Die Vereinbarkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung [1 ed.] 9783428546954, 9783428146956

Dürfen Kommunen von den Ländern in die Schuldenfalle gedrängt werden? Die Finanzen der Kommunen werden maßgeblich von de

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Die Vereinbarkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung [1 ed.]
 9783428546954, 9783428146956

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1315

Die Vereinbarkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung

Von

Christoph Bravidor

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOPH BRAVIDOR

Die Vereinbarkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1315

Die Vereinbarkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung

Von Christoph Bravidor

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahr 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14695-6 (Print) ISBN 978-3-428-54695-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84695-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Würzburg im Jahr 2014 als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 25. Juni 2014 statt. Besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. KyrillAlexander Schwarz. Er hat das Thema der Arbeit angeregt und mich mit besonderem Engagement begleitet. Er hat die Aktualität des Themas erkannt, mich gefördert und im kritischen Denken bestärkt. Ich erinnere mich gerne an die von Kollegialität und Vertrauen geprägte Zusammenarbeit an seinem Lehrstuhl zurück. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu großem Dank verpflichtet bin ich auch meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Franz-Ludwig Knemeyer. Ich danke außerdem all denen, welche durch anregende und kritische Gespräche zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Besonders haben mir die Herren Dr. Cornelius Held und Dr. Hendrik Albrecht durch fachlichen wie freundschaftlichen Rat zur Seite gestanden. Herr Michael Bach hat mir durch kritische Anmerkungen geholfen, formale Fehler und inhaltliche Widersprüche im Manuskript aufzudecken. Tiefer Dank gebührt meinen Eltern, die mir nicht nur mit der Finanzierung meiner Ausbildung den Weg zu dieser Arbeit ebneten, sondern mich auf meinem ganzen Lebensweg mit ganzem Herzen unterstützen. Meine Frau Isabel Bravidor hat durch ihr Wesen und mit stetem seelischen Zuspruch zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ich widme diese Arbeit meiner Familie mit meiner Tochter Frieda, die mir die Wurzeln schenken zu wachsen. Düsseldorf, August 2015

Christoph Bravidor

Inhaltsübersicht

Einleitung und Problemaufriss 27

§ 1 Neuverschuldung als Haushaltskonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 § 2 Schuldenbremse als selbst gewählte Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 § 3 Kommunen als mögliche Opferlämmer des Schuldenberges . . . . . . . . . . . . 30 § 4 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Teil

Verfassungsrechtliche Grundlagen 34

§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 A. Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen: Zweistufiger Staatsaufbau bei dreistufigem Verwaltungsaufbau. . . . . . . . . . . 34 B. Die Kommunen in der bundesstaatlichen Finanzverfassung. . . . . . . . . . 36 C. Schutz der Kommunen durch die landesverfassungsrechtlichen Finanzordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 D. Die finanzverfassungsrechtlichen Abhängigkeiten der Kommunen . . . . 72 E. Fazit: Zweistufiger Staatsaufbau als Risikofaktor für die Kommunen. . 86 § 2 Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. . . . 88 A. Überblick über die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 B. Der finanzverfassungsrechtliche Schutz und die finanzielle Eigenverantwortung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. . . . . . . . . 100 C. Fazit: Garantie der kommunalen Selbstverwaltung schützt eine von der finanziellen Leistungskraft des Landes unabhängige Mindestausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 § 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 A. Grundlagen des Staatsschuldenrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 B. Neuregelung im Grundgesetz im Zuge der Föderalismusreform II. . . . 161 C. Schuldenbegrenzungsregelungen in den Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 D. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

8 Inhaltsübersicht 2. Teil

Die Beziehungen der Schuldenbegrenzungsregelungen zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung 237

§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 238 A. Der Prüfungsmaßstab bei Verfassungsänderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 B. Die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen . . . . . . 280 C. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 § 5 Die Auswirkung der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 A. Die Entwicklung der Haushalte der Kommunen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 B. Beziehungen zwischen den Schuldenbegrenzungsregelungen und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Mehrebenensystem. . . 311 C. Rechtliche Auswirkungen der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 D. Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Personen- und Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Problemaufriss  27

§ 1 Neuverschuldung als Haushaltskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 § 2 Schuldenbremse als selbst gewählte Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 § 3 Kommunen als mögliche Opferlämmer des Schuldenberges  . . . . . . . . . . . . 30 § 4 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

1. Teil

Verfassungsrechtliche Grundlagen 34

§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 A. Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen: Zweistufiger Staatsaufbau bei dreistufigem Verwaltungsaufbau . . . . . . . . . . . 34 I. Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Verwaltungskompetenzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Die Kommunen in der bundesstaatlichen Finanzverfassung . . . . . . . . . 36 I. Bedeutung und Begriff der Finanzverfassung im Bundesstaat . . . . 37 1. Die finanzielle Ausstattung als maßgebliche Funktionsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Das Finanzwesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Die Finanzverfassung (im engeren Sinne), Art. 104a bis 108 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Die Haushaltsverfassung, Art. 109 bis 115 GG . . . . . . . . . . . 42 II. Das Konnexitätsprinzip gem. Art. 104a I GG  . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Grundsatz der Ausgabenlast  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Durchbrechungen des Konnexitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Geldleistungsgesetze nach Art. 104a III GG. . . . . . . . . . . . . . 44 b) Bundesfinanzhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Investitionshilfekompetenz nach Art. 104b I GG . . . . . 46 bb) Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und b GG . . . . . 55 c) Bedeutung der Durchbrechungen des Konnexitätsprinzips des Art. 104a GG für die Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

10 Inhaltsverzeichnis III. Unmittelbare Gewährleistungen durch das System kommunaler Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Die eigenständigen Einnahmequellen der Kommunen . . . . . . . . 59 2. Der allgemeine kommunale Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . 61 IV. Mittelbare Gewährleistungen durch die Revisionsansprüche des Art. 106 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 C. Schutz der Kommunen durch die landesverfassungsrechtlichen Finanzordnungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Anwendbarkeit von Art. 104a I und II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Sicherung einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung durch die Länderverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 D. Die finanzverfassungsrechtlichen Abhängigkeiten der Kommunen . . . . 72 I. Die Beteiligung der Kommunen am Steueraufkommen . . . . . . . . . 72 II. Die Mitverantwortung des Bundes für die Finanzausstattung der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Die Abhängigkeit der Finanzausstattung der Kommunen von den Entscheidungen des Landesgesetzgebers   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Fehlendes kommunales Steuererfindungsrecht (Steuergesetzgebungshoheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Die unmittelbare Steuerverwaltungshoheit der Landesfinanzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Großteil kommunaler Einnahmen muss über staatliche Finanzzuweisungen abgedeckt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 IV. Existiert eine Bestandsgarantie bezüglich bestimmter Steuerquellen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Bestandsgarantie zumindest bezüglich der Umsatzsteuer  . . . . . 79 2. Grund- und Gewerbesteuergarantie: Bestandsgarantie versus bloße Ertragszuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Grund- und Gewerbesteuer werden in ihrem Bestand geschützt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Realsteuern werden höchstens in ihrem Ertrag geschützt . . . 82 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Anteile der Gemeinde an der Einkommenssteuer . . . . . . . . . . . . 84 E. Fazit: Zweistufiger Staatsaufbau als Risikofaktor für die Kommunen . . 86 § 2 Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. . . . 88 A. Überblick über die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Wesen und Inhalt der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . 88 1. Wesen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . . . . 89 2. Inhalt und Garantieebenen der kommunalen Selbstverwaltung . . 90 a) Die institutionelle Rechtssubjektsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . 90

Inhaltsverzeichnis11 b) Die objektive Rechtsinstitutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Die subjektive Rechtsstellungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Verpflichtungsadressaten der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 III. Einschränkbarkeit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Schranken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 IV. Grenzen des Gesetzesvorbehalts (Schranken-Schranken) . . . . . . . . 97 1. Schutz des Kernbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Schutz des Randbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 B. Der finanzverfassungsrechtliche Schutz und die finanzielle Eigenverantwortung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . 100 I. Bedeutung der angemessenen Finanzausstattung: Ohne Geld keine kommunale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Die verfassungsrechtliche Verortung der finanziellen Eigenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . 103 2. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . 104 3. Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte . . . . . . . . . . . . . 106 4. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 III. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Umfang der angemessenen Finanzausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Das Kern-Randbereichsmodell als Maßstabsgeber zur Umschreibung der Finanzausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Der eingriffsoffene Randbereich in Form einer angemessenen Finanzausstattung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Schutz des Kernbereichs durch Garantie einer finanziellen Mindestausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Mögliche Relativität der Grenze zwischen Kernbereich und Randbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Gemeinsamer Ausgangspunkt zur Bestimmung einer angemessenen Finanzausstattung durch gleichartige Bezüge zum KernRandbereichsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Finanzausstattung nach den strikten Vorgaben des Kern-Randbereichsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4. Finanzausstattung nach der Maßgabe des Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodells  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Lösung vom unantastbaren Kernbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Argumentative Untermauerung durch den Grundsatz der Verteilungssymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Normativer Standort des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Anwendung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie im Randbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

12 Inhaltsverzeichnis cc) Übertragung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie auf den Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 dd) Verfassungsrechtlich gebotene Wertung bei Anwendung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie  . . . . . . . . . 126 5. Kritische Auseinandersetzung mit der Maßstabsbildung zur Bestimmung der kommunalen Finanzausstattung . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Fehlende Trennschärfe der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Grenzen des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie . . . . . . . 131 d) Generelle Gefährdung der kommunalen Finanzausstattung . . 132 6. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 C. Fazit: Garantie der kommunalen Selbstverwaltung schützt eine von der finanziellen Leistungskraft des Landes unabhängige Mindestausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 § 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 A. Grundlagen des Staatsschuldenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Staatsschulden als rechtliches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Herkunft, Idee und Entwicklung der Schuldenbegrenzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Die Entstehungsgeschichte und Theorienbildung des Staatsschuldenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Regelung der Staatsverschuldung bei Erlass des Grundgesetzes . 141 3. Umfassende Reformen der Haushaltsordnung 1967 und 1969 . . 142 a) Einbringung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Jahr 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Reform der Haushaltsordnung und Haushaltsverfassung im Jahr 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4. Änderungen bis zum Jahr 2009  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Ursachen und Motive der Föderalismusreform II . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Die Vorgaben aus dem Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Probleme und Auswirkungen der bisherigen Rechtslage . . . . . . 148 a) Unbestimmtheit des Investitionsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Orientierung am Bruttoinvestitionsbegriff . . . . . . . . . . . 149 bb) Verbuchung von Darlehen und Gewährleistungen als Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Unbestimmtheit des Begriffs der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Fehlende Vorgaben für den Schuldenabbau und für die Gesamtverschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 d) Keine Einbeziehung des Haushaltsvollzugs . . . . . . . . . . . . . . 154 e) Aufnahme von Sondervermögen nicht von der Kreditbegrenzung erfasst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 f) Fehlen von Sanktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Inhaltsverzeichnis13 g) Regelung entsprach nicht den Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 h) Zwischenergebnis: Grundlegende Steuerungsschwäche . . . . . 156 3. Zweck der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Überwindung der Schwächen der alten Schuldenregelung . . 157 b) Anpassung der Rechtslage an die veränderten Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 B. Neuregelung im Grundgesetz im Zuge der Föderalismusreform II . . . . 161 I. Regelungssystem der Schuldenbremse im Zuge der Föderalismusreform II  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Die Erfüllung der Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, Art. 109 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Der reguläre Verschuldungsrahmen für „Normallagen“ . . . . . . . 163 a) Die strukturelle Verschuldungskomponente  . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Begrenzte strukturelle Neuverschuldung für den Bund . 163 bb) Striktes Neuverschuldungsverbot für die Länder . . . . . . 164 b) Die konjunkturelle Verschuldungskomponente zur Orientierung am „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht“  . . . . . . . . 165 aa) Der Grund der konjunkturbedingten Kreditaufnahme . . 166 bb) Das Maß der veränderten Höchstgrenze der Kreditaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Die Abweichungen im Haushaltsvollzug oder in Nachtragshaushalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Die Ausnahmeregelung für außergewöhnliche Notsituationen, Art. 109 III 2 zweiter Hs., 3 und Art. 115 II 6 und 7 GG  . . . . 170 4. Begleitende Maßnahmen und Übergangsregelungen . . . . . . . . . . 172 a) Die verfahrensrechtliche Absicherung: Vermeiden von Sanierungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Die Übergangsregelungen mit Konsolidierungshilfen . . . . . . 173 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Bewertung der Neuregelung auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Fortschritte durch Berücksichtigung des Haushaltsvollzugs und des Wegfalls der Ausnahmeregelung für Sondervermögen . . . . . 175 2. Defizite durch bestehende Schlupflöcher, Auslegungsschwierigkeiten, unzureichende Kontrolle und den langen Übergangszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Die Ausgrenzung anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Die Auslegungsbedürftigkeit der kreditreglementierenden Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Eine Kontrollinstanz ohne Kontrollinstanzen . . . . . . . . . . . . . 180 d) Der lange Übergangszeitraum als Risikofaktor . . . . . . . . . . . 181

14 Inhaltsverzeichnis C. Schuldenbegrenzungsregelungen in den Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I. Normative Bestandsaufnahme der Schuldenbegrenzungsregelungen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Länder mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung in der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Länder mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung in der Haushaltsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Länder mit einer am Investitionsbegriff orientierten Schuldenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Der Einfluss der Normenhierarchie auf die Schuldenbegrenzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Die europarechtlichen Überlagerungen durch Art. 109 II, V GG. 191 2. Die Einflüsse des Homogenitätsgebots, Art. 28 I GG . . . . . . . . 192 3. Die Anwendbarkeit des Art. 31 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Bricht Art. 31 GG auch inhaltlich übereinstimmendes Landesrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Die Bedeutung des Art. 31 GG für die Grundsatzgesetzgebung des Art. 109 IV GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4. Die bundesrechtlichen Beschränkungsmöglichkeiten der Haushaltsautonomie der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Ausgangslage: der Regelungsgehalt der Haushaltsautonomie der Länder, Art. 109 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Mögliche Einschränkung durch Art. 115 GG im Rahmen des Homogenitätsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Kompetenzgrundlage zur Durchbrechung gem. Art. 109 III 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 d) Vorgaben des Art. 109 IV GG i. V. m. dem Haushaltsgrundsätzegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Die Durchschlagskraft der landesrechtlichen Normen zur Kreditbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Der Einfluss landesverfassungsrechtlicher Verschuldungsregelungen ab dem Jahr 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Konsequenzen für inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht . . 203 b) Konsequenzen für die landesverfassungsrechtlichen Regelungen mit abweichendem Inhalt und ohne striktes Neuverschuldungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Generelle Anwendbarkeit des Art. 31 GG . . . . . . . . . . . 204 bb) Konkrete Anwendung des Art. 31 GG . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Entfalten die Übergangsregelungen im Grundgesetz eine Vorwirkung vor dem Jahr 2020? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Die allgemeinen Vorgaben der Übergangsregelungen des Art. 143d I 3 und 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Inhaltsverzeichnis15 b) Vorgaben für die Länder mit Konsolidierungshilfe, Art. 143d II, III GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 IV. Der Sonderfall der „extremen Haushaltsnotlage“ . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Begründung des ungeschriebenen Ausnahmetatbestandes der „extremen Haushaltsnotlage“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Der ungeschriebene verfassungsrechtliche Tatbestand. . . . . . 216 b) Die Rechtsfolgen der „extremen Haushaltsnotlage“  . . . . . . . 218 aa) Die bundesstaatliche Einstandspflicht nach dem Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Die „extreme Haushaltsnotlage“ als Ausnahmetatbestand zur erhöhten Kreditaufnahme nach Ansicht der Landesverfassungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Bewertung des ungeschriebenen Tatbestandes der „extremen Haushaltsnotlage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Zur Erforderlichkeit der „extremen Haushaltsnotlage“ . . . . . 223 b) Verführungen und Fehlinterpretationen der „extremen Haushaltsnotlage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 V. Bewertung der Schuldenbegrenzungsregelungen auf Länderebene . 232 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Teil

Die Beziehungen der Schuldenbegrenzungsregelungen zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung 237

§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 238 A. Der Prüfungsmaßstab bei Verfassungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Die Besonderheiten der Verfassungsinterpretation . . . . . . . . . . . . . . 239 II. Zur Auslegungsmethodik der Verfassungsinterpretation . . . . . . . . . 243 1. Die klassisch-hermeneutische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Die hermeneutisch-konkretisierende Methode . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Die Anwendbarkeit der hermeneutisch-konkretisierenden Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III. Die Bedeutung der Verfassungsgerichtsrechtsprechung und ihre Beziehung zum Verfassungsgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Verfassungsinterpretation unter Maßgabe einer Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Die Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit und das Selbstverständnis des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Das Spannungsverhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und verfassungsänderndem Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . 255 2. Die Interpretationsmethode des Bundesverfassungsgerichts . . . . 258

16 Inhaltsverzeichnis IV. Die funktionell-rechtlichen Grenzen der Verfassungsinterpretation . 260 1. Grundsatz des „judicial self-restraint“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Die Wahrung der Einheit der Verfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Zur Problematik der Systemgerechtigkeit und verfassungsimmanenten Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Zur Problematik der verfassungskonformen Auslegung von Verfassungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 V. Der verfassungsändernde Gesetzgeber und die Entwicklungsgrenzen der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Die Allgemeinheit und grundsätzliche Offenheit der Verfassung. 267 a) Die Rahmenordnung als Maßstab für gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum und für verfassungsgerichtliche Kontrolle 267 b) Die gute Verfassung im Widerspruch von Allgemeinheit und Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Das Rollenverständnis der Finanzverfassung als Rahmenund Verfahrensordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Die Entwicklungsgrenzen der Verfassung in der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Art. 79 III GG im Spannungsfeld zwischen Änderungsverbot und Entwicklungsoffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Die inhaltliche Reichweite der Ewigkeitsgarantie . . . . . . . . . 274 aa) Die restriktive Auslegung des Art. 79 III GG . . . . . . . . 275 bb) Die Kritik an der restriktiven Auslegung . . . . . . . . . . . . 276 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 VI. Schlussfolgerungen für den Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 B. Die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen . . . . . . 280 I. Die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelung mit Blick auf das Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Inhalt des Bundesstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Kritische Auseinandersetzung mit möglichen Verletzungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Mögliche Verletzung der Haushaltsautonomie der Länder. . . 283 b) Wahrung der Eigenstaatlichkeit der Länder . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Grundsätzliche Einschränkbarkeit der Haushaltsautonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Restriktive Auslegung der Ewigkeitsgarantie  . . . . . . . . 286 c) Gebot der Bundestreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 aa) Ausgleichsfunktion zwischen Länderautonomie und bün­discher Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 bb) Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots . . . . . . . . . . . 288 cc) Einhaltung nach Maßstab der Verhältnismäßigkeit . . . . 289 II. Die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelung mit Blick auf das Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Inhaltsverzeichnis17 1. Inhalt und Prüfungsmaßstab des Demokratieprinzips . . . . . . . . . 291 2. Kritische Auseinandersetzung mit möglichen Verletzungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 § 5 Die Auswirkung der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 A. Die Entwicklung der Haushalte der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 I. Die Entwicklungen der Finanzausstattung der Kommunen . . . . . . . 298 1. Die Einnahmenentwicklung der Kommunen  . . . . . . . . . . . . . . . 298 2. Die Ausgabenentwicklung der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 3. Zwischenergebnis: der Trend in der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 II. Die Entwicklung des Schuldenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 1. Die Entwicklung des kommunalen Schuldenstandes  . . . . . . . . . 304 2. Die anteilige Entwicklung der kommunalen Kassenkredite . . . . 307 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 B. Beziehungen zwischen den Schuldenbegrenzungsregelungen und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Mehrebenensystem . . . 311 I. Schuldenbegrenzungsregelungen und kommunale Selbstverwaltung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Der Schutz der kommunalen Selbstverwaltung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Auswirkungen der europarechtlichen Vorgaben zur Schuldenbegrenzung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung . 313 a) Die Vorgaben des Art. 109 II GG i. V. m. 126 AEUV. . . . . . . 313 b) Die Auswirkungen des Fiskalvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 II. Berührungspunkte zwischen den Schuldenbegrenzungsregelungen des Grundgesetzes und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 III. Beziehungen zwischen den Schuldenbegrenzungsregelungen der Landesverfassungen und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 C. Rechtliche Auswirkungen der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 I. Ist die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt? . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Ewigkeitsschutz durch das Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . 327 a) Die Bestandteile des Demokratieprinzips und die Beziehungen zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . 327 b) Ist die kommunale Selbstverwaltung ein Teil der Grundsätze des Demokratieprinzips? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 aa) Contra Bestandteil der „Grundsätze“ des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

18 Inhaltsverzeichnis bb) Pro Bestandteil der „Grundsätze“ des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 2. Ewigkeitsschutz durch das Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . 340 3. Ewigkeitsschutz durch das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . 343 4. Ewigkeitsschutz durch das Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . 344 5. Ewigkeitsschutz durch die in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 6. Ewigkeitsschutz der kommunalen Selbstverwaltung im internationalen Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 II. Ist die Garantie der kommunalen Finanzausstattung als Leistungsrecht durch die Schuldenbegrenzungsregelungen dem Leistungsfähigkeitsvorbehalt unterworfen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 III. Ist die Kern-Randbereichstheorie trotz Schuldenbegrenzungsregelungen noch anwendbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 1. Die Anwendbarkeit der Kern-Randbereichstheorie . . . . . . . . . . . 354 a) Der Vergleich mit der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 b) Bestehen grundlegende Änderungen zu den Vorgaben der alten Schuldenbegrenzungsregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Die Ausprägung der Kern-Randbereichstheorie unter der neuen Schuldenbegrenzungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 D. Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1: Kreditaufnahmeregelungen der Länder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Tabelle 2: Mögliche Bezugspunkte der Gesetzesauslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Tabelle 3: Die klassisch-hermeneutische Methodenlehre bei Savigny und heute. 245 Abb. 1: Entwicklung der Zuweisungen der Länder im Vergleich zu den Steuern und steuerähnlichen Einnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Abb. 2: Kommunale Ausgabenentwicklung in Mrd. Euro. . . . . . . . . . . . . . . . 300 Abb. 3: Anteil der sozialen Leistungen an den Ausgaben des Verwaltungshaushalts in Mrd. Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Abb. 4: Entwicklung der kommunalen Einnahmen und Ausgaben in Mio. Euro. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Abb. 5: Entwicklung der kommunalen Gesamtverschuldung seit 1950. . . . . 305 Abb. 6: Anteil der Kommunen an der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte (Kern- und Extrahaushalte, ohne Sozialversicherungen), Stand 31.12.2012. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Abb. 7: Schuldenstand der öffentlichen Haushalte 1969 bis 2012 (ohne gesetzliche Sozialversicherungen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Abb. 8:

Vergleich Kassenkredite und sonstige Schulden. . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Abb. 9: Kommunale Verschuldung im nicht-öffentlichen Bereich nach Flächenländern (je Einwohner der Länder in Euro), Stand: 31.12.2012. 309 Abb. 10: Entwicklung der Kassenkredite und bereinigten Finanzierungssalden der Kommunen in Mio. Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Abb. 11: Möglicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Abb. 12: Fehlender Schutz der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG. . . . . . . 339

Abkürzungsverzeichnis a. F.

alte Fassung

AblEU

Amtsblatt der Europäischen Union

Abs. Absatz AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AktZ Aktenzeichen Alt. Alternative Amtsbl.

Amtsblatt des Saarlandes

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

Art. Artikel Bay LT-Drs

Drucksachen des Bayerischen Landtags

BayGO

Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern

BayKAG

Kommunalabgabengesetz des Freistaates Bayern

BayVBl

Bayerisches Verwaltungsblatt

BayVerf

Verfassung des Freistaates Bayern

BB

Betriebs-Berater, Zeitschrift für Recht und Wirtschaft

BbgHO

Landeshaushaltsordnung von Brandenburg

BbgKVerf

Kommunalverfassung des Landes Brandenburg

BbgVerf

Verfassung des Landes Brandenburg

BbgVerfG

Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

Begr. Begründer Bes. Beschluss BesVerwR

Besonderes Verwaltungsrecht

BGBl. I

Bundesgesetzblatt Teil I

BHO Bundeshaushaltsordnung BHR Bundeshaushaltsrecht BIP

Nominales Bruttoinlandsprodukt

BlnVerf

Verfassung von Berlin

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BR-Drs.

Bundesrat Drucksachen

BremVerf

Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen

Abkürzungsverzeichnis21 BT-Drs.

Bundestag Drucksachen

BVerfG(s) Bundesverfassungsgericht(s) BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG Bundesverwaltungsgericht BW Baden-Württemberg BWFAG

Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich (Finanzausgleichsgesetz), Baden-Württemberg

BWGemO

Baden-Württemberg Gemeindeordnung

BWHO

Landeshaushaltsordnung von Baden-Württemberg

BWKAG

Kommunalabgabengesetz des Landes Baden-Württemberg

BWVerf

Verfassung des Landes Baden-Württemberg

BWVerwGH

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Cicero

Magazin für politische Kultur

Dass. Dasselbe Der Landkreis

Zeitschrift für kommunale Selbstverwaltung

Der Staat

Zeitschrift für Staatslehre Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte

Der Städtetag

Zeitschrift für kommunale Politik und Praxis

Ders. Derselbe Die Verwaltung Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaften Dies. Dieselbe(n) DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

Drs. Drucksachen DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt

EAG EE

Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien

ECK

Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung

ESVGH

Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Union

EUV

Vertrag über die Europäische Union

FA

FinanzArchiv / Public Finance Analysis

FAZ

Frankfurter Allgemeine – Zeitung für Deutschland

Fn. Fußnote FV

Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion

22 Abkürzungsverzeichnis GFG

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes NordrheinWestfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2011 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2011)

GG Grundgesetz GVBl.

Gesetzes- und Verordnungsblatt des jeweiligen Landes, mit Ausnahme des Saarlandes (Amtsbl.) und Mecklenburg-Vorpommerns (GVOBl.)

GVOBl.

Gesetzes- und Verordnungsblatt des Landes Mecklenburg-Vorpommern

HdWW

Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften

HessKAG

Kommunalabgabengesetz des Landes Hessen

HessStGH

Staatsgerichtshof des Landes Hessen

HessVerf

Verfassung des Landes Hessen

HGrG

Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz)

HmbHO

Landeshaushaltsordnung der Hansestadt Hamburg

HmbVerf

Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg

HmbVerfG

Hamburgisches Verfassungsgericht

HONRW

Landeshaushaltsordnung von Nordrhein-Westfalen

Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HStR

Handbuch des Staatsrechts

i. d. F.

in der Fassung

i. d. S.

in diesem Sinne

i. V. m.

in Verbindung mit

Jh. Jahrhundert JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (Neue Folge)

JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristen Zeitung

Kap. Kapitel KiföG Kinderförderungsgesetz KommJur KommunalJurist KonsHilfG

Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen (Konsolidierungshilfengesetz)

KV MV

Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern

LKRZ

Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen, RheinlandPfalz, Saarland

Abkürzungsverzeichnis23 LKV

Landes- und Kommunalverwaltung

LSAVerf

Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt

LVerfG Landesverfassungsgericht LVerfGMV

Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern

LVerfGSA

Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt

lzt. Hs.

letzter Halbsatz

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

m. W. v.

mit Wirkung vom

MaßstG

Gesetz über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen (Maßstäbegesetz)

Mio. Millionen Mrd. Milliarden MVHO

Landeshaushaltsordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern

MVKAG

Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern

MVVerf

Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern

n. F.

neue Fassung

Nds. LT-Drs.

Drucksachen des Landtags Niedersachsen

NdsStGH

Niedersächsischer Staatsgerichtshof

NdsVbl

Niedersächsische Verwaltungsblätter

NdsVerf

Niedersächsische Verfassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NKomVG

Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz

NordÖR

Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland

NRW Nordrhein-Westfalen NRWKonnexAG Gesetz zur Regelung eines Kostenfolgeabschätzungs- und eines Beteiligungsverfahrens gemäß Artikel 78 Abs. 3 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Konnexitätsausführungsgesetz) NST-N

Niedersächsischer Städtetag – Nachrichten

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Rechtsprechungsreport Verwaltungsrecht

NWVBl

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

RdJB

Recht der Jugend und des Bildungswesens

RGBl. Reichsgesetzblatt RHO Reichshaushaltsordnung

24 Abkürzungsverzeichnis RhPfKAG

Kommunalabgabengesetz des Landes Rheinland-Pfalz

RhPfKonnexAG Landesgesetz zur Ausführung des Artikels 49 Abs. 5 der Verfassung für Rheinland-Pfalz (Konnexitätsausführungsgesetz) RhPfVerf

Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz

Rn. Randnummer S. Seite SaarlKSVG

Saarländisches Kommunalselbstverwaltungsgesetz

SaarlVerf

Verfassung des Saarlandes

SächsHO

Haushaltsordnung des Freistaates Sachsen

SächsKAG

Kommunalabgabengesetz des Freistaates Sachsen

SächsVerf

Verfassung des Freistaates Sachsen

SHKAG

Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein

SHVerf

Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

sic!

lat.: so, wirklich so

StabG

Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft

StabiRatG

Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Stabilitätsratsgesetz)

StBA

Statistisches Bundesamt

StGH Staatsgerichtshof StGHBW

Staatsgerichtshof Baden-Württemberg

SZ

Süddeutsche Zeitung

ThürHO

Thüringer Haushaltsordnung

ThürKAG

Kommunalabgabengesetz des Freistaates Thüringen

ThürVerf

Verfassung des Freistaates Thüringen

ThürVerfGH

Thüringer Verfassungsgerichtshof

Tz. Textziffer Urt. Urteil VerfDtR

Verfassung des Deutschen Reichs von 1871

VerfG Verfassungsgericht VerfGH Verfassungsgerichtshof VerfGHNRW

Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen

VerfGHRhPf

Verfassungsgerichtshof Rheinland Pfalz

VerfGHSachs

Verfassungsgerichtshof Sachsen

VerfNRW

Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

VerwArch Verwaltungsarchiv VfGHG

Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof

Abkürzungsverzeichnis25 vgl. vergleiche VVDStRl

Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

WRV

Verfassung des Deutschen Reichs von 1919 (Weimarer Reichsverfassung)

ZG

Zeitschrift für Gesetzgebung

ZgS

Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Zit. zitiert ZKF

Zeitschrift für Kommunalfinanzen

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZSE

Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften

Einleitung und Problemaufriss § 1 Neuverschuldung als Haushaltskonzept Nach Ansicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes befinden sich die Städte und Gemeinden „in der schwersten Finanzkrise seit Gründung der Bundesrepublik“1. Die kommunale Verschuldung stieg im Jahr 2012 mit 135,18 Mrd. Euro auf einen neuen Rekordwert2. Dieser Befund mag angesichts des überraschenden Wirtschaftswachstums der letzten Jahre und der Meldungen von steigenden Steuereinnahmen verwundern3. Es fällt auf, dass die Schieflage der kommunalen Haushalte schon länger als die aktuelle Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise besteht und nur zum Teil auf diese zurückzuführen ist. So haben die Kommunen in den letzten 20 Jahren lediglich in den kurzen Drei-Jahres-Zeiträumen von 1998 bis 2000 und 2006 bis 2008 sowie jüngst im Jahr 2012 einen Finanzierungsüberschuss erzielt4. Dabei fällt auf, dass die Kommunen ihre Haushalte trotz wirtschaftlicher 1  Deutscher Städte- und Gemeindebund, Bilanz 2010 – Kommunen steuern auf Rekorddefizit zu – Vertrauen der Bürger in die lokale Demokratie stärken, 77 % der Bürger wollen Steuermehreinnahmen für Städte und Gemeinden verwenden anstatt Steuersenkungen, 28.12.2010, http://www.dstgb.de/dstgb/Pressemeldungen/Archiv% 202011/Kommunen%20steuern%20auf%20Rekorddefizit%20zu%20%E2%80%93 Vertrauen%20der%20B%C3%BCrger%20in%20die%20lokale%20Demokratie%20 st%C3%A4rken/ (Zuletzt geprüft am: 03.10.2013); ausführlich hierzu: ders., Rettet die lokale Demokratie, 2011; ähnlich dramatisch die Frage von S. Kuhlmann: „Ist das Ende der kommunalen Selbstverwaltung gekommen?“, anlässlich der Speyerer Kommunaltage am 6./7.10.2011, ausführlich hierzu: M. Dittrich, DÖV 2012, S. 69; ebenso bedrohlich der Titel von A. Perkuhn, „De facto bankrott“ – Deutschlands Kommunen in der Schuldenfalle, SZ 21.08.2013. 2  Finanzen und Steuern – Schulden der öffentlichen Haushalte, Fachserie 14, Reihe 5, 2013, Tabelle 1.2.1. 3  A. Vettori, Kommunen spüren noch wenig von der Krise – Gewerbesteuereinnahmen sinken moderat, Städte und Gemeinden müssen freiwillige Leistungen an Vereine und Kinderbetreuungseinrichtungen nicht kürzen, SZ 10.05.2010; M. Schäfers, Prognose bis 2014 – Steuereinnahmen erreichen neue Rekordhöhen, FAZ 12.05.2011. 4  Der Überschuss lag zum 31.01.2012 bei 1,8 Mrd. Euro, nach StBA, Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.1.2.; gleichwohl bleibt die Finanzlage angespannt, vgl. Deutscher Städte- und Gemeindebund, Keine Entwarnung für die kommunalen Haushalte – Steigende Sozialausgaben, geringes Investitionsniveau, 20.09.2013, http:// www.dstgb.de/dstgb/Home/Pressemeldungen/Keine%20Entwarnung%20f%C3% BCr %20die%20kommunalen%20Haushalte/ (Zuletzt geprüft am: 04.10.2013).

28

Einleitung und Problemaufriss

Erholungsphasen im rasant zunehmenden Maße mit Kassenkrediten finanzieren mussten5. Die getrennt vom Wirtschaftswachstum laufende Entwicklung des steigenden kommunalen Schuldenberges legt die Vermutung nahe, dass die Kommunen die Anhäufung von Schulden zu einem Haushaltskonzept erhoben haben. Dabei gehen viele Kommunen inzwischen sogar davon aus, dass sie die angehäuften Schulden aus eigener Kraft nicht zurückzahlen können6. Es stellt sich die Frage, ob der kommunale Trend zum Defizit letztlich strukturelle Ursachen hat. Für die Finanzausstattung der Kommunen ist ihre Stellung im Bundesstaat maßgeblich. Dabei sind die Kommunen in der Finanzverfassung entsprechend des zweigliedrigen Staatsaufbaus den Ländern zugeordnet. Da die Finanzen der Kommunen im wechselseitigen Verbund mit den Finanzen der Länder stehen, werden Aufgaben, Aufgabenstandards, Ausgaben und Einnahmen zu einem wesentlichen Teil von den Landesgesetzgebern fremdbestimmt7. Mit dieser Stellung der Kommunen im Bundesstaat könnte schon ein strukturelles Defizit vorliegen, welches die Kommunen in die Schuldenfalle drängt.

§ 2 Schuldenbremse als selbst gewählte Schranke Die Gefahr eines horrend wachsenden Schuldenberges ist nicht nur ein Problem auf der kommunalen Ebene. Vielmehr sind auch die öffent­ lichen Kassen von Bund und Ländern seit Beginn der 1970er Jahre vom Trend zunehmender Kreditaufnahmen geprägt. Inzwischen steht der Gesamthaushalt der Bundesrepublik Deutschland vor einem Schuldenberg von 2068,29 Mrd. Euro8. 5  So ist der Kassenkreditbestand der Kommunen seit dem Jahr 1992 von rund 1,9 Mrd. auf ein Rekordniveau von 47 Mrd. Euro im Jahr 2012 stetig angewachsen, vgl. M. Kuban, Der Städtetag 2011, S. 1; ebenso A. G. R. Burth/M. Gnädinger/ D. Hilgers, Kommunaler Finanzreport 2013, 2013, S. 138 f.; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 14; vgl. Abb. 8: Vergleich Kassenkredite und sonstige Schulden, S. 308. 6  Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Kommunen in der Finanzkrise: Status quo und Handlungsoptionen, November 2012; zusammenfassend A. Perkuhn, „De facto bankrott“ – Deutschlands Kommunen in der Schuldenfalle, SZ 21.08.2013. 7  K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 68 f. m. w. N.; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 33 f.; K. Groh, LKV 2010, S. 1 (1). 8  Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich, Stand: 31.12.2012 nach StBA, Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.2.1.; zur massiven Staatsverschuldung vgl. auch: P. Kirchhof, Deutschland im Schuldensog, 2012, S. 15 ff.



§ 2 Schuldenbremse als selbst gewählte Schranke29

Als Konsequenz hieraus hat die sogenannte Föderalismusreform II9 als Kernstück ein neues Verschuldungskonzept entwickelt, um neuen Schulden mit einem strikten Verschuldungsverbot den Riegel vorzuschieben10. Unter dem Eindruck der Finanzmarkt- und Konjunkturkrise 2008 / 2009 und der erneut gestiegenen Nettokreditaufnahme durch Konjunkturprogramme wurden als Ergebnis der Föderalismusreform II in Art. 109 GG neue Grundzüge für die verfassungsrechtliche Begrenzung der Nettokreditaufnahme festgelegt. Diese Begrenzung sollte die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern sicherstellen und nach dieser Maßgabe eine zukunftsorientiert gestaltende Finanzpolitik ermöglichen11. Gem. Art. 109 III 1 GG sind nun die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen12. Von diesem Grundsatz dürfen nach Art. 109 III 2 GG nur ausnahmsweise abweichende Regelungen getroffen werden, wenn auf die Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie auf Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen reagiert werden muss, welche sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen. Die Neuregelung zur Begrenzung der Kreditaufnahme sollte ursprünglich erstmals im Haushaltsjahr 2011 Anwendung finden, aber angesichts der Ausweitung der Staatsverschuldung im Rahmen der Bewältigung der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise war die vollständige Einhaltung der neuen Grenzen 2011 noch nicht möglich. Trotz steigender Steuereinnahmen sind selbst im Bundeshaushalt 2014 nach den jüngsten Regierungsplänen nochmal 6,2 Mrd. Euro neue Schulden eingeplant und erst im Jahr 2015 sollen wieder Überschüsse erzielt werden13. In Art. 143d GG werden Bund und Länder sogar in diesem Sinne ermächtigt, befristet vom Verbot der Kreditaufnahme abzuweichen. Allerdings müssen die Grenzen für den Bund ab dem Jahr 2016 und von den Ländern ab dem Jahr 2020 zwingend eingehalten werden. 9  Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, vom 29. Juli 2009, BGBl. I 2009, S.  2248 ff. 10  H.-G. Henneke, Bundesstaat und kommunale Selbstverwaltung, 2009, S. 95; U. Kramer/T. Hinrichsen/T. Lauterbach, JuS 2012, S. 896 (898). 11  H.-G. Henneke, Bundesstaat und kommunale Selbstverwaltung, 2009, S. 97. 12  Dabei ist eine Politik der Nullverschuldung nicht unumstritten, siehe beispielsweise: der Titel „Verschuldet Euch!“ von C. v. Weizsäcker, Verschuldet Euch! – Nur Sparen ist Unsinn. Höhere Staatsdefizite würden nicht nur Deutschland nützen, sondern auch ärmeren Euroländern im Mittelmeerraum – ein Plädoyer, Cicero Oktober 2011; ähnlich die Forderungen P. Bofingers in Krisenzeiten gerade nicht zu sparen, zitiert in C. Hoffmann, Klotzen wie Keynes, SZ 24.05.2012. Zu den folgenden Details siehe bereits: C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (12). 13  G. Bohsem, Genügend Stoff – Bundeshaushalt, SZ 22.06.2013.

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Einleitung und Problemaufriss

Als Durchgriffsbestimmung gilt das in Art. 109 III GG festgelegte Neuverschuldungsverbot für Bund und Länder gleichermaßen. Das Neuverschuldungsverbot entfaltet sich auch gegenüber den Länderhaushalten völlig unabhängig davon, welche Regelungen Länder in ihren Verfassungen und einfachgesetzlichen Vorschriften verankern14. Trotzdem können die Länder in ihren Verfassungen Schuldenbegrenzungsregelungen festschreiben, die das grundgesetzlich vorgeschriebene Neuverschuldungsverbot bestätigen oder sogar noch verstärken. Nach Art. 109 III 5 GG können die Länder diese Regelung für ihre Haushalte entsprechend ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen mit der Maßgabe ausgestalten, dass der Schuldenbegrenzungsregelung nur dann entsprochen ist, wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden. Demnach müssen die Länder Regelungen treffen, nach denen ihre Haushalte, abgesehen von den Ausnahmen des Art. 109 III 2 GG, ohne Nettokreditaufnahme ausgeglichen werden. Dementsprechend haben Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, RheinlandPfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein bereits ihre Verfassungen dahingehend geändert, dass sich auch ihre Kreditaufnahmegrenzen an den neuen und strengeren Verschuldungsregelungen des Grundgesetzes durch die Föderalismusreform II orientieren15.

§ 3 Kommunen als mögliche Opferlämmer des Schuldenberges Es drängt sich die Frage auf, welche Bedeutung das Neuverschuldungsverbot für Bund und Länder für die Kommunen hat, schon deshalb, weil die Kommunen laut Finanzverfassung den Ländern zugeordnet sind. Die Länder selbst sind unmittelbar vom Verbot der Nettokreditaufnahme betroffen. Doch welche rechtlichen Konsequenzen hat dies für die Kommunen? Grundsätzlich sind die kommunalen Haushalte der Finanzpolitik der Landesgesetzgeber nicht schutzlos ausgesetzt. In Schrifttum und Rechtsprechung besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung i. S. v. Art. 28 II GG die Haushaltsautonomie und eine angemessene Finanzausstattung der Gemeinden mit umfasst16. Insofern könn14  Eine Sonderrolle nimmt Art. 109 III 5 erster Hs. GG ein, der zumindest auch Elemente einer Normativbestimmung enthält, hierzu: 1. Teil § 3 C. III. 1. b) aa), S.  204 f. 15  Siehe die Neufassungen der: Art. 82 BayVerf; Art. 72 HmbVerf; Art. 141 I HessVerf; Art. 65 II, 79a MVVerf; Art. 117 I RhPfVerf; Art. 94 II, 95 SächsVerf; Art. 53 SHVerf. 16  Statt vieler: K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 422 m. w. N.



§ 3 Kommunen als mögliche Opferlämmer des Schuldenberges 31

ten die Kommunen im Rahmen des Art. 28 II GG vor finanziellen Auswirkungen der Schuldenbegrenzungsregelungen geschützt sein. Es ist fraglich, inwiefern die neuen Verschuldungsregelungen die durch Art. 28 II GG geschützten Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung beeinflussen. Als grundlegendes Element setzt die Eigenverantwortlichkeit hinreichende Einnahmen voraus, die bis zu einem gewissen, noch zu konkretisierenden Maße frei von staatlicher Beeinflussung für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben verwendet werden können. Dementsprechend werden in Art. 28 II 3 erster Hs. GG „die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“ ausdrücklich hervorgehoben17. Allerdings ist umstritten, in welchem Umfang die kommunale Finanzausstattung durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 II GG konkret geschützt wird. Problematisch ist dabei vor allem, ob die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 28 II GG i. S. d. Kern-Randbereichsmodells einen unantastbaren Kernbereich der Finanzausstattung gewährt oder ob dieser nicht vielmehr unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Landes steht. Indem der Landesgesetzgeber durch die Verschuldungsregelungen nun verfassungsrechtlich verpflichtet ist, spätestens bis im Jahr 2020 seine Haushalte ohne die Aufnahme von neuen Krediten auszugestalten, könnte er versucht sein, kostenintensive Aufgaben den Kommunen zu übertragen, um sich so ihrer Finanzierung zu entziehen. Zudem könnte die Neuregelung der Verschuldungsgrenzen im Grundgesetz dazu geführt haben, dass die durch Art. 28 II GG geschützte Haushaltsautonomie und die angemessene Finanzausstattung der Kommunen neu justiert wurden. Unter Umständen kann der Landesgesetzgeber durch die neuen Verschuldungsbegrenzungen im Grundgesetz nun leichter die Finanzausstattung der Kommunen anpassen, um seine eigenen Einsparungsziele zu erreichen. Ob ein solches Verhalten des Landes noch mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu vereinbaren wäre, ist fraglich. Insofern ist zu untersuchen, welchen normativen Einfluss die neuen Schuldenbegrenzungsregelungen auf den Bestand der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 II GG haben. Insbesondere ist zu klären, inwiefern die Verschuldungsregelungen die Finanzausstattung der Kommunen beeinflussen und ob ein solcher Befund mit der Garantie auf kommunale Selbstverwaltung mit Art. 28 II GG vereinbar wäre. Mit ande-

17  Art. 28 II 3 erster Hs., angefügt durch Gesetz vom 27.10.1994, BGBl. I 1994, S. 3146; Art. 28 II 3 zweiter Hs. angefügt durch Gesetz vom 20.10.1997, BGBl. I 1997, S. 2470; zur verfassungsrechtlichen Bedeutung der Ergänzungen des Art. 28 II 3 GG für die angemessene Finanzausstattung siehe 1. Teil § 2 B. II., S. 101 ff. dieser Arbeit.

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Einleitung und Problemaufriss

ren Worten: Können und dürfen die Kommunen überhaupt als Opferlämmer des Schuldenberges herangezogen werden?

§ 4 Gang der Untersuchung Zuerst müssen die verfassungsrechtlichen Grundlagen erfasst werden (1. Teil), um überhaupt die rechtlichen Auswirkungen der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung beurteilen zu können (2. Teil). Da die Kommunen weder absolut autonom noch autark existieren, ist ihre generelle Stellung im Verfassungsgefüge des Bundesstaates darzulegen (§ 1). Hierbei stellt sich die Frage, welche politische Gestaltungsmacht den Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland zugestanden wird. Insofern ist die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufzuzeigen. Neben der Ausgestaltung der Kompetenzordnung ist aber auch die finanzielle Ausstattung der einzelnen Glieder für ihre Rolle im Bundesstaat von besonderer Bedeutung. Die finanzielle Ausstattung der einzelnen Glieder strahlt zudem auf die politische Gestaltungsmacht aus. Deshalb ist eine Darstellung der bundesstaatlichen und landesverfassungsrechtlichen Finanzordnung unerlässlich. Als verfassungsrechtliche Konkretisierung der Stellung der Kommunen in der bundesstaatlichen Finanzordnung ist die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu beleuchten (§ 2). Nach einem Überblick über die wesentlichen Bestandteile und den Inhalt der Garantie auf kommunale Selbstverwaltung gebührt das Hauptaugenmerk der finanzverfassungsrechtlichen Komponente und somit vor allem der finanziellen Eigenverantwortung der Kommunen. Ein besonderer Schwerpunkt ist hier auf den umstrittenen verfassungsrechtlich gewährleisteten Umfang der angemessenen Finanzausstattung zu legen. Anschließend sind die Motive und die gesetzliche Ausgestaltung der Schuldenbegrenzungsregelungen auf Bundesund Länderebene zu untersuchen (§ 3). Es ist darzulegen, welche Neuregelungen im Zuge der Föderalismusreform II im Grundgesetz eingeführt wurden und welche Auswirkungen dies auf die Schuldenbegrenzungsregelungen der Länder hat. Im zweiten Teil der Arbeit ist darzulegen, welcher Prüfungsmaßstab bei einer Verfassungsänderung im Verhältnis zur bestehenden Verfassung heranzuziehen ist. Insbesondere muss geklärt werden, mit welcher Auslegungsmethodik die Verfassung zu interpretieren ist. Hierbei sind die Besonderheiten bei Verfassungsänderungen zu beachten, unter deren Blickwinkel die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen beurteilt werden



§ 4 Gang der Untersuchung33

soll (§ 4). Anhand des konkretisierten Prüfungsmaßstabs für Verfassungsänderungen kann untersucht werden, welchen Einfluss die Einführung der Schuldenbegrenzungsregelung im Grundgesetz auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hat (§ 5). Es ist zu prüfen, ob die Schuldenbegrenzungsregelungen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung überhaupt rechtlich beeinflussen und in welchen Grenzen eine Beeinflussung zulässig ist.

1. Teil

Verfassungsrechtliche Grundlagen § 1 Die Kommunen im Bundesstaat Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 II GG ist für die Kommune im Grundgesetz1 die entscheidende Bezugsnorm für ihre Stellung im deutschen Bundesstaat. Trotzdem ist die verfassungsrechtliche Stellung der Kommunen nur zu verstehen, wenn man ihre konkrete Position im Staatswesen verortet. Hierzu ist es erforderlich, die generelle Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu beleuchten (A.). Sodann ist zu klären, welche Bedeutung den Kommunen durch die bundesstaatliche Finanzverfassung zukommt (B.). Zudem ist zu untersuchen, inwiefern die Kommunen durch die landesverfassungsrechtlichen Finanzordnungen geschützt werden (C.). Auf dieser Grundlage können die finanzverfassungsrechtlichen Abhängigkeiten der Kommunen im Bundesstaat aufgezeigt werden (D.).

A. Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen: Zweistufiger Staatsaufbau bei dreistufigem Verwaltungsaufbau Die finanzverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für Kommunen werden maßgeblich durch die generellen Gesetzes- (I.) und Verwaltungskompetenzen (II.) im Bundesstaat geprägt. Die staatsorganisationsrechtliche Einordnung der Kommunen im Hinblick auf ihre Kompetenzen in Gesetz1  Nach dem Grundgesetz untergliedern sich Kommunen in Gemeinden und Gemeindeverbände. Unter dem Begriff Gemeinden sind die Städte, Gemeinden und Dörfer zu verstehen, ohne weitere Differenzierung nach Größe und Verwaltungskraft, so H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 89. Gemeindeverbände sind kommunale Zusammenschlüsse, die entweder zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildete Gebietskörperschaften sind oder diesen jedenfalls nach Umfang und Gewicht der von ihnen wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben nahekommen, BVerfGE 52, 95, 109. Gemeindeverbände sind insbesondere die Landkreise, als gebietlich über den Gemeinden angesiedelte, nicht bloß auf Einzelaufgaben begrenzte kommunale Körperschaften, vgl. BVerfGE 52, 95, 112; 83, 363, 383; R. Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 1984, S.  204 ff.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat35

gebung und Verwaltung als Ausgangspunkt verdeutlicht, welche Einflussmöglichkeiten ihnen von der Verfassung her zugestanden werden. I. Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ist in den Art. 70 ff. GG geregelt. Nach der Kompetenzverteilungsregel des Art. 70 I GG liegt die Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich bei den Ländern, es sei denn, dem Bund wird diese durch das Grundgesetz ausdrücklich verliehen. Dabei ist dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung gem. Art. 71, 73 GG ausdrücklich zugewiesen. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72, 74 GG hat der Bund lediglich die Möglichkeit, vom seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch zu machen. Für das Kommunalrecht findet sich weder in der ausschließlichen noch der konkurrierenden Gesetzgebung eine Kompetenzzuweisung an den Bund. Im Rückschluss aus der grundsätzlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt das Kommunalrecht auch in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Dies erklärt sich daraus, dass die Schaffung und die Ausgestaltung des Kommunalwesens die Binnenorganisation des jeweiligen Landes betreffen2. Somit steht dem Landesgesetzgeber auch die Organisa­ tionsgewalt über die Kommunen zu. Dementsprechend haben alle Länder vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Art. 28 II GG und der jeweiligen Landesverfassung Gesetze für das Kommunalwesen erlassen3. II. Verwaltungskompetenzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen Die Kommunen gehören zum Staat und bilden einen Teil von seiner Verwaltungsorganisation4. Ausgehend von Art. 28 II GG gelten für die kommunale Verwaltungsorganisation mit der Besonderheit der Selbstverwaltung auch spezielle Regeln, letztlich als eine Art „Staat light“5. Die Kommunen sind als mittelbare Staatsverwaltung Teil organisierter Staatlichkeit und bilden eine dezentrale, rechtlich verselbstständigte und ori2  H.-G. Henneke, NdsVBl 2008, S. 1 (1); M. Burgi, Kommunalrecht, 2010, § 1 Rn. 12. 3  So existieren jeweils eine Gemeindeordnung, eine Kreisordnung, ein Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit und ein Kommunalabgabengesetz, siehe hierzu: M. Burgi, Kommunalrecht, 2010, § 1 Rn. 16. 4  M. Burgi, Kommunalrecht, 2010, § 2 Rn. 3. 5  M. Burgi, Kommunalrecht, 2010, § 2 Rn. 4.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

ginär demokratisch verfasste Verwaltungsebene6. Der kommunalen Selbstverwaltung kommt mithin eine verwaltungsorganisatorische und politischdemokratische Funktion zu7. So bilden die Gemeinden und Kreise eine Hauptverwaltungsstufe im Bundesstaat, in der das Organisationsprinzip der Dezentralisation und vertikalen Gewaltenteilung zum Ausdruck kommen8. Nach dem System des Grundgesetzes sind die Gemeinden staatsorganisationsrechtlich den Länden zuzuordnen9. Insofern führt die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht zur Etablierung einer dritten Ebene von Staatlichkeit. Somit unterscheiden sich Staatsaufbau und Verwaltungsaufbau in der Anzahl ihrer Ebenen. Während sich der Verwaltungsaufbau dreistufig in Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung untergliedert, ist der Staatsaufbau nur zweistufig in Bund und Länder unterteilt10. Somit sind Verwaltungs- und Staatsaufbau nicht deckungsgleich. Hieraus ergibt sich auch die eigentümliche Doppelrolle der kommunalen Selbstverwaltung, in der sie durch einen Kombination des Prinzips der administrativen Dezentralisation sowie durch ein politisch-demokratisches Staatsaufbauprinzip geprägt sind11.

B. Die Kommunen in der bundesstaatlichen Finanzverfassung Allein aus dem Staats- und Verwaltungsaufbau ist die Rolle der Kommunen aber noch nicht hinlänglich definiert. Die maßgebliche Bedeutung der 6  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 85 f.; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 16. 7  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 30; zur politisch-demokratischen Funktion der kommunalen Selbtsverwaltung: 2. Teil § 5 C. I. 1. a), S. 327 ff. dieser Arbeit. 8  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 30. 9  BVerfGE 39, 96 (109); 86, 148 (215); BVerwG, NVwZ 1995, 56 (58); F.-L. Knemeyer/M. Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (324); S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 159; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 9. 10  F.-L. Knemeyer/M. Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (324) bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 95; H. Pünder/C. Waldhoff, Kommunales Finanzrecht in der Verfassungsordnung von Bund und Ländern, in: Henneke/Pünder/ Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 1, Rn. 3. 11  H. Pünder/C. Waldhoff, Kommunales Finanzrecht in der Verfassungsordnung von Bund und Ländern, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 1, Rn. 3; G. Püttner, Kommunale Selbstverwaltung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2008, § 144, Rn. 3 ff.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat37

einzelnen Ebenen ergibt sich erst aus den rechtlichen Vorgaben, sich eigene Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Stellung der einzelnen Ebenen wird insofern maßgeblich durch die Vorgaben der Finanzverfassung bestimmt (I.). Insofern ist vor allem die dortige finanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen zu beleuchten. Durch die Finanzverfassung werden den Kommunen gewisse finanzielle Zuflüsse vor allem durch das Konnexitätsprinzip des Art. 104a I GG (II.) und durch die Gewährleistung unmittelbarer Einnahmen (III.) zugesprochen. Zusätzlich erhalten die Kommunen durch die mittelbaren Gewährleistungen des Art. 106 GG eine finanzielle Unterstützung (IV.). I. Bedeutung und Begriff der Finanzverfassung im Bundesstaat 1. Die finanzielle Ausstattung als maßgebliche Funktionsvoraussetzung Im Verhältnis von Staats- und Finanzverfassung gilt der Grundsatz der strukturellen Homogenität, das heißt, beide Bereiche beeinflussen sich gegenseitig12. In einem modernen Staatswesen, welches sich durch das Sozial­ staatsprinzip wesentlich durch Leistungsverwaltung auszeichnet, ist die hierzu erforderliche finanzielle Ausstattung maßgebliche Funktionsvoraussetzung13. Letztlich prägt die Finanzverfassung auch die politische Kräfteverteilung im Bundesstaat entscheidend mit14. Die finanzverfassungsrecht­ lichen Normen sind Ausdruck der im Bundesstaat bestehenden Solidargemeinschaft zwischen Bund und Ländern im Sinne des Bundesstaatsprinzips nach Art. 20 I GG15. Dabei sollen die finanzverfassungsrechtlichen Normen des Grundgesetzes die Finanzausstattung von Bund und Ländern sachgerecht zuteilen16, so dass diese auch in der Lage sind, die ihnen zugewiesenen Kompetenzen wahrzunehmen. Im föderativen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich die besondere Bedeutung der Finanzverfassung, denn diese prägt den Aufbau essenziell17. Die verfassungsgeschichtliche Entwicklung in Deutsch12  H.-G.

Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 1998, S. 27. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1075. 14  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 42. 15  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 43. 16  K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 30, Rn. 29; W. Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2008, § 141, Rn. 13; H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 42. 17  H. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 71; K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1054; K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstver13  K.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

land hat bewiesen, dass die Verteilung der Finanzgewalt zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten in besonderer Weise das bundesstaatliche Gemeinschaftsleben prägt und in der Auseinandersetzung um die finanziellen Kompetenzen der den Bundesstaat charakterisierenden Spannung zwischen uni­ tarischen und föderativen Gestaltungstendenzen Ausdruck verleiht18. Die Träger der öffentlichen Aufgaben können die ihnen zugewiesenen Kompetenzen erst erfüllen, wenn sie auch entsprechend finanziell ausgestattet werden19. Die „Finanzverfassung bildet einen der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung“, indem sie eine Finanzordnung sicherstellen soll, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt20. So wird die Finanzmacht für die Glieder des Bundesstaates auch als „conditio sine qua non“ bezeichnet, welche nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass das föderative Prinzip funktional eingeschränkt wird21. Allein auf Basis einer hinreichenden Finanzausstattung sind Bund und Länder in der Lage, die eigene Staatlichkeit zu entfalten22. Deshalb sei es zwingend erforderlich, dass die bundesstaatliche Verfassung die finanziellen Positionen des Bundes und seiner Glieder absichert23. Damit fasst die Finanzverfassung das Bundesstaatsprinzip als Strukturprinzip des Grundgesetzes auch einem „Brennspiegel“ gleich zusammen24. Die Finanzverfassung verweist zum einen Bund und Länder zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs in erster Linie auf Steuern und lässt zum anderen außerhalb der Finanzverfassung stehende Abgaben nur unter engen Voraussetzungen zu25. Insofern hat die Finanzverfassung zwei Funktionen: die Gewährleistung des Bundesstaates und eine grundrechtssichernde Funkwaltung, 1996, S. 45; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Vorb. Art. 104a–115, Rn. 29. 18  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 1998, S. 27 mit Verweisen auf „das Reich als Kostgänger der Länder“ in der föderalistisch ausgerichteten Verfassung des Deutschen Reiches 1871 und umgekehrt „die Länder als Kostgänger des Reiches“ in der Weimarer Reichsverfassung mit zentralistischen Zügen. 19  Statt vieler: K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1054. 20  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 42. 21  BVerfGE 32, 333 (338); 55, 274 (300 f.); so auch der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz), BT-Drs. 5/2861, S. 10 (Tz. 2), wonach die Finanzverfassung die Grundlage für das Tätigwerden der verschiedenen Träger der öffentlichen Aufgaben und damit für das gesamte Wirtschafts- und Sozialgefüge regelt; J. Isensee/P. Kirchhof, in: dies., HStR IV, 1990, Vorwort, S. V; K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 106, Rn. 1. 22  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 42. 23  BVerfGE 55, 274 (300 f.); 72, 330 (383 u. 388); 86, 148 (264). 24  J. Isensee/P. Kirchhof, in: dies., HStR IV, 1990, Vorwort, S. V. 25  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 43.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat39

tion. Durch diese Ordnungsfunktion dürfen die Normen der Finanzverfassung auch nicht als Regelungen von minderer Geltungskraft angesehen werden, da dadurch dem Bundesstaat seine Stabilität und die Sicherheit, die Freiheit verbürgt, genommen würde26. 2. Das Finanzwesen Zwar ist im Grundgesetz der Begriff der Finanzverfassung nicht enthalten, es gibt jedoch mit dem X. Abschnitt über das Finanzwesen einen eigenen Abschnitt27. Die „Finanzverfassung im weiteren Sinne“ bezeichnet das Verfassungsrecht der Staatseinnahmen und Staatsausgaben28. Hierzu gehören neben den Normen des X. Abschnitt des Grundgesetzes (Art. 104a bis 115 GG) auch die Norm des Art. 28 II 3 GG und die Vorschriften über die Kirchensteuer (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 VI WRV) sowie alle nicht finanzspezifisch formulierten Normen der Verfassung, mithin die Grundrechte, das Sozialstaatsprinzip, das Rechtsstaatsprinzip, Art. 23 GG und Einzelnormen, soweit sie sich auf finanzwirtschaftliche Vorgänge konkretisieren lassen29. Allerdings ist es nach dem eindeutigen Wortlaut und der Systematik vorzugswürdig, den Titel des „Finanzwesens“ für die unter diesem Titel normierten Art. 104a bis einschließlich Art. 115 GG als Oberbegriff beizubehalten. Diese Zuordnung bietet den Vorteil der größeren sprachlichen Klarheit für die zweigliedrige Unterteilung des Finanzwesens in eine Finanz- und eine Haushaltsverfassung30. So können die bundesstaatsrechtlichen Vorschriften der Art. 104a bis. 108 GG als Finanzverfassung bezeichnet werden, welche die Grundordnung des Steuerwesens und der staatlichen Finanzhoheit, ihre bundesstaatliche Aufteilung und ihre kommunalen Gewährleistungen umfasst31. Der Normenkomplex, Art. 109 bis 115 GG, um26  H.-G.

Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 43 f. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 3. 28  K.-A. Schwarz/E. Reimer, JuS 2007, S. 119 (119). 29  Ausführlich hierzu K. Vogel/C. Waldhoff, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/ Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 81. Erg.-Lfg., November 1997, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 1–18; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 109, Rn. 3 weist ausdrücklich auch auf die Nähe zu den Finanzwissenschaften hin. 30  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 41. 31  H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2000, Rn. 42; J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104a, Rn. 1. Knapper: K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1050 und K. Vogel, Der Finanzund Steuerstaat, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 30, Rn. 38, die unter Finanzverfassung lediglich die Regelungen der finanziellen Beziehungen des Bundes im Verhältnis zu den Ländern, einschließlich der Gemeinden und Gemeindeverbände verstehen. 27  M.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

schreibt hingegen die Haushaltsverfassung32 und somit die Summe der Rechtsnormen, die eine verfassungsrechtliche Ordnung für staatliche und parastaatliche Haushalte einschließlich der Vermögens- und Schuldenwirtschaft sowie seine Kontrolle und der Einbeziehung des Haushaltsgebarens in das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zum Inhalt haben33. a) Die Finanzverfassung (im engeren Sinne), Art. 104a bis 108 GG Die Finanzverfassung normiert in Art. 104a GG zunächst die Ausgabenzuständigkeit von Bund und Ländern. Die Finanzverfassung dient dabei als materielles Sicherungsinstrumentarium dem Schutz des Bundesstaatsprinzips34. Dabei versucht die Finanzverfassung zwei grundsätzlich widerstreitende Interessen auszugleichen, indem es einerseits durch Kompetenzzuweisungen die „Autonomie“ von Bund und Ländern stärkt und andererseits über das „bündische Prinzip“ gemeinsame Zuständigkeiten begründet35. Insofern schlägt die Finanzverfassung des Grundgesetzes zur Absicherung der Eigenstaatlichkeit von Bund und Ländern einen Mittelweg zwischen föderalistischer Finanzverfassung des Kaiserreichs und der unitarischen Finanzverfassung der WRV ein36. Dabei zeichnet sich die Finanzverfassung nach ihrer Struktur als Folgeverfassung aus37. Insbesondere aus dem Wortlaut des Art. 104a I GG ergibt sich, dass die Aufgaben das Primäre sind, während dann als Folge die entsprechende Ausgabenlast korrespondiert38. Bei Art. 104a I GG wird der Aufgabenbestand bereits vorausgesetzt und an anderer Stelle der Verfassung getroffen, womit der Finanzverfassung die Aufgabe zukommt, die gegebene 32  Der Begriff des Haushaltswesens findet hingegen keinen Niederschlag im Grundgesetz und ist dementsprechend ohne rechtswissenschaftlichen Aussage- und Erkenntniswert, vgl. C. Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, 2001, S. 27; dem folgend D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 41. 33  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1051 f., 1061; H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2000, Rn. 43; J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104a, Rn. 1; J. Becker, BB 2011, S. 1175 (1175); M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Vorb. Art. 104a–115, Rn. 1. 34  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 141. 35  J. Becker, BB 2011, S. 1175 (1175). 36  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 1998, S. 27 f. 37  Eher kritisch gegenüber dem Begriff einer „dienenden“ Verfassung bzw. „Folgeverfassung“, siehe: C. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung in gestuften Rechtsordnungen, in: VVDStRL, 66. Band, 2007, S. 216 (246 ff.). 38  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 157.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat41

Aufgaben- und Kompetenzordnung zu bestätigen39. Dass die Finanzverfassung sich als Folgeverfassung darstellt, ist nur konsequent im Hinblick auf die allgemeine Staatsverfassung, denn das Grundgesetz begreift das Finanzwesen als ein bundeseinheitliches Problem40. Dabei sind die Kommunen staatsorganisationsrechtlich Bestandteile der Länder und die ihnen in Art. 28 II GG zugesprochenen Rechtspositionen entfalten sich auch in den selbigen41. Dieser allgemein bundesstaatliche Aufbau setzt sich in der Finanzverfassung in der Form fort, dass sie gleichfalls zweistufig die Kommunen als Glieder des jeweiligen Landes behandelt und Aufgaben wie Ausgaben der Kommunen dem Land zurechnet42. Insofern kennt die Finanzverfassung als Adressaten der Art. 104a ff. GG auch nur Bund und Länder43. In den Art. 105 bis 108 GG sind die Zuständigkeiten für Steuern, die sogenannten Steuerhoheiten geregelt, welche sich in die Steuergesetzgebungshoheit (Art. 105 GG), die Steuerertragshoheit (Art. 106, 107 GG) und die Steuerverwaltungshoheit (Art. 108 GG) unterteilen lassen44. Allerdings stehen diese finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisungen nicht vollkommen separat nebeneinander, vielmehr sind diese in mehrfacher Weise miteinander verflochten45. So wird die fehlende Normsetzungskompetenz der Länder durch Mitwirkungsrechte bei der Bundessteuergesetzgebung gem. Art. 105 II und III kompensiert und so partiell an die Ertragskompetenzen gekoppelt, welche ihrerseits aufgrund des Art. 107 I GG partiell von den Verwaltungskompetenzen abhängen46. Die Ausgestaltung der Verwal39  R. Prokisch, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 105. Erg.-Lfg., Mai 2003, Art. 104a, Rn. 31. 40  BT-Drs. 5/2861, S. 10 (Tz. 2 f.). 41  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 159 verweist zudem auf Art. 28 III GG, in dem dies nochmal bekräftigt wird. 42  BVerfGE 86, 148 (215); K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1053; T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, Grundwerk, 67. Erg.-Lfg., Art. 104a, Rn. 27; K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S.  62  ff.; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Vorb. Art. 104a–115, Rn. 49. 43  H. Pünder/C. Waldhoff, Kommunales Finanzrecht in der Verfassungsordnung von Bund und Ländern, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 1, Rn. 4; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 159. 44  K.-A. Schwarz/E. Reimer, JuS 2007, S. 119 (120). 45  C. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung in gestuften Rechtsordnungen, in: VVDStRL, 66. Band, 2007, S. 216 (229); K.-A. Schwarz/E. Reimer, JuS 2007, S. 119 (120) spricht insofern von „bidirektionale[n] Verschränkungen“. 46  C. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung in gestuften Rechtsordnungen, in: VVDStRL, 66. Band, 2007, S. 216 (229); K.-A. Schwarz/E. Reimer, JuS 2007, S. 119 (120).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

tungskompetenz ist aber ihrerseits wiederum von der Ertragskompetenz abhängig (Art. 108 III und IV 2 GG)47. Auch wenn die Gemeinden und Gemeindeverbände in den finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften des Art. 106 III, V bis IX, 105 III, 107 II 1 zweiter Hs. GG und Art. 108 IV 2, V bis VII GG Erwähnung finden, ändert dies nichts an der Zweistufigkeit des Staatsaufbaus48. Vielmehr wird die finanzverfassungsrechtliche Zuordnung der Kommunen zu den Ländern unterstrichen. Dies zeigt sich beispielsweise in Art. 106 IX GG, indem die Einnahmen und Ausgaben der Länder auch als Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden bzw. Gemeindeverbände gelten oder in Art. 107 II 1 zweiter Hs. GG beim Länderfinanzausgleich die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden bzw. Gemeindeverbände zu berücksichtigen ist49. Die Gemeinden und Gemeindeverbände werden insofern in der Finanzverfassung des GG durch die Länder lediglich „finanzverfassungsrechtlich mediatisiert“50. Allerdings wird dieses Prinzip der Mediatisierung der Kommunen durch die Länder im Hinblick auf die Steuerkompetenzarten durchbrochen, indem durch landesgesetzliche Regelungen wiederum der Durchgriff erfolgt und die Kommunen unmittelbar mit bestimmten Kompetenzen ausgestattet werden51. b) Die Haushaltsverfassung, Art. 109 bis 115 GG Art. 109 GG und Art. 109a GG nehmen als bundesstaatlich geprägtes Bindeglied zwischen dem Finanz- und Haushaltsverfassungsrecht eine Sonderstellung ein52. Insofern kann man Art. 109 auch als „das Scharnier zwi47  K.-A.

Schwarz/E. Reimer, JuS 2007, S. 119 (120). Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/ Kirchhof, HStR V, 2007, § 116, Rn. 18. 49  Auch der BVerfGE 86, 148 (215) unterstreicht diesen Befund: „Diese Bestimmungen erhalten ihren Sinn aus dem Zusammenhang der Finanzverfassung mit der staatsorganisationsrechtlichen Regelung, die das Grundgesetz vornimmt. Im Bundesstaat des Grundgesetzes stehen sich Bund und Länder und die Länder untereinander gegenüber; die Kommunen sind staatsorganisationsrechtlich den Ländern eingegliedert“. 50  H. Pünder/C. Waldhoff, Kommunales Finanzrecht in der Verfassungsordnung von Bund und Ländern, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 1, Rn. 4; ausführlich zum bundesstaatlichen Finanzausgleich: J. W. Hidien, Gemeindefinanzen, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 26. 51  K.-A. Schwarz/E. Reimer, JuS 2007, S. 119 (120); beispielsweise bezüglich der Grund- und Gewerbesteuer gem. Art. 106 VI GG. 52  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1052; D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 42; nicht mehr ganz so deutlich G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 4. 48  C.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat43

schen den föderativen Regelungen der Finanzverfassung (Art. 104a–108) und den allein den Bund betreffenden Vorschriften der Haushaltsverfassung (Art. 110–115 GG)“ bezeichnen53. Dabei schließt Art. 109 GG zum einen die föderative Finanzverfassung durch die haushaltswirtschaftliche Absicherung der bundesstaatlichen Dezentralisierung und Autonomie ab, ohne dass dadurch die verschiedenen Haushalte hermetisch voneinander isoliert wären54. Vielmehr kann die in Art. 109 I GG normierte Autonomie der Haushaltswirtschaft über die einnahme- und ausgabenbezogenen Normen der Finanzverfassung verfassungsimmanent eingeschränkt werden55. So lässt sich aus den Einschränkungen der Haushaltsautonomie in Art. 109 II bis V GG und aus den Grundprinzipien des Bundesstaates die Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme, Kooperation und Solidarverantwortung für das gesamte Gemeinwesen ableiten56. Dabei versteht man unter Haushaltswirtschaft die Gesamtheit der auf die staatlichen Einnahmen und Ausgaben bezogenen Vorgänge, soweit sie nach dem geltenden bundesstaatlichen Verfassungsrecht eigenständigen haushaltspolitischen Entscheidungen unterworfen sind57. II. Das Konnexitätsprinzip gem. Art. 104a I GG 1. Grundsatz der Ausgabenlast Art. 104a I GG besagt als erste Vorschrift und als Leitnorm der Finanzverfassung, dass Bund und Länder jeweils die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, zu tragen haben. Diese grundsätzliche Verknüpfung von Aufgaben und Ausgaben zur Regelung der Ausgabenlast wird als Konnexitätsprinzip bezeichnet58. Dieses Prinzip wird auch treffend mit der Vorgabe „Wer bestellt, bezahlt!“ umschrieben59. 53  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 109, Rn. 11; ebenso in der Folgeauflage W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 12. 54  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 109, Rn. 11; ebenso in der Folgeauflage W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 12. 55  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, Rn. 42. 56  BVerfGE 4, 115 (140); 72, 330 (386); M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 3. 57  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1078; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 5. 58  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104a, Rn. 40. 59  So ihren Aufsatz einleitend I. Kemmler, DÖV 2008, S. 983 (983).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Das Bundesverfassungsgericht schreibt diesem Prinzip verfassungsrechtlich im Wesentlichen zwei Aufgaben zu. Zum einen soll die Finanzverfassung garantieren, dass Bund und Länder am Finanzaufkommen sachgerecht beteiligt und finanziell in die Lage versetzt werden, um die ihnen zukommenden Aufgaben auch erfüllen zu können60. Zum anderen sollen damit die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Bund und Länder tatsächlich staatlich selbstständig sind und sich ihre politische Autonomie „in der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung und der Haushaltswirtschaft“ entfalten61. Zum einen bestimmt Art. 104a I GG als Rechtsfolge vor allem die Ausgabenlast und somit, wer im föderalen Binnenverhältnis zwischen Bund und Ländern für die Aufgabenwahrnehmung aufzukommen hat62. Zum anderen enthält die Regelung mit der Formulierung „gesondert“ ein Transferverbot, wodurch es Bund und Ländern untersagt ist, Aufgaben der jeweils anderen Körperschaft ganz oder teilweise zu finanzieren63. Für das Verhältnis Bund und Kommunen folgt daraus, dass Art. 104a I GG nur Bund und Länder anspricht. Da Kommunen Bestandteil der Länder sind, ist es dem Bund grundsätzlich untersagt, Aufgaben der Kommunen zu finanzieren bzw. sich eigene Aufgaben durch die Kommunen finanzieren zu lassen64. 2. Durchbrechungen des Konnexitätsprinzips a) Geldleistungsgesetze nach Art. 104a III GG Art. 104a III GG, der es dem Bundesgesetzgeber gestattet, bei von den Ländern ausgeführten Bundesgesetzen eine Kostentragung des Bundes vorzusehen, durchbricht das Konnexitätsprinzip des Art. 104a I GG in doppelter Weise. Hier wird die Ausgabenlast nicht an die Verwaltungszuständigkeit, sondern an die gesetzgeberische Veranlassung angeknüpft. Zudem ermöglicht die Norm eine Mischfinanzierung, was nach Art. 104a I GG gerade ausgeschlossen werden soll65. Für die Anwendung des Art. 104a III GG 60  BVerfGE 32, 333 (338); 86, 148 (264) mit Verweis auf 55, 274 (300 f.) und 72, 330 (388). 61  BVerfGE 86, 148 (264) mit Verweis auf BVerfGE 72, 330 (383). 62  F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?, 1996, S. 26. 63  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 104a, Rn. 6. 64  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 104a, Rn. 18. 65  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 169.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat45

bedarf es ein von den Ländern auszuführendes Bundesgesetz, das Geldleistungen gewährt. Geldleistungen i. S. d. Art. 104a III 1 GG sind gegenleistungsunabhängige, einmalige oder laufende, auch als Darlehen gewährte geldliche Zahlungen, die im Rahmen eines bundesgesetzlich geregelten Leistungssystems aus öffentlichen Mitteln an private Empfangsberechtigte geleistet werden66. Dabei bedarf es für die Gewährleistung von Geldleistungen, dass den Ländern ein Bundesgesetz die Auszahlung der Leistungen vorgeschrieben ist und ihnen klare Merkmale vorgeschrieben sind, nach denen sie sich zu richten haben67. Hingegen genügt es nicht, wenn für die das Gesetz ausführenden Länder ein freies Ermessen hinsichtlich des „ob“ und „wie“ der Geldleistung normiert ist68. b) Bundesfinanzhilfen Geradezu zwangsläufig ergibt sich aus der bundesstaatlichen Ordnung in der Finanzverfassung die verfassungsrechtliche Problematik von Finanzhilfen zwischen den einzelnen Ebenen69. Nach dem Grundgesetz wird diese Problematik des Bundesstaates freilich vor allem im Verhältnis von Bund und Ländern akut. Dabei geht für die Länder einerseits Gefahr von der „Anziehungskraft des größten Etats“70 aus. Indem den Ländern aus dem Bundeshaushalt Mittel zur Wahrnehmung von Landesaufgaben gewährt werden, droht ein Abhängigkeitsverhältnis der Länder vom Bund, welches im Extremfall deren Eigenstaatlichkeit gefährdet. Auf der anderen Seite sind die Gliedstaaten vielfach, vor allem bei kostenintensiven Aufgaben, auf das Eingreifen des Gesamtstaates angewiesen, da sie sonst die ihnen obliegenden Aufgaben nicht oder nicht hinreichend erfüllen können71. Hinzu kommt, dass sich eine entsprechende Förderung geradezu aufdrängt, wenn die Länderaufgaben im gesamtstaatlichen Interesse liegen72. Im Spannungsverhältnis dieser 66  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104a, Rn. 82, der zu Geldleistungen insbesondere Prämien, Unterstützungen und Förderleistungen, wie Wohngeld, Wohnungsbauprämien, Bundesausbildungsförderungen, Erziehungsgeld oder Entschädigung für Opfer von Gewalttaten zählt. 67  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, Grundwerk, Art. 104a, Rn. 36. 68  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 169. 69  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 171. 70  So die Formulierung von J. Popitz, Der Finanzausgleich, in: Gerloff/Meisel, 2. Band, 1927, S. 338 (348). 71  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 171. 72  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 171 f.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

beiden Pole bewegen sich die heutigen verfassungsgesetzlichen Regelungen bezüglich der Finanzhilfen an die Länder73. Dabei sind entsprechende Bundeszuschüsse an die Länder auf die sogenannte Investitionshilfekompetenz des Art. 104b GG und auf die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und b GG beschränkt74. Diese Regelungen stellen grundgesetzliche Ausnahmen i. S. v. Art. 104a I lzt. HS GG dar und sind neben Art. 106a und Art. 120 I GG75 die einzigen statthaften Finanzhilfen des Bundes an die Länder, welche das Konnexitätsprinzip durchbrechen. Dabei macht Art. 104a I lzt. HS GG mit der Einschränkung „soweit“ deutlich, dass Bundesfinanzhilfen an die Länder eine Ausnahme darstellen sollen76. aa) Investitionshilfekompetenz nach Art. 104b I GG Im Zuge der 2006 umgesetzten Föderalismusreform I77 wurde die ursprüngliche Regelung des Art. 104a GG IV a. F. gestrichen und durch eine eigenständige Regelung in Art. 104b GG ersetzt78. Der Gesetzgeber hat sich damit für die seit jeher umstrittene Bundesinvestitionshilfekompetenz79 entschieden und lediglich einzelne formell und materiell rechtliche Änderungen vorgenommen, die die Finanzhilfen des Bundes entflechten und zielgerichteter zum Einsatz bringen sollen80. Die Entstehungsgeschichte des Art. 104b GG bzw. Art. 104a IV GG a. F. gibt einen Hinweis darauf, dass ihm vor73  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 172; J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104a, Rn. 20. 74  Nach einem regelrechten Wildwuchs von Förderungen ist dies Ergebnis der Finanzreform von 1969, deren erklärtes Ziel es war, Bundeszuschüsse an die Länder sachlich gegenständlich zu beschränken und diese durch genauere Vorgaben zu verrechtlichen, vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 5/3605, S. 5 f. 75  Da Art. 106a und Art. 120 I GG lediglich Sonderfälle betreffen, bleiben sie für die nachfolgenden Überlegungen außer Betracht. 76  Dies wird durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht bestätigt, nach der diese Vorschrift keiner erweiternden Auslegung oder Anwendung zugänglich ist, um so der Gefahr einer Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit der Länder wirksam zu begegnen, BVerfGE 39, 96 (107). 77  52. Gesetz zur Änderung des GG, 28.08.2006, BGBl. I, S. 2034 (2036). 78  BT-Drs. 16/813, S. 19. 79  So wurde in der Literatur in der verbleibenden Möglichkeit der Mischverwaltung vor allem die Gefahr des Verlustes der Eigenständigkeit der Länder, die uneffektive Bewältigung von Aufgaben und die mögliche Ausschaltung der Länderparlamente bemängelt. Zunehmend scheint sich aber durchzusetzen, dass mit Bundesfinanzhilfen einem letztlich unabweisbaren bundesstaatlichen Bedürfnis Rechnung getragen wird, vgl. zur Entstehungsgeschichte: J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104a, Rn. 4 m. w. N. 80  Zu den konkreten Änderungen, vgl. J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104b, Rn. 4.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat47

nehmlich eine disziplinierende und begrenzende Funktion bezüglich der Mitfinanzierung von Länderaufgaben durch den Bund zukommt81. Als Beispiel für den neuen Art. 104b GG ist 2009 das Zukunftsinvestitionsgesetz82 ergangen, wonach der Bund insgesamt 10 Milliarden Euro zur Unterstützung zusätzlicher Investitionen der Kommunen und Länder zur Verfügung stellt, um der drohenden Wirtschaftskrise zu begegnen. Art. 104b I 1 GG gibt als die zentrale materiell rechtliche Regelung dem Bund die Befugnis, Finanzhilfen an die Länder zu leisten. Somit gewährt Art. 104b I GG, als Ausnahme vom Konnexitätsprinzip83 des Art. 104a I GG bei bedeutsamen Geldzahlungen des Bundes an die Länder bzw. Kommunen mit entsprechenden Finanzierungszielen eine Befreiung vom Fremdfinanzierungsverbot und begründet somit eine Transferbefugnis84. Da Art. 104b I 1 GG nur von finanzieller Hilfe spricht, ist eine volle Finanzierung von bestimmten Aufgaben ausgeschlossen, so dass der Bund immer nur einen Teil der Finanzierung übernehmen darf85. Art. 104b I 1 GG beschränkt die Finanzhilfen auf „besonders bedeutsame Investitionen“ der Länder und Kommunen. Dabei wird der Investitionsbegriff im volkswirtschaftlichen Sinne verstanden und erfasst daher nur Sach­ investitionen und nicht Finanzinvestitionen86. Ausgeschlossen sind somit finanzielle Zuwendungen für konsumtive Zwecke, um nicht die Konsumausgaben, sondern vielmehr die Wachstumseffekte von Investitionen zu steigern87. Es muss daher um solche Projekte gehen, die nachhaltig die Erwerbsgrundlagen und Lebensverhältnisse im Sinne einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verbessern88. Dadurch fallen die laufenden Folge81  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art.  104b, Rn.  7 m. w. N. 82  Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz – ZuInvG), BGBl. I 2009, S. 428 f., zuletzt geändert durch das Gesetz vom 27.05.2010, BGBl. I 2010 S. 671 f., Artikel 3b; vgl. dazu H.-G. Henneke, Der Landkreis 2009, S. 167; auch zur inhaltlichen Anpassung des Art. 104b GG an die wirtschaftlichen Umstände: J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104b, Rn. 5. 83  Mitunter wird der echte Ausnahmecharakter mit der Argumentation bestritten, dass die Regelung dem Bund eine besondere Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz zuweise und somit das Konnexitätsprinzip schon gar nicht durchbreche, vgl. statt vieler: R. Prokisch, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 105. Erg.-Lfg., Mai 2003, Art. 104a, Rn. 236 m. w. N. 84  Noch bezüglich der ursprünglichen Fassung des Art. 104a IV GG a. F.: S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 172. 85  BVerfGE 39, 96 (117). 86  M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 104b, Rn. 6. 87  R. Prokisch, Justiziabilität, 1993, S. 196. 88  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 173.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

kosten wie Unterhaltung oder Betrieb nicht unter den Investitionsbegriff im Sinne von Art. 104b I 1 GG89. Zudem müssen die zu fördernden Investi­ tionen solche der Länder oder Kommunen sein90. Die Investitionen sind „besonders bedeutsam“, wenn sie in Ausmaß und Wirkung besonderes Gewicht haben91. Dabei muss sich die besondere Bedeutsamkeit nicht aus der Größe der geförderten Einzelprojekte ergeben, sondern kann auch aus der Zusammenfassung einer größeren Zahl kleinerer Vorhaben eines Investi­ tionsbereiches folgen92. Gem. Art. 104b I 1 GG kommen als mögliche Empfänger allein die Länder in Betracht. Diese alleinige Empfangszuständigkeit gilt auch bei der Förderung von Investitionen der Kommunen93. Unmittelbare Finanzhilfen des Bundes an die Kommunen sind verfassungswidrig94. Da die Finanzhilfen nicht unmittelbar an die Kommunen geleistet werden dürfen, haben die Länder auch einen Entscheidungsspielraum, wonach sie Finanzhilfeangebote grundsätzlich auch ablehnen dürfen95. Auch wenn die Finanzhilfen der Unterstützung kommunaler Investitionen dienen, sind die Länder immer Empfänger der Zuwendung und für deren Weiterleitung an die Kommunen zuständig96. Die Finanzhilfen sind auf die in Art. 104b I 1 GG abschließend aufgeführten Förderziele beschränkt. Hierin kommt zum Ausdruck, dass die Finanzhilfen i. S. d. Art. 104b GG nicht auf die Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines Landes ausgerichtet und keine Instrumente „direkter oder indirekter Investitionssteuerung zur Durchsetzung allgemeiner wirtschafts-, währungs-, raumordnungs- oder strukturpolitischer Ziele des Bundes in den Ländern“ sein dürfen97. Auch wenn die Förderungsziele in Art. 104b I 1 GG als unbestimmte Rechtsbegriffe weit gefasst sind, muss der Ausnahme­ 89  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 173; H. H. v. Arnim, Finanzzuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2008, § 138, Rn. 61; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG  Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 104b, Rn. 6 verweist in diesem Zusammenhang vor allem auf Infrastrukturmaßnahmen. 90  H. Kube, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 104b, Rn. 4; J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 26. 91  BVerfGE 39, 96 (115). 92  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 27 m. w. N. in Fn. 12. 93  BVerfGE 39, 96 (122); 41, 291 (313). 94  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 28. 95  R. Prokisch, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 105. Erg.-Lfg., Mai 2003, Art. 104a, Rn. 239. 96  BT-Drs. 5/2861, S. 52 (Tz. 299). 97  Noch in Bezug auf Art. 104a IV 2 GG a. F.: BVerfGE 39, 96 (111).



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat49

charakter von Bundesfinanzhilfen an Länder und Kommunen gewahrt bleiben durch eine restriktive, der ratio legis verpflichtete Auslegung98. So fordert Art. 104b I 1 Nr. 1 GG die Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Dieser als konjunkturpolitisch charakterisierte Förderungszweck steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Art. 109 II GG, wonach Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben99. Insofern stimmt der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Art. 104b I 1 Nr. 1 GG und des Art. 109 II GG dahin gehend überein, dass es sich um eine den Wirtschaftswissenschaften entlehnte und ihrer Interpretation offene Definition handelt100. Bei der Auslegung kann aber auf die zeitgleich entstandene Konkretisierung der Teilziele des § 1 II StabG zurückgegriffen werden, wonach eine Störung dann vorliegt, wenn die Stabilität des Preisniveaus, eine hoher Beschäftigungsstand und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum bedroht sind101. Eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts muss nicht unmittelbar vorliegen. Da die Abwehr von Störungen gefordert ist, reicht vielmehr eine unmittelbar bevorstehende Störung zur Rechtfertigung von entsprechenden Finanzhilfen102. Zugegebenermaßen ist es eine eher politische als eine rechtliche Frage, wann ein Beschäftigungsstand „hoch“ oder ein Wirtschaftswachstum „stetig und angemessen“ ist. Dementsprechend steht dem Gesetzgeber auch ein Beurteilungsspielraum zu, wann er ein Eingreifen i. S. v. Art. 104b I 1 Nr. 1 GG für erforderlich hält. Da es allerdings um die Behebung einer Störung geht, sind dem Bundesgesetzgeber in zeitlicher Hinsicht nur vorübergehende Finanzhilfen und eben keine Dauerzustände erlaubt103. 98  BVerfGE 39, 96 (114) spricht, noch in Bezug auf Art. 104a IV 2 GG a. F., von „in äußerst allgemeiner Form gefaßten [sic!] verfassungsrechtlichen Zwecke[n]“; H. Kube, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 104b, Rn. 11. Das dem Ausnahmecharakter durch restriktive Auslegung Geltung verschafft werden muss, war allerdings schon bezüglich der Altregelung des Art. 104a IV GG umstritten, ausführlich hierzu: S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 180 f. 99  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 29; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG  Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 104b, Rn. 10. 100  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 31. 101  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 174; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 104b, Rn. 17 ff.; mit einem weitergehenden Verständnis W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 104b, Rn. 12. 102  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 31. 103  H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 104b, Rn. 16; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG  Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 104b, Rn. 10.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Nach dem zweiten Förderungsziel gem. Art. 104b I 1 Nr. 2 GG ist es dem Bund zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet gestattet, Finanzhilfen zu leisten. Hinter diesem zweiten regionalpolitischen Förderziel steht die Absicht des Gesetzgebers, die Einheitlichkeit oder Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse herzustellen oder zu wahren104, um Wanderungsbewegungen von Mensch und Kapital auf ein erträgliches Maß einzugrenzen und um somit die Stabilität des Bundesstaates zu gewährleisten105. Erforderlich ist hierfür eine anhand aussagekräftiger Kriterien feststellbare Lage des Ungleichgewichts in der Wirtschaftskraft eines bestimmten Gebietes in Vergleich zu anderen106. Insofern beschränkt sich die Förderungsfähigkeit auf solche Regionen, die wirtschaftlich zurückgeblieben sind. Dabei verlangt der angestrebte Ausgleich keine völlige Nivellierung der unterschiedlichen Wirtschaftskraft, sondern lediglich den Abbau des wirtschaftlichen Gefälles, welcher auf eine Annäherung abzielt107. Auch die Zuweisungen im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs gem. Art. 106 und 107 GG haben die Aufgabe, die Finanzkraftunterschiede zwischen einzelnen Gliedern des Bundesstaats auszugleichen. Im Gegensatz hierzu zielt Art. 104b I 1 Nr. 2 GG als besondere Komplementärfunktion aber nicht allein auf die Anhebung der allgemeinen Finanzkraft finanzschwächerer Länder, sondern auch auf spezifische Entwicklungsbedürfnisse und -möglichkeiten bestimmter regionaler Fördergebiete108. Aus der Zielsetzung eines Ausgleichs unterschiedlicher Wirtschaftskraft wird mitunter abgeleitet, dass die Förderung nach Art. 104b I 1 Nr. 2 GG auf unmittelbar wirtschaftsbezogene Investitionen beschränkt ist109. Dabei wird jedoch als problematisch zuerkannt, dass dem Erfordernis wirtschaftsbezogener Investitionen kaum Einschränkungen abgewonnen werden können, denn letztlich können selbst Investitionen im Bildungs-, Gesundheits- oder Freizeitbereich geeignet sein, regionale Strukturschwä104  M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG  Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 104b, Rn. 4; R. Prokisch, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 105. Erg.-Lfg., Mai 2003, Art. 104a, Rn. 264. 105  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 34. 106  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, Grundwerk, Art. 104a, Rn. 48; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 104b, Rn. 15. 107  R. Prokisch, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 105. Erg.-Lfg., Mai 2003, Art. 104a, Rn. 268. 108  H. Kube, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 104b, Rn. 13; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 104b, Rn. 28. 109  Noch in Bezug auf Art. 104a IV GG a. F.: J. Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S. 57 f.; P. Franke, FA 36 (1977), S. 93 (100); in Bezug auf Art. 104b I 1 Nr. 2 GG: J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104b, Rn. 37.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat51

chen abzubauen, so dass im Ergebnis Bundeshilfen für eine Vielzahl von Investitionen in Betracht kommen110. Dieser weiten Ansicht wird jedoch entgegengehalten, dass die genannten Faktoren primär lediglich die allgemeine Lebensqualität eines Gebietes erhöhen, eine daraus möglicherweise resultierende Ansiedlung von Unternehmen sei allerdings nur eine allzu weite Nebenfolge der getätigten Investitionen111. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des Förderungsziels, bei der der Förderungszweck „zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ gerade gescheitert war, wäre es eine Überspannung vom Wortlaut und Normzweck, so weitgehende Investitionen unter das Förderungsziel des Art. 104b I 1 Nr. 2 GG zu subsumieren112. Als besonders uferlos erscheint das dritte Förderungsziel gem. Art. 104b I 1 Nr. 3 GG, welches dem Bund zu Finanzhilfen „zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums“ ermächtigt, da es im Gegensatz zu Art. 104b I 1 Nr. 1 GG weder eine wirtschaftliche Krisensituation voraussetzt noch wie Art. 104b I 1 Nr. 2 GG eine regionale Beschränkung aufweist113. Scheinbar kann der Bund hier dem Wortlaut nach jede Investition im gesamten Bundesgebiet fördern, denn praktisch jede Ausgabe für eine zumindest sinnvolle Investition erhöht potenziell das Wirtschaftswachstum114. Hiergegen spricht allerdings schon die Systematik des Art. 104b I 1 Nr. 3 GG, denn wenn für die Förderung jeder Investition allein das Wirtschaftswachstum maßgeblich ist, wären die Förderungsziele der Art. 104b I 1 Nr. 1 und 2 GG schlichtweg überflüssig115. Auch wenn eine schärfere Konturierung mitunter für unmöglich gehalten wird, ist doch überwiegend anerkannt, dass Art. 104b I 1 Nr. 3 GG zumindest keine generalklauselartige Ermächtigung zur Förderung jeglicher Investitionen darstellt116. Ansonsten würde dieses Förderungsziel entgegen seiner Zweckbestimmung zum Instrument einer Investitionssteuerung zur Durchsetzung allgemeiner wirtschafts-, währungs-, raumordnungs- oder strukturpolitischer Ziele des Bundes in den Ländern mutie110  R. Prokisch, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 105. Erg.-Lfg., Mai 2003, Art. 104a, Rn. 270; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 104b, Rn. 15. 111  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 176. 112  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 176 mit Verweis auf den Vorschlag des Bundestages, BT-Drs. 5/3605, S. 7 und die ablehnende Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 14/69, S. 8 f.; hierzu auch U. Kirste, Finanzhilfen des Bundes, 1995, S. 42 f. 113  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 38. 114  H. H. v. Arnim, Finanzzuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2008, § 138, Rn. 63. 115  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 177 m. w. N. 116  Noch bezüglich Art. 104a IV GG a. F.: K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1144.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

ren117. Insofern ist auch hier ein enger Bezug zur Wirtschaftsförderung erforderlich, so dass entferntere Zusammenhänge zum Wirtschaftswachstum unberücksichtigt bleiben müssen118. Nach Art. 104b I 1 Nr. 3 GG sind somit insbesondere Kultur- und Bildungseinrichtungen in den Ländern bzw. Kommunen nicht förderungsfähig119. Für die Gewährung von Bundesfinanzhilfen müsste eines der Förderziele auch „erforderlich“ sein. Allerdings ist die Erforderlichkeit dabei nicht als verpflichtende, sondern als begrenzende Funktion zu verstehen120. Aus der Formulierung des Art. 104b I 1 GG „kann“ und „erforderlich“ ergibt sich für den Bund zumindest ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen, ohne dass der Begriff der Erforderlichkeit zusätzliche justiziable Rechtschranken errichtet121. Angesichts der Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs und des weiten Beurteilungsspielraums des Bundes scheint diese Begrenzung zwar mit Blick auf die ersten beiden Förderungsziele, die vor allem das gesamtstaatliche Interesse in den Blick nehmen, kaum beschränkende Auswirkungen zu haben, jedoch entfaltet es zumindest bezüglich des dritten Förderungsziels besondere Wirkung122. Wenn man davon ausgeht, „daß [sic!] der größte Teil der öffentlichen Investitionen auf Länder und Gemeinden entfällt“123, kommt auf diese auch der Großteil der Finanzierung zu. Dementsprechend bedarf es im Umkehrschluss einer besonderen Begründungspflicht, wenn der Bund diese Investitionen mitfinanziert124. Daraus resultiert die Forderung, Bundesfinanzhilfen nur dann als erforderlich anzusehen, wenn das Ziel ohne die 117  Vgl.

BVerfGE 39, 96 (111). Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 178. 119  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1144 noch bezogen auf Art. 104a IV GG a. F.; T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, Grundwerk, Art. 104a, Rn. 51; anderer Auffassung: T. Oppermann, DÖV 1972, S. 591 (596 f.), der zumindest insofern zustimmt, dass die „Norm primär im Sinne wirtschaftlicher Bundeshilfen i. e. S. gemeint war“. 120  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 40. 121  M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 104b, Rn. 15 f., unter Berufung auf BVerfGE 39, 96 (113 f.) betrachtet er das Merkmal „erforderlich“ insofern auch als eine „kaum justiziable Ermessensdirektive“. 122  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 178; J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 41. 123  BT-Drs. 5/2861, S. 31 f. (Tz. 119); K. M. Hettlage, Mitplanung und Mitfinanzierung von Länderaufgaben durch den Bund, in: Börner/Jahrreiß/Stern, 2.  Band, 1984, S. 613 (619) geht davon aus, dass 80 Prozent der Investitionen von Ländern und von den Gemeinden vorgenommen werden. 124  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 178. 118  S. Mückl,



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat53

finanzielle Unterstützung des Bundes nicht erreichbar ist125. Dies hat die positiven Effekte, dass eine zu expansive Investitionsförderung des Bundes eingedämmt wird und die finanzielle Verantwortlichkeit der Länder und Kommunen für ihre Investitionen hervorgehoben wird, was wiederum die demokratische Legitimation und das Subsidiaritätsprinzip stärkt126. Im Gegensatz zu dem ursprünglichen Art. 104a GG a.  F. wurde in Art. 104b I 1 erster Hs. GG die Investitionshilfebefugnis an das Bestehen der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes gekoppelt. Diese Änderung des Gesetzeswortlauts war bisher nach überwiegender Ansicht127 eine anerkannte ungeschriebene Einschränkung der Finanzierungskompetenz durch die Gesetzgebungskompetenz in Art. 91a, 91b, 104a a. F. GG. Diese Ergänzung ist ganz im Sinne der Föderalismusreform zu verstehen, welche eine deutliche Entflechtung und klare Verantwortungszuweisung zum Ziel hatte, indem man Aufgabenbereiche, welche umfassend bezüglich der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz den Ländern zugeschrieben sind, vor einer Einflussnahme des Bundes zu bewahren suchte128. Die Investitionshilfebefugnis des Bundes erstreckt sich somit auf den Bereich ausschließlicher Gesetzgebungszuständigkeiten nach Art. 73 GG und grundsätzlich auch auf den Bereich konkurrierender Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes nach Art. 74 GG, unabhängig von deren tatsächlicher Inanspruchnahme129. Umstritten ist allerdings, ob allein das Vorliegen der Gesetzgebungsmaterie des Art. 74 I GG ausreicht130 oder darüber hinaus die 125  In diesem Sinne auch: BVerfGE 39, 96 (112); R. Prokisch, in: Wernicke/ Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 105. Erg.-Lfg., Mai 2003, Art. 104a, Rn. 279, wonach dies zumindest dann der Fall sei, wenn die räumliche Ausdehnung eines Förderobjekts über mehrere Länder eine angemessene Verteilung der Lasten nach dem zu erwartenden Wachstumserfolg nicht zulässt oder die Länder nicht zu Eigenfinanzierung in der Lage sind. Gegen eine solche Interpretation: J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104b, Rn. 43, denn schon Wortlaut und Zweck sprächen dagegen, da gerade Art. 104b I 1 Nr. 3 GG dem Bund Investitionen, vor allem auch aus gesamtstaatliche Gründen ermöglichen soll, ohne dass es hierfür auf die Durchführungsmöglichkeit für die einzelnen Länder ankäme. 126  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 178 f. 127  J. Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz, 1975, S.  32  f. m. w. N. 128  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 44. 129  H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 104b, Rn. 31. 130  Noch auf die Entwurfsverfassung bezogen I. Kesper, NdsVBl 2006, S. 145 (152); bezogen auf den neuen Art. 104b I 1 erster Hs. GG: W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 104b, Rn. 17; H.-G. Henneke, Der Landkreis 2009, S. 167 (Rn.11).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Voraussetzungen des Art. 72 II GG vorliegen müssen131. Problematisch ist insofern vor allem, dass Art. 104b I 1 erster Hs. GG nicht von Gesetzgebungsgegenständen i. S. v. Gesetzgebungsmaterien spricht, sondern nur nach Gesetzgebungsbefugnissen einschränkt132. Die Entstehungsgeschichte und der Umstand, dass einer nicht auf konkrete Gesetzesbestimmungen bezogenen, abstrakten Erforderlichkeitsprüfung der taugliche Bezugspunkt fehlt, sprechen dafür, unabhängig von dem Wortlaut allein den Gesetzgebungsgegenstand gelten zu lassen133. Somit ändert allein das Recht zur Abweichungsgesetzgebung der Länder nach Art. 72 III GG noch nichts an der Bundesgesetzgebungszuständigkeit i. S. v. Art. 104b I 1 erster Hs. GG134. Im Rahmen der Föderalismusreform II wurde im Jahr 2009 mit 104b I 2 GG eine Notstandsklausel eingeführt. Danach können im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, abweichend von 104b I 1 GG, auch ohne Gesetzgebungsbefugnis des Bundes Finanzhilfen gewährt werden. Systematisch wurden damit im Wesentlichen dem Bund, im Zusammenhang mit den erweiterten Verschuldensspielräumen der 109 III 2, 115 II 6 GG, die finanzpolitischen Gestaltungsspielräume und Steuerungsmöglichkeiten zur Krisenbewältigung übertragen135. Als Rechtsfolge dispensiert Art. 104b I 2 von der Voraussetzung der Bundesgesetzgebungszuständigkeit136, so dass die zur Bewältigung der Notsitu131  H. Meyer, Föderalismusreform 2006, 2008, S. 275 f.; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 104b, Rn. 31, H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 104b, Rn. 31; W. Höfling/A. Engels, RdJB 2008, S. 292 (297). 132  H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 104b, Rn. 31; diesem folgend J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 46. 133  So J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104b, Rn. 46, mit umfangreichen Erläuterungen zum ursprünglichen Wortlaut der Entwurfsfassung; so auch W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 104b, Rn. 17. 134  H. Meyer, Föderalismusreform 2006, 2008, S. 276; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 104b, Rn. 31. Auf die konkreten Auswirkungen der ­neuen Einschränkung vor allem auf den Bildungsbereich und die gemeinsame Kulturförderung verweist J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 104b, Rn. 47 f. 135  J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 55. Bezüglich den Begriffsdefinitionen der Naturkatastrophen und Notsituationen kann daher auch auf die Ausführungen zu Art. 109 III 2 GG und Art. 115 II 6 und 7 GG verwiesen werden: 1. Teil § 3 B. I. 3., S. 170 ff. dieser Arbeit. 136  Allerdings ist umstritten, ob Art. 104b I 2 GG nicht auch von allen Voraussetzungen des Art. 104b I 1 GG dispensieren wolle, in diesem Sinne: A. Schmehl, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 2.  Band, 28. Erg.-Lfg., November



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat55

ation erforderlichen Programme in allen Investitionsbereichen durchgeführt werden können137. bb) Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und b GG Zwar bedarf es im Bundesstaat einer möglichst präzisen Trennung der Zuständigkeiten, um die bundesstaatliche Machtbalance zwischen Bund und Ländern zu bewahren und die vertikale Gewaltenteilung zu sichern138. Insbesondere können dadurch der Landesverwaltung ausreichende Handlungsund Entscheidungsspielräume offen gehalten werden, ohne die Gefahr, dass diese durch übermäßige bundesgesetzliche Verrechtlichung verloren gehen139. Dessen ungeachtet hat der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahr 1969 bestimmte Aufgaben mit gemeinschaftlicher Verantwortung zwischen Bund und Ländern verfassungsrechtlich institutionalisiert140. Im Zuge der Föderalismusreform I des Jahres 2006 wurden die Bestimmungen des Art. 91a und b GG neu gefasst. Im Jahr 2009 wurden dann im Rahmen der speziell auf die Neuordnung der Finanzbeziehungen bezogenen Föderalismusreform II die Bestimmungen des Art. 91c und d GG neu hinzugefügt. Die Eigenart der Zusammenarbeit des Art. 91a GG besteht darin, dass dem Bund auf einzelnen Sachgebieten, die ursprünglich in die alleinige Kompetenz der Länder fielen, besondere Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten eröffnet werden141. Dementsprechend werden Bund und Länder zu einer Handlungs-, Gestaltungs- und Verantwortungseinheit verbunden142. Dabei stellt Art. 91a GG mit seiner Legaldefinition die echten Gemeinschaftsaufgaben dar, während die übrigen kooperativ wahrgenommenen Aufgaben den Kreis der unechten Gemeinschaftsaufgaben repräsentieren143. 2009, Art. 104b, Rn. 28 f., dem ablehnend gegenüber: J. Hellermann, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104b, Rn. 61. 137  So zumindest die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 7, 10. 138  G. Hermes, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 83, S. 18 (m. w. N. in Fn. 69). 139  G. Hermes, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 83, S. 18. 140  BT-Drs. 5/2861, S. 24 (Tz. 79). 141  U. Volkmann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 91a, Rn. 1; ausführlich zur alten Fassung des Art. 91a GG: S. Marnitz, Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91a GG, 1974. 142  Nach S. Marnitz, Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91a GG, 1974, S. 23, sind Bund und Länder „in einem einheitlichen Staatswesen um einer sachgerechten Ordnung Willen zugeordnet“; U. Volkmann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 91a, Rn. 1. 143  Mit weiteren Differenzierungen: U. Volkmann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 91a, Rn. 1 (Fn. 4).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die Gemeinschaftsaufgaben bestimmen in Art. 91a III GG bzw. Art. 91b III GG, dass die Kostentragung, abweichend von der allgemeinen Lastenverteilungsregelung des Art. 104a GG, vorgenommen werden kann. Somit stellen auch Art. 91a GG und Art. 91b GG Ausnahmen vom Konnexitätsprinzip dar. Dabei wird der Bund zwar zu Transferleistungen verpflichtet, dies ändert aber nichts daran, dass es sich um Aufgaben der Länder handelt. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des Art. 91a I GG „bei der Erfüllung der Aufgaben der Länder“ bzw. in Art. 91b GG aus der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung144. Dabei wird die Höhe der Beteiligung für den Bund in Art. 91a I Nr. 1 GG mit einer 50 prozentigen Mindestbeteiligung starr und für Art. 91a I Nr. 2 GG zumindest oberhalb der Mindestbeteiligung flexibel bestimmt. In den Fällen des Art. 91b I, II GG richtet sich die Höhe der Kostentragung gem. Art. 91b III GG nach einer entsprechenden Vereinbarung. Die in Art. 91a I Nr. 1 und 2 GG und Art. 91b I Nr. 1 bis 3 GG als Gemeinschaftsaufgaben legal definierten Sachbereiche sind eine abschließende Aufzählung145. Somit hat der Bund außerhalb der aufgeführten Sachbereiche weder eine Planungs- noch eine Finanzierungskompetenz146. Zudem sind die Gemeinschaftsaufgaben im föderativen Gefüge mit Blick auf ihren Ausnahmecharakter und ihre Entstehungsgeschichte eng auszulegen147. Hierin drückt sich das Bestreben des Verfassungsgesetzgebers aus, die Aufgabenund die Finanzverantwortung von Bund und Ländern möglichst klar voneinander abzugrenzen148. c) Bedeutung der Durchbrechungen des Konnexitätsprinzips des Art. 104a GG für die Kommunen Auf der Rechtsfolgenseite ergibt sich, dass die Durchbrechungen des Konnexitätsprinzips, ausweislich des klaren Wortlauts, lediglich im Ermessen des Bundes liegen. Insofern bieten die Gewährung von Bundesfinanzhilfen und die Beteiligung bei Geldleistungsgesetzen nur mittelbaren Schutz für die Kommunen149. Somit besteht in keinem Fall ein Rechtsanspruch der Kommunen auf eine Mitfinanzierung von Aufgaben in der kommunalen 144  S. Mückl,

Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 182. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 18. Erg.-Lfg., Art. 91a, Rn. 26; K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 836 mit dem Hinweis, dass der Regierungsentwurf hingegen noch eine Generalklausel bzw. einen umfangreicheren Katalog vorsah. 146  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 183. 147  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 183, der vor allem die „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gem. Art. 91a I Nr. 2 GG betont. 148  BT-Drs. 5/2861, S. 25 (Tz. 82). 149  So auch S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 159. 145  T.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat57

Verwaltungszuständigkeit durch den Bund150. Obwohl die Durchbrechungen des Konnexitätsprinzip gerade der zusätzlichen finanziellen Abschirmung dienen sollen, sind die Kommunen durch die Regelung des Art. 104a GG nur bedingt geschützt. So unterliegt der Bund beispielsweise bei Geldleistungsgesetzen nach Art. 104a III GG nicht nur keinerlei inhaltlichen Vorgaben151, sondern die Rechtsfolgen werden auch nur bei einer ausdrücklichen Lastenregelung ausgelöst152. Somit kann der Bund durch schlichtes Unterlassen einer Kostenregelung sämtliche Kosten von Geldleistungsgesetzen den ausführenden Ländern bzw. Kommunen aufbürden153. Bezeichnend für die schwache Position der Länder bzw. Kommunen ist zudem, dass sich auch eine etwaige Zustimmungspflicht des Bundesrates nur schwerlich konstruieren lässt und zudem umstritten ist154. Auch die Bundesfinanzhilfe nach Art. 104b I 1 GG gewährt den Kommunen nur mittelbaren Schutz, indem diese dem Bund mit dem Wortlaut „kann“ Ermessen einräumt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht dem Bund kein freies politisches Ermessen eingeräumt, jedoch darauf verwiesen, dass sich wegen der besonderen Bedeutung der in Art. 104b GG betroffenen Investitionen für den Gesamtstaat eine Pflicht zu Finanzhilfen ergibt155. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht diese ohnehin fragliche Pflicht156 unter den Vorbehalt der Finanzkraft des Bundes gestellt157 und insofern relativiert. Dadurch droht allerdings in haushalts- und finanzpolitisch schwierigen Zeiten eine Aussetzung etwaiger Zahlungen, obwohl gerade in einer solchen Situation eine Investitionsförderung notwendig wäre158. Zumindest ist aber selbst eine etwaige Pflicht zur Gewährung von Finanzhilfen 150  S. Mückl,

Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 185. Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern, 1974, S. 97; F. Schoch/ J. Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 135 f. (Fn. 534). 152  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 185. 153  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 185. 154  Ausführlich zum Stand der Diskussion und letztlich ablehnend gegenüber der Zustimmungspflicht des Bundesrates, S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 185 ff. Zu den weiter bestehenden Unsicherheiten der Zustimmungspflicht nach der Föderalismusreform I im Jahr 2006 durch die generalklauselartige Formulierung des Art. 104a IV GG siehe H. H. v. Arnim, Finanzzuständigkeit, in: Isensee/ Kirchhof, HStR VI, 2008, § 138, Rn. 47 ff. 155  Noch bezüglich des Art. 104a IV GG a. F.: BVerfGE 39, 96 (113). 156  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 187, lehnt eine solche Ausdehnung mit dem Verweis auf den Wortlaut und mit dem Widerspruch zur Entstehungsgeschichte ab, unter Verweis auf BT-Drs. 5/2861, S. 31, Tz. 119. 157  BVerfGE 39, 96 (113). 158  So zumindest S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 188. 151  S. Luther,

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

zu wenig konkret, um daraus bezifferbare Ansprüche der zu fördernden Investitionen ableiten zu können159. Dass die Finanzverfassung den Kommunen nur mittelbar Schutz gewährleistet, äußert sich bei den Durchbrechungen des Konnexitätsprinzip auch darin, dass ihnen nur über die jeweils zuständigen Länder finanzielle Mittel zufließen dürfen160. Hier äußert sich in besonderem Maß die Finanzverfassung als Folgeverfassung des zweistufigen Staatsaufbaus der Bundesrepublik Deutschland161. So sind Abrechnungspartner des Bundes allein die Länder, selbst wenn die Mittel materiell den Kommunen zugutekommen sollen. Nach der Finanzverfassung haben die Länder das Geld zu überbringen, denn den Kommunen steht eine wie auch immer geartete selbstständige, materielle Entscheidungsbefugnis nicht zu162. Die Länder sind nach dem Gebot der Folgerichtigkeit verpflichtet, die ihnen quasi treuhänderisch für die Kommunen überwiesenen Mittel an diese in voller Höhe und unverzüglich zu zahlen163. Zudem trägt auch der Bund für die Weitergabe der Bundesmittel eine Mitverantwortung, indem er sicherzustellen hat, dass die von ihm zur Weiterleitung an die Kommunen gezahlten Finanzmittel auch tatsächlich bei diesen ankommen164. So erstreckt sich die Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofes bei Finanzhilfen des Bundes gem. Art. 91a und 104b GG zumindest darauf, ob die obersten Finanzbehörden der Länder die Finanzhilfen auch bestimmungsgemäß verwendet haben, auch wenn die Wirtschaftlichkeitsprüfung den Landesrechnungshöfen obliegt.165. Die rechtliche Grundlage für diese Mitverantwortung des Bundes ergibt sich aus der haushaltsverfassungsrechtlichen Überwachungspflicht hinsichtlich geleisteter Ausgaben als Voraussetzung einer effektiven Finanzkontrolle i. S. d. Art. 110, 114 GG166. 159  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, Grundwerk, Art. 104a, Rn. 53; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 188. 160  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 188. 161  BVerfGE 39, 96 (122); statt vieler: S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 188 m. w. N. 162  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 188. 163  A. v. Mutius/H.-G. Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 73. 164  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 189. 165  BVerfGE 39, 96 (127); K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 114, Rn. 58; H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 53. Erg.-Lfg., Oktober 2008, Art. 114, Rn. 92; H. B. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 114, Rn. 12c f.; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 114, Rn. 34 zählt zur Wirtschaftlichkeitsprüfung allerdings auch die Prüfung der Mittelverwendung. 166  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 189, leitet eine entsprechende Überwachungspflicht in Extremfällen auch aus Art. 28 III GG her, ausgehend davon, dass die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen materielle



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat59

Im Ergebnis sind die Kommunen aber trotz Mitverantwortung des Bundes und der fehlenden Entscheidungsbefugnis der Länder nicht der unmittelbare Ansprechpartner. Die aufgezeigten Mechanismen können letztlich nicht darüber hinwegtäuschen dass die Kommunen infolge ihrer defizitären Stellung im Staatsaufbau durch den Umweg über die Länder nur mittelbarer Schutz zu Teil wird. III. Unmittelbare Gewährleistungen durch das System kommunaler Einnahmen Dass sich auch die Finanzverfassung nur in zwei Stufen unterteilt, wird neben deren Leitnorm des Art. 104a I GG in weiteren Normen des X. Abschnitts des GG bekräftigt. So wird den Kommunen dort keine eigenständige Rechtsposition zugebilligt, vielmehr sprechen auch die Regelungen sowohl der vertikalen als auch der horizontalen Verteilung des Steueraufkommens nur Bund und Länder an167. Zwar ist der sich aus Art. 28 II GG ergebende Anspruch der Kommunen auf eine angemessene Finanzausstattung nur nach Maßgabe der finanzverfassungsrechtlichen Normen realisierbar, trotzdem ordnet die Finanzverfassung gem. Art. 106 IX, 107 II GG die Kommunen nur den Ländern zu und überlässt es diesen, eine abschließende Entscheidung über die tatsächliche Finanzausstattung ihrer Kommunen zu treffen168. Indem das Ertragsvolumen der Kommunen weitgehend vom Landesgesetzgeber fremdbestimmt wird, haben sie trotz ihrer Finanzautonomie auf die Höhe ihrer Finanzausstattung einen nur sehr begrenzten Einfluss169. Dabei lagert die Finanzausstattung der Kommunen auf drei Säulen. Erstens regelt Art. 106 V bis IV GG eine Ertragshoheit der Kommunen aus Steuern. Zweitens gibt es als sogenannten aufgabenakzessorischen Finanzausgleich Abgeltungszahlungen für die Übertragung konkreter Aufgaben durch die Länder, die in den Landesverfassungen normiert sind. Drittens wird in Art. 106 VII GG den Kommunen ein allgemeiner kommunaler Finanzausgleich zugestanden. 1. Die eigenständigen Einnahmequellen der Kommunen Gem. Art. 106 bis VI GG sind die Kommunen in den Steuerverbund zwischen Bund und Ländern mit einbezogen. So sind beispielsweise nach Ausprägungen der Selbstverwaltungsgarantie und des in ihr enthaltenen Anspruchs der Kommunen auf eine angemessene Finanzausstattung sind. 167  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 162. 168  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (2). 169  P. Kirchhof, DVBl 1980, S. 711 (712).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Art. 106 V 1 GG die Gemeinden anteilig170 am Aufkommen der Einkommenssteuer zu beteiligen. Zudem stehen den Kommunen gem. Art. 106 Va GG Anteile am Aufkommen der Umsatzsteuer und gem. Art. 106 VI 1 GG am Aufkommen der Grund- und Gewerbesteuer sowie Verbrauchs- und Aufwandssteuern anteilig zu. Außerdem haben die Gemeinden gem. Art. 106 VI 2 GG das Recht, die Höhe der Hebesätze der Grund- und Gewerbesteuer festzulegen, was allerdings auch für deutliche Steuerkraftunterschiede in den einzelnen Gemeinden sorgt171. Da man den Katalog des Art. 105 GG als abschließende Regelung ansieht172, besteht für die Kommunen kein eigenes Steuerfindungsrecht und somit haben sie auch keine eigenen Steuerquellen. Vielmehr verteilt das Grundgesetz die Steuergesetzgebungshoheit zwischen Bund und Ländern173. Allerdings steht den Kommunen das abgeleitete Recht zu, durch Satzung kommunale Steuern zu begründen, soweit ihnen dieses Satzungsrecht durch Landesverfassungen und Kommunalabgabengesetze zugestanden wird174. Da diese Gemeindesteuern auf der Einnahmenseite der Kommunen aber so gut wie nicht ins Gewicht fallen, werden sie auch als „Bagatellsteuern“ bezeichnet175. Als weitere Einnahmequellen gehören den Kommunen noch die Beiträge und Gebühren. Allerdings werden diese in der Regel nur nach dem Kostendeckungsprinzip erhoben und sind zudem durch das Äquivalenzprinzip begrenzt. Mitunter unterschreiten sie sozialpolitisch motiviert die tatsächlichen Kosten, so dass der Deckungsgrad dieser Finanzierungsinstrumente vor allem bei kommunalen Einrichtungen der kulturellen Daseinsvorsorge, gering ist. Insofern eignen sie sich nicht zur Erzielung von Überschüssen176. Bei erwerbswirtschaftlichen Betätigungen, bei Vermögensveräußerungen und Kreditaufnahmen unterliegen Kommunen wiederum den engen Schranken der Gemeindeordnungen und des kommunalen Haushaltsrechts177. In 170  Nach § 1 Gemeindefinanzreformgesetz liegt der Gemeindeanteil bei 15 Prozent am Aufkommen von Lohn- und Einkommenssteuer. 171  So erreichte beispielsweise 2011 das Brutto-Gewerbesteueraufkommen in den Kommunen der neuen Länder nur 53 % Prozent des Westniveaus, S. Anton/D. Diemert, Gemeindefinanzbericht 2011, 2011, S. 13. 172  Statt vieler: K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S.  49 f. m. w. N. 173  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 174  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 175  H.-G. Henneke, JURA 1986, S. 568 (577); ebenso H.-G. Henneke, Bundesstaat und kommunale Selbstverwaltung, 2009. 176  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 177  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3), die auf die Beispiele § 111 I NWGO oder § 86 NWGO verweist; vgl. auch Art. 71 BayGO oder Art. 91 BayGO.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat61

der Gesamtschau reichen die eigenen Einnahmequellen der Kommunen bei weitem nicht aus, so dass diese zwingend auf Finanzierungsleistungen ihrer Länder angewiesen sind178. 2. Der allgemeine kommunale Finanzausgleich Die Verteilung der zusätzlichen Erträge aus öffentlichen Einnahmen auf die einzelnen Körperschaften wird als Finanzausgleich bezeichnet179. Der allgemeine kommunale Finanzausgleich verfolgt ein fiskalisches und redistributives Ziel, das heißt, er dient der Finanzverwaltung und der Finanzumverteilung. Diese Ziele lassen sich den zwei verschiedenen Arten des vertikalen und horizontalen Finanzausgleiches zuordnen. Dabei umschreibt der vertikale Finanzausgleich die Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Ebenen im Staatsaufbau, womit er für die Struktur der Finanzverwaltung maßgeblich ist und über die Finanzkraft der einzelnen Ebenen entscheidet. Der horizontale Finanzausgleich bezieht sich hingegen auf die Unterschiede in Finanzkraft und / oder Finanzbedarf zwischen den Körperschaften auf einer Ebene180 und prägt somit die Koordination der Finanzumverteilung. Horizontal hat der kommunale Finanzausgleich die Aufgabe, die finanziellen Leistungsmöglichkeiten der Kommunen eines Landes untereinander anzugleichen181. So ist beispielsweise gem. Art. 107 I 1 GG sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird, wobei die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen ist. Im Gegensatz zum aufgabenakzessorischen Finanzausgleich aus den Konnexitätsregelungen ist der übergemeindliche Finanzausgleich insgesamt deshalb auch finanzkraftabhängig ausgestaltet182. Der allgemeine kommunale Finanzausgleich unterteilt sich außerdem in den obligatorischen Finanzausgleich gem. Art. 106 VII 1 GG und den fakultativen Finanzausgleich gem. Art. 106 VII 2 GG183. Der obligatorische Finanzausgleich sichert den Gemeinden einen Anteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern, namentlich der Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer, zu. Dabei wird die Höhe der Zahlung als festzulegender 178  Vgl. insofern die Ausführungen zur Finanzausstattung der Kommunen: 2. Teil § 5 A. I. 1., S. 298 ff. der Arbeit. 179  H.-G. Henneke, Bundesstaat und kommunale Selbstverwaltung, 2009, S. 63. 180  Vgl. U. Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 5. 181  H.-G. Henneke, kommunaler Finanzausgleichs, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 25, Rn. 6. 182  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (4). 183  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (4).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Hundertsatz, die sogenannte Verbundquote, jeweils durch den Landesgesetzgeber bestimmt. Beim fakultativen Finanzausgleich kann der Landesgesetzgeber hingegen komplett bestimmen, ob und wie den Kommunen ein Anteil an den Landessteuern zufließt. Allerdings lässt sowohl Art. 28 II GG als auch Art. 106 VII GG weitgehend offen, wie die Länder für die finanzielle Ausstattung ihrer Kommunen zu sorgen haben184. Zumindest wird die Garantiefunktion der Länder für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen in den einfachgesetzlichen Finanzausgleichsgesetzen oder den Gemeindefinanzierungsgesetzen der Länder konkretisiert185. Dabei wird die an die Kommunen zu leistende Finanzausstattung am finanziellen Bedarf der Gesamtheit aller Kommunen eines Landes bemessen, wobei der gemeindliche Bedarf pauschal bestimmt wird186. Die Verteilung der Ausgleichsmasse und somit insbesondere die Schlüsselzuweisung auf die einzelnen Gemeinden ergeben sich aus der durchschnittlichen Aufgabenbelastung der Kommunen und ihrer Steuerkraft. Einen bestimmten Prozentsatz des Differenzbetrages zwischen diesen beiden Werten erhalten die Gemeinden dabei als Schlüsselzuweisungen187. IV. Mittelbare Gewährleistungen durch die Revisionsansprüche des Art. 106 GG Etwaiger Schutz könnte sich für die Kommunen auch aus Art. 106 GG ergeben, der im sogenannten vertikalen Finanzausgleich die Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern regelt. Auch hier wird die Zweistufigkeit der Finanzverfassung in der Weise bestätigt, dass gem. Art. 106 IX GG die Einnahmen und Ausgaben der Kommunen noch durch die Länder vermittelt werden. Allerdings kann dadurch auch der hieraus resultierende Schutz für die Kommunen nur ein mittelbarer sein. Demnach haben die Länder die Verantwortung für die primäre Finanzausstattung der Kommunen, wohingegen der Bund seiner diesbezüglichen Verantwortung in Art. 106 V bis VII GG und den auf ihrer Grundlage ergangenen Gesetzen, dem Finanzausgleichsgesetz und dem Gemeindefinanzreformgesetz nachkommt188. 184  BVerfGE

86, 148 (218 f.). Finanzausgleichsgesetz für Bayern: BayFAG, Gesetz vom 16.04.2013, GVBl Bayern 2013, S. 210 ff.; Finanzausgleichsgesetz für BW: BWFAG, Gesetz vom 01.01.2000, GVBl BW, S. 14  ff.; Gemeindefinanzierungsgesetz für NRW: GFG, Gesetz vom 18.05.2011, GVBl NRW 2011, S. 259. 186  NWVerfGH, DVBl 1999, 391 (392); BayVerfGH, BayVBl 1997, 303 (305). 187  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (4). 188  M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 106, Rn. 43. 185  Beispielsweise:



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat63

Im mehrstufigen Verfahren des Grundgesetzes zur Aufteilung des Gesamtsteueraufkommens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden stellt Art. 106 GG die erste Stufe dar189. Während dem sogenannten „sekundären“ Finanzausgleich des Art. 107 GG eine korrigierende und umverteilende Funktion zukommt, geht es in Art. 106 GG um eine „primäre“ vertikale Ertragsverteilung zwischen über- und untergeordneten Ertragseinheiten190. Maßgeblich für Art. 106 GG ist, dass jede Ebene eine ihren Aufgaben entsprechende und insoweit angemessene Finanzmittelausstattung erhält191. Dabei gilt als Ausgangspunkt der Grundsatz der Gleichrangigkeit der Aufgaben von Bund, Ländern und Kommunen gem. § 24 I StWG. Insofern hat die Verteilung des Steueraufkommens sicherzustellen, dass jede Ebene die ihr zukommenden Aufgaben erfüllen kann192. Im Umkehrschluss macht ein unzureichendes Gesamtsteueraufkommen die Einschränkung auf allen Ebenen erforderlich. Der vertikale Finanzausgleich ist mithin finanzkraftabhängig. Das Steuerverteilungssystem des Art. 106 GG geht dabei als Idealfall von einem Gleichgewicht zwischen Aufgabenbestand und Finanzbedarf der Beteiligten aus193. Allerdings sind in einem solch fein austarierten Finanzausgleichssystem tatsächliche Veränderungen, insbesondere ökonomische und soziale Gegebenheiten, besonders zu berücksichtigen. Aber auch auf der normativen Ebene können durch Änderung der bundesstaatlichen Aufgabenverteilung Veränderungen auftreten, auf die reagiert werden muss. Hierfür enthält das Grundgesetz sogenannte Revisionsklauseln, die eine flexible Anpassung des Finanzausgleichsgefüges an die neuen Verhältnisse ermöglichen, ohne deren grundsätzliche Struktur zu verändern. Dabei lassen sich unterschiedliche Revisionsansprüche mit Bezug auf verschiedene Steuerarten unterscheiden. So bezieht sich die Revisionsklausel des Art. 106 IV 1 i. V. m. III 3, 4 GG auf die Verteilung der Umsatzsteuer. Die Aufteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern erfolgt nicht nach verfassungsgesetzlich festgelegten Quoten, sondern gem. Art. 106 III 3 GG durch zustimmungspflichtiges Bundesgesetz. Dabei sind die in Art. 106 III 4 GG genannten Grundsätze zu beachten. Sollten sich die tatsächlichen Verhältnisse der Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund und Ländern wesentlich ändern, sind gem. Art. 106 IV 1 GG die Umsatzsteuer189  BVerfGE, 116, S. 327 (378 f.); K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 106, Rn. 3. 190  K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 3. 191  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 1998, S. 100 f. 192  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 190. 193  K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art.  106, Rn.  4 (m. w. N.).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

anteile neu festzusetzen. Neben der Neufestlegung der Umsatzsteueranteile kann der Bund kommunale Mehrausgaben zudem mit der Erhöhung des Gemeindeanteils am Aufkommen der Einkommenssteuer gem. Art. 106 V GG oder einer Senkung der Gewerbesteuerumlage gem. Art. 106 VI 4 und 5 GG verändern. Fraglich ist jedoch, ob den Kommunen hieraus auch ein effektiver Schutz ihrer Finanzausstattung garantiert ist. In der Literatur besteht zumindest Einigkeit darüber, dass der Bund zu einem finanziellen Ausgleich zugunsten der Kommunen verpflichtet ist, wenn er durch seine Gesetzgebung das kommunale Deckungsverhältnis von Einnahmen und Ausgaben nachteilig beeinflusst. Zumindest stehen die Gemeinden einer entsprechenden Behandlung der Länder gleich, wenn ihnen der Bund Mindereinnahmen oder Mehrausgaben verursacht194. Allerdings ist damit noch nicht die Frage abschließend geklärt, ob den Kommunen daraus auch ein effektiver Schutz vermittelt wird. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nach dem Wortlaut des Art. 106 IV 1 GG und des Art. 106 IX GG nicht die Kommunen, sondern die Länder Träger des Revisionsanspruchs sind195. Dementsprechend liegt der Revisionsanspruch tatbestandlich nur dann vor, wenn sich die Deckungsquote der Länder im Vergleich zu derjenigen des Bundes wesentlich anders entwickelt. Daher können auch nur bundesgesetzliche Aufgabenzuweisungen einen Revisionsanspruch auslösen, während landesrechtliche Aufgabenzuweisungen an die Kommunen innerhalb der Deckungsquote des Landes verbleiben und insofern nicht berücksichtigt werden196. Zudem muss die durch bundesgesetzliche Aufgabenzuweisung verursachte kommunale Mehrbelastung erheblich sein, um eine „wesentlich andere“ Entwicklungsquote der Länder gegenüber der des Bundes zu bewirken. Dies wird aber in der Praxis nur selten der Fall sein197. Aber selbst wenn eine erhebliche Mehrbelastung der Kommunen vorliegen sollte, haben diese keine Möglichkeit, gegenüber dem Bund ihren Revisionsanspruch geltend zu machen. Allein die Länder können für die Kommunen die Initiative ergreifen, nur sie sind an der Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile und dem Gesetzgebungsverfahren beteiligt198. Die Kommunen sind somit dem guten Willen ihrer Länder ausgesetzt und selbst dann besteht noch die Gefahr, dass sich das jeweilige Land 194  M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 106, Rn. 45. 195  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 192. 196  K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 115. 197  So auch S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 192 f. 198  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 193, insofern seien die Kommunen auf ihre Länder als „Sachwalter“ angewiesen.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat65

entweder gegen den Bund oder im Bundesrat nicht durchsetzen kann199. Insofern wird den Kommunen auch über die Revisionsansprüche des Art. 106 GG nur ein mittelbarer Schutz gewährt. V. Zwischenergebnis Direkte finanzverfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Kommunen bestehen in der Regel nicht. Die Durchbrechungen des Konnexitätsprinzips nach Art. 104a III, 104b I und 91a und b GG zugunsten der kommunalen Ebenen bieten nur mittelbaren Schutz und stehen im Ermessen des Bundes. Soweit die Finanzverfassung den Kommunen eigene Rechts­ positionen zuweist, ist entweder nur die Einnahmenseite oder aber ein nicht verallgemeinerungsfähiger Sonderfall angesprochen200. Selbst die Revisionsansprüche des Art. 106 GG gewähren den Kommunen höchstens mittelbaren Schutz. Selbst wenn die hohen tatbestandlichen Hürden überwunden sind, werden die Kommunen durch ihre Länder mediatisiert und sind von ihrem Tätigwerden abhängig201. Auch wenn die Kommunen im Einzelfall die rechtlichen und tatsächlichen Hürden überwinden, können die Schutzmechanismen der Finanzverfassung lediglich eine quantitative Veränderung herbeiführen202. An dem grundsätzlichen Strukturdefizit, dem die Kommunen beim nur zweistufigen Staatsaufbau zum Opfer fallen, ändern diese Mechanismen qualitativ hingegen nichts. Selbst nach den Föderalismusreformen wird geradezu systemimmanent provoziert, dass die unterschiedlichen Kompetenzzuweisungen in der Bundesfinanzverfassung und im Verwaltungsaufbau noch zu weitreichenden Spannungen der einzelnen Ebenen führen. Die Vorgaben der Finanzverfassung des Grundgesetztes ermöglichen es zudem, sich auf die Finanzkraft der anderen Ebenen zu verlassen und sich mangels alternativer Einnahmequellen zu verschulden. Die finanzwirtschaftlichen Verflechtungen verführen letztlich auch dazu, dass die einzelnen Ebenen ihr Heil in der Staatsverschuldung suchen203.

