Die verdeckte Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch die Zusammenarbeit mit V-Personen und Informanten [1 ed.] 9783428515639, 9783428115631

Verdeckte Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden durch den Einsatz von V-Leuten oder die Zusammenarbeit mit Informant

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Die verdeckte Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch die Zusammenarbeit mit V-Personen und Informanten [1 ed.]
 9783428515639, 9783428115631

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KLAUS ELLBOGEN

Die verdeckte Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch die Zusammenarbeit mit V-Personen und Informanten

Schriften zum Prozessrecht Band 187

Die verdeckte Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch die Zusammenarbeit mit V-Personen und Informanten Von

Klaus Ellbogen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Wintersemester 2003/2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 517 Alle Rechte vorbehalten © 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-11563-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2003/2004 von der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Soweit möglich, sind Rechtsprechung und Literatur bis März 2004 berücksichtigt worden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Uwe Hellmann, für seine intensive Betreuung und die gewährte Unterstützung. Seine kritische Würdigung vorgelegter Teile der Arbeit gab mir wertvolle und weiterführende Anregungen. Herrn Prof. Dr. Georg Küpper danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens.

Potsdam, im April 2004

Klaus Ellbogen

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung und Begriffsbestimmungen §1

§2

23

Einleitung

23

I.

Begriff der verdeckten Ermittlungen

24

II.

Verdeckte Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität

25

III.

Bedeutung verdeckter Ermittlungsmethoden

28

IV.

Untersuchungsgegenstand der Arbeit

29

Begriffsbestimmungen

31

I.

Verdeckte Ermittlungen durch Polizeibeamte

31

1. Verdeckte Ermittler

31

a) Definition

32

b) Legende des Verdeckten Ermittlers

32

c) Einsatzbedingte Straftaten des Verdeckten Ermittlers

33

d) Richterliche Zustimmung zum Betreten fremder Wohnungen

34

e) Einsatzcharakteristika

36

f) Auswahl und Führung von Verdeckten Ermittlern

37

g) Anordnung des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers

37

2. Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte

39

a) Abgrenzung zum Verdeckten Ermittler

39

b) Unanwendbarkeit der §§ 110a ff. StPO

40

c) Einsatzcharakteristika

41

d) Einfache und qualifizierte nicht offen ermittelnde Polizeibe-

II.

amte

41

aa) Einfache nicht offen ermittelnde Polizeibeamte

42

bb) Qualifizierte nicht offen ermittelnde Polizeibeamte

42

3. Under Cover Agent

43

Verdeckte Ermittlungen durch Privatpersonen

44

1. Typen ermittelnder Privatpersonen

44

8

nsverzeichnis 2. V-Personen

.

III.

45

a) Definition und eingesetzter Personenkreis

45

b) Sozialer Hintergrund und Motivation der V-Personen

46

c) Einsatzcharakteristika

47

d) Führung und Überwachung von V-Personen

47

e) Problem der Vertraulichkeitszusage

48

3. Informanten

49

4. Privatpersonen, die weder V-Person noch Informant sind

49

Agent Provocateur

49

1. Grenzen zulässiger Tatprovokation

50

2. Straflosigkeit des Lockspitzels bei zulässiger Tatprovokation

52

3. Strafbarkeit des verlockten Täters

54

Zweiter Teil Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Personen §3

§4

§5

Verfassungsrechtliche Grundlagen

58 58

I.

Begriff und Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes

58

II.

Totalvorbehalt

59

III.

Wesentlichkeitstheorie

60

IV.

Kritik an der Wesentlichkeitstheorie

62

V.

Stellungnahme

63

Faires Verfahren

63

I.

Herleitung des Anspruchs auf ein faires Verfahren

64

II.

Schutzbereich

64

III.

Verletzung der Chancengleichheit durch den Einsatz von V-Personen?

66

IV.

Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten?

67

V.

Lockspitzel-Einsatz gegenüber Unverdächtigen

68

VI.

Ergebnis

68

Grundrechtsbeeinträchtigungen

68

I.

Recht auf informationelle Selbstbestimmung

68

1. Schutzbereich

69

2. Abgrenzung zu anderen Grundrechten

70

3. Informationelle Selbstbestimmung und der Einsatz von V-Leuten .... 71

nsverzeichnis

9

4. Schranken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

71

a) Beschränkbarkeit durch Allgemeininteressen?

71

b) Grenzziehung anhand der Sphärentheorie

73

aa) Schutzbereiche nach der Sphärentheorie

73

bb) Kritik an der Sphärentheorie

74

cc) Stellungnahme

75

c) Bestimmung des Kernbereichs des Persönlichkeitsrechts

75

d) Anwendung auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht.... 76

Π.

aa) Höchstpersönlicher Charakter

76

bb) Geheimhaltungswille

76

cc) Fehlender bzw. mittelbarer Sozialbezug

77

dd) Ergebnis

77

e) Informationserlangung innerhalb der Privatsphäre

78

f) Informationserlangung innerhalb der Sozialsphäre

78

5. Ergebnis

78

Nemo-tenetur-Grundsatz

78

1. Herleitung und Bestimmung des Schutzbereichs

79

a) Unterscheidung nach Aktivität und Passivität

80

b) Instrumentalisierungsansatz

82

c) Eigenverantwortlichkeit

83

d) Schutz vor irrtumsbedingter Selbstbelastung

84

aa) Direkte Anwendung des § 136 StPO

85

( 1 ) Materieller Vernehmungsbegriff

85

(2) Formeller Vernehmungsbegriff

86

(3) Stellungnahme

86

bb) Analoge Anwendung des § 136 StPO e) Täuschungsverbot

88 88

f) Stellungnahme zum Schutzbereich des nemo-tenetur-Prinzips ... 89 aa) Zur Abgrenzung nach Aktivität und Passivität

89

bb) Kein Schutz vor irrtumsbedingter Selbstbelastung

90

cc) Vereinbarkeit mit den §§ 110a ff. StPO

92

dd) Täuschung und nemo-tenetur-Prinzip

93

2. Das nemo-tenetur-Prinzip verletzendes Vorgehen

95

3. Zwischenergebnis

96

10

nsverzeichnis III.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

96

IV.

Unverletzlichkeit der Wohnung

97

V. §6

1. Schutzbereich des Art. 13 IGG

98

2. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch V-Leute

98

3. Wirksamkeit eines Einverständnisses

99

4. Stellungnahme

100

5. Zwischenergebnis

101

Ergebnis

102

Ermächtigungsgrundlage

102

I.

Ablehnungstheorie

102

II.

Übergangsbonus

103

1. Verfassungsrechtliche Herleitung eines Übergangsbonus

103

2. Unanwendbarkeit der Bonusregelung auf V-Leute

104

3. Ergebnis

105

Analoge Anwendung der §§ 110a ff. StPO

105

III.

1. Allgemeine Voraussetzungen einer Analogie

105

2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit

106

3. Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke

106

4. Unterschiedliche Interessenlagen

107

5. Ergebnis

108

IV.

§ 34 StGB

108

V.

Vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht

109

1. Fehlen der Voraussetzungen des Gewohnheitsrechts

109

2. Vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht und Art. 123 I GG

110

§ 161 I StPO und die Schwellentheorie

110

1. Ausschluss des § 163 I StPO als Ermächtigungsgrundlage

111

VI.

2. Schwellentheorie

111

a) Herleitung der Schwellentheorie

111

b) Kritik an der Schwellentheorie

112

c) Stellungnahme

112

3. § 161 I StPO als Ermittlungsgeneralklausel

113

4. § 161 I StPO und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung 113 a) Bestimmtheit des § 161 I StPO aa) Anforderungen des Bestimmtheitsgebots

114 114

nsverzeichnis bb) Bestimmtheit der Ermittlungsgeneralklausel

11 115

b) Beachtung der Wesensgehaltsgarantie und der Verhältnismäßigkeit

117

aa) Wesensgehalt

118

bb) Verhältnismäßigkeit

119

(1) Eignung

119

(2) Erforderlichkeit

119

(3) Angemessenheit

120

c) Zwischenergebnis

122

5. Einsatz von V-Leuten und Art. 13 I GG VII. Ergebnis

123 124

Dritter Teil Der Schutz von V-Personen und Informanten §7

Vertraulichkeitszusage

125 125

I.

Notwendigkeit für eine Vertraulichkeitszusage

126

II.

Rechtsgrundlage der Vertraulichkeitszusage

126

1. Rechtsnatur der Zusage

126

2. §§ 54, 96 StPO als Rechtsgrundlagen einer Vertraulichkeitszusage . 127 III.

Voraussetzungen einer Vertraulichkeitszusage

127

1. Generelle Voraussetzungen

127

2. Andere Schutzmöglichkeiten für die V-Person bzw. den Informanten

IV.

V.

VI.

128

3. Besonderheiten bei Informanten

129

4. Pauschale Vertraulichkeitszusagen

129

Zuständigkeit für die Vertraulichkeitszusage

130

1. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft

130

2. Notkompetenz bei Informanten?

131

3. Übergang vom präventiven zum repressiven Einsatz

132

Information der Staatsanwaltschaft über die Identität

133

1. Unbeachtlichkeit der Nr. 5.4 RiStBV/D

133

2. Tatsächlicher Umfang der Informationspflicht

134

Aktenführung und Vertraulichkeitszusage

VII. Form und Inhalt der Vertraulichkeitszusage

134 135

12

nsverzeichnis VIII. Bindung an die Vertraulichkeitszusage

136

1. Grundsatz der Verbindlichkeit

136

2. Ausnahmen von der Bindungswirkung

137

IX. §8

Anfechtbarkeit der Vertraulichkeitszusage durch den Beschuldigten? .. 138

Sperrerklärung

138

I.

Allgemeines

139

II.

Behandlung gerichtlicher Auskunftsverlangen

140

1. Planwidrige Regelungslücke

140

III.

2. Vergleichbare Interessenlage

141

Zuständigkeit fur die Abgabe einer Sperrerklärung

142

1. Zuständigkeit des Innenministers?

142

2. Justizminister als zuständige oberste Dienstbehörde

143

a) Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft

143

b) Entscheidungskompetenz des Justizministers

144

c) Gefahr sich widersprechender Ergebnisse IV.

144

3. Zuständigkeit bei Gemengelagen

145

Voraussetzungen einer Sperrerklärung

146

1. Sperrerklärung bei Vorliegen einer Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit

146

a) Gefahrdung einer V-Person als Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes

146

b) Enttarnungsrisiken

148

c) Schutz der V-Person durch andere Maßnahmen

149

2. Weitere Gründe fìir eine Sperrerklärung a) Streitstand

150 150

b) Stellungnahme

151

V.

Form der Sperrerklärung

152

VI.

Rechtsfolgen einer Sperrerklärung

153

1. Grundsätzliche Folgen einer Sperrung

153

2. Beschlagnahme bei fehlender, willkürlicher oder offensichtlich rechtsmissbräuchlicher Sperrung

154

a) Möglichkeit der Beschlagnahme von Behördenakten

154

b) Ausschluss der Beschlagnahme?

155

c) Zulässigkeit der Beschlagnahme

156

nsverzeichnis

13

aa) Grundsatz der Gewaltenteilung

156

bb) Wahrung von Amtsgeheimnissen

157

3. Fälle der fehlerhaften, nicht willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Sperrung 4. Unvereinbarkeit des § 96 StPO mit Art. 19 IV GG?

158 159

a) Fehlende gerichtliche Überprüfbarkeit der Verwaltungsentscheidung b) Verfahren nach Neufassung des § 99 II VwGO

160 160

c) Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs

161

d) Kompensation über das Beweisrecht

162

VII. Rechtsweg gegen eine Sperrerklärung

163

1. Klagebefugnis bzw. Rechtsmittelberechtigung

163

2. Rechtsweg bei Entscheidungen des Justizministers

165

3. Rechtsweg bei Entscheidungen des Innenministers

167

a) Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten?

167

b) Zuständigkeit nach § 13 GVG?

168

c) Verwaltungsrechtsweg?

168

d) Stellungnahme

169

aa) Voraussetzungen des § 23 EGGVG

169

bb) Sinn und Zweck der §§ 23 ff. EGGVG

170

cc) Sachnähe der ordentlichen Gerichte

171

dd) Einheit der Rechtsprechung

172

ee) Fehlender Rechtsschutz?

172

ff) Ausschluss des § 13 GVG

173

VIII. Umfang der Überprüfung einer Sperrerklärung

174

1. Meinungsstand

174

2. Stellungnahme

175

a) Nichtigkeitsüberprüfung

175

b) Überprüfung der materiellen Voraussetzungen

175

Aussagegenehmigung

176

I.

Anwendbarkeit des § 54 I StPO

177

II.

Zuständigkeit für die Erteilung einer Aussagegenehmigung

178

1. Zuständigkeitsregelung bei Beamten

178

2. Zuständigkeit bei förmlich verpflichteten V-Leuten

180

14

nsverzeichnis 3. Zu präventiven Zwecken eingesetzte V-Personen III.

181

Gründe für die Beschränkung oder Versagung einer Aussagegenehmigung

182

IV.

Form der Aussagegenehmigung

183

V.

Rechtsweg gegen die Beschränkung oder Versagung einer Aussagegenehmigung

185

1. Allgemeines

185

2. Vorliegen eines Justizverwaltungsaktes

186

3. Geltung des § 1261BRRG

186

4. Klage auf die Aussagegenehmigung für eine V-Person

188

5. Problem unterschiedlicher Gerichtszuständigkeiten

188

Vierter

Teil

Beweisaufnahme und Beweisverwertung § 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

190 191

I.

Allgemeine Bedeutung des Zeugen und seiner Aussagepflicht

191

II.

Die einzelnen Zeugenschutzmöglichkeiten

192

1. Allgemeines

192

2. Verzicht auf die Angabe des Wohnortes nach §68 II StPO

193

a) Voraussetzungen

193

aa) Auslegung des Gefahrbegriffs im Allgemeinen

193

bb) Gefahr im Sinne des § 68 II StPO

195

b) Entscheidungsform

196

c) Schutzwirkung

196

3. Verschweigen der Identität gemäß § 68 III StPO

197

a) Voraussetzungen

197

b) Geheimhaltungsbedürftige Angaben

198

c) Schutzwirkung

198

4. Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer a) Anwendungsbereich und Voraussetzungen

199 199

b) Anwendbarkeit auf V-Personen

199

c) Schutzwirkung

201

5. Ausschluss der Öffentlichkeit a) Frühere Praxis

201 202

nsverzeichnis

15

b) Voraussetzungen

202

c) Schutzwirkung

203

6. Zeugenvernehmung an einem anderen Ort / Videovernehmung

203

a) Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich

203

b) Kombination mit kommissarischer Vernehmung

204

c) Technische Umsetzung

205

d) Subsidiarität und Schutzwirkung

206

7. Zulässigkeit der optischen und akustischen Abschirmung des Zeugen

207

a) Begriffsbestimmung, Abgrenzung zur Verfremdung

207

b) Meinungsstand

207

c) Unzulässigkeit der optischen und akustischen Abschirmung

209

8. Verfremdung des Äußeren

211

9. Ausschluss des Verteidigers?

212

10. Ausschluss der Laienrichter?

214

11. Zusammenfassung

215

§ 11 Beweissurrogate I.

II.

216

Kommissarische Vernehmung

216

1. Allgemeines

216

2. Voraussetzungen

218

3. Informationspflicht und Teilnahmerechte

219

4. Schutzwirkung

221

Protokollverlesung und Vernehmung der Verhörsperson / des Zeugen vom Hörensagen

221

1. Protokoll Verlesung gemäß § 251 I StPO

221

a) Technische Ausdehnung des Anwendungsbereiches

221

b) Voraussetzungen

222

c) Verlesbarkeit richterlicher Protokolle

223

d) Schutzwirkung

223

2. Protokollverlesung gemäß § 251 II StPO

224

a) Voraussetzungen der Verlesung

224

b) Ergänzende schriftliche Befragung

226

c) Schutzwirkung

227

3. Vernehmung der Verhörsperson / Zeuge vom Hörensagen

227

16

nsverzeichnis a) Vereinbarkeit mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz

227

b) Gewährleistung des Zeugenbefragungsrechts (Art. 6 III MRK) und des rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG)?

III.

c) Verstoß gegen § 261 StPO?

230

d) Charakteristik des Beweismittels

232

Zusammenfassung

§ 12 Prozessuale Auswirkungen einer Sperrung I.

228

232 232

Willkürliche oder offensichtlich rechtsmissbräuchliche Sperrung eines Zeugen 1. Kriterien

233 234

a) § 44 VwVfG

234

b) Beispielsfälle

235

2. Reaktionsmöglichkeiten des Gerichts

235

a) Gegenvorstellung

235

b) Beschlagnahme bei einer Sperrerklärung

236

c) Beugemaßnahmen bei der Versagung einer Aussagegenehmigung? d) Beweisverwertung

236 236

aa) Beweisverwertungsverbot

237

bb) Beweisverbotslehre

237

cc) Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens

240

II.

Fehlerhafte Sperrung eines Zeugen

241

III.

Sperrung des Zeugen aus rechtmäßigen Gründen

243

IV.

Ablehnung von Beweisanträgen nach § 244 III StPO

244

V.

Aussetzung des Strafverfahrens?

246

§ 13 Beweiswürdigung I.

II.

249

Allgemeine Grundsätze

250

1. Darstellung im Urteil

250

2. Würdigung der Zeugenaussagen

251

a) Notwendiges Wissen des Gerichts

252

b) Eigenständige Glaubwürdigkeitseinschätzung

253

Spezielle Grundsätze der Beweiswürdigung bei geschützten oder gesperrten Zeugen

254

1. Würdigung der Aussage eines Zeugen in der Hauptverhandlung

254

nsverzeichnis

17

a) Fehlende Angaben zum Wohnort

254

b) Fehlende Angaben zur Identität des Zeugen

254

c) Ausschluss des Angeklagten bzw. der Öffentlichkeit

255

d) Videovernehmungen

255

2. Beweiswürdigung bei mittelbarer Einführung der Zeugenaussagen . 256

III.

a) Schriftliche Äußerungen des Zeugen

256

b) Protokollverlesung gemäß §§ 251 I, II StPO

257

c) Zeuge vom Hörensagen

258

aa) Genereller Beweiswert

258

bb) Besonderheit bei Ermittlungsbeamten

260

cc) Fokussierung des Ermittlungsverfahrens

260

dd) Negative Berücksichtigung der Sperrung des Zeugen?

260

ee) Indizwirkung

261

Zusammenfassung

262

Wesentliche Ergebnisse

263

Literaturverzeichnis

271

Sachwortverzeichnis

298

2 Ellbogen

Abkürzungsverzeichnis a. Α.

anderer Ansicht

a.a.O.

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

a.F.

alte Fassung

AG

Amtsgericht

AKB

Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung

AKGG

Alternativkommentar zum Grundgesetz

AKStPO

Alternativkommentar zur Strafprozeßordnung

ÄndG

Änderungsgesetz

AO

Abgabenordnung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

Art.

Artikel

ASOG

Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und

AT

Allgemeiner Teil

BAT (/O)

Bundes Angestellten Tarif (/Ost)

BayObLG

Bayrisches Oberstes Landgericht

BBG

Bundesbeamtengesetz

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

Ordnung in Berlin

BFH

Bundesfinanzhof

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHR

BGH Rechtsprechung Strafsachen

BGHSt

Entscheidungen des BGH in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des BGH in Zivilsachen

BK

Bonner Kommentar zum Grundgesetz

BKAG

Gesetz über das Bundeskriminalamt

BRB

Brandenburg

Abkürzungsverzeichnis BRRG

Beamtenrechtsrahmengesetz

BStBl.

Bundessteuerblatt

BT-Drs.

Bundestags-Drucksache

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des BVerfG

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerfSchG

Bundesverfassungsschutzgesetz

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des BVerwG

BZRG

Bundeszentralregistergesetz

bzw.

beziehungsweise

CR

Computer und Recht

DB

Der Betrieb

ders.

derselbe

dies.

dieselbe(n)

d.h.

das heißt

DÖV

Die öffentliche Verwaltung

DRiG

Deutsches Richtergesetz

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

EGGVG

Einfuhrungsgesetz zum GVG

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Einl.

Einleitung

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EuGRZ

Europäische Grundrechte Zeitschrift

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

f./ff.

folgende

FGO

Finanzgerichtsordnung

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

G

Gesetz

GA

Goltdammers Archiv für Strafrecht

GG

Grundgesetz

19

20

Abkürzungsverzeichnis

GS

Gedächtnisschrift

GVB1.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HbdStR

Handbuch des Staatsrechts

HKStPO

Heidelberger Kommentar zur StPO

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

HS

Halbsatz

i.E.

im Ergebnis

InsO

Insolvenzordnung

i.V.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

KG

Kammergericht

KK

Karlsruher Kommentar zur StPO

KMR

Kleinknecht/Müller/Reitberger, Kommentar zur StPO

KR

Kriminalistik

Kripo

Kriminalpolizei

LBG

Landesbeamtengesetz

LG

Landgericht

LK

Leipziger Kommentar zum StGB

LR

Löwe/Rosenberg Kommentar zur StPO

M/D

Maunz/Dürig GG Kommentar

MDR

Monatsschrift des Deutschen Rechts

MRK

Menschenrechtskonvention

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

n.F.

neue Fassung

NJ

Neue Justiz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr.

Nummer

Abkürzungsverzeichnis NStZ

Neue Zeitschrift fur Strafrecht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NWVB1.

Nordrhein Westfälisches Verwaltungsblatt

NWVerfGH

Nordrhein Westfälischer Verfassungsgerichtshof

OLG

Oberlandesgericht

OrgKG

Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifithandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität

OVG

Oberverwaltungsgericht

PolG

Polizeigesetz

RiStBV

Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren

Rdnr.

Randnummer

RG

Reichsgericht

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

RR

Rechtsprechungsreport

S.

Seite

seil.

nämlich

SGB

Sozialgesetzbuch

sog.

sogenannt

SKStGB

Systematischer Kommentar zum StGB

SKStPO

Systematischer Kommentar zur StPO und GVG

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

StraFo

Strafverteidiger Forum

StV

StrafVerteidiger

StVÄG

Strafverfahrensänderungsgesetz

u.a.

unter anderem

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VRS

Verkehrsrechtssammlung

VVG

Versicherungsvertragsgesetz

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

wistra

Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

21

22

Abkürzungsverzeichnis

z.B.

zum Beispiel

ZPO

Zivilprozessordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Erster Teil

Einleitung und Begriffsbestimmungen § 1 Einleitung Die Strafverfolgungsbehörden sind gemäß §§ 160 I, 163 I StPO verpflichtet, bei dem Verdacht einer Straftat den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt aufzuklären. Diese Vorschriften konkretisieren das aus § 152 II StPO folgende Legalitätsprinzip. Nach § 160 I StPO hat die Staatsanwaltschaft zur Vorbereitung der Entscheidung, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den strafrechtlich relevanten Sachverhalt aufzuklären. Dabei hat sie nach Absatz 2 die den Beschuldigten be- und entlastenden Umstände zu ermitteln und die für das Verfahren erforderlichen Beweismittel zu sichern. § 161 StPO bestimmt in genereller Form, welche Befugnisse der Staatsanwaltschaft zur Erfüllung dieser Aufgabe zustehen. Sie kann von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und eigene Ermittlungen vornehmen bzw. von der Polizei vornehmen lassen. Gemäß § 163 I StPO trifft auch die Polizei hinsichtlich dieser Aufgabe eine eigene Erforschungs- und Beweissicherungspflicht, allerdings nur im Rahmen des sog. ersten Zugriffs. Aus den §§ 161 I, 163 I StPO wird zutreffend der Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens abgeleitet1, der es den StrafVerfolgungsbehörden ermöglicht, die Nachforschungen zweckmäßig und nach taktischen Gesichtspunkten dem Einzelfall angemessen zu führen. So können die Reihenfolge und der Ablauf der Ermittlungsmaßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend festgelegt werden, wobei sowohl die Erfordernisse eines ökonomischen Mitteleinsatzes als auch eines schonenden und fairen Verfahrens Berücksichtigung finden müssen2. Hieraus folgt jedoch nicht, dass alle erdenklichen Ermittlungsmaßnahmen zur Erfüllung des Ermittlungsauftrages zulässig sind3. Soweit Grundrechte berührt bzw. in diese eingegriffen wird, ist der Vorbehalt des Gesetzes zu beachten. Vor allem beim Einsatz nicht ausdrücklich ge-

1 BVerfG, NStZ 1996, 45; KMR Plöd, § 161, 15; Meyer-Goßner, § 161, 7; Pfeiffer, § 161,7. 2 HKStPO Krehl, § 160, 5; LR Rieß, § 160, 36. 3 Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 2, 3.

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1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

regelter sog. verdeckter Ermittlungsmethoden 4 ist ungeklärt, ob diese auf die Ermittlungsgeneralklausel des § 161 I StPO gestützt werden können oder ob der Vorbehalt des Gesetzes hierfür eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich macht.

I. Begriff der verdeckten Ermittlungen Generelles Ziel strafprozessualer Ermittlungen ist es, Informationen über Personen und Vorgänge zu suchen bzw. aufzuspüren und unter strafrechtlichen Gesichtspunkten zu verarbeiten und auszuwerten5. Zur Erlangung der verfahrensrelevanten Informationen und Daten verwenden die StrafVerfolgungsbehörden teilweise Methoden, die als „offen" klassifiziert werden können, wie etwa die Vernehmung oder die Durchsuchung. Sie sind offen, weil sie mit Kenntnis des Betroffenen erfolgen. Daneben gibt es aber auch Vorgehensweisen, die so konzipiert sind, dass sie den Kenntnisstand der Strafverfolgungsbehörden ohne bewusste oder freiwillige Mitwirkung derjenigen Person erhöhen, die Ziel der Untersuchung ist. Eine solche Praxis kann als heimlich bezeichnet werden, da sie ohne Wissen des Beschuldigten bzw. Tatverdächtigen erfolgt. Solcherart heimliches Vorgehen sichert zum einen den Zweck bzw. Erfolg der Ermittlungen und belastet zum anderen den Tatverdächtigen am wenigsten. Das heimliche Führen des Ermittlungsverfahren ist auch zulässig, denn es ist - entgegen einer Auffassung in der Literatur 6 - kein Grundsatz des Strafverfahrensrechts, dass offen ermittelt werden müsste7. Dies bestätigt z.B. § 163a I StPO, der bestimmt, dass der Beschuldigte spätestens vor Abschluss der Ermittlungen zu vernehmen ist. Diese Norm soll sicherstellen, dass im Falle eines heimlichen Vorgehens der Strafverfolgungsbehörden der Beschuldigte wenigstens vor dem Abschluss der Ermittlungen Gelegenheit erhält, sich zum Tatvorwurf zu äußern und entlastende Umstände geltend zu machen. In Fällen, in denen es zu einer Einstellung des Verfahrens kommt, ist dies aber entbehrlich. Es kann daher grundsätzlich ein

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Zu dem in dieser Arbeit verwandten Begriff der verdeckten Ermittlungen siehe unter § 1,1. 5 Creutz, ZRP 1988, 415, 416; Rebmann/Schoreit, NStZ 1984, 1. 6 Siehe hierzu unten § 5 II, 2 a), aa). 7 BGHSt 39, 335, 346; 42, 139, 150; Krey, Miyazawa FS, S. 595, 599; Lilie/Rudolph, NStZ 1995, 514, 515; LR Rieß, § 160, 41a; Rogali , JZ 1987, 847, 850. Einschränkend: Hund, StV 1993, 379; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 142, 154; Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 52. Siehe auch unten § 5 II 1, d, aa), (3).

§ 1 Einleitung

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Ermittlungsverfahren geführt und beendet werden, ohne dass der Beschuldigte hiervon Kenntnis erlangt 8 Beispiele für solche heimlichen Ermittlungsmethoden sind die Observation und technikgestützte Maßnahmen zum Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes oder der Überwachung des Fernmeldeverkehrs. Der Begriff der verdeckten Ermittlungen kann - in einem weiten Sinne verstanden - solche heimlichen Ermittlungsmethoden mit erfassen. Teilweise werden beide Begriffe auch synonym gebraucht. Im Folgenden wird jedoch ein engerer Begriff verwendet, der als verdeckte Ermittlungen nur solche Ermittlungshandlungen bezeichnet, bei denen sich die Strafverfolgungsbehörden verfahrensrelevante Informationen und Daten durch die Mitwirkung von Privatpersonen oder Polizeibeamten verschaffen, welche über ihre wahre Identität und/oder ihre Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden täuschen oder diese nicht offenbaren. Die Zielperson, also der Beschuldigte oder ein Zeuge, wird dabei gezielt dazu veranlasst, Wissen preiszugeben. Verdeckte Ermittlungen stellen folglich eine besondere Form der Daten- und Informationsgewinnung durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und Methoden durch die Strafverfolgungsbehörden dar 9. Ein wesentliches Element der verdeckten Ermittlungsmethoden ist das der Täuschung. Dies kann auch die Schaffung einer Legende, also einer fingierten Lebensgeschichte der im staatlichen Auftrag handelnden Person, umfassen. Der Beschuldigte weiß in diesen Fällen zwar, dass er z.B. in einem Gespräch Informationen preisgibt, aber er weiß nicht zu welchem Zweck und mit welchen Konsequenzen.

II. Verdeckte Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität Verdeckte Ermittlungsmethoden sind verschiedenen Bedenken ausgesetzt. Zum einen, weil ein „offenes" Ermittlungsverfahren gefordert wird 10 , und zum anderen, weil die Abwehr- und Schutzmöglichkeiten des Beschuldigten durch diese Vorgehensweise zu stark eingeschränkt würden 11 . Vor allem die Organi-

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Dies ist weitgehend unbestritten, soweit eine Einstellung nach § 170 II StPO erfolgt. Siehe zu diesem Problemkreis: AKStPO Achenbach, § 163a, 5; Dahs, NJW 1985, 1113, 1115; Fincke, ZStW 95 (1983), 918, 956 ff.; KK Wache, § 163a, 5; KMR Plöd, § 163a, 6; Wagner, ZStW 109 (1997), 545, 574 ff. Zum Problem des „offenen" Ermittlungsverfahrens siehe auch unten § 5 II 1, d, aa), (3). 9 Rogali, JZ 1987, 847, 849. Ähnlich Kramer, Jura 1988, 520; Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 21. 10 Siehe oben § 1 I sowie § 5 II 1, d, aa), (3). 11 Lisken, DRiZ 1987, 184, 188.

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1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

sierte Kriminalität 12 als eine besonders gefährliche und schwer aufklärbare Kriminalitätsform erfordert aber den Einsatz solcher verdeckten Ermittlungsmethoden, um überhaupt an gerichtsverwertbare Beweise und Informationen zu gelangen13. Eine Definition der Organisierten Kriminalität ist bislang nicht gefunden worden, so dass dieser Begriff nur phänomenologisch14 eingegrenzt werden kann 15 . Als gesichert gilt insoweit aber, dass insbesondere im Bereich des Rauschgifthandels und -schmuggeis, der (Zwangs-) Prostitution und des Menschenhandels, des illegalen Glücksspiels, der Schutzgelderpressung, der illegalen Arbeitervermittlung, der illegalen Sondermüllentsorgung, der Warenzeichenfälschung, der Herstellung und Verbreitung von Falschgeld, der zwangsweisen Transplantation menschlicher Organe, des Einschleusens von Ausländern sowie des illegalen Waffenhandels Verbrecherorganisationen entstanden sind, die bandenmäßig zusammengeschlossen sind, bei der Vorbereitung und Durchführung professionell agieren und die erlangte Beute oder Ware nach konspirativen Regeln verteilen bzw. verwerten 16. Organisierte Kriminalität entsteht also vor allem in den Bereichen, in denen Einzeltäter angesichts der Komplexität der Sachverhalte und Arbeitsabläufe überfordert sind. So sind z.B. bei der Rauschgiftkriminalität Spezialisten für die Produktion von Betäubungsmitteln erforderlich, für deren Transport, den Schmuggel und die Verteilung. Die notwendige Logistik muss aufgebaut und in Stand gehalten werden. Die finanzielle Grundausstattung ist zu beschaffen, Gewinne sind zu verwalten und nutzbringend weiter zu verwenden. Für die Aufrechterhaltung der organisationsinternen Disziplin ist ebenso Personal bereitzuhalten wie für die Auseinandersetzung mit Konkurrenten oder die Betreuung von inhaftierten Mitgliedern der jeweiligen Gruppierung und deren Angehörigen 17 .

12 Eisenberg, NJW 1993, 1033, hält die Begriffe Organisiertes Verbrechen oder Organisierte Straftatbegehung für zutreffender, da es sich überwiegend um ein an Tätergemeinschaften und der Organisation der Geschäftsabläufe orientiertes, weniger um ein massenstatistisches Phänomen handele. Da der Begriff der Organisierten Kriminalität aber inzwischen üblich geworden ist, soll nur dieser im Folgenden verwendet werden. 13 BVerfG, NStZ 1985, 131; BGHSt 32, 115, 121 f.; Geißdörfer, KR 1993, 679; Hertleif Die Polizei 1984, 322, 323; Krey, JR 1998, 1, 2; ders., Rechtsprobleme, Rdnr. 20 ff.; Nordmann, DRiZ 1980, 164, 166; Rebmann, NStZ 1982, 315, 317; Schaefer, in Lüderssen, V-Leute, S. 102, 105; ders., NJW 1994, 774; Schneider, NStZ 2001, 8, 9; Sieber, JZ 1995, 758, 767; von Zwehl, V-Leute, S. 28 f. 14 Siehe z.B. Föhring, KR 1995, 335 ff. 15 Siehe aber die Definitionsversuche bei Eisenberg, Kriminologie, § 57, Rdnr. 67 ff.; Kaiser, Kriminologie, § 28, Nr. 4.1; Möhn, KR 1994, 534 ff.; Schneider, Jura 1984, 169 f.; Schwind, Kriminologie, § 29, Rdnr. 4 ff.; Sieber/Bogel, LOOK, S. 23 ff. sowie RiStBV/E Nr. 2.1. 16 Vgl. z.B. Bindzus, JuS 1995, 373. 17 Zachert, Das Parlament, Β 23/95, 11,12.

§ 1 Einleitung

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Diese kriminellen Vereinigungen Schotten sich sowohl nach innen als auch nach außen ab, die einzelnen Mitglieder kennen sich nur, soweit dies für das Funktionieren der Organisation notwendig ist und die Hauptpersonen treten möglichst nicht nach außen in Erscheinung. „Geschäftspartner", die z.B. in den Absatz der Beute bzw. Ware eingeschaltet sind, werden sorgfaltig ausgewählt, um sicherzustellen, dass es sich nicht um Polizeibeamte handelt, und mögliche Zeugen werden durch Terror und Drohungen eingeschüchtert 18. Darüber hinaus werden unvermeidliche Mitwisser durch Schweigegelder, Schweigegebote, Drohungen und Einschüchterung davon abgehalten, Aussagen zu machen. Wird ein Einzeltäter gefasst, gewährt die Organisation nicht selten den Familienangehörigen materielle Unterstützung und übernimmt die Verteidigerkosten, um auf diese Weise Gefügigkeit zu erreichen und der Offenbarung von Wissen, welches die Organisation betrifft, vorzubeugen 19. Als weiteres Merkmal kommt häufig hinzu, dass solche Tätergruppen mit großen Geldbeträgen versuchen, die Gesetze der Marktwirtschaft auszuhebeln, Einfluss in Verwaltung, Justiz und Politik zu gewinnen und so die Grundlagen des demokratischen Rechtsstaats zu unterminieren 20. Die Organisationsstrukturen 21 erscheinen wegen ihrer dem legalen Wirtschafts- und Berufsleben entlehnten, im hohen Maße durch Strohmänner, Scheinfirmen und internationale Firmenverflechtungen getarnten Marketing-, Produktions- und Absatzsysteme sowie wegen der Einbindung von juristischen Personen, Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern und Politikern fast harmlos 22. Diese Art des Vorgehens macht es weitgehend unmöglich, mit herkömmlichen strafprozessualen Erkenntnismethoden Erfolge zu erzielen, insbesondere den inneren Täterkreis zu überführen. Vielmehr können häufig nur solche Straftäter angeklagt und verurteilt werden, die innerhalb der Gruppierung eine untergeordnete Rolle spielen. Da diese aber in der Regel beliebig austauschbar und ersetzbar sind, werden die kriminellen Aktivitäten der Organisation bzw. Bande insgesamt durch eine Aufdeckung der Taten dieser Randfiguren im Kern

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761 f. 19

Materialien zum Under Cover Agent, StV 1984, 350, 351; Sieber, JZ 1995, 758,

BGHSt 32, 115, 120; BT-Drs. 12/989, S. 21. Entwurfsbegründung der SPD-Fraktion für ein 2. OrgKG, BT-Drs. 12/6784, S. 1. So auch Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 26 f. Kritisch aber insoweit Ambos, Jura 2003, 674, 678. 21 Wobei jedoch nicht übersehen werden darf, dass solcherart kriminellen Vereinigungen vielfach nur lose Interessengruppierungen sind, die kostspielige Organisationsformen durch den Einsatz von Gewalt, Erpressung und Bestechung ersetzen. Ihre Struktur entspricht daher nicht der legaler Wirtschaftsunternehmen, Körner BtMG, Scherp, § 31, 99. Man spricht in diesem Zusammenhang eher von Netzwerk- oder Netzstrukturkriminalität, Weschke, KR 1986, 297, 315. Siehe auch von Lampe, KR 2001, 465 ff. 22 Körner, BtMG, 4. Auflage, § 31, 152. 20

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1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

nicht gestört 23. Das langfristige Ziel der Zerschlagung solcher Strukturen durch das Eindringen in deren Kernbereich sowie des Erkennens der Organisationsstrukturen und der hauptverantwortlichen Straftäter, der Organisatoren, Finanziers und der im Hintergrund agierenden Drahtzieher ist kaum erreichbar, wenn nicht neue Wege der Verbrechensbekämpfung - etwa durch den Einsatz verdeckter Ermittlungsmethoden - beschritten werden. Nach neueren Erkenntnissen ist das wichtigste übergreifende Logistikelement im Bereich des organisierten Verbrechens der Informationsfluss unter den Straftätern 24. Dieser wird u.a. durch Szenetreffs und Kontaktleute aufrechterhalten. Konkrete Deliktsabsprachen finden regelmäßig nur bei persönlichen Zusammentreffen statt, wobei der allgemeine regionale wie überregionale Informationsaustausch eher bei gesellschaftlichen Zusammenkünften wie Geburtstagsfeiern oder Kampfsportveranstaltungen erfolgt 25 . In dieses informationelle Netzwerk kann effektiv nur mittels verdeckter Ermittlungsmethoden eingegriffen werden.

I I I . Bedeutung verdeckter Ermittlungsmethoden Die beschriebenen Formen des organisierten Verbrechens treten in Europa erst seit etwa 50 Jahren und in Deutschland etwa seit 30 Jahren verstärkt auf, gleichwohl sind verdeckte Ermittlungen keine Erfindung der heutigen Zeit 26 . Um 1810 schuf unter dem französischen Polizeiminister Joseph Fouché der ehemalige Bagno 27 - Häftling Francois Vidocq eine Polizeibrigade, die sich aus ehemaligen Sträflingen und Zwangsarbeitern zusammensetzte und mit verdeckten Ermittlungsmethoden zumindest zeitweilig respektable Aufklärungserfolge erzielte 28. Von Ähnlichem berichtet auch Jack London, der um 1890 Austernräuber in der San Francisco Bay war und später die Seiten wechselte, um selbst mit einer Fischereipatrouille Fisch- und Austernräuber zu jagen 29 . In Deutschland erlangte ein V-Mann der Polizei während der Zeit der Weimarer Republik unrühmliche Popularität. Der Massenmörder Fritz Haarmann arbeitete als Spit-

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BGHSt 32, 115, 120; von Zwehl, V-Leute, S. 26. Vgl. auch Hoffmann, Der unerreichbare Zeuge, S. 134. 24 Mafcrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 30; Sieber, JZ 1995, 758, 762; Sieber/Bögel, LOOK, S. 287 ff. 25 Sieber, JZ 1995, 758, 762. 26 Vgl. auch Maul, BGH FS, S. 569 f. 27 Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich Gefängnis fur Schwerverbrecher. 28 Schwind, Kriminologie, § 16, Rdnr. 33. 29 Literarisch verarbeitet in The Cruise of the „ Dazzler " und Tales of the Fish Patrol.

