt eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit nicht vorliegt.25 Auf diese

23

Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 259. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 260. 25 Vgl. auch Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Endproduktherstellern und Zulieferern, 1993, S. 27 f.; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 147; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 260 f.; vgl. auch RG, Urt. v. 11.11.1933 – I 130/33, RGZ 142, 212 (214 f.): Gesellschaftsähnlichkeit eines Lizenzvertrages. 24

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Korporationsnähe bzw. -ähnlichkeit sollte jedoch nicht mit blinden Analogieschlüssen zu gesellschaftsrechtlichen Normen geantwortet werden; vielmehr können auch abseits korporativer Verbindungen Lösungen für intensive Vertrauensverhältnisse geschaffen werden, wie im Laufe der Untersuchung noch zu zeigen sein wird. In jedem Fall führt es in dieser Diskussion nicht weiter, aus dem bloßen Interesse, den schwächeren Teil dieser Unternehmensverbindungen schützen zu wollen (vor allem, wenn im Bereich der Just-in-time-Produktion eine Abwälzung des Absatzrisikos auf den Zulieferer stattfindet), solche Rahmenverträge in die Form eines Gesellschaftsvertrages zu drücken.26 Das Ziel, dem schwächeren Teil Kontrollrechte und eine gesteigerte Treuepflicht an die Seite zu stellen und ihn so zu schützen, lässt sich vielmehr auch durch die Qualifizierung als Austauschverträge erreichen (vgl. sogleich). Darüber hinaus widerstrebt eine derart „interessengelenkte“ Subsumption, die schlicht vom Ergebnis gedacht ist und demgegenüber die Wesensmerkmale der BGBGesellschaft völlig außer Acht lässt, jeglicher juristischen Methodik. Dies heißt jedoch nicht, dass nicht im Einzelfall auch in derartigen vertraglichen Unternehmensverbindungen ein Organisationsvertrag gesehen werden kann. Insbesondere im Bereich des sog. Partnerschafts-Franchising, wie es etwa in Hotelketten oder im Transportwesen vorkommt, ließe sich ernsthaft über eine organisationsvertragliche Lösung nachdenken.27 Im Weiteren soll jedoch untersucht werden, welche Rechtsnatur nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen haben, wenn die vertragliche Verbindung nicht ausnahmsweise einen Organisationsvertrag darstellt.

II. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen als Austauschvertrag 1. Franchisevertrag Etabliert hat sich die Einsicht, dass sich viele nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen als Austauschvertrag abbilden lassen. Dies gilt zunächst für den Franchisevertrag, der nach herrschender Meinung ein Mischvertrag ist, der insbesondere aus Elementen des Mietvertrages und des Pachtvertrages, des Geschäftsbesorgungsvertrages und des Dienstvertrages zusammengesetzt ist sowie zuweilen auch kauf- oder werkvertragliche Elemente aufweist.28 Darüber hinaus lassen sich regelmäßig in Franchiseverträgen auch

26

So aber Engel, RabelsZ 57 (1993), 556 (561). Vgl. hierzu Martinek, Franchising, 1987, S. 231 ff.; Teubner, ZHR 154 (1990), 295 (301 f.). 28 Martinek, Franchising, 1987; S. 293 ff.; ders., Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 69 f.; Jacobsen, GS Skaupy, 2003, S. 159 (167 f.); Canaris, Handelsrecht, § 18 Rn. 19; 27

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Elemente des ebenfalls gesetzlich nicht geregelten Lizenzvertrages erkennen, sodass dem Franchisevertrag wiederum pachtrechtliche Komponenten zukommen.29 Die Charakterisierung als Mischvertrag ist dabei konsequent, da der Franchisevertrag regelmäßig über eine komplexe synallagmatische Verflechtung mit einem Bündel aus verschiedenen Leistungspflichten unterschiedlicher Vertragstypen verfügt, wobei die einzelnen Regelungselemente gleichzeitig abgeschlossen werden, sich aufeinander beziehen und ineinander verflochten sind.30 Gleichzeitig gibt es nicht nur einen Typus des Franchisevertrages, sondern eine Vielzahl möglicher Gestaltungsformen, sodass auch die Gewichtung der verschiedenen vertragstypischen Elemente nur im Einzelfall erfolgen kann.31 Mithin ist es im Ausnahmefall möglich, dass gewisse vertragstypische Elemente den Franchisevertrag derart deutlich charakterisieren, dass nicht mehr von einem Mischvertrag ausgegangen werden kann. Gleichwohl kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass der Franchisevertrag ein (typenreiner) Geschäftsbesorgungsvertrag und somit ein (reiner) Interessenwahrnehmungsvertrag ist.32 Das dabei im Vordergrund stehende Merkmal der Interessenwahrnehmung würde nämlich sowohl die Leistungen, die in Franchiseverhältnissen erbracht werden, als auch die pachtvertraglichen Elemente, die insbesondere im Hinblick auf die Nutzung fremden geistigen Eigentums regelmäßig vorliegen, außer Acht lassen.33 Auch die Einordnung des Franchisevertrages als (typenreiner) Lizenzvertrag erweist sich oftmals als problematisch und muss daher in der Regel abgelehnt werden. Danach bezöge sich die Lizenz auf ein Geschäftskonzept, eine Vertriebsidee oder auf Know-how.34 Dies hätte zur Folge, dass Hauptzweck des Franchisings die entgeltliche Gebrauchsüberlassung wäre und auf den Vertrag ausschließlich die Regeln des Miet- und Pachtvertrages anzuwenden wären.35 Dagegen spricht jedoch, dass der Gegenstand eines Franchisekonzepts häufig in weiten Teilen überhaupt nicht lizenzfähig ist, da – abgesehen von einzelnen lizenzvertraglichen Elementen wie Marken und Urheberrechten – kein dingliches Recht besteht, das lizensiert werden Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 26; Staudinger/Martinek/Omlor (2017), BGB, § 675 Rn. B 241; Martinek/Semler/Flohr/Martinek, Hdb. Vertriebsrecht, § 4 Rn. 58 ff. 29 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 26. 30 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 27. 31 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 27. 32 So aber etwa Ebenroth, Absatzmittlungsverträge im Spannungsfeld von Kartell- und Zivilrecht, 1980, S. 68 ff.; Ahlert, in: Ahlert (Hrsg.), Vertragliche Vertriebssysteme zwischen Industrie und Handel, 1981, S. 43 (84 f.). 33 So auch Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 29. 34 Vgl. hierzu Skaupy, NJW 1992, 1785 (1789); Forkel, ZHR 153 (1989), 511 (517 ff.). 35 Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 30.

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könnte; insbesondere ist eine Geschäftsidee nicht lizenzfähig.36 Darüber hinaus sind sogar Franchisekonzepte (zuvorderst im Warenfranchising) denkbar, bei denen lizenzvertragliche Elemente verzichtbar sind.37 Zudem betont Giesler in Übereinstimmung mit Martinek, dass die häufig vereinbarte Betriebsführungspflicht mit dem sich aus einer Lizenz regelmäßig ergebenden (bloßen) Recht zur Lizenznutzung nicht vereinbar ist38 und dass insofern der „tendenziell Ausgenutzte zum Nutznießer“ umdeklariert werde.39 2. Lieferketten Auch in Lieferketten bzw. in Produktionsnetzwerken im Allgemeinen steht der austauschvertragliche Charakter dieser vertraglichen Verbindungen deutlich im Fokus, wobei in der Regel eine Vielzahl von Verträgen betrachtet werden muss, die ineinandergreifen: In der Praxis wird häufig bei jeder einzelnen Lieferung ein Einzelvertrag zwischen dem Abnehmer und dem Lieferanten geschlossen, in den sowohl die allgemeinen Einkaufsbedingungen des Abnehmers sowie die Verkaufs- und Lieferbedingungen des Zulieferers und sog. Richtlinien als Annexe zu bestimmten Lieferverträgen mit einbezogen werden.40 Diesen Einzelverträgen liegt regelmäßig ein Rahmenvertrag zugrunde.41 Dabei ist ein sicheres Ineinandergreifen der einzelnen Verträge ebenso entscheidend wie komplex, um vor allem in der Just-in-time-Produktion, bei der weitestgehend auf Lagerhaltung und eine Wareneingangskontrolle verzichtet wird, die sich daraus ergebenen Risiken gering zu halten. Der Rahmenvertrag ist ein sog. Normenvertrag und ist in erster Linie durch seinen potestativen Charakter gekennzeichnet.42 Durch ihn verpflich36 Martinek, Moderne Vertragstypen II, S. 46 f.; Röhricht/Graf v. Westphalen/ Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 30; gegen eine Einordnung als Lizenzvertrag auch Staudinger/Schaub (2018), BGB, Vor § 581 Rn. 95. 37 Staudinger/Martinek/Omlor (2017), BGB, § 675 Rn. B 234: keine „conditio sine qua non“, „es finden sich durchaus Franchiseverträge, vor allem im Bereich der Warendistribution, ohne ein derartiges lizenzvertragliches Element, weil keine mit spezialgesetzlichem Ausschließlichkeitsschutz zugunsten des Franchisegebers ausgestatteten Immaterialgüterrechte überlassen werden“; so auch Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 30. 38 Staudinger/Martinek/Omlor (2017), BGB, § 675 Rn. B 235; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 30. 39 Staudinger/Martinek/Omlor (2017), BGB, § 675 Rn. B 235. 40 Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 129 f. 41 Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 129 f.; Nagel, DB 1988, 2291 (2292); ders., DB 1991, 319 (320); demgegenüber ist die Qualifizierung dieser vertraglichen Dauerbeziehung als reine Sukzessivlieferungsverträge rechtlich unbefriedigend und vermag nicht, die im Rahmen von Zulieferverträgen aufgeworfenen Probleme zufriedenstellen zu lösen, vgl. hierzu Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 114 ff., insb. 133 f. 42 Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 130; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen

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ten sich die Parteien in der Regel noch nicht zum Abschluss entsprechender Verträge über einzelne Leistungen, sondern legen nur ein Regelwerk fest, das für diese künftig zu schließenden Einzelverträge gelten soll.43 In dem Rahmenvertrag ist der eigentliche Kern der Vertragsbeziehungen, die sog. Stammverpflichtung geregelt, die den Einzelverträgen übergeordnet sind.44 In dem Rahmenvertrag werden etwa technische Anforderungen und zulässige Abweichungen hinsichtlich der Produkte, die Laufzeit und die Beendigung der vertraglichen Beziehungen, die Just-in-time-Anlieferung, eine etwaige EDV-Vernetzung zur Qualitätssicherung oder zur Übermittlung von Auftragsmengen und -daten, Qualitätsstandards und ihre Kontrolle sowie regelmäßig auch Vertraulichkeitsvereinbarungen festgelegt.45 Die so geschaffene Dauerbeziehung zeichnet sich durch eine ständige Pflichtenanspannung aus. Darüber hinaus muss auch beachtet werden, dass vor allem im Rahmen komplexer Produktionsnetzwerke, in denen nicht nur bilaterale Beziehungen zwischen einem Zulieferer und einem Endhersteller bestehen, sondern ein ganzes Netz aus Zulieferern auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette und dem Endfertigungsunternehmen, auch die Rahmenverträge nicht nur ein bilaterales Verhältnis abbilden, sondern offen sein müssen für eine Interaktion der verschiedenen Netzglieder.46 Die Einzelverträge werden häufig als Kaufverträge (§§ 433 ff. BGB) oder Werklieferungsverträge (§ 650 BGB) geschlossen. Darüber hinaus kommen aber beispielsweise auch Werkverträge (§§ 631 ff. BGB), Dienstverträge (§§ 611 ff. BGB) oder ein Auftragsverhältnis bzw. Geschäftsbesorgungen (§§ 662 ff., 675 ff. BGB) in Betracht. Insofern zeichnen sich die vertraglichen Verhältnisse im Rahmen von Lieferketten (insbesondere in der Just-in-time-Produktion) und in Produktionsnetzwerken durch eine Vielzahl einzelner Verträge aus, die miteinander verwoben sind. Der Rahmenvertrag zwischen Zulieferer und Abnehmer wird durch zahlreiche (Einzel-)Ausführungsverträge ausgefüllt, wobei in Produktionsnetzwerken die einzelnen Rahmenverträge in den jeweiligen Vertragsbeziehungen mit anderen Rahmenverträgen verflochten sind. Recht, 1993, S. 104 ff.; Rother, FS K. Larenz (1973), S. 435 (436 f.); Soergel/Wolf, BGB, Vor § 145 Rn. 82; MünchKommBGB/Busche, Vor § 145 Rn. 41; zum Charakter des Normenvertrages vgl. auch Hueck, Jherings Jahrbücher, Band 73 (1923), 33, passim. 43 BGH, Urt. v. 30.4.1992 – VII ZR 159/91, NJW-RR 1992, 977 (978); Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 130; Staudinger/Bork (2020), BGB, Vor § 145 Rn. 54; Soergel/Wolf, BGB, Vor § 145 Rn. 82; differenzierend zwischen einer Rahmenvereinbarung ohne Verpflichtung zum Schluss von Einzelverträgen und dem Rahmenvertrag, der eben diese Verpflichtung enthalten soll Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 104 ff. 44 Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 130; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 106. 45 Vgl. ausführlich zu den Vertragsinhalten der Rahmenverträge in Produktionsnetzwerken Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 131 ff.; Nagel, DB 1991, 319 (320). 46 Vgl. hierzu auch Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 152 ff.

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

3. Andere nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen Abseits des exemplarisch herausgegriffenen Franchisevertrages und der Vertragsbeziehungen in Lieferketten bestehen selbstverständlich auch zahlreiche andere Formen nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen. Neben dem Franchising sind hier beispielsweise auch andere Absatzsysteme durch dauerhafte, selbstständige Absatzmittler zu verorten, wie etwa der Absatz durch Handelsvertreter (§§ 84 ff. HGB), Kommissionsagenten47 oder Vertragshändler48. Gemein ist diesen Unternehmensverbindungen, dass im Allgemeinen keine gesellschaftsrechtliche Bindung vorliegt. Regelmäßig wird es wie oben gezeigt an einem gemeinsamen Zweck fehlen, der für die Annahme eines Organisationsvertrages notwendig ist. Zwar sind beide an dem Absatz des Produktes interessiert, hierin kann allerdings nur ein gleichgerichteter Zweck, nicht jedoch ein gemeinsamer erkannt werden. Das Interesse der beiden Vertragsteile liegt regelmäßig in der ordnungsgemäßen Leistungserbringung des anderen Teils, sodass jede Partei im Ergebnis nur ihr eigenes Interesse und ihren eigenen Zweck verfolgt.49 Vielmehr liegt nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen in der Regel ein austauschrechtlicher Vertrag (wie beispielsweise bei dem Franchising oder dem Vertragshändlervertrag) oder ein Interessenwahrnehmungsvertrag (wie beispielsweise bei dem Kommissionsagentenvertrag) zugrunde. Dies heißt jedoch nicht zwangsläufig, dass diese Formen des arbeitsteiligen Zusammenwirkens, insbesondere im Rahmen der Absatzmittlung, nicht auch innerhalb einer konzernrechtlichen Verbundenheit stattfinden können. Dies kann etwa für tiefgreifende organisatorisch-technologische Unternehmensverflechtungen bei einer besonders engen Anbindung des ökonomisch abhängigen Zulieferers durch eine gemeinsame EDV gelten.50 Auch das Sub-

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Der Kommissionsagent als nicht-kodifiziertes Mittel zur selbstständigen Absatzmittlung ist aufgrund des Dauerschuldcharakters mit dem Handelsvertreter vergleichbar und aufgrund des Interessenwahrnehmungscharakters durch Abschlüsse im eigenen Namen auf fremde Rechnung dem Kommissionär ähnlich. Im Innenverhältnis sind regelmäßig die Vorschriften zum Handelsvertreter anwendbar, vgl. Staub/Emde, HGB, Vor § 84 Rn. 379 mwNachw. 48 Der Vertragshändler als nicht-kodifiziertes Mittel zur selbstständigen Absatzmittlung ist regelmäßig ein Eigenhändler, mithin ein selbstständiger Kaufmann, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung kauft und verkauft, der mit einem Unternehmer einen Bezugsvertrag mit dauerhafter, handelsvertreterähnlicher (oder kommissionsagentenähnlicher) Bindung schließt, durch den er in dessen Vertriebsorganisation eingebunden wird, vgl. hierzu Staub/Emde, HGB, Vor § 84 Rn. 295; Canaris, Handelsrecht, § 17 Rn. 4. 49 Vgl. hierzu auch Rohe, Netzverträge, 1998, S. 380 f.; Jacobsen, GS Skaupy (2003), S. 159 (168); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 61 f. 50 Vgl. hierzu Nagel, DB 1988, 2291 (2292 ff.).

B. Vertragstypologische Einordnung

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ordinationsfranchising kann im Ausnahmefall bei einem beherrschenden Einfluss des Franchisegebers auf das unternehmensinterne Verhalten des Franchisenehmers einen Unterordnungskonzern darstellen, wenn der Franchisegeber zum Beispiel die Investitionstätigkeit sowie die Finanz- und Personalpolitik des Franchisenehmers beherrscht.51 Eine derart weitreichende Beeinflussung des Franchisenehmers dürfte zwar im Regelfall ausscheiden, ist aber gleichwohl denkbar, wenn der Franchisegeber ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis schafft, indem er gleichzeitig als Kreditgeber auftritt.52 Darüber hinaus ist eine Gestaltung einer BGB-Gesellschaft im Ausnahmefall denkbar, wenn, wie im Rahmen eines besonders engen PartnerschaftsFranchisings, ein gemeinsamer Zweck erkennbar hervortritt.53 In diesen Fällen, in denen gerade keine nicht-konzernierte (bzw. nicht-korporative) arbeitsteilige Organisation in Rede steht, muss sich richtigerweise auch die Wissenszurechnung nach den dortigen Regeln richten. Hier soll jedoch gerade der Frage nachgespürt werden, welchen Regeln die wertende Wissenszurechnung zu folgen hat, wenn keine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit vorliegt. Gleichzeitig ist ein Mindestmaß an Organisation notwendig. Die Spanne der Arbeitsteilung ist nahezu endlos und umfasst richtigerweise ebenso bloß einmalige Austauschverträge. Beispielsweise muss es schon als Arbeitsteilung betrachtet werden, wenn man bei einem Bäcker Brot kauft und somit nicht selbst backen muss (ganz davon abgesehen, das Mehl für das Brot zu mahlen, das Getreide anzubauen etc.). Der Anwendungsbereich der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung soll allerdings auf solche arbeitsteilige Organisation beschränkt sein, die über eine hinreichende Organisationsdichte verfügt. Insbesondere singuläre Austauschverträge wie der Kauf von Brot müssen davon ausgenommen werden.54 Insofern ist im Folgenden das Mittelspektrum einer arbeitsteiligen Unternehmensverbindung von Interesse, die einerseits nicht gesellschaftsrechtlich verbunden ist, andererseits dennoch über eine gemeinsame Organisation verfügt und mithin in den Anwendungsbereich der wertenden Wissenszurechnung fällt.55

51

Vgl. hierzu Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 77 f. Vgl. hierzu Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 77. 53 Vgl. hierzu Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 80 ff. 54 Vgl. hierzu schon oben § 9 A.I. 55 Zum Anwendungsbereich der wertenden Wissenszurechnung vgl. § 9 A.I. 52

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

III. Fazit – Konsequenzen aus der vertragstypologischen Einordnung Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen sind in der Regel austauschvertragliche (oder interessenwahrnehmungsvertragliche) Verbindungen. Allein hieraus kann jedoch noch nicht die Reichweite der Wissenszurechnung geschlussfolgert werden. Einzig kann bereits jetzt festgestellt werden, dass aufgrund der Verschiedenheit dieser Unternehmensverbindungen zur Gesellschaft und zur konzernierten Unternehmensverbindung, hier nicht bloß auf die oben gefundenen Ergebnisse verwiesen werden kann, sondern neu über die Grenzen der wertenden Wissenszurechnung nachgedacht werden muss. Als entscheidendes Kriterium zur Bewertung der Grenzen der wertenden Wissenszurechnung ist zunächst die intensive und enge Verbindung hervorzuheben, die in diesen Organisationsformen zu finden ist.56 Nicht nur innerhalb von Gesellschaften oder Konzernen bestehen intensive unternehmerische Verflechtungen, sondern auch bei auf Dauer angelegten, nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen wie beispielsweise dem Franchising oder Produktions- und Lieferketten (oder -netzen). Der Dauerschuldcharakter steht hier deutlich im Vordergrund.57 So lassen sich die Verträge, die nichtkonzernierte Unternehmensverbindungen begründen sollen, als Willensübereinkunft zur künftigen Kooperation charakterisieren. Diese Verträge, die häufig als Rahmenverträge ausgestaltet werden, sollen die Verfassung der Kooperation grundlegend definieren und den abzuschließenden Einzelverträgen einen Rahmen geben. Der Dauerschuldcharakter dieser „Unternehmensverbindungsverträge“ verlangt eine dauerhafte Pflichtenanspannung der Vertragspartner.58 Das Dauerschuldverhältnis unterscheidet sich gerade von einem auf eine einmalige Leistung gerichteten Schuldverhältnis dadurch, dass hier dauerhaft neue Leistungs- und Schutzpflichten entstehen und diese nicht nur punktuell bestehen.59 Das daraus resultierende Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis führt zudem zu einer gesteigerten Treuebindung zwischen den Parteien.60 Je komplexer und aufwendiger diese Vertragsbeziehungen sind, desto größer

56

So auch Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 174. Zu Lieferketten Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 172 f.; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 97 ff.; Zirkel, NJW 1990, 345 (349); zum Franchising BGH, Urt. v. 3.10.1984 – VIII ZR 118/83, NJW 1985, 1894 (1895) – McDonaldÆs; Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 67 f.; EBJS/Löwisch, HGB, § 84 Rn. 216. 58 Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 67; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 97. 59 Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 172. 60 Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 67; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 181; Zirkel, NJW 1990, 345 (349). 57

C. Wissenszurechnung in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen

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wird regelmäßig die gegenseitige Abhängigkeit, sodass mit steigender Komplexität der Verbindung auch die Intensität der Treuepflicht steigt.61 Dieses ohnehin schon im Dauerschuldcharakter begründete gegenseitige Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis wird insbesondere in Subordinationsverbindungen nochmals gesteigert. So ist etwa der Zulieferer in der Justin-time-Produktion in der Regel nicht in der Position, über die Abnahmemengen zu entscheiden, vielmehr hängt sowohl die Menge der jeweiligen Einzelbestellungen als auch ihr Zeitpunkt von dem Abnehmer ab.62 Dies kann gerade in einer hochspezialisierten Produktion zu einem existenziellabhängigen Verhältnis führen. Auch Subordinations-Franchisesysteme sind aufgrund einer grundsätzlich starken Stellung des Franchisegebers häufig tendenziell franchisegeberfreundlich ausgestaltet, sodass ein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Franchisegeber und -nehmer entsteht.63 Dem entspricht auch, dass die Franchiseverträge meist einen Formularcharakter haben, wobei das Bedingungswerk vom Franchisegeber vielfach einseitig vorformuliert und gestellt wird.64