199  S. Mückl,

Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 193. Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 194. 201  Vgl. M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 3.  Band, 2003, Vorb. Art. 104a–115, Rn. 50. 202  So auch S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 194. 203  C. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung in gestuften Rechtsordnungen, in: VVDStRL, 66. Band, 2007, S. 216 (230). 200  S. Mückl,

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

C. Schutz der Kommunen durch die landesverfassungsrechtlichen Finanzordnungen Das Konnexitätsprinzip des Art. 104a I GG könnte als „allgemeine Lastenverteilungsregelung“ des deutschen Finanzverfassungsrechts verstanden werden, welche auch im Verhältnis von Ländern und Kommunen zur Geltung kommen könnte (I.). Zudem stellt sich die Frage, inwiefern die Länderverfassungen eine angemessene kommunale Finanzausstattung gewährleisten (II.). I. Anwendbarkeit von Art. 104a I und II GG Eine genauere Untersuchung der landesverfassungsrechtlichen Schutzmechanismen könnte sich erübrigen, wenn man allein auf die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes zugunsten der kommunalen Finanzausstattung zurückgreifen könnte. Ob dies jedoch ohne weiteres möglich ist, ist umstritten. Die Befürworter der uneingeschränkten Anwendung des Konnexitätsprinzip sehen Art. 104a GG auch auf das Verhältnis von Ländern und Kommunen entsprechend übertragbar204. Dies hätte i. S. v. Art. 104a II GG analog zur Konsequenz, dass die Länder bei der Zuweisung von Auftragsangelegenheiten die Zweckausgaben erstatten müssten205. Dies wird mitunter damit begründet, dass eine analoge Anwendung des Art. 104a II GG auf das Land-Kommunen-Verhältnis zur hinreichenden Sicherung der Finanzausstattung der Kommunen erforderlich sei206. Zumindest eine Übertragung der Art. 104a II und V GG verbietet sich angesichts des entgegenstehenden Wortlauts. Art. 104a II, V GG nennen ausdrücklich nur Bund und Länder als Beteiligte und Art. 104a II GG knüpft eindeutig an die Bundesauftragsverwaltung i. S. d. Art. 85 GG an207. 204  Unter anderem: J. Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 111; A. v. Mutius/H.-G. Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S.  73 f.; S. Schmitt, Bedeutungsgehalt der kommunalen Finanzhoheit, 1996, S. 90 betont, dass die Fortführung des Grundgedankens des Konnexitätsprinzips auf kommunaler Ebene „das Prinzip der Einheit des Staatssystems“ gebietet; T. Marauhn, Selbstverwaltungsrechte und aufgabenangemessene Finanzausstattung kommunaler Gebietskörperschaften in Europa, in: Hoffmann/Kromberg/Roth/Wiegand, 1996, S. 71 (95 f.). 205  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 195 f. 206  K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S.  145 ff. m. w. N. 207  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 195; J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104a, Rn. 58 ff.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat67

Fraglich ist aber, ob zumindest Art. 104a II GG analog anwendbar ist. Hierfür bedürfte es einer planwidrigen Regelungslücke208. Ob jedoch diese Anforderungen hier erfüllt sind, muss bezweifelt werden. Eine Regelungslücke ist fraglich, da alle Landesverfassungen Bestimmungen enthalten, die die Kostentragung des Landes bei der Übertragung von Auftragsangelegenheiten vorsehen209. Zudem ist eine Sicherung der Finanzausstattung der Kommunen nicht nur mit dem Konnexitätsprinzip zu gewährleisten210. Zwar trägt die Verknüpfung von Aufgabenverantwortung und Ausgabenlast zur Verwirk­ lichung des Selbstverwaltungsgedankens bei, das Konnexitätsprinzip ist ­jedoch nicht der „verfassungsrechtliche Königsweg“211. Die Selbstverwaltungsgarantie wird auch dadurch abgesichert, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden Finanzausstattung auf den kommunalen Finanzausgleich und eigene Einnahmequellen verwiesen wird212. Von einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke kann somit in keinem Land die Rede sein. Aber selbst wenn man eine Regelungslücke annehmen würde, wäre diese nicht planwidrig. Die Finanzverfassung will ausdrücklich eine nur im BundLänder-Verhältnis wirkende Lastenverteilungsregelung treffen und in Anknüpfung an den zweistufigen Staatsaufbau keine Vorgaben für den landesinternen Bereich festlegen213. Die Finanzverfassung will als „Folgeverfassung“ die materiellen Vorgaben der Staatsverfassung in finanzieller Hinsicht untermauern214. Sowohl die Staats- als auch die Finanzverfassung sprechen als staatliche Ebenen nur Bund und Länder an215. Der Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung gibt keine inhaltlichen Vorgaben für dessen Realisierung und fordert nicht, dass dieser allein durch das Konnexitätsprinzip verwirklich wird216. Daher verbietet sich eine analoge Anwendung des Art. 104a I und II GG auf das Länder-Kommunen-Verhältnis. Um die finanzverfassungsrechtliche 208  Zu den rechtsmethodischen Anforderungen einer Analogie ausführlich C.-W. Canaris/K. Larenz, Methodenlehre, 1995, S. 202 ff. 209  Inzwischen haben auch Hessen, in Art. 137 VI HessVerf, GVBl I 2002, S. 628, und Rheinland-Pfalz, in Art. 49 V RhPfVerf, 2004, GVBl 2004, S. 321, eine entsprechende Kostenregelung. 210  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 197; zu möglichen Alternativen der Einbeziehung der Kommunen neben der Konnexitätsregelung auf Bundesbene: J. Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 104a, Rn. 133. 211  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 197. 212  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 197 f. 213  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 198. 214  Siehe hierzu bereits ausführlich: 1. Teil § 1 B. I. 1., S. 37 ff. dieser Arbeit. 215  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 196. 216  F. Schoch/J. Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 160; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 198.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Beziehung von Ländern und Kommunen abschließend darzustellen, bedarf es vielmehr auch einer Einbeziehung der landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen. II. Sicherung einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung durch die Länderverfassungen Eine angemessene kommunale Finanzausstattung wird in den Länderverfassungen mittels dreier Säulen sicherzustellen versucht. Die erste Säule soll den Kommunen originär kommunale Einnahmen insbesondere durch Steuern sichern. Die zweite Säule verteilt staatliche Leistungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Die dritte Säule garantiert im Sinne des Konnexitätsprinzips eine Kostenerstattung bei Aufgabenübertragungen217. Die erste Säule der kommunalen Steuereinnahmen ist dabei in der Regel allein so ausgestaltet, dass die finanzielle Ausstattung zur Erfüllung der Pflichtaufgaben nicht ausreicht, sondern vielmehr auf „Deckungslücken hin konzipiert ist“218. Die Unfähigkeit der Kommunen, sich komplett selbst zu finanzieren, ist der gesetzliche Regelfall, so dass die Kostenerstattung bei Aufgabenübertragungen und zumindest ein kommunaler Finanzausgleich unumgänglich sind. Insofern sind diese zwei letzteren Säulen auch die maßgeblichen Faktoren zur Finanzausstattung, während die kommunalen Steuereinnahmen vernachlässigbar sind219. Der Schutz der angemessenen kommunalen Finanzausstattung erfolgt nach den Länderverfassungen, abgesehen von den kommunalen Steuereinnahmen, durch den kommunalen Finanzausgleich220 und die landesverfassungsrechtlichen Regelungen des Konnexitätsprinzips221. Da die angemesse217  F. 218  P.

S. 16.

Schoch/J. Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 143 m. w. N. Kirchhof, Die kommunale Finanzhoheit, in: Püttner, 6. Band, 1985, § 112,

219  In diesem Sinne auch F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 93 (105 f.). 220  Art. 73 II, III BWVerf; Art. 83 II, III BayVerf; Art. 99 BbgVerf; Art. 137 V HessVerf; Art. 73 I, II MVVerf; Art. 58 NdsVerf; Art. 79 VerfNRW; Art. 49 VI RhPfVerf; Art. 119 I 2, II SaarlVerf; Art. 87 II, III SächsVerf, Art. 88 II, III LSAVerf; Art. 48, 49 I SHVerf; Art. 93 II, III ThürVerf. Zu den kommunalen Steuereinnahmen und den Arten des Finanzausgleichs vgl. die Ausführungen: 1. Teil § 1 B. III., S.  59 ff. der Arbeit. 221  Art. 71 III 2 und 3 BWVerf; Art. 83 III, VIII 2 BayVerf; Art. 97 III 2 und 3 BbgVerf; Art.  137 VI HessVerf; Art.  72 III MVVerf; Art.  57 IV NdsVerf; Art. 78 III VerfNRW; Art. 49 V RhPfVerf; Art. 120 SaarlVerf; Art. 85 I, II SächsVerf; Art. 87 III LSAVerf; Art. 49 II SHVerf; Art. 93 I 2 ThürVerf.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat69

ne Finanzausstattung somit auf zwei Säulen und somit einer „doppelten Schutzgarantie“222 fußt, spricht man auch vom dualistischen Modell223. Auch nach den landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzipien ist die Auferlegung bestimmter zusätzlicher und kostenwirksamer Aufgaben nur dann statthaft, wenn zugleich die Kostentragung geregelt wird. Dabei wird die Finanzierungslast mit der Gesetzgebungszuständigkeit in der Weise verknüpft, dass bei Aufgabenübertragung durch die Länder auf die Gemeinden den Kommunen ein entsprechender Anspruch auf Kostentragung gegenüber dem Land entsteht. Somit folgt auch hier die kommunale Finanzausstattung dem von den Kommunen zu bewältigenden Aufgabenbestand224. Der Grund hierfür liegt in der „Kongruenz von Entscheidungsverantwortung und Finanzierungslast“, wodurch jede Ebene die Folgen ihrer Entscheidungen auch in finanzieller Hinsicht zu spüren bekommen soll225. Ebenso wie das bundesverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip des Art. 104a I und II GG nur „etwas Selbstverständliches“226 ausspricht, soll dasselbe auch mit dem landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzip gewährleistet werden, dass eine Ebene nicht Entscheidungen auf Kosten einer anderen Ebene treffen darf und Aufgabenübertragungen zu Lasten fremder Kassen unterbunden werden227. 222  In diesem Sinne F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 93 (106). 223  Ursprünglich wurde in Hessen und Rheinland-Pfalz auf eine landesverfassungsrechtliche Regelung des Konnexitätsprinzips verzichtet. Deshalb wurde dieses Konzept auch als das „Monistische Modell“ bezeichnet. Demnach wurden nicht einzelne, konkrete Aufgaben in den Blick genommen und es wurde kein finanzieller Ausgleich für die Kosten bestimmter Aufgaben angestrebt, vielmehr wurde für die Aufgabenerfüllung nur eine insgesamt ausreichende Finanzausstattung gewährleistet. Neben den übergemeindlichen Finanzausgleich, der den Kommunen einen Anteil an den Steuereinnahmen des Landes zugesteht, trat das gleichrangige Recht, nach Maßgabe der Gesetze auf kommunaler Ebene Steuern und andere Abgaben zu erheben. Nach S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 79 f. unterlagen die Einnahmequellen des monistischen Modells sowohl der normativen Steuerung des Landesgesetzgebers, als auch konjunkturell bedingten Schwankungen. Daraus schlussfolgert er, dass das monistische Modell den Kommunen keine statische, unverrückbare Finanzmasse garantiere, sondern lediglich eine „relative Absicherung“ der kommunalen Finanzausstattung. Dieses Modell wurde in Hessen durch Änderung des Art. 137 VI HessVerf, Gesetz vom 18. 10. 2002, GVBl I, S. 628 und in Rheinland-Pfalz durch Neufassung des Art. 49 V RhPfVerf, Gesetz vom 14. 6. 2004, GVBl S. 321 abgeschafft. 224  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 80. 225  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 81. 226  H. H. v. Arnim, Finanzzuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2008, § 138, Rn. 11. 227  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Entsprechend der verschiedenen Wortlaute der landesverfassungsrechtlichen Regelungen kann zwischen striktem und relativem Konnexitätsprinzip unterschieden werden228. Beim bundesweit verbreiteteren strikten Konnexitätsprinzip existieren neben dem bloßen formellen Regelungsauftrag zur Kostendeckung auch materielle Anforderungen an deren Höhe mit entsprechenden Begrifflichkeiten229. So liegt beispielsweise bei einem „entsprechenden“ oder „erforderlichen“ Ausgleich ein striktes Konnexitätsprinzip vor, indem eine Volldeckung der durch Aufgabenzuweisung entstanden Mehrkosten verlangt wird230. Wenn hingegen lediglich ein „angemessener“ Ausgleich vorgesehen ist, liegt nur ein relatives Konnexitätsprinzip vor231. Die Konnexitätsregeln sollen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung umfassend schützen und sind deshalb extensiv auszulegen232. Daher haben die Länder den Mehrkostenausgleich auch aufgabenakzessorisch und unabhängig von der Finanzkraft der Gemeinden durchzuführen233. Zudem beschränkt sich das Konnexitätsprinzip nicht nur auf die Kostenerstattung bei landesgesetzlicher Übertragung von Fremdverwaltungsaufgaben. Vielmehr besteht eine Kostenerstattungspflicht aus dem Konnexitätsprinzip auch dann, wenn das Land seine Kommunen zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben verpflichtet234, denn auch hierdurch werden im eigenen Wirkungskreis der Kommunen Finanzmittel gebunden, welche dann für die Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben fehlen235. Die Kostendeckung wird auf Grundlage einer umfassenden prognostischen Kostenanalyse berechnet, bei der Typisierungen und Pauschalisierungen der Kostendeckungsregelung gestattet sind236. Dabei orientiert sich der Belastungsausgleich nicht jeweils an der einzelnen Gemeinde, sondern vielmehr an der Gesamtheit der betroffenen Gemeinden, wobei die ausgleichspflichtigen Aufwendungen einer durchschnittlichen Gemeinde als 228  Richtungsweisend für diese Unterscheidung war S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 201 ff. 229  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 201 ff. 230  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3 f.); so beispielsweise gem. Art. 83 III 2 BayVerf, Art. 97 III 3 BbgVerf, Art. 137 VI 2 HessVerf, Art. 57 IV 2 NdsVerf, Art. 49 V 2 RhPfVerf, Art. 72 III 2 MVVerf. 231  So beispielsweise Art. 87 III 3 LSAVerf; S. Mückl, Finanzverfassungsrecht­ licher Schutz, 1998, S. 215 ff. 232  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 233  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 234  So sieht z. B. Art. 49 V RhPfVerf und § 1 RhPfKonnexAG eine ausdrückliche Kostenerstattungspflicht vor. 235  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 236  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (4); K.-A. Schwarz, NWVBl 2013, S. 81 (88 f.). Dies wird beispielsweise in §§ 3, 4 NRWKonnexAG umfassend beschrieben.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat71

Bewertungsmaßstab für den Landesgesetzgeber dienen237. Durch dieses Prinzip der „kommunalen Familie“ wird garantiert, dass das Land nicht die unwirtschaftlichen Aufwendungen einzelner Gemeinden mitfinanziert238. Die zwei Schutzgarantien des dualistischen Modells, mithin das Konnexitätsprinzip und die angemessene kommunale Finanzausstattung, sind strikt voneinander zu trennen. Diese Trennung ergibt sich schon aus der Gesetzessystematik, da beide Strukturelemente des dualistischen Modells auch in den Länderverfassungen textlich voneinander getrennt sind239. Ein Abhängigkeitsverhältnis beider Elemente verbietet sich schon deshalb, weil sie inhaltlich nicht deckungsgleich sind, da das Konnexitätsprinzip im Gegensatz zur übrigen fiskalischen Komponente leistungskraftunabhängig ist240. III. Zwischenergebnis Zwar stellt das in Art. 104a I GG verortete Konnexitätsprinzip mangels Analogiefähigkeit keine allgemeine Lastenverteilungsregelung für das Verhältnis von Ländern und Kommunen dar, trotzdem ruht auch die angemessene kommunale Finanzausstattung auf den drei Säulen und es gilt zumindest nach den Landesverfassungen auch eine finanzkraftunabhängige Konnexitätsregelung. Dabei hat das Land nach dem dualistischen Modell die allgemeine Finanzausstattung in der Weise sicherzustellen, dass sie insgesamt aufgabenangemessen sein muss241. Allerdings ist durch die Implementierung des Konnexitätsprinzips bei jeder Aufgabenübertragung der den Kommunen konkret entstehende finanzielle Mehraufwand auszugleichen. Das dualistische Modell vermindert die Gefahr, dass der Aufgabenbestand wächst, die kommunale Finanzausstattung aber zu Lasten freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben gleich bleibt.

237  K.

Groh, LKV 2010, S. 1 (4). Groh, LKV 2010, S. 1 (4). 239  D. Bayer, DVBl 1993, S. 1287 (1290 f.); F. Schoch/J. Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 157; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 83. 240  Dabei ist die Ausgleichspflicht bei Aufgabenübertragungen „lex specialis“ gegenüber der Pflicht eines jeden Landes eine allgemein ausreichende Finanzausstattung zu gewährleisten, so S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 83. 241  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 82 f. 238  K.

72

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

D. Die finanzverfassungsrechtlichen Abhängigkeiten der Kommunen Für die Kommunen ergibt sich im Hinblick auf ihre Finanzausstattung das Problem, dass sie im Mehrebenensystem des Bundesstaates eine Zwischenstellung einnehmen. Einerseits gibt der staatsorganisationsrechtliche Aufbau des Bundesstaates ein Zweiebenensystem vor, bestehend aus Bund und Ländern, in der die Kommunen als eigene Ebene nicht vorkommen. Andererseits orientiert sich die Verwaltungsorganisation an einem Dreistufensystem, in dem die Kommunen als mittelbare Staatsverwaltung von Bedeutung sind242. Durch die Zwischenstellung der Kommunen als eigene Stufe der Verwaltungsorganisation bei staatsorganisationsrechtlicher Zuordnung zu den Ländern ergeben sich für die Kommunen aus finanzieller Sicht besondere Abhängigkeiten. Diese finanzverfassungsrechtlichen Abhängigkeiten der Kommunen werden deutlich, wenn man sich ihre Beteiligung am Steueraufkommen (I.), die Mitverantwortung des Bundes für die kommunale Finanzausstattung (II.) und die Abhängigkeit der kommunalen Finanzausstattung von den Entscheidungen des Landesgesetzgebers (III.) vergegenwärtigt. Angesichts dieser Abhängigkeiten ist nicht unerheblich, ob die Kommunen nicht zumindest eine Bestandsgarantie bezüglich bestimmter Steuerquellen haben und sie insofern zumindest in rechtlicher Hinsicht gesicherte Steuereinnahmen haben (IV.). I. Die Beteiligung der Kommunen am Steueraufkommen Bei der Ertragsaufteilung des Art. 106 GG werden die Elemente eines Verbund- als auch eines Trennsystems miteinander kombiniert243. Die aufkommenstärksten Einzelsteuern, Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuern stehen dem Bund und den Ländern im Rahmen des sogenannten „Verbundsystems“ der Gemeinschaftssteuern (vgl. Art. 106 III 1 GG) zu244. Die Gemeinden erhalten dabei von der Einkommenssteuer gem. Art. 106 V GG vorweg einen Anteil, während der übrige Ertrag je zur Hälfte dem Bund und der Gesamtheit der Länder zusteht. Alle weiteren Steuerarten werden im sogenannten „Trennsystem“ entweder allein dem Bund (Art. 106 I GG) 242  Siehe

hierzu bereits die Ausführungen: 1. Teil § 1 A., S. 34 ff. dieser Arbeit. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 24. 244  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1153 und H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 106, Rn. 2 differenzieren noch weiter zwischen Verbundsystem und Gesamtverbund. Im Verbundsyste als Einzelverbund wird nur eine Steuer erfasst und anteilsmäßig verteilt, während der Gesamtverbund alle Steuereinnahmen oder eine Mischform umfasst. 243  K.-A.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat73

oder allein den Ländern (Art. 106 II GG) als eigene Einnahmequellen zugewiesen245. Insofern folgt die Verteilung des Steueraufkommens in der Finanzverfassung nach übereinstimmender Auffassung einem Mischsystem246. Den Gemeinden247 steht dabei zumindest das alleinige Aufkommen an der Grundsteuer und der Gewerbesteuer zu, deren Hebesätze sie im Rahmen der Gesetze festsetzen können (Art. 106 VI 1 erster Hs. GG). Zusätzlich wird den Gemeinden das Aufkommen an der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuer zugestanden (Art. 106 VI 1 lzt. Hs.). Dabei stellt die Aufzählung der Steuerarten in Art. 106 allerdings keinen enumerativen und damit abschließenden Steuerkatalog dar. II. Die Mitverantwortung des Bundes für die Finanzausstattung der Kommunen Nicht zuletzt seit der Finanzreform im Jahr 1969 ist der Vorrang des Bundes bei der Steuergesetzgebung noch viel ausgeprägter als sonst auf dem Gebiet der Gesetzgebung248, denn der Bund verfügt mit der ausschließlichen (Art. 105 I GG) und der konkurrierenden Steuergesetzgebungsbefugnis (Art. 105 II GG) auf dem steuerlichen Gebiet über einen umfassenden Gestaltungsspielraum249. Die Mitverantwortung des Bundes für die finanzielle Situation der Kommunen zeigt sich vor allem durch seine Gesetzgebungszuständigkeit für die Bestimmung der Höhe des Einkommenssteueranteils der Gemeinden und die Festlegung von Realsteuern250. Indem der Bundesgesetzgeber zusätzlich die Höhe der Gewerbesteuerumlage mitentscheidet, bestimmt er die Höhe der Steuereinnahmen der Gemeinden wesentlich mit251. 245  H.

Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 106, Rn. 2. vieler: K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 106, Rn. 24 (in Fn. 83 m. w. N.). 247  Nach T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 88 sind Berechtigte der Grund- und Gewerbesteuer nur die Gemeinden, nicht die Gemeindeverbände. 248  R. Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 104, Rn. 20. 249  R. Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 104, Rn. 22; M. Rodi, Die kommunale Finanzausstattung im Lichte des Verfassungsrechts, in: Wallerath, 2003, S. 57 (63 f.). 250  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 80. 251  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 1 und K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 106, Rn. 115 weisen zudem darauf hin, dass auch ausgabenwirksame Bundesgesetze, die von den Gemeinden auszuführen und landesintern auch 246  Statt

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Allerdings ist die Verantwortung des Bundes für die Gemeindefinanzen nur eine Teilverantwortung, die im Range hinter der Verantwortlichkeit der Länder subsidiär zurücktritt252. Die Kommunen bleiben finanzverfassungsrechtlich vielmehr den Ländern als den Hauptverantwortlichen zugeteilt253. Die Mitverantwortung des Bundes ist eher grundsätzlicher Art, indem er dafür Sorge zu tragen hat, dass den Gemeinden ein allgemein ausreichender finanzieller Freiraum für die Selbstverwaltung zusteht254. Ebenso wenig kann es bei der Verantwortung des Bundes nach Art. 106 GG um die konkrete Höhe der für die Gemeinden erforderlichen Mittel gehen255. Die landesinterne Aufgabenverteilung zwischen Ländern und Kommunen ist grundsätzlich Sache des Landesgesetzgebers256. Dieser ist daher auch die maßgebliche Entscheidungsinstanz, welche Mittel die Kommunen tatsächlich für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. III. Die Abhängigkeit der Finanzausstattung der Kommunen von den Entscheidungen des Landesgesetzgebers Da die Kommunen finanzverfassungsrechtlich den Ländern zugeordnet sind, haben die Länder abschließend über die tatsächliche Finanzausstattung ihrer Kommune zu entscheiden. Obwohl die kommunale Selbstverwaltungsgarantie eine gewisse Finanzautonomie der Kommunen sichert, haben diese tatsächlich auf die Höhe ihrer Finanzausstattung einen nur sehr begrenzten Einfluss. In Konsequenz aus dem zweistufigen Staatsaufbau resultiert aus kommunaler Sicht das Strukturdefizit, dass das Gesamtertragsvolumen der Kommunen weitgehend vom Bundes- und Landesgesetzgeber „fremd“ bestimmt wird257. von diesen mitzufinanzieren sind, einen erheblichen Kostenfaktor für die Gemeindefinanzen darstellen können. 252  K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 67; T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 82. 253  BT-Drs. 8/906, S. 2; T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 82; K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 106, Rn. 115 spricht insofern vom „primären Verpflichtungsadressat“. 254  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 82, so bestünden zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 II GG insofern gewisse Parallelen, da diese Gewährleistung ebenfalls einen Kernbestand schützt, aber keinen Einfluss auf die Aufgabenverteilung zwischen Ländern und Gemeinden im Einzelnen hat. 255  T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 82. 256  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 82.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat75

1. Fehlendes kommunales Steuererfindungsrecht (Steuergesetzgebungshoheit) Die Kompetenz zur Erhebung von Steuern ist laut Grundgesetz allein zwischen Bund und Ländern aufgeteilt258. Weder in der für die Steuergesetzgebungshoheit maßgeblichen Vorschrift des Art. 105 GG noch an anderer Stelle des Grundgesetzes ist ein kommunales Steuererfindungsrecht normiert259. 257

Allerdings haben die Länder gem. Art. 105 IIa GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuer260. Zahlreiche Länder haben in den jeweiligen Kommunalabgabengesetzen Kommunen ihr Steuererfindungsrecht als sogenannte kleine Gemeindesteuern übertragen261. Damit liegt eine derivative Steuergesetzgebungskompetenz der Kommunen verbunden mit einer originären Ertragskompetenz vor262. Dadurch besteht für die Kommunen zumindest die Möglichkeit, mittels entsprechender Gemeindesatzungen von der kommunalen Steuersatzungshoheit Gebrauch zu machen263. Ob sich aus der kommunalen Steuersatzungshoheit auch eine Befugnis zur Erschließung eigener Steuerquellen ergibt, ist aber schon allein wegen des Eingriffscharakters der Steuererhebung und der damit verbundenen rechtsstaatlichen Bedenken umstritten264. Problematisch sind in diesem Zu257  P. Kirchhof, DVBl 1980, S. 711 (712); C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, §  116, Rn. 14. 258  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1123; K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 259  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1123; K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 50; R. Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 104, Rn. 41; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 106, Rn. 4 und 48 weist insofern darauf hin, dass das Recht der Gemeinden zur Steuergesetzgebung „nur rudimentär im GG geregelt“ sei. 260  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 261  Art. 18 BayKAG; § 3 I 1 MVKAG; § 6 IV BWKAG; § 7 HessKAG; § 3 I 1 SHKAG; § 7 II SächsKAG; § 5 ThürKAG; § 5 II RhPfKAG; Brandenburg, das Saarland, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben keine gesonderten Regelungen für die Verbrauch- und Aufwandssteuern. 262  K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 56. 263  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1124. 264  Im Sinne eines Steuerfindungsrechts der Gemeinden, welches sich aus dem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht ergibt: H. Pagenkopf, Kommunalsteuersystem und Grundgesetz, in: Wilke/Weber, 1977, S. 355 (361), leitet daraus zumindest eine „Steuerhoheit“ ab; H. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 360 f. lehnt die Erforderlichkeit noch speziellerer gesetzlicher Grundlagen ab. Einem Steuerfindungsrecht der Kommunen stehen ablehnend gegenüber: C. Starck, Vergnügungssteuer, 1973, S. 50; H.-W. Bayer, Gemeindesteuern, in: Püttner, 6. Band, 1985, § 116

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

sammenhang vor allem landesrechtliche Generalklauseln, aus denen sich weder eine Beschränkung auf bestimmte Steuertypen noch der Steuertatbestände entnehmen lassen265. Mitunter wird davon ausgegangen, dass aus der Generalermächtigung als Delegationsnorm die Befugnis folgt, kommunale Steuern einzuführen266. Demnach können die Kommunen bestimmte Kommunalabgaben zumindest dann einführen, solange ihnen diese gesetzlich nicht verweigert werden267. Zwar steht den Kommunen grundsätzlich die Kompetenz zum Erlass von Satzungen gem. Art. 28 II GG zu268, allerdings kann weder die Garantie auf kommunale Selbstverwaltung noch die deklaratorische Satzungsklausel der Gemeindeordnungen dem Vorbehalt des Gesetzes entsprechen269. Da es sich bei der Abgabenerhebung um die Ausübung von Staatsgewalt und um Grundrechtseingriffe in „Freiheit und Eigentum“ handelt, bedarf es einer parlamentsgesetzlichen oder zumindest per Verordnung begründeten Ermächtigungsgrundlage270. Die Abgabenerhebung darf nur aufgrund einer hinreichend bestimmten, speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage erfolgen271. Allein die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 II GG und den Landesverfassungen sowie die durch die GemeindeordnunD., S. 172; K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 11124; R. Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 104, Rn. 41; C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, § 116, Rn. 27; K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 117. 265  K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 117. 266  E. Schmidt-Jortzig/J. Makswit, Handbuch des kommunalen Finanz- und Haushaltsrechts, 1991, Rn. 138. 267  E. Schmidt-Jortzig/J. Makswit, Handbuch des kommunalen Finanz- und Haushaltsrechts, 1991, Rn. 138, zu nennen ist hier exemplarisch § 3 II 2 SHKAG, wonach die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf Filmvorführungen und Filmtheater sowie nach §  3  IV SHKAG eine Gaststättenerlaubnissteuer/Schankerlaubnissteuer oder einer Getränkesteuer unzulässig sind; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 105, Rn. 51 sieht zwar keine originäre Steuererhebungskompetenz, aber im Rahmen der Verbrauchs- und Aufwandssteuern seien neu geschaffene Steuern zumindest dann zulässig, so lange sie sich in das abschließende System der Ertragsverteilung nach Art. 106 einpassen. 268  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1123 f. 269  M. Burgi, Kommunalrecht, 2010, § 15 Rn. 36 und § 18 Rn. 9. 270  H.-G. Henneke, JURA 1986, S. 568 (571); M. Burgi, Kommunalrecht, 2010, § 15 Rn. 36; C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, §  116, Rn. 27. 271  P. Kirchhof, Die Steuern, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, § 118, Rn. 104, dieser schränkt allerdings ein, dass die für die berufsständische Satzungsautonomie maßgeblichen Bestimmtheitserfordernisse nicht erforderlich seien, weil bei den ge-



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat77

gen verliehenen generellen Satzungsbefugnisse reichen für eine generelle Abgabenhoheit der Kommunen mangels hinreichender Konkretheit nicht aus272. Insofern bedürfen kommunale Abgabenerhebungen immer einer entsprechenden Gemeindesatzung, zu der die Kommune durch eine kommunalabgabengesetzliche Vorschrift ermächtigt sein muss273. Im Einzelfall erfolgt dann die Erhebung durch Verwaltungsakt mit der entsprechenden Gemeindesatzung als rechtlicher Grundlage274. Zwar steht die Ertragshoheit aus diesen Steuern den Kommunen dann auch ausschließlich zu, allerdings sind die daraus resultierenden Einnahmen so gering, dass sie als sogenannte Bagatellsteuern praktisch nicht bedeutsam sind275. 2. Die unmittelbare Steuerverwaltungshoheit der Landesfinanzbehörden Als lex specialis gegenüber Art. 83 ff. GG276 normiert Art. 108 GG die Verwaltungszuständigkeit des Bundes und der Länder. Gem. Art. 108 II 1 GG werden die nicht vom enumerativen Katalog des Art. 108 I erfassten Steuern durch die Landesfinanzbehörden verwaltet277. Dadurch sind die Landesfinanzbehörden zunächst sogar für diejenigen Steuern zuständig, die den Kommunen zufließen278. Allerdings sind die Länder gem. Art. 108 IV 2 GG ermächtigt, den Kommunen die Verwaltung der ihnen allein oder zum Teil zufließenden Steuern zu übertragen279. Hierin zeigt sich ein maßgeblicher Unterschied der Ertragskompetenzen der Kommunen zu denen des Bundes und der Länder. Während in Bund und Ländern aus der ihnen zugewiesenen Ertragskompetenz auch eine Verwaltungskompetenz folgt, gilt dies nicht automatisch für die kommunale Ertragskompetenz280. Vielmehr ist die Ertragsmeindlichen Regelungen nicht der typische Gegensatz zwischen Gemeinwohlbelangen und Gruppeninteresse vorliege. 272  BVerfGE 33, 124 (157  f.); 33, 303 (346 ff.); K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 117. 273  M. Burgi, Kommunalrecht, 2010, § 15 Rn. 36 und § 18 Rn. 9. 274  M. Burgi, Kommunalrecht, 2010, § 18 Rn. 10. 275  K. Groh, LKV 2010, S. 1 (3). 276  BVerfGE 106, 1 (20); W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 108, Rn. 29; H. Kube, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 108, Rn. 1; V. Schlette, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 108, Rn. 13. 277  V. Schlette, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 108, Rn. 50. 278  K.-A. Schwarz, DÖV 1998, S. 721 (61). 279  H.-G. Henneke, JURA 1986, S. 568 (572). 280  K.-A. Schwarz, DÖV 1998, S. 721 (62).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

kompetenz hier nur eine unabdingbare Voraussetzung für die Übertragbarkeit der Verwaltungskompetenz von Seiten des Landesgesetzgebers281. 3. Großteil kommunaler Einnahmen muss über staatliche Finanzzuweisungen abgedeckt werden Die den Kommunen allein zugewiesenen Steueraufkommen machen nur einen Teil der zur Bewältigung der kommunalen Aufgaben erforderlichen Gelder aus. Der weitaus größere Teil wird aus den Gemeinschaftssteuern auf dem Wege des Finanzausgleichs geschöpft. So wird eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen im Zuge des kommunalen Finanzausgleichs garantiert, welcher in den Verantwortungsbereich der Länder fällt282. Der entsprechende Regelungsauftrag ergibt sich für die Länder aus Art. 106 VII 1 GG283. Zudem lassen sich aus der allgemeinen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II GG bzw. denen der Landesverfassungen zumindest abstrakte Maßstäbe bezüglich des „Ob“ und des „Wie“ des Regelungsauftrages zum Finanzausgleich ableiten284. Für konkretisierende Bestimmungen wird den Landesverfassungen dabei viel Spielraum gelassen285. IV. Existiert eine Bestandsgarantie bezüglich bestimmter Steuerquellen? Grundsätzlich umfasst die Gesetzgebungskompetenz immer auch die Befugnis, eine Steuer abzuschaffen. Insofern müssen die in Art. 106 genannten Steuern nicht erhoben werden286. Allerdings kann dies zum Konflikt mit den Ertragsverteilungsregelungen führen, so dass die Abschaffung von SteuDÖV 1981, 636; H.-G. Henneke, JURA 1986, S. 568 (572). Rodi, Die kommunale Finanzausstattung im Lichte des Verfassungsrechts, in: Wallerath, 2003, S. 57 (72). 283  M. Inhester, Kommunaler Finanzausgleich, 1998, S. 158  ff.; M. Rodi, Die kommunale Finanzausstattung im Lichte des Verfassungsrechts, in: Wallerath, 2003, S. 57 (72). 284  So zumindest M. Rodi, Die kommunale Finanzausstattung im Lichte des Verfassungsrechts, in: Wallerath, 2003, S. 57 (72). 285  M. Rodi, Die kommunale Finanzausstattung im Lichte des Verfassungsrechts, in: Wallerath, 2003, S. 57 (72) verweist darauf, dass dieser Spielraum von einem Teil der Landesverfassung entweder nicht (z. B. BayVerf) oder nur durch deklaratorische Gewährleistungen des Finanzausgleichs genutzt (z. B. Art. 79 NRWVerf und Art. 73 BWVerf) wird, während in anderen Landesverfassungen die Bestimmungen recht präzise ausfallen (Art. 74 MVVerf, Art. 58 I NdsVerf, Art. 99 BbgVerf). 286  Statt vieler: H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 105, Rn. 55 (Fn.  229 m. w. N.). 281  BWVerwGH, 282  M.



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ern zumindest unter dem Vorbehalt steht, dass durch eine solche Maßnahme die in Art. 106 GG geregelten Ertragsverteilungsregelungen nicht generell abgeschafft werden287. Insofern kann sich eine Bestandsgewähr für eine in Art. 106 GG genannte Steuer zumindest dann ausnahmsweise ergeben, wenn mit deren Abschaffung ein ausgewogener und funktionsfähiger bundesstaatlicher Finanzausgleich nicht mehr gewährleistet wäre288. Insoweit entscheidet das Zusammenspiel der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregelungen mit den Normen des materiellen Steuerrechts über die endgültige Verteilung der finanziellen Gewichte289. Hier kommt die Besonderheit der Finanzverfassung zum Tragen, dass Steuergesetzgebungshoheit und Steuerertragshoheit auseinanderfallen können. So darf der Inhaber der Steuergesetzgebungskompetenz zwar grundsätzlich alle Einzelheiten für die Inanspruchnahme einer Finanzquelle regeln, aber nicht deren vollständige Beseitigung, wenn er nicht der alleinige Inhaber auch der jeweiligen Steuerertragskompetenz ist290. Es stellt sich die Frage, welche rechtliche Qualität denjenigen Steuern beizumessen ist, bei denen die Steuersetzungskompetenz und die Steuerertragskompetenz auseinanderfallen. Handelt es sich um eine Bestandsgarantie dieser Steuern, so dass dieser Steuertyp vorhanden sein muss, wenngleich nicht in der bei Einführung der Verfassungsvorschrift bestehenden Form291? Oder schützen sie lediglich die Ertragsgarantie, so dass den Kommunen nur das Aufkommen zusteht, wenn diese Steuern auch existieren292? 1. Bestandsgarantie zumindest bezüglich der Umsatzsteuer Einigkeit besteht zumindest darüber, dass der Bestand der Umsatzsteuer gem. Art. 106 Va GG garantiert ist293. Hierfür sprechen schon die detaillierten Regelungen in Art. 106 III, IV GG, die darauf hindeuten, dass auch der 287  H.

Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 105, Rn. 53. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1331 sieht das zumindest beim Wegfall der Umsatzsteuer gegeben; T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 19, 21. 289  R. Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 104, Rn. 22. 290  H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 105, Rn. 54. 291  H. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 130 f. 292  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1335; T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 88. 293  Statt vieler: K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 106, Rn. 20 (in Fn. 72 m. w. N.). 288  J.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Verfassungsgeber von der Existenz einer solchen Steuer ausgeht294. Zudem sei die Umsatzsteuer mit der Funktionsfähigkeit des Finanzausgleichssystems derart eng verbunden, dass sie als tragende und konstitutive Steuer in ihrem Bestand geschützt sein muss, da bei ihrem Wegfall ansonsten dem Ertragsverteilungssystem ein essenzielles Element fehlen würde295. 2. Grund- und Gewerbesteuergarantie: Bestandsgarantie versus bloße Ertragszuweisung Mit der Neuregelung des Art. 106 VI GG wurde der ursprünglich Begriff der Realsteuer durch die Grund- und Gewerbesteuer ersetzt296, wobei eine Anknüpfung des einfachen Gesetzgebers an andere Realien entgegen der ursprünglichen Verfassungslage nun nicht mehr möglich ist297. Umstritten ist, ob auch Grund- und Gewerbesteuern des Art. 106 VI GG in ihrem Bestand garantiert werden298 oder ob lediglich ihr Ertrag verfassungsrechtlich geschützt ist299. a) Grund- und Gewerbesteuer werden in ihrem Bestand geschützt Dass der Bestand der ehemals in Art. 106 IV GG a. F. geregelten Realsteuern garantiert ist, wurde damit begründet, dass die Regelung schon eine finanzverfassungsrechtliche Ergänzung der Selbstverwaltungsgarantie dar294  H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 105, Rn. 58 (Fn. 239 m. w. N.), weist zudem darauf hin, dass auch der 1997 neu eingefügte Art. 106 Va GG für dieses Ergebnis spräche, auch wenn die ähnliche Formulierung des Art. 106 V GG als Argument für eine Bestandsgarantie der Einkommenssteuer zu Recht bisher abgelehnt werde; so auch B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 106, Rn. 1. 295  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1131 f.; K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 20 und 64. 296  Mit dem Gesetz zur Änderung des GG vom 20.10.1997 wurden mit Wirkung zum 25.10.1997 Art. 28 II 3 GG und Art. 106 III, VI geändert sowie Art. 106 Va GG eingefügt, BGBl. I 1997, S. 2470. 297  H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2000, Rn. 903. 298  Diese Ansicht vertrat größtenteils das ältere Schriftum zumindest der Regelung der Realsteuern in Art. 106 IV GG a. F.: O. Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 116; K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1152; K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 54. 299  Diese Frage noch offen gelassen hat das BVerGE 26, 172/184; im Sinne einer bloßen Ertragshoheit: H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 105, Rn.  56 (Fn.  231 m. w. N.); T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 88; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 106, Rn. 1 und 15.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat81

stelle300. Nicht zuletzt wegen ihrer nachträglichen Aufnahme in die Verfassung301 wurden die Realsteuern mitunter als das „Essentiale der gemeindlichen Selbstverwaltung“302 angesehen. Unabhängig davon ist eine Erwähnung der Realsteuern und der Gemeinden als Ertragsberechtigte in der Verfassung nur dann sinnvoll, wenn der Gesetzgeber die kommunale Ertragshoheit nicht völlig aushöhlen und die Verfassungsvorschrift gleichsam leerlaufen lassen könne, sondern wenn auch ihr Bestand geschützt ist303. Insofern schütze die Existenz der Realsteuern und dass ihr Aufkommen den Gemeinden zustehe304. Allerdings wird diese Annahme mit der Einschränkung versehen, dass das Grundgesetz keine Aussage darüber treffe, welche Realsteuern vorhanden sein müssen und wie hoch ihr Aufkommen zu sein habe305. Trotzdem verbiete aber „der innere Zusammenhang der Realsteuergarantie mir Art. 28 Abs. 2 GG, daß [sic!] der Gesetzgeber über Aufkommen und Bestand der Realsteuern nach Gutdünken schaltet und waltet“306. Wenn der Gesetzgeber die Realsteuern senkt oder gar aufhebt, sei er vielmehr verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, „die Gemeinden mit neuen, die Ertragsschmälerung kompensierenden Steuerquellen auszustatten“307. 300  Allerdings noch bezogen auf den Begriff der Realsteuern des Art. 106 IV GG a. F., wie er vor der Neuregelung galt (vgl. Fn. 297 dieser Arbeit): C. Sasse, AöR 85 (1960), S. 423 (454); K. Stern, Staatsrecht I, 1984, § 12 S. 419 f.; H. Soell, BayVBl 1980, S. 73 (76 f.). 301  H. Soell, BayVBl 1980, S. 73 (77). 302  C. Sasse, AöR 85 (1960), S. 423 (454), nach dessen Ansicht die Einführung der Realsteuern zudem den Sinn verfolgte, „einen Anfang zu machen auf dem Wege zur finanzwirtschaftlichen Emanzipation der Gemeinden, zur Durchführung der Grundsätze von Eigenverantwortlichkeit und Selbstverwaltung auch in der Haushaltswirtschaft“. 303  C. Sasse, AöR 85 (1960), S. 423 (453); K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1152 verweist zudem auf die Entstehungsgeschichte, nach der die Realsteuer 1956 eingeführt wurde, nachdem die Zuweisung früher vom Landesgesetzgeber abhing (Art. 106 II GG i. d. F. von 1949); ebenso H. Soell, BayVBl 1980, S. 73 (76); K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 54. 304  K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1153; nach H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2000, Rn. 905 gilt diese Bestandsgarantie auch weiterhin für die Realsteuern der Grund- und Gewerbesteuern. 305  BVerfG, NVwZ 2010, 895 (898); C. Sasse, AöR 85 (1960), S. 423 (455); H. Soell, BayVBl 1980, S. 73 (77); K. Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1153 sieht insofern die Abschaffung der Lohnsummensteuer durch Art. 2 Steueränderungsgesetz vom 30.11.1978, BGBl. I 1979, S. 1849 als verfassungsgemäß, da es sich lediglich um eine Erhebungsform der Gewerbesteuer handelte und andere Steuern bestehen blieben; K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 54. 306  H. Soell, BayVBl 1980, S. 73 (77). 307  H. Soell, BayVBl 1980, S. 73 (77) unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfGE 26, 183; nach K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstver-

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

b) Realsteuern werden höchstens in ihrem Ertrag geschützt Im neueren Schrifttum ist hingegen die Ansicht weit verbreitet, dass die Realsteuern nur als bloße Ertragszuweisung anzusehen seien, so dass den Gemeinden das Aufkommen aus diesen Steuern nur insofern zustehe, soweit diese auch existieren. Hierfür spräche schon die Entstehungsgeschichte, da schon die 1956 eingeführte Realsteuergarantie keinen rechtlichen Gewährleistungsgehalt für den Bestand der Steuern vermitteln sollte308. Daran ändere auch die Verfassungsänderung309 nichts, durch die der Begriff der „Realsteuer“ in Art. 106 VI 1 GG durch „Grundsteuer und Gewerbesteuer“ ersetzt wurde. Diese Änderung diente lediglich dazu klarzustellen, dass es sich bei der Gewerbesteuer um eine Realsteuer mit Objektbezug handelt310. Die ausdrückliche Aufnahme des Wortes „Gewerbesteuer“ in Art. 106 VI 1 GG bedeutet hingegen „keine institutionelle Garantie der Gewerbesteuer als solcher, da Art. 106 GG allein die Ertragshoheit regelt, selbst aber verfassungsrechtlich nicht garantiert“311. Zwar könne „zu Recht von einer Realsteuergarantie gesprochen werden“, jedoch unterliegen Gewerbe- und Grundsteuer indirektem und ertragsrelevantem Ingerenzen des zuständigen Bundesgesetzgebers312. Daraus leitet Jürgen W. Hidien sogar ab, dass der Schutz des Art. 106 GG überhaupt keine „Status-quo-Garantie bzw. Ertragsoder Bestandsgarantie“ umfasse, sondern dass der Steuergesetzgeber vielmehr einen weiten Regelungsspielraum habe313. Auf der anderen Seite gewaltung, 1996, S. 54 müsse zumindest dann ein adäquater Ausgleich erfolgen, wenn durch den Eingriff das System des kommunalen Steuerertrages so gestört werde, dass die kommunale Selbstverwaltung gefährdet wäre. 308  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1335. 309  Vgl. Fn. 296 dieser Arbeit. 310  Der Verfassungsgesetzgeber sah sich zu diesem Schritt verpflichtet, da die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer den Charakter der Gewerbesteuer als Realsteuer gefährdet, siehe BT-Drs. 13/8388, S. 6. B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 106, Rn. 15 sieht hierin nicht bloß eine Klarstellung, vielmehr sei der Gesetzgeber nun entgegen der ursprünglichen Rechtslage gehindert, an andere Realien eine Steuerpflicht zu knüpfen; in diesem Sinne auch K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 126. Hingegen sieht H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 106, Rn. 20 hierin eine Klarstellung der Gestalt, dass die Grund- und Gewerbesteuer den Gemeinden unabhängig davon zustehen, ob sie Realsteuercharakter haben oder nicht. 311  BVerfG, NVwZ 2010, 895 (898); BT-Drs. 13/8488, S. 6; siehe auch J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1335 m. w. N. 312  H. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 128; H. Pagenkopf, Finanzausgleich im Bundesstaat, 1981, S. 191.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat83

steht er aber etwas inkonsequent der Gewerbesteuer zumindest eine „QuasiBestandsgarantie“ zu314. Diese ergebe sich aus dem Normalerlassanspruch der Gemeinden des Art. 28 II 3 GG auf eine mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftsbezogene Steuerquelle, denn deren Abschaffung sei nur möglich, wenn der Bund den Gemeinden eine Art. 28 II 3 GG genügende und Art. 106 GG zuordnungsfähige Steuer verschaffe315. 313

c) Stellungnahme In der Gesamtschau besteht somit vor allem Uneinigkeit bezüglich der Bedeutung der Entstehungsgeschichte und des daraus abgeleiteten Sinns und Zwecks der Benennung der Realsteuern in Art. 106 VI GG. Allerdings weisen die beiden vermeintlich konträren Ansichten derartige Relativierungen auf, dass sie am Ende zu einem ähnlichen Ergebnis bezüglich des Garantiegehaltes der Realsteuern kommen. So wird zwar auf der einen Seite eine vermeintliche Bestandsgarantie der Realsteuern im Zusammenspiel des Art. 106 VI GG und des Art. 28 II GG befürwortet, auf der anderen Seite wird aber eine deutliche Aussage über die Höhe des Aufkommens und die Arten der garantierten Realsteuern abgelehnt. Die vermeintliche Gegenauffassung lehnt eine rechtliche Gewährleistungsgarantie bezüglich der Realsteuern einerseits vollständig ab und negiert andererseits mit Verweis auf den weiten Regelungsspielraum des Gesetzgebers mitunter sogar jegliche Ertragsgarantie316. Somit lässt sich der Streit auf die Frage reduzieren, ob dem Gesetzgeber bei den Realsteuern ein eingeschränkter oder weiter Regelungsspielraum zukommt. Dieser vermeintliche Gegensatz verblasst aber, wenn man sich das Ergebnis der konträren Ansichten nochmals vor Augen führt. Auf der einen Seite gestehen die Befürworter der Bestandsgarantie und des eingeschränkten Regelungsspielraums dem Gesetzgeber trotzdem noch die Möglichkeit, bestimmte Realsteuerarten aufzuheben, zu, solange er die Gemeinden nur mit neuen, die Ertragsschmälerung kompensierenden 313  BVerfGE 26, 172 (184); BVerwG, NVwZ 1994, 177; J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1075, 1335. 314  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1335. 315  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1335; insofern kommen die Vertreter der vermeintlich gegensätzlichen Standpunkte zum gleichen Befund, vgl.: H. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 134; K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 54; H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 1998, S. 103. 316  So J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1075, 1335.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Steuerquellen ausstattet317. Insofern gesteht auch diese Ansicht den einzelnen Realsteuerarten schon keine Bestandsgarantie zu. Auf der anderen Seite gestehen die Befürworter eines weiten Regelungsspielraums des Gesetzgebers zumindest der Gewerbesteuer eine „Quasi-Bestandsgarantie“ zu318. Als Begründung hierfür wird ebenfalls die Verpflichtung des Gesetzgebers herangezogen, dass im Falle einer Aufhebung der Gewerbesteuer der Bund den Gemeinden eine Art. 28 II 3 GG genügende und Art. 106 VI GG zuordnungsfähige Steuer verschaffen müsse319. Somit kommen letztlich beide Ansichten zumindest im Ergebnis auf den gemeinsamen Nenner, dass die einzelnen Realsteuerarten grundsätzlich zwar aufhebbar sind, der Gesetzgeber jedoch im Einzelfall als Alternative den Gemeinden eine Art. 28 II 3 GG genügende und Art. 106 VI GG zuordnungsfähige Steuer verschafft, die die aus der Abschaffung resultierende Ertragsschmälerung kompensieren kann. 3. Anteile der Gemeinde an der Einkommenssteuer Der überwiegende Anteil im Schrifttum vertritt die Ansicht, dass die Formulierung und der Sinn des Art. 106 V GG dafür sprechen, dass den Gemeinden zumindest Anteile garantiert werden müssen, solange die Einkommenssteuern erhoben werde320. Der zugesprochene Einkommenssteueranteil der Gemeinden sei insofern Ausdruck einer originären (Mit)Ertragshoheit321 und nicht ein Anspruch auf eine bloße Finanzzuweisung322. Eine 317  H. Soell, BayVBl 1980, S. 73 (77) unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfGE 26, 183. 318  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1335. 319  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1335, J. W. Hidien, Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Gemeinden, 2001, S. 209 f. 320  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1028, 1333 und 1335; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 106, Rn. 32; K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 12; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 106, Rn. 32 f.; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 106, Rn. 1. 321  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 106, Rn. 32; K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 106, Rn. 12 (m. w. N. in Fn.  43). 322  So noch H. B. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2008, Art. 106, Rn. 17, der den Einkommenssteueranteil der Gemeinden mit Hinweis auf den Wortlaut „weiterzuleiten“ als bloße „Finanzzuweisung [erachtete], die von den Ländern im Auftrage des Bundes an die Gemeinden ausgeschüttet wird“. In der Neuauflage lehnt H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat85

Bestandsgarantie komme für die Einkommenssteuer schon deshalb nicht in Betracht, da ihre Abschaffung zumindest theoretisch durch die Erhöhung anderer Steuern kompensiert werden könne und ihr insofern keine systemtragende Bedeutung für das Gebot der angemessenen Finanzausstattung zukomme323. Allerdings gilt auch hier die Einschränkung, dass die kommunale Beteiligung an der Einkommenssteuer nicht dermaßen eingeschränkt werden darf, dass infolgedessen der durch Art. 28 II GG garantierte Umfang der gemeindlichen Finanzausstattung unterschritten wird324. Außerdem spricht für ein originäres Steuerertragsrecht der Gemeinden, dass der Beteiligungsanspruch der einzelnen Gemeinde sich entsprechend seiner Zweckbestimmung auf der Grundlage der Einkommenssteuerleistung ihrer Einwohner bemisst325. Die Formulierung in Art. 106 V 1 GG „auf der Grundlage“ eröffnet dem Bundesgesetzgeber zwar einen gewissen verteilungspolitischen Spielraum, trotzdem wird er aber im Grundsatz auf den Maßstab der örtlichen Einkommenssteuerkraft verpflichtet, dem sich die einfachgesetzliche Umsetzung unterwerfen muss326. Außerdem wird für die Ertragsgarantie angeführt, dass eine solche Interpretation mit der Existenz des gemeindlichen Hebesatzrechtes aus Art. 106 V 3 GG und der landesinternen Verbundlösung des Art. 106 VII GG im Einklang stehe327. Insofern lässt sich zwar keine Bestandsgarantie ableiten, zumindest ist den Gemeinden aber die Ertragshoheit an der Einkommenssteuer gem. Art. 106 VI GG anteilig garantiert.

Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 106, Rn. 35 diese Auffassung nun ausdrücklich ab und sieht hierin ebenfalls, wie die Mehrheit im Schrifttum, eine „quotale Steuerertragsbeteiligung“. 323  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1335, lehnt eine Bestandskraft des gemeindlichen Einkommenssteueranteils zwar ab, nimmt aber zumindest eine „rechtspraktische ,Garantie‘“ an. 324  BVerfGE 71, 25 (38); H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 105, Rn.  54 f.; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 106, Rn. 1. 325  J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1028. 326  Allein dies gestatte nach J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/ Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1029 „die Individualisierung des Mittelzuflusses und die steuerertragsrechtliche Zurechnung des individuellen Aufkommens“. 327  Nach J. W. Hidien, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 100. Erg.-Lfg., Juni 2002, Art. 106, Rn. 1029 sei der gemeindliche Einkommenssteueranteil als bloße Finanzzuweisung mit diesen Vorschriften kaum erklärbar.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

E. Fazit: Zweistufiger Staatsaufbau als Risikofaktor für die Kommunen Die Finanzverfassung des Grundgesetzes knüpft als Folgeverfassung an den zweistufigen Staatsaufbau an und kennt insofern als Adressat nur Bund und Länder, während die Kommunen lediglich durch die Länder mediatisiert werden328. Zwar werden den Kommunen unmittelbare Gewährleistungen der Finanzverfassung garantiert, allerdings machen diese nur einen geringen Anteil aus und sind zudem vom Landesgesetzgeber weitgehend fremdbestimmt. In der Gesamtheit reichen die eigenen Einnahmequellen der Kommunen nicht aus, so dass diese zwingend auf Finanzierungsleistungen der anderen Glieder im Staatsgefüge angewiesen sind. Die Durchbrechungen des Konnexitätsprinzips als auch die Revisionsansprüche des Art. 106 GG bieten nur mittelbaren Schutz für die Kommunen. Die Durchbrechungen des Konnexitätsprinzips, welche den Kommunen über Geldleistungsgesetze oder Bundesfinanzhilfen zusätzliche Einnahmen garantieren können, liegen im Wesentlichen im Ermessen des Bundes und die Leistungen dürfen den Kommunen zudem nur über die jeweiligen Länder zufließen. Über die Revi­ sionsansprüche des Art. 106 GG entsteht den Kommunen deshalb nur ein mittelbarer Schutz, weil nur die Länder revisionsanspruchsberechtigt und die Kommunen auf diese als „ihre Sachwalter“ angewiesen sind. Hier zeigt sich das für die Kommunen strukturelle Defizit im zweistufigen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland. Die vermeintlichen Schutzmechanismen der Finanzverfassung im Grundgesetz wirken nur mittelbar, da den Kommunen nur eingeschränkte Einflussmöglichkeiten eröffnet werden und sie im Hinblick auf ihre finanzielle Ausstattung einem erhöhten Risiko der Unterfinanzierung ausgesetzt werden. Da sich eine analoge Anwendung des Art. 104a I und II GG auf das Länder-Kommunen-Verhältnis verbietet, sind vor allem die landesverfassungsrechtlichen Regelungen zum Schutz der kommunalen Finanzausstattung von Bedeutung. Nach den Länderverfassungen soll die kommunale Finanzausstattung durch drei Säulen, originärer kommunaler Einnahmen, einen kommunalen Finanzausgleich und über Konnexitätsregelungen, mithin Kostenerstattung bei Aufgabenübertragungen, gewährleistet werden. Hierbei sind vor allem die Konnexitätsregelungen von besonderer Bedeutung, da diese finanzkraftunabhängig ausgestaltet sind. In jedem Fall hat das Land

328  Ähnlich versteht W. Zeiser anlässlich der Speyerer Kommunaltage, die Bundesländer „als kommunale Treuhänder“, denen gegenüber dem Bund eine kommunale Wächterfunktion zukomme, zitiert in: M. Dittrich, DÖV 2012, S. 69.



§ 1 Die Kommunen im Bundesstaat87

sicherzustellen, dass der bei Aufgabenübertragungen den Kommunen konkret entstehende finanzielle Mehraufwand auszugleichen ist. Indem die Finanzverfassung dem zweistufigen Staatsaufbau folgt, während der Verwaltungsaufbau der Bundesrepublik Deutschland dreistufig geprägt ist, zeichnet sich die Stellung der Kommunen im Bundesstaat durch ein strukturelles Defizit aus. Das Land ist versucht, den Kommunen neue Aufgaben aufzubürden, ohne für entsprechende finanzielle Gegenleistungen zu sorgen. Allein die finanzkraftunabhängige Konnexitätsregelungen der Länderverfassungen mindert die Gefahr, dass der Bestand pflichtiger Aufgaben wächst, die kommunale Finanzausstattung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben aber gleich bleibt. Die Stellung der Kommunen in Bundesstaat birgt insgesamt das Risiko in sich, dass die Kommunen finanziell benachteiligt werden und eine ausreichende Finanzausstattung nicht mehr gewährleistet sein könnte.

§ 2 Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Die Kommunen finden im Grundgesetz nicht nur im Verwaltungsaufbau und in der bundesstaatlichen Finanzverfassung Erwähnung, vielmehr sind sie durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ausdrücklich im Grundgesetz geschützt. Insofern muss untersucht werden, was sich verfassungsrechtlich hinter dem Begriff der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verbirgt (A.). Für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sind ihr finanzverfassungsrechtlicher Schutz und ihre finanzielle Eigenverantwortung von besonderer Bedeutung (B.).

A. Überblick über die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung findet ihre verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 28 II 1 GG und in den ergänzenden landesverfassungsrechtlichen Vorschriften. Es ist zu klären, welchen Rechtscharakter die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hat und welche Inhalte sich dahinter verbergen (I.). Im Hinblick auf die Abhängigkeiten der Kommunen im Bundestaatsgefüge ist zudem von Interesse, wer durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verpflichtet wird (II.). Im Übrigen stellt sich die Frage, inwieweit die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung einschränkbar ist (III.) und welche Grenzen hierbei zu beachten sind (IV.). I. Wesen und Inhalt der kommunalen Selbstverwaltung Den Gemeinden muss nach Art. 28 II 1 GG und den Landkreisen nach Art. 28 II 2 GG das Recht gewährt sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Diese Garantie wird in den Verfassungen der Länder1 wiederholt und ergänzt. 1  Vgl. Art. 71 I, II BWVerf; Art. 11 II BayVerf.; Art. 97 I, II BrdbVerf; Art. 137 I bis III HessVerf.; Art. 72 I MVVerf; Art. 57 I, III NdsVerf; Art. 78 I, II NRWVerf; Art. 49 I bis III RhPfVerf; Art. 117, 118 SaarlVerf.; Art. 84 I SächsVerf; Art. 87 I, II LSAVerf; Art. 46 I, II SHVerf; Art. 91 I, II ThürVerf; in Berlin und Hamburg als Stadtstaaten existiert keine kommunale Selbstverwaltungsgarantie; ein Sonderfall ist



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung89

Allerdings dürfen die verfassungsrechtlichen Regelungen der Länder nicht hinter der Garantie des Grundgesetzes zurückbleiben, da dies nach Art. 31 GG zu Nichtigkeit der genannten Landesverfassungsnorm führen würde2. 1. Wesen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie Der Wortlaut von Art. 28 II GG spricht ausdrücklich von der „Gewährleistung eines Rechts“. Ob sich daraus allerdings ein subjektives Recht der Kommunen ableiten lässt, ist umstritten3. Zumindest ist der Inhalt der durch eine zusätzliche subjektive Komponente in der verfassungsprozessualen Absicherung durch die kommunale Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4b GG gestärkt worden4. Gegen ein die Kommunen unmittelbar betreffendes Landesgesetz können diese mitunter auch Verfassungsbeschwerde vor dem jeweiligen Landesverfassungsgericht erheben5, wobei eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht dahinter zurücktritt6. Bremen mit der Regelung der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 144 BremVerf, wodurch die Stadt Bremerhaven die einzige Gemeinde in Deutschland ist (die nicht gleichzeitig Land ist), die nach Art. 145 BremVerf sich eigenständig eine Gemeindeverfassung geben kann und auch Gemeindegesetze erlässt (anstelle der Gemeindeordnung und Gemeindesatzung in anderen Bundesländern). 2  Insofern sind die landesverfassungsrechtlichen Regelungen grundsätzlich verfassungskonform auszulegen, vgl. S. Schmahl, DVBl 2003, S. 1300 (1303); V. Mehde, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 67. Erg.-Lfg., Art. 28 Abs. 2, Rn. 20; zur verfassungskonformen Auslegung siehe auch: 2. Teil § 4 A. IV. 2. a), S. 262 ff. dieser Arbeit. Ausführlich zur Unanwendbarkeit des Art. 31 GG bei inhaltlich übereinstimmenden Landesrecht siehe: 1. Teil § 3 C. II. 3. a), S. 193 ff. dieser Arbeit. 3  Gegen eine subjektives Recht: O. Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 28 f., 44 und 217; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 130. V. Mehde, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 67. Erg.-Lfg., Art. 28 Abs. 2, Rn. 19 gesteht den Kommunen zumindest eine Berufung auf die Verfahrensrechte aus Art. 101 I 2 GG, 103 I GG und Rechte aus dem Gleichheitssatz zu, die sich allerdings nicht aus Art. 3 I GG sondern unmittelbar aus der Selbstverwaltungsgarantie ergäben. Für ein subjektives Recht: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 103 (m. w. N.), dafür sprächen „der Wortlaut des Art. 28 II GG (,Recht‘ und ,Gewährleistung‘) wie die Systematik des Grundgesetzes“; ebenso H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 47. 4  K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 423 m. w. N.; S. Schmahl, DVBl 2003, S. 1300 (1303). 5  Vgl. beispielweise im Brandenburg wegen einer Veletzung des Art. 97 BbgVerf gem. Art. 100 BbgVerf, § 12 Nr. 5, § 51 BbgVerfGG. In Bayern können die Gemeinde eine etwaigen Verletzung des Art. 11 II BayVerf hingegen nur im Wege der Popularklage gem. Art. 98 S. 4 BayVerf, Art. 2 Nr. 7, 55 VfGHG geltend machen, hierfür sind sie beschwerdebefugt, da laut BayVerfGH, BayVbl. 1996, S. 462 ff., das Selbstverwaltungsrecht als grundrechtsähnlich angesehen wird. 6  E. Benda/E. Klein/O. Klein, Verfassungsprozessrecht, 2012, § 2 Rn. 45 ff.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Nach einhelliger Ansicht enthält Art. 28 II GG zumindest kein Grundrecht der Gemeinden und Gemeindeverbände7. So ist die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung nicht mehr im Grundrechtsteil, sondern vielmehr im staatsorganisationsrechtlichen Teil verortet. Neben diesem rein formalen Aspekt ist aber vor allem maßgeblich, dass kommunale Selbstverwaltungskörperschaften im Hinblick auf die demokratische Legitimation aller staatlichen Gewalt eine gewichtige Position einnehmen. So sind kommunale Selbstverwaltungskörperschaften heute nicht als ein Gegenüber zu verstehen, die sich in Abwehrstellung gegen den Staat positionieren, vielmehr sind sie in den demokratischen Staatsaufbau quasi inkorporiert8. 2. Inhalt und Garantieebenen der kommunalen Selbstverwaltung Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung lässt sich in drei Ebenen untergliedern. Dabei unterscheidet man die institutionelle Rechtssubjektsgarantie, die objektive Rechtsinstitutsgarantie und die subjektive Rechtsstellungsgarantie. a) Die institutionelle Rechtssubjektsgarantie Durch die Rechtssubjektsgarantie soll verfassungsrechtlich zugesichert werden, dass es Gemeinden und Gemeindeverbände als institutionelle Bestandteile der Verwaltungsstruktur geben muss. Dabei werden mit dem Begriff der Gemeinde die Eigenschaften des Bestandteils spezifiziert. So wird nicht irgendeine Verwaltungseinheit der Garantie gerecht, vielmehr ist eine Gemeinde i. S. d. Art. 28 II 1 GG „ein auf personaler Mitgliedschaft zu einem bestimmten Gebiet beruhender Verband, der die Eigenschaft einer (rechtsfähigen) Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt, kurz: eine 7  BVerfGE 6, 19 (22); 8, 359; F.-L. Knemeyer/M. Wehr, VerwArch 92 (2001), S.  317 (325 f.); H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 87; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 53 ff.; T. Maunz, in: ders./ Dürig, GG Kommentar, 32. Erg.-Lfg., Oktober 1996, Art. 28 II, Rn. 56; I. Gebhardt, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht, 2007, S. 25 f. Betrachtet man dagegen die historischen Wurzel so ist dieser Befund nicht selbstverständlich. Vor allem in den Verfassungen der liberal-rechtsstaatlichen Staatswesen ist die gemeindliche Selbstverwaltung als überindividuelles Grundrecht begründet und die Selbstverwaltung als naturrechtliche Institution der Gesellschaft gegenüber dem Staat begriffen worden. Siehe zu den historischen Wurzeln der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung vor allem K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S.  17 ff. 8  K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 405; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 159.



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung91

kommunale Gebietskörperschaft“9, der eine Gebietshoheit und der Schutz des Namens zusteht10. Die Rechtssubjektsgarantie schützt die Gemeinden dabei nur institutionell. Das heißt, für jede einzelne Gemeinde leitet sich kein subjektives Recht auf ihren Fortbestand ab, vielmehr ist der Staat durch die Rechtssubjektsgarantie lediglich verpflichtet, die gemeindliche Verwaltungsebene an sich zu erhalten11. Insofern ist die Auflösung einer Gemeinde bzw. die Zusammenführung mit anderen Gemeinden grundsätzlich zulässig, wenn auch formell an eine Anhörung der betroffenen Gemeinde und materiell an das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Wohls gebunden12. b) Die objektive Rechtsinstitutsgarantie Die objektive Rechtsinstitutsgarantie füllt den Begriff der Selbstverwaltung aus13. Der Schutzgehalt der objektiven Rechtsinstitutsgarantie gliedert sich für den Verwaltungsträger in zwei Teile. So wird durch sie sowohl die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerledigung gewährleistet als auch ein bestimmter Aufgabenbestand gesichert14. Allerdings unterliegt die Ausgestaltung dem Vorbehalt der Gesetze, denen wiederum bestimmte Schranken zugewiesen sind15. 9  Die Richtungsweisende Definition von K. Stern, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/ Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 13. Erg.-Lfg., Dezember 1964, Art. 28, Rn. 80, ist heute noch gültig, vgl. P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 155. 10  F. Schoch, JURA 2001, S. 121 (124 f.); H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 25. 11  BVerfGE 50, 50; 86, 90 (107); 103, 322 (366); H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 131; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 28, Rn. 156; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 24. 12  Str. Rspr.: BVerfGE, 50, 50 f.; H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 131. Insofern kann auch von einer „beschränkt individuelle[n] Garantie des einzelnen Rechtssubjekts Gemeinde“ gesprochen werden, so: H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 24; ähnlich bereits E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 11; H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 44. 13  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 40. 14  F. Schoch, JURA 2001, S. 121 (124); H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 34. 15  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 102; F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/ Meyer, 2006, S. 11 (25).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Vom Bundesverfassungsgericht werden Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft seit der „Rastede-Entscheidung“16 als diejenigen Bedürfnisse und Interessen verstanden, „die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindebewohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an“17. Sollten solche Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft vorliegen, fallen sie nach Art. 28 II 1 GG in den gemeindlichen Aufgabenbereich. Dabei wird durch den letzten Halbsatz das Verhältnis von Finanzkraft und Aufgabenbestand klargestellt. Demnach hat sich die Finanzausstattung nach dem verbürgten Aufgabenbestand zu richten, nicht dieser nach der Finanzkraft der jeweiligen Gemeinde18. Zudem steht den Gemeinden das sogenannte „Recht zur Spontanität“ zu, das heißt, sie können sich neuer Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft annehmen, allerdings nur soweit eine anderweitige Aufgabenzuweisung nicht erfolgt ist19. Wenn im Falle einer Finanzknappheit die Gemeinde dazu gezwungen sein sollte, sich der Wahrnehmung einer neuen Aufgabe zu enthalten, stellt dieser eine Eingriff in Art. 28 II 1 GG dar20. Anders liegt es bei den Gemeindeverbänden. Ihnen steht nur ein gesetzlich zugewiesener Aufgabenbestand zu, der jedoch einen hinreichenden Anteil kreiskommunaler Aufgaben mit umfassen muss21. Trotzdem dürfen die Gemeindeverbände nicht aufgabenlos gestellt oder in ihrer Aufgabenwahrnehmung so entkernt werden, dass von der Institution der Selbstverwaltung nichts übrig bliebe22. Eigenverantwortlichkeit der Wahrnehmung heißt Freiheit von Vorgaben anderer Hoheitsträger – insbesondere des Staates23. Die Eigenverantwortlichkeit drückt sich in einem Ermessen im weitesten Sinne aus, indem sie 16  BVerfGE

79, 127 ff. 79, 127 (151 f.); vorbereitend bereits BVerfGE 8, 122 (134); 50, 195 (201); 52, 95 (120). 18  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 56. 19  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 178; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 29. 20  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 41. 21  BVerfGE 83, 363 (383); P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 237; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 57. 22  BVerwGE 6, 19 (23 f.). 23  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 114; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 178; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 35. 17  BVerfGE



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung93

sich bei freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben grundsätzlich auf das „Ob“, „Wann“ und „Wie“ der Aufgabenwahrnehmung bezieht. Bei pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben umfasst die Eigenverantwortlichkeit hingegen nur das „Wie“, eine Entschließungsfreiheit ist dort nicht vorhanden24. Insofern ist den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine umfassende Gestaltungsfreiheit bei der Aufgabenwahrnehmung garantiert, die ihre Grenzen in Art. 20 III GG und im Gesetzesvorbehalt des Art. 28 II 1 GG findet25. Dabei wird die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung in bestimmte Hoheitsrechte ausdifferenziert, die jedoch weder allein den Kern der Eigenverantwortlichkeit bilden noch diesen abschließend umschreiben26. Davon regelmäßig umfasst sind die Abgabenhoheit, die Gebietshoheit, die Finanzhoheit, die Planungshoheit und die Rechtssetzungshoheit27. Der Bereich der Eigenverantwortlichkeit umfasst auch die Problematik, wie die Verfassungsmäßigkeit der Überführung freiwilliger in pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben bzw. die Zuweisung pflichtiger Aufgaben aus dem staatlichen Wirkungskreis zu beurteilen ist. Diese Problematik beeinflusst wiederum entscheidend die finanzielle Entschließungs- und Ausgestaltungsfreiheit der Kommunen bei der Aufgabenwahrnehmung28. c) Die subjektive Rechtsstellungsgarantie Die subjektive Rechtsstellungsgarantie ordnet erst die normativen Gehalte der objektiven Rechtsinstitutsgarantie den einzelnen Kommunen als Abwehrrechte zu und lässt diese damit am Schutze des Art. 28 II GG teilhaben29. Dadurch kann jede Gemeinde und jeder Gemeindeverband von den 24  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 178. 25  So schon E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 19; ebenso in der Neuauflage H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 35. 26  F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/Meyer, 2006, S. 11 (44); H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 36 weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich keineswegs um „eindeutige Fixierungen von Wesengehaltselementen“ handelt. 27  So noch E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 23; damit in der Neuauflage weitgehend übereinstimmend H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 36 ff., allerdings sieht er nicht die Abgabenhoheit sondern die Organisationshoheit im Vordergrund. 28  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 42. 29  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 103; H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 45.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Verpflichtungsadressaten des Art. 28 II GG verlangen, dass die Gewährleistung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nicht verletzt werde30. So ergeben sich aus der subjektiven Rechtsstellungsgarantie vor allem Abwehransprüche auf Beseitigung bzw. Unterlassung, mitunter aber auch positive Schutz-, Teilhabe- und Leistungsansprüche31. II. Verpflichtungsadressaten der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie Die Selbstverwaltungsgarantie des Art 28 II GG richtet sich naturgemäß gegen den Staat als Anspruchsgegner in Gestalt des regelnden, ausgestaltenden und eingreifenden Gesetzgebers32. Allerdings ist die Stoßrichtung des Art. 28 II GG nicht auf den Gesetzgeber beschränkt, vielmehr bietet die Selbstverwaltungsgarantie eine Art „Rundumschutz“33 auch gegenüber anderen Selbstverwaltungskörperschaften34. So können sich Gemeinden sowohl bei Konflikten untereinander als auch bei unzulässigen Beeinträchtigungen durch andere Planungsträger oder durch Gemeindeverbände auf Art. 28 II GG berufen35. Dabei ist in den hier besonders relevanten Fragen des kommunalen Finanzausstattungsanspruchs der Verpflichtungsadressat der Kommunen allein das jeweilige Land und nicht der Bund36. Dagegen ermächtigt Art. 28 II GG als staatsorganisationsrechtliche Kompetenznorm nicht zu Eingriffen in die Grundrechte Dritter37. „Die Tatsache, dass eine Materie zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gehört, ergibt folglich noch kein eigenständiges Eingriffsmandat der Gemeinde 30  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 45. 31  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 105; F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/ Meyer, 2006, S. 11 (23); H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/ Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 45. Eingeschlossen davon werden Verfahrensrechte der Kommunen wie das rechtliche Gehör vor staatlichen Eingriffsmaßnahmen, dazu ThürVerfGH, DVBl 2005, 443. 32  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 106. 33  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 106. 34  BVerwGE 67, 321. 35  Für Beispiele siehe H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 106. 36  Mit Verweis darauf, dass sich diese Frage quasi von selbst beantwortet M. Nier­ haus, LKV 2005, S. 1 (2); K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (223). 37  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 107; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 20 (m. w. N. in Fn. 50).



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung95

in Rechtspositionen Privater“38. So kann die Wahrnehmung von Freiheitsrechten durch Private einerseits nicht als Zugriff auf gemeindliche Kompetenzen abgewehrt werden39, andererseits hat der einzelne Bürger auch keinen Anspruch gegen die Gemeinde, von ihrem Selbstverwaltungsrecht Gebrauch zu machen40. Auch bietet Art. 28 II GG keinen Schutz gegenüber Maßnahmen der europäischen Gemeinschaften oder Zugriffen durch sekundäres Gemeinschaftsrecht auf die Kommunen als Aufgabenträger. Insofern ist Art. 28 II GG nicht „europafest“41 und die Schutzmechanismen des deutschen Landes- und Bundesverfassungsrechts gegen europarechtliche Aufgabenzuweisungen sind wirkungslos42. Umso relevanter erscheint die Frage, inwiefern das EURecht selbst eine kommunale Selbstverwaltungsgarantie kennt43. Eine ausdrückliche Verankerung der Selbstverwaltungsgarantie ist jedoch auf europäischer Ebene auch durch den Vertrag von Lissabon noch nicht erfolgt44. Unter der Voraussetzung, dass Art. 28 II GG nicht von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt wird45, kann die Selbstverwaltungsgarantie auch nicht über Art. 6 III EUV in das europäische Primärrecht hineinwirken. Zudem stellt die Selbstverwaltungsgarantie auch keine grundrechtliche Ge-

38  So schon E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 9; in der Neuauflage ebenso H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 20. 39  So H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 107; im Unterschied dazu sieht E. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 523 eine Parallele zur Drittwirkung von Grundrechten, unter Berufung auf BVErfGE 7, 198 (205 f.). 40  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 32. Erg.-Lfg., Oktober 1996, Art. 28 II, Rn. 56. 41  E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/ Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 26a; F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/Meyer, 2006, S. 11 (23); H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 51 sieht mit Einführung des Art. 4 II 1 EUV und im Zusammenspiel mit dem Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 5 III 1 EUV zumindest „die Kommunalblindheit der Union“ für überwunden; ähnlich C. Brüning, in: Ehlers/ Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht 3.  Band, 2013, Rn. 59. 42  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 147. 43  Ausführlich hierzu: 2. Teil § 5 B. I. 1, S. 311 ff. der Arbeit. 44  Statt vieler: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 33 (m. w. N.) verweist vor allem auf die rechtspolitischen Vorschläge, entsprechende Verfassungsartikel einzuführen. 45  Ob Art. 28 II GG von Art. 79 III GG partizipiert, wird gesondert beantwortet, vgl.: 2. Teil § 5 C. I., S. 325 ff. der Arbeit.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

währleistung dar, so dass sie ebenso wenig unter Art. 6 II EUV fällt46. Zwar könnte man versuchen, einen Zugang über die Grundsätze der Demokratie, Art. 2 EUV bzw. der Bürgernähe, Art. 1 II EUV zu finden. Die Grundsätze der Demokratie und die Bürgernähe werden zwar auch durch die Selbstverwaltungsgarantie verwirklicht, jedoch sind die Formulierungen im EUV bewusst so allgemein formuliert, dass diese auch durch andere Verwaltungsstrukturen umgesetzt werden könnten. Auch der Grundsatz der Subsidiarität nach Art. 5 I EUV bezieht sich eher auf die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten gegenüber der Europäischen Union als auf die mitgliedsstaatsinterne Subsidiarität47. Diese quasi „Kommunalblindheit“ des Gemeinschaftsrechts beruht letztendlich auch darauf, dass das Primärrecht sich an die Mitgliedsstaaten richtet, dabei aber die innerstaatliche Kompetenzverteilung dem Grunde nach unberührt belässt48. III. Einschränkbarkeit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Schranken) Schon nach dem Wortlaut des Art. 28 II GG sind Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltung „im Rahmen der Gesetze“ grundsätzlich möglich, bedürfen demnach aber einer gesetzlichen Grundlage. Dabei können nicht nur Parlamentsgesetze, sondern auch Rechtsverordnungen Basis einer legalen Einschränkung sein, sofern eine mit den Anforderungen des Art. 80 I 2 GG in Einklang stehenden Ermächtigung besteht49. Das Gleiche gilt auch für andere Arten von untergesetzlichen Rechtsnormen50, soweit diese auf einer mit dem Maßstab des Art. 28 I 2GG übereinstimmenden Ermächtigung beruhen51. 46  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 148 f. 47  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 33; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 152; ausführlich zur Bedeutung des Subsidiaritätsprinzip für die Kommunen: M. Möller, Subsidiaritätsprinzip, 2008. 48  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 32 m. w. N.; zu den Gefahren, die sich hieraus für die Kommunen im Zusammenspiel mit der Schuldenbegrenzungsregelungen ergeben, ausführlich in: 2. Teil § 5 C. I. 2., S.  313 ff. der Arbeit. 49  BVerfGE 26, 228, 237; K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 35. 50  Fraglich erscheint allerdings, ob dies auch für Gewohnheitsrecht gelten soll: Die Rechtsprechung bejaht dies bei örtlichen Kirchenbaulasten mit Blick auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 II WRV, VerfGH NRW, DVBl. 1982, 1043; dem zustimmend im Schrifttum P. J. Tettinger, Die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Mann/Püttner, HkWP 1.  Band, 2007, § 11, Rn. 16. 51  BVerfGE 79, 107, 117 f.



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung97

Zum einen sind durch den gesetzlichen Rahmen die Länder zur gesetzlichen Konstituierung und zur Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung in Form der Kommunalverfassung ermächtigt. Zum anderen ermöglicht der gesetzliche Rahmen dem Gesetzgeber als Gesetzesvorbehalt die Beschränkung beider Gewährleistungselemente. Insofern kann der Gesetzgeber sowohl den Umfang, sprich der „Universalität“, als auch die Modalitäten der Aufgabenerledigung, mithin der „Eigenverantwortlichkeit“ beeinflussen52. Adressat des Gesetzesvorbehalts nach Art. 28 II 1, 2 GG ist grundsätzlich der Landesgesetzgeber, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt, Art. 70 I GG. Nunmehr ist allerdings dem Bund gem. Art. 84 I 7 GG ausdrücklich verwehrt, durch Bundesgesetz den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben zu übertragen53. IV. Grenzen des Gesetzesvorbehalts (Schranken-Schranken) Damit der Gesetzesvorbehalt des Art. 28 II 1 GG nicht zur „Achillesferse“54 der Selbstverwaltungsgarantie zu werden droht, ist dieser seinerseits bestimmten Grenzen unterworfen. Die neuere55 Rechtsprechung und Literatur differenzieren bei diesen Grenzen zwischen dem Schutz des Kernbereichs und dem des Randbereichs durch das materielle Aufgabenverteilungsprinzip56.

52  F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/Meyer, 2006, S. 11 (26); P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 28, S. 187 ff. 53  Ausführlich zur Anwendung der Neuregelung: S. Burger/M. Faber, KommJur 2011, S. 161; kritisch gegenüber der Neuregelung: P. Selmer, JuS 2006, S. 1052 (1056); ausführlich zur alten Rechtslage: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 122; F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/Meyer, 2006, S. 11 (13 ff.). 54  E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/ Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 20; ebenso in der Neuauflage H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 42. 55  Früher wurden vor allem die aus der Grundrechtsdogmatik bekannten Schranken einer Respektierung des Kernbereichs und des Übermaßverbotes herangezogen, vgl. BVerfGE 56, 298 (312 f.); J. Ipsen, ZG 9 (1994), S. 194 (207 ff.). 56  BVerfGE 11, 266 (274); 22, 180 (205); 50, 195 (202); 79, 127 (152 ff.); 83, 363 (382); E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/ Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 20 f.; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 28, Rn. 191 und 195; C. Brüning, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht 3. Band, 2013, Rn. 45 ff.; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 42 (m. w. N. in Fn. 102) und 44.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

1. Schutz des Kernbereichs Demnach weist die Rechtsinstitution der kommunalen Selbstverwaltung einen Kern auf, der sich der gesetzlichen Regelung entzieht. Einer solchen Einschränkung bedarf es schon deshalb, da ansonsten Typus und Struktur der garantierten Rechtsinstitution durch gesetzgeberische Tätigkeit maßgeblich verändert werden würden57. Genauso wie sich der sogenannte Kernbereich58 gegenüber dem gesetzgeberischen Zugriff abschirmt, genauso entzieht er sich jedoch leider auch der genauen Bestimmung seiner Grenzen und seines Inhalts. Zumindest ist der Kernbestand an Aufgaben nicht exakt gegenständlich fixierbar59. Insofern wird der vermeintlichen Wesensgehaltsgarantie auch vorgeworfen, sie laufe weitgehend leer, so sei der Kernbereichsbegriff ein „definiens indefinibilis“60. Umso mehr entbindet allein die Feststellung, es existiere ein eingriffsfester Kernbereich, der durch den Gesetzgeber nicht angetastet werden dürfe, gerade nicht von der Aufgabe, diesen Kernbereich zu konkretisieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist vom Kernbereich zumindest das Zugriffsrecht auf gesetzlich nicht anderweitig zugewiesene Aufgaben umfasst61. Zudem schützt er den Grundsatz, dass Bestands- und Gebietsänderungen von Gemeinden nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaft zulässig sind62. Außerdem sind solche Regelungen im Kernbereich verboten, die „eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken“ würden63. 57  Der sogenannte Kernbereich schützt nach K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 416 als „Wesensgehalt das Essentiale einer Einrichtung, das man aus einer Institution nicht entfernen kann, ohne deren Struktur und Typus zu verändern“. 58  Das BVerfG spricht auch vom „Wesensgehalt“, BVerfGE 79, 127 (143, 146); ebenso R. Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 1984, S. 198, wobei er den Wesensgehalt dem Kernbereich- und Fundamentalgehalt gleichsetzt; Jedoch ist diese Formulierung mit Blick auf die Selbstverwaltungsgarantie wenig zielführend, da sie an die grundrechtliche Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG erinnert, woraus sich der Kernbereichsschutz aber eben gerade nicht ergibt, weil Art. 28 II GG kein Grundrecht ist, so schon H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 125. 59  Neuere Rspr. nach BVerfGE 79, 127 (146), wobei die ältere Judikatur teilweise noch gegenständliche Elemente anklingen ließ, so in BVerfGE 1, 167 (178). 60  M. Nierhaus, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 67; zur Kritik aufgrund der schwierigen Bestimmbarkeit des Kernbereichs: J. Ipsen, ZG 9 (1994), S.  194 (197 f.). 61  BVerfGE 79, 127 (146); vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1992, 628 ff. 62  BVerfGE 50, 50 (50 ff.); 50, 195 (202); 86, 90 (107 f. und 111). 63  BVerfGE 91, 228 (239).



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Das Kernbereichskonzept ist vor allem als „Warnsignal“ für den Gesetzgeber zu verstehen, mit Bedacht und Vorsicht bei der Ausformung und Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung vorzugehen64. Es bleibt daher festzuhalten, dass die Kernbereichsgarantie vor allem als Auffangfunktion bei Einzelfällen besonders intensiven Eingreifens65 dienlich ist. Als abstrakt-generelle Einschränkung ist die Kernbereichsgarantie hingegen wenig hilfreich66. 2. Schutz des Randbereichs Außerhalb des Kernbereichs unterliegt der Gesetzgeber im sogenannten Randbereich lediglich einer relativen Eingriffsgrenze67. Im Falle staatlicher Reglementierung des kommunalen Aufgabenbestandes ist nach der Verfassungsrechtsprechung immer noch das gemeindespezifische materielle Aufgabenverteilungsprinzip zu berücksichtigen68. Im gemeindespezifischen materiellen Aufgabenverteilungsprinzip zeigt sich die verfassungsrechtliche Systematik des Art. 28 II 1 GG im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Demnach sind Aufgaben mit relevantem örtlichen Charakter grundsätzlich 64  So spricht F. Ossenbühl, Energierechtsreform, 1998, S. 53 von „Signalwirkung“; dem zustimmend P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 191. 65  So gibt es bisher nur wenige Entscheidungen, die auf eine Verletzung des Kernbereichs gestützt worden sind. Laut BVerfGE 103, 332 (366) ist der Kernbereich jedenfalls dann betroffen, „wenn die kommunale Selbstverwaltung völlig beseitigt oder derart ausgehöhlt wird, dass die Gemeinde keinen ausreichenden Spielraum ihrer Ausübung mehr hat […], wenn also die Selbstverwaltung nur noch ein Schattendasein führen könnte“. 66  D. Ehlers, Die Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 59 (81 f.); K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 40; I. Gebhardt, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht, 2007, S. 50 f.; dagegen auf deren Bedeutung hinweisend: F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/ Meyer, 2006, S. 11 (28), der trotz der geringen normativen Wirkkraft des Kernbereichsschutzes, diese nicht als wertlos ansieht. 67  F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/Meyer, 2006, S. 11 (29). 68  BVerfGE 79, 127 (152 ff.); 83, 363 (382). Kontrovers diskutiert wird dabei noch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips: während das BVerfG dieses im Staatsorganisationsrecht für unanwendbar hält, vgl. BVerfGE 79, 311 (342); 81, 310 (338); halten Teile der Literatur dies für vertretbar, so: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 128; F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/Meyer, 2006, S. 11 (29), der unter der Bezeichnung des Übermaßverbots auf die Dogmatik des Art. 14 GG verweist; so auch P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 194 f.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

dezentral von der Gemeinde wahrzunehmen, während eine „Hochzonung“, das heißt, ein zentralisierender Entzug auf die nächsthöhere Verwaltungsebene nur aus Gründen des Gemeinwohls zulässig ist69. Der Gemeinwohlbezug stellt damit vor allem die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sicher. Ausgeschlossen sind dagegen Gründe der Verwaltungsvereinfachung oder der Konzentration, da das Grundgesetz einem solchen Bestreben gerade die dezentrale Selbstverwaltung als Gegenpol entgegensetzt70. Dabei können finanzielle Erwägungen den Aufgabenentzug nur dann rechtfertigen, wenn ein Verbleib der Aufgaben einen unverhältnismäßigen Kostenanstieg bedeutete71.

B. Der finanzverfassungsrechtliche Schutz und die finanzielle Eigenverantwortung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Die durch die objektive Rechtsinstitutsgarantie geschützte eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung umfasst unter anderem die Finanzhoheit der Kommunen. Der angemessenen Finanzausstattung der Kommunen kommt dabei die entscheidende Rolle für den Bestand der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu (I.). Allerdings ist zu klären, wo die angemessenen Finanzausstattung der Kommunen in der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung rechtlich zu verorten ist (II.). Dabei ist entscheidend, welche Anknüpfungspunkte es gibt, um den finanzverfassungsrechtlichen Schutz und die finanzielle Eigenverantwortung zu konkretisieren. Daher soll untersucht werden inwiefern sich aus den gesetzlichen Vorgaben, ein konkretisierbarer Umfang für die angemessene Finanzausstattung ergibt (III.). I. Bedeutung der angemessenen Finanzausstattung: Ohne Geld keine kommunale Selbstverwaltung Um überhaupt von einer wirklichen „Selbstverwaltung“ und einem Handeln „in eigener Verantwortung“ sprechen zu können, ohne dass dies zu einer hohlen Phrase verkommt, müssen vor allem „die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“ i. S. v. Art. 28 II 3 erster Hs. GG gesichert sein. Die Wirkkraft kommunaler Selbstverwaltung hängt maßgeblich von der Finanzausstattung der Kommunen ab72. Auf den Punkt gebracht, bedeutet das „ohne 69  BVerfGE

107, 1 (13); 110, 370 (400). Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 46. 71  BVerfGE 79, 127 (153). 72  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 62 f.; K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 33; F. Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen, 1999, S. 199 ff.; U. Gundlach, LKV 2000, S. 7 70  F.



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung101

Geld keine Selbstverwaltung“73. Das Treffen substanzieller Eigenentscheidungen durch die demokratisch legitimierten Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene und durch die freiwillige Wahrnehmung örtlicher Aufgaben sind „Herzstück“74 der kommunalen Selbstverwaltung, dies steht und fällt mit dem Vorhandensein der finanziellen Möglichkeiten75. Deshalb wird die Finanzhoheit auch als ein von Art. 28 II GG geschützter Bestandteil der objektiven Rechtsinstitutsgarantie angesehen. Dabei ist in der Sache unbestritten, dass zur kommunalen Finanzhoheit drei spezielle Ausprägungen zu zählen sind76. Erstens sind die Kommunen durch die Einnahmenhoheit legitimiert, die staatlicherseits zugewiesenen Finanzmittel entgegenzunehmen und autonom zu verwenden sowie eigenverantwortlich ihre Einnahmen zu gestalten, indem sie Hoheitsbefugnisse beanspruchen77. Zweitens können Kommunen in Form der Ausgabenhoheit über die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzmittel im Rahmen eines eigenverantwortlich festgesetzten Haushaltsplans frei bestimmen78. Drittens steht es den Kommunen in Form der Verwaltungshoheit zu, rechtlich begründete Geldforderungen hoheitlich durchzusetzen, was sich letztlich aber auf die eigentlichen Gemeindesteuern und die Vorzugslasten beschränkt79. II. Die verfassungsrechtliche Verortung der finanziellen Eigenverantwortung Als verfassungsrechtlicher Hauptankerpunkt ist die finanzielle Eigenverantwortung an Art. 28 II festzumachen. So werden in Art. 28 II 3 erster Hs. GG als Teil der Gewährleistung der Selbstverwaltung die Grundlagen der (8); S. Frielinghaus, Die kommunale Insolvenz, 2007, S. 57 ff.; F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 46 f.; P. J. Tettinger, Die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Mann/Püttner, HkWP 1.  Band, 2007, § 11, Rn. 43 ff.; W. Löwer, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 1.  Band, 2012, Art. 28, Rn. 126. 73  G. Püttner, DÖV 1994, S. 552 (553). 74  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 244; K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (223). 75  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 46 f. 76  H. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 48 f.; J. E. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 17. 77  P. Kirchhof, Die kommunale Finanzhoheit, in: Püttner, 6. Band, 1985, § 112, S. 10 differenziert weiter zwischen Ertrags- und Einnahmenhoheit; H. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 49; J. E. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 17. 78  H. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 49; P. Kirchhof, Die kommunale Finanzhoheit, in: Püttner, 6. Band, 1985, § 112, S. 11 f. 79  P. Kirchhof, Die kommunale Finanzhoheit, in: Püttner, 6. Band, 1985, § 112, S. 11.

102

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

finanziellen Eigenverantwortung ausdrücklich genannt80. Zur finanziellen Eigenverantwortung gehört gem. Art. 28 II 3 zweiter Hs. GG auch eine mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle81. Allerdings ist die eigenständige Bedeutung des Art. 28 II 3 GG im Verhältnis zu Art. 28 II 1 GG begrenzt82. Einerseits wurde Satz 3 zwar zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung eingefügt83, andererseits soll er konstitutiv nichts Neues bewirken84. Im Wesentlichen wird er zumindest als eine materiell rechtliche Verstärkung der Gewährleistung einer angemessenen Finanzausstattung aus Art. 28 II 1 GG angesehen85. Dies darf aber nicht von der offensichtlichen Herleitung der Garantie einer angemessenen Finanzausstattung aus Art. 28 II 1 und 2 GG ablenken, welche für diese als maßgebliche Normen anzusehen sind86. Die Garantie auf kommunale Selbstverwaltung schützt nach einhelliger Meinung87 als Teil der objektiven 80  Nachdem das BVerfG sich mehrfach in entsprechendem Sinne geäußert hat, vgl. BVerfGE 71, 25, (36 f.); 83, 363 (386), wurde auf Empfehlung der Gemeinsamen Verfassungskommission, vgl. BT-Dr. 12/6000, S. 16, (46 ff.), Gesetz vom 27.10.1994, BGBl. I, S. 3146, auch die finanzielle Eigenverantwortung in Art. 28 II GG aufgenommen; ausführlich zur Entstehungsgeschichte des Art. 28 II 3 GG: K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 72 ff. 81  Durch Gesetz vom 20.10.1997 ergänzt, BGBl. I S. 2470. 82  So auch F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 50; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 67, sieht in Art. 28 II 3 GG im Verhältnis zur Aussagekraft des Art. 28 II 1, 2 GG eine Wiederholung, wenn nicht sogar einen Rückschritt; C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, §  116, Rn. 24. 83  F. Schoch/J. Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 183. 84  BT-Drs. 12/6000, S. 46; dahingehend klarstellend R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 28, Rn. 84b. 85  BVerwGE 106, 280 (287) mit Verweis auf R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 28, Rn. 48a; H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 105; jüngst bestätigt durch BVerwG, Urt. vom 31.01.2013, KommJur 2013, 298 (299 und 301). 86  Eine kritische Auseinandersetzung mit der Ergänzung des Art. 28 II 3 GG findet sich bei F. Schoch, Verfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Finanzautonomie, 1997, S. 140, der in der Ergänzung lediglich eine Verdeutlichung bereits geltenden Verfassungsrechts durch den Gesetzgeber sieht. So soll nach H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 99 in Art. 28 II 3 GG verfassungsrechtlich nicht mehr verbrieft sein, was ohnehin bereits garantiert ist. K.-A. Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S.  77; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 67 ff., legt anhand der Entstehungsgeschichte, des Wortlauts und der systematischen Stellung die geringe eigenständige Bedeutung des Art. 28 II 3 GG ausführlich dar; ebenso F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 50. 87  BVerfGE 22, 180 (207 f.); 23, 353 (365 ff.); 26, 172 (180 ff.); 26, 228 (244); 52, 95 (117); 71, 25 (36); H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006,



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung103

Rechtsinstitutsgarantie auch die Finanzhoheit der Gemeinden und Gemeindeverbände. Daraus leitet sich wiederum ein Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung ab88. Nach geltendem Verfassungsrecht müssen die Gemeinden und Landkreise ihre Angelegenheiten „im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung“ verwalten, vgl. Art. 28 II 1 und 2 GG. Insofern findet der Anspruch auf die finanzielle Eigenverantwortung mit Art. 28 II 3 erster Hs. GG zumindest eine textliche Hervorhebung und Klarstellung89, während Art. 28 II 1 und 2 GG seine materiell rechtliche Grundlage enthält. 1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung mangels Entscheidungserheblichkeit in den betroffenen Fragen nur andeutungsweise eine Antwort im Hinblick auf die Finanzhoheit aus Art. 28 II GG gegeben90. Das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, dass zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auch die Finanzhoheit der Gemeinden gehört91. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts steht mit der Finanzhoheit den Kommunen die „Befugnis zu einer eigenverantwort­ lichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens“92 zu. Ob darüber hinaus zur Finanzhoheit auch Art. 28, Rn. 142; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 180 m. w. N.; S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 63. 88  StGHBW, ESVGH 44, 1(5); BayVerfGH, BayVBl 1996, 462 (463); BayVBl 1997, 303 (304); VerfGHNW, DVBl 1998, 1280 (1281); VerfGHRP, DVBl 1992, 981; SaarlVerfGH, NVwZ-RR 1995, 153 (154); BbgVerfG, NVwZ-RR 2000, 129 (134); LVerfGHSA,, NVwZ-RR 2000, 1 (6); ThürVGH, ThürVBl 2005, 228 (229); K. Groh, LKV 2010, S. 1 (4). 89  So auch H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, S. 105, der in der „Ergänzung jedenfalls ein deutliches Zeichen zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und zum Erhalt der Handlungsfähigkeit der Kommunen“ sieht. 90  Insbesondere hat das BVerfG nicht entschieden, ob es eine verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gibt, vgl. BVerfGE 26, 172 (181); 125, 141 (168). Eine besondere Zurückhaltung des BVerfGs vor allem im Bereich der Organisations- und Finanzhoheit attestiert auch F.-L. Knemeyer/M. Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (342): durch die „massive Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte“ entstünden „deutlich weitreichendere Regelungsmöglichkeiten des Gesetzgebers“. 91  BVerfGE 71, 25 (36); 52, 95 (117); 22, 180 (207 f.); 23, 353 (365 ff.); 26, 172 (180 ff.); 26, 228 (244). 92  BVerfGE 26, 228 (244); 71, 26 (26), wobei der letzte Teil der Definition nichts anderes als den Gesetzesvorbehalt des Art. 28 II 1 GG in Bezug auf das Haushaltswesen formuliert.

104

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

„die angemessene Finanzausstattung der Gemeinden oder jedenfalls eine finanzielle Mindestausstattung gehört“, hat das Bundesverfassungsgericht bisher noch nicht entschieden93. Das Bundesverfassungsgericht weist aber darauf hin, dass Art. 106 V und VI GG eine Konkretisierung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie darstelle, „als die in ihr vorgesehene, aber nicht näher bezifferte kommunale Steuerbeteiligung in ihrer Ausgestaltung nicht zu einer Unterschreitung des durch Art. 28 II GG garantierten Gesamtumfangs der gemeindlichen Finanzausstattung führen darf“94. Insbesondere verstärke Art. 106 VI 2 GG „im Zusammenspiel mit Art. 28 II 3 GG die kommunale Finanzhoheit in ihrem Teilbereich der Steuer- und Abgabenhoheit“95. So gehöre zu den Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung das Hebesatzrecht96. Allerdings sei das Hebesatzrecht grundsätzlich beschränkbar, denn dem „Wortlaut nach gewährleistet Art. 28 II 3 GG den Gemeinden lediglich das Vorhandensein einer wirtschaftskraftbezogenen Steuerquelle mit Hebesatzrecht“97. Zudem spreche der Gesetzesvorbehalt, dass das Recht der Festsetzung von Hebesätzen nach den identischen Formulierungen des Art. 28 II 1 GG und des Art. 106 VI 2 GG nur „im Rahmen der Gesetze“ möglich sei, für eine grundsätzliche Einschränkbarkeit des Hebesatzrechtes98. Insofern steht für das Bundesverfassungsgericht zumindest fest, dass die Garantie des Art. 28 II GG mit der Finanzhoheit auch eine finanzielle Seite hat. 2. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in jüngster Zeit zum finanzverfassungsrechtlichen Schutz der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie geäußert. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich bestätigt, dass Art. 28 II GG den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung gewährleistet. So setzt das Recht der Gemeinden, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln, voraus, dass sie über eine entsprechende Finanzausstattung verfügen99. Bei der Ausgestaltung der 93  BVerfGE 26, 172 (181  f.); 71, 25 (36 f.); 83, 363 (386); 119, 331 (361); BVerfG, NVwZ 1995, 370 f.; BVerfG, NVwZ-RR 2007, 435 (436); vgl. auch BVerw­ GE 106, 280 (287); 140, 34 (39). 94  BVerfGE 71, 25 (38); BVerfG, NVwZ 2005, 679; BVerfG, LKV 2010, 219; dazu auch S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 64 f. 95  BVerfG, LKV 2010, 219. 96  BVerfG, NVwZ 2005, 679. 97  BVerfG, LKV 2010, 219. 98  BVerfG, LKV 2010, 219. 99  BVerwG, Urteil vom 31.01.2013, KommJur 2013, 298 (299).



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung105

Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Gemeinden komme dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Regelungsspielraum zu. „Aus dem Grundgesetz lassen sich insofern keine Vorrangpositionen herleiten; vielmehr hat der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang.“100 Allerdings dürfen die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden nicht dazu führen, „dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird“101. Das Bundesverwaltungsgericht leitet aus der Regelung des Art. 28 II 3 Hs. 1 GG ab, „dass der anerkannte Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 II 1 GG auf die Grundlagen der kommunalen Eigenverantwortung zu erstrecken ist“. Dementsprechend müsse „der Kerngehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie“ nicht nur „de jure“ auf dem Papier, sondern auch „de facto“ finanziell ermöglicht werden. „Dass Art. 28 II GG die gemeindliche Selbstverwaltung in ihrem Kernbereich absolut schützt und dass dies auch deren finanziellen Voraussetzungen umfasst, gilt ungeachtet der zusätzlichen Garantien des Art. 106 GG; diese treten noch hinzu.“ Das Bundesverwaltungsgericht hat klar herausgestellt, dass dieser „Kerngehalt“ auch in finanzieller Hinsicht „die äußerste Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren – das verfassungsrechtliche Minimum – bezeichnet, das einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist“102. Demnach könne der Landesgesetzgeber eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinde nicht dadurch rechtfertigen, dass die Haushaltslage des Landes notleidend sei. „Der Mindestfinanzbedarf der Kommunen stellt vielmehr einen abwägungsfesten Mindestposten im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar“103. Allerdings relativiert das Bundesverwaltungsgericht den Schutz der kommunalen Finanzausstattung in zeitlicher Hinsicht. Zumindest sei die Finanzausstattung einer Gemeinde nicht schon dann verletzt, wenn sie „nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum hinter dem verfassungsgebotenen Minium zurückbleibt“, denn „zur Überbrückung derartiger Notlagen steht der Gemeinde die Befugnis zur Aufnahme von Kassenkrediten zur Verfügung“104. Zumindest sei der Kernbereich der kommunalen Finanzausstattung dann verletzt, „wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwal100  BVerwG,

KommJur 2013, 298 (299). KommJur 2013, 298 (300). 102  BVerwG, KommJur 2013, 298 (301). 103  Das BVerwG, KommJur 2013, 298 (301), weist aber zugleich darauf hin, dass damit noch nicht geklärt ist, was für die kommunale Finanzierung im Falle eine „Haushaltsnotstandes des gesamten Landes“ gilt; ausführlich zum Begriff der Haushaltsnotlage: 1. Teil § 3 C. IV., S. 215 ff. dieser Arbeit. 104  BVerwG, KommJur 2013, 298 (304). 101  BVerwG,

106

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

tungsaufgaben wahrzunehmen“ und ihnen hierfür kein finanzieller Spielraum mehr verbleibt105. 3. Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte Die Landesverfassungsgerichte haben sich bereits intensiver mit der Problematik der kommunalen Finanzhoheit auseinandersetzen müssen106. So besteht zwischen den Landesverfassungsgerichten hinsichtlich des „Ob“ Einigkeit, dass zur Gewährleistung einer eigenverantwortlichen kommunalen Aufgabenwahrnehmung ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Vor allem wird eine angemessene Finanzausstattung mit Ursprung in der Finanzhoheit aus Art. 28 II GG auch als landesverfassungsrechtlich garantiert angesehen107. Dabei können nach Auffassung des Brandenburgischen Verfassungsgerichts die einzelnen Kommunen vom garantieverpflichteten Staat aus Art. 28 II GG und aus den jeweiligen Garantien der Landesverfassungen nicht nur das Unterlassen von selbstverwaltungswidrigen Eingriffen verlangen, sondern sogar unter bestimmten verfassungsrechtlichen Voraussetzungen auch Teilhabe- und Leistungsansprüche ableiten108. Diese weitreichende Interpretation der Selbstverwaltungsgarantie hat das Brandenburgische Verfassungsgericht mit der sogenannten „Neulietzegöricke Entscheidung“ mit den Worten begründet, dass „auf Grund der Schutzwirkung, die die Selbstverwaltungsgarantie auch für die einzelnen Gemeinden entfaltet, […] der Gesetzgeber gehalten [ist], Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass auch nur eine einzelne Gemeinde unverschuldet und trotz sparsamster Wirtschaftsführung in eine finanzielle Lage gerät, in der ihr keinerlei Mittel auch nur für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung verbleiben“109. Nach Ansicht des Landesverfassungsgerichts schützt die Selbstverwaltungsgarantie die einzelne Gemeinde zwar nicht i. S. eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts, zumindest könne man aber von einer „institu105  BVerwG,

KommJur 2013, 298 (299 und 304). zur Begriffsbestimmung der „angemessenen Finanzausstattung“ durch die Landesverfassungsgerichte und deren kritischer Würdigung: 1. Teil § 2 B. III., S. 108 ff. dieser Arbeit. 107  Differenzierend nach der Auslegung der einzelnen Landesverfassungsgerichte F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 93 (104 f.); jüngst HessStGH, Urteil vom 21.05.2013, NVwZ 2013, 1151 (1152). 108  Ob sich aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung tatsächlich Leistungsansprüche ableiten lassen, ausführlich: 2. Teil § 5 C. II., S. 350 ff. dieser Arbeit. 109  BbgVerfG, NVwZ-RR 2000, 129 (134). 106  Ausführlich



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung107

tionellen Rechtssubjektsgarantie mit beschränkt individueller Wirkung“ sprechen110. 4. Literatur Auch in der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung i. S. v. Art. 28 II GG eine angemessene Finanzausstattung der Gemeinden mitumfasst111. Als grundlegendes Element setze die Eigenverantwortlichkeit hinreichende Einnahmen voraus, die bis zu einem gewissen, noch zu konkretisierenden Maße frei von staatlicher Beeinflussung für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben verwendet werden können112. Ansonsten bestehe im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie der eigenverantwortlichen Wahrnehmung aller örtlichen Angelegenheiten113 in Verbindung mit der Möglichkeit der gesetzlichen Aufgabenzuweisung seitens des Landes die Gefahr, dass die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung finanziell ausgehöhlt werde114. Um diese Gefahr „der janusköpfigen Struktur der kommunalen Selbstverwaltung zwischen mittelbarer Staatsverwaltung und bürgerlicher Selbstverwaltung“115 zu bannen, wird die Garantie der angemessenen Finanzausstattung als zwingender Ausfluss der grundgesetzlichen Garantie des Art. 28 II GG angesehen116. Aus den Erwägungen zur Selbstverwaltungsgarantie und ihren Implikationen in finanzieller Hinsicht lässt sich feststellen, dass es einen subjektiv individuellen Leistungsanspruch jeder einzelnen Gemeinde auf eine insgesamt angemessene aufgabenadäquate finanzielle Ausstattung gibt117.