§ 1 Einleitung

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zel für das Einbruchskommissariat der Kripo Hannover und nutzte seine Tätigkeit zur Begehung von Straftaten aus30. Die verdeckten Ermittlungsmethoden wurden im Laufe der Zeit, vor allem durch die Möglichkeiten, den betreffenden Personen eine neue Identität (Legende) zu verschaffen, weiter perfektioniert 31. In Deutschland wurde diese Form der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung verstärkt ab Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts eingesetzt. Zu jener Zeit waren die Strafverfolgungsbehörden auf den rapiden Anstieg der organisierten Kriminalität in der oben beschriebenen Form weder personell noch materiell vorbereitet und sahen vor allem im Einsatz privater Vertrauensleute eine schnelle Möglichkeit, des Problems Herr zu werden. Unkritische Auswahl und mangelhafte Ausbildung der V-Männer und V-Mann-Führer führten in der Anfangszeit zu fragwürdigen Ergebnissen 32, welche eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen, Aufsätzen und Monographien zur Folge hatten. Die Politik nahm sich daraufhin der Problematik an. Durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) wurden 1992 in den §§ 110a ff. StPO die Voraussetzungen des Einsatzes verdeckter Ermittler 33 geregelt 34. Bereits 1986 erarbeitete die gemeinsame Konferenz der Justizminister/-senatoren und Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder Richtlinien über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung 35.

IV. Untersuchungsgegenstand der Arbeit Bei der Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden gilt generell, dass diese von Verfassungs wegen - in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit - dazu verpflichtet sind, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Straftaten aufzuklären. Denn die wirksame Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung, die möglichst vollständige Wahrheitsermittlung im. Strafprozess zur Überführung von Straftätern bzw. Entlastung Unschuldiger sowie die wirksame Aufklärung schwerer Straftaten sind wesentliche Aufträge des rechtsstaatlichen Ge30

Ehrlich, KR 1964, 238; W. Krause,, V-Leute, S. 113. Schünemann, KR 1999, 146, 151, spricht von „geheimdienstlichen" Ermittlungsmethoden. 32 Körner, KR 1983, 290; von Zwehl, V-Leute, S. 3. 33 Bei einem verdeckten Ermittler handelt es sich um einen Polizeivollzugsbeamten, also keine Privatperson. Näheres siehe § 2 I, 1. 34 Gesetz vom 15.7.1992, BGBl. I 1302, 1308 f. 35 Im Weiteren nur RiStBV/D. Abgedruckt bei Meyer-Goßner , A 15 RiStBV, Anlage D; jeweils in Kraft gesetzt durch die einzelnen Bundesländer, Nachweise a.a.O. 31

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

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meinwesens mit Verfassungsrang 36. Dies gilt um so mehr, wenn es um die Bekämpfung der besonders sozialschädlichen Auswirkungen der Organisierten Kriminalität geht. Der Einsatz verdeckter Ermittlungsmethoden zu diesem Zweck birgt aber auch die Möglichkeit des Missbrauchs in sich, da nur eine eingeschränkte Kontrolle möglich ist. Grundsätzlich besteht daneben die Gefahr, dass der verfassungsrechtlich abgesicherte Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren 37 verletzt oder andere Grundrechtseingriffe, wie z.B. in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, herbeigeführt werden. Ob speziell der Einsatz von Privatpersonen zu verdeckten Ermittlungen auf die Befugnisgeneralklausel des § 161 I StPO gestützt werden kann oder hierfür eine spezialgesetzliche Ermächtigung erforderlich ist und wie die bei dieser Ermittlungstätigkeit kollidierenden Rechtsgüter in Einklang zu bringen sind, wird im Weiteren noch zu klären sein. Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist nur die verdeckte Ermittlungstätigkeit von Privatpersonen auf Veranlassung der Strafverfolgungsbehörden. Zu klären ist dabei zum einen, auf welche Ermächtigungsgrundlage diese Form der strafprozessualen Informationsgewinnung gestützt und unter welchen Voraussetzungen das solcherart erlangte Wissen in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann, zum anderen aber auch, ob Polizei und Staatsanwaltschaft die Befugnis besitzen, V-Leuten und Informanten Vertraulichkeit zuzusichern und so deren Aussage im Prozess zu verhindern, sowie ob und gegebenenfalls welche Möglichkeiten das Gericht bzw. der Angeklagte hat, gegen eine solche Sperrerklärung vorzugehen. Außer Betracht bleiben soll im Weiteren dabei der präventive Einsatz38 von V-Leuten und verdeckten Ermittlern durch die Polizei und die Verfassungsschutzämter 39. Diese außerstrafprozessuale Form verdeckter Ermittlungstätigkeit ist an anderen Maßstäben zu messen40.

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BVerfGE 29, 183, 194; 34, 238, 248; 51, 324, 343 f., 77, 65, 76; 80, 367, 375. Siehe zu diesem: BVerfGE 77, 65, 76; Hellmann,, Strafprozeßrecht, Teil I, § 1, 9; HKStPO Krehl, Einl. 17. 38 Geregelt z.B. in: § 33 ff. PolG Brandenburg vom 19.3.1996, GVB1.1, S. 74 ff, zuletzt geändert durch ÄndG vom 20.5.1999 (GVB1. I, S. 171); § 26 ASOG Berlin vom 14.4.1992 (GVB1.1, S. 119), zuletzt geändert durch G vom 11.5.'1999 (GVB1.1, S. 164). 39 Siehe z.B. § 8 BVerfSchG vom 20.12.1990, BGBl. I, S. 2954, zuletzt geändert durch Art. 11 Strafverfahrens-ÄndG vom 2.8.2000 (BGBl. I, S. 1253); § 6 III Verfassungsschütze BRB vom 5.4.1993 (GVB1.1, S. 78). 40 Welche fatalen Folgen die unzulässige Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft in einem Strafverfahren haben kann, ist im Verfahren „Schmücker" zu sehen. Siehe hierzu die Dokumentation in StV 1991, 371 ff. 37

§ 2 Begriffsbestimmungen

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§ 2 Begriffsbestimmungen Bis vor einigen Jahren hatte sich noch keine einheitliche Terminologie hinsichtlich der bei verdeckten Ermittlungen zum Einsatz kommenden Personen durchgesetzt. Teilweise wurde deswegen sogar eine „babylonische Begriffsverwirrung" beklagt 41 . Unklarheiten bestanden auch deshalb, weil für polizeiliche und private Ermittler die gleichen Begriffe verwendet wurden. Erst die RiStBV/D bewirkte eine gewisse Vereinheitlichung der Terminologie. Um den folgenden Erörterungen eine klare begriffliche Grundlage zu verschaffen, sind - in Anlehnung an die RiStBV/D - die in dieser Arbeit verwendeten Termini zu definieren.

I. Verdeckte Ermittlungen durch Polizeibeamte Die Strafverfolgungsbehörden können Polizeivollzugsbeamte als nicht offen ermittelnde Polizeibeamte im Sinne von § 101 I StPO oder als Verdeckte Ermittler gemäß § 110a ff. StPO zu verdeckten Ermittlungen einsetzen. Die Entscheidung hierüber ist taktischer Natur und von einer Reihe tatsächlicher und rechtlicher Faktoren abhängig. Zu berücksichtigen ist u.a., dass der Einsatz von Verdeckten Ermittlern zumeist kostenintensiv und für den Beamten mit nicht ohne weiteres abschätzbaren Risiken verbunden ist. Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte hingegen können nicht in allen Fallgestaltungen und Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität eingesetzt werden, sind aber regelmäßig nicht so großen Gefahren ausgesetzt wie Verdeckte Ermittler. Zudem lässt sich eine Legende des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten leichter aufbauen.

7. Verdeckte Ermittler Der Einsatz von Verdeckten Ermittlern ist seit 1992 durch das OrgKG in den §§ 110a ff. StPO gesetzlich geregelt, verwendet wurden sie jedoch schon vorher. Als Ermächtigungs- und Befugnisgrundlage wurden bis dahin die §§ 161 I, 163 I StPO herangezogen. Grund für die Normierung war allerdings nicht die Einsicht, dass die Generalklauseln als Ermächtigungsgrundlage nicht ausreichten. Begründet wurde die ausdrückliche Regelung vielmehr mit der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den als Verdeckten Ermittlern tätigen Polizeibeamten. Der Bundesgesetzgeber kam damit einer schon seit Längerem erhobenen Forderung der Bundesländer nach. Der Gesetzgeber wollte ihre heimliche und auf Täuschung ausgerichtete amtliche Tätigkeit, die zu den sonst für sie 41

So Wehner, KR 1984, 596. In diesem Sinne auch Endriß/Malek, telstrafrecht, Rdnr. 1122.

Betäubungsmit-

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1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

geltenden Täuschungsverboten und Belehrungspflichten der §§ 136a, 163 a IV, V StPO in Widerspruch geraten kann, zum Schutz der Beamten auf eine die Generalklauseln ausformende spezielle Gesetzesgrundlage stellen42.

a) Definition Nach der Legaldefinition des § 110a II StPO sind Verdeckte Ermittler Beamte43 des - deutschen - Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer 44 angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln. Auch Beamte des Steuer- und Zollfahndungsdienstes können Verdeckte Ermittler sein45. Die Beschränkung auf Beamte soll die notwendige straffe Führung und die wirksame, auch disziplinarrechtliche, Dienstaufsicht gewährleisten 46. § 110a I StPO grenzt das Einsatzgebiet von Verdeckten Ermittlern auf bestimmte Deliktsgruppen ein und stellt eine Subsidiaritätsklausel auf. Die vom Gesetzgeber gewählte Definition soll darüber hinaus sicherstellen, dass es in Deutschland keine sog. Under Cover Agents nach amerikanischem Vorbild geben wird 47 , die langfristig und ohne konkreten Ermittlungsauftrag im kriminellen Milieu agie-

b) Legende des Verdeckten Ermittlers Die Legende des Verdeckten Ermittlers bezieht sich auf dessen Namen, Nationalität, Anschrift, familiäre und sonstige persönliche Umstände, Beruf oder Funktion. Gemäß § 110a III StPO dürfen Urkunden, soweit sie für den Aufbau oder die Aufrechterhaltung dieser Legende unerläßlich sind, hergestellt, verfälscht und gebraucht werden. Tatbestandsmäßige Urkundsdelikte (§§ 267, 348 StGB) werden dadurch gerechtfertigt, so dass falsche Personalausweise, Führerscheine, Schulzeugnisse, Meisterbriefe oder Gesundheitszeugnisse ausgestellt und benutzt werden dürfen. Allerdings ist es unzulässig, zum Aufbau der Legende Veränderungen in öffentlichen Büchern und Registern, etwa dem Per-

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BT-Drs. 12/989,41. Nach § 4 I Nr. 1 BRRG können Deutsche und Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union den Beamtenstatus erlangen. 44 Kritisch zu diesem Abgrenzungsmerkmal: Hund, StV 1993, 379, 381. 45 BT-Drs. 12/989, 42; HKStPO Lemke, § 110a, 8; SKStPO Rudolphe § 110a, 13. 46 BT-Drs. 12/989,42. 47 Hund, StV 1993, 379. Jedoch sind nach Rogali , NStZ 1996, 451, Tendenzen bemerkbar, sich diesem Status zu nähern. 48 Näheres zum Under Cover Agent unter § 2 I, 3. 41

§ 2 Begriffsbestimmungen

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sonenstandsregister, vorzunehmen 49. Der Verdeckte Ermittler darf - gemäß § 110b III 1 StPO auch nach Beendigung des Einsatzes - unter der Legende Rechtsgeschäfte vornehmen, klagen und verklagt werden, (Schein-) Firmen gründen und in das Handelsregister oder in das Grundbuch eingetragen werden 50 . Soweit Dritten durch den Einsatz des Verdeckten Ermittlers ein Schaden entsteht, etwa weil die Legende später aufgehoben und der Vertragspartner des Dritten wegfällt, besteht Einigkeit darüber, dass der Dienstherr verpflichtet ist, an Stelle des Beamten zu leisten51. Ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG scheidet jedoch regelmäßig mangels Rechtswidrigkeit der Handlungen des Verdeckten Ermittlers aus, so dass eher ein Aufopferungsanspruch in Betracht kommt 52 .

c) Einsatzbedingte Straftaten des Verdeckten Ermittlers Der Verdeckte Ermittler kann während seines Einsatzes in die Situation kommen, strafbare Handlungen begehen zu müssen53, wenn er unter seiner Legende glaubhaft handeln will oder weil ihm von dem kriminellen Umfeld, in dem er sich bewegt, eine „Keuschheitsprobe" abverlangt wird 54 . In Betracht kommen z.B. Beteiligung an Betäubungsmittel-Geschäften, Diebstahl, Hehlerei, StrafVereitelung im Amt oder Unterlassungsdelikte wegen Nichtverhinderung einer Straftat, z.B. einer schweren Körperverletzung, Vergewaltigung oder eines Mordes, aber auch Fahren unter Einfluss von Alkohol oder unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 55 . In einem gewissen Umfang können hierbei zugunsten des Verdeckten Ermittlers §§ 34, 35 StGB oder die Regeln über den agent provocateur eingreifen, so dass sich auf diesem Wege eine Straflosigkeit ergibt 56 . Soweit es um die Nichtverfolgung von Straftaten geht, bietet die Strafprozessordnung die Möglichkeit, Ermittlungen zumindest zeitweilig zurückzu-

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BT-Drs. 12/989, S. 60 f.; Hilger, NStZ 1992, 523, 524; KK Nack, § 110a, 10; Meyer-Goßner, § 110a, 8. 50 BT-Drs. 12, 989, 42; Hilgen NStZ 1992, 523, Fn. 142; Soiné, NStZ 2003, 225, 227; SKStPO Rudolphe § 110a, 16. 51 BT-Drs. 12/989, 42; HKStPO Lemke, § 110a, 13; KK Nack, § 110a, 12. 52 KK Nack, § 110a, 12. 53 Siehe z.B. den Bericht des ehemaligen Verdeckten Ermittlers G. Koriath in: KR 1992, 370 ff. und hierzu die Entgegnung von Körner, KR 1992, 601 ff. 54 Siehe hierzu: Krey, Rechtsprobleme, Rdnr. 431 ff 55 Schwarzburg, NStZ 1995, 469. 56 Krey, Miyazawa FS, S. 595, 601. Siehe hierzu auch unten § 2 III.

3 Ellbogen

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1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

stellen57. Dies setzt aber voraus, dass die Staatsanwaltschaft von Anfang an informiert ist, da nur sie diese Entscheidung treffen kann 58 . In den verbleibenden Fällen aber gilt der Grundsatz, dass dem Verdeckten Ermittler als Polizeibeamtem die Begehung von einsatzbedingten Straftaten verwehrt ist 59 , weil in Deutschland staatliches Handeln nicht durch Macht oder Gewalt, sondern durch seine Rechtsstaatlichkeit legitimiert wird. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der staatlichen Organe und ihrer handelnden Personen ist daher vor allem auch auf dem Gebiet der Strafrechtspflege unverzichtbare Grundlage der Staatstätigkeit60. Dieses Vertrauen würde erschüttert, dürften Polizeibeamte folgenlos Straftaten begehen. Dies kann in letzter Konsequenz zur Folge haben, dass der Verdeckte Ermittler zur Vermeidung eigener Strafbarkeit seine Tarnung aufgeben muss und möglicherweise erhebliche finanzielle und personelle Aufwendungen zum Aufbau und Erhalt der Legende vergeblich waren. In der Praxis wird daher z.B. versucht, Keuschheitsproben zu umgehen, indem der Verdeckte Ermittler vorspiegelt, in der Verbrecherhierarchie gleich oder höherrangig zu sein, so dass eine Probe überflüssig erscheint. Im Übrigen muss der Verdeckte Ermittler sich auch nicht in jedem Fall an einer Straftat beteiligen, um seine Legende aufrechtzuerhalten. So sind etwa der Eigenkonsum von Drogen oder das Fahren unter Einfluss von Alkohol regelmäßig nicht notwendig, um in Verbrecherkreisen anerkannt zu werden.

d) Richterliche Zustimmung zum Betreten fremder Wohnungen Gemäß § 110c StPO darf der Verdeckte Ermittler unter seiner Legende fremde Wohnungen, etwa die der Zielperson, mit dem Einverständnis des Berechtigten betreten. Dieses Einverständnis darf aber nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen einer Zutrittsberechtigung erschlichen werden, etwa mit der Behauptung, man sei Briefträger, Stromableser, Schornsteinfeger oder Beauftragter der Hausverwaltung. Dieses Verbot ist

57

Etwa über § 205 StPO analog, RiStBV Nr. 104. Stellungnahme des Deutschen Richterbundes, DRiZ 1991, 456, 457. Das dies von der Polizei zum Teil anders beurteilt wird, belegt Λ Meyer, KR 1999, 49, 50 ff. 39 Boll, KR 1992, 66, 69; Eisenberg, NJW 1993, 1033, 1039; Felsch, StV 1998, 285, 286; Gropp, ZStW 105 (1993), 405, 425; HKStPO Lemke, § 110a, 12; KK Nack, § 110c, 6; Krey, JR 1998, 1,3; dersMiyazawa FS, S. 595, 601; Meertens, ZRP 1992, 205, 206; Nitz, JA 1999, 418, 420 f.; Ostendorf, JZ 1991, 62, 69; Rebmann, NJW 1985, 1, 5; Schaefer, NJW 1994, 774; Soiné , NStZ 2003, 225, 228. 60 Lesch, StV 1993, 94, 97. Ebenso Lisken, ZRP 1994, 264, 266 („planmäßiges treuwidriges Verhalten öffentlicher Gewalten ruiniert die Legalstruktur unseres Gemeinwesens"). 58

§ 2 Begriffsbestimmungen

35

bereits im Vorfeld zu beachten, so dass schon die Bildung einer Legende unzulässig ist, die dieses Täuschungsverbot umgehen soll 61 . Nach § 110b II Nr. 2 StPO benötigt der Verdeckte Ermittler die Zustimmung des Richters fur einen Einsatz, bei dem er eine nicht allgemein zugängliche Wohnung betritt. Der Begriff der Wohnung erfasst alle Räumlichkeiten, die dem Schutz von Art. 13 GG unterfallen, also auch Geschäfts- und Betriebsräume, soweit diese nicht öffentlich zugänglich sind 62 . Bei Gefahr in Verzug genügt zunächst die Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Kann auch deren Entscheidung hierzu nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf der Verdeckte Ermittler die Wohnung gleichwohl betreten, muss dann aber unverzüglich eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft herbeifuhren. Der Richter muss auch in diesen Fällen innerhalb von drei Tagen zustimmen. Wird die Zustimmung nicht innerhalb dieser Frist eingeholt oder erteilt, so ist die Maßnahme zu beenden. Da sich bei dem Einsatz eines Verdeckten Ermittlers häufig die Notwendigkeit ergibt, eine fremde Wohnung zu betreten, ohne dass von vornherein feststeht, um welche konkrete Wohnung es sich handeln wird, kann die richterliche Zustimmung auf die Bezeichnung einer bestimmten Wohnung verzichten und als eine Art generelle Zustimmung erteilt werden, denn sonst wäre die Arbeit des Verdeckten Ermittlers praktisch lahmgelegt63. Für die Möglichkeit einer generellen Erlaubnis spricht dabei auch der Wortlaut des § 110c StPO. In der Praxis ist ohnehin kaum der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers denkbar, bei dem dieser nicht eine fremde Wohnung betreten muss. Daher ist diese Art des Einsatzes, die das Gesetz als Ausnahme behandelt, in Wahrheit die Regel64. § 110b I StPO, der das Zustimmungserfordernis der Staatsanwaltschaft regelt, ist damit im Grunde überflüssig, da gemäß § 110b II StPO ohnehin (fast) immer der Richter über den Einsatz des Verdeckten Ermittlers entscheiden muss. § 110b II StPO ist folglich nur für die verschwindend geringe Zahl von Fällen anwendbar, bei denen zu Beginn des Einsatzes feststeht, dass keine fremde Wohnung betreten werden muss. Angesichts der Eingriffsintensität, die der Einsatz von Verdeckten Ermittlern bedeutet, ist dies nur zu begrüßen 65.

61

Hilgen NStZ 1992, 523, 525, Fn. 160; KK Nack, § 110c, 2; zweifelnd Rieß, NJ 1992, 491,496, Fn. 90. 62 HKStPO Lemke, § 110b, 5; KMR Bockemühl, § 110b, 8; SKStPO Rudolphi, § 110b, 8. 63 Meyer-Goßner, § 110b, 4; SKStPO Rudolph ζ, § 110b, 6. 64 So auch: Krauß, StV 1989, 315, 324; Krüger, KR 1992, 594, 596; Meyer-Goßner, § 110b, 4; Quentin , JuS 1999, 134, 138; Zaczyk, StV 1993, 490, 494. 65 Kritisch demgegenüber aber Krey, Miyazawa FS, S. 595, 601. 3*

36

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen e) Einsatzcharakteristika

Verdeckte Ermittler werden in der Praxis nur selten und ungern eingesetzt66. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Ihr Einsatz ist zum einen sehr risikoreich und gefährlich und zum anderen meist auch sehr kostenintensiv. Vor allem im Bereich der Wirtschaftskriminalität sind die Kosten für einen Legendenaufbau so hoch (etwa für den Betrieb einer Scheinfirma), dass in der Regel nur das Bundeskriminalamt über die Mittel verfügt, um auf diesem Gebiet Verdeckte Ermittler einzusetzen. Für die Verwendung von Verdeckten Ermittlern statt privater V-Leute sprechen allerdings die gute Ausbildung und Ausrüstung dieser Polizeibeamten, die Zuverlässigkeit der Auftragserledigung und die größere Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der ermittelten Informationen 67. Die Aufgabe des Verdeckten Ermittlers besteht in der Regel darin, Kontakt zur Zielperson aufzunehmen, deren Vertrauen zu gewinnen und dann den Lebens- und Tätigkeitsbereich auszuspähen, um strafverfahrensrechtlich verwertbare Informationen und Daten zu erlangen 68. Während des Einsatzes besteht grundsätzlich die Gefahr, dass der als Verdeckter Ermittler eingesetzte Beamte vom kriminellen Umfeld, in dem er ermittelt, korrumpiert wird 6 9 oder sogar „die Seiten wechselt". Gerade bei langandauernden Einsätzen sind diese Gefahren besonders groß, da der Beamte hier mitunter für die Legendenbildung einen Lebensstil entfalten muss, den er sich als Polizeibeamter nach Beendigung des Dienstes nicht leisten kann 70 . Generell ist der Einsatz im kriminellen Milieu unter falscher Identität physisch wie psychisch hoch belastend. So kann es zum Aufbau der Legende oder deren Glaubhaftmachung teilweise erforderlich sein, unter der neuen Identität Kontakte mit anderen Verdeckten Ermittlern oder V-Leuten aufzunehmen (sog. Legendenpflege), was nicht nur an die schauspielerischen Fähigkeiten der beteiligten Beamten hohe Anforderungen stellt. Auch kann der Beamte für die Dauer des Einsatzes nur in Ausnahmefallen mit seiner Familie in Kontakt treten oder Bekanntschaften bzw. Freundschaften schließen oder pflegen. Neue - private Bekanntschaften unter seiner veränderten Identität zu knüpfen, ist ebenfalls nur beschränkt möglich, da stets die Gefahr der Enttarnung droht. Insgesamt ist während des Einsatzes das Privatleben des Beamten auf ein Minimum reduziert. Feste Grenzen dafür, wie lange Beamte als Verdeckte Ermittler eingesetzt

66

Krey, Kohlmann FS, S. 627, 638; Krey/ Jaeger, NStZ 1995, 517. BGH, StV 1991, 100, 101; Hertleif Die Polizei 1984, 322, 323; Rogali , JZ 1987, 847, 848. 68 Vgl. Quentin , JuS 1999, 134, 135. 69 Krey, JR 1998, 1,3; Krey, Kohlmann FS, S. 627, 639. 70 Lilie/Rudolph, NStZ 1995, 514; Warner, KR 1985, 291; Zaczyk, StV 1993, 490, 493. 67

§ 2 Begriffsbestimmungen

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werden, gibt es nicht. Meist sind es jedoch nicht mehr als fünf Jahre, um die dargestellten Folgen, die aus dem Leben unter mehreren Identitäten resultieren, gering zu halten. In beruflicher Hinsicht wirkt sich der Einsatz als Verdeckter Ermittler für den Beamten grundsätzlich weder positiv noch negativ aus. Trotz der hohen Risiken, die dieser eingeht, ist diese Art der Verwendung für ihn regelmäßig weder mit einer besseren Bezahlung noch mit einer schnelleren Beförderung verbunden. Nach beendetem Einsatz als Verdeckter Ermittler ist die Wiedereingliederung in den normalen Polizeivollzugsdienst oft sogar noch mit Schwierigkeiten verbunden, weil es den Beamten häufig schwerfällt, sich wieder an den normalen Schichtdienst zu gewöhnen. Insgesamt herrscht daher die Ansicht vor, dass der Einsatz als Verdeckter Ermittler der Karriere eher hinderlich ist 71 .

f) Auswahl und Führung von Verdeckten Ermittlern Die Anforderungen an die Auswahl und Führung der Verdeckten Ermittler sind sehr hoch. Der Verdeckte Ermittler muss über eine ausgeprägte Charakterund Willensstärke, Zuverlässigkeit, Anpassungsfähigkeit, Belastbarkeit 72 sowie schauspielerisches Talent verfügen. Um in den kriminellen Strukturen besser Fuß fassen zu können, hat es sich dabei als Vorteil erwiesen, wenn die als Verdeckte Ermittler eingesetzten Beamten alleinstehend und eher individualistisch veranlagt sind. Zur Unterstützung des Verdeckten Ermittlers während seines Einsatzes hat dieser die ständige Möglichkeit, seinen Einsatzleiter zu befragen und mit diesem seine Probleme zu besprechen. Neben dieser Betreuung wird der Verdeckte Ermittler aber auch regelmäßig überwacht, um seine Zuverlässigkeit zu überprüfen. Hierzu werden u.a. Auskünfte von der Schutzgemeinschaft für Allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA), dem Verkehrszentralregister beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg oder dem Bundeszentralregister eingeholt.

g) Anordnung des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers Die dargestellten Risiken und möglichen Folgen des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers verdeutlichen, warum ein solcher von Staatsanwaltschaft oder Gericht nicht angeordnet werden darf, schon gar nicht gegen den Willen

71 72

So z.B. Krey/, Jaeger, NStZ 1995, 517 f. Hertlein, Die Polizei 1984, 322, 323.

38

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

des Beamten73. Die Staatsanwaltschaft kann gemäß § 110b I StPO einem Einsatz also nur zustimmen, ihn aber nicht herbeifuhren. Die Entscheidung über das Ob des Einsatzes liegt allein bei der Polizei und dem Verdeckten Ermittler. Während des Einsatzes kann dieser gleichzeitig mehrere Ermittlungsaufträge erfüllen sowie repressiv und - auf Grundlage der jeweiligen Landespolizeigesetze - präventiv tätig werden, sog. doppelfunktionales Handeln74. Wird er auch präventiv eingesetzt, so ist fraglich, ob die so. erlangten Erkenntnisse für das Strafverfahren verwertbar sind. Während eine Ansicht eine uneingeschränkte Verwertbarkeit bejaht 75 , verweist die Gegenauffassung auf die Gefahr der Gesetzesumgehung. Die unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen und Grenzen der verdeckten Ermittlungen im Strafverfahren und im Bereich der Gefahrenabwehr könnten durch den Rückgriff auf die jeweils geringeren Eingriffsvoraussetzungen des anderen Bereichs unterlaufen werden 76. Zutreffenderweise ist daher die strafprozessuale Verwertung der präventiv erlangten Beweise nur dann zulässig, wenn bei der Erhebung die Regelungen der Strafprozessordnung beachtet werden, auch wenn diese enger sind als das Polizeirecht 77. Wird der Verdeckte Ermittler nur präventiv eingesetzt, so sind die rechtmäßig - gewonnenen Erkenntnisse gemäß § 161 StPO auch repressiv verwertbar, wenn nicht die Polizeigesetze Verwendungsbeschränkungen vorsehen 78 . Teilweise wird behauptet, der Verdeckte Ermittler könne bei Gefahr in Verzug notfalls seinen Einsatz selbst genehmigen79. Dies ist aber kaum denkbar, da bei Kurzfristigkeit des Einsatzes der Beamte eher als nicht offen ermittelnder Polizeibeamter auftreten wird. Selbst wenn sich die Notwendigkeit einer verdeckten Aktion kurzfristig ergeben sollte, so sind gleichwohl eine gründliche Planung und Vorbereitung erforderlich, so dass eine Genehmigung des Einsatzleiters der Polizei bei präventivem oder der Staatsanwaltschaft bei repressivem Handeln eingeholt werden kann.

73

So auch BT-Drs. 12/989, S. 42. Hilger, NStZ 1992, 523; Pfeiffer, § 110a StPO, 1. 73 Hilger, NStZ 1992, 523; HKStPO Lemke, § 110a, 18; Jähnke, Odersky FS, S. 427, 433; Meyer-Goßner, § 110a, 14. 76 Rogali , NStZ 1992, 45, 47; SKStPO Rudolphe § 110a, 2. 77 Lisken, ZRP 1993, 121, 123; SKStPO Rudolphe § 110a, 2, Weil, ZRP 1992, 243, 246; Wolter, Jura 1992, 520, 526. Ähnlich Strate , StV 1992, 29, 36. Grundsätzlich zur Gemengelage: Paeffgen, JZ 1991, 437, 441; Schoreit, MDR 1992, 1013 ff. 78 BGH, NStZ 1992, 44 f.; Hilgen NStZ 1992, 523; HKStPO Lemke, § 110a, 18. 79 Hilgen NStZ 1992, 523, 524. 74

§ 2 Begriffsbestimmungen

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2. Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte im Sinne des § 101 I StPO sind als eigene - von den Verdeckten Ermittlern zu unterscheidende - Form der verdeckten Ermittlungstätigkeit anerkannt 80. Sie werden zumeist spontan eingesetzt und häufig nicht mit die Legende stützenden Tarnpapieren ausgestattet. Aber auch sie täuschen während des Einsatzes über ihre wahre Identität, zumindest aber über ihre Zugehörigkeit zu einem StrafVerfolgungsorgan. Hat der nicht offen ermittelnde Polizeibeamte eine Legende, so darf er unter dieser nicht am Rechtsverkehr teilnehmen, allenfalls Geschäfte des täglichen Lebens, wie die Anmietung eines Hotelzimmers oder Kraftfahrzeuges, sind ihm erlaubt. Die Notwendigkeit des Einsatzes eines nicht offen ermittelnden Polizeibeamten kann sich z.B. ergeben, weil ein Informant kurzfristig einen Scheinankauf von Betäubungsmitteln organisiert hat und nur so die Überführung eines „Dealers" möglich ist.

a) Abgrenzung zum Verdeckten Ermittler Eine Ansicht will nicht offen ermittelnde Polizeibeamte nur annehmen, wenn die Beamten keine Legende verwenden 81. Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte sind jedoch nur dann als Verdeckte Ermittler zu behandeln, wenn sie über einen längeren Zeitraum unter Benutzung einer Legende mit einer oder mehreren Personen z.B. über den Erwerb von Betäubungsmitteln verhandelt haben, mag hierbei auch der Kontakt zu einem einzelnen Verhandlungspartner nur kurz gewesen sein 82 . Die Abgrenzung vom Verdeckten Ermittler erfolgt also im Wesentlichen nach der Dauer des Einsatzes83, wobei es eine zeitliche Höchstgrenze, welche den nicht offen ermittelnden Polizeibeamten automatisch zu einem Verdeckten Ermittler macht, jedoch nicht gibt 84 . Allerdings geht eine Ansicht von mindestens sechs Monaten aus, die erforderlich seien, um von einem Verdeckten Ermittler sprechen zu können, da diese Zeitspanne regelmäßig notwendig sei, um in einer Verbrecherorganisation „Fuß zu fassen". Frühestens ab diesem Zeitraum sei der Verdeckte Ermittler in der Lage, fundierte und gehaltvolle Informationen zu geben. Bis dahin sei der Beamte nur ein nicht offen ermittelnder Polizeibeamter 85. 80

BT-Drs. 12/989, S. 42; Hilger, NStZ 1992, 523, Fn. 141; Kraushaar, KR 1994, 481 ff.; Krey, Miyazawa FS, S. 595, 605 f; Rogali, NStZ 1996, 451. 81 Schmitz, Probleme, S. 147. 82 BGH, NStZ 1995, 516. 83 So auch Beulke/Rogat, JR 1996, 517 f. 84 BGH, NStZ 1995, 516; Krey/ Jaeger, NStZ 1995, 517, 518. 85 Kraushaar, KR 1994, 481, 482.

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1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Angesichts der Eingriffsintensität, die der langfristige verdeckte Einsatz eines Polizeibeamten bedeutet, und des Regelungszwecks der §§ 110a ff. StPO ist vielmehr darauf abzustellen, ob bei Einsatzbeginn absehbar ist, dass die veränderte Identität für mehr als nur einen unerheblichen Zeitraum, also für eine mehr als nur kurze Dauer angelegt ist 86 , ob eine unbestimmte Anzahl von Personen über die wahre Identität des Beamten getäuscht werden muss oder der Einsatz langfristiger Planung und Absicherung bedarf. Kriterien können weiter sein, ob der Beamte nur als Scheinaufkäufer auftritt (dann ist er lediglich ein nicht offen ermittelnder Polizeibeamter) oder aber längere Verhandlungen notwendig sind und er in die laufenden Ermittlungen involviert ist 87 . Im letzteren Fall ist der Einsatz des Beamten an den §§ 110a ff. StPO zu messen. Die §§ 110a ff. StPO greifen jedoch dann nicht, wenn der Beamte neben einer verdeckten Einzelaktion innerdienstlich an den Ermittlungen gegen den Beschuldigten beteiligt ist 88 oder neben einem falschen Namen auch mit besonderen Telefonanschlüssen ausgestattet wird 89 .

b) Unanwendbarkeit der §§ 110a ff. StPO Teilweise wird eine analoge Anwendung der §§ 110a ff. StPO auf nicht offen ermittelnde Polizeibeamte erwogen, da die Ermittlungssituation eines polizeilichen Scheinaufkäufers der eines Verdeckten Ermittlers angenähert sei 90 . Nach zutreffender Ansicht finden jedoch auf nicht offen ermittelnde Polizeibeamte die Regelungen über Verdeckte Ermittler grundsätzlich keine (analoge) Anwendung 91 . Daher können sie auch außerhalb der Voraussetzungen des § 110a I StPO eingesetzt werden und es gilt nicht die strenge Subsidiaritätsklausel, wobei es sich jedoch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gleichwohl um die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung handeln muss92. Durch die oben93 dargestellte Abgrenzung des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten vom Verdeckten Ermittler wird sichergestellt, dass der Regelungszweck der §§ 110a ff. StPO nicht umgangen wird. Sollte die Ermittlungssituation des Scheinaufkäufers tatsächlich der eines Verdeckten Ermittlers angenä-

86

Krey, Rechtsprobleme, Rdnr. 3. BGH, JR 1998, 209, 210; BGH, NStZ 1995, 516; zustimmend Krey/Jaeger, NStZ 1995, 517, 518 f.; Quentin, JuS 1999, 134, 136. 88 BGH, NStZ 1996, 450; Meyer-Goßner, § 110a, 2. 89 BGH, StV 1995, 398; Jähnke, Odersky FS, S. 427, 434. 90 Nitz, JR 1998, 211. Ähnlich Rogali, NStZ 1996, 451 f. 91 BGH, NStZ 1996, 450; BGH, NStZ 1997, 448; J. Meyer, KR 1999, 49; MeyerGoßner, § 110a, 2. 92 Krey/Jaeger, NStZ 1995, 517, 518. 93 Siehe § 2 I, 2 a). 87

§ 2 Begriffsbestimmungen

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hert sein, etwa weil er - vorhersehbar - über einen längeren Zeitraum eingesetzt wird oder sein Einsatz langfristiger Planung und Absicherung bedarf, so ist er als Verdeckter Ermittler zu behandeln. Eine analoge Anwendung der §§ 110a ff. StPO kommt dann nicht in Betracht, weil die Vorschriften direkt anwendbar sind.

c) Einsatzcharakteristika Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte werden häufiger eingesetzt als Verdeckte Ermittler, da zum einem - wie bereits dargelegt - die Einsatzrisiken und Kosten geringer sind und zum anderen die Möglichkeit besteht, den nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zumindest grundsätzlich als Zeugen in der Hauptverhandlung vernehmen zu können, da keine Legende aufgebaut wurde, die eventuell noch für andere Ermittlungsverfahren aufrecht erhalten werden muss. Gleichwohl ist aber auch bei ihm gemäß § 54 StPO i.V.m. §§ 39 BRRG, 61 f. BBG bzw. i.V.m. den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften wie z.B. § § 2 5 ff. BeamtenG BRB eine Aussagegenehmigung erforderlich, die dann verweigert werden kann, wenn dem Beamten durch die Aufdeckung der wahren Umstände des Einsatzes Gefahren drohen. Nur in Ausnahmefällen wird die Versagung der Aussagegenehmigung damit begründet werden können, dass der Beamte nochmals als (qualifizierter) 94 nicht offen ermittelnder Polizeibeamter eingesetzt werden kann. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes staatlicher Mittel zum Zwecke der Strafverfolgung stellen nicht offen ermittelnde Polizeibeamte gegenüber Verdeckten Ermittlern, auch weil der Rechtsverkehr weniger getäuscht wird, ein milderes Mittel dar. Neben den Strafverfolgungsbehörden setzen die Zollfahndungsämter und das Zollkriminalamt nicht offen ermittelnde Polizeibeamte ein 95 .

d) Einfache und qualifizierte nicht offen ermittelnde Polizeibeamte Die Beamten können als einfache oder qualifizierte nicht offen ermittelnde Polizeibeamte verwendet werden.

94 95

Siehe zu diesem unten § 2 I, 2 d), bb). Krey/ Jaeger, NStZ 1995, 517.

42

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen aa) Einfache nicht offen ermittelnde Polizeibeamte

Einfache nicht offen ermittelnde Polizeibeamte werden z.B. als Scheinaufkäufer 96 aktiv. Ihre Arbeit ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nur gelegentlich unter falschem Namen auftreten, um bestimmte Ermittlungshandlungen vorzunehmen, die bei einem offenen Einsatz wenig oder nicht erfolgversprechend wären. Die einfachen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten haben keine veränderte Identität, sondern treten nur zeitweilig unter einem falschen Namen auf, verfugen also über keine mit Papieren abgesicherte Tarnlegende 97.

bb) Qualifizierte nicht offen ermittelnde Polizeibeamte Qualifizierte nicht offen ermittelnde Polizeibeamte werden z.B. als qualifizierte Scheinaufkäufer eingesetzt. Sie arbeiten unter einer Teillegende. Dies bedeutet, dass der nicht offen ermittelnde Polizeibeamte zur Sicherheit Tarnpapiere mit einer falschen Identität erhält. Daraus kann mitunter eine DauerTarnlegende entstehen, falls der nicht offen ermittelnde Polizeibeamte über einen längeren Zeitraum hinweg mit denselben Tarnpapieren eingesetzt wird. Sein Einsatz erfolgt dann aber gleichwohl nur von Fall zu Fall und in unterschiedlichen Verfahren 98. Auf qualifizierte nicht offen ermittelnde Polizeibeamte finden die Regelungen fur Verdeckte Ermittler zumindest teilweise analoge Anwendung 99 . So kann gemäß § 96 i.V.m. § 110b III 3 StPO analog die Identität des Beamten geheimgehalten werden. Zudem ist gemäß § 110b II Nr. 2 StPO analog 100 eine richterliche Zustimmung erforderlich, wenn bei Beginn des Einsatzes feststeht bzw. ernstlich damit zu rechnen ist, dass eine fremde Wohnung betreten werden muss. Der Grund hierfür liegt nicht - wie noch zu zeigen sein wird 1 0 1 darin, dass in dem Betreten einer fremden Wohnung unter einer Legende ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 13 I GG liegt, sondern vielmehr in der 96

Der Scheinaufkauf, also die gezielte Provokation einer polizeilich kontrollierten Straftat, ist eine strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme, die darauf gerichtet ist, potentielle Straftäter bei einer Straftat zu ergreifen und der Strafverfolgung zuzuführen. Nach zutreffender Ansicht des BGH, NStZ 1995, 516, 517; BGH, JZ 2000, 363, 367, handelt es sich dabei nicht um eine präventive Maßnahme der Gefahrenabwehr. So auch Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 8; Kinzig, StV 1999, 288, 291 f.; Krey, Kohlmann FS, S. 627, 636. Vgl. auch van Gemmeren, Schäfer Sonderheft, 28, 31. 97 Kraushaar, KR 1994, 481. 98 Krey/Jaeger, NStZ 1995, 517, 518. 99 KK Nack, § 110c, 4; Krey, Miyazawa FS, S. 595, 605 f.; Krey/Jaeger, NStZ 1995,517,518. 1(10 So auch Nitz, JR 1998, 211,213. 101 § 5 IV, 4.