C. Wissenszurechnung im Rahmen von nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen Sicherlich hat weder Medicus bei dem Karlsruher Forum 1994 an nichtkonzernierten Unternehmensverbindungen gedacht, als er betonte, dass die wertenden Zurechnungsregeln „auf alle Organisationsformen, die zu einer Wissenszersplitterung führen können“ gelten würden,65 noch der BGH 1996, als er ihn in seiner Grundsatzentscheidung zur wertenden Wissenszurechnung zustimmend zitiert hat.66 Nichtsdestoweniger ist das allgemeine wertende Wissenszurechnungsmodell auch auf solche nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen anzuwenden, da auch hier arbeitsteilige Organisationen in Rede stehen. Sie sind zwar nicht gesellschaftsrechtlich strukturiert, jedoch soll es darauf gerade nicht ankommen. Vielmehr ist der Grund für die Zurechnung bereits die Arbeitsteilung an sich, die die Gefahr der Wissenszersplitterung in sich trägt.67 Gleichzeitig können auch nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen – vor allem wenn sie auf Dauer einge61

Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 181. Lange, Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 172; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 97 f. 63 Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 33 f. 64 Martinek, Franchising, 1987, S. 87. 65 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4 (12). 66 BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (37). 67 Vgl. hierzu bereits oben § 9 A.II. 62

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

richtet sind – wie das Franchising oder im Rahmen von Lieferketten (hier insbesondere bei der Just-in-time-Produktion) über eine Organisationsdichte verfügen, die derjenigen von konzernierten Unternehmensverbindungen ähnelt oder sogar gleichkommt. Insofern ist es konsequent, die Regeln der wertenden Wissenszurechnung auch auf solche Organisationsformen auszuweiten. Dies gilt zum einen für Subordinationsverhältnisse, wofür bereits die anderenfalls drohende Umgehungsgefahr spricht, wenn beispielsweise ein Unternehmen seinen Vertrieb bewusst nicht im Filialsystem oder durch Konzerntöchter organisiert, sondern hierzu in vergleichbarer Organisationsdichte ein Franchisenetz mit selbstständigen Unternehmen als Franchisenehmern aufbaut. Auch im Bereich vom Lieferketten, bei denen sich der Abnehmer des gesellschafts- und konzernfremden Outsourcings bedient, würde ansonsten die Gefahr einer unbeschränkten Wissenszersplitterung drohen. Zum anderen gilt dies aber auch für Gleichordnungsverhältnisse, wie schon ein Blick auf die Gleichordnungskonzerne erkennen lässt. Immerhin liegt ein Gleichordnungskonzern nur vor, sofern die ganzen Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst werden.68 Wenn allerdings in einem Gleichordnungsverhältnis nicht die ganzen Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung stehen, sondern nur bestimmte Teile dieser Unternehmen (und somit kein Gleichordnungskonzern vorliegt), ist nicht ersichtlich, warum in Bezug auf diese gemeinsam geführten Unternehmensteile nicht dennoch die Regeln der wertenden Wissenszurechnung anwendbar sein sollten. Insofern ist in Anwendung des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts die Wissenszurechnung im nicht-konzernierten Unternehmensverbund im Ausgangspunkt unbedingt ausgestaltet (vgl. die erste Stufe des zweistufigen Zurechnungskonzepts)69. Es bleibt jedoch zu untersuchen, inwieweit die wertende Wissenszurechnung bei nicht-konzernierten Unternehmensorganisationen begrenzt wird (vgl. die zweite Stufe des zweistufigen Zurechnungskonzepts und hier vor allem die wissensnormunabhängige Begrenzung)70. Die wertende Wissenszurechnung findet dort ihre Grenzen, wo – abseits gesetzlicher Wertungen – die arbeitsteilige Organisation ihrer Wissensverantwortung nachkommt und sie insbesondere im Rahmen des (rechtlich und tatsächlich) Möglichen und des Zumutbaren eine Wissensorganisation geschaffen hat, die sowohl die Speicherung von aktenmäßig festzuhaltenden Informationen umfasst als auch deren Weiterleitung und Abfrage. 68 GroßKommAktG/Windbichler, § 18 Rn. 49 mwNachw.; MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 51; vgl. auch K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417 (422); vgl. hierzu auch bereits oben § 11 D.I. 69 Vgl. hierzu oben § 9 A.II. 70 Vgl. hierzu oben § 9 A.III.

C. Wissenszurechnung in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen

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Dabei kann auf die Bewertungsmaßstäbe, die für die Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung im Konzern entwickelt wurden, zurückgegriffen werden.71 Somit muss im Hinblick auf die Möglichkeit der Wissensorganisation zuvorderst geprüft werden, in welchen Fällen der verbundweite Informationsfluss beherrschbar ist und insbesondere welche Informationsansprüche zwischen den verbundenen Unternehmen bestehen können (I.). Darüber hinaus ist auch zu untersuchen, wann eine gemeinsame Wissensorganisation zumutbar ist, wobei auch hier – genauso wie im Konzern – davon ausgegangen werden muss, das grundsätzlich keine Pflicht zur Etablierung einer zentralistischen Wissensorganisation oder zur unternehmensübergreifenden Wissensabfrage besteht, sondern nur in Ausnahmesituationen hiervon ausgegangen werden kann (II.).

I. Möglichkeit der gemeinsamen Wissensorganisation – Beherrschbarkeit des Informationsflusses Wie bereits eingehend erläutert, findet die wertende Wissenszurechnung dort ihre Grenze, wo es dem potentiellen Zurechnungsempfänger unmöglich ist, eine ordnungsgemäße Wissensorganisation aufzubauen und zu unterhalten. Im Allgemeinen ist die wertende Wissenszurechnung nur möglich, wenn das Bezugssubjekt, also der Zurechnungsempfänger und damit der potentiell durch die Zurechnung Wissensbelastete, selbst in der Lage ist, den Informationsfluss zu steuern, und darauf Einfluss nehmen kann, dass wesentliche Informationen an die relevanten Stellen innerhalb des Unternehmensverbundes gelangen. Zur Beherrschung des Informationsflusses bedarf es seinerseits einer rechtlich abgesicherten Möglichkeit zum Zugriff auf Informationen, die in der Regel durch Informationsansprüche gewährleistet wird.72 Mithin muss im Rahmen der Frage nach der Möglichkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation diskutiert werden, welche Informationsansprüche innerhalb eines nicht-konzernierten Unternehmensverbundes bestehen und ob aufgrund dessen von einer Beherrschbarkeit des verbundinternen Informationsflusses ausgegangen werden kann. Sofern der Informationsfluss seitens des Zurechnungsempfängers hingegen nicht beherrschbar ist, muss auch eine Wissenszurechnung im Grundsatz ausscheiden, da dort im Umkehrschluss die Wissensorganisation gerade nicht möglich ist. Anderes gilt ausnahmsweise in Bezug auf solche Informationen, die für den Zurechnungsempfänger trotz einer fehlenden Beherrschbarkeit verfügbar sind, etwa aufgrund eines freiwilligen Informationsaustausches, sodass auch hier die Möglichkeit zur Kenntniserlangung besteht.73 71

Vgl. oben § 11 B.III. So auch (für den Konzern) Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 (365). 73 Vgl. zu dieser Konstellation (allerdings im Konzern) BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 (229). 72

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

1. Grundsatz – Verschwiegenheitspflicht vs. Offenbarungsbefugnis Im Rahmen der Frage nach der Möglichkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation ist zunächst die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht der Organmitglieder sowie die arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflicht auf Mitarbeiterebene unterer Hierarchiestufen zu beachten, die insbesondere gegenüber Dritten gelten.74 Organmitglieder sind zur Verschwiegenheit über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft verpflichtet (vgl. etwa § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, § 116 S. 2 AktG),75 wobei Geheimnisse der Gesellschaft (namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) solche sind, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind, wenn sie nach dem Willen der Gesellschaft geheim gehalten werden sollen und an der Geheimhaltung ein berechtigtes (objektives) wirtschaftliches Interesse besteht.76 Daneben sind vertrauliche Angaben solche, deren Bekanntgabe für die Gesellschaft eine nachteilige Wirkung haben kann, auch wenn sie schon allgemein bekannt und daher keine Geheimnisse mehr sind.77 Diese Verpflichtung zur Vertraulichkeit verbietet jedenfalls eine Offenbarung an Dritte.78 Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Mitarbeiter einer Gesellschaft. Auch ihnen ist es aufgrund ihrer arbeitsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht als spezielle Ausformung der Treuepflicht grundsätzlich verboten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an Dritte weiterzugeben.79 Insofern ist der Möglichkeit der Wissensweitergabe an andere Unternehmen, die im Zuge der unternehmensübergreifenden wertenden Wissenszurechnung eine notwendige Voraussetzung darstellt, eine deutliche Grenze gesetzt. Wenn Organmitglieder und Arbeitnehmer bestimmte Informationen nicht an außenstehende Unternehmen weitergeben dürfen, kann diesbezüglich auch keine Obliegenheit bestehen. Da somit die Wissensweitergabe im

74

Zur Verschwiegenheitspflicht als Grenze der wertenden Wissenszurechnung vgl. bereits oben § 10 B.I.1.; § 10 B.II.4.; § 10 B.IV. 1.; § 11 C.I.2. 75 Vgl. etwa für den AG-Vorstand § 93 Abs. 1 S. 3 f. AktG; für den AG-Aufsichtsrat § 116 S. 2 AktG; für den GmbH-Geschäftsführer fehlt eine ausdrückliche Regelung, wird jedoch in § 85 GmbHG vorausgesetzt, vgl. hierzu MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 199 mwNachw. 76 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 (329); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 409 ff.; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 134. 77 Vgl. hierzu Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 451 ff.; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 137. 78 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 462. 79 MünchKommBGB/Spinner, § 611a Rn. 1007; Staudinger/Latzel (2020), BGB, § 611 Rn. 287 f.; zu den Ausnahmen, insb. zum sog. Whistleblowing vgl. Staudinger/ Latzel (2020), BGB, § 611 Rn. 288.

C. Wissenszurechnung in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen

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Grundsatz dort ausgeschlossen ist, muss auch die wertende Wissenszurechnung in diesem Umfang begrenzt werden. Diesem kategorischen Ansatz muss jedoch entgegengesetzt werden, dass die Gesellschaft eine Offenbarungsbefugnis über Geheimnisse hat. Auch wenn eine solche Befugnis nicht ausdrücklich normiert ist, besteht dennoch Einigkeit darüber, dass die Gesellschaft selbst über ihre Geheimnisse entscheiden kann und ihr mithin auch die Befugnis der Offenbarung zusteht.80 Dies ist zumindest möglich, wenn die Offenbarung im objektiven Interesse der Gesellschaft steht, wobei das Offenbarungsinteresse gegen das Geheimhaltungsinteresse abgewogen werden muss.81 Die Entscheidung über die Offenbarung von Geheimnissen trifft dabei grundsätzlich der Vorstand als „Herr der Gesellschaftsgeheimnisse“.82 Funktional unterliegt die Offenbarungsentscheidung dem jeweiligen Vorstandsmitglied im Rahmen seines eigenen Geschäftsbereichs, sofern die Information nicht von derart entscheidender Bedeutung für die Gesellschaft ist, dass von einer Zuständigkeit des Gesamtgremiums ausgegangen werden muss.83 Demgegenüber ist dem Aufsichtsrat nur in engen Grenzen nach Maßgabe seiner Zuständigkeit eine Entscheidungsbefugnis zur Offenbarung zuzubilligen.84 In der GmbH ist zwar umstritten, ob funktional der Geschäftsführer oder die Gesellschafterversammlung (oder differenziert nach der Bedeutung des Geschäftsverhältnisses entweder der eine oder die andere) für die Offenbarung zuständig sein soll, jedenfalls verfügt die Gesellschaft auch hier über die Möglichkeit zur Weitergabe von Informationen.85 Insofern bestehen zwar grundsätzlich organschaftliche und arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflichten bezüglich der Geheimnisse der Gesellschaft, jedoch können im Gesellschaftsinteresse Ausnahmen hiervon gemacht werden und somit unter dieser Voraussetzung Informationen an Dritte offenbart werden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Infor80

Vgl. hierzu ausführlich v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht im Aktienrecht, 1972, S. 89 ff. 81 Roschmann/Frey, AG 1996, 449 (452); Bank, NZG 2013, 801 (802 f.); Ziemons, AG 1999, 492 (493); K. J. Müller, NJW 2000, 3452 (3453); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 300. 82 BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 (328 f.); vgl. auch v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht im Aktienrecht, 1972, S. 98, 100 f.; Bank, NZG 2013, 801 (803); Roschmann/Frey, AG 1996, 449 (452); Ziemons, AG 1999, 492 (493); K. J. Müller, NJW 2000, 3452 (3453 f.); Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 169. 83 Bank, NZG 2013, 801 (803); Roschmann/Frey, AG 1996, 449 (452); GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 303, 310; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 169. 84 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, BGHZ 193, 110 (Rn. 40); v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht im Aktienrecht, 1972, S. 98 ff. 85 Bank, NZG 2013, 801 (803); UHL/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 155; Scholz/U.H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 148.

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

mationsweitergabe reziprok ausgestaltet ist – etwa im Rahmen einer gemeinsamen Qualitätssicherung – und vor allem, wenn eine Geheimhaltungsvereinbarung zwischen den Gesellschaften geschlossen wird, um „Informationslecks“ zu verhindern.86 Daher ist auch in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen der Informationsaustausch unter den genannten Voraussetzungen grundsätzlich möglich. 2. Vertraglicher Informationsanspruch Ein Anspruch auf Informationsweitergabe im nicht-vertraglichen Unternehmensverbund besteht zunächst, wenn vertraglich ein solches Recht eingeräumt wird. Bei vertraglichen Informationsansprüchen handelt es sich meist um Nebenpflichten, wie sie etwa zum Zweck der Qualitätssicherung oder einer flexiblen Anpassung der Produktion und Lieferung vereinbart werden. a) Qualitätssicherungsvereinbarungen Insbesondere im Rahmen von Qualitätssicherungsvereinbarungen, wie sie beispielsweise bei (Just-in-time-)Zulieferverträgen regelmäßig geschlossen werden, haben die Vertragspartner ein vitales Interesse an Informationen des Vertragspartners. Da die bloße Zuweisung von Qualitätssicherungspflichten zulasten des Zulieferers noch nicht deren Durchführung sicherstellt, hat der Abnehmer zum Zweck einer präventiven Qualitätskontrolle ein durchaus starkes Interesse an der tatsächlichen Effizienz der Qualitätssicherung. Darüber hinaus entsteht durch die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung schon per se ein Informationsgefälle, das sich tendenziell zulasten des Abnehmers neigt. Diesem Informationsgefälle wird typischerweise durch vertragliche Informationsrechte begegnet.87 Die hierfür relevanten Einblicke in die qualitätsrelevanten Produktionsschritte werden dabei häufig durch ein Frühwarnsystem mit Informationspflichten und korrespondierenden Einsichtnahmerechten zulasten des Lieferanten verschafft.88 Hierdurch soll die Verlässlichkeit der Lieferqualität frühzeitig kontrolliert und damit beurteilt werden können, um so eine präventive Qualitätssicherung sicherstellen zu können.89 Mit diesen Informa86

Zu der Voraussetzung der Geheimhaltungsvereinbarungen vgl. Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 191; K.J. Müller, NJW 2000, 3452 (2454); zur Vertraulichkeit im Franchisevertrag vgl. exemplarisch das Vertragsmuster bei HoffmannBecking/Gebele/Nägele, Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, Kap. III.I.2, § 17. 87 Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 187. 88 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 202; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Endproduktherstellern und Zulieferern, 1993, S. 132; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 187. 89 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 202.

C. Wissenszurechnung in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen

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tionspflichten gehen auch Informationsaufbewahrungspflichten des Zulieferers hinsichtlich solcher Dokumente einher, aus denen sich die Einhaltung von Qualitätssicherungsparametern ergibt und etwaige Qualitätsschwankungen erkennbar werden können.90 Der Abnehmer hat somit nicht nur ein punktuelles Informationsrecht, sondern vielmehr auch das Recht des Zugriffs auf zurückliegende Informationen. Darüber hinaus ist der Zulieferer regelmäßig verpflichtet, den Abnehmer zu informieren, wenn während der Produktion qualitätsrelevante Störungen auftreten oder wenn sich qualitätsrelevante Parameter seiner Produktion ändern, die etwa die Werkstoffe, die Konstruktion oder das Fertigungsverfahren betreffen.91 Ebenso werden weitere Informationskanäle etabliert, die einen Datenaustausch über die einzelnen Lieferungen hinweg ermöglichen und so ein größeres Bild über den gesamten Produktionsprozess zeichnen, sodass auch längerfristige schleichende Qualitätsschwankungen festgestellt werden können.92 Daneben bestehen – wenngleich in geringem Ausmaß – Informationspflichten des Abnehmers zugunsten des Zulieferers.93 Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Informationen über etwaige Abweichungen, die dem Abnehmer auffallen, an den Zulieferer weitergegeben werden. Gleichzeitig verfügt der Abnehmer über einen direkten Zugang zum Markt, der auch für den Zulieferer von Interesse ist; auch dieses Informationsgefälle wird regelmäßig durch Informationspflichten des Abnehmers nivelliert.94 Es entsteht somit ein quasi-reziprokes System vertraglicher Informationspflichten als typischer Teil von Qualitätssicherungsvereinbarungen, wie sie häufig im Rahmen von Lieferketten vorkommen. b) Produktions- und lieferbezogene Informationspflichten Darüber hinaus ist im Rahmen vernetzter Industrie, wie etwa bei Lieferketten (insb. im Rahmen der Just-in-time-Produktion), eine EDV-Vernetzung zum Zwecke des Datenaustausches mittlerweile häufig unumgänglich und erhält dementsprechend auch in der Vertragsgestaltung die nötige Aufmerksamkeit. Dabei stellt die informationstechnische Vernetzung und die Datenweitergabe zwischen den unterschiedlichen Gliedern einer Wertschöpfungskette sogar ein wesentliches Kernstück der modernen vernetzten Unterneh90

Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 203; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Endproduktherstellern und Zulieferern, 1993, S. 135 ff.; Quittnat, BB 1989, 571 (572 f.). 91 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 203 ff.; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Endproduktherstellern und Zulieferern, 1993, S. 133; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 187. 92 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 204. 93 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 206. 94 Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 188.

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

men dar.95 So ist beispielsweise in Just-in-time-Lieferbeziehungen, wie etwa in der Automobilindustrie, ein ständiger Datenaustausch nötig, um flexibel produzieren und liefern zu können und so Lagerbestände (und die damit einhergehenden Kosten) zu verringern und auf Änderungen schnell reagieren zu können.96 Insofern führt die Fragilität und Komplexität dieser Form der Arbeitsteilung zu einem erhöhten Datenaustausch.97 Dabei ist die EDVVernetzung regelmäßig vertraglich geregelt und insbesondere auch mit Vorkehrungen gegen Missbrauch (etwa die unbefugte Weitergabe von Interna) gesichert.98 Durch die stetig steigende Vernetzung und Digitalisierung von Unternehmen – schlagwortartig zusammengefasst als „Industrie 4.0“ – auf der Grundlage von digital und teilweise sogar (semi-)autonom vernetzten Systemen gewinnen solche Unternehmensverbindungen immer mehr an Gewicht und Einfluss. Dabei entsteht das (neue) Phänomen, dass eine Datenübertragung nicht mehr eine menschliche Interaktion erfordert, sondern im Rahmen sog. „machine to machine communication“ (m2 m) in der Regel nur noch die Computer der verschiedenen Unternehmen miteinander im Datenaustausch stehen und aufeinander direkt reagieren.99 Doch selbst wenn im Rahmen der m2 m-Kommunikation keine menschliche Interaktion mehr notwendig ist, ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Unternehmen Informationen von anderen Teilnehmern der vernetzten Organisationsstruktur erhalten und somit eine gemeinsame Wissensorganisation entsteht, zumal eine menschliche Kenntnisnahme trotzdem möglich bleibt – selbst wenn dies erfordert, dass ein User Interface in den m2 m-Kommunikationsweg integriert wird.100 c) Franchising Auch im Franchising sind Informationsrechte zwischen dem Franchisenehmer und dem Franchisegeber bei gleichzeitiger Verschwiegenheitsverpflichtung üblich.101 Hier stehen insbesondere Informationspflichten des Franchisenehmers zugunsten des Franchisegebers im Vordergrund, die neben der

95

Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 140. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 140; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 187; Fandel/Franc¸ois, ZfB 1989, 531 (538). 97 Zu diesem Schluss kommt auch Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 188. 98 Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, Rn. 140. 99 Vgl. hierzu Peltzer/Wülbern, DB 2016, 2279 (2279); Soder, in: Bauernhansl/Hompel/ Vogel-Heuser, Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, 2014, S. 85 (97). 100 Vgl. zur Zumutbarkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation im Rahmen gemeinsamer Datenbanken und bei vernetzten Unternehmen unten § 12 C.II.1. 101 Martinek/Semler/Flohr/Flohr, Hdb. Vertriebsrecht, § 30 Rn. 167. 96

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allgemeinen Überwachung zum Erfahrungsaustausch über den Betrieb des Franchisenehmers und Weiterentwicklungsmöglichkeiten dienen.102 Diese Informationspflichten korrespondieren mit entsprechenden Dokumentations- und Berichtspflichten, deren Handhabung typischerweise in Franchisehandbüchern konkretisiert wird.103 Gleichzeitig verpflichtet sich der Franchisegeber regelmäßig zur Informationsweitergabe über die Entwicklung des Unternehmens und der Produkte, über etwaige Anpassungen und Weiterentwicklungen der Produkte sowie Wettbewerbsbeobachtungen und allgemeine Marktentwicklungen.104 Insofern findet sich auch hier die oben im Rahmen der Zulieferbeziehungen festgestellte Beobachtung wieder, dass durch die vertraglichen Informations- und Berichtspflichten systemische Informationsasymmetrien beseitigt werden sollen. Dabei ist festzustellen, dass der Franchisenehmer insbesondere die aus seinem Absatz generierten Informationen dem Franchisegeber zur Verfügung stellt und dem Franchisenehmer im Gegenzug (insbesondere auch qualitäts- und sicherheitsrelevante) Informationen, die sich aus dem Franchise selbst ergeben, vom Franchisegeber zur Verfügung gestellt werden. Es lässt sich somit feststellen, dass in Unternehmensverbindungen, bei denen es einen marktnäheren Akteur und einen marktferneren Akteur gibt, typischerweise vertragliche Informationsrechte bestehen, um Informationsdefizite zu beseitigen. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass in Produktionsketten bzw. im Allgemeinen in Unternehmensverbindungen mit einer gemeinsamen Wertschöpfung regelmäßig ein Informationsaustausch zur Qualitätssicherung vertraglich fixiert wird.

102

Vgl. hierzu exemplarisch die Vertragsmuster bei Hoffmann-Becking/Gebele/Nägele, Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, Form. III.I.2, § 3 Abs. 3; Krauß/Weise/Pour Rafsendjani, Beck’sche Online-Formulare Vertrag, Form. 23.3, § 3 Abs. 8; Beck’sches Formularbuch Zivil-, Wirtschafts- und Unternehmensrecht/Rauser/ Reiling, Form. P.III.1., § 3 Abs. 8; Stummel, Standardvertragsmuster, Form. II.1., § 10 Abs. 5. 103 Vgl. hierzu exemplarisch die Vertragsmuster bei Krauß/Weise/Pour Rafsendjani, Beck’sche Online-Formulare Vertrag, Form. 23.3, § 3 Abs. 10; Beck’sches Formularbuch Zivil-, Wirtschafts- und Unternehmensrecht/Rauser/Reiling, Form. P.III.1., § 3 Abs. 9; Stummel, Standardvertragsmuster, Form. II.1., § 10 Abs. 1. 104 Vgl. hierzu exemplarisch die Vertragsmuster bei Hoffmann-Becking/Gebele/Nägele, Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, Form. III.I.2, § 4 Abs. 3 lit. d; Krauß/Weise/Pour Rafsendjani, Beck’sche Online-Formulare Vertrag, Form. 23.3, § 4 Abs. 5; Beck’sches Formularbuch Zivil-, Wirtschafts- und Unternehmensrecht/Rauser/Reiling, Form. P.III.1., § 4 Abs. 5.