110  BbgVerfG,

NVwZ-RR 2000, 129 (134). Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 422 (in Fn. 140 m. w. N.); H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 41; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 244; J. Hentschel/G. Wurzel, KommJur 2011, S. 203; W. Löwer, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 1.  Band, 2012, Art. 28, Rn. 102. 112  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 64. 113  Dies wird sogar als notwendig angesehen, da den Kommunen als Teil des Landes und insbesondere als Träger der mittelbaren Staatsverwaltung zum Zwecke der effektiven und bürgernahen Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben die Garantie der eigenverantwortlichen Wahrnehmung aller örtlichen Angelegenheiten zugewiesen werden müssen, so F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 49. 114  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 49 f. 115  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 50. 116  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 66. 117  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 247. 111  K.

108

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

III. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Umfang der angemessenen Finanzausstattung So einleuchtend der Befund der Existenz einer angemessenen Finanzausstattung theoretisch auch sein mag, so umstritten und verschwommen ist deren Konkretisierung und Durchsetzung. Die kommunale Finanzhoheit legt nur dass „Ob“ und „Wie“ der Aufgabenwahrnehmung im finanziellen Bereich fest, mit ihr ist noch keine Aussage zum „Wie viel“ der Finanzausstattung getroffen118. Mit anderen Worten, ob Art. 28 II GG den Kommunen eine bestimmbare Höhe der Finanzausstattung gewährleistet, ist getrennt vom Aspekt der kommunalen Finanzhoheit zu untersuchen119. Insofern besteht über das „Ob“ und „Wie“ der entsprechenden Finanzmittelausstattung noch annähernd120 Einigkeit, während das „Wie viel“ umstritten ist121. Damit die Garantie der angemessenen Finanzausstattung aber nicht zur verfassungsrechtlichen Leerformel verkommen soll, kommt man nicht umhin, sie auch inhaltlich näher zu bestimmen. 1. Das Kern-Randbereichsmodell als Maßstabsgeber zur Umschreibung der Finanzausstattung Ebenso wie zur Umschreibung der verfassungsrechtlichen Grenzen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts des Art. 28 II GG wird von Literatur und Rechtsprechung auch zur Konkretisierung der Ausgestaltung der angemessenen Finanzausstattung das Kern-Randbereichsmodell herangezogen. Dabei wird der Randbereich im Hinblick auf die maßgeblichen Einflussfaktoren und somit das „Wie“ der Ausgestaltung einer angemessenen Finanzausstattung noch einheitlich umschrieben. Hingegen ist die Konkretisierung des Kernbereichs sowohl in Rechtsprechung als auch in Literatur umstritten. Insofern werden bezüglich des „Wie viel“ der angemessenen Finanzausstattung und somit im Hinblick auf die Frage einer konkreten finanziellen Ausstattung noch vollkommen verschiedene Ansatzpunkte herangezogen. Somit setzt sich 118  S. Mückl,

Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 64. diesem Sinne F. Schoch, Verfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Finanzautonomie, 1997, S. 137 ff.; hingegen begreift W. Löwer, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 1. Band, 2012, Art. 28, Rn. 102 Art. 28 II GG als „entstehenssichernde“ Voraussetzung für einen Anspruch auf eine institutionell zureichende (also aufgabenadäquate) Finanzausstattung. 120  Vgl. M. Nierhaus, LKV 2005, S. 1 (1), der zu Bedenken gibt, dass selbst die Rechtsgrundlage der Garantie einer angemessenen Finanzausstattung Gegenstand des Diskurses ist. 121  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 50 ff.; siehe vor allem M. Nierhaus, LKV 2005, S. 1 (1 in Fn. 1 m. w. N.). 119  In



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung109

auch die angemessene Finanzausstattung aus einem eingriffsoffenen Randbereich und einem unverletzlichen Kernbereich zusammen. a) Der eingriffsoffene Randbereich in Form einer angemessenen Finanzausstattung Im Randbereich wird den Kommunen zumindest eine aufgabenangemessene Finanzausstattung verfassungsrechtlich gewährleistet122. Was dabei unter einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung zu verstehen ist, richtet sich nach den Bestandteilen der „Aufgabenangemessenheit“. Während den Ländern im Hinblick auf die „Angemessenheit“ grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zugestanden werden muss123, lässt sich zumindest die Aufgabenlast als eindeutiger Ausgangspunkt für den Umfang der Finanzausstattung identifizieren. Dies folgt aus der einfachen Logik der „Aufgaben­ adäquanz“124 bzw. des „kommunal-verfassungsrechtlichen Konnexitätsprin­ zips“125. Die Finanzausstattung richtet sich nach der Finanzbelastung, mithin der Ausgabenlast, welche sich letztlich an der Aufgabenlast orientiert126. Dabei lassen sich die kommunalen Aufgaben in zwei Kategorien unterteilen. Zum einen existiert die erste Kategorie der gesetzgeberisch konkret zugewiesenen Aufgaben127. Hierzu sind vor allem die pflichtigen Aufgaben nach Weisung sowie die pflichtigen aber weisungsfreien Aufgaben aus dem Bereich der Selbstverwaltungsaufgaben zu zählen. Zum anderen umschreibt die zweite Kategorie den Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten, deren Wahrnehmung grundsätzlich in der Eigenverantwortung der Kommunen liegt128. Diese Kategorie betrifft insofern die Entscheidungskompetenz der kommunalen Vertretungskörperschaften129. Mit einer „angemessenen“ Finanzausstattung ist nichts Geringeres gemeint, als dass diese so bemessen sein muss, dass sie zur ordnungsgemäßen 122  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 104. 123  NWVerfGH, NVwZ-RR 1999, 81 (82). 124  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 51. 125  A. v. Mutius/H.-G. Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 30; P. Kirchhof, DVBl 1980, S. 711 (713), wonach sich die gleiche Relation zwischen Aufgabenverantwortung herstellt, wie sie Art. 104a I GG für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern regelt. 126  S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 65 f.; F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 51. 127  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 51. 128  F. Hornfischer, Insolvenzfähigkeit, 2010, S. 51. 129  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 100.

110

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Erfüllung der den Kommunen obliegenden Aufgaben ausreicht130. Ob aus dieser Erkenntnis aber eine konkrete, bezifferbare oder gar einklagbare Mindestausstattung der Kommunen erfolgt, kann dem aber noch nicht eindeutig entnommen werden. Zudem lässt sich Art. 28 II GG nicht unmittelbar entnehmen, „wie“131 dem Anspruch der Kommunen auf eine angemessene Finanzausstattung Rechnung zu tragen ist. Somit erwächst den Kommunen aus Art. 28 II GG kein Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung des kommunalen Einnahmesystems132. Vielmehr richtet sich die angemessene Finanzausstattung der Kommunen neben der Aufgabenlast auch nach der Leistungskraft eines Landes. Insofern ist die angemessene Finanzausstattung „leistungskraftabhängig und wird von dem Gebot der Verteilungssymmetrie bestimmt, das grundsätzlich von der Gleichwertigkeit der Aufgaben von Land und Kommunen […] ausgeht“133. b) Schutz des Kernbereichs durch Garantie einer finanziellen Mindestausstattung Indem das Bundesverfassungsgericht feststellte, dass der Staat die finanzielle Basis der Gemeinden nicht in einem Umfang schmälern dürfe, dass dadurch die Gemeinden zu ihrer Aufgabenerfüllung außerstande gesetzt werden134, kann nun auch eine gewisse finanzielle Mindestausstattung zum geschützten Kernbereich hinzugerechnet werden135. Mitunter wird der unantastbare Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung mit der finan­ ziellen Mindestausstattung verfassungsrechtlich sogar als identisch ange­ sehen136. 130  S. Mückl,

Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 70. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 105 spricht von der „Art und Weise“ und dürfte wohl als „Wie“ (der angemessenen Finanzausstattung) verstanden werden. 132  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 105 schränkt zumindest die Ausgestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers insofern ein, dass die Gewährung von Finanzzuweisungen und die Beteiligung an Landessteuern nicht die einzigen Einnahmequellen der Kommunen sein dürfen. 133  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668). 134  BVerfGE 1, 167 (175); 22, 180 (205). 135  Dem zustimmend: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 126 und 156 ff.; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 247; H.-G. Henneke, in: SchmidtBleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 103. 136  F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 93 (124); dagegen versteht P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, 131  H.-G.



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung111

Aus Art. 28 II GG wird zudem ein Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung gegenüber den Ländern abgeleitet137. Zur Konkretisierung des „Wie viel“ der vom Land verfassungsrechtlich geschuldeten finanziellen Mindestausstattung ist die vorgegebene Aufgabenadäquanz der kommunalen Finanzausstattung auf sämtliche Aufgaben der Kommunen zu beziehen. So ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts eine aufgabenadäquate Finanzausstattung nur dann gewahrt, wenn „die gemeindlichen Finanzmittel ausreichen, um den Gemeinden die Erfüllung aller zugewiesenen und im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung […] selbst gewählten Aufgaben zu ermöglichen“138. Dementsprechend ist nahezu unbestritten, dass die kommunale Selbstverwaltung verfassungsrechtlich nur dann gewahrt ist, wenn die Kommunen in die Lage versetzt sind, auch freiwillige Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen139. Eingriffe in diesen Kernbereich sind verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, sondern verstoßen per se gegen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung140. Daher ist der Anspruch einer finanziellen Mindestausstattung als Bestandteil eben dieses Kernbereichs, unantastbar141 unterliegt also keinen Relativierungen durch öffentliche Belange142. Das heißt, wenn die finanzielle Mindestausstattung nicht gewährt wird, ist das Selbstverwaltungsrecht verletzt, was auch nicht durch andere Gründe als verhältnis­mäßig

Art. 28, Rn. 247, den Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung nur als einen „Teil“ bzw. „Bestandteil“ des Kernbereichs. 137  E. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 747 f. (m. w. N.) spricht von einem Anspruch „auf eine ausreichende, Selbstverwaltung von relevantem Gewicht überhaupt erlaubende, eigenverfügbare Finanzausstattung“; P. Kirchhof, Die kommunale Finanzhoheit, in: Püttner, 6. Band, 1985, § 112, S. 13; F. Schoch, Der Landkreis 1994, S. 253 (257 f.); H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860); P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 247. 138  BVerwGE 106, 280 (287); jüngst BVerwG, KommJur 2013, 298 (299 und 304); vgl. hierzu 1. Teil § 2 B. II. 2., S. 104 f., dieser Arbeit. 139  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 247; H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 103; F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 93 (93), m. w. N. aus Rechtsprechung und Literatur, wobei vor allem die gegenteilige Auffassung des StGH BW, DVBl. 1999, 1351 (1355) als falsch zurückgewiesen wird. 140  Dazu BVerfGE 11, 266 (274); 22, 180 (205); 50, 195 (202); 83, 363 (381); P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 28, Rn. 247. 141  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 247. 142  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (859).

112

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

gerechtfertigt werden kann143. Insofern markiert der Kernbereich auch die Grenze der Gestaltungskompetenz für den Finanzausgleichs­gesetzgeber144. c) Mögliche Relativität der Grenze zwischen Kernbereich und Randbereich Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, wo der Kernbereich beginnt und der Randbereich endet, mithin wie die Grenze zwischen Rand- und Kernbereich zu ziehen ist. Zur Bestimmung von Kern- und Randbereich werden durch die Rechtsprechung145 und die Literatur146 unterschiedlich Maßstäbe angelegt. Dies führt zu einer unterschiedlichen Justierung der Grenze zwischen unantastbarem Kernbereich und dem unter Gesetzesvorbehalt stehenden Randbereich. Zudem wird die ohnehin schwierige Abschichtung zwischen Kern- und Randbereich zum verfassungsrechtlichen Schutz der angemessenen Finanzausstattung dadurch erschwert, dass die Anwendung des Kern-Randbereichsmodells in finanzieller Hinsicht durch alternative Modelle ersetzt wird. Nur das Thüringer Verfassungsgerichtshof wendet das ursprüngliche Kern-Randbereichsmodell auch weiterhin konsequent auf die kommunale Finanzausstattung an147, während andere Landesverfassungsgericht sich nur noch partiell seiner Grundlagen bedienen148. Bei einem Großteil der Verfassungsgerichte der Länder verbreitet sich in den letzten Jahren die Tendenz, bei der Maßstabsbildung die finanzielle Leistungsfähigkeit des jeweiligen Landes mit einzubeziehen149. Nachdem die 143  H.-G.

Henneke, DÖV 2008, S. 857 (859). Katz, DÖV 2000, S. 235 (238); P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 28, Rn. 247; ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668), der aber auch darauf hinweist, dass zumindest die ­Gestaltungskompetenz überhaupt beim Gesetzgeber verbleibt. 145  Siehe beispielsweise StGHBW, DVBl. 1999, 1351 (1355); VerfGH NW, DVBl. 1999, 391, 392 f.; LVerfGSA, NVwZ-RR, 1 (6). 146  U. Gundlach, LKV 2000, S. 7 (10). 147  In seiner konsequentesten Ausprägung vor allem der ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 ff. 148  Ursprünglich vor allem der BayVerfGH, der Nds. StGH und der StGH BW, diese gehen zwar in ihrer neueren Rechtsprechung davon aus, dass auch der Kernbereichsschutz unter der dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Landes steht, trotzdem knüpfen sie im Ausgangspunkt an das Kern-Randbereichsmodell an. 149  NdsStGH, DVBl. 1995, 1175 (1177); BayVerfGH, NVwZ-RR 1998, 601; StGH BW, DVBl. 1999, 1351 (1355); VerfGH NW, DVBl. 1999, 391 (392 f.); VerfGHSachs, SächsVBl. 2001, 61; LVerfGSA, NVwZ-RR 2000, 1 (6). Diese Entwicklung wird dadurch beschleunigt, dass die Landesgesetzgeber den Grundsatz der Verteilungssymmetrie in entsprechenden Landesregelungen normieren, vgl. 1. Teil § 2 B. III. 4. b) aa), S. 124 ff. dieser Arbeit. 144  A.



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung113

Finanzausstattung im Kernbereich von der Rechtsprechung zunächst als unantastbar angesehen wurde, ist dieser in der jüngsten Zeit somit einer gewissen Relativierung ausgesetzt worden. Ohne eine klare Bestimmung von Kern- und Randbereich wird das KernRandbereichsmodell aber ad absurdum geführt. Insofern bedarf es einer klaren Grenzziehung zwischen Kern- und Randbereich. Für die Grenzziehung und letztlich zur Bestimmung des Kernbereichs ist es zwingend, zunächst die Maßstäbe zu konkretisieren. Wenn diese Grundvoraussetzung geklärt ist, ist bestimmbar, „wie viel“ den Kernbereich ausmacht. Aus der Konkretisierung des Kernbereichs ergibt sich dann als Negativbestimmung auch die Definition des Randbereichs. 2. Gemeinsamer Ausgangspunkt zur Bestimmung einer angemessenen Finanzausstattung durch gleichartige Bezüge zum Kern-Randbereichsmodell Der Bayerische Verfassungsgerichtshof, der Hessische Staatsgerichtshof, der Niedersächsische Staatsgerichtshof, der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg und der Thüringer Verfassungsgerichtshof haben den Schutz des Kernbereichs in Gestalt einer finanziellen Mindestausstattung bisher in gewisser Weise150 anerkannt. Demnach darf der Gesetzgeber die kommunale Finanzausstattung zumindest nicht in solcher Weise beschneiden, dass dadurch der Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung verletzt und das Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt wird151. Als Ausgangspunkt steht für die genannten Landesverfassungsgerichte fest, dass das Recht auf kommunale Selbstverwaltung zumindest dann nicht mehr gewahrt ist, wenn den Kommunen die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben infolge einer unzureichenden Finanzausstattung unmöglich ist152. Dies ist laut Thüringer Verfassungsgerichtshof zumindest dann der Fall, wenn die Kommu150  Während der Thüringer LVerfGH konsequent am Kern-Randbereichsmodell festhielt, haben die übrigen Landesverfassungsgerichte ihre Ansichten zum KernRandbereichsmodell auffällig relativiert und sich verstärkt dem Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell zugewandt, siehe hierzu: H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (857). 151  BayVerfGH, NVwZ-RR 1997, 301 (303), demnach sind „Kernbereich und Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts [auch] in Bezug auf die gemeindliche Finanzausstattung unantastbar“; so auch NdsStGH, NVwZ-RR 1997, 529 (531); StGHBW, VBlBW 1999, 294 (300), der eine Verletzung der finanziellen Mindestausstattung dann vorliegen sieht, wenn die Kommunen mangels hinreichender Finanzausstattung keine freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen können. 152  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668); so schon NdsStGH, NVwZ-RR 1998, 529 (531); VerfGHRhPf, KommJur 2012, 260 (621); HessStGH, NVwZ 2013, 1151, (1152).

114

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

nen bei autonomen Aufgaben gar nicht mehr frei darüber entscheiden können, ob und wie sie wahrgenommen werden153. Daher müsse den Kommunen als absolute Untergrenze der kommunalen Finanzausstattung ermöglicht werden, „nach Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben überhaupt noch freiwillige Selbstaufgaben“ wahrnehmen zu können154. Ansonsten könne von einer kommunalen Selbstverwaltung nicht mehr die Rede sein, denn diese zielt auf die Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten ab und somit auf eine „echte gemeindliche Initiative, die sowohl das ,Ob‘ als auch das ,Wie‘ der Aufgabenerfüllung umfasst“155. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof bebildert dies treffend damit, dass bei Reduzierung der Kommunen auf die Abarbeitung einer standardisierten Struktur von Pflichtaufgaben diese „letztlich zu staatlichen Filialunternehmen degradiert“ werden würden156. Beispielsweise sieht der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg eine Verletzung der Mindestausstattung konkret vorliegen beim Rückgang der Einnahmequellen, bei nicht reduzierbarer Ausgabenlast der Pflichtaufgaben, bei außerordentlichem Anstieg der Ausgaben für Pflichtaufgaben ohne entsprechende Erweiterung der Einnahmequellen, bei der Erfüllung neuer oder ausgeweiteter Pflichtaufgaben unter Ausschöpfung der für freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten vorgesehenen Finanzmittel oder bei einer Gemengelage dieser Ursachen157. Insofern sind sich die Landesverfassungsgerichte einig, dass ohne die finanzielle Möglichkeit zur Erledigung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsgarantie verfassungswidrig ausgehöhlt und letztlich aufgegeben werden würde158. Allerdings werden von der Literatur und den Landesverfassungsgerichten unterschiedliche Ansätze verfolgt, welche Maßstäbe zum Schutz der finanziellen Ausstattung zur Erledigung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben verfassungsrechtlich heran zu ziehen sind. Dabei werden zur Maßstabsbildung zwei gegensätzlich Ansätze vertreten. Auf der einen Seite werden auch bei der kommunalen Finanzausstattung die Vorgaben aus dem Kern-Randbereichsmodell konsequent angewendet. Auf der anderen Seite wird die Finanzausstattung dem Maßstab des Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodells unterworfen. 153  ThürVerfGH, 154  ThürVerfGH,

NVwZ-RR 2005, 665 (668). NVwZ-RR 2005, 665 (668); ähnlich HessStGH, NVwZ 2013,

1151, (1152). 155  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668); M. Inhester, Kommunaler Finanzausgleich, 1998, S. 82 f.; F. Schoch/J. Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 181. 156  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668). 157  StGH BW, VBlBW 1999, 294 (300 f.). 158  StGHBW, VBlBW 1999, 294 (300); ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668); NdsStGH, NdsVBl. 2008, 152 (156) m. w. N.



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung115

3. Finanzausstattung nach den strikten Vorgaben des Kern-Randbereichsmodells In Anlehnung an vorangegangene Entscheidungen zum Schutz der kommunalen Finanzausstattung ist es das besondere Verdienst des Brandenburgischen VerfG, die bisher im Zusammenhang mit dem Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie bestehende Ungewissheit, wie dieser konkret zu definieren sei, zumindest im Bereich der kommunalen Finanzhoheit eingegrenzt zu haben159. So hat das Brandenburgische VerfG unmissverständlich deutlich gemacht, dass der Kernbereichsschutz als absolute Eingriffsgrenze die „Untergrenze“ der Gestaltungskompetenz für den Finanzausgleichsgesetzgeber bildet160. So sei der kommunale Finanzausgleich dann verfassungsrechtlich zu beanstanden, „wenn die zur Verfügung gestellten Mittel in der Weise evident unzureichend sind, dass einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die finanziellen Grundlagen entzogen sind“161. Das Brandenburgische VerfG gesteht zwar zu, dass bei einer angespannten öffentlichen Haushaltslage auch eine enge gemeindliche Finanzausstattung verfassungsrechtlich hinzunehmen sei, jedoch liege die Grenze der Rücksichtnahme auf die Länderfinanzen „in dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung, das nicht ausgehöhlt werden darf“162. Zwar müssen die Kommunen in einem mehr oder weniger großen Randbereich je nach Gesamtfinanzlage des Landes Einschränkungen hinnehmen, allerdings darf es nicht dazu kommen, „dass auch nur in einer einzigen Gemeinde aus finanziellen Gründen, sparsamste Wirtschaftsführung und Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten vorausgesetzt, nicht einmal ein Mindestmaß an freiwilliger Selbstverwaltung mehr möglich ist und damit in dieser Gemeinde keinerlei freiwillige Selbstverwaltung mehr stattfinden kann“163. Damit kommt das Brandenburgische VerfG zu dem Ergebnis, dass „eine Finanzausstattung, die der einzelnen Gemeinde ein Mindestmaß an freiwilliger Selbstverwaltung erlaubt, zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwal­ tung“164 gehört. Insofern bestätigt das Brandenburgische VerfG zum einen die Trennung von eingriffsoffenem Rand- und unantastbarem Kernbereich 159  M. Nierhaus, LKV 2005, S. 1 (5) geht sogar davon aus das die „behauptete Insuffizienz des Kernbereichsschutz“ im Bereich der kommunalen Finanzhoheit beseitigt sei. 160  BbgVerfGE, NVwZ-RR 2000, 129 (134). 161  BbgVerfGE, NVwZ-RR 2000, 129 (130); in Anlehnung an: NWVerfGH, NVWZ-RR 1989, 493. 162  BbgVerfGE, NVwZ-RR 2000, 129 (130). 163  BbgVerfGE, NVwZ-RR 2000, 129 (130). 164  BbgVerfGE, NVwZ-RR 2000, 129 (134).

116

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

auch für die kommunale Finanzausstattung, zum anderen konkretisiert es den Begriff des Kernbereichs mit der finanziellen Mindestausstattung, welche ein Mindestmaß an freiwilliger Selbstverwaltung umfasst. Allerdings leitet das Brandenburgische VerfG aus der Zuordnung in Kern- und Randbereich nicht ab, dass die finanzielle Mindestausstattung nicht unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes stehen kann. In konsequenter Fortführung der Rechtsprechung des Brandenburgischen VerfG wendet der Thüringer Verfassungsgerichtshof die KernbereichsRandbereichstheorie an und kommt zu dem Schluss, dass die finanzielle Mindestausstattung als Bestandteil des unantastbaren Kernbereichs nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes abhängig sei165. In Anknüpfung an die Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgericht166 unterscheidet der Thüringer Verfassungsgerichtshof auch beim Finanzausstattungsgebot des Art. 93 I 1 ThürVerf zwischen einem unantastbaren Kernbereich und einem Randbereich kommunaler Selbstverwaltung, wobei der Gesetzgeber in letzteren nur unter bestimmten Voraussetzungen bei der Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingreifen darf. Dementsprechend betrachtet er die finanzielle Mindestausstattung als dem unantastbaren Kernbereich „zugehörig“, während der Randbereich mit der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung umschrieben wird167. Dabei ergibt sich für den Kernbereich als finanzielle Mindestausstattung, dass dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht des Art. 93 I 1 ThürVerf entsprechend ein finanzieller Spielraum für eine eigenverantwortliche kommunale Aufgabenerledigung gewährleistet sein muss. Die „durch die Aufgabenbelastung und den Finanzbedarf der Kommunen vorgegebene finanzielle Mindestausstattung ist als absolute Untergrenze nicht ,verhandelbar‘, unterliegt also keinen Relativierungen durch andere öffentliche Belange“168. Somit ist das Selbstverwaltungsrecht bereits dann verletzt, wenn die vom Land gewährte finanzielle Ausstattung der Kommunen nur die Wahrnehmung ihrer pflichtigen, mithin fremdbestimmten Aufgaben abdeckt, ohne ihnen Mittel zu Erfüllung freiwilliger bzw. eigenbestimmter Selbstverwaltungsaufgaben zu überlassen169. 165  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 ff. So viel Einigkeit bezüglich des Bestandsschutzes der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zwischen den Landesverfassungsgerichten auch bestehen mag, letztlich führt nur der ThürVerfGH diesen Gedanken entschlossen im Sinne des Kernbereichs-Randbereichsmodells fort, indem er mit allen Konsequenzen das Kernbereichs-Randbereichsmodell auf die angemessene Finanzausstattung der Gemeinden anwendet. 166  BVerfGE 79, 127 (147 ff). 167  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668). 168  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668). 169  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668).



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung117

Insbesondere kann eine solche Einschränkung auch nicht durch andere Gründe als verhältnismäßig gerechtfertigt werden. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass „das Land [sich] bei unveränderter Aufgabenbelastung seiner Kommunen nicht unter Hinweis auf seine eigenen fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit seiner Pflicht zur finanziellen Mindestausstattung der Kommunen entziehen“ kann170. Da die finanzielle Mindestausstattung als unantastbarer Kernbereich schon gar nicht relativierbar ist, könne es schon gar keinen Vorbehalt der Leistungskraft des Landes geben. Somit sei die finanzielle Mindestausstattung grundsätzlich leistungskraftunabhängig171. Wenn ein Land aufgrund fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit außerstande sei, die finanzielle Mindestausstattung seiner Kommunen zu gewährleisten, gibt es drei Möglichkeiten172. Erstens: man entlastet die Kommunen von bereits auferlegten Aufgaben, zweitens: man senkt die gesetzlich vorgegebenen und kostentreibenden Standards der kommunalen Aufgabenerfüllung oder drittens: man erschließt den Kommunen neue Steuer- und Einnahmequellen173. In die gleiche Richtung argumentiert der Verfassungsgerichtshof Rheinland Pfalz, der zusätzlich darauf verweist, dass auch eine „weitreichende Gebietsreform […] die bestehenden Kostenstrukturen günstig beeinflussen“ könnte174. Zudem könne der Landesgesetzgeber bei landesgesetzlichen Pflichtaufgaben des eigenen oder übertragenen Wirkungskreises ohne weiteres selbst entlastende Gesetzesänderungen vornehmen und kommunale Pflichtaufgaben, die auf Bundesgesetzen beruhen, zumindest im Gesetzgebungsverfahren über den Bundesrat beeinflussen175. Dementspre170  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668); zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen NdStGH, NVwZ 1998, 529 (531) und VerfGHRhPf, KommJur 2012, 260 (621 f.). 171  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668); so auch H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860). 172  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668), der die drei Möglichkeiten einheitlich zusammenfasst. 173  NdsStGH, NVwZ 1998, 529 (530), bezüglich neuer Steuer- und Einnahmequellen; VerfGHRhPf, NVwZ 2000, 801 (803), fordert eine Pflichtenreduzierung, was mit einer Senkung von Standards gleichgesetzt wird; jüngst VerfGHRhPf, KommJur 2012, 260 (267) mit dem ausdrücklichen Beispiel der „Aufgabenrückführung“ oder „Lockerung gesetzlicher Standards“. Im Sinne einer Erhöhung der Steuer- und Einnahmequellen schlägt ebenfalls J.-C. Pielow zur Wahrung der finanziellen Eigenständigkeit der Kommunen vor, das Hebesatzrecht der Kommunen auszuweiten, zitiert durch I. Heitmann, DÖV 2013, S. 272 (274), im Rahmen des dritten deutsch-spanischen Gesprächskreis zum öffentlichen Recht, im Frühjahr 2012, im spanischen Baeza. 174  VerfGHRhPf, KommJur 2012, 260 (267). 175  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668).

118

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

chend wird dem Gesetzgeber im Kernbereich der finanziellen Mindestausstattung zwar kein „Gestaltungsspielraum“ zugestanden, es verbleibe ihm aber zumindest eine „Gestaltungskompetenz“176. Anders verhalte es sich hingegen im auf die angemessene Finanzausstattung gerichteten Randbereich. Hier könne der Gesetzgeber zwar nicht uneingeschränkt, zumindest aber unter bestimmten Voraussetzungen bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingreifen. Dementsprechend richte sich hier die angemessene Finanzausstattung auch einerseits nach der Aufgabenbelastung und Finanzkraft der Kommunen und andererseits nach der Leistungskraft des Landes. Sie ist daher auch anders als die Verpflichtung zur Gewährleistung der finanziellen Mindestausstattung leistungskraftabhängig177. 4. Finanzausstattung nach der Maßgabe des Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodells a) Lösung vom unantastbaren Kernbereich Entgegen der Differenzierung zwischen angemessener Finanzausstattung und finanzieller Mindestausstattung des Brandenburgischen Landesverfassungsgerichts und des Thüringer Verfassungsgerichtshofs gehen das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern178, der Verfassungsgerichthof Nordrhein-Westfalen179, das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt180 und der Verfassungsgerichtshof Sachsen181 davon aus, dass der verfassungsrechtlich gewährleistete Umfang der kommunale Finanzausstattung generell durch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes begrenzt ist. Nach diesem sogenannten „Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell“ dürften Kommunen gegebenenfalls durch Kürzung der Finanzausgleichsmittel seitens des Landes notfalls in die Verschuldung getrieben werden182. Selbst der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg183, welcher zumindest die Grenzen der finanziellen Mindestausstattung anerkannte, folgt letztlich diesem Modell. 176  ThürVerfGH, 177  ThürVerfGH,

NVwZ-RR 2005, 665 (668). NVwZ-RR 2005, 665 (668); in Anlehnung an NdsStGH, DVBl

1998, 185 (187). 178  LVerfGMV, LVerfGE 17, 297 (321 f.). 179  VerfGHNRW, NVwZ-RR 1999, S. 81 ff. 180  LVerfGSA, NVwZ-RR 2000, 1 (6). 181  VerfGHSachs, SächsVBl 2001, 61 ff. 182  So ausdrücklich LVerfGSA, NVwZ-RR 2000, 1 (6); kritisch hierzu: H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860). 183  StGHBW, VBlBW 1999, 294 ff.



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung119

Das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern äußerste sich als erstes nach der im Hinblick auf die Anwendung des Kernbereich-Randbereichmodells maßgebenden Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs. Demnach sei die tatsächliche Möglichkeit der Mindestfinanzausstattung als Teil der kommunalen Selbstverwaltung zwar unantastbar, jedoch sei „der Umfang der die Wahrnehmung von Aufgaben im Kernbereich ermöglichenden Finanzausstattung […] – je nach den finanziellen Gegebenheiten – veränderlich“184. Ohne weitere Differenzierung wird insofern der Aspekt der finanziellen Gegebenheiten als relativierendes Element eingeschoben und damit der ursprünglich unantastbare Kernbereich entgegen der Rechtsprechung der Thüringer Verfassungsgerichtshof aufgeweicht. Ohne Differenzierung zwischen Kern- und Randbereich der angemessenen Finanzausstattung wenden der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen und Verfassungsgerichtshof Sachsen das Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell an. Der Verfassungsgerichtshof Sachsen beruft sich auf den Wortlaut des Art. 87 III SächsVerf „unter Berücksichtigung der Aufgaben des Freistaates“, in dem er einen Leistungsfähigkeitsvorbehalt verankert sieht. Dementsprechend stehe der Anspruch der kommunalen Selbstverwaltungsträger auf angemessene Finanzausstattung generell unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes185. Allerdings wurde in einer Neuregelung des Art. 85 II SächsVerf inzwischen auch dahingehend Klarheit geschaffen, dass zumindest die Mehrbelastungen bei der Übertragung von Aufgaben durch das Land auf den Träger der kommunalen Selbstverwaltung entsprechend finanzielle auszugleichen sind186. Der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen beruft sich auf den noch deutlicheren Wortlaut des Art. 79 S. 2 NRWVerf, der eindeutig bestimmt, dass ein übergemeindlicher Finanzausgleich nur im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten ist187. Der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg kann sich zwar nicht ausdrücklich auf den Wortlaut der Verfassung des Landes Baden-Württemberg berufen, trotzdem geht er davon aus, dass die verfassungsrechtliche Mindestaus184  LVerfG MV, LVerfGE 17, 297 (321); kritisch hierzu: W. Schmitt-Glaeser/H.-D. Horn, BayVBl 1999, S. 353 (355); H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860), der diese Annahme für haltlos hält, denn eine Veränderlichkeit je nach finanziellen Gegebenheiten führe am Ende doch zu einer Antastbarkeit des vermeintlich unantastbaren Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung. 185  LVerfGSA LKV 2001, 223 (227) und LKV 2010, 126 (128). 186  Gesetz zur Änderung der SächsVerf vom 11.07.2013, GVBl. 2013, S. 502; ausführlich hierzu H.-G. Henneke, Der Landkreis 2013, S. 312 (338 ff.), der in dieser Regelung weder einen unmittelbaren Zusammenhang zur Schuldenbremse noch eine materielle Rechtsänderung sieht. 187  VerfGHNRW, NVwZ-RR 1999, 81.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

stattung sich nicht auf bestimmte Maßstäbe festlegen lässt188. Zumindest stehe der Anspruch der Gemeinden und Gemeindeverbände aus Art. 71 I S. 1 i. V. m. Art. 73 I VerfBW unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes. Der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg sieht hierin auch keinen Widerspruch zum Schutz des „unantastbaren Kernbereichs des kommunalen Selbstverwaltungsrechts“. Demnach sei nicht allein die Aufgabenadäquanz für die institutionell garantierte verfassungsrechtliche Mindestausstattung der Kommunen entscheidend, denn auch die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben stehe „ebenfalls unter dem Vorbehalt, dass sie nur unter Berücksichtigung auch der Aufgaben des Landes gewährleistet werden kann“. Relativierend schiebt der Staatsgerichtshof BadenWürttemberg dieser „Aufweichung des Kernbereichs“ aber noch hinterher, dass der Gesetzgeber den Kernbereich schon wegen seines eingeengten Gestaltungsspielraums trotzdem besonders zu berücksichtigen habe189. Noch deutlicher wird diesbezüglich das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, das bei fehlender Leistungsfähigkeit finanzielle Kürzungen auch mit Auswirkungen auf „Kernbereichsaufgaben“ verfassungsgemäß gerechtfertigt sieht190. Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat sich in jüngeren Entscheidungen191 dem Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell zugewandt. Dabei fällt vor allem auf, dass er zunächst nicht zwischen angemessener Finanzausstattung und finanzieller Mindestausstattung differenziert, sondern diese sogar als Synonyme verwendet192. So stellt er fest, „dass das in Art. 11 II 2 BV gewährleistete Selbstverwaltungsrecht einen gegen das Land gerichteten Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung (finanzielle Mindestausstattung) umfasst“193. Hingegen unterscheidet der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einem Urteil kurze Zeit später bei der kommunalen Finanzhoheit, welche in Art. 83 II 2, III, VI u. VII BayVerf besonders hervorgehoben wird, ausdrücklich zwischen dem Schutz der angemessenen Finanzausstattung und der finanziellen Mindestausstattung194. Dabei ist zu beachten, dass allerdings Inhalt und Umfang der kommunalen Finanzhoheit bisher nicht näher in der BayVerf festgelegt sind. Während 188  StGHBW,

VBlBW 1999, 294 (301). VBlBW 1999, 294 (301); ebenso LVerfGSA, NVwZ-RR 2000, 1 (6). 190  LVerfGSA, NVwZ-RR 2000, 1 (6). 191  BayVerfGH, BayVBl 2007, 364 ff. und BayVBl. 2008, S. 172 ff. 192  Mit seinem Richtungswechsel löst sich der BayVerfGH von seiner ursprünglich sinnvollen Differenzierung, kritisch hierzu: H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (861); siehe zudem 1. Teil § 2 B. III. 5. a), S. 128 f. 193  BayVerfGH, BayVBl, 2007, 364 (366 f.). 194  BayVerfGH, BayVBl. 2008, 172 (175). 189  StGHBW,



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung121

der Bayerische Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber im Rahmen der angemessenen Finanzausstattung noch einen weiten normativen Entscheidungsspielraum zubilligt, sieht er die verfassungsrechtlichen Grenzen bezüglich dieser Gestaltungsfreiheit „grundsätzlich im Anspruch der Gemeinden und Gemeindeverbände auf eine finanzielle Mindestausstattung“. Dabei umschreibt der Bayerische Verfassungsgerichtshof die finanzielle Mindestausstattung damit, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden müssen, „neben den Pflichtaufgaben des eigenen und übertragenen Wirkungskreises auch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben“ übernehmen zu können. Demnach sei die „verfassungsrechtliche Garantie einer finanziellen Mindestausstattung als regelmäßig äußerste Grenze des gesetzgeberischen Ermessens“ zumindest dann verletzt, wenn das Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt und einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die finanzielle Grundlage entzogen wird195. Indem der Bayerische Verfassungsgerichtshof zwischen angemessener Finanzausstattung mit weitem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und dessen unterer Grenze der finanziellen Mindestausstattung differenziert, bestätigt er zumindest die Grundannahmen des Kern-Randbereichsmodells. Dies hält ihn aber nicht davon ab, den Anspruch der Kommunen auf eine angemessene Finanzausstattung unter den Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Staates zu stellen. Dadurch könne sich bei finanziellen Engpässen des Landes der Spielraum für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben auf ein Minimum reduzieren. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht in Anlehnung an das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt sogar davon aus, dass in besonderen Ausnahmesituationen die finanzielle Mindestausstattung vorübergehend unterschritten werden kann196. Somit bezieht sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof bei der Abschichtung der verschiedenen Ebenen der kommunalen Finanzhoheit zwar als Ausgangspunkt noch auf das Kern-Randbereichsmodell. Indem er aber die finanzielle Mindestausstattung unter den Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes stellt, relativiert er den ursprünglich unantastbaren Kernbereich und weicht ihn somit auf197. Im Ergebnis wendet sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof somit deutlich vom Kern-Randbereichsmodell ab und dem Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell zu. 195  BayVerfGH, BayVBl. 2008, 172 (175); vgl. auch BayVerfGH, BayVBl. 1959, 251; BayVBl. 1997, 303 (336 f.). 196  BayVerfGH, BayVBl. 2008, 172 (175 f.); LVerfGSA, NVwZ-RR 2000, 1 (7). 197  So auch H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (862), der darauf hinweist, dass der BayVerfGH „der selbst entwickelten Dogmatik aus dem Jahr 1997 das Fundament aufgeweicht“ habe.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Diese Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs hat der verfassungsändernde Gesetzgeber inzwischen zumindest teilweise aufgenommen198 und Art. 83 II BayVerf mit Satz 3 dahingehend geändert, dass „Der Staat […] den Gemeinden im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit eine angemessene Finanzausstattung“ gewährleistet199. Im Gesetzeswortlaut findet sich allerdings nur der Begriff der „angemessenen Finanzausstattung“ und nicht der Begriff der „finanziellen Mindestausstattung“ wieder. Zumindest in der Gesetzesbegründung wird zwischen angemessener Finanzausstattung und finanzieller Mindestausstattung differenziert200. Demnach findet der Entscheidungsspielraum über die Ausgestaltung einer „angemessenen Finanzausstattung“ grundsätzlich seine Grenzen „im Anspruch der Gemeinden und Gemeindeverbände auf eine finanzielle Mindestausstattung. Diese ist so zu bemessen, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden, alle ihre Aufgaben zu erfüllen, das heißt neben den Pflichtaufgaben des eigenen und übertragenen Wirkungskreises auch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zu übernehmen. […] Die verfassungsrechtliche Garantie einer finanziellen Mindestausstattung als regelmäßig äußerste Grenze des gesetzgeberischen Ermessens ist verletzt, wenn das Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt und einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die finanzielle Grundlage entzogen wird.“ Die Gesetzesbegründung beruft sich auch insofern auf den Bayerischen Verfassungsgerichtshof „dass in besonderen Ausnahmesituationen die finanzielle Mindestausstattung vorübergehend unterschritten werden darf“201. Die gleiche Stoßrichtung nimmt der Niedersächsische Staatsgerichtshof in einer zeitlich kurz darauf folgenden Entscheidung vor202. Zwar gesteht der Niedersächsische Staatsgerichtshof den Kommunen aus Art. 58 NdsVerf einen individuellen Anspruch auf einen aufgabengerechten Finanzausgleich und auf Gewährleistung einer finanziellen Mindestausstattung zu. Allerdings bestehe dieser Anspruch nicht „unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes“, so dass den Kommunen gerade nicht in „einem wie auch immer zu quantifizierenden Umfang die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben“ ermöglicht wird203. Vielmehr knüpft der Niedersächsische 198  In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich auf die Rspr. des BayVerfGH Bezug genommen, vgl. BayLT-Drs. 16/15140, S. 9. 199  Vgl. Gesetz zur Änderung der BayVerf – Angemessene Finanzausstattung der Gemeinden, welchem am 15.09.2013 durch Volksentscheid zugestimmt wurde, DrsBayLT 16/17358, S. 2, Art. 5. 200  H.-G. Henneke, Der Landkreis 2013, S. 312 (342). 201  BayLT-Drs. 16/15140, S. 9. 202  Nds.StGH, NdsVBl. 2008, 152 ff. 203  Nds.StGH, NdsVBl. 2008, 152 (155); kritisch hierzu F. Schoch, NST-N 2001, S. 209 (214 ff.), der dem Nds.StGH vor allem handwerkliche Fehler vorwirft, denn



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung123

Staatsgerichtshof an die Rechtsprechung der anderen Landesverfassungsgerichte und insbesondere an das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs204 an und stellt den individuellen Anspruch der Kommunen auf Gewährleistung einer finanziellen Mindestausstattung unter den Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes205. Das Novum dieser Entscheidung besteht darin, dass der Niedersächsische Staatsgerichtshof das Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell umfassend mit dem Wortlaut und der Intention des historischen Verfassungsgesetzgebers des Art. 58 NdsVerf sowie mit seiner systematischen Stellung begründet. Demnach verweise schon Art. 58 NdsVerf nach seinem Wortlaut eindeutig auf einen entsprechenden Leistungsfähigkeitsvorbehalt, indem er das Land zum übergemeindlichen Finanzausgleich nur „im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit“ verpflichtet. Aus dieser Leistungsfähigkeitsvorbehaltsschranke ergebe sich keine Differenzierung nach dem Grad der Erforderlichkeit der Mittel bezogen auf den Kreis der Aufgaben. Genauso wenig ist hieraus eine Art Schranke-Schranke ersichtlich, nach der bei besonderen Aufgaben der Kommunen und deren Finanzierung die Leistungsfähigkeit nicht zu beachten sei. Aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich zudem, dass die Vorschläge mit einer entsprechenden Finanzierung unabhängig von der Leistungsfähigkeit aus Furcht vor einer finanziellen Überforderung des Landes verworfen wurden. Die systematische Auslegung des Art. 58 NdsVerf stützt unter Heranziehung des Art. 57 I, III NdsVerf dessen Bedeutung „als einheitliche lediglich relative Finanzgarantie“. Da Art. 58 NdsVerf mit seiner Formulierung „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ auf die in Art, 57 III NdsVerf enthaltene Definition des Aufgabenbestandes der Kommunen Bezug nehme, werden mit dem Begriff der gesamten öffentlichen Aufgaben die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft und des übertragenen Wirkungskreises umfasst. Da die vom Land bei der Bemessung der Finanzmittel zu bewertenden Aufgaben aber derart überwiegen, hätte es eines ausdrücklichen den von Art. 28 II GG erfassten Bestand hinausgehenden „Hinweises in Art. 58 [NdsVerf] für den Fall bedurft, dass ein Teilbereich von Aufgaben ohne den Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes bei der Finanzausstattung der Kommunen hätte berücksichtigt werden sollen“206. Nach Ansicht des Niedersächsischen Staatsgerichtshof ist der vermeint­ liche Kernbereich gerade nicht unantastbar, sondern er kann vielmehr mit die unter Art. 58 NdsVerf vorgenommene Subsumtion sei schon deshalb unangebracht, weil hier letztlich geltendes Kommunalfinanzverfassungsrecht anwendbar sei; so auch H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (862). 204  BayVerfGH, BayVBl. 2008, S. 172 ff. 205  Nds.StGH, NdsVBl. 2008, 152 (155). 206  Nds.StGH, NdsVBl. 2008, 152 (155); er verweist zudem auf den Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Verfassung, Nds. LT-Drs. 12/5840, S. 37.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

der Schranke des Leistungsfähigkeitsvorbehalts relativiert werden. Als Konsequenz dieser Auffassung wird somit das Kernbereichs-Randbereichsmodell im wahrsten Sinne des Wortes entkernt und zugunsten des Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodells vollständig verdrängt. b) Argumentative Untermauerung durch den Grundsatz der Verteilungssymmetrie aa) Normativer Standort des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie Durch § 24 StabG wird die grundsätzliche Gleichrangigkeit der Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden vorgeschrieben. Dementsprechend kommt den Finanzbedürfnissen der Kommunen im Verhältnis zu denen von Bund und Ländern bildlich gesprochen weder eine „Extrawurst“207 zu, noch dürfen diese mit den „Brotkrumen“ abgespeist werden, die vom „Brotlaib“ der vorhandenen Gelder durch die Bedienung durch Bund und Länder übrig bleiben208. Dies wurde in einer richtungsweisenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland Pfalz nochmal bestätigt, indem dieser darauf verwies, dass Inhalt und Umfang einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen sich nicht ausschließlich nach den Erfordernissen der kommunalen Selbstverwaltung richte, sondern die Frage der Angemessenheit „vielmehr nur unter Berücksichtigung der Belange des Landes“ zu beantworten sei, mit dem die Kommunen in einem Finanzverbund zusammen geschlossen sind209. Die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg versuchen den Grundsatz der Verteilungssymmetrie im Rahmen der Aufgabenadäquanz der Finanzausstattung durch entsprechende Normierungen neu zu justieren. So hat beispielsweise Sachsen gem. § 2 I 2 SächsFAG210 die Einhaltung eines „Gleichmäßigkeitsgrundsatzes“ verbindlich festgeschrieben. Nach diesem ist es Ziel, dass die kommunalen Einnahmen (Steuern und Zuweisungen aus dem allgemeinen Finanzausgleich) gleichmäßig, mithin symmetrisch zu der dem Land verbleibenden Finanzmasse (Steuern, Länderfinanzausgleich, 207  So anschaulich F. Kirchhof, Gemeinden und Kreise in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, in: Ipsen, 15. Band, 1995, S. 53 (58 f.); darauf Bezug nehmend S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 72. 208  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668); S. Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz, 1998, S. 72; F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 93 (120 f.); H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 101. 209  VerfGHRhPf, Urt. vom 14.02.2012, KommJur 2012, S. 260 (261). 210  Sächsisches Finanzausgleichsgesetz, Stand 20.01.2009, GVBl. S. 24.



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung125

Bundesergänzungszuweisungen) an der Entwicklung der Gesamteinnahmen teilhaben sollen211. Letztlich sollen somit die Einnahmen der Kommunen im gleichen Verhältnis wie die Gesamteinnahmen des Landes steigen und sinken i. S. e. „Verteilungssymmetrie“. bb) A  nwendung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie im Randbereich Den Grundsatz der Verteilungssymmetrie sieht auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof im Randbereich grundsätzlich anwendbar. Demnach sind die Aufgaben des eigenen gemeindlichen Wirkungskreises genauso von Bedeutung wie die Landesaufgaben, die ihre „Wertigkeit“ nicht deshalb verlieren, weil sie der kommunalen Ebene zur Erledigung übertragen sind. Entsprechend sind die verfügbaren Finanzmittel zwischen Land und Kommunen sowohl bei schlechter als auch bei prosperierender Finanzlage jeweils aufgabengerecht zu verteilen. Dadurch werde vor allem auch sichergestellt, dass das Land das Recht auf kommunale Selbstverwaltung auch in Zeiten finanzieller Freiräume nicht ohne weiteres auf die Gewährleistung eines unabdingbaren Maßes an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben reduziert212. cc) Ü  bertragung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie auf den Kernbereich Einige Landesverfassungsgerichte versuchen die uneingeschränkte Anwendung des Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodells mit dem Grundsatz der Verteilungssymmetrie auch bezüglich des Kernbereichs argumentativ zu untermauern. So ist nach Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs die Annahme eines Leistungsfähigkeitsvorbehalts auch im Kernbereich schon deshalb gerechtfertigt, weil die „Rücksichtnahme auf die Staatsfinanzen eine übergreifende und legitime Aufgabe des Gesetzgebers zum Wohle des Staatsganzen“ darstelle213. Da die Kommunen integraler Bestandteil des Staatsganzen seien, teilen sie deshalb auch seine finanzielle Abhängigkeit von gesamt211  F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 93 (121). 212  ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665 (668). 213  BayVerfGH, BayVBl. 2008, 172 (175); vgl. auch BayVerfGH, BayVBl. 1993, 177; BVerfGE 72, 175 (198) m. w. N.; VerfGHNRW, DVBl. 1989, 151 f.; LVerfGSA NVwZ-RR 2000, 1 (5 f.); LVerfGMV, LKV 2006, 461 (463); U. Volkmann, DÖV 2001, S. 497 (503).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

wirtschaftlichen Gegebenheiten. Der Bayerische Verfassungsgerichtshofs wendet sich ausdrücklich gegen die Auffassung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs und weist darauf hin, dass die Unabhängigkeit der finanziellen Mindestausstattung von der Leistungskraft des Landes gerade nicht aus Art. 10 I, 11 II 2 und Art. 83 III BV ableitbar sei214. Vielmehr geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof unter Berufung auf § 24 I des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft davon aus, dass die öffentlichen Aufgaben der Kommunen und des Staates gleichwertig sind215. So bestehe selbst in finanziellen Notzeiten gerade kein Vorrang der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben, zumal die Kommunen mittels ihrer Hebesätze flexibler auf ein zurückgehendes Steueraufkommen reagieren könnten. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof leitet letztlich daraus die Annahme ab, dass in besonderen Ausnahmesituationen die finanzielle Mindestausstattung vorübergehend unterschritten werden kann216. Ebenso wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof beruft sich auch der Niedersächsische Staatsgerichtshof abschließend auf die organisationsrechtliche Einordnung der Kommunen als Teil der Länder, deren Gleichgewichtigkeit dazu verpflichte, beide gleichmäßig „entsprechend ihrer Aufgaben an den insgesamt zur Verfügung stehenden Mitteln zu beteiligen“. Insofern sei es weder Land noch Kommunen gestattet, seinen Anteil an freiwilligen Aufgaben jeweils zu Lasten des anderen auszubauen217. Als Konsequenz aus dem Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Art. 58 NdsVerf darf das Land sogar die Grenze der Garantie des Mindestbestandes freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben unterschreiten, solange es nur „bei der Bemessung der Finanzmittel den Grundsatz der Verteilungssymmetrie beachtet“218. dd) Verfassungsrechtlich gebotene Wertung bei Anwendung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie Unter Anwendung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie hat erstmals der Verfassungsgerichtshof Rheinland Pfalz eine quantitative Verletzung des Anspruchs auf angemessene Finanzausstattung festgestellt. Als Maßstab habe sich der Landesgesetzgeber bei der Bemessung der kommunalen Finanzausstattung insbesondere an der Steigerung der Soziallasten als wesent214  BayVerfGH,

BayVBl. 2008, 172 (175 f.). Urt. vom 28.11.2007, BayVBl. 2008, S. 172 (176), bezogen auf die Gesetzesfassung vom 08.06.1967, BGBl. I, S. 2407. 216  BayVerfGH, BayVBl. 2008, 172 (176); LVerfGSA, NVwZ-RR 2000, 1 (7). 217  NdsStGH, NdsVBl. 2008, 152 (155 f.). 218  NdsStGH, LVerfGE 12, 255 (286); NdsStGH, NdsVBl. 2008, 152 (156). 215  BayVerfGH,



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung127

liche Ursache der kommunalen Finanzkrise zu orientieren. Demnach habe der Gesetzgeber „die signifikant hohen Sozialausgaben als wesentliche Ursache der kommunalen Finanzprobleme bei der Bemessung der Finanzzuweisungen nicht angemessen berücksichtigt“. Dabei unterscheidet der Verfassungsgerichtshof Rheinland Pfalz nicht zwischen angemessener Finanzausstattung und finanzieller Mindestausstattung, gleichwohl sieht er die Finanzausstattungsgarantie in der Regel als verletzt an, „wenn den Kommunen die zur Wahrnehmung eines Minimums freier Ausgaben zwingend erforderliche Mindestfinanzausstattung vorenthalten und so einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die Grundlage entzogen wird“219. Das KernRandbereichsmodell wird zwar nicht genannt, gleichwohl wird ein Minimum freier Ausgaben zuerkannt, was dem Kernbereich einer finanziellen Mindestausstattung entsprechen dürfte. Allerdings weist der Verfassungsgerichtshof Rheinland Pfalz in seiner Rechtsprechung richtungsweisend darauf hin, welche verfassungsrechtlich gebotene Wertung bei Anwendung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie zu beachten sei. Zwar sind die widerstreitenden finanziellen Belange von Land und Kommunen grundsätzlich nach dem Grundsatz der Verteilungssymmetrie in Ausgleich zu bringen, allerdings dürfen sie dabei nicht auf „auf eine bloße Rechengröße“ reduziert werden. Vielmehr ist „die rein mathematische Betrachtung im Einzelfall aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit durch verfassungsrechtlich gebotene Wertungen überlagert“. Demnach sei dem Land eine Berufung auf den Grundsatz der Verteilungssymmetrie zumindest in zwei Fällen verwehrt: wenn es erstens „trotz finanzieller Notlage einen angemessenen Sparwillen vermissen“ lässt oder wenn zweitens „die Kommunen unter finanziellen Schwierigkeiten leiden, die maßgeblich auf eine signifikant hohe und von ihnen selbst nur begrenzt beeinflussbare Kostenbelastung aus staatlich zugewiesenen Aufgaben zurück zu führen sind“. Außerdem verlangen „die strukturellen Unterschiede zwischen Land und Kommunen“ eine „wertende Korrektur des rechnerischen Symmetrievergleichs“, da diese, nach derzeitigem Stand der Finanzwissenschaft, „die ausgabenbezogene Symmetrieberechnung verzerren können“220. 5. Kritische Auseinandersetzung mit der Maßstabsbildung zur Bestimmung der kommunalen Finanzausstattung Die Zuwendung vieler Landesverfassungsgerichte zum Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell stößt vor allem in der Literatur vollkommen zu Recht 219  VerfGHRhPf, 220  VerfGHRhPf,

S.  131 f. der Arbeit.

KommJur 2012, 260 (260 f.). KommJur 2012, 260 (261); hierzu vgl.: 1. Teil § 2 B. III. 5. c),

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

auf Kritik221. Dem Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell ist vor allem inhaltliche Unschärfe und das Risiko der schrittweisen Aufweichung des Kernbereichs der angemessenen Finanzausstattung vorzuwerfen. a) Fehlende Trennschärfe der Begriffe Die Annahme der Leistungskraftabhängigkeit der Mindestfinanzausstattung ist wegen seiner fehlenden Differenzierung abzulehnen. Hier werde grundlos aus der überkommenen Dogmatik der unantastbaren Sicherung der finanziellen Mindestausstattung ausgebrochen, denn ohne die reale Möglichkeit der Finanzierung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sei die Rechtsausübungsbefugnis der Kommunen wertlos222. Fragwürdig ist die Relativierung des unantastbaren Kernbereichsschutzes und damit der Richtungswechsel durch die neueren Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs223, der mit seiner ursprünglichen Rechtsprechung224 die Dogmatik einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung maßgeblich geprägt hatte. Insbesondere kann dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgeworfen werden, dass er die durch den Thüringer Verfassungsgerichtshof so klar definierte Differenzierung zwischen aufgabenangemessener Finanzausstattung und der finanziellen Mindestausstattung vernachlässigt und die Begriffe nur als Synonyme verwendet225. Letztlich mutiert hier der als vermeintlich unantastbar garantierte finanzielle Kern zur bloßen Fiktion. Dadurch wird die kommunale Selbstverwaltungsgarantie dermaßen ausgehöhlt, dass sie droht, zu einer wertlosen Hülle zu verkommen. Letztlich wird hier die Schutzqualität der konsequenten Anwendung der Kern-Randbereichsmodels einer verwässerten politischen Maßstabsbildung geopfert, die nur Verwirrung stifte226. Auch die Änderung des Art. 83 II BayVerf ändert nichts an diesem Befund. Grundsätzlich sollte an der 221  W. Schmitt-Glaeser/H.-D. Horn, BayVBl 1999, S. 353; A. Katz, DÖV 2000, S. 235 (238); M.-E. Geis, „Political question doctrine“ im Recht des kommunalen Finanzausgleichs?, in: Geis/Lorenz, 2001, S. 79 (83 ff.); H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857. 222  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (861). 223  BayVerfGH, BayVBl. 2007, 364 (366 f.); ders., BayVBl. 2008, S. 172 ff. 224  Vor allem BayVerfGH, BayVBl. 1997, 303 ff. 225  So schon: W. Schmitt-Glaeser/H.-D. Horn, BayVBl 1999, S. 353 (355), die vor allem darauf hinweisen, dass der BayVerfGH das Verhältnis von angemessener Finanzausstattung und finanzieller Mindestausstattung ungeklärt lässt, indem er diese einmal als Synonyme verwendet und ein anderes Mal die finanzielle Mindestausstattung als ein Weniger von der angemessenen Finanzausstattung ansieht; so auch H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860). 226  F. Schoch, NST-N 2001, S. 209 (214 ff.).



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung129

Unterscheidung von „angemessener Finanzausstattung“ und „finanzieller Mindestausstattung“ festgehalten werden. In Art. 83 II 3 BayVerf ist nur von „angemessener Finanzausstattung“ die Rede und nur diese und nicht die „finanzielle Mindestausstattung“ wird unter den Leistungsfähigkeitsvorbehalt gestellt. Auch in der jeweiligen Gesetzesbegründung wird auch, in der grundsätzlich richtigen Differenzierung, auf den Begriff der „finanziellen Mindestausstattung“ hingewiesen227. Dass die „finanziellen Mindestausstattung“ laut der Gesetzesbegründung in Ausnahmesituationen unterschritten werden könne, überzeugt hingegen nicht. Schon das Bundesverwaltungsgericht hat klar gestellt, dass die finanzielle Mindestausstattung als „Kerngehalt […] einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist“228. Im Übrigen würde selbst eine Unterschreitung der finanziellen Mindestausstattung in „nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum“ sowie in „Ausnahmesituationen“ einer solchen Relativierung gleichkommen und ist daher abzulehnen229. Mit Blick auf die Zuwendung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs zum Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell spricht H.-G. Henneke daher auch von einem „letztlich für alle Beteiligten unbefriedigenden Holzweg“ voller handwerklicher Fehler, indem generell-abstrakt an der Grundkonzeption des Kern-Randbereichsmodells festgehalten wird, jedoch unter stärkerer Akzentuierung gesetzgeberischer Gestaltungsspielräume und bei Inkaufnahme sprachlicher Unebenheiten230. In diesem Sinne kann auch von einer politischen Verwässerung verfassungsrechtlicher Maßstabsbildung gesprochen werden. Im Ergebnis haben die Landesverfassungsgericht mit dem Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell, in einem Akt der Selbstbeschränkung, Zuflucht in einer kommunalverfassungsrechtlichen „Political Question Doctrine“ gesucht231. 227  Vgl. BayLT-Drs. 16/15140, S. 9 sowie die Ausführungen: 1. Teil § 2 B. III. 4. a), S.  100 ff. 228  BVerwG, KommJur 2013, 298 (301); vgl. H.-G. Henneke, Der Landkreis 2013, S. 312 (342) sowie zur Rspr. des BVerwG die Ausführungen: 1. Teil § 2 B. II. 2., S. 104 dieser Arbeit. 229  So aber die Auffassung des BVerwG, KommJur 2013, 298 (304); BayVerfGH, BayVBl. 2008, 172 (175 f.); LVerfGSA, NVwZ-RR 2000, 1 (7). 230  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (862), der mutmaßt, dass der niedersächsische Staatsgerichtshof weder die Kraft hatte, das FAG ein drittes Mal für verfassungswidrig zu erklären, noch dafür, eine ausdrückliche Kurskorrektur der eigenen Rspr. vorzunehmen. 231  So der gleichlautende Titel von M.-E. Geis, „Political question doctrine“ im Recht des kommunalen Finanzausgleichs?, in: Geis/Lorenz, 2001, S. 79 (95); i. d. S.  K.-A. Schwarz, ZKF 2002, S. 242 (245 und 247), in dem er auf die Gefahr einer Aufweichung bestehender strikter finanzverfassungsrechtlicher Maßstäbe zugunsten einer den politischen Gestaltungsspielraum betonenden Interpretation der

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

b) Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung Mit der Lösung vom Kern-Randbereichsmodell stellen vor allem der Bayerische Verfassungsgerichtshof und der Niedersächsische Staatsgerichtshof ihre ursprünglichen Entscheidungen in Frage232. Nach H.-G. Henneke betreibe vor allem der Niedersächsische Staatsgerichtshof in seinem Urteil des Jahres 2008 eine massive Umdeutung und Fehlinterpretation seiner ursprünglichen Entscheidungen vom 15. August 1995 und vom 25. November 1997233. So werden zum einen schlicht die Bezugsobjekte bei der Ableitung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie bei den verschiedenen Entscheidungen des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs ausgetauscht. Zum anderen sei die Behauptung falsch, er habe bisher offengelassen, ob sich der Anspruch der garantierten kommunalen Finanzhoheit auf eine angemessene Finanzausstattung oder eine finanzielle Mindestausstattung beziehe. Vielmehr habe der Niedersächsische Staatsgerichtshof im Jahr 1997 eine Stufenfolge zwischen den beiden Bereichen angenommen und zudem darauf hingewiesen, dass Art. 58 NdsVerf einen aufgabengerechten Finanzausgleich fordere. In dieser an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof anknüpfenden Entscheidung des Jahres 1997 bildete die aufgabengerechte bzw. angemessene Finanzausstattung den Schutzbereich, während die zumindest sicherzustellende finanzielle Mindestausstattung den unantastbaren, mithin nicht unterschreitbaren Kernbereich des Art. 58 NdsVerf darstellt. In diesem Urteil hat H.-G. Henneke sehr wohl ein gestuftes Verhältnis ausgemacht, in dem oberhalb des verfassungsrechtlich nicht unterschreitbaren Kernbereichs im Abwägungsfall das Verhältnismäßigkeitsprinzip in seiner landesfinanzverfassungsrechtlichen Ausprägung als Gebot der Verteilungssymmetrie zur Anwendung kommt234. Dieser Dogmatik werde jedoch „mit der Zwischenstufe der vielfach Relativierungen vornehmenden Entscheidung vom 16. Mai 2001 – mit der Entscheidung vom 7. März 2008 die Grundlage entzogen“235. Wenn der Niedersächsische Staatsgerichtshof nun behauptet, er habe sich bisher nicht auf ein Stufenverhältnis von aufgabenangemessener Finanzausstattung und finanzieller Mindestausstattung festgelegt und wenn statt des gestuften Kern-Randbereichsmodells nun die Verankerung einer angemessenen finanziellen Mindestausstattung des Art. 58 NdsVerf propagiert wird, der zudem mittels der Verteilandesverfassungsrechtlichen Bestimmungen hinweist; darauf Bezug nehmend H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (863). 232  Vgl. die Ausführungen: 1. Teil § 2 B. III. 4. a), S. 118 ff. 233  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (865). 234  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (865). 235  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (865).



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung131

lungssymmetrie ohne absolute Untergrenze relativierbar sei, so kann dies nur als radikaler Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung gesehen werden236. c) Grenzen des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie In der Literatur wird der Grundsatz der Verteilungssymmetrie uneinheitlich beurteilt. Während von einem Teil die Vorgaben des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie zumindest als geeignetes Verfahren gesehen wird, den jährlichen Streit über die Finanzausgleichszahlungen zu mildern237, stößt dieser Ansatz in anderen Teilen auf weitgehende Ablehnung238. So wird dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz zum einen der fehlende Bezug zu den sich stetig ändernden Aufgaben und somit eine Ignorierung der Aufgaben­ adäquanz vorgeworfen239. Der Gleichmäßigkeitsgrundsatz setze völlig rea­ litätsfern einen statischen Aufgabenbestand voraus und blendet durch den einseitigen Blick auf die Einnahmenseite die permanenten Änderungen unterliegenden Aufgaben und daraus resultierenden Ausgaben aus240. Zum anderen wird dadurch das Konnexitätsprinzip ausgehebelt241. Indem die Kosten der Aufgabenerfüllung im übertragenen Wirkungskreis nicht mehr gesondert abgegolten werden, führt dies zur Intransparenz des Finanzausgleichs, da nicht mehr erkennbar ist, in welcher Höhe das Land zur Deckung der Mehrausgaben bei diesen Aufgaben beitrage242. Letztlich fand dieser Ansatz in einigen Ländern auch nur kurzeitig Akzeptanz243. diesem Sinne: H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (865). H. Karrenberg/E. Münstermann, Der Städtetag 1999, S. 151 (207); U. Gundlach, LKV 2000, S. 7 (10), der allerdings auch auf die Probleme im Detail verweist; V. Mehde, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 67. Erg.-Lfg., Art. 28 Abs. 2, Rn. 86. 238  Siehe v. a. H.-G. Henneke, Der Landkreis 1999, S. 356; F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/ Krebs, 2000, S. 93 (121). 239  H.-G. Henneke, Der Landkreis 1999, S. 356 (359 f.); F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/ Krebs, 2000, S. 93 (121); dies zugestehend auch U. Gundlach, LKV 2000, S. 7 (10). 240  Besonders ausführlich hierzu H.-G. Henneke, Der Landkreis 1999, S. 356 (359 f.); F. Schoch, Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers/Krebs, 2000, S. 93 (121); dies zugestehend auch U. Gundlach, LKV 2000, S. 7 (10). 241  H.-G. Henneke, Der Landkreis 1999, S. 356 (360). 242  M. Steinherr/R. Parsche/B. Schaden/C. Schreiber, Das Schlüsselzuweisungssystem im kommunalen Finanzausgleich des Freistaates Sachsen: Bestandsaufnahme und Reformbedarf, 1997, S. 63. 243  So hat beispielsweise das BbgVerfG, NVwZ-RR 2000, 129 (131), festgestellt, dass zumindest eine langjährige Anwendung des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes ver236  In

237  So

132

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Indem der Verfassungsgerichtshof Rheinland Pfalz zusätzliche Wertungsmaßstäbe bei der Anwendung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie anlegt, wird er zumindest dem kommunalen Konnexitätsprinzip ansatzweise gerecht. Insbesondere erschwert der Verfassungsgerichtshof Rheinland Pfalz dem Land die Möglichkeit, sich im Falle einer strengeren Schuldenbegrenzung auf Kosten der Kommunen zu konsolidieren und Aufgaben mit höheren Kostenbelastungen als Einsparungsmaßnahme auf die Kommunen abzuwälzen. Demnach sind auch beim Grundsatz der Verteilungssymmetrie vor allem auch die strukturellen Unterschiede zwischen Land und Kommunen zu berücksichtigen. Vollkommen zu Recht verweist der Verfassungsgerichtshof Rheinland Pfalz darauf, dass ein Land die größeren rechtlichen Möglichkeiten habe, „Ausgabenerhöhungen über Kredite zu finanzieren und auf diese Weise einen Symmetrievergleich zu seinen Gunsten zu verschieben“ und ihm zudem ohnehin „ausgabenseitig – weitreichende haushaltspolitische Gestaltungsspielräume“ zustehen244. Insofern verbietet sich auch eine generelle Anwendung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie auf die kommunale Finanzausstattung, wie sie von einigen Landesverfassungsgerichten vorgenommen wird245. d) Generelle Gefährdung der kommunalen Finanzausstattung Teile der Literatur sehen es nicht als „Ausdruck des Gerechtigkeitspostulats“, dass durch die Zuwendung der Rechtsprechung zum Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell die Kommunen in Haushaltsnotlagen des Landes am Defizit beteiligt werden246. In der bestehenden Haushaltsnotlage werde durch dieses Konzept die Verschuldung von Land und Kommunen im rechtlich unzulässigen Rahmen nur ausgeweitet, obwohl die Aufgaben vielmehr zurückgeführt werden müssten247. Unterstellt man auch finanzielle Mindestausstattung unter dem Vorbehalt der Leistungskraft eines Landes und macht sie antastbar, wird der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie von innen ausgehöhlt. Somit wird durch das Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell, angesichts der existenziellen Bedeutung der angemessenen Finanzausstattung, der Bestand der allgemeinen kommunalen Selbstverwaltungsgarantie selbst bedroht. fassungswidrig sei und der Gesetzgeber alle drei Jahre verpflichtet ist, den Finanzbedarf zu prüfen und ggf. neu zu gestalten; ähnlich das LVerfGMV, BeckRS 2006, 23150. 244  VerfGHRhPf, KommJur 2012, 260 (261). 245  Vgl. 1. Teil § 2 B. III. 4. b) cc), S. 125 ff. 246  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (866); K. Groh, LKV 2010, S. 1 (8). 247  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (866).



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung133

6. Schlussfolgerungen Bezogen auf die Finanzen der Länder schlagen die beiden Modelle zwei letztlich diametrale Wege vor. So sieht das Kern-Randbereichsmodell im Ergebnis über die sicherzustellende finanzielle Mindestausstattung der Kommunen einen Zwang zur landesrechtlichen Pflichtenreduktion bzw. Einnahmenerhöhung entweder beim Land oder bei den Kommunen vor. Das Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell erblickt sein „Heil in der ausgewogenen Verteilung des Defizits auf Land und Kommunen“ und stellt dem Land eine weitere Option zu Verfügung, seine selbst geschaffene Haushaltsnotlage zu kaschieren. Letztlich führt aber der Ansatz des Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodells durch die Propagierung der „Verteilung des Mangels“ nur zu einer ziellosen „Flucht in die Verschuldung“248. Würde man der Interpretation von geltendem Gemeindehaushaltsrecht im Lichte des Landesverfassungsrechts einiger Landesverfassungsgerichte im Sinne eines Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodells Folge leisten, wäre es zulässig, dass große Teile der kommunalen Gebietskörperschaften einzelner Länder immer stärker in ständig wachsenden Schuldenbergen versinken, da das Land legitimiert wäre, „den kommunalen Finanzausgleich als Reservekasse des Landes zu nutzen, statt zum Aufgabenabbau verpflichtet zu werden“249. Tatsächlich sollten die Länder ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Kommunen nur durch Aufgabenverzicht, durch Aufgabenabbau und durch Verminderung kostentreibender Standards nachkommen250. Wenn sich ein Land gegen solche Maßnahmen versperrt, darf es infolgedessen seine kommunalen Zuwendungen auch nicht beliebig verringern, weil darin eine verfassungswidrige Verletzung des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung zu sehen ist251. Diese Einschränkung des Gesetzgebers ist unabhängig von dem verfassungsrechtlichen Befund schon deshalb vertretbar, da den Landesgesetzgebern ein so hohes Flexibilisierungspotenzial mit unterschiedlichsten Handlungsmöglichkeiten zustehe252. Zudem unterscheiden sich die Gestaltungsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers von denen der Kommunen, da es diesen verwehrt ist, die von Bund und Land auferlegte 248  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (866); K. Groh, LKV 2010, S. 1 (8), die im Zusammenspiel mit dem Verschuldungsverbot des Art. 109 III GG vor einem finanziellen Kollaps warnen. 249  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (867); M.-E. Geis, „Political question doctrine“ im Recht des kommunalen Finanzausgleichs?, in: Geis/Lorenz, 2001, S. 79 (95) warnte bereits in Zeiten relativen finanziellen Wohlstands davor, dass die Kommunen als „eigene Reservekassen“ der Länder betrachtet werden. 250  M. Nierhaus, LKV 2005, S. 1 (2); H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860). 251  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860). 252  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860 m. w. N. in Fn. 18).

134

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Pflichtaufgabenerfüllung zu verweigern253. Es gilt zu bedenken, dass das Land seine Haushaltssituation in weiten Teilen auch durch eigene Entscheidungen herbeiführt254. Auch wenn, zugegebenermaßen aufgrund politischer Gewöhnungseffekte an Versorgungs- und Leistungsstandards, ein Abbau von solchen seitens des Landesgesetzgebers und der normativ mit Freiräumen ausgestatteten Kommunen politisch nur mit großen Anstrengungen durchsetzbar sei, werden die angebotenen Handlungsmöglichkeiten als alternativlos angesehen255. Letztlich gebietet dies auch die Vernunft, denn schließlich stellt dies den einzigen Weg dar, dass mittelfristig die Staatsfinanzen wieder konsolidiert werden256. Als Konsequenz aus der Natur der absoluten Eingriffsgrenze ergibt sich somit zwingend, dass weder durch die staatliche Haushaltssituation noch durch Verschuldungsbegrenzungsregelungen eine Relativierung erfolgen kann257.

C. Fazit: Garantie der kommunalen Selbstverwaltung schützt eine von der finanziellen Leistungskraft des Landes unabhängige Mindestausstattung Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung schützt auch die kommunale Finanzausstattung. Es findet bei der kommunalen Finanzausstattung bezüglich des Gesetzesvorbehalts und dessen Grenzen auch das Kern-Randbereichsmodell Anwendung. Zum einen besteht ein Anspruch jeder einzelnen Kommune auf einen unantastbaren Kernbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts, der im Bereich der kommunalen Finanzausstattung aus einem Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung besteht. Dieser Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung wird unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes zur Erfüllung aller Pflichtaufgaben und somit zur Erfüllung von Pflichtaufgaben sowohl nach Weisungen als auch nach pflichtigen Selbstverwaltungsangele253  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860 m. w. N. in Fn. 18), mit Verweis auf das aus übergesetzlichem Notstand geforderte Aufgabenerfüllungsverweigerungsrecht nach J. Oebbecke, Die Verwaltung 29 (1996), S. 323 (323 ff.). 254  Vgl. H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860 m.  w. N. in Fn. 18); anderer Auffassung: T. Duve, DÖV 2008, S. 22 (22) und V. Mehde, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 67. Erg.-Lfg., Art. 28 Abs. 2, Rn. 86, die die Entscheidungsspielräume der Länder zumindest bei den Einnahmen letzlich geringer als bei den Kommunen beurteilen. 255  So vor allem P. Schumacher, LKV 2000, S. 98 (101 f.); H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860). 256  R. Wendt/M. Elicker, VerwArch 93 (2002), S. 187 (208  f. und 216); H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860 m. w. N. in Fn. 18). 257  H.-G. Henneke, DÖV 2008, S. 857 (860 m. w. N. in Fn. 18).



§ 2 Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung135

genheiten gewährt. Darüber hinaus schützt der unantastbare Kernbereich der finanziellen Mindestausstattung ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben unter der Voraussetzung äußerst sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung. Zum anderen umfasst der Randbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie eine aufgabenangemessene Finanzausstattung zur Erfüllung weiterer freiwilliger Aufgaben. Dabei ist der Randbereich nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit antastbar, so dass wegen der Gleichwertigkeit der Landes- und Kommunalaufgaben nach den Grenzen des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie eine finanzielle Einschränkung grundsätzlich möglich ist. Im Randbereich findet das Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell somit Anwendung. Würde man hingegen auch den Kernbereich der kommunalen Finanzausstattung dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit eines Landes unterwerfen, wird eine Grenzziehung zwischen Kern- und Randbereich unmöglich und das Kern-Randbereichsmodell würde ad absurdum geführt werden. Letztendlich wird die kommunale Finanzausstattung ohne klare Grenzziehung des Schutzminimums einer finanziellen Mindestausstattung aushöhlbar. Da jedoch die kommunale Finanzausstattung existenzieller Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist, wäre die kommunale Selbstverwaltungsgarantie selbst dem Verfall preisgegeben.

§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung Um sich die Bedeutung der Schuldenbegrenzungsregelungen zu vergegenwärtigen, sind zunächst die Grundlagen des Staatsschuldenrechts zu untersuchen. Hierbei soll vor allem aufgezeigt werden, welche Motive ausschlaggebend waren, die bestehenden Schuldenbegrenzungsregelungen neu zu justieren (A.). Dadurch lässt sich verdeutlichen, welche Änderungen im Zuge der Föderalismusreform II bei den Schuldenbegrenzungsregelungen im Grundgesetz vorgenommen wurden (B.). Dabei sind zwingend auch die Schuldenbegrenzungsregelungen der Länder in den Blick zu nehmen, da diese maßgeblich durch die Neuregelungen beeinflusst werden (C.).

A. Grundlagen des Staatsschuldenrechts Zur Einführung in die Problematik der Schuldenbegrenzungsregelungen soll zunächst deren rechtliche Dimension verdeutlicht werden (I.). Dabei ist der Blick auf die Entstehungsgeschichte insbesondere der Schuldenbegrenzungsregelungen der Bundrepublik Deutschland hilfreich (II.), um sich die Ursachen und Motive der Föderalismusreform II zu vergegenwärtigen (III.). I. Staatsschulden als rechtliches Problem Dem Staat stehen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben verschiedene Einnahmequellen zur Verfügung. Neben den Einnahmen aus Abgaben, den Gewinnen aus eigenwirtschaftlicher Betätigung sowie der Möglichkeit der Geldschöpfung können sich Bund und Länder Finanzmittel auch durch die Aufnahme von Krediten beschaffen1. Dabei bezeichnet „Kreditaufnahme“ die Verbindlichkeiten, die der Staat grundsätzlich in einem Haushaltsjahr eingeht2. Dabei unterscheidet man zwischen Netto- und Bruttokreditaufnahmen3. Zwar erfolgt die öffentliche Kreditaufnahme aufgrund variieren1  H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2000, Rn. 527; M. A. Pausenberger, Eigentum und Steuern, 2008, S. 54 ff. 2  W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 8. 3  Nettokreditaufnahme bezeichnet die Einnahmen aus Krediten (ohne Kassenverstärkungskredite) abzüglich der Ausgaben zur Tilgung von Schulden mittels Krediten, hingegen bezeichnet die Bruttokreditaufnahme die Nettokreditaufnahme



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung137

der Modellrechnungen aus unterschiedlichsten Gründen4, jedoch dient sie als Hauptziel der Finanzmittelbeschaffung zur Deckung von Haushalts­ lücken, um einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen zu können5. Dabei scheint die Beantwortung der Frage, wie man die bestehende Verschuldung abbauen kann, anfänglich eine Aufgabe der Wirtschafts- und Finanzpolitik zu sein6. Mit Blick auf den extremen Anstieg der Staatsverschuldung, die gleichzeitig explodierende Zinslast und den dadurch verstärkt eingeschränkten Handlungsspielräume der öffentlichen Haushalte drängt sich die rechtliche Untersuchung des scheinbar originär volkswirtschaftlichen Problems auf. Die Staatsgewalt ist auch im Bereich der Staatsverschuldung an die verfassungsmäßige Ordnung gem. Art. 20 III GG gebunden7. So ist auch das Instrument der Kreditaufnahme Gegenstand verfassungsrechtlicher, einfachgesetzlicher und untergesetzlicher Normen und darf nur in diesem rechtlichen Rahmen zur Geltung kommen8. Auch wenn die Regelungen zur Staatsverschuldung im Grundgesetz und in den entsprechenden Regelungen der Landesverfassungen nur sehr lückenhaft ausgestaltet sind, so haben Verschuldungsregelungen doch Verfassungsrang und stehen dem Anwender nicht bis zur Willkürgrenze zur Disposition9. Nicht zuletzt wegen dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben stellt sich mit Blick auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen und deren Anwendung die Verschuldung von Bund und Ländern als Rechtsproblem dar10.

zuzüglich der Ausgaben zur Tilgung von Schulden mittels Krediten, nach D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 273 (Fn. 6). 4  So identifiziert beispielsweise H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2000, Rn. 555 die Aufgabenfinanzierung zu möglichst geringen Kosten, die gerechte Mittelverteilung und dem Entgegensteuern von Konjunkturschwankungen sowie Preissteigerungen als Ziele der Schuldenpolitik. 5  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 274. 6  L. Osterloh, NJW 1990, S. 145 (145); G. Püttner, Staatsverschuldung, 1980, S. 23. 7  W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 1. 8  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 274. 9  BVerfGE 72, 330 (338); K. Vogel, Finanzverfassung und politisches Ermessen, 1972, S.  7 f. 10  W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 1; G. Püttner, Staatsverschuldung, 1980, S. 1 ff.; hingegen an der Rechtsproblematik zweifelnd L. Osterloh, NJW 1990, S.  145 (145 ff.).

138

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

II. Herkunft, Idee und Entwicklung der Schuldenbegrenzungsregelungen 1. Die Entstehungsgeschichte und Theorienbildung des Staatsschuldenrechts Aus finanzgeschichtlicher Sicht wurde der Aufstieg des modernen Staates auch vom Anwachsen des Staatskredits begleitet11. „Die historische Perspektive der Staatsfinanzen zeigt, daß [sic] jede Generation ihre Probleme gehabt hat, daß [sic] aber keineswegs jede Generation bereit oder in der Lage war, ihre Probleme zu lösen.“12 Obwohl durch zunehmende Bautätigkeiten und Kriegsausgaben die Landesherren und Städte immer großzügiger auf das Mittel der Kreditaufnahme zurückgriffen, gab es aber keine Festlegung für die Tilgung der Schulden13. Da es eine Deckungsregel in Form einer echten Begrenzungsregel der Staatsschuld nicht gab, machte man im Ergebnis Schulden, ohne an die Rückzahlung zu denken14. Erst zu Beginn des 19. Jh. begann sich die Haltung zur Staatsverschuldung gegenüber der Praxis merkantilistischer Staaten zu verändern15. Angesichts der abschreckenden Beispiele diverser Staatsbankrotte des 17. und 18. Jh.16 und den abschreckenden Beispiele der Staatsschuldenwirtschaft des Ancien Régime erhielt die klassische Nationalökonomie zunehmend Zuspruch17. Die aufkommenden Zweifel an der Schuldenpolitik spiegelten sich mitunter auch normativ wider, indem die Staatsschuld erstmals unter die Gewährleistung der Stände gestellt wurde18. 11  Ausführlich zu den Staatsschulden der einzelnen Territorialfürsten im 16. bis 18. Jh. E. Wandel, Öffentliche  Verschuldung I:  Geschichte, in: Albers/Zottmann, V. Band, 1980, S. 474 (474 f.); K. H. Friauf, Staatskredit, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 91, Rn. 1. 12  F. W. Henning, Staatsfinanzen in historischer Perspektive, in: Henke, 1999, S. 35 (65). 13  F. W. Henning, Staatsfinanzen in historischer Perspektive, in: Henke, 1999, S. 35 (46). 14  F. W. Henning, Staatsfinanzen in historischer Perspektive, in: Henke, 1999, S. 35 (46); D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 276. 15  K. H. Friauf, Staatskredit, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 91, Rn. 4 mit Verweisen auf Adam Smith (Fn. 7) und David Ricardo (Fn. 6); D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 276. 16  Man nehme zum Beispiel die Staatsbankrotte Österreichs 1811, Dänemarks 1813, des Osmanische Reiches 1876 und Griechenlands 1893. 17  K. H. Friauf, Staatskredit, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 91, § 91, Rn. 3.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung139

Mit dem frühindustriellen Wirtschaftsaufschwung gerieten die kritischen Stimmen gegen den Einsatz der Staatsverschuldung als Einnahmeinstrument etwa seit der Mitte des 19. Jh. wieder in den Hintergrund19. In Abkehr von der sogenannten staatskreditären Abstinenz der klassischen Nationalökonomie und teilweise unter Rückgriff auf die Vorstellungen des Merkantilismus wurden erste Konzepte für schuldenpolitische Deckungsregelungen und somit materielle Voraussetzungen für die staatliche Kreditaufnahme entwickelt20. So stellte C. Dietzel 1855 eine erste schuldenpolitische Deckungsregel auf, nach deren Konzept alle Ausgaben des Staates, die nur einmal anfallen oder für einen dauerhaften Verwendungszweck bestimmt seien, über Staatsanleihen finanziert, während alle anderen Staatsausgaben mittels der Abgaben der Bürger ausgeglichen werden müssten21. Dieses Konzept präzisierte A. Wagner insoweit, dass er für ordentliche Ausgaben, das heißt, periodisch und planbar wiederkehrende Ausgaben, die nur produktionserhaltend wirken, Kreditaufnahmen ablehnte, während außerordentlichen Ausgaben, das heißt, solchen die wegen besonderen und nicht voraussehbaren Bedürfnissen erforderlich sind, wegen ihrer produktionssteigernden Wirkung der Kreditfinanzierung zugänglich sein müssten22. L. von Stein bringt die Grundhaltung dieser Staatsschuldenkonzepte trefflich auf den Punkt: „Ein Staat ohne Staatsschuld thut [sic] entweder zu wenig für seine Zukunft oder er fordert zu viel von seiner Gegenwart.“23 18

Dementsprechend freier wurde auch die staatliche Kreditaufnahme in Deutschland ab Mitte des 19. Jh. gehandhabt. So wurde das Zustimmungserfordernis der Stände bei Anleihen zunehmend durch die Voraussetzung einer gesetzlichen Ermächtigung, eines sogenannten staatsschuldnerischen Gesetzesvorbehalts, ersetzt24. 18  Ausführlich zu den ständischen Rechten in Bezug auf das Staatsschuldenwesen vor 1871 H. Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, 1863, S. 406 mit Beispielen der verschiedenen Regelungen der Territorialgebiete in Fn. 1. 19  K. H. Friauf, Staatskredit, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 91, Rn. 5. 20  K. H. Friauf, Staatskredit, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 91, Rn. 5 f. 21  C. Dietzel, Das System der Staatsanleihen im Zusammenhang mit der Volkswirtschaft, in: Diehl/Mombert, 16.  Band, 1923, S. 211 (234). 22  A. Wagner, Finanzwissenschaft, 1883, S. 120 ff., fortgeführt wurden die Wagnerschen Deckungsregeln vor allem von A. Schäffle, ZgS 39 (1883), S. 273 (273 ff.), A. Schäffle, ZgS 40 (1884), S. 107 (107 ff.), der etwaige Begründungslücken zu schließen versuchte. 23  L. v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 1885, S. 666. 24  H. Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, 1863, S. 406 Fn. 2, so wurde in der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 festgelegt, dass Anleihen nur noch im Fall eines außerordentlichen Bedürfnisses durch Gesetz beschlossen werden durften, Art. 73 VerfDtR: „In Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses kann im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer

140

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Nach dem ersten Weltkrieg wurde mit Art. 87 WRV die Regelung des Deutschen Reiches von 1871 in der Weise erweitert, dass im Falle eines außerordentlichen Bedürfnisses nicht nur Anleihen, sondern jegliche Kredit­ operationen durch Gesetz beschlossen werden dürfen25. Die sich im Jahr 1929 abzeichnende Weltwirtschaftskrise gab zwar Anlass, das Staatsschuldenrecht hin zu einer konjunkturpolitisch motivierten Staatsverschuldung zu überdenken, allerdings konnten diese Ansätze ihre Wirkungskraft wegen der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland erst nach Ende des zweiten Weltkrieges entfalten26. Erste Verschuldungskonzepte, die die konjunkturtheoretische Entwicklung in den Blick nahmen, wurden bereits um die Wende zum 20. Jh. entwickelt27. In der nationalökonomischen Diskussion wurde die konjunktur­ politisch motivierte Staatsverschuldung maßgeblich durch die Arbeiten von J. M. Keynes in den Mittelpunkt gerückt28. Keynes plädiert dafür, die zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage als Ursache wirtschaftlicher Krisen und wachsender Arbeitslosigkeit dadurch zu verringern, dass die Staatsausgaben und / oder die privaten Investitions- und Konsumausgaben durch Steuersenkungen erhöht werden, um so zusätzliche Nachfrage zu generieren. Dabei ist er der Auffassung, dass die dadurch anfallenden Kosten allein auf dem Kreditwege zu decken sind, da eine Finanzierung durch Steuererhöhungen die private Kaufkraft schwächen und dadurch prozyklisch die konjunkturelle Krise nur noch verschärfen würde. Nachdem dieses Konzept mehrere Jahrzehnte einen prägenden Einfluss ausgeübt hatte, wurden auch zunehmend Gegenstimmen laut, die vor allem die monetaristische Theorie Keynes kritisch betrachteten29. Die monetaristische Kritik führt vor allem gegen eine Politik der kreditfinanzierten StaatsAnleihe sowie der Uebernahme [sic] einer Garantie zu Lasten des Reiches erfolgen.“ BGBl. 1871, S. 63 (83). 25  Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, RGBl. 1919 I, S. 1383 (1400), Art. 87 WRV: „Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden. Eine solche Beschaffung sowie die Übernahme einer Sicherheitsleistung zu Lasten des Reichs dürfen nur auf Grund eines Reichsgesetzes erfolgen.“ 26  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 278. 27  K. H. Friauf, Staatskredit, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 91, Rn. 7, der als ihren Wegbereiter Georg von Schanz ausmachte, der die Theorie vom antizyklischen Budget im Ansatz als erster herausbrachte. 28  J. M. Keynes hat seine Konzeption zunächst in der Studie „The General Theory of Employment, Interest an Money“, 1933, deutsch: J. M. Keynes, The means to prosperity, 1959 und danach in der weithin verbreiteten Theorie von 1936 J. M. Keynes, Allgemeine Theorie, 1936 entwickelt. 29  Für diese Gegenposition steht vor allem M. Friedman, Monetarismus, 1973, S.  74 ff.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung141

ausgaben den sogenannten crowding-out-Effekt der Staatsverschuldung an, wonach die öffentliche Verschuldung im Ergebnis nur die hochproduktiven privaten Investitionen mittels öffentlicher Aktivitäten zurückdränge, was zu einer geringeren gesamtwirtschaftlichen Produktivität führe30. 2. Regelung der Staatsverschuldung bei Erlass des Grundgesetzes Am Ende des zweiten Weltkrieges war Deutschland bankrott31. Allerdings wurden die Inlandsschulden in Höhe von immerhin ca. 800 Milliarden Reichsmark im Zuge der Währungsreform des Jahres 1948 beseitigt32. Somit betrugen die Altschulden infolge der Währungsumstellung nur noch 17,1 Milliarden DM33. Nicht zuletzt deshalb drängte sich schon bei den Vorarbeiten zu einer neuen Verfassung die Aufgabe der Formulierung einer Staatsverschuldungsnorm auf. Allerdings kursierten unterschiedliche Vorstellungen, ob man sich an den Vorgaben der Reichsverfassung von 1871 oder an denen der Verfassung der Weimarer Republik von 1919 orientieren sollte. Im Bewusstsein der erheblichen Bedenken gegen die Weimarer Regelung und ihre praktischen Handhabung orientierte sich der Vorschlag des Herrenchiemsee-Konvents an der Regelung der Reichsverfassung von 187134. Dementsprechend durften nach Art. 126 S. 1 des Grundgesetzentwurfs Geldmittel durch Kredits „nur bei außerordentlichem Bedarf beschafft werden“. Der Finanzausschuss des Parlamentarischen Rates wollte hingegen mehrheitlich eine Nachfolgeregelung zu Art. 87 S. 1 WRV, wonach Geldmittel durch Kredite „nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden“ durften35. Obwohl der 30  B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (161); gleichwohl haben die Lehren Keynes gerade auch in der jüngsten Finanzkrise weiterhin zahlreiche Anhänger, vgl. C. Hoffmann, Klotzen wie Keynes, SZ 24.05.2012. 31  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 278. 32  H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2000, Rn. 534. 33  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 278. 34  Art. 126 Verfassungsentwurf des Herrenchiemseer Konvents: „Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf beschafft werden. Alle Kreditbeschaffungen und Kreditgewährungen oder Sicherheitsleistungen zu Lasten des Bundes, deren Wirkung über ein Rechnungsjahr hinausgeht, bedürfen eines Gesetzes“. 35  Fassung des Art. 87 S. 1 VerfDtR, RGBl. 1919 I, S. 1383 (1400), Fn. 25, im Vergleich hierzu die Fassung des Art. 115 GG a. F.: „Im Wege des Kredites dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und nur auf Grund eines Bundesgesetzes beschafft werden. Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen zu Lasten des Bundes, deren Wirkung über ein Rechnungsjahr hinausgeht, dürfen nur auf Grund eines Bundesgesetzes

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Rechnungshof des Deutschen Reiches für die Britische Zone noch eine Verschärfung der neuen verfassungsrechtlichen Kreditbegrenzungsregelung zu erreichen versuchte36, wurde der Vorschlag des Finanzausschusses und somit die unmittelbare Anlehnung an Art. 87 S. 1 WRV unverändert angenommen. 3. Umfassende Reformen der Haushaltsordnung 1967 und 1969 Die fehlende Konkretisierung der beiden Tatbestandsvoraussetzungen für Staatskredite des Art. 115 S. 1 GG a. F. (bei „außerordentlichem Bedarf“ und bei „Ausgaben zu werbenden Zwecken“) beinhaltete die Gefahr weitreichender Manipulation durch die fehlende Abgrenzung von ordentlichem und außerordentlichem Bedarf37. Mit Blick auf dieses stete Risiko in der bisherigen Staatsschuldenregelung und weitere Defizite in der Haushaltsordnung kam in den 1960er Jahren die Diskussion über eine umfassende Reform der Haushaltsordnung auf38. Hierbei wurde vor allem die Möglichkeit des antizyklischen Einwirkens des Staates bei Konjunktureinbrüchen in Sinne der Theorie von J. M. Keynes in den Vordergrund gerückt. Diesem Ansatz lag die Annahme zugrunde, dass dem Staat eine umfassende Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zukomme39. Nach den verschiedensten Vorstößen40 manifestierte das sogenannte Troeger-Gutachten41 aus dem Jahr 1966 erstmalig ein Konzept in Richtung einer konjunkturpolitisch motivierten Staatsverschuldung. Die von der Kommission unterbreiteten Vorschläge sahen unter anderem eine mehrjährige Finanzplanung, eine Harmonisierung des Finanzgebarens von Bund und Ländern und eine erfolgen. In dem Gesetze muß [sic!] die Höhe des Kredites oder der Umfang der Verpflichtung, für die der Bund die Haftung übernimmt, bestimmt sein.“, GG für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, BGBl. 1949 S. 1 (15). 36  Ausführlich zu Kritik und den Änderungsversuchen W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 121 f. 37  R. Lappin, Kreditäre Finanzierung, 1994, S. 61  f.; D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 279. 38  C. Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, 2001, S. 184 f. verweist als Motiv für die Reform auch darauf hin, dass eine gewisse Neigung bestand, alles vermeintlich Gute i. S. d. Fortschritts aus den USA zu übernehmen; W. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, 1989, S. 443 ff. 39  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 279. 40  Zu den verschiedenen Vorstößen W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S.  133 f. (m. w. N.). 41  Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 1966, Rn.  472  ff., diese Kommission wurde am 20.03.1964 auf Vorschlag des Bundesfinanzministers in der gemeinsamen Sitzung des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten gebildet, ausführlich zu den Vorschlägen siehe W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 136 f.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung143

antizyklische Finanzpolitik vor, die vor allem mit dem Entwurf eines neuen Art. 109 II und III GG manifestiert werden sollte42. Nachdem die Bundesregierung in der Abschwungphase der Jahre 1966 und 1967 mit der Auflage kreditfinanzierter Investitionsförderprogramme und einer erfolgreichen antizyklischen Finanzpolitik gute Erfahrungen gemacht hatte, kam es zwischen 1967 und 1969 zu einer umfangreichen Reform der Haushaltsordnung und im Zuge dessen auch zu einer Änderung der Staatsschuldenregelungen43. Mit den Reformen sollte eine antizyklische Finanzpolitik auch verfassungsrechtlich abgesichert und so die Grundlage für eine moderne Finanzplanung geschaffen werden. Die Reform erfolgte im Wesentlichen in zwei Schritten in den Jahren 1967 und 1969. a) Einbringung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Jahr 1967 So wurde im Jahr 1967 im ersten Schritt Art. 109 GG geändert und ein Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft auf den Weg gebracht44. Ursprünglich wurde in Art. 109 GG nur geregelt, dass die Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern selbstständig und unabhängig voneinander sind45. Mit der Reform 1967 wurde Art. 109 GG um drei Absätze erweitert. Diese Zusätze ergänzten die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern im Wesentlichen um die drei Komponenten „des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ (Absatz 2), der „konjunkturgerechten Haushaltswirtschaft“ und der „mehrjährige[n] Finanzplanung“ (Absatz 3). „Zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ können durch Bundesgesetz mit gesonderten Verfahrensanforderungen unter bestimmten Bedingungen Kredite aufgenommen und eine Verpflichtung zur Unterhaltung unverzinslicher Guthaben bei der Deutschen Bundesbank erlassen werden (Absatz 4 Satz 1). Mit dieser „Grundsatzgesetzgebungskom42  Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 1966, S. 477 ff.; W. Höfling/S. Rixen, in: Wernicke/ Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., Juli 2003, Art. 115, Rn. 26. 43  Demnach sollten die Haushalte in den Dienst einer Globalsteuerung gestellt werden, G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 1 (Fn. 2) m. w. N.; D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 280; ausführlich zu den einzelnen Maßnahmen der antizyklischen Finanzpolitik der Großen Koali­ tion: W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 136 f. 44  15. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 8. Juni 1967, BGBl. I, 1967 S. 581; Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG) vom 8. Juni 1967, BGBl. I, 1967 S. 582 ff. 45  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 1.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

petenz“ wurde dem Bund im gewissen Rahmen die Möglichkeit geboten, die Finanzwirtschaft der Länder und Kommunen entsprechend einer antizyklischen Konjunkturpolitik zu ordnen46. Einfachgesetzlich hat der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG) die Maßnahmen zur Beachtung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in der Form konkretisiert, „daß [sic] sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaft­ lichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.“47 Dabei enthält das StabG ausdrückliche Regelungen, die Aufnahme von Krediten zum Erhalt des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorsehen. So sind gem. § 5 StabG „Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre“ zum Erreichen der in § 1 genannten Maßnahmen nicht nur ausdrücklich vorgesehen (Abs. 1), vielmehr wird auch ein Rückgriff auf die Mittel der Deutschen Bundesbank und die Konjunkturrückgleichsauslage gefordert (Abs. 2 und 3). Damit wurde die staatliche Kreditaufnahme ausdrücklich als Steuerungselement zur Herbeiführung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorgesehen. b) Reform der Haushaltsordnung und Haushaltsverfassung im Jahr 1969 Im zweiten Schritt wurde die Haushaltsordnung im Jahr 1969 vor allem in der Haushaltsverfassung umfassend reformiert48. Außerdem wurde die Reichshaushaltsordnung aus dem Jahre 1922 durch eine neue Bundeshaushaltsordnung49 abgelöst. Zudem wurden Art. 109 III GG in der Form geändert, dass die im neu geschaffenen Haushaltsgrundsätzegesetz50 konkretisierten Grundsätze des Haushaltsrechts für Bund und Länder gemeinsam gelten. Nachdem die Staatsaufgaben gewachsen waren, sollten die Schwachstellen der bundesstaatlichen Haushaltsordnung abgebaut werden, welche 46  D.

Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 280. § 1 S. 2 StabG, vom 08.06.1967, BGBl. I, 1967 S. 582. 48  20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes,vom 12. Mai 1969, BGBl. 1969, S. 357 f.; zudem wurden die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern durch das 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12.05.1969, BGBl. I 1969, S. 359 ff. umfassend neugestaltet. 49  So wurde die Reichshaushaltsordnung (RHO) vom 31.12.1922, RGBl. II, 1923, S. 17 ff. abgelöst durch die Bundeshaushaltsordnung (BHO), vom 19.08.1969, BGBl. I, 1969, S. 1284 ff. 50  Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (HGrG: Haushaltsgrundsätzegesetz), vom 19.08.1969, BGBl. I 1969, S. 1273 ff. 47  Vgl.



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vor allem im Zusammenhang des Wandels der Finanzwirtschaft von der Bedarfsdeckung zur Ordnungspolitik auftraten51. Mit der Reform wurde Art. 115 GG maßgeblich verändert und somit vor allem auch die Staatsschuldenregelung. Insbesondere wurden die Tatbestandsvoraussetzungen zur Aufnahme von Krediten des „außerordentlichen Bedarf[s]“ für „werbende Zwecke“ aufgehoben. Außerdem wurde die Pflicht zu Beachtung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts i. S. v. Art. 109 II GG in § 2 S. HGrG und § 2 S. 3 BHO aufgenommen. Generell wurde gem. Art. 115 I 1 GG für alle Verbindlichkeiten, die zukünftige Rechnungsjahre belasten, das heißt neben Krediten auch für „Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen“, einer der Höhe nach bestimmbare Ermächtigungsgrundlage durch Bundesgesetz verbindlich vorgeschrieben. Als Novum wurde als Obergrenze der Kreditaufnahme gem. Art. 115 I 2 GG festgelegt, dass die Einnahmen aus Krediten nicht höher sein dürfen als die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen. Allerdings darf von dieser Obergrenze gem. Art. 115 I 2 lzt. Hs. GG ausnahmsweise „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ abgewichen werden. Mit dieser Neuregelung der Staatsschuldenpolitik sollten die bisherigen „objektbezogenen Verschuldungsgrundsätze“ durch eine „moderne situa­ tionsbezogene Betrachtungsweise“ der staatlichen Kreditwirtschaft abgelöst werden52. Allerdings besteht bezüglich der genauen Einordnung der Neuregelung des Art. 115 GG a. F. Uneinigkeit53. Zumindest wird vertreten, dass mit der Neuregelung die einstige Objektbindung aufgehoben und durch eine 51  Im sozialen Rechtsstaat des 20. Jh. rückte die sozialökonomische Gestaltungsmacht der öffentlichen Hand auch im Budget in den Vordergrund, dieser tiefgreifenden Gewichtsverlagerung im Funktionssystem der Haushaltspolitik auch normativ Rechnung zu tragen, war erklärtes Ziel der Haushaltsreform 1969, so W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 139 f.; C. Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, 2001, S. 186; W. Höfling/S. Rixen, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., Juli 2003, Art. 115, Rn. 28 ff.; D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 281. 52  BT-Drs. 5/3040, S. 39 (Tz. 58–64) und S. 47 (Tz. 134); W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 140 ff. mit umfangreichen Ausführungen zu den Vorüberlegungen der Neufassung des Art. 115 GG; zur Kritik an der alten Fassung des Art. 115 GG vor allem aus finanzwissenschaftlicher Sicht: R. Lappin, Kreditäre Finanzierung, 1994, S. 61 f. 53  Der BVerfGE 79, 311 332 f. geht zumindest davon aus, dass mit der Neuregelung des Art. 115 GG der Wechsel von der objektbezogenen zur situationsbezogenen Kreditaufnahme vollzogen werden sollte; so auch R. Lappin, Kreditäre Finanzierung, 1994, S. 63. Dass dieser Übergang mit der Neureglung tatsächlich vollzogen worden ist wird bezweifelt von W. Kitterer, DÖV 1975, S. 23 (23 ff.); W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 143 ff.; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 115, Rn. 5.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

objektgruppenbezogene Begrenzungsregel abgelöst wurde54. So liegt die Neuerung des Art. 115 GG vor allem in dem Perspektivenwechsel, dass die Orientierung an dem einzelnen kreditfinanzierten Objekt und somit die bloße Zweckgebundenheit aufgehoben wurde55. Außerdem wird der direkte Zusammenhang von Ausgaben und Kreditmitteln gelöst, so dass sowohl Investitionen als auch konsumtive Ausgaben kreditfinanziert werden ­können56. Dabei verlieren die kreditfinanzierten Maßnahmen durch die haushaltssystematische Kennzeichnung nicht ihre Eigenschaft als allgemeines Deckungsmittel, vielmehr tritt als materieller Regelungsgehalt des Art. 115 GG vor allem seine Begrenzungsfunktion in den Vordergrund57. 4. Änderungen bis zum Jahr 2009 Die Reform der Haushaltsverfassung in den 60er Jahren sollte 40 Jahre ohne grundlegende Änderung und somit bis zur Föderalismusreform II im Jahr 2009 Bestand haben. Lediglich der Art. 109 GG wurde im Zuge der Föderalismusreform um den Abs. 5 erweitert58. In den übrigen Bereichen der Haushaltsordnung kam es vor allem im Zuge der Wiedervereinigung und durch das im Jahr 1998 in Kraft getretene Haushaltsrecht-Fortentwicklungsgesetz zu Änderungen59. So konnten zur Finanzierung der Wiedervereinigung auf Bundesebene über Art. 115 II GG zahlreiche Nebenhaushalte in Form von Sondervermögen gebildet werden, wodurch beträchtliche 54  W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 147 (v. a. Fn. 225 m. w. N.); C. Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, 2001, S. 186. 55  Nach W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 146 stehe dem vor allem auch nicht § 13 III HGrG entgegen, da entsprechende Umsetzungen der Vorschrift in den Bundesländern lediglich als „rudimentäre Reste der Zweckbindung“ zu verstehen sind und diese nicht ausreichen, um den überkommenen objektgebundenen Deckungsgrundsatz wieder aufleben zu lassen. 56  Statt vieler: W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 147 (Fn. 224 m. w. N.). 57  W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 146 f. 58  Art. 109 V GG: „Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf Grund des Artikels 104 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin sind von Bund und Ländern gemeinsam zu erfüllen. Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft tragen Bund und Länder im Verhältnis 65 zu 35. Die Ländergesamtheit trägt solidarisch 35 von Hundert der auf die Länder entfallenden Lasten entsprechend ihrer Einwohnerzahl; 65 von Hundert der auf die Länder entfallenden Lasten tragen die Länder entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.“ (Gesetzesänderung vom 28.08.2006, BGBl. I 2006, S. 2034). 59  Gesetz zur Fortentwicklung des Haushaltsrechts von Bund und Ländern (Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz) vom 22.12.1997, BGBl. I 1997, S. 3251 ff., D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 282 f.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung147

Schulden aus den öffentlichen Haushalten mit entsprechendem Eigenleben ausgegliedert wurden60. In der Gesamtschau wurden aber die einfachgesetzlichen Regelungen bis zur Föderalismusreform II nur noch geringfügig verändert61. III. Ursachen und Motive der Föderalismusreform II Im Zuge der sogenannten Föderalismusreform II kam es im Jahr 2009 zu einer umfassenden Neugestaltung der Verschuldungsregelungen im Grundgesetz. Damit wurde den seit den Reformen der 60er Jahre im Wesentlichen unverändert geltenden Verschuldungsregelungen im Grundgesetz eine vollkommen neue Stoßrichtung gegeben. Um diese Neustrukturierung zu durchdringen, bedarf es der Erforschung der Motive, die der Reform der Verschuldungsregelungen zugrunde lagen. Hierfür ist zunächst kurz das bisherige Regelungskonzept der Verschuldungsregelungen zu beleuchten, um im Anschluss die daraus resultierenden Probleme und Auswirkungen auf den Schuldenstand zu skizzieren. Dadurch wird nachvollziehbar, welchen Zweck der Gesetzgeber mit dem neuen Konzept verfolgte. 1. Die Vorgaben aus dem Europarecht Im Mittelpunkt der europarechtlichen Regelungen zur Staatsverschuldung stand Art. 104 EGV, nun Art. 126 AEUV, wonach die Mitgliedsstaaten die Rechtspflicht haben, „übermäßige öffentliche Defizite“ zu vermeiden. Art. 104 EGV wurde ergänzt durch das Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit62 als Bestandteil des Primärrechts und den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt63. 60  Zur rechtlichen Behandlung einzelner Sondervermögen, wie des Fonds Deutsche Einheit, dem Erblastentilgungsfonds oder dem Bundeseisenbahnvermögen, siehe D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 282  f.; ausführlich zu den rechtlichen Grundlagen der Sondervermögen und deren Stellung im Bundeshaushalt, siehe C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 60 ff. 61  Mit zusammenfassender Nennung der einzelnen Änderungen D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 283 (Fn. 64). 62  12. Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, BGBl. II, 1992, S. 1251 (1309). Es ist gem. Art. 51 EUV (vormals Art. 311 EGV) Bestandteil der Verträge. 63  Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt setzt sich eigentlich zusammen aus: der Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt vom 17.06.1997, Entschließung 97/C 236/01, Abl. EG Nr. C 236, S. 1 und den zwei Verordnungen vom 07.07.1997, VO EG Nr. 1466/97, Abl. L 209, S. 1 und VO EG Nr. 1467/97, Abl. L 209, S. 6.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die entsprechende Einhaltung der Haushaltsdisziplin orientiert sich an den sogenannten „Maastricht-Kriterien“. Demnach sollen die Mitgliedsstaaten einen Gesamtschuldenstand von weniger als 60 Prozent des BIP und eine Neuverschuldung von weniger als 3 Prozent des BIP aufweisen64. Da die Neuverschuldung stets auch den Gesamtschuldenstand erhöht und dies wiederum die zulässige Neuverschuldung einschränken kann, stehen beide Kriterien in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander65. Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 01. Dezember 2009 kam es zu kleineren Änderungen auf der Ebene des Primärrechts für das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit66. Insbesondere die Kompetenzen der Kommission und ihrer Stellung gegenüber dem Rat im Defizitverfahren wurden gestärkt67. Gem. Art. 126 XIII AEUV ist ein betroffener Mitgliedsstaat nun bereits bei der Entscheidung über die Feststellung eines übermäßigen Defizits ausgeschlossen und nicht erst bei den folgenden Schritten68. 2. Probleme und Auswirkungen der bisherigen Rechtslage Das bisherige Konzept der Schuldenregulierung der Art. 109 II, 115 I 2 GG a. F. stellte den Rechtsanwender vor eine Reihe von Schwierigkeiten. Als Hauptproblem ist vor allem festzustellen, dass das alte Regelungskonzept schon von sich aus zu einer ausufernden Verschuldung geführt hat69. Unabhängig von den konzeptionellen Schwächen barg die alte Regelung zudem das Risiko ihrer Falschanwendung bzw. Missachtung in sich, was auf ein nicht wirksames Anreiz- und Sanktionskonzept hindeutet70. Das 64  Dass diese konkreten Referenzwerte nicht zwingend waren, zeigt M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 286 (in Fn. 864 m. w. N.). 65  M. Kloepfer/M. Rossi, VerwArch 94 (2003), S. 319 (335). 66  Der Vertrag wurde noch weit vor der Unterzeichnung der Föderalismusreform II (vgl. Einleitung und Problemaufriss § 2, Fn. 4) in Lissabon am 13.12.2007 unterzeichnet: Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Abl. EU Nr. C 306, S. 1 ff.). Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Vertrag von Lissabon mit Gesetz vom 08.10.2008 zugestimmt (BGBl. II, 2008, S. 1038), das am 01.12.2009 in Kraft getreten ist, Bekanntmachung vom 13.11.2009 (BGBl. II 2009, S. 1223). Er führt die Rechtskreise des vormaligen Gemeinschafts- (EGV) und Europarechts (EU) inklusive der Sekundärrechtsakte zu einem Europäischen „Unionsrecht“ zusammen. 67  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 288 f. 68  Vgl. die Vorgängerregelung des Art. 104 XIII EGV. 69  Dass das Anwachsen der öffentlichen Verschuldung vor allem auch strukturelle Gründe in der Fassung des früheren Staatsschuldenrechts hat, ist mittlerweile weitgehend unbestritten, statt vieler: S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (736 (m. w. N.)). 70  C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 27.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung149

Bundesverfassungsgericht kommt daher auch zu einem vernichtenden Urteil bezüglich der Schuldenbegrenzungsregelung. „Das Regelungskonzept des Art. 115 I 2 GG [a. F.] hat sich als verfassungsrechtliches Instrument rationaler Steuerung und Begrenzung staatlicher Schuldenpolitik in der Realität nicht als wirksam erwiesen.“71 Es verbleibt zu klären, was die Ursachen und Hauptkritikpunkte an den im Wesentlichen seit dem Jahr 1969 durchgängig geltenden Schuldenbegrenzungsregelungen waren. Ein solcher Blick auf die Probleme der alten Verschuldungsregelung ist schon deshalb interessant und lohnenswert, weil die Neukonzeption im Zuge der Föderalismusreform II im Wesentlichen auf diesen Erfahrungen aufbaut und die Defizite der alten Regelung zu beheben versucht72. a) Unbestimmtheit des Investitionsbegriffs Als Kernproblem der alten Schuldenregelung ist die nicht hinreichend konkrete Definition des staatlichen Investitionsbegriffs anzusehen. Als Folge hieraus werden Abschreibungen, Desinvestitionen und Privatisierungen bei der Haushaltsplanaufstellung nicht berücksichtigt, was wiederum die Möglichkeit der staatlichen Kreditaufnahme und somit langfristig den Aufbau eines strukturellen Schuldensockels begünstigt73. aa) Orientierung am Bruttoinvestitionsbegriff So wird am Investitionsbegriff vor allem in der rechtswissenschaftlichen Literatur kritisiert, dass sich die Staatspraxis am sogenannten „Bruttoinvestitionsbegriff“ orientiert74. Art. 115  I  2  GG  a. F. wurde in Abstimmung mit 71  BVerfGE

119, 96 (142). 262/09, S. 1 und 7 f. 73  L. P. Feld, Die Schuldenbremse ist ein wunderbares Instrument, in: Kastrop/ Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 168 (169). 74  Für eine Verwendung des Nettoinvestitionsbegriffs: R. Lappin, Kreditäre Finanzierung, 1994, Rn. 152 ff.; H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2000, Rn. 584; F. Kirchhof, DVBl 2002, S. 1569 (1576 f.); C. Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung, 2003, S. 169 ff.; H. Pünder, Staatsverschuldung, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, § 123, Rn. 36; W. Höfling, Der Staat 46 (2007), S. 163 (166); W. Weinzen, DÖV 2008, S. 535 (546); H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 45; B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (163); L. P. Feld, Die Schuldenbremse ist ein wunderbares Instrument, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 168 (169) dem kritisch gegenüber hingegen: J. Tepperwien, Nachweltschutz, 2009, S. 164; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 3. Band, 2003, Art. 115, Rn. 11; R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/ 72  BR-Drs.