§ 2 Begriffsbestimmungen

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gesetzlichen Entscheidung, dass Wohnungsbetretungen durch verdeckt ermittelnde Polizeibeamte grundsätzlich nur mit richterlicher Zustimmung erfolgen sollen. Wäre § 110b I I Nr. 2 StPO nicht analog anzuwenden, läge folglich eine Gesetzesumgehung vor 1 0 2 . § 110b I I Nr. 1 StPO, der den Richtervorbehalt beim Einsatz eines Verdeckten Ermittlers gegenüber einem bestimmten Beschuldigten regelt, ist hingegen nicht analog anwendbar. Zum einen ließe sich die Norm meist unter Hinweis auf einen (noch) anonymen Hintermann, der ermittelt werden soll, umgehen 103 , und zum anderen bedarf es des Richtervorbehalts beim Einsatz qualifizierter nicht offen ermittelnder Polizeibeamter nicht, da diese gegenüber Verdeckten Ermittlern ein minderschweres Ermittlungsinstrument darstellen 104.

3. Under Cover Agent Vom Verdeckten Ermittler zu unterscheiden ist der Under Cover Agent oder Untergrundfahnder. Dieser ist ein Beamter, der langfristig und ohne konkreten Ermittlungsauftrag in die kriminelle Szene eingeschleust wird und sich dort frei bewegt 105 . Sein Einsatz ist zeitlich unbeschränkt 106 und an kein bestimmtes Ermittlungsverfahren gebunden. Vielmehr ist es seine Aufgabe, die kriminelle Subkultur zu unterwandern und milieuangepasst zu leben, d.h. auch Straftaten zu begehen, um so langfristig Erkenntnisse zu gewinnen. Wesentlich ist, dass der Under Cover Agent unkontrolliert agiert und dem Legalitätsprinzip nicht unterworfen ist. Nach US-amerikanischem Recht sind Under Cover Agent Einsätze erlaubt, sofern die Zielperson eine Veranlagung zu kriminellen Aktivitäten besitzt und die Strafverfolgungsbehörden nur die Gelegenheit bieten, das Delikt zu begehen, also die Zielperson und nicht die Polizei die Straftat initiiert hat 107 . Im Falle einer Tatprovokation trägt der Beschuldigte die Beweislast, er sei zu der Straftat gezwungen oder in eine Falle gelockt worden 108 . Eingesetzt werden Under Cover Agents u.a. bei der Bekämpfung von BetäubungsmittelHandel, Terrorismus, Spionage und Korruption. Teilweise wird die Identität des Under Cover Agent nach dem Einsatz aufgedeckt, damit er im Strafverfahren als Zeuge zur Verfugung steht. Under Cover Agents kommen vorwiegend in Nordamerika zum Einsatz. Ihre Verwendung in Deutschland ist bei der be102

In diesem Sinne auch Thommes, StV 1997, 657, 663. So auch Zaczyk,, StV 1993, 490, 493. 104 Krey/Jaeger, NStZ 1995, 517, 518. 105 Meyer-Goßner, § 110a, 4; Rogali, JZ 1987, 847, 849; Warner, KR 1985, 291 ff; von Zwehl, V-Leute, S. 17. 106 Einschränkend Warner, KR 1985, 291. 107 Warner, KR 1985, 291; von Zwehl, V-Leute, S. 16. ,M8 Warner, KR 1985, 291. 103

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1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

stehenden Rechtslage nach § 110a I StPO ausgeschlossen. Angesichts der Tatsache, dass ein Under Cover Agent ungestraft kriminelle Handlungen nach eigenem Gutdünken vornehmen darf, ist sein Einsatz mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar und nur in Ländern durchführbar, in denen nicht das Legalitätsprinzip für die Strafverfolgungsorgane gilt. Abgesehen von diesem prozessualen Aspekt bestehen gegen diese Methode der Verbrechensbekämpfung Bedenken grundsätzlicher Art. So wie es keine Wahrheitsfindung um jeden Preis gibt 1 0 9 , gilt auch das Primat der Verbrechensaufklärung nicht grenzenlos. Der Staat darf sich hierzu nicht rechtswidriger Methoden bedienen und grundsätzlich keine Handlungen dulden, welche er bei Privatpersonen bestrafen würde.

II. Verdeckte Ermittlungen durch Privatpersonen 1. Typen ermittelnder

Privatpersonen

Verdeckte Ermittlungen werden nicht nur von Polizeibeamten, sondern auch von Privatpersonen vorgenommen. So kann eine Privatperson von sich aus oder staatlich veranlasst an der Verbrechensbekämpfung und Aufklärung mitwirken. Soweit sie auf staatliche Veranlassung über längere Zeit mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeitet, wird sie als V-Person bezeichnet. Beschränkt sich die Zuarbeit auf einen Einzelfall, hat sich die Bezeichnung Informant durchgesetzt. In beiden Fällen wird regelmäßig eine Vertraulichkeitszusage durch die Polizei oder Staatsanwaltschaft abgegeben. Ermittelt die Privatperson aus eigenem Antrieb oder aufgrund privaten Auftrages - etwa als Privatdetektiv - , ist sie nach den allgemeinen Regeln Zeuge. Die Motivation für die Zusammenarbeit einer V-Person mit den Strafverfolgungsorganen ist selten ohne weiteres zu durchschauen. Dieser Umstand und einige spektakuläre Fälle „falsch spielender" V-Personen, die bewusst unrichtige Informationen lieferten, haben zu einem gewissen Misstrauen gegenüber der Zuarbeit von Privatpersonen geführt. Ihr Einsatz wird gleichwohl von der Polizei als unverzichtbarer Teil der Verbrechensaufklärung betrachtet, zumal durch konsequente V-Mann-Führung und Überwachung Desinformation und Verrat durch die V-Person oder den Informanten vorgebeugt werden kann.

109 BGHSt 14, 358, 362; Jahn, JuS 2000, 441, 443; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1, Rdnr. 3.

§ 2 Begriffsbestimmungen

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2. V-Personen Der Begriff der V-Person wird erst seit dem Erlass der RiStBV/D im Jahre 1986 einheitlich verwendet. Davor wurden synonym die Begriffe Konfident, Vigilant 110 , Gewährsmann, Kontaktperson, Polizeispitzel bzw. Polizeiagent oder Aufklärungsgehilfe verwandt. Anfangs wurde auch ein verdeckt ermittelnder Polizeibeamter unter den Begriff der V-Person subsumiert 111.

a) Definition und eingesetzter Personenkreis Eine Verbindungs- oder Vertrauensperson (V-Person) ist nach Nr. 1.2 RiStBV/D eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten werden soll 112 . Als V-Personen sind häufig Gastwirte, Zeitungsverkäufer, Nachtportiers, Kellner, Prostituierte oder auch Zuhälter tätig. Zum Teil wird die V-Person erst in einem laufenden Ermittlungsverfahren angeworben („heiße" V-Person). Sie entschließt sich dann, zumindest für die Dauer des laufenden Verfahrens mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Zum Teil handelt es sich um eine Person, die über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Verfahren die Polizei unterstützt und von Fall zu Fall gezielt eingesetzt wird („kalte" V-Person). Aufgabe der V-Person kann es sein, als Lockspitzel einen Scheinankauf zu organisieren oder den Beschuldigten mit einer anderen V-Person oder einem Verdeckten Ermittler bekannt zu machen, so z.B. dann, wenn der Einsatz der V-Person selbst mit zu großen Risiken verbunden ist. Für ihre Tätigkeit erhält die V-Person in der Regel eine Entlohnung, und zwar entweder eine laufende, z.B. monatliche Unterstützung oder ein Erfolgshonorar, das z.B. nach der Menge der beschlagnahmten Betäubungsmittel bestimmt wird. Als Gegenleistung wird bei Ausländern mitunter auch die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung oder eine Nichtabschiebung veranlasst.

1,0

Hierbei handelt es sich um heute weitgehend veraltete Begriffe, wobei Vigilant für „Aufpasser", jemand der aufmerksam ist, Burandt, KR 1973, 300; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 15, W. Krause, V-Leute, S. 33 f. und Konfident wohl für „Freund" standen, von Zwehl, V-Leute, S. 10. 111 So noch in BGHSt 32, 115, 121. 1,2 Siehe auch Körner BtMG, Scherp, § 31, 103; Krey, Rechtsprobleme, Rdnr. 13; SKStPO Wolter, vor § 151, 83; von Zwehl, V-Leute, S. 8.

46

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

Die Verurteilung wegen Aussage- und StrafVereitelungsdelikten macht eine Privatperson in der Regel ungeeignet für den Einsatz als V-Person, da dann ihre Glaubwürdigkeit vor Gericht zu großen Zweifeln ausgesetzt ist 113 . Auch ein Drogenabhängiger ist aufgrund seiner psychischen Labilität als V-Person regelmäßig ungeeignet, er kann aber als Informant Verwendung finden. Werden ausländische Polizeibeamte in Deutschland verdeckt eingesetzt, so haben diese für das deutsche Strafverfahren (nur) den Status einer V-Person 114 .

b) Sozialer Hintergrund und Motivation der V-Personen Überwiegend stammen die V-Personen selbst aus dem kriminellen Milieu, in dem sie ermitteln sollen. Nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1992 115 waren 71 % der in Hessen eingesetzten V-Personen vorbestraft, wobei jedoch überwiegend keine kriminelle Karriere festgestellt werden konnte 116 . 89 % der V-Personen waren Männer. Die Motivationen für eine Zusammenarbeit sind ganz unterschiedlicher Natur 117 . Ein Teil der V-Personen erhofft sich ein besonderes Wohlwollen der Justiz in eigenen Strafverfahren oder in Verfahren gegen Angehörige, andere werden gegen ein Honorar tätig oder erwarten eine andere Gegenleistung, z.B. die Unterstützung des V-Mann-Führers bei Verwaltungsangelegenheiten, etwa zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis, eines Führerschein oder einer Gaststättenerlaubnis. Beweggrund ist bisweilen auch, Konkurrenten oder andere missliebige Personen aus Rache oder Hass zu bekämpfen bzw. ihnen zu schaden. Nur wenige V-Personen handeln aus sozialem Engagement. Falls eine solche Motivation vorliegt, beruht sie überwiegend darauf, dass ein Familienangehöriger einem ähnlichem Verbrechen zum Opfer gefallen ist wie jenes, welches aufgeklärt werden soll. Zumeist entstammen die V-Personen darüber hinaus der ethnisch-sozialen Bezugsebene der Täter, die sich in der Regel nur gegenüber Landsleuten freimütig äußern, weil sie so sicherstellen wollen, dass nicht Spitzel oder Verräter ihre Gruppe unterwandern. Diese Landsleute müssen aufgrund ihrer Vorstrafen, ihres Vorlebens oder ihres aktuellen gesetzwidrigen Verhaltens als Gesinnungsgenossen oder potentielle Komplizen in Betracht kommen. Gesetzestreue, nicht vorbestrafte Bürger sind selten bereit, für vergleichsweise geringe Hono113

Schaefer, in Lüderssen, V-Leute, S. 102, 108. Hund, StV 1993, 379, 380; KK Nack, § 110a, 5. 1.5 Scherp, Die polizeiliche Zusammenarbeit, S. 96 ff. ,ir > Unter der Voraussetzung, dass drei Vorstrafen bereits eine kriminelle Karriere belegen, Scherp, Die polizeiliche Zusammenarbeit, S. 83. 1,7 Siehe zur Motivation z.B. Körner, KR 1984, 230 ff; ders., BtMG § 31, 160; Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73, 75; Scherp, Die polizeiliche Zusammenarbeit, S. 96 ff.; Schulz, GA 1958, 264. 1.4

§ 2 Begriffsbestimmungen

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rare die hohen Risiken als V-Person einzugehen118, und haben kaum Chancen als V-Person, da sie von der Zielgruppe weder anerkannt noch angenommen werden 119 . Die Zusammenarbeit mit Kriminellen ist daher zumindest teilweise für den Erfolg des Einsatzes zwingende Voraussetzung. Aus dem kriminellen Milieu kommen als V-Personen vor allem Enttäuschte, Unzufriedene oder „Ausgestoßene" in Betracht, da diese besonders gut zur Zusammenarbeit mit der Polizei bewegt werden können 120 .

c) Einsatzcharakteristika Nr. 3.4 RiStBV/D verbietet den Einsatz Minderjähriger als V-Personen. Diese Beschränkung beruht zum einen darauf, dass in einigen aufsehenerregenden Fällen jugendliche V-Personen bewusst falsche Angaben machten, um den Beschuldigten zu belasten121, zum anderen aber auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der es verbietet, Kinder oder Jugendliche Gefahren auszusetzen, selbst wenn dies zum Zwecke der Strafverfolgung geschieht. Teilweise werden V-Personen für ihren Einsatz legendiert. Da es aber an einer gesetzlichen Regelung wie § 110a III StPO für Verdeckte Ermittler fehlt, ist dieses Vorgehen problematisch, z.B. wenn eine Prostituierte unter falschem Namen als V-Person eingesetzt werden soll und ihr auf diesen Namen ein Gesundheitszeugnis ausgestellt werden muss. Soweit lediglich öffentliche Rechtsgüter beeinträchtigt werden, kann in diesen Fällen aber der ungeschriebene Rechtfertigungsgrund der behördlichen Erlaubnis bzw. Genehmigung herangezogen werden 122 , um zur Straflosigkeit der beteiligten Beamten zu gelangen, falls diese für die V-Person z.B. die Ausstellung eines falschen Ausweises veranlassen.

d) Führung und Überwachung von V-Personen Generell gilt, dass an die Führung und Überwachung der V-Person besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Wie der Verdeckte Ermittler hat die V-Person ständig die Möglichkeit, mit ihrer Führungsperson über persönliche und einsatzbedingte Probleme zu sprechen. So kann es notwendig sein, dass

1,8

Körner, KR 1983, 290, 292 f. Körner, KR 1983, 290. ,2W Geißdörfer, KR 1993, 679, 682. 121 Kreuzer, in Lüderssen, V-Leute, S. 59 f.; Lüderssen, Jura 1985, 113, 114 f. 122 KK Senge, vor § 48, 87; Rebmann,, NJW 1985, 1, 5; Tröndle/Fischer, vor § 32, 5. Vgl. auch LK Hirsch, vor § 32, 160 ff.

48

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

der V-Mann-Führer für die V-Person bei Behörden vorstellig werden muss, um eine Abschiebung zu verhindern oder die Erteilung einer Gaststätten- oder Taxikonzession zu erreichen. Ein V-Mann-Führer betreut in der Regel fünf V-Personen gleichzeitig, wobei jede Kontaktaufnahme der V-Person aktenkundig gemacht wird, um den Einsatz lückenlos dokumentieren zu können. Zur Kontrolle eines V-Mannes wird mitunter eine andere V-Person oder ein Verdeckter Ermittler eingesetzt. Auf diese Weise wird die Zuverlässigkeit überprüft und sichergestellt, dass die V-Person z.B. keine Eigengeschäfte mit Betäubungsmitteln vornimmt oder Informationen zurückhält.

e) Problem der Vertraulichkeitszusage Auf die Zulässigkeit einer Vertraulichkeitszusage, also des Versprechens der Geheimhaltung der Identität der Privatperson in einem künftigen Strafverfahren, die grundsätzlich gesetzlich nicht vorgesehen ist, wird noch einzugehen sein 123 . Zu beachten ist jedoch, dass mit dem Verpflichtungsgesetz vom 2.3.1974 124 die Möglichkeit geschaffen wurde, eine Privatperson auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten, wie z.B. die Geheimhaltung einsatzbedingt erlangten Wissens, zu verpflichten. Auf diese Weise findet für die verpflichtete Person nach zutreffender Ansicht § 54 StPO Anwendung 125 . Von der Möglichkeit einer förmlichen Verpflichtung 126 wird aber nur begrenzt Gebrauch gemacht 127 . Ein Grund hierfür ist, dass die V-Person durch ihre Zusammenarbeit mit der Polizei Kenntnisse und Einblicke in die Organisation, die technischen und personellen Möglichkeiten und den Verfahrensablauf erlangen kann, deren Weitergabe an kriminelle Organisationen für die weitere erfolgreiche Tätigkeit der Polizei schädlich sein kann. Durch eine förmliche Verpflichtung würden diese Möglichkeiten der Kenntnisnahme vergrößert, ohne dass die Zuverlässigkeit der V-Person gesteigert würde. Zwar ist die Weitergabe der erlangten Geheimnisse über § 353b StGB strafbewehrt, ein Verstoß hiergegen wird aber nur in den wenigsten Fällen verfolgt, da durch ein gerichtliches Verfahren die Geheimnisse noch zusätzlich publik werden könnten.

123

Siehe unten § 7. BGBl I, 469, 547, in der Fassung des Gesetzes vom 15.8.1974, BGBl. I, 1942. 125 BGHSt 31, 148, 156; BGH, NStZ 81, 70; BGH, NStZ 84, 31, 32; Hanseat. OLG, NStZ 1994, 98; Meyer-Goßner, § 54, 11. Siehe auch unten § 9 I. 126 Zur Praxis der Verpflichtung nach diesem Gesetz: Steinke, KR 1980, 490 f. 127 Körner, KR 1983, 290, 292; Scherp, Die polizeiliche Zusammenarbeit, S. 15. 124

§ 2 Begriffsbestimmungen

49

3. Informanten Gemäß Nr. 2.1 RiStBV/D ist ein Informant eine Person, die im Einzelfall bereit ist, gegen Zusicherung der Vertraulichkeit den Strafverfolgungsbehörden ihr Wissen über Straftaten oder Straftäter mitzuteilen. Ähnlich wie V-Personen sind Informanten häufig Gastwirte, Kellner, Türsteher, Taxifahrer, Portiers, Hehler, Zeitungsverkäufer, Hostessen oder Prostituierte 128 . Drogenabhängige („Fixer") können ebenfalls Informanten sein. Informanten erhalten verfahrensrelevante Informationen, ohne dass sie von staatlicher Seite veranlasst worden wären, solche zu ermitteln, und geben diese zumeist gegen ein Entgelt und/oder unter Zusicherung der Vertraulichkeit weiter. Informant ist eine Person im Übrigen auch dann, wenn sie häufiger Erkenntnisse und Wahrnehmungen unaufgefordert der Polizei oder Staatsanwaltschaft anbietet. Wird eine Privatperson aber damit beauftragt, bestimmte Informationen oder Umstände zu ermitteln oder sich „umzuhören", erlangt sie durch diese Aufforderung den Status einer V-Person 129 .

4. Privatpersonen,

die weder V-Person noch Informant sind

Privatpersonen können zudem auf eigene Veranlassung oder aufgrund privater Beauftragung, etwa als Rechtsanwalt oder Privatdetektiv 130 , Ermittlungen in einem Strafverfahren anstellen und so verfahrensrelevante Beweismittel oder Informationen erlangen. Aus § 95 I StPO folgt, dass die so gewonnenen Beweismittel den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn sie für das Strafverfahren von Bedeutung sind. Im Übrigen kann auch die Verpflichtung bestehen, im Verfahren als Zeuge auszusagen. Soweit die Privatperson durch ihre Aussage vor Gericht gefährdet werden könnte, greifen für sie (nur) die nach dem Strafverfahrensrecht möglichen Schutzmaßnahmen.

I I I . Agent Provocateur Der Begriff agent provocateur bzw. Lockspitzel kennzeichnet keine eigenständige Personengruppe innerhalb der verdeckten Ermittlungen, sondern beschreibt ein Handlungsmuster bzw. eine Strategie. Der agent provocateur hat die Aufgabe, zur beweiskräftigen Überführung Verdächtiger einen Tatent-

128 129 110

Körner BtMG, Scherp, § 31, 102. Schomburg, KR 1992, 679. Siehe hierzu Bockemühl, Private Ermittlungen, S. 38 ff.

4 Ellbogen

50

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

schluss hervorzurufen. Die Ausführung der provozierten Tat will er aber in der Regel nicht, diese soll nur versucht werden 131 . Teilweise werden die Regeln des agent provocateur auch angewandt, wenn der Lockspitzel zwar eine vollendete Tat will, z.B. einen Handel mit Betäubungsmitteln, aber es nicht zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung im Sinne einer realen Werteinbuße kommen soll, weil er das Eintreten der materiellen Beendigung der Tat verhindert 132 .

7. Grenzen zulässiger Tatprovokation Es sind zwei unterschiedliche Situationen denkbar, in denen ein agent provocateur zum Einsatz kommen kann. Er kann zum einen auf einen Tatverdächtigen bzw. Beschuldigten und zum anderen auf eine unverdächtige und nicht tatgeneigte Person einwirken. Gerade die zweite Konstellation findet in der Praxis offensichtlich nicht selten Anwendung. So werden Bürger, die nicht zu einer Straftat entschlossen und auch nicht anderer Straftaten verdächtig sind, von V-Personen, aber auch von Verdeckten Ermittlern, durch länger andauernde Überredungsversuche, intensive Beeinflussung, durch zähe Beharrlichkeit und unter Ausnutzung persönlicher Abhängigkeitsverhältnisse oder durch Täuschung z.B. zur Begehung eines Betäubungsmitteldeliktes angestiftet 133. In den bekannt gewordenen Fällen wurden - zum Teil über Wochen und Monate nicht tatgeneigte Personen „bearbeitet" und mit dem Versprechen eines erheblichen Gewinns zur Tat provoziert oder der V-Mann machte den Erlaß von Spielschulden davon abhängig, dass Rauschgift geliefert wurde oder er drohte, bei Nichtlieferung Straftaten anzuzeigen oder Geheimnisse preiszugeben 134. Dies hat zu der Feststellung geführt, dass hartnäckige Einwirkungen auf Zielpersonen, Verlockung durch Vorzeigen großer Geldbeträge, Ausnutzung von Notlagen, präzise Vorbereitung und intensive Steuerung der Begehung von Straftaten, Beschaffung von Tatmitteln einschließlich der Freigabe sichergestellter Drogen zum Repertoire der Tatprovokation durch V-Leute gehöre 135. Der Standpunkt, aus dem materiellen Strafrecht ergebe sich, dass der Staat bis zur Grenze des Nötigungsnotstandes von seinen Bürgern erwartet, solchen

131

Baumann/Weber/Mitsch, Weber, § 30, 44; Tröndle/Fischer, § 26, 8; Lackner/Kühl, § 26, 4; Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73, 75; Wessels/Beulke, recht AT, Rdnr. 573. 132 Siehe hierzu unten § 2 III 2. 133 Z.B. BGH, StV 1982, 53; BGH, NStZ 1993, 594 f. (der Sachverhalt erschließt sich vollständig erst durch die Anmerkung von Puppe, NStZ 1993, 595 ff.); BGH, StV 1995, 364 f.; BGH JZ 2000, 363 ff.; LG Frankfurt, StV 1984, 415 ff.; LG Stuttgart, StV 1984, 197 ff.; AG Heidenheim, NJW 1981, 1628. 134 Siehe die Nachweise bei Körner, StV 1982, 382, 385. 135 So ausdrücklich Eschelbach, StV 2000, 390, 391.

Straf-

§ 2 Begriffsbestimmungen

51

Tatprovokationen zu widerstehen, mag vertretbar sein. Es erscheint aber zumindest nicht sinnvoll, in diesen Fällen erst die Gelegenheit zur Begehung von Straftaten zu schaffen, um dann mit der ganzen Härte des Strafrechts zuzuschlagen136. Es gehört sicher nicht zu den vordringlichsten Aufgaben des Staates, die Rechtstreue seiner Bürger derart auf die Probe zu stellen. Vielmehr ist es ein wesentliches Element des Rechtsstaates, den unbescholtenen und unverdächtigen Bürger in seiner Rechtstreue zu unterstützen und vor der Begehung von Straftaten zu bewahren 137. Um die Frage der Zulässigkeit solchen Handelns beantworten zu können, ist zunächst zu klären, auf welche Rechtsgrundlage sich solches Vorgehen stützen lässt. Es könnte sich um eine präventive Maßnahme handeln, die dazu dienen soll, z.B. auf dem Markt vorhandenes Rauschgift bzw. Falschgeld abzuschöpfen oder Erkenntnisse über Vertriebs- und Verkaufswege zu erlangen 138. Allerdings wird diese Intention von der Praxis ad absurdum geführt, da sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass hierdurch gerade nicht Betäubungsmittel vom Markt genommen und bestehende Transportwege aufgedeckt werden. Vielmehr werden hierdurch erst neue Märkte und Transportwege eröffnet 139 . Wie fragwürdig solches Vorgehen ist, zeigen zudem die bekannt gewordenen Fälle von „Insichgeschäften", bei denen auf beiden Seiten V-Personen bzw. Verdeckte Ermittler beteiligt waren und Betäubungsmittel von der Polizei lediglich hin und her geschoben wurden 140 . Im Übrigen hat der BGH - wie oben bereits erwähnt 141 - entschieden, dass ein Scheinaufkauf keine präventive, sondern eine repressive Maßnahme der Strafverfolgung ist 142 . Gleiches gilt für sonstige Formen der Tatprovokation, bei denen es nicht zu einem Scheinaufkauf kommt. Als Ermächtigungsgrundlage für die Provokation eines Unverdächtigen kommt daher nur eine Norm des Strafprozessrechts in Betracht, da im Lockspitzeleinsatz - zumindest grundsätzlich - eine repressive Maßnahme zu sehen ist. Die Befugnisnormen der Strafprozessordnung setzen aber das Bestehen eines Tatverdachts im Sinne der §§ 152 II, 160 I StPO voraus, der in dieser Konstellation nicht gegeben ist. Eine solche Tatprovokation lässt sich folglich nicht auf das Strafprozessrecht stützen. 136 Harzer, StV 1996, 336, 341, spricht in diesem Zusammenhang von einer „Perversion der Staatsgewalt". 137 Mache, StV 1981, 599, 600. Ähnlich Beckmann, StV 1986, 179; Endriß/Kinzig, NJW 2001,3217, 3221. 138 In diesem Sinne BGH, StV 1995, 281, 282; Sieg, StV 1981, 636. 139 Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 11; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 3, 89. 140 BGH, NStZ 1994, 39; Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73, 75. Siehe auch von Zwehl, V-Leute, S. 19. 141 Siehe oben Fußnote 96. 142 BGH, NStZ 1995, 516, 517; BGH, JZ 2000, 363, 367. So auch Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 8; Kinzig, StV 1999, 288, 291 f.; Maul, BGH FS, 569, 574.

*

52

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

Die untere Grenze für die Zulässigkeit eines Lockspitzeleinsatzes ist daher das Bestehen eines Tatverdachts gegenüber der provozierten Person 143. Fehlt dieser, so ist die Provokation unzulässig und der Lockspitzel macht sich selbst strafbar 144. Der Einsatz des Lockspitzels ist in diesen Fällen auch deshalb unzulässig, weil der Verlockte hierdurch zum Objekt staatlichen Handelns degradiert und als solches nur benutzt wird 1 4 5 . Der BGH 1 4 6 hat im Anschluss an eine Entscheidung des EGMR 1 4 7 hierin sogar einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gesehen. Zulässig ist es aber, z.B. einen tatverdächtigen Drogendealer mit einen Scheinankauf von Betäubungsmitteln zu überfuhren oder durch das fingierte Ankaufen von Diebesgut eine Diebesbande zu stellen.

2. Straflosigkeit

des Lockspitzels bei zulässiger Tatprovokation

Die Straflosigkeit des agent provocateur wegen Anstiftung zu dem verleiteten Delikt wird üblicher Weise damit begründet, dass er nicht die Vollendung des betreffenden Deliktes wolle, sondern nur dessen Versuch 148 . Denn Grund der Anstiftung ist es nicht, dass der Anstiftende (zumindest auch) den Täter in Schuld und Strafe verstrickt 149 , sondern dass der Täter eine tatbestandliche Rechtsgutsverletzung herbeifuhrt, die beim Versuch fehlt 150 . Will der agent provocateur aber ein vollendetes Delikt herbeiführen, ist er grundsätzlich strafbar, auch wenn er dabei von dem Bestreben geleitet ist, den Täter anschließend zu überfuhren 151. Wer also einen anderen zu einer Körperverletzung verleitet, um ihn nach vollbrachter Tat festnehmen zu lassen, macht 143

BGHSt 45, 321, 326; 47, 44, 48; BGH, NStZ 1995, 506, 507; BGH, JZ 2000, 363, 367; Berz, JuS 1982, 416, 420; Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 13; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 3, 89; Mache, StV 1981, 599, 600. Im Ergebnis ebenso Sieg, StV 1981, 636, 637. Siehe auch OLG Hamm, NStZ 2003, 279, 280. 144 Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73, 76 f.; Sinner/Kreuzer, StV 2000, 114, 115. 145 BGH, StV 1995, 131; BGH, NStZ 1995, 506, 507; Lehmann, StraFo 1999, 109, 110. 146 BGH, JZ 2000, 363 ff., mit Anmerkung Roxin, JZ 2000, 369 ff. 147 EGMR, EuGRZ 1999, 660 ff. 148 RGSt 44, 172, 174; BGH, GA 1975, 333; BGH, StV 1981, 549; Franzheim, NJW 1979, 2014; Geppert, Jura 1997, 358, 360; Küper, GA 1974, 321; LK Roxin, § 26, 67; Schönke/Schröder Cramer/Heine, § 26, 20; Tröndle/Fischer, § 26, 8; Welzel, S. 117. 149 So aber noch die sog. Schuld- oder Unrechtsteilnahmetheorie: Leß, ZStW 69 (1957), 43, 47, m.w.N; Schaffstein, ZStW 57 (1938), 295, 323. 150 Sog. akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie: Baumann/Weber/Mitsch, Weber, § 30, 6; Jescheck/Weigend, AT § 64 I 2; Lackner/Kühl, vor § 25, 8; Maurach/Gösse l/Zipf, Strafrecht AT II, S. 325; Schönke/Schröder Cramer/Heine, vor §§ 25ff., 17; Rudolphi, ZStW 78 (1966), 67, 92 ff. Differenzierend: LK Roxin, vor § 26, 1 ff.; ders., Stree/Wessels FS, S. 365, 380 ff.; SKStGB Hoyer, vor § 26, 59 f. 151 LK Roxin, § 26, 69; Welzel, S. 117.

§ 2 Begriffsbestimmungen

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sich wegen Anstiftung strafbar. Umstritten ist dieses Ergebnis jedoch, wenn der Lockspitzel zwar zu einer vollendeten Tat anstiften will, gleichzeitig aber Vorkehrungen getroffen hat, einen schädlichen Erfolg bzw. eine Rechtsgutsverletzung zu verhindern. Diese Situation kann z.B. eintreten, wenn ein Verdeckter Ermittler einen mutmaßlichen Drogendealer durch das Versprechen eines hohen Kaufpreises dazu bestimmt, Heroin zu beschaffen und dann mit der Polizei in der Wohnung des Dealers erscheint, um die Betäubungsmittel zu beschlagnahmen. Der Tatbestand des § 29 I Nr. 1 BtMG ist zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet und sogar materiell beendet. Außer bei abstrakten Gefährdungsdelikten, wie § 29 I Nr. 1 BtMG, kann sich dieses Problem bei allen Delikten stellen, bei denen die Vollendung der Rechtsgutsverletzung vorausgeht, wie z.B. bei Vorbereitungsund Unternehmensdelikten. Eine einheitliche Linie zur Behandlung dieses Problems hat sich in Rechtsprechung und Literatur noch nicht herausgebildet. Teilweise wird im Bereich der Betäubungsmitteldelikte versucht, die Straflosigkeit des Lockspitzels mit Hilfe einer einschränkenden Tatbestandsauslegung zu begründen. Zwar wird in ständiger Rechtsprechung unter Handeltreiben im Sinne des § 29 I Nr. 1 BtMG jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit verstanden, auch wenn diese nur gelegentlich, einmalig oder bloß vermittelnd ist. Zudem wird in § 29 I Nr. 1 BtMG kein Erfolgsdelikt gesehen, so dass die Tat rechtlich vollendet ist, selbst wenn der erstrebte Umsatz von Betäubungsmitteln nicht erreicht wird 1 5 2 . Gleichwohl soll aber ein missbilligter Erfolg im Sinne dieser Norm nur ein solcher Vorgang sein, der die Betäubungsmittel auf dem Weg zum Konsumenten weiterbringt, nicht jedoch ein Umsatz, durch den diese der Polizei in die Hände gespielt und damit aus dem Verkehr gezogen würden 153 . Der agent provocateur erfüllte hiernach bereits nicht den Tatbestand des § 29 I Nr. 1 BtMG. Überwiegend wird die Lösung aber auf der Vorsatzebene gesucht. Entscheidend ist hiernach, ob der Wille des agent provocateur darauf gerichtet ist, eine tatsächliche Verletzung des Rechtsgutes nicht eintreten zu lassen, weil es nur zum Versuch kommen oder weil trotz formeller Vollendung des Delikts eine Schädigung des Rechtsgutes im Sinne einer realen Werteinbuße durch das Eingreifen des Anstifters verhindert werden soll 154 . Eine Strafbarkeit des Lockspit152

BGHSt 30, 277, 278; BGH, NJW 1979, 1259, BGH, StV 1992, 516. Kritisch zu dieser weiten Auslegung Endriß/Kinzig, NJW 2001, 3217, 3218; Roxin, StV 1992, 517 ff. 153 BGH, StV 1981, 549; BGH/D, MDR 1973, 554; zustimmend: Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 23/17; KK Senge, vor § 48, 92; LK Roxin, § 26, 72; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, S. 350; Seelmann, ZStW 95 (1983), 797, 799 ff.; Schünemann, StV 1985, 424, 429. Differenzierend: Krey, Rechtsprobleme, Rdnr. 552. 154 OLG Oldenburg, NJW 1999, 2751; Geppert, Jura 1997, 358, 362; Herzberg, GA 1971, 1, 11 f.; Janssen, NStZ 1992, 237, 238; Küper, GA 1974, 321, 333 ff.; Maaß, Ju-

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1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

zels bestehe nur, wenn dieser eine materielle Vollendung im Sinne einer Irreparabilität des Schadens will 1 5 5 . Ist das provozierende Verhalten dennoch tatbestandsmäßig, ist es denkbar, dass die Strafbarkeit des agent provocateurs durch das Eingreifen von Rechtfertigungsgründen entfallt. Bei Individualrechtsgütern kommt insbesondere eine Einwilligung bzw. mutmaßliche Einwilligung des verletzten Rechtsgutsinhabers in Betracht 156 . Bei Straftaten, die sich gegen die Allgemeinheit oder gegen nicht höchstpersönliche Rechtsgüter des Einzelnen richten, wird eine Rechtfertigung durch § 34 StGB diskutiert 157 . Speziell im Bereich der Drogendelikte ist § 4 I I BtMG einschlägig, der einen erlaubnisfreien Umgang mit Betäubungsmitteln von Bundes- und Landesbehörden im Bereich ihrer dienstlichen Tätigkeit normiert. Nach dieser Vorschrift sind jedenfalls als Lockspitzel eingesetzte Polizeibeamte straflos. Die Anwendbarkeit auf V-Personen wird teilweise erwogen 158 .

3. Strqßarkeit des verlockten Täters Ist der Täter nicht von einem Beamten, sondern von einer Privatperson zur Begehung einer Straftat animiert worden, so folgt aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens, dass dem Staat die Tatprovokation dann zuzurechnen ist, wenn die Provokation mit Wissen eines fur die Anleitung der V-Person verantwortlichen Amtsträgers geschieht oder dieser sie jedenfalls hätte unterbinden können 159 .

ra 1981, 514, 517 f.; Plate, ZStW 84 (1972), 294, 306 ff.; Roxin, JZ 2000, 369, 370; Schönke/Schröder Cramer/Heine, §26, 20; Schwarzburg, NStZ 1995, 469, 470; SKStGB Hoyer, vor § 26, 64; Suhr, JA 1985, 629 f.; WesseIs/Beulke, Strafrecht AT, Rdnr. 573; ähnlich Freund, Strafrecht AT, § 10, 124. Ablehnend: Baumann/ Weber/Mitsch, Weber, § 30, 52; Gropp, Strafrecht AT, § 10, Rdnr. 130; Mitsch, Strafrecht BT 2, Tb 1, § 1, 90; Seier/Schlehofer, JuS 1983, 50, 52 f. Modifizierend hinsichtlich der Deliktstypen: Mitsch, Straflose Provokation, S. 139 ff, 251 ff. 155 Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 23/17; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, S. 349. 156 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rdnr. 573. 157 Bejahend: Krey, Miyazawa FS, 595, 601; Reichert-Hammer/Renzikowski, JA 1990, 153, 156; Suhr, JA 1985, 629, 634. Ablehnend: Baumann/Weber/Mitsch, Weber, § 30, 53; Harzer, StV 1996, 336, 341; Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73, 79; Seelmann, ZStW 95 (1983), 797, 811 ff. Für „außerplanmäßige" Einzelfälle: Hilger, NStZ 1992, 523, 525, Fn. 161; Keller, Rechtliche Grenzen, S. 277 ff.; KK Nack, § 110c, 5; Schwarzburg, NStZ 1995, 469, 473. Modifizierend: Schönke/Schröder Cramer/Heine, § 26, 20. 158 Dafür: Körner BtMG, Körner, § 4, 30; zurückhaltender der BGH, StV 1988, 432, 433 („nicht von vornherein ausgeschlossen"). Ablehnend: Endriß/Kinzig, StraFo 1998, 299, 303. 159 BGHSt 47, 44, 48.