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3. Informationsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) a) Der Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben Zudem lässt sich – wie auch schon für konzerninterne Sonderrechtsbeziehungen105 – darüber nachdenken, ob sich abseits vertraglich fixierter Informationsrechte solche auch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben können. Zwar ist dem Zivilrecht ein allgemeiner Auskunftsanspruch fremd,106 jedoch hat sich eine gefestigte Meinung herausgebildet, nach der im Rahmen von Sonderrechtsbeziehungen in Ausnahmefällen sehr wohl eine solche Pflicht bestehen kann, „wenn es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, daß der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seiner Rechte im Ungewissen, der Inanspruchgenommene aber in der Lage ist, die verlangte Auskunft unschwer zu erteilen“.107

Es wird zwar zuweilen darüber gestritten, ob ein solcher Auskunftsanspruch (noch) aus § 242 BGB hergeleitet werden muss oder ob er nicht schon zu Gewohnheitsrecht avanciert ist bzw. inwieweit eine Anbindung an § 242 BGB überhaupt möglich ist;108 für die Voraussetzungen eines solchen Auskunftsanspruchs ist diese Frage jedoch unerheblich, da sich diese unabhängig von der dogmatischen Herleitung gefestigt haben:109 Innerhalb einer bestehenden rechtlichen Sonderbeziehung mit einem zumindest dem Grunde nach bestehendem Leistungsanspruch ist zunächst ein Wissensgefälle zwischen den Parteien erforderlich, um einen derartigen Anspruch auszulösen.110 Dieses

105

Vgl. oben § 11 C.I.1.a)aa). RG, Urt. v. 3.6.1921 – II 590/20, RGZ 102, 235 (236); BGH, Urt. v. 7.5.1980 – VIII ZR 120/79, NJW 1980, 2463 (2463 f.); Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S. 31 f. mwNachw. 107 BGH, Urt. v. 7.5.1980, VIII ZR 120/79, NJW 1980, 2463 (2463); ähnlich bereits RG, Urt. v. 19.11.1938 – II 69/38, RGZ 158, 377 (379); ähnlich auch BGH, Urt. v. 5.11.2002 – XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307 (316); Staudinger/Looschelders/Olzen (2019), BGB, § 242 Rn. 605; MünchKommBGB/Krüger, § 260 Rn. 12. 108 Vgl. für die Herleitung über § 242 BGB BGH, Urt. v. 9.12.1987 – IVb ZR 5/87, NJW 1988, 1906 (1906); BGH, Urt. v. 17.5.1994 – X ZR 82/92, NJW 1995, 386 (387); BGH, Urt. v. 22.11.2000 – VIII ZR 40/00, NJW 2001, 821 (822); kritisch dazu Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S. 155 ff., insb. S. 158 f.; zur gewohnheitsrechtlichen Anerkennung vgl. Köhler, NJW 1992, 1477 (1480). 109 Vgl. hierzu ausführlich Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S. 127 ff.; diese Voraussetzungen orientieren sich an dem Grundsatzurteil BGH, Urt. v. 7.5.1980 – VIII ZR 120/79, NJW 1980, 2463 (2463 f.). 110 Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S. 128 ff.; Köhler, NJW 1992, 1477 (1480 f.); MünchKommBGB/Krüger, § 260 Rn. 13 ff.; Staudinger/Olzen (2019), BGB, § 241 Rn. 171; OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.1.2006 – 5 U 197/05–16, NZBau 2006, 444 (445). 106

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Wissensgefälle muss sich in einer informationellen Notlage des Berechtigten manifestiert haben, indem er insbesondere keine eigene Informationsmöglichkeit hat und er darüber hinaus seine Notlage nicht verschuldet hat.111 Darüber hinaus muss die Auskunftserteilung dem Verpflichteten zumutbar sein, wobei in die einzelfallbezogene Abwägung einerseits das Informationsinteresse des Berechtigten und andererseits das Geheimhaltungsinteresse des Verpflichteten sowie sein Arbeitsaufwand einzustellen sind.112 Insofern können sich auch innerhalb der (regelmäßig vertraglich strukturierten) nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen Auskunftspflichten aus Treu und Glauben ergeben.113 Hierzu ist allerdings wie beschrieben eine unverschuldete informationelle Notlage des einen Teils notwendig, die sich auf die Vorbereitung oder Durchsetzung einer originären Pflicht bezieht. Hieran dürfte es indes häufig fehlen, da in den meisten Verträgen dieser Art bereits vertragliche Informationsansprüche geregelt sind. Trotzdem kann sich eine solche Notlage beispielsweise ergeben, wenn die gewählte Klausel zur Gewährung von Informationsrechten im Einzelfall unwirksam ist oder sich im späteren Verlauf der vertraglichen Beziehung eine (teilweise) Unvollkommenheit zeigt (etwa wenn der Informationsbedarf anders gelagert ist als ursprünglich bei der Vertragsgestaltung prognostiziert). Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung sind neben dem Informationsinteresse des (potentiell) Anspruchsberechtigten, das insbesondere im Rahmen einer Qualitätssicherungsprüfung hoch sein und darüber hinaus mitunter sogar dem anderen Teil zugutekommen dürfte, vor allem auch der Arbeitsaufwand und das Geheimhaltungsinteresse des (potentiell) Anspruchsverpflichteten zu berücksichtigen. Im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse, das im Rahmen von Geschäftsgeheimnissen grundsätzlich als hoch einzustufen ist,114 muss eine Lösung gefunden werden, dieses zu schützen. So ist es etwa denkbar, nicht nur eine Auskunftspflicht über Treu und Glauben herzuleiten, sondern vice versa auch eine Geheimhaltungspflicht des anderen Teils. Auch die vertraglichen Informationsansprüche, wie sie beispielhaft in Franchiseverträgen und im Rahmen von Lieferketten (hier insbesondere bei der Just-in-time-Produktion und bei Qualitätssicherungsmechanismen) vereinbart werden, verfügen über einen Gegenanspruch auf Geheimhaltung,115 111

Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S. 140 ff.; Köhler, NJW 1992, 1477 (1481); Staudinger/Looschelders/Olzen (2019), BGB, § 242 Rn. 605; MünchKommBGB/Krüger, § 260 Rn. 18 f. 112 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806 (Rn. 17 f.); Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S. 1142 ff.; Köhler, NJW 1992, 1477 (1481); Staudinger/Looschelders/Olzen (2019), BGB, § 242 Rn. 605. 113 Ähnlich für konzernierte Unternehmensverbindungen mit schuldrechtlichen Sonderverbindungen Pöschke, ZGR 2015, 550 (558 f.). 114 Vgl. hierzu Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S. 149. 115 Vgl. hierzu Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 191; K.J. Müller,

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sodass zwar innerhalb der Unternehmensverbindung ein freier Datenaustausch zum Zweck der gemeinsamen Unternehmung möglich ist, beide Teile sich allerdings nicht über Datenlecks nach außen sorgen müssen. Nichts anderes wäre auch für die Konstruktion solcher subsidiären Pflichten über § 242 BGB denkbar. Dieser Rekurs lässt jedoch schon erkennen, dass im Rahmen vertraglich strukturierter, nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen regelmäßig vertragliche Informationsrechte in gewünschter Intensität und mit entsprechenden Geheimnisschutzrechten bestehen. Insofern ist bei der Herleitung von Auskunftsrechten aus Treu und Glauben Zurückhaltung geboten. Nur im Ausnahmefall wird sich daher über § 242 BGB ein Auskunftsrecht herleiten lassen, etwa, wenn sich vertragliche Auskunftsrechte als unwirksam oder unvollkommen herausstellen und ein Informationsbedürfnis nicht in Abrede gestellt werden kann. b) Die Reichweite des Auskunftsanspruchs – Möglichkeit der gemeinsamen Wissensorganisation durch Treu und Glauben? Abseits der Frage, inwieweit ein Auskunftsrecht aus Treu und Glauben in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen bestehen kann, ist ebenso fraglich, auf welche Arten von Informationen sich diese Auskunftspflicht beziehen kann und ob sich daraus eine Möglichkeit zur Wissensorganisation ableiten lässt, mithin ob dieser Informationsanspruch überhaupt im Hinblick auf die wertende Wissenszurechnung von Relevanz sein kann. Dabei sei vorweggeschickt, dass abstrakt jegliche Informationen im Wege der Zurechnung berücksichtigt werden können, die im Rahmen des Auskunftsanspruchs aus Treu und Glauben erlangt wurden bzw. hätten erlangt werden können. Immerhin ist im Hinblick auf das hier vorgestellte allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept (an dieser Stelle) nur entscheidend, ob eine Möglichkeit zur Informationserlangung bestand, wobei dies grundsätzlich bejaht werden muss, wenn ein entsprechender Informationsanspruch bestand. Fraglich ist im Rahmen der praktischen Relevanz allerdings auch, inwieweit der hier in Rede stehende Auskunftsanspruch tatsächlich im nennenswerten Ausmaß (und nicht nur potentiell) einen Informationsaustausch innerhalb des Unternehmensverbundes ermöglicht. Der Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben soll kein beliebiges Informationsinteresse befriedigen oder gar bloß potentielle Informationsbedürfnisse stillen, sondern hat vielmehr (lediglich) die Aufgabe, den Berechtigten über die Sachlage in einem konkreten Rechtsverhältnis derart zu informieNJW 2000, 3452 (2454); zur Vertraulichkeit im Franchisevertrag vgl. exemplarisch das Vertragsmuster bei Hoffmann-Becking/Gebele/Nägele, Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, Kap. III.I.2, § 17.

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ren, dass er über Bestand und Umfang seiner Rechte Gewissheit erlangt, wozu insbesondere auch solche Informationen gehören, die für die Vorbereitung und Durchsetzung des mit der Auskunft verknüpften Hauptanspruchs notwendig sind.116 Insofern eignet sich der Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben nur zur Erlangung gezielter Informationen in Bezug auf konkrete Fragen. Demgegenüber wäre im Sinne einer umfassenden Wissenszurechnungsmöglichkeit indes eine allgemeine Wissensorganisation nötig, die den Organisationsteilnehmern möglichst breite Informationskanäle bietet. Wie soeben, im Hinblick auf die Informationspflichten im Rahmen der Qualitätssicherung, besehen, ist es im Sinne einer gemeinsamen Wissensorganisation nötig, dass der wissende Teil relevante Informationen speichert und weiterleitet, unabhängig davon, ob der unwissende Teil (der potentielle Zurechnungsempfänger) nach konkreten Informationen fragt. Insofern unterscheidet sich dieser Auskunftsanspruch von den übrigen Informationsansprüchen, die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellt wurden: Während dort ein Anspruch auf die Weitergabe und Abfrage von abstrakt relevanten Informationen besteht, besteht hier nur ein Anspruch auf konkret relevante Informationen in Bezug auf klar formulierbare Fragen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Formen informationeller Ansprüche wird im folgenden Beispiel deutlich: Bei einem Informationsanspruch auf Übermittlung abstrakt relevanter Informationen des Unternehmens A gegenüber dem Unternehmen B entsteht mit der Zeit durch die Informationsspeicherung seitens des B eine Informationsdatenbank mit potentiell relevanten Informationen. Auf diese Datenbank kann nun Unternehmen A zugreifen. A hat somit die Möglichkeit, auf diese der Datenbank zugrunde liegenden Informationen zuzugreifen, sodass (die Zumutbarkeit unterstellt) das sich hieraus ergebende Wissen zurechenbar ist. Demgegenüber muss im Rahmen eines Auskunftsanspruchs aus Treu und Glauben das Unternehmen A zunächst seine informationelle Notlage erkennen und hieraus ein konkretes Auskunftsverlangen formulieren. A kann zwar auf diese Weise an die gewünschte Information gelangen, jedoch gerade nur an eine konkrete Information, die zur Behebung der informationellen Notlage notwendig ist. Insofern dient auch der Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben dazu, Informationsdefizite auszugleichen, allerdings ist es nicht möglich, hierüber eine gemeinsame Wissensorganisation zu etablieren. Daher kann zwar festgestellt werden, dass im Unternehmensverbund mittels des Auskunftsan-

116

BGH, Urt. v. 7.5.1980 – VIII ZR 120/79, NJW 1980, 2463 (2463); Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, 2010, S. 151.

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spruchs aus Treu und Glauben die Möglichkeit besteht, einzelne Informationen zu erlangen, die dann auch zurechenbar sind. Jedoch kann hierüber keine allgemeine verbundinterne Wissensorganisation aufgebaut werden, sodass der Informationsfluss zwischen den beteiligen Unternehmen nicht beherrschbar wird. Mithin muss bei dem bloßen Bestehen von Auskunftsansprüchen aus § 242 BGB regelmäßig die wertende Wissenszurechnung innerhalb nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen ausscheiden. 4. Freiwillige Informationsweitergabe Darüber hinaus besteht abseits von Informationsrechten auch die Möglichkeit der freiwilligen Informationsweitergabe. Hierauf lässt sich im Regelfall zwar keine gemeinsame Wissensorganisation aufbauen, sodass im Allgemeinen mangels Möglichkeit der Informationsabfrage aus anderen Verbundunternehmen keine Zurechnung von Informationen aus den anderen Teilen des gemeinsamen Unternehmensverbundes möglich ist. Wenn bestimmte Informationen freiwillig weitergegeben wurden, verfügt das informationsempfangende Unternehmen allerdings gleichwohl über diese Informationen, sodass das Unternehmen in Bezug darauf sehr wohl als wissend angesehen werden muss. Für die angrenzende Frage, welchen Regeln nachfolgend die Wissenszurechnung innerhalb des informationsempfangenden Unternehmens folgt, ist insoweit auf die Wissenszurechnung im Einheitsunternehmen zu verweisen.117 5. Exkurs: Unternehmensübergreifende Wissensvertretung Überdies soll hier der Vollständigkeit halber Erwähnung finden, dass ebenso die Möglichkeit der Wissenszurechnung im Rahmen einer „unternehmensübergreifenden Wissensvertretung“ besteht.118 Dabei wird jedoch nicht an die wertende Wissenszurechnung (unter Zuhilfenahme von Wissensorganisationspflichten) angeknüpft, sondern vielmehr die Rechtsfigur des Wissensvertreters auf unternehmensübergreifende Sachverhalte angewendet und das Wissen analog § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet. Folglich kommt es auch nicht auf die Möglichkeit (oder die Zumutbarkeit) einer gemeinsamen Wissensorganisation an, sondern schlicht auf die Eigenschaft des Wissensvertreters.119 Das OLG Hamm hat eine solche Wissensvertretereigenschaft beispielsweise angenommen für vertraglich verbundene Mitversicherer, die gemein117 Vgl. zur wertenden Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person § 10; zur wertenden Wissenszurechnung innerhalb der Personengesellschaft § 11 D.II.2.b). 118 Vgl. hierzu OLG Hamm, Urt. v. 3.11.2010 – I-20 U 38/10, VersR 2011, 469 (472); vgl. bereits zum konzerninternen Wissensvertreter Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 201 f. 119 Zur Wissensvertretung vgl. bereits oben § 7 C.

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sam ein Konsortium – nach herrschender Meinung eine sog. Gelegenheitsgesellschaft – bildeten.120 Dabei kommt es für die Annahme eines Wissensvertreters nicht auf eine formale Stellvertretung iSd. § 164 BGB oder auch bloß auf eine Bestellung als „Wissensvertreter“ an, sondern lediglich auf die tatsächliche Berufung, „im Rechtsverkehr als Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten“.121 Dies ist auch zwischen vertraglich verbundenen Mitversicherern möglich, bei denen häufig ein sog. „führender Mitversicherer“ das Konsortium repräsentiert (und mitunter auch als Stellvertreter für die anderen Mitversicherer auftritt), bestimmte Verwaltungsaufgaben übernimmt und insbesondere auch eine zentrale Informationserhebung (etwa durch Besichtigungen) durchführt.122 Aus einer solchen Repräsentantenstellung – insbesondere, wenn damit auch eine Informationserhebung einhergeht – lässt sich somit auch unternehmensübergreifend eine Wissensvertretung iSd. § 166 Abs. 1 BGB analog begründen und mithin über Unternehmensgrenzen hinweg Wissen zurechnen. 6. Fazit Die Informationsautonomie innerhalb des nicht-konzernierten Unternehmensverbundes verbleibt bei den beteiligten Unternehmen. Insofern besteht grundsätzlich keine Grundlage für eine gemeinsame Wissensorganisation, außer eine solche wird vertraglich fixiert. Da somit der unternehmensübergreifende Informationsfluss innerhalb dieser Unternehmensverbindungen für einzelne Teilnehmer im Allgemeinen nicht beherrschbar ist, muss insoweit auch die wertende Wissenszurechnung ausscheiden. Nur wenn durch vertragliche Vereinbarungen unternehmensübergreifende Informationsrechte den anderen Unternehmen zugebilligt werden und diese folglich die rechtlich abgesicherte Möglichkeit erhalten, auf die Informationsressourcen der anderen verbundenen Unternehmen zuzugreifen, ist eine Wissenszurechnung zwischen diesen Unternehmen möglich. Dabei kann die Wissenszurechnung allerdings auch nur so weit reichen, wie die Infor120

Zur rechtlichen Einordnung des Konsortiums E. Vetter, ZIP 2000, 1041 (1042 ff.); Messerschmidt/Thierau, NZBau 2007, 679 (679); MünchKommBGB/Schäfer, Vor § 705 Rn. 52. 121 Grundlegend BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (106 f.); mittlerweile allg. Meinung, anstatt aller: MünchKommBGB/Schubert, § 166 Rn. 28 f.; Staudinger/Schilken (2019), § 166 Rn. 4; Soergel/Leptien, BGB, § 166 Rn. 6, jeweils mwNachw. 122 OLG Hamm, Urt. v. 3.11.2010 – I-20 U 38/10, VersR 2011, 469 (472); ähnlich auch Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, 1998, S. 201 f. für eine unternehmensfremde Repräsentation.

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mationsrechte zugebilligt werden. Es ist jedoch festzustellen, dass solche Informationsrechte vor allem im Rahmen von Qualitätssicherungsvereinbarungen zugebilligt werden, sodass faktisch vor allem sicherheitsrelevante und qualitätsbezogene Informationen ausgetauscht werden können. Insofern kann insbesondere im Bereich der Haftung für fehlerhafte Produkte, bei Qualitätsabweichungen und den daraus resultierenden Gefahren das Wissen (die Zumutbarkeit der nötigen Wissensorganisation vorausgesetzt, dazu sogleich) zugerechnet werden. Abseits der rechtlich abgesicherten Möglichkeit eines Informationsaustausches durch vertragliche Informationsansprüche müssen die Teilnehmer einer nicht-konzernierten Unternehmensverbindung selbstverständlich auch diejenigen Informationen berücksichtigen, die sie auf freiwilliger Basis erhalten haben. Da hier das betreffende Unternehmen bereits die Information erhalten hat, steht allerdings keine Form der unternehmensübergreifenden Wissenszurechnung in Rede. Darüber hinaus besteht auch ohne Möglichkeit zur Wissensorganisation die übergeordnete Möglichkeit der unternehmensübergreifenden Wissenszurechnung, wenn ein sog. unternehmensübergreifender Wissensvertreter iSd. § 166 Abs. 1 BGB analog Wissen erlangt – auch wenn hierin freilich keine Form der wertenden Wissenszurechnung vorliegt.

II. Zumutbarkeit der gemeinsamen Wissensorganisation Bereits für den Konzern wurde festgestellt, dass dort keine allgemeine Pflicht zur Konzernleitung und somit grundsätzlich auch keine Pflicht zur Etablierung einer zentralistischen Wissensorganisation besteht.123 Diese fehlende Pflicht zur allgemeinen (zentralistischen) Organisationsleitung muss gleichviel mehr für nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen gelten, da hier die Verbundenheit nur aufgrund einer schuldrechtlichen Grundlage besteht, bei ansonsten gesellschaftsrechtlich unverbundenen Unternehmen. Über diese vertragliche Grundlage hinausgehende Rechte oder Pflichten innerhalb des Verbundes sind grundsätzlich (abseits der ergänzenden Vertragsauslegung) nicht existent. Selbst eine Vorschrift, die dem § 308 AktG vergleichbar ist und ein Weisungsrecht einer bestimmten Partei vorsieht, existiert hier nicht, sodass auch nicht auf dieser Grundlage über eine Leitungspflicht nachgedacht werden kann.

123 Vgl. hierzu oben § 11 C.I.1.b)bb)(1); vgl. auch Hüffer, Liber Amicorum Happ (2006), S. 93 (97 f.); Flume, Die juristische Person, 1983, § 3 III.3., S. 90 Fn. 97; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 152; Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 10; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 403; K. Schmidt/Lutter/J. Vetter, AktG, § 311 Rn. 132; MünchHdbAG/Krieger, § 70 Rn. 26, jeweils mwNachw.

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Insofern besteht auch hier keine allgemeine Pflicht zur zentralistischen Verbundorganisation, aus der eine allgemeine Pflicht zur verbundinternen Wissensorganisation abgeleitet werden könnte. Wenn nicht im Vertrag eine solche Pflicht (einseitig oder beidseitig bzw. allseitig) positiv geregelt ist, bedarf es deshalb einer Einzelfallprüfung, in welchen Situationen eine gemeinsame Wissensorganisation zumutbar ist. Wenn demgegenüber die Wissensweitergabe und die korrespondierende -abfrage nicht zumutbar sind, besteht auch keine dementsprechende Obliegenheit zur Wissensorganisation. In diesen Fällen müssen die Organisationsteilnehmer somit keine gemeinsame Wissensorganisation etablieren und unterhalten, um ihrer Wissensverantwortung nachzukommen, sodass keine Grundlage für eine wertende Wissenszurechnung besteht. 1. Gemeinsam genutzte Informationssysteme Vergleichsweise einfach ist die Frage nach der Zumutbarkeit der Nutzung einer gemeinsamen Wissensorganisation zu beantworten, wenn die an dem Unternehmensverbund Beteiligten gemeinsame Informationssysteme wie Datenbanken oder anders geartete Wissensspeicher nutzen. Beispielsweise ist dies bei gemeinsam genutzten Informationssystemen zur Qualitätssicherung oder bei einem Informationsaustausch zu Bestell- und Lieferzwecken möglich. Insbesondere in der Just-in-time-Produktion ist ein aktiver Datenaustausch unerlässlich, um das Funktionieren dieses fragilen Produktionssystems gewährleisten zu können.124 So ist ein fortlaufender Informationsaustausch zwischen den Vertragsparteien nicht nur zwecks Bedarfsplanung nötig, sondern ebenso zum Zweck der Bekanntgabe von Produktionsstörungen sowie Lieferverzögerungen und zur Rückmeldung von Mängeln.125 Der Datenaustausch ist dabei nicht nur fortlaufend zu gewährleisten, sondern bedarf zudem einer zügigen Informationsweiterleitung, sowohl um die Bedarfsplanung möglichst genau durchzuführen als auch um schwerwiegende Mängel möglichst frühzeitig zu erkennen und hierauf reagieren zu können. Dies ist regelmäßig nur durch den Einsatz überbetrieblicher Informationssysteme mit EDV-Unterstützung möglich, sodass die beteiligten Unternehmen hierauf zurückgreifen (müssen).126 Wenn die Unternehmen sich allerdings zum Zweck der Bedarfsplanung und der Qualitätssicherung vernetzen und zu diesem Zwecke ein Informationssystem etablieren, müssen sie sich dieses auch gleichsam entgegenhalten

124

Vgl. hierzu Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, S. 39 ff.; Lackes, Just-in-Time-Produktion, 1995, S. 8 ff. 125 Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, S. 39. 126 Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, S. 39.