150

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

§ 13 III Nr. 2 BHO dahingehend ausgelegt, dass die Bruttoinvestitionen die maßgebliche Kreditobergrenze bildeten. Im Gegensatz zur „Nettoberechnung“ werden beim „Bruttoinvestitionsbegriff“ aber Abschreibungen von den Neuinvestitionen nicht abgezogen, wodurch sich ein viel größerer Neuverschuldungsspielraum ergibt75. Dem Konzept der „Nettoinvestitionsberechnung“ liegt der Gedanke zugrunde, dass die Rechtfertigung der Staatsverschuldung und somit die Belastung zukünftiger Generationen darin liege, dass die Investitionen auch diesen zugutekomme76. Allein die Beschränkung auf Nettoinvestitionen werde der Kopplung zwischen zukunftsbelastender Staatsverschuldung und zukunftsbegünstigender Investition gerecht77. Dies ist aber bei Investitionen zum bloßen Werterhalt und zu Ersatzanschaffungen gerade nicht der Fall. Halte der Staat beispielsweise eine Autobahn instand und wirkt deren Werteverzehr entgegen, so stelle dies eine Ersatzinvestition dar, die das staatliche Nettovermögen aber gerade nicht mehre78. Dadurch funktioniere aber der Grundgedanke nicht mehr, dass gerade die zukünftigen Generationen für die Finanzierung kreditfinanzierter Investitionen herangezogen werden dürften, da sie schließlich auch diesen zugute kämen79. Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2005, Art. 115, Rn. 17; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 115, Rn. 16 und 22 weist darauf hin, dass das kameralistische Rechnungswesen bei Verwendung des Nettoinvestitionsbegriffs auf schwer überwindbare Schwierigkeiten stoßen würde. Ausführlich zur Problematik der Schuldenbegrenzung im Zusammenhang mit der staatlichen Doppik: S. Stüber/ C. Keyhanian, DÖV 2013, S. 255. 75  Statt vieler: siehe C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 32 (Fn. 26 m. w. N.). 76  C. Ohler, DVBl 2009, S. 1265 (1268); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 32. 77  H. Pünder, Staatsverschuldung, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, § 123, Rn. 36; so bereits in der Vorauflage: K. H. Friauf, Staatskredit, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 91, Rn. 49, der deutlich macht, dass sich aus den Investitionen tatsächlich auch ein wirtschaftlicher Zugewinn ergeben muss. 78  B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (163); ähnlich argumentiert auch C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 32 am Beispiel der Erneuerung von Dienstwagen durch kreditfinanzierten Anschaffung von Nachfolgemodellen. 79  Dieser Gedanke stützt sich auf das „pay-as-you-use-Prinzip“ oder „intertemporale Äquivalenzprinzip“. Demnach sollen die Ausgabenspitzen für langfristige Objekte durch Anleihen finanziert werden, deren Tilgung von den nachfolgenden Generationen über Steuerzahlungen entsprechend dem aus diesen Objekten erlangten Nutzen aufgebracht wird, nach B. Rürup/S. Gruescu, Pay-as-You-Use-Prinzip, http:// wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/10585/pay-as-you-use-prinzip-v7.html (Zuletzt geprüft am: 27.09.2013); ausführlich zu diesem Argumentationsmuster auch C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, Rn. 38 ff.; kritisch zu diesem Konzept: D. Duwendag, Staatsverschuldung, 1983, S. 38 ff.; ebenso H. Pünder, DVBl 2008, S. 946 (947 und 950).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung151

Zudem wird kritisiert, dass zwar jeder Vermögenserwerb als Investition berücksichtigt werde, Erlöse aus Vermögensveräußerungen auf der anderen Seite aber nicht vom Investitionsvolumen abgezogen werden80. In der Staatspraxis folgt man dem inkonsequenten Weg, dass jede Investition das Kreditlimit erhöht, während die Desinvestition keine Berücksichtigung findet und die Kreditfähigkeit nicht absenkt81. Diese auch abfällig als das „Verschleudern des Tafelsilbers“ bezeichnete Desinvestition82 erfolgt, obwohl die Vermögensveräußerung zwecks Haushaltssanierung zudem noch das Vermögen und zukünftige Einnahmemöglichkeiten dauerhaft verringert83. Daher müssten auch Privatisierungserlöse von den Bruttoinvestitionen subtrahiert werden, da sie Kapital freisetzen, das in der Haushaltspraxis konsumtiv verwendet werden darf84. Inkonsequenter Weise erhöht die Anschaffung von Gegenständen den Kreditrahmen, während deren Verkauf unberücksichtigt bleibt, so dass sich durch bewusste Anschaffungs- und Veräußerungstransaktionen ein zusätzlicher Kreditrahmen erzeugen lässt85. bb) Verbuchung von Darlehen und Gewährleistungen als Investitionen Zudem ist kritisiert worden, dass auch Darlehen und Gewährleistungen als Investitionen verbucht werden können86. So werden Darlehen „ohne Rücksicht auf ihren Verwendungszweck als Finanzinvestition“87 angesehen, obwohl sie von deren Empfänger ebenso zu konsumtiven Zwecken eingesetzt werden können. Zwar kann eine solche Betrachtungsweise für Darlehen sinnvoll sein, die zurückgezahlt werden, problematisch ist dies aber 80  H. Pünder, Staatsverschuldung, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, § 123, Rn. 39; D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (448 f. und 450). 81  F. Kirchhof, DVBl 2002, S. 1569 (1577). 82  S. Stüber, JA 2004, S. 932 (935); als Beispiele hierfür sind die Veräußerung von Beteiligungsvermögen und der Verkauf von ehemals bundeseigenen Unternehmen und Immobilien zu nennen. 83  BVerfGE 119, 96 (144); H. Pünder, Staatsverschuldung, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, § 123, Rn. 39. 84  B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (163); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 33; anderer Auffassung ist hingegen M. Droege, VerwArch 98 (2007), S. 101 (110), der auch die Veräußerung von Investitionsgütern für den Investitionsbegriff für irrelevant hält. 85  F. Kirchhof, DVBl 2002, S. 1569 (1577) verdeutlicht am Beispiel des staat­ lichen Immobilienhandels, dass mit der Technik der Desinvestition die staatliche Liquidität verdoppelt werden kann; ähnlich D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (448). 86  F. Kirchhof, DVBl 2002, S. 1569 (1575); D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (449); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 33. 87  BT-Drs. 11/6939, S. 6.

152

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

schon bei Insolvenz des Schuldners und ausbleibender Rückzahlung88. Besonders eklatant tritt das Missverhältnis von Steigerungsmöglichkeit des staatlichen Kreditlimits und erhöhtem Risiko des Werteverlusts bei Gewährleistungen zu Tage. Neben der Beliebigkeit des Verwendungszwecks der Gewährleistung kommt noch der fehlende Kapitalstock hinzu, denn die Gewährleistung wird ja gerade beansprucht, weil der Hauptschuldner nicht zahlen kann89. Deshalb dürften Darlehen nur dann als Investition berücksichtigt werden, wenn deren Empfänger sie für konsumtive Investitionszwecke nutzt, während Gewährleistungen generell abzuschreiben sind90. b) Unbestimmtheit des Begriffs der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Für die Staatspraxis ergibt sich zudem das Problem, dass der Begriff der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu unbestimmt ist und keine aus sich selbst heraus vollziehbare Direktive enthält91. Dadurch wurde dem Gesetzgeber ein so weiter Spielraum eingeräumt, dass die Ausnahme zur Regel wurde und die jeweiligen Nettokreditaufnahmen in jüngster Zeit regelmäßig oberhalb der Investitionen lagen92. Dabei weitet sich die Problematik der Unbestimmtheit noch dadurch aus, dass es nicht nur den Begrifflichkeiten der „Erfordernis“ und der „Störung“ an hinreichender Konkretheit fehlt, sondern sich selbst die Teilziele des „magischen Vierecks“ und deren Beziehung zueinander als unbestimmt erweisen93. Ein zusätzlicher Mangel an Operationalität und eine geringe Justiziabilität der Vorschrift ergibt sich nicht zuletzt auch aus der Komplexität der in Bezug genomme88  F.

Kirchhof, DVBl 2002, S. 1569 (1575). Kirchhof, DVBl 2002, S. 1569 (1575); anderer Ansicht hingegen: H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 112. 90  So auch das Sondervotum von Bundesverfassungsrichter H. Landau, BVerfGE 119, 96 (178); nach H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 112 haben sich hingegen die Ermächtigungen zur Übernahme von Gewährleistungen auf die Gesamthöhe dieser Ermächtigungen zu beziehen. 91  D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (449); H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 46; L. P. Feld, Die Schuldenbremse ist ein wunderbares Instrument, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 168 (169); B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (163); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 44. 92  M. Droege, VerwArch 98 (2007), S. 101 (110); B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (163). 93  C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 45 verweist in diesem Zusammenhang zudem darauf, dass in der rechtswissenschaftlichen Diskussion sogar noch weitere Teilziele angeregt werden und sich das „magische Viereck“ zum „magischen Vieleck“ ausweiten ließe. 89  F.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung153

nen wirtschaftlichen Vorgänge94, zumal die Regelung für neue Erkenntnisse offengehalten werden soll95. c) Fehlende Vorgaben für den Schuldenabbau und für die Gesamtverschuldung Zudem wird an Art. 115 GG a. F. kritisiert, dass er keine Regelung enthalte, die den Gesetzgeber verpflichtet, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aufgenommenen Schulden in konjunkturell guten Zeiten wieder zurückzuführen96. Aus dem engen Zusammenhang von Art. 115 und Art. 109 II ließe sich lediglich ableiten, dass kreditfinanzierte Konjunkturprogramme reversibel sein müssten, so dass sie zumindest nicht zu unbeseitigbaren Dauerbelastungen für den Staatshaushalt führen dürften97. Außerdem wird kritisiert, dass eine absolute Grenze der Gesamtverschuldung im Grundgesetz materiell schwer manifestierbar und letztlich nur „politisch-psychologisch bestimmbar“ sei98. Aus Art. 109 II GG lasse sich lediglich die Aussage entnehmen, dass die Verschuldungsgrenze zumindest dann erreicht sei, „wenn eine weitere Kreditaufnahme zur Unbeweglichkeit der Haushaltspolitik führen würde“99. Allerdings sei selbst diese Aussage noch auslegungsbedürftig und ebenfalls nur eingeschränkt justitiabel100. Insofern verbleibe der Befund, dass Art. 115 GG a. F. eine bezifferbare Obergrenze für die Gesamtverschuldung fehle, wodurch einem ungehemmten Anstieg der Staatsverschuldung Tür und Tor eröffnet sei101. 94  W.

Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 115, Rn. 31. Patzig, DÖV 1989, S. 1022 (1023); H. Fischer-Menshausen, Unbestimmte Rechtsbegriffe in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, in: Dreißig, 1. Band, 1978, S. 135 (154 verweist dabei auf die Entstehungsgeschichte); K. T. Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung, 1997, S. 185; zum Sinn der unbestimmten Rechtsbegriffe als Garant einer stabilen Staatsfinanzierung siehe F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, in: VVDStRL, 52. Band, 1993, S.  71 (76 f.). 96  D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (449); B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (163). 97  K. H. Friauf, Staatskredit, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1990, § 91, Rn. 37. 98  So sieht es zumindest C. Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, 2001, S. 466. 99  R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2005, Art. 115, Rn. 34. 100  W. Höfling/S. Rixen, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., Juli 2003, Art. 115, Rn. 360; R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2005, Art. 115, Rn. 34. 101  D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (449); L. P. Feld, Die Schuldenbremse ist ein wunderbares Instrument, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, 95  W.

154

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

d) Keine Einbeziehung des Haushaltsvollzugs Zudem wird am Art. 115 GG a. F. die fehlende Berücksichtigung der unterschiedlichen Kreditobergrenzen kritisiert, die sich aus der formalen Bestimmung der im Haushaltsplan veranschlagten und der tatsächlich umgesetzten Beträge im Haushaltsvollzug ergeben konnten. Nach überwiegender Auffassung gilt Art. 115 GG a. F. nur für den Haushaltsplan, nicht hingegen für dessen Vollzug102. Die bloße Berücksichtigung des Haushaltsvollzugs führe aber zu unrichtigen Ergebnissen, denn die Auswirkungen einer Kreditaufnahme entstehen durch den Haushaltsvollzug, so dass die tatsächlichen Investitionsausgaben unter der Ausgabenermächtigung blieben und die Kreditermächtigung dadurch trotzdem voll ausgeschöpft werden könne103.

e) Aufnahme von Sondervermögen nicht von der Kreditbegrenzung erfasst Zu einem der Hauptkritikpunkte des Art. 115 II GG a. F. zählt die Möglichkeit, unabhängig von der Kreditbegrenzung des Art. 115 I GG a. F. Schulden durch Bildung von Sondervermögen außerhalb des Bundeshaushalts aufzunehmen104. Diese Erweiterung der Kreditaufnahme bietet die Möglichkeit, die eigentlichen Schuldenbegrenzungsregelungen des GrundS. 168 (169); B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (163); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 48 f. 102  Das BVerfG ließ diese Entscheidung bisher offen und fordert lediglich zwischen Haushaltsaufstellung und dessen Vollzug zu differenzieren, überlässt die Umsetzung von Instrumenten zu einer wirksamen Verschuldungsbegrenzung aber dem Gesetzgeber, so BVerfGE 119, 96 (154); der überwiegende Teil der Literatur hält Art. 115 GG a. F. nur für die Haushaltsaufstellung für anwendbar, so: R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2005, Art. 115, Rn. 46; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 115, Rn. 23; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2009, Art. 115, Rn. 52 f.; H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 42 ff.; für eine Beachtung des Haushaltsvollzuges hingegen: H. Pünder, Staatsverschuldung, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2007, § 123, Rn. 42. 103  D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (449); C. Ohler, DVBl 2009, S. 1265 (1268); B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (163 f.). 104  D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (450); W. Weinzen, DÖV 2008, S. 535 (546); H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 49 ff.; B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (164); L. P. Feld, Die Schuldenbremse ist ein wunderbares Instrument, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 168 (169); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 60 ff.; zu den generellen Gefahren durch Sonderhaushalte siehe: F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, in: VVDStRL, 52. Band, 1993, S. 71 (102 f.).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung155

gesetzes zu umgehen105. Dadurch werde aber das Budgetrecht des Parlaments gefährdet, indem Sondervermögen dem Träger des jeweiligen Nebenhaushalts freie Hand bei der Schuldenaufnahme geben106. f) Fehlen von Sanktionsmechanismen Außerdem fehlten der bisherigen Schuldengrenze jegliche Sanktionsmechanismen und es mangelte an potenziellen Initiatoren eines Kontrollverfahrens107. Das verfassungsgerichtliche Instrumentarium hat schon deshalb eine nur begrenzte Wirkung, da allein schon die entsprechenden Verfahren nur mit großer zeitlicher Verzögerung erfolgen und die jeweiligen verantwortlichen Amtswalter unter Umständen schon nicht mehr im Amt sind108. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht, trotz des weiten Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers, die Verfassungswidrigkeit des Bundeshaushalts feststellt, käme ein solches Urteil erst Jahre später, so dass selbst eine indirekte „Bestrafung“ durch die Wähler unwahrscheinlich ist109. Als denkbare Verfahrensarten vor dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Bundeshaushalts kommen die Verfassungsbeschwerde, die abstrakte Normenkontrolle110, der Organstreit111 und der Bund-Länder-Streit in Frage112 Allerdings ist der antragsberechtigte Personenkreis bei den einschlägigen Verfahrensarten stark eingeschränkt und 105  W. Weinzen, DÖV 2008, S. 535 (546); H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 51; B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (164). 106  F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, in: VVDStRL, 52. Band, 1993, S. 71 (102 f.) nennt hierfür beispielweise § 5 II Gesetz über die Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit“ i. d. F. des Einigungsvertrages vom 31.08.1990, BGBl. II, S. 889; weitere Beispiele bei: H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 52. 107  B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (164); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S.  70 ff. 108  C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 70. 109  B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (164). 110  Auf die Verfassungsbeschwerde und abstrakte Normenkontrolle beschränken sich W. Höfling/S. Rixen, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., Juli 2003, Art. 115, Rn. 466 ff. 111  C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 71 ff. sieht den Schwerpunkt in der abstrakten Normenkontrolle, während der Organstreit und die Verfassungsbeschwerde nur in Extremfällen einschlägig seien. 112  Der Bund-Länder-Streit kommt in Betracht, insofern man die Verpflichtungen aus Art. 109 II GG als gegenseitige Pflichten im bundesstaatlichen Verhältnis betrachtet, so C. Hillgruber, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2005, Art. 109, Rn. 74; ebenso in der Neuauflage G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 71.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

zudem fehle den Betroffenen oft der Anreiz zur Klage113. Auch die Rückführung der in verfassungswidriger Weise aufgenommenen Schulden erfolgte nicht114. g) Regelung entsprach nicht den Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes Problematisch erscheint zudem die Beziehung der bisherigen Regelung zu den europäischen Vorgaben. Seit dem Maastricht-Vertrag entfaltet das Europarecht auch für die nationale Staatsverschuldung erhebliche Bedeutung. Zum einen sind durch den Eintritt in die Währungsunion gem. Art. 121 EGV die Konvergenzkriterien zu erfüllen, zum anderen gilt die Regelung des Art. 104 EGV zur Vermeidung von Defiziten mit einem entsprechenden Anwendungsvorrang vor Art. 115 GG115. Insofern hat sich Deutschland als EG-Mitgliedsstaat dazu verpflichtet, das mittelfristige Haushaltsziel eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts einzuhalten. Die bestehenden nationalen Verschuldungsregelungen wurden den europäischen Vorgaben in der Staatspraxis aber gerade nicht gerecht116. h) Zwischenergebnis: Grundlegende Steuerungsschwäche Schon allein mit Blick auf die stetig ansteigende Staatsverschuldung seit dem Jahr 1969 ist festzustellen, dass die bisherigen finanzverfassungsrechtlichen Regeln nicht zu einer Begrenzung der Staatsverschuldung beitragen konnten. So stieg die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland seit Anfang der 1970er Jahre stetig dramatisch an117. Bisherigen Verschuldungsregelungen fehlt es vor allem an einer hinreichenden Bestimmtheit der Begrifflichkeiten, an hinreichenden Vorgaben für den Schuldenabbau und wirksamen Sanktionsmechanismen bei verfassungswidrigen Haushaltsplänen sowie an einer hinreichenden Berücksichtigung des Haushaltsvollzugs. Außerdem ermöglichte die verfassungsrechtliche Legitimation von Sondervermögen eine weitreichende Umgehung der Schuldenbegrenzung, so dass ein 113  D. Engels/D. Hugo, DÖV 2007, S. 445 (453); W. Höfling/S. Rixen, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., Juli 2003, Art. 115, Rn. 476 kommt anhand der einschlägigen Verfahrensarten vor dem BVerfG und ihrer geringen Wirkkraft daher auch zum Befund der „Individualrechtsblindheit“; so auch C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 71 ff. 114  B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (164). 115  BVerfGE 75, 223 (244); 85, 191 (204). 116  B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (164). 117  Zur dramatischen Entwicklung des Schuldenstandes: H. Kube, in: Maunz/ Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 53 uns 235 ff.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung157

Schutz vor einer zunehmenden Staatsverschuldung durch die verfassungsrechtlichen Regelungen gerade nicht gewährleistet war118. Nach jahrzehntelanger Anwendung der bisherigen Verschuldungsregelungen kommt G. F. Schuppert zu dem zugleich trefflichen als auch ernüchternden Befund. „Wenn also eine Steuerungsleistung des Haushaltsrechts darin besteht, Dämme zu errichten, so wird man wohl im Fall der Staatsverschuldung ,Land unter‘ vermelden müssen.“119 3. Zweck der Neuregelung Die Idee einer neuen Schuldenregelung basiert auf zwei Ausgangspunkten. Zum einen wollte man den insgesamt negativen Erfahrungen mit den früheren gesetzlichen Vorgaben in Deutschland und der anhaltenden Staatsverschuldung entgegensteuern, zum anderen sollte den veränderten Rahmenbedingungen innerhalb und außerhalb Deutschlands Rechnung getragen werden120. Ziel war es, die rechtliche Basis für eine zukunftsfähige und nachhaltige Finanzpolitik zu schaffen, als deren Grundlage eine solide und konjunkturell verträgliche Haushaltspolitik betrachtet wurde, die sich am Leitbild der Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit orientiert121. a) Überwindung der Schwächen der alten Schuldenregelung Der Staat sollte auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten seine Handlungsfähigkeit dadurch bewahren, dass er durch konsequente Konsolidierung in guten Zeiten finanzielle Spielräume erarbeitet122. Dadurch sollte vor allem dem erheblichen Konsolidierungsdruck entgegengesteuert werden, denn in keinem der der 15. Legislaturperiode vorangegangenen Jahre war die Verschuldungsgrenze des Art. 115 GG im Haushaltsvollzug eingehalten worden123. Als Hauptfehler der bisherigen Verschuldungsregelung sollte vor 118  B.

S. 75.

Scholl, DÖV 2010, S. 160 (164); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011,

119  G. F. Schuppert, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, in: VVDStRL, 42. Band, 1984, S. 216 (247). 120  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 54; P. Selmer, NVwZ 2009, S. 1255 (1256); E. Dönnebrink/M. Erhardt/F. Höppner/M. Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMFKonzepts, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 22 (42). 121  G. H. Oettinger, ZSE 7 (2009), S. 6 (6). 122  G. H. Oettinger, ZSE 7 (2009), S. 6 (6). 123  E. Dönnebrink/M. Erhardt/F. Höppner/M. Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S.  22 (42 f.).

158

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

allem der fehlender symmetrische Charakter des Art. 115 GG behoben werden, der bisher nicht antizyklisch funktionierte124. Zudem wollte die Föderalismuskommission „ein grundlegend neues Verständnis staatlicher Haushalts- und Finanzpolitik“ begründen, bei der sich das konkrete Haushaltsvolumen unmittelbar aus den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben ergibt125. Vor allem sollte die neue Schuldenregel nicht wie bisher durch entsprechende Auslegung ausgehebelt werden können, wodurch die tatsächliche Schuldenaufnahme stets höher ausfiel als der nach der goldenen Regel zum Maßstab erklärte Bruttovermögenszuwachs durch Investitionen126. Außerdem sollte bei der Haushaltsaufstellung nicht mehr das „Wünschenswerte“, sondern vielmehr die „Frage der Finanzierbarkeit“ im Vordergrund stehen127. Insofern sollten sich Grenzen der Kreditaufnahme nicht nur auf die Haushaltsaufstellung, sondern auch auf den Haushaltsvollzug beziehen128. Als Vorbild wurde dabei die Schweizer Schuldenregel herangezogen mit dem Ziel, die deutsche Kreditbegrenzung ebenso verfassungsrechtlich zu verankern129. Diese limitiert nicht nur die strukturelle Verschuldung, sondern sie berücksichtigt auch die im Zeitablauf eintretende Soll-Ist-Abweichung der Verschuldung durch ein entsprechendes Kontrollkonto130. Von vornherein war dabei absehbar, dass es für den Einstieg in ein solches Regime eines Konsolidierungskonzepts zum weiteren Abbau des Defizits bis zum Erreichen des Zielwerts bedurfte und eine Übergangsregelung erforderlich war131. 124  E. Dönnebrink/M. Erhardt/F. Höppner/M. Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 22 (43). 125  G. H. Oettinger, ZSE 7 (2009), S. 6 (7). 126  E. Dönnebrink/M. Erhardt/F. Höppner/M. Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 22 (43). 127  G. H. Oettinger, ZSE 7 (2009), S. 6 (7). 128  G. H. Oettinger, ZSE 7 (2009), S. 6 (7). 129  E. Dönnebrink/M. Erhardt/F. Höppner/M. Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S.  22 (43 f.). 130  E. Dönnebrink/M. Erhardt/F. Höppner/M. Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 22 (44); siehe auch A. Glaser, DÖV 2007, S. 98, der einen ausführlichen Vergleich der deutschen und schweizerischen Regelungen vornimmt. 131  E. Dönnebrink/M. Erhardt/F. Höppner/M. Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 22 (44).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung159

b) Anpassung der Rechtslage an die veränderten Rahmenbedingungen Die Bund-Länder-Finanzbeziehungen sollten den veränderten Rahmenbedingungen innerhalb und außerhalb Deutschlands insbesondere für Wachstums- und Beschäftigungspolitik angepasst werden. Innerhalb Deutschlands hatte man sich zum Ziel gesetzt, dass die Spielräume der Länder auf der Einnahmenseite als Gegengewicht zur Eingrenzung der Fremdfinanzierungsmöglichkeit durch Kredite durch Stärkung der Steuerautonomie verbessert werden sollten132. Vor allem sollten die Vorschläge dazu führen, die Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften und ihre aufgabenadäquate Finanzausstattung zu stärken133. Durch Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion mit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 wurden die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben auch außerhalb Deutschlands durch ein europarechtliches Regelwerk ergänzt134. Allerdings stehen die verfassungsrechtlichen und die europarechtlichen Schranken der Staatsverschuldung nebeneinander und bilden zwei getrennt voneinander anzuwendende Regelungsregime135. Seither sind die Mitgliedsstaaten gem. Art. 126 I AEUV (ehemals Art. 104 I EGV) verpflichtet, übermäßigen öffentliche Defizite zu vermeiden. Der unbestimmte Rechtsbegriff des übermäßig öffentlichen Defizits wird durch Art. 1 des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit in konkrete Referenzwerte übersetzt136. Demnach weist ein Mitgliedsstaat ein übermäßiges Defizit auf, wenn seine Nettoneuverschuldung drei Prozent seines BIP oder sein Gesamtschuldenstand 60 Prozent seines BIP übersteigt137. Die gemeinschaftliche Haushaltsüberwachung der Mitgliedsstaaten wird dabei in verfahrensrechtlicher Hinsicht durch den europäischen Wachstumspakt konkretisiert138. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts binden 132  In diesem Sinne die „offene Themensammlung“ des Antrages zur Einsetzung einer gemeinsamen Kommission zur Modernisierung der Bund- Länder-Finanzbeziehungen, BT-Drs. 16/3885, S. 3. 133  BT-Drs. 16/3885, S. 3; BR-Drs. 913/06, S. 1 und 3. 134  C. Ohler, DVBl 2009, S. 1265 (1269). 135  BVerfGE 119, 96 (143). 136  Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, BGBl. II 1992, S. 1309, Anl. EG 2004, Nr. C 310, S. 337. 137  R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 34. 138  VO (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, Abl. 1997 Nr. L 209 S. 1, geändert durch VO (EG) Nr. 1055/2005, ABl. 2005 Nr. L 174, S.; VO (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, ABl. 1997 Nr. L 209, S. 6; geändert durch VO (EG) Nr. 1056/2005,

160

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

die europarechtlichen Vorschriften den Haushaltsgesetzgeber unmittelbar139. Allerdings lassen sich hieraus noch keine konkrete Obergrenze für die jährliche Kreditaufnahme des Bundes ableiten, zumal sich diese Vorschrift auf den Gesamtstaat und somit auch auf die Länder, Kommunen und Sozialversicherungsträger bezieht140. Außerdem ist die Drei-Prozent-Grenze lediglich als Referenzwert ausgestaltet, von dem gem. Art. 126 II lit. a AEU (ehemals Art. 104 II lit. a EGV) Ausnahmen gemacht werden können141. Zudem ist die Rechtsfolgenseite auf europäischer Ebene mit einer größeren Flexibilität als das nationale Verfassungsrecht ausgestattet142. Insgesamt kommt Art. 126 I AEU (ehemals Art. 104 I EGV) eine geringere Direktionskraft bezüglich der Verschuldung der Mitgliedsstaaten zu, so dass der nationalen Begrenzung der Kreditaufnahme im Verfassungsrecht auch eine eigenständige Bedeutung zukommt143. So wies der europarechtliche Kontext eine gewisse Überlagerung der Schuldenregel des Grundgesetzes durch den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt auf, welche zu einer Duplizität und Inkonsistenz der Regeln geführt hatte144. Da solche Überlagerungen aber nur schwer vermittelbar waren, konnte eine Angleichung der Regelungen der Finanzverfassung und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einer Verbesserung der Rechtsklarheit letztlich nur dienlich sein.

ABl. 2005 Nr. L 174, S. 5; zuzüglich der Entschließung des Europäischen Rates vom 17.06.1997, Abl. 1997 Nr. C 236, S. 1. 139  H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2009, Art. 115, Rn. 17 (in Fn. 41 und 42 m. w. N.); R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 115, Rn. 34. 140  R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 34; ausführlich zur Einbeziehung der Kommunen in die Schuldenbegrenzungsregelungen: 2. Teil § 5 B., S. 311 ff. 141  W. Höfling/S. Rixen, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., Juli 2003, Art. 115, Rn. 451; C. Ohler, DVBl 2009, S. 1265 (1270); R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 115, Rn. 34. 142  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 22; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2009, Art. 115, Rn. 17. 143  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 22 f. 144  Zur prinzipiell impermeablen Parallelität von EG-Recht und nationalem Verfassungsrecht, siehe W.  Höfling/S. Rixen, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., Juli 2003, Art. 115, Rn. 461 ff.; E. Dön­ nebrink/M. Erhardt/F. Höppner/M. Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 22 (43).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung161

B. Neuregelung im Grundgesetz im Zuge der Föderalismusreform II Nach der Neugliederung der Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Ländern im Zuge der Föderalismusreform I145 wurden auch die finanziellen Grundlagen der Finanzverfassung auf dem Wege einer Verfassungsänderung, der sogenannten Föderalismusreform II146, nebst zugehörigem Begleitgesetz147 grundlegend neu geregelt (I.). Allerdings ist fraglich, inwieweit durch die Neuregelung tatsächlich ein Fortschritt zur ursprünglichen Regelung erreicht wurde (II.). I. Regelungssystem der Schuldenbremse im Zuge der Föderalismusreform II Im Zuge der Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern wurden durch die Föderalismusreform II vor allem auch die Regelungen über die Staatsverschuldung in Art. 109, 115 GG neu geordnet. Die Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes werden nun in der neuen Formulierung des Art. 109 II GG berücksichtigt, wobei daraus resultierende Sanktionszahlungen in Art. 109 V GG zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Zentraler Bedeutung kommt der neuen Schuldenregel des Art. 109 III 1 GG zu, wonach Bund und Länder nun weitgehend ausgeglichene Haushalte haben müssen. Dabei unterteilt sich die Neuregelung der Staatsverschuldung im Kern als Regel-Ausnahme-System148 in zwei Teile. Der erster Teil zieht enge Grenzen für eine reguläre Neuverschulung (gem. Art. 109 III 1, 4 und Art. 115 II 1 bis 2 GG). Demnach soll der Rechtsrahmen der zulässigen Nettokreditaufnahme als sogenannte „Schuldenbremse“ eingeengt werden. Laut dem zweiten Teil können von dieser Regel der 145  Gesetz

vom 28.08.2006, BGBl. I 2006, S. 2034 ff. vom 29.07.2009, BGBl. I 2009, S. 2248 ff. 147  Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform, vom 10.08.2009, BGBl. I 2009, S.  2702 ff. 148  Vom Grundprinzip besteht bezüglich des Regel-Ausnahme-Systems im Schrifttum Übereinstimmung. Allerdings werden verschiedene Standpunkte vertreten, ob die strukturelle Neuverschuldungskomponente noch als Ausnahme von der Regel anzusehen ist, so zumindest: C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 139; C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2562) und M. Thye, NordÖR 2011, S. 160 (161); ähnlich J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1333), allerdings betrachtet dieser die Art. 109 III 2 bis 5 GG generell als „Abweichungsbestimmungen“ von Art. 109 III 1 GG. Hingegen sieht H. Schliemann, ZRP 2009, S. 193 (193) die strukturelle Verschuldungskomponente noch als die Regel, während die Kreditaufnahme aus konjunkturellen Gründen und „in Fällen von Naturkatastrophen“ die Ausnahme bilden; ebenso P. Selmer, NVwZ 2009, S. 1255 (1260). 146  Gesetz

162

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Art. 109 III 2, Art. 115 II 3 bis 8 GG in besonderen Situationen Ausnahmen gemacht werden. In der Summe sieht die Neuregelung des Art. 109 III GG und Art. 115 II GG dabei insgesamt vier Verschuldungstatbestände vor149. Zusätzlich werden durch die Neuregelung noch begleitende Maßnahmen und Vorgaben festgelegt, die die Einhaltung der Neuverschuldungsregelung verfahrensrechtlich absichern sollen und den zeitlichen Rahmen zur Umsetzung der neuen Verschuldungsregelungen klären. 1. Die Erfüllung der Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, Art. 109 II GG Zur Berücksichtigung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Zuge des Europäischen Unionsrechts wurden in der Neufassung des Art. 109 II GG die bisherigen Vorschriften des Art. 109 V 1 GG a. F. und Art. 109 II GG a. F. in einem Satz zusammengefügt150. Gem. Art. 109 II GG erfüllen Bund und Länder gemeinsam die europarechtlichen Verpflichtungen nach Art. 104 EGV und seiner Ausführungsregelungen, der in zwischen in Art. 126 AEUV überführt wurde, „zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin und tragen in diesem Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung“. Diese Verpflichtung zur Einhaltung der unionsrechtlichen Schuldenregelungen wurden redaktionell bewusst vor die nationalen Schuldenbegrenzungsregelungen geschoben, damit die unionsrechtlichen Vorgaben „den Rahmen für die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern“ bilden151. Art. 109 II GG wendet sich an den Gesamtstaat, wobei der Bund die Verantwortung für etwaige Defizite der Sozialversicherungen trägt, während die Länder für etwaige Haushaltsdefizite der Gemeinde und Gemeindeverbände einzustehen haben152. Bund und Länder haben gem. Art. 109 II GG die Verpflichtungen aus Art. 126 AEUV gemeinsam zu erfüllen153. Da die Regelung aber keinen quantifizierten Aufteilungsschlüssel enthält, richten 149  So anschaulich in seiner Gliederung zusammengefasst: S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (731 ff.); im Sinne einer Zweiteilung, letztlich aber ebenfalls mit vier Tatbeständen: C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (722 ff.). 150  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 23. 151  BT-Drs. 16/12410, S. 10. 152  BT-Drs. 16/12410, S. 10. 153  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 27 und H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 109, Rn. 35 betrachten Art. 109 II GG daher auch als „Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern“.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung163

sich die Erfüllungsbeiträge von Bund und Ländern nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung für den betroffenen Sachbereich154. Sollte gegen die Bundesrepublik Deutschland eine der in Art. 126 XI AEUV geregelten Sanktionsmaßnahmen verhängt werden, regelt nun Art. 109 V GG die Aufteilung der Sanktionszahlungen an die EU wegen eines übermäßigen öffentlichen Defizits zwischen Bund und Ländern. Demnach hat der Bund 65 Prozent zu tragen, während die Gesamtheit der Länder 35 Prozent der Sanktionszahlungen aufbringen müssen (Satz 1). Der Länderanteil wird dabei solidarisch zu 12,25 Prozent der gesamten Sanktionszahlungen entsprechend der Einwohnerzahl der Länder und die übrigen 22,75 Prozent entsprechend dem jeweiligen Verursachungsbeitrag der einzelnen Länder aufgeteilt (Satz 2). 2. Der reguläre Verschuldungsrahmen für „Normallagen“ Nach der Föderalismusreform II setzt sich das Maß der „regelmäßigen“ Neuverschuldung aus der Summe der zwei Elemente, der strukturellen und konjunkturellen Verschuldungskomponente, zusammen155. Zusätzlich sind Abweichungen im Haushaltsvollzug oder bei Nachtragshaushalten nun ausdrücklich zu berücksichtigen. a) Die strukturelle Verschuldungskomponente Nach Art. 109 III 1 GG und Art. 115 II 1 GG sind die Einnahmen und Ausgaben von Bund und Ländern „grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“. Insofern ist jetzt im Grundgesetz ein vollständiger materieller Haushaltsausgleich, sprich eine „Nullverschuldung“, verfassungsrechtlich festgelegt, welche es vor der Föderalismusreform II sprachlich im Grundgesetz nicht gab156. aa) Begrenzte strukturelle Neuverschuldung für den Bund Allerdings wird die „Nullverschuldung“ nach Art. 109 III 4, 115 II 2 GG für den Bund in der Form relativiert, dass eine solche bereits erreicht sei, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 Prozent des nominalen Bruttoin154  E.

155  C.

Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 27. Seiler, JZ 2009, S. 721 (722); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011,

S.  140 f. 156  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (723); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 139.

164

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

landprodukts (BIP) nicht überschreiten. Allein dem Bund wird insofern die Möglichkeit eröffnet, unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung und somit strukturell Schulden in den genannten Grenzen zu machen157. Zudem kann der Bund diese Grenzen „nach freiem Ermessen“158 voll ausschöpfen. Trotzdem wird in diesem Zusammenhang gern darauf verwiesen, dass die Neuregelung eine deutliche Einschränkung der strukturellen Neuverschuldung mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte bedeute. Selbst bei voller Ausschöpfung des verfassungsrechtlich garantierten Rahmens von 0,35 Prozent des BIP liege die strukturelle Neuverschuldung weit unterhalb der bisherigen Kreditaufnahme gem. Art. 115 I 2 erster Hs. GG a. F.159. Damit der Bund die bisherige Aufgabenstruktur fortführen könnte, käme er nun nicht mehr umhin, einen Teil seiner Investitionen ohne Kredite zu finan­ zieren160. bb) Striktes Neuverschuldungsverbot für die Länder Für die Länder gilt der Grundsatz ausgeglichener Haushalte ohne die für den Bund geltenden Relativierungen161. Die Länder haben gem. Art. 109 III 5 GG ihre landesrechtlichen Regelungen ohne eine strukturelle Verschuldung auszugestalten. Diese Vorschrift enthält somit zwei Regelungsgehalte. Erstens werden die Länder zur näheren Ausgestaltung ihrer Kreditaufnahme ermächtigt. Dabei wird für den Landesgesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum angedeutet, indem der Verfassungsgeber auf die „verfassungsrechtlichen Kompetenzen“ verweist und es ihm freistellt, ob die Ausgestaltung in den Landesverfassungen oder durch einfache Landesgesetze erfolgt162. Zweitens enthält Art. 109 III 5 GG ein sachlich striktes Verbot jeglicher struktureller Neuverschuldung163.

157  C.

Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 140. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1333). 159  Dies gilt nicht nur bezüglich der veranschlagten Brutto-Investitionsquoten des Bundes, sondern auch im Hinblick auf die Netto-Investitionsquoten (abzüglich Abschreibungen und Privatisierungserlösen), welche langfristig bei 0,75 Prozent des BIP liegt, J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1333). 160  J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1333). 161  Ausführlich hierzu: 1. Teil § 3 C., S. 182 ff. der Arbeit. 162  So J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1335) mit konkreten Hinweisen, welche Bereiche durch den weiten Gestaltungsspielraum erfasst werden; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 51. 163  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 52 mit weiteren Ausführungen zur ursprünglich ähnlich angedachten strukturellen Neuverschuldungsregelung wie der des Bundes. 158  J.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung165

b) Die konjunkturelle Verschuldungskomponente zur Orientierung am „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht“ Die strukturelle Verschuldungskomponente als der „Normalzustand“ wird durch die konjunkturelle Verschuldungskomponente modifizierbar. Die konjunkturelle Verschuldungskomponente bestimmt nach Art. 109 III 2 erster Hs. GG, dass Bund und Länder „Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“ vorsehen können164. Diese Vorgaben gelten im Unterschied zu Art. 109 III 4 GG für Bund und Länder gleichermaßen, wobei diese für den Bund in Art. 115 II 3 GG noch einmal wiederholt werden. Indem dem Haushaltsgesetzgeber von Bund und Ländern zusätzlich gewisse Verschuldungsmöglichkeiten belassen werden und auch künftig eine antizyklische Finanzpolitik betrieben werden darf, orientiert sich auch die Neuregelung an dem bisher gewohnten Grundsatz des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ nach Art. 109 II, IV GG a. F. Allerdings wurden dabei die bisherigen Bezugspunkte des Verschuldungsrahmens, die in den offenen volkswirtschaftlichen Zielvorstellungen des in § 1 S. 2 StabG genannten Begrifflichkeiten des „magischen Vierecks“165, durch neue Tatbestandsmerkmale ersetzt. Mit der „symmetrischen Berücksichtigung“ gem. Art. 109 III 2 erster Hs. GG wird dabei eine mittel- bis langfristige Verschuldungsneutralität bezweckt, bei der in Krisenzeiten eine erhöhte Schuldenaufnahme vorgesehen ist, die in Phasen des Aufschwungs wieder durch Haushaltsüberschüsse ausgeglichen werden soll166.

164  So auch C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (723 f.); anders hingegen: S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (732 f), der den gesamten Art. 109 III 2 GG unter konjunkturell bedingte Verschuldungsmöglichkeit zitiert, dafür aber trotzdem noch „Naturkatastrophen“ und „außergewöhnlicher Notsituationen“ als „Notlagenkredit“ i. S. e. Ausnahmefalls aufführt. 165  Gem. § 1 S. 2 StabG sind die Maßnahmen zur Beachtung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung: erstens „gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus“, zweitens „zu einem hohen Beschäftigungsstand“, sowie drittens zu einem „außenwirtschaftlichem Gleichgewicht“, bei viertens „stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum“ beitragen. 166  So die Gesetzesbegründung der BR-Drs. 262/09, S. 22: „Das heißt, einer Zulassung zusätzlicher konjunkturbedingter Defizite im Abschwung muss eine entsprechende Verpflichtung zur Einbeziehung konjunkturbedingter Überschüsse im Aufschwung gegenüber stehen, so dass mittel- bis langfristig gewährleistet sein sollte, dass Kreditaufnahmen im Abschwung durch Überschüsse im Aufschwung ausgeglichen werden.“; S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (732); C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 140; E. Baumann/J. Schneider, Die neue Regel des Bundes, in: Kastrop/ Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 89 (103).

166

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Durch diese Zielvorstellung des Art. 109 III GG gewinnt die Ausgestaltung der konjunkturellen Komponente eine maßgebliche Bedeutung für die Wirksamkeit der gesamten Schuldenregel167. Dabei obliegt Bund und Ländern die Ausgestaltung in eigener Verantwortung. So wird der Bundesgesetzgeber in Art. 115 II 5 GG ausdrücklich beauftragt, „näheres“168 in einem Bundesgesetz zu regeln. Diesem Auftrag ist der Bundesgesetzgeber einfachgesetzlich mit dem Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 des Grundgesetzes (Artikel-115-Gesetz) nachgekommen169. In §§ 2 II und 5 Artikel115-Gesetz werden sowohl der Grund als auch das Maß der konjunkturell bedingten Kreditaufnahmen oder ‑tilgungen einfachgesetzlich geregelt. aa) Der Grund der konjunkturbedingten Kreditaufnahme In § 2 II erster Hs. Artikel-115-Gesetz wird zunächst der Befund des Art. 109 III 2 erster Hs. GG dahin gehend bestätigt, dass ein Grund für eine veränderte Höchstgrenze der Einnahmen aus Krediten dann vorliegt, wenn eine für das Haushaltsjahr „von der Normallage abweichende wirtschaftliche Entwicklung erwartet“ wird. Fraglich ist jedoch, was sich hinter dem zentralen Begriff der „Normallage“ verbirgt. Das Ausführungsgesetz bleibt hier eher unbestimmt und nimmt lediglich eine indirekte Begriffsbestimmung durch eine Definition der Abweichung von der Normallage vor170. So liegt gem. § 5 II Artikel-115-Gesetz eine „von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung“ vor, „wenn eine Unter- oder Überauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten erwartet wird (Produktionslücke)“171. Damit kann die „Normallage“ im Umkehrschluss als 167  C.

Seiler, JZ 2009, S. 721 (724). wird „näheres“ ausdrücklich mir der „Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen und das Verfahren zur Berechnung der Obergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens sowie die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme“ spezifiziert. Dabei verweise Letzteres nach C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (724) unausgesprochen auf das begleitend zum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehen Konjunkturbereinigungsverfahren und enge dadurch die Gestaltungsspielräume des Ausführungsgesetzgebers ein. 169  Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform, vom 10.08.2009, BGBl. I 2009, S. 2702 (2704 f.). 170  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (724). 171  Diese wird in § 5 II 2 Artikel 115-Gesetz noch dahingehend präzisiert, dass dies der Fall sei, „wenn das auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens zu schätzende Produktionspotenzial vom erwarteten Bruttoinlandsprodukt für das Haushaltsjahr, für das der Haushalt aufgestellt wird, abweicht“. Dabei sind das Produktionspotenzial und somit auch die Produktionslücke nicht beobachtbare Grö168  Dabei



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung167

eine „Normalauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten, die bei der Identität von zu schätzendem Produktionspotenzial und erwartendem Bruttoinlandsprodukt vorliegt“172, definiert werden. Fehlt es an einer entsprechenden Balance der Produktionskapazitäten, besteht eine Produk­ tionslücke und die Konjunkturkomponente greift ein173. bb) Das Maß der veränderten Höchstgrenze der Kreditaufnahme Eine genauere Beschreibung des Maßes des als „Konjunkturkomponente“ bezeichneten Kreditinstruments findet sich in §§ 2 II erster Hs., 5 III Artikel-115-Gesetz. So verändert sich nach § 2 II zweiter Hs. Artikel-115-Gesetz die Höchstgrenze der zu veranschlagenden Einnahmen aus Krediten „um diejenigen Einnahmen aus Krediten oder um die Haushaltsüberschüsse, die der erwarteten Wirkung der konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt entsprechen“. Der genaue Zahlenwert der Konjunkturkomponente ergibt sich dabei nach § 5 III Artilel-115-Gesetz „als Produkt aus der Produktionslücke und der Budgetsensitivität, die angibt, wie sich die Einnahmen und Ausgaben des Bundes bei einer Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität verändern“174. Die Einzelheiten des Verfahrens zur Bestimmung der Konjunkturkomponente werden gem. § 5 IV 1 Artikel-115-Gesetz an das Bundesministerium der Finanzen delegiert, welches bei entsprechenden Festlegungen Rücksprache mit dem Bundeswirtschaftsministerium vorzunehmen hat. Dabei unterliegt das Verfahren der Maßgabe, dass dieses „in Übereinstimmung mit dem im Rahmen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes angewandten Konjunkturbereinigungsverfahren durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates“ zu erfolgen hat. Zusätzlich unterliegt dieses Verfahren nach § 5 IV 1 Artikel-115-Gesetz der Vorgabe, es „regelmäßig unter Berücksichtigung des Standes der Wissenschaft zu überprüfen und fortzuentwickeln“. Der Gesetzgebungsauftrag des Art. 115 II 5 GG wird ßen, die nur mit Hilfe eines ökonometrischen Schätzeinsatzes ermittelt werden können. Ausführlich zum Verfahren der Schätzung der Produktionslücke: E. Baumann/ J. Schneider, Die neue Regel des Bundes, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 89 (104 ff.). 172  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (724). 173  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (724). 174  Dabei umfasst die Budgetintensivität die konjunkturbedingte Veränderung des Finanzierungssaldos des Bundeshaushalts in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, wenn das Bruttoinlandsprodukt um ein Prozent vom Produktpotenzial abweicht, so E. Baumann/J. Schneider, Die neue Regel des Bundes, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 89 (105 (ausführlich zu den Verfahrensgrundlagen S. 106 f.)).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

insofern im Artikel-115-Gesetz nur teilweise ausgeführt und in großen Teilen an die Exekutive, wenn auch mit gewissen inhaltlichen Eingrenzungen, weitergeleitet175. c) Die Abweichungen im Haushaltsvollzug oder in Nachtragshaushalten In der Vergangenheit stimmte die im Haushaltsplan angenommene Neuverschuldung mit der später tatsächlichen Kreditaufnahme in der Regel nicht überein, da zu optimistische Einnahmeprognosen, die im Vollzug nicht zu erreichen waren, zu einer höheren Kreditaufnahme zwangen176. Insofern drohte auch die Neuregelung zur Verschuldungsbeschränkung in der Planaufstellungsphase177 in der praktischen Handhabung untergraben zu werden. Um eine solche Umgehung der Verschuldungsgrenze zu vermeiden, wurde in Art. 115 II 4 GG für den Bund ein entsprechender Kontrollmechanismus hinzugefügt. Demnach sind alle positiven wie negativen Abweichungen der tatsächlichen von der insgesamt zulässigen, das heißt, strukturell und konjunkturell bedingten, Kreditobergrenze auf einem Kontrollkonto zu erfassen. Überschreiten die dort verbuchten saldierten Kreditaufnahmen „den Schwellenwert von 1,5 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt“, so sind diese konjunkturgerecht zurückzuführen. Diese Vorgaben werden in § 7 Artikel-115-Gesetz konkretisiert. Dabei wird in § 7 I 1 Artikel‑115‑Gesetz festgelegt, dass nicht die zwangsläufig veralteten, im Haushaltsplan prognostizierten Wirtschaftsdaten von Bedeutung sind, sondern die tatsächliche Kreditaufnahme der ex-post bekannten Wirtschaftslage des abgelaufenen Haushaltsjahres maßgeblich sind und somit die tatsächliche Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts178. Richtungsweisend wirkt zudem der § 7 II 1 Artikel-115-Gesetz, wonach bei negativem Saldo „auf einen Ausgleich des Kontrollkontos hinzuwirken“ ist. Dabei wird in § 7 II 2 Artikel-115-Gesetz das Ziel bestätigt, dass der negative Saldo die Soll‑Obergrenze von 1,5 Prozent im Verhältnis zum nominalen Bruttoin175  C.

Seiler, JZ 2009, S. 721 (724). JZ 2009, S. 729 (733); R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 45 mit dem Verweis, dass Abweichungen der Kreditaufnahme im Haushaltsvollzug von der Soll-Kreditaufnahme in der Praxis kaum zu vermeiden sind; ähnlich J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1336); C. Lenz/ E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2564). 177  Dieses Problem bestand nach herrschender Meinung jedenfalls bisher in der Haushaltspraxis: W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 115, Rn. 115. 178  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (725). 176  S. Korioth,



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung169

landsprodukt nicht überschreiten sollte179. Weitere Konkretisierungen mit Blick auf ein negatives Saldo des Kontrollkontos werden in § 7 III Artikel115-Gesetz vorgenommen. So wird im Falle eines negativen Saldos von über einem Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt die strukturelle Verschuldungskomponente im nächsten Jahr um den überschießenden Betrag verringert, wobei die Verringerung auf 0,35 Prozent im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt gedeckelt ist. Außerdem wird die Verringerung gem. § 7 III letzter Hs. Artikel-115-Gesetz nur in den Jahren wirksam, in denen eine positive Veränderung der Produktionslücke vorliegt. Für Nachtragshaushalte wird mit § 8 Artikel-115-Gesetz eine vom Verfassungswortlaut nicht vorgesehene zusätzliche Obergrenze eingeführt. So kann gem. § 8 S. 1 Artikel-115-Gesetz die strukturelle Neuverschuldung bei Nachtragshaushalten bis zu 3 Prozent der veranschlagten Steuereinnahmen überschritten werden. Allerdings kann diese einfachgesetzliche Regelung den verfassungsrechtlichen, aus struktureller und konjunktureller Komponente gebildeten Verschuldungsrahmen nicht erweitern und ist grundsätzlich eng anzuwenden180. So ist eine zusätzliche Kreditaufnahme nicht zur Finanzierung neuer Aufgaben gerechtfertigt181. Somit stellt die Obergrenze des § 8 S. 1 Artikel-115-Gesetz keine Erweiterung des Kreditrahmens dar, vielmehr wird lediglich eine Grenze gezogen, bis zu der eine vereinfachte Prognose über den weiteren Verlauf der tatsächlichen Konjunkturentwicklung vorgenommen werden darf (vgl. § 8 S. 3 Artikel-115-Gesetz)182. Dieser Befund wird in § 8 S. 2 Artikel-115-Gesetz damit unterstrichen, dass im Nachtrag grundsätzlich keine neuen Maßnahmen veranschlagt werden dürfen, die zu Mehrausgaben oder zu Mindereinnahmen führen. Dementsprechend werden gem. § 8 S. 4 Artikel-115-Gesetz entsprechende Kreditaufnahmen aus Nachtragshaushalten vollumfänglich in das Kontrollverfahren des Art. 115 II 4 GG, § 7 Artikel-115-Gesetz mit einbezogen.

179  Somit wird in § 7 I 1, II 2 Artikel-115-Gesetz lediglich die Regelung des Art. 115 II 4 GG wiederholt, wobei die Bezeichnung des Kontrollkonto gleichbedeutend mit der Bezeichnung Verrechnungskonto verwendet wird. 180  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (725) und R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 49 sehen die klaren Grenzen der Ausdehnung der Kreditaufnahmebefugnis des § 8 Artikel-115-Gesetz als noch verfassungsgemäß an. 181  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (725); R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 49; D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 368. 182  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (725); D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 368.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

3. Die Ausnahmeregelung für außergewöhnliche Notsituationen, Art. 109 III 2 zweiter Hs., 3 und Art. 115 II 6 und 7 GG Der Art. 109 III 2 zweiter Hs. GG sieht neben der konjunkturellen und strukturellen Komponente eine dritte Ausnahmeregelung183 für Naturkatastrophen und andere Notsituationen vor. Diese wurde für den Bund in Art. 115 II 6 bis 8 GG normiert. So darf der Bund neben der regelmäßig zulässigen Verschuldung, die sich aus der Summe der strukturellen und konjunkturellen Verschuldung ergibt, noch ausnahmsweise bei „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ (Art. 109 III 2 zweiter Hs., Art. 115 II 6 GG), zusätzlich Schulden über Kredite aufnehmen. Allerdings ist gem. Art. 115 II GG ein solcher Beschluss zur Erhöhung der Kreditobergrenze nur mit einer Mehrheit im Bundestag zu erreichen (Satz 6 letzter Hs.) und mit einem Tilgungsplan zu verbinden (Satz 7 sowie Art. 109 III 3 GG), wobei die Rückführung der aufgenommenen Kredite binnen eines angemessenen Zeitraumes zu erfolgen hat (Satz 8)184. Mit dieser Rückführungspflicht soll vor allem der Sinn und Zweck der Reform der Verschuldungsregelungen erfüllt werden, ein weiteres Anwachsen der Staatsverschuldung zu verhindern185. Außerdem sieht der reformierte Art. 115 GG nun keine Ausnahmeregelung für Sondervermögen mehr vor186. Allerdings bleiben hiervon die bis zum 31. Dezember 2010 bestehende Sondervermögen unberührt, Art. 143d I 2 GG. Damit sind in Zukunft Kreditaufnahmen im Rahmen neuer Sondervermögen unzulässig187. Diese Ausnahmeregelung soll die Handlungsfähigkeit des Staates auch in Krisen- und Ausnahmesituationen gewährleisten, indem in Extremfällen Kreditaufnahmen zumindest möglich sind188. Da jedoch die Vielzahl der 183  Zur

genauen Zuordnung von Regel und Ausnahme, siehe bereits Fn. 149. es eines ausführenden Gesetzes nicht bedurft hätte, werden die entsprechenden Regelungen in § 6 Artikel‑115‑Gesetz ohne Änderung auf einfachgesetzlicher Ebene wiederholt. 185  R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 55. 186  Anders noch Art. 115 II GG a. F.: „Für Sondervermögen des Bundes können durch Bundesgesetz Ausnahmen von Absatz 1 zugelassen werden“. 187  BT-Drs. 16/12410, S. 7; S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (733); C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (727); ausführlich zur Problematik, inwiefern auch die vor dem 1. Januar 2011 aufgenommene Sondervermögen betroffen sein könnten: R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 115, Rn. 64 (Fn. 6) m. w. N. 188  BT-Drs. 16/12410, S. 13 i. V. m. S. 11; BR-Drs. 262/09, S. 23; R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 115, Rn. 50. 184  Obwohl



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung171

unterschiedlichen Extremfälle nicht abschließend beschrieben werden kann, geschweige denn prognostizierbar ist, wurde von einer enumerativen Aufzählung in der Regelung abgesehen189. Die Eingrenzung erfolgt nun durch die drei kumulative190 Kriterien: erstens einer Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation, zweitens dem staatlichen Kontrollentzug und drittens der erheblichen Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage. Dabei lehnt sich der Begriff der außergewöhnlichen Notsituationen an die Regelung der Amtshilfe in Art. 35 II 2, III GG an. Außergewöhnliche Notsituationen sind besonders schwere Unglücksfälle und somit Schadensereignisse von großem Ausmaß und von Bedeutung für die Öffentlichkeit, die durch Unfälle, technisches oder menschliches Versagen ausgelöst oder von Dritten absichtlich herbeigeführt werden191. Der Begriff der Naturkatastrophe ist dabei als Unterfall von Notsituationen im Sinne des Art. 35 II 3, III GG anzusehen192. Demnach sind Naturkatastrophen unmittelbar drohende Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß, die durch Naturereignisse wie zum Beispiel Erdbeben, Unwetter oder Massenerkrankungen ausgelöst werden193. Der staatlichen Kontrolle entziehen sich die Notsituationen dann, wenn sie auf äußeren Einflüssen beruhen, die nicht oder im Wesentlichen nicht der staatlichen Kontrolle unterliegen194. Als drittes Tatbestandsmerkmal ist die Beeinträchtigung der Finanzlage erheblich, wenn der Finanzbedarf zur Beseitigung der aus der Naturkatastrophe bzw. der außergewöhnlichen Notsi-

189  BT-Drs.

16/12400, S. 19; BR-Drs. 262/09, S. 23. bezieht sich der Relativsatz „die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ auch auf Naturkatastrophen, da es ohne eine erhebliche Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage selbst bei Naturkatastrophen keine sachliche Rechtfertigung dafür gibt, vom Grundsatz der Kreditaufnahmeverbots abzuweichen, so: C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2564); diesem zustimmend R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 51. 191  BT-Drs. 16/12410, S. 13 i. V. m. S. 11, wobei exemplarisch die aktuelle Finanzkrise, aber auch positive Ereignisse wie die deutsche Wiedervereinigung als außergewöhnliche Notsituation genannt werden; dem zustimmend J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1336). 192  Schmidt, DVBl. 2009, S. 1274 (1282). 193  BT-Drs. 16/12410, S. 13 i. V. m. S. 11; J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1336). 194  BT-Drs. 16/12410, S. 13 i. V. m. S. 11, demnach zählt hierzu nach der Gesetzesbegründung auch die „plötzliche Beeinträchtigung der Wirtschaftsabläufe in einem extremen Ausmaß aufgrund eines exogenen Schocks“, wie beispielsweise der aktuellen Finanzkrise, die aus Gründen des Gemeinwohls aktive Stützungsmaßnahmen des Staates zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftsabläufe gebietet, wobei zyklische Konjunkturabläufe im Sinne von Konjunkturaufschwung und Konjunkturabschwung keine außergewöhnliche Notsituation darstellen. 190  Dabei

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

tuation resultierenden Schäden und etwaige vorbeugende Maßnahmen im besonderen Maße überschreitet195. Die Höhe der Kreditaufnahme nach Art. 115 II 6 ist insofern offen gestaltet, dass der Staat zumindest zu einer ergänzenden Nettokreditaufnahme in dem Umfang ermächtigt wird, wie finanzielle Mittel für die Überwindung oder zumindest für die temporäre Beherrschung der Krise von Nöten sind196. 4. Begleitende Maßnahmen und Übergangsregelungen Die Neuregelungen der Verschuldungsgrenzen sehen zusätzliche verfahrensrechtliche Absicherungen zur Einhaltung der beschränkten Kreditaufnahme vor und treffen zusätzlich Übergangsregelungen bis zum endgültigen Wirksamwerden der Schuldenbegrenzungsregelungen. a) Die verfahrensrechtliche Absicherung: Vermeiden von Sanierungsfällen Mit Art. 109a Satz 1 GG besteht nun die Verpflichtung per Bundesgesetz zu normieren, ein gemeinsames Gremium von Bund und Ländern, den sogenannten Stabilitätsrat, einzurichten, der die Aufgabe hat, die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern regelmäßig zu überwachen (Nr. 1), die Voraussetzungen und das Verfahren zur Feststellung einer drohenden Haushaltsnotlage zu regeln (Nr. 2) und Grundsätze zur Aufstellung und Durchführung von Sanierungsprogrammen aufzustellen (Nr. 3). Da der Stabilitätsrat im besonderen Maße durch eine öffentliche Erörterung seiner Beschlüsse Wirksamkeit entfalten soll197, sind diese gem. Art. 109a Satz 1 GG mit den zugehörigen Beratungsunterlagen zu veröffentlichen. Die Einzelheiten hierfür finden sich im Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Stabilitätsratsgesetz – StabiRatG)198, zu dessen Erlass Art. 109a Satz 1 GG ausdrücklich ermächtigt. Der Stabilitätsrat ist nach § 1 I StabiRatG als rein politisches Gremium von Bund und Ländern normiert, dem nur einzelne Bundesminister und die 195  BT-Drs. 16/12410, S. 16; dem wohl zustimmend A. Schmehl, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 2. Band, 28. Erg.-Lfg., November 2009, Art. 104b, Rn. 34. R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 51. 196  R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn. 56. 197  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (726). 198  Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform, vom 10. August 2009, BGBl. I 2009, S. 2702.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung173

Finanzminister der Länder angehören. Damit hat sich der Gesetzgeber gegen den Vorschlag entschieden199, ein politikfernes Sachverständigengremium einzurichten, dem mangels demokratischer Legitimation schon keine Sachentscheidungsbefugnisse eingeräumt werden dürften200. Im Rahmen der Überwachung des Haushaltes des Bundes und der Länder (Art. 109a Satz 1 Nr. 1 GG) hat der Stabilitätsrat gem. §§ 2, 3 StabiRatG regelmäßig die aktuelle Entwicklung der Haushalte von Bund und Ländern mittels durch von ihm festgelegte Kennziffern zu überprüfen201. Im Hinblick auf die Feststellung von drohenden Haushaltsnotlagen und der Umsetzung von Sanierungsprogrammen (Art. 109a Satz 1 Nr. 2 und 3 GG) finden sich entsprechende Konkretisierungen in den §§ 2 zweiter Hs., 4, 5 StabiRatG. So legt der Stabilitätsrat allgemein geltende Schwellenwerte fest, deren Überschreitung auf eine drohende Haushaltsnotlage hinweisen (§ 4 I 1 StabiRatG). Wenn nach eingehender Prüfung (§ 4 II bis IV StabiRatG) entsprechende Anzeichen vorliegen, kann der Stabilitätsrat aufgrund des Prüfungsberichts beschließen, dass dem betreffenden Land eine Haushaltsnotlage droht (§ 4 V StabiRatG). Dieser Beschluss dient als Grundlage dafür, dass mit dem Bund bzw. dem betroffenen Land ein fünfjähriges Sanierungsprogramm vereinbart wird, deren Umsetzung und etwaige Anpassung der Stabilitätsrat zu beaufsichtigen hat (§ 5 StabiRatG). b) Die Übergangsregelungen mit Konsolidierungshilfen Art. 143d I 2 erster Hs. GG regelt, dass die Schuldenregelungen der Art. 109, 115 GG erstmals für das Haushaltsjahr 2011 anzuwenden sind. Die Länder dürfen dabei gem. Art. 143d I 3 GG noch „bis zum 31. Dezember 2019 nach Maßgabe der geltenden landesrechtlichen Regelungen“ abweichend von Art. 109 III GG Kredite aufnehmen. Allerdings sind ihre Haushalte bis dahin so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgaben des Art. 109 III 5 GG erfüllt werden und somit keine Einnahmen aus Krediten mehr zugelassen werden (Art. 143d I 4 GG). Dem Bund wird noch bis zum 31. Dezember 2015 eine Übergangsfrist eingeräumt, in der er die 199  M. Rossi/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 171 (186 ff.) fordert, den nur aus Minister bestehenden Stabilitätsrat noch um entsprechende Sachverständige zu ergänzen. 200  Dies begrüßend S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (735). 201  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (735 (Fn. 40)) weist zutreffend darauf hin, dass § 2 S. 2 StabiRatG im Gesetz überflüssig ist, denn während der dort geregelte Verweis auf weitere Aufgaben in der Verfassung zumindest den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers vorgibt, besagt er so nichts anderes, als dass das Gesetz geändert werden kann.

174

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Einschränkung der strukturellen Verschuldungskomponente i. S. v. Art. 115 II 2 GG noch nicht einhalten muss (Art. 143d I 5 GG). Ab 2016 gilt der Art. 115 GG jedoch ohne Einschränkung, wobei mit dem Abbau des Defizits bereits im Haushaltsjahr 2011 begonnen werden sollte (Art. 143 d I 5 und 6 GG)202. Außerdem gewährt Art. 143d II, III GG zusätzliche Konsolidierungshilfen für einzelne Länder mit derzeit schwierigen Haushaltssituationen203. Die Einzelheiten werden im Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen (Konsolidierungshilfengesetz – KonsHilfG) konkretisiert204. Demnach sollen die Konsolidierungshilfen aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 800 Millionen Euro den Ländern Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein helfen, die Vorgabe strukturell ausgeglichener Haushalte bis zum Jahr 2020 einzuhalten (§ 1 I KonsHilfG)205. Diese Hilfen sind gem. § 2 KonsHilfG materiell an entsprechende Konsolidierungserfolge mit Tilgungsvorgaben gebunden (Abs. 1), welche einer Kontrolle durch den Stabilitätsrat unterliegen (Abs. 2 und 3). 5. Zwischenergebnis Die Föderalismusreform II nimmt grundlegende Veränderungen mit der Neuregelung der Verschuldungsbegrenzung in Art. 109 III, 115 GG vor, indem sie das Gebot eines ausgeglichenen Haushalts vorgibt und das Konzept der Investitionsbindung aufgibt206. In der Gesamtbetrachtung zeigt sich, dass sich die neue Finanzverfassung an den Grundlinien des „close-tobalance-Grundsatzes“ des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts207 orientiert208. Dabei gelten für Bund und Länder trotz einer gewissen Über202  Zwar konnte im Jahr 2011 noch keine Nullverschuldung ausgewiesen werden, zumindest sank die Nettokreditaufnahme aber deutlich auf 17,3 Mrd. Euro, nach M. Schäfers, Nettokreditaufnahme sinkt auf 17,3 Milliarden Euro, FAZ 12.01.2012. 203  Dabei entsprechen im Ergebnis die Regelungen zur Vorbeugung und Bewältigung von Haushaltskrisen den vom BVerfG gestellten Forderungen, BVerfGE, 116, S. 327 (393 f.); ausführlich zu den Ursprüngen und Motiven der Konsolidierungshilfen: S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (733 f.). 204  Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform, vom 10.08.2009, BGBl. I 2009, S. 2702 (2705). 205  Gem. Art. 143d II 2 GG sollen von den 800 Millionen Euro Bremen jährlich 300 Mio. Euro, das Saarland 260 Mio. Euro und Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein je 80 Mio. Euro erhalten. 206  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 371. 207  Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstums­ pakt vom 17.06.1997, ABl EG C 236 1997, S. 1. 208  BR-Drs. 262/09, S. 22; in diesem Sinne auch S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (729) und C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (723).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung175

gangszeit klare deutliche Vorgaben, wann für sie die neue Schuldenbegrenzungsregelung gilt. So hat der Bund ab dem Jahr 2016 die Vorgaben aus Art. 109 III, 115 GG mit der Begrenzung der strukturellen Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des BIP bis auf die ausdrücklich genannten Ausnahmen einzuhalten. Für die Länder gilt grundsätzlich ab dem Jahr 2020 unmittelbar das Verbot einer strukturellen Neuverschuldung gem. Art. 109 III 1 GG, ohne dass es hierfür eines Umsetzungsaktes bedarf. II. Bewertung der Neuregelung auf Bundesebene Betrachtet man die Defizite der alten Schuldenbegrenzungsregelung und führt man sich die veranschlagten Ziele der Föderalismuskommission vor Augen, so kann man die neue Schuldenbegrenzungsregelung im Grundgesetz zumindest als Fortschritt bezeichnen. 1. Fortschritte durch Berücksichtigung des Haushaltsvollzugs und des Wegfalls der Ausnahmeregelung für Sondervermögen Positiv fällt vor allem ins Gewicht, dass Maßnahmen gegen die stete Diskrepanz der alten Schuldenbegrenzungsregelung zwischen Haushaltsplan und Haushaltsvollzug vorgenommen wurden. Damit wird einer der Hauptkritikpunkte der alten Schuldenbegrenzungsregelung behoben209. Mit der Einführung des Kontrollkontos wird nun sichergestellt, dass eine negative Abweichung des Haushaltsvollzugs vom Haushaltsplan zumindest verzeichnet und festgestellt wird. Mit der Kopplung der Tilgung dieses Kontrollkontos an eine entsprechend reduzierte Ermächtigung zur strukturellen Neuverschuldung wird der Haushaltsgesetzgeber angehalten sein, größere Abweichungen zugunsten zukünftiger Haushaltsplanungen zu vermeiden. Bedauerlicherweise ist dieses Anreizsystem aufgeweicht, indem eine Tilgung des Kontrollkontos auf die Jahre einer positiven Veränderung der Produktionslücke beschränkt wurde (§ 7 III letzter Hs. Artikel-115-Gesetz). Außerdem ist nicht ersichtlich, warum diese Einschränkung der Ermächtigung zur strukturellen Neuverschuldung erst eintreten soll, wenn das negative Saldo des Kontrollkontos bereits auf 1 Prozent des BIP angewachsen ist. Hier hätten dem Haushaltsgesetzgeber noch strengere Vorgaben zur Tilgung des Kontrollkontos gemacht werden können. Positiv fällt auf, dass einer der maßgeblichen Verschuldungsfaktoren in Form von Sondervermögen gestrichen wurden. Schließlich haben Sondervermögen des Bundes im Jahr 2011 allein 236 Mrd. Euro oder 11 Prozent 209  Vgl.

1. Teil § 3 A. III. 2. c), S. 153 f.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

der Gesamtschulden des öffentlichen Haushalts ausgemacht210. Damit wurde eines der Schlupflöcher der alten Schuldenbegrenzungsregelung geschlossen, die maßgeblich zum Anstieg der Gesamtverschuldung des öffentlichen Gesamthaushalts seit Ende der 1970er Jahre beigetragen hat. Eine Umgehung der regulären Schuldenbegrenzungsregelung, wie sie sie bisher stattgefunden hat, ist damit im Wesentlichen versperrt. Allerdings sollte das Verbot der Schuldenaufnahme durch Sondervermögen aus Gründen der Transparenz auch auf bereits bestehende Sondervermögen ausgedehnt werden211. Zwar sieht Art. 115 GG nun keine Ausnahmeregelung für die Schuldenaufnahme neuer Sondervermögen vor, jedoch ist problematisch, dass gem. Art. 143d I 2 GG bis zum 31. Dezember 2010 bestehende Sondervermögen davon unberührt bleiben. In diesem Rahmen ist das Budgetrecht des Parlaments auch weiterhin gefährdet, da die bestehenden Sondervermögen dem Träger des jeweiligen Nebenhaushalts auch weiterhin freie Hand bei der Schuldenaufnahme lassen. 2. Defizite durch bestehende Schlupflöcher, Auslegungsschwierigkeiten, unzureichende Kontrolle und den langen Übergangszeitraum a) Die Ausgrenzung anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften Nach der Formulierung des Art. 109 III 1 GG bezieht sich die Schuldenbegrenzungsregelung nur auf die „die Haushalte von“ Bund und Ländern. Sozialversicherungen und Kommunen werden in Art. 109 III GG nicht erwähnt. Auch in der Gesetzesbegründung wird eine Einbeziehung der Defizite der Sozialversicherungen und Kommunen ausdrücklich abgelehnt, da die entstehenden Informationsanforderungen inhaltlich und zeitlich nicht zu erfüllen wären212. Dieser Befund steht jedoch im Gegensatz zu den Vorgaben des Art. 109 II GG und zu den Verpflichtungen, die sich für die Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft ergeben. Nach überwiegender Ansicht wendet sich Art. 109 II GG zwar als Verpflichtungsadressat an Bund und Länder, allerdings bezieht er sich bei der Schuldenbegrenzung auf den öffentlichen Gesamthaushalt und somit auch auf die Verschuldung von Kommunen und Sozialversicherungsträgern213. Während nach Art. 109 II GG die Kreditaufnah210  Gemessen an 2025 Mrd. Euro Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts im nicht öffentlichen Bereich insgesamt (Stand 31.12.2011), StaBA, Finanzen und Steuern – Schulden der Öffentlichen Haushalte 2011, Fachserie 14, Reihe 5, 2012, S. 25. 211  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 370. 212  BT-Drs. 16/12410, S. 10 f. 213  Ausführlich hierzu: 2. Teil § 5 B. I. 2. a), S. 313 ff.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung177

men von Kommunen und Sozialversicherungsträgern bei den Verpflichtungen aus Art. 126 AEUV mit berücksichtigt werden müssen, kann diese bei der nationalen Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 109 III GG außer Acht gelassen werden. Hierin offenbart sich jedoch eine Schwachstelle214 in der Gestalt, dass Bund und Länder sich die Einhaltung der Kreditaufnahmebeschränkungen dadurch erschleichen, dass sie Kostenverlagerungen zu Lasten der Kommunen und Sozialversicherungsträger vornehmen und diese in den Schulden versinken lassen. b) Die Auslegungsbedürftigkeit der kreditreglementierenden Begriffe Schon die alte Schuldenbegrenzungsregelung bereitete Schwierigkeiten bezüglich der Auslegung seiner kreditreglementierenden Formulierungen, vor allem mit Blick auf den Investitionsbegriff und das Vorliegen einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Auch die neue Schuldenbegrenzungsregelung zeichnet sich durch auslegungsbedürftige Begrifflichkeiten aus, die ebenso wie die Vorgängerregelung ausdrücklich für neuere Erkenntnisse und Entwicklungen der Wissenschaften zugänglich sein sollte215. Die damit verbundenen Schwierigkeiten treten deutlich zu Tage bei den auslegungsbedürftigen Verfassungsbegriffen des Art. 109 III 2 GG: der „symmetrischen“ Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der „Normallage“ abweichenden konjunkturellen Entwicklung, die für den Bund in Art. 115 II 3 GG wiederholt werden. Maßgeblich hierbei ist die Auslegung des Rechtsbegriffs der „Normallage“ in Art. 109 III 2 erste Hs. GG sowie Art. 115 II 2 GG. Je nachdem, wie weit man den Begriff der Normallage fasst, fällt die Kreditermächtigung zur Kreditaufnahme bei einer von der „Normallage“ abweichende konjunkturelle Entwicklung größer bzw. kleiner aus216. Dies wiederum ist Maßstab für die „symmetrische“ Berücksichtigung mit der entsprechend dimensionierten Gegenreaktion in wirtschaftlichen Aufschwungphasen. Zwar fand der Formulierung der „Normallage“ im Wortlaut des Grundgesetzes bis zur Föderalismusreform II keinen Niederschlag, gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht diesen Begriff im Zusammenhang mit Art. 115 I 2 GG a. F. verwendet217. Demnach war die „Normallage“ der Gegenbegriff zur so genannten Störungslage, in der auch D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 370. die Ausführungen: 1. Teil § 3 B. I. 2. b) bb), S. 167 f. der Arbeit; gem. § 5 IV 2 Artikel-115-Gesetz soll das gesamte Verfahren regelmäßig unter Berücksichtigung des auf die Volkswirtschaftslehre zielenden Stands der Wissenschaft überprüft und fortentwickelt werden. 216  C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2563). 217  BVerfGE 119, 96 (138); 79, 311 (334). 214  So

215  Vgl.

178

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

eine zusätzliche Verschuldung zulässig war218. Die „Normallage“ war zumindest dann verlassen, wenn es zur „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ kam. Auch der Begriff der „Normallage“ in der Neufassung in Art. 109 III 2 und Art. 115 II 3 GG steht in einem konjunkturellen Zusammenhang und müsste sich nach dem bisherigen Begriffsverständnis an Störungen der wirtschaftlichen Wachstumsraten orientieren219. Eine Störung liegt allerdings nur dann vor, wenn der Wachstumswert erkennbar vom Durchschnitt der zurückliegenden Jahre abweicht220. Entsprechend müsste die „Normallage“ den Regelfall bezeichnen, der sich in einem Korridor von Wachstumsraten bewegt, die in der Vergangenheit normal waren221. Mit dem Artikel-115-Gesetz konkretisiert der Gesetzgeber die „Normallage“ mit dem Kriterium der „Produktionslücke“. Damit definiert § 5 II Artikel115-Gesetz die „Normallage“ aber nur indirekt mit dem Gegenbegriff. So liege eine „von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung“ immer dann vor, „wenn eine Unter- oder Überauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten erwartet wird (Produktionslücke)“. Dadurch wird aber die Ausnahme der „von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung“ zur Regel gemacht. Das ursprüngliche Begriffsverständnis des Bundesverfassungsgerichts von der „Normallage“ wird ins Gegenteil verkehrt, da der Regelfall dadurch praktisch nicht mehr vorkommt. Insgesamt sind die Tatbestände für eine konjunkturell bedingte Kreditaufnahme höchst abstrakt und mittels rechtswissenschaftlich nicht vorgeprägter, dafür aber durch wirtschaftswissenschaftlich überaus voraussetzungsvoller Verweisungsbegriffe mit Blick auf die volkswirtschaftliche Gesamtlage umschrieben worden222. Vor allem bleiben die Kriterien zur Bestimmung der Budgetintensivität und seiner praktischen Anwendung offen223. Die Bestimmung der Konjunkturkomponente ist in ihrer gesetzestextlichen Fassung noch nicht vollzugsfähig und bedarf einer weiteren Konkretisierung224. Gem. Art. 115 II 5 GG ist der Gesetzgeber beauftragt, hierfür ein Ausführungsgesetz zu erlassen, das eine solche Konkretisierung „auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens“ vornimmt. Allerdings ist ein 218  BVerfGE

119, 96 (138). § 5 I Artikel‑115‑Gesetz. 220  C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2563). 221  C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2563). 222  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (724). 223  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (724) verweist vor allem auf die Unklarheiten, ob und in welchem Umfang sich laufende Änderungen des Steuer- und Leistungsrechts auf das maßgebliche Einnahmen- und Ausgabenvolumen auswirken und wie sie gegebenenfalls korrigierend aus den statistischen Daten herauszurechnen sind. 224  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (724). 219  Vgl.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung179

solches Konjunkturbereinigungsverfahren noch nicht rechtsförmlich geregelt, sondern stellt nur eine „komplexe exekutive Praxis unter Zuhilfenahme anspruchsvoller ökonometrischer Berechnungen“ dar225. In § 5 IV 1 Artikel-115-Gesetz wird das Finanz- und Wirtschaftsministerium ermächtigt, „die Einzelheiten des Verfahrens zur Bestimmung der Konjunkturkom­ ponente“ durch Rechtsverordnung festzulegen. Allerdings ist der Gesetz­ gebungsauftrag mit dem Artikel-115-Gesetz nur ansatzweise erfüllt, da er größten Teils unverändert an die Exekutive weitergereicht wird226. Die Exekutive könnte versucht sein, die Prognosefaktoren in § 5 II 2 Artikel115-Gesetz für sich auszunutzen und mit entsprechend großzügigen Annahmen das zu „schätzende“ Produktionspotenzial vom zu „erwartenden“ Bruttoinlandsprodukt regelmäßig abweichen zu lassen, um so „Normallagen“ regelmäßig zu vermeiden. Betrachtet man die Probleme bei der Auslegung, dann ist fraglich, ob die Konkretisierung der „konjunkturellen Normallage“ in § 5 II und III Artikel-115-Gesetz noch verfassungsgemäß ist227 und die Vorgaben für die Einzelheiten des Verfahrens in § 5 IV Artikel-115-Gesetz nicht gegen Art. 80 I 2 GG verstoßen228. Ähnliche Schwierigkeiten bei der Auslegung bereitet die Ausnahmeregelung zur Kreditaufnahme bei „außergewöhnliche[n] Notsituationen“ gem. Art. 109 II 3 GG und Art. 115 II 6 GG. Es ist vor allem zweifelhaft, ob diese Regelung hinreichend inhaltlich bestimmt und gerichtlich überprüfbar ist. Aktuell wird diese Frage im Hinblick darauf, ob auch extreme Haushaltsnotlagen229 oder die jüngste Finanzkrise unter „außergewöhnliche Notsituationen“230 subsumierbar sind. Insgesamt ist die Schuldenbegrenzungsregelung durch die besondere Auslegungsbedürftigkeit der für die Kreditaufnahme maßgeblichen Begrifflichkeiten anfällig für Umgehungsversuche durch den Haushaltsgesetzgeber. Da dem Gesetzgeber hierfür ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, fallen die Justitiabilität und damit die Kontrollierbarkeit der neuen Schuldenbegrenzungsregelung letztlich eher gering aus. 225  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (725) mit der Feststellung, dass es sich bei Art. 115 II 5 GG um einen statischen Verweis handelt, so dass für die Berechnung der zum Zeitpunkt der Verfassungsänderung maßgebliche Bedeutungsgehalt des Konjunkturbereinigungsverfahren entscheidend ist. 226  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (724). 227  C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2563). 228  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (725 (m. w. N. zu Art. 80 I 2 in Fn. 30)); ebenso D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 370. 229  R. Wendt, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 115, Rn.  52 f. 230  J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1336).

180

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

c) Eine Kontrollinstanz ohne Kontrollinstanzen Zur Einhaltung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung wurde gem. Art. 109a  Satz  1  GG ein Stabilitätsrat eingerichtet als eine Art „ ,Frühwarnsystem‘ zur präventiven Vermeidung von Haushaltsnotlagen“231. Positiv fällt auf, dass überhaupt ein entsprechendes Kontrollgremium eingerichtet wurde und dass gem. § 1 IV 3 StabiRatG bei Entscheidungen zumindest die betroffenen Länder nicht stimmberechtigt sind. Insofern wurden hier ausreichende Konsequenzen aus den Erfahrungen mit dem Abstimmungsverhalten auf europäischer Ebene gezogen232. Problematisch ist allerdings, dass es sich beim Stabilitätsrat nach § 1 I StabiRatG um ein rein politisches Gremium handelt, dem nur einzelne Bundesminister und die Finanzminister der Länder angehören. Zwar ist damit die hinreichende demokratische Legitimation gesichert, jedoch hätte man durch die Beteiligung von neutralen politikfernen Sachverständigen233 für ein Mindestmaß an wirtschaftswissenschaftlicher Objektivität sorgen können. Insbesondere Vertreter der Rechnungshöfe hätten mit ihrer Unabhängigkeit und Sachkenntnis bei einer zielführenden Entscheidungsfindung hilfreich sein können234. Zwar besteht durch die Besetzung mit den Bundesministern für Wirtschaft und Finanzen sowie den Finanzministern der Länder die Chance, dass der Stabilitätsrat auf eine konsequente Umsetzung der Schuldenbegrenzungsregelung achtet, nicht zuletzt um drohende Hilfsmaßnahmen in der Zukunft zahlen zu müssen. Gleichwohl birgt die gewählte Konstellation das Risiko in sich, dass die Beteiligten die Überwachung nicht konsequent verfolgen, um sich Vorteile für zukünftige Entscheidungen zu sichern, die sie gegebenenfalls selbst betreffen, getreu dem Motto: „eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“. Noch schwerer fällt ins Gewicht, dass dem Stabilitätsrat keine Befugnisse zur Sanktionierung eines Beteiligten zur Verfügung stehen, wenn dieser die vereinbarten Maßnahmen nur unzureichend umsetzt. Letztlich hat der Stabilitätsrat lediglich die Möglichkeit, öffentlichen und somit politischen Druck 231  C.

Seiler, JZ 2009, S. 721 (726). und Deutschland hatten sich 2002 gegen ein drohendes Defizitverfahren und somit gegen die selbst auferlegten Sanktionsmechanismen gestemmt, vgl. W. D’Inka/B. Kohler/G. Nonnenmacher/F. Schirrmacher/H. Steltzner, Defizit-Verfahren gegen Berlin, Blauer Brief für Paris, 21.01.2003, http://www.faz.net/aktuell/ wirtschaft/eu-finanzminister-defizit-verfahren-gegen-berlin-blauer-brief-fuer-paris189918.html (Zuletzt geprüft am: 10.10.2013); an sich wäre eine frühzeitige Warnung gem. Art. 6 II VO (EG) Nr. 1466/97, vom 7.7.1997, Abl. EG L 209 vom 2.08.1997, S. 1 (7) erforderlich gewesen. 233  So schon M. Rossi/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 171 (171 ff. und 186 ff.). 234  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (735). 232  Frankreich



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung181

auszuüben235. Bei drohenden Haushaltsnotlagen kann der Stabilitätsrat nur Stellung nehmen und nach einem gemeinsamen Beschluss dem jeweiligen Land eine Mahnung aussprechen236. Letztlich kann der Stabilitätsrat wie ein „zahnloser Tiger“ nur fauchen aber nicht ernsthaft zubeißen. Wenn ein Land in eine Haushaltsnotlage abzugleiten droht, können Sanierungsmaßnahmen vereinbart werden. Bleiben diese aber erfolglos, kann gem. § 5 IV 2 StabiRatG nur ein erneutes Sanierungsprogramm entwickelt werden. Es wurde versäumt, Leistungsanreize zur Selbsthilfe zu setzen. Ganz im Gegenteil besteht bei fehlenden Sanierungsbemühungen des betroffenen Landes sogar die Möglichkeit, dass die Hilfsmaßnahmen noch intensiviert werden. Ohne ein gestuftes Sanktionssystem wird der Stabilitätsrat Haushaltsnotlagen letztlich aber nicht eindämmen oder gar vermeiden können237. d) Der lange Übergangszeitraum als Risikofaktor Als zusätzlicher Risikofaktor entfaltet die neue Schuldenbegrenzungsregelung ihre volle Wirkung erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahren. Zwar sollte mit einer Reduzierung der Neuverschuldung gem. Art. 143 d I 5 und 6 GG bereits in Haushaltsjahr 2011 begonnen werden, jedoch kann der Bund noch bis Ende des Jahres 2015 und die Länder können bis Ende des Jahres 2019 von der Neuregelung abweichen. Sowohl Bund als auch Ländern steht ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu, wie sie die Vorgaben der neuen Schuldenbegrenzungsregelung bis zu diesem Zeitpunkt einhalten238. In diesem Übergangszeitraum ist es eher eine Frage des politischen Willens, ob die neuen Schuldenbegrenzungsregelungen tatsächlich eingehalten werden, ohne dass die hierzu getroffenen Maßnahmen ernsthaft justiziabel wären. Es ist fraglich, warum eine sinnvolle Diszipli235  C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (727) vergleicht die dem Stabilitätsrat zur Verfügung stehenden Mittel mit den Handlungsmöglichkeiten, die der Kommission im Rahmen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zukommen (der sogenannte „Blaue Brief“). S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (735) kritisiert die Reaktionsmöglichkeiten sogar als unzureichend und sieht „das Konzept des Stabilitätsrates letztlich leerlaufen“. 236  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (735). 237  So sieht S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (735) das „Konzept des Stabilitätsrates letztlich leerlaufen“. Daher schlägt er für einen wirksamen Stabilitätsrat ein Stufensystem der kritischen Haushaltslagen vor, in dem als letzte Folge eine automatische Sanktion für notorische Kreditsünder vorgesehen ist, die nicht aus einer Strafzahlung besteht, sondern aus einer obligatorischen Erhöhung der Einkommens- und Körperschaftssteuer. 238  Ausführlich zu den rechtlichen Konsequenzen für die Länder mit und ohne Konsolidierungshilfen: 1. Teil § 3 C. III., S. 202 ff.

182

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

nierung des Haushaltsgesetzgebers nicht sofort umgesetzt werden soll239. Der Blick auf den weit bemessenen Zeithorizont zur Umsetzung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung ist schon deshalb bedenklich, da möglicherweise die im Übergangszeitraum Schulden verursachende Politikergeneration schon nicht mehr in der Verantwortung steht, wenn die neue Schuldenbegrenzungsregelung ab dem Jahr 2016 für den Bund und ab dem Jahr 2020 für die Länder gilt. Warum sollten die jetzigen Akteure nicht von ihren eigenen Regeln sofort betroffen sein240? Der lange Übergangszeitraum ist vor allem ein Zugeständnis an die tatsächliche Umsetzbarkeit der Einschränkung der Neuverschuldung der Haushalte von Bund und Ländern. Insofern ist es umso wichtiger, der Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen, welche Bedeutung eine Reduzierung der Neuverschuldung schon jetzt für die Realisierung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung hat. Letztlich ist die Einleitung eines „kontrollierten Bremsmanövers“ in Form von konstantem Schuldenabbau weniger risikoreich als eine „Vollbremsung“, bei der auch immer droht, dass man nicht rechtzeitig zum Stillstand kommt.

C. Schuldenbegrenzungsregelungen in den Ländern Da die Kommunen finanzverfassungsrechtlich den Ländern zugeordnet sind, ist es erforderlich, auch ihre Regelungen zur Schuldenbegrenzung mit in den Blick zu nehmen (I.). Insbesondere ist zu untersuchen, wie sich die Schuldenbegrenzungsregelungen der Länder in die Normenhierarchie des Europarechts und des Bundesrechts einfügen (II.). Daraus ergibt sich der Maßstab, um die Durchschlagskraft der landesrechtlichen Normen zur Kreditbegrenzung zu prüfen (III). Als ungeschriebener Ausnahmetatbestand zur Kreditaufnahme muss zudem noch der Sonderfall der „extremen Haushaltsnotlage“ betrachtet werden (IV.), um die Schuldenbegrenzungsregelungen auf Länderebene abschließend bewerten zu können (V.). I. Normative Bestandsaufnahme der Schuldenbegrenzungsregelungen der Länder Die Länder nehmen ebenso wie der Bund Kredite zur Bedarfsdeckung und wirtschaftspolitischen Lenkung auf241. Zwar gab es bisher weder im Grundgesetz noch in den Landesverfassungen eine ausdrückliche Ermächtigung zur Kreditaufnahme, es gab jedoch sowohl in Art. 109 IV 1 Nr. 1 GG 239  S. Korioth,

JZ 2009, S. 729 (735). JZ 2009, S. 729 (736). 241  Zu den folgenden Details bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (13). 240  S. Korioth,



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung183

a. F. als auch in den Landesverfassungen Kreditbegrenzungsregelungen, die diese Möglichkeit auch für die Länder zumindest als prinzipiell zulässig voraussetzten. Inzwischen wurde Art. 109 IV 1 Nr. 1 GG a. F. durch die Föderalismusreform II beseitigt. Nun sind die Haushalte von Bund und Ländern gem. Art. 109 III 1 GG n. F. „grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“. Allerdings setzen sowohl die Ausnahmeregelungen der Art. 109 III 2 bis 5 GG als auch die inzwischen teilweise angepassten Landesregelungen voraus, dass Kreditaufnahmen auch weiterhin zumindest, wenn auch nur unter Ausnahmebedingungen, zulässig sind. Im besonderen Maße ist damit die Begrenzung der Kreditaufnahme als Ausnahmeregelung auch für die Länder in den Mittelpunkt gerückt242. Die Kreditaufnahmeregelungen auf Landesebene lassen sich grob in drei Gruppen unterteilen243. Die Länder der ersten Gruppe, namentlich Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein haben ihre Verfassungen nun ausdrücklich dahingehend geändert, dass sich ihre Kreditaufnahmegrenzen an den neuen und strengeren Verschuldungsregelungen des Grundgesetzes durch die Föderalismusreform II orientieren244. Die Länder der zweiten Gruppe haben zwar noch keine strikte Verschuldungsbegrenzung im Sinne der Föderalismusreform II in ihren Landesverfassungen integriert, dafür haben sie aber zumindest in ihren Landeshaushaltsordnungen strengere einfachgesetzliche Regelungen zur Kreditaufnahme eingeführt245. Der dritten Gruppe lassen sich die übrigen Länder zuteilen, die bisher weder in ihrer Landesverfassung noch in ihrer Landeshaushaltsordnung eine strikte Schuldenbegren242  K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 96, sieht die Frage der Begrenzung der Kreditaufnahme auch schon zeitlich vor der Föderalismusreform II in den Mittelpunkt gerückt. 243  Zur entsprechenden Einteilung bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (13). 244  Siehe Art. 82 BayVerf (Gesetz zur Änderung der BayVerf – Schuldenbremse, welchen am 15.09.2013 durch Volksentscheid zugestimmt wurde, Drs-BayLT 16/17358); Art. 131a BremVerf; Art. 72, 72a HmbVerf; Art. 141, 161 HessVerf; Art. 65 II, 79a MVVerf; Art. 117 I RhPfVerf; Art 94 II, 95 SächsVerf. 53, 59a SHVerf; zusätzlich befinden sich entsprechende Regelungen auch in § 18 (bzw. in Bayern in Art. 18) der jeweiligen LHO, so beispielsweise in Bayern seit dem 01.01.2006, BayGVBl 2000, S. 942; in Sachsen seit dem 01.01.2009, SächsGVBl 2008, S. 866; auch Hamburg hat bereits seit 2007 eine strengere Kreditaufnahme­ regelung in der Landeshaushaltsordnung, die allerdings erst am 01.01.2013 in Kraft getreten ist, HmbGVBl 2007, S. 173 (Artikel 3). 245  Entsprechende Regelungen finden sich in § 18 der jeweiligen LHO: in BadenWürttemberg, seit dem 01.01.2011, BWGVBl 2007, S. 105 ff.; in Sachsen-Anhalt seit dem 17.12.2010, GVBlLSA 2010, S. 564; in Thüringen seit dem 08.08.2009, ThürGVBl 2009, S. 604.

184

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

zungsregelung aufgenommen haben. In dieser Gruppe orientiert sich die Kreditaufnahmegrenze weiterhin an der Summe der für Investitionen veranschlagten Ausgaben, wobei Ausnahmen zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig sind246. Der textliche Befund der staatsschuldenrechtlichen Regelungen der Länder zeigt, dass auf Bund- und Länderebene in diesem Bereich auch schon vor der Föderalismusreform II gewisse Verknüpfungen bestanden, die sich in Übereinstimmungen von Wortlaut und Systematik widerspiegeln247. So orientieren sich die verfassungsrechtlichen Verschuldungsregelungen einiger Länder248 noch immer an der ursprünglichen Formulierung des Art. 115 I 2 GG a. F. aus dem Jahr 1969249. Eine Sonderrolle nehmen hier die noch bis zum 31.12.2019 geltenden Fassungen250 der Bayerische Verfassung und der Hamburger Verfassung ein, deren landesverfassungsrechtliche Kreditauf­ nahmeregelungen sogar noch an der objektbezogenen Formulierung251 des ursprünglichen Art. 115 S. 1 GG a. F. aus dem Jahr 1949252 festhalten.

246  Art. 87 II BlnVerf; Art. 103 I 2, 3, II BbgVerf; Art. 71 NdsVerf; Art. 83 VerfNRW; Art. 108 SaarlVerf; entsprechende Konkretisierungen finden sich zudem in § 18 der jeweiligen LHO. 247  H. Neidhardt, Staatsverschuldung, 2010, S. 74. 248  Entsprechende Übereinstimmungen im Wortlaut bestehen zumindest bezüglich der Kreditobergrenze, die sich am Investitionsbegriff orientiert, noch in: Art. 84 S. 2 BWVerf; Art. 87 II BlnVerf; Art. 103 I 2 BbgVerf; Art. 83 VerfNRW; Art. 108 Saarl­ Verf; Art. 99 LSAVerf; Art. 98 II ThürVerf. 249  In der Fassung vom 13./15.05.1969, 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, vom 12. Mai 1969, BGBl. 1969, S. 357 f.; M. Kloepfer/M. Rossi, VerwArch 94 (2003), S. 319 (323); D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 322. 250  In Bayern gilt die Fassung noch bis zum Inkraftreten der neuen Fassung des Art. 82 BayVerf am 01.01.2020, vgl. Gesetz zur Änderung der BayVerf – Schuldenbremse, Bay LT-Drs. 16/17358, Art. 4 § 2, S. 2. In Hamburg gilt diese Fassung nur noch eingeschränkt, vorbehaltlich der Übergangsregelung des Art. 72a HmbVerf, bis zum 31.12.2019. Am 04.07.2012 wurde mit der Neufassung des Art. 72 I HmbVerf auch in Hamburg eine strikte Schuldenbegrenzungsregelung eingeführt, die ab dem 01.01.2020 in Kraft tritt, HmbGVBl. 2012, S. 253 f. 251  Auch wenn die Formulierungen sich noch an der reinen objektbezogenen Deckungsregel orientieren, so wird ihnen heute zumindest auch eine situationsbezogene Interpretation zuerkannt, HmbVerfG, DÖV 1985, 456; dem zustimmend K. David, Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg – Kommentar, 2. Auflage, 2004. 252  Entsprechend der Fassung des Grundgesetzes vom 23.05.1949, BGBl. 1949, S. 1.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung185 Tabelle 1 Kreditaufnahmeregelungen der Länder Länder ohne strikte Schuldenbegrenzungsregelungen Land

Landesverfassung

Berlin

Art. 87 II 1 und 2 BlnVerf

Brandenburg

Art. 103 I 2 und 3 BbgVerf

Niedersachsen

Art. 71 S. 2 und 3 NdsVerf

NordrheinWestfalen

Art. 83 S. 2 VerfNRW

Saarland

Art. 108 II SaarlVerf

Länder mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung in der Haushaltsordnung Land

Landesverfassung (ohne strikte Schulden­ begrenzungsregelung)

Haushaltsordnung (mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung)

Baden-Württ.

Art. 84 S. 2 BWVerf

§ 18 I BWHO

Sachsen-Anhalt

Art. 99 II, III LSAVerf

§ 18 I LSAHO

Thüringen

Art. 98 II 2 und 3 ThürVerf § 18 I ThürHO

Länder mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung in der Landesverfassung Land

Neuregelung Landesverfassung

Übergangsregelung /  Inkrafttreten

Bayern

Art. 82 I BayVerf

In Kraft ab dem 01.01.2020.

Bremen

Art. 131a BremVerf

In Kraft seit dem 30.01.2015, wobei gem. § 131b BremVerf bis zum Ablauf des Haushaltsjahres 2019 Abweichungen im Rahmen der gemäß Artikel 143d II GG übernommenen Konsolidierungsverpflichtung zulässig sind.

Hamburg

Art. 72 I HmbVerf

In Kraft ab dem 01.01.2020.

Hessen

Art. 141 HessVerf

Gem. Art. 161 HessVerf gilt die Neuregelung erst ab 01.01.2020, wobei der Abbau des bestehenden Defizits im Haushaltsjahr 2011 beginnt und die Haushalte so aufzustellen sind, dass der Haushalt 2020 ohne Kredite auszugleichen ist. (Fortsetzung S. 186)

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

(Fortsetzung Tabelle 1) Länder mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung in der Landesverfassung Land

Neuregelung Landesverfassung

Übergangsregelung /  Inkrafttreten

MecklenburgVorpommern

Art. 65 II n. F. MVVerf

Gem. Art. 79a MVVerf in Kraft ab 01.01.2020, bis Ende 2019 gilt Art. 65 II 1 bis 3 a. F., wobei die Haushalte seit 2012 so aufzustellen sind, dass die Vorgaben der Neufassung ab 2020 erfüllt werden können.

RheinlandPfalz

Art. 117 I RhPfVerf

Gem. Art. 2 Gesetz zur Änderung des Art. 117 ist die Neuregelung erstmals 2012 anzuwenden, wobei davon nach Maßgabe der Altregelung abgewichen werden darf. Die Haushalte sollen so aufgestellt werden, dass ein jährlicher Abbau des strukturellen Defizits stattfindet und spätestens 2020 die Vorgaben der Neuregelung erfüllt werden.

Sachsen

Art. 95 SächsVerf

In Kraft seit dem 01.01.2014.

SchleswigHolst.

Art. 53 I bis III SHVerf

Gem. Art. 59a I SHVerf können bis 2019 Kredite bis zu einer gewissen Obergrenze aufgenommen werden. Die Obergrenze bemisst sich ab 2011 danach, indem das strukturelle Finanzierungsdefizit 2010 (Ausgangswert) um ein Zehntel und in den Folgejahren die Obergrenze des Vorjahres jeweils um ein Zehntel verringert wird

1. Länder mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung in der Verfassung Die Länder Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein haben in ihren Verfassungen strikte Grenzen zur Kreditaufnahme mit entsprechenden Übergangsregelungen aufgenommen. Ihre Regelungen orientieren sich an den neuen und strengeren Verschuldungsregelungen des Grundgesetzes seit der



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung187

Föderalismusreform II253. Sie haben nun ausdrücklich verfassungsrechtlich verankert, dass ihre Haushalte bzw. ihre Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen sind254. Allerdings gelten für die Anwendung der strikteren Regelungen in den Übergangsvorschriften jeweils zeitliche Besonderheiten255. So soll die strengere Verschuldungsbegrenzungsregelung in Bayern und in MecklenburgVorpommern erst ab dem 01.01.2020 in Kraft treten bzw. in Hessen erst im Haushaltsjahr 2020 angewendet werden256. Dabei sind ihre Haushalte in Zukunft jeweils so aufzustellen, dass diese ab dem Jahr 2020 ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind257. Auch in Hamburg tritt die strikte Schuldenbegrenzungsregelung erst am 01.01.2020 in Kraft, allerdings sind gem. Art. 72a HmbVerf bereits seit ab dem Haushaltsjahr 2013 die jährlichen Haushaltspläne mit einem kontinuierlichen Abbau des strukturellen Defizits so aufzustellen, dass spätestens mit Ablauf des Haushaltsjahres 2019 die Vorgaben der strikten Schuldenbegrenzungsregelung erfüllt werden258. In Rheinland-Pfalz hingegen tritt die strengere Verschuldungsregelung unmittelbar am Tage nach der Verkündung in Kraft und soll erstmals für das Haushaltsjahr 2012 angewendet werden259. Allerdings darf dort bis Ende 2019 von den neuen und strikteren Verschuldungsregelungen abgewichen werden, wobei der Grundsatz der Nullverschuldung im Haushaltsjahr 2020 erfüllt werden muss und das strukturelle Defizit ab dem Haushaltsjahr 253  So bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (14), allerdings noch ohne Berücksichtigung der Verfassungsänderungen in Bayern, Bremen, Hamburg und Sachsen. 254  Siehe die Neufassungen der: Art. 82 BayVerf; Art. 72 HmbVerf; Art. 141 I HessVerf; Art. 65 II, 79a MVVerf; Art. 117 I RhPfVerf; Art. 94 II, 95 SächsVerf; Art. 53 SHVerf. 255  Während in Bayern die Neuregelung erst am 01.01.2020 in Kraft tritt, gilt die neue Fassung in Sachsen bereits ab dem 01.01.2014. Eine entsprechende Darstellung der übrigen strikten Schuldenbegrenzungsregelungen bereits in C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/ Thye, 2012, S. 11 (14). 256  Dies ergibt sich in Bayern aus § 2 des Art. 4 des Gesetzes zur Änderung der BayVerf – Schuldenbremse, vgl. Bay LT-Drs. 16/17358, S. 2; in Mecklenburg Vorpommern aus Art. 79a MVVerf; in Hessen aus Art. 161 HessVerf. 257  Der Abbau des bestehenden Defizits war in Hessen gem. Art. 161 S. 2 und 3 HessVerf bereits im Haushaltsjahr 2011 einzuleiten und in Mecklenburg Vorpommern waren die entsprechenden Schritte gem. Art. 79a MVVerf ab dem Haushaltsjahr 2012 vorzunehmen. 258  Art. 72a HmbVerf, GVBl. 2012, S. 253 f. 259  37. Landesgesetz zur Änderung der Verfassung von Rheinland-Pfalz, vom 23.12.2010 (verkündet am 30.12.2010), GVBl. 2010, S. 547, Art. 2.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

2011 regelmäßig abgebaut werden soll260. Auch in Schleswig-Holstein tritt die strengere Verschuldungsregelung am Tag nach seiner Verkündung in Kraft261. Dabei wurde in Schleswig-Holstein mit Art. 59a I SHVerf eine besonders detaillierte Übergangsregelung getroffen262. So kann vom Grundsatz der Nichtkreditaufnahme ab dem Jahr 2011 bis zum Jahr 2019 unter Beachtung näher bestimmter Obergrenzen abgewichen werden (S. 2 und 3)263. In Sachsen trat die strikte Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 95 SächsVerf unmittelbar am 01.01.2014 in Kraft264. In Bremen ist die strikte Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 131a BremVerf seit dem 30.01.2015 in Kraft getreten265. Allerdings sind gem. § 131b BremVerf bis zum Ablauf des Haushaltsjahres 2019 Abweichungen im Rahmen der gemäß Art. 143d II GG übernommenen Konsolidierungsverpflichtung zulässig. 2. Länder mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung in der Haushaltsordnung Die Länder Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben zwar keine strikte Schuldenbegrenzungsregelung in ihrer Landesverfassung normiert, dafür finden sich strikte Grenzen der Kreditaufnahme in § 18 ihrer jeweiligen Landeshaushaltsordnungen266. Dabei haben fast alle Landeshaushaltsordnungen mit strikter Schuldenbegrenzungsregelung den gleichen Wortlaut in Abs. 1 (mitunter noch Satz 1) wonach der „Haushaltsplan […] ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“ ist. Lediglich in BadenWürttemberg weicht der Wortlaut ab, denn dort wird ein „grundsätzlicher“ Verzicht auf Einnahmen aus Krediten verlangt267. 260  GVBl.

2010, S. 547, Art. 2. zur Änderung der Landesverfassung, vom 22.07.2010 (verkündet am 26.08.2010), GVBl 2010, S. 550, Art. 2. 262  GVBl. 2010, S. 550, Art. 1 Abs. 3. 263  Dabei errechnete sich die Obergrenze für das Jahr 2011 aus dem Finanzierungsdefizit des Jahres 2010 verringert um ein Zehntel (S. 3). Die Obergrenze in den Folgejahren errechnet sich, „indem die Obergrenze des Vorjahres jeweils um ein Zehntel des Ausgangswertes verringert wird“ (S. 4). Hierfür muss die Landesregierung dem Landtag eine jährlich fortzuschreibende Planung zum Abbau des strukturellen Finanzierungsdefizits vorlegen (Art. 59a II SHVerf). 264  Vgl. Gesetz zur Änderung der SächsVerf (Verfassungsänderungsgesetz), GVBl. 2013, S. 502, Art. 2. 265  Vgl. Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 27. Januar 2015. GVBl. 2015, S. 23 ff. 266  Ausführlich zum Folgenden bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (14 f.). Zu den Fundstellen der einzelnen Landeshaushaltsordnungen vgl. Fn. 246 dieser Arbeit. 261  Gesetz



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung189

Die maßgeblichen Unterschiede finden sich in den Ausnahmen, nach denen Kreditaufnahmen entgegen der Regel des Kreditaufnahmeverbots zulässig sind. In Sachsen-Anhalt und Thüringen ist eine Abweichung vom grundsätzlichen Kreditaufnahmeverbot bei „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die Finanzlage des Landes erheblich beeinträchtigen“268, erlaubt. Zusätzlich wird in Sachsen-Anhalt eine Kreditaufnahme gem. § 18 II Nr. 1 LSAHO bei „einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung, die die Finanzlage des Landes nicht nur unerheblich beeinträchtigt, bis zum Ausgleich der konjunkturell bedingten Einnahmeausfälle“ zugestanden. Hingegen sind in Thüringen gem. § 18 II Nr. 1 ThürHO zusätzlich Einnahmen aus Krediten zum Ausgleich in der Höhe zulässig, wenn die Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen nach Art. 107 I 1 und 2, II 1 und 2 GG im Dreijahresdurchschnitt der vorangegangenen Jahre lagen. 267

In Baden-Württemberg kann vom Abbau der Neuverschuldung gem. § 18 III und IV BWHO zumindest bis einschließlich des Haushaltsjahres 2019 „bei einer von der Normallage abweichenden Entwicklung der Nettosteuereinnahmen des Landes Baden-Württemberg“269 und „zum Ausgleich eines negativen Saldos aus der Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen (Finanztransaktionskomponente)“ abgewichen werden. Zudem ist über das Jahr 2019 hinaus gem. § 18 VI BWHO eine 267  Bayern hat zwar nun auch mit Art. 95 BayVerf n. F. eine strikte Schuldenbegrenzungsregelung, der Wortlaut des Art. 18 BayHO weicht aber noch insofern von den übrigen Regelungen der LHO ab, dass dort der Haushaltsplan „regelmäßig“ ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden „soll“. Ausführlich zur Umsetzung einer Schuldenbegrenzungsregelung in der BWVerf aus finanz- und rechts­ wissenschaftlicher Perspektive: H. Enderlein/F. Jobst/G. F. Schuppert/R. Geißler/ F. Meinel/C. v. Müller, Gutachten zur Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Baden-Württemberg, 31.05.2012. 268  Während in Sachsen-Anhalt gem. § 18 II Nr. 2 LSAHO das bloße Vorliegen der außergewöhnlichen Notsituation ausreicht, muss in Thüringen die Kreditaufnahme gem. § 18 II Nr. 2 ThürHO zusätzlich dem daraus resultierenden außerordent­ lichen Finanzbedarf dienen. 269  Vgl. § 18 III BWHO, demnach sind die Auswirkungen der Steuerschwankungen auf den Haushalt wirkungsgleich zu berücksichtigen (Steuerschwankungskomponente). Eine positive Steuerschwankungskomponente vergrößert, eine negative Steuerschwankungskomponente verringert den Abbauschritt. Die Steuerschwankungskomponente ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den Nettosteuereinnahmen und dem langfristigen Nettosteuereinnahmeniveau (Trendsteuereinnahmen). Die Trendsteuereinnahmen des Jahres 2011 werden in Höhe der Ist-Nettosteuereinnahmen des Jahres 2011 festgelegt. Für die Folgejahre werden die Trendsteuereinnahmen eines Haushaltsjahres entsprechend dem Produkt der Trendsteuereinnahmen des Vorjahres und der durchschnittlichen Wachstumsrate der Nettosteuereinnahmen der letzten 30 Jahre ermittelt.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

erhöhte Kreditaufnahme270 „bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Landes Baden-Württemberg entziehen und dessen Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, zulässig271. 3. Länder mit einer am Investitionsbegriff orientierten Schuldenbegrenzung In Anlehnung an die Reform des Grundgesetzes der Jahre 1967 und 1969 haben die übrigen Länder, namentlich Berlin, Brandenburg, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland, ihre objektgruppenbezogenen272 Verschuldungsregelungen beibehalten273. So darf in der Regel die Krediteinnahme die Höhe der Summe der Investitionsausgaben nicht überschreiten274, wobei in Ausnahmefällen eine Abweichung von dieser Regel275 grundsätzlich möglich ist. 270  Maßstab für die Baden-Württembergische Begrenzung der Kreditaufnahme ist dabei im Grundsatz die Höhe der Gesamtverschuldung am Kreditmarkt am 31.12.2007, welche gem. § 18 I 2 BWHO nicht dauerhaft überschritten werden soll, wenn nicht gem. § 18 III BWHO entsprechende Ausnahme vorliegen. 271  Dies entspricht auch dem Regelungscharakter des § 18 III SächsHO. Allerdings bedarf es eines Rückgangs der Steuereinnahmen des Landes um mindestens drei Prozent gegenüber dem Vorjahr (§ 18 III 1 Nr. 1 SächsHO). Maßstab für die Sächsische Begrenzung der Kreditaufnahme ist dabei im Grundsatz die Höhe der Gesamtverschuldung des im Haushaltsabschluss 2008 festgestellten Betrags, welcher gem. § 18 I 2 SächsHO nicht überschritten werden darf, solange nicht § 18 III SächsHO entsprechende Ausnahmen vorliegen. 272  Ausführlich zur Zuordnung der Verschuldungsregelungen des Grundgesetzes als objekt- bzw. objektgruppenbezogen, siehe bereits: § 3 A. II. 3. b), S. 144 ff. der Arbeit. 273  Ausführlich zu den folgenden Details bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (16 f.) In Niedersachsen ist ein Entwurf für eine Verschuldungsregelung ab dem Jahr 2017 auf den Weg gebracht worden, aber bisher am Fehlen der erforderlichen Mehrheit gescheitert, Nds. LT-Drs. 16/3748; zum dortigen Stand der Vereinbarungen und Planung einer Schuldenbremse durch die rot-grüne Koalition: H.-G. Henneke, Der Landkreis 2013, S. 312 (343). 274  Siehe: Art. 87 II BlnVerf; Art. 103 I 2 f., II BbgVerf; Art. 71 NdsVerf; Art. 108 SaarlVerf; eine besondere Formulierung wurde in Art. 83 NRWVerf gewählt, wonach die Kreditaufnahmen „entsprechend den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ in der Regel nur bis zur Höhe der Summe der Investitionsausgaben in den Haushaltsplan eingestellt werden. Dies wird allerdings in § 18 I 2 erster Hs. NRWHO in der Weise konkretisiert, dass das „Erfordernis des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“, wie in den landesverfassungsrechtlichen Regelungen der übrigen Bundesländer auch, als Ausnahmeregelung verstanden werden kann; in diesem Sinne auch K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 112 f. m. w. N. 275  Ähnlich H. Neidhardt, Staatsverschuldung, 2010, S. 75, die die gemeinsame Struktur mit „Normallage“ und „Ausnahmefall“ beschreibt.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung191

Auch hier gestalten sich die Ausnahmeregelungen in den Landesverfassungen unterschiedlich. So ist in Berlin und Nordrhein-Westfalen eine Überschreitung der Kreditaufnahme nur zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig276. In Niedersachsen und dem Saarland gibt es neben der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zusätzliche Ausnahmetatbestände. So ist in Niedersachsen gem. Art. 71 S. 3 lzt. Hs. NdsVerf. eine Kreditaufnahme zusätzlich „zur Abwehr einer akuten Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen“ gestattet. Im Saarland ist gem. Art. 108 II 2 lzt. Hs. SaarlVerf eine Kreditaufnahme auch „bei Vorliegen eines außerordentlichen Bedarfs“ zulässig. Hingegen wird in Brandenburg die Ausnahmeregelung für die Kreditaufnahme, gemessen an den übrigen landesverfassungsrechtlichen Regelungen, am weitesten eingeschränkt. So bezieht sich die Ausnahmeregelung gem. Art. 103 I 3 i. V. m. Art. 101 I BdbVerf zwar auch auf die „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“, allerdings mit der Einschränkung, dass die Kreditaufnahme „dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gegenwärtiger und künftiger Generationen Rechnung zu tragen“ hat. II. Der Einfluss der Normenhierarchie auf die Schuldenbegrenzungsregelungen Welche Bedeutung die landesrechtlichen Regelungen zur Kreditaufnahme tatsächlich haben, wird deutlich, wenn man sich das Zusammenspiel von Europa-, Bundes- und Landesrecht im Hinblick auf die Normenhierarchie sowie die bundesrechtlichen Beschränkungsmöglichkeiten der Haushalts­ autonomie der Länder im Detail vergegenwärtigt277. 1. Die europarechtlichen Überlagerungen durch Art. 109 II, V GG In der Neuregelung des Art. 109 II GG wurden die bisherigen Vorschriften des Art. 109 V 1 GG a. F. und des Art. 109 II GG a. F. in einem Satz zusammengefügt278. Art. 109 V GG enthält weiterhin die Regelung, mit welchen prozentualen Anteilen Bund und Länder die Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union finanzielle zu tragen haben279. Grundsätzlich ent276  Siehe Art. 103 I 3 BbgVerf; Art. 83 S. 2 lzt. Hs. VerfNRW i.  V. m. § 18 I LHONRW. 277  So schon C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (17). 278  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 23. 279  Hierzu und zu den entsprechenden Details bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (17 f.).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

falten die betreffenden Regelungen aufgrund des Vorranges des Unionsrechts unabhängig von ihrer Normierung im Grundgesetz eine verbindliche Wirkung280. Allerdings stehen die innerstaatlichen Kreditbegrenzungsvorschriften und die europarechtlichen Vorgaben auf Grund der unterschiedlichen Regelungsgegenstände nebeneinander und müssen kumulativ beachtet werden281. Die europäischen Regelungen genießen zumindest keinen normativen Vorrang vor den innerstaatlichen Kreditbegrenzungsvorschriften282. 2. Die Einflüsse des Homogenitätsgebots, Art. 28 I GG Nach dem Homogenitätsgebot des Art. 28 I 1 GG muss die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. Dabei sind die Länder nicht verpflichtet, ihre Verfassungen buchstabengenau zu kopieren, vielmehr wird ihnen ein erheblicher Gestaltungsspielraum belassen283. Zu den verfassungsrechtlichen Konsequenzen im Falle der Feststellung eines Kollisionsfalls bestehen verschiedenen Auffassungen. Zumindest homogenitätswidriges Landesrecht stellt einen Verstoß gegen die verbindlichen Grundsätze des Art. 28 I GG und insofern gegen zwingendes Bundesrecht284. Allerdings ist umstritten, ob sich diese Rechtsfolge unmittelbar aus Art. 28 I GG oder nicht vielmehr aus Art. 31 GG ergibt285. Nach allgemeiner Ansicht ist Art. 28 I GG jedoch als Normativbestimmung zu verstehen286. Das bedeutet, dass Art. 28 GG im Gegensatz zu den Durchgriffsnor280  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 23; ausführlich zur Einwirkung des Europarechts durch die bisherigen Regelungen, K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 359 ff. 281  K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 361, verweist zudem noch auf den theoretischen Fall, dass eine Kreditaufnahme nach innerstaatlichem Recht noch zulässig ist, obwohl gesamtstaatlich ein übermäßiges Defizit besteht. Allerdings ließe sich dann wegen der unterschiedlichen Regelungsgegenstände keine konkrete Kollisionslage bestimmen. Nach ihrer Ansicht bedürfe eine rein innerstaatliche Kollisionslage zunächst einer innerstaatlichen Aufteilung der Defizitgrenze. 282  H. Neidhardt, Staatsverschuldung, 2010, S. 28. 283  M. Nierhaus, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 10. 284  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 66. 285  Statt vieler: P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 66 m. w. N.; M. Nierhaus, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 28 ff. 286  Statt vieler: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 59 (Fn. 261) m. w. N.; ausführlich zur Bedeutung von Art. 28 I GG als Normativbestim-



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung193

men nicht unmittelbar in den Ländern geltendes Recht setzt, sondern nur normative Vorgaben für die Länder bestimmt287. Für diese Wirkung hat sich die Formel eingebürgert, Art. 28 I GG gelte nicht „in“ den, sondern „für“ die Länder288. Dadurch scheidet eine Berufung auf Art. 31 GG aus, da kein Kollisionsfall zwischen zwei Normen mit gleichem Geltungsanspruch besteht289. Insofern ergibt sich auch aus Art. 28 I GG als lex specialis zu Art. 31 GG im Fall homogenitätswidriges Landesrecht die Nichtigkeit der landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen290. 3. Die Anwendbarkeit des Art. 31 GG Nach dem Wortlaut der allgemeinen bundesstaatlichen Kollisions- und Vorrangregel des Art. 31 GG „bricht“ Bundesrecht Landesrecht. Insofern beansprucht kompetenzgemäßes Bundesrecht gegenüber Landesrecht jedweder Art einen Geltungsvorrang und setzt dieses außer Kraft. a) Bricht Art. 31 GG auch inhaltlich übereinstimmendes Landesrecht? Allerdings ist fraglich, ob dies auch für inhaltlich übereinstimmendes Landesrecht und die Grundsatzgesetzgebung inhaltlich gilt291. Es ist umstritten, ob Art. 31 GG in diesen Bereichen überhaupt anwendbar ist292. Für die mung, siehe T. Maunz/R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 33.  Erg.-Lfg., November 1997, Art. 28 I, Rn. 66. 287  BVerfGE 22, 180 (204). 288  BVerfGE 6, 104 (111); J. Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab, 1993, S. 107 ff. 289  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 82; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 66; M. Nierhaus, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 30 f. 290  BVerfGE 3, 45 (49); 83, 60 (61); H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 82; W. Löwer, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 1. Band, 2012, Art. 28, Rn. 12; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 28, Rn. 2; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 67. 291  Ausführlich zum folgenden Streit bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (21 ff.). 292  Für eine Anwendung des Art. 31 GG auch auf inhaltsgleiches Landesrecht plädiert: R. Uerpmann, Der Staat 35 (1996), S. 428 (436 f.); E. Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, 1995, S. 375 ff.; G. Krings, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 2. Band, 24. Erg.-Lfg., September 2008, Art. 31, Rn. 22; P. M. Huber, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 31, Rn. 22. Noch offen gelassen wurde diese Problematik von BVerfGE 7, 342, 353 f. (m. w. N. zum Streitstand aus dem früheren Schrifttum). Gegen eine Ausweitung des Art. 31 GG auf inhaltsgleiches Landesrecht:

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

inhaltliche Reichweite dieser Regelung ist aber entscheidend, ob davon auch inhaltlich übereinstimmendes oder nur widersprechendes Landesrecht betroffen wird293. Nach der „unitarischen“ Auslegung werde nicht nur widersprechendes, sondern auch inhaltsgleiches Landesrecht durch Art. 31 GG gebrochen294. Dies werde vor allem mit dem Hinweis vertreten, dass Art. 142 GG konstitutive Wirkung entfalte und dadurch alle übrigen inhaltsgleichen Regelungen der Anwendung des Art. 31 GG zugänglich seien295. Die Gegenansicht sieht im Sinne einer „föderalistischen“ Auslegung inhaltsgleiches Landesrecht von gleichlautendem Bundesrecht unberührt296. Dieser Sichtweise hat sich auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen, wodurch die „unitarische“ Lösung weitgehend verdrängt wurde297. Die „föderalistische“ Auslegung ist vor allem wegen des Wortlauts des Art. 31 GG vorzugswürdig. Dieser spricht ausdrücklich davon, dass Bundesrecht das Landesrecht „bricht“. Dies spricht im Sinne der Rechtsprechung und mit weitgehender Zustimmung des Schrifttums298 dafür, dass die Anwendbarkeit des Art. 31 GG ausdrücklich an das Vorliegen eine Kollisionslage geknüpft ist299. Somit greift Art. 31 GG immer nur bei solchen Normen, die kompetenzgemäß sowohl durch Bundes- als auch durch Landesrecht dieselbe Rechtsfrage regeln und zwischen denen eine Kollision besteht300. BVerfGE 36, S. 342 (362 f.); 40, 296 (327); 96, 345 (364); statt vieler: W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 31, Rn. 42 (m. w. N.). 293  E.-W. Böckenförde/R. Grawert, DÖV 1971, S. 119 (123); ausführlich zum Folgenden bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (21 ff.). 294  Statt vieler, mit Hinweis auf die Wurzeln dieser Ansicht aus der Weimarer Zeit und entsprechenden Verweisen, siehe E.-W. Böckenförde/R. Grawert, DÖV 1971, S. 119 (123 f., in Fn. 17 m. w. N.), wobei diese selbst eine vermittelnde Lösung vorschlagen. Nach dieser Ansicht könne der Bundesgesetzgeber mittels Art. 31 GG auch übereinstimmendes Landesrecht aufheben, indem seine Regelung nach Zweck, Inhalt oder Art auf eine solche Aufhebung abzielt. 295  Ausführlich zur Argumentation mit Art. 142 GG und den damit zusammenhängenden Schwächen der föderalistischen Sichtweise, siehe E. Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, 1995, S. 370 ff. 296  Statt vieler: W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art.  31, Rn.  42 (m. w. N.). 297  BVerfGE 36, S. 342 (363 ff.); ausführlich zu diesem Urteil E. Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, 1995, S. 296 ff. 298  So sieht nahezu das gesamte jüngere Schrifttum nach der Rechtsprechung des BVerfG durch Art. 31 GG nur dem Bundesrecht entgegenstehendes Landesrecht gebrochen, statt vieler: E. Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, 1995, S. 369 (m. w. N.). 299  BVerfGE 36, 342 (363). 300  W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 31, Rn. 40; P. M. Huber, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 31, Rn. 18.