§ 2 Begriffsbestimmungen

55

Die rechtlichen Konsequenzen eines Lockspitzeleinsatzes für den verlockten Täter sind umstritten. Zum einen wird eine verfahrensrechtliche Lösung diskutiert, und zwar entweder die Annahme eines Verfahrenshindernisses 160 oder eines Beweisverbots 161, zum anderen eine materiell-rechtliche Lösung, in dem ein Strafausschließungsgrund angenommen oder die Tatprovokation im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt wird. Ursprünglich befürwortete die Rechtsprechung in diesen Fällen aufgrund widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) ein Verfahrenshindernis wegen Verwirkung des staatlichen Strafanspruches 162. Zur Bestimmung der Zulässigkeit der Tatprovokation zog die Rechtsprechung Grundlage und Ausmaß des gegen den Beschuldigten bestehenden Tatverdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme des Lockspitzels sowie der Tatbereitschaft und eigene Aktivitäten dessen, auf den eingewirkt wurde, heran 163 . Die Nichtbeachtung der Grenzen tatprovozierenden Verhaltens durch den Lockspitzel wurde dem Staat als Rechtsverstoß zugerechnet, denn das Rechtsstaatsprinzip untersage es den StrafVerfolgungsbehörden, auf die VerÜbung von Straftaten hinzuwirken, wenn die Gründe dafür vor diesem Prinzip nicht bestehen könnten 164 . Der BGH gab im Jahre 1984 diese Rechtsprechung auf 165 und berücksichtigt seither das Vorliegen einer - zulässigen wie unzulässigen - Tatprovokation generell im Rahmen der Strafzumessung 166. Diese Sicht verdient Zustimmung, denn der Rechtsgüterschutz ist für den Staat keine verwirkbare günstige Rechtsposition, sondern eine Handlungspflicht, von der er sich nicht wegen ei-

160

von Danwitz, StV 1995, 431, 436 f., Küpper, JR 2000, 257, 259; C. Roxin, JZ 2000, 369, 370; ders. Strafverfahrens^ § 10, Rdnr. 28; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 224; Schönke/Schröder Cramer/Heine, § 26, 21; Sinner/Kreuzer, StV 2000, 114, 117; SKStPO Paeffgen, Anhang zu § 206a, 28 (in schwerwiegenden Fällen); Weiler, GA 1994, 561, 582 ff.; Wolter, NStZ 1993, 1, 10. 161 Berz, JuS 1982, 416; Bruns, StV 1984, 388, 392; Creutz, ZRP 1988, 415, 419; Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 12; Franzheim, NJW 1979, 2014 f.; Kinzig, StV 1999, 288, 292; Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 537; Lüderssen, Jura 1985, 122 ff. 162 BGH, NJW 1980, 1761; BGH, NStZ 1983, 80; BGH, NStZ 1981, 70; BGH, NStZ 1981, 394; LG Stuttgart, StV 1984, 197 ff.; LG Frankfurt/M, StV 1984, 415, 418. Zustimmend: Bruns, NStZ 1983, 49 ff.; Dencker, Dünnebier FS, 447, 453. Ebenfalls für ein Verfahrenshindernis: Lesch, JA 2000, 450, 454 (absolutes Verfahrenshindernis); Maul, BGH FS, 569, 578. 163 BGH, NJW 1980, 1761; BGH, NStZ 1981, 70; BGH, StV 1981, 392. 164 BGH, NStZ 1981, 70. Grundlegend: Lüderssen, Peters FS, 349 ff. 165 BGHSt 32, 345, 355. 166 So schon sehr früh: Foth, NJW 1984, 221 f. Zustimmend: Beulke/Rogat, JR 1996, 517, 519; HKStPO Krehl, § 163, 13; KK Pfeiffer, Einl., Rdnr. 98, 132; KK Senge, vor §48, 85; Krey, StrafverfahrensR 2, Rdnr. 590; Lehmann, StraFo 1999, 109, 110; LR Rieß, § 163, 73; Κ Meyer, NStZ 1985, 134 f.; /. Roxin, Rechtsfolgen, S. 209 ff. Ablehnend: Endriß/Kinzig, StraFo 1998, 299, 302 f.; dies., NJW 2001, 3217, 3222; Kempf StV 1999, 128, 130; J. Meyer, ZStW 95 (1983), 834, 853; Taschke, StV 1999, 632, 634.

1. Teil: Einleitung und Begriffsbestimmungen

56

genen Fehlverhaltens dispensieren kann 167 . Der staatliche Strafanspruch besteht daher auch in den Fällen einer unzulässigen Tatprovokation fort. Die StrafVerfahrenshindernisse haben zudem nicht die Funktion der Disziplinierung der Strafverfolgungsbehörden 168. Außerdem würden durch die Annahme eines Verfahrenshindernisses die unterschiedlichen Fallgestaltungen unzulässiger Tatprovokation nicht hinreichend Beachtung finden, sondern es müssten nach dem Prinzip „Alles oder Nichts" Entscheidungen hingenommen werden, die dem vom provozierten Täter verwirklichten Unrecht möglicherweise nicht entsprechen 169 . Eine Tatprovokation mindert jedoch die Schuld des Provozierten, daher müssen strafmildernd die gesamten Umstände der Tat sowie die Art und Weise der Provokation berücksichtigt werden mit der Folge, dass - vor allem im Falle einer unzulässigen Tatprovokation - die sonst schuldangemessene Strafe unterschritten, ein besonders schwerer Fall verneint oder auf die gesetzliche Mindeststrafe zurückgegangen werden kann. In gravierenden Einzelfällen kommt eine Milderung noch unter das gesetzliche Mindestmaß in Betracht. Auch ist unter Umständen bei einem Verbrechen § 59 in Verbindung mit § 47 II StGB anwendbar 170. In einem Urteil aus dem Jahre 1998 hat der EGMR allerdings festgestellt, dass in der Tatprovokation eines Unverdächtigen ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 I EMRK) liegt 171 . Daran anknüpfend fordert ein Teil der Literatur deshalb, dass der BGH seine Strafzumessungslösung aufgibt 172 . An dieser Lösung hält der BGH allerdings zu Recht fest 173 . Die Entscheidung des EGMR besagt nämlich nicht, dass in diesen Konstellationen zwingend z.B. ein Beweisverbot oder ein Verfahrenshindernis anzunehmen ist. Der Gerichtshof betont selbst, dass die Zulässigkeit der Erhebung bzw. Ver167

BGHSt 33, 354, 362. So auch K. Meyer, NStZ 1985, 134; Schumann, JZ 1986, 66, 70; Seelmann, ZStW 95 (1983), 797, 831. 168 Das BVerfG, StV 1985, 177 und NStZ 1987, 276, hat allerdings angedeutet, dass in besonders gelagerten Ausnahmefallen ein Verfahrenshindernis in Betracht komme. Zustimmend: Hillenkamp, NJW 1989, 2841, 2848. 169 BGH, JZ 2000, 363, 366. 170 BGHSt 32, 345, 355; BGH, NStZ 1992, 488; BGH, StV 1994, 169; BGH, NStZ 1995, 506 f.; BGH, StV 2000, 555 f.; BayObLG, JR 2000, 256, 257; LG München I, StV 2001, 409. Zustimmend: KK Pfeiffer, Einl. Rdnr. 98; KK Nack, § 110c, 12; K. Meyer, NStZ 1985, 134, 135. Modifizierend: Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 288; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 3, 90. Weitergehend Puppe, NStZ 1986, 404, 406 (Absehen von Strafe). Vgl. auch Maul, BGH FS, 569, 574. 171 EGMR, EuGRZ 1999, 660 ff. (Fall Teixeira de Castro gegen Portugal). 172 Roxin, JZ 2000, 369 ff.; Sinner/Kreuzer, StV 2000, 114 f. Mit Bedenken ebenfalls Kudlich, JuS 2000, 951, 955. 173 BGHSt 45, 321 ff; 47, 44 ff. Zustimmend van Gemmeren, Schäfer Sonderheft, 28, 29.

§ 2 Begriffsbestimmungen

57

wertung von Beweismitteln in erster Linie durch die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts geregelt werde und es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte sei, die von ihnen zusammengetragenen Beweise zu würdigen. Die Aufgabe des EGMR bestehe darin, festzustellen, ob ein Verfahren in seiner Gesamtheit einschließlich der Art der Darstellung der Beweismittel fair war 174 . Die Strafzumessungslösung des BGH ist mit dieser Entscheidung vereinbar. Bei der EMRK handelt es sich um in Deutschland unmittelbar geltendes Recht im Range eines einfachen Bundesgesetzes175 und den Entscheidungen des EGMR kommt gemäß Art. 46 EMRK nur im entschiedenen Einzelfall eine unmittelbare Bindungswirkung zu 1 7 6 . Die Rechtsprechung dieses Gerichts ist durch die deutschen Gerichte aber bei der Auslegung des nationalen Rechts zu beachten177. Die Lösung über die Strafzumessung ist daher weiterhin möglich, wenn der Konventionsverstoß dabei hinreichend Beachtung findet. Der BGH hat insofern seine Rechtsprechung konkretisiert, indem er nunmehr von den Instanzgerichten fordert, dass der Konventionsverstoß im Urteil ausdrücklich festgestellt werden muss und als schuldunabhängiger Strafmilderungsgrund von besonderem Gewicht zu kompensieren ist 178 .

174 175 176 177 178

EGMR, EuGRZ 1999, 660, 663. BVerfGE 74, 358, 370; Meyer-Goßner, MRK vor Art. 1, 3. Taschke, StV 1999, 632, 633 m.w.N. BVerfGE 74, 358, 370. BGHSt 45, 321, 335 f.; 47, 44, 52; BGH, NJW 2001, 2981, 2983.

Zweiter Teil

Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Personen § 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen Der Einsatz von V-Leuten könnte in Grundrechte des Beschuldigten bzw. der Zielperson eingreifen. Nach früher vorherrschender Auffassung erforderte jeder Eingriff in ein Grundrecht wegen des Vorbehalts des Gesetzes eine Rechtsgrundlage 1. Lag ein Grundrechtseingriff vor, so sollte eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich sein, fehlte ein solcher, so sollten die StrafVerfolgungsbehörden auch ohne besondere Ermächtigungsnorm tätig werden können2. Entscheidend für das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage ist daher die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes.

I. Begriff und Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes Der Vorbehalt des Gesetzes, also die Forderung, dass bestimmte oder alle Maßnahmen der Exekutive einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. Teilweise wird dieses Prinzip aus Art. 20 I I I GG gefolgert, da der dort genannte Vorrang des Gesetzes den Gesetzesvorbehalt voraussetze3. Richtigerweise stellt er jedoch eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips und des Demokratieprinzips dar 4. Zunächst wurde der Gesetzesvorbehalt auf Eingriffe in das Eigentum und die Freiheit der Bürger beschränkt 5. Außerhalb dieser Bereiche wurden der Verwaltung originäre Kompetenzen zugestanden6. Dieser „klassische" Eingriff 1 2

458. 3

Rogali , GA 1985, 1, 6; Schoreit, CR 1986, 87, 90; SKStPO Rudolphi, vor § 94, 15. Rogali , GA 1985, 1, 6; SKStPO Rudolphi, vor § 94, 47; Steinke, MDR 1980, 456,

BVerfGE 40, 237, 248 f.; BVerwGE 72, 265, 266; Stern, Band I, S. 805. BVerfGE 47, 46, 78 f.; 58, 257, 278; Erbguth, VerwaltungsArchiv 86 (1995), 327, 338; Maunz/Zippelius, § 13 III 4; Rogali , Informationseingriff, S. 19. Erweiternd Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6, 4 und Hölscheidt, JA 2001, 409, 410, welche dieses Prinzip zusätzlich noch aus den Grundrechten ableiten. 5 So noch mit Bedenken BVerfGE 8, 155, 166 f. Hierzu: Grawert, Jura 1982, 247, 254; Krebs, Jura 1979, 304 f. 6 Duttge, JZ 1996, 556, 558. 4

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

59

ist zwar noch immer der Grundfall einer rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseinwirkung, welche der Rechtfertigung bedarf, weil im Gegensatz zur bloßen Ausgestaltung des Grundrechts dessen Schutzgegenstand in seiner Integrität beeinträchtigt wird 7 . Rechtsprechung und Lehre haben sich aber von diesem klassischen Begriff des Eingriffs als der entscheidenden Voraussetzung des Gesetzesvorbehalts gelöst. Die ursprüngliche Begrenzung auf Einriffe in Eigentum und Freiheit war von der konstitutionellen, bürgerlich-liberalen Staatsauffassung des 19. Jahrhunderts geprägt und wird nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts der bundesrepublikanischen demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung egalitär sozialstaatlicher Prägung nicht mehr gerecht 8. Der Anwendungsbereich des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes muss daher in einem wesentlich umfassenderen Sinne gesucht werden.

II. Totalvorbehalt Ein Teil der Lehre geht von einem Totalvorbehalt aus, d.h. alle Gebiete staatlichen Verhaltens, also sowohl die Eingriffs- als auch die Leistungsverwaltung, müssten umfassend gesetzlich normiert sein9. Hergeleitet wird dies aus dem Wortlaut des Art. 20 I I I GG, dem Demokratieprinzip, dem Rechtsstaatsund Sozialstaatsprinzip und aus Art. 3 I GG 10 . Die Kernaussage ist hierbei, dass die Exekutive die Ermächtigung zu rechtlich verbindlichem Handeln gegenüber dem Bürger erst vom Gesetzgeber erlangt, ebenso wie die Exekutive ihre demokratische Legitimation über das Parlament empfange 11. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen12, da sie das in Art. 20 I I S. 2, I I I GG zum Ausdruck kommende tragende Organisations- und Funktionsprinzip der Gewaltenteilung13, das allen drei Staatsgewalten originäre Kompetenzen zuer7

Sachs, Sachs vor Art. 1, 78. BVerfGE 40, 237, 249. 9 Ächterberg, DÖV 1973, 289, 295; Bellstedt, DÖV 1961, 161, 163, unter Beschränkung auf die Fälle, in denen Verwaltungshandeln in die soziale Außenwelt wirkt; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 205; M/D Herzog, Art. 20 GG VI, Rdnr. 69; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungslehre, S. 143. Einschränkend nunmehr: Kopp/Schenke, VwGO, § 42, 125, mit dem Eingeständnis, dass sich diese Theorie nicht durchzusetzen vermochte. 10 Siehe die Nachweise bei Perschke, Die Zulässigkeit, S. 26 ff. 11 Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 171 f. 12 So auch Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1, 25 f.; Duttge, JZ 1996, 556, 558; Jarass/Pieroth, Art. 20 GG, 46; Kloepfer, JZ 1984, 685, 686; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 29; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 32; Rogali, Informationseingriff, S. 16. 13 BVerfGE 34, 52, 59; 49, 89, 125; 68, 1, 86 f. 8

60

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Personen

kennt, missachtet. Auch die Exekutive verfügt - und zwar institutionell in gleichem Maße wie die anderen Gewalten - über eine eigenständige (mittelbare) demokratische Legitimation und damit über einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung 14, in welchem sie ihre potentiell größere Sachnähe und das ihr zur Verfügung stehende flexiblere Regelungsinstrumentarium einsetzen kann. Ein Prinzip der gewaltenteilenden Demokratie ist es nämlich, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, d.h. von den Organen getroffen werden sollen, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen 15. Der Entscheidungsträger kann daher auch die Exekutive sein. Zudem übt speziell die Verwaltung gemäß Art. 20 II GG die Staatsgewalt nicht unter, sondern neben dem Parlament aus, so dass der Gesetzesvorbehalt ein Element der Funktionentrennung zwischen Legislative und Exekutive ist 16 . Das Parlament ist zwar als einzige Staatsgewalt unmittelbar demokratisch legitimiert, hieraus folgt aber kein Rechtsetzungsmonopol, sondern allenfalls eine Rechtsetzungsprärogative 17. Es kann daher keinen aus dem Demokratieprinzip ableitbaren Gewaltenmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts geben18.

I I I . Wesentlichkeitstheorie Das Bundesverfassungsgericht und ein Teil der Lehre bestimmen die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung vielmehr anhand des Kriteriums der Wesentlichkeit. Nach dieser Wesentlichkeitstheorie sollen losgelöst vom Merkmal des Eingriffs dem Gesetzgeber all jene Angelegenheiten zur ausschließlichen Behandlung und Entscheidung zugewiesen sein, die im Vergleich zu anderen Belangen für das Gemeinwesen besonders bedeutsam, gewichtig oder grundlegend erscheinen 19. Wesentlich bedeutet dabei im grundrechtsrelevanten Bereich wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte 20. Je intensiver eine Regelung die Grundrechte berührt, um so eher muss sie in der Form eines Gesetzes erfolgen.

14

BVerfGE 49, 89, 125; 67, 100, 139; 68, 1, 87; Duttge, JZ 1996, 556, 558. BVerfGE 68, 1, 86; Rogali , Informationseingriff, S. 22. 16 Hölscheidt, JA 2001, 409, 410. 17 Perschke, Die Zulässigkeit, S. 28. 18 BVerfGE 49, 89, 125; 68, 1, 87; 98, 218, 252. 19 BVerfGE 40, 237, 249; 47, 46, 79; 49, 89, 126; 58, 257, 268 ff.; BVerwG 47, 194, 197 f.; NWVerfGH, NVwZ-RR 1998, 478, 479 f. 20 BVerfGE 47, 46, 79; 58, 257, 268 f.; 80, 124, 132; 83, 130, 142; NWVerfGH, NJW 1999, 1243, 1245. 15

§ 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen

61

Der Grundrechtsbezug einer Maßnahme ist also ein wichtiges Indiz für deren „Wesentlichkeit" 21 . In welchen Bereichen das staatliche Handeln einer Rechtsgrundlage in einem förmlichen Gesetz bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung bzw. Maßnahme ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in erster Linie die tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere die vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechte 22. Grundsätzlich genügt dem Vorbehalt des Gesetzes ein Gesetz im materiellen Sinne, also z.B. auch eine Rechtsverordnung. Die Delegationsbefugnis des Parlaments nach Art. 80 GG wird durch die Wesentlichkeitstheorie aber eingeschränkt, denn der Gesetzgeber ist nach ihr verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen in Form eines Parlamentsgesetzes selbst zu treffen und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen 23. Der hieraus abgeleitete Parlamentsvorbehalt ist daher eine Kombination aus Gesetzesvorbehalt und Delegationsverbot 24 . Die Bestimmtheit des jeweiligen Gesetzes muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, so werden höhere Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigungsnorm gestellt, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert 25 . Daher muss zunächst ermittelt werden, ob ein Gesetz für das in Frage stehende staatliche Handeln erforderlich ist. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, welche Entscheidungen das Parlament in diesem Gesetz tatsächlich selbst treffen muss und welche der Exekutive überlassen werden dürfen 26. Nicht alle Sachbereiche oder Gegenstände, die dem Gesetzesvorbehalt unterfallen, bedürfen nämlich notwendig einer vollständigen parlamentsgesetzlichen Normierung 27 . Nur die fur die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Entscheidungen sind der Legislative vorbehalten, im Übrigen kann das Parlament die Ausgestaltung der Regelung gemäß Art. 80 GG auf die Exekutive übertragen.

21

BVerfGE 45, 400, 418; 83, 130, 142. BVerfGE 49, 89, 127. 23 BVerfGE 98, 218, 251. 24 Hölscheidt, JA 2001, 409, 411 ; Krebs, Jura 1979, 304, 312. 25 BVerfGE 58, 257, 278. 26 Vgl. hierzu: Eberle , DÖV 1984, 485, 486 f.; Häberle, DVBl. 1972, 909, 912 f.; Pietzcker, JuS 1979, 710, 712. 27 BVerfGE 40, 237, 250. 22

62

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Personen IV. Kritik an der Wesentlichkeitstheorie

Der Wesentlichkeitstheorie wird vorgeworfen, dass sie das Problem des Vorbehalts des Gesetzes nicht löse, sondern in den Bereich der Grundrechtsrelevanz verschiebe und letztlich nur Banales, Unbestimmtes und Nichtssagendes zum Ausdruck bringe 28 . Zum einen bestehe mangels hinreichend konkreter Abgrenzungsmerkmale die Gefahr der Unbestimmtheit, wann eine Regelung wesentlich sei, zum anderen drohe eine uferlose Ausweitung des Gesetzesvorbehalts bis hin zum Abgleiten in einen Totalvorbehalt 29. Die Alternativvorschläge zur Wesentlichkeitstheorie versuchen, diesen Vorwürfen auf verschiedenen Wegen zu entgehen. So will eine Ansicht mit einem Nebeneinander von Rechtssatz- und Parlameritsvorbehalt den Vorbehalt des Gesetzes konkretisieren, wobei diejenigen staatlichen Maßnahmen, welche die individuelle Gleichheits- und Freiheitsentfaltung substantiell verändern können, durch ein Parlamentsgesetz legitimiert sein müssen30. Dies sei immer dann der Fall, wenn auf Grundrechte oder andere Rechtspositionen, die Individualrechte sind, eingewirkt wird. Teilweise wird vorgeschlagen, den Gesetzesvorbehalt nur anhand des Eingriffscharakters einer Regelung, der Bedeutung der Regelung für die Allgemeinheit, des erhöhten Maßes der Intensität staatlichen Handelns, der besonderen Grundrechtsrelevanz oder der Tatsache, dass die Regelung politisch kontrovers diskutiert werde, zu bestimmen31. Eine andere Auffassung will grundsätzlich an der Wesentlichkeitstheorie festhalten, aber auf der Basis einer institutionell funktionellen Betrachtungsweise eine Eingrenzung des Merkmals der Wesentlichkeit erreichen 32. Ausgangspunkt ist dabei die Prämisse, dass das Normsetzungsverfahren um so gründlicher sein müsse, je wichtiger oder folgenschwerer die zu treffende Entscheidung sei. Aufgrund ihrer Stellung im ersten Abschnitt der Verfassung komme den Grundrechten bei der Bestimmung der Wichtigkeit eine besondere Bedeutung zu 33 . Ein Parlamentsvorbehalt bestehe daher, wenn die Beeinträch-

28

Baader, JZ 1992, 394, 395; Kisker, NJW 1977, 1313, 1317; Krebs, Jura 1979, 304, 308; Ossenbühl, DÖV 1980, 545, 550; ders., HbdStR Band III, § 62, 41 f.; Umbach, Faller FS, 111, 124. Kritisch auch Rogali , Informationseingriff, S. 20 f.; Schnapp, NWVB1. 1996, 415, 416 ff. 29 Ehrich, DB 1993, 1237, 1239; Ossenbühl, HbdStR Band III, § 62, 45; Vogelgesang, Grundrecht, S. 177 f. 30 Kloepfer, JZ 1984, 685, 694. 31 Ossenbühl, DÖV 1980, 545, 550. 32 von Arnim, DVB1. 1987, 1241, 1243 ff.; Eberle, DÖV 1984, 485, 488 ff.; Erbguth, VerwaltungsArchiv 86 (1995), 327, 341 ff.; Kisker, NJW 1977, 1313, 1318. 33 Kisker, NW 1977, 1313, 1318; Umbach, Faller FS, 111, 126.

§ 4 Faires Verfahren

63

tigung der Grundrechte besonders intensiv und folgenschwer sei 34 . Gleiches gelte, wenn Freiheitsrechte der Bürger gegeneinander abgegrenzt werden müssten. Ein weiteres mögliches Kriterium sei, ob die involvierten Grundrechtsgüter quantitativ oder qualitativ in besonderem Maße betroffen seien35.

V. Stellungnahme Diese Vorschläge gegenüber der Wesentlichkeitstheorie können nicht überzeugen, da sie keine neuen Aspekte bzw. Kriterien zur Bestimmung des Gesetzesvorbehalts herausgearbeitet haben. Vielmehr verwenden sie entweder nur Synonyme des Wesentlichkeitsmerkmals, wie das Merkmal der substantiellen Betroffenheit 36, oder sie stellen auf Kriterien ab, die so oder ähnlich auch von den Vertretern der Wesentlichkeitstheorie herangezogen werden 37. Im Folgenden wird daher anhand der Wesentlichkeitstheorie geprüft, ob der Einsatz von V-Personen grundrechtsrelevant und deshalb eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist. Dem Bundesverfassungsgericht folgend, kommt es nicht darauf an, ob ein Grundrechtsewgr/^ vorliegt, sondern es muss vielmehr untersucht werden, ob und wie intensiv der grundrechtliche Schutzbereich jeweils berührt ist.

§ 4 Faires Verfahren Eine Prüfung der Grundrechtsrelevanz des Einsatzes von V-Personen würde sich jedoch erübrigen, wenn dieser gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen würde. In diesem Fall wäre selbst die Legitimation durch ein Spezialgesetz ungeeignet, den Verfahrensverstoß zu heilen. Der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren könnte beim Einsatz von V-Leuten zum einen dadurch verletzt sein, dass eine V-Person den Beschuldigten oder einen zeugnisverweigerungsberechtigen Angehörigen oder Dritten über den Tatvorwurf befragt und diese darüber im Unklaren gelassen werden, dass ihre Bekundungen in einem späteren Strafverfahren Verwendung finden können, und zum anderen dadurch, dass die Identität des V-Mannes in der Regel geheim gehalten wird und seine Aussage häufig nur durch das Zeugnis des V-Mann-Führers ins Verfahren eingeführt wird. Weiterhin kommt ein 34

Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 245; Umbach, Faller FS, 111, 128 f. " Krebs, Jura 1979, 304, 312; kritisch speziell hierzu: Hölscheidt, JA 2001, 409, 412. 36 Perschke, Die Zulässigkeit, S. 46. 37 So z.B. in BVerfGE 57, 295, 321; 83, 130, 142.

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

Verstoß in Betracht, wenn die V-Person als Lockspitzel gegenüber einem Unverdächtigen eingesetzt wird.

I. Herleitung des Anspruchs auf ein faires Verfahren Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren wird als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips und als Aspekt der Menschenwürde aus Art. 20 I I I i.V.m. Art. 2 I GG hergeleitet 38. In Art. 6 I MRK ist der Anspruch auf ein „fair hearing" normiert, der mit den Grundsätzen des fairen Verfahrens gleichzusetzen ist 39 . Auf die MRK kommt es im Weiteren jedoch nicht an, da diese durch die Ratifikation im Jahre 195240 den Status eines einfachen Bundesgesetzes bekommen hat und daher keinen Verfassungsrang besitzt41.

II. Schutzbereich Das Recht auf ein faires Verfahren bedarf als normativer Rechtsbegriff der Konkretisierung, die in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers und im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften der jeweils zuständigen Gerichte ist 42 . Überwiegend wird angenommen, dass konkrete Folgerungen für die Ausgestaltung des Strafverfahrens aus diesem Gebot erst gezogen werden können, wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände eindeutig ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind oder das Willkürverbot verletzt wurde 43 . Dabei ist wegen der Weite und Unbestimmtheit des Rechtsstaatsprinzips mit Behutsamkeit vorzugehen 44, und es müssen die in diesem Prinzip selbst angelegten Gegenläufigkeiten berücksichtigt werden 45, vor allem das

38

BVerfGE 38, 105, 111; 57, 250, 274 f.; 70, 297, 308; 74, 358, 370; 78, 123, 126; Geppert, Unmittelbarkeit, S. 247. Zu weitergehenden Ableitungen: Lammer, Verdeckte Ermittlungen S. 189, m.w.N. Kritisch gegenüber dem fair-trial-Grundsatz ist Renzikowski, JZ 1999, 605, 612, der in diesem das „Kind" einer fremden Strafverfahrenstradition sieht. 39 Rüping, JZ 1983, 663, 664. 40 BGBl. II, S. 685. 41 Im Land Brandenburg ist der Anspruch auf ein faires Verfahren in Art. 52 IV der Verfassung normiert. 42 BVerfGE 57, 250, 274 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 2, 16. 43 BVerfGE 57, 250, 276; 63, 45, 61; 86, 288, 317 f. 44 BVerfGE 70, 297, 308; Rothfuß, StraFo 1998, 289, 290. 45 BVerfGE 57, 250, 276.

§ 4 Faires Verfahren

65

Spannungsverhältnis von Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit sowie gesetzmäßigem Verfahren und gerechtem Verfahrensergebnis 46 Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet aber zumindest, dem Beschuldigten wirksame Verteidigungsmöglichkeiten zu eröffnen 47, um ihn nicht zum bloßen Objekt des gegen ihn gerichteten Verfahrens zu degradieren 48. Das Verfahren muss folglich so gestaltet werden, dass die Grundrechte des Beschuldigten wirksam geschützt und durchgesetzt werden können49 und dieser die Möglichkeit hat, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluss zu nehmen50. Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, müssen auf zureichender richterlicher Aufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht ausreichende Basis besitzen51. Zwischen den Verfahrensbeteiligten muss eine Waffen- oder Chancengleichheit bestehen52. Bei der näheren Konkretisierung des Begriffs der Chancengleichheit kann allerdings nicht - wie teilweise behauptet wird 53 - auf Art. 3 I GG zurückgegriffen werden. Soweit die Gegenauffassung glaubt, sich hierbei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts 54 berufen zu können, wird übersehen, dass dieses zum Zivilprozessrecht ergangen und auf das Strafverfahrensrecht nicht übertragbar ist 55 . Art. 3 I GG verlangt nämlich nicht die Gleichbehandlung der Bürger mit dem Staat, sondern die Gleichbehandlung der Bürger untereinander durch den Staat56. Mit der Waffengleichheit ist daher keine Gleichheit im formellen Sinne gemeint 57 . Es werden dem Beschuldigten also weder die Zwangsbefugnisse der Staatsanwaltschaft eingeräumt, noch darf diese sich krimineller Methoden zur Sachverhaltsaufklärung bedienen. Die Waffengleichheit ist vielmehr als Strukturprinzip zu verstehen 58, welches die Einräumung annähernd gleicher Chancen der Verfahrensbeeinflussung verlangt. Dies gilt nicht

46

Hierzu BVerfGE 41, 323, 326; 42, 64, 73. Rüping, JZ 1983, 663, 664 f. 48 BVerfGE 66, 313, 318; Hellmann,, Strafprozeßrecht Teil 1, § 1, 9. 49 BVerfGE 57, 250, 276; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 191. 50 BVerfGE 65, 171, 174 f.; 66, 313, 318. 51 Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20, 24. 52 BVerfGE 38, 105, 111; 52, 131, 144; Geppert, Unmittelbarkeit, S. 247; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 194; SKStPO Wolter, vor § 151, 106. 53 E. Müller, NJW 1976, 1063, 1066 f.; SKStPO Rogali, vor § 133, 106. 54 BVerfGE 52, 131, 144. 55 So auch das BVerfGE 52, 131, 156. 56 Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 194 f.; siehe auch Sachs, Osterloh, Art. 3 GG, 38 ff. 57 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 11, 13. 58 Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 197; Rüping, JZ 1983, 663, 664 f. 47

5 Ellbogen

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

66

erst in der Hauptverhandlung, sondern auch schon im Ermittlungsverfahren 59, wobei § 219 I StPO einen Anhaltspunkt für die Ausgestaltung geben kann.

I I I . Verletzung der Chancengleichheit durch den Einsatz von V-Personen? Eine Auffassung sieht insbesondere dann den Aspekt der Chancengleichheit verletzt, wenn die V-Person in das besonders geschützte Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinen Angehörigen im Sinne des § 52 I StPO eindringt, etwa wenn er einen Angehörigen gezielt aushorcht 60. Diese Ansicht lässt jedoch außer Acht, dass die Angehörigen nicht gezwungen sind, sich gegenüber der V-Person zu äußern. Für den Angehörigen besteht vielmehr stets das Risiko, dass seine gegenüber Privatpersonen gemachten Aussagen in einem Strafprozess Verwendung finden können61 . Auch unter der Annahme, dass der Schutz des Angehörigenverhältnisses in seinem Kernbestand zu den rechtsstaatlich unverzichtbaren Erfordernissen eines fairen Verfahrens zählt 62 , ändert sich an diesem Ergebnis nichts. Die V-Person befragt den Angehörigen in diesen Fällen nämlich ohne Einsatz von Druckmitteln oder Zwang und greift darum nicht in den Kernbestand des geschützten Nähe Verhältnisses ein. Hierin liegt folglich kein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Etwas anderes gilt nur, wenn der Zeuge sein Zeugnisverweigerungsrecht bzw. der Beschuldigte sein Schweigerecht bereits ausgeübt hat und die V-Person nun bewusst eingesetzt wird, um dennoch an eine Aussage zu gelangen. In einer solchen missbräuchlichen Umgehung des Zeugnisverweigerungs- bzw. Schweigerechts ist ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens zu sehen63. Die Chancengleichheit wird weiterhin nicht dadurch beeinträchtigt, dass die V-Person direkten Kontakt zum Beschuldigten aufnimmt und so Informationen erlangt, da dieser ebenfalls nicht gezwungen ist, im Gespräch mit der V-Person Informationen preiszugeben oder strafbare Handlungen zu begehen, über welche die V-Person später berichten kann. Diese Selbstbelastungen beruhen vielmehr auf einer freien Willensentscheidung des Beschuldigten. Aus dem Aspekt, dass die V-Person nicht ihre Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungs-

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Sehr weitgehend Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 200 ff. Eschelbach, StV 2000, 390, 394; Gotting, Beweisverwertungsverbote, S. 235 f. Mit Bedenken insoweit auch BVerfG, StV 2000, 233 f. 61 So auch Sternberg-Lieben, JZ 1995, 844. 62 So BVerfG, StV 2000, 233, 234. 63 Rogali , JZ 1996, 944, 951; in diesem Sinne auch BGHSt 40, 211, 214. Auch das EGMR, StV 2003, 257, sieht hierin einen Verstoß gegen Art. 6 I MRK. 60

§ 4 Faires Verfahren

67

behörden offenbart, folgt nichts anderes, denn eine Offenheit strafrechtlicher Ermittlungen fordert das Gebot des fairen Verfahrens nicht 64 .

IV. Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten? Durch die Verwendung der Aussagen einer V-Person in der Hauptverhandlung könnten jedoch die Verteidigungsmöglichkeiten des Beschuldigten beschränkt werden. So kann eine Verteidigung durch Schweigen zum Tatvorwurf zumindest erschwert werden, wenn der Beschuldigte die Tatbegehung gegenüber der V-Person schon eingestanden hatte. Diese Möglichkeit bestünde allerdings auch, wenn der Beschuldigte gegenüber einem Dritten sein Schweigen gebrochen hätte und dieser dann als Zeuge vernommen würde. Allein die Vernehmung der V-Person bzw. die Verlesung ihrer Aussagen beschränkt die Verteidigungsmöglichkeit des Beschuldigten nicht unzulässig, sondern es wird lediglich die Unvorsichtigkeit des Beschuldigten ausgenutzt. Das ist jedoch zulässig. Es berührt die Verteidigungsmöglichkeit des Beschuldigten hingegen nachhaltig, wenn die Identität des V-Mannes dem Beschuldigten verborgen bleibt und dessen Aussage unter Umständen nur durch die Zeugenaussage des polizeilichen V-Mann-Führers in die Hauptverhandlung eingeführt wird. Dadurch ist es dem Beschuldigten bzw. seinem Verteidiger verwehrt, Motivation und Glaubwürdigkeit der V-Person zu hinterfragen und entsprechende Gegenbeweise vorzubringen. Diese Umstände muss gemäß § 244 II StPO aber das Gericht ermitteln und das Fehlen der Möglichkeit bei der Beweiswürdigung berücksichtigen. In der Rechtsprechung ist es deshalb anerkannt, dass die so in die Beweisaufnahme eingeführte Aussage einer privaten V-Person nur einen eingeschränkten Beweiswert hat und eine Verurteilung allein auf diese Aussage nicht gestützt werden darf 5 . Der nur eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeit des Beschuldigten gegen diese Art der Beweisgewinnung trägt das bestehende Verfahrensrecht somit schon hinreichend Rechnung, so dass hierin kein Verstoß gegen das fair-trial-Prinzip liegt.

64

BGH, NJW 1994, 596, 599; im Ergebnis ebenso SKStPO Wolter, vor § 151, 106. Siehe auch unten § 5 II 2, d, aa). 65 Vgl. unten § 13 I sowie BGH, JZ 1995, 970, 971; BGHR StPO § 250 S. 1 Unmittelbarkeit 3; SKStPO Rogali , vor § 48, 89. Zur Beweiswürdigung in diesen Fällen siehe auch: BGH, StV 2000, 603 f. 5'

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen V. Lockspitzel-Einsatz gegenüber Unverdächtigen

Der Grundsatzes des fairen Verfahrens ist jedoch im Falle des Einsatzes einer V-Person als Lockspitzel gegenüber bislang Unverdächtigen verletzt. Dieses Vorgehen stellt nämlich immer einen Verfahrensverstoß dar, weil alle strafprozessualen Befugnisnormen die Beschuldigtenstellung bzw. einen Tatverdacht voraussetzen, der in dieser Situation gerade nicht gegeben ist 66 . Um die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme festzustellen, bedarf es daher nicht eines Rückgriffs auf den Grundsatz des fairen Verfahrens.

VI. Ergebnis Der Einsatz von V-Personen verletzt grundsätzlich nicht den Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren. Die Grundrechtsrelevanz dieser Maßnahme ist daher zu prüfen.

§ 5 Grundrechtsbeeinträchtigungen Eine Grundrechtsrelevanz des Einsatzes von V-Personen könnte sich hinsichtlich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, dem nemo-teneturPrinzip, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Unverletzlichkeit der Wohnung ergeben.

I. Recht auf informationelle Selbstbestimmung Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist eine Konkretisierung des durch Art. 2 I, 1 I GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Im Volkszählungsurteil vom 15.12.198367 hat das Bundesverfassungsgericht diesem Recht Grundrechtsrang zugesprochen. Der Anerkennung als Grundrecht lag die Überzeugung zugrunde, dass eine freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den modernen Lebensbedingungen nur möglich ist, wenn die Informationsstände von Kommunikationspartnern bekannt und kontrollierbar sind. Die ungeheuer komplexe Vernetzung von Sozialbezügen und die Explosion des Wissens68, die durch die lichtschnelle Verbreitung von Informationen an jeden 66

Siehe bereits oben § 2 III, 1. BVerfGE 65, 1 ff. Ablehnend gegenüber diesem Grundrecht aber: Duttge, JZ 1996, 556, 560 („entbehrt einer normativen Grundlage"); Rogali , GA 1985, 1, 11; ders., Informationseingriff, S. 43, 57; Vogelgesang, Grundrecht, S. 162 ff. Bedenken äußert auch Sternberg-Lieben, Jura 1995, 299, 303, Fn. 70. 68 Calliess, NJW 1989, 1338, 1342. 67

§ 5 Grundrechtsbeeinträchtigungen

69

beliebigen Ort eingetreten ist 69 , bedingen, dass nur im ständigen sinnvollen Wechselspiel mit den Informationen der anderen Bürger und daran orientiertem, rückgekoppeltem eigenen Verhalten sich eine freie und autonome Persönlichkeitskonstituierung sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich vollziehen kann 70 .

1. Schutzbereich Das informationelle Selbstbestimmungsrecht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbart 71. Mit diesem Grundrecht wäre es daher unvereinbar, wenn dem Bürger nicht mehr bekannt ist, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß 72 . Unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung schützt es den Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten 73 . Angesichts der vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten einzelner Informationen innerhalb der automatischen Datenverarbeitung gibt es im Übrigen kein belangloses Datum mehr 74 . Die zunächst bedeutungslose Information kann unter bestimmten Bedingungen und Verknüpfungen zu einem späteren Zeitpunkt entscheidende Bedeutung gewinnen. Teilweise wird aufgrund einer engen Auslegung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts der Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts auf die Erhebung von Informationen im Wege der automatischen Datenverarbeitung begrenzt 75. Hierbei wird aber übersehen, dass das informationelle Selbstbestimmungsrecht dem Einzelnen die Befugnis gibt, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte preisgibt 76. Dieses Grundrecht schützt daher generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Informationen, unabhängig davon, in welchem Umfang Elektronische Datenverar-

69

Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 24. AKGG Podlech, Art. 2 I, Rdnr. 44 ff.; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 24; Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 61 ff., unter besonderer Hervorhebung der Bedeutung von sozialem interaktivem Handeln für die Persönlichkeitsentfaltung („Interaktion bewirkt Individualisierung und Sozialisation."). 71 BVerfGE 65, 1,42. 72 BVerfGE 65, 1,43. 73 BVerfGE 65, 1, 43; 67, 100, 143. 74 BVerfGE 65, 1,45. 75 von Hippel/Weiß, JR 1992, 316, 321; Kniesel, Die Polizei 1984, 304, 314; Roewer, NJW 1985, 773, 775. 76 BVerfGE 65, 1,42. 70

70

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

beitung eingesetzt wird 7 7 . Zum Teil wird auch vertreten, die Schutzwirkung sei auf eine offene und zwangsweise Datenerhebung und Datenverarbeitung beschränkt 78. Dies ist jedoch abzulehnen, weil auch bei einer freiwilligen bzw. geheimen Datenerhebung oder Datenverarbeitung der Einzelne nicht mehr nachvollziehen kann, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Der Einzelne ist in dieser Situation sogar besonders schutzbedürftig 79. Die Schutzwirkung ist daher unabhängig davon, ob die Erhebung und Verarbeitung der Daten mit oder ohne staatlichen Zwang, offen oder verdeckt erfolgt 80 .

2. Abgrenzung zu anderen Grundrechten Der Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts umfasst auch die Teilhabe des Einzelnen an Informationsflüssen, Kommunikationsmitteln, der Informationszuteilung und den Verwertungsabläufen. Dieses Grundrecht hat folglich zentrale Bedeutung für eine Art grundrechtlicher Kommunikationsverfassung. Es wird flankiert und ergänzt durch die kommunikationsrechtlichen Teilinhalte speziellerer Freiheitsrechte. Soweit das in spezielleren Grundrechten geschützte Verhalten notwendig mit Kommunikationsvorgängen verbunden ist, sind diese Grundrechte und der in ihnen gewährte Schutz vorrangig zu prüfen 81 . Das informationelle Selbstbestimmungsrecht bildet dann den Mindeststandard des Schutzumfanges. Wenn also z.B. im Rahmen von verdeckten Ermittlungen Telefone abgehört, Gespräche in Wohnungen mittels technischer Vorrichtungen belauscht, die Gespräche von Ehepartnern aufgezeichnet oder fremde Wohnungen betreten werden, sind die Art. 4, 6, 10 und 13 GG zu prüfen, in den übrigen Fällen kann das Recht auf informationelle Selbstbestimmung selbst betroffen sein.