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lassen. Insofern ist ein „Rosinen picken“ a` la „wir nutzen die Informationen zu unserem Vorteil, wenn wir hierdurch die Produktion optimieren können, nicht jedoch, wenn uns diese Informationen als rechtserhebliches Wissen zum Nachteil gereichen kann“ unzulässig. Die wertende Wissenszurechnung soll lediglich ausgeschlossen sein, wenn die Wissensorganisation unzumutbar ist bzw. wenn der Informationsaustausch nicht naheliegend war.127 Wenn zwischen den Unternehmen eines nicht-konzernierten Unternehmensverbundes gleichwohl bereits ein verbundweites Informationsnetz besteht, das Daten über die Liefermengen und -fristen, Produktionsstörungen und -verzögerungen sowie Produktionsmängel bei allen an dem Verbund partizipierenden Unternehmen verfügbar macht, muss diese Datenressource grundsätzlich auch ausgeschöpft werden. Insbesondere wenn die Informationen der anderen an dem verbundweiten Informationsnetz partizipierenden Unternehmen in gleicher Weise wie unternehmenseigene Informationen in die eigene EDV eingespeist werden und somit die Zugriffsmöglichkeiten auf die unterschiedlichen Informationen vergleichbar sind, ist kein Grund ersichtlich, warum solche verbundinternen Informationen anders zu behandeln sein sollen als unternehmenseigene Informationen. Wenn verbundinterne Informationen allen Verbundteilnehmern zugänglich gemacht werden, findet ohnehin eine Informationsspeicherung in einem gemeinsamen Informationssystem (insb. gemeinsamen Datenbanken oder anderen Wissensspeichern) statt, sodass hier über die Zumutbarkeit nicht gesondert entschieden werden muss. Durch die Etablierung eines gemeinsamen Informationssystems ist auch eine gesonderte Informationsweiterleitung nicht erforderlich, sondern lediglich das Einstellen dieser Information in das bestehende System. Die einzige Frage, die sich somit im Rahmen der Zumutbarkeit der Nutzung gemeinsamer Informationssysteme stellt, ist diejenige nach der Informationsabfrage. Betreffend die Datenabfrage hat der BGH 1993 zu konzerninternen Datenbanken entschieden, dass diese zumindest dann zumutbar sei, wenn der Betroffene deutlich auf die bei einem anderen datenerhebenden Informationssystemsteilnehmer gespeicherten Daten hingewiesen hat (in casu: Die beklagte Versicherung musste sich das Wissen einer konzernverbundenen Versicherung zurechnen lassen, da beide Versicherungen eine gemeinsame Datensammlung geführt haben und der Versicherungsnehmer auf gespeicherte Daten in der Datensammlung des anderen Versicherers hingewiesen hat).128 Mittlerweile dürfte jedoch regelmäßig auf einen solchen Hin127 Vgl. zur Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung über das Zumutbarkeitskriterium bereits oben § 9 A.III.2.b)bb); vgl. auch BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (109). 128 BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 (229); vgl. hierzu bereits oben § 11 C.II.2.c).

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weis verzichtet werden können. Zunächst gilt dies für Informationen aus einem gemeinsamen Qualitätssicherungssystem, da hier derjenige, zugunsten dessen als Gegenüber der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung das Wissen zugerechnet werden soll (der Dritte), in der Regel keine Kenntnis über den gemeinsamen Informationsbestand haben wird und somit auch nicht darauf hinweisen kann. Insofern ist diese Konstellation gemeinsamer Informationssysteme von Unternehmensverbunden anders zu bewerten als der Versicherungsfall des BGH: Während es sich bei einem gemeinsamen Informationssystem im Rahmen der Qualitätssicherung und der Just-intime-Produktion um eigene Daten der an dem Informationssystem beteiligten Unternehmen handelt, stehen bei dem Versicherungsfall des BGH Daten des Versicherungsnehmers in Rede. Insofern können hier die Unternehmen selbst eher abschätzen, über welche Informationen sie verfügen, als ein Dritter. Im Versicherungsfall weiß dagegen eher der Versicherungsnehmer, ob er noch andere Versicherungen bei einer konzernzugehörigen Versicherung abgeschlossen hat, wobei eine Abfrage potentieller Daten bei allen konzernzugehörigen Versicherungen für die Versicherung einen erheblich größeren Aufwand bedeuten würde. Darüber hinaus ist mittlerweile die Durchsuchung selbst größter Datenmengen erheblich leichter geworden und mithin in vielen Fällen auch die Durchsuchung größerer Datenmengen zumutbar, sodass auch deshalb von dem Erfordernis eines konkreten Hinweises im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung abzusehen ist.129 Dies gilt vor allem, wenn das gemeinsame Informationssystem durch (semi-)autonome Algorithmen zur Datenanalyse und -verarbeitung Daten selbstständig sammelt, analysiert, strukturiert und gezielt zur Verfügung stellt.130 Durch den Einsatz solcher Analyse- und Verarbeitungswerkzeuge tendieren die technischen Grenzen der Zumutbarkeit einer Wissensorganisation asymptotisch gegen null, wobei insbesondere die Informationsweiterleitung und -abfrage durch die Fähigkeit, Daten gezielt an den entscheidenden Stellen zur Verfügung zu stellen, erheblich erleichtert wird.131 Wenn hingegen die Maschinen und integrierten Systeme verschiedener an einer gemeinsamen Wertschöpfungskette beteiligter Unternehmen direkt miteinander kommunizieren, um echtzeitnah direkt („machine to machine“,

129

Vgl. hierzu Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (550 ff.). Schlagwortartig als Big Data Analytics bezeichnet, vgl. hierzu enisa, Privacy by design in big data – an overview of privacy enhancing technologies in the era of big data analytics, 2015, S. 11 f.; Wespi in Weber/Thouvenin, Big Data und Datenschutz – Gegenseitige Herausforderungen, 2014, S. 3 f.; Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (551 f.). 131 Spindler/Seidel, FS Marsch-Barner (2018), S. 549 (552); zur Frage der Zumutbarkeit einer Obliegenheit zur Nutzung einer solchen „Smart Knowledge Governance“ vgl. ebd. S. 552 f. 130

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„m2 m“) Daten, etwa zu Bestellmengen, Produktionsstörungen, -verzögerungen oder einem Anpassungsbedarf in einzelnen Fertigungsschritten, auszutauschen, ohne dass das Dazwischentreten eines Menschen notwendig ist,132 stellt sich die Frage, ob auch hier eine Wissenszurechnung möglich ist. Der Vorteil der m2 m-Kommunikation ohne Dazwischentreten eines Menschen auf Sender- und Empfängerseite, der durch die schlagwortartige „vierte industrielle Revolution“ oder „Industrie 4.0“ in weiten Teilen der industriellen Fertigung von Produkten und vor allem im Rahmen der Just-in-timeProduktion genutzt wird, wirft somit die Frage auf, ob es der Zumutbarkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation entgegensteht, wenn kein Mensch an dem Informationsprozess direkt beteiligt ist. Dabei ist davon auszugehen, dass Wissen biologisch-zerebral zu definieren ist, sodass es nur auf menschliches Wissen ankommen kann, wie auch schon im Einleitungsteil dargestellt wurde.133 Jedoch kommt es im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung darauf an, ob eine gemeinsame Wissensorganisation zumutbar ist. Insofern spielt es keine Rolle, ob an der Wissensorganisation tatsächlich Menschen beteiligt sind, solange am Ende der Informationskette ein Mensch die zumutbare Möglichkeit der Informationserlangung hat. Die Tatsache, dass Maschinen direkt miteinander kommunizieren, schließt hingegen nicht aus, dass der Mensch die Informationen erlangen kann. Hierfür muss lediglich ein User Interface als Schnittstelle zwischen Mensch und der m2 m-Kommunikation eingerichtet werden, das die Sprache der Kommunikation von einer von Maschinen zu verstehenden Sprache zu einer „menschlichen“ ändert. Darüber hinaus ist zu beachten, dass durch den Einsatz einer m2 mKommunikation, die auch eine Einbindung von verschiedenen an der Wertschöpfungskette beteiligten Akteuren in ein gemeinsames Kommunikationssystem bewirkt (horizontale Integration), ein in Echtzeit synchronisierbarer Austausch von unternehmensinternen und -externen Daten ermöglicht wird, um so ein durchgängiges Wertschöpfungsnetzwerk innerhalb der Produktionskette zu schaffen.134 Insofern ist davon auszugehen, dass durch den Einsatz moderner Kommunikationsmethoden wie der m2 m-Kommunikation sogar mehr Daten ausgetauscht werden, somit mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden können und mithin auch mehr Wissen zugerechnet werden kann. Eine direkte m2 m-Kommunikation in einer Produktionskette spricht somit nicht gegen die Zumutbarkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation. Bei der Beantwortung der Frage der Zumutbarkeit muss auf die Zumutbar132

Vgl. zu den Auswirkungen von Industrie 4.0 Soder, in: Bauernhansl/Hompel/VogelHeuser, Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, 2014, S. 85 (96 ff.). 133 Vgl. hierzu bereits oben § 4 A.II. 134 Siepmann, in: Roth, Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0, S. 35 (38).

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keit der Kenntnisnahme durch einen Menschen abgestellt werden, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass, wenn eine EDV-Infrastruktur geschaffen wird, die eine unternehmensübergreifende m2 m-Kommunikation ermöglicht, mit einem vergleichbaren Aufwand ebenso eine Schnittstelle für eine menschliche Überprüfung integriert werden kann. Wenn solche unternehmensübergreifenden Kommunikationssysteme genutzt werden, ist daher regelmäßig auch eine unternehmensübergreifende Wissensorganisation bezüglich der kommunizierten Daten zumutbar. Daher können Informationen, die durch gemeinsam genutzte Informationssysteme im Unternehmensverbund, wie sie beispielsweise zur Qualitätssicherung im Allgemeinen, im Rahmen der Just-in-time-Produktion oder bei der m2 m-Kommunikation, im Verbund verfügbar sind, zugerechnet werden. Rechtserheblich können diese Informationen etwa in Bezug auf fehlerhafte Produkte werden, wenn Informationen über Fehleranfälligkeiten oder konkrete Mängel durch einen Zulieferer in das Informationssystem eingespeist werden. Im Wege der wertenden Wissenszurechnung können somit nachfolgenden Unternehmen, die an der Lieferkette (und ihres gemeinsamen Informationssystems) beteiligt sind, diese Informationen zugerechnet werden, wobei die Kenntnis über die Mangelhaftigkeit von Sachen beispielsweise Auswirkungen auf die Verjährungsfrist (vgl. § 438 Abs. 3 S. 1 BGB) oder die Verwehrung der Berufungsmöglichkeit auf Haftungsausschlüsse (§ 444 Alt. 1 BGB) haben kann.135 Eine gemeinsame Wissensorganisation ist insofern in Bezug auf die von der gemeinsamen Datensammlung erfassten Informationen grundsätzlich nicht unzumutbar, da das potentiell wissensbelastete Unternehmen die unternehmensfremden Daten wie eigene Daten im gemeinsamen Informationssystem abfragen kann. 2. Bloße Möglichkeit der Wissenserlangung Wenn keine gemeinsamen Informationssysteme bestehen, in die von allen partizipierenden Verbundunternehmen Daten eingespeist werden, sondern eine bloße Möglichkeit zur Informationserlangung besteht, stellt sich die Anschlussfrage, ob (und falls ja wann) eine unternehmensübergreifende verbundinterne Wissensorganisation trotzdem zumutbar ist. Von der Zumutbarkeit zur Etablierung und Nutzung einer gemeinsamen Wissensorganisation kann insbesondere ausgegangen werden, wenn nicht nur eine Zugriffsmöglichkeit, sondern darüber hinaus eine Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation besteht. Dabei ist anzunehmen, dass (zumindest) soweit ein Handeln zumutbar ist, wie eine gesetzliche Pflicht dazu 135 Vgl. zur Rechtserheblichkeit der Kenntnis von Mängeln BGH, Urt. v. 22.11.1991 – V ZR 215/90, NJW-RR 1992, 333 (334); BGH, Urt. v. 31.1.1996 – VIII ZR 297/94, NJW 1996, 1205 (1205); MünchKommBGB/Westermann, § 438 Rn. 29 (iVm. § 444 Rn. 12).

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besteht. Wenn somit einen Verbundteilnehmer eine Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation trifft, kann in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass diese auch zumutbar ist. Im Fall einer gesetzlichen Pflicht zur Etablierung und Nutzung einer gemeinsamen Wissensorganisation kann sich der Zurechnungsempfänger mithin nicht von der Wissenszurechnung befreien. a) Keine allgemeine Pflicht zur Wissensorganisation Dabei ist zunächst festzuhalten, dass sich eine allgemeine Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation als Ausfluss einer potentiellen Gruppenleitungspflicht auch für nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen (genauso wie für konzernierte Unternehmensverbindungen) nicht begründen lässt.136 Wenn selbst bei konzernierten Unternehmensverbindungen – und dort sogar bei einem Vertragskonzern mit Beherrschungsvertrag und der damit einhergehenden gesetzlich eingeräumten Möglichkeit zur Erteilung (nachteiliger) Weisungen gegenüber der abhängigen Gesellschaft gem. § 308 AktG – keine allgemeine Pflicht zur (zentralistischen) Konzernleitung besteht, lässt sich ein Erst-recht-Schluss ziehen, dass diese Pflicht regelmäßig auch in rein vertraglich verbundenen nicht-konzernierten Unternehmensverbunden nicht begründet werden kann. Wenn also selbst in einem Vertragskonzern, als nach der gesetzlichen Konzeption besonders eng ausgestalteter Unternehmensverbindung, keine Pflicht zur zentralistischen Konzernführung und somit auch keine allgemeine Pflicht zur Nutzung des Weisungsrechts besteht, gilt dies erst recht für vertraglich verbundene Unternehmen, bei denen noch nicht einmal eine gesetzlich eingeräumte Möglichkeit zur Konzernleitung besteht. Zwar kann mitunter (insbesondere in subordinativen Unternehmensverbunden) eine vertragliche Möglichkeit bestehen, auf die andere Gesellschaft einzuwirken. Vor allem im Rahmen starker Abhängigkeiten besteht zumindest faktisch eine solche Möglichkeit, wenn sie nicht ohnehin vertraglich eingeräumt ist. Jedoch liegen die hier in Rede stehenden Unternehmensverbindungen sogar unterhalb der Schwelle einer faktischen Konzernierung.

136

Vgl. hierzu bereits oben § 11 C.I.1.b)bb)(1); zur fehlenden Konzernleitungspflicht im faktischen Konzern vgl. Hüffer, Liber Amicorum Happ (2006), S. 93 (97 f.); Flume, Die juristische Person, 1983, § 3 III.3., S. 90 Fn. 97; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rn. 152; Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 10; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rn. 403; K. Schmidt/Lutter/J. Vetter, AktG, § 311 Rn. 132; MünchHdbAG/Krieger, § 70 Rn. 26, jeweils mwNachw.; a.A. für eine Konzernleitungspflicht ggü. der abhängigen Gesellschaft U.H. Schneider, FS Hadding (2004), S. 621 (630); ähnlich auch ders./S.H. Schneider, AG 2005, 57 (61); für den Vertragskonzern vgl. Fleischer, DB 2005, 759 (759 ff.); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 60; Emmerich/Habersack/Emmerich, GmbH- und Aktienkonzernrecht, § 308 AktG Rn. 34 f., § 309 Rn. 35 f.; MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 60 ff., 65 ff., § 309 Rn. 50 ff., 53 ff.; MünchKommGmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 848 f.

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Teilweise besteht zwar die Möglichkeit, dass vertragliche Unternehmensverbindungen (wie beispielsweise im Bereich des Franchisings) bei einer Abhängigkeit des schwächeren Teils (dort des Franchisenehmers) und gleichzeitiger einheitlicher Leitung durch den stärkeren Teil (dort eine einheitliche Leitung des Gesamtfranchise durch den Franchisegeber), diese Unternehmensverbindungen als faktische Konzerne zu qualifizieren.137 Jedoch sollen hier gerade solche Unternehmensverbindungen im Fokus stehen, bei denen aufgrund einer nur latenten Abhängigkeit oder aufgrund einer fehlenden einheitlichen Leitung keine (faktische) Konzernierung vorliegt, sondern eine nicht-konzernierte, bloß vertraglich begründete Verbundenheit. Neben dem Erst-recht-Schluss auf die fehlende allgemeine Konzernleitungspflicht und dem abstrakten Vergleich zum Konzernrecht lässt sich auch aus der vertraglichen Grundlage der Unternehmensverbindung eine fehlende allgemeine Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation begründen. So bestehen in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen zwar häufig Informationsrechte,138 abseits der soeben untersuchten vertraglichen Pflicht zur Bildung eines gemeinsamen Informationssystems139 besteht jedoch regelmäßig keine allgemeine vertragliche Verpflichtung des Informationsberechtigten zur Ausübung des Anspruchs. Mithin ist der Informationsanspruchsberechtigte grundsätzlich nicht verpflichtet, Informationen aus anderen Verbundunternehmen abzufragen, sodass er auch die Möglichkeit haben muss, hierauf zu verzichten. Ein direkter Schluss von der Möglichkeit der Informationserlangung auf deren Zumutbarkeit im Rahmen der wertenden Wissenszurechnung würde insofern das Wahlrecht des Anspruchsberechtigten, den Anspruch auszuüben, verkürzen, sodass dieser Rückschluss von der Möglichkeit der Informationserlangung auf deren Zumutbarkeit unzulässig ist, wenn keine Pflicht zur Einrichtung eines gemeinsamen Informationssystems hinzutritt, sondern ein bloßes Informationsrecht besteht. b) Auftreten als „Repräsentant“ des nicht-konzernierten Unternehmensverbundes Auch nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen können mitunter gemeinsam nach außen auftreten. Während das bei Zulieferbetrieben eher selten vorkommt, ist die Idee des Franchisings eng mit einem gemeinsamen „Group Design“ verknüpft bzw. genauer mit der Überlassung von Kennzeichnungsrechten beispielsweise durch die Benutzung von Marken, Firmenzeichen, Symbolen, Kennzeichnungseinrichtungen und Slogans.140 Insofern 137 Vgl. hierzu Nagel, DB 1988, 2291 (2292); Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 75 ff. 138 Vgl. hierzu oben § 12 C.I.2. 139 Vgl. hierzu oben § 12 C.II.1. 140 Martinek, Franchising, 1987, S. 89; Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 65 f.

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erwerben Franchisenehmer überdies nicht nur das Recht zur Nutzung dieses gemeinsamen „Group Design“, sondern regelmäßig auch die Pflicht, dieses zu nutzen und nach außen als Teil des Franchise aufzutreten.141 Nicht selten wirkt das Franchising „quasifilial“.142 Martinek betont dabei sogar, dass das „einheitliche ,Gruppenimage‘“ ein konstitutives Element des Franchisings sei.143 Vogt geht noch weiter, wenn sie sagt, dass Franchisegeber und Franchisenehmer nach außen „auf dem Markt […] als eine Unternehmung“ erscheinen.144 Dabei stellt sich die Frage, ob daher nicht die Wertung des § 31 BGB in der durch die sog. Repräsentantenrechtsprechung des BGH erhaltenen Form auf die wertende Wissenszurechnung übertragbar ist. Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung – und mit weitgehender Zustimmung in der Literatur – den Anwendungsbereich der Handlungszurechnungsvorschrift des § 31 BGB neben dem Vorstand und gesetzmäßig berufenen Vertretern auch auf sog. „Repräsentanten“ ausgeweitet.145 Der Repräsentant braucht dabei nicht wie der verfassungsmäßig berufene Vertreter Vertretungsmacht besitzen oder satzungsmäßig bestellt zu sein, „vielmehr genügt es, daß dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, daß er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert“.146

Als Repräsentant in diesem Sinne gilt etwa der Filialleiter einer Auskunftei,147 eines Versicherungsunternehmens148 oder der Zweigstellenleiter einer Bank.149 Aus diesem Gedanken heraus könnte man die Wertung der Repräsentanten-

141 Martinek, Franchising, 1987, S. 90; Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 83 ff.; Staudinger/Martinek/Omlor, BGB (2017), § 675 Rn. B 235; Röhricht/Graf v. Westphalen/ Haas/Giesler, HGB, Franchising, Rn. 30; vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 3.10.1984 – VIII ZR 118/83, NJW 1985, 1894 (1895). 142 Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 84. 143 Martinek, Franchising, 1987, S. 130; vgl. auch Hanrieder, Franchising, 1976, S. 15: Merkmal, das „in der Regel zur Systemdurchsetzung notwendig“ ist. 144 Vogt, Franchising von Produktivgütern, 1976, S. 39. 145 Einleitend RG, Urt. v. 9.3.1938 – VI 212/37, RGZ 157, 228 (236 f.); grundlegend BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 (21); dieser Rechtsprechung ist die Literatur weitestgehend gefolgt, vgl. Staudinger/Schwennicke (2019), BGB, § 31 Rn. 22 f.; MünchKommBGB/Leuschner, § 31 Rn. 14; Erman/Westermann, BGB, § 31 Rn. 1, 3 f.; ablehnend Landwehr, AcP 164 (1964), 482 (483); Neumann-Duesberg, NJW 1966, 715 (716). 146 BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 (21). 147 BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 (21). 148 OLG Hamm, Urt. v. 20.8.1999, 20 U 51/99, VersR 2000, 213 (214). 149 BGH, Urt. v. 12.7.1977 – VI ZR 159/75, NJW 1977, 2259 (2260); BGH, Urt. v. 6.12.1983 – VI ZR 60/82, NJW 1984, 921 (922); BGH, Urt. v. 19.10.1989 – III ZR, NJW-RR 1990, 484 (485).