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Eine Kollision liegt allerdings nur dann vor, wenn die Anwendung der Normen auf dasselbe Rechtsverhältnis zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führt301. Dies ist aber bei inhaltlich übereinstimmendem Landesrecht gerade nicht der Fall, so dass es schon an der erforderlichen Kollisionslage fehlt. Daher findet Art. 31 GG in diesem Fall eben gerade keine Anwendung und setzt inhaltsgleiches Landesrecht nicht außer Kraft. b) Die Bedeutung des Art. 31 GG für die Grundsatzgesetzgebung des Art. 109 IV GG Es ist auch umstritten, ob Art. 31 GG bei Kompetenzüberschneidungen im Rahmen der Grundsatzgesetzgebung des Art. 109 IV GG anwendbar ist302. Eine Ansicht sieht Art. 31 GG grundsätzlich anwendbar, wenn sich die Länder über bundesstaatlich vorgeschriebene Grundsätze i. S. d. Art. 109 IV GG hinwegsetzen303. Die Gegenansicht sieht hier für Art. 31 GG keinen Anwendungsraum304. Zum einen wird darauf verwiesen, dass grundsatzwidriges Landesrecht schon wegen Verstoßes gegen Art. 109 IV GG verfassungswidrig sei, ohne dass es eines Rückgriffs auf Art. 31 GG bedarf305. Zudem könne man Grundsatzverstöße aus Art. 109 IV GG nach den Kompetenzregeln des Art. 72 I GG auflösen306. Letztere Ansicht ist hier einer generellen Anwendbarkeit des Art. 31 GG vorzuziehen. Wenn der Bund im Rahmen seiner Kompetenz Grundsätze aufstellt, entzieht sein Gesetz dem Landesgesetzgeber die Kompetenz zu entsprechenden Vorschriften und zwingt ihn so zur Ausfüllung und Ergänzung dieses Gesetzes307. Landeshaushaltsordnungen, die den Grundsätzen der Bundeshaushaltsordnung widersprechen, fallen unter die Sperrwirkung des Grundsatzgesetzes und sind mangels gliedstaatlicher Kompetenz aus 301  BVerfGE

36, 242 (363); 96, 345 (364);98, 145 (149); 121, 317 (348). bezieht sich die Mehrzahl der Ansichten noch auf den im Wortlaut gleichen Art. 109 III GG in der Fassung aus dem Jahr 1969, 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, vom 12. Mai 1969, BGBl. 1969, S. 357. 303  G. Püttner, DÖV 1970, S. 322 (324); K. Stern/P. Münch/K.-H. Hansmeyer, StabG Kommentar, 1972, S. 145 i. V. m. 107; E.-W. Böckenförde/R. Grawert, DÖV 1971, S. 119 (125); H. Neidhardt, Staatsverschuldung, 2010, S. 31; P. M. Huber, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 31, Rn. 30. 304  E. Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, 1995, S. 333; W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 31, Rn. 80. 305  E. Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, 1995, S. 333. 306  W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 31, Rn. 80 erachtet vor allem auch die Argumentation mit der Selbstbindung des Gesetzgebers für nicht hinreichend, siehe Rn. 78 f. 307  W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 31, Rn. 76. 302  Dabei

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Art. 72 I GG unwirksam308. Für eine Anwendung des Art. 31 GG fehlt es daher auch bei der Grundsatzgesetzgebung insofern schon an einer Kolli­ sion zwischen Bundes- und Landesrecht. 4. Die bundesrechtlichen Beschränkungsmöglichkeiten der Haushaltsautonomie der Länder Zwar sind die Länder Staaten, die mit eigener, „nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht“309 ausgestattet sind, allerdings unterliegen sie als gleichzeitige Glieder des Bundes gewissen Beschränkungen. a) Ausgangslage: der Regelungsgehalt der Haushaltsautonomie der Länder, Art. 109 I GG Allen Reformen der Finanzverfassung zum Trotz blieb der ursprüngliche Grundsatz des Art. 109 GG310 erhalten, wonach Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig sind. Damit konkretisiert Art. 109 I GG das Bundesstaatsprinzip schon deshalb, weil eine autonome Haushaltswirtschaft zum „Kernbereich der Staatlichkeit von Bund und Ländern“ gehört311. Nach den Grundsatz des Art. 109 I GG können Bund und Länder ihre Haushaltsentscheidungen im Rahmen ihrer Verfassungen unabhängig voneinander in eigener Verantwortung treffen312. Diese Autonomie umfasst nicht nur die formelle Durchführung der Haushaltswirtschaft, sondern auch materielle Pflichten mit eigenständigen Entscheidungsspielräumen313. Der Grundsatz der eigenen Haushaltsverantwortung gewährt aber nicht nur die Freiheit von äußeren Einflüssen, sondern er verpflichtet dazu, diese Verantwortung auch tatsächlich wahrzunehmen314. 308  W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 31, Rn.  76 f. 309  BVerfGE 1, 14 (34). 310  So bereits in der ersten Fassung des Grundgesetzes vom 23.05.1949, in der der heutige Art. 109 I GG mit gleichem Wortlaut der einzige Absatz des Art. 109 GG war, BGBl. 1949, S. 1 (15). 311  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 109, Rn. 14 (m. w. N.). 312  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 19. 313  M. Rodi, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., Dezember 2004, Art. 109, Rn. 126; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 19 (m. w. N.); M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 109, Rn. 9. 314  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 10.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung197

So begründet Art. 109 I GG neben dem Schutz vor den Einwirkungen anderer getrennt geführter Haushalte von Bund und Ländern eine grundsätzlich nicht abwälzbare Einstandspflicht für die haushaltspolitischen Folgen autonomer Entscheidungen315. Somit resultiert aus der Autonomie der Haushaltswirtschaft auch eine Verpflichtung, wirtschaftlich zu haushalten, und ein grundsätzlicher Vorrang der Selbsthilfe vor der Fremdhilfe im Fall einer angespannten Finanzlage316. Die Haushaltsautonomie ist aber durch Art. 109 I GG nicht uneingeschränkt gewährt, vielmehr ist sie in das Gesamtgefüge des bundesstaatlichen Finanzwesens eingebettet317 und wird dementsprechend vielfältig modifiziert318. So wird Art. 109 I GG in den folgenden Absätzen (Art. 109 II bis V GG) und durch einige der Regeln der Finanzverfassung (Art. 91a bis d, 104a, 104b, 105 bis 108 GG) eingeschränkt319. Darüber hinausgehende Einschränkungen verstoßen allerdings gegen Art. 109 I GG320. Als Resultat hiervon ist die Dispositionsmacht der Länder im Bereich der Einnahmen stark eingeschränkt, während sie im Bereich der Ausgaben außerhalb der Personalkosten deutlich größer ist321. b) Mögliche Einschränkung durch Art. 115 GG im Rahmen des Homogenitätsgebots Gem. Art. 109 III 4 GG ist ausdrücklich geregelt, dass die nähere Ausgestaltung für den Haushalt des Bundes Art. 115 GG regelt. Somit gilt Art. 115 GG schon dem Wortlaut nach allein für den Bund322. 315  BVerfGE 72, S. 330 (398, 405); 86, S. 148 (215); 101 S. 158 (222, 225); G. Kirch­ hof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 10. 316  M. Rodi, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., Dezember 2004, Art. 109, Rn. 126. 317  BVerfGE 4, 115 (140). 318  T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 33. Erg.-Lfg., November 1997, Art. 106, Rn. 9 ff.; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 19. 319  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 21; nach G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 19 werde Art. 109 I GG insofern von der grundgesetzlichen Ordnung geprägt und wirkt auch auf diese ein. 320  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 21. 321  M. Kloepfer/M. Rossi, VerwArch 94 (2003), S. 319 (320 f.); G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 20 f.; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 21. 322  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 115, Rn. 23; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 103.

198

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Das Bundesverfassungsgericht sieht in Art. 115 I 2 und 3 GG a. F.323 eine verfassungsmäßige Konkretisierung des Demokratieprinzips324. Über diese Aussage hinausgehende Begrenzungen sind diesem Urteil verfassungsrechtlich wohl nicht zu entnehmen. Vereinzelt wurde aus diesem Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts aber abgeleitet, dass eine landesverfassungsrechtliche Abweichung von Art. 115 I GG a. F. eine Missachtung des Demokratieprinzips und damit des Homogenitätsgebotes des Art. 28 I GG sei325. Demnach sei wegen der Ausstrahlungswirkung von Art. 115 I 2 GG über Art. 109 II GG auf die Länder eine Ausweitung ihres Kreditrahmens über das übliche Maß hinaus nicht zulässig326. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Die Vorgaben des Art. 115 I 2 GG a. F., heute entsprechend die des Art. 115 II GG, erstarken allein durch eine Konkretisierung des Demokratieprinzips noch nicht zu dessen verbindlicher Ausprägung327. Vielmehr ist Art. 115 I 2 GG a. F. nur eine Möglichkeit, eine verfassungsrechtliche Grenze zu ziehen mit der Maßgabe, dass überhaupt eine Begrenzung der Kreditaufnahme zu erfolgen hat328. Eine Bindungswirkung des Art. 115 GG für die Länder ist dem Demokratieprinzip und damit auch dem Homogenitätsprinzip hingegen nicht zu entnehmen, so dass diese ihre Vorschriften für die Kreditaufnahme grundsätzlich selbst regulieren können329. c) Kompetenzgrundlage zur Durchbrechung gem. Art. 109 III 5 GG Gem. Art. 109 III 5 GG haben die Länder ihre Haushalte „im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen“ ohne eine strukturelle Verschuldung auszugestalten. Neben dem sachlich strikten Verbot jeglicher struktureller Neuverschuldung werden die Länder zur näheren Ausgestaltung ihrer Kreditaufnahme ermächtigt330. Dabei wird für den Landesgesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum angedeutet, indem der Verfassungsgeber auf 323  Nach Art. 115 I GG a. F. durften die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Danach waren Ausnahmen der Kreditaufnahme nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig (S. 2). Näheres zur Kreditaufnahme war durch ein Bundesgesetz zu regeln (S. 3). Hierfür dürften heute die Vorgaben des Art. 115 II GG maßgeblich sein. 324  BVerfGE 79, 311 (343). 325  J. Karstendiek, LKV 1992, S. 405 (406). 326  J. Karstendiek, LKV 1992, S. 405 (406). 327  J. Menzel, Landesverfassungsrecht, 2002, S. 454; K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 98. 328  K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 98. 329  K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 98. 330  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 52.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung199

die „verfassungsrechtlichen Kompetenzen“ verweist und es ihm freistellt, ob die Ausgestaltung in den Landesverfassungen oder durch einfache Landesgesetze erfolgt331. Nach Art. 109 III 2 GG haben die Länder die Möglichkeit, konjunkturabhängige Ausnahmen im Sinne einer antizyklischen Fiskalpolitik und Ausnahmeregelungen für Naturkatastrophen oder vergleichbare Notsituationen vorzusehen. Nehmen die Länder bis Ende des Jahres 2020 keine entsprechende Regelung vor, gilt Art. 109 III 1 und 5 GG unmittelbar und ausnahmslos332. Auch hier stellt sich die Frage, ob durch Art. 109 III 5 GG nicht die selbstständige und unabhängige Haushaltswirtschaft des Art. 109 I GG untergraben wird333. Allerdings greift auch hier, dass die Haushaltsautonomie nicht uneingeschränkt gewährt wird, sondern in das Gesamtgefüge des bundesstaatlichen Finanzwesens eingebettet ist334. So dient die selbstständige und unabhängige Haushaltswirtschaft der Länder zwar dem jährlichen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben, allerdings wird ein Vorgriff auf das Steueraufkommen zukünftiger Generationen durch Art. 109 III 5 zweiter Hs. GG hiervon ausgenommen335. Im Ergebnis wird durch Art. 109 I GG der Haushaltswirtschaft eine Kreditfinanzierung der Landeshaushalte nur innerhalb der Grenzen des Art. 109 III 2, 3 und 5 GG erlaubt336. d) Vorgaben des Art. 109 IV GG i. V. m. dem Haushaltsgrundsätzegesetz Das Haushaltsgrundsätzegesetz des Bundes (HGrG) nimmt im gestuften Regelungssystem zwischen dem Grundgesetz und den Landesverfassungen eine Sonderstellung ein, da es gem. Art. 109 IV GG für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für die mehrjährige Finanzplanung aufstellt337. Dabei 331  So J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1335), mit konkreten Hinweisen, welche Bereiche durch den weiten Gestaltungsspielraum erfasst werden; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 51. 332  G. F. Schuppert/F. Meinel, Anlage 1: Juristisches Gutachten, in: Enderlein/ Jobst/Schuppert/Geißler/Meinel/Müller, 31.05.2012, S. 94 (99). 333  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 109. 334  BVerfGE 4, 115 (140). 335  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 109. 336  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 109. 337  H. Neidhardt, Staatsverschuldung, 2010, S. 30 f.; der Gesetzgeber machte davon Gebrauch mit dem Gesetz zur Förderung von Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG), vom 08.06.1967, BGBl. I 1967, S. 582.

200

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

enthält Art. 109 IV GG die Ermächtigung, die Haushaltsautonomie des Art. 109 I GG entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben einzuschränken338. Unabhängig von den Rechtsfolgen bleibt zu klären, ob die landeshaushaltsrechtlichen Regelungen mit Blick auf die Kreditaufnahme überhaupt dem bundesrechtlichen Haushaltsgrundsätzegesetz widersprechen. Die für die Länder relevanten Regelungen zur Kreditaufnahme im HGrG beschränken sich auf die Bestimmtheit gem. § 13 I HGrG und die Definition der Ausgaben für Investitionen nach § 10 III Nr. 2 S. 1 HGrG. Dabei gibt § 13 I HGrG lediglich vor, dass das Haushaltsgesetz bestimmt, bis zu welcher Höhe das für die Finanzen zuständige Ministerium Kredite aufnehmen darf. Dies darf es zumindest in den Fällen zur Deckung von Ausgaben (Nr. 1) und zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft, durch die sogenannten Kassenverstärkungskredite (Nr. 2). Damit wird eine gesetzliche Ermächtigung verlangt, die die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots auch für die Länder vorgibt339. Entsprechende Vorschriften finden sich mit demselben Wortlaut auch in den Landeshaushaltsordnungen340. Widersprüche zwischen Landeshaushaltsrecht und den Grundsätzen des § 10 III Nr. 2 S. 1 HGrG sind insofern nicht ersichtlich, so dass die Umsetzung des Art. 109 IV GG verfassungsgemäß gewährleistet ist. In § 10 III Nr. 2 S. 2 HGrG werden zudem die Ausgaben für Investitionen durch den Bundesgesetzgeber einheitlich definiert341. Aus dem § 1 HGrG geht hervor, dass diese Definition auch für die Länder verbindlich ist342. 338  M. Rodi, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., Dezember 2004, Art. 109, Rn. 415; M. Heintzen, in: Münch/ Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 43 f. 339  Zu dem Problem, ob eine landesverfassungsrechtliche Regelung die Bestimmbarkeit genügen lässt und nach § 13 I HGrG noch zulässig ist, siehe: K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, Rn. 104. Sie kommt zu dem Schluss, dass Bestimmtheit nur für den Regelfall vorgeschrieben ist. 340  Siehe z. B. § 18 V, VI BWHO; Art. 18 III BayHO; § 18 II BbgHO; § 18 II, III HmbHO § 18 II, III HessHO; § 18 II, III MVHO; § 18 VI, VII LSAHO; § 18 I, II SHHO. 341  Hierzu hat das BVerfG den Bundesgesetzgeber ausdrücklich beauftragt, siehe BVerfGE 79, 311 (353 ff.); weitergehend zu den Begründungen des Regierungsentwurfs, siehe K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 104 f. 342  K.-A. Schwarz, DÖV 1998, S. 721 (722); M. Kloepfer/M. Rossi, VerwArch 94 (2003), S. 319 (326); J. Menzel, Landesverfassungsrecht, 2002, S. 455 (Fn. 472); während W. Göke, NdsVBl 1996, S. 1 (3) versucht, diesen Befund durch eine Differenzierung zwischen einem verbindlich vorgegebenen haushaltsrechtlichen und einem gegebenenfalls anders auszulegenden landesverfassungsrechtlichen Investi­ tionsbegriff aufzuweichen; einer solchen Aufweichung kritisch und letztlich ablehnend gegenüber: K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 105.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung201

Dabei gilt auf Landesebene für die Anwendung des § 10 III Nr. 2 S. 2 HGrG die gleiche Einschränkung wie auf Bundesebene, dass der einfachgesetzliche Begriff mit Rücksicht auf den Gedanken des Lastenausgleichs mit dem Grundgesetz vereinbar sein muss343. Insofern ist zu überprüfen, inwiefern der Investitionsbegriff im Landesrecht von dem des § 10 III Nr. 2 S. 2 HGrG abweicht. In Betracht kommen hier vor allem die vom Wortlaut der Investitionen leicht abgewandelten Wortlaute der Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Hamburg. So ist zu klären, ob die Formulierung der „eigenfinanzierten Investitionen“ in Art. 65 II MVVerf und Art. 71 S. 2 NdsVerf344 dem Investitionsbegriff des § 10 III Nr. 2 S. 2 HGrG entspricht. „Eigenfinanzierte Investitionen“ sind solche, die allein vom Länderetat finanziert werden, nicht aber aus anderen Fördermitteln in den Haushaltsplan eingestellt worden sind345. Nichtsdestotrotz entspricht auch die Konkretisierung des Verfassungsbegriffs der Investitionen in den jeweiligen Landeshaushaltsordnungen fast wortgleich346 der Definition im HGrG347. Insofern besteht durch die Formulierung der „eigenfinanzierten“ Investitionen kein Widerspruch zu den Vorgaben des HGrG. Fraglich ist zudem, ob die Formulierung des Art. 72 I HmbVerf a. F.348, dass Geldmittel im Wege des Kredits „in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken“ beschafft werden dürfen, auch als Investition i. S. v. § 10 III Nr. 2 S. 2 HGrG zu verstehen sind. Auslegungshilfe leistet hier § 18 I erster Hs. HmbHO, wonach von „Ausgaben für Investitionen“ die Rede ist. Zwar sieht das Hamburgische VerfG den Kreditrahmen durch die Anknüpfung an „zu werbenden Zwecken“ in Art. 72 I HmbVerf a. F. nicht durch die Summe der Investitionen beschränkt. Allerdings hat das Hamburgische VerfG den in § 18 I erster Hs. HmbHO verwendeten Investitionsbegriff als weitere Einschränkung des zulässigen Kreditrahmens anerkannt349. 343  K.

Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 105. gleichem Wortlaut entsprechend auch in § 18 NdsHO bzw. § 18 MVHO. 345  B. Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, MVVerf  Kommentar, 1995, Art. 65, Rn. 3. 346  Siehe § 13 III Nr. 2 S. 2 MVHO; § 13 III Nr. 2 S. 2 NdsHO, wobei in Niedersachsen Darlehen, Zuweisungen und Zuschüsse zur Finanzierung der Investi­ tionskomponenten nicht zu den Ausgaben für Investitionen zählen. 347  J. Mediger, in: Litten/Wallerath, MVVerf Kommentar, 2007, Art. 65, Rn. 8. 348  Noch bezogen auf die bis zum 31.12.2019 gültigen Fassung des Art. 72 HmbVerf, welche am 01.01.2020 durch eine Regelung mit stritkter Schuldenbegrenzungsregelung abgelöst wird, vgl. HmbGVBl 2012, 253 f. Ausführlich zu den Ländern mit strikten Schuldenbegrenzungsregelungen und den geltenden Übergangsregelungen: 1. Teil § 3 C. I. 1., S. 186 ff. dieser Arbeit. 349  HmbVerfG, DÖV 1985, 456. 344  Mit

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Demnach stimmt der Investitionsbegriff des § 10 III Nr. 2 S. 2 HGrG mit dem Wortlaut der Legaldefinition in § 13 III Nr. 2 S. 2 HmbHO überein350. Die Formulierung „für Ausgaben zu werbenden Zwecken“ in Art. 72 I HmbVerf a. F. ist zwar noch weiter zu verstehen als der bloße Investitionsbegriff351, allerdings stimmt die zulässige Beschränkung durch § 18 erster Hs. HmbHO mit dem Investitionsbegriff der HGrG überein. Insofern besteht auch mit der Formulierung in Art. 72 I HmbVerf a. F. i. V. m. § 18 I erste Hs. HmbHO kein Widerspruch zum HGrG. Da weder ein Widerspruch des Landeshaushaltsrecht zu den Grundsätzen des § 10 III Nr. 2 S. 1 HGrG vorliegt noch Abweichungen des Investitionsbegriffs im Landesrecht von § 10 III Nr. 2 S. 2 HGrG ersichtlich sind, sind die landeshaushaltsrechtlichen Regelungen mit den bundesrechtlichen Haushaltsgrundsätzen vereinbar. Insofern ist der Landesverfassungsgeber bei der Ausgestaltung der Schuldenbegrenzungsregelungen auch nicht an einfaches Bundesrecht gebunden352. III. Die Durchschlagskraft der landesrechtlichen Normen zur Kreditbegrenzung Es bleibt zu klären, welche Konsequenzen sich für die landesverfassungsrechtlichen Verschuldungsregelungen aus den grundgesetzlichen Vorgaben ergeben. Da die Verschuldungsgrenzen im Grundgesetz und in den Landesverfassungen die höchstrangigen Direktiven für die Staatsverschuldung von Bund und Ländern darstellen, sind an ihren Maßstäben die einfachgesetz­ lichen Ausgestaltungen an der Haushaltsordnung der Länder zu messen353. Insbesondere ist zu beleuchten, welche zeitlichen Auswirkungen die neuen Verschuldungsvorschriften im Grundgesetz auf die landesrechtlichen Verschuldungsregelungen entfalten.

350  Vgl. auch K. David, Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg – Kommentar, 2. Auflage, 2004. 351  Dies macht auch das HmbVerfG, DÖV 1985, 456 deutlich, indem es auch einen über § 18 I HmbHO erweiterten Kreditrahmen bis zu den Grenzen des Art. 72 I GG für rechtlich zulässig erklärt. 352  Zum gleichen Ergebnis kommt auch H. Neidhardt, Staatsverschuldung, 2010, S. 31, die zudem darauf verweist, das man bei der Schaffung des HGrG bewusst vermied, einheitliche Vorgaben für die Kreditaufnahme in Bund und Ländern vorzunehmen, da die Länder nicht gezwungen werden sollten, ihr Verfassungsrecht ändern zu müssen; ebenso: W. Patzig, DÖV 1985, S. 293 (296); W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 406. 353  H. Neidhardt, Staatsverschuldung, 2010, S. 30.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung203

1. Der Einfluss landesverfassungsrechtlicher Verschuldungsregelungen ab dem Jahr 2020 Mit Blick auf die Normenhierarchie drängt sich die Frage auf, welche Konsequenzen die uneingeschränkte Anwendung des strikten Neuverschuldungsverbots i. S. v. Art. 109 III GG für die landesverfassungsrechtlichen Verschuldungsregelungen ab dem Jahr 2020 hat. So ist zum einen zu klären, ob mit Art. 109 III GG inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht bestehen bleibt. Zum anderen stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Grundgesetz für die landesverfassungsrechtlichen Regelungen ergeben, die von den Vorgaben des Art. 109 III GG abweichen oder kein striktes Neuverschuldungsverbot haben. a) Konsequenzen für inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht In Betracht könnte hier eine Anwendung des Art. 31 GG kommen354. Die Neuverschuldungsregelung des Art. 109 III GG könnte als Bundesrecht die jeweils inhaltlich übereinstimmende landesverfassungsrechtliche Regelung derogieren. Mit den Vorgaben des Art. 109 III GG inhaltlich übereinstimmende Kreditaufnahmeregelungen haben derzeit die Landesverfassungen von Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein. Allerdings bedürfte es für eine Anwendung des Art. 31 GG zumindest einer Kollisionslage. Eine Kollision liegt allerdings nur dann vor, wenn die Anwendung der Normen auf dasselbe Rechtsverhältnis zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führt. Dass aber inhaltsgleich Neuverschuldungsregelungen nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen können, liegt auf der Hand. Somit ist mangels Kollisionslage Art. 31 GG in diesen Fällen nicht anwendbar, bei denen landesverfassungsrechtliche Kreditaufnahmeregelungen mit denen des Art. 109 GG übereinstimmen355. Somit behalten ab dem Jahr 2020 diejenigen Regelungen ihre Geltung, die bereits entsprechend der Vorgaben des Art. 109 III GG ein striktes Neuverschuldungsverbot in ihre Landesverfassungen eingeführt haben.

354  So auch H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 154. 355  Dass inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht durch Art. 31 GG nicht gebrochen wird, wurde von dem BVerfG anerkannt, siehe BVerfGE 36, 342 (365 ff.); 40, 296 (327) und findet im Schrifttum überwiegend Zustimmung, statt vieler: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 31, Rn. 40 (Fn. 128) m. w. N.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

b) Konsequenzen für die landesverfassungsrechtlichen Regelungen mit abweichendem Inhalt und ohne striktes Neuverschuldungsverbot Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen diejenigen Länder befürchten müssen, die kein striktes Neuverschuldungsverbot i. S. v. Art. 109 III GG in ihre Verfassung aufgenommen haben und auch nicht aufnehmen werden. Zumindest droht ihnen keine Verletzung der Vorgaben aus dem Homogenitätsgebot nach Art. 28 I GG. Hierfür müssten die Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes betroffen sein. Da es vorliegend aber lediglich um die Vereinbarkeit von bundes(verfassungs)rechtlichen und landesverfassungsrechtlichen Kreditaufnahmeregelungen geht, ist eine Betroffenheit dieser Grundsätze nicht ersichtlich. aa) Generelle Anwendbarkeit des Art. 31 GG Nachdem das Homogenitätsgebot keine Anwendung findet, könnte hier die Derogationsregelung des Art. 31 GG eingreifen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings schon der rechtliche Charakter der Vorgabe des Art. 109 III 5 GG für das Landesrecht356. So ist fraglich, ob es sich bei dieser Regelung um eine Durchgriffsbestimmung oder eine Normativbestimmung handelt. Sollte es sich um eine Normativbestimmung handeln, könnte Art. 31 GG schon gar nicht anwendbar sein, vielmehr würde die Problematik i. S. d. Grundsatzbestimmung des Art. 109 IV GG über die Kompetenzregelung des Art. 72 I GG aufgelöst werden357. Normativbestimmungen wirken nicht unmittelbar in den Ländern, sondern richten sich an die Verfassungs- oder Gesetzgeber der Länder und müssen von diesen in Landesrecht umgesetzt werden358. Durchgriffsbestimmungen wirken hingegen unmittelbar in den Ländern, ohne dass die Norm durch den Landesgesetzgeber umgesetzt werden muss359. Während der erste Halbsatz des Art. 109 III 5 GG noch auf den Kompetenzraum der Länder verweist und auf den Charakter einer Normativbestim356  Zum folgenden Problem bereits: C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (21). 357  Zum Problem der Anwendung des Art. 31 GG bei Grundsatzbestimmungen siehe bereits: 1. Teil § 3 C. II. 3. b), S. 195 f. dieser Arbeit. 358  J. Hellermann, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 28, Rn. 3; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 28, Rn. 11. 359  J. Hellermann, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 28, Rn. 5; J. Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab, 1993, S. 40 f., 106.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung205

mung hindeutet, spricht der letzte Halbsatz des Art. 109 III 5 GG für eine bundesverfassungsrechtliche Durchgriffsbestimmung360. Zwar steht den Ländern der Gestaltungsspielraum zu, von den Ausnahmeregelungen zur Kreditaufnahme in Art. 109 III 2 i. V. m. Satz 5 erster Hs. GG Gebrauch zu machen. Die Möglichkeit der Ausnahmeregelung ändert aber nichts daran, dass die Länderhaushalte i. S. d. Art. 109 III 1 GG im Grundsatz ohne die Aufnahme von Krediten auszugleichen sind. Entsprechend muss zumindest das Verbot der strukturellen Neuverschuldung von den Ländern unmittelbar beachtet werden, so dass die Vorschrift nur als Durchgriffsbestimmung sinnvoll ist361. Bevor eine Anwendung des Art. 31 GG und somit ein Kollisionsfall in Betracht kommt, muss überprüft werden, ob nicht durch Anwendung der tradierten Auslegungsregelungen eine Möglichkeit zur Harmonisierung der beiden miteinander konfrontierten Rechtsnormen besteht, zum Beispiel durch Feststellung eines Spielraums für das Landesrecht oder dessen „bundesrechtskonformer“ Auslegung362. So ist bei den Kreditaufnahmegelungen zu beachten, dass den Ländern in Art. 109 III 5 GG grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden wird, indem der Verfassungsgeber auf die „verfassungsrechtlichen Kompetenzen“ verweist und es ihm freistellt, ob die Ausgestaltung in den Landesverfassungen oder durch einfache Landesgesetze erfolgt363. Für eine „harmonisierende“ Auslegung kommen insbesondere diejenigen Länder in Betracht, die zwar keine strikte Neuverschuldungsregel in der Landesverfassung haben, dafür aber ein Art. 109 III GG entsprechendes Kreditaufnahmeverbot in die Landeshaushaltsordnung übernommen haben364. Die jeweilige landeshaushaltsrechtliche Regelung könnte 360  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (731 f.); C. Gröpl, LKRZ 2010, S. 401 (402) differenziert ebenso, wobei er Art. 109 III 5 erster Hs. GG als Normativbestimmung ansieht und aus Art. 109 III 5 zweiter Hs. GG zumindest für Art. 109 III 1 GG ableitet, dass es sich um eine Durchgriffsbestimmung handelt. 361  So auch S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (731 f.); C. Gröpl, LKRZ 2010, S. 401 (402); anderer Auffassung ist hingegen I. Kemmler, DÖV 2009, S. 549 (556), die die Regelung als Normativbestimmung ansieht, ohne nach den unterschiedlichen Halbsätzen des Art. 109 III 5 GG zu differenzieren. 362  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 31, Rn. 37. 363  BT-Drs 16/12410, S. 12 spricht von Regelungsspielräumen zum Beispiel für die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen sowie für die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen von der zulässigen Kreditaufnahme; während J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1335) von einem weiten Gestaltungsspielraum ausgeht, mit konkreten Hinweisen, welche Bereiche durch den weiten Gestaltungsspielraum erfasst werden. W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 51. 364  Zum Folgenden bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (23).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

mit einem Kreditaufnahmeverbot die landesverfassungsrechtliche Regelung i. S. v. Art. 109 III GG konkretisieren. Hierfür müssten aber zumindest die landeshaushaltsrechtlichen Regelungen dem strikten Verbot der strukturellen Neuverschuldung gem. Art. 109 III GG folgen. Baden-Württemberg hat zwar die Regelung des Art. 109 III 1 GG in § 18 I BWHO dahingehend übernommen, dass der Haushaltsplan grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen ist, jedoch befinden sich in § 18 VI 1 BWHO die Ausnahmemöglichkeit einer erhöhten Kreditaufnahme365 „bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Landes Baden-Württemberg entziehen und dessen Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Isofern ist für diese Kreditaufnahmeregelung die Möglichkeit zur Harmonisierung durch Auslegung nicht ausgeschlossen. Auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt könnte eine entsprechende Auslegung in Betracht kommen, da ihre Regelungen nicht nur ein Kreditaufnahmeverbot vorsehen, sondern ihre Ausnahmen den Regelungen des Art. 109 III GG zumindest ähneln366. So beziehen sich die Ausnahmetatbestände vom Kreditaufnahmeverbot in Sachsen-Anhalt und Thüringen i.  S.  v. Art. 109 III 2 GG auf Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen367. Zusätzlich sind in Sachsen-Anhalt gem. § 18 II Nr. 2 LSAHO Kreditaufnahmen bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung in Übereinstimmung mit Art. 109 III 2 GG zulässig. Allerdings weicht in Thüringen der Ausnahmetatbestand von der Formulierung des Art. 109 III 2 GG („der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“) ab. In Thüringen sind gem. § 18 II Nr. 1 ThürHO Kredite nur dann zulässig, wenn die Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen nach Art. 107 I 1 und 2, II 1 und 2 GG im Dreijahresdurchschnitt der vorangegangenen Jahre unterschritten werden. Eine derartige statische Festlegung auf einen Rückgang der Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen erweitert jedoch die Kreditaufnahmemöglichkeiten im Vergleich zu einer Regelung, die sich auf eine von der Normallage abweichende konjunkturel365  Maßstab für die Baden-Württembergische Begrenzung der Kreditaufnahme ist dabei im Grundsatz die Höhe der Gesamtverschuldung am Kreditmarkt am 31.12.2007, welche gem. § 18 I 2 BWHO nicht dauerhaft überschritten werden soll, wenn nicht gem. § 18 III BWHO entsprechende Ausnahme vorliegen. 366  So schon C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (24). 367  Während in Sachsen-Anhalt gem. § 18 II Nr. 2 LSAHO das bloße Vorliegen der außergewöhnlichen Notsituation ausreicht, muss in Thüringen die Kreditaufnahme gem. § 18 II Nr. 2 ThürHO zusätzlich dem daraus resultierenden außerordent­ lichen Finanzbedarf dienen.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung207

le Entwicklung im Sinne von Art. 109 III 2 GG beschränken würde368. Zum einen werden von der Ausnahmeregelung des § 18 II Nr. 1 ThürHO nicht nur rein konjunkturell bedingte Abweichungen einbezogen, sondern auch die bloße Änderung steuerrechtlicher und finanzpolitischer Zuteilungen. Zum anderen kann selbst ein rein konjunkturell bedingter Rückgang der Steuern und Zuweisungen im Dreijahresdurchschnitt der vorangegangenen Jahre unter Umständen noch als eine der Normallage entsprechende konjunkturelle Entwicklung verstanden werden. Eine solche Kreditaufnahme wird von Art. 109 III 2 GG aber gerade nicht umfasst, so dass § 18 II Nr. 1 ThürHO mit der Neuregelung nicht durch Auslegung vereinbar ist369. Im Übrigen lassen sich die einfachgesetzlichen Landeshaushaltsregelungen von Sachsen-Anhalt und Thüringen aber i. S. d. Art. 109 III GG auslegen, so dass für diese Kreditbegrenzungsregelungen ein Kollisionsfall fehlt und Art. 31 GG nicht anwendbar ist370. Allerdings kann Art. 31 GG dort noch auf die weitergehenden Kreditaufnahmeregelungen der jeweiligen Landesverfassungen angewendet werden. Außerdem ist zu klären, ob die Ausnahmeregelung des Art. 117 I 2 Nr. 2b RhPfVerf durch Auslegung mit Art. 109 Abs. 3 GG harmonisiert werden kann371. Gem. Art. 117 I 2 Nr. 2b RhPfVerf ist eine auf vier Jahre befristete Kreditaufnahme zur „Anpassung an eine strukturelle […] und dem Land nicht zurechenbare Änderung der Einnahme- oder Ausgabesituation“ zulässig. Damit könnte eine der außergewöhnlichen Notsituation des Art. 109 III 2 Hs. 2 GG entsprechende Ausnahmeregelung vorliegen. Allerdings umfasst Art. 117 I 2 Nr. 2b RhPfVerf generell „dem Land“ nicht zurechenbare Änderungen der Einnahmen- und Ausgabensituationen und damit auch beispielsweise vom Bund ausbleibende Ausgleichszahlungen. Allerdings dürfte die außergewöhnlichen Notsituationen im Sinne von Art. 109 III 2 Hs. 2 GG nicht nur außerhalb der Kontrolle des „Landes“ sondern auch außerhalb des „Staates“ liegen. Art. 117 I 2 Nr. 2b RhPfVerf geht insofern über die Ausnahmeregelung des Art. 109 III GG hinaus und kann nicht durch Auslegung harmonisiert werden. Auch hier liegt eine Kollisionslage im Sinne von Art. 31 GG vor372. 368  So bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (24). 369  So schon C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (24). 370  C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (24 f.). 371  Zu Folgendem bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (25). 372  Somit greift Art. 31 GG und führt zur Nichtigkeit der Regelung des Art. 117 I S. 2 Nr. 2b RhPfVerf ab dem Jahr 2020. Zu den Rechtsfolgen des Art. 31 GG vgl.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

bb) Konkrete Anwendung des Art. 31 GG In Sachsen-Anhalt und Thüringen müssen nur die landesverfassungsrechtlichen Regelungen auf eine Vereinbarkeit mit Art. 31 GG geprüft werden. Baden-Württemberg hat zumindest ein grundgesetzkonformes Kreditaufnahmeverbot in der Landeshaushaltsordnung geregelt, so dass eine Anwendung des Art. 31 GG bezüglich ihrer landesverfassungsrechtlichen Schuldenbegrenzungsregelung in Betracht kommt. Zudem drängt sich eine Anwendung in den Ländern ohne jegliches Kreditaufnahmeverbot auf und somit bezüglich der gesamten landesrechtlichen Kreditaufnahmeregelungen von Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. Zwischen den betroffenen Regelungen müsste eine Kollisionslage bestehen. Das heißt, es bedarf des Zusammentreffens von Bundesrecht und Landesrecht, wobei dieses jeweils rechtmäßig ergangen sein muss, auf denselben Sachverhalt Anwendung findet und zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führt373. Als Bundesrecht kommt grundsätzlich das gesamte von Bundesorganen gesetzte Recht jeglicher Rangstufe374 und somit auch das Grundgesetz in Betracht. Gleiches gilt entsprechend für von Landesorganen erzeugte Rechtssätze375, so dass hier sowohl die Landesverfassungen als auch die Landeshaushaltsordnungen als mögliche sich widersprechende Normen herangezogen werden können. Mit den haushaltsrechtlichen Regelungen der betroffenen Länder, unabhängig ob landesverfassungsrechtlicher oder einfachgesetzlicher Art, und dem Art. 109 GG als Regelung des Grundgesetzes kommt es zu einem Zusammentreffen von kompetenzgemäßem Bundes- und Landesrecht376. Art. 109 III 1 i. V. m. S. 5 GG sieht ein striktes Verbot struktureller Neuverschuldung für die Länder vor377. In den Ländern, die kein Verbot einer strukturellen Neuverschuldung haben, ist die Kreditaufnahme zumindest „bis zur Höhe der Summe der Ausgaben für Investitionen“ begrenzt. Zusätzlich können Ausnahmen zugunsten der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gemacht die Ausführungen im folgenden Abschnitt. In diesem Sinne schon C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/ Thye, 2012, S. 11 (25). 373  So zumindest nach BVerfGE 36, 342 (363); mit weitgehender Zustimmung im Schrifttum, statt vieler: W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 31, Rn. 40 (Fn. 51) m. w. N. 374  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 31, Rn. 32; W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 31, Rn. 31. 375  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 31, Rn. 35. 376  Zum Folgenden bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (25 f.). 377  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 52.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung209

werden378. Insofern ist in diesen Ländern eine Kreditaufnahme auch unabhängig davon zulässig, ob es sich um eine konjunkturelle oder strukturelle Neuverschuldung handelt. Da aber auch eine strukturelle Neuverschuldung durch die landesrechtlichen Regelungen zulässig ist, wird gerade eine Art. 109 III 1 i. V. m. S. 5 GG entgegenstehende Rechtsfolge zugelassen. Im Ergebnis derogiert Art. 31 GG diese landesrechtlichen Regelungen, da ihre Rechtsfolgen zu Art. 109 III GG im Widerspruch stehen. Eine Ausnahme hiervon könnte Thüringen darstellen. Dort sind gem. Art. 98 II 3 ThürVerf Ausnahmen nur zulässig „zur Überwindung einer schwerwiegenden Störung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung des Freistaats unter Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sowie zur Abwehr einer Störung dieses Gleichgewichts“. Dabei normiert Art. 98 II 3 ThürVerf zwei Ausnahmetatbestände. So ist nach dem ersten Halbsatz eine Kreditaufnahme ausnahmsweise zulässig, wenn die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung schwerwiegend gestört ist379. Zumindest mit dieser Ausnahmeregelung könnten die von Art. 109 III 2 GG vorgegebenen Ausnahmen zur Kreditaufnahme im Sinne „einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“ hinreichend berücksichtigt worden sein. Vor allem wird diese Alternative noch weiter eingeschränkt, indem diese erhöhte Kreditaufnahme nicht zur Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts führen darf380. Der Terminus des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ ist ein unbestimmter Verfassungsbegriff und ist einfachgesetzlich zu präzisieren381. Dem ist der Thüringer Landesgesetzgeber mit den Ausnahmen vom Kreditaufnahmeverbot § 18 II 1 ThürHO nachgekommen. Allerdings ist die Formulierung des § 18 II 1 Nr. 1 ThürHO mit den Vorgaben des Art. 109 III 5 GG nicht vereinbar382. Zudem eröffnet die zweite Alternative des Art. 98 II 3 lzt. Hs. ThürVerf ohnehin die Kreditaufnahmemöglichkeit „zur Abwehr einer Störung dieses Gleichgewichts“ vollkommen 378  Vgl.

insofern die Ausführungen: 1. Teil§ 3 C. I. 3., S. 190 ff. Hopfe, in: Linck/Jutzi/Hopfe, ThürVerf Kommentar, 1994, Art. 98, Rn. 16. 380  J. Hopfe, in: Linck/Jutzi/Hopfe, ThürVerf Kommentar, 1994, Art. 98, Rn. 16. 381  Im Zusammenhang mit den Vorgaben des Art. 109 Abs. 2 GG im Hinblick auf deren Beachtung im Rahmen des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GG sah das BVerfG den Gesetzgeber zu einer näheren gesetzlichen Konkretisierung sogar verpflichtet, BVerfGE 79, S. 311 (355 f.); für den Landesgesetzgeber dürfte dies im Zusammenhang mit dem Terminus des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ ebenso gelten, so auch J. Hopfe, in: Linck/Jutzi/Hopfe, ThürVerf Kommentar, 1994, Art. 98, Rn. 17. 382  Siehe hierzu bereits die Untersuchung der Harmonisierungsmöglichkeiten von Bundes- und Landesrecht durch Auslegung: 1. Teil § 3 C. III. b) bb), S. 204 ff. der Arbeit. 379  J.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

unabhängig von einer etwaigen „schwerwiegenden Störung der Wirtschaftsund Beschäftigungsentwicklung“ und insofern unbegrenzt. Damit enthält selbst die Thüringer Verfassung eine weite Ausnahme zur Kreditaufnahme, die auch eine strukturelle Neuverschuldung zusätzlich umfasst. Daher widerspricht selbst die landesrechtliche Regelung des Art. 98 II ThürVerf der bundesrechtlichen Regelung des Art. 109 III 5 GG. Insofern derogiert Art. 31 GG auch die landesrechtlichen Kreditaufnahmeregelungen von Thüringen und setzt sie somit außer Kraft. c) Zwischenergebnis Wenn Art. 109 III GG ab dem 01.01.2020 voll wirksam wird, so führt dies in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg383, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland zur Nichtigkeit der landesrechtlichen Kreditaufnahmeregelungen, wenn diese bis dahin nicht den Vorgaben des Art. 109 III 1, 5 GG angepasst werden. In Sachsen-Anhalt und Thüringen werden die landesverfassungsrechtlichen Kreditaufnahmeregelungen sowie die einfachgesetzliche Vorschrift des § 18 II Nr. 1 ThürHO durch Art. 31 GG derogiert. Insofern der Landesgesetzgeber auch in RheinlandPfalz untätig bleibt, wird ab dem Jahr 2020 zudem Art. 117 I 2 Nr. 2b RhPfVerf gem. Art. 31 GG nichtig sein384. Hingegen bleiben die inhaltsgleichen Regelungen der Landesverfassungen in Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein mangels Kollisionsfall i. S. d. Art. 31 GG bestehen. 2. Entfalten die Übergangsregelungen im Grundgesetz eine Vorwirkung vor dem Jahr 2020? Es bleibt die Frage, ob sich trotz der Verschiebung des Anwendungsbeginns der strikten Verschuldungsregelungen nach Art. 143d I GG auf das Jahr 2020 nicht schon eine zeitliche Vorwirkung der Neuregelungen im Grundgesetz ergibt385. Insbesondere ist zu untersuchen, ob nicht die Länder Maßnahmen vornehmen müssen, um die verfassungsrechtliche Regelung ab 2020 auch tatsächlich einhalten zu können. Besteht für die Länder bereits 383  In Hamburg wäre hiervon noch § 18 I 2, II 1 HmbHO betroffen, da zumindest mit der Neufassung des Art. 72, 72a HmbVerf ab dem 01.01.2020 eine mit dem Grundgesetz übereinstimmende Regelung in Kraft tritt. 384  So bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (26). 385  Hierzu und zum Folgenden bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (26 ff.).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung211

eine Verpflichtung zur „Einleitung eines Bremsmanövers“ oder besteht die Möglichkeit die neuen Kreditaufnahmeregelungen bis zum Haushaltsjahr 2020 zu ignorieren, um dann eine „Vollbremsung“ einlegen zu müssen386? Antworten hierauf könnten sich aus der Übergangsregelung des Art. 143d I GG selbst ergeben. Hierin wird ausdrücklich zwischen den Ländern differenziert, die das strikte Neuverschuldungsverbot ab 2020 ohne Konsolidierungshilfen einhalten sollen (Abs.1), und solchen Ländern, denen zum Erreichen dieses Ziels Konsolidierungshilfen gewährt werden (Abs. 2 und 3). Für letztere gelten neben den allgemeinen Übergangsregelungen des Art. 143d I GG besondere Anforderungen, wie diese mit ihrem Finanzierungsdefizit umzugehen haben. a) Die allgemeinen Vorgaben der Übergangsregelungen des Art. 143d I 3 und 4 GG Von den Ländern war gem. Art. 143d I 1 GG der neu gefasste Art. 109 GG erstmals im Haushaltsjahr 2011 anzuwenden. Dies gilt allerdings mit der Einschränkung nach Art. 143d I 3 GG, dass die Länder noch „bis zum 31. Dezember 2019 nach Maßgabe der geltenden landesrechtlichen Regelungen“ Kredite aufnehmen können. Der Wortlaut des Art. 143d I 4 GG scheint eindeutig zu sein, denn die Länderhaushalte sind bis zum Haushaltsjahr 2020 so aufzustellen, dass bis dahin die Vorgaben des Art. 109 III 5 GG erfüllt werden. Hieraus ergibt sich die Pflicht für die Länder, dass sie zielführende Vorkehrungen treffen müssen und auf die Vorgaben des Art. 109 III 5 GG hinzuwirken haben. Auf das gleiche Ergebnis deutet die Entstehungsgeschichte des Art. 143d GG hin, denn die Verschiebung des Anwendungsbeginns des Art. 109 GG hatte das Ziel, den verschiedenen Gebietskörperschaften den Abbau des bestehenden strukturellen Defizits als Voraussetzung eines weitgehenden Kreditaufnahmeverbots zu ermöglichen387. Problematisch ist allerdings, dass den Ländern kein „konkreter Pfad zum Abbau vorhandener Finanzierungsdefizite“ vorgegeben wird388. Vielmehr hat der Landesgesetzgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum zum Erreichen dieses Ziels eingeräumt389. Fraglich ist daher, welche tatsächlichen Konsequenzen sich für den Landesgesetzgeber aus Art. 143d I GG 386  So schon die Ausgangsfrage von C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (26). 387  BT-Drs. 16/12410, S. 13 f.; in diesem Sinne auch W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 143d, Rn. 3. 388  BT-Drs. 16/12410, S. 13; E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d; H.-G. Henneke, NdsVBl 2011, S. 329 (332). 389  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 143d, Rn. 9.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

ergeben. Nach einer Ansicht hat Art. 143d I 3 GG nur auffordernden Charakter390. Konkrete Rechtsfolgen oder gar ein Gesetzgebungsauftrag ergeben sich aus ihm selbst nicht, denn dieser ergibt sich allein aus Art. 109 III 5 GG391. Nach anderer Auffassung spricht der Wortlaut des Art. 143d I 4 GG mit „Die Haushalte der Länder sind so aufzustellen […]“ dafür, dass es sich um eine Rechtspflicht zum Schuldenabbau handelt, die im Rahmen der Entscheidungsspielräume der Parlamente auch justitiabel sei392. Wann und wie die Länder mit dem Schuldenabbau aber zu beginnen haben, ergibt sich aus Art. 143d GG nach beiden Ansichten nicht. So fehlt insbesondere eine Art. 143d I 6 GG entsprechende Klausel, wonach der Bund mit dem Abbau des bestehende Defizits im Haushaltsjahr 2011 beginnen sollte393. Nach der Regelung ist es sogar denkbar, dass die strukturelle Neuverschuldung eines Landes nicht nur in einem Jahr, sondern sogar in allen Jahren bis 2019 ansteigt394. Mit der Beschränkung auf das „geltende“ Landesrecht in Art. 143d I 3 GG wird für die Länder lediglich ein Verschlechterungsverbot begründet, welches einen inhaltlichen Bezug zum Maßstab des Art. 109 III GG n. F. hat395. Dementsprechend ist es den Länder auch untersagt, die zum 01.08.2009 bereits über Art. 109 II GG a. F. hinausgehende Verschuldungsgrenzen im Landesrecht verfügten, diese Grenzen so zu lockern, dass sie dadurch gegen Art. 109 III GG n. F. verstoßen396. 390  Annähernd gleich sprechen E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 9 und 11 vom „adhortativen“ und W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 143d, Rn. 9 vom „mahnenden“ Charakter der Regelung. 391  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 143d, Rn. 8; H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 57. Erg.-Lfg., Januar 2010, Art. 143d, Rn. 14 verweist zumindest auf die fehlenden konkreten Rechtsfolgen der Regelung. 392  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 143d, Rn. 10; K.-A. Schwarz, NWVBl 2012, S. 245 (247); G. F. Schuppert/ F. Meinel, Anlage 1: Juristisches Gutachten, in: Enderlein/Jobst/Schuppert/Geißler/ Meinel/Müller, 31.05.2012, S. 94 (103). 393  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 11; H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 57. Erg.-Lfg., Januar 2010, Art. 143d, Rn. 14. 394  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 9. 395  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 11, sich auf diesen beziehend bezeichnet H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 57. Erg.-Lfg., Januar 2010, Art. 143d, Rn. 15 diese Vorschrift als „qualifiziertes Lockerungsverbot“ für das Landesrecht. 396  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 11, mit diesem in Übereinstimmung wähnt sich H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 57. Erg.-Lfg., Januar 2010, Art. 143d, Rn. 15, obwohl er auf eine Anwendungsbeschränkung des Lockerungsverbots auf diejenigen Länder verzichtet, die eine gegenüber Art. 109 II a. F. strengere Neuverschuldungsgrenze haben; ebenso



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung213

Darüber hinausgehende Verpflichtungen sind für die Länder in der Übergangszeit bis Ende 2019 aus Art. 143d GG aber nicht ableitbar. Erst ab dem Jahr 2020 folgt aus Art. 143d I 3, 4 GG zwar indirekt aber zumindest konstitutiv, dass der Landesgesetzgeber den Gesetzgebungsauftrag des Art. 109 III 5 GG erfüllt und bis dahin entsprechende Regelungen zur Einhaltung des Neuverschuldungsverbots erlassen haben muss397. b) Vorgaben für die Länder mit Konsolidierungshilfe, Art. 143d II, III GG Für die Länder die Konsolidierungshilfen gem. Art. 143d II, III GG erhalten, gelten hingegen strengere Vorgaben398. Art. 143d II GG begründet eine für die Jahre 2011 bis 2019 befristete Ermächtigung des Bundeshaushaltsgesetzgebers zur Zahlung von Konsolidierungshilfen an Berlin, Bremen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein399. Allerdings ist Voraussetzung für die Zahlung der Konsolidierungshilfen gem. Art. 143d II 4 GG, dass das Finanzierungsdefizite bis zum Ende des Jahres 2020 vollständig abgebaut wird400. Dabei ist die Zahlung der Konsolidierungshilfen in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro an die Einhaltung eines Konsolidierungspfades gekoppelt, der die betreffenden Länder in die Lage versetzen soll, ihre Haushalte bis spätestens zum Jahr 2020 auch ausgleichen zu können401. Der Konsolidierungspfad ist von Art. 143d II 5 GG i. V. m. dem KonsHilfG präzise vorgezeichnet und unterteilt sich in drei Bestandteile402. Erstens sind sieht es M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 109, Rn. 11; einem Verschlechterungsverbot ausdrücklich ablehnend gegenüber: G. F. Schuppert/F. Meinel, Anlage 1: Juristisches Gutachten, in: Enderlein/Jobst/Schuppert/Geißler/Meinel/Müller, 31.05.2012, S. 94 (104 f.). 397  Übereinstimmend E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 10 f. und W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 143d, Rn. 10. 398  Zum Folgenden bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (30 f.). 399  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 17 f., wobei für den Bundesgesetzgeber nur die „Möglichkeit“ zur Vornahme entsprechender Zahlungen besteht, ohne dass daraus ein Anspruch der Länder erwächst, siehe BT-Drs. 16/12410, S. 2 und 7. 400  Zur Reichweite der Formulierung des „vollständigen“ Abbaus siehe E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 24, der trotz des strengen Wortlauts zumindest eine nichtstrukturelle Neuverschuldung unter den in Art. 109 III GG niedergelegten Voraussetzungen auch für diejenigen Bundesländer 2020 für zulässig hält, denen Konsolidierungshilfen gezahlt wurden. 401  BT-Drs. 16/12410, S. 7. 402  Zu der entsprechenden Unterteilung bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (30).

214

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

gem. § 2 I 2 KonsHilfG jährliche Obergrenzen zum Abbau des Finanzierungsdefizits einzuhalten403. Zweitens unterliegt die Einhaltung des Konsolidierungspfades gem. § 2 II KonsHilfG der Überwachung durch den Stabilitätsrat. Als drittes und abschließendes Element sieht § 2 III i. V. m. § 1 III und § 3 S. 3 KonsHilfG Sanktionsmaßnahmen für den Fall vor, dass ein Land vom Konsolidierungspfad abweicht, das heißt, die jährlichen Abbauschritte nicht einhält. Diese strikten Vorgaben des Konsolidierungspfades unterscheiden sich wesentlich zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Länder, denen keine Konsolidierungshilfe gewährt wird und die keinen konkreten Pfad zum Abbau vorhandener Finanzierungsdefizite einzuhalten haben404. Die bundesgesetzliche Grundlage zur Gewährung der Konsolidierungshilfen gem. Art. 143d II und III GG wurde mit dem Konsolidierungshilfengesetz geschaffen405. Die finanziellen Hilfen werden gem. Art. 143d II 3 GG auf Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung406 gezahlt. Eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung haben inzwischen alle in Art. 143d II 1 GG genannten Länder unterzeichnet407. Damit haben sich Berlin, Bremen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein dem strengen Konsolidierungspfad des Art. 143d II GG unterworfen. Sie sind gem. Art. 143d II 4 GG verfassungsrechtlich verpflichtet, ihr strukturelles Finanzierungsdefizit408 in den Jahren 2011 bis Ende 2020 stufenweise abzubauen, wenn sie sich nicht den Sanktionsmaßnahmen gem. Art. 143 II 5 GG i. V. m. KonsHilfG und dem Risiko der Rückzahlungspflicht der geleisteten Konsolidierungshilfen aussetzen wollen409. Gleichwohl besteht für diese Länder auch 403  Ausgehend von dem Finanzierungsdefizit des Jahres 2010 sind die Obergrenzen dabei jährlich stufenweise um ein Zehntel vom Finanzierungsdefizit des Vorjahres zu reduzieren. 404  So im Hinblick auf die Bundesländer ohne Konsolidierungshilfen BT-Drs. 16/12410, S. 13. 405  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 57. Erg.-Lfg., Januar 2010, Art. 143d, Rn. 61. 406  Nach BT-Drs. 16/12400 ist die Verwaltungsvereinbarung „Voraussetzung für die Auszahlung der Hilfen“; dabei ist deren Rechtsform umstritten, während E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 143d, Rn. 22 und H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 57. Erg.-Lfg., Januar 2010, Art. 143d, Rn. 33 darin im Wesen nach einen bilateralen Staatsvertrag sehen, lehnt dies W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 143d, Rn. 16 ausdrücklich ab. 407  Als erstes Bundesland hat Sachsen am 10.03.2011 und anschließend Schleswig-Holstein am 30.03.2011 eine entsprechenden Verwaltungsvereinbarung vorgenommen, dem folgten am 15.04.2011 Berlin, Bremen und das Saarland. 408  BT-Drs. 16/12400, S. 21. 409  C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (31).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung215

während des Konsolidierungsverfahrens des Art. 143d II S. 3 bis 5 GG die Möglichkeit, im Rahmen ihrer landesverfassungsrechtlichen Regelungen Kredite aufzunehmen, solange sie die in der Verwaltungsvereinbarung festgelegte Kreditobergrenze nicht überschreiten410. c) Zwischenergebnis Nur für die Länder mit Konsolidierungshilfen ergeben sich aus 143d GG strikte Vorgaben zur effektiven Einhaltung des Neuverschuldungsverbot ab dem Jahr 2020. Für die übrigen Länder gilt bis dahin lediglich, dass sie ihre bisherigen Verschuldungsgrenzen insoweit nicht aufweichen dürfen, als sie dadurch gegen Art. 109 III GG n. F. verletzen würden411. Zudem müssen sie bis Ende des Jahres 2019 verfahrensrechtliche und materielle Regelungen zur Einhaltung des Neuverschuldungsverbots erlassen. Mit anderen Worten: Die Länder, denen Konsolidierungshilfe gewährt wird, sind schon allein durch die grundgesetzlichen Vorgaben durch Art. 143d II GG i. V. m. KonsHilfG zur Einleitung eines „gesetzlich reglementierten Bremsmanövers“ verpflichtet. Hingegen steht es den übrigen Ländern frei, wie sie 2020 das Ziel einer strukturellen Nullverschuldung erfüllen. Für Sie besteht auch die Möglichkeit, im Jahr 2020 eine „Vollbremsung“ vorzunehmen, solange diese der Erreichung der Vorgaben des Art. 109 III GG nicht abträglich ist412. IV. Der Sonderfall der „extremen Haushaltsnotlage“ Neben den geschriebenen, vor allem verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Verschuldungsbegrenzung hat die Rechtsprechung den ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Tatbestand der „extremen Haushaltsnotlage“ entwickelt. An den Sonderfall der „extremen Haushaltsnotlage“ werden vor allem durch die Rechtsprechung besondere Handlungsmöglichkeiten für den Gesetzgeber geknüpft. Ausgehend von der Bestandskraft dieser Konstruktion könnten die daran geknüpften Handlungsmöglichkeiten besondere Auswirkungen auf die Haushaltssituation der Länder haben.

410  So

auch StGH Bremen, Urt. vom 24.08.2011, NdsVBl. 2012, S. 112. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (31). 412  C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (31). 411  C.

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

1. Begründung des ungeschriebenen Ausnahmetatbestandes der „extremen Haushaltsnotlage“ a) Der ungeschriebene verfassungsrechtliche Tatbestand In seinem Urteil zum „Länderfinanzausgleich II“ zur Sanierung der Haushalte von Bremen und dem Saarland hat das Bundesverfassungsgericht erstmals den verfassungsrechtlich ungeschriebenen Tatbestand der „extremen Haushaltsnotlage“ im Finanzverfassungsrecht entwickelt413. Demnach befindet sich ein Land in einer „extremen Haushaltsnotlage“, wenn es sich weder selbst noch mittels der im Normalmaß gewährleisteten Bundesergänzungszuweisungen aus dieser Lage befreien kann414. Als mögliche Indikatoren für die Annahme einer „Haushaltsnotlage“ zieht das Bundesverfassungsgericht die Finanzierungsquoten und Belastungsquoten des jeweiligen Landeshaushalts in Relation zum Durchschnitt der übrigen Länder heran, wobei diese sowohl alternativ als auch kumulativ als Indiz gelten können, ohne dabei abschließend für die Bewertung zu sein415. Dabei beschreibt die Finanzierungsquote das Verhältnis zwischen Netto-Kreditaufnahme und den Einnahmen oder Ausgaben der jeweiligen Landeshaushalte, während die Belastungsquote die Zinsbelastung und die steuerlichen Einnahmen ins Verhältnis zueinander setzt416. Dabei unterscheidet sich die „extreme“ Haushaltsnotlage von einer „einfachen“ Haushaltsnotlage durch den Umfang der finanziellen Mittel, die es zur Sanierung des Haushalts bedarf 417. So kann 413  Urt.

vom 27.05.1992, BVerfGE 86, S. 148 ff. genaue Definition nimmt das BVerfG in dieser Entscheidung nicht vor, so auch der Befund von C. Waldhoff, NVwZ 2004, S. 1062 (1062) und S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, in: Lewinski, 2011, S. 45 (50). Das BVerfG hat im konkreten Fall lediglich anhand finanzwissenschaftlicher Indikatoren für Bremen und das Saarland eine Haushaltsnotlage angenommen. Diese habe im Vergleich zu den übrigen am Finanzausgleich beteiligten Ländern ein so „extremes Ausmaß“ angenommen, dass Bremen und dem Saarland mit Bundesergänzungszuweisungen, „die sich im Rahmen ihrer normalen Funktion halten“, nicht wirksam abgeholfen werden kann, BVerfGE 86, S. 148 (262 und 259). 415  BVerfGE 86, 148 (258 f.); dies wurde bis zum Berlin-Urteil noch so interpretiert, dass eine „extreme Haushaltsnotlage“ zumindest dann vorliege, wenn die Kreditfinanzierungsquote des betreffenden Landes mehr als doppelt so hoch bzw. die Zins-Steuerquote über dem Länderdurchschnitt lag, nach J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (536). 416  Zumindest im Saarland ging das BVerfG von einer solchen Haushaltsnotlage aus, da dort die Kreditfinanzierungquote (ohne die Kommunen) im Jahr 1986 mit 14,1 Prozent mehr als doppelt so hoch war als im Durchschnitt der Bundesländer (6,9 Prozent), während die Zins-Steuer-Quote mit 19,8 Prozent weit über dem Durchschnitt der Bundesländer (11,8 Prozent) lag, BVerfGE 86, 148 (259). 417  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (537). 414  Eine



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung217

nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Haushaltsnotlage als „extrem“ gewertet werden, wenn es mit Bundesergänzungszuweisungen, die sich im Rahmen ihrer normalen Funktion halten418, und „Hilfe zu Selbsthilfe“ unmöglich sei, eine Haushaltssanierung herbeizuführen, da bereits über Jahre hinweg über 20 Prozent des Haushaltsvolumens von außen zugesteuert werden mussten, ohne dass sich eine Besserung einstellte419. Insofern hat das Bundesverfassungsgericht auch diesbezüglich keine abstrakte Definition formuliert, sondern nur bezogen auf den konkreten Fall auf Indikatoren abgestellt, die in der Gesamterscheinung eine „extreme Haushaltsnotlage“ ergeben420. Den Tatbestand der „extremen“ Haushaltsnotlage hat das Bundverfassungsgericht in seinem sogenannten „Berlin-Urteil“421 dahingehend eingeschränkt, dass die Haushaltsnotlage nicht nur „relativ“ im Verhältnis zu den anderen Ländern als extrem zu bewerten ist, sondern auch „absolut“, gemessen an den Aufgaben, die dem Land verfassungsrechtlich zugewiesen und ein extremes Ausmaß erreicht haben422. Dies sei zumindest dann der Fall, wenn ein „bundesstaatlicher Notstand im Sinne einer nicht ohne fremde Hilfe abzuwehrenden Existenzbedrohung des Landes als verfassungsgerecht handlungsfähigen Trägers staatlicher Aufgaben eingetreten ist“423. Die Verknüpfung von extremer Haushaltsnotlage und Notstand kann dahingehend gedeutet werden, dass das Bundesverfassungsgericht dabei weniger an Sanierungs418  C. Waldhoff, NVwZ 2004, S. 1062 (1062) wertet als diejenigen Bundesergänzungszuweisungen, die im üblichem Umfang als letzte Stufe des Finanzausgleichs i. s. d. Art. 107 II 3 GG gewährt werden als die „normale Funktion“. 419  BVerfGE 86, 148 (262 f.). 420  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (538). 421  BVerfGE 116, S. 327; ausführlich zu diesem Urteil und seiner Bedeutung für den Föderalstaat, siehe K. A. Konrad/B. Jochimsen, Der Föderalstaat nach dem Berlin-Urteil, 2007; W. Höfling, Die sog. extreme Haushaltsnotlage, in: Brink/Wolff, 2004, S. 259 (169) wertet das Urteil als Gelegenheit zur Eingrenzung des Urteils vom 27.05.1992; S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, in: Lewinski, 2011, S. 45 (5 f.) sieht im Berlin-Urteil ebenfalls eine klare Korrektur; M. Ros­ si/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 171 begreift das Urteil als eindeutigen Kurswechsel. 422  BVerfGE 116, S. 327 (387  f.), so könne es einerseits an einer „relativen“ Haushaltsnotlage fehlen, sobald absolut verstandene Haushaltsnotlagen von existenzbedrohendem Ausmaß in größerer Zahl zu verzeichnen sind und der Durchschnitt der Haushalte auf ein geringeres Niveau sinkt; andererseits kann es an einer „absoluten“ Haushaltsnotlage trotz erheblichen Abstands zum Durchschnitt fehlen, wenn der Durchschnitt der Vergleichshaushalte besonders komfortabel ist. 423  BVerfGE 116, S. 327 (377), dabei ließe sich im Unterschied zur „absoluten“ Haushaltsnotlage, die „relative“ Haushaltsnotlage verfassungsrechtlich nicht generell abstrakt bestimmen und sei insbesondere nicht präzise quantifizierbar (S. 388 f.).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

hilfen denkt als vielmehr „die Finanzkrise als Anlass zum Umbau der Ausgaben- und Einnahmenverteilung“ vorzieht424. Für die Gewährung zusätzlicher Bundesergänzungszuweisungen als Sanierungshilfen müssen die „relative“ und „absolute“ Haushaltsnotlage kumulativ vorliegen425. b) Die Rechtsfolgen der „extremen Haushaltsnotlage“ Aus dem Befund der „extremen Haushaltsnotlage“ leitet das Bundesverfassungsgericht vor allem im Hinblick auf die föderalen Strukturen konkrete Rechtsfolgen ab. Schon vor dem „Berlin-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts haben auch die Landesverfassungsgerichte den ungeschriebenen Verfassungstatbestand für sich entdeckt und eigene landesverfassungsrechtliche Konsequenzen daran geknüpft. aa) D  ie bundesstaatliche Einstandspflicht nach dem Bundesverfassungsgericht Durch die „extremen Haushaltsnotlage“ sei das bundesstaatliche Prinzip des Art. 20 I GG als solches berührt, so dass als deren Rechtsfolge die bundesstaatliche Pflicht für die anderen Glieder der bundesstaatlichen Gemeinschaft resultiert, mit konzeptionell aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem betroffenen Land beizustehen426. Insbesondere trifft die bundesstaatliche Pflicht als gegenseitige Kooperationspflicht Bund und Länder gleichermaßen, wobei der Bezug zur extremen Haushaltsnotlage nicht ausschließt, dass die erforderlichen Gegenmaßnahmen schon vorbeugend im Vorfeld getroffen werden427. Insbesondere dürfen in diesem Rahmen auch Bundesergänzungszuweisungen geleistet werden, die über das normale Maß 424  So wertet zumindest S. Korioth, Nach der Föderalismusreform – Perspektiven einer Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 49 (65), in diesem Zusammenhang die Nennung des „bundesstaatlichen Notstand“, indem der Bund ohnehin kaum noch zur Hilfeleistung in der Lage sei. 425  Der BVerfGE 116, S. 327 (388) hat damals noch die tatbestandlichen Anforderungen dadurch in solchem Maße verschärft und die daraus folgenden Hilfeleistungspflichten des Bundes insodern begrenzt gesehen, dass nach seiner Ansicht die „extreme Haushaltsnotlage“ als Anspruchsgrundlage im Finanzverteilungsstreit in Zukunft keine Rolle mehr spielen werde, vgl. S. Korioth, Nach der Föderalismusreform – Perspektiven einer Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 49 (64). 426  BVerfGE 86, 148 (263). 427  BVerfGE 86, 148 (265); J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (540 f.) vergleicht diese wechselseitige Beziehung daher auch mit einem „synallagmatischen Verhältnis“.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung219

hinausgehen, wenn sie nur hinreichend zur Behebung der Haushaltsnotlage geeignet sind428. Allerdings wird die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisung zur Sanierung eines Haushalts in „extremer Haushaltsnotlage“ als Hilfeleistungspflicht der bundesstaatlichen Gemeinschaft nur in Ausnahmefällen gewährt. Insofern werden von dem Notlagenland von Verfassung wegen auch entsprechende Eigenanstrengungen verlangt, wobei § 12 IV MaßstG das verfassungsrechtlich Gebotene deutlich macht429. Nach dem Bundesverfassungsgericht erfordert die Not, die aufgrund der Solidaritätspflicht gemeinsam zu beseitigen ist, „Anstrengungen und Einschränkungen auf allen Seiten“430. Dementsprechend kann die bundesstaatliche Hilfeleistungspflicht daran gebunden sein, dass sich das Haushaltsnotlagenland „zur Aufstellung und Durchführung eines Sanierungsprogramms verpflichtet“.431 Im Übrigen treffe das entsprechende Land eine Darlegungs- und Begründungslast, dass es alle ihm verfügbaren Möglichkeiten der Abhilfe ausgeschöpft habe und sich die Bundeshilfe als der einzige Ausweg darstellt432. Hierfür ist vor allem auch vergangenes Verhalten mit einzubeziehen, so dass sich das Land nicht darauf berufen kann, „dass es für das Nachholen in der Vergangenheit versäumter Maßnahmen, zu spät’ sei“, denn die Verschuldensfalle sei kein plötzlich eintretendes und überraschendes Ereignis433. Vielmehr muss sich ein Land die fehlende Ausschöpfung von Sparmöglichkeiten in der Vergangenheit in der Form entgegenhalten lassen, dass dies den Nichteintritt des bundesstaatlichen Notstands indiziert, da andere Möglichkeiten noch vorhanden und mit Erfolg mobilisiert werden können434. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht mittels der ungeschriebenen Gewährleistungsfunktion des Bundesstaatsprinzips die Möglichkeit für Sa428  BVerfGE 86, 148 (264); U. Häde, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner Haushaltslage, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 13 (17) sieht im BerlinUrteil eine Verabschiedung von den „Sanierungs-Bundesergänzungszuweisungen“, so auch schon der Titel von J. Eschenbach, NdsVBl 2007, S. 177 (184 mit entsprechendem Fazit). 429  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (541 f.). 430  BVerfGE 86, 148 (270). 431  Dem steht vor allem nicht die Festlegung in Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG entgegen, dass Bundesergänzungszuweisungen zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs gewährt werden, BVerfGE 86, 148 (269). 432  BVerfGE 116, S.  327 (377, 390  f.), als gangbare Alternativen sieht das BVerfG z. B. die Möglichkeit einer Neugliederung des Bundesgebiets (S. 386 f.). 433  BVerfGE 116, 327 (390). 434  BVerfGE 116, 327 (390  f.); dieser Konsequenz vollkommen zustimmend S. Korioth, Nach der Föderalismusreform – Perspektiven einer Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 49 (65).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

nierungshilfen im Fall eines bundesstaatlichen Notstandes erst eröffnet, so sieht es gleichwohl im „Einsatz dieses finanzausgleichsrechtlichen Instruments eine äußerst unbefriedigende Notlösung“435. Damit steht das Bundesverfassungsgericht den Sanierungsergänzungszuweisungen als bloßem „Not­ instrument“436 durchaus kritisch gegenüber, gegen dessen Einsatz „grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken“437 bestehen. Diese Bewertung spiegelt sich auch darin wider, dass das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit den Sanierungshilfen mehrmals den Begriff „ultima-ratio“ bemüht438. bb) D  ie „extreme Haushaltsnotlage“ als Ausnahmetatbestand zur erhöhten Kreditaufnahme nach Ansicht der Landesverfassungsgerichte Anknüpfend an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „Länderfinanzausgleich II“439 hat der Verfassungsgerichtshof Berlin im Jahr 2003 den ungeschriebenen Tatbestand der extremen Haushaltsnotlage zu einer „Modifizierung des landesverfassungsrechtlichen Kreditbegrenzungsgebots“ herangezogen. Demnach könne eine Überschreitung der Kreditobergrenze über den Wortlaut des landesverfassungsrechtlichen Kreditbegrenzungsgebot des Art. 87 II 2 erster Hs. BlnVerf hinaus ausnahmsweise auch noch dann verfassungsrechtlich zulässig sein, wenn sich Berlin in einer extremen Haushaltsnotlage befinde. Es sei dem Landesgesetzgeber sogar untersagt, „Kreditbegrenzungsgebote festzulegen, die dem Land die Erfüllung seiner bundesrechtlichen Verpflichtungen im Falle einer extremen Haushaltsnotlage unmöglich machen“. Die Inanspruchnahme dieses „landesverfassungsrechtlich nicht ausdrücklich geregelten Ausnahmetatbestandes“ unterliegt dabei mindestens den gleichen Anforderungen wie die Inanspruchnahme der ausdrücklich vorgesehenen konjunkturpolitischen Maßnahmen des Art.  87 II 2 zweiter Hs. BerlVerf440. So müsse der Gesetzgeber erstens hinreichend darlegen, dass eine „extreme Haushaltslage“ vorliegt441. Zweitens ist zu begründen, warum eine geringere Kreditaufnahme aus bundesverfassungs435  BVerfGE

116, S. 327 (392). 116, S. 327 (404). 437  BVerfGE 116, 327 (382). 438  BVerfGE 116, 327 (377, 390 und 391). 439  BVerfGE 86, 148 ff. 440  VerfGH Berlin, LKV 2004, 76 (78 f.). 441  Ob eine „extreme Haushaltsnotlage“ in Berlin für das Haushaltjahr 2002 und 2003 tatsächlich vorlag, hat das Gericht gar nicht erst geprüft, da es gerade an der verfassungsrechtlichen Darlegung hierfür im Gesetzgebungsverfahren gefehlt habe, siehe VerfGH Berlin, LKV 2004, 76 (82). 436  BVerfGE



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung221

rechtlichen Aspekten nicht zulässig ist, weil anderenfalls das Land seinen bundesrechtlich festgelegten und landesverfassungsrechtlich zwingenden Ausgabenverpflichtungen nicht nachkommen könne442. Hierfür müsse der Haushaltsgesetzgeber drittens in einem schlüssigen Sanierungskonzept detailliert darlegen, dass alle veranschlagten „Ausgaben zwingend erforderlich sind und alle möglichen Einnahmequellen und Ausgabeneinschränkungen ausgeschöpft wurden“443. Ähnlich hat der Hessische Staatsgerichtshof eine Ausnahme von der Kreditobergrenze des Art. 141 S. 1 HessVerf. für den Fall einer extremen Haushaltsnotlage im Jahr 2005 beurteilt444. Auch der Hessische Staatsgerichtshof hält eine Ausnahme von der geschriebenen landesverfassungsrechtlichen Kreditobergrenze in den Fällen einer extremen Haushaltsnotlage für begründet445. Dabei sei der ungeschriebene landesverfassungsrechtliche Ausnahmetatbestand dadurch beschränkt, dass der Haushaltsgesetzgeber alle „anderweitigen Möglichkeiten, die aufgetretene Deckungslücke zu schließen“, ausgeschöpft haben muss446. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, obliegt dem Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers. Allerdings besteht hierzu als Gegenpart für den Haushaltsgesetzgeber eine entsprechende Darlegungslast, die ihn „vor dem Forum der Öffentlichkeit“ nicht nur dazu zwingt, die besondere Ausnahmesituation im Gesetzgebungsverfahren zu begründen, „sondern auch plausibel darzulegen, dass zuvor alle vertretbaren Maßnahme getroffen wurden, um die in Art. 141 S. 1 HessVerf genannte Kreditobergrenze nicht zu überschreiten“447. In der jüngsten Entscheidung hat sich auch der Bremer Staatsgerichtshof der Auffassung vom ungeschriebenen Ausnahmetatbestand der Kreditobergrenze mittels der „extremen Haushaltsnotlage“ zugewandt448. Ein Rückgriff auf den geschriebenen Ausnahmetatbestand des Art. 131a S. 2 zweiter Hs. BremVerf kam nach seiner Ansicht im konkreten Fall nicht in Betracht, 442  VerfGH

Berlin, LKV 2004, 76 (79). Berlin, LKV 2004, 76 (79). 444  HessStGH, NVwZ-RR 2006, 657; allerdings erfolgte dieses Urteil nicht einstimmig, vielmehr wendeten sich die Richter Lange/Buchberger ausdrücklich gegen die Entscheidung, da nicht schon allein der erste Euro an Steuerausfällen eine die Überschreitung der verfassungsrechtlichen Kreditobergrenze rechtfertigende „extreme Haushaltsnotlage“ darstellen könne, zudem hätte das entstandene Defizit in verfassungsgemäßer Weise durch Einsparungen abgearbeitet werden müssen, siehe Anmerkungen der Schriftleitung, S. 664 f. 445  HessStGH, NVwZ-RR 2006, 657 (663). 446  HessStGH, NVwZ-RR 2006, 657 (663). 447  Hierzu sind nachträgliche Präzisierungen und Erläuterungen im Normenkontrollverfahren nicht ausgeschlossen, Hess StGH, NVwZ-RR 2006, S. 657 (663). 448  StGH Bremen, NdsVBl. 2012, 112 (siehe Fn. 411). 443  VerfGH

222

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

da Bremen aufgrund der extremen Haushaltsnotlage schon wegen fehlenden finanziellen Spielraums gar nicht im Sinne der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts konjunktursteuernd tätig werden konnte. Dafür hat der Bremer Staatsgerichtshof die Überschreitung der Kreditaufnahme über die Investitionsgrenze im Bremer Haushalt des Jahres 2011 aufgrund des ungeschriebenen landesverfassungsrechtlichen Ausnahmetatbestands der Bewältigung einer „extremen Haushaltsnotlage“ für verfassungsgemäß erklärt. Dabei hat der Bremer Staatsgerichtshof die Anforderungen zur Anwendung des ungeschriebenen Ausnahmetatbestandes noch weiter als in den bisherigen Landesverfassungsgerichtsurteilen zurückgefahren. So steht einer Anwendung des ungeschriebenen Ausnahmetatbestandes nicht zwingend entgegen, dass dabei noch einzelne Einnahmequellen nicht ausgeschöpft worden sind und „auch bei der einen oder anderen Ausgabe Ermessensspielräume bestanden haben mögen“. Der Bremer Staatsgerichtshof gesteht sogar zu, dass für Haushaltsgesetz des Jahres 2011 noch Steigerungen von Einnahmen und Kürzungen von Ausgaben möglich gewesen wären, allerdings tut er dies mit der Begründung ab, dass die Beträge im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Haushalts so gering wären, dass eine Beachtung dieser auch nichts an der Handlungsunfähigkeit des Landes geändert hätte, eine bestehende oder drohende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren449. Insofern hat der Bremer Staatsgerichtshof die Forderungen der vorangegangen Landesverfassungsgerichtsentscheide, dass vorab alle vertretbaren Maßnahmen getroffen sein müssen, um die Kredit­ obergrenze nicht zu überschreiten450, relativiert. Nach Ansicht des Bremer Staatsgerichtshof müssen nicht mehr alle Möglichkeiten zur Verhinderung einer erhöhten Kreditfinanzierung ausgeschöpft werden. Vielmehr sei es davon abhängig, ob die alternative Handlungsmöglichkeit der Höhe nach die extreme Haushaltsnotlage auch tatsächlich verhindern könne. Die Wirkungsdauer des Ausnahmetatbestandes der erhöhten Kreditaufnahme sei nach dem Bremer Staatsgerichtshof in der vermeintlichen „Gewissheit des verfassungsrechtlich gebotenen und daher zur erwartenden“ bundesstaatlichen Beistandes zeitlich begrenzt auf eine Übergangszeit bis zur Wiederherstellung der haushaltswirtschaftlichen Normalität und vollständigen Handlungsfähigkeit des Landes. Entsprechend darf die Überschreitung der Kreditaufnahme auch nur dem Ziel der Wiederherstellung der haushaltswirtschaftlichen Normallage dienen451. 449  StGH

Bremen, NdsVBl. 2012, 112 (114). insofern noch die Ausführungen vom VerfGH Berlin, LKV 2004, 76 (79) und dem HessStGH, in: NVwZ-RR 2006, 657 (663). 451  StGH Bremen, NdsVBl. 2012, 112 (115), er spricht in diesem Zusammenhang etwas missverständlich von einer „die verfassungsrechtliche Obergrenze überschreitende[n] Kreditaufnahme“, als sei diese nicht von der Verfassung gedeckt, 450  Siehe



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung223

2. Bewertung des ungeschriebenen Tatbestandes der „extremen Haushaltsnotlage“ In der längeren Reihe von Äußerungen der Rechtsprechung hat im jüngsten Urteil der Bremer Staatsgerichtshof ausdrücklich dargelegt, warum die ungeschriebene Verfassungsregelung der „extremen Haushaltsnotlage“ erforderlich sei. Allerdings stoßen die Ausführungen der Rechtsprechung zum Sonderfall der extremen Haushaltsnotlage im Schrifttum auf große Kritik. Dabei ist vor allem umstritten, ob die Konstruktion der „extremen Haushaltsnotlage“ tatsächlich erforderlich ist und ob die daran geknüpften Konsequenzen überhaupt verfassungsrechtlich geboten sind. a) Zur Erforderlichkeit der „extremen Haushaltsnotlage“ Vollkommenes Neuland hat der Bremer Staatsgerichtshof damit betreten, indem er ausführlich erläutert, warum es des ungeschriebenen Ausnahmetatbestandes der extremen Haushaltsnotlage zur Überschreitung der Kredit­ obergrenze bedarf. Er beruft sich darauf, dass im Fall der absoluten Haushaltsnotlage die geschriebenen Ausnahmebefugnisse zur Kreditaufnahme keine Anwendung finden, in Zeiten solcher Notlagen müsse das Verfassungsrecht aber „Instrumente entwickeln, um zu verhindern, dass sich eine Staatspraxis außerhalb des Rahmens der Verfassung“ herausbilde. Ein entsprechend geeignetes Instrument stelle der Rechtfertigungsgrund der Bewältigung einer „extremen Haushaltsnotlage“ zur erhöhten Kreditaufnahme dar, der zeitlich begrenzt sei, durch rechtliche Verfahren kontrolliert werde und sich bezüglich der Haushaltskonsolidierung als effektiv aus der Landesverfassung ableiten ließe. Der Bremer Staatsgerichtshof weist darauf hin, dass der Landesgesetzgeber aus der normativen Ordnung des bundesstaatlichen Gefüges des Grundgesetzes weder dazu berechtigt sei, rechtliche Verpflichtungen zu verletzten und die Erfüllung bestimmter Aufgaben zu unterlassen, noch darf er mittels einer begrenzungsfreien Kreditaufnahme für ein unabsehbares Anwachsen des Schuldensockels sorgen452. Vielmehr müsse das Land die Balance zwischen der Wahrung der landesstaatlichen Autonomie und der Beistandspflicht der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft mit dem Ziel der Überwindung haushaltswirtschaftlicher Ausnahmesituationen finden453. Als Konsequenz dieser beiden Verfassungsprinzipien kann die Löobwohl vorher noch von der „ungeschriebenen landesverfassungsrechtlichen Ausnahmebefugnis“ die Rede ist. 452  StGH Bremen, NdsVBl. 2012, 112 (115). 453  Insofern stimmt der Bremer StGH mit der Wertung der Rechtsprechung des BVerfG und S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, in: Lewinski,

224

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

sung der Zwangslage des in Haushaltsnot geratenen Landes nur darin liegen, dass die Verfassung „um eine ungeschriebene Ausnahmebefugnis zur Überschreitung der landesverfassungsrechtlich festgeschriebenen Kreditobergrenze“ ergänzt werde. Der Bremer Staatsgerichtshof weist ausdrücklich darauf hin, dass es „sich bei diesem Ausnahmetatbestand um eine die Verfassung vervollständigende, ihren Sinn wahrende Ergänzung“ handle. Begründet wird diese Auffassung damit, dass die Ausnahmebefugnis der Haushaltsnotlage schon eine strukturelle Ähnlichkeit mit der bisherigen Ausnahmebefugnis der Überschreitung der Kreditobergrenze zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts habe, da beide der Wiederherstellung einer wirtschaftlichen Normallage vor der Föderalismusreform II dienten454. Auch in den neu gefassten Art. 109 II und III, 109a und 115 GG bestehe die Ausnahme von der haushaltswirtschaftlichen Normallage in erster Linie in der durch Staatsverschuldung gekennzeichneten Haushaltsnotlage. Auch hier liege die „innere Logik einer Verfassung“, in der wirtschaftlichen Ausnahmesituation, zum Zwecke der Wiederherstellung einer haushaltswirtschaftlichen Normallage, eine zeitlich befristete Überschreitung der Kredit­ obergrenze zu ermöglichen455. Die Bremer Rechtsprechung456 und das Berlin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts blieben nicht ungehört. Zumindest sei es dem Bundesverfassungsgericht mit seinen Äußerungen zu Sanierungshilfen in „extremen Haushaltsnotlagen“ gelungen, die Balance zwischen Autonomieprinzip der Länder und dem bundesstaatlichen Rechtsverhältnis zu erhalten457. Insofern geht auch das Urteil des Bremer Staatsgerichtshofs in Teilen in die gleiche Stoßrichtung wie die Bewertungen des Berlin-Urteils durch Teile des Schrifttums. Im Weiteren wird das Berlin-Urteil vor allem dahingehend gelobt, dass Sanierungshilfen nur als Ultima-ratio im Falle extremer Haushaltsnotlagen zugestanden werden und dadurch das verbindende Band zur 2011, S. 45 (52) überein, der die entsprechende Balance durch das Berlin-Urteil gewahrt sieht. 454  StGH Bremen, NdsVBl. 2012, 112 (115 f.). 455  StGH Bremen, NdsVBl. 2012, 112 (116), dabei sieht der StGH Bremen etwas missverständlich beide Leitbilder, die landesverfassungsrechtliche Kreditobergrenze und die Neuregelung des Grundgesetzes, in der bremischem Verfassung verankert und zieht daraus die Existenzberechtigung der ungeschriebenen Ausnahmebefugnis als ein zu Art. 131a S. 2 zweiter Hs. BremVerf a. F. komplementäres Instrument der Herbeiführung eines haushaltsrechtlichen Normalzustandes an. 456  K.-A. Schwarz, NdsVBl 2012, S. 95 kritisiert die Entscheidung als dogmatisch kaum nachvollziehbar und inhaltlich in hohem Maße problematisch und wenig konsistent. 457  S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, in: Lewinski, 2011, S. 45 (52).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung225

bundesstaatlichen Solidarität erhalten bleibe458. Dabei sei es nur konsequent, dass der Fall des bundesstaatlichen Notstandes nur regelhaft umschrieben wird und unbestimmt bleibt, denn nur so beuge das Bundesverfassungsgericht vor, dass der Notstand als Fahrplan zu Sanierungshilfen missbraucht werde459. Durch das Ultima-ratio-Prinzip der Bundesfinanzhilfen ließe sich zudem der Widerspruch akzeptieren, dass kleine Krisen aus dem Finanzausgleich herausgenommen werden, bei existenzbedrohenden Krisen aber trotzdem auf dessen Instrumente mithin Bundesergänzungszuweisungen zurückgegriffen werde460. Außerdem wird aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts abgeleitet, dass es für die Annahme der Sanierungs-Bundesergänzungszuweisungen keine Rolle spielt, ob und inwieweit Bundesstaatsglieder in „extremer Haushaltsnotlage“ diese Situation selbst verursacht oder verschuldet haben461. Dabei wird darauf verwiesen, dass das Bundesverfassungsgericht generell Bundesergänzungszuweisungen nicht als Hilfe bei finanziellen Schwächen auf Grund unmittelbarer Folgen von politischen Entscheidungen eingesetzt sehen will462, weil es die politische Autonomie gerade mit sich bringe, „dass die Länder für die haushaltspolitischen Folgen solcher Entscheidungen einzustehen haben“463. Allerdings wird auch darauf verwiesen, dass das Gericht hiervon gerade beim Bundesstaatsprinzip eine Ausnahme macht, wenn eine Unterstützung im Wege der Bundesergänzungszuweisungen zwingend erforderlich ist und auf anderem Wege keine Abhilfe erlangt werden kann464. Diese Ausführungen nimmt das Bundesverfassungsgericht im „Finanzausgleich II Urteil“ ausdrücklich auf und führt weiter aus, dass Bundesergänzungszuweisungen zumindest auch dazu dienen können, einzig gangbare Abhilfe von den Lasten zu ermöglichen, die aus einer Notsituation resultieren, „die eine unmittelbare und voraussehbare Folge eigener politischer Entscheidungen“ war465. Daraus wird abgeleitet, dass laut Bundesverfassungsgericht „allein das Bestehen einer extremen Haushaltsnotlage unabhängig von ihren Ursachen die Pflicht zu Gewährung von Sonderbedarfs458  S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, S. 45 (52). 459  S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, S. 45 (52). 460  S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, S. 45 (52). 461  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (542 f.). 462  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (542). 463  BVerfGE 72, S. 330 (405). 464  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (542) in Verweis auf (405). 465  BVerfGE 86, S. 148 (260 f.).

in: Lewinski, 2011, in: Lewinski, 2011, in: Lewinski, 2011,

BVerfGE 72, S. 330

226

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Bundesergänzungszuweisungen auslöst“466. Der Vorwurf des vergangenen Fehlverhaltens komme zur Ablehnung von Bundesergänzungszuweisungen in „extremen Haushaltsnotlagen“ schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Ursachenforschung „wegen der Komplexität haushalts- und finanzwirtschaftlicher Fehlentwicklungen und wegen des Ineinanderwirkens verschiedener Faktoren erfolglos“ bliebe und somit könne es für die bundesstaatliche Beistandspflicht keine Rolle spielen, inwiefern bundesstaat­ liche Glieder ihre Lage selbst verursacht oder verschuldet haben467. b) Verführungen und Fehlinterpretationen der „extremen Haushaltsnotlage“468 Auch wenn die Rechtsprechung für die Annahme der „extremen Haushaltsnotlage“ vor allem bezüglich des Berlin-Urteils mitunter Zuspruch im Schrifttum erhalten hat, so wird ihr in mindestens genauso großem Maße Kritik entgegen gebracht. So wird bereits in Frage gestellt, woraus sich die Ermächtigungsgrundlage für etwaige Bundesergänzungszuweisungen im Fall der extremen Haushaltsnotlage ableiten soll. Selbst bei einem bundesstaatlichen Notstand könne zumindest das Bundesstaatsprinzip des Art. 20 I GG nicht als Ermächtigungsgrundlage für Finanzzuweisungen dienen469. Das Bundesverfassungsgericht verweist lediglich darauf, dass sich der Handlungsbedarf nur allein deshalb aus dem Bundesstaatsprinzip ergebe, weil die Rechtslage defizitär ist470. Das Bundesverfassungsgericht fordert den Bundesgesetzgeber dementsprechend auch dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um mit 466  J.

Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (542). Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (542 ff.) weist aber darauf hin, dass gleichwohl aus § 12 I 3 MaßstG zu entnehmen sei, dass es einem Land zumindest untersagt ist, seine Haushaltssituation bewusst dermaßen zu verschlechtern, um in eine „extreme Haushaltsnotlage“ zu rutschen, um dadurch Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zu kassieren. 468  C. Waldhoff, NVwZ 2004, S. 1062; D. Buscher, Bundesstaat, 2010. 469  S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, in: Lewinski, 2011, S. 45 (54); a. A.: J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (532 ff.) und K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, 2011, S. 419 ff. 470  BVerfGE 116, S. 327 (394); entsprechend stellen auch M. Rossi/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/ Jochimsen, 2007, S. 171 (172) fest, dass die deutsche Rechtsordnung bis dato kein ausdifferenziertes Regelungswerk zur Bewältigung von Haushaltsnotlagen kannte; zur rechtlichen Notwendigkeit entsprechender Regelungen und den infolge des Berlin-Urteils entwickelten Ansätze und deren Zweckmäßigkeit siehe U. Häde, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner Haushaltslage, in: Konrad/ Jochimsen, 2007, S. 13 (19 ff.). 467  J.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung227

entsprechenden Verfahrensregeln Haushaltsnotlagen vorzubeugen471. Zudem sollen normative Vorkehrungen getroffen werden, nach denen „gewisse durch finanzwirtschaftliche Kennziffern bezeichnete Grenzen, etwa bei der Kreditfinanzierung und beim Schuldensockel, zu beachten [sind], und, sollten diese Grenzen überschritten sein, ein (verbindliches) Sanierungsprogramm aufzustellen [ist], das die Haushaltswirtschaft in eine Normallage“ zurückführt472. Hierzu habe der Bundesgesetzgeber mit Art. 109 III GG a. F. ausdrücklich die Regelungskompetenz473. Im Zuge dessen hat der Gesetzgeber das sogenannte Maßstäbegesetz (MaßstG) erlassen474. § 12 IV MaßstG allgemeine Grundsätze für Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen und Anforderungen zur Bewältigung einer extremen Haushaltsnotlage475. Allerdings ergibt sich aus diesen Bestimmungen noch kein Rechtsanspruch auf Sanierungshilfen, vielmehr werden in § 12 MaßstG nur in Ansätzen deren Grenzen und Voraussetzungen umschrieben476. Als ungeschriebene Ermächtigungsgrundlage würde der „bundesstaatliche Notstand“ (bzw. ungeschriebene Notstandsvorbehalt) zudem die Balance zwischen Eigenständigkeit und Solidarität dahingehend vereiteln, dass ein Land im Fall einer angespannten Haushaltsnotlage eine extreme Haushaltsnotlage provoziert, um Hilfen zu bekommen477. Insofern gehe auch die Deutung der Landesverfassungsgerichte fehl, die aus dem Vorliegen einer extremen Haushaltsnotlage die Konsequenz der Sanierungshilfen für das Land oder den Ausnahmetabestand der Überschreitung der Kreditobergrenzen schlussfolgern. Die Stoßrichtung des Berlin-Urteils durch das Bundesverfassungsgericht sei gerade die gegenteilige. Im Regelfall der Finanzkrise eines Bundeslandes müssen deren „Sanierungshoffnungen im Finanzausgleich ins Leere gehen“, vollkommen unabhängig von der Schwere der Krise478. Inso471  Ausführlich hierzu M. Rossi/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 171 (179 ff.). 472  BVerfGE 86, S. 148 (266 f.). 473  BVerfGE 86, S. 148 (266). 474  Gesetz über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen (Maßstäbegesetz – MaßstG), vom 09.09.2001, BGBl. I 2009, S. 2302, welches am 10.09.2001 in Kraft getreten ist und zunächst bis zum 31.12.2019 gilt. 475  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (540) sieht damit die Regelungsverpflichtung des Gesetzgebers aus Art. 109 III GG vollständig erfüllt. 476  M. Rossi/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 171 (174). 477  S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, in: Lewinski, 2011, S. 45 (54); K. v. Lewinski, Staatsbankrott als Rechtsfrage, 2011. 478  J. Eschenbach, NdsVBl 2007, S. 177 (181 f. und 184); S. Korioth, ZG 2007, S. 1 (8).

228

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

fern habe auch das Bundesverfassungsgericht in Berlin trotz extremer ProKopf-Verschuldung gemessen an anderen Ländern lediglich eine „angespannte Haushaltslage angenommen, die durch eigene Kraft zu bewältigen sei“479. Zudem sei fragwürdig, ob sich aus dem Vorliegen einer extremen Haushaltsnotlage überhaupt die Legitimation zu einer Überschreitung der Kreditobergrenzen ergeben könne. Schließlich wollte das Bundesverfassungsgericht mit seinen Entscheidungen zur extremen Haushaltsnotlage eine von der Kreditaufnahme vollkommen losgelöste Frage der Haushaltsordnung klären480. Unabhängig davon sei schon die Konstruktion des Vorliegens einer „extremen Haushaltsnotlage“ schwierig und wurde vom Bundesverfassungsgericht nur unbestimmt und einzelfallbezogen nach finanzwissenschaftlichen Indikatoren vorgenommen. Umso schwieriger gestalten sich daher auch die Tatbestandsvoraussetzungen für eine daraus abgeleitete erhöhte Kreditaufnahme. Vor allem sei die konkrete Höhe der Kreditaufnahmemöglichkeit im Zuge einer „extremen Haushaltsnotlage“ zu unbestimmt, denn es fehle schon am Maßstab zu deren konkreten Berechnung481. Im Ergebnis führe die vermeintliche Legitimation zu einer Überschreitung der Kreditobergrenzen nur zu einer Verschärfung der durch das Bundesverfassungsgericht geschaffenen Missstände482. Letztlich sei es insbesondere auch Sinn und Zweck der neuen Verschuldungsregelungen, Zustände wie eine extreme Haushaltsnotlage zu verhindern483. Ziehe man die „extreme Haushaltsnotlage“ aber als Ausnahmetatbestand für eine Überschreitung der Kreditobergrenze heran, schaffe man aber gerade Anreiz für ein Land, sich in eine solche Situation vorsätzlich zu begeben, um vermehrt Kredite aufnehmen zu können484. Hierfür spreche auch die Kehrseite des Einstehens füreinander in der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft, in der bundesstaatliche Pflichten wechselbezüglich wirken485. 479  S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, in: Lewinski, 2011, S. 45 (52); U. Häde, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner Haushaltslage, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 13 (19) verweist außerdem darauf, dass die Einwohnerwertungen ohnehin zu einer erheblichen Verschleierung der tatsäch­ lichen Umverteilung zugunsten der Empfängerländer führten. 480  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 327. 481  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 326, so gesteht schon das BVerfG zu, dass mangels einheitlicher haushaltsrechtlicher Regelungen transparente vergleichende Informationen über die jeweils verfolgte Haushaltspolitik nur schwer möglich sind, BVerfGE 116, S. 327 (393). 482  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 327. 483  Ausführlich zu dem Ziel der Prävention von „extremen Haushaltsnotlagen“ siehe K. Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, 2008, S. 314 ff. 484  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 326. 485  Das BVerfG sieht die im Bundesstaat bestehende Solidargemeinschaft und das bündische Prinzip der Verpflichtung des Einstehens füreinander als Teil der



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung229

Extreme Notlagen, sei es in haushaltsmäßiger oder anderer Hinsicht, treffen ein Glied des Bundes immer auch in seiner Stellung als Teil einer Gemeinschaft486. Dadurch wirkt sich das Bundesstaatsprinzip nicht nur als Grundlage einer Hilfepflicht aus, sondern legt dem in finanzieller Notlage befindlichen Bundesglied ebenfalls weitreichende Pflichten auf487. Hieraus leite sich auch die Verpflichtung ab, dass ein Land im Bewusstsein seiner Notlage nicht durch stetes Erhöhen seiner Verschuldung gegen das Prinzip der bündischen Solidarität im Sinne eines „venire contra factum proprium“ verstoßen dürfe488. In diesem Sinne sei auch das Bundesverfassungsgericht im Berlin-Urteil nur so zu verstehen, dass darin nicht das bundesstaatliche Solidaritätsprinzip, sondern vor allem die Eigenverantwortung der Länder im Vordergrund stehe489. 3. Stellungnahme Als Ausgangspunkt ist die „extreme Haushaltsnotlage“ als Balanceinstrument zwischen bundesstaatlicher Einstandspflicht und landesstaatlicher Autonomie gerechtfertigt. Allerdings muss hierbei vor allem das vom Bundesverfassungsgericht verlangte Ultima-ratio-Prinzip konsequent Anwendung finden. Als Korrektiv zum weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers muss dieser seiner Begründungs- und Darlegungslast ohne Einschränkungen nachkommen. Der Gesetzgeber muss insbesondere hinreichend darlegen, dass überhaupt ein Fall der „extremen Haushaltsnotlage“ vorliegt und alle ihm verfügbaren Möglichkeiten der Abhilfe ausgeschöpft wurden490. Eine Ausweitung der extremen Haushaltsnotlage wie im Fall des Bremer Staatsgerichtshofs, der trotz alternativer Handlungsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers eine solche angenommen hat, ist abzulehnen491. Vielmehr müssen bundesstaatlichen Ordnung gem. Art. 20 I GG, BVerfGE 86, S. 148 (264); so auch J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (534). 486  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (534). 487  J. Wieland, ZSE 1 (2003), S. 527 (534) stellt allerdings in Konsequenz hieraus nicht die Ermächtigungsgrundlage an sich in Frage, sondern nur entsprechende Einflüsse an Tatbestand und Rechtsfolgen, woraus er eine verfassungsrechtlichen Pflicht zur Sanierung in extremen Haushaltsnotlagen ableitet. 488  Übereinstimmend C. Waldhoff, NVwZ 2004, S. 1062 (1065 f.); D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 326. 489  M. Rossi/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 171 (171). 490  So ausdrücklich BVerfGE 116, S. 327 (377, 390 f.), als gangbare Alternativen z. B. zu Bundesergänzungszuweisungen sieht das BVerfG z. B. die Möglichkeit einer Neugliederung des Bundesgebiets (S. 386 f.); so auch VerfGH Berlin, LKV 2004, S. 76 (79) und HessStGH, in: NVwZ-RR 2006, S. 657 (663). 491  So geschehen durch den StGH Bremen, NdsVBl. 2012, 112 (114).

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1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

jedwede Unsicherheiten bezüglich alternativer Finanzierungs- und Einsparungsmöglichkeiten zu Lasten des Gesetzgebers gehen. Ansonsten wäre das Risiko der Anreizfunktion zu groß, sich bewusst in den Zustand der Hilfsbedürftigkeit zu begeben, und dem Missbrauch wären Tür und Tor geöffnet492. Das hier das ultima-ratio Prinzip gelten muss, ergibt sich schon aus dem Grundsatz der eigenen Haushaltsverantwortung, die die Länder tatsächlich wahrzunehmen haben493. Die Haushaltsautonomie des Art. 109 I GG begründet für die Länder eine grundsätzlich nicht abwälzbare Einstandspflicht für die haushaltspolitischen Folgen autonomer Entscheidungen, aus der auch eine Verpflichtung resultiert, wirtschaftlich zu haushalten, und ein grundsätzlicher Vorrang der Selbsthilfe vor der Fremdhilfe im Fall einer angespannten Finanzlage494. Das Bundesverfassungsgericht hat den Tatbestand der „extremen Haushaltsnotlage“ nicht zuletzt deshalb bewusst unbestimmt gehalten495, damit bei Zweifeln die Sanierungshoffnungen eines Landes auch ins Leere gehen können. Dies weist darauf hin, dass das vorsätzliche Hineinversetzen in eine „extreme Haushaltssituation“ von vorherein unrentabel sein und das Risiko der Anreizfunktion minimiert werden soll. Ob unter dieser restriktiven Handhabung überhaupt noch Raum für die Möglichkeit von Sanierungs-Bundesergänzungszuweisungen im Fall einer extremen Haushaltsnotlage besteht, muss bezweifelt werden. Bedenken drängen sich vor allem mit Blick auf die ursprüngliche Intention des Bundesverfassungsgerichts auf. Seine Vorstellung vom Handlungsbedarf zur Gewährung von Sanierungs-Bundesergänzungszuweisungen nach dem Bundesstaatsprinzip fußte noch darauf, dass allein die defizitäre Rechtslage solche Maßnahmen erforderlich machte496. Inzwischen ist der Gesetzgeber allerdings dem Auftrag der Rechtsprechung zur gesetzlichen Regelung in Art. 143d II, III GG i. V. m. dem KonsHilfG nachgekommen497. Ein Rück492  So warnt auch U. Häde, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner Haushaltslage, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 13 (17) vor der verheerenden Anreizfunktion eines solchen „bail-out[s]“, mit dem Verweis, dass eine entsprechende Sanierungshilfe ohnehin mit der in Art. 104 EG-Vertrag (nun § 126 AEUV) und mit der im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Haushaltsdisziplin unvereinbar sei. 493  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 10. 494  Vgl. 1. Teil § 3 C. II. 4. a), S. 196 ff. dieser Arbeit. 495  Übereinstimmend C. Waldhoff, NVwZ 2004, S. 1062 (1062) und S. Korioth, Staatsbankrott im deutschen Föderalsystem, in: Lewinski, 2011, S. 45 (50). 496  Siehe hierzu bereits ausführlich: 1. Teil § 3 C. IV. 2. b), S. 226  f. dieser Arbeit. 497  Entsprechend sieht auch W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 143d, Rn. 1, die Regelungen über die Konsolidierungshilfen als eine Konsequenz der Rechtsprechung des BVerfGs zu den Haushaltsnotlagen.



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung231

griff auf das Bundesstaatsprinzip als vermeintliche Ermächtigungsgrundlage für Sanierungs-Bundesergänzungszuweisungen ist damit versperrt498. Selbst der verfassungsändernde Gesetzgeber hat in Art. 143d II 6 GG ausdrücklich geregelt, dass ein Rückgriff auf Sanierungshilfen auf Grund einer „extremen Haushaltsnotlage“ im Fall von Konsolidierungshilfen ausgeschlossen ist. Abgesehen von den ohnehin schwer zu erfüllenden Voraussetzungen zur Annahme einer extremen Haushaltsnotlage könnten Sanierungs-Bundesergänzungszuweisungen höchstens noch für diejenigen Länder in Betracht kommen, die keine Konsolidierungshilfen erhalten. Zwar besteht mit § 12 IV MaßstG eine Regelung zu den Anforderungen an Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zur Bewältigung von extremen Haushaltsnotlagen, daraus ergibt sich aber kein Rechtsanspruch auf Sanierungshilfen499. Anspruchsgrundlage für Finanzierungshilfen zur Bewältigung von Haushaltsnotlagen kann nur die Verfassung selbst sein500. Allerdings ist hier der Weg für Sanierungs-Bundesergänzungszuweisungen schon deshalb versperrt, da auch der Zweck des Art. 143d II, III GG dafür spricht, dass auch die verbleibenden Fälle im Sinne eines gesetzlich geregelten Sanierungsprogramms zu einer Normallage gelangen. Damit wurde den Sanierungs-Bundesergänzungszuweisungen auf Grund eines ungeschriebenen Ausnahmetatbestandes der Anwendungsbereich nun wohl vollends entzogen501. Im Einzelfall kommt im Fall „extremer Haushaltsnotlage“ noch die Überschreitung der geschriebenen Kreditobergrenze als Ausweg aus dem Dilemma eines Landes zwischen Verpflichtung zur staatlichen Aufgabenerfüllung und dem Verbot grenzenloser Kreditfinanzierung mit einem unabsehbaren Schuldensockel in Betracht. Allerdings unterliegt diese Überschreitung einer restriktiven Anwendung. So bedarf die Ausnahme zwingend der Begründung, warum eine geringere Kreditaufnahme aus bundesverfassungsrechtlichen Aspekten nicht zulässig ist, und eines schlüssigen Sanierungskonzepts, in dem die finanzielle Alternativlosigkeit detailliert dargelegt wird. Zudem wird der 498  So auch C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2562); K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, 2011, S. 288 und 389. 499  So schon M. Rossi/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 171 (174). 500  M. Rossi/G. F. Schuppert, Auf alten Pfaden und neuen Wegen zu Haushaltsnotlagenverfahren, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 171 (174). 501  Entsprechend wurden vom Bund seit dem Jahr 2005 auch keine Sanierungshilfen mehr gewährt, J. W. Hidien, Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht – Kommentar zum Gesetz über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen, 2011, http:// beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata%2Fkomm%2Fnomos-brerl%2FMassstG%2Fcont% 2FNOMOS-BR-Erl.MassstG.p12.htm (Zuletzt geprüft am: 21.08.2013), § 12, Rn. 6.

232

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

Anwendungsspielraum zusätzlich dadurch einschränkt, dass der Gesetzgeber nachweisen muss, dass nicht der ohnehin in Art. 109 III 2 lzt. Hs. GG bereits normierte Ausnahmetatbestand der „außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staat­liche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, greift. Zumindest ist nicht davon auszugehen, dass dieser geschriebene Ausnahmetatbestand zur Kreditaufnahme automatisch durch den Fall einer „extremen Haushaltsnotlage“ verdrängt wird. Die Darlegungslast liegt insbesondere auch hier beim Gesetzgeber, warum trotzdem auf den ungeschriebenen Ausnahmetatbestand zurückgegriffen werden müsse. V. Bewertung der Schuldenbegrenzungsregelungen auf Länderebene Den landesrechtlichen Schuldenbegrenzungsregelungen droht ab dem Jahr 2020 ein Bedeutungsverlust. Im derzeitigen Zustand entfalten lediglich die inhaltsgleichen Regelungen der Landesverfassungen in Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz502, Sachsen und Schleswig-Holstein über das Jahr 2019 hinaus noch ihre Wirkung503. Die Schuldenbegrenzungsregelungen in den übrigen Ländern unterliegen hingegen in der derzeitigen Fassung dem „Verfallsdatum“ des Art. 143d I 3 GG und gelten nur noch bis zum 31. Dezember 2019504. Zwar haben die Landesgesetzgeber dieser Länder bis dahin eine sich aus Art. 143d I 3, 4 GG ergebende konstitutive Plicht den Gesetzgebungsauftrag des Art. 109 III 5 GG zu erfüllen und bis dahin entsprechende Schuldenbegrenzungsregelungen im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen umzusetzen. Tun sie dies nicht, so werden die landesrechtlichen Kreditaufnahmeregelungen ab dem Jahr 2020 gem. Art. 31 GG derogiert und allein Art. 109 III 2, 3 und 5 GG gilt für sie dann uneingeschränkt. Für diejenigen Länder, die keine Konsolidierungshilfen erhalten, haben die Übergangsregelungen des Art. 143d GG bis zum Jahr 2020 eine nur sehr bedingte Wirkung. Zumindest hat Art. 143d GG auffordernden Charakter dahin gehend, dass die Landesgesetzgeber ihre Haushalte so aufzustellen haben, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgaben aus Art. 109 III 5 GG erfüllt werden505. Selbst wenn man die zur Erfüllung dieser Vorgaben aus 502  Ausgenommen hiervon ist die inhaltlich abweichende Regelung des Art. 117 I 2 Nr. 2b RhPfVerf. 503  C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (32). 504  Hierzu und zum folgenden Ergebnis bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (32 f.). 505  C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (32).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung233

Art. 143d I GG erforderlichen Maßnahmen als eine Rechtspflicht anerkennt, so besteht zumindest ein weiter Gestaltungsspielraum der Landesgesetzgeber, wie sie das Ziel der strukturellen Nullverschuldung erreichen. Es obliegt ihren Entscheidungsspielräumen, wann sie mit dem Schuldenabbau beginnen, solange ihre Vorstellungen zur Zielerreichung nicht vollkommen unrealistisch sind506. Mit der Beschränkung auf das „geltende“ Landesrecht in Art. 143d I 3 GG wird für die Länder lediglich ein Verschlechterungsverbot begründet, welches einen inhaltlichen Bezug zum Maßstab des Art. 109 III GG n. F. hat507. Dementsprechend ist es den Länder auch untersagt, die zum 01.08.2009 bereits über Art. 109 II GG a. F. hinausgehende Verschuldungsgrenzen im Landesrecht verfügten, diese Grenzen so zu lockern, dass sie dadurch gegen Art. 109 III GG n. F. verstoßen508 Mit den strengeren Vorgaben für diejenigen Länder, die Konsolidierungshilfen erhalten, ist der Gesetzgeber den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, ein gesetzliches Sanierungskonzept für Haushaltsnotlagen zu entwickeln509. Gem. Art. 143d II, III GG unterliegen diese Länder nun einem konkret zu erfüllenden Pfad zum Schuldenabbau mit dem Ziel, bis Ende 2020 ihr strukturelles Defizit auf null zurückzuführen. Verlassen die Länder diesem Pfad oder erreichen sie das veranschlagte Ziel, drohen ihnen Sanktionsmaßnahmen, die im Extremfall zum Entzug der Konsolidierungshilfen bis hin zur Rückzahlungsverpflichtung geleisteter Konsolidierungshilfen reichen können. Ob sich diese Sanktionsmaßnahmen allerdings bei einem Land, das sich ohnehin schon in einer desaströsen Haushaltssituation befindet, als hilfreich und praktikabel erweisen, steht auf einem anderen Blatt510. Durch die strengen Vorgaben für Länder mit Konsolidierungshilfen wurden mit Art. 143d II, III GG i. V. m. dem KonsHilfG und den entsprechenden Verwaltungsvereinbarungen geschriebene Gesetzesregelungen aufgestellt, die den Rückgriff auf den ungeschriebenen Ausnahmetatbestand der „extremen Haushaltsnotlage“ überflüssig zu machen scheinen. Art. 143d II 6 GG legt fest, dass sich die gleichzeitige Gewährung von Konsolidierungshilfen und Sanierungshilfen auf Grund einer extremen Haushaltsnotlage gegensei506  C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (32). 507  Vgl.: 1. Teil § 3 C. III. 2. a), S. 212 (insbesondere Fn. 396) dieser Arbeit. 508  Vgl.: 1. Teil § 3 C. III. 2. a), S. 212 (insbesondere Fn. 397) dieser Arbeit. 509  Das BVerfG hatte vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich verlangt, bei drohenden Haushaltsnotlagen für die Länder ein gesetzliches Sanierungskonzept zu entwickeln. 510  So schon C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (33).

234

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

tig ausschließt. Daraus lässt sich zum einen ableiten, dass sich die Länder mit Konsolidierungshilfen nicht mehr auf den ungeschrieben Ausnahmetatbestand der „extremen Haushaltsnotlage“ berufen dürfen. Insbesondere auch eine Berufung auf den ungeschriebenen Ausnahmetatbestand der Überschreitung der Kreditaufnahmegrenzen ist dadurch ausgeschlossen, da diese Maßnahme dem Sinn und Zweck der Konsolidierungshilfen diametral entgegenläuft. Daraus lässt sich zum anderen aber auch ableiten, dass ein Land mit Wegfall der Konsolidierungshilfen und trotz bestehender „extremer Haushaltsnotlagen“ die Möglichkeit hat, sich wieder auf den ungeschriebenen Ausnahmetatbestand zu berufen, um Sanierungshilfen zu erhalten. Gleiches muss für Länder gelten, die von vornherein ohne jegliche Konsolidierungshilfen in den Zustand einer „extremen Haushaltsnotlage“ verfallen. Neben dem Notanker der möglichen bundesstaatlichen Verpflichtung, aufgrund einer „extremen Haushaltsnotlage“ Sanierungshilfen in Form von Bundesergänzungszuweisungen zu erhalten, ist daraus auch die mögliche Legitimation zur Überschreitung der geschriebenen Kreditobergrenzen abzuleiten. Allerdings unterliegen diese Möglichkeiten den strengen Anforderungen des Ultima-ratio-Prinzips, wobei die Darlegungs- und Beweislast für deren Vorliegen grundsätzlich beim Landesgesetzgeber liegt. Er hat auch das Risiko, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen und dass er ohne die entsprechenden Sanierungshilfen bzw. ohne eine erhöhte Kreditaufnahmemöglichkeit auskommen muss. Mit dem absoluten Verbot der strukturellen Neuverschuldung ab dem Jahr 2020 wird den Ländern ein ehrgeiziges Ziel verfassungsrechtlich vorgeschrieben511. Für die Länder mit Konsolidierungshilfen wurde mit den gesetzlichen Regelungen ein klarer Pfad vorbestimmt, auf dem sie dieses Ziel erreichen sollen512. Der Rückgriff auf den ungeschriebenen Ausnahmetatbestand der „extremen Haushaltsnotlage“ ist diesen Ländern versperrt. Die Länder ohne Konsolidierungshilfe können ihren Weg zur strukturellen Nullverschuldung bis zum Jahr 2020 zwar freier bestimmen, allerdings unterliegen auch sie vor allem bei Rückgriff auf eine „extreme Haushaltsnotlage“ gewissen Grenzen513. Allerdings drohen den Ländern ohne Konsolidierungshilfen im Falle einer Zielverfehlung keine Sanktionsmaßnahmen514. Ob mit der Neuregelung der Zielhafen der strukturellen Nullverschuldung durch die Länder im Jahr 2020 tatsächlich erreicht werden kann, hängt maßgeblich 511  Hierzu und zum Folgenden bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (34). 512  Vgl.: 1. Teil § 3 C. III. 2. b), S. 213 ff. dieser Arbeit. 513  Vgl.: 1. Teil § 3 C. IV. 3., S. 229 dieser Arbeit. 514  So bereits C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (34).