77 BVerfGE 78, 77, 84 ; BVerfG, NJW 1988, 3009; Baumann, DVB1. 1984, 612 ff.; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 26; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 55; Rubel, JA 1988, 574, 575; Schmitz, Probleme, S. 28 f. 78 Kniesel, Die Polizei 1984, 304, 309; Ρ Krause, JuS 1984, 268, 270. 79 Riegel, DVB1. 1985, 765, 766. 80 BVerfGE 84, 192, 194 ff.; BVerfG, CR 1989, 528 f.; Aulehner, CR 1993, 446, 454; Baumann, DVB1. 1984, 612, 615; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 26; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 55; Rosenbaum, Jura 1988, 178, 179. 81 Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 24; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 66 f.

71

§ 5 Grundrechtsbeeinträchtigungen 3. Informationelle

Selbstbestimmung und der Einsatz von V-Leuten

Im Falle des Einsatzes von V-Personen zur Verbrechensaufklärung kann das informationelle Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt sein, wenn durch die eingesetzte V-Person Daten und Informationen gesammelt und zur Verarbeitung an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden, also wenn z.B. der Beschuldigte befragt oder heimlich beobachtet und ausspioniert wird. Entweder weiß die Zielperson in diesen Fällen überhaupt nicht, dass Informationen über sie erhoben werden oder sie weiß nicht, zu welchem Zweck dies geschieht, weil sie über diesen getäuscht oder im Unklaren gelassen wird. Die Informationen, die durch die V-Person ermittelt werden, können aus völlig unterschiedlichen Bereichen stammen. Es kann sich um Umstände und Folgen einer Straftat handeln oder um Informationen über den Freundeskreis der Zielperson und deren Sexualleben.

4. Schranken des Rechts auf informationelle

Selbstbestimmung

Die Ableitung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I, 1 I GG spricht dafür, dass dieses nicht schrankenlos gewährleistet wird.

a) Beschränkbarkeit durch Allgemeininteressen? Die Grenzen dieses Grundrechts könnten sich aus der sozialen Relevanz der Kommunikation ergeben. Informationen sind grundsätzlich nicht wie z.B. das Eigentum beherrschbar 82. Sie sind vielmehr Spiegelbilder der sozialen Realität, und eine eindeutige personale Zuordnung der Daten ist wegen der oft vielfältigen sozialen Bezüge meist nicht möglich. Aufgrund dieser sozialen Komponente muss der Grundrechtsträger grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen83. So hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass der Einzelne nicht immer, sondern nur grundsätzlich selbst über die Preisgabe seiner persönlichen Daten bestimmen dürfe 84. Auch sei er nicht gegen jede, sondern nur gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner Daten geschützt85.

82 83 84 85

Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 29. BVerfGE 65, 1,44; 78, 77, 85. BVerfGE 65, 1, 43; 80, 367, 373; BVerfG, NVwZ 1990, 1162. BVerfGE 65, 1, 43; 67, 100, 143; BVerfG, DVBl. 1993, 601, 602.

72

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

Es ist jedoch fraglich, ob durch die Belange des Allgemeinwohls bereits der Schutzbereich dieses Grundrechts eingeschränkt wird oder ob die Gemeinwohlgründe nur eine Beeinträchtigung rechtfertigen können. Im ersten Falle wären Ermittlungsmaßnahmen wegen des öffentlichen Interesses an einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung nicht grundrechtsrelevant. Ihre Rechtmäßigkeit hinge dann nicht vom Bestehen einer Ermächtigungsgrundlage ab. Eine Ansicht 86 stützt diese Deutung auf die Behauptung, dass es keine von sozialen Kontakten abgeschüttete personale Identität gäbe, die Allgemeininteressen folglich die Reichweite der Grundrechtsverbürgungen immer beeinflussen. Das Grundgesetz gehe nicht vom Einzelnen als selbstherrliches Individuum aus, sondern setze ein Menschenbild der in der Gemeinschaft lebenden und ihr vielfältig verpflichteten Persönlichkeit voraus. Diesem Menschenbild sei nicht nur bei der Herleitung der Grundrechtsschranken als soziale Inpflichtnahme des Einzelnen, sondern auch bei der Interpretation des Schutzbereichs der Freiheitsrechte Rechnung zu tragen 87. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht in seiner 2. Tagebuchentscheidung die Belange der Gemeinschaft im Rahmen der Frage nach der Betroffenheit des Schutzbereiches diskutiert 88 und sei damit dieser Sichtweise gefolgt. Einer solchen Beschränkung des Schutzbereiches kann nicht zugestimmt werden. Dabei geht bereits der Verweis auf das 2. Tagebuchurteil fehl. In dieser Entscheidung führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass selbst schwerwiegende Interessen der Allgemeinheit Eingriffe in den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen könnten 89. Die Bedeutung der Allgemeininteressen besteht folglich darin, Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu legitimieren. Daher sind sie erst dann zu berücksichtigen, wenn die Betroffenheit des Grundrechts schon feststeht, dessen Schutzbereich können sie dagegen nicht begrenzen 90. Dieses Ergebnis wird durch weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gestützt91, z.B. indem es im Beschluss über die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ausdrücklich hervorhebt, dass dem Schutzbereich dieses Grundrechts Daten mit gesteigertem Sozialbezug nicht von vornherein entzogen seien92. Für diesen

86 Aulehner, CR 1993, 446, 452; Deutsch, Heimliche Erhebung von Informationen, S. 136 f.; ähnlich Gusy, JuS 1986, 89 ff. 87 Gusy, JuS 1986, 89. 88 BVerfGE 80, 367, 373. 89 BVerfGE 80, 367, 373. 90 So auch Perschke, Die Zulässigkeit, S. 59. Im Ergebnis ebenso Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 25. 91 BVerfGE 67, 100, 143; 78, 77, 86 f.; BVerfG, NVwZ 1990, 1162. 92 BVerfG, CR 1989, 528, 529.

§ 5 Grundrechtsbeeinträchtigungen

73

Standpunkt spricht außerdem, dass es - im Falle einer Schutzbereichsbestimmung von den Eingriffsbedürfnissen her - für den Einzelnen keine Sicherheit gegen eine fehlerhafte, missbräuchliche oder exzessive Ausnutzung der im Dritt- oder Allgemeininteresse eingeräumten Möglichkeiten gäbe, denn es läge ja keine Grundrechtsverletzung vor. Damit könnte das Grundrecht aber seine Aufgabe des Individualschutzes nicht erfüllen 93.

b) Grenzziehung anhand der Sphärentheorie Die Beschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung muss vielmehr innerhalb der Grenzen der Sphärentheorie 94 erfolgen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht diese im Volkszählungsurteil nicht ausdrücklich herangezogen, hat diese in späteren Entscheidungen aber weiterhin verwandt. In einem Urteil führt es aus, dass der verfassungsrechtliche Schutz um so intensiver sei, je näher die relevanten Daten der Intimsphäre stehen95. Die Anwendung der Sphärentheorie auf dieses Grundrecht ist auch konsequent, da es aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt, für das die Sphärentheorie ursprünglich entwickelt wurde 96 .

aa) Schutzbereiche nach der Sphärentheorie Die Sphärentheorie unterscheidet zwischen drei unterschiedlich schutzintensiven Bereichen, nämlich einer unantastbaren Kern-, Intim- oder Geheimsphäre, einer Privat- und einer Sozialsphäre. Gehören Informationen dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung an, so sind sie der Einwirkung der öffentlichen Gewalt schlechterdings entzogen. Gehören sie nicht dieser Intimsphäre, sondern der Privatsphäre zu, in welche der Staat aus überwiegenden Gründen der Strafverfolgung eingreifen darf, muss im Wege der Abwägung streng nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit am Einzelfall geprüft werden, ob eine Informationserhebung zulässig ist. In die Sozialsphäre dürfte der Staat dagegen aus wichtigen Gründen des Allgemeinwohls eingreifen. Die Sozialsphäre ist bei Informationen eröffnet, bei denen der objektive Gehalt so sehr im Vordergrund steht, dass die Persönlichkeit des sich Äußernden dahinter

93

Grundsätzlich BVerfGE 85, 386, 397; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 60. Siehe zu dieser: BVerfGE 27, 344, 350 f.; 32, 373, 378 f.; 34, 238, 245 f.; BVerfG, DVBl. 2000, 353, 354; Degenhart, JuS 1992, 361, 363 f.; Gössel, NJW 1981, 649, 655; ders., JZ 1984, 361 ff. 95 BVerfGE 89, 69, 82 f. 96 So im Ergebnis auch Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 72 ff. 94

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

nahezu vollends zurücktritt und diese deshalb ihren privaten Charakter einbüßen97.

bb) Kritik an der Sphärentheorie Die Sphärentheorie hat allerdings auch Ablehnung erfahren 98. Kritikpunkt ist, dass es sich bei ihr um ein statisches, stark verräumlichendes Bild mehrerer konzentrischer Kreise bzw. Sphären zur Erfassung der Persönlichkeit handele99. Das diesem zugrunde liegende Menschenbild sei übermäßig einfach und habe sich in der Rechtsprechung wohl nur deshalb etablieren können, weil den deutschen Bildungsschichten unter dem Nationalsozialismus und in den ersten Jahren danach differenziertere Persönlichkeitsmodelle nicht zugänglich gewesen seien. Der Rechtsprechung sei es nicht gelungen, die Sphären trennscharf voneinander abzugrenzen, diese könnten zudem für verschiedene Menschen von unterschiedlichem Inhalt sein. Dem ist zuzugeben, dass der Rechtsprechung in der Tat keine einheitliche Linie zur Bestimmung insbesondere des unantastbaren Kernbereichs zu entnehmen ist. Die Gegenvorschläge in der Literatur gehen in verschiedene Richtungen. Zum einen wird vertreten, unabhängig von der Konstruktion verschiedener Sphären im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Rechtfertigungsanforderungen an Eingriffe anhand der Intensität der Belastung der geistigsittlichen Integrität der Person zu prüfen 100 . Zum anderen soll ausgehend von der Prämisse, dass der Kern der Persönlichkeit nicht für alle Menschen derselbe, sondern das Ergebnis eines verantwortlichen individuellen Lebens sei, als Beurteilungskriterium für Eingriffe nur der Dualismus Handlung - Information herangezogen werden 101 . Andere leugnen grundsätzlich die Existenz eines Kernbereiches und fordern eine reine 102 oder fallgruppenorientierte Verhältnismäßigkeitsprüfung außerhalb jeglicher Sphäreneinteilung 103.

97

BVerfGE 34, 238, 247; LR Gössel, Einl. Abschn. K, Rdnr. 73. Z.B. Merten, JuS 1976, 345, 349; W. Schmidt, JZ 1974, 241, 244. Kritisch auch Kunig, Jura 1993, 595, 602. 99 W. Schmidt, JZ 1974, 241, 243. ,(K) Sachs, Murswiek, Art. 2 GG, 105. 101 AKGG Podlech, Art. 2 I 41 f. 102 Merten, JuS 1976, 345, 349. 103 Dreier, Art. 2 I GG, 61; v. Mangoldt/Klein/Starck, StarcK Art. 2 I GG, 160. Ähnlich Krauß, Gallas FS, 365, 384. 98

§ 5 Grundrechtsbeeinträchtigungen

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cc) Stellungnahme Die Sphärentheorie hat jedoch weiterhin ihre Berechtigung 104. Eine allgemein gültige Sphäreneinteilung ist zwar von vornherein zum Scheitern verurteilt, da die Menschen und ihre Lebensverhältnisse zu unterschiedlich sind, als dass sie einer einheitlichen Betrachtung zugänglich wären. Die Rechtsprechung hat aber durchaus brauchbare Kriterien entwickelt, anhand derer eine Sphäreneinteilung, also die Abgrenzung unterschiedlich schutzintensiver Bereiche, vorgenommen werden kann. Darüber hinaus besitzt die Sphärentheorie den beachtlichen Vorteil, dass sie einen letzten unantastbaren Kernbereich anerkennt und dogmatisch herleiten kann, in welchem staatliche Eingriffe schlechterdings unzulässig sind 105 . Die Einschränkbarkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hat sich daher an diesen Sphären zu orientieren.

c) Bestimmung des Kernbereichs des Persönlichkeitsrechts Den Kernbereich hat das Bundesverfassungsgericht wie folgt hergeleitet: Nach der Verfassung ist die Würde des Menschen, welche im Grundgesetz den höchsten Stellenwert hat, unantastbar. Auch die geistige, politische und wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen dürfe gemäß Art. 1 III, 21, 19 I I GG nicht so eingeschränkt werden, dass deren Wesensgehalt angetastet würde. Hieraus folgt, dass dem Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungsmäßig vorbehalten ist, ein letzter sakrosankter Bereich menschlicher Freiheit besteht, welcher jeglicher Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist 106 . Dies gilt auch unter dem Primat der Prävention 107. Soll der Einzelne nicht zum bloßen Objekt zweckmäßiger Entscheidungen werden, muss ihm ein Kernbereich seiner Persönlichkeit verbleiben, in den auch aus überragenden Gründen des Allgemeinwohls nicht eingegriffen werden darf, soll der Bürger nicht seine Subjektqualität verlieren. Diese letzte Konsequenz wird jedoch häufig nicht gezogen. Überwiegend wird angenommen, dass im Falle einer unmittelbaren Lebens· oder Gesundheitsgefahr die Informationserhebung und Informationsverwertung bis zur Grenze des ethischen Minimums 108 des Art. 1 GG zulässig sei 109 . Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn so wie es keine Wahrheits104

So auch Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, 46 f. So auch Geis, JZ 1991, 112, 115. 1(16 BVerfGE 6, 32, 41, 389, 433; 34, 238, 245; 80, 367, 373. 107 Anders z.B. Krause/Steinbach, DÖV 1985, 549, 557 f.; die präventive und repressive Nutzung unterschiedlich beurteilen wollen. 108 Dieses liegt wohl beim Verbot der Folter, SKStPO Wolter, vor § 151, 140a; so auch AKGG Podlech, Art. 1 I, 73. 105

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einstz von V-Personen

ermittlung um jeden Preis gibt 1 1 0 , gibt es auch keine Gefahrenabwehr um jeden Preis. Da ein unantastbarer Kernbereich existiert, hat dies ausnahmslos zu gelten.

d) Anwendung auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht Eine Information gehört dem Kernbereich zu, wenn sie höchstpersönlichen Charakters ist, ein auf diese bezogener Geheimhaltungswille besteht sowie deren sozialer Bezug nur mittelbar ist oder fehlt 111 .

aa) Höchstpersönlicher Charakter Die Bestimmung des höchstpersönlichen Charakters von Informationen muss dem Umstand Rechnung tragen, dass jeder Einzelne andere Wertmaßstäbe besitzt und darum auch unterschiedliche Aspekte dem Höchstpersönlichen zurechnet. Die Bestimmung der Kriterien muss daher objektiv erfolgen und kann nur ein verallgemeinerndes Minimum enthalten. Höchstpersönlicher Natur sind vor allem Informationen über die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen, wie z.B. über seine Gefühle, Sehnsüchte, Glücksmomente, Zielsetzungen, Fehler, Schwächen, Ängste, Nöte, Zwänge, Triebe, Spannungen, also über Umstände, die auf das zurückgeführt werden können, was als das Wesen oder der Charakter des Einzelnen bezeichnet werden kann. Daneben kommen als Bezugspunkte zur Bestimmung der höchstpersönlichen Informationen der enge Familienkreis, enge Freundschafts- oder Liebesverhältnisse, schwere Krankheiten, Sexualität und Religion in Betracht. Nicht mehr hierzu gehören z.B. Bekanntschaften, das Arbeitsumfeld oder Rechtsstreitigkeiten.

bb) Geheimhaltungswille Beim Geheimhaltungswillen muss zwischen schriftlich fixierten und mündlich weitergegeben Informationen unterschieden werden. Bei Aufzeichnungen oder Computerdateien wird sich ein solcher Wille regelmäßig nur anhand von Indizien bestimmen lassen, z.B. danach, ob die Aufzeichnungen frei zugänglich

109 Guttenberg, NJW 1993, 567, 573; R. Schmidt, Jura 1993, 591, 594; SKStPO Wolter, vor 151, 140; ders., StV 1990, 175, 179 f. 1.0 BGHSt 14, 358, 365. 1.1 Ellbogen, NStZ 2001, 460, 463. Vgl. BVerfGE 80, 367, 374 f.

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oder in einem verschlossenen Behältnis aufbewahrt werden 112 oder Computerdateien durch ein Passwort geschützt sind 113 . Eine solche Sicherung ist jedoch nicht erforderlich, wenn der Betreffende allein lebt und deshalb mit der Kenntnisnahme durch Dritte nicht rechnen muss oder er darauf vertrauen darf, dass seine Familie bzw. sein Partner z.B. tagebuchartige Aufzeichnungen nicht lesen wird. Je sorgloser aber die Aufbewahrung der Informationen ist, um so weniger wird ein Geheimhaltungswille feststellbar sein 114 . Bei mündlich weitergegebenen Informationen fehlt es regelmäßig an einem Geheimhaltungswillen, da der Betreffende sich ihrer freiwillig entäußert. Etwas anderes kann aber gelten, wenn die Informationen unter ausdrücklicher Zusicherung der Vertraulichkeit weitergegeben werden.

cc) Fehlender bzw. mittelbarer Sozialbezug Die Berührung mit der Persönlichkeitssphäre eines anderen Menschen verleiht einer Handlung oder Information eine soziale Bedeutung, die sie rechtlicher Regelung zugänglich macht. Da der Mensch aber auch im Kern seiner Persönlichkeit notwendig in sozialen Bezügen existiert, kommt es nicht darauf an, ob solche bestehen - da dies (fast) immer der Fall ist - , sondern welcher Art und Intensität diese sind 115 . Das bloße Niederschreiben von Gedanken die sich auf Dritte beziehen, z.B. in Tagebüchern, tangiert deren Persönlichkeitssphäre noch nicht, da keinerlei Außenwirkung vorliegt. Erst durch eine Verwertung bzw. Veröffentlichung würde ein solcher Bezug hergestellt werden. Solange der Autor seine Gedanken nur fur sich niederschreibt, fehlt in diesen Fällen ein Sozialbezug116.

dd) Ergebnis Liegen die drei Voraussetzungen vor, so gehört eine Information dem unantastbaren Kernbereich an. In diesen darf weder zu präventiven noch zu repressiven Zwecken durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen eingegriffen werden. Eine Beschränkbarkeit besteht insoweit nicht. Einschränkend muss aber beachtet werden, dass Informationen regelmäßig dann nicht höchstpersönlicher Natur

1.2 Z.B. in einem Aktenkoffer mit zwei Zahlenschlössern wie im Fall BGH, NStZ 1994, 350. 1.3 Ellbogen, NStZ 2001, 460, 464. 1.4 Dünnebier, MDR 1964, 965, 967; weitergehend Lorenz, G A 1992, 254, 265. 1.5 BVerfGE 80, 367, 374; BayObLG, NJW 1979, 2624. 1.6 Ellbogen, NStZ 2001, 460, 463.

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

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sind, wenn sich aus ihnen z.B. der Aufenthaltsort des Opfers einer Straftat ergibt. Insoweit kann allenfalls die Privatsphäre betroffen sein.

e) Informationserlangung innerhalb der Privatsphäre Häufig werden die in einem Strafverfahren zu ermittelnden Informationen der Privatsphäre angehören. Deren Schutzbereich ist eröffnet, wenn die Daten persönlichen oder höchstpersönlichen Charakter haben und im letzteren Falle kein Geheimhaltungswille und/oder ein unmittelbarer Sozialbezug vorliegt. In diese Sphäre kann unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden. Eine mögliche Eingriffsnorm muss sich hieran messen lassen.

f) Informationserlangung innerhalb der Sozialsphäre Sollen Informationen aus der Sozialsphäre der Zielperson ermittelt werden, so genügt es, dass wichtige Gründe des Allgemeinwohls, wie etwa die Strafverfolgung, dies erfordern. Dieser Schutzbereich erfasst insbesondere geschäftliche Mitteilungen und Informationen allgemeiner Art, z.B. über den Tagesablauf oder gesellschaftliche Kontakte. Eingriffe in diese Sphäre stellen die geringsten Anforderungen an eine mögliche Ermächtigungsgrundlage.

5. Ergebnis Mithin besteht die Möglichkeit, dass durch den Einsatz von Privatpersonen zur Verbrechensaufklärung das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt wird 1 1 7 . Beeinträchtigungen dieses Grundrechts sind jedoch, mit Ausnahme von Eingriffen in den unantastbaren Kernbereich, grundsätzlich legitimierbar.

II. Nemo-tenetur-Grundsatz Der Einsatz von V-Leuten könnte aber gegen den Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare" verstoßen. Läge ein solcher Verstoß vor, wäre auch eine gesetzliche Legitimierung des V-Mann-Einsatzes ausgeschlossen. Die Problematik des Einsatzes von V-Personen besteht darin, dass diese eingesetzt wer1,7

So auch: Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 25 ff.; Lilie/Rudolph, NStZ 1995, 514, 515; Rogali , JZ 1987, 847, 851; Schomburg, KR 1992, 679; SKStPO Rudolphi, § 110a, 3.

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den, um unter Verschleierung ihrer Zusammenarbeit mit den StrafVerfolgungsbehörden, oftmals auch unter Ausnutzung entgegengebrachten Vertrauens, den Beschuldigten in der Regel im Rahmen eines privaten Gespräches dazu zu veranlassen, sich selbst belastende Angaben zu machen. Ohne es zu merken, trägt der Beschuldigte so durch sein Verhalten oder seine Äußerungen zu seiner Überführung bei 118 .

/. Herleitung und Bestimmung des Schutzbereichs Der nemo-tenetur-Grundsatz ist In Europa seit dem 16. Jahrhundert verbürgt 119 und ist in verschiedenen Rechtsordnungen anerkannt 120. Im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 wurde er sogar ausdrücklich normiert 121 . In Deutschland wird er heute überwiegend 122 wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht - aus Art. 2.1, 1 I GG hergeleitet 123 und besitzt Verfassungsrang 124. Da der Grundsatz des nemo tenetur ein aus Abwägungen hervorgegangener Rechtssatz ist, kann er durch andere Grundrechte, Verfassungsgüter oder durch Verhältnismäßigkeitserwägungen - anders als etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - nicht weiter eingeschränkt werden 125 .

118

Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 155. Im 16. Jahrhundert wurde in England der Grundsatz, dass „no man is bound to give evidence against himself' gegen die uneingeschränkte Wahrheitspflicht des Beschuldigten, die im Inquisitionsprozess angenommen wurde, geltend gemacht, Schroeder, Strafprozeßrecht, Rdnr. 371. Siehe zur historischen Herleitung auch Dingeldey, JA 1984, 407 ff. 120 So im V. Amendment der Constitution of the United States of America: „No person ... shall be compelled in any criminal case to be a witness against himself 4. 121 Art. 14 III g: „Der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen." Durch das Zustimmungsgesetz vom 15.11.1973 (BGBl. II, 1533) gilt der IPbürgR in der Bundesrepublik als einfaches Bundesrecht. Im Land Brandenburg ist dieser Grundsatz in Art. 52 V der Verfassung verankert: „Niemand darf gezwungen werden, gegen sich selbst oder durch Gesetz bestimmte nahestehende Personen auszusagen." 122 Verrei , NStZ 1997, 361, 364 merkt kritisch an, das Bundesverfassungsgericht erschwere die genaue Lozierung dieses Grundsatzes dadurch, dass es bei Erwähnung des nemo-tenetur-Prinzips ohne erkennbare Gewichtung ein Füllhorn von Verfassungsgrundsätzen auszuschütten pflege, aus welchen sich dieses Prinzip herleite. 123 Zu weiteren verfassungsrechtlichen Herleitungen, etwa aus Art. 1 I, 4 I, 103 I GG oder dem Rechtsstaatsprinzip, siehe Berthold, Der Zwang zur Selbstbezichtigung, S. 12 ff.; Besson, Das Steuergeheimnis, S. 75 ff.; Böse, GA 2002, 98, 118 ff.; Renzikowski, JZ 1997, 710 und Weßlau, ZStW 110 (1998), 1. 124 BVerfGE 38, 105, 111; 56, 37, 42 f. 125 Franzen/Gast/Joecks, Joecks, § 393, 74; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Hellmann, § 393, 181; Weßlau, ZStW 110 (1998), 1,9. 1,9

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

Üblicherweise wird der nemo-tenetur-se-ipsum-accusare-Grundsatz damit übersetzt, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst Zeugnis abzulegen126. Bestände eine solche strafprozessuale Pflicht, wäre nach zutreffender Ansicht die Menschenwürde des Beschuldigten berührt, denn er würde zum bloßen Objekt der Wahrheitsfindung werden. Das aus Art. 2 I, 1 I GG folgende Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtung stellt aber eine Entscheidung zugunsten des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten dar, hinter welches das StrafVerfolgungsinteresse der Allgemeinheit zurücktreten muss. Ein Aspekt der Menschenwürde besteht nämlich darin, dass der Beschuldigte frei darüber entscheiden kann, ob er an dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren mitwirken will 1 2 7 . Der nemo-tenetur-Grundsatz hat für den Beschuldigten in §§ 136 I, 136a128 StPO und für den Zeugen in § 55 StPO seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden. Im Übrigen müssen sich alle gegen den Beschuldigten gerichteten strafprozessualen Zwangsmaßnahmen - entweder direkt oder in ihrer Auslegung - mit diesem Grundsatz in Einklang bringen lassen. Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel des § 95 StPO, der für jedermann eine Pflicht zur Herausgabe von Beweismitteln, die für das Strafverfahren von Bedeutung sind, begründet. Im Grundsatz gilt dies auch für den Beschuldigten. Da sich dieser durch die Herausgabe aber selbst belasten würde, wandelt sich für ihn aufgrund des nemo-tenetur-Prinzips die Herausgabepflicht in die Pflicht um, die Beschlagnahme zu dulden 129 .

a) Unterscheidung nach Aktivität und Passivität Gemäß der h.M. schützt der nemo-tenetur-Grundsatz nach seiner Kernaussage den Betroffenen vor einer erzwungenen Selbstbelastung, z.B. im Rahmen einer Vernehmung 130 . Zum Teil wird der nemo-tenetur-Grundsatz auch nur auf den Schutz vor Zwang, selbstbelastende Aussagen machen zu müssen, beschränkt 131 . Um diesen Grundsatz weiter zu konturieren, wird die Grenze zwi126

BVerfGE 56, 37, 43 („Gemeinschuldner-Beschluss"); BVerfG, wistra 1988, 302; BGHSt 38, 214, 220; Duttge, JZ 1996, 556, 560; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 5, 7; SKStPO Rogali , vor § 133, 132. 127 BVerfGE 56, 37, 43; BGHSt 14, 358, 364. Vgl. auch Gold,, JA 1995, 411, 412; Niemöller/Schuppert, AöR 107 (1982), 387, 422; Schlüchter, Strafprozeßrecht, S. 55; Stürner, NJW 1981, 1757. 128 Siehe speziell zu § 136a StPO unten § 5 II 1 e). 129 Dingeldey, JA 1984, 407, 412; SKStPO Rogali, vor § 133, 143; Verrei, NStZ 1997, 361, 363. Vgl. auch HKStPO Lemke, § 95, 3; Pfeiffer, § 95, 1. 130 BVerfGE 56, 37, 42; OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287; Duttge, JZ 1996, 556, 562. 131 Lorenz, JZ 1992, 1000, 1006. Ähnlich Usch, ZStW 111 (1999), 624, 638.

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sehen erzwingbarer und nicht erzwingbarer Mitwirkung nach dem nemotenetur-Prinzip aber überwiegend anhand der Merkmale Aktivität und Passivität gezogen, das heißt, der Beschuldigte darf nicht gezwungen werden, aktiv an seiner Überführung mitzuwirken, er muss aber bestimmte Eingriffe - passiv erdulden 132 . Speziell hiergegen wird allerdings vorgebracht, dass der Beschuldigte dort, wo ihn eine Duldungspflicht träfe, den erzwingbaren Eingriff in seine Rechtssphäre durch „freiwillige" Mitwirkung abwenden könne. Aus der Sicht des Beschuldigten sei seine Mitwirkung auch in diesen Konstellationen abgenötigt, weil sie unter dem Druck des sonst drohenden Zwangseingriffes erfolge. Unter dem Aspekt der Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit würden sich Duldungs- und Mitwirkungspflichten daher nicht grundsätzlich unterscheiden 133. Diese Kritik trägt jedoch nicht, da der nemo-tenetur-Grundsatz nur untersagt, den Beschuldigten zu zwingen, zu seiner Überführung beizutragen. Es spielt also keine Rolle, ob er unfreiwillig duldet oder freiwillig die Duldungspflicht abwendet, sondern entscheidend ist, ob er zu einer Handlung oder Aussage gezwungen werden darf, für die seine aktive Mitarbeit notwendig ist. Wäre das Ermittlungsergebnis auch erlangt worden, wenn der Beschuldigte die Maßnahme geduldet hätte, so ist diese zulässig. Die Abgrenzung anhand der Merkmale Aktivität und Passivität trifft in dieser Hinsicht also durchaus zu. Nach dieser Ansicht folgt aus dem nemo-tenetur-Grundsatz daher, dass den Beschuldigten keine Pflicht zu einem aktiven Tun, insbesondere nicht zu einer Aussage trifft, er aber strafprozessuale Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung dulden muss. Der Beschuldigte ist von jeder aktiven Mitwirkung bei der Durchführung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen befreit und ihm können nur Duldungspflichten auferlegt werden 134 . Der Beschuldigte darf demnach nicht zur Mitwirkung an Tests oder Tatrekonstruktionen, zur Abgabe von Schriftproben oder zur Offenbarung für die Erstattung eines Gutachtens notwendiger Anknüpfungstatsachen gezwungen werden 135 . Seine Heranziehung zur Gegenüberstellung (§ 58 StPO), körperlichen Untersuchung (§ 81a StPO) oder erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 81b StPO) ist nach diesem Ansatz hingegen zulässig, da er diese Maßnahmen lediglich zu dulden hat. Soweit der Beschuldigte durch außerstrafrechtliche Normen verpflichtet ist, selbstbelas-

132

BVerfGE 56, 37, 42 f.; BVerfG, NStZ 1993, 482; BGHSt 5, 333, 334; BGH, NJW 1994, 1807, 1808; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 834, 1224 f.; ders., NStZ 1994, 598, 599; KK Boujong, § 136, 10; Krey, Strafverfahrensrecht I, Rdnr. 790; MeyerGoßner, Einl., Rdnr. 80; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 18, Rdnr. 11; Rüping, Strafverfahren, Rdnr. 266; SKStPO Rogali, vor § 133, 73. 133 Weßlau, ZStW 110(1998), 1,31. 134 BVerfGE 56, 37, 42; OLG Frankfurt, StV 1996, 651, 652; SKStPO Rogali, vor § 133, 73. 135 BGHSt 34, 39, 46; BGH, NStZ 1996, 502, 504. 6 Ellbogen

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

tende Aussagen zu machen 136 , sind die dort gemachten Angaben in einem späteren Strafverfahren unverwertbar 137, wenn die Auskunftspflicht mittels staatlichen Zwangs durchgesetzt werden kann. Ist die Verpflichtung zur Selbstbelastung nur privatrechtlicher Natur 138 , so steht der nemo-tenetur-Grundsatz einer Verwertung der gemachten Angaben nicht entgegen.

b) Instrumentalisierungsansatz Eine andere Ansicht unterscheidet dagegen zwischen körperlicher und geistiger Instrumentalisierung des Beschuldigten, um die erlaubte von der verbotenen Inanspruchnahme abzugrenzen 139. Danach beschränkt sich der nemotenetur-Grundsatz auf die Abwehr solchen - körperlichen oder geistigen Zwanges, mit welchem der Beschuldigte zur Offenbarung seines Wissens gebracht werden soll oder mit dem die Strafverfolgungsorgane sonstige persönlichkeitsgebundene Informationen aus seiner geistig-seelischen Sphäre „abrufen" möchten 140 . Es sei eine demütigende Selbstunterwerfung, sich zu dem Vorwurf einer Straftat inhaltlich verhalten zu müssen. Seinen Körper zu Beweiszwecken zur Verfügung zu stellen, sei hingegen weniger demütigend141. Die Selbstbelastungsfreiheit bestehe daher vor allem in dem Verbot der Anwendung von Zwang, um eine Aussage herbeizuführen, garantiere die Freiwilligkeit der Teilnahme an polygraphischen sowie psychowissenschaftlichen Testverfahren und schließe die Anwendung sog. Wahrheitsdrogen aus. Diese Abgrenzung ist jedoch abzulehnen. Zum einen überzeugt die Annahme nicht, dass die zwangsweise körperliche Inanspruchnahme notwendig weniger demütigend sei als die geistige. Die körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Auffindung von Tatspuren oder Tatmitteln kann genauso demütigend sein wie die Zwangsausübung mit dem Ziel, den Beschuldigten zur Ablegung eines Geständnisses zu bringen. Zum anderen wäre es nach dieser Auffassung auch zulässig, einen Verdächtigen zu zwingen, aktiv an körperlichen Untersuchungen mitzuwirken, und z.B. in ein Atemalkoholtestgerät zu

136

Z.B. § 97 I InsO. BVerfGE 56, 37 ff. 138 Bei Angaben zur Erfüllung von § 34 VVG, § 7 I AKB: KG, NStZ 1995, 146 f.; bestätigt durch BVerfG, NStZ 1995, 599 f. Dies gilt ebenfalls bei Angaben des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber: OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287. Vgl. auch Verrei , NStZ 1997, 361, 362. Dies trifft auch auf Angaben im Asylverfahren zu: BGHSt 36, 328 ff.; OLG Düsseldorf, StV 1992, 503 ff. 139 Verrei , Selbstbelastungsfreiheit, S. 284. 140 Verrei , Selbstbelastungsfreiheit, S. 284 f. 141 Verrei , Selbstbelastungsfreiheit, S. 284. 137

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blasen 142 . Eine solche Pflicht zur Mitwirkung an der eigenen Überführung würde jedoch gegen die Menschenwürde des Beschuldigten verstoßen, da er zum bloßen Objekt des gegen ihn geführten Strafverfahrens würde 143 .

c) Eigenverantwortlichkeit Nach einer weiteren Auffassung ist eine Aussage des Beschuldigten nur dann mit dem nemo-tenetur-Grundsatz vereinbar, wenn sie das Ergebnis einer eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Entscheidung sei, weil das Selbstbelastungsprivileg nicht nur vor finaler Zwangsausübung, sondern auch vor einer Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit schütze144. Ein Schutz vor unbewusster Selbstbelastung folge aber nicht aus diesem Ansatz 145 . Die Forderung nach einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Entscheidung bedeute nämlich nicht, dass der Beschuldigte alle für seine Entscheidung relevanten Tatsachen gekannt haben muss. Trotz des Irrtums über einen für die Entscheidung relevanten Umstand - z.B. die Zusammenarbeit des Fragenden mit den Strafverfolgungsbehörden - , sei die Entscheidung zur Aussage gleichwohl eigenverantwortlich, wenn der Irrtum in den Verantwortungsbereich des Aussagenden falle 146 . Der Irrtum über die Eigenschaften bzw. die Vertrauenswürdigkeit der Person, der sich der Betroffene anvertraut, fiele in seinen Verantwortungsbereich 147. Wenn der Betroffene sich in dem Gespräch mit einem Dritten, z.B. gegenüber einem V-Mann, bewusst selbst belastet, handele er folglich eigenverantwortlich. Diese Eigenverantwortlichkeit würde auch nicht entfallen, wenn der Dritte von vornherein vorhatte, seine Erkenntnisse den StrafVerfolgungsbehörden zu offenbaren. Diese Informationsweitergabe nach einer Selbstbelastung vor einem Anderen unterliegt nämlich nicht mehr dem Einfluss des Betroffenen, wird von diesem also nicht verantwortet 148. Der Betroffene wisse aber während des Gesprächs, dass er selbstbelastende Informationen in die von ihm nicht mehr beherrschte und durch ihn unbeherrschbare Außenwelt entlasse. Die Selbstbelastung sei somit eigenverantwortlich, wenn der Betroffene wisse, dass

142

Dies betont Verrei , Selbstbelastungsfreiheit, S. 285 auch ausdrücklich. Vgl. BVerfGE 56, 37, 43; BGHSt 14, 358, 364. 144 Beckemper, Verteidigerkonsultationsrecht, S. 76; Ransiek, Polizeivernehmung, S. 49, 52; Rzepka, Fairneß, S. 387 f. 145 Beckemper, Verteidigerkonsultationsrecht, S. 77. 146 LescK GA 2000, 355, 362. 147 Beckemper, Verteidigerkonsultationsrecht, S. 78; vgl. auch Bottke, Jura 1987, 356, 361. 148 Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 159. 143

6*

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

er sich vor einem anderen selbst belaste. Darüber hinausgehende Irrtümer und Motive hätten mit der Eigenverantwortlichkeit nichts zu tun 149 .

d) Schutz vor irrtumsbedingter Selbstbelastung Nach einer weiteren Auffassung ist der Beschuldigte durch das nemotenetur-Prinzip auch vor einer irrtumsbedingten Selbstbelastung geschützt, z.B. wenn diese durch einen V-Mann herbeigeführt werde, der seine Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden nicht offenbare. Nach dieser Ansicht ist der Beschuldigte nämlich vor jeder staatlich veranlassten irrtumsbedingten Selbstbelastung zu bewahren 150, ansonsten wäre dem Beschuldigten bei einer derartigen Vorgehensweise die Möglichkeit der freien Entscheidung darüber, ob er selbstbelastende Angaben machen wolle, genommen. Wäre ein solches Verhalten zulässig, so sei eine Umgehung der Belehrungspflichten möglich, indem die Strafverfolgungsbehörden auf die Vernehmung durch Privatpersonen zurückgriffen 151 . Es bestünde folglich die Gefahr, dass von der Schutzwirkung des § 136 12 StPO nichts mehr übrig bliebe. Ausgehend von dem Zweck einer Vernehmung, dem Beschuldigten Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, dürfe dieser nicht in anderer Weise als im Wege der Vernehmung zu strafrechtlich relevanten Sachverhalten durch die Strafverfolgungsbehörden befragt werden 152 . Die mit § 136 StPO geschützte Verteidigungsmöglichkeit des Beschuldigten ließe es nicht zu, den Schutz durch Ermittlungsmethoden zu umgehen, die axiologisch einer Vernehmung gleichstehen153. Darüber hinaus könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Äußerungen des Beschuldigten freiwillig zu Stande gekommen seien, denn Freiwilligkeit verlange eine autonome Entscheidung des sich Äußernden, die aber fehle, wenn der Betroffene nicht alle wesentlichen Umstände, wie etwa die Zusammenarbeit seines Gesprächspartners mit den Strafverfolgungsbehörden, kenne 154 . Zudem sei eine Parallele zu Befragungen des Beschuldigten durch einen Sachverständigen 155, ebenfalls häufig eine Privatperson, zu ziehen. Es sei aner149

Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 159. Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 83 f.; Roxin, NStZ 1995, 465, 466; Schroth, JuS 1998, 969, 976. Ähnlich Gotting, Beweisverwertungsverbote, S. 164 f. 151 Roxin, NStZ 1995, 465, 468. Ähnlich Bernsmann, StV 1997, 116; Renzikowski, JZ 1997, 710, 717; Weiler, GA 1996, 101, 113. 152 Haas, G A 1995, 230, 231. 151 Berksen, JR 1997, 167, 169. 154 Benfer, MDR 1994, 12; Weiler, G A 1996, 101, 108. Ähnlich Bernsmann, StV 1997, 116, 118. 155 Siehe zur Belehrungspflicht des Sachverständigen Fincke, ZStW 86 (1974), 656 ff. 150

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kannt, dass Aussagen gegenüber diesem unverwertbar seien, wenn der Beschuldigte nicht belehrt worden sei. Gleiches hätte auch fur Befragungen durch V-Personen zu gelten 156 .

aa) Direkte Anwendung des § 136 StPO Einige Anhänger dieser Auffassung werten das Gespräch eines V-Mannes mit dem Beschuldigten als Vernehmung und wenden darum § 136 StPO direkt auf diese Situation an. Dies hat zur Folge, dass der Beschuldigte gemäß § 136 I 2 StPO - vom V-Mann - über sein Schweigerecht belehrt werden müsste. Ein Verstoß hiergegen hätte ein Verwertungsverbot zur Folge 157 . Soweit die Vertreter dieser Auffassung die direkte Anwendung des § 136 StPO auf den materiellen Vernehmungsbegriff stützen, kann dies allerdings - wie sogleich zu zeigen ist - bereits dogmatisch nicht überzeugen.