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rechtsprechung iSd. § 31 BGB, die juristische Person für die Handlungen eines ihrer Repräsentanten verantwortlich zu machen und ihr deshalb auch sein Verhalten zuzurechnen, auch auf die wertende Wissenszurechnung übertragen. aa) Analogieschluss zu § 31 BGB? Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Franchisenehmer als Repräsentant des Franchisegebers angesehen werden kann oder ihm zumindest eine vergleichbare Stellung zukommt, sodass sich ein Raum für die Übertragung der Wertung von der Zurechnung nach § 31 BGB auf die wertende Wissenszurechnung böte. Im Rahmen dessen ist zuvorderst festzustellen, dass die Handlungszurechnung nach § 31 BGB zwar auch auf andere Organisationsformen als den Idealverein angewendet wird und durch Analogieschluss zumindest auf alle juristischen Personen und Personengesellschaften übertragbar ist.150 Wie oben bereits dargestellt wurde, stellen Franchiseverträge im Allgemeinen jedoch keine korporationsrechtlichen Verträge dar.151 Einer solchen korporationsvertraglichen Einordnung des Franchisevertrages (insbesondere in Form einer BGB-Gesellschaft) steht vor allem der fehlende gemeinsame Zweck sowie – bei Subordinationsverhältnissen – die fehlende Gleichrangigkeit entgegen.152 Allerdings wurde mitunter schon anderenorts für die analoge Anwendung des § 31 BGB auf andere Lebens- und Wirtschaftseinheiten wie beispielsweise die WEG153 oder teilweise auch die Erbengemeinschaft154

150

Vgl. RG, Urt. v. 9.12.1929 – VI 142/29, JW 1930, 2927 (2928); für die AG: BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, NJW 2005, 2450 (2451 f.); für die GmbH: RG, Urt. v. 18.10.1917 – VI 143/17, RGZ, 91, 72 (75); für die Genossenschaft RG, Urt. v. 30.1.1925 – VI 301/24, RGZ 110, 145 (147); BGH, Urt. v. 5.12.1958 – VI ZR 114/57, NJW 1959, 379; vgl. auch MünchKommBGB/Leuschner, § 31 Rn. 3 ff.; mwNachw.; zu Personengesellschaften des HGB: RG, Urt. v. 13.2.1911 – VI 652/09, RGZ 76, 35 (48); BGH, Urt. v. 8.2.1952 – I ZR 92/15, NJW 1952, 537 (538); Staudinger/Schwennicke (2019), BGB, § 31 Rn. 104; zur BGB-Gesellschaft: Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 16 IV. 2., S. 322; Schöpflin, DStR 2003, 1349, passim; Staudinger/Schwennicke (2019), BGB, § 31 Rn. 105; MünchKommBGB/Leuschner, § 31 Rn. 5. 151 Vgl. dazu bereits oben § 12 B.I. 152 Vgl. hierzu auch Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 298. 153 OLG München, Beschl. v. 24.10.2005 – 34 Wx 82/05, NJW 2006, 1293 (1294); MünchKommBGB/Leuschner, § 31 Rn. 14; Erman/Westermann, BGB, § 31 Rn. 2; a.A. noch OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.1.1985 – 20 W 94/84, OLGZ 1985, 144, 146, mittlerweile aber wohl durch die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der WEG durch BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 (158 f.) überholt. 154 Dafür Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, S. 130 ff.; Reuber, Die haftungsrechtliche Gleichbehandlung von Unternehmensträgern, 1990, S. 237 ff.; Soergel/Wolf, BGB, § 2038 Rn. 1, 25; für die unternehmenstragende Erbengemeinschaft auch K. Schmidt,

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votiert, sodass auch über eine analoge Anwendung bezüglich Franchisingverhältnissen nachgedacht werden könnte.155 Demgegenüber wird die personelle Erweiterung der Zurechnung nach § 31 BGB durch die Repräsentantenrechtsprechung nur restriktiv auf andere Organisationsformen angewendet. Hier soll sogar nach teilweise vertretener Auffassung eine Übertragung auf Gesamthandsgesellschaften ausgeschlossen sein, da dort die Haftung nicht auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist, sondern um die akzessorische Haftung der Gesellschafter nach § 128 HGB (ggf. analog oder iVm. § 161 Abs. 2 HGB) erweitert wird und mithin eine personelle Zurechnungserweiterung auf leitende Angestellte nicht angemessen erscheint.156 Die Grundsätze der Repräsentantenrechtsprechung auf andere Organisationsformen als juristische Personen ausdehnen zu wollen, muss somit mit Vorsicht begegnet werden. An dieser Stelle ist es allerdings nicht notwendig, den Franchisenehmer als Repräsentant iSd. § 31 BGB in der durch die Repräsentantenrechtsprechung gefundenen Form zu qualifizieren. Denn selbst wenn dieser Analogieschluss gelingen würde, wäre die Folge lediglich eine Handlungszurechnung nach § 31 BGB. Wie oben dargelegt wurde, lässt sich die wertende Wissenszurechnung dogmatisch jedoch nicht an § 31 BGB knüpfen, sondern de lege lata nur im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung begründen.157 bb) Wertungsübertragung aus der Repräsentantenrechtsprechung Indes lässt sich gegebenenfalls die Wertung, die hinter der Repräsentantenrechtsprechung steht, auch für die wertende Wissenszurechnung fruchtbar machen und hierüber die Zumutbarkeit der Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation begründen. Der Ausweitung des personellen Anwendungsbereichs des § 31 BGB liegt der Gedanke des Umgehungsschutzes zugrunde.158 Insbesondere sollte es die Gesellschaft als Zurechnungsadressat nicht selber in der Hand haben, ob sie einen Vertreter „verfassungsmäßig beruft“ bzw. ob die Stellung des Vertreters in der Satzung vorgesehen ist oder ob sie lediglich rechtsgeschäftlich eingeräumt wurde.159 Im ersten Fall würde der Gesellschaft die Haftung des VerNJW 1985, 2785, 2789; MünchKommBGB/Leuschner, § 31 Rn. 7; a.A. Staudinger/ Schwennicke (2019), BGB, § 31 Rn. 111; Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rn. 8. 155 Ablehnend Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 298 f.; vgl. zur Anwendung des § 31 BGB auf nicht-konzernierte Vertriebssysteme auch Roth, NZV 1989, 435 (436). 156 Vgl. dazu RG, Urt. v. 28.11.1931 – IX 341/31, JW 1932, 722 (723); Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rn. 7; Staudinger/Weick (2005), BGB, § 31 Rn. 44; a.A. MünchKommBGB/Leuschner, § 31 Rn. 18. 157 Vgl. zur dogmatischen Verankerung der wertenden Wissenszurechnung oben § 9 C. 158 Vgl. zur Legitimationsgrundlage der Repräsentantenrechtsprechung vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 349 ff., insb. 350. 159 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 350.

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treters nach § 31 BGB zugerechnet werden, im letzten Fall bestünde lediglich die Möglichkeit der Haftung nach § 831 Abs. 1 BGB (unter Berücksichtigung der dortigen Exkulpationsmöglichkeit).160 Dieses formale Kriterium legt die Entscheidung, für welche Personen innerhalb der Gesellschaft sie ohne Exkulpationsmöglichkeit haften will, zumindest bis zu einem gewissen Grad in die Hand des Zurechnungsadressaten und macht sie dadurch bis zu diesem Punkt willkürlich.161 Daher soll es für die Zurechnung nach § 31 BGB nicht mehr auf die verfassungsmäßige Berufung eines Vertreters ankommen, sondern lediglich auf die (materielle) Frage, ob der Person „durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensgemäße Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind“ und sie dadurch den Zurechnungsadressaten repräsentiert.162 Vergleichbar ist die Situation im Franchising. Auch hier obliegt es dem Franchisegeber, sein unternehmerisches Vorhaben innerhalb einer Gesellschaft mit verschiedenen Filialen, innerhalb eines Konzerns mit verschiedenen Tochterunternehmen oder innerhalb eines Franchisesystems mit verschiedenen Franchisenehmern zu organisieren. Aufgrund dieser Gestaltungs-(und damit Umgehungs-)möglichkeit kann auch im Bereich der Wissenszurechnung nicht das formale Kriterium der Rechtsformwahl genügen, sondern es bedarf eines materiellen, am Einzelfall orientierten Unterscheidungskriteriums. Hierbei lässt sich zwar nicht das Kriterium, das der BGH zur Repräsentantenrechtsprechung gefunden hat, schlicht übertragen, jedoch ist die Situation similär: Durch das vom Franchisegeber eingeräumte Recht des Franchisenehmers, die „Group Identity“ zu nutzen, repräsentiert der Franchisenehmer das Franchisesystem. Durch die einheitliche Nutzung von Marken, Firmenzeichen, Symbolen, Kennzeichnungseinrichtungen und Slogans wird der Eindruck von Geschlossenheit des gesamten Franchisesystems erweckt. Für Außenstehende ist häufig dem äußeren Anschein nach noch nicht einmal ersichtlich, dass dieser Betrieb Teil eines Franchisesystems ist. So ist etwa bei dem Fastfood-Franchise McDonald’s nur bei genauerem Hinschauen, etwa auf der Quittung, den (kleingedruckten) Geschäftsinformationen am Ladeneingang oder im Handelsregister, ersichtlich, dass der Geschäftsinhaber regelmäßig nicht die McDonald’s Corporation oder eine ihrer Tochtergesellschaften wie die McDonald’s Deutschland LLC, sondern ein Franchisenehmer ist. Insofern gebieten schon Gründe des Verkehrs160 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 (21); Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 111. 161 So schon Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 350. 162 BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 (21); BGH, Urt. v. 15.1.1985 – VI ZR 8/83, NJW-RR 1986, 281 (282); so auch BGH, Urt. v. 5.3.1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854 (1856).

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schutzes eine einheitliche Betrachtung des Franchisenehmers und -gebers, wenn sie für Außenstehende als Einheit auftreten und nicht (oder zumindest für einen ungeübten Verbraucher kaum) ersichtlich ist, mit wem kontrahiert wird. Darüber hinaus lässt sich auch der Gedanke einer ausgeglichenen Risikoverteilung unter Beachtung der Einwirkungsmöglichkeiten fruchtbar machen, um die Zumutbarkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer begründen zu können. Durch den Franchisevertrag ermächtigt der Franchisegeber den Franchisenehmer zur einheitlichen Nutzung des gemeinsamen „Group Designs“, insbesondere zur Nutzung von Marken, Firmenzeichen, Symbolen, Kennzeichnungseinrichtungen und Slogans des Franchisesystems (und verpflichtet den Franchisenehmer hierzu regelmäßig). Insofern schafft er die Möglichkeit der Repräsentation durch den Franchisenehmer. Ebenso hat er es auch in der Hand, diese Repräsentationsmöglichkeit zu unterbinden. So wirken einige Franchisegeber einheitlichen Auftreten und damit der Möglichkeit des Eindrucks einer Repräsentanz entgegen, indem sie im Franchisevertrag mit dem Franchisenehmer ausdrücklich regeln, dass der Franchisenehmer nicht als Vertreter des Franchisegebers auftreten und insbesondere die Franchisekennzeichen nur unter Hinzufügung des eigenen Namens zum Systemnamen im Rechtsverkehr nutzen darf.163 Wenn der Franchisegeber selber die Möglichkeit schafft, dass der Franchisenehmer ihn repräsentieren kann, und insbesondere nach außen der Eindruck von Geschlossenheit erweckt wird, muss er sich dies auch entgegenhalten lassen. Dies gilt umso mehr, da er vertragsgestalterische Maßnahmen treffen kann, die diese Repräsentationsmöglichkeit brechen oder zumindest beschränken können. Der Franchisegeber hat mithin durch die Möglichkeit der Repräsentation und der Schaffung einer einheitlichen Außendarstellung ohne nennenswerte Möglichkeit einer Differenzierung zwischen dem Franchisenehmer und dem Franchisegeber das Risiko geschaffen, dass Außenstehenden der Eindruck von Geschlossenheit und Einheit vermittelt wird. Gleichzeitig könnte der Franchisegeber auch auf dieses Risiko einwirken, etwa durch die Vereinbarung der Hinzufügung eines eigenen Namens des Franchisenehmers zu dem Systemnamen. Daher kann dem Franchisegeber auch zugemutet werden, eine gemeinsame Wissensorganisation zu schaffen, die der von ihm hervorgerufenen und beabsichtigten Einheitlichkeit auf der Wissensebene Ausdruck verleiht.

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Martinek, Franchising, 1987, S. 90.

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c) Intensive Verbundenheit Das Vertragsverhältnis, das der Franchise-Beziehung zugrunde liegt, räumt zwar regelmäßig Informationsrechte ein, die insbesondere in Subordinationsverhältnissen dem stärkeren Teil (und teilweise auch dem schwächeren Teil) einen Anspruch auf Auskunftserteilung vermitteln.164 Abseits einer Eingliederung in ein gemeinsames Informationssystem165 besteht jedoch grundsätzlich keine Pflicht zur Informationsabfrage bzw. generell zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation.166 Den Vertragspartnern steht es somit weithin frei, ob sie Informationen des anderen Vertragsteils verlangen. Aufgrund der fehlenden allgemeinen Pflicht zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation kann nicht schon aus der Möglichkeit zur Wissensorganisation eine Obliegenheit hierzu hergeleitet werden. Daraus folgt gleichsam, dass eine allgemeine Wissensorganisation ohne Rücksicht auf die grundsätzlich fehlende Pflicht zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation eine unzumutbare Belastung darstellen würde.167 Etwas anderes ist allerdings denkbar, wenn eine besonders intensive Verbundenheit zwischen den Vertragspartnern besteht, die vor allem in Subordinationsverhältnissen bei einer umfassenden Einflussnahme festgestellt werden kann. Hier versagt das Argument, dass nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen nicht zu einer engen Verbundenheit verpflichtet sind, da solche Beziehungen gerade durch die (freiwillige) Eingehung eines hohen Bindungsgrades ausgezeichnet sind. Dabei ist von einer besonders intensiven Einflussnahme auszugehen, wenn durch den Vertrag dem stärkeren Teil (etwa dem Franchisegeber oder dem Endhersteller/Abnehmer in einer komplexen und stark individualisierten Lieferkette) starke Eingriffsrechte in die Sphäre des schwächeren Teils (etwa des Franchisenehmers oder eines Zulieferers) eingeräumt sind und diese tatsächlich ausgeübt werden, sodass kaum eine nennenswerte unternehmerische Entscheidung beim schwächeren Teil verbleibt, sondern er regelmäßig zum bloßen Erfüller fremder Vorgaben verkümmert. Dies ist beispielsweise im Rahmen des Franchising denkbar, wenn nicht nur umfangreiche Checklisten und Handbücher existieren, die dem Franchisenehmer die Grundorganisation des Betriebs abnehmen, sondern dem Franchisegeber darüber hinaus Einflussnahme- und Organisationsrechte eingeräumt werden, die durch die vertragliche Ausbedingung von Weisungsrechten abgesichert werden.168 Darüber hinaus werden regelmäßig Weisungs-

164

Vgl. hierzu bereits oben § 12 C.I.2.c). Vgl. bereits oben § 12 C.II.1. 166 Vgl. bereits oben § 12 C.II.2.a). 167 Vgl. bereits oben § 12 C.II.2.a). 168 Zu der Grundorganisation durch Franchise-Handbücher und -Checklisten vgl. 165

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rechte zur Systemanpassung vereinbart, um möglichst frühzeitig auf Marktveränderungen reagieren zu können, ohne vorher die Handbücher und Checklisten ändern zu müssen; das Weisungsrecht des Franchisegebers entstammt hier der Systemanwendungspflicht des Franchisenehmers.169 Der Franchisevertrag wird mithin seitens des Franchisegebers häufig fortlaufend durch Weisungen konkretisiert, womit er ebenso fortlaufend in die Betriebsführung des Franchisenehmers eingreifen kann.170 Auch wenn die Art und Weise der Ausübung der Einflussrechte regelmäßig nicht vertraglich fixiert ist, darf der stärkere Vertragsteil seine Einflussrechte (insbesondere das Weisungsrecht des Franchisegebers) nicht nach reinem Belieben ausüben, sondern ist an den allgemeinen Maßstab billigen Ermessens gem. § 315 Abs. 1 BGB gebunden. So ist in Ermangelung einer vertraglichen Regelung zur Konkretisierung der Grenzen des Weisungsrechts beispielsweise auch der Arbeitgeber nur im Rahmen billigen Ermessens zur Ausübung seines Direktionsrechts befugt, und auch der Auftraggeber hat diese Grenze im Rahmen seines Weisungsrechts zu beachten.171 Hiernach ist das Ermessen des stärkeren Vertragsteils bei der Ausübung seiner Einflussrechte (insbesondere seines Weisungsrechts) begrenzt durch den unbestimmten Rechtsbegriff der „Billigkeit“, wobei diese durch eine umfassende Analyse und Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien zu ermitteln ist.172 Rieble definiert die billige Entscheidung als eine solche, „die alle Umstände des Einzelfalls angemessen, also ausreichend berücksichtigt“.173 Dabei hat der stärkere Vertragsteil bei der Ausübung seiner Einflussrechte grundsätzlich auch auf die schutzwürdigen Belange des Franchisenehmers Rücksicht zu nehmen, wobei ihm insbesondere aufgrund des Dauerschuldcharakters und des Subordinationsverhältnisses sowie der daraus folgenden Eingriffsmöglichkeiten eine erhebliche Sorgfalt auferlegt ist.174 Eine solche billige Einflussnahme, die die Umstände des Einzelfalls und die Interessen des anderen (schwächeren) Vertragsteils berücksichtigt, ist nur Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 66 f.; Tietz/Mathieu, Das Franchising als Kooperationsmodell für den mittelständischen Groß- und Einzelhandel, 1979, S. 346 ff.; zu Einflussnahme- und Organisationsrechten des Franchisegebers vgl. auch Martinek, Franchising, 1987, S. 90, 260 f.; Tietz/Mathieu, Das Franchising als Kooperationsmodell für den mittelständischen Groß- und Einzelhandel, 1979, S. 333 f. 169 Vgl. zum Weisungsrecht als Teil der Systemanwendungspflicht Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 85; Canaris, Handelsrecht, § 18 Rn. 12; Martinek, Franchising, 1987, S. 260 f. 170 Schacherreiter, Das Franchise-Paradox, 2006, S. 10 f. 171 Zur Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers vgl. MünchKommBGB/Würdiger, § 315 Rn. 68 ff.; Landmann/Rohmer/Neumann, GewO, § 106 Rn. 12 f. 172 MünchKommBGB/Würdiger, § 315 Rn. 32. 173 Staudinger/Rieble (2020), BGB, § 315 Rn. 395. 174 Vgl. auch Canaris, Handelsrecht, § 18 Rn. 63.

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möglich, wenn sich der Einflussnehmende ausreichend über die Verhältnisse des anderen Teils informiert.175 Daher ist der stärkere Teil im Rahmen der Ausübung seines Weisungsrechts auch zur Abfrage der für die Entscheidung notwendigen Informationen verpflichtet. Hieraus ergibt sich im Fall einer besonders intensiven Einflussnahme, wie sie etwa durch ein dauerhaftes Eingreifen mit Hilfe von vertraglichen Weisungsrechten erreicht wird, dass eine derartige Einflussnahme nicht ohne eine umfassende Informationsgrundlage möglich ist, sodass auch dauerhafte Informationskanäle eingerichtet werden müssen, um den Einflussnehmenden mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Wenn somit dauerhafte Informationskanäle eingerichtet werden müssen, um die Billigkeit der Einflussnahme zu garantieren, bedeutet dies gleichsam, dass im Rahmen dessen auch eine Wissensabfrage des stärkeren Vertragsteils zumutbar ist. Daher kann – zumindest in Bezug auf solche Informationen, die zur Bestimmung der Billigkeit einer Einflussnahme notwendig sind – das Wissen des schwächeren Teils (etwa des Franchisenehmers) dem einflussnehmenden stärkeren Teil (etwa dem Franchisegeber) zugerechnet werden. Darüber hinaus besteht bei einer intensiven Einflussnahme bereits rein praktisch das Bedürfnis für eine angemessene Informationsversorgung des entscheidungstragenden stärkeren Vertragsteils, sodass schon aufgrund seiner eigenen Interessen davon auszugehen ist, dass er ausreichende Informationskanäle eröffnen wird, um sich selbst mit dem erforderlichen Wissen zu versorgen.176 In diesem Fall besteht ohnehin ein Wissenstransfer, sodass eine gemeinsame Wissensorganisation in diesem Umfang in jedem Fall zumutbar ist. d) Drittgerichtete Pflicht zur Wissensorganisation als Ausprägung der Schutzpflicht im Rahmen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Franchising Teubner will in Franchiseverträgen einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (oder zumindest eine Spielart dessen) erkennen.177 Diese Charakterisierung vorausgesetzt, werden die Vertragspartner des Franchisenehmers in das Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Franchisegeber einbezogen, sodass auch letzterer Schutz- und Treuepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Dritten hätte. Es bliebe somit zu untersuchen, ob sich aus diesen Schutzpflichten dem Dritten gegenüber eine Pflicht des Franchisegebers zur

175 Vgl. hierzu bereits für den Konzern § 11 C.II.2.a); vgl. aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts zur Informationsverantwortung des Vorstands als Teil der allgemeinen Sorgfaltspflicht auch Fleischer, ZIP 2003, 1 (5). 176 Vgl. hierzu bereits oben § 11 C.II.2.a). 177 Vgl. hierzu Teubner, ZHR 154 (1990), 295 (321).

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gemeinsamen Wissensorganisation mit dem Franchisenehmer und insbesondere eine Pflicht zur Wissensweitergabe an ihn begründen lässt. aa) Rechtsgrundlage des Vertrages mit Schutzwirkung Diese drittschützende Wirkung ergibt sich dabei nicht schon aus dem Vertrag:178 Insbesondere kann sie mangels eigenen Leistungsanspruchs des Dritten nicht aus § 328 BGB hergeleitet werden.179 Ebenso vermag die Begründung über die ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB aufgrund der bestehenden Möglichkeit eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses mit Schutzwirkung zugunsten Dritter,180 bei dem noch kein auslegungsfähiger Vertrag besteht, und insbesondere in Konstellationen wie der sog. Gutachterhaftung, in denen zwischen dem Dritten und den Vertragsparteien gegenläufige Interessen bestehen, nicht zu überzeugen.181 Der Rechtsgrund für die Entstehung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kann mithin nicht aus dem Parteiwillen hergeleitet werden, sondern muss sich aus dem Gesetz ergeben. Ob hierbei § 311 Abs. 3 S. 1 BGB als Anknüpfungspunkt dienen kann (obwohl der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform nur Konstellationen der Haftung von Dritten im Blick hatte)182 oder ob sich dieses Rechtsinstitut nicht vielmehr allein aus richterlicher Rechtsfortbildung auf Basis der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt,183 soll an dieser Stelle allerdings dahinstehen können. Jedenfalls ist das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als

178

Ausführlich hierzu Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 112 ff., insb. S. 143 ff. 179 Grundlegend hierzu Larenz, NJW 1956, 1194 (1194); vgl. auch Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 63; Esser/Schmidt, SchuldR AT II, § 34 IV 2.a); Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 100; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 169, jeweils mwNachw. 180 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 28.1.1976 – VIII ZR 246/74, NJW 1976, 712 (712). 181 Oder zumindest vermag die ergänzende Vertragsauslegung keine taugliche Rechtsgrundlage für alle Formen von Schuldverhältnissen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu bieten; vgl. hierzu auch: Esser/Schmidt, SchuldR AT II, § 34 IV 2.a); Martiny, JZ 1996, 19 (21); Westermann, AcP 208 (2008), 141 (154); J. Schmidt, AcP 178 (1978), 98 (103); Gernhuber, JZ 1962, 553 (555); Canaris, ZHR 163 (1999), 206 (215 f.); Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 105. 182 Begr. GesE Schuldrechtsmodernisierungssetz, BT-Drs. 14/6040, S. 163; dennoch hierfür KG Berlin, Urt. v. 25.2.2010 – 24 U 11/09 – juris (Rn. 47); Canaris, JZ 2001, 499 (520); Eckebrecht, MDR 2002, 425 (427 f.); Kilian, NZV 2004, 489 (494). 183 So etwa Esser/Schmidt, SchuldR AT II, § 34 IV 2.a); Martiny, JZ 1996, 19 (21); Zenner, NJW 2009, 1030 (1033 f.); Westermann, AcP 208 (2008), 141 (154); Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 106; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 172; Erman/Bayer, BGB, § 328 Rn. 66.