§ 3 Gesetzliche Regelungen der Schuldenbegrenzung235

davon ab, ob sich die politischen Steuermänner ihrem selbstgewählten Kurs bedingungslos unterwerfen werden. Tatsächlich hängt das Ziel, ab dem Jahr 2020 ohne strukturelle Neuverschuldung auszukommen, viel stärker vom politischen Wollen als vom rechtlichen Sollen ab515.

D. Fazit Die Schuldenniveaupolitik der letzten Jahrzehnte kann als „Geschichte der permanenten Missachtung des Verfassungsrechts gelesen werden“516. Die Anwendung der bisherigen verfassungsrechtlichen Schuldenbegrenzungsregelungen hat gezeigt, dass allein eine gesetzlich normierte Schuldengrenze die Neuverschuldung nicht verhindern kann517. Aus der Geschichte der Staatsschulden lässt sich der Schluss ziehen: „Der Kredit ist die verlockenste [sic!] und gefährlichste Finanzquelle des Staates. Er ist nicht gut oder schlecht, sondern muß [sic!] maßvoll und gut begründet eingesetzt werden“518. Die gesetzlichen Regeln können dabei immer nur so gut sein wie sein Anwender. Daher können Schuldenbegrenzungsregelungen zwar ein Orientierung geben, welche Kreditaufnahmen für die konjunkturelle Entwicklung sinnvoll sind. Letztlich liegt es aber beim Rechtsanwender, diese auch entsprechend zielorientiert auszuführen. Kreditfinanzierte Maßnahmen, die sich nur an der aktuellen Legislaturperiode oder sogar nur an der Tagespolitik ausrichten, provozieren von vornherein eine Umgehung der Schuldenbegrenzungsregelung. Entscheidend für eine erfolgreiche Schuldenbegrenzung ist daher in erster Linie der Wille des Haushaltsgesetzgebers, seine Ziele der eingeschränkten Möglichkeit zur Kreditaufnahme zu unterwerfen. Von dieser Maxime wird auch der Erfolg der durch die Föderalismusreform II eingeführten Schuldenbegrenzungsregelung abhängen. Allein die normative Neuausrichtung auf die quasi Nullverschuldung wird den Anstieg der Gesamtverschuldung im Bundesstaat nicht verhindern. Letztlich kann nur eine „selbstbestimmte verantwortungsvolle Finanzpolitik aller Gebietskörperschaften“ mit einer strikten Ausgabendisziplin helfen, die Staatsverschuldung einzuschränken519. Dies muss für die neue Schuldenbegren515  C. Bravidor, Die Umsetzung der Verschuldungsregelung in den Ländern, in: Hetschko/Pinkl/Pünder/Thye, 2012, S. 11 (34). 516  W. Höfling, Die sog. extreme Haushaltsnotlage, in: Brink/Wolff, 2004, S. 259 (165). 517  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (736). 518  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (735). 519  S. Korioth, Nach der Föderalismusreform – Perspektiven einer Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen, in: Konrad/Jochimsen, 2007, S. 49 (67).

236

1. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen

zungsregelung von Bund und Ländern mit Blick auf den langen Übergangszeitraum besonders gelten, da der Haushaltsgesetzgeber bereits in dieser Phase die Weichen so zu stellen hat, dass das Ziel der Schuldensenkung erreichbar bleibt. Allerdings hat der Haushaltsgesetzgeber in der Übergangszeit grundsätzlich einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, wie er das Ziel des ausgeglichenen Haushalts einhält, wenn die normativen Vorgaben zur Schuldenbegrenzung ihre volle Wirkung entfalten. Dadurch ist die neue Schuldenbegrenzungsregelung dem Risiko ausgesetzt, dass das Ziel der Nullverschuldung von Anfang an nicht konsequent angegangen wird und später nicht mehr hinreichend umgesetzt werden kann. Aber selbst bei uneingeschränkter Geltung ist die Schuldenbegrenzungsregelung unter Umständen kaum in der Lage, die Neuverschuldung einzudämmen. Ursache hierfür sind vor allem die Ausnahmen zur Kreditaufnahme, die derart weit gefasst sind, dass sie problemlos vom Haushaltsgesetzgeber beansprucht werden können520. Vor allem die unzureichende gesetzliche Konkretisierung der Konjunkturkomponente lässt die konjunkturelle Normallage zur Ausnahme verkommen und gefährdet dadurch das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts. Zwar bekräftigt die symmetrische Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung, dass in Abschwungphasen Kredite aufgenommen werden dürfen, die in Aufschwungphasen wieder abgebaut werden müssen, allerdings bleibt diese Normierung wirkungslos, wenn nur die Abschwungphase, nicht hingegen die Aufschwungphase klar definiert ist. So lange man die Schlüsselentscheidung für mögliche Kreditaufnahmen allein der strukturbedingt „kreditsüchtigen“ Exekutive überlässt, werden ausgeglichene Haushalte die Ausnahme bleiben. Ein Drogenentzug, der dem Abhängigen die Dosierung der Droge in Zukunft überlässt, wird nicht funktionieren. Vielmehr muss der Gesetzgeber seiner Verantwortung gerecht werden und eine präzisere gesetzliche Konkretisierung der Ausnahmeregelungen zur Kreditaufnahme vorgeben. Zumindest die Einbeziehung des Haushaltsvollzugs und die Streichung der Regelung zur Kreditaufnahme im Rahmen von Sondervermögen stellen einen Fortschritt gegenüber der alten Schuldenbegrenzungsregelung dar. Es bleibt aber abzuwarten, ob dies ausreicht, eine Umkehr von einem stetig wachsenden Schuldenberg zu einem langfristig ausgeglichenen Staatshaushalt zu bewirken521. 520  S. Korioth,

JZ 2009, S. 729 (736). Kramer/T. Hinrichsen/T. Lauterbach, JuS 2012, S. 896 (902) sehen hingegen in der neuen Schuldenbegrenzungsregelung ein deutliches „Potenzial, Bund und Länder in einem Maß haushaltsmäßig zu disziplinieren, das die exzessive Aufnahme neuer Kredite bald obsolet machen könnte“, gleichwohl sei abzuwarten, ob dieses Potenzial auch ausgeschöpft wird. 521  U.

2. Teil

Die Beziehungen der Schuldenbegrenzungsregelungen zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Durch die Föderalismusreform II ist das Grundgesetz umfassend geändert worden. Das Grundgesetz darf jedoch nicht beliebig geändert werden. Vielmehr sind Teile des Grundgesetzes selbst durch eine Verfassungsänderung nicht auf legalem Wege abzuschaffen. Das Grundgesetz zeichnet sich durch die Besonderheit der sogenannten Ewigkeitsgarantie1 des Art. 79 III GG aus, wonach gewisse Inhalte des Grundgesetzes unumstößlich sind und eine entsprechende Änderung von vornherein verfassungswidrig ist. Auch die Einführung der Schuldenbegrenzungsregelung darf nicht gegen die Anforderungen der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG verstoßen. Um die durch Art. 79 III GG gezogenen Grenzen im Allgemeinen und die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelung im Speziellen überhaupt interpretieren zu können, bedarf es eines einheitlichen Prüfungsmaßstabes. Hierfür ist es erforderlich die für die Verfassungsinterpretation geltenden Maßstäbe darzulegen, an denen die Verfassungsmäßigkeit der Einführung der neuen Schuldenbegrenzungsregelungen geprüft werden kann (§ 4). Anhand dieser Maßstäbe kann auch gemessen werden, inwiefern die Schuldenbegrenzungsregelungen und die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sich wechselseitig beeinflussen können (§ 5). Hierbei ist vor allem zu untersuchen, ob die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ihrerseits Schutz durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG genießt und in welchen Grenzen Art. 28 II GG und die neuen Schuldenbegrenzungsregelungen aufeinander einwirken.

1  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 14 verweist auf die terminologische Vielfalt ähnlicher Bezeichnungen wie Ewigkeits- oder Unantastbarkeitsklausel, Ewigkeits-, Unantastbarkeits- oder Identitätsgarantien, materielle Schranken der Verfassungsänderungen, Grenzen der Revisionsgewalt, Verfassungsänderungsverbote etc.

§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen Durch eine Verfassungsänderung wurden mit der Föderalismusreform II neue Schuldenbegrenzungsregelungen ins Grundgesetz aufgenommen. Verfassungsänderungen unterliegen gem. Art. 79 I, II GG besonderen formalen Anforderungen. Insbesondere bedarf ein entsprechendes Gesetz zur Verfassungsänderung gem. Art. 79 II GG der Zustimmung von jeweils zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates. Zusätzlich werden durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG inhaltliche Anforderungen an eine Verfassungsänderung gestellt. Demnach ist eine Änderung des Grundgesetzes unzulässig, „durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden“. Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe die der Auslegung bedürfen. Die bei der Verfassungsinterpretation zugrunde gelegte Auslegungsmethodik ist entscheidend dafür, welcher Prüfungsmaßstab bei Verfassungsänderungen anzuwenden ist (A.). Insbesondere können damit die Inhalte der Ewigkeitsgarantie bestimmt werden. Außerdem wird dadurch geklärt, wie die Beziehungen der Normen der Verfassung zueinander zu bewerten sind. Mit diesem Maßstabes kann geprüft werden, ob die Schuldenbegrenzungsregelungen nicht schon gegen Art. 79 III GG verstoßen und inwiefern deren Einführung verfassungsgemäß ist (B.).

A. Der Prüfungsmaßstab bei Verfassungsänderungen Es ist zu klären, mit welcher Methode der Inhalt der Verfassung herausgearbeitet werden kann. Da die Verfassung in der staatlichen Normenhierarchie über einfachem Recht steht, gilt es die Besonderheiten dieser Normen zunächst zu erfassen (I.) und anschließend bei der Verfassungsinterpretation zu berücksichtigen (II.). Zwar können Verfassungsänderungen durch formell wortlautändernde Verfassungsfortbildung nach Maßgabe von Verfassungsänderungsschranken per Gesetz erfolgen, wie bei der Föderalismusreform I und II geschehen. Den größeren Teil macht allerdings der Wandel materiellen Verfassungsrechts aus1. Dieser Wandel kann mittels gedanklicher Um1  E. Grabitz, Methoden der Verfassungspolitik in der Gemeinschaft, in: Bieber, I. Band, 1981, S. 105 (107); L. Lütgens, Demokratieprinzip, 2004, S. 97.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen239

setzung der Normen in ein sozial relevantes Verhalten und durch wortlautgebundene Verfassungsinterpretation vollzogen werden2. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts kommt dabei eine besondere Rolle zu (III). Das Bundesverfassungsgericht ist nicht nur die Kontrollinstanz bezüglich der Einhaltung der Grenzen der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG, vielmehr ist es auch Taktgeber der Auslegung der Verfassungsinhalte. Durch die Unabhängigkeit der Rechtsprechung in der Gliederung der Staatsgewalt zeigt sich die institutionelle Potenz der Rechtsprechung zur Sicherung des Vorranges der Verfassung vor allem gegenüber dem Gesetzgeber3. Mit Blick auf das Gewaltenteilungsprinzip und das Demokratieprinzip ist die Rolle der Rechtsprechung gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber auch nicht unproblematisch. Je nach der Methode der Verfassungsinterpretation schränkt die Verfassungsgerichtsrechtsprechung den Handlungsspielraum des Gesetzgebers ein. Mit Blick auf das Verhältnis von Verfassungsgerichtsrechtsprechung zum verfassungsändernden Gesetzgeber müssen die Grenzen der Verfassungsinterpretation deutlich herausgearbeitet werden (IV.). Ebenso bedarf es aber auch einer Bestimmung der Reichweite der verfassungsändernden Gesetzgebung und der Entwicklungsgrenzen der Verfassung, wie sie durch die Ewigkeitsgarantie gem. Art. 79 III GG gesetzt werden (V.). I. Die Besonderheiten der Verfassungsinterpretation Das Bundesverfassungsgericht hält für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung „der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers [für maßgebend], so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung.“4 Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern das Verfassungsrecht überhaupt objektivierbar ist und ob die Grundsätze zur Gesetzesauslegung vorbehaltlos auch auf die Verfassungsauslegung anwendbar sind oder ob nicht vielmehr die Besonderheiten des Verfassungs2  E. Grabitz, Methoden der Verfassungspolitik in der Gemeinschaft, in: Bieber, I. Band, 1981, S. 105 (107). 3  C. Starck, Das Bundesverfassungsgericht in der Verfassungsordnung und im politischen Prozeß [sic!], in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 1 (3 und 22). 4  BVerfGE 1, 299 (312); 6, 55 (75); 6, 389 (431); 10, 234 (244); 36, 342 (367); 41, 291 (309); kritisch hierzu K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 55 ff.; eine kritische Beleuchtung von Politik und Verfassungsgerichtsbarkeit findet sich bei M. Jestaedt, Zur Kopplung von Politik und Recht in der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Vesting/Korioth, 2011, S. 317.

240   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

rechts zu berücksichtigen sind5. Tatsächlich ist Verfassungsrecht und notwendigerweise auch die Verfassungsrechtsprechung dadurch geprägt, dass Verfassungsrecht „politisches Recht“ ist6. Verfassungsrecht ist immer zugleich Bestandteil des Ringens um das politische Selbstverständnis des Gemeinwesens7. Durch die strukturell bedingte Offenheit der Verfassung sind den politisch handelnden Akteuren gewisse Verhaltensspielräume eröffnet, so dass die Verwirklichung der Verfassung einem stetigen Wandel unterliegt8. Die moderne Verfassungstheorie begreift Verfassungsgebung daher auch nicht als einmaliges Ereignis, sondern als dauernden evolutionären Vorgang9. Insofern bleibt es nicht aus, dass bei der Rechtsfindung im Staatsrecht verstärkt weltanschauliche und soziale Leidenschaften in die Rechtsfindung hinein spielen10. Daher gilt es zu untersuchen, ob die Methoden zur Gesetzesauslegung11 auch für die Verfassungsauslegung Anwendung 5  Hesses Kritik (vgl. Fn. 4) hat in der Rechtsprechung inzwischen Niederschlag gefunden und die vorbehaltlose Anwendung der Gesetzesauslegung auf Verfassungsnormen wurde mit Verweis auf die politische Offenheit des Normtextes inzwischen relativiert; BVerfGE 62, 1 (45). 6  So schon R. Smend, Staatsrechtliche Abhandlungen, 2010, S. 238; H. Ehmke, Verfassungstheorie und Verfassungspolitik, 1981, S. 339; C. Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 1991, § 1, Rn. 1; J. Isensee, Verfassungsrecht als „politisches Recht“, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 162; P. Badura, Staatsrecht, 2012, S. 21 f.; demgegenüber kritisch: H. Lechner/R. Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 6. Auflage, 2011. 7  H. Ehmke, Verfassungstheorie und Verfassungspolitik, 1981, S. 339; P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/ Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (336 f.) weist aber zugleich kritisch darauf hin, dass dies „kein Spezifikum des Verfassungsgesetzes“ sei, da „positiviertes Recht jeder Art […] normalerweise Ziel und Ausdruck politischer Entscheidungen“ sei. 8  E. Grabitz, Methoden der Verfassungspolitik in der Gemeinschaft, in: Bieber, I. Band, 1981, S. 105 (107). 9  R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 2005, S.  64  f. und M.  Kloep­fer, Verfassungsrecht I, 2010, § 1 Rn. 177 bezeichnen diesen Prozess als „stillen Verfassungswandel“, weil die Veränderung des inhaltlichen Verständnises durch Verfassungsinterpretation nicht durch Verfassungsänderung im Wege des Art. 79 GG erfolgt; kritisch gegebüber einem solchen Verständnis von Verfassungswandel hingegen A. Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450 (453 ff.). 10  L. Lütgens, Demokratieprinzip, 2004, S. 109; P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (337) weist zwar ausdrücklich darauf hin, dass die Gefahr „vorurteilsnaher Ideologie-Anfälligkeit“ gerade keine Besonderheit nur der Verfassungsrechtsinterpretation sei, gleichwohl gesteht er aber zu, dass diese Gefahr „hier auch höhere Steigerungsgrade“ erreicht. 11  Zu denken ist in diesem Zusammenhang vor allem an den klassischen Auslegungskanon nach F. C. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1840, S. 212  ff. Zur klassisch-hermeneutischen Methode siehe: 2. Teil § 4 A. II. 1., S.  244 ff. dieser Arbeit.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen241

finden können und inwiefern sie überhaupt eine objektive Analyse der Verfassungslage gewährleisten kann. Ausgangspunkt hierfür ist die Annahme E. Forsthoffs, dass auch die Verfassung nach den Regeln einfacher Gesetze auszulegen ist12. Auch der Sinngehalt der Verfassung ergibt sich erst mittels der Auslegungsmethoden von Gesetzen und wird erst dadurch kontrollierbar. Dem lässt sich zwar entgegen halten, dass sich die Verfassung gerade durch eine gewisse Lückenhaftigkeit und ein besonderes Maß der Abstraktheit auszeichnet. Allerdings ist dieser Unterschied zu anderen Gesetzen eher quantitativer als qualitativer und somit nicht prinzipieller Natur, denn auch bei einfachen Gesetzen existieren Generalklauseln, die Interpretationsprobleme bereiten13. Auch wenn gewisse Interpretationsschwierigkeiten beim Verfassungstext häufiger auftreten, kann dies grundsätzlich nichts daran ändern, dass Verfassungsinterpretation immer auch Gesetzesinterpretation ist. Gleichwohl kann eine Anwendung der Auslegungsmethoden einfacher Gesetze nicht über die besonderen Schwierigkeiten der Verfassungsauslegung hinwegtäuschen. Grundlegende Schwierigkeiten bestehen im Hinblick auf die Beziehung von juristischer Methodologie und juristischer Verfassungstheorie14. Vor allem stößt man hier auf die Kernfrage der Lehre von der Hermeneutik, ob ein Werk nach dem „Willen des Verfassers“ (subjektive Theorie) oder nach dem „Willen des Verfassten“ (objektive Theorie) auszulegen ist15. So ist im Hinblick auf das Ziel der Gesetzesauslegung bereits fraglich, ob man sich am subjektiven Willen des Gesetzgebers oder am objektiven Sinn des Gesetzes zu orientieren hat16. Als weitere Dimension stellt sich in zeitlicher Hinsicht die Frage, ob der Verfassungstext statisch mit Blick auf den Zeitpunkt des Verfassungserlasses auszulegen ist oder vielmehr mit der Lebenswirklichkeit und insofern mit Blick auf die Verfassungsanwendung zu untersuchen ist. Somit ergeben sich bereits vier unter12  E. Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: Barion/Forsthoff/ Weber, 1994, S. 35 (36 und 40); so auch M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 1 Rn. 143. 13  E. Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: Barion/Forsthoff/ Weber, 1994, S. 35 (51 ff.); R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (14). 14  Nach A. Keller, Interpretation des Gesetzeswortlautes, 1960, S. 161 ff.; A. Mennicken, Ziel der Gesetzesauslegung, 1970, S. 17 f.; ausdrücklich befürwortet von P. Schneider, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, in: VVDStRL, 20. Band, 1963, S. 1 (6 ff.); R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (24). 15  K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 124. 16  K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 124 m. w. N.; M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 1 Rn. 144 f.

242   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

schiedliche Bezugspunkte der Zielsetzung der Verfassungsauslegung: erstens eine subjektiv-entstehungszeitliche Gesetzesauslegung, die sich im faktischen Willen des Gesetzgebers orientiert; zweitens eine subjektiv-geltungszeitliche Gesetzesauslegung, die die Gesetzesanwendung in den Blick nimmt; ebenso könnte nur der objektive Sinn des Gesetzes Ziel der Gesetzesauslegung sein und zwar drittens nur mit Blick auf seine Entstehungszeit oder viertens objektiv-geltungszeitlich, das heißt unter Beachtung des vernünftigen Sinns des Gesetzes. Tabelle 2 Mögliche Bezugspunkte der Gesetzesauslegung Gesetzeserlass

Gesetzesanwendung

Subjektiver Wille des Gesetzgebers

Subjektiv-entstehungszeitlich Subjektiv-geltungszeitlich (faktischer Wille des Gesetzgebers)

Objektiver Sinn des Gesetzes

Objektiv-entstehungszeitlich

Objektiv-geltungszeitlich (Vernünftiger Sinn des Gesetzes)

Welchem Auslegungsziel man letztlich folgt, richtet sich maßgeblich nach der zugrunde gelegten Rechts- und Staatsphilosophie, wobei in verschiedenen Auslegungssituationen auch verschiedene Auslegungsziele vorzugswürdiger sein können17. Somit stößt man bei der Klärung der Frage der Vorzugswürdigkeit der Zielkriterien der Gesetzesauslegung auf den fehlenden Konsens der Rechts- und Staatsphilosophie und damit an die Grenzen der Maßstabsbildung der Verfassungstheorie18. Grundsätzlich lässt sich ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen den Methoden der Verfassungsinterpretation und der zugrunde liegenden Verfassungstheorie feststellen19. So kann die Auslegungsmethode von einer bestimmten verfassungstheoretischen Grundvorstellung her begründet werden oder es ergibt sich aus der Interpretationsmethode eine bestimmte Grundvorstellung von der Verfassung20. Letztlich bestätigt sich hier die wechselseitige Abhängigkeit von 17  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (25); zur Problematik der verschiedenen Bezugspunkte der historischen Auslegung: R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 2005, S. 54 ff. 18  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (25). 19  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2097). 20  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2097).



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen243

Gegenstand und Methode, die in der Erkenntnismethode unmittelbar greift und in der Interpretationsmethode ihre Entsprechung hat21. Aber gerade wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Interpretationsmethode und der verfassungstheoretischen Grundvorstellung ist es umso wichtiger, sich die Auswahl der Auslegungsmethode ins Bewusstsein zu rufen. Die Schwierigkeit der Methodenwahl brachte K. Hesse treffend auf den Punkt, indem er konstatierte: „Gewiß läßt [sic!] sich juristische Entscheidung gerade auch im Verfassungsrecht nicht bis zum letzten rationalisieren aber das kann nur bedeuten, daß [sic!] es auf die mögliche Rationalität ankommt, nicht, daß [sic!] reflektierte Methodik überhaupt entbehrlich wäre.“22 Daher unterliegt das Ziel der Methodenwahl in der Rechtswissenschaft im Unterschied zum absoluten Richtigkeitsanspruch mit exakter Beweisbarkeit der Naturwissenschaften vielmehr auch immer nur einer relativen Richtigkeit, die die Begrenztheit ihres Anspruchs eingesteht23. II. Zur Auslegungsmethodik der Verfassungsinterpretation Fraglich ist, ob die juristische Methodenlehre über einen konsensfähigen Regelkanon verfügt, der der Rechtsprechung rational kontrollierbare Grenzen setzen kann24. In der Literatur werden diverse Methoden diskutiert, die versuchen, die Verfassungsinterpretation in entsprechende Bahnen zu leiten25. Hierbei ist vor allem die klassisch-hermeneutische Methode weit verbreitet. Allerdings ist fraglich, ob diese Methode auch den Besonderheiten der Verfassungsinterpretation hinreichend gerecht wird. Mit Blick auf das wechselseitige Zusammenspiel zwischen Methode und der zugrunde liegenden Verfassungstheorie bedarf die klassisch-hermeneutische Methode noch einer Präzisierung, um sie für die Verfassungsinterpretation fruchtbar 21  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2097); ebenso R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3. Band, 1976, S. 13 (25) mit Blick auf die Prioritätensetzung bei den klassischen Auslegungsmethoden, die maßgeblich von den Auslegungszieltheorien abhingen. 22  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 76. 23  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 76. 24  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (15). 25  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2090) unterteilt die gängigen Methoden dabei in fünf Grundströmungen: die klassich-hermeneutische, die topischproblemorientierte, die wirklichkeits-wissenschaftlichorientierte, die hermeneutischkonkretisierende und die verfassungstheoretisch durchgebildete Methode. Er hält diese Methoden noch für unzulänglich und empfiehlt daher selbst seine eigene „verfassungstheoretisch durchgebildete“ Methode.

244   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

zu machen. Eine solche Präzisierung versucht die hermeneutisch-konkretisierende Methode vorzunehmen26. 1. Die klassisch-hermeneutische Methode Die klassisch-hermeneutische Methode orientiert sich an der Methode C. Savignys27 und legt die Verfassung wie einfaches Gesetz aus. Zwingende Voraussetzung hierfür ist die Gleichsetzung von Verfassung und Gesetz28. Die Lehre Savignys beruht ursprünglich auf vier Auslegungsmitteln: der grammatischen, logischen, historischen und systematischen29. Die grammatischen Aspekte sollen den Wortsinn des Gesetzes erforschen. Die logischen Aspekte sollen den Begriffsinhalt einzelner Worte aufzeigen. Mit dem historischen Aspekt soll die Verwurzelung des Gesetzes in der Geschichte verdeutlicht werden, während mit den systematischen Aspekten der Gesamtzusammenhang eines Gesetzes im Gesamtkomplex der Rechtsordnung betrachtet werden soll. In der Literatur wurden die ursprünglichen Auslegungsmittel Savignys um noch drei weitere Auslegungsaspekte ergänzt30. So werden als besondere Form der historischen Auslegung auch genetische Aspekte berücksichtigt, das heißt, man untersucht die Gesetzesmaterialien wie zum Beispiel die Vorarbeiten bei der Gesetzesberatung. Zudem betrachtet man komparative Aspekte und zieht Parallelvorschriften aus anderen Rechtsverordnungen heran. Außerdem soll die teleologische Auslegung den maßgeblichen Wert und Zweck, mithin die ratio legis des Gesetzes aufdecken. Dabei sind die einzelnen Auslegungsmittel ergänzend zu kombinieren31. Gleichwohl soll hierbei 26  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 nennt noch die topisch-problemorientierte und die wirklichkeits-geisteswissenschaftliche Methode, allerdings mit Hinweis auf deren erhebliche Schwächen. So weise die topisch-problemorientierten Methode die Schwierigkeit auf, dass Grundentscheidungen der Verfassung und ihre Rechtsgüter ihren normativen Charakter verlören und als „Verfassungsrechtsmaterial“ zu bloßen Interpretationsgesichtspunkten werden, deren Relevanz sich letztlich allein an durch den Interpreten bestimmbaren Problem- bzw. Fallangemessenheit orientiere. Bei der wirklichkeits-geisteswissenschaftlichen Methode handele es sich tatsächlich um eine „soziologische Verfassungsinterpretation“, die sich in ihrer bloßen Wirklichkeitsbeschreibung in der Abbildung soziologisch-phänomenologischer Erkenntnisse über die Verfassung erschöpft. 27  F. C. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1840, S. 212  ff.; wobei die teleologische Auslegung erst durch E. Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: Barion/Forsthoff/Weber, 1994, S. 35 (36) eingebracht wurde. 28  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2090). 29  F. C. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1840, S. 213 f. 30  Nach K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 125 f. 31  K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 126; C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 22.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen245 Tabelle 3 Die klassisch-hermeneutische Methodenlehre bei Savigny und heute32 nach Savigny

heutige Auslegungsaspekte

1. grammatisch 1. verbal (grammatisch, philologisch) 2. logisch

2. logisch (nach Begriffsinhalt der einzelnen Worte, dem Textsinn)

3. systematisch 3. systematisch 4. historisch

4. dogmengeschichtlich (orientiert am Theorieproblem, instituts- und / oder normengeschichtlich) 5. genetisch (entstehungsgeschichtlich)



objektive Funktion des Gesetzes 6. teleologisch (Sinn und Zweck subjektive Zielvorstellung des Gesetz­ des Gesetzes) gebers



7. komparativ (rechtsvergleichend)

die Eigenart der Verfassung berücksichtigt werden, ohne dass diese zur Außerkraftsetzung der einzelnen Methoden oder der Normengebundenheit der Interpretation führen darf33. Der bedingungslosen Anwendung der klassisch-hermeneutischen Methode bei der Verfassungsinterpretation wird entgegen gehalten, dass Savigny seine Auslegungsregeln nur für einen privatrechtlichen in „Rechtsregeln und Rechtsinstituten durchgebildeten, zur Einheit des Systems befähigten Rechtsstoff“34 entwickelte. Eine Ausdehnung auf das Staatsrecht habe er gerade nicht vorgesehen35. Eine entsprechende Anwendung verbietet sich schon aufgrund der Wesensunterschiede von Verfassung und einfachgesetz32  Basierend auf Vorlage von R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders. / Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (25). 33  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2090 und 2092); M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (875) spricht insofern von der klassischen Gesetzesauslegung in verfassungsspezifischer Gestalt. 34  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2091); kritisch hierzu: C. Starck, Ver­ fassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 17, der darauf verweist, dass Savigny das öffentliche Recht wegen Gründen zu seiner Zeit außer Betracht ließ, die heute gerade nicht mehr vorlägen. 35  Darauf verweist ausdrücklich E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2092) (Fn. 17).

246   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

licher Regelung. Im Unterschied zu Gesetzen ist die normativ-inhaltliche Durchbildung der Verfassung nur bruchstückhaft und fragmentarisch36. Als Rahmenordnung trifft die Verfassung Grundsatzentscheidungen für das Verhältnis Einzelner, Gesellschaft und Staat, so dass die Strukturgleichheit von Verfassung und Gesetz als bloße Fiktion betrachtet werden muss37. Zudem geht Savigny von einem inhaltlich geprägten und geformten Gesetzesbegriff aus, wobei die Auslegungsregeln aus dem normativen Gesetzesinhalt und Gesetzeszweck nicht aus sich selbst, sondern aus dem „historisch-dogmatischen Ganzen“38 der Rechtsordnung zu ermitteln sind. Der Verfassung fehlt neben der inhaltlichen Bestimmtheit allerdings gerade das „historisch-dogmatische Ganze der ausgebauten, in einer Vielzahl inhaltsgewisser einzelner Regelungen entfalteten Verfassungsrechtsordnung“ und hierin liegt das wesentliche Defizit des klassischen Auslegungskanons als unmittelbar anwendbare Methode zur Verfassungsinterpretation39. Da Savigny gerade dem „historisch-dogmatischen Ganzen“ besonderes Gewicht beimisst, enthält die Verfassung gerade nicht das maßgebliche Puzzlestück zur Anwendung der klassisch-hermeneutischen Methode. Dies kann nicht ignoriert werden, ohne sich dem Vorwurf der unreflektierten und unkontrollierten interpretatorischen Beliebigkeit auszusetzen40. Außerdem ist die Frage nach den maßgeblichen Zielen der Gesetzesauslegung durch die heutige Verfassungstheorie nicht beantwortet. Da die Priorität des Auslegungselements aber maßgeblich von der verfolgten Auslegungszieltheorie abhängig ist41, besteht weiterhin Unklarheit bezüglich der Rangfolge der einzelnen Auslegungselemente42. Letztlich lassen sich mit der klassisch-hermeneutischen Auslegungsmethode die verschiedensten Auslegungsergebnisse juristisch rechtfertigen, je nachdem welches Auslegungsziel man favorisiert43. Damit ist aber der Beliebig-

36  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S.  2089 (2091); anderer Auffassung sind: M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1976, S. 338 ff.; C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 17, der eine Sonderstellung des Verfassungsrechts unter methodologischen Aspekten ausdrücklich ablehnt. 37  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2091). 38  F. C. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1840, S. 215. 39  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2091). 40  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2091). 41  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (25). 42  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 22 charakterisiert die canones daher auch als gleichberechtigte Gesichtspunkte ohne feste Reihenfolge, ausgenommen hiervon ist die Teleologie, aus der sich selbst ihre grundsätzliche Nachrangigkeit ergibt. 43  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (25).



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen247

keit der Verfassungsinterpretation Tür und Tor geöffnet, ohne einen Mehrwert an möglicher Rationalität gewonnen zu haben. Die klassisch-hermeneutische Methode muss daher methodisch dadurch ergänzt werden, dass ein Surrogat für das fehlende „historisch-dogmatische Ganze“ gefunden wird und eine Rangfolge zwischen den Auslegungsmitteln nachvollziehbar wird. 2. Die hermeneutisch-konkretisierende Methode Um die klassisch-hermeneutische Auslegungsmethode für die Verfassungsinterpretation fruchtbar zu machen, kann an die Auslegungsmethode nach K. Hesse angeknüpft werden44. Als Ausgangspunkt weist K. Hesse zutreffend darauf hin, dass Interpretation immer davon ausgehen muss, dass ihr Ziel nicht schon real existent ist, denn Interpretationsprobleme gibt es schließlich erst dort, wo die Verfassung keine eindeutigen Maßstäbe bereit hält und selbst noch nicht entschieden hat. Insofern habe Verfassungsinterpretation den Charakter rechtsschöpfender Ausgestaltung und ist der Art und Sache nach „Konkretisie­ rung“45. Demnach vollendet sich „der Inhalt der interpretierten Norm […] erst in der Auslegung“46. Damit eine Verfassungsnorm für den Einzelfall anwendbar ist, muss sie nach K. Hesse erst konkretisiert werden. Die Konkretisierung einer Verfassungsnorm unterteilt sich gedanklich in zwei Schritte, die allerdings real untrennbar miteinander verbunden sind47. So ist im ersten Schritt kritisch festzustellen, dass der Prozess der Konkretisierung an das Vorverständnis des Interpreten gebunden ist, welches durch die konkrete geschichtliche Situation, sein Wissen und Vorurteile geprägt ist. Dies ist erforderlich, um sich gegen die „Beschränktheit unmerklicher Denkgewohnheiten abzuschirmen und den Blick ,auf die Sache selber‘ zu richten“48. Im gedanklich zweiten Schritt orientiert sich der Weg der Konkretisierung im Wesentlichen am topisch-problemorientierten Verfahren49, wobei die Eingrenzung der toin: K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1967. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 60. 46  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 60. 47  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 64, 67. 48  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 62 f. 49  Topik (lateinischer Titel: Topica, griechischer Titel: Topoi) ist eine Zusammenstellung von Schriften des griechischen Philosophen Aristoteles, worin er grundlegende sprachphilosophische, logische und grammatische Begriffe erklärt und dabei den Disput, also die argumentative Auseinandersetzung zweier Kontrahenten über 44  Erstmals 45  K.

248   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

pischen Vielfalt durch strikten Blick auf ein konkretes Problem und auf Sachbezogenheit der Argumentation sowie auf eine Bewertung der topischen Gesichtspunkte anhand der „Prinzipien der Verfassungsinterpretation“ erfolgen soll50. Nach K. Hesse setzt sowohl das Verstehen des Inhalts der Norm als auch die Erfassung des konkreten Problems selbst ein Vorverständnis des Interpreten voraus, welches einer verfassungstheoretischen Begründung bedarf. Somit sei Verfassungstheorie sowohl Bedingung des Norm- als auch des Problemverständnisses51. Das Verfahren durch Konkretisierung wird immer auch vom Gegenstand der Interpretation von der Verfassung und von dem jeweiligen Problem bestimmt – eine von diesen Faktoren gelöste Interpretationsmethode gibt es nicht52. Dadurch entfaltet die Konkretisierung vor allem bei solchen Verfassungsnormen ihre Wirkung, die nur einen Rahmenoder Grundsatzinhalt haben, wie die Grundrechte, verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen und Staatszielbestimmungen53. Die Grenze der Interpretation wird nach K. Hesse durch eine strenge „Bindung an den Normtext“ gezogen, wodurch die intendierte normative Rückbindung der Konkretisierung gewährleistet wird. An die Stelle des „Primats des Problems“ tritt somit das „Primat des Textes“54. Zudem darf der Interpret zum einen nur problembezogene Gesichtspunkte heranziehen, so dass sachfremde topoi ausgeschlossen werden, zum anderen ist er an die Konkretisierungselemente gebunden, die die konkretisierende Verfassungsnorm in ihrem „Normprogramm“ und „Normbereich“ liefert55. Das „Normprogramm“ ist im Wesentlichen im Text der zu konkretisierenden Norm enthalten und muss auf dem Wege der Textinterpretation mittels der herkömmlichen Auslegungsmethoden, sprich mittels historischer, genetischer und systematischer Aspekte ermittelt werden56. Da allein die Textinterpretation aber zumeist keine hinreichende Konkretisierung ermöglicht, bedarf es vor allem der problembezogenen Herausarbeitung der wesentlichen Aspekte des Normbereichs57. Der Inhalt der Norm kann durch eine sachgemäße Problemlösung und durch die richtige sachliche Zuordnung erschlossen ein bestimmtes Thema, behandelt. Ausführlich zur Bedeutung der Topik für die Rechtswissenschaft: T. Viehweg, Topik und Jurisprudenz, 1974. 50  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 64 und 67. 51  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 65. 52  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 66. 53  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2095 f.). 54  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 77 sieht hierin den wesentlichen Unterschied zur reinen topisch-problemorientierten Methode. 55  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 46 und 67. 56  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 68. 57  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 69.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen249

werden, während diese Herangehensweise ihrerseits den systematischen Charakter stärkt58. 3. Die Anwendbarkeit der hermeneutisch-konkretisierenden Methode Der hermeneutisch-konkretisierenden Auslegungsmethode wird vor allem vorgeworfen, sie verfehle durch ihre an der topisch orientierten Argumenta­ tionsvielfalt eine klar normativ gebundene Interpretation59. Letztlich sollte man sich bei Anwendung der hermeneutisch-konkretisierenden Auslegungsmethode immer auch ins Bewusstsein rufen, dass durch Verfassungsinterpretation als permanenten Prozess wechselseitiger Zuordnung der Grenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Real- und Normativverfassung immer das Risiko besteht, die begrenzende und lenkende Wirkung der normativen Verfassung aufzuheben60. Dieser Vorwurf ist zwar nicht von der Hand zu weisen, allerdings wurzelt hierin zugleich das besondere Verdienst dieser Methode. Tatsächlich nimmt die hermeneutisch-konkretisierende Methode bewusst eine Zwischenstellung zwischen topisch-offenem und normativ-gebundenem Interpretationsprozess ein. Dadurch gelingt ihr mittels des Konkretisierungsprozesses der Brückenschlag zwischen den an der Wirklichkeit orientierten Auslegungsmethoden und den verfassungstheoretischen Forderungen nach einer Rückbindung an die Normativität der Verfassung61. Indem Hesse gedanklich als ersten Schritt im Konkretisierungsprozess einen selbstkritischen Umgang mit dem Vorverständnis einfordert, seziert er das Kernproblem der Unbestimmtheit der Verfassungstheorie heraus und macht diese zugleich im Rahmen des Möglichen für die Verfassungsauslegung fruchtbar. Dem wird entgegnet, dass ohne Rückgriff auf eine für sich verbindliche Verfassungstheorie, die die Funktion einer normativen Leitidee hat, sich ein bindender Normeninhalt aus den vieldeutigen, rahmenartigen Normentexten des Grundgesetzes gar nicht erst gewinnen lasse62. Vielmehr bedürfe es für 58  K. 59  C.

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 69. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164,

Rn. 24. 60  J. Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 15, Rn. 183. 61  Kritisch dem gegenüber E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2096), der in der „unklar bleibenden Zwischenstellung zwischen normentbundener Topik und klassischer Normbindung der Interpretation“ gerade einen Makel sieht, der durch den Konkretisierungsprozess nicht aufgelöst werde. 62  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2096) wirft Hesse daher vor, er degradiere Verfassungstheorie auf das Niveau einer nur topischen, Vor-Verständnisse abklärenden Bedeutung.

250   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

eine Stärkung der Normativität der Verfassung keiner weiteren Verfeinerung der Interpretationsschritte, sondern vielmehr „einer Verfassungstheorie, die verbindliche Leitgesichtspunkte und darauf gegründete dogmatische Strukturen für die Interpretation abzugeben vermag“.63 Durch diese Verfassungstheorie müsse vor allem ein Äquivalent für das „historisch-dogmatische Ganze“ der Rechtsordnung gefunden werden, das heißt, „nicht irgendein Vorbegriff von Verfassung, sondern eine systematisch orientierte Auffassung über den allgemeinen Charakter, die normative Zielrichtung und die inhaltliche Zielrichtung und die inhaltliche Reichweite der Verfassung als solcher und ihrer Teile.“64 Es bedürfe einer verbindlichen, in der Verfassung ausdrücklich oder implizit enthaltenen, Verfassungstheorie, die unabhängig von subjektivem Vorverständnis und politischen Konsens existiert65. Diese Forderung geht aber fehl, da sie ihrerseits dem hermeneutischen Zirkel unterliegt. Mit der Forderung nach einer durch die Verfassung positivierten Grundrechtstheorie stellt sich ja gerade die Frage, wie die liberalrechtsstaatliche Grundrechtstheorie mit Blick auf die Gegenwart angemessen zu verstehen ist – dies hängt aber seinerseits vom gesellschaftstheoretischen Vorverständnis des Interpreten ab66. „Die Vorurteilshaftigkeit des Verstehens läßt [sic!] sich nicht durch den Hinweis auf eine dem zu interpretierenden Text immanente Theorie unterlaufen.“67 Der Verfassungstext als äußerste Grenze der Normeninterpretation kann dabei immer nur der Ausgangspunkt sein. Tatsächlich kann der Verfassungstext als äußerste Grenze der konkretisierenden Verfassungsinterpretation nur eine erste Beschränkung sein, da tatsächlich in vielen Fällen eben nur der normative Gehalt des Textes interpretationsbedürftig sei68. Indem die hermeneutisch-konkretisierende Methode aber in diesen Fällen neben dem klassischen Auslegungskanon nur die problembezogenen Aspekte gelten lässt, wird zumindest versucht, die Vielfalt der Konkretisierungselemente 63  E.-W.

Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2097). Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2098). 65  Nach E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2097  f.) müsse eine solche Verfassungstheorie von der Verfassung selbst ausgehen und eine darin selbst ausgedrückte Ordnungsidee entfalten. Zusammenfassend sieht Böckenförde in der klassisch-hermeneutischen wie auch der hermeneutisch-konkretisierenden Methode einen Verlust an Normativität der Verfassung, S. 2098. 66  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (42 f.). 67  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (43). 68  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 24 sieht daher in der Begrenzung durch den Normtext bei der hermeneutisch-konkretisierenden Methode keine hinreichende Sicherung der Normativität der Verfassung gewährleistet. 64  E.-W.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen251

mit Blick auf die argumentative Reichweite kritisch zu untersuchen und ein Vorrangprinzip unter diesen Elementen herzustellen69. Vollkommen fehl geht der Vorwurf, dass die Interpretation als Konkretisierung bzw. die Konkretisierung als Interpretation die Gefahr einer zunehmenden „Ver-bestimmung [sic!] der Verfassung“ in sich birgt, „die deren Charakter als Rahmenordnung und dem politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers“ nicht gerecht werde70. Der Verfassungsauslegung ist geradezu wesensimmanent, die Verfassungsnormen näher zu bestimmen und damit in Teilen auch immer eine Einschränkung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers zu provozieren. In die gleiche Stoßrichtung geht der Vorwurf, die Methode werde als rechtsschöpferische Konkretisierung bezeichnet, gleichwohl werde sie noch als Interpretation ausgegeben, das heißt, dass jeweils eine vom mehreren möglichen Lösungen am Ende steht, die zwar von der Verfassung gedeckt ist, keineswegs aber zwingend vorgeschrieben ist und trotzdem zur maßgeblichen erhoben wird71. Damit werde aber wiederum der politische Gestaltungsspielraum mittels der verbindlich „konkretisierten“ Entscheidungsnormen durch die Verfassungsrechtsprechung eingeschränkt, verstärkt durch den bindenden Charakter der Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht gem. § 31 BVerfGG72. Dies ist allerdings ein generelles Problem des Verhältnisses zwischen verfassungsänderndem Gesetzgeber und Verfassungsgerichtsrechtsprechung. Letzterer wird unabhängig von der Methode der Verfassungsauslegung einerseits ohnehin eine gewisse Einschränkung des Gesetzgebers zugestanden, andererseits unterliegt sie ihrerseits den funktionell-rechtlichen Grenzen der Verfassungsinterpretation73. Die Problematik der Verfassungsinterpretation hat J. Isensee zutreffend auf den Punkt gebracht: „Das Dilemma, dem ,fließenden‘ Verfassungsstaat zu entkommen, ohne in den realitätsfernen, erstarrten Verfassungsstaat zu 69  F.

Müller, Juristische Methodik, 1971, S. 181. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2097). 71  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2097); C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 28 warnt zudem vor einer Überbeanspruchung der Verfassung, da durch die konkretisierende Methode die eigentlich dem parlamentarischen Gesetzgeber und andereren politischen Organen zugeschriebene Integrationsaufgaben auf die Verfassung und damit auf die Verfassungsgerichtsbarkeit verlagert werden könnten. 72  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2097); C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 28. 73  Zur grundsätzlichen Beziehung zwischen BVerfG und verfassungsänderndem Gesetzgeber: 2. Teil § 4 A. III. b), S. 255 ff. dieser Arbeit; zu den funktionell rechtlichen Grenzen der Verfassungsinterpretation: 2. Teil § 4 A. IV., S. 260 ff. dieser Arbeit. 70  E.-W.

252   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

geraten, ist von der Verfassungstheorie noch nicht gelöst.“74 Mit der hermeneutisch-konkretisierenden Methode steht der Verfassungsinterpretation aber zumindest ein Auslegungsinstrument zur Verfügung, welches mit möglichst weitgehender Rationalität einen relativen Richtigkeitsanspruch gewährleistet, ohne dass die Begrenztheit dieses Anspruchs verleugnet wird. III. Die Bedeutung der Verfassungsgerichtsrechtsprechung und ihre Beziehung zum Verfassungsgesetzgeber Die auftretenden Schwierigkeiten bei der theoretischen Verfassungsinterpretation75 weisen darauf hin, welche richtungsweisende Bedeutung der praktischen Verfassungsrechtsprechung beizumessen ist76. Fraglich ist, welche Rolle die Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber dem Gesetzgeber hat und welchen Einfluss sie auf die Verfassungsinterpretation haben darf77. Hierbei kommt man nicht umhin, die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts danach zu analysieren, welches Rollenverständnis das Bundesverfassungsgericht von sich selbst hat und inwiefern sich daraus eine einheitliche Interpretationsmethode ableiten lässt. 1. Verfassungsinterpretation unter Maßgabe einer Verfassungsgerichtsbarkeit a) Die Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit und das Selbstverständnis des Bundesverfassungsgerichts Eine selbstständige Verfassungsgerichtsbarkeit kann zunächst die widerstreitenden Funktionen der Verfassung, ihre Entwicklungsoffenheit einerseits und ihre Normativität andererseits, entschärfen. Die Besonderheit der Verfassungsgerichtsbarkeit liegt darin, dass ihr Gegenstand, das Verfassungsrecht, den politischen Prozess selbst „reguliert und stabilisiert“78. Es ist eine 74  J. Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 15, Rn. 183. 75  Vgl. die Ausführungen: 2. Teil § 4 A. I., S. 239 dieser Arbeit. 76  Nach H.-U. Erichsen, VerwArch 62 (1971), S. 291 (294) wird in Art. 79 III GG „letztlich das Verhältnis verfassungsgebender und verfassungsändernder Gewalt entschieden“. Ausführlich zum Verfassungswandel als Interpretationsproblem C. Walter, AöR 125 (2000), S. 517. 77  Ausführlich zur Rolle der Verfassungsgerichtbarkeit im Staatsaufbau: H. Sodan, Staat und Verfassungsgerichtsbarkeit, 2010. 78  E.-W. Böckenförde, NJW 1999, S. 9 (11 f.); Teile der Literatur bezeichnen das Verfassungsgericht wegen seiner besonderen Rolle daher auch als obersten „Hüter der Verfassung“, so schon der gleichnamige Titel von: C. Schmitt, Die Hüter der



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen253

Art Ideologiekritiker des politischen Prozesses in der Rolle eines pädagogischen Korrektors eines verkommenen politischen Prozesses und seiner nicht perfekten Ergebnisse79. Eine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit, insbesondere mit Befugnis zur Gesetzeskontrolle, beschleunigt mit der Bindungswirkung gegenüber anderen Entscheidungsträgern eine dynamische Verfassungsauslegung80. Zugleich macht die Verfassungsgerichtsbarkeit das Risiko einer Lösung vom Normtext beherrschbar, der sich sonst bei sich widersprechenden Interpretationen durch die Staatsorgane ergeben würde81. Das Bundesverfassungsgericht versteht sich selbst als ein „Verfassungs­ organ“82. Sogar der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die Selbsteinschätzung des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan anerkannt, indem es eine Beeinträchtigung des Bundesverfassungsgerichts im Verteidigungsfall untersagt, da „sich Verfassungsorgane einander bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht behindern dürfen, sondern sich loyal unterstützen müssen“83. Dies wird in § 1 I BVerfGG bestätigt, wonach ihm Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gegenüber „allen übrigen Verfassungsorganen“ attestiert wird84. Allerdings werden mit der Einordnung des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan nur die ihm ohnehin zugestandenen Kompetenzen benannt, ohne dass sich aus dieser Bezeichnung selbst zusätzliche Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts ergeben würden85. Das BundesverfasVerfassung, 1931; ebenso O. Lembcke, Hüter der Verfassung, 2007. Zwar wird diese Bezeichnung auch kritisch gesehen, es wird dem Verfassungsgericht aber zumindest zugestanden, dass es durch Feststellungen und Anordnungen auf die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Lage hinzuwirken hat, so zumindest K. Hesse, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Benda/Maihöfer/Vogel, 1994, § 1, Rn. 19; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 44. 79  P. Dann, Der Staat 49 (2010), S. 630 (642) mit Verweis auf J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 336. 80  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (873 f.); P. Badura, Staatsrecht, 2012, S. 16. 81  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (873 f.). 82  Zum Selbstverständnis des Gerichts siehe allein H. Höpker-Aschoff, JöR 6 (1957), S. 144 (144); in diesem Sinne auch H. Sodan, Staat und Verfassungsgerichtsbarkeit, 2010, S. 35 ff. m. w. N. in Fn. 86. 83  So in seiner amtlichen Begründung zur Einführung des Art. 115g GG, BTDrs. 5/1879 S. 28; entsprechend auch der Wortlaut in Art. 115g S. 1 GG: „Die verfassungsmäßige Stellung und die Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben des Bundesverfassungsgerichtes und seiner Richter dürfen nicht beeinträchtigt werden“. 84  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 8. 85  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 9 bezeichnen die Redeweise vom BVerfG als Verfassungsorgan daher auch bloß „als Abbreviatur fungierenden Begriff“, der eine Ableitung zusätzlicher Kompetenzen als „unzulässige und irreführende Begriffsjurisprudenz“ strikt ablehnt.

254   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

sungsgericht ist beauftragt, die Verfasstheit des Staates zu wahren, indem es die Grenzen zwischen Verfassungsänderung und Verfassungsbruch schützt86. Dabei ist das Bundesverfassungsgericht ein organisatorisch selbstständiges Gericht, das „die Verfassung letztentscheidend mit Verbindlichkeitsanspruch interpretiert“87. So versteht das Bundesverfassungsgericht auch seine eigene Rolle: „Entsprechend seiner Aufgabe, [hat das Bundesverfassungsgericht] das Verfassungsrecht zu bewahren, zu entwickeln und fortzubilden […] selbst letztverbindlich über dessen Auslegung und Anwendung zu ent­ scheiden.“88 Dabei ergibt sich die Verbindlichkeit der Verfassungsauslegung nicht unmittelbar aus der Verfassung selbst. Art. 20 III GG bezieht sich nur auf die verfassungsmäßige Ordnung, nicht aber auf dessen Auslegung89. Art. 93 I GG bezieht sich zwar auf die Entscheidungszuständigkeiten und impliziert damit einen Verbindlichkeitsanspruch, allerdings nur bezüglich der Entscheidung als solcher, nicht aber über die dafür vorgreifliche Verfassungsauslegung90. Die Verbindlichkeit der Entscheidungen ergibt sich aus § 31 BVerfGG. Dies gilt allerdings nur insoweit die Entscheidung tragenden Gründe auch Ausführungen zur Auslegung der Verfassung enthalten91. Insofern binden Ausführungen zur Auslegungsmethodik bei der Verfassungsinterpretation gem. § 31 I BVerfGG auch die Verfassungsorgane von Bund und Ländern sowie alle Gerichte und Behörden92. Dabei betreibt das Bundesverfassungsgericht „keine prinzipale Verfassungsauslegung, erklärt nicht abstrakt, was Inhalt der Verfassung ist“93. Vielmehr befasst es sich nur mit dem vorgetragenen Prüfungsgegenstand94.

86  Diese Grenzen hat das BVerfG vielfach deutlich gemacht: BVerfGE 1, 14 (47); 3, 225 (236); 4, 157 (169 f.); 12, 45 (50 f.); 30, 1 (23 ff.); 34, 9 (19 ff.). 87  P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (342); C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 10. 88  BVerfGE 108, 282 (295). 89  BVerfGE 77, 84 (103  f.); C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 12. 90  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 12. 91  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 13 (in Fn. 12 m. w. N.); zur Rechtskraft des Tenors: C. Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 1991, § 20 Rn. 90. 92  C. Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 1991, § 20 Rn. 82. 93  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 11. 94  Nach C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 11 muss selbst die für das Grundgesetz mitentschiedene erhebliche Rechtsfrage (§  67 BVerfGG) von der Feststellung gem. S. 1 abhängen (§ 67 S. 3) und bildet insofern nicht nur den Anlass.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen255

b) Das Spannungsverhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und verfassungsänderndem Gesetzgeber Allerdings kommt es durch die Einrichtung der Verfassungsgerichtsbarkeit immer auch zu einer „partiellen Entmachtung des Gesetzgebers“95. C. Hillgruber schreibt dem Bundesverfassungsgericht zutreffend die entscheidende Interpretationsherrschaft zu, da „die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist […], was nach Abzug der verfassungsrechtlichen Bindungen, die das Bundesverfassungsgericht erkennt, an verfassungsrechtlicher Ungebundenheit übrig bleibt.“96 „Das Bundesverfassungsgericht besitzt [zwar] kein Interpretationsmonopol hinsichtlich der Verfassung, hat aber in Sachen Auslegung der Verfassung das maßgeblich letzte Wort.“97 Das Normenverwerfungsmonopol gibt dem Bundesverfassungsgericht eine außerordentliche Rechtsmacht, der die Gefahr innewohnt, dass sich das politische Koordinatensystem vom parlamentarischen Gesetzgebungs- in Richtung eines verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaates verschiebt98. Indem das Bundesverfassungsgericht den Vorrang der Verfassung (Art. 1 II, 20 III GG) auch gegen den Willen der demokratischen Mehrheit schützt, schränkt es sogleich die demokratisch legitimierte Gestaltungsmacht des Gesetzgebers ein99. Es könnte sich der Befund C. Schmitts im Sinne des Bundesverfassungsgerichts bestätigen: „Souverän ist, wer über die Verfassungsinterpretation gebietet“100. Das Bundesverfassungsgericht ist zwar seinerseits an den Prüfungsmaßstab der Verfassung gebunden, allerdings hat es scheinbar zugleich die Kontrolle über die Auslegung dieses Maßstabes101. C. E. Hughes spitzte dieses Spannungsverhältnis bezüglich der US-amerikanischen Verfassung mit den Worten zu: „We are under a constitution, but the constitution is what the judges say it is […]“102. 95  C.

Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 19. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 38. 97  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 15 f., die dies am Zustandekommen des sogenannten Zuwanderungsgesetz verdeutlichen. 98  E.-W. Böckenförde, Lage der Grundrechtsdogmatik, 1990, S. 61 f.; W. Knies, Auf dem Weg in den „verfassungsrechtlichen Jurisdiktionsstaat“?, in: Burmester, 1997, S. 1155; C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 18. 99  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 1; C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 34. 100  Zitiert in G. Püttner, Der schwierige Weg der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Wilke, 1984, S. 573 (573). 101  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 34. 102  C. E. Hughes, Speech before the Elmira Chamber of Commerce, May 3, 1907, in: Hughes, 1916, S. 179 (185), mit dem Zusatz „[…] and the judiciary is the safeguard of our liberty and of our property under the Constitution“; nach R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schweg96  C.

256   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Grundsätzlich haben Gesetzgeber und Verfassungsgericht den Inhalt der Verfassung zu konkretisieren und für die Gegenwart in ihrem Bestand zu sichern103. Während der Gesetzgeber die Verfassung als Verfassungsinterpret inhaltlich konkretisiert, hat das Verfassungsgericht „diesen Auftrag des Gesetzgebers als Inhalt des die Gerichtsbarkeit bindenden Verfassungsrechts zu achten“104. Dort, wo die Verfassung durch ihren entwicklungsoffenen Charakter mehrere Deutungen zulässt, steht dem Gesetzgeber die Deutungskompetenz oder Auslegungsprägorative zu, indem er Entscheidungen für die Zukunft trifft, ohne dass die Gegenwart einen Anwendungsfall bereithält105. Hier äußert sich der Unterschied zwischen Verfassungsinterpretation von Gesetzgeber und Rechtsprechung am deutlichsten. Während der Gesetzgeber mit seinem Initiativrecht über das Thema der Verfassungsausgestaltung entscheiden kann, kommt dagegen der Rechtsprechung eine solche Aufgabe gerade nicht zu. Somit ist als Ausfluss des Gewaltenteilungsprinzips der Gesetzgeber „von Verfassung wegen Erstinterpret des Grundgesetzes, die Rechtsprechung [erst] ihr Zweitinterpret“106. Dabei kann der verfassungsändernde Gesetzgeber der verbindlichen Interpretation des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht auch wirksam entgegentreten107. Das Bundesverfassungsgericht darf sich gerade nicht zum authentischen Interpreten der Verfassung oder sogar zum anteiligen Verfassungsgesetzgeber aufschwingen108. Vielmehr ist die Verfassung dem Bundesverfassungsgericht als Maßstab vorgegeben, ohne dass es zugleich darüber verfügen darf109. Das Bundesverfassungsgericht wird vor allem durch die funktionellrechtlichen Grenzen in der Verfassungsinterpretation beschränkt110. Demmann, 3. Band, 1976, S. 13 (15) trifft diese Formulierung zweifellos auch für weite Teile des Grundgesetzes zu. 103  P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: Badura/Scholz, 1998, S. 5 (16). 104  P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: Badura/Scholz, 1998, S. 5 (16). 105  Als Beispiele für die Möglichkeit mehrerer Deutungen verweist P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: Badura/Scholz, 1998, S. 5 (16) auf „die Entwicklung des Eigentums, des Berufs, der Versammlung, der Meinungsfreiheit, des Rundfunks, der Presse und der Ehre“. 106  P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: Badura/Scholz, 1998, S. 5 (16). 107  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 19. 108  C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 15. 109  P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (337); C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 1 Rn. 15. 110  Siehe insofern bereits die Ausführungen: 2. Teil § 4 A. IV., S. 260 ff. dieser Arbeit.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen257

nach darf das auslegende Organ seine Funktion, die durch die in der Verfassung vorgeschriebene Ordnung des Zusammenwirkens der Träger staat­ licher Funktionen bestimmt ist, nicht durch die Art und Weise und die Ergebnisse seiner Interpretation verschieben111. „Das BVerfG ist dafür da, die Verfassung auszudeuten; es ist nicht dafür da, sie umzudeuten. Das Verfassungsgericht soll Politik und Gesellschaft helfen, die Verfassung richtig zu lesen. Es ist nicht dafür da, die Verfassung zu ändern.“112 So kommt dem Bundesverfassungsgericht gegenüber dem Gesetzgeber nur eine kontrollierende Funktion zu. Ihm ist dabei „eine Interpretation versagt, die zu einer Ein­ engung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers über die durch die Verfassung gezogenen Grenzen hinaus oder zu einer Gestaltung durch das Gericht selbst führen würde“113. Zusätzlich setzt der Gesetzgeber seinerseits Maßstäbe, die die verfassungsrechtliche Kontrolle prägen, vor allem dort, wo die Grundrechte und Verfassungsprinzipien ihre Wirksamkeit erst durch das Zusammenspiel von gesetzlicher Ordnung und Lebenswirklichkeit entfalten114. So erstellt der Gesetzgeber beispielsweise bei der Auswahl der Besteuerungsgegenstände oder bei der Wahl der Parameter für den Finanzausgleich quasi ein Raster für die Verwirklichung von Steuergerechtigkeit und föderale Solidarität, welches mit innerer Folgerichtigkeit fortzuentwickeln ist115. Bei der Festlegung der Grundstrukturen hat der Gesetzgeber dann weitgehende Gestaltungsfreiheit, allerdings muss auch er sich bei der fortlaufenden Konkretisierung an den selbst gesetzten Maßstäben messen lassen116. Dadurch liefert der Gesetzgeber die Maßstäbe, die die verfassungsrechtliche Kontrolle mitprägen. Als Konsequenz aus dem Demokratieprinzip müssen letztlich Konflikte zwischen sozialen Interessen immer über Wahlen und Entscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers gelöst werden117. Das heißt, soweit die 111  K.

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 73. Prantl, Ein Katastrophen-Beschluss – Bundeswehreinsatz im Inneren, SZ 18./19.08.2012. 113  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 73. 114  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (875) verweist aber auch darauf, dass das Recht des Gesetzgebers zur Erstinterpretation wiederum bei der Kompetenzabgrenzung zwischen Parlament und Regierung oder zwischen Bundesgesetzgeber und Gliedstaaten entfällt. 115  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (875). 116  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (874 f.), der zugleich darauf hinweist, dass bei aller mehr oder weniger berechenbaren Normenkonkretisierung durch die bereits vorliegenden Entscheidungen der Verfassungsrechtsprechung noch eine prognostische Unsicherheit verbleibt. 117  P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (339 f.); M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (874). 112  H.

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Verfassung nicht ausnahmsweise eine konkrete Verfassungsentscheidung trifft, bleibt eine Entscheidung hierüber auch dem Verfassungsgericht versagt. Dies gilt vor allem bei einer Umverteilung von Haushaltsmitteln im sozialen Gefüge118. Letztlich verlangen schon die beschränkten staatlichen Finanzmittel, die der Ableitung von Leistungsansprüchen aus Freiheitsgrundrechten i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip Grenzen setzen, eine entsprechende Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber der Budget­ hoheit des parlamentarischen Gesetzgebers119. 2. Die Interpretationsmethode des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht versteht sich selbst als Rationalitätsgaranten, das heißt, es sieht seine Aufgaben nicht nur in der Wahrung verfassungsrechtlicher Grenzen, sondern versteht sich auch als Hüter einer eigenen distanzierten Rationalität120. Dabei hat sich das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung zur klassisch-hermeneutischen Auslegungsmethode bekannt121. Als Begründung hierzu bringt es lediglich den Verweis, dass allein das Gesetz selbst Gegenstand der Auslegung sei und allein in ihm sich der Gesetzgebungswille, der durch Auslegung zu ermitteln sei, manifestiere122. „Diesem Auslegungsziel dienen die Auslegung [sic!] aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung).“ Dabei gibt auch das Bundesverfassungsgericht keine unmittelbare Rangfolge zwischen den einzelnen Auslegungsaspekten vor. „Um den objektiven Willen des Gesetzgebers zu erfassen, sind alle diese Auslegungsmethoden erlaubt. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig.“123 Allerdings relativiert es die vermeintliche Gleichrangigkeit der klassischen Auslegungsaspekte, da es dem Gesetzeswortlaut eine Vorrangstellung vor allem bei der Einbeziehung von Gesetzgebungsmaterialien einräumt. 118  P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (339 f.); M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (874). 119  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (874). 120  P. Dann, Der Staat 49 (2010), S. 630 (642). 121  P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (356 f.); ausführlich zur Interpretationsmethode des BVerfG F. Müller/R. Christensen, 2004, Rn. 24 ff. 122  BVerfGE 11, 126 (130); 50, 177 (194); 54, 277 (299); 57, 250 (262). 123  BVerfGE 11, 126 (130).



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen259

Zwar dürfen die Gesetzgebungsmaterialien nur insoweit berücksichtigt werden, „soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen“124 und soweit der Wille des Gesetzgebers „auch im Text Niederschlag gefunden hat“, gleichwohl dürfen die Gesetzgebungsmaterialien „nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen“125. Grundsätzlich darf aber bei der Verfassungsauslegung schon mit Verweis auf die Offenheit des Normtextes auch die Entstehungsgeschichte der Norm berücksichtigt werden, auch wenn den Verfassungsmaterialien ausschlaggebende Bedeutung in der Regel nicht zukomme126. Damit erteilt das Bundesverfassungsgericht auch einer Auslegung nach dem subjektiven Willen des Gesetzgebers eine Absage. „Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.“127 Zwar betont das Bundesverfassungsgericht einen Vorrang der „objektiven“ Interpretationsmethode, gleichwohl misst es sowohl der Entstehungsgeschichte als auch weiteren Auslegungskriterien eine Bedeutung zu128.

124  BVerfGE

11, 126 (130). 62, 1 (45), mit Verweisen auf BVerfGE 11, 126 (130); 13, 261 (268); 54, 277 (298 f.). 126  BVerfGE 62, 1 (45), mit Verweisen auf BVerfGE 6, 389 (431); 41, 291 (309); 45, 187 (227). 127  BVerfGE 1, 299 (312); 62, 1 (45 m. w. N.). 128  Mit ausführlichen Nachweisen der BVerfGE: P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (356 f.) lässt auch Auslegungen des BVerfGs mit rechtsvergleichender Natur eine Bedeutung zukommen. 125  BVerfGE

260   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

IV. Die funktionell-rechtlichen Grenzen der Verfassungsinterpretation Die Verfassungsinterpretation wird durch die sogenannten funktionellrechtlichen Grenzen beschränkt129. Diese beziehen sich zum einen, mit dem Grundsatz des „judicial self-restraint“, auf die Topoi des Gewaltenteilungsund Demokratieprinzips130. Zum anderen handelt es sich bei ihnen um Konkretisierungen allgemeiner Auslegungselemente wie der Wahrung der Einheit der Verfassung, die letztlich eine Variante der systematischen Auslegungsmethode darstellt131. 1. Grundsatz des „judicial self-restraint“ Der aus dem amerikanischen Verfassungsrecht durch das Bundesverfassungsgericht übernommene Grundsatz des „judicial self-restraint“ gibt vor, dass sich auch das Verfassungsgericht bei der Ausübung ihrer Grundrechte selbst beschränken muss132. Es wird auch als „Prinzip der funktionellen Richtigkeit“ bezeichnet und ist im engen Zusammenhang mit der funktionellen Gewaltenteilung zu sehen133. Da die Verfassung das Zusammenwirken der Träger staatlicher Funktionen regelt, muss sich auch das auslegende Organ dem Rahmen der ihm zugewiesenen Funktionen unterordnen. Der 129  Ausführlich hierzu: G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen, 1980. Sie werden auch unter dem Begriff der „Prinzipien der Verfassungsinterpretation“ nach dem Titel des ersten Beratungsgegenstandes der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer vom 4. Oktober 1961 in Freiburg, VVDStRL, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht, 1963, zusammengefasst. 130  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3.  Band, 1976, S. 13 (43 f.). 131  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3. Band, 1976, S. 13 (43 (Fn. 135)); C. Starck, Das Bundesverfassungsgericht in der Verfassungsordnung und im politischen Prozeß [sic!], in: Badura/ Dreier, I. Band, 2001, S. 1 (19); M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (876); M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 1 Rn. 162. 132  Das BVerfG hat sich ausdrücklich zu diesem Grundsatz bekannt BVerfGE 36, 1 (14 f.); ausführlich hierzu: R. Zuck, JZ 1974, S. 361; W. Heun, Funktionellrechtliche Schranken, 1992; M.-E. Geis, „Political question doctrine“ im Recht des kommunalen Finanzausgleichs?, in: Geis/Lorenz, 2001, S. 79 (79). Hingegen lehnen G. Püttner, Der schwierige Weg der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Wilke, 1984, S. 573 (580) und H. Lechner/R. Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 6. Auflage, 2011 zumindest die Annahme des Grundsatzes des „judicial selfrestraint“ bezüglich eines Verzichts der Rechtskontrollbefugnis ab. 133  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 12 f.; M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 19 Rn. 130.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen261

Grundsatz des „judicial self-restraint“ beschreibt dabei den sich selbst auferlegten134 Verzicht des Bundesverfassungsgerichts, „Politik zu treiben“ und in den von der Verfassung vorgesehenen politischen Gestaltungsspielraum einzugreifen: „Er zielt darauf ab, den von der Verfassung für die anderen Verfassungsorgane garantierten Raum freier politischer Gestaltung offenzuhalten.“135 Damit die Kontrollmacht des Bundesverfassungsgerichts nicht zu einer umfassenden Steuerungs- und Bestimmungsmacht gegenüber dem Gesetzgeber mutiert, wird dem Gesetzgeber selbst ein Prognosespielraum zugestanden, so dass die zu regelnden Lebensverhältnisse und ihre zukünftige Entwicklung allein seiner Beurteilung unterliegen136. 2. Die Wahrung der Einheit der Verfassung Als grundlegendes Prinzip der Verfassungsinterpretation dient die Wahrung der „Einheit der Verfassung“ als leitende und begrenzende Funktion bei der Konkretisierung von Verfassungsnormen137. Diesem heute überwiegenden Verfassungsverständnis wohnt der Gedanke inne, dass die Verfassung als Ganzes verstanden werden muss und deren einzelne Momente widerspruchsfrei nur aus ihrem materiellen Gesamtzusammenhang heraus interpretiert werden dürfen138. Der Zusammenhang und die wechselseitigen 134  Kritisch zum missverständlichen Begriff des „judicial self-restraint“ P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/ Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (339 f. m. w. N.), der darauf hinweist, dass sich daraus keinesfalls ein zusätzlicher Freiraum für das Gericht ergibt. 135  BVerfGE 36, 1 (14  f.); dazu kritisch C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 15, der einen Widerspruch zwischen durch die Verfassung geschaffenen freien politischen Gestaltungsraum einerseits und der selbst auferlegten Beschränkung im Sinne einer Dispositionsmacht des BVerfGs andererseits sieht. 136  M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 19 Rn. 130; trotzdem tendiert das BVerfG selbst bei den gesetzgeberischen Gestaltungsspielräumen zumindest zu einer Evidenzkontrolle mit entsprechenden Begründungspflichten, ausführlich hierzu: K.-A. Schwarz/C. Bravidor, JZ 2011, S. 653. Eine Spielart des Grundsatzes des „judicial self-restraint“ ist das von C. Starck herausgearbeitete Prinzip der haushaltspolitischen Priorität des Parlaments zur Begrenzung der richterlichen Verfassungsauslegung. Demnach ist eine finanzwirksame Uminterpretation der Grundrechte in Leistungsrechte insbesondere dann verboten, wenn dadurch die haushaltspolitische Prioritätensetzung des Parlaments in Frage gestellt wird, C. Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, in: VVDStRL, 34. Band, 1975, S. 34 (75 f.). 137  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn.  70  f.; P. Badura, Staatsrecht, 2012, S. 15. 138  F. Müller/R. Christensen, 2004, Rn. 383  ff.; L. Lütgens, Demokratieprinzip, 2004, S. 97; kritisch zu den Gefahren einer übertriebenen Verselbstständigung der

262   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Beziehungen der einzelnen Elemente der Verfassung erfordern es, dass bei der Interpretation nicht nur die einzelne Norm betrachtet wird, sondern immer auch der Gesamtzusammenhang, um Widersprüche zu anderen Verfassungsnormen zu vermeiden139. Die wichtigste methodische Konsequenz aus der Wahrung der Einheit der Verfassung ist daher auch die Grundmethode des Abwägens140. Im engen Zusammenhang damit steht das Prinzip „praktischer Konkordanz“141. Demnach müssen verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter in der Problemlösung einander so zugeordnet werden, dass alle jeweils zu ihrer entsprechenden Geltung kommen142. Dabei liegt der „praktischen Konkordanz“ der Gedanke grundsätzlicher Gleichrangigkeit zugrunde, er gibt insofern keine Antworten auf die rationale Begründung von Präferenzen in der Abwägung143. Insofern fordert die Einheit der Verfassung nur eine Optimierung dahin gehend, dass beide Rechtsgüter optimale Wirksamkeit erlangen können144. a) Zur Problematik der Systemgerechtigkeit und verfassungsimmanenten Interpretation Letztlich manifestiert sich in der „Einheit der Verfassung“ der Grundgedanke der systematischen Auslegung, indem die Widerspruchsfreiheit der Verfassung zum Erhalt ihrer Systematik gewahrt bleiben soll. Insofern wird die Berufung auf die „Einheit der Verfassung“ und die „praktische Konkordanz“ auch als Ausprägung der systematischen Auslegung gesehen145. PaWahrung der Einheit der Verfassung siehe P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (340 ff.). 139  BVerfGE 19, 206 (220); 30, 1 (19); 33, 23 (29); 39, 334 (368); 55, 274 (300); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 71. 140  P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (349 ff.). 141  Entwickelt durch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1967. 142  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 71. 143  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (877). 144  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn.  71. Exemplarisch hierfür hat das BVerfG im sogenannten „Lüth-Urteil“ die „Wechselwirkung“ zur Auslegung der „allgemeinen Gesetze“ im Rahmen der Meinungsfreiheit entwickelt, BVerfGE 7, 198 (208 f.). 145  R. Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: ders./Schwegmann, 3. Band, 1976, S. 13 (43 (Fn. 135)); C. Starck, Das Bundesverfassungsgericht in der Verfassungsordnung und im politischen Prozeß [sic!], in: Badura/ Dreier, I. Band, 2001, S. 1 (19); M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (876); M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 1 Rn. 162.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen263

rallelen finden sich zudem in der klassisch-hermeneutischen Methode bezüglich komparativer Auslegungsaspekte146. Der systematische Blick auf die Verfassung zwingt zur Abwägung verschiedener Verfassungspositionen als zentralem Wesenszug der Auslegung, vor allem umso mehr der unmittelbare Normenkontext verlassen wird und völlig getrennte Abschnitte der Verfassung miteinander verknüpft werden147. Allerdings bietet der Verfassungstext nur selten eine normative Begründung von Wertehierarchien. Einzige Ausnahme hiervon stellt die Anerkennung der Menschenwürde nach Art. 1 I GG und die Unabänderlichkeitsklausel des Art. 79 III GG dar148. Umso mehr müssen aber bestimmte Mindeststandards an rationaler Begründung für Präferenzen im Abwägungsprozess erfüllt sein: von der völligen Offenlegung der Deduktionskette bis hin zur Letztbegründung, intersubjektiver Vermittelbarkeit, der Plausibilität der Schlussfolgerungen und Vereinbarkeit jedes einzelnen Begründungsschrittes mit normativ abgesicherten Präferenzen149. b) Zur Problematik der verfassungskonformen Auslegung von Verfassungsänderungen Ein besonderer Aspekt der „Einheit der Verfassung“ ergibt sich für die verfassungskonforme Auslegung von Verfassungsänderungen. Genau genommen ist verfassungskonforme Auslegung allerdings noch keine Verfassungsauslegung, denn verfassungskonforme Auslegung betrifft in erster Linie die verfassungsgeleitete Interpretation von unterverfassungsrechtlichen Normen, mithin Gesetzesauslegung150. Da Letztere aber bereits inhaltlich Verfassungsauslegung voraussetzt, gehören verfassungskonforme Auslegung und Verfassungsauslegung thematisch zusammen151. An sich gilt der Grundsatz, dass einfaches Recht immer in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht auszulegen ist. Bei der Auslegung einfachen 146  Vgl. zu den komparativen Auslegungsaspekten Tabelle 3: Die klassisch-hermeneutische Methodenlehre bei Savigny und heute, S. 245 dieser Arbeit. Nach K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, Rn. 71 wird vor allem bei der Interpretation von Menschenrechten die Rechtsvergleichung mit europäischem und internationalem Recht immer mehr zum Bestandteil moderner Verfassungsinterpretation. 147  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (876). 148  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (877). 149  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (877). 150  M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 1 Rn. 172 erachtet verfassungskonforme Auslegung daher auch ausdrücklich nicht als Prinzip der Verfassungsauslegung. 151  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 31.

264   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Rechts sind die canones der klassisch-hermeneutischen Methode daher um das Gebot der Verfassungskonformität zu ergänzen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass eine Gesetzesauslegung nach den herkömmlichen canones durch verfassungskonforme Auslegung aber überhaupt möglich ist152. Das bedeutet, der Richter darf die Intention des Gesetzgebers inhaltlich nicht durch verfassungskonforme Auslegung umdeuten und dadurch eine andere Regelung schaffen153. Ansonsten würde die Rechtsprechung einen Akt der Rechtsetzung vornehmen, der eigentlich dem Gesetzgeber gebührt154. Die ursprüngliche Intention der verfassungskonformen Auslegung, die Achtung vor dem Gesetzgeber, würde in dessen Bevormundung durch das auslegende Gericht umschlagen155. Letztlich soll verfassungskonforme Auslegung auch den Gestaltungsspielraum des unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebers sichern und dessen Entscheidung so weit wie möglich Rechnung tragen156. Fraglich ist allerdings, ob die verfassungskonforme Auslegung auch für Verfassungsänderungen uneingeschränkt anwendbar ist. Für eine Anwendbarkeit der verfassungskonformen Auslegung wird vorgebracht, dass dem verfassungsändernden Gesetzgeber zugestanden wird, dass er sich an die Verfassung halten will157. Insofern sei ihm ein „Vorschuß [sic!] an Vertrauen“ zu gewähren158. Deshalb sei zumindest eine Art. 79 III-konforme Auslegung eines verfassungsändernden Gesetzes grundsätzlich möglich159. Die Gegenansicht lehnt die „grundgesetzkonforme“ Auslegung bei verfassungsändernden Normen mit der Begründung ab, dass ja gerade problematisch sei, ob die verfassungsändernde Regelung eine gültige Verfassungsnorm ist und nicht, ob eine Umdeutung möglich sei160. Zudem bestehe die 152  BVerfGE 49, 148 (157); 69, 1 (55); hingegen sieht der BVerfGE 18, 97 (111) die Grenzen nur dort, wo verfassungskonforme Auslegung im Widerspruch zum Wortlaut und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers geraten würde; so schon BVerfGE 8, 28 (34); 8, 38 (41); dem folgt M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 1 Rn. 175. 153  P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/Dreier, I. Band, 2001, S. 333 (358). 154  BVerfGE 2, 380 (406). 155  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 31. 156  M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, § 1 Rn. 175. 157  K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 79, Rn. 31; B.-O. Bryde, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 79, Rn. 30. 158  B.-O. Bryde, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 79, Rn. 30. 159  K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 79, Rn. 31.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen265

Gefahr, dass die Verfassungsänderung nicht „auf die Vereinbarkeit ihres späteren Eigenlebens mit der Gesamtrichtung des GG ausreichend analysiert“ worden ist161. Im Übrigen drohe eine zu starke Einschränkung des verfassungsändernden Gesetzgebers, wenn die Verfassung insgesamt und nicht nur an Art. 79 III GG geprüft werde162. Allerdings lässt sich diese Argumentation auch umkehren. Da es sich bei Art. 79 III GG nur um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handele163, ergibt sich im Umkehrschluss einer weiter Spielraum für den verfassungsändernden Gesetzgeber164. Daher könnte es dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers entsprechen, wenn diesem auch durch verfassungskonforme Auslegung Geltung verschafft würde, wobei dieser Rückschluss nicht der zwingende Wille des Gesetzgebers sein muss165. 160

In jedem Fall kann für die Auslegung verfassungsändernder Gesetze zumindest kein geringerer Maßstab gelten als für unterverfassungsrechtliche Normen. Daher ist eine verfassungskonforme Auslegung verfassungsändernder Gesetze gegen den eindeutigen Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers oder zumindest gegen den Wortlaut166 unzulässig. Im Übrigen ist eine Art. 79 III GG- und auch grundsatzkonforme167 Auslegung mit höchster Zurückhaltung möglich, um dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers hinreichend Geltung zu verschaffen168. 3. Zwischenergebnis Die hermeneutisch-konkretisierende Auslegungsmethode ist nur in den funktionell-rechtlichen Grenzen der Verfassungsinterpretation möglich. Insbesondere darf die Verfassungsrechtsprechung durch den Grundsatz des „judicial self-restraint“ bei der Verfassungsinterpretation nicht in den von der Verfassung vorgesehenen politischen Gestaltungsspielraum eingreifen und muss dem Gesetzgeber einen Prognosespielraum belassen. Zusätzlich 160  So vor allem das Sondervotum im sogenannten Abhörurteil der Richter G. Geller/F. v. Schlabrendorff/W. Rupp, in: BVerfGE 30, 1 (33 f.). 161  H.-U. Erichsen, VerwArch 62 (1971), S. 291 (294). 162  P. Häberle, JZ 1971, S. 145 (148 m. w. N.). 163  Vgl. zur restriktiven Auslegung des Art. 79 III GG die Ausführungen: 2. Teil § 4 A. V. 2. b), S. 274 ff. 164  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 173. 165  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 173. 166  So die Richter R. Jaeger und C. Hohmann-Dennhardt zum großen Lauschangriff, BVerfGE 109, 279 (387). 167  K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 79, Rn. 31; M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 173 f. 168  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 174.

266   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

unterliegt die Verfassungsinterpretation dem Grundsatz der Einheit der Verfassung, so dass eine Auslegung von Verfassungsnormen nur unter Berücksichtigung des materiellen Gesamtzusammenhangs der Verfassung und des Erhalts der Widerspruchsfreiheit möglich ist. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Prinzip praktischer Konkordanz zu, nach dem die Verfassungsnormen aufgrund ihrer Gleichrangigkeit so auszulegen sind, dass sie entsprechend zu Geltung kommen. Dabei sind auch Verfassungsänderungen grundsätzlich verfassungskonform auszulegen, solange nicht gegen den eindeutige Willen des Gesetzgebers oder den Wortlaut verstoßen wird. Im Zusammenhang von Art. 79 III GG und grundsatzkonformer Auslegung ist aber immer höchste Zurückhaltung zugunsten des Willens des verfassungsändernden Gesetzgebers geboten. In diesem Lichte muss auch die Föderalismusreform II gesehen werden, mit der der verfassungsändernde Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, striktere Schuldenbegrenzungsregelungen im Grundgesetz zu verankern. Insofern muss auch die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen mit einer gewissen Zurückhaltung erfolgen169. Außerdem muss die Vereinbarkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung am Grundsatz der Einheit der Verfassung gemessen werden170. V. Der verfassungsändernde Gesetzgeber und die Entwicklungsgrenzen der Verfassung Will man die Besonderheit der Verfassungsinterpretation in seiner Auslegungsmethodik hinreichend berücksichtigen und die wechselseitigen Beziehungen von Gesetzgeber und Rechtsprechung angemessen verorten, stößt man auf das Spannungsverhältnis zwischen der grundsätzlichen Offenheit der Verfassung als Rahmenordnung einerseits und der Entwicklungsgrenze der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG andererseits.

169  Vgl. 170  Vgl.

die Ausführungen: 2. Teil § 4 B., S. 280 ff. dieser Arbeit. die Ausführungen: 2. Teil § 5 C., S. 324 ff. dieser Arbeit.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen267

1. Die Allgemeinheit und grundsätzliche Offenheit der Verfassung a) Die Rahmenordnung als Maßstab für gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum und für verfassungsgerichtliche Kontrolle Die Verfassung kann im politischen Prozess vor allem als Rahmenordnung bezeichnet werden171. Damit wird umschrieben, dass in der Verfassung nicht alles „normativ voraus bestimmt ist“172 und die „normativ-inhaltliche Struktur“ mitunter fehlt173. Der politische Prozess in einem demokratischen Staat fordert ein, dass substanzielle Fragen Mehrheitsentscheidungen unterliegen müssen und nicht alles durch die Verfassung in Gestalt entschieden sein darf, wie es durch die Interpretation des Verfassungsgerichts ihren Niederschlag gefunden hat174. Hierin spiegelt sich letztlich auch der Grundsatz des „judicial self-restraint“ wieder, wonach in den von der Verfassung ausdrücklich vorgesehenen politischen Gestaltungsspielraum auch nicht durch das Bundesverfassungsgericht eingegriffen werden darf175. Von daher gibt die Verfassung nur den Rahmen und die Grenzen für die handelnden Organe vor. So regeln Verfahren und die Kompetenzen die förmliche Grundlage für das Tätigwerden der Verfassungsorgane, wobei das Verfahren den Rahmen bildet, in dem Entscheidungen getroffen werden, während Kompetenzen Grenzen aufstellen, was ein Organ nicht mehr darf176. Die Unterscheidung in verfassungsrechtlichen Rahmen und politische Gestaltungsfreiheit ist erforderlich um die funktionell-rechtlichen Grenzen zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgerichtsbarkeit einhalten zu können, denn nur „Verfassung als Rahmen sichert […] der Gesetzgebung einen eigenständigen Gestaltungsspielraum“177. Insofern können auch Verfassungsaufträge zur Verwirklichung bestimmter Ziele als bloße Rahmen verstanden werden, da die zur Zielerreichung eingesetzten Mittel nach 171  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2091); C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 5 ff. versteht den Begriff der Rahmenordnung dabei ausdrücklich als Ersatz für die Bezeichnung der Verfassung als Fragment, da dadurch die Fehlvorstellung drohe, dass ein normativer Wachstums­ prozess stattfinde, der die Handlungsspielräume der politischen Organe verkleinere. 172  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164. 173  E.-W. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 (2091). 174  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 5. 175  Ausführungen hierzu: § 4 A IV. 1., S. 260 ff. der Arbeit. 176  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 5. 177  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 8.

268   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

­ olitischen Aspekten frei gewählt werden können178. Hierin bestätigt sich p letztlich der fließende Übergang zwischen der unterschiedlichen Dichte der Bestimmungskraft der Verfassungssätze. Die Verfassung als Rahmenordnung wirft die verfassungsdogmatische Problematik auf, welche Reichweite der Rahmen vor allem dort haben kann, wo der Gesetzgeber Gestaltungsspielräume hat179. Letztlich muss die konkrete Bestimmung dieser Spielräume mit den Mitteln der Interpretation erfolgen180. Die integrative Sicht der Verfassung als Sinnganzes181 beeinflusst dabei maßgeblich die Gestaltungsmöglichkeiten des Interpreten: umso mehr die Verfassung als Grundordnung und nicht als bloße gesetzliche Ordnung der Lebensbereiche gesehen wird, umso mehr nimmt die Verfassungsgerichtsbarkeit die Rolle des Gesetzgebers ein182. Dabei muss das im Verfassungsgesetz Vorgeschriebene auch tatsächlich erreichbar sein, so dass den gesetzlichen Fiktionen und Vermutungen zumindest durch die tatsächliche Unmöglichkeit Grenzen gesetzt sind183. Nach dem „Vorbehalt des Möglichen“ werden insofern auch Teilhabeansprüche in verfassungsrechtliche Schranken verwiesen und dadurch wird der Maßstab des Rechts teilweise durch den Maßstab des finanziell Möglichen verdrängt184.

178  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 5, spricht in diesem Zusammenhang zunächst nur von „verfassungsrechtliche[n] Aufträge[n]“, letztlich lehnt er den Begriff des „Verfassungsauftrags“ an sich aber als zu unpräzise ab, vgl. Rn. 6 (m. w. N.). 179  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 7; P. Unruh, Verfassungsbegriff, 2002, Rn. 409 mit dem Verweis, dass im Bereich der Staatsorganisation regelmäßig keine Spielräume für Interpretation bestehen, so dass hier „nur mit dem Instrument der Verfassungsänderung operiert werden“ kann. 180  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 7. 181  BVerfGE 60, 253 (267) spricht von der Verfassung als einheitlichem „Sinngefüge“. 182  M. Herdegen, JZ 2004, S. 873 (876) nennt als Beispiele für eine derartige Konstitutionalisierung großer Regelungsbereiche die BVerfG-Rechtsprechung zum Rundfunkrecht, BVerfGE 90, 60, zur Parteienfinanzierung, BVerfGE 85, 26 oder zum Abtreibungsrecht, BVerfGE 86, 240 und 88, 203. 183  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 33. 184  BVerfGE 15, 126 (140 f.); 27, 253 (283 ff.); 41, 126 (150 f.); P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 33.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen269

b) Die gute Verfassung im Widerspruch von Allgemeinheit und Bestimmtheit In der unterschiedlichen Bestimmungskraft der Verfassungssätze treten die unterschiedlichen Anforderungen an die Verfassung zu Tage, die den gleichzeitigen Bestand von Allgemeinheit und Bestimmtheit im Spannungsfeld zu vereinen vermag. Einerseits kommt in der Verallgemeinerung des Verfassungstextes das Gemeinschaftliche des Willens zur Verfasstheit zum Ausdruck185. Die formelle Veröffentlichung macht mit seiner Verkündigungswirkung allgemein bekannt und begründet die Allgemeinheit des Verfassungsgesetzes186. Andererseits kann die Verfassung ihre juristische Kraft nur entfalten, wenn sie verständlich ist und ein Mindestmaß an Bestimmtheit enthält. Seine juristische Kraft erhält das Grundgesetz „durch tatbestandliche Bestimmtheit, durch Verzicht auf verfassungspolitische Rhetorik, durch das Zu-Ende-Denken seiner Anordnungen“187. Ein Verfassungsgesetz muss verständlich sein, so dass ein unbestimmter und missverständlicher Verfassungssatz keine Geltung erlangt, das heißt, der Verfassungsgesetzgeber muss seine Anordnungen über programmatische Deklarationen hinaus in befolgungsfähigen Rechtssätzen weiterdenken, jede Regel sprachlich mitteilbar machen und dadurch in die sprachliche Tradition einfügen, so dass das Gebot der Folgerichtigkeit beachtet wird und logische Widersprüche vermieden werden188. Zugleich ergibt sich die „Wohlgeordnetheit des Verfassungsrechts“ auch daraus, dass vieles nicht geregelt ist und dadurch die erforderlichen Handlungsspielräume der Verfassungsorgane verbleiben189. Indem sich die Verfassung einer unterschiedlichen Dichte der Bestimmtheit ihrer Verfassungssätze bedient, löst sie das Spannungsfeld von Allgemeinheit und Bestimmtheit. Ohne den Gemeinschaftswillen zur Verfasstheit in Frage zu stellen, kann die Verfassung dadurch ein Mindestmaß an Bestimmtheit erzeugen 185  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 30. 186  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 30, zudem schlage die Allgemeinheit eine „Brücke zur Gleichheit und damit zu einem Kernelement des Gerechtigkeitsprinzips“. 187  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 32. 188  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 32. 189  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 5.

270   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

und ermöglicht zugleich die erforderlichen Handlungsspielräume der Verfassungsorgane. c) Das Rollenverständnis der Finanzverfassung als Rahmen- und Verfahrensordnung Auch die normativen Festlegungen der Finanzverfassung liefern nur einen Rahmen, da sie nicht das Maß an inhaltlicher Bestimmtheit aufweisen, wie es für Regelungen im Staat-Bürger-Verhältnis typisch ist, vielmehr bezieht sie sich auf unbestimmte Rechtsbegriffe, die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume belassen190. Gleichwohl bilden die Normen der Finanzverfassung des Grundgesetzes „eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung, zeichnen sich durch Formenklarheit aus und sind auf Formenbindung angelegt“, wodurch der politische Prozess der Finanzverfassung zugleich entlastet wird191. Die besondere Eigenart der Finanzverfassung als Rahmen- und Verfahrensordnung ist in ihrer Anwendung und Auslegung zu berücksichtigen192. Die verfassungsgerichtliche Überprüfbarkeit des Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums beschränkt sich auf die Einhaltung des verbindlich gesetzten Rahmens, der als Grenze nicht überschritten werden darf193. 2. Die Entwicklungsgrenzen der Verfassung in der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG Art. 79 III GG erklärt eine Änderung des Grundgesetzes, „durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden“, als unzulässig. Damit sind bestimmte Grundsätze und Entscheidungen selbst dem verfassungsändernden Gesetzge190  H.-G.

Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 43. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 43. 192  H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 43; ausführlich zur Finanzverfassung als Rahmenordnung S. Korioth, Finanzverfassung – Ausdruck separierter „Finanzfunktion“, Rahmenordnung der zentralen staatlichen Steuerungsressource oder Sammlung politischer Kompromisse?, in: Vesting/Korioth, 2011, S. 207. 193  BVerfGE 67, 256 (288 f.); 72, 330 (390); H.-G. Henneke, Kommunen in der Finanzverfassung, 2008, S. 43 weist vor allem darauf hin, dass die Finanzverfassung eine überragende Bedeutung vor allem für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung hat und Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern auch mit Zustimmung der Beteiligten unzulässig sind, vgl. insofern die Ausführungen: 1. Teil § 1 B. I. 1., S. 37 ff. dieser Arbeit. 191  H.-G.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen271

ber auf Dauer entzogen194. Damit gerät die Verfassung allerdings zugleich in ein Spannungsfeld zwischen diesem Änderungsverbot und ihrer grundsätzlichen Entwicklungsoffenheit195. Einerseits sind unter den formellen Anforderungen des Art. 79 I, II GG Verfassungsänderungen196 zur Weiterentwicklung des Grundgesetzes ausdrücklich vorgesehen. Andererseits ist fraglich, welche inhaltlichen Grenzen die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG dabei errichtet und welche Maßstäbe bei deren Auslegung zu beachten sind. a) Art. 79 III GG im Spannungsfeld zwischen Änderungsverbot und Entwicklungsoffenheit P. Kirchhof hat das Wesen der Ewigkeitsgarantie prägnant auf den Punkt gebracht: „Art. 79 Abs. 3 GG wahrt Bestand und leitet Entwicklungen.“197 Art. 79 III GG ist Ausdruck eines Spannungsverhältnisses, indem es auf der einen Seite beispielsweise Grundzüge wie das Demokratieprinzip zu schützen versucht, auf der anderen Seite dem Volkswillen des verfassungsändernden Gesetzgeber Schranken auferlegt. Dieses Spannungsverhältnis ist Resultat der gegensätzlichen Risikopole, zwischen denen die Verfassung aufgerieben zu werden droht, indem einerseits eine zu starre Verfassung an der Entwicklung des Staatswesens zerbricht, andererseits eine zu flexible Verfassung sich in die Beliebigkeit alltäglicher Politik verflüchtigt198. Hier dient Art. 79 GG gleichsam als Ventil für die Verfassung, durch welches sie sich für Veränderungen öffnet, in bestimmten Bereichen aber Anpassungen gegenüber verschlossen bleibt. Zeitlich gesehen orientiert sich Art. 79 III GG dabei nicht auf die Verfassungsherkunft, sondern ist allein auf die Verfassungszukunft ausgerichtet und erklärt Teile des gegenwärtig geltenden Verfassungskerns zum auch zukünftig geltenden Recht199. In der Präambel verweist die Verfassung zwar auf seinen vorrechtlichen Ursprung und Gel194  K.

Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 113. die Ausführungen: 2. Teil § 4 A. IV. 1. S. 267 ff. dieser Arbeit. 196  P. Unruh, Verfassungsbegriff, 2002, S. 439 f. weist darauf hin, dass sich das Grundgesetz mit der Möglichkeit einer Verfassungsänderung durch Gesetzgebungsverfahren in die deutsche Verfassungstradition eingliedert, da schon die Frankfurter und Weimarer Reichsverfassung einem ähnlichen Konzept folgten. 197  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 61. 198  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 40. 199  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 17 spricht daher auch vom „Axiom des Verfassungsrechts“, da es sich vom sonstigen Recht dadurch unterscheidet, dass es keine positivrechtlichen Erkenntnisquellen für sein Entstehen und keine ihren Bestand garantierende Instanz gibt. Ent195  Vgl.

272   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

tungsgrund, mit Art. 79 III GG versucht sie aber selbst einen grundsätzlichen Geltungsanspruch auf Dauer zu verfestigen200. Damit führt die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG zugleich zu einer empfindlichen Beschränkung freier demokratischer Selbstorganisation nach den Grundsätzen der Volkssouveränität201. Es gehört gerade zur Grundidee einer Verfassung, dass sie Bestand hat und eine Änderung nur unter erschwerten Bedingungen vorgesehen ist. Insofern haben die Inhaltsgarantien des Art. 79 III GG und Art. 23 I GG auch die Funktion, die Fortgeltung der Verfassung als Regel und deren Änderbarkeit als Ausnahme zu gewährleisten202. So gilt als positivrechtliche Stütze der Bestandskraft der Verfassung, dass die Änderung oder Ergänzung des Verfassungsrechts verfahrensrechtlich gem. Art. 79 I, II GG vorgezeichnet und erschwert ist und ein unabänderlicher Kernbestand des Verfassungsrechts gem. Art. 79 III GG festgelegt wurde203. Insbesondere durch Art. 79 III GG erhält das Grundgesetz Kontinuität und es garantiert dem verfassten Staat eine Konstante gegenüber den Strömungen und Stimmungen der jeweils gegenwärtigen Politik204. Insofern kann die erschwerte Form der Verfassungsänderung vor überstürzter Verfassungspolitik schützen. Wenn der verfassungsändernde Gesetzgeber die Verfassung beliebig modifizieren könnte, würde dies zugleich den Geltungsanspruch der Verfassung mindern. „Aus dem Kulturphänomen einer Verfassung wäre ein Text auf Widerruf geworden.“205 Die Unterscheidung zwischen einem unabänderlichen Kernbereich des Verfassungsrechts und seinen abänderbaren Teilinhalten, zwisprechend zieht Art. 79 III GG die Konsequenz und unterbindet die Frage nach dem Anfang und Ursprung des Verfassungsgesetzes. 200  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 21 verweist zugleich auch auf Art. 146 GG, in dem die Verfassung zumindest auch Elementarprinzipien für eine Verfassungsablösung vorzeichnet. 201  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 17 ff. 202  So die Teilüberschrift nach P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 38. 203  Als zusätzlich positivrechtliche Stützen der Normengeltung zählen zudem die Bindung aller Staatsgewalten an die Verfassung (Art. 20 III, Art. 1 III GG), die Verfassung mit Geltungsvorrang gegenüber anderem Recht (Art. 20 III, Art. 1 III GG), die Funktionsverteilung der Staatsgewalten nach Regeln des Verfassungsrechts, die verfassungsrechtliche Kontrolle durch das BVerfG und unverletzliche Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft (Art. 1 II GG), nach P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 21. 204  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 46. 205  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 40.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen273

schen dem höherrangigen Verfassungsgesetz und seiner einfachgesetzlichen Ausprägung, senkt das Risiko einer Revolution und der Labilität, die eine Aushöhlung und Verfremdung der Verfassung erleichtern würde206. Zwar kann die Ewigkeitsgarantie revolutionäre Umbrüche in letzter Konsequenz nicht wirksam abwehren207, zumindest aber verhindert sie, dass dem Verfassungsumsturz der „Mantel der Legalität“208 umgelegt werden kann. Art. 79 III GG soll als Schranke für den verfassungsändernden Gesetzgeber verhindern, dass die geltende Verfassungsordnung in ihrer Substanz auf dem formal-legalistischen Weg eines verfassungsändernden Gesetzes beseitigt und zur nachträglichen Legalisierung eines totalitären Regimes missbraucht werden kann209. Damit macht Art. 79 III GG eine legale Revolution unmöglich210. Die Inhaltsgarantie des Art. 79 III GG ist dabei zugleich Teil einer einheitlichen Ermächtigung zur Verfassungsänderung, wobei der Schutz eines materiellen Kerns der Verfassung zum einen ihren Geltungsanspruch verdeutlicht, zum anderen eine verfassungsrechtlich abgeleitete Verfassungsänderung erst möglich macht211. Für Verfassungsänderungen kennt das Grundgesetz sogar nur die Verfahrensvorgaben des Art. 79 II GG und Art. 23 I 3 GG. Ein Volksentscheid ist beispielsweise nicht vorgesehen. Daher sind Verfassungsänderungen allein eine Erscheinungsform der Gesetzgebung212 und zugleich Auftrag des parlamentarischen Gesetzgebers, das Verfassungsgesetz fortzubilden213. Indem Art. 79 III GG Verfassungsbestandteile für änderungsfest erklärt, wird das Verfassungsgesetz zugleich gegen einen 206  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 20; andere Auffassung: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 15 ff. (m. w. N. in Fn. 50), der die Ewigkeitsgarantie als Abwehrmittel zwar ablehnt, der aufgrund des Art. 79 III GG aber zumindest eine „juristische Revolution“, mithin einen nicht notwendigerweise gewaltsamen Verfassungsumsturz für erforderlich hält, der mit der Rechtskontinuität bricht. 207  G. Dürig, Staatsformen, in: Beckerath/Bente/Brinkmann/u. a., 9.  Band, 1956, S. 742 (747): „Gewiß lassen sich durch Normen revolutionäre Bewegungen letztlich nicht aufhalten. Aber mit Normen kann man ,formal legale Machtergreifung‘ verhindern und im betroffenen Volk ein Unrechtsbewußtsein (sic!) erwecken“. 208  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 15. 209  BVerfGE 30, 1 (24). 210  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 15. 211  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 40. 212  P. Badura, Verfassungsänderung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 160, Rn. 3. 213  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 39.

274   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

„Absolutismus verfassungsändernder Mehrheiten“ abgeschirmt214. Insofern dürfen die in Art. 79 III GG erreichten Rechtsgewährungen „auch im Aufbruch zu einem verbesserten Verfassungsrecht“ nicht gefährdet werden, da sie, nach Wertung des Verfassungsgebers, das bleibende Fundament für jede Verfassungserneuerung und Verfassungsergänzung durch die vom Grundgesetz legitimierten Staatsorgane darstellen215. Als Leitentscheidungen für den Gesamtstaat wirkt die Identitätsgarantie des Art. 79 III GG auch für die Landesverfassungen konstituierend216. Die Homogenitätsklausel des Art. 28 I 1 GG nimmt die Grundsätze des Art. 79 III GG auf und bestätigt dessen Vorgaben, unter Bezugnahme auf Art. 20  GG217. Selbst ohne Art. 28 I 1 GG ergäben sich die Grundsätze aus dem ebenfalls in Art.  79 III GG garantierten Bundesstaatsprinzip218. Art. 79 III GG bindet den Staat als Gesamtstaat und somit auch die Länder. Ein Landesverfassungsgesetzgeber kann daher nicht ungebunden über die Verfassungsstruktur des eigenen Bundeslandes entscheiden und über die ranghöheren Maßstäbe des Grundgesetzes disponieren219. b) Die inhaltliche Reichweite der Ewigkeitsgarantie Die Ewigkeitsgarantie verbietet zumindest solche Änderungen des Grundgesetzes, durch welche die in Art. 20 GG niedergelegten „Grundsätze berührt“ werden. Hier stößt man allerdings auf das Problem, dass schon wegen der begrifflichen Weite der verwendeten Formulierung der substanzielle Kern des Grundgesetzes nur sehr abstrakt umschrieben wird220. Man kommt daher nicht umhin, durch Auslegung die Reichweite des Art. 79 III GG zu 214  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 46; ähnlich H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 17, der zugleich darauf verweist, dass „Art. 79 III GG zur Ausblendung des Volkes als realter politischer Größe und zu seiner endgültigen Verbannung in das einmal errichtete Gehäuse der Verfassung“ führe. 215  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 47. 216  K. Hesse, AöR 98 (1973), S. 1 (12); P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 49. 217  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 62. 218  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 55; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 49. 219  P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 21, Rn. 50. 220  H.-U. Erichsen, VerwArch 62 (1971), S. 291 (294) weist insofern zutreffend darauf hin, dass Art. 79 III GG „nun allerdings kein Muster an Klarheit und Eindeutigkeit“ sei; ähnlich L. Lütgens, Demokratieprinzip, 2004, S. 144.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen275

konkretisieren. Dabei stößt man auf das Problem, ob diese Auslegung res­ triktiv zu erfolgen hat. aa) Die restriktive Auslegung des Art. 79 III GG Der Wortlaut des „Berührens“ der Grundsätze wurde zumindest durch das Bundesverfassungsgericht restriktiv ausgelegt221. Demnach werden die Grundsätze „von vornherein nicht ,berührt‘, wenn ihnen im allgemeinen Rechnung getragen wird und sie nur für eine Sonderlage entsprechend deren Eigenart aus evident sachgerechten Gründen modifiziert werden“222. Insbesondere habe die Formulierung der Art. 79 III GG „keine striktere Bedeutung als die ihr verwandte Formel in Art. 19 Abs. 2 GG, wonach in keinem Fall ein Grundrecht ,in seinem Wesensgehalt angetastet‘ werden darf“. Vor allem müsse Art. 79 III GG als „Ausnahmevorschrift“ dahin gehend verstanden werden, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht gehindert wird, „durch verfassungsänderndes Gesetz auch elementare Verfassungsgrundsätze systemimmanent zu modifizieren“223. Somit relativiert das Bundesverfassungsgericht Art. 79 III GG in zweifacher Hinsicht in ihrer jeweiligen Reichweite: zum einen die in Bezug genommenen Normen, zum anderen den Regelungsgegenstand der Ewigkeitsklausel mittels des Berührungsverbots. So sei Art. 79 III GG so auszulegen, dass die Ewigkeitsgarantie nur die Grundsätze der in Art. 20 GG „niedergelegten Grundsätze“ erfasst (erste Restriktion) und diese Grundsätze nur in einem Regel- / Ausnahme Verhältnis, das heißt, ohne umfassendes Berührungsverbot, gelten (zweite Restriktion)224. Teile der Literatur ziehen für die gleiche Argumentation und gegen ein umfassendes Berührungsverbot zudem die Entstehungsgeschichte des Art. 79 III GG heran. Demnach sah die ursprüngliche Fassung den Ausdruck „Antasten“ vor, wodurch sie dem Wortlaut nach dem heutigen Art. 19 II GG folgte. Entsprechend der überwiegend in Art. 19 II GG vertretenen relativen Wesensgehaltstheorie sei dieser Wesensgehalt nicht für jedes Grundrecht anders, aber für jeden Fall einzeln zu bestimmen, so dass 221  Richtungsweisend war insofern das sogenannte „Abhör-Urteil“: BVerfGE 30, 1; dem folgend 84, 90 (120 f.); 94, 49 (102 f.); 109, 279 (310); ebenso Teile der Literatur: statt vieler: M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 78 (m. w. N.). 222  BVerfGE 30, 1 (24); bestätigt in BVerfGE 84, 90, (121) und 89, 155 (209). 223  BVerfGE 30, 1 (24 f.); ähnlich BVerfGE 109, 279 (310), wonach Art. 79 III GG als „Ausnahmevorschrift zumindest einer Verfassungsänderung aus „sachgerechten Gründen“ nicht hinderlich sein soll. 224  L. Lütgens, Demokratieprinzip, 2004, S. 147.

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ein umfassendes Berührungsverbot schon gar nicht beabsichtigt sein kann225. Außerdem ordne das Bundesverfassungsgericht die „Grundsätze“ und das Berührungsverbot im richtigen systematischen Verhältnis des Art. 79 III GG zu Art. 20 GG, indem es die Grundsätze einmal als die Verfassungsprinzipien des Art. 1 und 20 GG versteht und andererseits als „grundsätzlich“ im Sinne des Regel-Ausnahmeverhältnisses anwendet226. bb) Die Kritik an der restriktiven Auslegung Die restriktive Auslegung des Art. 79 III GG als bloße Ausnahmevorschrift ist nicht kritiklos geblieben. Maßgebend war hier das Sondervotum einiger Bundesverfassungsrichter227, wonach es für ein „Berühren“ nicht erst ein prinzipielles Preisgeben der Grundsätze bedürfe, sondern es genüge schon, „wenn in einem Teilbereich der Freiheitssphäre des Einzelnen die sich aus Art. 1 und 20 GG ergebenden Grundsätze ganz oder zum Teil außer Acht gelassen werden“. Insbesondere sollen die „konstituierenden Elemente […] ,unberührt‘ bleiben“ und „vor dem allmählichen Zerfallsprozeß [sic!] geschützt werden, der sich entwickeln könnte, wenn den Grundsätzen nur ,im allgemeinen Rechnung getragen‘ werden müßte [sic!]“. Es dürfe zudem nicht bedeutungslos sein, wenn der Grundgesetzgeber in Art. 79 III GG eine „substantiell [sic!] engere Formulierung als in Art. 19 Abs. 2 GG gewählt hat“228. Insofern sollte Art. 79 III GG „zwar nicht extensiv, aber – streng und unnachgiebig ausgelegt und angewandt werden“229. Dem scheint das Bundesverfassungsgericht inzwischen auch Rechnung zu tragen, indem es für die Staatsstrukturprinzipien feststellt, dass sie „in ihrer prinzipiellen Qualität jeder Änderung entzogen“ sind und eine „Verletzung der in Art. 79 Abs. 3 GG festgelegten Verfassungsidentität […] aus der Sicht des Demokratieprinzips zugleich ein Übergriff in die verfassungsgebende Gewalt des Volkes“ sei230. Von Teilen der Literatur wird zudem gegen eine zu restriktive Auslegung vorgebracht, man reduziere Art. 79 III GG auf ein Revolutionsverbot und 225  L.

Lütgens, Demokratieprinzip, 2004, S. 146. Lütgens, Demokratieprinzip, 2004, S. 147. 227  So äußert bereits das Sondervotum der Richter G. Geller/F. v. Schlabrendorff/ H. Rupp Kritik: BVerfGE 30, 1 (33 ff.); ebenso kritisch Teile der Literatur: K.-E. Hain, Grundsätze des Grundgesetzes, 1999, S. 70 ff.; P. Häberle, JZ 1971, S. 145 (150); H. Möller, Die verfassungsgebende Gewalt, 2004, S. 151 ff. 228  Sondervotum der Richter G. Geller/F. v. Schlabrendorff/H. Rupp: BVerfGE 30, 33 (41 f.). 229  Namentlich die Richter G. Geller/F. v. Schlabrendorff/H. Rupp, BVerfGE 30, 1 (47). 230  Sogenannte „Lissabon-Entscheidung“: BVerfGE 123, 267 (343 f.). 226  L.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen277

schöpfe damit seinen normativen Gehalt nicht aus231. Schließlich erstrecke sich der explizite Katalog von Bestandsgarantien des Art. 79 III GG auf Bereiche, die einem grundlegenden totalitären Umsturz weit vorgelagert sind232. Im Übrigen könnten „Grundsätze“ entgegen der Unterstellung des Bundesverfassungsgerichts auch im Sinne einer unverrückbaren Fundamentalnorm bzw. eine ausnahmslos wirkenden Axioms verstanden werden233. cc) Stellungnahme Letztlich äußert sich an diesem Streit das Spannungsfeld, in dem sich Art. 79 III GG bewegt: dem ewigen Bestandsschutz und Geltungsanspruch von Teilen der Verfassung einerseits, Verfassungsänderungen unter demokratischen Vorzeichen nach dem Prinzip der Volkssouveränität auch den folgenden Generation zu ermöglichen, andererseits. Um der „Balance zwischen Starrheit und Elastizität der Verfassung“ gerecht zu werden, ist allerdings ebenso vor einer „normativer Zementierung“ des verfassungsrechtlichen Zustandes durch eine zu extensive Auslegung wie auch vor einer zu restriktiven Interpretation des Art. 7 III GG, die hinter dem normativen Gehalt zurückbleibt, zu warnen234. Die Formulierung der Unzulässigkeit des „Berührens“ gibt zumindest einen Hinweis darauf, dass es sich bei Art. 79 III GG nicht um eine restriktiv auszulegende Ausnahmevorschrift handelt und der Ewigkeitsgarantie eine striktere Bedeutung als dem „Wesensgehalt“ des Art. 19 II GG zukommen könnte. Letztlich verweist der Wortlaut aber vor allem auf den Katalog der unabänderlichen Bestandteile des Art. 79 III GG und auf die in den Art. 1 und 20 GG niedergelegten „Grundsätze“. Deshalb ist auch vielmehr bei dem Inhalt der einzelnen Regelungsgehalte anzusetzen, so dass vor allem das einschränkende Merkmal der „Grundsätze“ lege artis auszulegen ist235. 231  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 19 (m. w. N. in Fn. 66). 232  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 16; K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 79, Rn. 32 und 43; ablehnend gegenüber einer Schrankenverschiebung zum Schutz vor einer allmählichen Aushöhlung: M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 83. 233  L. Lütgens, Demokratieprinzip, 2004, S. 147 f. 234  M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 61 weist zugleich daraufhin, dass die Gegensätzlichkeit von Substanzwahrung und Flexibilität sich gleichsam in den Begriffen des „Berührens“ einerseits und der „Grundsätze“ andererseits widerspiegelt, unter Verweis auf T. Maunz/ G. Dürig, in: dies., GG Kommentar, 1960, Art. 79, Rn. 31. 235  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 19; K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 79, Rn. 32.

278   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Zur Bestimmung der Grundsätze, insbesondere des Demokratieprinzips, muss man diese von ihren Konkretisierungen abgrenzen236. Die Konkretisierungen, die die in Art. 1 und 20 GG enthaltenen Grundsätze erfahren haben, werden von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG nicht erfasst und unterliegen insofern auch nicht den materiellen Schranken einer Verfassungsänderung237. Eine solche Differenzierung folgt schon aus der Systematik des Art. 79 III GG, denn während der Kerngehalt den unbedingten Teil des Demokratieprinzips ausmacht, unterliegen die normativen Gehalte der Konkretisierungen den „variable[n] Bedingungen der Realität“ und sind auf diese hin „positiviert“ worden238. Entsprechend „bedingte normative[n] Gehalte“ können aber schon gar nicht Inhalt „des unbedingten und im Rahmen der geltenden Verfassungsordnung invariablen demokratischen Prinzips sein“239. Die Abgrenzung zwischen unantastbarem Kerngehalt und dessen veränderbarer Konkretisierung ist in zwei Schritten vorzunehmen. In einem ersten Schritt ist das Wirkungsspektrum der jeweiligen Gewährleistung des Art. 20 GG ins Verhältnis zur geminderten Steuerungskraft nach dem verfassungsändernden Eingriff zu setzen240. Als zweiter Schritt ist der normative Gehalt des geschützten Standards außerhalb von Art. 20 GG zu untersuchen und eine entsprechend stärkende oder abschwächende Ausprägung zu berücksichtigen241. 236  Anderer Auffassung ist C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 53, der eine Interpretation des Demokratieprinzips erst im Hinblick auf seine nähere Ausformung im Grundgesetz für möglich hält. 237  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 26 (m. w. N. in Fn. 87). Ausführlich zur Notwendigkeit der Differenzierung zwischen Leitgedanken und Konkretisierung des Demokratieprinzips siehe K.-E. Hain, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 79, Rn. 80. Anderer Auffassung ist B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 79, Rn. 11, der die Konkretisierungen des Demokratie-, Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip in anderen Grundgesetzbestimmungen mit ihrem dem jeweiligen Prinzip als solchen zurechnenden Gehalt erfasst sieht. 238  K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 79, Rn. 80 spricht zwar von Leitgedanken, wobei diese aber den Kerngehalten entsprechen dürften. 239  K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 79, Rn. 80 f. macht dies am Beispiel der parlamentarischen und repräsentativen Demokratie deutlich, die er jeweils nur als Konkretisierung des Demokratieprinzips und entsprechend für änderbar erachtet. 240  M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 109. 241  M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 109, unter Verweis auf K.-E. Hain, Grundsätze des Grundgesetzes, 1999, S. 165 ff., fordert zusätzlich noch eine Abgleichung der anderen, von Art. 79



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen279

VI. Schlussfolgerungen für den Prüfungsmaßstab Verfassungsrecht ist immer auch politisches Recht und Bestandteil des Ringens um das politische Selbstverständnis des Gemeinwesens. Insofern kommt der zugrunde gelegten Methode der Verfassungsauslegung eine essenzielle Bedeutung zu242. Zwar ist Verfassungsinterpretation immer auch Gesetzesinterpretation, so dass grundsätzlich die klassisch-hermeneutische Auslegungsmethode anwendbar ist. Allerdings reicht der klassische Auslegungskanon für die Verfassungsinterpretation allein nicht aus, da er keine befriedigende Antwort auf den fragmentarischen Charakter der Verfassung und die Rangfolge der einzelnen Auslegungselemente gibt. In diesen Bereichen stößt man auf das Problem, dass das Auslegungsziel maßgeblich von der zugrunde gelegten Rechts- und Staatsphilosophie abhängt. Daher kann das Ziel der Methodenwahl bei der Verfassungsauslegung immer nur eine relative Richtigkeit sein, die die Begrenztheit ihres Anspruchs eingesteht. Diesem Anspruch wird die hermeneutisch-konkretisierende Methode gerecht, indem bei möglichst weitgehender Rationalität ein relativer Richtigkeitsanspruch gewährleistet wird, ohne dass die Begrenztheit dieses Anspruchs verleugnet wird. Nach der hermeneutisch-konkretisierende Methode ist der Verfassungstext die äußerste Grenze der Verfassungsinterpretation. Dabei ist der Verfassungstext Ausgangspunkt für eine Verfassungsinterpretation, bei der versucht wird, die problembezogenen Aspekte in einem konkretisierenden Auswahlverfahren heraus zu filtern und einem System einzuordnen, ohne die Abhängigkeit vom Vorverständnis des Interpreten selbstkritisch aus den Augen zu verlieren. Die Verfassungsauslegung wird flankiert durch die funktionell-rechtlichen Grenzen der Verfassungsinterpretation. Nach dem Grundsatz des „judicial self-restraint“ hat sich die Verfassungsrechtsprechung bei der Auslegung den Grenzen der ihr in der Verfassung zugewiesenen Funktion zu unterwerfen. Damit wird gewährleistet, dass der durch die Verfassung garantierte freie politische Gestaltungsspielraum auch den anderen Verfassungsorganen offengehalten wird. Zudem ist bei der Verfassungsauslegung die Einheit der Verfassung zu wahren, der die systematische Auslegung zugrunde liegt. III GG geschützten Grundsätze mit dem zu untersuchenden Grundsatz in der Gestalt, dass ihr verstärkender oder kollidierender Gewährleistungsgehalt zu einer Hebung bzw. Senkung des jeweiligen Gewährleistungsniveaus beitragen kann. Dies soll in der vorliegenden Darstellung jedoch vernachlässigt werden, da die einzelnen Grundsätze mit Blick auf die kommunale Selbstverwaltung untersucht werden und etwaige Überschneidungen im Rahmen dessen Beachtung finden, vgl. insofern die Ausführungen: 2. Teil § 5 C. I. S. 325 ff. dieser Arbeit. 242  Vgl.: 2. Teil § 4 A. I., S. 239 ff. dieser Arbeit.