(1) Materieller Vernehmungsbegriff Nach der materiellen Begriffsbestimmung, zum Teil auch als funktionale bezeichnet, erfasst eine Vernehmung alle Äußerungen, die ein StrafVerfolgungsorgan direkt oder indirekt herbeigeführt hat 158 . Der „Vernommene" müsse sich des amtlichen Charakters der Befragung nicht bewusst sein. Nur sogenannte Spontanäußerungen würden nicht unter diesen Begriff fallen 159 . Der Schutzzweck des § 136 StPO erfordere es nämlich, den Vernehmungsbegriff möglichst weit zu fassen, um eine Umgehung der Schutzrechte des Beschuldigten zu verhindern. Der materielle Vernehmungsbegriff ist eine Konsequenz der These, der Strafprozessordnung liege, weil sie nur Anweisungen zur Durchführung offener Vernehmungen enthalte, ein allgemeines Regelungsprinzip der Offenheit bei der Beschaffung von Äußerungen des Beschuldigten zugrunde 160.

156

So Weiler, GA 1996, 101, 113. BGHSt 38, 214, 220 f. 158 LG Darmstadt, StV 1990, 104; Beulke, StV 1990, 180, 181; Bockemühl, Private Ermittlungen, S. 23; Bosch, Jura 1998, 236, 237 f.; Dencker, StV 1994, 667, 674 f.; Gotting, Beweisverwertungsverbote, S. 178 ff.; Haas, GA 1995, 230, 231; Kühl, StV 1986, 187, 188; LR Hanack, § 136 StPO, 9, 64 ff.; Ranft, Strafprozeßrecht, Rdnr. 338; Seebode, JR 1988, 427, 428. Ähnlich Neuhaus, KR 1995, 787, 789 ff. 159 Renzikowski, JZ 1997, 710, 717, m.w.N. Haas, GA 1995, 230 ff. will Spontanäußerungen hingegen mit einem Verwertungsverbot belegen - hiergegen Verrei, NStZ 1997, 415, 416. Vgl. auch Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 5, 19; HKStPO Krehl, § 163a, 2. 160 Dencker, StV 1994, 667, 674; Fezer, NStZ 1996, 289; Lisken, ZRP 1994, 264, 266. Siehe auch Bosch, Jura 1998, 236, 238; Verrei, Selbstbelastungsfreiheit, S. 159. 157

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

(2) Formeller Vernehmungsbegriff Nach dem formellen Vernehmungsbegriff liegt eine Vernehmung dagegen nur vor, wenn der Vernehmende der Auskunftsperson (z.B. dem Beschuldigten) in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr Auskunft (eine Aussage) verlangt 161 . Dies ergebe sich aus der systematischen Stellung des § 136 StPO, der in den 10. Abschnitt des Ersten Buches der StPO eingestellt ist, der die Förmlichkeiten der Vernehmung - wie die schriftliche Ladung (§133 I StPO) oder die Eröffnung des Tatverdachts (§ 136 I S. 1 StPO) - beinhaltet.

(3) Stellungnahme Gegen einen weiten - materiellen - Vernehmungsbegriff spricht zum einen die Entstehungsgeschichte des § 136 StPO. Seiner Einfuhrung in die Reichsstrafprozessordnung von 1877 lag die Überwindung des Inquisitionsprozesses zugrunde. Die Vernehmung des Beschuldigten sollte nicht mehr Verhör, sondern vielmehr Gewährung rechtlichen Gehörs sein 162 . Folglich sollte das Belehrungsgebot des § 136 I StPO den Beschuldigten daraufhinweisen, dass er nicht zu seiner Überführung beitragen müsse. Dieser Hinweis ist aber nur bei einer amtlichen Vernehmung erforderlich, die letztlich eine Zwangskommunikation darstellt 163 . Im privaten Gespräch weiß der Betroffene, dass er nichts sagen muss. Eine Belehrung darüber wäre folglich überflüssig. Wenn er sich dennoch äußert, ist es Teil des allgemeinen Lebensrisikos, ob der Gesprächspartner sein Wissen an die Strafverfolgungsbehörden weitergibt 164 . Hierauf kann der Beschuldigte sich einstellen, indem er schweigt. Der nemo-tenetur-Grundsatz ist in diesem Zusammenhang folglich nicht verletzt, denn wer sich gegenüber ei-

161 BGHSt 40, 211, 213; BGH, NJW 2000, 1277, 1278; BGH, NStZ 1996, 502; Derksen, JR 1997, 167, 168; KK Boujong, § 136a, 6; Krey, Miyazawa FS, 595, 599; Kudlich, JuS 1997, 696, 698; Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 74; Pfeiffer, § 163a, 1; Quentin, JuS 1999, 134, 139; Roxin, NStZ 1995, 465; SKStPO Rogali, § 136, 6; Schlüchter/Radbruch, NStZ 1995, 354 f.; Schneider, NStZ 2001, 8, 9; SternbergLieben, Jura 1995, 299, 306; ders., JZ 1995, 844, 845; Volk, JuS 2001, 130, 132. Ähnlich Gusy, StV 1995, 449, 450. 162 Degener, GA 1992, 443, 458; Weßlau, ZStW 110 (1998), 1, 34. Vgl. auch Derksen, JR 1997, 167, 168. 163 Weßlau, ZStW 110 (1998), 1, 7. So auch Gusy, StV 1995, 449, 450. 164 BGH, JZ 1997, 736, 740; Seitz, NStZ 1995, 519; Sternberg-Lieben, JZ 1995, 844. Im Ergebnis ebenso Beckemper, Verteidigerkonsultationsrecht, S. 78. Vgl. auch Krüger, Die Polizei 1984, 325, 326; ders., NJW 1982, 855, 857, der aber keine klare Grenze zwischen freiwilliger und staatlich provozierter Informationspreisgabe des Beschuldigten zieht.

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ner Privatperson zum Tatvorwurf äußert, kann über die Freiwilligkeit seines Tuns nicht im Zweifel sein 165 . Zum anderen macht die systematische Stellung des § 136 StPO deutlich, dass durch die einzuhaltenden Förmlichkeiten einer Unterlegenheit des Beschuldigten gegenüber den Strafverfolgungsbehörden entgegen gewirkt werden soll. Dessen bedarf es in einem freiwilligen privaten Gespräch nicht. Den §§ 136 ff. StPO liegt daher das Bild einer „offenen Vernehmung" zugrunde 166 , wobei der Strafprozessordnung aber nicht der Grundsatz zu entnehmen ist, dass nur offene Ermittlungs- bzw. Vernehmungsmethoden zulässig sind 167 . Dies belegt u.a. die Zulässigkeit der Postbeschlagnahme oder der Telefonüberwachung, die beide gesetzlich geregelte, nicht offene Ermittlungsmaßnahmen sind. Auch § 163a I StPO zeigt, dass ein nicht offenes Ermittlungsverfahren durchgeführt werden kann, da der Beschuldigte nur dann zum Tatvorwurf vernommen werden muss, wenn das Ermittlungsverfahren nicht eingestellt wird. Überdies wären bei Zugrundelegung eines weiten Vernehmungsbegriffes auch die §§ 110a ff. StPO bedeutungslos, da die Gespräche eines Verdeckten Ermittlers dann stets wegen Verstoßes gegen § 136 12 StPO unverwertbar wären 168 . Von einer Vernehmung kann daher nur gesprochen werden, wenn sich die Vernehmungsperson bei ihrem Auskunftsbegehren zumindest konkludent auf staatliche Autorität beruft 169 . Das Belehrungsgebot über das Schweigerecht im Rahmen einer Vernehmung soll also nur sicherstellen, dass der Beschuldigte vor der irrtümlichen Annahme bewahrt wird, es bestehe für ihn eine - notfalls zwangsweise durchsetzbare - Aussagepflicht 170. Einem solchen Irrtum unterliegt der Beschuldigte aber bei einem privaten Gespräch gerade nicht, da er weiß, dass er überhaupt keine Angaben machen muss 171 . Daher bezieht sich der Begriff der Vernehmung nicht auf Privatgespräche, sondern nur auf Befragungen im amtlichen Rahmen.

165

BGHSt 39, 335, 347. Roxin, NStZ 1995, 465. Ebenso Derksen, JR 1997, 167, 168; Verrei, Selbstbelastungsfreiheit, S. 159. 167 Siehe auch §1,1. Ebenso Lesch, GA 2000, 355, 362; Quentin, JuS 1999, 134, 140; Seitz, NStZ 1995, 519, 520. 168 Zu den §§ 110a ff. StPO im Zusammenhang mit dem nemo-tenetur-Prinzip siehe auch § 5 II 1, f, cc). 169 Kramer, Jura 1988, 520, 523. 170 BGHSt 39, 335, 346 ff.; BGH, NStZ 1996, 502, 503; Schlüchter/Radbruch, NStZ 1995, 354 f. 171 BGH, NStZ 1996, 502, 503. 166

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

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bb) Analoge Anwendung des § 136 StPO Einige Vertreter der Auffassung, der nemo-tenetur-Grundsatz schütze auch vor einer irrtumsbedingten Selbstbelastung, sehen in dem Gespräch zwischen einem V-Mann und dem Beschuldigten aber eine vernehmungsähnliche Situation, welche eine analoge Anwendung des § 136 StPO erforderlich mache 172 . Unter dem Begriff vernehmungsähnliche Situation wird jede amtlich gesteuerte Befragung des Beschuldigten - z.B. durch eine V-Person - zum Tatvorwurf verstanden 173. Dabei wird zum Teil die Vernehmungsähnlichkeit auf Befragungen beschränkt, denen sich der Beschuldigte nicht ohne weiteres entziehen könne, z.B. solche in der Haft 174 oder aufgrund enger persönlicher Beziehungen 175 . Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 136 I 2 StPO analog hätte nach dieser Ansicht ebenfalls ein Verwertungsverbot zur Folge 176 . Die Stellungnahme zu dieser Auffassung muss gemeinsam mit der Bestimmung des Schutzbereiches des nemo-tenetur-Grundsatzes erfolgen.

e) Täuschungsverbot Andere stellen das Täuschungsverbot als tragendes Kriterium des nemotenetur-Prinzips heraus, indem der Grund für das Verbot, einen Beschuldigten zur Selbstbelastung zu zwingen, darin gesehen wird, dass niemand sich soll belasten müssen, ohne es zu wissen 177 . Für diese Ansicht könnte sprechen, dass in § 136a I StPO die Täuschung ausdrücklich als verbotene Vernehmungsmethode aufgeführt ist. Das Verbot bestimmter Vernehmungsmethoden gründet jedoch auf einer Reihe sich überschneidender Rechts- und Verfassungsgrundsätze 178 , u.a. der Selbstbelastungsfreiheit, der Menschenwürde, dem Rechtsstaatsgebot, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf ein faires Verfahren 179 . Während die übrigen verbotenen Handlungsmodalitäten des § 136a I StPO unzweifelhaft zumindest 172

Z.B. BGH, NStZ 1995, 410, 411; Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 80 f.; Weiler, GA 1996, 101, 108. 173 Renzikowski, JZ 1997, 710, 717. Ähnlich Dencker, StV 1994, 667, 675; Ranft, Strafprozeßrecht, Rdnr. 338; Seebode, JR 1988, 427, 428. 174 Kudlich, JuS 1997, 696, 698. Ebenso SKStPO Rogali, § 136a, 21, der aber annimmt, dass die allgemeine verdeckte Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu keiner vernehmungsähnlichen Situation führe. 175 Pawlik, GA 1998, 378, 386. 176 Vgl. oben § 5 II 1, d, aa). 177 Wolfslast, m\Z 1987, 103, 104. 178 LR Hanack, § 136a, 3; SKStPO Rogali, § 136a, 3. Vgl. auch BVerfG, NStZ 1984, 82 sowie Lindner, Täuschungen, S. 61. 179 SKStPO Rogali, § 136a, 3.

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auch Ausdruck des nemo-tenetur-Grundsatzes sind, ist allerdings umstritten, ob die Täuschung vom Gesetzgeber wegen des nemo-tenetur-Prinzips in § 136a I StPO aufgenommen wurde, da Täuschungen häufig nicht ohne weiteres eine Verletzung der Menschenwürde des Beschuldigten bzw. eines Zeugen darstellten 180 . Daher wird zum Teil vertreten, die Aufnahme der Täuschung in § 136a I StPO solle zum Ausdruck bringen, dass eine solche Vorgehensweise eines Rechtsstaates unwürdig sei 181 . Unabhängig von dem Grund für die Aufnahme der Täuschung in § 136a I StPO könnten sich aber allein aus der Tatsache, dass es sich hierbei um eine verbotene Vernehmungsmethode handelt, Rückschlüsse auf den Schutzbereich des nemo-tenetur-Prinzips ergeben.

f) Stellungnahme zum Schutzbereich des nemo-tenetur-Prinzips aa) Zur Abgrenzung nach Aktivität und Passivität Die Bestimmung des Schutzbereiches des nemo-tenetur-Prinzips nach den Kriterien Aktivität und Passivität hat einen zutreffenden Ausgangspunkt, denn anhand dieser Merkmale kann erklärt werden, dass es nicht grundsätzlich unzulässig ist, im Strafverfahren Zwang auszuüben, was z.B. § 81a I StPO zeigt. Mit diesem Unterscheidungsansatz können in bestimmten Konstellationen daher zutreffende Ergebnisse gefunden werden, allerdings versagt er bei der hier zu untersuchenden Frage. Wäre die fehlende Information eines V-Mannes über seine Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden in einem Gespräch mit dem Beschuldigten als Zwang zu qualifizieren, so läge nach dieser Ansicht ein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz vor, da der Beschuldigte zu einem aktiven Tun, nämlich einer Aussage, veranlasst wurde. Da die Frage, welche Reichweite der Begriff Zwang hat, mit den Kategorien Aktivität und Passivität nicht geklärt werden kann, muss die Bestimmung des Schutzbereichs des nemo-tenetur-Grundsatzes nach dem Kriterium der Eigenverantwortlichkeit erfolgen, da mit diesem der Bedeutungsgehalt des nemo-tenetur-Prinzips erklärt werden kann. Demnach schützt der nemo-tenetur-Grundsatz den Beschuldigten nicht vor einer unbewussten Selbstbelastung182, sondern dieses Verfahrensprinzip wird - bei Anwendung psychischen Zwanges - nur verletzt, wenn die Aussage des Beschuldigten nicht das Ergebnis einer eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Entscheidung ist.

180

So Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 135. So Meyer-Goßner, § 136a, 12. 182 Krey, Miyazawa FS, S. 595, 600; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 159 f.; Meyer-Goßner, Einl. 29a; Sternberg-Lieben, Jura 1995, 299, 309. 181

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

Der Beschuldigte soll durch das nemo-tenetur-Prinzip lediglich vor dem Konflikt bewahrt werden, selbst an seiner Überfuhrung mitwirken zu müssen oder zusätzlich zu der ihm drohenden Strafe noch andere Rechtsnachteile zu erleiden. Verheimlicht eine Privatperson dem Beschuldigten in einem Gespräch, dass seine Einlassung einen Beitrag zu seiner Überfuhrung bedeutet, weil er den Gesprächsinhalt an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben wird, so wird der Beschuldigte diesem Konflikt nicht ausgesetzt. Der Betroffene hat in dem Gespräch eigenverantwortlich selbstbelastende Äußerungen gemacht, der Schutzbereich des nemo-tenetur-Prinzips ist folglich nicht verletzt. Ob der Gesprächspartner von vornherein vorhatte den Gesprächsinhalt an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben oder diesen Entschluss erst später fasst, ändert nichts daran, dass der Betroffene ohne Zwang und eigenverantwortlich gehandelt hat. Eines Schutzes durch das nemo-tenetur-Prinzip bedarf er in diesen Situationen nicht. Das fehlende Wissen des Beschuldigten über die Zusammenarbeit seines Gesprächspartners mit den Strafverfolgungsbehörden hindert nicht dessen eigenverantwortliche Entscheidung, sich in einem Gespräch selbst zu belasten. Die Selbstbelastung erfolgt trotz des Irrtums des Beschuldigten freiwillig und ohne Zwang.

bb) Kein Schutz vor irrtumsbedingter Selbstbelastung Die Erfassung jeder irrtumsbedingten Selbstbelastung, wie es die Gegenauffassung verlangt, würde den Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Prinzips auch überdehnen 183. Dieser Verfahrensgrundsatz würde dann nicht nur dazu dienen, den Beschuldigten von einem Selbstbezichtigungszwang freizuhalten, sondern diesem würde zudem - in gewissem Umfang - die Befugnis zugesprochen, selbst darüber zu disponieren, ob selbstbelastende Angaben Eingang in das Strafverfahren finden oder nicht 184 . Fehl geht außerdem die Behauptung der Gegenauffassung, die - verdeckte Befragung eines Beschuldigten durch einen V-Mann stehe einer Vernehmung axiologisch gleich und der Beschuldigte müsse deshalb vor der Gefahr einer zwangsweisen Durchsetzung eines Auskunftsbegehrens des V-Mannes durch die analoge Anwendung des § 136 StPO geschützt werden. Es stellt nämlich einen entscheidenden Unterschied dar, ob der Beschuldigte im Rahmen einer Vernehmung glaubt, aussagen zu müssen, oder ob er einem Bekannten etwas mitteilt, von welchem er annimmt, dieser würde es nicht weitererzählen. Der

183

Ebenso BGHSt 42, 139, 147; Krey, Kohlmann FS, S. 627, 642; Verrei , NStZ 1997, 415, 416. So auch Fezer, JZ 1987, 937 - „wesentliche Reduzierung der V-MannTätigkeit.". 184 Quentin, , JuS 1999, 134, 139 f. Vgl. auch Verrei , NStZ 1997, 415, 416.

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Beschuldigte hat sich in diesen Fällen nämlich nicht deshalb der Begehung einer Straftat selbst bezichtigt, weil er irrig glaubte, hierzu verpflichtet zu sein. Grund für seine Selbstbezichtigung war vielmehr die unzutreffende Vorstellung, mit dem V-Mann eine vertrauenswürdige Person vor sich zu haben185. Die Neugierde, welche die V-Person an den Tag legt, um den Beschuldigten zum Reden zu bringen, ist jedoch ein alltägliches Phänomen, auf welches der Befragte mit den üblichen kommunikativen Mitteln reagieren kann und muss 186 . D.h., der Beschuldigte könnte sich mit den Worten „das geht dich nichts an" oder „du darfst zwar alles fragen, aber nicht alles wissen" der Beantwortung bestimmter Fragen des V-Mannes entziehen, ohne dadurch rechtliche Nachteile hinnehmen zu müssen. Wenn er sich dennoch zum Reden verleiten lässt, handelt er auf eigenes Risiko 187 . Die Täuschung, welche von der V-Person angewendet wird, um an Informationen zu gelangen, würde folglich nur dann axiologisch der Situation des § 136 StPO gleichstehen, wenn dieser darüber täuschte, ihm gegenüber bestünde eine Auskunftspflicht. Wenn die Gegenauffassung eine Parallele zu Befragungen durch Sachverständige zieht, so übersieht sie, dass es an einer Vergleichbarkeit deshalb fehlt, weil der Sachverständige - für den Beschuldigten erkennbar - auf Grund staatlicher Autorität handelt. Der Sinn der Belehrungspflicht des § 136 I 2 StPO besteht folglich nur darin, den Beschuldigten vor der irrtümlichen Annahme zu bewahren, er müsse einem amtlichen Auskunftsverlangen nachkommen. Diesem Irrtum unterliegt der Beschuldigte aber während eines privaten Gespräches nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 136 I StPO scheidet daher aus 188 . Der Hinweis auf die Gefahr einer planmäßigen Umgehung des § 136 I 2 StPO durch die Einschaltung privater „Vernehmungspersonen" überzeugt ebenfalls nicht, weil sich diese Vorschrift auf die Rechtsposition des Beschuldigten bei der ersten Vernehmung bezieht und diese auch bei Anwendung verdeckter Ermittlungen durchgeführt werden muss. Bei einer Beschuldigtenvernehmung, die nach einem Gespräch des Beschuldigten mit einem V-Mann durchgeführt wird, kann zwar eine Verteidigung des Beschuldigten durch Schweigen zum Tatvorwurf sinnlos geworden sein, etwa weil er die Tat unter Angabe von Einzelheiten zum Tathergang gegenüber dem V-Mann im privaten Gespräch schon eingestanden hat. Die Unbeachtlichkeit dieses Einwandes wurde aber bereits oben 189 unter dem Aspekt der Verletzung des fairen Verfahrens festgestellt. Ebenfalls abzulehnen ist die Auslegung des nemo-tenetur-Prinzips, nach der Stellungnahmen des Beschuldigten nur im Rahmen einer Vernehmung, also 185 186 187 188 189

Vgl. auch Quentin, , JuS 1999, 134, 139. Pawlik, GA 1998, 378, 386. Pawlik,, GA 1998, 378, 389. Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 5, 18. Ebenso Quentin, , JuS 1999, 134, 139. Siehe § 4 IV.

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage ftir den Einsatz von V-Personen

nach zuvor erfolgter Belehrung gemäß § 136 StPO, erlangt werden dürfen 190 . Von einem Verwertungsverbot wegen der fehlenden Belehrung wären dann nämlich auch solche Äußerungen des Beschuldigten erfasst, die dieser gar nicht im Glauben an eine rechtliche Aussagepflicht gemacht hat, sondern weil er z.B. noch unter dem Eindruck der Tat stand oder aufgrund einer moralischen Verpflichtung Angaben machte 191 . Das Recht des Beschuldigten auf Aussagefreiheit würde durch einen „blinden" Formalismus ersetzt werden, zumal der Beschuldigte durch das nemo-tenetur-Prinzip nicht vor ihm schädlichen Auswirkungen einer Straftat, etwa dem spontanen Gestehen der Tat, geschützt werden soll, sondern nur vor einer erzwungenen Selbstbelastung.

cc) Vereinbarkeit mit den §§ 110a ff. StPO Die Auffassung, das nemo-tenetur-Prinzip würde auch vor einer irrtumsbedingten Selbstbelastung schützen, fuhrt in der praktischen Konsequenz zu einer generellen Unzulässigkeit verdeckter Ermittlungen 192 und würde die §§ 110a ff. StPO praktisch leer laufen lassen193. Eine Ansicht gelangt sogar zu diesem Ergebnis, indem sie argumentiert, die §§ 110a ff. StPO enthielten keine Ermächtigung, den Beschuldigten verdeckt zu strafrechtlich relevanten Punkten zu befragen 194 . Ein derartiger Einschnitt in die durch § 136 StPO vorgezeichnete Verfahrensstellung des Beschuldigten hätte einer ausdrücklichen Regelung bedurft 195 . Um diese Konsequenz zu vermeiden, wird von einigen Autoren jedoch angeführt, die §§ 110a ff. StPO gingen als speziellere und jüngere Gesetzesregeln den §§ 136 f. StPO vor 1 9 6 , würden jedoch nur Verdeckte Ermittler während ihres Einsatzes von den Belehrungspflichten suspendierten, V-Personen hingegen nicht 197 . Privatpersonen, die als agents provocateurs oder in sonstiger

190

Haas, GA 1995, 230, 231. Verrei , NStZ 1997, 415, 416. 192 Gegen diese Konsequenz wenden sich z.B. Kramer, Jura 1988, 520, 523; Schlüchter/Radbruch, NStZ 1995, 354. 193 Seitz, NStZ 1995, 519; Verrei , Selbstbelastungsfreiheit, S. 163. 194 Fezer, NStZ 1996, 289, 290; KK Nack, 3. Auflage, § 110c, 8 (in der 5. Auflage, § 110c, 21 schränkt er dies nunmehr ein auf die Umgehung eines bereits ausgeübten Schweigerechts); Ranft, Strafprozeßrecht, Rdnr. 350; Renzikowski, JZ 1997, 710, 716. Nach Bosch, Jura 1998, 236, 237 hat der Gesetzgeber die Entscheidung hierüber bewusst offen gelassen. 195 So Berksen, JR 1997, 167, 169. 196 Weiler, GA 1996, 101, 114. Vgl. mchLagodny, StV 1996, 167, 172. 197 Lagodny, StV 1996, 167, 172; Roxin, NStZ 1995, 465, 468. 191

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Weise präventiv tätig würden, seien ebenfalls von der Belehrungspflicht befreit 198 . Wäre die Auffassung richtig, dass die Belehrungspflichten auch fur Verdeckte Ermittler gelten, so wären die §§ 110a ff. StPO entweder verfassungswidrig oder aber nutzlos, da sie keine sinnvolle bzw. nutzbringende Tätigkeit der Verdeckten Ermittler zuließen 199 . Aber auch die einschränkende Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Der Einsatz von Verdeckten Ermittlern mit dem Ziel, einen Beschuldigten selbstbelastende Angaben machen zu lassen, stellt eine besonders intensive Form staatlicher Veranlassung zur Selbstbelastung dar. Wenn sogar dieses Vorgehen mit dem nemo-tenetur-Prinzip vereinbar sein soll, muss dies für eingesetzte Privatpersonen erst recht gelten 200 . Die §§ 110a ff. StPO und deren vermeintlicher Ausnahmecharakter bezüglich § 136 StPO können daher nicht als Argument für eine Ausweitung des nemo-teneturPrinzips auf irrtumsbedingte Selbstbelastungen herangezogen werden.

dd) Täuschung und nemo-tenetur-Prinzip Fraglich ist allerdings, wie es sich auf den Schutzbereich des nemo-teneturPrinzips auswirkt, dass in § 136a I StPO die Täuschung als verbotene Vernehmungsmethode aufgezählt ist. Gegen die Auffassung, die Freiheit der Willensentschließung erfordere auch einen Schutz vor Täuschung201, ließe sich zunächst anführen, dass der nemo-tenetur-Grundsatz die Willensentschließungsfreiheit nicht umfassend garantiert, sondern nur einen Schutz vor Zwang (tenetur) gewährleistet. Das zeigt sich z.B. daran, dass der Beschuldigte im Rahmen einer Telefonüberwachung gemäß §§ 100a f. StPO keinen Schutz vor ungewollter Selbstbelastung genießt 202 . Allerdings können auch Täuschungen in bestimmten Konstellationen Zwang gleichstehen und daher gleichwohl vom Schutzbereich des nemo-tenetur-Prinzips erfasst sein. Es kommt also darauf an, was unter dem Begriff der Täuschung in § 136a I StPO zu verstehen ist. Eine Ansicht versteht hierunter eine bewusste Irreführung des Vernommenen 203 , andere wollen den Begriff auf die bewusste Entstel-

198

So Roxin, NStZ 1995, 465, 468. Vgl. Verrei , Selbstbelastungsfreiheit, S. 164. 200 So auch Verrei , Selbstbelastungsfreiheit, S. 165. Im Ergebnis ebenso Schlüchter/Radbruch, NStZ 1995, 354. 201 So Renzikowski, JZ 1997, 710, 714. 202 So auch Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 160. 203 BGHSt 31, 395, 400; 39, 335, 348; OLG Frankfurt, NStZ 1988, 425; AKStPO Gundlach,, § 136a, 38; KK Boujong, § 136a, 23; Meyer-Goßner, § 136a, 13 m.w.N. 199

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

lung der Wahrheit beschränken 204. Die kriminalistische List soll aber ebenso zulässig sein wie ein vernehmungspsychologisch geschicktes taktisches Vorgehen 205 . Da überwiegend angenommen wird, dass der Begriff der Täuschung restriktiv auszulegen sei 206 , weil sie im Vergleich mit den anderen verbotenen Vernehmungsmethoden den Beschuldigten am wenigsten beeinträchtige 207, werden von einer Reihe von Autoren nur solche Täuschungen dem § 136a StPO zugeordnet, welche die Willensfreiheit des Befragten im Kern beeinträchtigen und eine Zwangslage herbeiführen 208, etwa wenn der V-Mann darüber täuscht, ihm gegenüber bestände eine Aussagepflicht 209. Täusche die V-Person (aktiv) über ihre Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, würde zwar die Motivation für eine etwaige Äußerung, nicht aber die Äußerungsfreiheit selbst eingeschränkt 210. In Rechtsprechung und Literatur wurden z.B. die Behauptung, ein Mitbeschuldigter habe bereits gestanden211, das vom Beschuldigten vorgebrachte Alibi sei widerlegt worden 212 oder die Behauptung, ein bei einem Schusswechsel mit der Polizei verletzter Mittäter sei in Lebensgefahr und der Beschuldigte müsse dessen Namen preisgeben, damit dieser gerettet werden kann 213 , als Täuschung gewertet. Diese Beispielsfälle machen deutlich, dass eine Beschränkung der Täuschung auf die verbale Herbeiführung einer psychischen Zwangslage den Anwendungsbereich der Täuschung zu sehr einschränkt, denn eine Täuschung läge praktisch nur dann vor, wenn der V-Mann darüber täuschte, ihm gegenüber bestehe eine Auskunftspflicht. Die Willensentschließung und Willensbetätigung des Beschuldigten ist aber auch schon dann im Sinne des § 136a I StPO 204

So SKStPO Rogali , § 136a, 48. OLG Köln, GA 1973, 119. Vgl. zur Kasuistik BGHSt 33, 217, 223 f.; 35, 328, 329; 40, 66, 72; BGH NStZ 1989, 35. A.A. KMR Lesch, § 136a, 30 der auch die List zur durch § 136a verbotenen Täuschung zählt. 206 KK Boujong, § 136a, 19; LR Hanack, § 136a StPO, Rdnr. 33; Meyer-Goßner, § 136a, 12. Vgl. auch Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 5, 37 ff.; SKStPO Rogali , § 136a, 45 ff. Anderer Ansicht wohl Achenbach/Perschke, StV 1994, 577, 579. 207 Günther, StV 1988, 421, 422; Renzikowski, JZ 1997, 710, 712. Vgl. auch Sternberg-Lieben, Jura 1995, 299, 307. 208 AKStPO Gundlach, § 136a, 16 f.; Dahle, KR 1990, 431, 434; Joerden, JuS 1993, 927, 930; Kramer, Jura 1988, 520, 523; LR Hanack, § 136a StPO, 33; Puppe, GA 1978, 289, 299, 305; Renzikowski, JZ 1997, 710, 712; Schumann, JZ 1986, 66, 67; SKStPO Wolter, vor § 151, 123. Einschränkend: SKStPO Rogali, § 136a, 54, der eine nachhaltige Reduktion des Verhaltensspielraums fordert. 209 SKStPO Wolter, vor § 151, 123. 2.0 Rogali, JZ 1987, 847, 851; Sternberg-Lieben, JZ 1995, 844, 848. 2.1 Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 896; SKStPO Rogali , § 136a, 51. 2.2 OLG Köln, GA 1973, 119. 2Π BGH, NStZ 1988,419. 205

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beeinträchtigt, wenn der V-Mann den Beschuldigten durch eine aktive Täuschung zu einer Aussage bringt 214 . In einem solchen Fall gebietet es auch das nemo-tenetur-Prinzip, die so zustande gekommene Aussage nicht zu verwerten. Das Handeln des V-Mannes, das dem Staat aufgrund der Beauftragung und Führung der V-Person zurechenbar ist 215 , verletzt in dieser Konstellation die Menschenwürde des Beschuldigten, denn er wird dazu gebracht, sich selbst zu belasten. Durch die Täuschung - zu dem Zweck, den Beschuldigten zu einer Aussage zu veranlassen - wird er zum bloßen Objekt des gegen ihn gerichteten Verfahrens. Das bloße Verschweigen der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden in einem privaten Gespräch stellt allerdings keine Täuschung dar, denn durch das Vorenthalten dieses Wissens findet noch keine relevante Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit statt 216 . Der nemo-tenetur-Grundsatz schützt den Beschuldigten nicht vor solchen Irrtümern 217 . Auch die Ausnutzung eines bestehenden Irrtums des Beschuldigten durch die V-Person verstößt nicht gegen das Täuschungsverbot des § 136a I StPO 218 . Eine für das nemo-teneturPrinzip und § 136a I StPO relevante Täuschung läge aber in der bewusst falschen Behauptung des V-Mannes, er arbeite nicht für die Polizei oder der Beschuldigte könne sich ihm ruhig anvertrauen, er würde nichts weitersagen. Bemerkt der V-Mann hingegen, dass der Beschuldigte aufgrund der äußeren Umstände davon ausgeht, er könne ihm vertrauen, so darf er Fragen stellen, denn diesen Irrtum hat der V-Mann nicht aktiv herbeigeführt.

2. Das nemo-tenetur-Prinzip verletzendes Vorgehen Da das nemo-tenetur-Prinzip den Beschuldigten vor Selbstbelastungen, die nicht eigenverantwortlich erfolgen, schützen soll, liegt ein Verstoß gegen dieses Prinzip vor, wenn der V-Mann den Beschuldigten dazu bringt, sich ihm gegenüber unfreiwillig, d.h. nicht eigenverantwortlich, selbst zu belasten. Dies ist unzweifelhaft der Fall, wenn der Beschuldigte durch den Einsatz körperlicher Gewalt zu einer Äußerung genötigt wird. Darüber hinaus handelt er nicht eigenverantwortlich, wenn die V-Person den Beschuldigten durch Drohungen dazu bringt, ihr Informationen zu geben. Drohungen in diesem Sinne können z.B. die Ankündigung sein, im Bekanntenkreis des Beschuldigten bestimmte 2.4

Popp, JA 1998, 900, 905. Siehe auch unten § 5 II 2. 2.6 BGH, NStZ 1996, 502, 503. So auch Bosch,, Jura 1998, 236, 240; Grünwald, StV 1987, 470, 471; LR Hanack, § 136a, 37a; Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 76 f.; Renzikowski, JZ 1997, 710, 712; SKStPO Rogali , § 136a, 57. 2.7 BGH, NJW 1996, 2940, 2943. 2.8 BGHSt 40, 66, 72; AKStPO Gundlach, § 136a, 39. 2.5

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

ehrenrührige oder kompromittierende Umstände zu enthüllen oder zu behaupten, die Polizei oder Steuerfahndung (anonym) über Straftaten bzw. Steuerhinterziehungen des Beschuldigten zu informieren oder dem drogenabhängigen Beschuldigten nicht weiter mit Betäubungsmitteln zu beliefern. Die Eigenverantwortlichkeit wäre auch dann nicht mehr gewahrt, wenn die V-Person mit dem Beschuldigten ein Liebesverhältnis eingegangen ist und die Fortführung der Beziehung von der Preisgabe von Informationen abhängig macht 219 . Ebenfalls nicht eigenverantwortlich wäre eine Selbstbelastung des Beschuldigten gegenüber einer V-Person, die den Beschuldigten z.B. durch die Behauptung „Ich arbeite nicht für die Polizei!" oder „Mir kannst Du das sagen, ich erzähle es niemanden weiter!" zu Äußerungen veranlasst.

3. Zwischenergebnis Das bloße Verschweigen der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden verletzt nicht den nemo-tenetur-Grundsatz, Glaubt der Beschuldigte aufgrund der äußeren Umstände des Zusammentreffens mit der V-Person diese sei vertrauenswürdig bzw. arbeite nicht mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen, fällt dieser Irrtum in seinen Verantwortungsbereich. Die Eigenverantwortlichkeit seiner Selbstbelastung wird hierdurch nicht ausgeschlossen, denn einen Schutz vor irrtumsbedingter Selbstbelastung gewährleistet der nemo-tenetur-Grundsatz nicht. Nur wenn der V-Mann durch eine aktive Täuschung oder unter Anwendung von Gewalt oder Drohungen den Beschuldigten zu einer Selbstbelastung veranlasst, ist der nemo-tenetur-Grundsatz verletzt. Da das Vorgehen von V-Personen regelmäßig nicht diese Handlungsformen aufweist, scheidet eine Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes grundsätzlich aus.

I I I . Allgemeines Persönlichkeitsrecht Eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für den Einsatz von Privatpersonen zu verdeckten Ermittlungen könnte aber erforderlich sein, weil hierin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten liegen könnte. Durch die strafprozessuale Informations- und Beweisgewinnung werden regelmäßig verschiedene Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten tangiert. Das gilt z.B. für die Sammlung von Daten, die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten oder die Anordnung der Untersuchungshaft. Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber einen sehr weiten

2,9

Anders Krey, Kohlmann FS, S. 627, 645.

§ 5 Grundrechtsbeeinträchtigungen

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Schutzbereich hat, der sich mit denen anderer Grundrechte überschneidet, werden diese Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts regelmäßig durch speziellere Grundrechte erfasst, z.B. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder die Unverletzlichkeit der Wohnung. Eine selbstständige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist beim Einsatz von privaten V-Personen zur Informationsgewinnung nicht erkennbar, dieses Grundrecht tritt vielmehr aus Gründen der Subsidiarität zurück. Jene Autoren, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches - wie oben dargelegt 220 - eine Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, leugnen, kommen zu dem gegenteiligen Ergebnis 221. Die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung beim Einsatz von V-Personen zur Verbrechensaufklärung wurde bereits bejaht 222 . Eine Auseinandersetzung mit dieser Auffassung erübrigt sich daher, denn die Vertreter der Gegenauffassung fuhren keine Argumente an, die auf eine darüber hinaus gehende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schließen lassen. Vereinzelt wird aber auch von Autoren, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anerkennen, im Einsatz von V-Personen als Lockspitzel, insbesondere gegenüber bislang Unverdächtigen, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesehen223. Diese läge in der Verletzung des geschützten Freiheitsbereiches des Bürgers, da der Lockspitzeleinsatz gezielt auf die Willensbildung und den Tatentschluss des Provozierten ausgerichtet sei. Dem kann aber nicht zugestimmt werden. Auch beim Lockspitzeleinsatz geht es in grundrechtlicher Hinsicht nur um die Erhebung bzw. Sammlung von Daten, die dann den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden sollen. Der Bürger wird davor durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gestützt. Zudem kann der Einsatz des Lockspitzels gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen 224. Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist daneben subsidiär.

IV. Unverletzlichkeit der Wohnung V-Leute müssen während ihres Einsatzes häufig fremde Wohnungen, etwa die der Zielperson, betreten. Da sie dabei ihre Zusammenarbeit mit den Straf-

220 221 222 223 224

Vgl. oben § 5 I. So Duttge, JZ 1996, 556, 563. Oben § 5 I, 5. Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 8. Siehe oben § 4 V.

7 Ellbogen

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlage fir den Einsatz von V-Personen

verfolgungsbehörden verschleiern, könnte der Schutzbereich von Art. 13 I GG berührt sein.

1. Schutzbereich des Art. 131 GG Art. 13 I GG schützt den Bürger davor, dass der Staat in seine Wohnung eindringt 225 . Als Wohnung sind dabei alle Räume zu verstehen, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind 226 . Hierdurch wird die räumliche Privatsphäre geschützt, also jener Bereich, in dem jedermann einen Anspruch daraufhat, in Ruhe gelassen zu werden 227 . Zum Schutzbereich gehören ebenfalls, wenn auch nur mit reduziertem Schutz, Geschäfts-, Betriebs- und Arbeitsräume, soweit sie nicht allgemein zugänglich sind 228 .

2. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung

durch V-Leute

Eine Verletzung des Grundrechts kommt in Betracht, wenn eine V-Person unter Verschleierung ihrer Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden die Wohnung der Zielperson oder eines Dritten, etwa um ein Gespräch zu fuhren, unter Ausnutzung dieses Irrtums betritt. Führt der Staat das Verhalten der Privatperson durch Imperative herbei, so kann ihm deren Verhalten zugerechnet werden 229 . Steuert er das private Verhalten bewusst und gewollt, z.B. durch finanzielle Anreize oder Unterstützungen, so gilt nichts anderes. Indem eine Privatperson von den Strafverfolgungsbehörden beauftragt wird, mit der Zielperson Kontakt aufzunehmen und Informationen zu sammeln, liegt folglich eine Steuerung des Verhaltens der Privatperson vor. Diese handelt deshalb hoheitlich 230 . Das Verhalten der V-Person ist aufgrund der behördlichen Veranlassung dem Staat zurechenbar 231, es sei denn, die Privatperson handelt spontan

225 BK Herdegen, Art. 13 GG, 10; Katz, Staatsrecht, Rdnr. 806; von Münch/Kunig, Kunig, Art. 13 GG, 3. 226 Jarass/Pieroth, Art. 13 GG, 2; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 13 GG, 3. 227 BVerfGE 27, 1,6; 32, 54, 75. 228 BVerfGE 31, 255, 268 ff.; 32, 54 ff.; 42, 212, 219; 44, 353, 371; HbdStR VI, Schmitt Glaeser, § 129, 50 f.; Jarass/Pieroth, Art. 13 GG, 30; Schmidt-Bleibtr eu/ Klein, Art. 13 GG, Rdnr. 3. 229 Sachs, Sachs vor Art. 1, 89; ders., in Stern, Band III/2, S. 187 ff., 192 f. 230 Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 13; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 68. 231 Duttge, JZ 1996, 556, 563; Lilie/Rudolph, NStZ 1995, 514, 515; Renzikowski, JZ 1997, 710, 715; Sternberg-Lieben, JZ 1995, 844, 846; Taschke, StV 1984, 178, 179.

§ 5 Grundrechtsbeeinträchtigungen

99

und ohne Veranlassung der Strafverfolgungsbehörden 232. Für die Zurechenbarkeit genügt es, wenn der mit der Anleitung der V-Person verantwortliche Amtsträger von der Wohnungsbetretung weiß oder sie jedenfalls hätte unterbinden können 233 . Die Möglichkeit, ein solches Verhalten zu unterbinden, besteht regelmäßig, da der V-Person genaue Vorgaben darüber, was sie zu tun oder zu unterlassen hat, gemacht werden können. Der Staat erlangt also über die Privatperson Zutritt zur Wohnung.

3. Wirksamkeit

eines Einverständnisses

Umstritten ist, ob das erschlichene Einverständnis zur Wohnungsbetretung durch den Hausrechtsinhaber eine Grundrechtsverletzung entfallen lässt. Grundsätzlich gilt nämlich, dass eine Einwilligung des Wohnungsinhabers einen Grundrechtseingriff ausschließt234. Eine Ansicht 235 verneint die Wirksamkeit einer solcherart erschlichenen Einwilligung mit der Folge, dass eine Grundrechtsbeeinträchtigung vorläge. Bei strafprozessualen Eingriffen sei die Einwilligung nur wirksam, wenn der Wille des Betroffenen, einen für ihn erkennbaren staatlichen Eingriff zuzulassen, zumindest konkludent erklärt wurde. Das wirksame Einverständnis setze folglich voraus, dass der staatliche Eingriff zur Kenntnis genommen und seine Bedeutung und Tragweite sowie die Möglichkeit, sich hiergegen wehren zu können, erkannt wurden 236 . Zudem dürfe der Staat in diesen Fällen nicht das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage durch Täuschung umgehen237.

Die V-Person dürfte insoweit als Verwaltungshelfer zu klassifizieren sein, Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 108, dessen Tätigkeit nach allgemeinen Verwaltungsrecht der Behörde zuzurechnen ist, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, 60. 212 Lagodny, StV 1996, 167, 170. 231 Vgl. BGHSt 47, 44, 48. 234 AKGG Berkemann, Art. 13, Rdnr. 38; Eisenberg, NJW 1993, 1033, 1038; Weil, ZRP 1992, 243, 244. 235 Arne lung, StV 1985, 257, 258 ff.; Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Rdnr. 1189; Felsch, StV 1998, 285, 287 ff.; Frister, StV 1993, 151, 152 f.; Gotting, Beweisverwertungsverbote, S. 216 f.; Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen, S. 101; von Münch/Kunig, Kunig, Art. 13 GG, 19; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 72; Ranft, Jura 1993, 449, 450; Rogali, JZ 1987, 847, 853; Schroth, JuS 1998, 969, 978; SKStPO Rudolphi, § 110c, Rdnr. 4; Weil, ZRP 1992, 243 ff.; Wolter, GA 1988, 129, 141. Vgl. auch Eschelbach, StV 2000, 390, 393. 236 Amelung, StV 1985, 257, 263; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 71; Weil, ZRP 1992, 243, 245. 237 Amelung, StV 1985, 257, 263; Frister, StV 1993, 151, 152. 7*

1 0 0 2 . Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen Die Gegenauffassung hält das Einverständnis des Betroffenen auch in dieser Situation für wirksam und lehnt folglich eine Grundrechtsverletzung ab 238 . Nur in Fällen, in denen die Tarnung gerade dazu diene, sich den Zutritt zu erschleichen oder eine in Wirklichkeit nicht bestehende Zutrittsberechtigung vorzutäuschen, sei die Einwilligung unwirksam 239 .

4. Stellungnahme Möglicherweise hilft ein Blick in das materielle Strafrecht bei der Lösung des Problems. Im Rahmen des Hausfriedensbruchstatbestandes ist nämlich ebenfalls umstritten, ob ein durch Täuschung erlangtes Einverständnis wirksam ist oder nicht 240 . Aus der Annahme der Straflosigkeit des Hausfriedensbruches im Falle der Täuschung folgt aber zum einen nicht zwingend, dass auch im Falle hoheitlichen Handelns keine rechtfertigungsbedürftige Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegt. Zum anderen ergibt sich aus Art. 1 III GG und dem dort niedergelegte Verbot, den einfachen Gesetzgeber „zum Schöpfer des ihn bindenden Maßstabes" zu erheben 241, nach einer verfassungsrechtlichen Lösung zu suchen242. Diese hat zu berücksichtigen, dass in der erschlichenen Einwilligung kein Grundrechtsverzicht des Betroffenen liegt, sondern vielmehr ein Grundrechtsgebrauch 243, da der Wohnungsinhaber sich ja nicht seines Hausrechts begibt, sondern dieses gerade ausübt. Er wird durch das erschlichene Einverständnis nicht daran gehindert, sein Hausrecht wahrzunehmen, indem er der V-Person aus willkürlichen Gründen - den Zutritt verweigert oder sie nach Zutrittsgestattung wieder zum Verlassen der Wohnung auffordert. Der Grundrechtsgebrauch wird nicht dadurch geschmälert, dass der Grundrechtsinhaber sich über die Person seines Gastes irrt. Denn selbst wenn es sich bei diesem um ein Organ hoheitlicher Gewalt handelt, entfallt die staatliche Verantwortlichkeit für Einwirkungen auf jene Grundrechtsgüter, die der Grundrechtsinhaber in Ausübung dieses Grundrechts durch faktisches Tun

238

BK Herdegen, Art. 13 GG, Rdnr. 45; Duttge, JZ 1996, 556, 562; Krüger, ZRP 1993, 124, 125. 239 Deutsch, Heimliche Erhebung von Informationen, S. 119; Krey, Rechtsprobleme, Rdnr. 250 ff.; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 111; Rogali, JZ 1987, 847, 853. 240 Siehe zu diesem Problem u.a. OLG München, NJW 1972, 2275 f.; Amelung/Schall, JuS 1975, 565, 567; Schönke/Schröder Lenckner, § 123, 22; SKStGB Rudolphi, § 123, 18; Tröndle/Fischer, § 123, 16. 241 Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 81 f. 242 So auch Duttge, JZ 1996, 556, 561; von Münch/Kunig, Kunig, Art. 13 GG, 19. 243 Duttge, JZ 1996, 556, 562.

§ 5 Grundrechtsbeeinträchtigungen

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selbst herbeigeführt oder abzuwenden unterlassen hat 244 . In diesen Fällen kommt es nämlich nur darauf an, ob das für das Verhalten des Grundrechtsträgers kausale Staatshandeln, hier die Täuschung der V-Person, die Freiheit der Willensentscheidung beeinträchtigt oder nicht 245 . Es ist aber die eigene Entscheidung des Betroffenen, seine Sphäre einem anderen zu öffnen. Bei einer solchen Einwilligung trägt er grundsätzlich selbst das Täuschungsrisiko 246. Die Entscheidungsfreiheit ist durch die Täuschung auch nicht derart beschränkt, dass der Wohnungsinhaber nicht weiterhin jederzeit verlangen könnte, dass die V-Person seine Räume wieder verlässt 247. Spricht man der vom Grundrechtsträger erklärten Einwilligung die Wirksamkeit ab, setzt man sich zudem dem Vorwurf aus, den Bürger letztlich zu entmündigen, wenn seinen ohne Zwang gefällten Entscheidungen die Wirksamkeit abgesprochen würde. Art. 13 I GG schützt somit nicht vor einer irrtumsbedingten Willensbildung 248 . Irrtümer im Bereich dieses Grundrechts sind erst dann erheblich, wenn sie auf einer Täuschung beruhen, welche die Willensfreiheit aufheben, also etwa dann, wenn eine Zutrittsberechtigung vorgetäuscht wird. Das Argument, die Strafverfolgungsbehörden könnten insbesondere § 110b StPO dadurch umgehen, dass sie statt eines Verdeckten Ermittlers eine Privatperson einsetzen249, übersieht, dass § 110b II Nr. 2 StPO nicht eingeführt wurde, um den Schutz des Art. 13 GG zu gewährleisten. Der Grund für die Einführung des § 110b II Nr. 2 StPO lag vielmehr in der gesetzlichen Entscheidung, dass Wohnungsbetretungen durch verdeckt ermittelnde Polizeibeamte grundsätzlich nur mit richterlicher Zustimmung erfolgen sollen 250 .

5. Zwischenergebnis Betritt eine V-Person während ihres Einsatzes die Wohnung der Zielperson mit deren Einverständnis, so verletzt dies grundsätzlich nicht den Schutzbereich des Art. 13 I GG, auch wenn diese nicht über die Zusammenarbeit des Gastes mit den Strafverfolgungsbehörden informiert ist. Etwas anderes gilt nur, wenn die V-Person eine Zutrittsberechtigung vortäuscht und so in die Wohnung gelangt. 244 245 246 247 248 249 250

Duttge, JZ 1996, 556, 562; Sachs in Stern, Band III/2, S. 203. Sachs in Stern III/2, S. 203. Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 110. Vgl. auch Rohlf, Privatsphäre, S. 162. Krey, Rechtsprobleme, Rdnr. 258. Krüger, ZRP 1993, 124, 125. So Perschke, Die Zulässigkeit, S. 72. Siehe auch oben § 2 I, 2 d, bb).

102

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen V. Ergebnis

Der Einsatz von V-Personen greift also in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein und kann außerdem Art. 13 I GG verletzen, wenn eine V-Person unter Vorspiegelung einer Zutrittsberechtigung Einlass in eine fremde Wohnung erlangt. Der Einsatz von V-Leuten berührt folglich die Grundrechtsausübung des Beschuldigten. Aus dem Vorbehalt des Gesetzes folgt somit, dass für den Einsatz von V-Leuten eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist. Zu prüfen ist deshalb im Weiteren, ob und in welchem Umfang eine solche besteht und ob diese den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie standhält.

§ 6 Ermächtigungsgrundlage Rechtsprechung und Lehre beurteilen das Vorhandensein einer Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Personen unterschiedlich 251. Zum Teil wird behauptet, es fehle eine gesetzliche Ermächtigung. Andere lassen die Generalklausel des § 161 I StPO genügen. Daneben werden weitere Ermächtigungsgrundlagen - wie §§ 110a ff. StPO analog oder § 34 StGB - und sonstige Lösungsmöglichkeiten - wie die Schwellentheorie oder der Aspekt des vorkonstitutionellen Gewohnheitsrechts - diskutiert. Die RiStBV als bloße Verwaltungsvorschrift stellt allerdings auf keinen Fall eine tragfähige Rechtsgrundlage dar.

I. Ablehnungstheorie Eine hier als Ablehnungstheorie bezeichnete Ansicht geht davon aus, dass es derzeit keine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V-Personen gibt 252 . § 161 I StPO sei wegen seiner Unbestimmtheit keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage, als Generalklausel könne diese Norm strafprozessuale Eingrif251 Ablehnend z.B. AKStPO Achenbach,, § 163, 8c; Bernsmann/Jansen, StV 1998, 217, 230 f.; Creutz, ZRP 1988, 415, 416; Denninger, KR 1987, 505, 511; Berksen, JR 1997, 167, 169; Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Rdnr. 1138; Fischer/ Maul, NStZ 1992, 7, 10; Hefendehl, StV 2001, 700, 704; Hund, StV 1993, 379, 380; Keller, StV 1984, 521, 523; Körner BtMG, Scherp, §31,111 ff.; Krüger, NJW 1982, 855, 857; Lagodny, StV 1996, 167, 171; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, 30 f.; Lilie/Rudolph, NStZ 1995, 514, 516; Murmann/Grassmann, JuS 2001, Beilage S. 3*, 6*; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 120; Rogali, JZ 1987, 847, 850; Schmitz, Probleme, S. 155; Schoren, DRiZ 1987, 464, 469; SKStPO Rudolphi, vor § 94, 48; SKStPO Wolter, vor 151, 92; Weiler, GA 1996, 101, 106 f. 252 Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 10; Lilie/Rudolph, NStZ 1995, 514, 516; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 120; Schoreit, DRiZ 1987, 464, 469; SKStPO Wolter, vor 151, 92.

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

103

fe in Grundrechte des Beschuldigten nicht rechtfertigen. Der zu § 161 I StPO a.F. bestehende Streit 253 , ob die nach ihrem Wortlaut als bloße Aufgabennorm ausgestaltete Vorschrift auch Befugnisse verlieh, ist zwar durch die gesetzliche Neufassung im Jahre 2000 254 erledigt, denn nunmehr stellt § 161 I StPO ausdrücklich eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in Form einer Ermittlungsgeneralklausel dar 255 . Die Bedenken der Vertreter der Ablehnungstheorie, den Einsatz von V-Leuten auf eine Befugnisgeneralklausel zu stützen, bestehen aber fort. Mangels Spezialermächtigung wäre dieses Vorgehen nach dieser Auffassung rechtswidrig.

II. Übergangsbonus Ein Teil der Lehre, der in § 161 I StPO ebenfalls keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage sieht, hält die derzeitige Praxis für verfassungsrechtlich hinnehmbar, da dem Gesetzgeber ein Übergangsbonus zuzubilligen sei, bis der als rechtswidrig erkannte Zustand durch Einführung einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beendet werde 256 .

1. Verfassungsrechtliche

Herleitung eines Übergangsbonus

Diese Auffassung beruft sich auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen dieses Übergangsfristen anerkennt, um eine sonst eintretende Funktionsunfähigkeit staatlicher Einrichtungen zu vermeiden, die der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als der bisherige Zustand 257 . Die Folge eines solchen Übergangsbonus ist, dass sich die Befugnis zu Eingriffen auf das reduziert, was im konkreten Fall für die geordnete Weiterführung eines funktionsfähigen Betriebs der Verwaltungsmaßnahmen unerlässlich ist. Die Einräumung einer solchen zeitlichen Spanne spiegelt das Gewaltenteilungsprinzip wider. Nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Zustandes kann sich das Bundesverfassungsgericht nämlich nicht an die Stelle des Ge253 Siehe zu diesem: BT-Drs. 14/1484, S. 23; Fezer, JZ 1995, 972; Hilger, NStZ 2000, 561, 563; HKStPO Krehl, § 161, 1; KMR Bockemühl, § 110a, 5; Lesch, NJW 2000, 3035; SKStPO Rudolphi, vor § 94, 20; Wollweber, NJW 2000, 3623. 254 Durch das StVÄG 1999 vom 2.8.2000, BGBl. I, 1253, 1255. 255 Siehe zum früheren Streitstand bei § 163 I StPO z.B. Perschke, Die Zulässigkeit, S. 93 ff. 256 Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 37, der für einen beschränkten Einsatz verdeckter Ermittlungsmethoden ist; LR Rieß, § 160 StPO, 6; Krey, Miyazawa FS, S. 595, 603; ders., Rechtsprobleme, Rdnr. 129, 272. Grundsätzlich zu dieser Möglichkeit: Hilgendorf Schmidt, wistra 1989, 208, 213; Vogelgesang, DVB1. 1989, 962, 967 ff. 257 BVerfGE 58, 257, 280; 73, 280, 297; 85, 386, 401.

1 0 4 2 . Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen setzgebers setzen und selbst eine entsprechende Regelung treffen, sondern es muss dem Parlament die Gelegenheit einräumen, aktiv zu werden und seinen gesetzgeberischen Handlungsspielraum auszunutzen.

2. Unanwendbarkeit der Bonusregelung auf V-Leute Die Anwendung einer Übergangsregelung auf den Einsatz von V-Leuten ist jedoch unter verschieden Aspekten abzulehnen258, zum einen, weil diesen Dispens von der Verfassungswidrigkeit, wenn überhaupt 259, nur das Bundesverfassungsgericht erteilen kann, obwohl teilweise auch die Fachgerichte 260 dieses Recht fur sich in Anspruch nehmen 261 , zum anderen und vor allem aber, weil eine solche Übergangsfrist längst abgelaufen wäre. Bei der Bestimmung einer solchen Frist ist nämlich zu berücksichtigen, ob die Verfassungswidrigkeit unbestritten 262 bzw. einfach zu beheben263 oder die Regelung vielschichtig ist 264 und eine entsprechende Reform deshalb sorgfaltig vorbereitet werden muss 265 . Zwar wird allgemein von der gesetzgebenden Körperschaft ein zügiges Arbeiten erwartet 266 , aber angesichts der Fülle der Aufgaben, die auf das Parlament in Folge der Deutschen Einheit zukamen, war diesem zumindest für die erste Zeit nach 1990 ein „Einheitsbonus" einzuräumen 267 . Die Schwierigkeit der Regelungsmaterie ist jedenfalls nicht der Grund dafür, dass der Gesetzgeber bisher keine Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten geschaffen hat, denn mit den §§ 110a ff. StPO hat er einen ähnlichen Themenkomplex schon geregelt. Zudem haben inzwischen sämtliche Landes-

258 Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 10; Körner BtMG, Scherp, §31,114; Lilie/Rudolph, NStZ 1995, 514, 516; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 137. 259 Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Praxis des BVerfG haben: Ipsen, JZ 1983, 41, 45; Pieroth, VerwaltungsArchiv 68 (1977), 217, 234 ff. und Sachs, DÖV 1982, 23, 29 ff. 260 So BVerwG, JZ 1991, 471, 474; BVerwG, NJW 1990, 2761, 2763; OLG Frankfurt/M., StV 1995, 349, 350; OLG Hamm, NJW 1988, 1402. 261 Ablehnend demgegenüber auch VG Frankfurt, CR 1988, 158, 160; Deutsch, Heimliche Erhebung von Informationen, S. 293 ff, der in diesen Fällen eine analoge Anwendung von Art. 100 GG fordert; und Frommel, NJ 1991, 16, 18. 262 BVerfGE 15, 337,351. 263 BVerfGE 21, 12, 41 f.; 23, 242, 257. 264 BVerfGE 25, 167, 186. 265 BVerfGE 23, 242, 257. 266 BVerfGE 32, 199, 218 („unverzüglich"), sowie 58, 257, 283; 85, 386, 402 („alsbald"). 267 OLG Karlsruhe, NStZ 1994, 50, 52; OLG Stuttgart, NStZ 1993, 353, 354.

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

105

gesetzgeber den Einsatz von V-Leuten und Informanten zu präventiven Zwecken gesetzlich normiert, so dass auf die dortigen Vorarbeiten zumindest zurückgegriffen werden könnte. Auch eine Arbeitsüberlastung infolge der Herstellung der Deutschen Einheit kann nach der Jahrtausendwende nicht mehr als Grund angeführt werden, da zwischenzeitlich auch schon nicht einheitsbedingte Reformen grundlegender Art umgesetzt wurden 268 .

3. Ergebnis Die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes von V-Leuten kann somit nicht aus einem Übergangsbonus hergeleitet werden.

I I I . Analoge Anwendung der §§ 110a ff. StPO Wegen gewisser Ähnlichkeiten des Einsatzes von V-Personen mit dem von Verdeckten Ermittlern liegt eine analoge Anwendung der §§ 110a ff. StPO nicht fern.

1. Allgemeine Voraussetzungen einer Analogie Grundsätzlich muss bei einer analogen oder entsprechenden Anwendung beachtet werden, dass die Judikative nicht Befugnisse beanspruchen darf, welche die Verfassung der Legislative übertragen hat 269 . Dies bedeutet jedoch kein Verbot der Rechtsfortbildung. Der beschleunigte Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse, die begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers hierauf sowie die offenen Formulierungen vieler Normen bedingen, dass die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Rechtsprechung gehören. Der Richter darf sich bei der Rechtsfortbildung aber nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Seine Aufgabe beschränkt sich darauf, diesen unter den gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen 270 . Den Wertungen des Gesetzes ist dabei zu entnehmen, ob eine Regelungslücke besteht und in welcher Weise sie geschlossen werden soll 271 .

268 Z.B. BDSG vom 20.12.1990, BGBl. I, S. 2954; BVerfSchG vom 20.12.1990, BGBl. I, S. 2970. 269 BVerfGE 96, 375, 394. 270 BVerfGE 96, 375, 394. 271 BVerfGE 82, 6, 13.

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

106

Voraussetzungen einer analogen Anwendung sind daher eine planwidrige Regelungslücke272, eine vergleichbare Interessenlage des geregelten mit dem ungeregelten Fall 273 sowie die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Analogie.

2. Verfassungsrechtliche

Zulässigkeit

Gegen eine verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Analogie könnte der in Art. 103 II GG niedergelegte Grundsatz „nulla poena sine lege" sprechen. Das hieraus folgende Analogieverbot gilt nach einhelliger Auffassung wegen des eindeutigen Wortlautes aber nur für das materielle Strafrecht 274. Im Strafverfahrensrecht muss sich die analoge Anwendung einer Norm, die zu Eingriffen in die Rechte des Betroffenen führt, am Gesetzesvorbehalt messen lassen275. Wie geprüft, erfordert der Gesetzesvorbehalt eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten 276 . Dies besagt aber noch nicht, ob auch die analoge Anwendung einer Norm dem Gesetzesvorbehalt genügt. Dieser Frage muss hier jedoch nicht nachgegangen werden, da - wie sogleich zu zeigen ist 277 - die weiteren Voraussetzungen einer analogen Anwendung der §§ 110a ff. StPO auf V-Leute nicht vorliegen.

3. Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke Fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, hat der Gesetzgeber also bewusst keine Regelung treffen wollen, würde durch eine Analogie diese Entscheidung umgangen werden und in die Gesetzgebungskompetenz eingegriffen 278 . §§ 110a ff. StPO haben für den Einsatz von V-Leuten keine ausfüllungsbedürftige und planwidrige Gesetzeslücke aufgetan. Der Gesetzgeber hat vielmehr bewusst die Voraussetzungen der Inanspruchnahme von V-Personen nicht geregelt, da er glaubte, dass diese strafprozessual Zeugen seien, so dass 272

S. 140.

Krey, JA 1983, 233, 235; ders., JZ 1978, 361, 364; Schmalz, Methoden lehre,

273

Amelung, NStZ 1982, 38, 40; Gern, DÖV 1985, 558, 561. BGHSt 7, 256, 258; KG, NJW 1979, 1668, 1669; Krey, StrafverfahrensR I, Rdnr. 11, Fn. 31; Welp, JR 1991, 265, 267. 275 Amelung, NStZ 1982, 38, 40; Krey, JA 1983, 233, 235; ders., ZStW 101 (1989), 838, 840. Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S 241 ff.; ders., ZStW 101 (1989), 838, 853, sieht im Gesetzesvorbehalt insoweit ein Analogieverbot. 274

276

§

277 278

5

γ

Siehe § 6 III, 3 und 4. BVerfGE 82, 6, 12.

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

107

die notwendige gesetzliche Grundlage für ihre Heranziehung im Ermittlungsund Strafverfahren bereits gegeben sei 279 . Der Gesetzgeber nahm an, die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern in den §§ 110a ff. StPO ergebe sich aus der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen als Verdeckten Ermittlern tätigen Polizeibeamten. Ihre heimliche und auf Täuschung ausgerichtete amtliche Tätigkeit, welche zu den sonst für sie geltenden Täuschungsverboten Und Belehrungspflichten in Widerspruch geraten könne, sollte zum Schutz der Beamten auf eine die Generalklauseln ausformende spezielle Gesetzesgrundlage gestellt werden. Eine solche Fürsorgepflicht bestünde gegenüber den V-Leuten nicht, weil diese die Polizei als Privatpersonen unterstützen und deshalb nicht gegen Amtspflichten verstoßen könnten 280 . Ausdrücklich wurde klargestellt, dass aus der Regelung der Verdeckten Ermittler nicht geschlossen werden könne, die Heranziehung von V-Leuten sei in Zukunft unzulässig281. Die Nichtregelung des Einsatzes von V-Leuten erfolgte daher bewusst und gerade nicht planwidrig, wie es die Voraussetzung einer analogen Anwendung ist.

4. Unterschiedliche

Interessenlagen

Darüber hinaus müsste die analog anzuwendende Vorschrift eine vergleichbare Interessenlage regeln, da die analoge Anwendung nur dann dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers Folge leisten würde. Die Analogie stellt nämlich eine Verallgemeinerung dar, indem ein gesetzlich geregelter spezifischer Falltypus mit einem gesetzlich nicht geregelten Falltypus gleich behandelt wird 2 8 2 . Es muss also stets geklärt werden, ob die jeweiligen spezifischen Merkmale so gewichtig sind, dass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist 283 . Gegen die Annahme, dass die Unterschiede zwischen dem Einsatz von Verdeckten Ermittlern einerseits und V-Personen andererseits so unerheblich sind, dass eine Gleichbehandlung möglich sei - wie es Voraussetzung einer Analogie wäre - bestehen allerdings Bedenken. Verdeckte Ermittler bleiben - auch wenn sie heimlich tätig werden - Polizeibeamte, so dass für sie die allgemeinen polizeilichen Verpflichtungen und Befugnisse fortgelten und der Verdeckte Ermittler auch präventivpolizeilich tätig werden kann. Ein Verdeckter Ermittler kann unter den Voraussetzungen der §§ 100c, lOOd StPO zur Erfüllung seines

279 280 281 282 283

BT-Drs. 12/989, S. 41. Vgl. auch Quentin , JuS 1999, 134, 135. BGHSt 41, 42, 44 f. Siehe auch oben § 2 I, 1. BT-Drs. 12/989, S. 41. Meyer-Goßner, Einl. Rdnr. 198. Zippelius, Methodenlehre, S. 69.

108

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

Auftrages bestimmte technische Mittel verwenden und das nichtöffentlich gesprochene Wort abhören und aufzeichnen 284. Er ist gemäß § 163 StPO verpflichtet, solche Straftaten zu verfolgen, von denen er nur bei Gelegenheit seines Einsatzes Kenntnis erlangt. Nach Beendigung seines Einsatzes kann er darüber hinaus unter seiner Legende am Rechtsverkehr teilnehmen. Eine Vergleichbarkeit zwischen einer V-Person und einem Verdeckten Ermittler besteht daher lediglich in der verdeckten Vorgehensweise der eingesetzten Personen. Nur bei einem Polizeibeamten besteht aber die Notwendigkeit einer veränderten Identität (Legende), da der V-Mann nicht über seine eigene Person täuschen muss, sondern nur über seine Zusammenarbeit mit der Polizei. Der gegen einen bestimmten Beschuldigten gerichtete Einsatz eines Verdeckten Ermittlers stellt daher insgesamt einen andersartigen Eingriff in die Rechte des Beschuldigten dar als die Verwendung einer V-Person 285 . Die Unterschiede zwischen den beiden Personengruppen sind auch so gewichtig, dass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist. Insgesamt fehlt es daher an einer vergleichbaren Regelungsmaterie, die analog angewendet werden könnte.

5. Ergebnis Die Vorschriften über den Einsatz Verdeckter Ermittler können nicht analog auf V-Leute angewandt werden.

IV. § 34 StGB Ein Teil der Rechtsprechung 286 und Literatur 287 will in außergewöhnlichen Situationen auf § 34 StGB als Ermächtigungsgrundlage zurückgreifen. Dies ist jedoch abzulehnen. Zwar ist § 34 StGB nach zutreffender Auffassung grundsätzlich auf staatliches Handeln anwendbar 288, Notstand kann als Ausnahmetat-

284

BGHSt 41, 42, 45. BGHSt 41, 42, 45; BGH, JZ 2000, 363, 365. 286 BGHSt 31, 304, 307; ebenso BGHSt 34, 39, 51 f.; BGH, StV 1986, 325, 328; OLG München, NJW 1972, 2275 f.; OLG Frankfurt, NJW 1975, 271, 272. 287 Bottke, Jura 1987, 356, 363 f.; Gössel, JuS 1979, 162, 165; Gropp, StV 1989, 216, 222; Krey, Rechtsprobleme, Rdnr. 605 (subsidiäre Eingriffsermächtigung für Ausnahmesituationen); Lange, NJW 1978, 784 ff.; Roxin, StrafR AT-1, § 16, Rdnr. 89 (grundsätzlich möglich). 288 Zumindest dort, wo nicht in die Rechts- oder Freiheitssphäre der Bürger, sondern ausschließlich in staatliche Rechtsgüter oder solche der Allgemeinheit eingegriffen wird, LK Hirsch, § 34, 20; Schönke/Schröder Lenckner/Perron, § 34, 7 m.w.N. 285

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

109

bestand nach richtiger Ansicht 289 jedoch nicht Ermächtigungsgrundlage für eine übliche und häufig praktizierte Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden sein. Der Notstand erfordert u.a. eine Interessenabwägung im Einzelfall, was für eine generelle Befugnisnorm problematisch ist. Auch fehlt es beim Einsatz einer V-Person auf Grundlage des § 34 StGB regelmäßig am Erfordernis der gegenwärtigen Gefahr, da es um die Aufklärung bereits begangener Straftaten geht 290 . Vor allem aber würde die wohlausgewogene gesetzliche Regelung der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse durch ein Ausweichen auf § 34 StGB missachtet291 und letztlich überflüssig werden.

V. Vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Ein Teil der Lehre nimmt an, der Einsatz von V-Leuten sei durch vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht legitimiert 292 . Nachkonstitutionelles Gewohnheitsrecht, soweit es Eingriffsbefugnisse gewährte, würde dem Vorbehalt des Gesetzes allerdings nicht gerecht werden 293 . Vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht konnte dagegen staatliche Einzelbefugnisse, z.B. strafprozessuale Maßnahmen, zumindest in den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland legitimieren 294 .

/. Fehlen der Voraussetzungen des Gewohnheitsrechts Gewohnheitsrecht als solches setzt eine längere tatsächliche Übung, die dauernd, ständig, gleichmäßig und allgemein sein muss („longa consuetudo"), sowie deren Anerkennung als verbindliche Rechtsnorm durch die beteiligten Rechtsgenossen („opinio iuris") voraus 295 . Angesichts der Tatsache, dass der 289 Endriß/Kinzig, StraFo 1998, 299, 301; Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Rdnr. 1137; Körner BtMG, Scherp, § 31, 115; Krüger, Die Polizei 1984, 325, 327; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 127; Reichert-Hammer/Renzikowski, JA 1990, 153, 154; Rogali, GA 1985, 1, 7 (Fn. 53); Seelmann, ZStW 95 (1983), 797, 811. 290 Fischer/Maul, NStZ 1992, 7, 10; Lüderssen, Jura 1985, 113, 119 f.; Rebmann, NJW 1985, 1,3. 291 BGHSt 34, 39, 52; Roxin, JuS 1976, 505, 510 (für den BGH und Roxin ist dies konsequent, da sie § 34 StGB nur in Ausnahmefällen anwenden wollen, vgl. oben Fn. 286 bzw. 287). Im Ergebnis ebenso: Schmitz, Probleme, S. 55; SKStGB Günther, §34, 16. 292 Krey, Miyazawa FS, S. 595, 603; ders., Strafverfahrensrecht I, Rdnr. 488. 293 BVerfGE 22, 114, 121; OLG Koblenz, NStZ 1987, 289; Krey/Weber-Linn, Blau FS, S. 123, 144 f.; SKStPO Rudolphi, vor § 94, 29. 294 BVerfGE 9, 338, 343; 15, 226, 233; von Münch/Kunig, Kirn, Art. 123 GG, 7. Grundsätzlich zu vorkonstitutionellem Gewohnheitsrecht: BVerfGE 41, 251, 263. 295 BVerfGE 22, 114, 121.

110

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage fur den Einsatz von V-Personen

Einsatz von V-Personen zur Verbrechensaufklärung in Rechtsprechung und Schrifttum sehr kontrovers diskutiert wird und wurde, kann von einer übereinstimmenden Anerkennung der beteiligten Rechtskreise aber nicht ausgegangen werden 296 .

2. Vorkonstitutionelles

Gewohnheitsrecht und Art.

123IGG

Vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht genügt im Übrigen heute ohnehin nicht mehr dem Vorbehalt des Gesetzes, da es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt 297 . Art. 123 I GG lässt zwar seinem Wortlaut nach grundsätzlich die Anwendung von freiheitsbeschränkendem vorkonstitutionellen Gewohnheitsrecht zu, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt aber, dass dies nicht unbefristet möglich ist. Andernfalls würde sich das Gewohnheitsrecht als resistent gegenüber höherrangigem Verfassungsrecht erweisen 298. Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 123 I GG, der verhindern sollte, dass nach dem Zusammenbrechen des Deutschen Reiches und der damit verbundenen Unsicherheit, welche Gesetze und Rechtssätze noch Gültigkeit beanspruchen können, ein Rechtsdefizit entstand. In den über 50 Jahre seit Inkrafttreten des Grundgesetzes hatte das Parlament aber genügend Zeit, bestehende Gesetzeslücken zu schließen299. Die übergangsweise gewährte Möglichkeit des Rückgriffs auf Gewohnheitsrecht besteht daher heute nicht mehr 300 .

VI. § 1611 StPO und die Schwellentheorie Nach einer weiteren Ansicht bieten die §§ 161 I, 163 I StPO in Verbindung mit der sogenannten Schwellentheorie eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Personen.

296

Perschke, Die Zulässigkeit, S. 128; Lilie/Rudolph, NStZ 1995, 514, 516. Burgdorf/Ehrentraut/Lesch, G A 1987, 106, 116; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 31 f.; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 129; SKStPO Rudolphe vor § 94, 30; Wolter, Jura 1992, 520, 530. 29X Perschke, Die Zulässigkeit, S. 129. 299 Jarass/Pieroth, vor Art. 1, 43, Art. 123, 7; von Münch/Kunig, Kirn,, Art. 123 GG, 7. 300 Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 32; Perschke, Die Zulässigkeit, S. 129. 297

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

111

1. Ausschluss des § 1631 StPO als Ermächtigungsgrundlage Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung 301 scheidet § 163 I StPO als mögliche Ermächtigungsnorm aus. Zwar spricht § 161 StPO auch Ermittlungen durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes an, insoweit wurde aber nur eine Organisationsnorm für die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei geschaffen. § 163 I StPO regelt zwar das Recht des ersten Zugriffs der Polizei, insoweit war eine eigene Befugnisnorm auch erforderlich 302 . Diese gewährt aber keine weitergehenden Befugnisse als § 161 I StPO, auch wenn in Anschauung der täglichen Polizeipraxis ein anderer Eindruck entstehen mag 303 . Die Polizei verfügt folglich über eigene Ermittlungsbefugnisse, jedoch nur unter Leitung der Staatsanwaltschaft. Selbstständig tätig werden kann die Polizei nur im Rahmen des ersten Zugriffs, dessen Voraussetzungen beim Einsatz von V-Personen zur Verbrechensaufklärung aber regelmäßig nicht vorliegen. Der Einsatz von V-Leuten setzt nämlich zumindest den Verdacht einer Straftat, der nicht notwendig schon gegen einen bestimmten Beschuldigten gerichtet sein muss, voraus und nötigt zu umfangreichen Vorbereitungen zur Sicherung und Überwachung der V-Person. Beide Punkte machen deutlich, dass eine Einschaltung der Staatsanwaltschaft vor dem Einsatz stets möglich ist. Daher kommt es im Weiteren nur auf die Befugnisnorm des § 161 I StPO und nicht auf die des § 163 I StPO an.

2. Schwellentheorie a) Herleitung der Schwellentheorie Die Schwellentheorie geht davon aus, dass § 161 I StPO als Ermittlungsgeneralklausel hinreichende Ermächtigungsgrundlage für den repressiven Einsatz von V-Leuten ist 304 . Bei der Vielfältigkeit möglicher Fallgestaltungen könnten die verfassungsrechtlich noch zulässigen Ermittlungsmaßnahmen nicht enumerativ bestimmt werden, ohne einen zumindest zeitweiligen Verlust an Handlungsfähigkeit herbeizuführen. Insbesondere im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren seien daher vor dem Hintergrund des umfassenden Aufklärungsgebots all jene Maßnahmen nach § 161 I StPO rechtlich zulässig, die in ihrer Ein-

301 W. Krause, V-Leute, S. 129 f., sieht in § 163 I StPO a.F. unproblematisch eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten. Für § 163 I als Prüfungsmaßstab z.B. auch Perschke, Die Zulässigkeit, S. 93 ff. 302 Pfeiffer, § 163, 2. 303 Siehe hierzu z.B. die kritische Stellungnahme von Körner, KR 1992, 130 ff. 304 Ahlf Die Polizei 1983, 41, 53; Hilger, NStZ 2000, 561, 564; Rebmann., NJW 1985, 1, 3. Im Ergebnis ebenso Krey, Rechtsprobleme, Rdnr. 19.

1 1 2 2 . Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen griffsintensität noch unterhalb der Schwelle der Zwangseingriffe liegen, für welche die Strafprozessordnung ausdrückliche Spezialermächtigungen vorsieht 305 . Der Systematik der Strafprozessordnung sei zu entnehmen, dass Einzelregelungen, also Spezialermächtigungen, weitgehend nur für Maßnahmen mit Zwangscharakter geschaffen wurden. Der Einsatz von V-Leuten sei aber ein schlicht hoheitliches Handeln, dem der Zwangscharakter fehle.

b) Kritik an der Schwellentheorie Gegen die Schwellentheorie wird zum einen vorgebracht, sie sei unpraktikabel. Angesichts der Vielgestaltigkeit der gesetzlich geregelten Eingriffsbefugnisse, sei es kaum möglich, eine genau definierte und handhabbare „Schwereschwelle" zu bestimmen. Zum anderen würde der verfassungsrechtliche Vorbehalt des Gesetzes durch den Rückgriff auf ein einfaches Gesetz, nämlich die Strafprozessordnung, bestimmt. Dies begründe die Gefahr, dass neue konstitutionelle Entwicklungen keinen Einfluss mehr auf das vorhandene Recht nehmen könnten 306 .

c) Stellungnahme Diese Kritik kann nicht überzeugen. Zunächst trifft der Einwand nicht zu, es sei unmöglich, eine Schwereschwelle herauszuarbeiten, die als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden kann. Zumindest für den Bereich des Einsatzes von V-Leuten lassen sich durchaus klare Abgrenzungen treffen. So folgt aus den §§ 81a ff., 94 ff., 102 ff., 136a StPO, dass die V-Person während des Einsatzes keine körperlichen Untersuchungen, Beschlagnahmen, Durchsuchungen oder Gespräche unter Anwendung von Zwangsmitteln vornehmen darf. Beim Einsatz technischer Mittel zur Informationserlangung durch eine V-Person sind einerseits §§ 100c f. StPO zu beachten und andererseits §§201 ff. StGB, so dass z.B. das heimliche Aufzeichnen eines Gesprächs mit dem Beschuldigten durch die V-Person regelmäßig unzulässig sein wird. Mit Hilfe der Schwellentheorie kann also sehr wohl bestimmt werden, welche Tätigkeiten für den privaten V-Mann noch zulässig sind und welche nicht. Auch der Vorwurf der Umkehrung der Normenhierarchie geht fehl. Das Argument, neuere verfassungsrechtliche Entwicklungen würden keinen Einfluss 305 Ahlf, Die Polizei 1983, 41, 51 f.; Kramen NJW 1992, 2732, 2735; Kubica/Leineweber, NJW 1984, 2068, 2072; Rebmann, NJW 1985, 1, 3; Steinke, DVBl. 1980, 433, 438; ders., MDR 1980, 456, 458. 306 Perschke, Die Zulässigkeit, S, 104 f. Ablehnend gegenüber der Schwellentheorie auch Riegel, Meyer GS, S. 345, 363 („abwegig und abenteuerlich").