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gesetzliche Erweiterung des originären Schuldverhältnisses allgemein anerkannt und soll auch an dieser Stelle nicht infrage gestellt werden.184 bb) Franchising als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Teubner begründet seine Idee, dem Vertrag zwischen Franchisenehmer und -geber einen Drittschutz zugunsten der Vertragspartner des Franchisenehmers einzuräumen, freilich wenig dogmatisch.185 Vielmehr entwickelt er diese Vorstellung vor allem auf Grundlage eines praktischen Bedürfnisses, da es bis zu einem gewissen Grad willkürlich bzw. „zufällig“ sei, mit wem der Kunde einen Vertrag abschließe – ob dies direkt mit dem hinter dem System stehenden Betreiber erfolgt, weil sich dieser für ein Filialsystem entschieden hat, ob dies mit einer seiner Tochtergesellschaften geschieht oder eben mit einem Franchisenehmer, obliegt zuvorderst der Gestaltung des Systembetreibers (Franchisegebers).186 Gleichwohl hat sich nicht zu Unrecht gegen diese Konstruktion Kritik erhoben, da insbesondere an den Kriterien der Erkennbarkeit und der Schutzbedürftigkeit gezweifelt werden kann.187 Zur Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, der als Ausnahme des Grundsatzes der Relativität von Schuldverhältnissen verstanden werden muss, ist zunächst der bestimmungsgemäße Kontakt des Dritten mit deren jeweiligen Leistung (Leistungsnähe) und regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an dem Schutz des Dritten (Gläubigernähe) erforderlich.188 Der Kunde des Franchisenehmers kommt dabei schon deshalb mit der Leistung des Franchisegebers in Kontakt, da er der bestimmungsgemäße Abnehmer der vom Franchisegeber entwickelten Systemleistung ist.189 Darüber hinaus kann man annehmen, dass der Franchisenehmer als Gläubiger bereits aus den vertraglichen Pflichten seinen Kunden gegenüber ein Interesse an deren Einbeziehung in sein Verhältnis zum Franchisegeber hat, zumal die franchisevertragliche Leistung zumindest partiell auch dem Kunden zugutekommen soll.190 Dies dürfte zwar nicht nach den Maßstäben der restriktiven „Wohl-und-Wehe-Formel“ genügen, die eine Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag fordert,191 wohl aber 184 Der BGH erklärt die Frage der Rechtsgrundlage sogar für „gleichgültig, vgl. BGH. Urt. v. 11.1.1977 – VI ZR 261/75, NJW 1977, 2073 (2074). 185 Zu dieser Einschätzung gelangt auch Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 299. 186 Teubner, ZHR 154 (1990), 295 (321). 187 Zu der Kritik vgl. bereits Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 299 ff. 188 Vgl. zu den Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Liebmann, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 116 ff.; Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 112 ff. mwNachw. 189 Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 300 f. 190 Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 301. 191 BGH, Urt. v. 26.11.1968 – VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91 (96); BGH, Urt. v. 2.11.1983

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für die extensivere und mittlerweile allgemein anerkannte Auffassung, nach der schon ein besonderes Näheverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Dritten genügen soll.192 Hierfür soll gerade auch eine rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen den beiden ausreichen.193 Darüber hinaus ist zur Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch die Erkennbarkeit der jeweiligen Nähebeziehung durch den Schuldner (hier also durch den Franchisegeber) erforderlich, deren Bejahung an dieser Stelle zweifelhaft ist. Dieses Merkmal verfolgt das Ziel, den Anwendungsbereich des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter möglichst eng zu halten und unabsehbare Folgen für den Schuldner zu vermeiden.194 Diese Engführung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Relativität der Schuldverhältnisse geboten, die bei einem Vertrag mit Schutzwirkung durchbrochen wird. Für die Erkennbarkeit der jeweiligen Nähebeziehung ist zwar keine zahlenmäßig abschließend bekannte Personengruppe erforderlich, sehr wohl muss der geschützte Personenkreis jedoch überschaubar, folglich objektiv abgrenzbar sein.195 Dies dürfte zumindest für Franchisesysteme, die im Massengeschäft arbeiten, wie beispielsweise Fastfoodketten, zu verneinen sein.196 Je geringer die Anzahl potentieller Adressaten der Franchiseleistung ist und mithin die Vertragspartner des Franchisenehmers, desto eher kann aber die Erkennbarkeit angenommen werden.197 Ebenso lässt sich an der Schutzbedürftigkeit des Dritten zweifeln. Diese soll in erster Linie vorliegen, wenn dem Dritten kein direkter gleichwertiger (vertraglicher) Anspruch gleichen Inhalts zusteht, der seine Interessen in gleicher Weise schützt.198 Für die Subsumption des Franchising unter die Voraus– IV a ZR 20/82, NJW 1984, 355 (356); BGH, Urt. v. 26.6.2001 – X ZR 231/99, NJW 2001, 3115 (3116). 192 BGH, Urt. v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, BGHZ 69, 82 (86); BGH, Urt. v. 2.7.1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168 (172); BGH, Urt. v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1 (9); vgl. hierzu auch Liebmann, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 118; Soergel/Hadding, BGB, § 328 Rn. 15. 193 Soergel/Hadding, BGB, Anh. § 328 Rn. 15; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 186 mwNachw. 194 Vgl. hierzu Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 93; Liebmann, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 118. 195 BGH, Urt. v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1 (10); hierzu auch Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 81; Liebmann, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 118 f.; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 190 mwNachw. 196 So auch Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 301; vgl. auch Soergel/Hadding, BGB, Anh. § 328 Rn. 17. 197 Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 301. 198 BGH, Urt. v. 18.2.2014 – VI ZR 383/12, BGHZ 200, 188 (Rn. 11); vgl. auch Liebmann, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 119; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 191 mwNachw.

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setzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wurde hierzu bereits zutreffend festgestellt, dass aufgrund der vertraglichen Ansprüche gleichen Inhalts des Kunden (Dritter) dem Franchisenehmer (Gläubiger) gegenüber die Schutzbedürftigkeit des Dritten abgelehnt werden müsse.199 Eine Haftungskumulation soll gerade nicht durch die Konstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ermöglicht werden.200 Dieses Argument versagt im vorliegenden Fall jedoch, da hier gerade keine Haftung in Rede steht, sondern die Begründung einer Wissensorganisationspflicht (bzw. -obliegenheit) dem Dritten gegenüber. Der Kunde hat allerdings keinen Anspruch dem Franchisenehmer gegenüber auf die Wissensweitergabe des Franchisegebers an den Franchisenehmer – dies schon allein deshalb, da dies ein Vertrag zulasten Dritter wäre. Eine gemeinsame Wissensorganisation samt Wissensweiterleitung vom Franchisegeber zum Franchisenehmer ist nur seitens des Franchisegebers möglich. Insofern müsste nach der oben gegebenen Definition der Schutzbedürftigkeit diese vorliegen, da der Kunde auf andere Weise gerade nicht seine Interessen durch eine gemeinsame Wissensorganisation schützen kann. Aufgrund dessen muss hier neu über die Schutzwürdigkeit zur Begründung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nachgedacht werden. Diese Überlegung soll einerseits geleitet sein von dem Zweck dieses Tatbestandsmerkmals, der in der Eingrenzung dieses Rechtsinstituts und dem Schutz vor einer sonst ausufernden Aushöhlung des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse liegt.201 Andererseits dient § 242 BGB, der wohl als Anknüpfungspunkt der Konstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu erkennen ist,202 als Leitlinie. Zur Feststellung der Schutzbedürftigkeit ist somit eine Interessenabwägung nach Treu und Glauben vorzunehmen.203 Dabei muss allerdings abseits des Interesses des Kunden, eine möglichst umfangreiche Wissenszurechnung zu ermöglichen, auch das Interesse des Franchisegebers als Schuldner berücksichtigt werden. In Bezug darauf wurde jedoch oben bereits festgestellt, dass diesen gerade keine 199

Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 302. MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 191. 201 Vgl. zum Erfordernis einer restriktiven Auslegung BGH, Urt. v. 2.7.1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168 (174); BGH, Urt. v. 12.1.2011 – VIII ZR 346/09, ZIP 2011, 719 (Rn. 11); Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 75; Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 112. 202 Vgl. hierzu Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 159 ff.; Schütz, Schadensersatzansprüche aus Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte, 1974, S. 141; Puhle, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und Drittschadensliquidation, 1982, S. 44 f.; Dickes, Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte in den Fällen der Auskunftshaftung, 1992, S. 45 ff.; Riesenhuber, Die Rechtsbeziehung zwischen Nebenparteien, 1997, S. 155. 203 BGH, Urt. v. 18.2.2014 – VI ZR 383/12, BGHZ 200, 188 (Rn. 11). 200

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allgemeine Pflicht zur Wissensorganisation mit dem Franchisenehmer trifft, sondern dass ihm auch die Möglichkeit zukommt, sein Franchisesystem dezentral zu leiten.204 Durch die Etablierung einer Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation würde dem Franchisegeber jedoch genau diese Möglichkeit genommen werden. Er wäre den Kunden des Franchisenehmers gegenüber verpflichtet, eine gemeinsame Wissensorganisation zu betreiben (zu der Möglichkeit der Begründung einer Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation als Ausfluss aus den Schutzpflichten eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vgl. sogleich), sodass stets sein Wissen dem Franchisenehmer zugerechnet werden müsste. Insofern wäre auch das Kriterium der Zumutbarkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation im Rahmen der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung obsolet. Daher ist davon auszugehen, dass der Dritte im Hinblick auf die Begründung einer gemeinsamen Wissensorganisation aus einem Vertrag zu seinen Gunsten nicht schutzbedürftig ist. Die Konstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist somit nicht nur im Bereich der Haftung im Allgemeinen, sondern auch in Bezug auf eine daraus resultierende Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation abzulehnen.205 cc) Der Vertrag mit Schutzwirkung als Grundlage einer gemeinsamen Wissensorganisation Darüber hinaus ist fraglich, ob – die (dogmatisch schwerlich begründbare) Konstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Franchising vorausgesetzt – sich hieraus eine Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation zwischen Franchisenehmer und -geber konstruieren ließe. Mit der Begründung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entsteht zwischen dem Gläubiger des originären Vertrages (hier des Franchisegebers) und dem Dritten ein originäres vertragsähnliches, gesetzliches Schuldverhältnis, das eigene Schutz- und Obhutspflichten dem Dritten gegenüber (§ 241 Abs. 2 BGB) enthält.206 Einen Leistungsanspruch erwirbt der Dritte jedoch nicht.207 204

Vgl. bereits oben § 12 C.II.2.a). Ablehnend (in Bezug auf die Haftung) auch Klein, Der Franchisevertrag, 2015, S. 299 ff. 206 MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 169; vgl. hierzu auch Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 145 ff.; Esser/Schmidt, SchuldR AT II, § 34 IV 2.b); Lorenz, JZ 1960, 108 (112); Erman/Bayer, BGB, § 328 Rn. 59, 66, 73; Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 111, 135. 207 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 2.7.1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168 (170); Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 102; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 181; Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 137; Soergel/Hadding, BGB, Anh. § 328 Rn. 19; Erman/Bayer, BGB, § 328 Rn. 73. 205

C. Wissenszurechnung in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen

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Regelmäßig steht zwar die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Fokus und zugegebenermaßen war auch die Schaffung einer vertraglichen Haftungsmöglichkeit und damit die Beiseitestellung eines anderen Haftungsregimes als der deliktischen Haftung mit ihren Schwächen (keine unbedingte Einstandspflicht für Gehilfen; Beweislast grundsätzlich vollständig auf Geschädigtenseite; hohe Voraussetzung für den Ersatz primärer Vermögensschäden, vor allem bei Vorsatz, vgl. §§ 823 Abs. 2, 826 BGB) der originäre Grund für die Schaffung dieser Konstruktion.208 Gleichwohl lassen sich die Pflichten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch abstrakt prüfen. Insofern ist die Verkürzung der Konstruktion des Vertrages mit Schutzwirkung auf die Haftung für die Verletzung von Schutz- und Obhutspflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB zwar vor dem Hintergrund praktischer Relevanz verständlich, verstellt jedoch den Blick auf die Frage nach der Reichweite der Schutzpflichten dem Dritten gegenüber, die hier von Relevanz ist. So ließe sich argumentieren, dass aus der Schutzpflicht des Franchisegebers dem Dritten gegenüber die Pflicht zu einer gemeinsamen Wissensorganisation zwischen dem Franchisegeber und dem Franchisenehmer hergeleitet werden kann. Hierfür müsste aus der Pflicht des Franchisegebers zum Schutz des Dritten abgeleitet werden, dass die ihn betreffenden Informationen (im Rahmen datenschutzrechtlicher Grenzen und unter Beachtung etwaiger Verschwiegenheitspflichten) zwischen dem Franchisegeber und Franchisenehmer zirkulieren können. Dies hätte eine möglichst weitreichende Kenntnis seines Vertragspartners (des Franchisenehmers) zur Folge. Dies dürfte sich für den Dritten als Geschäftspartner des Franchisenehmers (abseits datenschutzrechtlicher Erwägungen) in der Regel positiv auswirken, da die Rechtsfolgen, die an die Kenntnis (oder das Kennenmüssen) gestellt werden, den Wissenden regelmäßig einseitig belasten bzw. im Umkehrschluss eine Verbesserung der Rechtstellung des anderen Teils mit sich bringen.209 Insofern ließe sich darüber nachdenken, ob sich aus der Schutzpflicht des Franchisegebers dem Dritten gegenüber, der regelmäßig ein Interesse an der Weiterleitung haftungsrelevanter Tatsachen haben dürfte, eine Pflicht zur Wissensübermittlung der jeweiligen erforderlichen Informationen herleiten lässt. Dagegen spricht jedoch, dass in diesem Fall der Pflichtenumfang dem Dritten gegenüber ein anderer wäre als dem Vertragspartner gegenüber, da innerhalb nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen auch die Möglichkeit bestehen muss, den Verbund dezentral zu organisieren, und somit grundsätzlich keine allgemeine Wissensorganisationspflicht existiert.210 Die 208 Vgl. nur Liebmann, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 35 ff.; Esser/Schmidt, SchuldR AT II, § 34 IV 2.; Larenz, NJW 1956, 1194 (1194); Lorenz, JZ 1960, 108 (109). 209 Vgl. hierzu bereits oben § 4 B. und § 4 C. 210 Vgl. hierzu bereits oben § 12 C.II.2.a).

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

Schutzpflichten, die dem Dritten gegenüber bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bestehen, richten sich jedoch grundsätzlich nach dem originären Vertrag und sollen nicht weiter gehen als diejenigen gegenüber dem Vertragspartner.211 Da zwischen dem Dritten und dem Schuldner kein Vertrag geschlossen wurde, kann auch kein „Mehr“ an Pflichten des Schuldners gegenüber dem Dritten abgeleitet werden, sodass der geschützte Dritte keine weitergehenden Ansprüche erwerben kann als der Gläubiger.212 Insofern ergibt sich die Begründung für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zwar aus Gesetz – der Umfang des hierdurch gewährten Schutzes wird allerdings maßgeblich durch das zugrunde liegende Schuldverhältnis geprägt. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes hat der BGH bislang nur im Fall von Kindern zugelassen, die durch heterologe Insemination gezeugt wurden, die auch dann einen Anspruch auf Auskunft über ihren biologischen Vater auf Grundlage eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haben, wenn die (rechtlichen) Eltern des Kindes in dem Behandlungsvertrag mit dem Arzt bzw. der Klinik auf die Namensnennung des (Fremd-)Samenspenders verzichtet haben.213 Ob eine solche Ausnahme jedoch auch hier, wo keine derart grundrechtsaufgeladene Konstellation in Rede steht, angezeigt ist, darf bezweifelt werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Pflichteninhalt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in der vorliegenden Konstellation der gleiche sein muss wie derjenige in der originären Vertragsbeziehung zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer. Dieses Vertragsverhältnis wird ausgeweitet und dessen Schutz auf einen Dritten erstreckt, sodass von einer Spiegelbildlichkeit der Schutzpflicht gegenüber dem Vertragsgläubiger und derjenigen gegenüber dem Dritten auszugehen ist. Und da der Franchisegeber auch nicht dem Franchisenehmer gegenüber verpflichtet ist, eine gemeinsame Wissensorganisation einzurichten, so ist er hierzu auch nicht dem Dritten gegenüber verpflichtet. dd) Zwischenfazit Die Konstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Rahmen des Franchisings ist mithin nicht nur grundsätzlich in Bezug auf die

211

Vgl. hierzu Liebmann, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 2006, S. 120; Soergel/Hadding, BGB, Anh. § 328 Rn. 19; Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 137. 212 BGH, Urt. v. 7.11.1960 – VII ZR 148/59, BGHZ 33, 247 (250); BGH, Urt. v. 15.6.1971 – VI ZR 262/69, BGHZ 56, 269 (272). 213 BGH, Urt. v. 28.1.2015 – XII ZR 201/13, NJW 2015, 1098 (Rn. 63); Vgl. hierzu auch Staudinger/Klumpp (2020), BGB, § 328 Rn. 138.

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Haftung des Schuldners dem Dritten gegenüber, sondern ebenso in Bezug auf eine gemeinsame Wissensorganisation abzulehnen. Zum einen lässt sich die franchisetypische Personen- und Vertragskonstellation nicht unter die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter subsumieren. Zum anderen lässt sich – eine solche Subsumptionsmöglichkeit vorausgesetzt – über die damit einhergehenden Schutzpflichten des Franchisegebers dem Dritten gegenüber keine Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation mit dem Franchisenehmer konstruieren. e) Informationsaustausch durch gemeinsame Gremien (Franchisebeiräte) Insbesondere in Franchisesystemen finden sich mittlerweile regelmäßig gemeinsame Organe der Systempartner (Franchisegeber und Franchisenehmer), die konzeptionell dem Informationsaustausch dienen. Sog. Franchisebeiräte werden zumeist aufgrund vertraglicher Grundlage (oder – mittlerweile nur noch in Ausnahmefällen – im Zuge faktischer Entwicklungen) gegründet, um die Kommunikation zwischen dem Franchisegeber und den Franchisenehmern sowie zwischen den verschiedenen Franchisenehmern untereinander zu gewährleisten und den Informationsaustausch zu verinstitutionalisieren.214 Neben dem Franchisegeber sitzen dort (Vertreter der) Franchisenehmer, die in der Regel durch Wahl dorthin entsandt werden; teilweise besteht sogar die Möglichkeit, den Beirat nur mit Franchisenehmern zu besetzen und dem Franchisegeber durch ein bloßes Anwesenheitsrecht eine passive Rolle zuzubilligen.215 Diese Beiräte dienen insbesondere dem Zweck, Franchisenehmer in die Entwicklung des Franchisesystems mit einzubeziehen und den Franchisegeber in Fragen der Geschäftspolitik zu beraten (wobei ihnen jedoch keine Entscheidungskompetenz zukommt).216 Darüber hinaus können solche institutionalisierten Beiräte für den Franchisegeber die Möglichkeit schaffen, regelmäßig mit den Franchisenehmern in Kontakt zu treten und sich bei ihnen ein Stimmungsbild einzuholen; dabei findet auch regelmäßig eine Berichterstattung über den Ist-Zustand des Franchisesys-

214

Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 123 f.; Blaurock, FS Werner (1984), S. 23 (27 f.); Metzlaff/Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, 2003, § 8 Rn. 234; vgl. die Empfehlung des Deutschen Franchiseverbands e.V., in: Metzlaff (Hrsg.), Praxishandbuch Franchising, S. 1088. 215 Blaurock, FS Werner (1984), S. 23 (27 f.); Metzlaff/Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, § 8 Rn. 234; zum bloßen Anwesenheitsrecht des Franchisegebers vgl. die Empfehlung des Deutschen Franchiseverbands e.V., in: Metzlaff (Hrsg.), Praxishandbuch Franchising, S. 1087. 216 Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 123 f.; Blaurock, FS Werner (1984), S. 23 (28); Metzlaff/Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, § 8 Rn. 234; vgl. die Empfehlung des Deutschen Franchiseverbands e.V., in: Metzlaff (Hrsg.), Praxishandbuch Franchising, S. 1087.

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

tems statt.217 Franchisebeiräte zeichnen sich somit durch ihren kommunikativen Charakter aus, durch den Erfahrungsaustausch sowie durch die gegenseitige Information, Beratung und den Gedankenaustausch zwischen den Partnern.218 Wenn ein institutioneller Informationsaustausch zwischen Systempartnern durch einen Beirat gewährleistet wird, stellt dies letztlich auch eine Form einer gemeinsamen Wissensorganisation dar. Diese Gremien sorgen für einen netzwerkartigen Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern, sodass sich die Frage stellt, inwiefern aufgrund dessen Wissen zwischen den Systempartnern zugerechnet werden kann. Hierbei kommt der Ausrichtung des Gremiums eine entscheidende Bedeutung zu, wie anhand der unterschiedlichen Gestaltungsoptionen für Franchisebeiräte gezeigt werden soll. aa) Differenzierung nach Gestaltung des Gremiums Zunächst besteht die Möglichkeit, dass der Beirat lediglich eine beratende Stellung einnimmt.219 Im Rahmen einer solchen Beratung, die sich in der Regel auf die Ausrichtung des Franchisesystems und der Geschäftspolitik bezieht, dürften jedoch regelmäßig nur wenig Informationen anfallen, die für eine Zurechnung relevant werden könnten. Darüber hinaus verpflichtet die bloße Beratung auch nicht zu einem konkreten Informationsaustausch. Ebenso wenig ist ein konkreter Informationsaustausch verpflichtend, wenn der Franchisebeirat lediglich für einen losen Gedankenaustausch sorgen und den Systempartnern die Möglichkeit geben soll, sich dem Kollegium mitzuteilen oder auch Probleme zu diskutieren.220 In diesem Fall liegt es immer noch in der Hand jedes einzelnen Systempartners, welche Informationen er weitergibt. Einen Einfluss anderer Teilnehmer auf die weitergegebenen Informationen oder gar eine Pflicht zur Weitergabe bestimmter Informationen besteht hingegen nicht. Mithin haben die anderen Systempartner mangels Anspruch auf bestimmte Informationen keine (rechtlich) abgesicherte Möglichkeit, an bestimmte Informationen zu gelangen, was jedoch eine Grundvoraussetzung der Wissenszurechnung wäre. Wenn jedoch der Beirat so ausgestaltet ist, dass Berichtspflichten bestehen und die Systemteilnehmer bestimmte Informationen innerhalb des Gremiums mitzuteilen haben, kann dies sehr wohl einen Anknüpfungspunkt für die

217 Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 124; vgl. auch die Empfehlung des Deutschen Franchiseverbands e.V., in: Metzlaff (Hrsg.), Praxishandbuch Franchising, S. 1088. 218 Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 124. 219 Vgl. hierzu Metzlaff/Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, § 8 Rn. 235; dazu auch Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 124. 220 Vgl. hierzu Skaupy, Franchising, 2. Aufl. 1995, S. 124.