280   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Demnach muss die Verfassung als Ganzes verstanden werden, so dass ihre einzelnen Bestandteile widerspruchsfrei und nur aus ihrem materiellen Gesamtzusammenhang interpretiert werden dürfen. Die Verfassungsgerichtsbarkeit hilft, die widerstreitenden Funktionen der Verfassung, ihre Entwicklungsoffenheit einerseits und ihre Normativität andererseits, zu entschärfen. Die Verfassungsgerichtsbarkeit reguliert und stabilisiert den politischen Prozess und macht das Risiko einer Lösung vom Normtext beherrschbar. Insofern hat das Bundesverfassungsgericht die Verfasstheit des Staates zu wahren, indem es die Grenzen zwischen Verfassungsänderung und Verfassungsbruch verdeutlicht. Das Bundesverfassungsgericht orientiert sich an der klassisch-hermeneutischen Auslegungsmethode, ohne eine Rangfolge unter den einzelnen Auslegungsaspekten vorzugeben. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht sich in seiner Rechtsprechung bisher nur zur klassisch-hermeneutischen Auslegungsmethode ausdrücklich bekannt hat, weist es doch gemeinsame Elemente der hermeneutisch-konkretisierenden Methode auf. Auch das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzeswortlaut eine Vorrangstellung ein, indem der Wille des Gesetzgebers nur insofern berücksichtigt werden darf, soweit er sich im Text wiederfindet. Die Gesetzgebungsmaterialien und die Entstehungsgeschichte dürfen nur nach ihren „objektiven Gesetzesinhalten“ berücksichtigt werden243. Insofern ist die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe für die Verfassungsinterpreta­ tion des Bundesverfassungsgerichts unerheblich. Da durch den Bestandsschutz des Art. 79 III GG immer auch zugleich eine Beschränkung der freien demokratischen Selbstorganisation droht, bedarf es einer besonders sensiblen Verfassungsauslegung der Ewigkeitsgarantie. Daher darf Art. 79 III GG nicht extensiv ausgelegt werden. Vielmehr müssen entsprechend dem Wortlaut die „Grundsätze“ und damit die unantastbare Kerngehalte von ihren Konkretisierungen abgegrenzt werden, die nicht von der Ewigkeitsgarantie geschützt sind.

B. Die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen Schon während der Arbeit der Kommission an der Föderalismusreform II wurde die Einführung eines Verschuldungsverbots für die Länder mehrfach als Verstoß gegen die Länderautonomie des Art. 79 III GG kritisiert244. In243  Zu etwaigen Begründungspflichten des Gesetzgebers: K.-A. Schwarz/C. Bravidor, JZ 2011, S. 653. 244  Angestoßen wurde die Debatte durch einen offenen Brief der Vertreter der Landtage und der unterzeichnenden Stellvertreter in der Föderalismusreform II vom



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen281

sofern bestehen vor allem im Hinblick auf die Wahrung des Bundesstaatsprinzips Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Schuldenbegrenzungsregelung. Außerdem wird von Teilen der Literatur in der starken Einschränkung der Kreditaufnahmemöglichkeiten ein Verstoß gegen die Budgetautonomie der Länderparlamente und damit gegen das Demokratieprinzip gesehen. Die Beschränkung der Budgetautonomie der Länderparlamente entspricht allerdings in erster Linie einer Kompetenzverlagerung von der Landes- auf die Bundesebene. Die dadurch betroffene vertikale Gewaltenteilung wird vor allem durch das Bundesstaatsprinzip geschützt. Gleichwohl erfolgt dieser Schutz auch im Zusammenspiel mit dem Demokratieprinzip. Somit bemisst sich die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelungen vor allem an der Wahrung der Ewigkeitsgarantie, insbesondere ihrer Bestandteile, des Bundesstaatsprinzips (I.) und des Demokratieprinzips (II.). I. Die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelung mit Blick auf das Bundesstaatsprinzip Nach dem Wortlaut des Art. 79 III Var. 1 GG ist die „Gliederung des Bundes in Länder“ von der Ewigkeitsgarantie geschützt. Damit wird das Bundesstaatsprinzip mit einem speziellen Merkmal benannt, das durch den Verweis auf Art. 20 GG noch einmal in allgemeiner Weise und somit doppelt geschützt ist245. 01.04.2008, Kommissions-Drs. 100; Die neue Schuldenbegrenzungsregelung für verfassungswidrig halten: H.-P. Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008; J. Hancke, DVBl 2009, S. 621 (626); B. Fassbender, NVwZ 2009, S. 737 (740). Als verfassungsgemäß erachten die neue Schuldenbegrenzungsregelung hingegen: C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2565 f.); R. Schmidt, DVBl 2009, S. 1274 (1277); C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (727 f.); S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (732), der der Neuregelung gleichwohl eine „verfassungspolitische Fragwürdigkeit“ attestiert; J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1338 f.); I. Kemmler, DÖV 2009, S. 549 (554 f.); H.-G. Henneke, Bundesstaat und kommunale Selbstverwaltung, 2009, Rn. 61; C. Ohler, DVBl 2009, S. 1265 (1273 f.); W. Heun, ZSE 7 (2009), S. 552 (569); E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 17; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 22; B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (168 f.); A. Thiele, NdsVBl 2010, S. 89 (89 ff.); C. Gröpl, LKRZ 2010, S. 401 (402 f.); G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 112 ff.; M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 243 ff. 245  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 21 (m. w. N.) erteilt Ansichten eine Absage, die die zusätzliche Sicherung der Bundesstaatlichkeit über den Verweis auf die Grundsätze des Art. 20 GG aufgrund der expliziten Nennung der Merkmale in Art. 79 III GG leerlaufen lassen wollen.

282   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

1. Inhalt des Bundesstaatsprinzips Das Bundesstaatsprinzip schützt als Formprinzip des Föderalismus die substanzielle Eigenstaatlichkeit der Länder. Diese darf weder durch Verschiebung der Kompetenzbereiche noch durch erweiterte Eingriffsbefugnisse des Bundes in autonome Gestaltungsbefugnisse der Länder ausgehöhlt werden246. Was zur Eigenstaatlichkeit der Länder gehört, lässt sich laut Bundesverfassungsgericht „nicht formal danach bestimmen, daß [sic!] sie eine eigene Verfassung besitzen und daß [sic!] sie über irgendein Stück vom Gesamtstaat unabgeleiteter Hoheitsmacht verfügen […] Die Länder im Bundesstaat sind nur dann Staaten, wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als ,Hausgut´ unentziehbar verbleibt. Was immer im einzelnen [sic!] dazu gehören mag, jedenfalls muß [sic!] dem Land die freie Bestimmung über seine Organisation einschließlich der in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen sowie die Garantie der verfassungskräftigen Zuweisung eines angemessenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen im Bundesstaat verbleiben.“247 Zumindest das Prinzip der Haushaltstrennung ist als Kernbestand der Staatlichkeit von Bund und Ländern anerkannt248. Die Eigenständigkeit der Haushaltswirtschaft des Bundes und der Länder wird durch die Haushaltsautonomie nach Art. 109 I GG als Ausprägung und Konkretisierung vom Bundesstaatsprinzip garantiert249. Insofern hat die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern einen maßgeblichen Anteil am Bundesstaatsprinzip250. Es ist umstritten, ob durch die strikteren Schuldenbegrenzungsregelungen im Zuge der Föderalismusreform II und der auf Ausnahmen bezogenen Kreditaufnahmemöglichkeiten der Länder spätestens ab dem Jahr 2020 deren Eigenstaatlichkeit und insbesondere ihre Haushaltsautonomie noch hinreichend gewahrt sind.

246  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 1 und 19 f.; K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 79, Rn. 119 und 43 ff. 247  BVerfGE 34, 9 (19 f.). 248  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 62. Erg.-Lfg., Mai 2011, Art. 109, Rn. 28; M. Rodi, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., Dezember 2004, Art. 109, Rn. 61 f.; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 109, Rn. 4; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 15; U. Kramer/T. Hinrichsen/T. Lauterbach, JuS 2012, S. 896 (897). 249  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 15. 250  J. Hancke, DVBl 2009, S. 621 (621).



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen283

2. Kritische Auseinandersetzung mit möglichen Verletzungskonstellationen a) Mögliche Verletzung der Haushaltsautonomie der Länder Für einen Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip spricht251, dass die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Haushaltswirtschaft nicht bloß ein Formprinzip eigener Kassenführung bedeutet, sondern auch ein Mindestmaß an eigenverantwortlicher Finanzwirtschaft, die durch die Haushaltsautonomie des Art. 109 I GG gewährleistet werden soll252. Das Bundesverfassungsgericht sieht den Sinn und Zweck der Haushaltsautonomie darin, „die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß [sic!] die staatliche Selbstständigkeit von Bund und Ländern real werden, ihre politische Autonomie sich in der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung und der Haushaltswirtschaft (Art. 109 Abs. 1 GG) entfalten“253 kann. Der Begriff der „Haushaltswirtschaft“ des Art. 109 I GG könnte weit ausgelegt werden, so dass er die Gesamtheit der auf die staatlichen Einnahmen und Ausgaben bezogenen haushälterischen Vorgänge254 umfasst. Zu dieser Kompetenz könnte dann als Teil der Einnahmen aber auch die Aufnahme von Krediten gehören255.

251  Einen solchen Verstoß sehen: H.-P. Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008; B. Fassbender, NVwZ 2009, S. 737; J. Hancke, DVBl 2009, S. 621. 252  M. Rodi, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., Dezember 2004, Art. 109, Rn. 65. 253  BVerfGE 86, 148 (264); ebenso habe die Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat das Ziel, Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, damit sie die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrnehmen können, um dadurch ihre staatliche Selbständigkeit real werden zu lassen, so BVerfGE 72, 330 (383). 254  M. Rodi, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., Dezember 2004, Art. 109, Rn. 80 m. w. N. in Fn. 66; ähnlich T. Maunz, in: ders./Dürig, GG Kommentar, 17. Erg.-Lfg., Art. 109, Rn. 3; C. Hillgruber, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2005, Art. 109, Rn. 9; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 6. Anderer Ansicht hingegen sind: H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 62. Erg.-Lfg., Mai 2011, Art. 109, Rn. 32 und W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 16, die diese Definition unter den Vorbehalt stellen, dass diese Vorgänge nach geltenden bundesstaatlichen Verfassungsrecht einer eigenständigen haushaltspolitischen Entscheidung unterliegen müssen. 255  M. Rodi, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., Dezember 2004, Art. 109, Rn. 95 f.; H.-P. Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrecht­

284   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Dem Bundesverfassungsgericht zu Folge sind die Länder zudem gerade gegen solche Verfassungsänderungen geschützt, durch die ihnen die „in den Landesverfassungen enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen“ genommen werden256. Allerdings sehen alle Landesverfassungen ausdrücklich Regelungen zur Kreditaufnahme vor, so dass diese als organisatorische Grundentscheidung des Haushaltwesens und fester Bestandteil der Eigenstaatlichkeit der Länder i. S. d. Art. 79 III GG anzusehen sind257. Durch die Neuregelung des Art. 109 III GG wird die Kreditaufnahmemöglichkeit so sehr entwertet, dass die Einnahmenautonomie der Länder aus Art. 109 I GG praktisch beseitigt wird258. Der Bund gibt den Ländern ohnehin schon weitgehend die Art und den Umfang der Ausgaben vor, ohne dass diesen hierfür eine ausreichende Einnahmequelle zur Verfügung stehen würde259. Mit dem regulären Kreditaufnahmeverbot des Art. 109 III GG werde den Ländern nun die letzte Möglichkeit genommen, „hinreichende Autonomie“ zu entfalten260. Den Ländern hätten im Gegenzug zumindest „substantielle [sic!] Bestimmungsmöglichkeiten über andere Einnahmen, insbesondere Steuern“ mit realisierbaren Einnahmepotentialen für alle Länder eingeräumt werden müssen261. b) Wahrung der Eigenstaatlichkeit der Länder aa) Grundsätzliche Einschränkbarkeit der Haushaltsautonomie Einer weiten Auslegung der Haushaltsautonomie kann entgegnet werden, dass dadurch die Struktur der grundgesetzlichen Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzverfassung verkannt wird262. Die Finanzverfassung ist liche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 15; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 9. 256  BVerfGE 34, 9 (19 f.); 85, 181 (196 f.). 257  H.-P. Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 29. 258  Ders., Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 18. 259  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (732). 260  H.-P. Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 28; sich auf diesen beziehend BT-Drs. 16/13221, 7 (m. w. N.). 261  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (732); G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 111 hält eine Erweiterung der Steuergesetzgebungskompetenz der Länder für erwägenswert (m. w. N. bezüglich ähnlicher Diskussionen im Rahmen der Reformdiskussion). 262  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 118; C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561; R. Schmidt, DVBl



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen285

durch eine vielfältige Verflechtung und gerade durch eine ganz erhebliche Einschränkung der Haushaltsautonomie von Bund und Ländern geprägt, so dass gerade die Einnahmenautonomie außerordentlich begrenzt ist263. Vielmehr hat der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der neuen Schuldenbegrenzungsregelung den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum verfassungsgemäß genutzt264. Schon die Verhandlungen im parlamentarische Rat weisen darauf hin, dass Art. 109 I GG nur eine formelle Selbstständigkeit der Haushaltswirtschaft zugedacht und materielles Finanzverfassungsrecht nicht abgesichert werden sollte265. Selbst die materielle Haushaltsautonomie umfasse zwar auch die Kreditaufnahme, allerdings gilt auch dies nur in dem durch die Verfassung vorgegebenen Rahmen. Die Kreditaufnahme war aber bisher an das Erfordernis des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gebunden und wird jetzt lediglich durch das strukturelle Neuverschuldungsverbot und entsprechende Ausnahmeregelungen des Art. 109 III GG ersetzt266. Somit war die Möglichkeit der Kreditaufnahme bisher als Ausnahmeregelung durch ihre Nachrangigkeit gegenüber anderen Einnahmen267 gekennzeichnet. Zudem hatte auch die Ursprungsverfassung nur begrenzt Steuerautonomie der Länder vorgesehen, insbesondere erlaubt Art. 109 I GG den Ländern keinen Vorgriff auf die Steueraufkommen der Zukunft268. Insofern muss erst recht eine grundrechtliche Begrenzung der Kreditaufnahme in Zukunft zulässig 2009, S. 1274; C. Seiler, JZ 2009, S. 721; S. Korioth, JZ 2009, S. 729; C. Waldhoff/ P. Dieterich, ZG 24 (2009), S. 97; J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333; I. Kemmler, DÖV 2009, S. 549; C. Ohler, DVBl 2009, S. 1265 (1273 f.); B. Scholl, DÖV 2010, S.  160 (168 f.); W. Heun, ZSE 7 (2009), S. 552; A. Thiele, NdsVBl 2010, S. 89; D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 369 und 383 f.; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 110; C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 148 ff. 263  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 118; I. Kemmler, DÖV 2009, S. 549 (555); H. Tappe, DÖV 2009, S. 881 (429); A. Thiele, NdsVBl 2010, S. 89 (92 f.); H. Neidhardt, Staatsverschuldung, 2010, S. 377 ff.; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 22. 264  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 369. 265  Noch im Hinblick auf den damals zur Diskussion stehenden Art. 121: „Bund und Länder führen eine gesonderte Finanzwirtschaft“, Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses 1948/49, 14. Sitzung, 02.12.2012, S. 163 ff. 266  Bundesministerium der Finanzen, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer für Bund und Länder einheitlich geltenden Schuldenbegrenzungsregelung im Grundgesetz, 23.01.2008, S. 4 f. 267  Ausführlich zur Nachrangigkeit der Kreditaufnahme M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 138 ff. und 255 ff. 268  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 109.

286   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

sein269. Daher gehört die unlimitierte Kreditaufnahme nicht zum Kernbereich der Staatlichkeit der Länder oder zu den Essentialen der Haushaltsautonomie270. Dies wird vom Bundverfassungsgericht indirekt bestätigt, indem es feststellt, dass die Staatlichkeit der Länder genügend berücksichtigt sei, wenn sie einen festen Anteil am Steueraufkommen besitzen und lediglich die verfassungskräftige Zuweisung eines angemessenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen im Bundesstaat zum „unentziehbaren Hausgut“ der Länder gerechnet werden könne271. Zusammengefasst ergibt sich selbst aus einer weiten Begriffsdefinition von „Haushaltswirtschaft“ i. S. d. Art. 109 I GG und der daraus abgeleiteten Kompetenz zur „Vermögens- und Schuldenverwaltung“272 noch nicht das Recht zur uneingeschränkten Aufnahme von Krediten273. Vielmehr ist die Einnahmenautonomie durch die Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzverfassung begrenzbar274. bb) Restriktive Auslegung der Ewigkeitsgarantie Die drohende Entthronung des demokratischen Souveräns und parlamentarischen Gesetzgebers und der Wortlaut des Art. 79 III GG verbieten zumindest eine extensive Auslegung der Ewigkeitsgarantie275. Das Bundesverfassungsgericht hat unterstrichen, dass Art. 79 III GG eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift darstellt, die den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht hindere, die positivrechtlichen Ausprägungen dieser Grundsätze 269  M.

Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 255. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 22. 271  Nach dem BVerfGE 34, S. 9, (19 f.) ist vor allem die bundeseinheitliche Regelung von Besoldungsregelungen betroffen, insbesondere Zulagenregelungen, die das Land Hessen nicht für sich gelten und nicht an die Stelle landesgesetzlicher Regelungen treten lassen wollte. Der Bund berief sich darauf, dass Hessen den Grundsatz der Bundestreue verletze, weil es bei seiner Regelung nicht die gebotene Rücksicht auf die gemeinsamen Belange aller Dienstherren in Bund und Ländern genommen habe; H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 22. 272  So ausdrücklich W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 109, Rn. 15, ebenso in W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 16. 273  Anderer Auffassung ist H.-P. Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 15 Fn. 13, der ein Recht zur uneingeschränkten Aufnahme von Krediten annimmt. 274  Statt vieler: W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art.  109, Rn.  22 (m. w. N.). 275  Zur inhaltlichen Reichweite der Ewigkeitsgarantie: 2. Teil § 4 A. IV. 2. b), S.  274 ff. dieser Arbeit. 270  W.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen287

aus sachgerechten Gründen zu modifizieren276. Daher erstreckt sich der Schutz des Art. 79 III GG bezüglich der Haushaltsautonomie als Ausformung des Bundesstaatsprinzips auch lediglich auf eine angemessene Finanzausstattung zur Erfüllung der Aufgaben und eigenständigen Gestaltung im Rahmen der Haushaltsführung277. Die angemessene Finanzausstattung der Länder ist mit der neuen Schuldenbegrenzungsregelung aber gerade nicht berührt, weil die Möglichkeit zur Kreditfinanzierung nicht vollkommen ausgeschlossen wird278. Vielmehr bleibt der Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung erhalten und die Gestaltungsspielräume gerade bei der Ausgabenentscheidung werden nicht prinzipiell in Frage gestellt279. Auch das Bundesverfassungsgericht spricht nur von einer haushaltsrechtlichen, nicht aber von einer finanzwirtschaftlichen Selbstständigkeit der Länder280. Es hat die Staatsqualität der Länder ausdrücklich nicht davon abhängig gemacht, dass diese über ihren „angemessenen Anteil am Gesamtsteueraufkommen“ hinaus noch ein schrankenloses Verschuldungsrecht besitzen281. c) Gebot der Bundestreue Als wichtigste Ausprägung des Bundesstaatsprinzips enthält die Bundestreue für Bund und Länder die verfassungsrechtliche Pflicht, einander die Treue zu halten und sich zu verständigen282. Nach dem Gebot der Bundestreue ist es Bund und Ländern verboten, sich in eine Haushaltssitua­ tion zu begeben, die die anderen Bundespartner finanziell gefährdet.

276  BVerfGE 30, 1 (24); 84, 90 (120 f.); 94, 49 (103); 109, 279 (310); dem zustimmend: B.-O. Bryde, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 79, S.  29 f. 277  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 22; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, S.  113 (m. w. N.); U. Kramer/T. Hinrichsen/T. Lauterbach, JuS 2012, S. 896 (900). 278  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 114; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 22. 279  A. Thiele, NdsVBl 2010, S. 89 (93 f.); W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 22. 280  BVerfGE 1, 116 (131); 101, 158 (220). 281  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 118; C. Lenz/E. Burgbacher, NJW 2009, S. 2561 (2566); U. Kramer/ T. Hinrichsen/T. Lauterbach, JuS 2012, S. 896 (901). 282  H. Bauer, in: Dreier, GG Kommentar, 3. Band, 2008, Art. 20 (Bundesstaat), Rn. 38 f. mit Verweis auf BVerfGE 1, 299 (315); ausführlich hierzu H. Bauer, Bundestreue, 1992.

288   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

aa) A  usgleichsfunktion zwischen Länderautonomie und bündischer Einheit Die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft erlaubt Grenzen der Kreditaufnahme, weil „das Finanzwesen im Bundesstaat ein Gesamtgefüge“ darstellt283. Insofern verlangt das verfassungsrechtliche Strukturprinzip der Bundesstaatlichkeit eine Ordnung des Finanzwesens, die eine Aufteilung der Kompetenzen nach dem Grundsatz der Aufgabenpriorität und einen Ausgleich der widerstrebenden Maxime der Länderautonomie und der bündischen Einheit vorsieht284. Nach dem Gebot der Bundestreue gilt der ungeschriebene Verfassungsgrundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens285. Die Verknüpfung von Länderautonomie und Bundestreue trägt insbesondere im Bereich der Staatsfinanzen den Besonderheiten eines Bundesstaates Rechnung. Einerseits würden Haushalte des Bundes und der Länder, die völlig eigenständig wären, eher einem Staatenbund als einem Bundesstaat entsprechen; andererseits würde eine vollständige Beherrschung der Finanzen im Bundesstaat durch den Oberverband die vom Verfassungsgesetzgeber und von den Mitgliedern des Bundes gewollte Eigenständigkeit der Länder in Frage stellen. Zum Ausgleich dieser beiden in der Tendenz gegensätzlichen Grundsätze hat das Grundgesetz die Selbstständigkeit der Haushaltswirtschaft eingebunden in die Verfassungspflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten286. Eine ständig zunehmende Verschuldung droht den gesamten Bundesstaat, also sowohl den Bund als auch die Länder, auf Dauer fiskalisch zu erdrosseln und verstößt daher gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens und damit gegen das Gebot der Bundestreue287. bb) Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots Auch liegt mit der nun strikteren Begrenzung der Kreditaufnahme keine „Ungleichbehandlung“ der Haushaltsautonomie der Länder vor, nur weil diese im Gegensatz zum Bund nicht über die wesentlichen Befugnisse zur Einnahmengesetzgebung verfügen288. Diese Argumentation verkennt die 283  BVerfGE

Rn. 9.

284  I.

4, 115 (140); H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 109,

Kesper, Bundesstaatliche Finanzordnung, 1998, S. 147. 12, 205 (254). 286  Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Grenzen der Staatsverschuldung in den Bundesländern gemäß Föderalismusreform II, 2010, S. 14 f. 287  Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Grenzen der Staatsverschuldung in den Bundesländern gemäß Föderalismusreform II, 2010, S. 15. 288  B. Fassbender, NVwZ 2009, S. 737 (740). 285  BVerfGE



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen289

grundsätzlichen Asymmetrien289 in der Finanzverfassung zwischen Bund und Ländern290. Das Grundgesetz sieht im Vorhinein einen finanzverfassungsrechtlichen Unterschied zwischen Bund und Ländern vor und es verpflichtet gerade nicht zu einer streng formalen Gleichbehandlung. Vielmehr sind „Machtverschiebungen im Bundesstaat […] auch auf Verfassungsebene zulässig und gerade Ausprägung der offenen Bundesstaatlichkeit“291. Im Übrigen ist die Ungleichbehandlung hier nicht tiefgreifend genug292, denn letztlich wird selbst dem Bund nur eine strukturelle Neuverschuldung von 0,35 Prozent des BIP zugestanden. cc) Einhaltung nach Maßstab der Verhältnismäßigkeit Zwar greift der Maßstab der Verhältnismäßigkeit zwar vor allem zum Schutz des Bürgers gegenüber dem Staat, allerdings kann er als Ausprägung der Bundestreue293 oder des Rechtsstaatsprinzips294 auch im staatsorganisatorischen Bund-Länder-Verhältnis Schutzwirkung entfalten. Zumindest ist hier eine Anwendung sinnvoll, da das Grundgesetz mit der Haushaltsautonomie eine Art „Übermaßverbot“ normiert, die zwar einschränkbar ist, zugleich aber auch einen eigenständigen Wirkungskreis der Länder schützt295. Zumindest werden mit dem Verschuldungsverbot für die Länder und den mittelbaren Zielen der Schaffung eines unionsrechtskonformen und generationsgerechten Staatsschuldenrechts legitime Zwecke mit Verfassungsrang verfolgt296. Fraglich ist, ob das strukturelle Verschuldungsverbot erforderlich war oder ob nicht vielmehr ein milderes, ebenso effektives Mittel zur Verfügung stand. Gegebenenfalls hätte es keines Verbotes bedurft, sondern die Länder 289  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 17 verweist darauf, dass die „Finanzverfassung […] vielmehr von Anbeginn an durch Asymmetrien geprägt“ war. Er hält die Bestimmung der Art 109 III, 115 II GG n. F. daher auch grundsätzlich mit Art 79 III GG vereinbar. 290  Vgl. insofern die Ausführungen: 2. Teil § 4 B. I. 2. b) aa), S. 284 ff. dieser Arbeit. 291  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 253 (m. w. N.). 292  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art.  109, Rn. 22; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 114. 293  Statt vieler: H. Bauer, Bundestreue, 1992, S. 240 und 258 (m. w. N.). 294  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 251 (m. w. N.). 295  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 251 (m. w. N.) verweist zugleich darauf, dass damit keine Abwägung im Sinne der Grundrechtsdogmatik stattfindet, da Art. 79 III GG dafür keinen Raum zulässt. 296  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 251 f.

290   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

hätten auch allein ihre eigenen Vorgaben zur strukturellen Verschuldung im Rahmen ihrer landesverfassungsrechtlichen Kompetenzen normieren können297. Allerdings muss schon bezweifelt werden, ob tatsächlich alle Länder ein grundsätzliches Verbot struktureller Neuverschuldung in ihren Landesverfassungen festgelegt hätten, bedenkt man allein die differenzierte politische Haltung gegenüber dem Verschuldungsverbot in den Länderparlamenten. Zudem hätte die bloße Einführung eines strukturellen Verbots in jeder einzelne Landesverfassung für sich unter Umständen noch wesentlich mehr Zeit beansprucht, bedenkt man die bisher eher schleppenden Umsetzungsbemühungen der Länder bezüglich der bestehenden Regelungen298. Insofern liegt mit der Verankerung eines strukturellen Neuverschuldungsverbots bloß in den Landesverfassungen zwar ein milderes Mittel im Bund-Länder-Verhältnis vor, allerdings wäre es nicht genauso effektiv wie das für alle Länder geltende strukturelle Neuverschuldungsverbot im Grundgesetz299. Auch die von der Kommission in Erwägung gezogene Erlaubnis, für die Länder eine geringe strukturelle Neuverschuldung von 0,15 Prozent des BIP zuzulassen, ist augenscheinlich nicht ebenso effektiv wie das generelle Verbot einer strukturellen Neuverschuldung300. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung sind die genannten legitimen Zwecke und die Haushaltsautonomie gegeneinander abzuwägen. Eine Begrenzung der Staatsverschuldung auch auf der Länderebene ist ein bedeutendes Anliegen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips301. Auf der einen Seite hat die Anwendung der bisherigen Schuldenbegrenzungsregelungen gezeigt, dass die Ausnahmetatbestände zur Rechtfertigung einer erhöhten Schuldenaufnahme selbst in konjunkturellen Erholungsphasen missbraucht werden. Aus dieser Erfahrung mussten in der neuen Schuldenbegrenzungsregelung Ausnahmetatbestände weitgehend vermieden oder zumindest deutlicher eingegrenzt werden. Auf der anderen Seite wiegt der Schutz der Haushaltsautonomie mit Blick auf den drohenden und vollzogenen Missbrauch der bisherigen Regelung weniger stark. Außerdem verbleibt den Ländern bei der Umsetzung der zugestandenen Ausnahmetatbestände noch ausreichender Spielraum bei der Festlegung der Details302. Zusätzlich si297  M.

Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 252. Tabelle 1, S. 185 f. dieser Arbeit. 299  So auch M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 252, die alternativ noch eine staatsvertragliche Vereinbarung der Länder als milderes Mittel diskutiert, deren Umsetzung aber bezweifelt und insofern ebenfalls für weniger effektiv hält. 300  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 52. 301  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 252. 302  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 253; zu den Umsetzungsspielräumen aus volkswirtschaftlicher Sicht: C. Hetschko, Die Konjunktur298  Vgl.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen291

chert eine Begrenzung der Neuverschuldung die Handlungsmöglichkeiten der Länder auch für die Zukunft. Durch eine Verringerung der Neuverschuldung fallen auch die zu erwartenden Zinszahlungen niedriger aus als dann, wenn der Schuldenberg unvermindert anwachsen würde. Damit stehen den Ländern auch in Zukunft die ursprünglichen finanziellen Handlungsspielräume zur Verfügung, ohne von einer explodierenden Zinslast erdrückt zu werden. Insofern wirkt die Neufassung des Art. 109 III GG weniger auf die Beeinträchtigung, sondern vielmehr auf die Erhaltung der Autonomie der Länder hin. Daher ist die neue Schuldenbegrenzungsregelung für die Länder auch angemessenen und stellt somit eine verhältnismäßige Ausgestaltung der Finanzverfassung dar. II. Die Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbegrenzungsregelung mit Blick auf das Demokratieprinzip Die neuen Schuldenbegrenzungsregelungen könnten den finanziellen Handlungsspielraum des parlamentarischen Haushaltsgesetzgebers zu weit einschränken und dadurch gegen das durch die Ewigkeitsgarantie geschützte Demokratieprinzip gem. Art. 79 III Var. 3 GG i. V. m. Art. 20 GG verstoßen. 1. Inhalt und Prüfungsmaßstab des Demokratieprinzips Indem in Art. 20 I GG die Bundesrepublik Deutschland als „demokratischer“ Bundesstaat bezeichnet wird, sind die Grundsätze des Demokratieprinzips auch durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt. Bestandteil des Demokratieprinzips ist zweifelsohne die Volkssouveränität303 und mit ihr die Notwendigkeit demokratischer Legitimation des Staatshandelns304. Das Prinzip der Volkssouveränität findet einen essenziellen Ausdruck in Art. 20 II 1 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“305. Zwar soll mit dieser Formulierung nicht der Illusion Vorschub geleistet werden, bereinigung in den Ländern im Rahmen der Schuldenbremse, in: Hetschko/Pinkl/ Pünder/Thye, 2012, S. 61. 303  BVerfGE 89, 155 (182); zur Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs wird mitunter die Methode der Rechtsvergleichung empfohlen: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 20; M. Herdegen, in: Maunz/ Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 111; K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 79, Rn. 58. 304  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 37. 305  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 2 spricht insofern auch von „Kernsatz“; H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn. 86 bezeichnet Art. 20 II 1 GG als „Fundamentalsatz“.

292   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

allein das Volk selbst könne verbindliche staatliche Entscheidungen treffen306. Zumindest aber soll damit nichts Geringeres garantiert werden als die Rückführbarkeit aller staatlichen Gewalt auf den Volkswillen307. Das heißt, dass sich die Konstituierung der Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland allein aus dem Willen der zum Staatsvolk zusammengefassten Individuen ergeben darf308. Dabei vereinigt das Prinzip der Volkssouveränität zwei Gedanken: erstens die politische Herrschaftsgewalt bedarf immer einer rechtfertigenden Herleitung; zweitens diese Legitimation darf nur vom Volk selbst kommen309. Die Haushaltsautonomie der Länder wird auch durch das Demokratieprinzip geschützt, da sie sich aus Art. 109 I GG im Sinne einer einnahmen- und ausgabenbezogenen Budgetautonomie der Landesparlamente als Grundvoraussetzung einer selbstständigen und unabhängigen Landespolitik ableitet310. Insofern ist die Haushaltsautonomie zugleich Wesensmerkmal der Demokratie auf Landesebene, das die Eigenstaatlichkeit der Länder unterstreicht311 und unmittelbar aus Art. 20 I GG herleitbar ist. 2. Kritische Auseinandersetzung mit möglichen Verletzungskonstellationen Selbst bei restriktiver Auslegung des Art. 79 III GG muss den Ländern ein effektives Maß an eigenverantwortlicher Haushaltsgestaltung verbleiben. Allerdings könnte mit fast vollständiger Beschneidung der Kreditautonomie den Länderparlamenten einer der letzten Handlungsspielräume des Budgetrechts als Wesensmerkmal gliedstaatlicher Demokratie genommen werden312. Dem kann aber entgegnet werden313, dass durch die vermeintliche Beschränkung der Gestaltungsmacht des Staatsvolkes durch die neuen Schul306  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn. 87 (m. w. N. in Fn. 259). 307  BVerfGE 47, 253 (275); 83, 60 (71 f.); 93, 37 (66); 107, 59 (87). 308  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 2; H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn. 87 (m. w. N. in Fn. 262). 309  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 3. 310  H.-P. Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 27. 311  Ders., Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 27. 312  Ders., Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 27 f. 313  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 113; D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 369; G. Kirchhof, in: Mangoldt/



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen293

denbegrenzungsregelungen ein zu erwartender Zugewinn an zukünftiger Gestaltungsmacht gegenüber steht314. Durch Staatsschulden werden Finanzlasten in die Zukunft verschoben315. So kann der parlamentarische Haushaltsgesetzgeber den Wählern Wohltaten verschaffen, die in wesentlichen Teilen erst zukünftige Generationen bezahlen müssen316. Insofern stellt der vermeintliche Verstoß vielmehr eine Schutzmaßnahme für den zukünftigen Erhalt des Demokratieprinzips dar. G. Kirchhof weist daher auch zutreffend darauf hin, dass das „Demokratieprinzip […] die Verschuldungsgrenze eher fordern [dürfte], als dass die Eigenständigkeit der Länder ihr entgegen­ stünde“317. Zudem kann der Schutz der Länderparlamente nicht weiter gehen als der Schutz der Länder, die schon ihrerseits nicht in ihrer Haushaltsautonomie verletzt sind318. Außerdem drängt sich gerade beim Schutz des Demokratieprinzips eine restriktive Auslegung des Art. 79 III GG auf, denn bei einer zu weiten Auslegung der Ewigkeitsgarantie droht immer auch die Entmachtung des demokratischen Souveräns und parlamentarischen Gesetzgebers319. Insofern garantiert das Demokratieprinzip dem parlamentarischen Haushaltsgesetzgeber eine angemessene Finanzausstattung zur Erfüllung der Aufgaben und sichert einen Bereich eigenständiger Gestaltung im Rahmen der Haushaltsführung320. Da die neue Schuldenbegrenzungsregelung die Kreditfinanzierung aber nicht vollständig ausschließt, sondern nur einschränkt, bleibt der Anspruch auf Finanzausstattung erhalten und die Gestaltungsspielräume des parlamentarischen Haushaltsgesetzgebers werden gerade bei der Ausgabenentscheidung nicht prinzipiell in Frage gestellt321.

Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 113; C. Ryczewski, Die Schuldenbremse, 2011, S. 166  ff.; auf die ebenso demokratiefeindliche Wirkung kommunaler Verschuldung verweist A. G. R. Burth/M. Gnädinger/D. Hilgers, Kommunaler Finanzreport 2013, 2013, S. 153 ff. 314  D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 369. 315  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 113. 316  Anschaulich verdeutlichte diese Zusammenhänge P. Kirchhof auf der Tagung an der Humboldt-Universität zu Berlin am 18.05.2012, hierzu in Auszügen: T. Weigelt, DÖV 2012, S. 768 (769). 317  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 113. 318  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, Rn. 264; vgl. die Ausführungen in 2. Teil § 4 B. I. b), S. 284 ff. dieser Arbeit. 319  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 22. 320  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art.  109, Rn. 22 (m. w. N.) und Verweis auf BVerfGE 34, 9 (20). 321  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 22.

294   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Eine Übertragung der Maastricht- und Lissabon-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts322, insbesondere der Ausführungen zur vorbehaltenen Budgetgewalt323, auf die vorliegende Konstellation ist schon deshalb unangebracht, da die zugrunde liegenden Situationen nicht miteinander vergleichbar sind, denn die Länder der Bundesrepublik Deutschland stellen schon keine Staaten im völkerrechtlichen, sondern nur im staatsrechtlichen, das heißt, im Grundgesetz definierten Sinne dar324. Letztlich bleiben die Handlungsspielräume des Budgetrechts der Länderparlamente als Wesensmerkmal der gliedstaatlichen Demokratie durch die neue Schuldenbegrenzungsregelung gewahrt. Durch die verfassungsändernde Neuregelung wird das Demokratieprinzip nicht verletzt. III. Zwischenergebnis Die neue Schuldenbegrenzungsregelung lässt den Kerngehalt der Haushaltsautonomie der Länder unberührt und verstößt nicht gegen das Bundesstaatsprinzip. Auch das diesbezüglich eine ergänzenden Schutzwirkung entfaltende Demokratieprinzip ist durch die strengere Kreditaufnahmeregelung nicht in ihren Grundsätzen betroffen. Insofern verstößt die durch die Föderalismusreform II eingeführte neue Schuldenbegrenzungsregelung nicht gegen die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG.

C. Fazit Der besondere Charakter des Verfassungsrechts325 macht es erforderlich, dass bei seiner Auslegung neben dem klassischen Auslegungskanon der klassisch-hermeneutischen Methode zusätzlich noch die hermeneutischkonkretisierende Methode hinzugezogen werden muss326. Zusätzlich unterliegt die Verfassungsinterpretation dem Grundsatz der Einheit der Verfassung, in dem sich die Gedanken der systematischen Auslegung und verfassungskonformen Auslegung widerspiegeln327. 322  Ausführungen zur Budgetgewalt im Zusammenhang mit dem Vertrag von Lissabon: BVerfGE 123, 267 (361  f.); bezüglich des Vertrags von Maastricht: BVerfGE 89, 155 (181 ff.). 323  Ein entsprechende Überlegung erfolgt durch H.-P. Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2008, S. 28. 324  H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 56. Erg.-Lfg., Oktober 2009, Art. 115, Rn. 118. 325  Vgl.: 2. Teil § 4 A. I., S. 239 ff. dieser Arbeit. 326  Vgl.: 2. Teil § 4 A. II., S. 243 ff. dieser Arbeit. 327  Vgl.: 2. Teil § 4 A. IV. 2., S. 261 ff. dieser Arbeit.



§ 4 Die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen295

Der Verfassungsgerichtsbarkeit kommt bei der Verfassungsinterpretation die besondere Rolle zu, die widerstreitenden Funktionen der Verfassung, ihre Entwicklungsoffenheit einerseits und ihre Normativität andererseits, zu entschärfen. Insbesondere setzt die Verfassungsgerichtsbarkeit einer Lösung vom Normtext Grenzen, die bei den widersprechenden Interpretationen durch die Staatsorgane droht328. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Verfasstheit des Staates auch für die Zukunft zu schützen, indem es die Grenzen zwischen Verfassungsänderung und Verfassungsbruch deutlich abzustecken hat. Damit steht das Bundesverfassungsgericht aber in ei­ nem  Spannungsverhältnis zum verfassungsändernden Gesetzgeber329. Zwar kommt dem Bundesverfassungsgericht eine nicht zu unterschätzende Interpretationsherrschaft zu, gleichwohl ist es aber nur „Zweitinterpret“ der Verfassung, denn der Gesetzgeber kann als eine Art „Erstinterpret“ mit seinem Initiativrecht über das Thema der Verfassungsausgestaltung entscheiden und hat die Deutungskompetenz und Auslegungsprägorative zur Konkretisierung der Verfassungsnormen. Bei der Auslegung orientiert sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der klassisch-hermeneutischen Methode und misst dabei dem Verfassungstext eine herausragende Stellung bei. Im Allgemeinen ist das Grundgesetz als Voraussetzung für politische Gestaltungsfreiheit wie eine Rahmenordnung gestaltet, um die funktionellrechtlichen Grenzen zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgerichtsbarkeit einhalten zu können. Auch im Besonderen der Finanzverfassung ist das Grundgesetz nur eine Rahmen- und Verfahrensordnung, die dem Gesetzgeber einen Gestaltung- und Entscheidungsspielraum eröffnet. Entsprechend erschöpft sich die verfassungsrechtliche Kontrolle in der Einhaltung des verbindlich gesetzten Rahmens330. Das Grundgesetz hat für Verfassungsänderungen mit der Ewigkeitsgarantie in Art. 79 III GG besondere materielle Verfassungsänderungsschranken errichtet. Damit soll dem Risiko vorgebeugt werden, dass sich die Verfassung in die Beliebigkeit alltäglicher Politik verflüchtigt. Allerdings unterliegt das Grundgesetz damit auch dem Spannungsverhältnis, dass es auf der einen Seite die Grundzüge des Demokratieprinzips zu schützen versucht, auf der anderen Seite dem Volkswillen des verfassungsändernden Gesetzgebers Schranken auferlegt. Umso sensibler muss daher bei der Verfassungsauslegung der Inhalte des Art. 79 III GG vorgegangen werden. Insofern konzentriert sich der Schutz durch die Ewigkeitsgarantie auch nur auf den 328  Vgl.:

2. Teil § 4 A. III. 1. a), S. 252 ff. dieser Arbeit. 2. Teil § 4 A. III. 1. b), S. 255 ff. dieser Arbeit. 330  Vgl.: 2. Teil § 4 A. IV. 1., S. 260 ff. dieser Arbeit. 329  Vgl.:

296   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Kerngehalt der dort genannten Prinzipien und erstreckt sich nicht auf deren einfachgesetzliche Konkretisierungen331. Wendet man diese Maßstäbe auf die Prüfung der durch Verfassungsänderung in das Grundgesetz aufgenommenen neuen Schuldenbegrenzungsregelung an, kommen Verletzungen vor allem des Bundesstaatsprinzips und des Demokratieprinzips in Betracht. Allerdings beseitigt die strengere Kreditaufnahmeregelung nicht die Eigenstaatlichkeit der Länder. Zudem haben die Länder schon wegen des Gebots der Bundestreue kein Recht zu einer unbegrenzten Kreditaufnahme. Auch aus dem Demokratieprinzip ergibt sich kein Recht zu Verschuldung. Vielmehr zwingt es dazu, auch den zukünftigen Generationen einen Haushalt mit finanziellen Handlungsspielräumen und ohne erdrosselnde Zinslasten zu hinterlassen. Eine Verletzung der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG liegt nicht vor, so dass von der Verfassungsmäßigkeit der neuen Schuldenbegrenzungsregelung auszugehen ist332.

331  Vgl.: 332  Vgl.:

2. Teil § 4 A. V. 3. b), S. 274 ff. dieser Arbeit. 2. Teil § 4 B., S. 280 ff. dieser Arbeit.

§ 5 Die Auswirkung der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Aus dem Grundsatz der Einheit der Verfassung1 ergibt sich die Frage, inwiefern zwischen den verfassungsgemäßen neuen Schuldenbegrenzungsregelungen Wechselwirkungen mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung bestehen. Als wesensbildende Elemente einer solchen Verfassungsinterpretation dienen die systematische Auslegung und die verfassungskonforme Auslegung, welche zugleich den Maßstab dafür vorgeben, inwieweit durch die Schuldenbegrenzungsregelungen eine Neujustierung im Verfassungsgefüge erfolgt. Ausgangspunkt hierfür soll die Haushaltssituation der Kommunen sein. Vor allem soll untersucht werden, wie sich die Haushalte der Kommunen in den letzten Jahren entwickelt haben und inwiefern sie gefährdet sind, in die Verschuldung abzugleiten (A.). In diesem Kontext soll geprüft werden, welche gemeinsamen rechtlichen Berührungspunkte die Schuldenbegrenzungsregelungen und die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Mehrebenensystem der Europäischen Union, des Bundes und der Länder haben (B.). Mit diesen Rahmenbedingungen können die rechtlichen Auswirkungen der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung geklärt werden. In diesem Zusammenhang muss untersucht werden, nach welcher Maßgabe die Schuldenbegrenzungsregelungen und die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung miteinander vereinbar sind (C.). Am Ende werden die Schlussfolgerungen zusammengefasst und in einem Ausblick werden mögliche Konsequenzen für die Kommunen eruiert (D.).

A. Die Entwicklung der Haushalte der Kommunen Der Vergleich der Jahre 2010 bis 2012 verzeichnet eine positive Entwicklung im kommunalen Durchschnitt in Richtung ausgeglichener Haushalte. Im Jahr 2012 konnten die Kommunen sogar wieder einen Überschuss von 1,8 Mrd. Euro erwirtschaften2. Rückschlüsse auf die Tragfähigkeit der kom1  Vgl.

2. Teil § 4 A. III., S. 252 ff. dieser Arbeit. der Finanzen, Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013, S. 5. 2  Bundesministerium

298   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

munalen Finanzsituation lassen sich aber erst ziehen, wenn man die Zusammensetzung der kommunalen Haushalte und deren mittelfristige Entwicklung über mehrere Jahre hinweg betrachtet. Besonderes Augenmerk soll dabei auf die Entwicklung der kommunalen Einnahmen und Ausgaben (I.) und auf die Entwicklung des Schuldenstandes, insbesondere auf die anteilige Entwicklung des kommunalen Kassenkredits, gelegt werden (II.). I. Die Entwicklungen der Finanzausstattung der Kommunen 1. Die Einnahmenentwicklung der Kommunen Betrachtet man die mittelfristige Einnahmenentwicklung der Kommunen in den Jahren 2003 bis 2012 zeichnet sich ein Aufwärtstrend ab, der im Jahr 2012 das Allzeithoch von 188,75 Mrd. Euro erreichte. Lediglich in den Jahren 2003 und 2009 gingen die Einnahmen zurück. In der mittelfristigen Entwicklung nahmen die Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Einnahmen seit dem Jahr 2002 meist konstant zu. Angesichts der Wirtschaftskrise brachen im Jahr 2009 die kommunalen Einnahmen aus Steuern um 12,2 Prozent ein. Inzwischen wurden die Rekordeinnahmen aus Steuern des Jahres 2008 wieder erreicht und sind im Jahr 2012 auf 74,3 Mrd. Euro gestiegen. Hierfür war vor allem die konjunkturelle Erholung ausschlaggebend, was sich vor allem schon 2011 im Zuwachs aus der Gewerbesteuer von 13,5 Prozent auf 30,5 Mrd. Euro äußerte3. Zusätzlich wirkte sich die gute Lage am Arbeitsmarkt auf den Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer aus4. Im Jahr 2012 wuchsen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer noch einmal um 5,9 Prozent auf 32,3 Mrd. Euro5. Im Unterschied zu den Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Einnahmen sind die Zuweisungen der Länder seit dem Jahr 2003 permanent 3  Dass., Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013, S. 9, mit dem Hinweis, dass die Ergebnisse der Kassenstatistik noch keinen endgültigen Überblick über die Entwicklung der Ist-Einnahmen und IstAusgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände vermitteln. Periodengerechte Zuordnungen sind erst in der Jahresrechnungsstatistik der Gemeinden und Gemeindeverbände enthalten. Insofern sind die Vorjahresvergleiche vorläufig und somit eingeschränkt aussagekräftig. 4  Die Einnahmen aus dem Einkommenssteueranteil der Kommunen stiegen im Jahr 2011 um 6,8 Prozent auf 24,6 Mrd. Euro, StBA, Haushaltslage der Kommunen im Jahr 2010 weiter angespannt – Pressemitteilung Nr. 116, 22.03.2011, https:// www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2011/03/PD11_116_71 137.html (Zuletzt geprüft am: 06.09.2013). 5  Bundesministerium der Finanzen, Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013, S. 9.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung299

80.000 70.000 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0

2003

2004

2005

2006

2007

Steuern und steuerähnliche Einnahmen

2008

2009

2010

2011

2012

Zuweisungen der Länder

Abb. 1: Entwicklung der Zuweisungen der Länder im Vergleich zu den Steuern und steuerähnlichen Einnahmen6

gestiegen. Die Zuweisungen der Länder an die kommunalen Vermögensund Verwaltungshaushalte sind insgesamt im Jahr 2012 um 1 Prozent auf 66,0 Mrd. Euro angestiegen7. 2. Die Ausgabenentwicklung der Kommunen Die Ausgaben der Kommunen sind im Unterschied zu den Einnahmen aus Steuern seit dem Jahr 2008 durchgehend jährlich gestiegen. Im Jahr 2012 erreichten die Ausgaben einen Rekordwert von 186,95 Mrd. Euro. Dabei verzeichneten die Ausgaben im Vermögenshaushalt keinen größeren Zuwachs. Der Kostenanstieg erfolgte vor allem im Verwaltungshaushalt. Dabei ist seit dem Jahr 2003 auffällig, dass die Ausgaben für Sachinvestitionen zurückgingen oder nur geringfügig anstiegen, während die Ausga6  Basierend auf dass., Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013, S. 1. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes sind nicht alle kommunalen Finanzdaten uneingeschränkt interpretationsfähig. Ursache hierfür sind u. a. buchungstechnische Probleme im Zusammenhang mit der Doppikumstellung in einzelnen Flächenländern. 7  Dies ergibt sich aus der Summe der Zuweisungen des Vermögenshaushalt (6,6 Mrd. Euro) und des Verwaltungshaushalts (59,4 Mrd. Euro). Im Jahr 2011 stiegen die Zuweisungen immerhin noch um 3 Prozent auf 65,3 Mrd., vgl. dass., Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013.

300   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung 200 180 160 140 120 100 80

148,7

153,7

157,2

161,6

25

29,5

28,6

28,1

25,4

2008

2009

2010

2011

2012

125,8

129,6

133,2

136,8

143

26,4

24,3

23,5

24,2

24,8

2003

2004

2005

2006

2007

123,5

60 40 20 0

Vermögenshaushalt

Verwaltungshaushalt

Abb. 2: Kommunale Ausgabenentwicklung in Mrd. Euro8

ben für soziale Ausgaben einen konstanten Anstieg verzeichneten9. Dies lässt befürchten, dass notwendige Reparaturen an Verwaltungsgebäuden, Schulen, Straßen usw. zugunsten sozialer Leistungen aufgeschoben werden. Durch das Hinauszögern erforderlicher Sachinvestitionen vollzieht sich aber ein schleichender Substanzverfall, der später nur mit höheren Kosten wieder aufgefangen werden kann10. Die Kommunen kämpfen bereits seit dem Jahr 1999 vor allem mit konstant steigenden Ausgaben für soziale Leistungen11. Mittlerweile mussten die Kommunen im Jahr 2012 die Rekordsumme von 44,4 Mrd. Euro allein für soziale Leistungen ausgeben. Damit machte der Anteil der Ausgaben für soziale Leistungen im Jahr 2012 allein 27 Prozent der Gesamtausgaben im 8  Basierend auf Bundesministerium der Finanzen, Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013. 9  Vgl. Abb. 3, S. 301 dieser Arbeit; vgl. auch R. Soldt, Kommunen in der Klemme, FAZ 14.10.2013, S. 1. 10  G. Püttner, Kommunale Selbstverwaltung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2008, § 144, Rn. 99 leitet insofern aus der Selbstverwaltungsgarantie einen Anspruch auf Substanzerhaltung her, welchen er, seit der Umstellung des Rechnungswesens auf „Doppik“ (=  keine Trennung von Vermögens- und Verwaltungshaushalt) auch besser mit Fakten untermauert sieht. 11  S. Anton/D. Diemert, Gemeindefinanzbericht 2011, 2011, S. 17 (Abb. 6).



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung301

180 160 140

143

148,7

153,7

157,2

161,6

125,8

129,6

133,2

136,8

123,5

30,3

32,2

35,2

36,8

37,9

38,6

40,5

41,9

43,3

44,4

21,5

19,8

18,7

19,4

20

20,6

21,9

23,2

22

19,7

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

120 100 80 60 40 20 0

2003

Gesamtausgaben Verwaltungshaushalt

davon Sozialausgaben

davon Sachinvestitionen

Abb. 3: Anteil der sozialen Leistungen an den Ausgaben des Verwaltungshaushalts in Mrd. Euro12

Verwaltungshaushalt aus13. Soziale Leistungen sind damit der zweitgrößte Ausgabenposten nach den Personalausgaben14. Zwar hat sich der Arbeitsmarkt trotz der Konjunkturkrise relativ erholt15, jedoch zeigen sich im steigenden Ausgabentrend für soziale Leistungen die wachsenden Kosten wie zum Beispiel für Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfen für behinderte Menschen. Der Sozialbereich stellt mit Blick auf seine große politische Bedeutung und somit auch hohe rechtliche Regulierung „mittlerweile das Kernproblem der Kommunalfinanzen in Deutschland dar“.16 12  Basierend auf Bundesministerium der Finanzen, Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013, S. 2. 13  Bundesministerium der Finanzen, Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013, S. 2; insofern ist die Schlussfolgerung des VerfGHRhPf, KommJur 2012, 260 (263 und 266) nur konsequent, „dass die signifikant hohen Sozialausgaben maßgeblich zu finanziellen Schieflage der Kommunen“ beigetragen haben und diese Entwicklung auch weiterhin antreiben. 14  Die Ausgaben für Personal lagen im Jahr 2012 bei 48 Mrd. Euro und machten 29,7 Prozent von den Gesamtausgaben im Verwaltungshaushalt aus, dass., Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013, S. 2. 15  Maßgeblich für die Ausgaben für sozialen Leistungen ist allerdings nicht die aktuelle Entwicklung des Arbeitsmarktes, sondern die Entwicklung des Anteils der SGB-II-Empfänger, deren Anzahl der konjunkturellen Entwicklung regelmäßig mit einem Jahr Verzögerung folgt, nach S. Anton/D. Diemert, Gemeindefinanzbericht 2011, 2011, S. 16. 16  F. Boettcher/M. Junkernheinrich, Kommunalfinanzen im Jahr 2010: Krisenverschärfung und Disparitätenzunahme, in: Junkernheinrich/Korioth/Lenk/Scheller/ Woisin, 222. Band, 2011, S. 271 (274).

302   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Die Höhe der Sachinvestitionen ist 2005 auf einen Tiefstwert von 18,7 Mrd. Euro gesunken. Zwar haben sich seit dem die Ausgaben wieder erhöht, jedoch ist der Anstieg der Jahre 2009 bis 2010 vor allem auf die Hilfen aus dem Konjunkturpaket I und II17 zurückzuführen. Die regulären Sachinvestitionen der Kommunen außerhalb dieser Investitionshilfen gingen in diesem Zeitraum kontinuierlich zurück18. Mit Auslaufen der Zahlungen im Zuge der Konjunkturpakete verringerten sich 2011 auch erstmals wieder die Ausgaben für Sachinvestitionen um 5 Prozent auf 22 Mrd. Euro. Im Jahr 2012 wurde die Sachinvestition sogar um 10 Prozent gesenkt und sind inzwischen wieder nahe am Tiefstwert bei 19,7 Mrd. Euro angelangt19. Zur Einsparung von Ausgaben haben bisher 87 Prozent der Kommunen Aufgabenkürzungen bei freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben vorgenommen, während 70 Prozent auch bei Pflichtaufgaben gespart haben20. 42 Prozent der Kommunen strichen ihre freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sogar komplett, um der unzureichenden Finanzausstattung zu begegegnen21. 3. Zwischenergebnis: der Trend in der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung Insgesamt stiegen die kommunalen Einnahmen und Ausgaben seit dem Jahr 2002. Allerdings verzeichneten nur die Ausgaben einen konstanten Anstieg, während die Einnahmen zumindest in den Jahren 2002 und 2009 konjunkturell bedingt zurückgingen. Dadurch konnten die Kommunen zuletzt nur in wenigen Jahren einen finanziellen Überschuss erzielen. In der Mehrzahl der zurückliegenden Jahre mussten auch die Kommunen ein 17  Hierbei handelt es sich jeweils um Konjunkturprogramme der Bundesregierung, die im November 2008 unter dem Namen „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ (sogenanntes Konjunkturpaket I) und im Januar 2009 als „Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes“ (sogenanntes Konjunkturpaket II) beschlossen wurden. Sie umfassten ein Finanzvolumen von ca. 68 Mrd. Euro und ein Kredit- und Bürgschaftsprogramm in Höhe von 115 Mrd. Euro. In diesem Rahmen wurde unter anderem das „Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland“ von Bundesrat und Bundestag am 02.03.2009 beschlossen, BGBl. I 2009, S. 416 ff. 18  S. Anton/D. Diemert, Gemeindefinanzbericht 2011, 2011, S. 17. 19  Bundesministerium der Finanzen, Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013, S. 2. 20  So das Ergebnis der Umfrage von T. Lenk/O. Rottmann/M. Kuntze, Auswirkungen der Schuldenbremse auf die kommunale Ebene, 2012, S. 14 f. 21  Dies., Auswirkungen der Schuldenbremse auf die kommunale Ebene, 2012, S.  14 f.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung303 200.000 150.000 100.000 50.000 0 –50.000

2003

2004

2005

Finanzierungssalden –8.417 –3.880 –2.238

2006

2007

2008

2009

2.694

8.175

8.352

–7.471 –6.936 –1.674 1 797

2010

2011

2012

Einnahmen

141.507 146.195 150.945 160.066 169.713 1 76.391 170.803 175.329 183.609 188 75

Ausgaben

149.924 150.075 153.183 157.372 161.538 1 68.039 178.274 182.2 65 185.283 186.953 Finanzierungssalden

Einnahmen

Ausgaben

Abb. 4: Entwicklung der kommunalen Einnahmen und Ausgaben in Mio. Euro22

Defizit vermelden. Bei der Zusammensetzung der Einnahmen fällt auf, dass die defizitären Haushalte der Kommunen immer mit dem Rückgang der Steuern und steuernähnlichen Einnahmen in konjunkturell schwachen Phasen einhergehen. Der Einbruch der Gesamteinnahmen wird zumindest durch den konstanten Anstieg der Zuweisungen der Länder ein wenig abgefedert. Gleichwohl stehen die kommunalen Haushalte durch den steten Anstieg der Ausgaben für soziale Leistungen unter Druck. Auf der Einnahmenseite sind die Kommunen mit der Gewerbe-, Einkommens- und Umsatzsteuer zudem auf solche Einnahmen angewiesen, die ähnlich wie die Ausgaben für sozia­ le Leistungen vor allem an die konjunkturelle Entwicklung gekoppelt sind. Die Zeiträume der kommunalen Haushaltskrisen weisen daraufhin, dass ein sich struktrelles Finanzproblem vorliegt, dass unabhängig von den konjunkturellen Entwicklung besteht23. Dabei behelfen sich die Kommunen, angesichts der nicht stetig steigenden Einnahmen mit Senkungen vor allem bei den Ausgaben für Sachinvestitionen. Es ist zu erwarten, dass die Kommunen als Reaktion auf die zu erwartenden Herausforderungen im Zuge der 22  Beruhend auf: Bundesministerium der Finanzen, Eckdaten zur Entwicklung und Struktur der Kommunalfinanzen 2003 bis 2012, 2013; StBA, Finanzen und Steuern, Vierteljährliche Kassenergebnisse Kernhaushalte Länder und Gemeinden/Gemeindeverbände, 2013. 23  Ähnlich F. Boettcher/M. Junkernheinrich, Kommunalfinanzen im Jahr 2010: Krisenverschärfung und Disparitätenzunahme, in: Junkernheinrich/Korioth/Lenk/ Scheller/Woisin, 222.  Band, 2011, S. 271 (276).

304   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

neuen Schuldenbegrenzungsregelung auch in Zukunft verstärkt mit Ausgabenkürzungen bei pflichtigen und freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben reagieren werden24. II. Die Entwicklung des Schuldenstandes Betrachtet man die aktuelle Schuldenproblematik in Griechenland, Portugal und Spanien, drängt sich die Frage auf, ob die finanzielle Situation der deutschen Kommunen nicht ähnlich desaströs ist25. Insofern lohnt es sich, die Verschuldung der Kommunen im Verhältnis zur Verschuldung von Bund und Ländern zu untersuchen. Ein besonderer Blick ist außerdem auf die Zusammensetzung der kommunalen Verschuldung zu werfen, bei der die kommunalen Kassenkredite eine immer größere Bedeutung einnehmen. 1. Die Entwicklung des kommunalen Schuldenstandes Die Kommunen waren im Jahr 2012 mit insgesamt 135,18 Mrd. Euro im nicht-öffentlichen Bereich verschuldet26. Betrachtet man die Entwicklung über mehrere Jahre, so zeigt sich ein stetiger Anstieg der kommunalen Verschuldung. Seit dem Jahr 1950 konnten die Kommunen lediglich in den Jahren 1999 und 2006 bis 2008 ihre Verschuldung reduzieren. Insofern liegen die Kommunen mit ihrer Verschuldung im Trend der Haushalte von Bund und Ländern. Im Unterschied zu den Kommunen konnten Bund und die Gesamtheit der Länder ihre Verschuldung allerdings noch in keinem Jahr reduzieren27. Wenn man diese Zahlen allerdings ins Verhältnis setzt zur Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte, so relativiert sich die vermeintlich massive Verschuldung der Kommunen. Tatsächlich machte der Anteil der kommunalen Verschuldung an der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte im Jahr 2012 nur noch 6,54 Prozent aus28. 24  So das Ergebnis der Umfrage T. Lenk/O. Rottmann/M. Kuntze, Auswirkungen der Schuldenbremse auf die kommunale Ebene, 2012, S. 11 und 22, demnach können sich 96 Prozent der Gemeinden vorstellen, an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben und 66 Prozent der Befragten an pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben zu sparen. 25  So titelte beispielsweise: M. Szymanski, Bayerns Griechen – Bad Berneck im Fichtelgebirge, SZ 18.01.2012; K. Herzmann, ZJS 2012, S. 168. 26  StBA, Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.2.1. 27  Vgl. dass., Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.1.2. 28  Vgl. Abb. 6, S. 305 dieser Arbeit.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung305 in Mrd. Euro

160 140 120 100 80 60 40 20

2012

2010

2008

2006

2004

2002

2000

1998

1996

1994

1992

1990

1988

1986

1984

1982

1980

1978

1976

1974

1972

1970

1968

1966

1964

1962

1960

1958

1956

1954

1952

1950

0

Abb. 5: Entwicklung der kommunalen Gesamtverschuldung seit 195029

Kommunen 6,54%

Kommunen 11,28%

Länder 29%

Bund 60%

Länder 31,19%

Bund 62,27%

Abb. 6: Anteil der Kommunen an der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte (Kern- und Extrahaushalte, ohne Sozialversicherungen), Stand 31.12.201230

Im Jahr 1992 lag der kommunale Anteil an der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte noch bei 11,28 Prozent, so dass die anteilige Verschuldung im Jahr 2012 demgegenüber rückläufig ist31. Allerdings ist dieser auf dass., Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.1.2. auf dass., Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.2.1. 31  Vgl. Abb. 6, S. 305 dieser Arbeit. 29  Basierend 30  Basierend

306   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung in Mrd. Euro 2.500

2.000

1.500

1.000

500

Kommunen: 135,18 Mrd. Euro

Länder: 644,93 Mrd. Euro

Bund: 1287,52 Mrd. Euro

2011 2012

2010

2009

2007 2008

2006

2004 2005

2003

2001 2002

2000

1998 1999

1997

1995 1996

1994

1992 1993

1988 1989 1990 1991

1985 1986 1987

1983 1984

1982

1980 1981

1979

1977 1978

1976

1975

1973 1974

1972

1970 1971

1969

0

Gesamt: 2068,29 Mrd. Euro (Stand 2012)

Abb. 7: Schuldenstand der öffentlichen Haushalte 1969 bis 2012 (ohne gesetzliche Sozialversicherungen)32

prozentuale Rückgang nur relativ. Der Rückgang der anteiligen Verschuldung der Kommunen ist vor allem auf den noch rasanteren Anstieg der Verschuldung von Bund und Ländern zurückzuführen33. Auch wenn die Kommunen einen kleineren Anteil an der Gesamtverschuldung der öffent­ lichen Haushalte ausmachen, so ändert dies nichts am rasanten Anstieg der kommunalen Verschuldung insgesamt. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass den Kommunen gegenüber Bund und Ländern auch nur eine geringere finanzielle Leistungsfähigkeit zukommt. Dieser Faktor wird noch dadurch verstärkt, dass der Grad der kommunalen Verschuldung sich sowohl unter den Ländern34 als auch unter den verschiedenen Gemeinden und Gemeindeverbände sehr unterschiedlich verteilt. Im gleichen Zeitraum von 1993 bis 2012 ist der Schuldenstand von 86,75 Mrd. Euro auf 135,18 Mrd. Euro um immerhin 64 Prozent angewachsen. Im gleichen Zeitraum ist die Verschuldung des Bundes ausgehend von 461,36 Mrd. Euro um 358 Prozent angeschwollen, während die Schulden der Länder ausgehend von 221,79 Mrd. Euro um 344 Prozent gestiegen sind35. Somit ist insgesamt ist ein rasanter Anstieg der Staatsverschuldung der Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen festzustellen. auf dass., Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.1.2. Abb. 7, S. 306 dieser Arbeit; so auch der Befund von A. G. R. Burth/ M. Gnädinger/D. Hilgers, Kommunaler Finanzreport 2013, 2013, S. 134 f. 34  Vgl. Abb. 9, S. 309 dieser Arbeit. 35  StBA, Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.1.2. 32  Basierend 33  Vgl.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung307

2. Die anteilige Entwicklung der kommunalen Kassenkredite Bei der Entwicklung der kommunalen Verschuldung ist auffällig, dass insbesondere der Anstieg der Kassenkredite36 am stärksten zur anwachsenden Gesamtverschuldung der Kommunen beiträgt. Kassenkredite sind kurzfristige Kredite, die der Überbrückung von Ausgaben- und Einnahmenschwankungen37 und dadurch der Aufrechterhaltung einer ordnungsmäßigen Kassenwirtschaft im Verwaltungshaushalt dienen. Tatsächlich werden Kassenkredite entgegen ihre kommunalrechtlichen Bestimmung zur fortlaufenden Ausgabenfinanzierung zweckentfremdet und insofern missbraucht38. Seit dem Jahr 1993 ist der Anteil der Kassenkredite am Gesamtschuldenstand stetig gewachsen und hat sich inzwischen zu einem beachtlichen Sockel aufgetürmt, deren Abbau einige Schwierigkeiten bereiten dürfte. Im Gegensatz hierzu ist der Anteil sonstiger Kreditmarktschulden im nicht-öffentlichen Bereich seit dem Jahr 1996 zurückgegangen39. Diese Problematik spitzt sich weiter zu, betrachtet man die ungleiche Verteilung der Kassenkredite auf die Länder. Während die Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen fast ohne Kassenkredite auskommen, verteilte sich im Jahr 2012 fast die Hälfte der bundesweiten Kassenkreditbestände allein auf die nordrhein-westfälischen Kommunen40. Wenn man die Kassenkreditbestände auf die Einwohnerzahlen umrechnet, haben zudem die Kommunen im Saarland, in Rheinland-Pfalz, 36  Der Kassenkredit ist ein spezieller Begriff, der die Kreditaufnahme im Verwaltungshaushalt beinhaltet und im Kommunalrecht geregelt ist. Mitunter wird der Kassenkredit auch als Kassenverstärkungskredit (beispielsweise in § 18 III Nr. 2 BayHO) oder Liquiditätskredit (beispielsweise in § 18 II Nr. 2 HmbHO) bezeichnet; vgl. A. G. R. Burth/M. Gnädinger/D. Hilgers, Kommunaler Finanzreport 2013, 2013, S. 145. 37  HmbVerfG, DÖV 1985, S. 456. 38  Dabei besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen einem vermehrten Anstieg der Kassenkredite und erhöhten Sozialausgaben. Vor allem Städte mit besonders hohen Sozialausgaben nehmen auch verstärkt Kassenkredite auf, so die Studie von F. Boettcher/M. Junkernheinrich, Kommunaler Finanz- und Schulden­ report Nordrhein-Westfalen, März 2010, S. 113 f.; ebenso A. G. R. Burth/M. Gnä­ dinger/D. Hilgers, Kommunaler Finanzreport 2013, 2013, S. 138 f. Ausführlich zu den Ursachen von Kassenkrediten: K. Herrmann, Kommunale Kassenkredite, 2011. 39  StBA, Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.1.2. 40  Dass., Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 6.1.; dieser Befund ist natürlich relativ, solbald man die Kreditmarktverschuldung auf die entsprechende Einwohnerzahl der Länder umrechnet. Ausführlich zum aktuellen Stand und der Bekämpfung der kommunalen Schulden in NRW: M. Junkernheinrich/T. Lenk/F. Boettcher/ M. Hesse/B. Holler/G. Micosatt, Haushaltsausgleich und Schuldenabbau der Kommunen in Nordrhein-Westfalen, in: Junkernheinrich/Korioth/Lenk/Scheller/Woisin, 222. Band, 2011, S. 459 (461 ff. und 464 ff.).

308   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung in Mio. Euro (ab 2009 neue Berechnungsmethode)

120 000 100 000 80 000 60 000 40 000 20 000

12

11

20

10

20

09

20

08

20

07

20

06

20

05

20

04

20

03

20

02

20

01

20

00

20

99

Kassenkredite

20

98

19

97

19

96

19

95

19

94

19

19

19

93

-

Kreditmarktschulden im weiteren Sinne

Abb. 8: Vergleich Kassenkredite und sonstige Schulden41

Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt einen auffällig hohen Anteil an Kassenkrediten im Verhältnis zur Gesamtverschuldung42. Während der Anteil der Kassenkredite an der Gesamtverschuldung im nicht-öffentlichen Bereich im Jahr 2012 in Rheinland-Pfalz schon 52 Prozent ausmachten, waren es im Saarland sogar bereits 60 Prozent. Trotz des schon jetzt relativ hohen kommunalen Schuldenanteils an Kassenkrediten beabsichtigen die Kommunen dieses Kreditinstitut in Reaktion auf etwaige Mehrbelastungen im Zuge der neuen Schuldenbegrenzungsregelung noch auszubauen43. Dieser Befund ist umso bedrohlicher, wenn man bedenkt, dass die Zinsen für die Kredite zur Liquiditätssicherung derzeit ein relatives niedriges Niveau aufweisen und bei einem drohenden Anstieg der Zinssätze noch deutlich höhere Belastungen auf die Kommunen zukommen44. auf dass., Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.5.1. Abb. 9, S. 309 dieser Arbeit; vgl. auch F. Boettcher/M. Junkernheinrich, Kommunalfinanzen im Jahr 2010: Krisenverschärfung und Disparitätenzunahme, in:  Junkernheinrich/Korioth/Lenk/Scheller/Woisin, 222.  Band, 2011, S. 271 (282 ff.); H. Enderlein/F. Jobst/G. F. Schuppert/R. Geißler/F. Meinel/C. v. Müller, Gutachten zur Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Baden-Württemberg, 31.05.2012, S. 39 verweisen zusätzlich auf die evident hohe Konzentration der Defizite und anteiligen Kassenkredite in den kreisfreien Städten und mit gewissem Abstand in den Landkreisen. 43  So die Selbsteinschätzung der Kommunen in der Studie von T. Lenk/O. Rott­ mann/M. Kuntze, Auswirkungen der Schuldenbremse auf die kommunale Ebene, 2012, S.  20 f. 44  Zur vermeintlichen „Zinsgünstigkeit“ von Kassenkrediten: K. Herrmann, Kommunale Kassenkredite, 2011, S. 9 ff. 41  Basierend 42  Vgl.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung309 Thüringen

77

Schleswig-Holstein

940

326

Sachsen-Anhalt

1.049

454

Sachsen

23

1.014 1.050

Saarland

1.883

Rheinland-Pfalz

1.500

Nordrhein-Westfalen

1.343

Niedersachsen

572

Mecklenburg-Vorpommern

394

Hessen

1.242 1.402 1.483 1.097 821

1.245

Brandenburg

1.864

314

Bayern

22

Baden-Württemberg

16

570 1.135 634

0

500

1000

Kassenkredite

1500

2000

2500

3000

3500

sonstige Kreditmarktschulden

Abb. 9: Kommunale Verschuldung im nicht-öffentlichen Bereich nach Flächenländern (je Einwohner der Länder in Euro), Stand: 31.12.201245

60 000 50 000 40 000 30 000 20 000 10 000 – –10 000

10 719

2002

16 033

2003

20 007

2004

23 961

2005

27 717 28 828 29 857

2006

2007

2008

34 700

2009

39 206

2010

44 026

2011

47 419

2012

–20 000 Kassenkredite

Finanzierungssalden (ohne haus haltstechnische Verrechnungen)

Abb. 10: Entwicklung der Kassenkredite und bereinigten Finanzierungssalden der Kommunen in Mio. Euro46

45  Basierend auf: StBA, Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.5.1.; StBA, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, 2013, Tabelle 1. BL., Geschlecht, Staatsang. 46  StBA, Finanzen und Steuern, 2013, Tabelle 1.5.1. f.

310   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Dass es sich bei der verstärkten Aufnahme von Kassenkrediten nicht um eine rein konjunkturell bedingte Überbrückungsmaßnahme handelt, sondern sie in einigen Flächenländern als Reaktion auf strukturelle Finanzierungsschwierigkeiten missbraucht wird, zeigt der Abgleich mit den jeweiligen Finanzierungssalden. Demnach stieg die Höhe der Kassenkredite selbst in den Jahren 2006 bis 2008 und im auch im Jahr 2012 an, in denen ein positives Finanzierungssaldo erwirtschaftet wurde, obwohl entsprechende ­ Kredite hätten zurückgefahren werden können47. III. Zwischenergebnis Ähnlich wie die Haushalte von Bund und Ländern sind auch die Haushalte der Kommunen von einem Missverhältnis von Einnahmen und Ausgaben geprägt. Während die Einnahmen in Folge ihrer konjunkturellen Abhängigkeit schwanken, steigen die kommunalen Ausgaben stetig. Die Untersuchung der Ausgaben ergibt, dass der Anteil der Ausgaben für soziale Leistungen entweder steigt oder zumindest auf gleichem Niveau bleibt, hingegen geht der Anteil an Sachinvestitionen stetig zurück48. Um den wachsenden Ausgaben zu begegnen, kürzen die Kommunen verstärkt an Kosten für Wahrnehmung der pflichtigen und freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben. Dies erhärtet den Verdacht, dass der finanzielle Spielraum der Kommunen zur Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben zunehmend eingeengt wird49. Hinzu kommt, dass auch die kommunalen Haushalte unter einem rasanten Anstieg der Schuldenlast leiden. Auch wenn der kommunale Anteil gegenüber der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte noch relativ gering ausfällt, so ändert dies nichts am wachsenden Verschuldungsgrad auch der kommunalen Haushalte. Besonders problematisch ist dabei in einigen Flächenländern der rasante Anstieg der Kassenkredite, der zum Teil weit über die Hälfte des Gesamtschuldenstandes des jeweiligen Landes ausmacht. Diese Kommunen mit einem erhöhten Anteil an Kassenkrediten sind bei steigenden Zinsen noch viel stärker dem Risiko explodierender Zinslasten und damit steigender Schuldenstände ausgesetzt50. Diese Entwicklung wird 47  Vgl. A. G. R. Burth/M. Gnädinger/D. Hilgers, Kommunaler Finanzreport 2013, 2013, S. 144. 48  Vgl. Abb. 3, S. 301 dieser Arbeit; zum daraus resultierenden Teufelskreis siehe R. Soldt, Kommunen in der Klemme, FAZ 14.10.2013, S. 1. 49  Richtungsweisend insofern der VerfGHRhPf, KommJur, 260 (263), der die Kostenverlagerung vom Land zulasten der Kommunen erkannte und deshalb eine Neuregelung des kommunalen Finanzausleichs spätestens bis zum 01.01.2014 verlangt. 50  R. Soldt, Kommunen in der Klemme, FAZ 14.10.2013, S. 1 weist in diesem Zusammenhang auf die drohende „Zweiklassengesellschaft“ innerhalb der deutschen Städtefamilie hin.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung311

den ohnehin schon schwindenden finanziellen Handlungsspielraum zur Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben in den Kommunen zusätzlich einengen.

B. Beziehungen zwischen den Schuldenbegrenzungsregelungen und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Mehrebenensystem Nachdem die Schuldenbegrenzungsregelungen und die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung unabhängig voneinander untersucht wurden, müssen diese nach Maßgabe des Grundsatzes der Einheit der Verfassung51 in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dabei darf nicht vernachlässigt werden, dass sich sowohl die Schuldenbegrenzungsregelungen als auch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in einem Mehrebenensystem zwischen der Europäischer Union, der Bundesebene und der Landesebene bewegen. Um die rechtlichen Beziehungen der Schuldenbegrenzungsregelungen und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung untersuchen zu können, müssen zunächst die maßgeblichen Berührungspunkte der einzelnen Ebenen abgeschichtet werden. Daher sollen zunächst die Beziehungen der Schuldenbegrenzungsregelungen und der kommunalen Selbstverwaltung in der Europäischen Union aufgezeigt werden (I.). Sodann sind die gemeinsamen Berührungspunkte der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung mit den Schuldenbegrenzungsregelungen des Grundgesetzes darzustellen (II.), um in der quasi untersten Ebene die Beziehungen der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu den Schuldenbegrenzungsregelungen der Länder zu beleuchten (III.). I. Schuldenbegrenzungsregelungen und kommunale Selbstverwaltung in der Europäischen Union 1. Der Schutz der kommunalen Selbstverwaltung in der Europäischen Union Die Rechtslage der Kommunen hat sich auch nach dem Vertrag von Lissabon nach europäischem Recht nicht wesentlich verändert, geschweige denn, dass sie sich wesentlich verbessert hätte52. Ausdrückliche Regelungen zur kommunalen Selbstverwaltung finden sich in Art. 4 II 1 und 5 III 51  Vgl.

2. Teil § 4 A. III., S. 252 ff. dieser Arbeit. Stirn, KommJur 2012, S. 251 (252); anderer Auffassung: U. Zimmermann, KommJur 2008, S. 41 (41 ff.). 52  I.

312   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

EUV sowie in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (ECK)53. So werden die lokalen und regionalen Selbstverwaltungsstrukturen gem. Art. 4 II 1 EUV durch die Europäische Union geachtet. Allerdings erfolgt diese Nennung im Rahmen der nationalen Identität und ist selbst dann nicht justiziabel, wenn man diese Achtung der Selbstverwaltungsstrukturen als allgemeinen europäischen Rechtsgrundsatz verstehen würde54. Zusätzlich wurde das Subsidiaritätsprinzip in Art. 5 III EUV verankert. Demnach wird die Union in Bereichen, die nicht ausschließlich in ihrer Zuständigkeit fallen, nur tätig, wenn die Maßnahmen von den Mitgliedsstaaten „weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können“. Allerdings wird auch dieser Schutz des kommunalen Aufgabenbestandes einer lokalen und einer regionalen Selbstverwaltung in Zusammenschau mit Art. 4 II EUV nur als Teil nationaler Identität verstanden55. Zumindest wurde die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität durch ein Zusatzprotokoll mit entsprechenden Anhörungs- und Klagerechten gestärkt56. Ein eigenständiger Schutz im Sinne einer europäischen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ergibt sich aus diesen Vorschriften aber nicht. Insofern sind die Kommunen im Politik- und Rechtsetzungsprozess der EU auf informelle Einflussmöglichkeiten beschränkt, ähnlich wie sie schon im bundesdeutschen Willensbildungsprozess in Angelegenheiten der EU nur einen sehr begrenzten Einfluss haben57. Aus der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung lässt sich kein besonderer Schutzgehalt entnehmen. Zwar enthält die Charta als völkerrechtlicher Vertrag in Art. 3 I ECK eine Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, jedoch sind nach Art. 15 I 1 ECK nur die Mitgliedsstaa53  Die Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (ECK) ist seit dem 01.09.1988 in Kraft, vgl. Deutsches Zustimmungsgesetz vom 22.01.1987, BGBl. II, S. 65; Bekanntmachung vom 15.06.1988, BGBl. II, S. 653. 54  I. Stirn, KommJur 2012, S. 251 (252). 55  I. Stirn, KommJur 2012, S. 251 (252). 56  So ist nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsi­ diarität und der Verhältnismässigkeit [sic!], AblEU Nr. C310, 207, vom 16.12.2004 u. a. vorgesehen: eine umfangreiche Anhörung bei Europäischen Gesetzgebungsakten zur Berücksichtigung der regionalen und lokalen Bedeutung der geplanten Maßnahme (Art. 2), eine Gesetzfolgeabschätzung von Gesetzgebungsakten für die regionale und lokale Ebene in den Entwürfen (Art. 5), ein Klagerecht des Ausschusses der Regionen bei Verstößen eines Gesetzgebungsaktes gegen das Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip beim EuGH (Art. 8). 57  I. Stirn, KommJur 2012, S. 251 (253), verweist diesbezüglich auf die informellen Einflussmöglichkeiten beim Ausschuss der Regionen, bei der Kommission, bei dem Ausschuss Regionale Entwicklung des Europäischen Parlaments und bei der kommunalen Interessenvertretung generell.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung313

ten des Europarats zur Unterzeichnung der Charta berechtigt58. Insofern kann die Europäische Gemeinschaft dieser nicht beitreten und ist folglich als solche nicht an den Vertrag gebunden59. Zumindest haben inzwischen alle Mitgliedsstaaten des Europarates die Charta ratifiziert60. Trotzdem kann aus der Charta kein allgemeiner Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung auf europäischer Ebene abgeleitet werden61. Die Charta kann zwar einen im Wege einer Rechtsvergleichung gefundenen allgemeinen Rechtsgrundsatz bestätigen, da sie jedoch außerhalb des Gemeinschaftsrechts steht, kann sie einen Rechtsgrundsatz allein nicht begründen62. 2. Auswirkungen der europarechtlichen Vorgaben zur Schuldenbegrenzung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung a) Die Vorgaben des Art. 109 II GG i. V. m. 126 AEUV Gem. Art. 126 EUV haben die Mitgliedsstaaten „übermäßige öffentliche Defizite“ zu vermeiden (Abs. 1), wobei die Kommission dies zu überwachen hat (Abs. 2 f.) und der Rat Gegenmaßnahmen einleiten kann (Abs. 6 ff.). Hierauf bezieht sich die Formulierung des Art. 109 II 1 GG, auch wenn der missglückte Wortlaut Bund und Länder von auf „Einhaltung der Haushaltsdisziplin“ auf Grund der Vorgängerregelung des Art. 104 EGV verpflichtet63. Fraglich ist, ob sich Art. 109 II i. V. m. Art. 126 AEUV auch an die Kom58  E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 51; P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 28, Rn. 153. 59  Zur Rechtswirkung für Deutschland: G. Seele, Der Kreis, 1991, S. 341ff.; S. Hobe/D. Biehl/N. Schroeter, DÖV 2003, S. 803 (806). 60  Zuletzt hat Monaco am 10.01.2013 ratifiziert, vgl. Europarat, Europäische Charta der Kommunalen Selbstverwaltung – Übersicht der Unterzeichnungen und Ratifikationen, http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=122& CM=1&DF=&CL=GER (Zuletzt geprüft am: 25.09.2013). 61  S. Hobe/D. Biehl/N. Schroeter, DÖV 2003, S. 803 (806); E. Schmidt-Aßmann/ H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, 1. Kap., Rn. 51 (Fn. 128) verweist darauf, dass aus der Charta nur ein eng begrenzter Kernbereich, die Existenz der kommunalen Ebene als solche und zudem nur über den Mitgliedsstaat als Träger der jeweiligen Idenittät abgesichert sei. 62  H. Heberlein, BayVBl 1993, S. 676 (678); S. Schmitt, Bedeutungsgehalt der kommunalen Finanzhoheit, 1996, S. 142 und 147; S. Hobe/D. Biehl/N. Schroeter, DÖV 2003, S. 803 (806); G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (250, hält die ECK zumindest für ein „ausreichendes Instrument der Selbstverpflichtung“). 63  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 32 ff. macht deutlich, dass trotz des fehlerhaften Verweises Art. 126

314   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

munen richtet, da Unionsrecht die öffentlichen Haushalte insgesamt in die Pflicht nimmt. Zwar sind die Kommunen am Gesamthaushalt des Gesamtstaates beteiligt, allerdings unterliegen sie nicht unmittelbar der Bindung des Art. 126 AEUV, dessen Hauptadressaten vielmehr nur Bund und Länder sind64. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Budgethoheit der Kommunen im Unterschied zu Bund und Ländern nicht mit originärer Haushaltshoheit ausgestattet ist und einem anderen Rechtsregime mit deutlich strengeren Begrenzungen unterliegt65. Der Hauptbezugspunkt des Art. 126 AEUV richtet sich auf Mitgliedsstaaten mit entsprechender Autonomie über ihre Haushalte. Dabei ist Haushaltsautonomie ein zentrales Charakteristikum von Staatlichkeit und dient der hauswirtschaftlichen Sicherung politischer Autonomie66. Autonomie benötigt aber Entscheidungsspielräume und zugleich Verantwortung für die Folgen getroffener Entscheidungen67. Der Haushaltswirtschaft der Kommunen werden solche Freiräume aber gerade nicht zugestanden, wie sie Bund und Länder grundsätzlich aufweisen68. So dürfen Kommunen beispielsweise Kredite nur dann aufnehmen, wenn andere Finanzierungsformen unmöglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig sind und sie zusätzlich der Genehmigung der staatlichen Aufsicht unterliegen69. Insofern werden nicht die Kommunen, sondern nur der Bund und die Länder durch Art. 109 II GG i. V. m. Art. 126 AEUV unmittelbar verpflichtet70. Gleichwohl fordert das Europarecht eine auf allen Ebenen wirksame Schuldenbegrenzung. Eine den Gesamtstaat betreffende Verpflichtung kann nur dann effektiv sein, wenn auch für jede staatliche Ebene verbindliche Schuldenbegrenzungsregelungen auf den Weg gebracht werden71. Eine entsprechende Einbindung der Kommunen ist zumindest dadurch gewährleistet, dass sie finanzverfassungsrechtlich den Ländern zugeordnet sind. Insofern besteht hier auch kein Widerspruch dazu, dass Art. 109 II GG nur Bund und AEU und an Stelle der Europäischen Gemeinschaft deren Rechtsnachfolgerin, die Europäischen Union gemeint sind. 64  K.-A. Schwarz, NWVBl 2012, S. 245 (247). 65  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 18. 66  H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 109, Rn. 3; H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 62. Erg.-Lfg., Mai 2011, Art. 109, Rn. 41. 67  M. Rodi, in: Wernicke/Dolzer/Graßhof/Kahl/Waldhoff, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., Dezember 2004, Art. 109, Rn. 12. 68  K.-A. Schwarz, NWVBl 2012, S. 245 (247). 69  K.-A. Schwarz, NWVBl 2012, S. 245 (247). 70  J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1338); G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 36; H. Kube, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 62. Erg.-Lfg., Mai 2011, Art. 109, Rn. 80. 71  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 52.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung315

Länder zur Schuldenbegrenzung verpflichtet72. Da sich Art. 126 AEUV auf den öffentlichen Gesamthaushalt bezieht, sind auch die kommunalen Haushalte automatisch hinzu zurechnen und auf diese Weise mit einbezogen73. Entsprechend hat der Stabilitätsrat gem. § 51 I HGrG auch die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Koordinierung der Haushalts- und Finanzplanung zu berücksichtigen (Satz 1), um den Verpflichtungen aus Art. 126 AEUV zur „Einhaltung der Haushaltsdisziplin und in diesem Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen“ (Satz 2). Zudem müssen die Gemeinden und Gemeindeverbände nach § 16 I StabG mit ihrer Haushaltswirtschaft das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht berücksichtigen. Insbesondere haben die Länder gem. § 16 II StabG „durch geeignete Maßnahme darauf hinzuwirken, daß [sic!] die Haushaltswirtschaft der Gemeinden und Gemeindeverbände den konjunkturpolitischen Erfordernissen entspricht“. Letztlich tragen die Länder somit auch die Verantwortung für etwaige Defizite der Gemeinden und Gemeindeverbände und haben mit ihren Haushalten dafür einzustehen74. Zwar richtet sich Art. 109 II GG an den Bund und die Länder als Hauptadressaten, gleichwohl richtet sich seine normative Kraft mittelbar auch an die Kommunen75.

b) Die Auswirkungen des Fiskalvertrages In Reaktion auf die Staatsschuldenkrise einiger Mitgliedsstaaten der europäischen Währungsunion haben sich alle EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Großbritanniens und Tschechiens im sogenannten „Fiskalvertrag“76 verpflichtet, einheitliche und dauerhaft verbindliche Haushaltsregeln in ihren Haushaltsordnungen aufzunehmen. Aufgrund der fehlenden einstimmigen Beteiligung der Mitgliedsstaaten wurde der Fiskalvertrag nur als völker72  H.

D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 109, Rn. 4a. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommen­ tar, 2011, Art. 109, Rn. 35, H.-G. Henneke, NdsVBl 2011, S. 329 (330); H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 109, Rn. 6, Bezug nehmend auf das Defizitprotokoll Nr. 20; M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 7. 74  BT-Drucks. 16/12 410, S. 11; J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1338). 75  M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 7. 76  Der „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschaftsund Währungsunion“ (FV), BT-Drs. 17/9046 S. 6 bis 17, BR-Drs. 130/12, S. 7–19, wurde am 02.03.2012 von den Staats- und Regierungschefs als völkerrechtlicher Vertrag unterzeichnet, Tagung des Europäischen Rates, 01./02.03.2012, EUCO 4/12, S. 2; ausführlich zu dessen Entstehungsgeschichte: F. Schorkopf, ZSE 10 (2012), S. 1. 73  H.-G.

316   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

rechtlicher Vertrag geschlossen und nicht als ordentliches Vertragsänderungsverfahren des Primärrechts, wie es der EU-Vertrag vorsieht77. Im Kern verpflichten sich die Vertragsparteien, dass ihr gesamtstaatlicher Haushalt ausgeglichen ist und einen Überschuss aufweist78. Dies bedeutet im Detail, dass das gesamtstaatliche strukturelle Defizit des gesamtstaat­ lichen Haushalts nicht mehr als 0,5 Prozent des BIP ausmachen soll79. Wenn die Gesamtverschuldung über dem Schwellenwert von 60 Prozent des BIP liegt, so ist diese jährlich durchschnittlich um ein Zwanzigstel zu verringern80. Allerdings dürfen die Vertragsparteien bei „außergewöhnlichen Um­ständen“81 von diesem Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad abweichen82. Der völkerrechtliche Vertrag soll spätestens am 01.01.2013 in Kraft treten, sofern alle zwölf beteiligten Euro-Staaten ihre Ratifikationsurkunde bis dahin hinterlegt haben83. Die Umsetzung des Fiskalvertrages hat dann innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten zu erfolgen und muss 77  Gleichwohl versuchen einzelne Vertragsregelungen, eine Integration im Sinne des Unionsrechts zu ermöglichen. So ist der Fiskalvertrag, nach der salvatorischen Klausel des Art. 2 II FV, nur insoweit anwendbar, wie er mit dem Primär- und Sekundärrecht vereinbar ist. Zudem sollen nach Art. 16 FV binnen höchstens fünf Jahren nach seinem Inkrafttreten die notwendigen Schritte unternommen werden, den Fiskalvertrag in den EU-Rechtsrahmen zu überführen. F. Schorkopf, ZSE 10 (2012), S. 1 (14 f.) verweist außerdem auf die Ähnlichkeit des Fiskalvertrages mit einer sekundärrechtlichen Richtlinie; G. F. Schuppert/F. Meinel, Anlage 1: Juristisches Gutachten, in: Enderlein/Jobst/Schuppert/Geißler/Meinel/Müller, 31.05.2012, S. 94 (107) bezeichnen den Fiskalvertrag als „Komplementärrecht“. 78  Gem. Art. 3 I a) FV, der unter dem Titel III „Fiskalpolitischer Pakt“ firmiert. Ursprünglich wurde die als „fiscal compact“ bezeichnete Erklärung der Staats- und Regierungschefs des Eurowährungsgebiets vom 09.12.2011 in der deutschen Fassung mit „fiskalpolitischer Pakt“ übersetzt. 79  Gem. Art. 3 I b) 1 FV, allerdings kann das strukturelle Defizit gem. Art. 3 I d) FV bis auf 1 Prozent des BIP ansteigen, wenn der Gesamtschuldenstand erheblich unter 60 Prozent des BIP und die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering ist. 80  Gem. Art. 4 S. 1 FV, wobei das Bestehen eines übermäßigen Defizits durch die Verletzung des Schuldenkriteriums vom Rat nach dem Verfahren des Art. 126 AEUV festgestellt wird (S. 2). 81  Gem. Art. 3 III b) FV sind außergewöhnliche Umstände „ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der betreffenden Vertragspartei entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat, oder ein schwerer Konjunkturabschwung im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstums­ pakts vorausgesetzt, die vorübergehende Abweichung der betreffenden Vertragspartei gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“. 82  Gem. Art. 3 I c) FV, dies löst aber gem. Art. 3 I e) FV auch einen entsprechenden Korrekturmechanismus aus, um die Abweichungen entsprechend auszugleichen. 83  Gem. Art. 14 II lzt. Hs. FV könnte der Vertrag sogar noch früher, nämlich am ersten Tag des Monats, in Kraft treten, der dem Monat folgt, in dem der letzte der beteiligten zwölf Euro-Staaten seine Ratifikationsurkunde hinterlegt hat. Gem.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung317

entsprechend in die nationalen Rechtsordnungen implementiert werden84. Somit gilt die Untergrenze des strukturellen Defizits von 0,5 Prozent des BIP frühestens ab dem 01.01.201485. Der Deutsche Bundestag und der Deutsche Bundesrat haben das Gesetz zum Fiskalvertrag inzwischen beschlossen86. Was bedeutet die Vereinbarung des Fiskalvertrages für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung? Die Bundesregierung antwortete auf diese Frage lapidar, dass die „kommunale Selbstverwaltungsgarantie […] durch den Fiskalvertrag bzw. die in der Diskussion befindlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zur innerstaatlichen Umsetzung nicht berührt“ werde87. Dies wird vor allem damit begründet, dass der Fiskalvertrag Deutschland nur als Gesamtstaat verpflichte und dessen Umsetzung und Einhaltung „innerstaatlich dementsprechend in der Verantwortung von Bund und Ländern“ liege. „Juristische Änderungen für die Haushaltswirtschaft der Kommunen ergeben sich weder direkt aus dem Fiskalvertrag noch aus den zwischen Bund und Ländern derzeit erörterten Maßnahmen zur innerstaatlichen Umsetzung.“88 Für die Gemeinden gelten eigene Fiskalregeln vollkommen unabhängig von der im Grundgesetz für die Haushalte von Bund und Ländern verankerte Schuldenregel89. Da die für die Gemeinden bestehenden Regeln im Durchschnitt jeweils zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt oder sogar strukturellen Überschüssen führen, „ist für die kommunale Ebene bzw. für einzelne Kommunen weder eine Begrenzung noch eine Überwachung des strukturellen Defizits in Prozent des Bruttoinlandsprodukts analog zum Verfahren der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse vorgesehen“90. Unabhängig davon wird davon ausgegangen, dass sich die öffentlichen Haushalte, einschließlich der Kommunen und Sozialversicherungen, in den kommenden Jahren so entwickeln werden, dass ein strukturelles Defizit des Gesamtstaates von über 0,5 Prozent des BIB nicht zu erwarten sei91. Art. 14 I 2 FV ist die Ratifikationsurkunde beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union zu hinterlegen. 84  Art. 3 II 1 FV. 85  Vorbehaltlich der Annahme, die zwölf Vertragsparteien ratifizieren des Vertrag nicht schon früher i. S. v. Art. 14 II lzt. Hs (vgl. Fn. 83). 86  Mit Beschluss vom 29.06.2012, BR-Drs. 400/12. 87  Antwort im Rahmen einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke zu den Auswirkungen des Fiskalvertrages auf die Kommunalfinanzen, BT-Drs. 17/10074, S. 3 (elektronische Vorabfassung). 88  BT-Drs. 17/10074, S. 2 (elektronische Vorabfassung). 89  Gleiches gilt auch für die Sozialversicherungen, BT-Drs. 17/10074, S. 2 (elektronische Vorabfassung). 90  BT-Drs. 17/10074, S. 3 (elektronische Vorabfassung). 91  BT-Drs. 17/10074, S. 4 (elektronische Vorabfassung).

318   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Allerdings könnten durch den Fiskalvertrag die für die Kommunen in der Finanzverantwortung stehenden Länder einem verstärkten Konsolidierungsdruck ausgesetzt sein. Während die Länder nach der Übergangsvorschrift des Art. 143d I 3 GG die strukturelle Nullverschuldung erst ab dem Jahr 2020 aufzuweisen haben, könnte nach dem Fiskalvertrag bereits ab dem Jahr 2014 für den Gesamtstaat eine strukturelle Verschuldungsobergrenze von 0,5 Prozent des BIP verpflichtend sein. Sollte der Bund die ihm gem. Art. 109 III 4, 115 II 2 GG erlaubte strukturelle Verschuldungsobergrenze von 0,35 Prozent des BIP dann voll ausnutzen (müssen), könnte die strukturelle Verschuldungsobergrenze für die Länder, Kommunen und Sozialversicherungsträger auf die verbleibenden 0,15 Prozent des BIP zusammen schrumpfen. Damit würde sich zumindest der „Schuldensinkflug“ der Länder deutlich beschleunigen92. Dieser erhöhte Konsolidierungsdruck auf die Länder wurde jedoch durch die Vereinbarung von Eckpunkten zur innerstaatlichen Umsetzung der Vorgaben des Fiskalvertrages entschärft93. Demnach sind die Länder zur Erfüllung der Vorgaben des Fiskalpaktes ausschließlich im Rahmen der bestehenden Regelungen der Art. 109 III und Art. 143d I 4 GG verpflichtet. Insbesondere wird ihnen die in Art. 143d I 3 und 4 GG eingeräumte Handlungsfreiheit im Übergangszeitraum gewährt94. Daher sind die Länder bis zum Ende des Jahres 2019 trotz des Fiskalvertrages nicht auf eine strukturelle Verschuldungsobergrenze von 0,5 oder gar 0,15 Prozent des BIP festgelegt. Vielmehr haben sie sich nur an den Vorgaben des Art. 109 III, 143d GG zu orientieren. Welcher Konsolidierungsdruck könnte sich aus dem Fiskalvertrag dann noch für die Kommunen und Sozialversicherungsträger ergeben? In den Eckpunkten wird auch das Verhältnis von Fiskalvertrag einerseits sowie der nationalen Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 109 III GG andererseits angesprochen. Demnach sind die Sozialversicherungen und Kommunen hinsichtlich etwaiger Defizite in die Außenverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und somit bezüglich des Fiskalvertrages ausdrücklich mit einbezogen. Hingegen wird betont, dass Sozialversicherungen und Kommunen in der „deutschen Schuldenbremse“ des Art. 109 III GG nicht berücksichtigt werden95. Allerdings wird durch die Verzahnung dieser beiden Re92  H.-G.

Henneke, Der Landkreis 2012, S. 292 (297). einer innerstaatlichen Umsetzung der neuen Vorgaben des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, BR-Drs. 400/12. 94  BR-Drs. 400/12, S. 2, diese Gewährleistung wird sogar finanziell vom Bund abgesichert, indem er sich verpflichtet, für den Fiskalvertrag bis Ende 2019 im ­Außenverhältnis nicht nur zu haften, sondern im Innenverhältnis auch das Risiko etwaiger Sanktionszahlungen zu übernehmen. 95  BR-Drs. 400/12, S. 3; H.-G. Henneke, Der Landkreis 2012, S. 292 (298). 93  Eckpunkte



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung319

gime auch der Puffer für eine etwaige strukturelle Neuverschuldung der Sozialversicherungsträger und Kommunen massiv eingeengt. Sollte der Bund seine strukturelle Verschuldungsobergrenze von 0,35 Prozent des BIP voll ausschöpfen (müssen), müssten sich Kommunen und Sozialversicherungsträger die verbleibenden 0,15 Prozent aufteilen. Die Länder tragen dabei weiterhin die Verantwortung für die Einhaltung der Defizitvorgaben des Fiskalvertrages durch die Kommunen und sind mit Blick auf das strukturelle Neuverschuldungsverbot ab dem Jahr 2020 „in ihrer Konsolidierungspolitik [vor] deutlich größere Herausforderungen gestellt“96. II. Berührungspunkte zwischen den Schuldenbegrenzungsregelungen des Grundgesetzes und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Der Wortlaut der Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 109 III 1 GG richtet sich nur an „die Haushalte von“ Bund und Länder. Diese Abweichung von Art. 109 II 1 GG, in dessen Wortlaut sich keine Einschränkung auf „die Haushalte“ findet, legt den Befund nahe, dass die Schuldenbegrenzungsregelung des Grundgesetzes die Haushalte der Kommunen gerade nicht erfasst97. Zumindest in der Gesetzesbegründung wird eine Einbeziehung der Defizite der Sozialversicherungen und Kommunen ausdrücklich abgelehnt, da die entstehenden Informationsanforderungen inhaltlich und zeitlich nicht zu erfüllen wären: „eine Einbeziehung etwaiger Defizite von Sozialversicherungen und Gemeinden bei der Haushaltsaufstellung in die Regelung würde sowohl inhaltlich als auch in der zeitlichen Abfolge unerfüllbare Informa­ tionsanforderungen an die Aufstellung der Haushalte von Bund und Ländern stellen“98. Daraus könnte man schließen, dass Defizite der Kommunen letztlich bei der Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 109 III GG nicht berücksichtigt werden müssen99. 96  BR-Drs.

400/12, S. 3. die überwiegende Auffassung: B. Mattil/G. Meister-Scheufelen/M. Sudhof, Die neuen Regeln und Institutionen, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 165 (167); H.-G. Henneke, NdsVBl 2011, S. 329 (330); K.-A. Schwarz, NWVBl 2012, S. 245 (247). 98  BT-Drs. 16/12410, S. 10 f. 99  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 36, schließt daraus, dass die kommunalen Defizite daher schon nicht berücksichtigt werden dürfen; so auch M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 26, zudem mit dem Hinweis, dass „im Haushaltsrecht die Klarheit formaler Strukturen ein hohes Gut ist“. 97  So

320   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Dieser Befund stößt aber auf Widerspruch, da die europarechtlichen Vorgaben des Art. 126 AEUV an den Gesamthaushalt der Mitgliedsstaaten und somit mittelbar auch an die Haushalte der Kommunen gerichtet sind. Die Entstehungsgeschichte der Neuregelung weist darauf hin, dass in der Ursprungsversion auch der Gesamthaushalt, inklusive der Haushalte der Kommunen und Nebenhaushalte, berücksichtigt werden sollte. Im ursprünglichen Entwurf des Art. 109 III GG war auch den Ländern eine strukturelle Neuverschuldung in Höhe von 0,15 Prozent des BIP zugedacht100. Dies entsprach mit dem Anteil des Bundes in der Summe derjenigen Verschuldungsgrenze von 0,5 Prozent des BIP, die der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt den Mitgliedsstaaten vorgibt und die sich auf sämtliche öffentliche Haushalte bezieht, einschließlich der kommunalen Haushalte und der Nebenhaushalte. So strebte auch der verfassungsändernde Gesetzgeber in seiner Entwurfsbegründung mit der Reform des Art. 109 GG ausdrücklich eine „Übereinstimmung mit der Philosophie des präventiven Arms des reformierten europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts“101 mithin dem Unionsrecht an102. Insofern müssten in Art. 109 III GG auch die Kommunen in den öffentlichen Gesamthaushalt mit einbezogen werden103. Dass mit der Ausgrenzung der Kommunen ein gewisser Widerspruch zum europäischen Stabilitätsrecht besteht, sah auch der verfassungsändernde Gesetzgeber, indem er in der Entwurfsbegründung darauf hinwies, dass die „die Verantwortung […] der Länder für Defizite der Haushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände mit Blick auf die gesamtstaatlichen Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes“ davon unberührt bleibt104. Dabei ist mit der Föderalismusreform II die Regelung des Art. 109 II GG sogar ausdrücklich vor die nationalen Schuldenbegrenzungsregelungen gezogen worden, damit die unionsrechtlichen Vorgaben „den Rahmen für die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern“ bilden105. Nach der Gesetzesbegründung des Art. 109 II GG tragen die Länder ausdrücklich die Verantwortung für die Defizite der Kommunen106. Würde beispielsweise die europarecht­ liche Defizitgrenze von 3 Prozent des BIP infolge zu hoher Defizite der 100  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 52; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 84. 101  BT-Drs. 16/12410, S. 5. 102  Die Entwurfsbegründung orientiert sich bei den Grundsätzen des Art. 109 III GG ausdrücklich „an den Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstums­ paktes“, BT-Drs. 16/12410, S. 10. 103  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 192. 104  BT-Drs. 16/12410, S. 11. 105  Vgl. bereits die Ausführungen: 1. Teil § 3 B. I. 1., S. 162 f. 106  BT-Drs. 16/12410, S. 10.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung321

Kommunen überschritten, wäre den Ländern ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 109 II GG i. V. m. Art. 126 AEUV vorzuwerfen, selbst wenn die nationalen Defizitgrenzen des Art. 109 III GG vermeintlich eingehalten wurden107. Insofern fordert schon der Blick auf das Europarecht und die entsprechenden Vorgaben aus Art. 109 II erster Hs. GG, dass auch bei der Einhaltung des Art. 109 III 1 GG der materielle Ausgleich der kommunalen Defizite mitberücksichtigt werden muss108. Außerdem ist es fraglich, ob die Informationsverarbeitung durch klare zeitliche Vorgaben für die Aufstellung der kommunalen Haushalte nicht doch umsetzbar ist109. Die Entwurfsbegründung zum Ausschluss der Kommunen ist schon deshalb fragwürdig, da die Kommunen, Bund und Länder ohnehin über ihre Haushalte informieren110. So haben die Länder ausdrücklich gem. § 52 II HGrG dem Stabilitätsrat auch „die Auskünfte für ihre Gemeinden und sonstigen kommunalen Körperschaften“ zu erteilen, die dieser zur Koordination der Vorgaben des Art. 126 AEUV benötigt. Zumindest lässt der Verweis der Entwurfsbegründung auf die „unerfüllbaren Informationsanforderungen“ den Rückschluss zu, dass nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers zumindest diejenigen kommunalen Haushalte erfasst sind, bei denen die Informationsanforderungen leicht erfüllt werden können111. Für eine Einbeziehung der Kommunen in die grundgesetzlichen Schuldenbegrenzungsregelungen spricht auch, dass diese den Ländern finanzverfassungsrechtlich zugeordnet sind und gem. Art. 106 IX GG auch die Einnahmen und Ausgaben der Kommunen als Einnahmen und Ausgaben der Länder gelten112. Hiergegen wird jedoch vorgebracht, dass für eine Einbe107  J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1338) nimmt eine entsprechende Verantwortung des Bundes auch bei zu hohen Defiziten der Sozialversicherungen an. 108  G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 83. 109  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 50; C. Seiler, JZ 2009, S. 721 (723), bezweifelt die Unerfüllbarkeit der Informationsanforderungen besonders bezüglich der Sozialversicherungen; ebenso hält G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 109, Rn. 83, die Unerfüllbarkeit der Informationsanforderungen bei den Gemeinden zumindest im Wege der Schätzung für bewältigbar; ähnlich H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 109, Rn. 52. 110  E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 50; L. P. Feld, Die Schuldenbremse ist ein wunderbares Instrument, in: Kastrop/MeisterScheufelen/Sudhof, 2010, S. 168; B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (165). 111  M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 192, verweist in diesem Zusammenhang allerdings nur auf die „Nebenhaushalte“ mit leicht erfüllbaren Informationsanforderungen. 112  S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (731); M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 191 f.; kritisch gegenüber dieser Argumentation: W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 36.

322   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

ziehung der kommunalen Defizite die Formulierung des Art. 109 III 1 GG nicht die Haushalte „von“ Bund und Ländern, sondern die Haushalte „in“ Bund und Ländern hätte lauten müssen113. Gleichwohl betrachten auch die Teile im Schrifttum, die die Kommunen von Art. 109 III 1 GG nicht erfasst sehen, dies als die entscheidende Schwachstelle und als mögliche Hintertür der Politik, um die Grundregel des Art. 109 III 1 GG zu unterlaufen114. Ohne Einbeziehung der kommunalen Haushalte besteht die Gefahr, dass die Länder die Einhaltung ihrer Schuldenbegrenzungsregeln durch Verringerung der Zuweisungen an die Gemeinden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs erschleichen115. In der Gesamtschau ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte und der angestrebten Harmonisierung mit den europarechtlichen Regelungen Anhaltspunkte dafür, dass bei der Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 109 III 1 GG auch die kommunalen Defizite berücksichtigt werden sollten. Dass im Wortlaut des Art. 109 III 1 GG „die Haushalte von“ Bund und Ländern Aufnahme gefunden haben, ändert daran nichts, da auch mit dieser Formulierung noch der öffentliche Gesamthaushalt beschrieben wird, in dem die Kommunen finanzverfassungsrechtlich den Ländern zugeordnet sind. Eine Schuldenbegrenzung für den öffentlichen Gesamthaushalt ist nicht auf den Haushalt der Länder beschränkt, vielmehr dürfen auch keine Lastenverlagerungen auf die Kommunen und Sozialversicherungsträger erfolgen116. Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Gesetzesbegründung eine Berücksichtigung der kommunalen Defizite für unmöglich gehalten und daher ausdrücklich nicht mit einbezogen wurde. Hierin drückt sich vielmehr das Bewusstsein darüber aus, vor allem mit Augenmerk auf die Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, dass eine Einbeziehung kommunaler Defizite von der Systematik her sinnvoll und erstrebenswert sei. Aus Sinn und Zweck der Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 109 III GG117 ist es den Ländern daher auch verboten, ihr Defizit auf Kosten 113  M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2.  Band, 2012, Art. 109, Rn. 26. 114  W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art.  109, Rn. 36; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 109, Rn. 85. 115  I. Kemmler, DÖV 2009, S. 549 (556); K. Groh, LKV 2010, S. 1 (1); B. Scholl, DÖV 2010, S. 160 (165); H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/ Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 109, Rn. 52; H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 109, Rn. 52 differenziert hier zwischen den „Adressaten der Regelung“, die Bund und Länder umfasse, während die „gegenständliche Reichweite“ auch die Kommunen betreffe. 116  H.-G. Henneke, NdsVBl 2011, S. 329 (335). 117  Vgl. M. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 26 hat zumindest teleologisch erhebliche Bedenken gegen eine Ausgrenzung von Haushalten rechtsfähiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung323

der Kommunen abzubauen. Vielmehr tragen die Länder nach der Finanzverfassung weiterhin auch die finanzielle Verantwortung für die Kommunen. Dass die Kommunen nicht als Adressat des Art. 109 III 1 GG aufgenommen wurden, hat vor allem zur Folge, dass die kommunalen Kreditaufnahmeregelungen des Landesrechts von der Schuldenbegrenzungsregelung im Grundgesetz unberührt bleiben. Daher ist Art. 109 III 1 GG mit Blick auf die europarechtlichen Vorgaben, den erfüllbaren Informationsanforderungen und der finanzverfassungsrechtlichen Zuordnung der Kommunen zu genügen, so auszulegen, dass auch die kommunalen Haushalte bei der Einhaltung der Schuldenbegrenzungsregelung berücksichtigt werden118. III. Beziehungen zwischen den Schuldenbegrenzungsregelungen der Landesverfassungen und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Die Mehrheit der landesrechtlichen Schuldenbegrenzungsregelungen enthält keinen unmittelbaren Bezug zur kommunalen Selbstverwaltung. Lediglich die Hessische Schuldenbegrenzungsregelung enthält in Art. 141 II HessVerf einen ausdrücklichen Verweis auf die finanzielle Ausstattung der Kommunen. Demnach muss Art. 137 V HessVerf von der Verschuldungsbegrenzung unberührt bleiben. Nach Art. 137 V HessVerf garantiert das Land den Kommunen seinerseits einen Lasten- und Finanzausgleich zur Durchführung ihrer eigenen und übertragenen Aufgaben (Satz 1) sowie „in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen“ für ihre freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben (Satz 2). Damit stellt die HessVerf klar, dass die Schuldenbegrenzung im Haushalt des Landes nicht zu Lasten des kommunalen Finanzausgleichs oder der Finanzierung der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben erfolgen darf. Insofern nimmt Art. 141 II HessVerf als einzige Regelung des Landes- und Bundesrechts ausdrücklich den finanzi118  Ebenso: S. Korioth, JZ 2009, S. 729 (731); E. Reimer, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 109, Rn. 52; G. Kirchhof, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3. Band, 2010, Art. 109, Rn. 83 f. fordert neben Gemeinden und Sozial­ versicherungen zudem Neben- und Schattenhaushalte einzubeziehen; M. Koemm, Bremse für die Staatsverschuldung?, 2011, S. 192; H.-G. Henneke, NdsVBl 2011, S. 329 (335). Anderer Auffassung hingegen: D. Buscher, Bundesstaat, 2010, S. 370; W. Heun, in: Dreier, GG Kommentar – Supplementum, 2010, Art. 109, Rn. 36 verweist vor allem auf den „eindeutigen Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers“, wenngleich er dessen Begründung für schwach hält; ebenso H. Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 109, Rn. 52 und 85 und M. Heintzen, in: Münch/ Kunig, GG Kommentar, 2. Band, 2012, Art. 109, Rn. 26.

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ellen Schutz der kommunalen Selbstverwaltung im Zusammenhang mit den Schuldenbegrenzungsregelungen in seinen Wortlaut mit auf. Darüber hinaus könnten die Länder aber auch Regelungen treffen, die eine Kreditaufnahme durch die Kommunen zusätzlich erschweren oder gar verbieten. Da schon die Länder nur frei über ihre Einnahmen verfügen, nicht aber Einnahmen beliebig über Kredite generieren dürfen, kann auch nichts anderes für die Kommunen gelten, „bei denen Kreditfinanzierung eine mögliche, aber nicht zwingend gebotene Einnahmequelle darstellt“119. Auch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gibt kein Recht auf die Erschließung oder Beibehaltung bestimmter Einnahmequellen120. Somit wäre eine Einbeziehung der Kommunen in die Schuldenbegrenzungsregelungen von Verfassung wegen möglich, da die Kommunen ebenso wenig wie die Länder ein Recht zur Verschuldung haben121.

C. Rechtliche Auswirkungen der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Mit der Föderalismusreform II und der Einführung der strengeren Schuldenbegrenzungsregelungen wurden das Grundgesetz und mit ihm die drei Ebenen im Verwaltungsaufbau der Bundesrepublik Deutschland neu justiert. Den Kommunen kommt als der dritten Stufe im Verwaltungsaufbau und als Bestandteil der Länder in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland eine nicht unwesentliche Bedeutung zu. Die Stellung der Kommunen war bisher vor allem mit der Regelung der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 II GG verfassungsrechtlich verankert und wurde garantiert. Mit der Föderalismusreform II wurde insbesondere eine für Bund und Länder geltende Neuregelung zur Schuldenbegrenzung in das Grundgesetz eingeführt. Demnach müssen die Länder ab dem Jahr 2020 ausgeglichene Haushalte aufweisen, in denen sie ohne neue Kreditaufnahmen auskommen. Der dadurch entstehende finanzrechtliche Druck, den die Schuldenbegrenzungsregelungen des Grundgesetzes auf die Länder ausüben, könnte „von diesen auf die Gemeinden weitergegeben werden, die lediglich durch (allgemeine) kommunale Selbstverwaltungsgarantie und das landesverfassungsrechtliche 119  K.-A.

Schwarz, NWVBl 2012, S. 245 (248). Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 3.  Band, 2010, Art. 106, Rn. 115; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 2012, Art. 28, Rn. 14. 121  K.-A. Schwarz, NWVBl 2012, S. 245 (447 f.); so auch die Position der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Anlage 1, Nds. LT-Drs. 16/2815, S. 37 f. 120  K.-A.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung325

Konnexitätsprinzip in nur unvollkommener Weise geschützt sind“122. Es ist nicht auszuschließen, dass es zum strategischen „Einsatz von finanziellen ,Verschiebebahnhöfen‘ zwischen Ländern und ,ihren‘ Kommunen ohne eindeutige entsprechende Regel“ kommt123. Die Länder könnten insofern versucht sein, „durch Aufgabenverlagerung auf die Kommunen oder durch Modifikation des kommunalen Finanzausgleichs die bundesrechtlichen Verschuldungsgrenzen auf Kosten der Kommunen einzuhalten“124. Unter der Maßgabe des Grundsatzes der Einheit der Verfassung125 stellt sich die Frage, welche rechtlichen Auswirkungen die Einführung der Schuldenbegrenzungsregelungen auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung haben kann. Ein Einfluss könnte insofern bereits ausgeschlossen sein, sofern die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt ist (I.). Außerdem könnte die Garantie der kommunalen Finanzausstattung als Leistungsrecht ohnehin dem Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell unterworfen sein, so dass das Kern-Randbereichsmodell in diesem Bereich schon keine Anwendung mehr finden würde (III.). Es ist zu untersuchen, ob die Kern-Randbereichstheorie im Rahmen der Finanzausstattung trotz Einführung der Schuldenbegrenzungsregelung noch ihre Gültigkeit entfaltet (IV.). I. Ist die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt? Die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG erklärt bestimmte Grundgesetzänderungen von vornherein für unzulässig126. Sollten die kommunale Selbstverwaltung oder zumindest Teile von ihr, wie der Schutz ihres Kernbereichs, zu den in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen zählen, wäre sie durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG vor Verfassungsänderungen geschützt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass jede Verfassungsänderung, die die ­ kommunale Selbstverwaltung nur annähernd beeinflusst, verfassungswidrig ist. Es muss ein Ausgleich gefunden werden, zwischen dem Änderungsverbot der Ewigkeitsgarantie und der grundsätzlichen Entwicklungs­ offenheit der Verfassung127. Zumindest müsste die entsprechende Ver­ fassungsregel verfassungskonform in der Weise ausgelegt werden, dass sie 122  K.

v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, 2011, S. 390. Mattil/G. Meister-Scheufelen/M. Sudhof, Die neuen Regeln und Institutionen, in: Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, 2010, S. 165 (167). 124  K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, 2011, S. 390. 125  Vgl. 2. Teil § 4 A. III., S. 252 ff. dieser Arbeit. 126  Zu Bedeutung und den Bestandteilen der Ewigkeitsgarantie: 2. Teil § 4 A. V. 2., S. 270 ff. dieser Arbeit. 127  Vgl. 2. Teil § 4 A. IV. 2. a), S. 271 ff. dieser Arbeit. 123  B.