C. Wissenszurechnung in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen

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Wissenszurechnung darstellen. In diesem Fall ist die Wissensabfrage nicht nur zumutbar, sondern sogar vertraglich oder durch die Beiratssatzung vereinbart, sodass eine rechtlich abgesicherte Möglichkeit zur Weiterleitung der berichtspflichtigen Tatsachen besteht. Ist der Beirat so konstruiert, findet über die berichtspflichtigen Tatsachen innerhalb des Gremiums ein Austausch statt, sodass eine Weiterleitung stattfindet. In diesem Rahmen können insofern berichtspflichtige Informationen zwischen den Gremienmitgliedern zugerechnet werden. bb) Differenzierung nach Art der Informationen Wie dargestellt, bedarf es einer Berichtspflicht über diejenigen Tatsachen, die zugerechnet werden sollen, wobei zu prüfen ist, welche Tatsachen berichtspflichtig sein können. Nach der Zielsetzung des Beirats werden dies insbesondere franchiseinterne Informationen sein, die der Entwicklung des Franchisesystems dienen oder Systemfehler aufdecken sollen.221 Daher ist davon auszugehen, dass regelmäßig vor allem systeminterne Informationen ausgetauscht werden. Im Anwendungsbereich der Wissenszurechnung werden jedoch zumeist drittbezogene Informationen in Rede stehen, die zugerechnet werden sollen, sodass eine gemeinsame Wissensorganisation über systeminterne Informationen nur wenig hilfreich ist. Anderes gilt allerdings, wenn ausnahmsweise systeminterne Informationen zugerechnet werden sollen. Denkbar ist dies beispielsweise in den sog. Altlastenfällen, etwa wenn der Käufer eines mit Altlasten kontaminiertes Grundstücks, dessen Eigentümer zwar der Franchisegeber ist, es jedoch durch einen Franchisenehmer gepachtet und genutzt wurde, Mängelgewährleistungsrechte gegen den Franchisegeber als Verkäufer des Grundstücks geltend macht, obwohl ein Gewährleistungsausschluss vereinbart wurde.222 Auf diesen Gewährleistungsausschluss kann sich der Verkäufer (hier der Franchisegeber) gem. § 444 Alt. 1 BGB nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Dabei ist auch zu untersuchen, ob er Kenntnis von dem Mangel hatte, wobei ihm eine etwaige Kenntnis des nutzenden Franchisenehmers zugerechnet werden kann, wenn hierüber im Rahmen einer Beratung im Franchisebeirat gesprochen wurde (vorausgesetzt, es handelt sich in concreto um eine Tatsache, die innerhalb des Unternehmens des Franchisegebers aktenmäßig festzuhalten, an die zuständige Stelle weiterzugeben und von dem zuständigen Mitarbeiter abzurufen war). 221 Metzlaff/Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, § 8 Rn. 234 f.; vgl. auch die Empfehlung des Deutschen Franchiseverbands e.V., in: Metzlaff (Hrsg.), Praxishandbuch Franchising, S. 1087. 222 Zu den sog. Altlastenfällen vgl. beispielhaft BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30.

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§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

Darüber hinaus können aber auch drittgerichtete Informationen innerhalb des Franchisebeirats relevant werden, wenn sie gleichzeitig eine Relevanz im Franchisesystem aufweisen. Beispielsweise wenn die Informationen einen gemeinsamen (Groß-)Kunden oder Zulieferer betreffen, der für das Gesamtfranchise oder zumindest für Teile davon von Bedeutung sind. Hier dürfte den Franchisebeiräten die größte Bedeutung für die Wissenszurechnung zukommen. cc) Differenzierung nach Systempartnern Darüber hinaus ist im Rahmen solcher Gremien zum Informationsaustausch zu beachten, dass eine Zurechnung grundsätzlich nur zwischen den Gremienmitgliedern möglich ist. Wenn hingegen in einem Franchisebeirat nicht sämtliche Systempartner vertreten sind, sondern beispielsweise nur ausgewählte Franchisenehmer,223 kann den nicht-teilnehmenden Franchisenehmern, die somit an dem Informationsaustausch nicht teilnehmen konnten und mithin nicht an der Wissensweitergabe beteiligt waren, auch nicht das Wissen des Beirates zugerechnet werden. In diesen Fällen können nicht-teilnehmenden Franchisenehmern nur solche Informationen zugerechnet werden, die sie im Rahmen der Berichterstattung des Beirates von diesem erfahren haben.224 dd) Zwischenfazit Insofern bleibt festzuhalten, dass durch gemeinsame Gremien zum Informationsaustausch – wie etwa im Rahmen von Franchisebeiräten – zwar eine gemeinsame Wissensorganisation stattfinden kann, sodass hier (je nach Konzeption des Beirates, jedenfalls bei konkreten Berichtspflichten) auch eine Wissenszurechnung möglich ist. Allerdings dürfen die Auswirkungen auf zurechnungsfähige Informationen aufgrund der Konzeption der Beiräte nicht überbewertet werden. Insbesondere darf nicht schon von der Existenz eines Franchisebeirats auf eine vollständige Wissensorganisation zwischen den beteiligten Franchisepartnern geschlossen werden, da dort grundsätzlich keine allgemeine Berichtspflicht über alle aktenmäßig festzuhaltenden Informationen aus den einzelnen Betrieben besteht, sondern allenfalls über solche Informationen, die für das gesamte Franchisesystem (oder zumindest für Teile des Systems) von Bedeutung sind. In dem Umfang, in dem eine Berichtspflicht innerhalb der Franchisebeiräte besteht, findet jedoch zwischen den Franchisepartnern eine beherrsch223

Zu dieser Möglichkeit vgl. implizit Metzlaff/Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, § 8 Rn. 234, 236. 224 Zur Informationspflicht des Beirates vgl. die Empfehlung des Deutschen Franchiseverbands e.V., in: Metzlaff (Hrsg.), Praxishandbuch Franchising, S. 1089.

C. Wissenszurechnung in nicht-konzernierten Unternehmensverbindungen

375

bare Informationsweiterleitung statt, sodass auch eine Wissenszurechnung möglich ist. Sind diese Informationen dann bei dem Vertreter des Franchisepartners vorhanden, erfolgt die weitere Zurechnung bei diesem Partner nach den Grundsätzen der unternehmensinternen Wissenszurechnung.225 3. Fazit Ähnlich wie bereits in § 11 dieser Arbeit für den Konzern festgestellt, kommt der Zumutbarkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation auch im Rahmen nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen eine zentrale Rolle zu. Hierbei ist – genauso wie im Konzern – davon auszugehen, dass allein aus der Verbundenheit keine allgemeine Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation entsteht, sodass die Verbundparteien die Möglichkeit haben, ihren Verbund dezentral zu organisieren. Damit einher geht auch, dass sie die Möglichkeit haben müssen, gerade keine gemeinsame Wissensorganisation zu etablieren. Dies führt dazu, dass die Zumutbarkeit der Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation positiv festgestellt werden muss. Die gemeinsame Wissensorganisation zwischen den Verbundteilnehmern ist allerdings in jedem Fall insoweit zumutbar, wie eine Pflicht zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation besteht. Dies gilt insbesondere für gemeinsam genutzte Informationssysteme, wie sie etwa als Qualitätssicherungsmaßnahme, in der Just-in-time-Produktion oder auch im Rahmen eines zentralisierten, straff geführten Franchisesystems in der Praxis vorkommen. Abseits von gemeinsam genutzten Informationssystemen, bei einer bloßen Möglichkeit zur Informationsabfrage, ist demgegenüber eine gemeinsame Wissensorganisation nur im Einzelfall zumutbar. Dies gilt vor allem, wenn in Subordinationsverhältnissen durch eine gemeinsame Außendarstellung, wie beispielsweise im Franchising, der Eindruck von Geschlossenheit suggeriert wird, und lässt sich dort über den Gedanken des Einstehens für Repräsentanten begründen. Zudem ist eine gemeinsame Wissensorganisation bei intensiv geführten Verbundsystemen grundsätzlich zumutbar. Demgegenüber dürfte die Bedeutung eines Informationsaustausches durch gemeinsame Gremien, wie etwa Franchisebeiräte, aufgrund der Ausrichtung dieser Gremien auf das Innenleben dieser Systeme eher gering sein. Die Herleitung einer allgemeinen Pflicht zur gemeinsamen Wissensorganisation einem Dritten gegenüber im Wege der Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritten ist darüber hinaus abzulehnen.

225

Vgl. hierzu bereits oben § 10.

376

§ 12 Wissenszurechnung in der nicht-konzernierten Unternehmensverbindung

D. Fazit Wenn bereits für den Konzern festgestellt wurde, dass eine einheitliche Wissensorganisation aufgrund der unterschiedlichen Gestaltungsformen nicht besteht, so muss dies für nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen gleichviel mehr gelten. Aufgrund der Vielgestaltigkeit solcher Unternehmensverbindungen, die insbesondere durch die nahezu unbegrenzte Vielzahl der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten begünstigt wird, fällt es schwer, die Übertragung des Konzepts der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auf diese unternehmensrechtlichen Gestaltungsformen prägnant darzustellen. Letztlich können hier nur Leitlinien und Grundsätze in Bezug auf typische Systemgestaltungen aufgestellt werden, die im Einzelfall für die jeweilige Unternehmensverbindung zu überprüfen sind. Die wertende Wissenszurechnung wird in nicht-konzernierten, vertraglich strukturierten Unternehmensverbindungen stark von der jeweiligen Vertragsgestaltung beeinflusst und beschränkt. So muss die Möglichkeit der Informationsweitergabe in der Regel durch Vertrag in Form von Informationsansprüchen fixiert sein. Abseits dessen besteht eine Zugriffsmöglichkeit auf Informationen der anderen Verbundparteien aufgrund von Verschwiegenheitspflichten der Organe und der Mitarbeiter der verschiedenen Unternehmen grundsätzlich nicht, sondern nur bei einer freiwilligen Informationsweitergabe (unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Grenzen). Ob eine gemeinsame Wissensorganisation zumutbar ist, ist vor allem von der Frage abhängig, ob (neben einem Anspruch auf Informationsweitergabe) eine Pflicht zur Informationsweitergabe besteht. Abseits von vertraglich fixierten gemeinsamen Informationssystemen, wie sie etwa als Qualitätssicherungsmaßnahme im Rahmen der Just-in-time-Produktion üblich sind, ist dies jedoch die Ausnahme. Insbesondere ist eine gemeinsame Wissensorganisation allerdings dennoch zumutbar bei intensiv geführten Systemen mit starker Einflussnahme einer Partei oder im Bereich einer gemeinsamen Außendarstellung, wenn hierdurch der Eindruck von Geschlossenheit suggeriert wird.

Fünfter Teil

Resümee

§ 13

Thesen zum zweiten Teil – Grundlagen der Wissenszurechnung 1. Eine exakte (juristische) Definition des Begriffs „Wissen“ ohne Rückgriff auf unbestimmte Rechtsbegriffe ist nicht möglich. Der Wissensbegriff ist vielmehr durch den unbestimmten und wertungsoffenen Grundsatz von Treu und Glauben erweitert, sodass die Rechtsfolgen, die an die positive Kenntnis gestellt werden, nur eintreten, sofern der potentiell Wissensbelastete nach diesem Maßstab dazu befähigt – gleichsam dann aber auch verpflichtet – ist, in seinem Verhalten die betreffende Tatsache berücksichtigen zu können. 2. Der Zweck der Fremdzurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen liegt in der Gewährleistung der Anwendung von Bezugsnormen und der Sicherung der ratio legis dieser Normen, die entweder durch eine bewusste, missbräuchliche oder aber durch eine unbewusste, bloß durch die Arbeitsteilung in Kauf genommene Umgehung gefährdet sein kann. 3. Die Fremdzurechnung im Rahmen arbeitsteiliger Organisationen rechtfertigt sich vor allem durch den gesetzgeberischen Willen, einen Ausgleich der Risikoverteilung zu erreichen, die durch die Erweiterung des Einflussbereichs in Folge der Arbeitsteilung in Ungleichgewicht gebracht wird. Zwar profitiert regelmäßig auch der andere Teil von der Arbeitsteilung, allerdings spricht insbesondere die Veranlassung und Unterhaltung der Arbeitsteilung durch den Geschäftsherrn sowie seine daraus folgenden Einflussnahmemöglichkeiten dennoch für die grundsätzliche Möglichkeit der Zurechnung. Die Rechtfertigung über Vertrauensschutzerwägungen greift hingegen – insbesondere im nicht-rechtsgeschäftlichen Verkehr – zu kurz und kann daher allenfalls subsidiär herangezogen werden. 4. Das deutsche Zivilrecht kennt keine allgemeine Wissenszurechnungsnorm. Am ehesten kommt § 166 Abs. 1 BGB aufgrund seines weiten Anwendungsbereichs diese Funktion zu. Insbesondere in Bezug auf arbeitsteilige Organisationen bestehen jedoch erhebliche Schutzlücken, die arbeitsteiligen Organisationen eine weitreichende Wissenssegmentierung erlauben würden. Vor allem die Beschränkung auf die Zurechnung handlungsakzessorischen Wissens sowie die fehlende Zurechenbarkeit von Organwissen und die aus der fehlenden Zurechenbarkeit nicht-handlungsakzessorischen Wissens resultierende mangelnde Wissenszusammenrechnung attestieren mit Blick auf den Zweck der Zurechnung bei arbeitsteiliger Organisation die Notwendigkeit einer Wissenszurechnung, die über § 166 Abs. 1 BGB hinausgeht.

§ 14

Thesen zum dritten Teil – Die allgemeine wertende Wissenszurechnung 5. Die Theorie der absoluten Wissenszurechnung, die das Wissen von Mitgliedern des Vertretungsorgans einer juristischen Person unbedingt und ohne Berücksichtigung der Umstände der Kenntniserlangung oder der Beteiligung des Wissenden an dem konkreten Rechtsgeschäft zurechnet, ist abzulehnen. Nicht nur die fehlende dogmatische Begründung bzw. die unsubstantiierte Begründung unter Verweis auf die „Natur der Sache“, sondern vor allem erhebliche Wertungswidersprüche im Hinblick auf unterschiedliche arbeitsteilige Organisationen sprechen gegen eine solche absolute Wissenszurechnung. 6. Die in Rechtsprechung und Literatur herrschende „pflichtenbasierte“ wertende Wissenszurechnung ist abzulehnen. Zwar ist die Wertungsoffenheit dieses Zurechnungskonzepts zu begrüßen, jedoch lässt sich – abseits der noch immer nicht endgültig beantworteten Fragen nach der normativen Begründung sowie der dogmatischen Anknüpfung dieses Konzepts – insbesondere ihr Pflichtenbezug nicht aufrechterhalten. Dies gilt schon deshalb, da die Pflicht(verletzung) und die Zurechnung zwei unterschiedliche rechtliche Kategorien sind, die keinen gemeinsamen Nenner besitzen, und darüber hinaus im Rahmen dieses Wissenszurechnungskonzepts selbst bei einer fahrlässigen Verletzung von Wissensorganisationspflichten auch positives Wissen zugerechnet werden könnte. 7. Eine allgemeine Pflicht zur Wissensorganisation besteht nur im Innenverhältnis als Unternehmensorganisationspflicht. Im Außenverhältnis ist den sog. „Wissensorganisationspflichten“ als Grundlage der Wissenszurechnung ihr Pflichtencharakter abzusprechen. Vielmehr besteht eine Obliegenheit zur Wissensorganisation, bei deren Verletzung nach dem herrschenden „pflichtenbasierten“ wertenden Wissenszurechnungskonzept das typischerweise aktenmäßig festgehaltende Wissen der juristischen Person (oder anderen Unternehmensträgern) zugerechnet werden kann bzw. nach der hier vertretenen allgemeinen wertenden Wissenszurechnung die arbeitsteilige Organisation sich nicht von dem Verdikt der Wissenszurechnung befreien kann. 8. Das Wissen innerhalb arbeitsteiliger Organisationen wird neben der normierten Wissenszurechnung unter Zugrundelegung des allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzepts zugerechnet. Dieses Zurechnungskon-

382

§ 14 Thesen zum dritten Teil

zept ist anwendbar auf alle Formen arbeitsteiliger Organisation – gleichgültig, ob ihnen eine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt. Entscheidend ist alleine, dass sie über eine hinreichende Organisationsdichte verfügen. 9. Die allgemeine wertende Wissenszurechnung lässt sich in theoretischkonzeptioneller Hinsicht zweistufig denken: a) Auf der ersten Stufe erfolgt eine unbedingte Wissenszurechnung zur arbeitsteiligen Organisation. Dieser Schritt ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck der Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen, der in der Verhinderung einer unbilligen Wissensaufspaltung und der Aufrechterhaltung der Wissensverantwortung der Organisation liegt, und fügt sich zudem nahtlos in die allgemeinen Zurechnungslehren ein. b) Auf der zweiten Stufe erfolgt eine Korrektur dieser weiten Zurechnung, sofern eine ordnungsgemäße Wissensorganisation stattgefunden hat. Wie weit diese Wissensorganisation zu gehen hat und wann sie als angemessen anzusehen ist, bestimmt sich im Wege einer wertenden Betrachtung, die insbesondere die jeweilige Wissensnorm und ihren Regelungskontext in den Blick nimmt. Darüber hinaus hat sich die Wissensorganisation sowohl an der Möglichkeit als auch an der Zumutbarkeit der organisationsinternen Kommunikation in dem konkreten Fall zu orientieren. Diese Korrektur ergibt sich ebenso unmittelbar aus dem Zweck der Wissenszurechnung, da die arbeitsteilige Organisation im Fall einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation ihrer Wissensverantwortung nachkommt und einer unbilligen Wissensaufspaltung entgegengewirkt wird. 10. Normativ lässt sich die wertende Wissenszurechnung nicht über das Gleichstellungsargument und auch nicht (oder zumindest nur subsidiär) über den Gedanken des Vertrauensschutzes begründen. Im Rahmen der normativen Begründung ist dementsprechend vor allem auf den Gedanken einer angemessenen Risikoverteilung unter Beachtung der Risikobeherrschung abzustellen. Dabei sind nicht nur wissensnormunabhängige Aspekte der Risikozuweisung zu beachten, sondern ebenso der Regelungskontext der jeweiligen Wissensnorm zu berücksichtigen. 11. Die wertende Wissenszurechnung bei arbeitsteiliger Organisation lässt sich mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aufgrund klarer normativer Ableitungszusammenhänge de lege lata nur mithilfe einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung fundieren. Diese lässt sich insbesondere unter Zugrundelegung des rechtsethischen Prinzips der ausgeglichenen Risikoverteilung begründen. Subsidiär lässt sich eine solche Rechtsfortbildung auch mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs begründen. De lege ferenda ist insbesondere aus Klarstellungs- und Rechtssicherheitserwägungen eine Kodifizierung dieses Zurechnungskonzepts opportun.

§ 15

Thesen zum vierten Teil – Die wertende Wissenszurechnung in unterschiedlichen Organisationsformen 12. Mit einer absteigenden unternehmensrechtlichen Verbundenheit – wie sie etwa von dem Innenleben einer juristischen Person über eine konzernierte Unternehmensverbindung bis hin zu einer nicht-konzernierten, bloß vertraglich strukturierten Unternehmensverbindung erkennbar ist – erweitern sich auch die Grenzen der wertenden Wissenszurechnung. Insofern besteht eine Parallelität zwischen der Intensität der unternehmensrechtlichen Verbundenheit und den Grenzen der wertenden Wissenszurechnung, wobei in besonders engen Verbindungen das Wissen eher zugerechnet werden kann als in loseren Verbindungen.

A. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person 13. Das allgemeine wertende Wissenszurechnungskonzept eröffnet in Bezug auf die Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen die Möglichkeit der Zurechnung von Organwissen und auch von Mitarbeiterwissen gleichermaßen – unter Berücksichtigung der jeweiligen dem konkreten Zurechnungssubjekt und der Zurechnungssituation angepassten Grenzen. 14. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen ist ausgeschlossen, wenn die juristische Person bzw. der innerhalb der Organisation konkret Organisationsverpflichtete den Wissensfluss nicht in rechtlich zulässiger Weise steuern und beherrschen kann oder wenn ihm dies unzumutbar ist. Die Grenze der Unmöglichkeit der Wissensorganisation ist insbesondere bei Pflichtenkollisionen erreicht, die beispielsweise im Rahmen von Verschwiegenheitspflichten des Wissenden zulasten der Wissenszurechnung aufgelöst werden. Daneben können auch organisatorische Trennlinien innerhalb eines Unternehmens (Chinese Walls) den Wissensfluss begrenzen, worauf im Rahmen der Wissenszurechnung zu reagieren ist. 15. Nicht zuletzt kann die Quelle der Information selbst die Wissenszurechnung beeinflussen: Im Gegensatz zur Kenntniserlangung von Informationen im Rahmen der beruflichen bzw. organschaftlichen Tätigkeit für das

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§ 15 Thesen zum vierten Teil

Unternehmen muss bei privater Kenntniserlangung (etwa im Zusammenhang mit der Tätigkeit für ein anderes Unternehmen) neben den Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem anderen Unternehmen auch die Zumutbarkeit der Wissensweitergabe dieser Informationen besonders geprüft werden, wobei neben der erkennbaren Relevanz der Information auch die Stellung des Wissenden innerhalb der Gesellschaft zu berücksichtigen ist. Insbesondere wenn eine Offenbarungspflicht gegenüber der Gesellschaft bezüglich einer privat erlangten Information besteht, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Wissensweitergabe dem Wissenden unzumutbar ist. 16. Im Rahmen des Zuständigkeitsbereichs der jeweiligen Gesellschaftsorgane findet – schon um die Wissensfähigkeit der juristischen Person herzustellen – eine Zurechnung des Wissens des Gesamtorgans zur juristischen Person statt. 17. Es findet im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Organs grundsätzlich eine Zurechnung des Wissens des einzelnen Organmitglieds zum Gesamtgremium und damit auch zur juristischen Person statt, sofern eine diesbezügliche Offenbarungspflicht besteht, die vor allem durch Verschwiegenheitspflichten entfallen kann. 18. Eine Interorganzurechnung, die insbesondere bei Kenntnis eines unzuständigen Organs (bzw. Organmitglieds) bei gleichzeitiger Unkenntnis des zuständigen Organs relevant wird, scheidet in den meisten Fällen aufgrund mangelnder Wissensorganisationskompetenzen des konkret organisationspflichtigen Leitungsorgans gegenüber den anderen Organen sowie fehlender Durchsetzungs- und Überwachungsmöglichkeiten aus. Anderes gilt nur, sofern insbesondere der Aufsichtsrat tatsächlich in das Informationssystem des Unternehmens eingebunden ist und dort auch sein Wissen einspeist. Darüber hinaus kann der Gesellschaft – selbst wenn die wertende Wissenszurechnung ausscheidet – die Berufung auf ihr Nichtwissen gem. § 242 BGB versagt sein, wenn ein unzuständiges Organ von einer Tatsache Kenntnis erlangt, diese jedoch in treuwidriger Weise nicht rechtzeitig an das zuständige Organ weitergibt. 19. Neben der Möglichkeit zur horizontalen Wissenszurechnung auf Organebene kann nach dem allgemeinen wertenden Wissenszurechnungskonzept auch in vertikaler Richtung das Wissen von Mitarbeitern zugerechnet werden. Anders als im Rahmen der Interorganzurechnung verfügt das jeweilige Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan hier über die Möglichkeit zum Zugriff auf dieses Wissen und kann mittels Weisungsrechten die Nutzung von Informationssystemen durchsetzen.