326   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Abb. 11: Möglicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG

die kommunale Selbstverwaltung bzw. zumindest ihren verfassungsänderungsfesten Teil nicht „berührt“128. Würde beispielsweise der Kernbereich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung unter die Grundsätze des Art. 20 GG fallen, dürfte die Schuldenbegrenzungsregelung diesen schon nicht „berühren“ und müsste verfassungskonform zumindest dahingehend ausgelegt werden, dass sie diesen nicht beeinträchtigt. In diesem Fall dürfte die finanzielle Mindestausstattung, als Ausfluss des Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung, wegen der Ewigkeitsgarantie nicht durch die Einführung der neuen Schuldenbegrenzungsregelungen eingeschränkt werden. Der Wortlaut des Art. 79 III GG i. V. m. Art. 20 GG spricht auf den ersten Blick gegen einen Schutz der Ewigkeitsgarantie, da die kommunale Selbstverwaltung in Art. 20 GG nicht genannt wird, sondern nur in Art. 28 II GG. Insofern drängt sich auch der Umkehrschluss auf, dass Art. 28 II GG zu128  Zur Problematik der Auslegung des Art. 79 III GG und dessen Wortlauts „Grundsätze berührt“, siehe die Ausführungen unter: 2. Teil § 4 A. V. 2. b), S. 275 ff. dieser Arbeit.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung327

mindest durch Verfassungsänderungen anpassbar ist129. Allerdings ist das Wortlautargument allein noch wenig stichhaltig, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die kommunale Selbstverwaltung durch die in Art. 1 GG und Art. 20 GG genannten unveränderbaren Grundsätze mit geschützt ist. Demnach könnte die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Ewigkeitsschutz durch das Demokratie-, Bundesstaats-, Rechtsstaats- oder Sozialstaatsprinzip sowie die Menschenwürdegarantie in Art. 1 I GG genießen. 1. Ewigkeitsschutz durch das Demokratieprinzip Der verfassungsrechtliche Begriff der Demokratie ist in den demokratiestaatlichen Einzelregelungen des Grundgesetzes näher bestimmt und geht von einem demokratischen Aufbau des Staates und der kommunalen Selbstverwaltung aus130. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 II GG könnte Bestandteil des Demokratieprinzips sein und somit zumindest teilweise dem Schutz der Ewigkeitsgarantie unterliegen. Insofern ist der in Art. 20 GG genannte Grundsatz des Demokratieprinzips auf seinen Inhalt dahin gehend zu untersuchen, ob die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zumindest in Teilen noch dazu zu zählen ist und ob er vom Verfassungsänderungsschutz des Art. 79 III GG partizipiert. a) Die Bestandteile des Demokratieprinzips und die Beziehungen zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Grundbegriff und Bezugssubjekt der demokratischen Legitimation ist stets das Volk, von dem die Staatsgewalt ausgehen muss und auf das es zurückzuführen ist131. Das Volk ist Ausgangspunkt demokratischer Legitimation unabhängig von der Form, in der es in Erscheinung tritt132. Nach überwiegender Ansicht kann damit nur das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland gemeint sein, das heißt, die Gesamtheit der Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit und die nach Art. 116 I GG gleichgestellten Personen133. 129  W. Müller, Entscheidungen des Grundgesetzes, 1992, S.  96 (m.  w.  N. in Fn. 144). 130  C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 53. 131  Zur Herleitung des Demokratieprinzips und der Volkssouveränität siehe: 2. Teil § 4 B. II. 1, S. 291 f. 132  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 26; H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn. 94. 133  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn. 94; ebenso E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004,

328   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Während das Staatsvolk und seine verfassungsgebende Gewalt schon in der Präambel zum Grundgesetz ausdrücklich Erwähnung finden, fehlt bezüglich seines Wirkungs- und Geltungsraums eine entsprechende unmittelbare Formulierung134. Zumindest lässt sich aus Art. 29 GG entnehmen, dass das Bundesgebiet eine vom Bestand der einzelnen Länder unabhängige, geschlossene Fläche ist135. Die darin enthaltenen Länder können zugunsten leistungsfähigerer Länder grundsätzlich neu gegliedert werden. In Art. 30 GG werden diese territorialen Zuteilungen mit entsprechender Hoheitsgewalt in Beziehung gesetzt. Demnach sind die Länder für staatliche Aufgaben allgemein soweit zuständig, wie sich für den Bund keine speziellere Zuständigkeit ergibt136. Entsprechend sind Bund und Länder rechtlich selbstständige Gebietskörperschaften mit Staatsqualität, denen Staatsvolk und Staatsgebiet partiell gemeinsam sind, während die Staatsgewalt getrennt nebeneinander auf beiden Ebenen ausgeübt wird137. Allerdings bilden nicht nur die mit staatlichen Befugnissen ausgestattete Bundesebene und die Länder nach dem Grundgesetz allein die staatliche Ordnung. Auch den Kreisen und Gemeinden kommt im demokratischen Staatsaufbau im Sinne einer „gegliederten Demokratie“138 eine besondere Bedeutung zu139. Auch die Kreise und Gemeinden müssen eine Volksvertretung haben. Diese soll gem. Art. 28 I 2 lzt. Hs. GG aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehen und somit aus den gleichen Grundsätzen wie der Gesamtstaat. Mit Art. 28 I 2 GG § 24, Rn. 27; M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 131; K.-P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 20, Rn. 148 ff.; M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, Rn. 79 ff. sehen daher auch die wechselhafte Summe der allein von der Staatsgewalt Betroffenen oder allein im Staatsgebiet lebenden Personen entsprechend nicht mit einbezogen; so aber K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 79, Rn. 77. 134  G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (1). 135  G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (1). 136  W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 30, Rn. 2, demnach wird die allgemeine Grundsatznorm des Art. 30 GG der föderativen Geschäftsverteilung ergänzt durch das Prinzip der Gewalten- und Funktionsteilung (der Gesetzgebung für den Bund in Art. 70 GG, der Ausführung von Bundesgesetzen und der Bundesverwaltung in Art. 83 GG, den Zuteilungen für die Rechtsprechung in Art. 92) sowie durch die Sondervorschriften der Finanzverfassung in Art. 104a, 105, 107 und 109 GG. 137  W. März, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 30, Rn. 9; M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, Rn. 19. 138  So erstmals G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (2); BVerfGE 52, 95 (112) nimmt darin Bezug auf das vorgenannte Werk von G. C. v. Unruh. 139  BVerfGE 83, 37 (54 f.); K.-P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 20, Rn. 183.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung329

nennt das Grundgesetz somit ausdrücklich auch die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften als Bezugspunkt für die Volkssouveränität. Insgesamt lässt sich das Staatsvolk somit im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu verschiedenen Gebietskörperschaften in unterschiedliche Bürgergruppen unterteilen. So kann zwischen Bundesbürger, hinsichtlich des Bundesgebiets, dem Landesbürger, in Beziehung zum Bundesland und dem Kommunalbürger, als Einwohner einer Kommune, unterschieden werden. Die Gebietskörperschaften und damit auch die Gebiete als „dingliche[s…] Substrat[…] dieser Gemeinwesen“ sorgen dabei für die verfassungsmäßig bestimmte Verteilung der politischen Verantwortung in Form der Gewaltenteilung und der Verteilung der Verwaltungsaufgaben auf verschiedene Ebenen140. Dadurch beziehen sich aber die eigenständigen Legitimationsformen, die die Einrichtung der kommunalen Selbstverwaltung kennzeichnen, nicht mehr auf das Staatsvolk als Ganzes141. Der personale Bezugspunkt vom Subjekt des Staatsangehörigen verschiebt sich hin zu durch Mitglieder gebildeten Allgemeinheiten142. Insofern ist fraglich, inwieweit dadurch in den Kommunen noch eine dem Demokratieprinzip vergleichbarer Legitimation zustande kommt143. Zumindest ist das kommunale Teilvolk in seiner Struktur mit dem Bundesvolk und den Landesvölkern strukturell vergleichbar: es übt ebenfalls Gebietshoheit aus, seine Zusammensetzung beruht auf der durch Wohnsitz vermittelten Zugehörigkeit und somit auf unbestimmter Allgemeinheit144 und es besitzt insoweit Allzuständigkeit, als es über die Ausübung der entsprechenden kommunalen Hoheitsbefugnisse bestimmen kann145. Den Gemeinden kommt die territoriale Herrschaftsgewalt zu, das heißt ihre örtliche Zuständigkeit erstreckt sich auf alle Personen und Sa-

140  G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (4), wobei er mit Ebenen sowohl den Instanzenzug als auch die unterschiedlichen primären Leistungskompetenzen im gegliederten Staatsgebiet meint. 141  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 31. 142  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 31. 143  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 31. 144  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 31 sieht in diesem gebietsbezogenen Merkmal den entscheidenden Unterschied zur bloßen funktionalen Selbstverwaltung, wie in den Berufskammern, in den Sozial­ versicherungsträgern oder in den Hochschulen. 145  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn. 96 (m. w. N. Fn.  287).

330   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

chen, die sich in ihrem Bereich aufhalten oder ihren Sitz dort haben146. Indem das kommunale Teilvolk an der Erledigung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im örtlichen Wirkungskreis aktiv beteiligt wird, stellt kommunale Selbstverwaltung auch ein „Stück Demokratisierung der Verwaltung“ dar147. Allerdings hat das kommunale Teilvolk nur administrative Befugnisse, wohingegen dem Bundes- und Landesvolk auch die Gesetzgebungsgewalt zukommt148. Vor allem sind kommunale Vertretungsorgane keine echten Parlamente149, sondern nur Verwaltungsorgane, so dass dadurch der eigenständig demokratischen Legitimation des Gemeinderates durch das kommunale Teilvolk Grenzen gezogen werden und er folglich den Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes wahren muss150. Dem entsprechend ist die kommunale Selbstverwaltung in die Gesetze und der zugehörigen Aufsicht eingebunden, wird aber als Selbstverwaltung qualifiziert und gehört insgesamt zur vollziehenden Gewalt151. So sind die Kommunen von ihrer Legitimation her zwar nicht rein schematisch wie die Staatsverwaltung anzusehen152, gleichwohl ist auch die kommunale Selbstverwaltung durch eine „duale Legitimation“ geprägt, in der sich parlamentsvermittelnde und originär administrative Legitimation begegnen153. Das Bundesverfassungsgericht spricht daher auch davon, dass die Gemeinden „keine beliebigen dezentralen Verwaltungsuntergliederungen, sondern selbstständige Gemeinwesen [sind], die 146  H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 4 verweist diesbezüglich auf den geltenden Grundsatz: „quidquid est in territorio, etiam est de territorio“. 147  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 32; ausführlich zur Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene: F.-L. Knemeyer, Bürgerbeteiligung, 1997. 148  B. Grzeszick/R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 57. Erg.-Lfg., Januar 2010, Art. 20, Rn. 84 (m. w. N. in Fn. 5); mit Verweis auf BVerfGE 83, 60 (75) lehnt es M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, 2010, Rn. 19 f., ausdrücklich ab, neben Bundesstaatsvolk und Landesstaatsvolk einer durch örtlichen Bezug verbundenen, gesetzlich gebildeten kleineren Gesamtheit von Staatsangehörigen Legitima­ tionskraft zuzuerkennen. 149  Dies ist allerdings umstritten, ausführlich hierzu: J.-P. Spiegel, Parlamentsrechtliche Strukturmerkmale, 2005, Rn. 31 ff. 150  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn. 128. 151  E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 32. 152  E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (381); E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 32 spricht in diesem Zusammenhang daher auch von einer „zum Staatsvolk analoge[n] Legitimationsstruktur“, unter Verweis auf BVerfGE 83, 37 (53 und 55). 153  E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (381); E.-W. Böckenförde, Demokratie, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 2004, § 24, Rn. 25; I. Gebhardt, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht, 2007, S. 26 ff.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung331

auch in der Eigenverantwortlichkeit ihrer Aufgabenerfüllung ihren Bürgern ein überzeugender Anlass für ihre lokale politisch Identifikation sein sollen“154. Insofern wird auch durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung als Teil des gegliederten Demokratiekonzepts in Deutschland eine mit dem Demokratieprinzip vergleichbare Legitimation gewährleistet. b) Ist die kommunale Selbstverwaltung ein Teil der Grundsätze des Demokratieprinzips? Es stellt sich die Frage, ob die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, mittels mit dem Demokratieprinzip vergleichbarer Legitimation, auch durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt wird. Schließlich erklärt Art. 79 III GG nur die Grundsätze der Art. 1 GG und Art. 20 GG für unabänderlich, so dass nur der substanzielle Kerngehalt des Demokratieprinzips veränderungsfest ist155. Deshalb ist entscheidend, ob die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung oder zumindest Teile davon zu den Regelungsgehalten der „Grundsätze“ und somit zum substanziellen Kerngehalt des Demokratieprinzips i. S. v. Art. 20 I GG gehören. Es ist jedoch unklar, ob Teile der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu den Grundsätzen des Demokratieprinzips gezählt werden können156 oder diese in ihrer Gesamtheit nur als dessen änderbare Konkretisierung157 anzusehen sind. aa) Contra Bestandteil der „Grundsätze“ des Demokratieprinzips Ein beträchtlicher Teil im Schrifttum lehnt es generell ab, die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu den von Art. 79 III GG als unantastbar geschützten Verfassungsteilen zu zählen158. Eine Zugehörigkeit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu den „Grundsätzen“ des Demokratieprinzips wird mit der Begründung abgelehnt, sie könne zwar als „Ausstrahlung“ der „Essentialia des demokrati154  BVerfG,

DVBl. 2003, S. 919 (921). Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 26; M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 108. 156  Zumindest K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 626 f. sieht die Selbstverwaltung ausdrücklich nicht als „Essentialia des demokratischen Prinzips“. 157  Zur notwendigen Differenzierung zwischen Leitgedanken und Konkretisierung des Demokratieprinzips: 2. Teil § 4 A. V. 2. b) cc), S. 277 ff. dieser Arbeit. 158  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 37 (m. w. N. in Fn. 180); W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 138. 155  H.

332   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

schen Prinzips“ verstanden werden, keineswegs gehöre sie aber deshalb zu seinen Bestandteilen, denn sie sei „im Lichte des historischen Verständnisses der deutschen Staatsauffassung im Bild eines demokratischen Staates, wie er ist und wie er gewachsen ist, mitgedacht, ohne dem Wesen demokratischen Staates zuzugehören“159. Zwar sei die Verwirklichung des demokratischen Prinzips auch in Gemeinden und Kreisen als ein „Stück demokratischer Lebensform“ sinnvoll, allerdings nicht substanziell160. Hierfür wird vorgebracht, dass sonst reine Einheitsstaaten oder Staaten ohne die Idee der Selbstverwaltung als nicht mehr demokratisch angesehen werden müssten161. Zwar sei Demokratie auf die tätige Anteilnahme angewiesen und dies könne sich in den Institutionen der Selbstverwaltung hervorragend verwirklichen, hieraus ergebe sich aber nicht, dass Demokratie selbst begrifflich Selbstverwaltung voraussetze162. Insofern sei es zwar erstrebenswert, dass Selbstverwaltung ihrerseits demokratisch legitimiert sei, für die Demokratie selbst sei sie aber keine Existenzvoraussetzung163. bb) Pro Bestandteil der „Grundsätze“ des Demokratieprinzips Dass die kommunale Selbstverwaltung des Art. 28 II GG zu den veränderungsfesten Grundsätzen des Art. 79 III GG zählt, wurde bisher nur vereinzelt vertreten164. Betrachtet man die historischen Wurzeln, drängt sich zumindest eine besondere Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung für das Demokra159  K.

Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 626. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 627; H. C. Röhl, Kommunalrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2013, 1. Kap., Rn. 16 sprich insofern auch von der „Doppelrolle“ der gemeinlichen Verwaltung: „Teil organisierter Staatlichkeit zwar, aber eben doch nicht in jenem engeren Sinne hierarchisch aufgebauter Entscheidungszüge, sondern als dezentralisiert-partizipative Verwaltung mit einem eigenen System demokratischer Legitimation, dass der Bürgernahe, Überschaubarkeit, Flexibilitat und Spontanitat verbunden sein soll“. 161  K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 627. 162  K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 627; generell zur Selbstverwaltung als Ausprägung des Prinzips freiheitlicher Demokratie R. Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 1984, S. 302 ff. 163  K. Stern, Staatsrecht I, 1984, S. 627. 164  Erstmals vertrat G. Seele, Der Kreis, 1991, S. 57 f. die Ansicht, dass Art. 28 II 1 GG im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht zumindest zu den integrationsfesten Staatsgrundlagenbestimmungen des Art. 20 GG zähle und insofern auch unter den Schutz der Ewigkeitsgarantie falle. W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 94 ff., rechtfertigt einen entsprechenden Schutz aufgrund der Bundesstaatlichkeit. G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (253) sieht einen Schutz unter der Bedingung legitimiert, dass man die kommunale Selbstverwaltung als dritte Säule im Staatsaufbau betrachtet. 160  K.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung333

tieprinzip in der Bundesrepublik Deutschland auf. So stellt G. C. von Unruh fest, dass die Entscheidung des Verfassungsgebers zur „ ,gegliederten Demokratie‘, zu einer Funktionsteilung des in gebietlichen Einheiten gegliederten Volkes – in Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden – […] nicht nur in der deutschen Verfassungsentwicklung, sondern auch unter den Konstitutionen der Demokratien der Erde ohne Beispiel“ ist165. Die unterste Verwaltungsebene der Kommunen im dreigliedrigen Verwaltungsaufbau der Bundesrepublik ist vor allem aus der Erfahrung aus der Geschichte ausdrücklich als Basis der Demokratie ausgewiesen, denn der Verfassungsgeber wollte mit einer dezentralen Verwaltungsebene den zentralistischen Tendenzen insbesondere während des Dritten Reiches entgegenwirken166. Dies erfolgte im Verständnis und Zutrauen der Kommunen, „Keimzelle der Demokratie und am ehesten diktaturresistent zu sein“167. Daher geht der demokratische Aufbau des Staates im Grundgesetz immer auch einher mit der kommunalen Selbstverwaltung168. Entsprechend enthalten auch einige Landesverfassungen Formulierungen, nach denen die Kommunen dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben dienen169. Es ist auch charakteristisch für die verfassungsmäßige Ordnung des Rechtsstaats der Bundesrepublik Deutschland, dass sich das Staatsvolk innerhalb des Staatsgebietes kooperativ untergliedert und dadurch für eine „vervielfältigte Demokratie“ sorgt170. Insofern wird die kommunale Selbstverwaltung auch als „(Kern-)Bestandteil des deutschen Staatsrechts“ angesehen, in der Art. 28 II GG als demokratisches Staatsaufbauprinzip eine „Staatsfundamentalnorm“ darstellt171. Die kommunale Selbstverwaltung ist daher mit einem solchen Maß an Verantwortlichkeit auszustatten, dass „den Bürgern eine wirksame Teilnah-

165  G.

C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (2). 79, 127 (149); siehe auch F.-L. Knemeyer, Kommunale Selbstverwaltung im Wandel, in: Achterberg/Krawietz/Wyduckel, 1983, S. 797 (798 f.) der die kommunale Selbstverwaltung als Abwehrstellung gegen den Staat in den entsprechende historischen Kontext des 19 Jh. setzt. 167  BVerfGE 79, 127 (149). 168  F.-L. Knemeyer, LKV 1991, S. 49 (52 f.); C. Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 1992, § 164, Rn. 53. 169  Vgl. Art. 11 IV BayVerf, Art. 3 II MVVerf. 170  G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (2). 171  M. Nierhaus, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 32 ff., zwar sieht er Art. 28 II GG nicht von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG mitumfasst, gleichwohl fordert er einen gewissen „Bestandsschutz für die kommunale Selbstverwaltung, der wegen der (demokratischen) Struktursicherungsklausel des Art. 23 I 1 GG nicht ausgehöhlt werden darf“ (Rn. 37). 166  BVerfGE

334   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

me an den Angelegenheiten des Gemeinwesens ermöglicht wird“172. Auch wenn sich eine theoretische Zuordnung des Volkes in unterschiedliche Teile entsprechend der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Gebietskörperschaften vornehmen lässt, so wirkt das Staatsvolk doch als Gesamtheit als verbindendes Element zwischen den einzelnen Ebenen. Das Volk, vom dem alle Staatsgewalt ausgeht, sorgt gleichermaßen zwischen dem Bund und den Ländern wie auch zwischen den Ländern und den Kommunen als verbindendes Element173. Mitunter wird hieraus auch abgeleitet, dass das Grundgesetz die Kommunen neben Bund und Ländern zu gleichwertigen Subjekten, als eine Art dritte Stufe der Staatsgewalt, erhoben hat174. Dies ergebe sich zum einen aus Art. 20 II 1 GG, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und sodann aus Art. 28 GG, nachdem sich die Staatsgewalt des Volkes in mehr als nur zwei Stufen organisiert habe. Da Art. 28 I 2 GG die Einrichtung von Volksvertretungen auch in Kreisen und Gemeinden garantiert, werde eine dritte kommunale Stufe konstituiert175. Außerdem dürfe Art. 28 I GG nicht allein als formale Homogenitätsklausel verstanden werden, die nur das Ziel einer Anpassung der Staatsformen der Mitglieder des Bundesstaates hat. Vielmehr garantiere Art. 28 I GG mit gleicher Intensität auch „die mehrstufig gegliederte Demokratie mit direkt gewählten Volksvertretungen auch auf der Ortsebene“176. Dabei komme den Kommunen eine integrierende Funktion zu, indem die kommunalen Vertretungskörperschaften im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten eigene Verantwortungsbereiche besitzen, die ihnen gem. Art. 28 II GG in Form der kommunalen Selbstverwaltung garantiert sind177. Genau wie das Grundgesetz die verfassungsrechtlichen Kompetenzen in Art. 70 ff. GG und Art. 83 ff. GG zwischen den zwei ersten Stufen von Bund 172  Die BVerfGE 79, 127 (150) sieht hierin vor allem eine Ergänzung dazu, dass sich der Verfassungsgeber auf Bundesebene mit unmittelbar-demokratischen Elementen zurückgehalten hat; welche Konsequenzen sich für die Reichweite der Selbstverwaltungsgarantie aus diesen demokratischen Funktionen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ergeben siehe F.-L. Knemeyer/M. Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (329). 173  G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (2). 174  So ausdrücklich G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (251), wobei er die Formulierungen dritte Säule und Stufe begrifflich unscharf mit der gleichen Bedeutung verwendet, obwohl der letztere Ausdruck ein gewisses Rangverhältnis suggeriert. Der Begriff der Säulen wäre vorzugswürdiger gewesen, da er Bund, Länder und Kommunen nach den „spheres of Government“ als nebeneinander, nicht untereinander stehend betrachtet. 175  G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (251). 176  G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (252). 177  G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (2).



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung335

und Ländern aufteile, weise Art. 28 II GG den Kommunen als dritter Stufe die Kompetenz zur eigenverantwortlichen Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze zu178. Dabei läßt sich die „politisch demokratische Funktion kommunaler Selbstverwaltung“, als Basis für die Selbstaktivierung der Bürger und ihre Engagement für das Gemeinwohl, nur verwirklichen, durch das Recht zu autonomer Wahrnehmung der gemeindlichen Angelegenheiten179. Insofern sei Art. 28 II GG im Sinne der Kommunen nicht nur als institutionelle Garantie, „sondern auch als verfassungskräftige Kompetenzzuweisung“ zu verstehen180. Die organisatorische Einflechtung der Kommunen in ein Mehrebenensystem der Gebietskörperschaften garantiert ein permanentes Spannungsverhältnis zwischen der Willensbildung des Volkes als Ganzem und seiner Teile. Dieses Verhältnis drängt zwar zu „ständigen Bemühungen des Ausgleichs“, kann dadurch aber zugleich zur Aktivierung solcher politischen Kräfte führen, die in einem zentralistisch verwalteten Staat keine Entfaltungsmöglichkeiten hätten181. Vor allem die Mitglieder der Gemeinderäte stehen mit ihren Mitbürgern zumeist in unmittelbarerem Kontakt als die Repräsentanten von Bundestag und den Länderparlamenten182. Hinzu kommt, dass der Aufbau der „Demokratie von unten nach oben“ durch die direkte Wahl der Amtsträger und insbesondere die vielfältigen Möglich­ keiten unmittelbarer Sachentscheidungen durch den Bürger auf kommunaler Ebene maßgeblich zum Leben erweckt wird183. Insofern bilden vor allem 178  G.

Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (252). Knemeyer, Kommunale Selbstverwaltung im Wandel, in: Achterberg/ Krawietz/Wyduckel, 1983, S. 797 (809 f.) weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass allein das Recht des Bürger nur an der „Umsetzung staatlicher Vorentscheidungen“ teilzunehmen, den Bürger nicht locken wird. 180  K. Waechter, Die Verwaltung 29 (1996), S. 47 (63) spricht insofern ebenfalls von einem „Verständnis des Art. 28 Abs. 2 GG als Staatsstruktur- und Kompetenzbestimmung“; ebenso G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (252 und 254). 181  G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (3) verweist aber zugleich auf die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn die Belange des Ganzen und die seiner einzelnen Teile miteinander kollidieren. Selbstverwaltung sei immer ein „vielschichtiger und komplexer Prozeß [sic!], an dem nur Staatsbürger mit Verantwortungsbewußtsein [sic!] teilnehmen können“ – kommunale Selbstverwaltung als „Demokratie im kleinen“ wäre eine „Simplifizierung der Lage“. 182  G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (3); so auch jüngst J. Käppner, Die bessere Demokratie – Die Stadt als politisches Versuchslabor, SZ 13.09.2013, der vollkommen zu Recht darauf hinweist, dass die Bürger in den Städten Demokratie aus der Nähe erleben und kommunale Politik noch konkret gestalten kann, wo nationale Regierungen machtlos wirken angesichts der Globalisierung, der Finanzkrise und grenzüberschreitenden Sachzwängen. 183  H.-M. Steigner, Amtsverfassung und Demokratieprinzip, 1997, S.  19  ff.; M. Nierhaus, in: Sachs, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 31. 179  F.-L.

336   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

die kommunalen Gebietskörperschaften in der freiheitlichen Grundordnung der deutschen Verfassung einen wesentlichen Bestandteil der Demokratie184. Dies kommt vor allem in dem von Art. 79 III GG geschützten Grundsatz des Art. 20 II GG zum Ausdruck: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Zu den in Art. 20 II 2 GG unmittelbar garantierten Organen gehören gem. Art. 28 I 2 GG auch die Volksvertretungen in den Ländern, Kreisen und Gemeinden sowie die Institutionen der kommunalen Selbstverwaltung gem. Art. 28 II GG, wodurch diese Organe und Institutionen über Art. 20 II GG auch durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt werden185. Wenn man die kommunale Selbstverwaltung als dritte Stufe im Staatsaufbau begreift und ihren über Art. 20 II GG verstärkten Schutz annimmt, dann könne sie zum substanziellen Kernbereich der verfassungsmäßigen Ordnung gezählt werden und wäre durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG gegen jegliche Verfassungsänderungen geschützt186. cc) Stellungnahme Als Fundament der gegliederten Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ist sie zumindest Bestandteil des Demokratieprinzips. Zu den unabänderlichen Bestandteilen des Art. 79 III GG i. V. m. Art. 20 GG gehört sie deshalb aber noch nicht automatisch. Vielmehr könnte die Gesamtheit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nur bloße Konkretisierung des Demokratieprinzips sein und insofern schon gar nicht zu den unabänderlichen Grundsätzen des Art. 79 III GG zählen. Ob ein Teil der kommunalen Selbstverwaltung unter den Schutz der Grundsätze des Demokratieprinzips fällt, ist anhand der Maßstäbe zur Abgrenzung zwischen dem Grundsatz und dessen Konkretisierungen zu bestimmen187. 184  Ähnlich G. C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (2), allerding beschränkt er sich auf Gebietskörperschaften allgemein, so dass er die Existenz von Kommunen im Speziellen zumindest nicht für unabdingbar halten dürfte, so lange es überhaupt verschiedene Arten von Gebietskörperschaften gibt. 185  G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (253). 186  G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (253) weist vor allem auch auf den damit verbundenen Schutz vor substanziellen Eingriffen der Europäischen Union über Art. 23 GG hin. 187  Siehe insofern die Ausführungen in 2. Teil § 4 A. V. 2. b) cc), S. 277  ff. dieser Arbeit.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung337

Setzt man als ersten Prüfungsschritt das Wirkungsspektrum der Gewährleistungen des Demokratieprinzips ins Verhältnis zur geänderten Steuerungskraft unter Annahme eines Fehlens kommunaler Selbstverwaltung, kommt man zu keinem eindeutigen Ergebnis. Denn zumindest wäre mit Wegfall der kommunalen Selbstverwaltung die Existenz der Demokratie zumindest noch nicht gefährdet. Demokratische Prozesse wären auf Landesund Bundesebene auch ohne kommunale Selbstverwaltung noch hinreichend ausgebildet, um ein hinreichendes Demokratieniveau zu gewährleisten. Gleichwohl müsste man einen erheblichen Verlust politischer Aktivierungskräfte in Kauf nehmen. Das bindende Element des „kommunalen Teilvolks“ mit seiner integrierenden Funktion zwischen Land und Kommune würde entfallen. Kommunale Selbstverwaltung ist eine vom Grundgesetz vorgesehene Beteiligung des in Teilgebiete gegliederten Volkes an der vollziehenden Gewalt und eine Schmälerung von ihr hätte zugleich Einbußen an demokratischen Wirkungsmöglichkeiten zur Folge188. Betrachtet man im zweiten Schritt eine mögliche stärkende oder abschwächende Ausprägung des Demokratieprinzips außerhalb des Art. 20 GG in einer verfassungsrechtlichen Gesamtschau so stößt man vor allem auf die Verknüpfung zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 I 2 GG. Demnach müssen Gemeinden und Kreise ausdrücklich auch eine Volksvertretung haben. Hierin wird die Rolle der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung als maßgeblicher Hort des verfassungsrechtlichen Demokratieverständnisses und des Gedankens der Volkssouveränität deutlich. Zusätzlich wird die generelle Bedeutung der kommunalen Gebietskörperschaften für die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland in Art. 115c III GG hervorgehoben. Demnach ist selbst im Verteidigungsfall „die Lebensfähigkeit der […] Gemeinden und Gemeindeverbände, insbesondere auch in finanzieller Hinsicht, zu wahren“. Der Sinn dieser Vorschrift liegt darin, im Verteidigungsfall zu verhindern, dass bezüglich der kommunalen Selbstverwaltung Entscheidungen getroffen werden, die eine „unumkehrbare und unwiderrufliche Entwicklung in Richtung auf einen unitarischen Staat in Gang setzen“ und „insbesondere auch dem Art. 79 III GG und der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung“ entgegenwirken189. Mit dieser normativen Ausbildung wird das Zusammenspiel von Demokratieprinzip und kommunaler Selbstverwaltung nochmals verstärkt hervorgehoben. So soll die kommunale Selbstverwaltung im Verteidigungsfall als Garant für den Erhalt der fundamentalen Verfassungsnor188  G.

C. v. Unruh, DVBl 1975, S. 1 (2). Herzog, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Grundwerk, 67. Erg.-Lfg., Art. 115c, S. 59. 189  R.

338   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

men dienen. Insofern kommt auch hier der das Demokratieprinzip verstärkende Charakter der kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck. Fraglich ist, inwiefern Art. 28 II GG selbst als Ausprägung des Demokratieprinzips angesehen werden kann. Schließlich wird den Gemeinden durch die „Kernbereichs-Randbereichstheorie“ ein Aufgabenpool zugesichert, der nur unter bestimmten Voraussetzungen abänderbar ist. Mit dem Kernbereich wird den Kommunen sogar ein Mindestmaß unantastbarer freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben zugesichert. Entsprechend sind im Kernbereich solche Regelungen verboten, durch die „eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken würde“190. Der Kernbereich und somit ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sichert den Kommunen einen Bereich eigener Entscheidungshoheit. Mit der verfassungsrechtlichen Garantie des „Kernbereichs“ wird den Kommunen ein quasi basisdemokratischer Anteil verfassungsrechtlich zugesichert, der auch unter die Grundsätze des Demokratieprinzips fallen könnte. Allerdings ist bei der Analyse der durch die kommunale Selbstverwaltung verstärkten Ausprägung des Demokratieprinzips zu bedenken, dass man sich verstärkt dem Risiko judikativer Rechtsfortbildung aussetzt. Der verfassungsgerichtlichen Judikatur ist es aber gerade versagt, die Schranken der verfassungsändernden Gewalt in Art. 79 III GG fortzubilden, da sonst die Entwicklungsoffenheit des Grundgesetzes zu Lasten des verfassungsändernden Gesetzgebers beschnitten werden würde191. Insbesondere ist es der verfassungsgerichtlichen Judikatur versagt, die Schranken der Ewigkeitsgarantie zu Lasten des verfassungsändernden Gesetzgebers in der Weise fortzubilden, dass die in Art. 1 GG und Art. 20 GG genannten Grundsätze mit anderen Normenkomplexen verbunden werden192. Die Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltung durch die Kernbereichs-Randbereichstheorie ist aber gerade Ergebnis langjähriger Verfassungsgerichtsrechtsprechung193. Insofern wäre es unter dem Aspekt der Gewaltenteilung verfassungswidrig, einen auf den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung beschränkten Schutz vor Verfassungsänderungen als vermeintlichen Bestandteil der Grundsätze des Demokratieprinzips anzunehmen. Hier greift als maßgebliche Grenze der Verfassungsinterpretation, dass gerade bei grundsatzkonformer Auslegung und Art. 79 III GG immer höchste Zurückhaltung zugunsten des 190  BVerfGE

91, 228 (239). Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 79. 192  M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 79, bezog sich dabei exemplarisch auf die Herleitung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 I und Art. 2 I GG. 193  Insofern bereits die Ausführungen: 1. Teil § 2 A. IV., S. 97 ff. dieser Arbeit. 191  M.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung339

Abb. 12: Fehlender Schutz der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG

Willens des verfassungsändernden Gesetzgebers geboten ist. Aufgrund der funktionell-rechtlichen Grenzen der Verfassungsinterpretation194 darf sich das Bundesverfassungsgericht eben nicht zum authentischen Interpreten der Verfassung oder sogar zum anteiligen Verfassungsgesetzgeber aufschwingen. Allein der Gesetzgeber hat als Erstinterpret die Verfassung inhaltlich mit entsprechendem Gestaltungsspielraum zu konkretisieren, während das Verfassungsgericht diesen Auftrag des Gesetzgebers zu achten hat und in seiner Rechtsprechung an den Inhalt dieses Verfassungsrechts gebunden ist195. Daher ist die Annahme eines verfassungsänderungsfesten Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung zumindest solange versperrt, solange sich der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht dazu entschließt, einen klar umgrenzten Kernbereich unter den Schutz der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in der Verfassung, mit größerer normativer Deutlichkeit zu verankern.

194  Vgl. 195  Vgl.

die Ausführungen: 2. Teil § 4 A. IV., S. 260 ff. dieser Arbeit. die Ausführungen im 2. Teil § 4 A. III. 1. b), S. 255 ff. dieser Arbeit.

340   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

2. Ewigkeitsschutz durch das Bundesstaatsprinzip Während Art. 79 III GG bezüglich der anderen Revisionsverbote pauschal auf die in Art. 1 GG und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze verweist, ist in Absatz 3 erster Hs. für das Bundesstaatsprinzip eine Spezialregelung eingefügt196. Demnach gehören zur unabänderlichen Bundesstaatlichkeit „die Gliederung des Bundes in Länder“ und „die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“. Der Wortlaut des Art. 79 III GG lässt vermuten, dass die Grundsätze des Bundesstaatsprinzip nichts anderes umfassen als die dort ausdrücklich geschützten Formulierungen. Zusätzlich enthält aber auch Art. 20 I GG noch die Formulierung, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Bundesstaat ist. Es ist umstritten, ob sich aus dieser nochmaligen Erwähnung des Bundesstaats ein weitergehendes Änderungsverbot herleiten lässt197. Der revisionsfeste Kern der Bundesstaatlichkeit nach Art. 79 III erster Hs. GG umfasst zumindest dem Wortlaut nach nicht die kommunale Selbstverwaltung, denn hier ist ausdrücklich nur von Bund und Ländern die Rede198. Allerdings könnte sich aus dem materiellen Gehalt des änderungsfesten, durch Art. 79 III GG umrissenen Bundesstaatskern, noch etwas Anderes ergeben. Die in Art. 28 II 1 GG geschützte kommunale Selbstverwaltung könnte zum „Hausgut“ der Länderrechte zählen oder sonst wesensnotwendig mit der Bundesstaatlichkeit verbunden sein199. Man könnte das Bundesstaatsprinzip derart weitläufig verstehen, dass es das gesamte Grundgesetz durchziehe und somit auch die Gliederung in selbstständige kommunale Gebietskörperschaften schütze200. Allerdings schützt Art. 79 III GG nicht pauschal ein föderatives Prinzip, das das ganze 196  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 112 (m.  w. N. in Fn. 252). 197  Gegen einen weitergehenden Schutz der Bundesstaatlichkeit in Art. 20 GG: W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 112. Für ein weitergehendes Änderungsverbot hingegen: H. Trost, Änderungen des Grundgesetzes, 1963, S. 303; H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 21; M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 87; M. Sachs, in: ders., GG Kommentar, 2011, Art. 79, Rn. 62. 198  Zu pauschal erklärt insofern G. Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, S. 249 (252), dass die Bundesstaatlichkeit nur nicht in der Lage sei, zum Ausdruck zu bringen, dass mit der kommunalen Selbstverwaltung noch eine dritte Stufe im Staatsaufbau existiere. 199  So die Ausgangsthese von W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 114 ff., der anschließend einen revisionsfesten Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, aus der Bundesstaatlichkeit des Art. 79 III GG, ableitet. 200  These von J. Laux, Bedeutung und Inhalt der Grenzen der Grundgesetzänderung, 1956, S. 160 f., allerdings lehnt er diese Annahme selbst ab.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung341

Grundgesetz durchziehe, sondern nur die dort konkret vorgesehenen bundesstaatlichen Elemente201. Das Bundesstaatsprinzip verlangt eben nur eine föderalistische Gliederung in Bund und Länder. Obwohl im konkreten deutschen Bundesstaat die kommunale Selbstverwaltung eine bedeutende Funktion einnimmt, ist im Kern nur das Bund-Länder-Verhältnis geschützt202. Der Schutz der Länder meint dabei vor allem deren Grundsubstanz an Eigenstaatlichkeit203. Allein aus der Tatsache, dass Art. 28 GG im Grundgesetzabschnitt II „Der Bund und die Länder“ geregelt ist, ergibt sich wie für eine Reihe anderer Vorschriften auch noch keine Unabänderlichkeit204. Insofern ist auch der Bestand des Bundesstaatsprinzips ebenso wie der des Demokratieprinzips nicht auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung angewiesen. Vielmehr kann der Bundesstaat seine Aufgaben auch ohne die Unterstützung der kommunalen Selbstverwaltung erfüllen. Daher trifft die Aussage W. Müllers zu: die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist dem „Bundesstaatsgrundsatz nicht wesensnotwendig immanent“205. Fraglich ist allerdings die weitergehende Annahme W. Müllers, dass der völlig ersatzlose Entzug des Gemeindeverfassungsrecht,206 als Bestandteil der ausschließlichen Länderkompetenz unter quantitativen, qualitativen, historischen und funktionalen Aspekten einen bedeutenden Bestand an Gesetzgebungskompetenz der Länder nehmen und dadurch die Grenzen des Art. 79 III GG verletzen würde207. Zwar würde man, durch den Wegfall der Institution der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung oder durch einen gleichgewichtigen Eingriff in deren Kernbereich, die Basis der Gemeindeverfassungskompetenz und damit einen wesentlichen Teil der Landeskompetenz entziehen, gleichwohl müsste es sich bei diesem auch um einen wesentlichen Aspekt des Bundesstaates handeln208. 201  W.

Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 115. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 115. 203  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 48 zählt hierzu die Verfassungsautonomie bzw. -hoheit und einen gewissen Bestand an Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungsgkompetenzen sowie eigene Einnahmequellen. 204  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 115. 205  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 115. 206  Gemeint sind damit die Gemeindeordnungen der Länder, beispielsweise: BWGemO, GVBl. 2000 S. 582; BayGO, GVBl. 1998, S. 796. Zusammen mit den Landkreisordnungen werden die Gemeindeverfassungen mitunter auch Kommunalverfassung genannt, beispielsweise: BbgKVerf, GVBl. 2007, S. 286; KV MV, GVOBl. 2011, S. 777; NKomVG, GVBl. 2010, S. 576. Zu den Gemeindeverfassungen zählt auch das Saarländische Kommunalselbstverwaltungsgesetz: SaarlKSVG, Amtsbl. 1997, S. 682. 207  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 122 (m.  w. N. in Fn. 323) und S. 130. 202  W.

342   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Es erscheint als nicht zwingend, dass der Entzug des Gemeindeverfassungsrechts die Länderkompetenzen dermaßen beschneidet, dass die Bundesstaatlichkeit i. S. v. Art. 79 III GG unzulässig „berührt“ wird. Vielmehr sind trotz der Einbeziehung der Gliederung der Länder in Gemeinden im Zuge der Bundesstaatlichkeit nach innen zentralistisch auftretenden Gliedstaaten nicht verboten209. Etwas inkonsequent, aber zu Recht relativiert W. Müller daher auch seine eigenen Ausführungen, indem er feststellt, dass das Gemeindeverfassungsrecht nur eine „relative Grenze“ darstellt und „nicht von Haus aus wesensnotwendig mit den Ländern im Bundesstaat verschmolzen [ist], sondern […] als Landesgesetzgebungskompetenz vom Bestand anderer Kompetenzen“ abhängt210. Insofern kann das Gemeindeverfassungsrecht auch durch einen gleichwertigen Ausgleich ersetzt werden. Damit ist es aber schon nicht mehr essentieller Bestandteil des Bundesstaatsprinzips, sondern nur eine Form der Konkretisierung desselben. Die Konkretisierungen, die die in Art. 1, 20 und 79 III GG enthaltenen Grundsätze erfahren haben, werden von der Ewigkeitsgarantie aber gerade nicht erfasst und unterliegen insofern auch nicht den materiellen Schranken einer Verfassungsänderung211. Zwar untersagt das Bundesstaatsprinzip i. S. v. Art. 79 III GG Verfassungsänderungen, die einen Verlust der Länderstaatlichkeit zur Folge haben, die Möglichkeit einer „Beseitigung beziehungsweise existentielle [sic!] Beeinträchtigung der gemeindlichen Selbstverwaltung“ ist deshalb aber noch nicht ausgeschlossen212. Die Bundesstaatlichkeit verlangt für ihren Bestand eben keine Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, deshalb könne Art. 28 II 1 GG auch „nicht um seiner selbst willen direkt von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt“ sein213. Die vermeintliche „Ausstrahlwirkung […] nach Art. 79 Abs. 3 GG“ ist tatsächlich nichts anderes als die Konkretisierung der Bundesstaatlichkeit, die sich mit der Landeskompetenz in 208

208  Hiervon geht W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 125 zu pauschal aus. 209  So inkonsequenter Weise die Argumentation von W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 115 selbst. 210  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 123 f. 211  Siehe insofern bereits die Ausführungen: 2. Teil § 4 A. V. 2. b) cc), S. 277 ff. dieser Arbeit. 212  Mit diesem nicht zwingenden Rückschluss argumentiert aber W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 125, wenn kein äquivalenter Ersatz für die Gemeindeverfassungskompetenz geschaffen wird. 213  Diese Auffassung nach W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 130 ist in dieser Form noch vertrerbar. Allerdings ist seine Ableitung, des Erfordernisses eines Schutzes des Art. 28 II 1 GG durch Art. 79 III GG, „um die inhaltliche Anreicherung der Gemeindeverfassungskompetenz den für die Erhaltung der Länderstaatlichkeit notwendigen Mindestbestand an Gesetzgebungskompetenzen zu garantieren“, inkonsistent.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung343

Form des Gemeindeverfassungsrechts niederschlägt, ohne dass die dadurch betroffene Garantie der kommunalen Selbstverwaltung vor Verfassungsänderungen geschützt wäre214. Daher lässt sich aus den Gewährleistungen des Bundesstaatsprinzips kein Schutz vor Verfassungsänderungen für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung entnehmen. 3. Ewigkeitsschutz durch das Rechtsstaatsprinzip Zwar wird der Begriff des „Rechtsstaats“ in Art. 20 GG nicht ausdrücklich genannt, gleichwohl sind in Art. 20 II, III GG wesentliche Elemente des Rechtsstaatsprinzips normiert215. Demnach wird zumindest die Gewaltenteilung in Art. 20 II 2 GG, die Bindung der Gewalten an die verfassungsmäßige Ordnung sowie Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes als Teil des Rechtsstaatsprinzips durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt216. Hervorzuheben ist das Prinzip der Gewaltenteilung in drei Gewalten nach Art. 20 II 2 GG, wonach die Staatsgewalt „durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“ wird. Dabei schützt Art. 20 II 2 GG nur die klassische horizontale Gewaltenteilung in Judikative, Exekutive und Legislative217, nicht hingegen das gesamte, vom Grundgesetz begründete übergreifende System der Balance der Gewalten218. Die kommunale Selbstverwaltung erfüllt diverse Funktionen im Rechtsstaat, indem sie durch Vervielfältigung der Machtträger als wichtiges Instrument der vertikalen Gewaltenteilung dient219. Insbesondere sorgt die Verankerung der Gemeinden als Selbstverwaltungskörperschaften innerhalb der Verwaltung für institutionelle Gegengewichte gegenüber der Zentralisierung und Hierarchisierung der Staatsgewalt220. Der dadurch vervielfältigte 214  So aber ausdrücklich W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 134 f.; anderer Auffassung ebenfalls: J. Harbich, Bundesstaat und seine Unantastbarkeit, 1965, S. 140; A. Faber, DVBl 1991, S. 1126 (1132). 215  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 49. 216  BVerfGE 30, 1 (24 f.) mit Sondervotum S. 33 ff. (40); H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 50 ff. 217  B. Grzeszick/R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 57. Erg.-Lfg., Januar 2010, Art. 20, Rn. 18 und 37. 218  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1995, S. 189 und 194 f. 219  J. Laux, Bedeutung und Inhalt der Grenzen der Grundgesetzänderung, 1956, S. 83; W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 143. 220  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Demokratie), Rn. 79.

344   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Rechtsstaat ist geradezu charakteristisch für den im Grundgesetz artikulierten Rechtsstaat. Allerdings ergibt sich aus den änderungsfesten Grundsätzen des Rechtsstaates in Art. 20 II und III GG kein Schutz zugunsten des Art. 28 II GG221. Denn Art. 20 II 2 GG schützt nicht das ganze Gewaltenteilungssystem des Grundgesetzes, zu denen die vertikale Gewaltenteilung durch die gemeindliche Selbstverwaltung zu zählen ist, sondern nur die klassische, horizontale Dreiteilung der Gewalten. Auch wenn die kommunale Selbstverwaltung zur vollziehenden Gewalt gehört, so ist die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Gewalt für Art. 79 III GG ohne Bedeutung. Insofern muss auch die vollziehende Gewalt aus rechtsstaatlichen, gewaltenteilenden Erwägungen nicht in Form der kommunalen Selbstverwaltung ausgestaltet sein222. Vor allem ist die kommunale Selbstverwaltung auch nicht unverzichtbar für die Existenz des Rechtsstaates und selbst bei deren Abschaffung wäre noch eine hinreichend funktionierende Gewaltenteilung und ein ausreichendes Maß an Rechtsstaatlichkeit gewährleistet223. 4. Ewigkeitsschutz durch das Sozialstaatsprinzip Mit der Formulierung „sozialer“ Staat in Art. 20 I GG ist das Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz verankert224. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet als Staatszielbestimmung sämtliche Staatsorgane, ohne dass es ein grundsätzlich subjektives Recht, das heißt, einklagbaren Anspruch, gewährt225. Als wesentliche Grundelemente enthält das Sozialstaatsprinzip die Forderungen nach sozialer Sicherheit und des sozialen Ausgleichs226. Dabei sind die Konkretisierungen des Sozialstaatsprinzips durch Unterziele keine statische Größe, sondern vielmehr ein sich entwickelnder, zukunftsoffener Begriff227. Die genauere Bestimmung des Sozialstaatsprinzips muss im Hinauch W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 143. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 143. 223  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 143 f. 224  K.-P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 20, Rn. 98. 225  K.-P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 20, Rn. 103. 226  K.-P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 20, Rn. 104 weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ zur Bestimmung des materiellen Gehalts des Sozialstaatsprinzips hingegen nicht weiterhilft, da Gerechtigkeitskonzepte immer dem subjektiven Einfluss unterliegen. 227  K.-P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 20, Rn. 106. 221  So 222  W.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung345

blick auf die übrigen materiellen Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere durch die schon begriffliche Verknüpfung mit dem sozialen „Rechtsstaat“, im Wege der praktischen Konkordanz erfolgen228. Insofern sind prinzipiell „das Extrem des Nachtwächterstaates auf der einen und das Extrem des Wohlfahrts- oder Versorgungsstaates auf der anderen Seite“ ausgeschlossen229. Der soziale Rechtsstaat kann zumindest als ein Staat definiert werden, der vor allem aktiv für eine Verbesserung der Freiheitsbetätigung seiner Bürger sorgt, insbesondere durch Befreiung von wirtschaftlichen Notlagen, der Gewährleistung der Daseinsvorsorge, der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und der Förderung von Chancengleichheit230. In der Umsetzung dieses Gestaltungsauftrages wird dem Gesetzgeber im Einzelnen ein weiter Gestaltungsspielraum belassen231. Ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ergibt sich letztlich bereits aus der sich konjunkturbedingt verändernden finanziellen Leistungsfähigkeit des Staates232. Da das Sozialstaatsprinzip von der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber abhängt, schützt die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG lediglich die dem Sozialstaatsprinzip innewohnenden Grundelemente wie mitmenschliche Solidarität, die Vor- und Fürsorge und den Schutz sozial Schwacher233. Art. 79 III GG schützt vor eklatanten Verletzungen dieser Grundelemente234 und solchen Veränderungen, die den Sozialstaat im Mark treffen würden, so dass er gleichsam zusammenfiele235. Auch die kommunale Selbstverwaltung enthält eine sozialstaatliche Komponente236. Die Kommunen erfüllen insbesondere mit der Gewährleistung der Daseinsvorsorge237 und der Herstellung menschenwürdiger Lebensbe228  R. Gröschner, in: Dreier, GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 18; K.-P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 20, Rn. 107. 229  R. Gröschner, in: Dreier, GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 18. 230  R. Gröschner, in: Dreier, GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 20 (Sozialstaat), Rn.  37 ff.; K. P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 20, Rn. 112. 231  BVerfGE 22, 180 (204); 59, 231 (263); 82, 60 (81); 103, 271 (288). 232  K.-P. Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 20, Rn. 116. 233  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 46. 234  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 46. 235  J. Laux, Bedeutung und Inhalt der Grenzen der Grundgesetzänderung, 1956, S. 100. 236  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 145. 237  Zur Problematik der geringen Konturenschärfe des Begriffs der Daseinsvorsorge und der Betätigungsfelder im Einzelnen, vgl. P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art. 28, Rn. 207 ff.

346   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

dingungen eine sozialstaatliche Funktion238. Allerdings ist die kommunale Selbstverwaltung keine unabdingbare, wesensnotwendige Voraussetzung für die Existenz des Sozialstaates239. Die sich aus dem Sozialstaatsprinzip ergebenden Aufgaben müssen nicht zwingend durch die eigenständigen Kommunen, sondern könnten vielmehr auch durch eingegliederte, abhängige staatliche Verwaltungseinheiten erbracht werden240. Das Sozialstaatsprinzip lässt gerade offen, „Wie“ die sozialstaatlichen Probleme bewältigt werden und legt sich nicht auf die gegenwärtige Form fest, sondern erlaubt auch andere Wege wie zentralistische Sozialverwaltung241. Daher ist die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht durch die Ewigkeitsgarantie des Sozialstaatsprinzips gem. Art. 79 III GG i. V. m. Art. 20 I GG geschützt. 5. Ewigkeitsschutz durch die in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze Art. 79 III GG verweist außerdem auf die in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze. Dazu zählen neben dem Bekenntnis zu den Menschenrechten in Art. 1 II GG und der Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt in Art. 1 III GG vor allem die Garantie der Menschenwürde in Art. 1 I GG. Letztere steht im Zentrum der in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze und hat derart fundamentalen Charakter, dass sie zweifelslos unter die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG fällt242. Vor allem gibt es für die Menschenwürde keine getrennten oder gestuften Schutzzonen und ihr Inhalt ist deckungsgleich mit ihren Grundsätzen243. Dies bedarf einerseits einer restriktiven Auslegung des Grundsatzes von der Menschenwürde, andererseits sind die mannigfaltigen Ausprägungen des Menschenwürdeansatzes, vor allem die Kombinationen mit anderen Grundrechten und Verfassungsgütern, vom Schutz des Art. 79 III GG ausgeschlossen244. 238  W.

Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 145. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 145 f. 240  R. Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 1984, S. 326. 241  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 146. 242  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 27. 243  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 27 (m. w. N. in Fn. 89). 244  Dies ist allerdings umstritten: Für eine Ausweitung des Ewigkeitsschutz plädiert G. Dürig, in: Maunz/Dürig, Erstbearbeitung, 1958, Art. 1, S. 8 und 81; da auch Grundrechte mit ihrem „Menschenwürdegehalt“ vermittels Art. 1 I GG unantastbar seien; so auch H. Maurer, JZ 1999, S. 689 (693), allerdings mit dem Hinweis, dass „das Widerstandsrecht keine Billigware“ sei und „nur als ultima ratio in Betracht“ komme. Nach anderer Auffassung ist der Ewigkeitsschutz auf Art. 1 GG beschränkt: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 1. Band, 2013, Art. 1, Rn. 162 (m. w. N.); selbst M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 52. Erg.-Lfg., Mai 2008, Art. 79, Rn. 10, Art. 1, Rn. 22 und 26 lehnt im gleichnamigen Kommentar G. Dürigs Bin239  W.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung347

Zumindest ist der Grundgedanke, auf dem die Würde eines jeden Menschen fußt, seine prinzipielle Fähigkeit zur Selbstbestimmung – zur Autonomie245. Betrachtet man die Menschenwürde unter kollektiven Aspekten, so stellt der Gedanke der personellen Autonomie die Beziehung der Menschenwürde zur Demokratie her246. Insofern ist das staatliche Willens- und Entscheidungsbild des Einzelnen, wie es der Demokratie zugrunde liegt, bereits in Art. 1 I GG angelegt. Hieraus ergibt sich für die kommunale Selbstverwaltung auch ein Bezugspunkt zu Art. 1 I GG. Denn in einer Rechtsordnung, die die Würde des einzelnen Menschen und seine Autonomie zum Ziel hat, kann die kommunale Selbstverwaltung helfen, dieses Ziel zu verwirklichen247. Die Kommunen wirken durch die eigenverantwortliche Selbstverwaltung bei der Gestaltung der tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für eine menschenwürdige Entfaltung der Grundrechte mit248. Zudem verstärken sie die Möglichkeit des Einzelnen, seine autonome Willensentscheidung, als unmittelbarer Ausfluss der Menschenwürde bereits auf kommunaler Ebene einzubringen. Allerdings erstreckt sich dadurch noch nicht der durch Art. 79 III GG gewährleistete Ewigkeitsschutz des Art. 1 GG auch auf die kommunale Selbstverwaltung. Die kommunale Selbstverwaltung steht zur Menschenwürde nicht in einem solchen unmittelbaren Zusammenhang, dass der Beseitigung der kommunalen Selbstverwaltung zur Verletzung der Menschenwürde führen würde249. Selbst wenn man den wesensimmanenten „Menschenwürdegehalt“ von Grundrechten annehmen würde, so handelt es sich bei der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung weder um ein Grundrecht noch um ein Menschenrecht, das sich durch seine spezifische Beziehung zur Menschenwürde auszeichnet250. Die bloße Unterstützungsleistung der Kommunen bei der Grundrechtsverwirklichung ist nicht ausreichend und die kommunale Selbstverwaltung ist nicht zwingend notwendig für die dung des verfassungsändernden Gesetzgebers an die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG ausdrücklich ab, da schon gar nicht alle Grundrechte einen Menschenwürdegehalt haben und im Übrigen dieser regelmäßig hinter dem Wesensgehalt zurückbleibe; so auch M. Sachs, in: ders., GG Kommentar, 2011, Art. 79, Rn. 51. 245  K.-E. Hain, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2.  Band, 2010, Art.  79, Rn.  60 (m. w. N.). 246  P. Häberle, Die Menschenwürde, in: Isensee/Kirchhof, HStR I, 1995, § 20, Rn.  67 ff.; A. Podlech, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, AK-GG, 1. Band, Grundwerk, 2001, Art. 1 Abs. 1, Rn. 16: „Würde ist Bedingung der Demokratie“. 247  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 147. 248  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 147. 249  U. Heering, zulässige staatliche Einflussnahme, 1969, S. 54. 250  W. Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 147 (m. w. N.).

348   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Grundrechtsausübung251. Nicht allen Verfassungsnormen, die nur irgendeinen Bezugspunkt zur Menschenwürde haben, wird dadurch schon der Schutz der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG zu Teil. Da Art. 79 III GG nur die essenziellen Grundsätze schützt, würde ansonsten die unveränderbare Ewigkeitsgarantie zu Lasten des verfassungsändernden Gesetzgebers ausgeweitet werden und die Verfassung wäre einer sachgerechten Weiterentwicklung entzogen. Insofern vermittelt auch Art. 1 GG keinen Ewigkeitsschutz des Art. 79 III GG für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. 6. Ewigkeitsschutz der kommunalen Selbstverwaltung im internationalen Rechtsvergleich Die Kommunen als Element im Verwaltungsaufbau stellen im internationalen Vergleich eine Besonderheit dar. Insbesondere die deutschen Regelungen zur Finanzhoheit und zu den Finanzgarantien sind ein Sonderfall252. Am ehesten wird die Selbstverwaltung der Kommunen als subjektives Recht wie als Institution noch in Österreich (Art. 118 der Verfassung)253 und der Schweiz254 garantiert. Absicherungen der kommunalen Selbstverwaltung finden sich zudem in Spanien (Art. 137 der Verfassung), Portugal (Art. 237  ff. der Verfassung), den skandinavischen Ländern, Polen und Tschechien255. In Frankreich (Art. 72 II der Verfassung) und Dänemark (§ 82 der Verfassung) ist zwar geregelt, dass Gemeinden existieren, jedoch kommt ihnen hier nur der Status von Verwaltungseinheiten zu256. Außerhalb Europas kommt der kommunalen Selbstverwaltung vor allem in Japan, Südkorea und den USA eine stärkere Rolle zu257. 251  W.

Müller, Entscheidungen des Grundgsgesetzes, 1992, S. 148. Seele, Der Kreis, 1991, S. 58 und 327 f. verweist darauf, dass die kommunale Selbstverwaltung in fast allen europäischen Staaten eine wesentlich schwächere Stellung als nach dem Grundgesetz hat; ausführlich hierzu: T. Marauhn, Selbstverwaltungsrechte und aufgabenangemessene Finanzausstattung kommunaler Gebietskörperschaften in Europa, in: Hoffmann/Kromberg/Roth/Wiegand, 1996, S.  71 (82 ff.). 253  Ausführlich hierzu: J. Schmid, Stellung der österreichischen Gemeinden, 2006. 254  Zu der Regelung im Detail siehe H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 44. 255  Zu den Regelungen im Detail siehe H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 46. 256  S. Hobe/D. Biehl/N. Schroeter, DÖV 2003, S. 803 (806). 257  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 47; zur Entwicklung der kommunalen Selbtsverwaltung beispielsweise in Japan: K. Shigeo/ F.-L. Knemeyer, DÖV 1990, S. 98. 252  G.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung349

Eine verfassungsrechtliche Verankerung der Ewigkeitsklausel ist vor allem den älteren Verfassungsstaaten zumeist fremd258. In der Schweiz, Österreich und Japan bestehen zumindest theoretische Überlegungen, materielle Schranken der Verfassungsrevision anzuerkennen259. Das Meinungsspektrum zur Unantastbarkeit erstreckt sich dabei vom Schutz von Föderalismus und Demokratie bis hin zum Schutz ganzer Grundrechtskataloge, des zwingenden Völkerrechts und des Pazifismus260. Eine ausdrückliche Unabänderlichkeit der kommunalen Selbstverwaltung ist diesen Revisionsverboten aber nicht zu entnehmen. Einen außergewöhnlich weiten Revisionsschutz und damit verbundenen besonderen Schutz der kommunalen Selbstverwaltung sieht hingegen die Verfassung Portugals vor. Gem. Art. 288 lit. h) der Verfassung Portugals ist nicht nur die Wahl der örtlichen Gemeinschaftsgewalt ausdrücklich revi­ sionsfest, sondern nach Art. 288 lit. n) muss „die Selbstständigkeit der örtlichen Selbstverwaltungskörperschaften“ an sich bei Verfassungsänderungen ausdrücklich unberührt bleiben. Dadurch können in Portugal die örtlichen Selbstverwaltungskörperschaften selbst durch eine Verfassungsänderung nicht mehr abgeschafft werden. Somit ergibt sich im internationalen Rechtsvergleich für die verfassungsrechtliche Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung und deren Schutz vor Verfassungsänderungen ein sehr heterogenes Bild. Obwohl die kommunale Selbstverwaltung auch in anderen Staaten noch vereinzelt verfassungsrechtlich verankert ist, stellen Verfassungsänderungsverbote eher die Ausnahme dar. Insbesondere ist für die kommunale Selbstverwaltung kein gesonderter Schutz vor Verfassungsänderungen ersichtlich. Lediglich Portugal geht hier einen Sonderweg und hat den Schutz der kommunalen Selbstverwaltung vor Verfassungsänderungen ausdrücklich in der Verfassung genannt. Der Sonderweg der Verfassungsrevisionsklausel in Portugal spricht dafür, dass der Ewigkeitsschutz der kommunalen Selbstverwaltung vielmehr einer ausdrücklichen Klausel bedarf. Obwohl die deutsche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, insbesondere ihre Finanzhoheit und die Finanz­ garantien, einen Sonderfall darstellt, existiert im Grundgesetz aber keine der portugiesischen Verfassung entsprechende ausdrückliche Formulierung, aus der sich ein vergleichbarer Ewigkeitsschutz der kommunalen Selbstverwaltung ergibt. 258  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 12, demnach gab es zum Beispiel in den USA gleichwohl immer wieder Stimmen, die der verfassungsändernden Gewalt Grenzen ziehen wollten, ohne dass sich diese Meinungen bisher durchgesetzt haben. 259  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 12. 260  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 79, Rn. 12.

350   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

7. Zwischenergebnis Nach Überprüfung der Schutzgehalte der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG auch im internationalen Rechtsvergleich kommt man zu dem Schluss, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht verfassungsänderungsfest ist. Zwar entfalten vor allem die Staatszielbestimmungen des Art. 20 GG und die Menschenwürdegarantie des Art. 1 I GG eine gewisse Ausstrahlwirkung für die kommunale Selbstverwaltung, die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gehört dadurch aber noch nicht zu den von Art. 79 III GG geschützten Bestandteilen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG einer restriktiven Auslegung unterliegen muss, um nicht die Entwicklungsoffenheit des Grundgesetzes und den für eine Demokratie erforderlichen Gestaltungsspielraum des verfassungsändernden Gesetzgebers zu blockieren. Der internationale Rechtsvergleich bestärkt diesen Befund. Hier zeigt sich, dass die verfassungsrechtliche Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung eher eine Besonderheit darstellt. Außerdem stellen Schranken für Verfassungsänderungen eher die Ausnahme dar, ohne dass die kommunale Selbstverwaltung hier eine Rolle spielen würde. Dies bestätigt den Befund, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach dem Grundgesetz nicht durch die Ewigkeitsgarantie geschützt ist. II. Ist die Garantie der kommunalen Finanzausstattung als Leistungsrecht durch die Schuldenbegrenzungsregelungen dem Leistungsfähigkeitsvorbehalt unterworfen? Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 II GG und ihre landesrechtlichen Ausprägungen gliedern sich in ein umfassendes dreigliedriges Schutzsystem261. Darin gewährleistet die objektive Rechtsinstitutsgarantie, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht nur formell aufrechterhalten, sondern auch nicht materiell verletzt, ausgehöhlt oder inhaltlich entwertet wird262. Diese normativen Gehalte werden durch die subjektive Rechtsstellungsgarantie den einzelnen Kommunen zugeordnet und ermöglichen ihnen damit, den Schutz des Art. 28 II GG zu realisieren263. Insofern ist die kommunale Selbstverwaltungsgarantie „wehrfähig“264. 261  Siehe

hierzu bereits: 1. Teil § 2 A. I. 2., S. 90 ff. dieser Abeit. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 44. 263  H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 44. 264  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art. 28, Rn. 103. 262  H.-G.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung351

Auch wenn Art. 28 II GG kein Grundrecht ist, so sind die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und die aus ihm folgende Rechtsposition ein subjektives Recht265. Die subjektive Rechtstellungsgarantie gewährt neben Abwehrrechten, die auf Beseitigung rechtswidriger Eingriffe in das kommunale Selbstverwaltungsrecht gerichtet sind, auch positive Schutz-, Leistungsund Teilhabeansprüche266. Als Grundvoraussetzung für ihren Bestand schützt die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auch die kommunale Finanzausstattung, wobei das Kern-Randbereichsmodell entsprechend Anwendung findet. So ist bei der kommunalen Finanzausstattung zum einen im unantastbaren Kernbereich ein Anspruch jeder einzelnen Kommune auf eine finanzielle Mindestausstattung garantiert. Zum anderen gewährleistet die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Randbereich eine aufgabenangemessene Finanzausstattung. Dabei garantiert Art. 28 II GG eine entsprechende Finanzausstattung jeder einzelnen Gemeinde. Die Gewährleistung ist insbesondere nicht erst dann verletzt, wenn nur der Gesamtheit der Gemeinden diesbezüglich Einschränkungen widerfahren, sondern schon wenn auch nur einer einzigen Gemeinde die verfassungsrechtlich zugesicherte kommunale Finanzausstattung vorenthalten wird267. Insofern handelt es sich bei der kommunalen Finanzausstattung um einen „subjektiv-individuellen Leistungs­ anspruch“ jeder einzelnen Kommune, finanziell in die Lage versetzt zu werden, um die ihr zugeordneten öffentlichen Aufgaben auch wahrnehmen zu können268. Adressat dieses Anspruchs ist das Land, „welches als finanzverfassungsrechtliche Kehrseite der staatsorganisationsrechtlichen Zugehörigkeit der Kommunen zum Land die finanzverfassungsrechtliche (Letzt-) Verantwortung für eine aufgabenangemessene kommunale Finanzausstattung trägt“269. Die Einführung der strengeren Schuldenbegrenzungsregelung im Grundgesetz und bereits in Teilen des Landesverfassungsrechts könnte dazu geführt haben, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und insbesondere die von ihr gewährleistete kommunale Finanzausstattung nun generell unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit stehen. 265  Dies ist allerdings umstritten, siehe hierzu bereits die Ausführungen: 1. Teil § 2 A. I. 1., S. 89 f. dieser Arbeit. 266  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 2. Band, 2006, Art.  28, Rn. 105; F. Schoch, Stand der Dogmatik zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Henneke/Meyer, 2006, S. 11 (23); H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 45. 267  NdsStGH, NdsVBl. 2001, 184 (190). 268  VerfGHRhPf, NVwZ-RR 1998, 607; K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (223). 269  K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (223 mit Verweis auf BVerfGE 86, 148 (219)).

352   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Leis­tungsrechte stehen an sich immer unter dem Vorbehalt des finanziell Möglichen270. Einzige Ausnahme hiervon ist das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 I GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG, das „dem Grunde nach unverfügbar“ ist271. Insofern könnte auch die Finanzausstattung der Kommunen als subjektiv-individuellen Leistungsanspruch sowohl im Rand- als auch im Kernbereich davon abhängig sein, wie leistungsfähig das jeweilige Land ist und welche Finanzierungsmöglichkeiten ihm im Rahmen seiner Schuldenbegrenzungsregelungen noch zur Verfügung stehen. Es ist festzuhalten, dass die kommunale Finanzausstattung im Randbereich mit dem Anspruch auf angemessene Finanzausstattung ein geringeres Schutzniveau aufweist als im Kernbereich mit der Garantie einer finanziellen Mindestausstattung. Die Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung ist abhängig einerseits von der Aufgabenbelastung sowie der Finanzkraft der Kommunen und andererseits von der Leistungskraft des Landes272. Die Gewährleistung der angemessenen Finanzausstattung im Randbereich ist somit leistungskraftabhängig und wird geprägt durch den Gedanken der Verteilungssymmetrie273. Dieser Grundsatz bekommt mit Einführung der strengeren Schuldenbegrenzungsregelungen besonderes Gewicht, da damit die Aufgaben des Landes und der kommunalen Ebenen als grundsätzlich gleichwertig angesehen werden. Dadurch werden Überschüsse in Zeiten ansteigender Staatseinnahmen genauso gleichmäßig verteilt wie Kürzungen in der Finanzausstattung im Zuge sinkender Staatseinnahmen beispielsweise durch den Wegfall von Kreditaufnahmen. Fraglich ist, ob durch Einführung der strengeren Schuldenbegrenzungsregelung im Grundgesetz und der Umsetzungen im Landesrecht das Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodell mit dem Grundsatz der Verteilungssymmetrie auch auf die finanzielle Mindestausstattung und somit den Kernbereich angewendet werden kann. Als verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt schützt die finanzielle Mindestausstattung als Teil des Kernbereichs die Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Selbstverwaltung274. Letztlich ist Selbstverwaltung dort unmöglich, wo die Kommunen aufgrund eines fehlenden „(Mindest-)Spielraums“ keine Prioritäten mehr bezüglich der Aufgabenwahrnehmung setzen können275. Dieser Anspruch auf finanzielle Mindest270  M. Kloepfer, Verfassungsrecht II, 2011, Rn. 26, mit Verweis auf BVerfGE 33, 303 (333). 271  BVerfGE 125, 175 (222). 272  K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (224). 273  Ausführlich hierzu bereits: 1. Teil § 2 B. III. 4. b), S. 124  ff. und 5. c), S.  131 f. dieser Abeit. 274  K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (224).



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung353

ausstattung als Bestandteil des Kernbereichs der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist unantastbar. 275

Daran kann aber auch die Einführung des strikten Verschuldungsverbots für die Länder in Art. 109 III GG nichts ändern. Würde auch die finanzielle Mindestausstattung mittels der Leistungsfähigkeit eines Landes relativierbar, würde diese entweder dem Kernbereich entzogen oder auch der Kernbereich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung wäre antastbar. Würde man aber die Mindestgarantie an finanzieller Ausstattung dem Kernbereich entziehen, verkäme die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aber gleichsam zu einer leeren Hülle. Würde man hingegen die Antastbarkeit des Kernbereichs gestatten, wäre die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 II GG ihres substanziellen Kerns und damit ihrer Existenz beraubt. Die finanzielle Mindestausstattung markiert gerade „die Untergrenze der Gestaltungskompetenz des Finanzausgleichsgebers“276 und darf keinen Relativierungen durch Verschuldungsregelungen der Länder ausgesetzt werden. Vielmehr schützt der unantastbare Kernbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts mit der finanziellen Mindestausstattung „das kommunale Existenzminimum“277. Genauso wenig wie das menschenwürdige Existenzminimums aus Art. 1 I GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG unter den Vorbehalt des Möglichen gestellt werden darf, genauso wenig ist der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung über den Grundsatz der finanziellen Leistungsfähigkeit relativierbar. Unberührt davon ist es dem Gesetzgeber natürlich möglich, die Kommunen im Randbereich über die angemessene Finanzausstattung an einer Schuldenverringerung mittels des Leistungsfähigkeitsvorbehalts und des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie zu beteiligen. Gleichwohl verbleibt zumindest dem verfassungsändernden Gesetzgeber die Möglichkeit, Art. 28 II GG an sich einem generellen Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit zu unterwerfen. Dies könnte allerdings nur mittels einer ausdrücklichen Verfassungsänderung vorzugsweise des Art. 28 II GG erfolgen. Eine entsprechende Relativierung des Kernbereichs würde aber einen massiven Werteverlust der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung bedeuten und ihre Existenz an sich gefährden.

275  M. Dombert, DVBl 2006, S. 1136 (1137); K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (224); H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG Kommentar, 2011, Art. 28, Rn. 103. 276  K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (224). 277  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 247; K.-A. Schwarz, ZKF 2011, S. 220 (224).

354   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

III. Ist die Kern-Randbereichstheorie trotz Schuldenbegrenzungsregelungen noch anwendbar? Durch die Einführung der strengeren Schuldenbegrenzungsregelung auf Bundes- und Landesebene könnte sich auch der Garantiebereich der kommunalen Selbstverwaltung verändert haben. Insbesondere könnte die Kernbereichs-Randbereichstheorie, aus der sich der Schutz der kommunalen Finanzausstattung über Art. 28 II GG ergab, seine Anwendungslegitimation verloren haben oder zumindest in seiner bisherigen Ausprägung verkürzt worden sein. 1. Die Anwendbarkeit der Kern-Randbereichstheorie Bisher wurde die Kern-Randbereichstheorie als Ausprägung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auch für deren Finanzausstattung fruchtbar gemacht. Es stellt sich die Frage, ob durch die Einführung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung die Kern-Randbereichstheorie noch angewendet werden kann. Die Einführung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung könnte dazu geführt haben, dass die Garantie der Finanzausstattung der Kommunen aus Art. 28 II GG insgesamt einer Relativierung ausgesetzt ist. Möglicherweise entfällt der absolute Schutz eines finanziellen Kernbereichs in Form einer finanziellen Mindestausstattung der Kommunen, weil auch dieser durch die neuen Schuldenbegrenzungsregelungen unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit gerückt sein könnte. Dem könnten jedoch die Parallelwertung aus der Wesensgehaltsgarantie sowie Bedenken bezüglich einer grundlegenden Richtungsänderung durch die Schuldenbegrenzungsregelung entgegenstehen. a) Der Vergleich mit der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG Ähnlich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 II GG nach der Kern-Randbereichstheorie sind auch die Grundrechte über die Wesensgehaltsgarantie vor Gesetzesänderungen geschützt. Gem. Art. 19 II GG darf ein Grundrecht in keinem Fall in seinem Wesensgehalt angetastet werden. Damit soll den Einschränkungsmöglichkeiten des einfachen Gesetzgebers „grundrechtlicher Freiheit eine (letzte) Grenze gesetzt werden“278. Demnach hat jedes Grundrecht schon einen unverletzbaren „Kern“, in den der Staat nicht eingreifen darf. Hingegen ist der Teil außerhalb des eigentlichen Kerns abwägungsoffen279. Dies entspricht dem bisherigen Verständnis von 278  H.

Dreier, in: ders., GG Kommentar, 1. Band, 2013, Art. 19 I bis III, Rn. 7. hierzu: P. Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1983. Dabei ist, ähnlich wie bei der Bestimmung des Kernbereichs des Art. 28 II GG, vollkommen of279  Ausführlich



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung355

der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 II GG, deren Schutz sich ebenfalls in einen abwägungsoffenen Randbereich und einen unantastbaren Kernbereich unterteilt. Tatsächlich bedient sich auch die Rechtsprechung sowohl bei der Wesensgehaltsgarantie als auch bei den Garantieebenen der kommunalen Selbstverwaltung mit dem Kernbereich der gleichen Begrifflichkeiten280. Insofern kommt es bei der Suche nach dem „Kernbereich“ der kommunalen Selbstverwaltung und dem „Wesensgehalt“ eines Grundrechts auch zu vergleichbaren Problemen281. Daher stellt sich die Frage, ob der Schutz der Wesensgehaltsgarantie auch für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung fruchtbar gemacht werden kann. Insofern ist zunächst der Anwendungsbereich der Wesensgehaltsgarantie zu klären. Art. 19 II GG dient der materiellen Sicherung der Grundrechte des Grundgesetzes und soll diese vor Aushöhlung bewahren282. Allerdings handelt es sich bei Art. 28 II GG um kein Grundrecht der Gemeinden und Gemeindeverbände283. Zwar wird das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden von der Rechtsprechung als ein „grundrechtsähnliches Recht“ aufgefasst284, da die Wesensgehaltsgarantie aber grundrechtsähnliche Rechte nicht umfasst, gilt Art. 19 II GG nicht für den Schutz von Art. 28 II GG. Insofern ergibt sich aus Art. 19 II GG zumindest nicht unmittelbar, dass die KernRandbereichstheorie auch auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung anwendbar sein muss. Im Übrigen schützten sowohl Art. 19 II GG als auch Art. 28 II GG vor allem vor Eingriffen des parlamentarischen Gesetzgebers. Nicht erfasst sind hingegen Maßnahmen des verfassungsändernden Gesetzgebers, die sich in den Grenzen der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG bewegen285. Da es sich bei der Einführung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung durch die fen, wie der Wesensgehalt zu bestimmen ist und für wen dieser zu garantieren ist, dem Einzelnen oder der Allgemeinheit, hierzu: V. Epping, Grundrechte, 2012, S. 30 f. 280  Vgl. BVerfGE 79, 127 (143, 146); BayVerfGH, BayVBl 1976, S. 589 ff.; zur „verdeckten Wesensgehaltsjudikatur“ des BVerfG ohne Bezugnahme auf Art. 19 II GG, siehe P. Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1983, S. 290  ff. und der LVerfG, S.  303 ff. 281  P. J. Tettinger/K.-A. Schwarz, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 2. Band, 2010, Art. 28, Rn. 191. 282  H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 1. Band, 2013, Art. 19 I bis III, Rn. 7; P. M. Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 1.  Band, 2010, Art. 19, Rn. 112. 283  Hierzu bereits die Ausführungen: 1. Teil § 2 A. I. 1., S. 89 f. dieser Arbeit. 284  BayVerfGH, BayVBl 1976, 589 (592); BayVerfGH, BayVbl. 1996, 462 ff.; a. A.: J. Kratzer, BayVBl 1966, S. 365 (366) lehnt die kommunale Selbstverwaltung als Grundrecht ausdrücklich ab. 285  Insofern ist nur der Wesenskern der Grundrechte durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG vor Verfassungsänderungen geschützt, soweit durch diese die in

356   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Föderalismusreform II jedoch gerade um eine Maßnahme des verfassungsändernden Gesetzgebers handelt, ergäbe selbst eine mittelbare Anwendung der Wesensgehaltsgarantie nicht, dass die Kern-Randbereichstheorie trotz der Verfassungsänderung noch angewendet werden muss. b) Bestehen grundlegende Änderungen zu den Vorgaben der alten Schuldenbegrenzungsregelung? Auch wenn sich aus der Wesensgehaltsgarantie nicht unmittelbar eine weitere Geltung der Kern-Randbereichstheorie ergibt, ist zu klären, ob die Einführung der neuen Schuldenregelung überhaupt eine derartige normative Veränderung bewirkte, dass sie die Bestandskraft eines Kernbereichs der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Frage stellen kann. Es ist festzuhalten, dass die Neuregelung des Art. 109 III 1 GG im Grundsatz eine Haushaltsführung ohne die Aufnahme von Krediten durch Bund und Länder vorsieht, von dem allerdings in den Ausnahmefällen des Art. 109 III 2 bis 4 GG abgewichen werden darf. Die alte Regelung des Art. 109 II GG a. F. sah im Zusammenspiel mit Art. 115 I 2 GG a. F. zumindest das Verbot einer strukturellen Staatsverschuldung vor, die den finanziellen Handlungsspielraum des Staates dauerhaft beeinträchtigt und damit einen zukünftigen Einsatz des kreditpolitischen Instrumentariums zur konjunkturpolitischen Stabilisierung gleichsam unmöglich machen würde. Dabei waren die Einnahmen aus Krediten auf die Höhe der Summe von begrenzt, wobei ein Abweichen hiervon nur als Ausnahme zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorgesehen war. Insbesondere sollten kreditfinanzierte Konjunkturprogramme reversibel sein, das heißt, Kredite die in der Schwächephase aufgenommen wurden, mussten in der darauf folgenden Aufschwungphase zurückgezahlt werden, ohne dass diese zu finanziellen Dauerbelastungen führen durften. In der Gesamtschau streben beide Regelungen im Grundsatz einen ausgeglichenen Haushalt an, während die Aufnahme von Krediten die Ausnahme darstellt. Zwar war bei der Altregelung die Ausnahme zur Kreditaufnahme durch Beschränkung auf die Höhe der Summe von Investitionen relativ weit gefasst, allerdings ändert dies nichts an der ursprünglichen Intension der Regelung, im Durchschnitt einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen und langfristig schuldenfrei zu bleiben. Durch die Beschränkung der Kreditaufnahme auf die Höhe von Investitionen sollten sich die dadurch verursachten Kosten vielmehr amortisieren, ohne zu einem Anstieg der StaatsverschulArt. 1 und 20 GG verbürgten Gehalte berührt werden, so: H. Dreier, in: ders., GG Kommentar, 1. Band, 2013, Art. 19 I bis III, Rn. 5, 7 und 11 (m. w. N.).



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung357

dung zu führen. Insofern strebte auch die Regelung vor der Föderalismusreform II eine Vermeidung eines strukturellen Defizits an. Durch die Föderalismusreform II wurde die Aufnahme von Krediten noch stärker begrenzt, indem sie nur im Falle einer abweichenden Entwicklung der konjunkturellen Normallage sowie im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen erlaubt ist. Im Vordergrund steht dabei aber ebenfalls als Ziel ein ausgeglichener Haushalt. Insofern handelt es sich sowohl bei der Altregelung als auch bei der Neuregelung durch die Föderalismusreform II um eine Schuldenbegrenzungsregelung mit der Vorgabe eines ausgeglichenen Gesamthaushalts. Der Befund der Kontinuität wird verstärkt durch die Anknüpfung sowohl der Alt- als auch der Neuregelung an die Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung einherging. So haben Bund und Länder sowohl gem. Art. 109 V 1 GG a. F. i. V. m. Art. 104 EGV als auch gem. Art. 109 II 1 GG i. V. m. Art. 126 AEUV „übermäßige öffentliche Defizite“ zu vermeiden286. Mit der Föderalismusreform II liegt insofern keine grundlegende Neuausrichtung der Verfassungsnormen zur Staatsverschuldung vor, als das Ziel der Schuldenvermeidung von jeher Bestandteil der rechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes war. Daher ist es aber auch fraglich, ob die neue Schuldenbegrenzungsregelung überhaupt den essenziellen Wesenskern der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verändert. Vor der Föderalismusreform II wurde den Kommunen trotz bereits bestehender Schuldenbegrenzungsregelungen ein Kernbereich freiwilliger Selbstverwaltung mit entsprechender finanzieller Mindestausstattung zugestanden. Die Schuldenbegrenzung wurde in die Hände von Bund und Ländern gelegt, ohne dass der Kernbereich der Garantie kommunaler Selbstverwaltung und die hierfür erforderliche finanzielle Mindestausstattung angetastet werden durfte. Es ist nicht ersichtlich, warum die Neuregelung der Schuldenbegrenzung im Zuge der Föderalismusreform II daran etwas geändert haben sollte. Vielmehr ist das KernRandbereichsmodell auch weiterhin auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und mit ihr auch auf die kommunale Finanzausstattung anwendbar. Hätte man die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in ihrem Bestand generell durch die Einführung einer strengeren Schuldenbegrenzungsregelung relativieren und somit in ihre Gesamtheit abschwächen wollen, so hätte dies einer ausdrücklichen Erwähnung in der Neuregelung bedurft. Unmittelbare Adressaten der Art. 109 III GG und Art. 115 GG sind aber schon dem Wortlaut nach ausschließlich Bund und Länder. Die Kommunen 286  Vgl.

1. Teil § 3 B. I. 1., S. 162 f. dieser Arbeit.

358   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

werden nur mittelbar durch die finanzverfassungsrechtliche Zuordnung zu den Länderhaushalten in der Schuldenbegrenzungsregelung berücksichtigt. Eine solche finanzverfassungsrechtliche Zuordnung der Kommunen bestand aber auch schon vor der Föderalismusreform II, ohne dass dadurch die Kern-Randbereichstheorie bezüglich der kommunalen Finanzausstattung in Frage gestellt wurde. Insofern ist die Kern-Randbereichstheorie auch weiterhin auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und der kommunalen Finanzausstattung anwendbar. 2. Die Ausprägung der Kern-Randbereichstheorie unter der neuen Schuldenbegrenzungsregelung Geht man davon aus, dass die Kern-Randbereichstheorie auch nach der Föderalismusreform II weiterhin anwendbar ist, verbleibt die Frage, welche Ausformung sie durch die Einführung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung erfahren hat. Der Schutz der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung umfasst bei der kommunalen Finanzausstattung auch weiterhin einen unantastbaren Kernbereich. Im Kernbereich steht den Kommunen für Pflichtaufgaben und freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben eine finanzielle Mindestausstattung zu. Dieser Kernbereich wird als die Untergrenze der Finanzausstattung in jedem Fall unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes gewährleistet und ist somit leistungskraftunabhängig. Es ist somit der Rechtsprechung des Thüringer Verfassungsgerichtshof zu folgen, denn die „finanzielle Mindestausstattung ist als absolut geschützte Untergrenze nicht ,verhandelbar‘, unterliegt also keinen Relativierungen durch andere öffentliche Belange“287. Die Einführung der Schuldenbegrenzungsregelung im Grundgesetz und die entsprechende Umsetzung in den Länderverfassungen haben keinen Einfluss auf den Kernbereich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Das zukünftige Verbot einer strukturellen Neuverschuldung der Länder ändert am Anspruch der Kommunen auf eine finanzielle Mindestausstattung nichts288. Sollten die Länder zur Einhaltung der Schuldenbegrenzungsregelung beim kommunalen Finanzausgleich Kosten sparen wollen verbleiben 287  ThürVerfGH,

NVwZ-RR 2005, 665 (668). schon H.-G. Henneke, NdsVBl 2009, S. 121 (127); jüngst in H.-G. Henneke, Der Landkreis 2012, S. 292 (292). Relativierend hingegen J.-C. Pielow, zitiert in einem Beitrag zum dritten deutsch-spanischen Gesprächskreis zum Öffentlichen Recht durch I. Heitmann, DÖV 2013, S. 272 (274), der zwar einen „Kern“ der kommunalen Finanzhoheit geschützt sieht, den Landesgesetzgeber gleichwohl nur an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden sieht, demnach sei ein Eingriff nur dann nicht zu rechtfertigen, wenn einer kommunalen Gebietskörperschaft jeder Entscheidungsfreiraum und jeglich freie Handlungsmöglichkeit genommen ist. 288  So



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung359

ihnen drei Möglichkeiten289: erstens sind die Kommunen von bereits auferlegten pflichtigen Aufgaben zu befreien; zweitens ist der bestehende pflichtige Aufgabenbestand in dem zu erfüllenden Standard abzusenken; drittens sind den Kommunen neue Einnahmequellen zu erschließen. Im Randbereich wird den Kommunen lediglich eine angemessene Finanzausstattung zugestanden. Dieser Bereich kommunaler Finanzausstattung ist eingriffsoffen und unterliegt nach Maßgabe der Verteilungssymmetrie im Unterschied zur finanziellen Mindestausstattung dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Landes und ist somit leistungskraftabhängig. Insofern können die Länder die Positionen zur kommunalen Finanzausstattung im Randbereich auch als Ausgleichsmasse zur Einhaltung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung heranziehen. Allerdings hat dieser Ausgleich nach Maßgabe des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie zu erfolgen. Das heißt, es muss einer „gerechten und gleichmäßigen Verteilung der bestehenden Zustände und damit einer ,ausgewogenen Aufteilung‘ des Defizits auf Land und Kommunen“ Rechnung getragen werden290. Daher ist das Land aber eben auch nicht ermächtigt, die Kommunen finanziell schlechter zu stellen als sich selbst291. Maßnahmen zur Einhaltung der neuen Schuldenbegrenzungsregelung müssen gleichmäßig auf die Schultern der Haushalte von Ländern und Kommunen verteilt sein. Das gilt nicht nur für den Abbau bestehender struktureller Neuverschuldung bis Ende des Jahres 2019, sondern auch, wenn ab dem Jahr 2020 eine strukturelle Nettokreditaufnahme für die Länder überhaupt nicht mehr möglich ist. Wenn den Ländern eine strukturelle Neuverschuldung untersagt ist, kann auch für die Kommunen nichts anderes gelten292. Der Grundsatz der Verteilungssymmetrie verlangt eine „gerechte und gleichmäßige Verteilung“ auch des Defizits. Wenn das Land sich keine strukturelle Neuverschuldung aufbürdet, darf sie von den Kommunen auch nicht anderes verlangen. Außerdem müssen gem. Art. 109 II GG i. V. m. den europarechtlichen Vorgaben auch die Defizite der Kommunen bei der Staatsverschuldung berücksichtigt werden293. Die verfassungsrechtliche Verankerung der europarechtlichen Vorgaben zur Schuldenbegrenzung in Art. 109 II GG strahlt als 289  Insofern bestehen keine Unterschiede zum Befund vor der Föderalismusreform II, vgl. die Ausführungen: 1. Teil § 2 B. III. 3., S. 115 ff. dieser Abeit. 290  So der NdsStGH, NdsVBl. 2008, S. 152 (158), allerdings hält er diesen Grundsatz auch auf die finanzielle Mindestausstattung für anwendbar. 291  H.-G. Henneke, NdsVBl 2009, S. 121 (128). 292  H.-G. Henneke, NdsVBl 2009, S. 121 (128). 293  Vgl.: 2. Teil § 5 B. I., S. 311 ff. dieser Arbeit.

360   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Rahmenordnung für die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern auch auf die nationalen Regelungen in Art. 109 III GG mit aus. Da die Länder nach Art. 109 II GG bei der Einhaltung der europarechtlichen Vorgaben zur Defizitbegrenzung auch die Verantwortung für die Defizite der Kommunen tragen müssen, ist ihnen ohnehin der Weg versperrt, die nationale Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 109 III GG dadurch zu befolgen, indem Lasten bloß auf die Kommunen verschoben werden294. Somit darf ein Land seine Kommunen trotz der Schuldenbegrenzungsregelungen im Zuge der Föderalismusreform II nicht zum Zwecke der eigenen Haushalskonsolidierung in die Verschuldung treiben. IV. Zwischenergebnis Da die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 II GG nicht durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt ist, kann sie grundsätzlich im Zuge einer Verfassungsänderung durch den verfassungsändernden Gesetzgeber angepasst und sogar abgeschafft werden. Insofern kommt auch grundsätzlich eine inhaltliche Veränderung des Garantiegehaltes der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 II GG durch die Verfassungsänderung der Föderalismusreform II in Betracht. Insbesondere könnte die Einführung der Schuldenbegrenzungsregelung den Anspruch auf die kommunale Finanzausstattung insgesamt unter den Leistungsfähigkeitsvorbehalt gestellt und die Kern-Randbereichstheorie dadurch unanwendbar gemacht haben. Allerdings wäre mit einer grundsätzlichen Anwendung des Leistungsfähigkeitsvorbehalts auf die gesamte Finanzausstattung der Kommunen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in seiner Existenz massiv bedroht. Obwohl die Garantie der kommunalen Finanzausstattung ein Leistungsrecht darstellt, führt die neue Schuldenbegrenzungsregelung nicht zu einer generellen Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsvorbehaltsmodells und nicht zu einer Verdrängung des KernRandbereichsmodells bei der kommunalen Finanzausstattung. Vielmehr bleibt das Kern-Randbereichsmodell auch für die kommunale Finanzausstattung weiterhin anwendbar. Dadurch ist es den Ländern untersagt, eine einseitige Haushaltskonsolidierung zu Lasten der Kommunen vorzunehmen. Auch wenn die Länder durch die Schuldenbegrenzungsregelung des Art. 109 III GG eine strukturelle Nullverschuldung erreichen müssen und diese ab dem Jahr 2020 bis auf wenige Ausnahmen einzuhalten haben, müssen sie den Kommunen eine 294  J. Christ, NVwZ 2009, S. 1333 (1338); vgl. zudem die Ausführungen: 2. Teil § 5 B. II., S. 319 ff. dieser Arbeit.



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung361

finanzielle Mindestausstattung leistungskraftunabhängig gewährleisten. Im Randbereich ist die angemessene Finanzausstattung der Kommunen nur nach dem Grundsatz der Verteilungssymmetrie einschränkbar. Daher sind die durch den Konsolidierungsdruck der Länder entstehenden Lasten selbst im Randbereich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht einseitig auf Kosten der angemessenen Finanzausstattung der Kommunen verschiebbar.

D. Ergebnis und Ausblick Im Jahr 2012 hat der Bruttoschuldenstand der Bundesrepublik Deutschland bereits 81,9 Prozent des BIP ausgemacht295. Dabei macht die Verschuldung der Kommunen, gemessen an der Verschuldung des öffentlichen Gesamthaushalts im Jahr 2012 mit nur 6,54 Prozent den geringsten Anteil aus296. Zwar zeichnet sich auch bei den Kommunen seit Jahrzehnten ein stetiger Anstieg der Verschuldung ab, nur nimmt die Verschuldung beim Bund und den Ländern in noch viel größerem Ausmaß zu297. Insofern ist die Verschuldung des öffentlichen Haushalts auf allen Verwaltungsebenen von Bund, Ländern und Kommunen zu einem grundsätzlichen Problem geworden. Dabei haben auch andere Nationalstaaten mit einer wachsenden Staatsverschuldung zu kämpfen. Durch Staatsschuldenkrisen einiger Mitgliedsstaaten in der Europäischen Währungsunion hat auch in der Europäischen Union das Ziel der Schuldenbegrenzung eine noch größere Bedeutung gewonnen. In Deutschland hat man sich bereits im Jahr 2009 mit der Föderalismusreform II dafür entschieden, strengere Schuldenbegrenzungsregelungen im Grundgesetz einzuführen. Demnach hat der Bund ab dem Jahr 2016 und haben die Länder ab dem Jahr 2020 bis auf wenige Ausnahmen ohne einen Zuwachs der Neuverschuldung auszukommen298. Die Kommunen werden in den neuen Schuldenbegrenzungsregelungen des Grundgesetzes nicht erwähnt. Vielmehr beziehen sich die Vorgaben des Art. 109 III 1 GG nur auf „die Haushalte von Bund und Ländern“. Allerdings ergeben sich bereits aus der Entstehungsgeschichte Anhaltspunkte dafür, dass auch die Kommunen bei den nationalen Schuldenbegrenzungsregelungen berücksichtigt werden sollten. Aber selbst wenn man die subjektiven Auslegungsaspekte ablehnt, spricht die Systematik dafür, auch die kommunale Ebene bei der Einhaltung der Schuldenbegrenzungsregelung einzubeziehen. Zum einen sind die Kom295  Eurostat,

Europe in figures, April 2013, 1.2. Government finance statistics. Abb. 6, S. 305 dieser Arbeit. 297  Vgl.: 2. Teil § 5 A. II., S. 304 ff. dieser Arbeit. 298  Vgl.: 1. Teil § 3 B. I., S. 161 ff. dieser Arbeit. 296  Vgl.

362   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

munen finanzverfassungsrechtlich den Ländern zugeordnet. Insofern tragen die Länder auch die finanzielle Verantwortung für die Kommunen. Dieser Verantwortung können sich die Länder nicht einseitig aufgrund ihrer Verpflichtungen zur Einhaltung der Schuldenbegrenzungsregelungen entziehen. Zum anderen sind Bund und Länder ohnehin gem. Art. 109 II GG zur Einhaltung der europarechtlichen Vorgaben des Art. 126 AEUV verpflichtet, insbesondere „zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin“, in dessen „Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung“ zu tragen ist. Die Verpflichtung zur Einhaltung der unionsrechtlichen Schuldenregelungen wurde bewusst vor die nationalen Schuldenbegrenzungsregelungen geschoben, damit die unionsrechtlichen Vorgaben „den Rahmen für die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern“299 bilden. Dabei wendet sich Art. 109 II GG an den Haushalt des Gesamtstaates, so dass der Bund die Verantwortung für etwaige Defizite der Sozialversicherungen trägt, während die Länder für etwaige Haushaltsdefizite der Gemeinden und Gemeindeverbände einzustehen haben. Insofern muss mittelbar über die Länder auch die Verschuldung der Kommunen bei den Vorgaben zur Schuldenbegrenzung in Art. 109 II und III GG mitberücksichtigt werden300. Der Fiskalvertrag stellt die jüngste Bemühung der Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion dar, die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Aus der bisherigen Umsetzung des Fiskalvertrages ergeben sich keine unmittelbaren rechtlichen Änderungen für die Haushaltswirtschaft der Kommunen. Zumindest aber könnte sich durch den Fiskalvertrag der Zeitplan für Länder zur Einhaltung der Schuldenbegrenzungsregelungen verkürzen und damit der Konsolidierungsdruck insgesamt deutlich erhöhen. Damit der erhöhte Konsolidierungsdruck der Länder sich nicht negativ durch Lastenverschiebung auf die Kommunen auswirkt, haben Bund und Länder vereinbart, „unter Einbeziehung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein neues Bundesleistungsgesetz in der nächsten Legislaturperiode“ zu erarbeiten301. Dies könnte zumindest in Teilen zu einer Entlastung der Länderfinanzen beitragen und einer drohenden Lastenverschiebung auf Kosten der Kommunen vorbeugen. Es bleibt allerdings fraglich, ob diese Maßnahme in Zukunft unter geänderten politischen Vorzeichen auch vorgenommen wird und ob sie tatsächlich eine Lastenverschiebung zu Ungunsten der Kommunen verhindern kann. Zumindest zeugt diese Absichtserklärung vom politi299  BT-Drs.

16/12410, S. 10. 2. Teil § 5 B., S. 311 ff. dieser Arbeit. 301  BR-Drs. 400/12, S. 3. Damit sind Bund und Länder der Forderung nachgekommen, eine finanzielle Unterstützung zur Eingliederung förderbedürftiger Menschen zu leisten, vgl. Deutscher Städte- und Gemeindebund, EU-Fiskalpakt: Posi­ tionen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, 21.06.2012. 300  Vgl.:



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung363

schen Bewusstsein auf Bundes- und Landesebene, dass auch die Kommunen bei der Schuldenbegrenzung mit einbezogen werden müssen. Die Kommunen haben im Verfassungsaufbau der Bundesrepublik Deutschland eine nachteilige Stellung. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes knüpft als Folgeverfassung an den zweistufigen Staatsaufbau an und kennt insofern als Adressaten nur Bund und Länder, während die Kommunen lediglich den Ländern zugeordnet sind. Den Kommunen werden durch die Finanzverfassung zwar auch unmittelbare Gewährleistungen garantiert, allerdings machen diese nur einen geringen Anteil aus und sind zudem vom Landesgesetzgeber weitgehend fremdbestimmt. Die eigenen Einnahmequellen der Kommunen reichen nicht aus, so dass diese zwingend auf Finanzierungsleistungen der anderen Glieder im Staatsgefüge angewiesen sind. Diese Stellung der Kommunen im Bundesstaat302 setzt sie dem Risiko aus, finanziell benachteiligt zu werden, und gefährdet ihre ausreichende Finanzausstattung. Für die Kommunen ist daher die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung von existenzieller Bedeutung, da sie vor finanzverfassungsrechtlichen Übergriffen von Bund und Ländern schützt. Aus finanzverfassungsrecht­ licher Sicht setzt sich die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus einem unantastbaren Kernbereich der finanziellen Mindestausstattung und einem Randbereich der angemessenen Finanzausstattung zusammen303. Allerdings ist die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung weder in Bezug auf ihre finanzielle Ausstattung noch in ihrem Bestand an sich durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt und somit nicht verfassungsänderungsfest304. Insofern könnte der Garantiegehalt des Art. 28 II GG durch die nun strengeren Vorgaben der Schuldenbegrenzungsregelungen insbesondere für die Länder verändert worden sein. Allerdings haben die neuen Schuldenbegrenzungsregelungen lediglich Einfluss auf den Randbereich der angemessenen Finanzausstattung, indem dieser dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Landes unterliegt. Die Schuldenbegrenzungsregelungen erweitern die Handlungsmöglichkeiten der Länder im Randbereich dadurch, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in finanzieller Hinsicht nach dem Grundsatz der Verteilungssymmetrie einschränkbar ist. Der Grundsatz der Verteilungssymmetrie greift hingegen nicht im Kernbereich. Die finanzielle Mindestausstattung bleibt vielmehr unantastbar, so dass die neuen Schuldenbegrenzungsregelungen hier keinen Einfluss auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung haben. Im 302  Vgl.:

1. Teil § 1, S. 34 ff. dieser Arbeit. 1. Teil § 2 B., S. 100 ff. dieser Arbeit. 304  Vgl.: 2. Teil § 5 C. I., S. 325 ff. dieser Arbeit. 303  Vgl.:

364   2. Teil: Schuldenbegrenzungsregelungen und Garantie der Selbstverwaltung

Kernbereich muss den Kommunen auch weiterhin ein Anteil freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben verbleiben. Hierfür müssen die Länder die entsprechenden finanziellen Mittel aufbringen, ohne dass sie sich auf den Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit berufen können. Insofern kann der durch die neuen Schuldenbegrenzungsregelungen entstandene Konsolidierungsdruck von den Ländern an die Kommunen nicht auf Kosten ihrer finanziellen Mindestausstattung weitergegeben werden305. Dennoch muss mit Blick auf die Zukunft einer gesicherten finanziellen Ausstattung der Kommunen mit Skepsis begegnet werden. Eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen ist nicht nur durch drohende Lastenverschiebungen im Zuge der Konsolidierungsmaßnahmen der Länder zu befürchten. Aktuellen Anlass zur Sorge geben die ungeklärten Finanzierungsfragen zum Ausbau von Kindertagesstätten und die den Kommunen drohende Klagewelle, sollte der Anspruch auf einen Platz in der Kindertagesstätte nicht erfüllt werden306. Auch bei der Umsetzung der Vorgaben aus der UN-Behindertenrechtskonvention könnten die Länder versucht sein, die Kosten einseitig auf kommunale Ebene abzuschieben307. Unabhängig davon droht angesichts der demografischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland308 ein rasanter Anstieg der sozialen Kosten, so dass die anteilig 305  Vgl.:

2. Teil § 5 C. III., S. 354 ff. dieser Arbeit. hierzu: M. Wohltmann, Der Landkreis 2010, S. 301; S. Articus/ B. Schneider/M. Klein, KommJur 2011, S. 1; der amtierende Präsident des Deutschen Städtetages C. Ude sieht Bund und Länder zumindest in „einer Mitverant­ wortung auch beim Ausgleich möglicher Schadensersatzforderungen“, hierzu: W. D’Inka/B. Kohler/G. Nonnenmacher/F. Schirrmacher/H. Steltzner, Städtetag fordert Hilfe von Bund und Ländern, 14.11.2012, http://www.faz.net/aktuell/politik/ inland/kita-ausbau-staedtetag-fordert-hilfe-von-bund-und-laendern-11960302.html (Zuletzt geprüft am: 10.10.2013). 307  Dass diese Versuche bereits unternommen werden, beweist eindringlich die Debatte zur Finanzierung der sogenannten Inklusion in NRW, ausführlich zum Streitstand R. Kellers, Schulministerin steuert auf Verfassungsstreit zu – Kein Kompromiss bei der Inklusion, 05.09.2013, http://www1.wdr.de/themen/politik/sp_in­ klusion/inklusion316.html (Zuletzt geprüft am: 27.09.2013). Kernpunkt der Diskussion ist, ob die Inklusionsmaßnahmen der Landesregierung konnexitätsrelevant sind. Für konnexiätsrelevant hält die Aufgaben W. Höfling, Rechtsfragen zur Umsetzung der Inklusion im Schulbereich, 2012, während K.-A. Schwarz, NWVBl 2013, S. 81 die Konnexitätsregelung des Art. 78 Abs. 3 VerfNRW als nicht einschlägig erachtet. 308  R. Klüver, Im Jahr 2050 weltweit erstmals mehr Ältere als Kinder, SZ 02./03.10.2012. So sind in Deutschland schon heute 26,7 Prozent der Bundesbürger 60 Jahre und älter und stellen damit nach Italien die älteste Bevölkerung in Europa dar. Im Jahr 2050 werden einer UN-Statistik zufolge sogar 37,5 Prozent der deutschen Bevölkerung 60 Jahre oder älter sein; vgl. auch F. Boettcher/M. Junkernheinrich, Kommunalfinanzen im Jahr 2010: Krisenverschärfung und Disparitätenzunahme, in: Junkernheinrich/Korioth/Lenk/Scheller/Woisin, 222.  Band, 2011, S. 271 (287 ff.). Hingegen vertritt die Zeitschrift „Cicero“ im Titel der Juni-Ausgabe 2013 306  Ausführlich



§ 5 Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung365

ohnehin schon hohen Ausgaben der Kommunen hierfür noch weiter wachsen dürften. Der Ausweg, den einige Länder für ihre Kommunen scheinbar ersonnen haben, indem sie die Aufnahme kommunaler Kassenkredite extensiv zulassen, dürfte sich als Sackgasse erweisen. In Zeiten geringer Kreditmarktzinsen kann das Modell des täglichen Umschichtens von Millionenbeträgen in den Rathäusern noch wirksam sein, um strukturelle Finanzlöcher zu schließen. Sobald die Kreditmarktzinsen aber wieder steigen, dürfte sich der exzessive Gebrauch von Kassenkrediten als „finanzieller Bumerang“ erweisen, der am Ende noch größere Finanzlöcher verursacht. Auch wenn die Kommunen durch ihre defizitäre Stellung im Bundesstaat und angesichts der Herausforderungen der neuen Schuldenbegrenzungsregelung zu „Opferlämmern“ zu werden drohen, so sind sie durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zumindest verfassungsrechtlich davor geschützt, finanziell „auszubluten“.

die These, die deutsche Bevölkerung wachse weiter und überaltere entsprechend weniger als ursprünglich prognostiziert: „Hurra, wir wachsen! – Das Demografie Wunder: Deutschland auf dem Weg zum 100-Millionen-Volk“, A. Rinke/C. Schwägerl, Die 100-Chance, Cicero Juni 2013.

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Personen- und Sachverzeichnis Das Verzeichnis der im Fließtext erwähnten Personen findet sich unter dem Stichwort Personen. Abwehrrechte  93, 351 administrative Dezentralisation  36, 333 Äquivalenzprinzip  60 aufgabenangemessene Finanzausstattung. Siehe Kern-Randbereichsmodell, Randbereich Aufgabenwahrnehmung  92, 93, 100, 106, 108, 283, 352 Ausgaben der Kommunen  299 Ausgaben zu werbenden Zwecken  201 Auslegung –– bundesrechtskonform  205 –– föderalistisch  194 –– funktionell-rechtliche Grenzen  256 –– teleologische Auslegung  244 –– unitarisch  194 –– verfassungskonform  263 außergewöhnliche Notsituationen  29, 54, 170, 179, 189, 199, 206, 207, 232, 357 außerordentlicher Bedarf  191 Autonomieprinzip  40, 44, 224, 347. Siehe auch Haushaltsautonomie Bagatellsteuern. Siehe Steuer Beiträge  60 Belastungsquote  70, 216 Berührungsverbot  275 Bestimmtheitsgebot  149, 152, 156, 179, 200, 246, 269, 270 Bruttoschuldenstand  361 Budgetautonomie. Siehe Haushaltsautonomie Budgethoheit  258, 314

Bundesergänzungszuweisungen  216, 218, 225, 226, 230, 234 Bundesfinanzhilfen  45, 86 Bundeshilfe  51, 219 bundesstaatlicher Notstand  217, 227 Bundesstaatlichkeit. Siehe Bundesstaatsprinzip Bundesstaatsprinzip  196, 274, 281, 282, 287, 296, 340 –– bundesstaatliche Einstandspflicht  218 –– Bundestreue  287–289, 296 Bürger  329, 335 –– Bundesbürger  329 –– Kommunalbürger  329 –– Landesbürger  329 Chancengleichheit  345 conditio sine qua non  38 crowding-out-Effekt  141 Darlegungslast  221, 229, 232 Daseinsvorsorge  60, 345 definiens indefinibilis  98 demografische Entwicklung  364 Demokratieprinzip  198, 257, 260, 271, 276, 278, 281, 290, 291, 296, 327 Derogationsregelung  204 doppelte Schutzgarantie  69 duale Legitimation  330 dualistisches Modell. Siehe doppelte Schutzgarantie Durchgriffsbestimmungen  30, 193, 204, 205. Siehe auch Normativbestimmungen



Personen- und Sachverzeichnis395

Eigenstaatlichkeit  282, 284, 292, 296, 341 Eigenverantwortlichkeit  31, 44, 91, 92, 97, 331, 352 Einheit der Verfassung  261, 279, 294, 297, 311, 325 Einnahmen der Kommunen  298 Einnahmenautonomie. Siehe Haushaltsautonomie Entscheidungshoheit  338 Entwicklungsoffenheit  252, 271, 280, 295, 325, 338, 350 europafest  95 Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung  312 Europarecht –– Europäischer Stabilitäts- und Wachstumspakt  147, 156, 162, 167, 320, 322, 357 –– Fiskalvertrag  315, 362 –– Kommunalblindheit  96 –– Primärrecht  95 –– Sekundärrecht  95 –– Subsidiarität  96 Ewigkeitsgarantie  237, 238, 263, 270, 295, 325, 336, 345, 346, 349, 355, 360, 363 Finanzausgleich  61 –– horizontaler Finanzausgleich  61 –– obligatorischer Finanzausgleich  61 –– vertikaler Finanzausgleich  61, 62 Finanzausstattung  28, 67, 92, 351, 354, 357, 359, 360, 363, 364 –– angemessene  30, 31, 59, 62, 67, 69, 78, 87, 100, 287, 293, 352, 353 Finanzautonomie. Siehe auch Haushaltsautonomie finanzielle Mindestausstattung. Siehe Kern-Randbereichsmodell Finanzverfassung  28, 39, 196, 197, 270, 284, 286, 323 –– Folgeverfassung  40, 58, 67, 86, 363 –– Haushaltsverfassung  40, 42

–– im engeren Sinne  40 –– im weiteren Sinne  39 –– mittelbarer Schutz der Kommunen  56 Föderalismusreform I  46, 55, 57, 161, 238 Föderalismusreform II  29, 30, 32, 54, 55, 136, 147, 148, 177, 183, 184, 187, 224, 235, 237, 238, 266, 280, 282, 294, 320, 324, 356, 390 freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben  121, 302, 310, 323, 338, 358, 364 funktionell-rechtliche Grenzen  260, 267, 279, 295, 339 Garantie der kommunalen Selbstverwaltung  30, 31, 76, 88, 237, 266, 297, 311 –– institutionelle Rechtssubjektsgarantie  90 –– objektive Rechtsinstitutsgarantie  91, 350 –– Schutz in der EU  311 –– subjektive Rechtsstellungsgarantie  90, 93, 350 –– Verpflichtungsadressaten  94 Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums  346, 352, 353 Gebühren  60 gegliederte Demokratie  328, 333, 336 Geldleistungsgesetze  44, 86 Gemeindeverbände  92 Gemeindeverfassungsrecht  341 gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht  177, 178 Gesetzesvorbehalt  93, 330, 343 Gesetzgebungskompetenz  330 –– ausschließliche Gesetzgebung  35 –– Bundesgesetzgeber  54, 195, 284, 288, 363 –– konkurrierende Gesetzgebung  35 –– Landesgesetzgeber  28, 31, 35, 59, 62, 74, 86, 97, 105, 117, 126, 133, 164, 195, 198, 204, 209–211, 213, 220, 223, 232, 234, 342, 363

396

Personen- und Sachverzeichnis Investitionen  47, 57, 145, 149, 208, 356 –– Bruttoinvestitionen  149 –– eigenfinanzierten Investitionen  201 –– Finanzinvestitionen  47, 151 –– Sachinvestitionen  47, 299, 302, 303, 310 –– wirtschaftsbezogene Investitionen  50

Gestaltungsspielraum  73, 118, 120, 121, 129, 164, 173, 179, 181, 192, 198, 199, 205, 211, 233, 236, 251, 261, 264, 265, 267, 279, 285, 339, 345, 350 Gewaltenteilung  260, 338, 343 –– horizontal  343 –– vertikal  343 Gewerbesteuer. Siehe Steuer Grundrechte Dritter  94 grundrechtsähnliches Recht  355 Grundrechtsbindung. Siehe Vorrang des Gesetzes

judicial self-restraint  260 judikative Rechtsfortbildung  338 Jurisdiktionsstaat  255

Haushalte –– Bundeshaushalt  29, 45, 155, 173, 174, 176, 182, 197, 306, 319, 361 –– Gesamthaushalt  28, 176, 314, 315, 320 –– kommunale Haushalte  27, 30, 297, 314, 317, 319, 320, 321, 323, 359 –– Länderhaushalte  29, 30, 31, 45, 164, 173, 176, 182, 187, 197, 198, 216, 232, 288, 306, 319, 320, 358, 359, 361 –– Vermögenshaushalt  299 –– Verwaltungshaushalt  299 Haushaltsautonomie  30, 43, 74, 197, 200, 224, 282, 314 Haushaltsnotlage  132, 172, 179, 180, 182, 215 Haushaltswirtschaft  43, 143, 162, 196, 197, 199, 222, 227, 282, 283, 285, 286, 288, 314, 317, 320, 360 hermeneutisch-konkretisierende Auslegungsmethode  249, 279, 294 Hochzonung  100 Hoheitsgewalt  328 Homogenitätsgebot  192, 197, 198, 204 Homogenitätsklausel  274, 334

Kassenkredite  28, 105, 200, 307, 308, 310, 365 Keimzelle der Demokratie  333 Kern-Randbereichsmodell  97, 108, 112–114, 121, 127, 130, 133–135, 325, 338, 351, 354, 357, 360, 363 –– Kernbereich  98, 338, 351–354, 358, 363 –– Randbereich  99, 108, 351, 352, 361 Kindertagesstätten  364 klassisch-hermeneutische Auslegungsmethode  244, 258, 264, 279, 294 kommunaler Schuldenstand  304 kommunales Teilvolk. Siehe Bürger, Kommunalbürger Konjunkturbereinigungsverfahren  178 Konnexitätsprinzip  43, 66 –– Durchbrechungen  44, 86 –– relatives Konnexitätsprinzip  70 –– striktes Konnexitätsprinzip  70 –– Transferverbot  44 Konsolidierung  213, 362, 364 Kostendeckungsprinzip  60 Kreditautonomie. Siehe Haushaltsautonomie

Identitätsgarantie. Siehe Ewigkeits­ garantie institutionelle Rechtssubjektsgarantie. Siehe Garantie der kommunalen Selbstverwaltung

Länderautonomie  280, 288. Siehe auch Haushaltsautonomie Lehre von der Hermeneutik  241 Leistungsfähigkeitsvorbehalt  31, 116, 117, 123, 135, 325, 352, 353, 359, 360



Personen- und Sachverzeichnis397

Leistungsrechte  352, 360 Lissabon-Rechtsprechung  294 Maastricht-Rechtsprechung  294 Mehrebenensystem  72, 297, 311, 335 Menschenwürde  263, 346, 350 Mindestausstattung. Siehe Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Kernbereich Mischsystem  73 Monetarismus  140 Nachtwächterstaat  345 Naturkatastrophen  29, 54, 190, 199, 206, 357 natürliche Lebensgrundlage  191 Nebenhaushalte  146, 320 Nettokreditaufnahme  29, 30, 136, 161, 166, 172, 174, 359 Neuverschuldung –– konjunkturelle  209 –– strukturelle  175, 198, 205, 209, 212, 233, 234, 285, 289, 316, 319, 320, 356, 358, 359 Neuverschuldungsverbot. Siehe Schuldenbegrenzungsregelungen Normallage  163, 177, 236, 357 Normativbestimmungen  192, 204. Siehe auch Durchgriffsbestimmungen Normenverwerfungsmonopol  255 öffentliche Kassen. Siehe Haushalte Personalausgaben  301 Personen –– Dietzel  139 –– Forsthoff  241 –– Friedman  140 –– Gröschner  345 –– Henneke  129, 130 –– Hesse  243, 247, 257, 332 –– Hidien  82 –– Hillgruber  255 –– Hughes  255

–– Isensee  251 –– Keynes  140, 142 –– Kirchhof  271, 272, 293 –– Müller  341 –– Prantl  257 –– Savignys  244 –– Schmitt  255 –– Schuppert  157 –– Schwarz  351, 353 –– Stern  91 –– v. Lewinski  325 –– v. Stein  139 –– v. Unruh  333 –– Wagner  139 Pflichtaufgaben  68, 114, 117, 121, 134, 302, 358 praktische Konkordanz  262, 266, 345 Prinzip der funktionellen Richtigkeit. Siehe judicial self restraint Produktionslücke  167, 169, 175, 178 Rahmenordnung  246, 251, 267, 295, 360 Rastede-Entscheidung  92, 116 Rechtspflicht  147, 212, 233 Rechtsstaat. Siehe Rechtsstaatsprinzip Rechtsstaatsprinzip  39, 192, 204, 289, 290, 333, 343 Rechtsverordnungen  96, 167, 179, 244 Revisionsansprüche  62, 86 Revisionsverbote. Siehe Ewigkeits­ garantie Revolutionsverbot  273, 276 Sachinvestitionen. Siehe Investitionen Sanierungsmaßnahmen  151, 172, 181, 217, 221 Schuldenbegrenzungsregelungen –– Auswirkung auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung  297 –– Bundesebene  161 –– Europäische Ebene  313 –– Herkunft, Idee und Entwicklung  138

398

Personen- und Sachverzeichnis

–– Länderebene  182 –– objektgruppenbezogen  190 –– Verfassungsmäßigkeit  281 schwerwiegende Störung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung  209 Solidarität  219, 225, 227, 345. Siehe auch Bundesstaatsprinzip Sondervermögen  146, 154, 170, 175, 236 Sozialleistungen  300, 310, 344 Sozialstaatsprinzip  37, 39, 258, 278, 344, 352, 353 Sozialversicherungen  176, 362 Sozialverwaltung  346 Staatsaufbau –– Dreistufigkeit  36, 72 –– Risikofaktor  87 –– Zweistufigkeit  28, 36, 72, 363 Staatsschuldenkrise  315, 361 Staatsverschuldung  29, 65, 136, 156, 306, 357, 359, 361, 384 Stabilitäts- und Wachstumspakt. Siehe Europarecht, Europäischer Stabilitätsund Wachstumspakt Stabilitätsrat  180, 315 Steuer –– Bagatellsteuern  60 –– Einkommenssteuer  85 –– Gewerbesteuer  80, 298 –– Grundsteuer  80 –– Realsteuer  82 –– Steuerertragshoheit  41, 79 –– Steuersetzungshoheit  41, 60, 73, 79 –– Steuerverwaltungshoheit  41 –– Umsatzsteuer  79 Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts  191, 208, 224, 356 subjektive Rechtsstellungsgarantie. ­Siehe Garantie der kommunalen Selbstverwaltung subjektives Recht  91, 344, 348, 351 subjektiv-individueller Leistungsanspruch  351

Subsidiaritätsprinzip  53, 312. Siehe auch Europarecht Trennsystem  72 Übermaßverbot  289 Ultima-ratio-Prinzip  220, 224, 225, 229, 234 UN-Behindertenrechtskonvention  364 Universalität  97 venire contra factum proprium  229 Ver-bestimmung  251 Verbundsystem der Gemeinschafts­ steuern  72 Verfassungsänderung –– formell  238, 272, 273 –– materiell  238, 272 Verhältnismäßigkeit  116, 118, 130, 135, 289 Vermögenshaushalt. Siehe Haushalte Verschlechterungsverbot  212, 233 Verteilungssymmetrie  352, 353, 359, 361, 363 Vertrag von Lissabon  95, 311 Verwaltungsaufbau  87 Verwaltungshaushalt. Siehe Haushalte Verwaltungskompetenz  36 Verwaltungsvereinbarung  214, 233 Volkssouveränität  272, 277, 291, 292, 329, 337 Volksvertretung  328, 334, 336, 337 Vorbehalt der Gesetze. Siehe Gesetzesvorbehalt Vorbehalt der Leistungsfähigkeit. Siehe Leistungsfähigkeitsvorbehalt Vorbehalt des Möglichen  268, 353 Vorrang des Gesetzes  330, 343, 346 Wer bestellt, bezahlt!. Siehe Konnexitätsprinzip Wesensgehaltsgarantie  98, 275, 354 Wirtschaftskrise  27, 29, 47, 140, 298 Wirtschaftswachstum  28, 49, 51, 52, 144