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B. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb des Konzerns 20. Es besteht keine einheitliche Reichweite der wertenden Wissenszurechnung im Konzern. Die Reichweite ist insbesondere von der Konzernierungsform und der Zurechnungsrichtung abhängig. 21. Während im Rahmen von Gleichordnungskonzernen teilweise auf die Wissenszurechnung in juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften verwiesen werden kann (bei vertraglichen Gleichordnungskonzernen) und deshalb eine vergleichsweise weitgehende Wissenszurechnung (in Koordinierungsfragen) möglich ist, müssen sowohl für den faktischen Gleichordnungskonzern als auch für den Unterordnungskonzern die Grenzen der wertenden Wissenszurechnung neu gedacht werden. 22. Insbesondere im Unterordnungskonzern rücken die gesellschaftsrechtliche Trennung der konzernverbundenen Unternehmen und die selbst im Vertragskonzern fehlende allgemeine Konzernleitungspflicht in den Fokus der Überlegungen. Hieraus ergibt sich im Vergleich zur Wissenszurechnung innerhalb der juristischen Person eine deutlich eingeschränkte Beherrschungsmöglichkeit des konzerninternen Informationsflusses und darüber hinaus auch eine fehlende allgemeine Pflicht zur Wissensorganisation im Konzern (als Ausfluss der fehlenden Konzernleitungspflicht). 23. Da die wertende Wissenszurechnung dort ausscheiden muss, wo anderweitige Wertungen ihr entgegenstehen, insbesondere wo die Wissensorganisation (tatsächlich oder rechtlich) unmöglich (oder unzumutbar) ist, muss sie grundsätzlich ausscheiden, sofern keine Möglichkeit zur Beherrschung der Informationsweitergabe besteht. Dabei sind insbesondere im Unterordnungskonzern im Verhältnis von der Tochter- zur Muttergesellschaft die äußerst begrenzten Informationsansprüche zu beachten. Im umgekehrten Verhältnis bestehen dort je nach Konzernierungsform unterschiedlich weitreichende Informationsrechte der Muttergesellschaft. Vor allem im AGVertragskonzern, aufgrund des dortigen Weisungsrechts in § 308 AktG, und im GmbH-Konzern, aufgrund des Informationsanspruchs aus § 51a GmbHG und einer Annexkompetenz zum Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafterversammlung, verfügt sie über umfassende Möglichkeiten, den Informationsfluss von der Tochtergesellschaft zu ihr zu beherrschen. 24. Darüber hinaus ist die wertende Wissenszurechnung ohne rechtlich abgesicherte Möglichkeit der Beherrschung der Informationsweitergabe nur möglich im Rahmen einer freiwilligen Informationsweitergabe oder, aufgrund der Wertung des § 166 Abs. 2 BGB, bei veranlassten Maßnahmen (sowohl im faktischen Konzern als auch im Vertragskonzern). 25. Im Rahmen der Begrenzung der wertenden Wissenszurechnung im Konzern müssen auch die gesetzgeberischen Entscheidungen sowohl für das Trennungsprinzip als auch gegen eine allgemeine Konzernleitungspflicht Beachtung finden. Deshalb kann nur dort, wo durch eine funktionale Einheit

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(singulär, allgemein oder personell) die gesellschaftsrechtliche Trennung im Konzern überwunden wird, Wissen wertend zugerechnet werden. 26. Neben einer singulären funktionalen Einheit durch die Veranlassung einer Maßnahme ist vor allem im Rahmen eines intensiven Beherrschungsverhältnisses, des Outsourcings, der gemeinsamen Nutzung von Informationssystemen und des gemeinsamen Auftretens am Markt von einer funktionalen Einheit innerhalb des Konzerns auszugehen. Darüber hinaus entsteht auch durch Doppelmandatsträger eine funktionale Einheit in personeller Hinsicht, sodass deren Wissen – sofern keine anderen rechtlichen Grenzen, wie insbesondere die Verschwiegenheitsverpflichtung, dagegensprechen – auch innerhalb des Konzerns zugerechnet werden kann.

C. Die wertende Wissenszurechnung innerhalb der nichtkonzernierten Unternehmensverbindung 27. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen sind in der Regel austauschvertragliche (oder interessenwahrnehmungsvertragliche) Verbindungen. Zwar sind mitunter korporative und konzernierte Verbindungen denkbar, abseits dessen besteht allerdings die Notwendigkeit, nicht-konzernierte, bloß vertraglich-verbundene Unternehmen anzuerkennen. Regelmäßig sind Franchiseverbindungen und die Vertragsbeziehungen in Lieferketten in dieser Weise ausgestaltet. 28. Nicht-konzernierte Unternehmensverbindungen stellen – obwohl eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit fehlt – eine arbeitsteilige Organisation dar, sodass die Grundsätze der allgemeinen wertenden Wissenszurechnung auch auf diese Verbindungen übertragbar sind. Aus der Verschiedenheit nicht-konzernierter Unternehmensverbindungen gegenüber gesellschaftsrechtlichen Verbindungen ergibt sich jedoch die Notwendigkeit, die Grenzen dieses Zurechnungskonzepts neu zu setzen. Dabei ist die wertende Wissenszurechnung in nicht-konzernierten, vertraglich strukturierten Unternehmensverbindungen stark von der jeweiligen Vertragsgestaltung beeinflusst. 29. Die Informationsautonomie innerhalb des nicht-konzernierten Unternehmensverbundes verbleibt bei den beteiligten Unternehmen. Insofern besteht regelmäßig keine Grundlage für eine gemeinsame Wissensorganisation, außer eine solche wird vertraglich fixiert (wie etwa in Qualitätssicherungsvereinbarungen). Abseits dessen besteht grundsätzlich keine Zugriffsmöglichkeit auf Informationen der anderen Verbundparteien aufgrund von Verschwiegenheitspflichten der Organe und der Mitarbeiter der verschiedenen Unternehmen, sondern nur bei einer freiwilligen Informationsweitergabe. 30. Abseits des Kriteriums der Möglichkeit einer gemeinsamen Wissensorganisation kommt der Frage nach der Zumutbarkeit einer solchen Wis-

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sensorganisation eine zentrale Rolle zu. Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass allein aus der Verbundenheit keine allgemeine Pflicht zur gemeinsamen Verbundorganisation entsteht, sodass die Verbundparteien auch die Möglichkeit haben, ihren Verbund dezentral zu organisieren. Damit einher geht auch, dass sie die Möglichkeit haben müssen, gerade keine gemeinsame Wissensorganisation zu etablieren. 31. Die gemeinsame Wissensorganisation zwischen den Verbundteilnehmern ist in jedem Fall insoweit zumutbar, wie im Einzelfall eine Pflicht zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensorganisation besteht. Insofern ist die Frage, ob eine gemeinsame Wissensorganisation zumutbar ist, insbesondere davon abhängig, ob (neben einem Anspruch auf Informationsweitergabe) auch eine Pflicht zur Informationserlangung besteht. Abseits von vertraglich fixierten gemeinsamen Informationssystemen, wie sie etwa als Qualitätssicherungsmaßnahme im Rahmen der Just-in-time-Produktion üblich sind, ist dies allerdings die Ausnahme. Insbesondere ist eine gemeinsame Wissensorganisation jedoch dennoch zumutbar bei intensiv geführten Systemen mit starker Einflussnahme einer Partei oder im Bereich einer gemeinsamen Außendarstellung, wenn hierdurch der Eindruck von Geschlossenheit suggeriert wird.

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Sachregister Absatzmittler 330 Absolute Wissenszurechnung  53–56 AG-Konzern  238, 258–260, 262–265 – faktischer Konzern  255, 263–265, 273, 282 – Vertragskonzern  254 f., 262 f., 281 f. Allgemeine wertende Wissenszurechnung 89–166 – Anwendungsbereich  90–95, 233 f., 239 f., 333–335 – Beweislastverteilung 105–108 – dogmatische Verankerung  125–166 – Entwicklung 90–109 – hinreichende Organisationsdichte  91–94, 308 f., 334 – horizontale Zurechnung  96 – Kontextabhängigkeit  102 f. – Möglichkeit der Wissensorganisation  103 f. – Teilwissen 98 – vertikale Zurechnung  96 – wertungsmäßige Korrektur  99–105 – wissensnormabhängige Grenzen  102 f. – wissensnormunabhängige Grenzen  103– 105 – Wissenszusammenrechnung 98 – Zumutbarkeit der Wissensorganisation  104 f. – Zurechnungsgrund 117–125 – Zurechnungsobjekt 97 – Zurechnungsreichweite  110 f. – Zweistufigkeit  90 Annexkompetenz  262, 267–270 Arbeitsteilige Organisation  29 f., 34–37, 90–93, 234 f. – hinreichende Organisationsdichte  91–94, 165, 308 f., 334 – Konzern  234 f. – Nicht-konzernierte Unternehmensverbindung 317–321

– Nutzen  29 f. Arbeitsteilung  29, 91, 145, 331; siehe auch arbeitsteilige Organisation Aufsichtsrat 199–210 – Kollegialorgan 201–203 – Kündigung von Vorstandsmitgliedern 207–209 – Passivvertretung 202 – Personalkompetenz  199 f. – Treuepflicht  204 – Verschwiegenheitspflicht  209 f. – Wissensweitergabe 204–207 Auskunftsanspruch  219, 249–270, 338–346 – GmbH 265–270 – mitgliedschaftliche Treuepflicht  252 – Qualitätssicherungsvereinbarung 338– 339 – Treu und Glauben  250, 342–346 – Unternehmensvertrag  251 f. – Vereinbarung  249 f. Auskunftsverweigerungsanspruch, GmbH  265 f. Außerrechtsgeschäftlicher Verkehr  41 f., 61, 119, 121–124, 154 f. Austauschvertrag  30, 326–332 Beweislastverteilung 105–108 BGB-Gesellschaft  242, 302 f., 305–314, 322–326 – Förderpflicht  325 – Gelegenheitsgesellschaft 323 – gemeinsamer Zweck  323 – Wissenszurechnung 307–314 Big Data  76, 184–186, 198, 290 Billiges Ermessen  362 f. Business Judgement Rule  79–85, 194–198 – Wissensorganisationspflicht  79–82, 83 f. Cash-Pool 249 Chinese Walls  119 f., 179–183

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Sachregister

– Einrichtungspflicht  181–183 – Wall Crossings  182 f. Culpa in Contrahendo  71 f., 122 Datenschutzrecht  170 f., 270, 285, 369 Dauerschuldverhältnis  30, 332 Direktionsrecht  227 f., 313, 362 Dogmatische Verankerung der Wissens­ zurechnung 125–166 – vertikale Wissenszurechnung  225–227 – Analogiemöglichkeiten 133–149 – gesetzesübersteigende Rechtsfort­ bildung 149–156 – lex ferenda  161–165 – Rechtsfortbildung, siehe Rechtsfort­ bildung – Regelungslücke 131–133 Dokumentations- und Archivierungs­ pflichten  68, 74 f., 172 Doppelmandat  178, 188–190, 220, 292–300 – Konzern 292–300 – Verschwiegenheitspflicht  295–299 EDV-Vernetzung  329 f., 349–353 Einmann-Tochtergesellschaft  234 f. Einzelkaufmann  9, 55, 93, 120, 149 Erfolgshaftung 196 Erfüllungsgehilfe  143–145, 155 Erweiterte Wissensverantwortung, Grundsatz der  95, 186, 239 Ex-ante-Perspektive  84 f., 197 Franchisebeirat 371–375 – Berichtspflicht  372 – Gestaltung  372 f. – Zweck  371 f. Franchisehandbuch  341, 361 f. Franchisevertrag 326–328 – Austauschvertrag 326–328 – Geschäftsbesorgungsvertrag 327 – Interessenwahrnehmungsvertrag 327 – Lizenzvertrag 327 – Mischvertrag 327 Franchising  320 f., 326–328, 363–375 – Beirat, siehe Franchisebeirat – Betriebsführungspflicht  328 – Informationsanspruch  340 f. – Konzern 331 – Partnerschafts~ 331

– Repräsentantenrechtsprechung 357–360 – Risikosteuerung  320 f. – Subordinations~  330 f. – Systempartner 374 – Vertrag mit Schutzwirkung  363–370 – wirtschaftliche Bedeutung  320 f. – Zusatz zum Systemnamen  360 Funktionale Einheit (Konzern)  278–300 – intensive Beherrschung  283–287 – Gemeinsames Informationssystem  289 f. – Doppelmandat 292–300 – Gemeinsamer Marktauftritt  290–292 – Outsourcing 287–289 – Veranlassung 281–283 Gelegenheitsgesellschaft  323, 346 f. Geschäftsgeheimnis  336, 343 Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), siehe BGB-Gesellschaft Gesellschafterversammlung 210–216, 267 f. – Kenntnis vom Kündigungsgrund  214– 216 – Treuepflicht  214 – Vertretungsbefugnis  211 f. – Wissenszurechnung 213–216 Gesetzgebungshistorie von §§ 166 und 278 BGB 141–146 Gleichordnungskonzern  242, 301–315 – einheitliche Leitung  302–304 – faktisch  303 f., 304 f. – Koordinierungsorgan, -gesellschaft  303, 314 – Treuepflicht  306 f. – vertraglich  302 f., 305–315 – Wissenszurechnung 304–315 Gleichstellung  118–121, 153 f. GmbH-Konzern  255, 259, 265–270, 273, 281 f. Handelsvertreter 330 Handlungsakzessorisches Wissen  177, 189 f., 192, 293 Hauptversammlung  210 f. Hindsight bias  82, 84, 194 Hühnerpestentscheidung 106 Industrie 4.0  319, 351–353

Sachregister

Informationsanspruch  253, 335, 338–346; siehe auch Auskunftsanspruch – Qualitätssicherungsvereinbarung  338 f. – Treu und Glauben  342–344 Informationsnutzungsbestimmung  275 f. Informationsoffenbarungsbefugnis, siehe Informationsweitergabeberechtigung Informationsweitergabe, freiwillig  271– 278, 346 Informationsweitergabeberechtigung 272, 336–338 Informationsweiterleitungskompetenz 297 Insiderinformationen  75, 182, 191 Interessenkonflikt  180–182, 214, 267 f. Interorganzurechnung  211, 216–225 – AG  218 f. – Berufung auf Nichtwissen  224 f. – GmbH  219 f. – Interorganwissensorganisation  223 f. – Verschwiegenheitspflicht  217–220 – Wissensorganisationspflicht  220 f. Just-in-time-Produktion  319, 329, 338–340, 349–353 Karlsruher Forum 1994  57 f. Kennenkönnen, siehe Wissenkönnen Kennenmüssen, siehe Wissenmüssen Kenntnis, siehe Wissen Kommissionsagent 330 Konzern 233–315 – AG-Konzern, siehe AG-Konzern – Einmann-Tochtergesellschaft, siehe Einmann-Tochtergesellschaft – erweiterte Konzernverantwortung, Grundsatz der  239 f. – funktionale Einheit  235–238, 247, 278–300 – Gleichordnungskonzern, siehe Gleichordnungskonzern – GmbH-Konzern, siehe GmbH-Konzern – Informationsfluss, Beherrschbarkeit  246 f., 248–278 – Nachteilsausgleichspflicht  276 – rechtliche Vielheit  235–238 – Strukturen  238 f. – Trennungsprinzip 240–246 – Unterordnungskonzern, siehe Unter­ ordnungskonzern – Veranlassung 253–256

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– Vertragskonzern, siehe Vertragskonzern – Weisungsrecht  278 f. Konzernleitungspflicht  245, 257–260, 278–281, 283 Konzernproblematik 235–238 Koordinative Kooperation  318 f. Kündigungsgrund, Kenntnis vom  207–209, 214–216 Lean Production  319 Leitungsverantwortung des Vorstands  64 Level Playing Field  159 Lieferkette, siehe Produktionskette M2M-Kommunikation 351–353 MaComp 181 Mitbestimmung  199–201, 211, 294 Moralisches Unwerturteil  62, 102 Nemo-tenetur-Grundsatz 173–177 Neolithische Revolution  29 Nicht-konzernierte Unternehmens­ verbindung 317–376 – Auftreten als Repräsentant  355–360 – Begriffsbestimmung 317–320 – gemeinsames Informationssystem  349– 353 – Informationsanspruch 338–346 – Informationsfluss, Beherrschbarkeit  335–348 – intensive Verbundenheit  361–363 – Offenbarungsbefugnis 336–338 – Verschwiegenheitspflicht  336–338 – Vertragstypologie 321–333 – Wissenszurechnung 333–376 – Zumutbarkeit der Wissensorganisation  348–375 Normenvertrag  328 f. Organhaftung  163, 193 Organisationsdichte, hinreichende  91–94, 165 Organisationsvertrag  322–326, 330 Organisatorische Trennlinien, siehe Chinese Walls Organtheorie 43–46 Organwissen 187–225 – Aufsichtsrat 199–210 – Gesellschafterversammlung 210–216

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Sachregister

– Hauptversammlung  210 f. – Interorganzurechnung  211, 216–225 – Leitungsorgan 187–198 – überwachendes Organ  199–210 Outsourcing  271, 287–289 Passivvertretung  55, 149 f., 193, 202, 311 f. Personengesellschaft 307–314 – Gesellschafterwissen 309–313 – Intraorganwissensorganisation  311 f. – vertikale Wissenszurechnung  313 f. – Wissenszurechnung 308–314 Pflichtenbasierte wertende Wissens­ zurechnung 57–63 – Gemeinde-Entscheidung 56 – Kritik  86–88, 116 f. – Wissensorganisationspflichten  59 f. Privat erlangtes Wissen  177–179, 229 Produktionskette  323, 328–330 Produktionsnetzwerk, siehe Produktionskette Qualitätssicherungsvereinbarung  324 f., 329, 338 f. Quasi-Organ 255 Rahmenvertrag  322–324, 328 f. – Normenvertrag, siehe Normenvertrag Recht auf Vergessen  20–22 Rechtsfortbildung 126–133 – contra legem  129 f., 156–160 – gesetzesimmanent  126 f. – gesetzesübersteigend  127–129, 149–156 – Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs 154–156 – Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip 150–154 Reportinghierarchie  228, 247, 314 Repräsentant  347, 355–360 Repräsentantenrechtsprechung 111, 356–360 Repräsentationsprinzip (§ 166 BGB)  142 f. Risikoverteilung  123–125, 150–153 – Beherrschbarkeit 123 – Nutzen 123 Risque-profit-Theorie  107 Schwestergesellschaft  270 f. Servicegesellschaft 271

Smart Knowledge Organisation  185 f. Speicherbegrenzung, Grundsatz der  170 Subordinative Kooperation  318 Systempartner, Franchising  374 Teilwissen 98 Treu und Glauben  342–346 – Informationsanspruch aus ~  342–344 Treuepflicht  173, 178, 214, 222, 336 – Arbeitnehmer  229 f. Übernahmeversuch Porsche/VW  200, 234 Unternehmensorganisationspflicht  64 f., 81, 151 Unterordnungskonzern  248–301, 331 – Auskunftsanspruch 249–253 – Informationsfluss, Beherrschbarkeit 248–278 Verantwortungserweiterung  95, 237 Verantwortungsprinzip  95, 99 Verkehrsschutz 243 Verkehrssicherungspflichten  59, 67 f., 100 f. Verrichtungsgehilfe  115, 151 Verschuldenszurechnung  151, 155 Verschwiegenheitspflicht  188–190, 209 f., 217–220, 295–299, 336–338 – Dispensierung ex ante  297 f. – Dispensierung ex post  298 – Doppelmandatsträger 295–299 – vs. Offenbarungsbefugnis  336–338 Versicherungskonsortium  346 f. Vertikale Wissenszurechnung  225–230, 313 f. – dogmatische Anknüpfung  225–227 – Personengesellschaft  313 f. – privat erlangtes Wissen  229 – Zugriff auf Mitarbeiterwissen  227 f. – Zurechnungsgrenzen 228–230 Vertrag mit Schutzwirkung  363–371 – Auskunftsanspruch 370 – Franchising 365–368 – Rechtsfolge 367–370 – Rechtsgrundlage  364 f. – Wissensorganisation 368–370 Vertragshändler 330 Vertragskonzern  244–246, 251 f., 254 f. Vertrauensschutz  121 f., 153 f. Vertraulichkeitsbereiche 180

Sachregister

Vertretertheorie 43–46 Vertretungsbefugnis 191–194 Vertriebssystem 319 Weisungserteilung, Unterlassung der ~  286 f. Weisungsrecht, Arbeitgeber, siehe Direktionsrecht Weisungsrecht, GmbH  267–270, 281 f. Weisungsrecht, Vertragskonzern  296 Wertende Wissenszurechnung  57–63, 89–166 – Chinese Walls, siehe Chinese Walls – juristische Person  169–231 – Konzern 233–315 – nicht-konzernierte Unternehmens­ verbindung 333–376 – Organwissen 187–225 – Personengesellschaft 307–314 – persönliche Grenzen  173–179 – technische Grenzen  184–186 – vertikale Zurechnung, siehe vertikale Wissenszurechnung – zeitliche Grenzen  170–173 Wertpapierdienstleistungsunternehmen  180 f. Wissen 17–28 – biologisch-zerebral 21 – Definition  17–23 – Grad der Sicherheit  18–20 – Minderes Wissen  23 – Rechtserheblichkeit 23–26 Wissenkönnen  27 f. Wissenmüssen  26 f. Wissensnorm 17 Wissensorganisation 63–85 – Angemessenheit  77 f. – Aufsichtsrat 66 – Ausgestaltung 73–78 – Außenverhältnis  66–73, 82–85 – äußere Bedingungen  73–76 – horizontal 192 – Innenverhältnis  64–66, 79–82 – innere Bedingungen  76 – organisationseinheitsübergreifend 78 – vertikal  227 f. – Vertrag mit Schutzwirkung  368–370

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– Vorstand 64–66 Wissensorganisationsobliegenheit 69–73, 82–85 Wissensorganisationspflicht  59 f., 63–73, 73 f.; siehe auch Wissensorganisations­ obliegenheit – Business Judgement Rule  79–82, 83 f. – Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung  70– 72, 78–85 – spezielle  72 f. Wissensvertretung  346 f. – unternehmensübergreifend  346 f. Wissenszersplitterung 165 Wissenszurechnung  39 f., 41–50; siehe auch Absolute Wissenszurechnung; Allgemeine wertende Wissenszurechnung; Wertende Wissenszurechnung – außerrechtsgeschäftlicher Verkehr  119, 121 – Bevollmächtigter  41 f. – dogmatische Verankerung  125–166 – handlungsakzessorisches Wissen  42, 49 f., 112 f., 177 – Kontextabhängigkeit  102 f. – Organwissen 42–48 – pflichtenbasierte wertende  57–63 – Wissensvertreter  48 f. – zum Gesamtaufsichtsrat  201–207 – Zurechnungsgrund 117–125 – Zweck  32 f., 95 Wissenszusammenrechnung 98 Wohl-und-Wehe-Formel 365 Zumutbarkeit  104 f., 198, 348–375 Zurechnung 31–37 – Wissen, siehe Wissenszurechnung – Begrenzung  36 f. – Definition  31 f. – Fremdzurechnung  32 f. – Rechtfertigung 33–37 – Wissen  39 f. – Zweck  32 f. Zurechnungsgrund, normativ  117–125 – Gleichstellungsargument 118–121 – Risikoverteilung 123–125 – Vertrauensschutz  121 f.