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

113

auf die so geschaffene Rechtslage nehmen können, würde nur überzeugen, wenn die Schwellentheorie eine Art statische Verweisung hinsichtlich der geregelten Zwangsbefugnisse begründen würde. So ist es aber gerade nicht. Die Schwellentheorie ist vielmehr durchaus dynamisch, denn gesetzliche Neuregelungen wirken sich unmittelbar auf die hieraus abgeleiteten Befugnisse aus. Erklärt der Gesetzgeber beispielsweise, dass künftig bestimmte Ermittlungsmaßnahmen nur noch unter neu geschaffenen gesetzlichen Voraussetzungen möglich sein sollen, so könnten diese Maßnahmen folglich nicht mehr auf § 161 I StPO gestützt werden, wodurch sich auch die Voraussetzungen des Einsatzes von V-Leute verändern würden.

3. § 1611 StPO als Ermittlungsgeneralklausel Bedenken werden gegen die Schwellentheorie auch deshalb erhoben, weil sie einer Generalklausel Ermächtigungsqualität zuerkennt. Diese Kritik überzeugt allerdings nicht, da es im Bereich strafprozessualer Ermittlungen die generelle Notwendigkeit für eine Ermittlungsgeneralklausel gibt 307 . Diese Notwendigkeit folgt aus dem Umstand, dass die Methoden und Hilfsmittel der Verbrechensaufklärung vielfältig und einem ständigem Wandel unterworfen sind, weil neue Vorgehensweisen der Straftäter, neue Erkenntnisse der Kriminaltechnik und die Nutzbarmachung bisher unbekannter Technologien eine Anpassungsmöglichkeit in der Vorgehensweise und des Befugnisinstrumentariums bedingen. Eine Regelung aller möglichen oder denkbaren Maßnahmen zur Verbrechensaufklärung ist daher unmöglich und würde den Straftätern zudem weitreichende Einsichten in die Arbeitsweise der Strafverfolgungsbehörden geben. Eine Befugnisgeneralklausel ist daher notwendig, so dass § 1 6 1 1 StPO als mögliche Ermächtigungsnorm nicht generell ausscheidet.

4. §1611 StPO und das Recht auf informationelle

Selbstbestimmung

Fraglich ist allerdings, ob § 161 I StPO einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das beim Einsatz von V-Leuten berührt ist, rechtfertigen kann. Da dieses Grundrecht aus Art. 2 I, 1 I GG hergeleitet wird, findet die Schrankentrias des Art. 2 I GG Anwendung 308 . Einschlägig ist hier die verfassungsgemäße Ordnung als Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit. Darunter wird die verfassungsgemäße Rechtsordnung verstanden, d.h. die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell verfassungsgemäß sind 309 . 307 308 309

Hilgen NStZ 2000, 561, 564 („unverzichtbar"). BVerfGE 65, 1, 44; 78, 77, 85; 79, 256, 269. BVerfGE 6, 32, 37 f.; 63, 88, 108 f.; 80, 137, 153.

8 Ellbogen

1 1 4 2 . Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen Diese Schranke stellt daher im Ergebnis einen Gesetzes- bzw. Rechtsvorbehalt dar, der Eingriffe in dieses Grundrecht zu rechtfertigen vermag 310 . Darüber hinaus ist, wie oben dargelegt 311, die Sphärentheorie zu beachten mit der Folge, dass eine Schranke nur hinsichtlich der Privat- und Sozialsphäre zu prüfen ist. Eingriffe in den unantastbaren Kernbereich sind von vornherein unzulässig. § 161 I StPO vermag als Teil der verfassungsgemäßen Ordnung Eingriffe in Art. 2 I GG also grundsätzlich zu legitimieren. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vorschrift formell und materiell verfassungsgemäß ist. Die formelle Verfassungsmäßigkeit von § 161 I StPO steht dabei außer Frage 312 . Bedenken bestehen in materieller Hinsicht nur bezüglich der Bestimmtheit der Regelung.

a) Bestimmtheit des § 161 I StPO § 161 I StPO befugt seinem Wortlaut nach die Staatsanwaltschaft, Ermittlungen jeder Art vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen, um den Sachverhalt zu erforschen und so den Verdacht einer Straftat auszuräumen oder zu bestätigen. Der Einsatz von V-Leuten stellt eine operative Ermittlungsmaßnahme in einem speziellen Bereich der Kriminalität dar, der ansonsten nur schwer aufklärbar ist. Der Einsatz von V-Personen kann folglich unter § 161 I StPO subsumiert werden. Eine eindeutige gesetzliche Zustimmung zu dieser Vorgehensweise liegt hierin aber nicht. Es stellt sich daher die Frage, welche Anforderungen das Bestimmtheitsgebot insoweit stellt.

aa) Anforderungen des Bestimmtheitsgebots Wie oben bereits im Rahmen der Darstellung der Wesentlichkeitstheorie erwähnt 313 , muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Bestimmtheit einer Ermächtigungsnorm der Grundrechtsrelevanz der Maßnahme entsprechen, zu welcher ermächtigt wird. Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit ist insoweit die notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Vorbehalts des Gesetzes314. Hieraus folgt, dass je wesentlicher der grundrecht310 BVerfG, StV 1994, 295, 296; Jarass/Pieroth, Art. 2, 17; von Münch/Kunig, Kunig, Art. 2, 23. 311 § 5 I, 4 b, cc). 3.2 Für Art. 2 I GG gilt insbesondere das Zitiergebot des Art. 19 I 2 GG nicht, BVerfGE 28, 36, 46; Jarass/Pieroth, Art. 2, 45; Jarass, NJW 1989, 857, 861, so dass das Gesetz, trotz fehlender Zitierung des Art. 2 I GG als verletztem Grundrecht, formell verfassungsgemäß ist. 3.3 § 3 III. 314 BVerfGE 58, 257, 278.

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

115

liehe Bezug einer Maßnahme ist, desto bestimmter muss die normative Aussage des Gesetzgebers sein 315 . Greift die Regelung also erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, so werden höhere Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert. Bei der Frage der Bestimmtheit können Praxis und langjährige Ausformung der Regelung berücksichtigt werden. Relevant ist zudem, ob eine weitere inhaltliche Konkretisierung überhaupt möglich oder ob eine flexible Regelung von der Natur der Sache her erforderlich ist 316 . Die Verwendung auslegungsbedürftiger Generalklauseln oder unbestimmter Rechtsbegriffe ist deshalb grundsätzlich zulässig, wenn die Vielgestaltigkeit des Lebens sonst nicht berücksichtigt werden könnte 317 . So folgt z.B. die Zulässigkeit der Generalklausel im Polizei- und Ordnungsrecht aus dem Umstand, dass diese in jahrzehntelanger Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend präzisiert, in ihrer Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist 318 . In den Fällen, in denen sich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Maßnahme tatsächlich nur durch ausfüllungsbedürftige Normbegriffe und Generalklauseln umschreiben lassen, ist für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Bedeutung, wer über die Ausfüllung und Anwendung dieser Normen entscheidet und wie das Entscheidungsverfahren ausgestaltet ist. Generalklauseln erscheinen eher tragbar, wenn durch ein formalisiertes, gerichtlich kontrollierbares Verfahren sichergestellt wird, dass die wesentlichen Entscheidungsfaktoren geprüft und die mit der Norm angestrebten Ziele wirklich erreicht werden 319 .

bb) Bestimmtheit der Ermittlungsgeneralklausel Wie oben dargelegt 320, greift der Einsatz von V-Personen regelmäßig in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Er ist daher grundrechtsrelevant. Diese Form der verdeckten Informationsbeschaffung berührt das Grundrecht auch so wesentlich, dass nach der Wesentlichkeitstheorie hierfür eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist.

1.5

BVerfGE 45, 400, 418; 86, 288, 311. BVerfGE 58, 257, 278. 317 BVerfGE 4, 352, 357 f.; 11, 234, 237; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20, 34. 3,8 BVerfGE 54, 143, 144 f; 69, 315, 352; BVerwG, NJW 1990, 2765, 2767; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 493 f. Siehe auch Perschke, Die Zulässigkeit, S. 102. 319 BVerfGE 33, 303, 341; 44, 105, 116; 53,30, 75. 320 § 5 I, 5. 3.6

8*

116

2. Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen

Ein Kriterium für die Erforderlichkeit einer spezialgesetzlichen Ermächtigung statt einer Generalklausel ist nach dem Bundesverfassungsgericht die Erheblichkeit des Eingriffs in die Rechtsstellung des Beschuldigten321. Der Einsatz von V-Leuten könnte mit einer längerfristigen Observation vergleichbar sein, die ebenfalls in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingreift 322 und für die in § 163f StPO eine spezialgesetzliche Ermächtigung geschaffen wurde. Die langfristige Observation erfordert eine solche Ermächtigung, weil die Gefahr besteht, dass ein nahezu lückenloses Bewegungs- und Kontaktbild des Betroffenen ermittelt wird und dies zu erheblichen Veränderungen im Sozial verhalten des Bürgers führen kann 323 . Aufgrund der Heimlichkeit des Vorgehens weiß der Bürger nicht mehr, welche Daten in welchem Umfang über ihn erhoben werden. Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ist deshalb so erheblich, dass die Eingriffsvoraussetzungen sowie Dauer und Umfang dieser Maßnahme eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfordern. Der Einsatz von V-Leuten greift dagegen nicht derart stark in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, da nur punktuell Daten über den Betroffenen erhoben werden und darüber hinaus dieser die Informationen sogar bewusst und freiwillig preisgibt. Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht durch den Einsatz von V-Personen erfordert folglich keine spezialgesetzliche Ermächtigungsnorm. Der Einsatz von V-Leuten findet seine Ermächtigung deshalb in der Ermittlungsgeneralklausel des § 161 I StPO. Diese genügt dem Bestimmtheitsgebot zum einem, weil es seit Jahren eine gefestigte Praxis hinsichtlich der Einsatzvoraussetzungen von V-Leuten gibt. Zum anderen ist § 161 I StPO auch deshalb als Ermächtigungsgrundlage geeignet, weil über das Ob und Wie des Einsatzes der V-Personen die Staatsanwaltschaft entscheidet. Die Anordnung eines solchen Einsatzes durch die Polizei bei Gefahr in Verzug kommt nicht in Betracht, denn ein solcher Einsatz erfordert stets umfangreiche Vorbereitungen zur Sicherung und Überwachung der V-Person 324 . Die Ungenauigkeit der Ermächtigungsnorm wird folglich durch die Begrenztheit der zur Anwendung Befugten abgemildert. Außerdem erfolgt eine mittelbare gerichtliche Überprüfung des Einsatzes, wenn das erkennende Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung über die Zulässigkeit eines V-Mann-Einsatzes befindet. Es existiert folglich ein gerichtlich kontrollierbares Verfahren, in dem die wesentlichen Einsatzvoraussetzungen überprüft werden.

321 322

.

323 124

Siehe oben § 6 VI, 4 a, aa). BT-Drs. 14/1484, S. 16; Hefendehl, StV 2000, 270, 276; SKStPO Wolter, § 163f, SKStPO Wolter, § 163f, 3. Ähnlich Hefendehl, StV 2000, 270, 276. Siehe auch oben § 6 VI, 1.

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

117

Gegen das Erfordernis einer ausdrücklichen Regelung der Verwendung von V-Leuten und Informanten spricht zudem, dass praktisch jede strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme in den Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts eingreift 325 . Das gilt auch für Maßnahmen, die unzweifelhaft auf § 161 I StPO gestützt werden können, z.B. das ungezielte Sammeln von Informationen, das Befragen der Tatzeugen, der Nachbarn des Opfers oder auch des Tatverdächtigen sowie das allgemeine Beobachten des Tagesablaufes des Beschuldigten. Diese Ermittlungshandlungen greifen zwar in die Datensphäre des Beschuldigten ein, die generalklauselartige Ermächtigung des § 161 I StPO gestattet sie aber. Das Bestimmtheitsgebot wird dadurch nicht verletzt, weil eine genauere und konkretere Beschreibung dieser Maßnahmen kaum möglich, aber auch nicht notwendig ist, da der Gesetzgeber die Strafverfolgungsbehörden durch §§ 161, 163 StPO in den Stand setzen wollte, ihrem Ermittlungsauftrag nachzukommen. Zum Teil wird darüber hinaus sogar argumentiert, dass im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Fortentwicklung kriminalistischer Methoden und die notwendige Kreativität zur Gewinnung von Ermittlungsansätzen generell eine eher offene Fassung von Eingriffsnormen nahelege326. Diese Aussage darf allerdings nicht so verstanden werden, dass die Voraussetzungen der Maßnahmen, die auf § 161 StPO gestützt werden können, frei und willkürlich bestimmt werden könnten. Für den Einsatz von V-Personen besteht jedenfalls eine langjährige Praxis, deren inhaltliche Konkretisierung und Ausgestaltung z.B. in den polizeilichen Landesgesetzen zur Regelung dieser Maßnahme ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden hat 327 . Bei der Anordnung dieser Maßnahme müssen diese in der Praxis herausgebildeten Voraussetzungen beachtet werden. Trotz der Ermächtigung durch eine Generalklausel sind die Voraussetzungen für den Einsatz von V-Leuten daher nicht offen oder willkürlich bestimmbar. Deshalb ist die Ermächtigung zu dieser Maßnahme durch eine Generalklausel hinnehmbar 328 .

b) Beachtung der Wesensgehaltsgarantie und der Verhältnismäßigkeit Die legitimen Interessen der Allgemeinheit, hier also das staatliche Strafverfolgungsinteresse, können einen Eingriff in Grundrechte des Beschuldigten einschließlich seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aber grundsätzlich nur dann rechtfertigen, wenn der durch Art. 19 II GG garantierte We325 326 327 328

So auch Creutz, ZRP 1988, 415, 416. Marterisen, JuS 1999, 433, 435; Soiné, KR 2001, 245. Z.B. § 34 PolG BRB. Vgl. oben § 6 VI, 4 a, aa).

1 1 8 2 . Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen sensgehalt des Grundrechts nicht angetastet und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wird 3 2 9 . Einen absoluten Vorrang der Grundrechte vor dem Strafverfolgungsinteresse gibt es jedoch nicht. Grundrechtsbeschränkungen zu Gunsten der Strafverfolgung sind vielmehr zulässig, wenn sie für diese zweifelsfrei notwendig sind 330 . Das Strafverfolgungsinteresse muss dann den grundrechtlich geschützten Freiheitsanspruch wesentlich überwiegen 331.

aa) Wesensgehalt Wie bereits ausgeführt 332, ist dem Einzelnen eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungsmäßig vorbehalten. Es besteht ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit, welcher der Einwirkung der öffentlichen Gewalt insgesamt entzogen ist 333 . Dieser unantastbare Kernbereich setzt ein Minimum an Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen voraus und bedingt zumindest teilweise die Selbstbestimmung des Bürgers darüber, welche ihn betreffende Informationen in welchen Teil seiner sozialen Umwelt gelangen. Nur wer das Wissen seiner möglichen Kommunikationspartner in etwa abschätzen kann, ist in der Lage, künftige Handlungen aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden334. Teilweise wird dieser Kernbereich aus der Menschenwürde des Einzelnen hergeleitet, die es gebiete, dem Bürger einen letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung zu belassen335. Das Bundesverfassungsgericht entnimmt diesen Kernbereich der Garantie des Wesensgehalts der Grundrechte 336. Durch die Annahme eines unantastbaren Kernbereichs des Betroffenen wird dem Wesensgehalt des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung hinreichend Geltung verschafft. Wie bereits dargelegt 337 , sind Eingriffe in diesen Kernbereich unzulässig und nicht legitimierbar.

329

BVerfG, NStZ 1996, 45. Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 52; SKStPO Wolter, vor § 151, 34. 331 BVerfGE 51, 324, 346; Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 53; SKStPO Wolter, vor § 151,34. 332 § 5 I, 4 c. 333 BVerfGE 6, 32, 41. Vgl. AKGG Podlech, Art. 2 I, 44. 334 AKGG Podlech, Art. 2 I, 44. 335 Sachs Murswiek, Art. 2, 106. 336 BVerfGE 80, 367, 373. 337 § 5 I, 4 d, dd). 330

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

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bb) Verhältnismäßigkeit Der Einsatz von V-Leuten muss ein verhältnismäßiges Mittel zur Aufklärung der konkreten Straftat sein. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip folgt aus Art. 1 GG, dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Wesen der Grundrechte selbst338. Es ist ein mit Verfassungsrang ausgestatteter Grundsatz, nach dem Grundrechtsbeeinträchtigungen nur zulässig sind, wenn sie zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind und die gewählten Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen339. Verhältnismäßig ist eine Maßnahme daher, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen, d.h. proportional bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne ist.

(1) Eignung Geeignet ist ein Mittel, wenn es nicht offensichtlich unbrauchbar ist, den erstrebten Zweck, hier die Aufklärung einer bestimmten Straftat, zu fordern. Teilweise werden Bedenken gegenüber der Zuverlässigkeit und Loyalität bestimmter V-Männer vorgebracht und die Vermutung geäußert, diese würden gegebenenfalls Beweismaterial auch dort liefern, wo keines vorhanden sei 340 . Dies kann im Einzelfall zutreffend sein, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Tauglichkeit dieser Methode der Verbrechensaufklärung zur Erlangung von Informationen und Beweismitteln.

(2) Erforderlichkeit Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn sie das mildeste Mittel zur Zweckerreichung darstellt, d.h. bei gleicher Eignung mehrerer Maßnahmen den Betroffenen am wenigsten belastet. Im Strafprozessrecht ist es schwierig festzustellen, welche Maßnahmen den Beschuldigten im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung weniger oder stärker belasten. Offene Ermittlungsmethoden haben den Vorteil, dass der Beschuldigte sein Verteidigungsverhalten auf sie einrichten kann und Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen. Andererseits haben solche offenen Methoden aber in gewissem Umfang stigmatisierende Wirkungen, die auch über die Beendigung des Ermittlungsverfahrens hinausreichen können. Verdeckte Methoden der Informationsbeschaffung belasten in dieser Hinsicht den Beschuldigten weniger. Da der Betroffene diese Maßnahmen nicht bewusst wahr318 BVerfGE 19, 342, 348 f.; 76, 1, 50 f.; BVerfG, StV 1994, 295, 296; SKStPO Wolter, vor § 151,34. 339 BVerfGE 35, 382, 401. 340 So etwa Eisenberg, NJW 1993, 1033, 1036; Schoreit, MDR 1992, 1013, 1015.

1 2 0 2 . Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen nimmt, kann er Rechtsschutzmöglichkeiten allerdings nur in Anspruch nehmen, wenn er später über die Durchführung informiert wird. Die Vor- und Nachteile verdeckter und offener Ermittlungsmaßnahmen halten sich folglich die Waage. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen stellen daher hur dann das mildeste Mittel zur Aufklärung von Straftaten dar, wenn andere kriminaltaktische Erkenntnismöglichkeiten keinen oder nur geringen Erfolg versprechen und ohne den Einsatz von V-Personen die Ermittlungen wesentlich erschwert wären. Der Einsatz von V-Leuten wird in der Praxis regelmäßig - auch wegen des logistischen und finanziellen Aufwandes - ohnehin nur dann angeordnet, wenn normale strafprozessuale Erkenntnismethoden wenig Erfolg versprechen oder aussichtslos sind. Wie oben bereits dargestellt 341, sind gerade im Bereich der Organisierten Kriminalität Verbrechensstrukturen vorhanden, die oft den Einsatz von V-Leuten und Informanten erfordern, um überhaupt verfahrensrelevante Informationen beschaffen zu können. Im Einsatzbereich von V-Leuten gibt es daher häufig keine milderen, gleich geeigneten Mittel zur Verbrechensaufklärung. Ihr Einsatz ist dann erforderlich.

(3) Angemessenheit Grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahmen müssen zudem angemessen sein. Dies ist der Fall, wenn das zu schützende Rechtsgut das beeinträchtigte Rechtsgut bzw. Grundrecht überwiegt. Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen der Schwere der Maßnahme und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe darf die Grenze der Zumutbarkeit für den Betroffenen nicht überschritten werden 342 . Die Maßnahme darf diesen nicht. übermäßig belasten, sog. Übermaßverbot. Wie bereits oben ausgeführt 343, muss beim Einsatz von privaten V-Leuten das staatliche StrafVerfolgungsinteresse den Anspruch des Beschuldigten auf Wahrung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sogar wesentlich überwiegen, um eine Grundrechtsbeschränkung legitimieren zu können. Auch muss berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber zwar Generalklauseln verwenden darf 344 , die Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm aber von der Intensität der Auswirkungen der Regelung für den Betroffenen abhängen. Je schwerwiegender diese Auswirkungen sind, desto strengere Anforderungen sind an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen 345 .

341 342 343 344 345

§ 1 II. BVerfGE 30, 292, 316; 81, 70, 92; BVerfG, StV 1994, 295, 296. § 6 VI, 4 b). Vgl. BVerfGE 8, 274, 326; 13, 153, 161; 48, 210, 222. BVerfGE 56, 1, 13; Dreier GG, Schulze-Fielitz, Art. 20 (R), Rdnr. 123.

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

121

Bei der Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Ermittlungsgeneralklausel muss berücksichtigt werden, dass die Strafverfolgungsbehörden durch § 161 I StPO in den Stand gesetzt werden sollen, ihren aus dem Legalitätsprinzip folgenden Ermittlungsauftrag zu erfüllen. Die wirksame Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung sowie die möglichst vollständige Wahrheitsermittlung im Strafprozess zur Überführung von Straftätern bzw. zur Entlastung Unschuldiger sind wesentliche Aufträge des staatlichen Gemeinwesens an die Strafverfolgungsbehörden 346 und sprechen in diesem Zusammenhang für eine hinreichende Bestimmtheit des § 161 I StPO. Bei der Einräumung staatlicher Ermittlungsbefugnisse muss zudem beachtet werden, dass die dem zugrunde liegende sog. Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 I I I GG hergeleitet wird 3 4 7 und Verfassungsrang hat 348 , denn der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn sichergestellt ist, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden 349 . Dieser staatliche Ermittlungsauftrag ist ohne Verletzung der Informationssphäre des Beschuldigten nicht durchführbar 350. Der Einsatz von V-Leuten hat zwar einerseits aufgrund des nicht unerheblichen Täuschungsfaktors keinen Bagatell-Charakter, er erreicht andererseits aber auch noch nicht die Intensität, welche die gesetzlich geregelten Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung aufweisen. Für schwerwiegende Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie die Rasterfahndung, längerfristige Observation oder molekulargenetische Untersuchungen, waren spezialgesetzliche Ermächtigungen notwendig, weil durch diese Maßnahmen das Grundrecht stärker beeinträchtigt wird, als es üblicherweise für das Strafverfahren notwendig ist. Diese gesetzlich geregelten Eingriffsmöglichkeiten erlauben es dem Staat, Daten des Betroffenen in einem Umfang und einer Intensität zu sammeln, die geeignet sind, dessen Persönlichkeit zumindest teilweise offen zu legen. Die Befragung des Betroffenen durch eine V-Person führt nicht zu solchen Konsequenzen, da nur punktuell Kenntnisse erlangt werden. Aus dem Umstand, dass die Informationen freiwillig durch den Betroffenen preisgegeben werden, kann zudem gefolgert werden, dass die Grundrechtsbelastung nicht schwerwiegend ist. Darüber hinaus sind die Straftaten, die durch den Einsatz von V-Leuten aufgeklärt werden, in der Regel Verbrechen im Sinne des § 121 StGB, sie gehören jedenfalls der mittleren bis schweren Kriminalität an. Das staatliche Interesse 346

BVerfGE 34, 238, 248 f.; 77, 65, 76; 80, 367, 375. Hassemer, StV 1982, 275, 276 f.; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242, 1246; Vogel, WW 1978, 1217, 1218. 348 BVerfGE 33, 367, 383; 51, 324, 344 f.; OLG Frankfurt, StV 1995, 349, 350. 349 BVerfGE 46, 214, 222; Soiné, NStZ 2003, 225, 229. 350 Lesch, JA 2000, 725, 727 f. 347

1 2 2 2 . Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen an der Verfolgung dieser Straftaten ist sehr hoch, da u.a. die durch die Organisierte Kriminalität erzielten Gewinne in die Wirtschaft reinvestiert (gewaschen) werden und gezielt immense wirtschaftliche und letztlich auch politische Macht usurpiert wird 3 5 1 . Zudem ist die Organisierte Kriminalität gefährlich, weil sie mit Begleit-, Beschaffungs- und Folgekriminalität verbunden ist 352 . Die Auswirkungen dieser Kriminalitätsform sind daher besonders sozialschädlich. In den Fällen der Aufklärung von Straftaten der Organisierten Kriminalität durch den Einsatz von V-Leuten überwiegt folglich das Interesse des Staates an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege das Interesse des Betroffenen an der Wahrung seiner informationellen Selbstbestimmung wesentlich. Der Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung mittlerer und schwerer Kriminalität ist daher angemessen oder verhältnismäßig im engeren Sinne.

c) Zwischenergebnis Die Ermittlungsgeneralklausel des § 161 I StPO ist nach alledem formell und materiell verfassungsgemäß und genügt hinsichtlich des repressiven Einsatzes von V-Leuten dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Vorschrift ist insbesondere fur den Einsatz von V-Leuten auch inhaltlich bestimmt genug, da im Zusammenspiel mit den ausdrücklich gesetzlich geregelten Informationseingriffen und der inhaltlichen Konkretisierung durch die Praxis das strafprozessual erlaubte Handeln hinreichend klar erkennbar und abgrenzbar ist. Zum Teil wird dies mit dem Argument bestritten, § 161 I StPO sei eine reine Aufgabenzuweisungsnorm ohne Ermächtigungscharakter und könne darum den Einsatz von V-Leuten nicht legitimieren 353 . Diese Begründung ist jedoch durch die gesetzliche Neufassung im Jahre 2000 hinfallig geworden 354. § 161 I StPO ist somit Schranke im Sinne des Art. 2 I GG und kann als Ermächtigungsgrundlage Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung legitimie-

351

Lammer, Verdeckte Ermittlungen, S. 42; Schwind in Schwind/Steinhilper/Kube, Organisierte Kriminalität, S. 18. 352 H. J. Schneider, Jura 1984, 169, 176 f. 353 Endriß/Kinzig, StraFo 1998, 299, 301. Ähnlich LR Rieß, § 160, 7, der in § 161 I StPO auch keine Ermächtigungsgrundlage sieht, aber eine solche bei Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht für erforderlich hält. 354 Siehe oben § 6 I. 355 Im Ergebnis ebenso Lesch, JA 2000, 725, 727 f.

§ 6 Ermächtigungsgrundlage

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5. Einsatz von V-Leuten und Art 131 GG Der Einsatz von V-Leuten verletzt allerdings das Grundrecht aus Art. 13 I GG, wenn der V-Mann der Zielperson vorspiegelt, es bestehe eine Zugangsberechtigung fur ihn und die Zielperson müsse darum das Betreten der Wohnung dulden, da dann kein Einverständnis des Grundrechtsträgers in die Wohnungsbetretung vorliegt 356 . Fraglich ist, ob § 161 I StPO für diesen Eingriff in Art. 13 1 GG eine tragfähige Rechtsgrundlage bildet. Art. 13 I GG kann unter den Voraussetzungen der Absätze 2 bis 7 eingeschränkt werden, zudem ist das Zitiergebot des Art. 1912 GG zu beachten. Der Einsatz von V-Leuten zur Verbrechensaufklärung stellt keine Durchsuchung im Sinne von Art. 13 I I GG dar, weil darunter das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe in einer Wohnung zu verstehen ist, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will, d.h. etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften 357 . Durchsuchungen sind in erster Linie durch die Offenheit des staatlichen Handelns gekennzeichnet 358 . Dies wird zum Teil mit dem Argument bestritten, dass die Durchsuchung auch in Abwesenheit des Beschuldigten stattfinden könne 359 . Dabei wird jedoch übersehen, dass - wie aus §§105 II, 106 StPO folgt - bei Abwesenheit des Beschuldigten versucht werden muss, die Öffentlichkeit durch Hinzuziehung Dritter zu wahren, und daher von der Ausnahme nicht auf die Regel geschlossen werden kann. Das Betreten der Wohnung durch eine V-Person kann folglich nicht als Durchsuchung bezeichnet werden. Art. 13 III GG kommt als Schranke ebenfalls nicht in Betracht, da dieser nur den Einsatz technischer Mittel zur Verbrechensaufklärung gestattet. Die Absätze 4 und 5 sind ebenfalls untauglich, einen solchen Eingriff zu legitimieren, da sie den Bereich des Einsatzes technischer Mittel zur Gefahrenabwehr regeln. Selbst wenn Art. 13 I GG auch außerhalb der Voraussetzungen der Absätze 2 bis 7 einschränkbar wäre, so würde durch den Einsatz von V-Leuten auf Grundlage des § 161 I StPO das Zitiergebot des Art. 19 I 2 GG verletzt, da bei der Einführung von § 161 I StPO n.F. Art. 13 I GG nicht als verletztes Grundrecht zitiert wurde. Verstößt ein Gesetz, welches ein Grundrecht verletzt, gegen das Zitiergebot, so ist es nichtig 360 . Zur Vermeidung dieser Nichtigkeitsfolge wäre § 161 I StPO verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Einsatz von

356 157 358 359 360

§ 5 IV, 5. BVerfGE 51, 97, 106 f.; BVerwG 47, 31, 37. Eisenberg, NJW 1993, 1033, 1038; Wolter, StV 1989, 358, 364. Perschke, Die Zulässigkeit, S. 74. BVerfGE 5, 13, 15f.; Jarass/Pieroth, Art. 19, 2; M/D Herzog, Art. 19 I, 60.

1 2 4 2 . Teil: Ermächtigungsgrundlage f r den Einsatz von V-Personen V-Leuten verbunden mit der Täuschung, dass eine Zutrittserlaubnis besteht, unzulässig ist.

V I I . Ergebnis Die Ermittlungsgeneralklausel des § 161 I StPO stellt somit eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten zum Zwecke der Strafverfolgung dar 361 . Die hiermit verbundenen Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung können durch das staatliche Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung gerechtfertigt werden. Unzulässig ist jedoch der Einsatz von V-Personen zur Informationsgewinnung innerhalb des unantastbaren Kernbereichs dieses Grundrechts, gegenüber Unverdächtigen sowie das Benutzen einer Täuschung, welche eine Wohnungszutrittsberechtigung vorspiegelt.

361

BGH, NStZ 1995, 513; Burghard, KR 1993, 683, 686; Jähnke, Odersky FS, S. 427, 430; Krey, Kohlmann FS, S. 627, 649; Lesch, JA 2000, 725, 727; MeyerGoßner, § 163, 34a; Ostendorf KR 1985, 409; Rebmann, NJW 1985, 1,3.

Dritter Teil

Der Schutz von V-Personen und Informanten Mit § 161 I StPO ist somit eine gesetzliche Grundlage für die Heranziehung von Privatpersonen zur Aufklärung von Straftaten vorhanden. Nicht geklärt ist damit allerdings, ob und unter welchen Voraussetzungen die StrafVerfolgungsbehörden V-Leuten und Informanten zu deren Schutz Vertraulichkeit zusichern dürfen, wer für eine solche Vertraulichkeitszusage zuständig ist und welche konkreten Möglichkeiten bestehen, den zugesicherten Schutz im Strafverfahren auch tatsächlich durchzusetzen.

§ 7 Vertraulichkeitszusage V-Leute und Informanten sind häufig nur dann bereit, weisungsgemäß zu ermitteln oder Informationen an die Strafverfolgungsorganen weiterzugeben, wenn ihnen Vertraulichkeit, d.h. die Geheimhaltung ihrer Identität zugesichert wird 1 . Die Vertraulichkeitszusage ist daher oft notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Privatpersonen und den Strafverfolgungsbehörden 2. Bei erfolgreicher Umsetzung dieser Zusage erscheint die Privatperson nur als anonyme Quelle in den Strafakten, eine Vernehmung vor Gericht ist deshalb in der Regel ausgeschlossen, weil die Person nicht als Zeuge benannt werden kann. Fordert das Gericht die Staatsanwaltschaft auf, die Identität und Anschrift eines derart geschützten Zeugen bekannt zu geben, wird häufig unter Bezugnahme auf die erteilte Vertraulichkeitszusage eine Sperrerklärung nach § 96 StPO (analog) abgegeben oder den involvierten Beamten eine Aussagegenehmigung gemäß § 54 StPO vollständig bzw. teilweise versagt 3. Beide Möglichkeiten setzen die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Vertraulichkeitszusage voraus.

1

OVG Münster, DÖV 1963, 390, 391; VGH München, NJW 1980, 198, 199. Kay, Die Polizei 1982, 33, 36; Plonka, Die Polizei 1975, 80, 81; Rebmann, NJW 1985, 1, 5; von Zwehl, V-Leute, S. 36. 3 Siehe dazu unten §§8 und 9. 2

126

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten I. Notwendigkeit für eine Vertraulichkeitszusage

V-Personen und Informanten haben verschiedene Gründe dafür, auf einer Vertraulichkeitszusage zu bestehen. Im Falle einer Enttarnung, also dem Bekanntwerden der Identität oder der Aufdeckung ihrer Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, können der V-Person oder ihr nahestehenden Personen verschiedene Gefahren bis hin zum Tod drohen 4. Die Existenz der eingesetzten V-Person kann durch das Bekanntwerden dieser Umstände derart gefährdet sein, dass ein Weiterleben im bisherigen Umfeld unmöglich wird. Weitere mögliche Folgen sind, dass die betreffende Person künftig von ihrem Umfeld „geschnitten" wird und darum keine Arbeit oder Informationen mehr erhält.

II. Rechtsgrundlage der Vertraulichkeitszusage Die Geheimhaltung der Identität der V-Person bzw. des Informanten durch Sperrerklärungen oder die Beschränkung oder Versagung einer Aussagegenehmigung schränkt die gerichtliche Beweiserhebung nicht unerheblich ein. Fraglich ist daher, ob es für die Vertraulichkeitszusage eine Rechtsgrundlage gibt, die einen solchen Eingriff in die gerichtliche Wahrheitsfindung legitimieren kann.

1. Rechtsnatur der Zusage Ihrer Rechtsnatur nach handelt es sich bei einer Vertraulichkeitszusage um eine Zusicherung im Sinne von § 38 I VwVfG 5 . Die Zusage, die Identität der Privatperson geheimzuhalten, ist nämlich auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet. Sowohl die Abgabe einer Sperrerklärung nach § 96 StPO als auch die Verweigerung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung gemäß § 54 StPO sind Verwaltungsakte im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG 6 .

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Krüger, Die Polizei 1982, 97, 98 f.; Plonka, Die Polizei 1975, 80. SKStPO Rogali , vor § 48, 87. A.A. von Zwehl, V-Leute, S. 49, der nicht erkennt, dass die Strafverfolgungsbehörden ihre Vertraulichkeitszusage nur durch Verwaltungsakte umsetzen können. 6 Siehe zur Qualifikation als Verwaltungsakt unten die Nachweise: § 8 VIII, 2 (fur die Sperrerklärung) und § 9 V, 2 (für die Aussagegenehmigung). 5

§ 7 Vertraulichkeitszusage

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2. §§ 54, 96 StPO als Rechtsgrundlagen einer Vertraulichkeitszusage Die Zusicherung ist eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung 7. Sie stellt die verbindliche Selbstverpflichtung der Behörde dar, künftig einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen bzw. nicht zu erlassen8. Die Behörde darf eine Zusicherung immer dann geben, wenn sie zum Erlass eines Verwaltungsaktes gleichen oder ähnlichen Inhalts ermächtigt ist9. §§ 54, 96 StPO berechtigen die Strafverfolgungsbehörden, im Strafverfahren bestimmte Verwaltungsakte zum Schutz von Amtsgeheimnissen zu erlassen. Hieraus folgt die Berechtigung, entsprechende Zusicherungen fur die Vertraulichkeit und Geheimhaltung der Identität von V-Personen oder Informanten abzugeben10. § 161 I StPO scheidet dagegen als Rechtsgrundlage für die Erteilung von Zusicherungen aus. Die Ermittlungsgeneralklausel stellt zwar - wie oben geprüft 11 - die Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Personen und Informanten im Strafverfahren dar, diese Ermächtigung entfaltet jedoch nur für diese Ermittlungsmaßnahmen selbst Wirksamkeit. Auch wenn der Einsatz von V-Personen und Informanten häufig nur Zustande kommt, wenn zuvor eine Vertraulichkeitszusage gegeben wurde, handelt es sich bei der Zusicherung selbst nicht um eine Ermittlungsmaßnahme. Die Vertraulichkeitszusage bezieht sich vielmehr auf das spätere gerichtliche Verfahren, so dass §§ 54, 96 StPO einschlägig sind.

I I I . Voraussetzungen einer Vertraulichkeitszusage 1. Generelle Voraussetzungen Aus der Rechtsnatur der Zusicherung folgt, dass eine Vertraulichkeitszusage nur abgegeben werden darf, wenn die Voraussetzungen des zugesagten Verwaltungsaktes - also Sperrerklärung bzw. Verweigerung oder Beschränkung der Aussagegenehmigung - vorliegen. Auf die speziellen Voraussetzungen der §§ 54, 96 StPO wird später noch einzugehen sein 12 , generell sind an die Abgabe von Vertraulichkeitszusagen aber strenge Anforderungen zu stellen, denn eine solche Zusicherung schränkt die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung und die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ein. Zudem werden durch die Ge-

7

Stelkens/Bonk/Sachs Stelkens, VwVfG, § 38, la; öle/Laubinger, § 49, 4. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 38, 7; Obermeyer, VwVfG, § 38, 2. 9 Stelkens/Bonk/Sachs Stelkens, VwVfG, § 38, 12. 10 SKStPO Rogali , vor § 48, 87. So auch BT-Drs. 12/989, S. 34. " §6 VII. 12 Siehe unten § 8 IV, § 9 III.

8

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

heimhaltung der Identität des V-Mannes die Verteidigungsmöglichkeiten des Beschuldigten nachhaltig berührt, selbst wenn hierin kein Verstoß gegen das fair-trial-Prinzip liegt 13 . Nr. 3.1 lit. a - c RiStBV/D bestimmt daher, dass eine Vertraulichkeitszusage im Bereich der Schwerstkriminalität generell zulässig ist, im Bereich der mittleren Kriminalität dagegen nur ausnahmsweise, wenn durch massenhaftes Auftreten gleichartiger Straftaten ein die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder die Allgemeinheit ernsthaft gefährdender Schaden eintreten kann. Im Bereich der Bagatellkriminalität kommt der Einsatz von V-Leuten und damit die Zusicherung der Vertraulichkeit hingegen nicht in Betracht. Diese etwas pauschalen Beurteilungskriterien müssen am jeweiligen Einzelfall näher konkretisiert werden. Die Zulässigkeit des strafprozessualen Einsatzes von V-Personen und damit einer Vertraulichkeitszusage kann sich z.B. daraus ergeben, dass voraussichtlich keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen werden oder sonstige Aufklärungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind. Gegen eine Zulässigkeit können die geringe Bedeutung der zu verfolgenden Straftat oder die Erwartung einer nur geringen Strafe im konkreten Fall sprechen.

2. Andere Schutzmöglichkeiten für die V-Person bzw. den Informanten Eine Vertraulichkeitszusage ist nur dann zulässig, wenn der V-Person im Falle einer Enttarnung tatsächlich Gefahren oder Nachteile drohen, welche allein durch eine solche Zusicherung abgewendet werden können. Da der Informant bzw. die V-Person im Strafverfahren grundsätzlich als Zeuge zu qualifizieren ist, kann die Notwendigkeit einer Vertraulichkeitszusage entfallen, wenn der nach dem Strafverfahrensrecht mögliche Zeugenschutz den Ausfall der betreffenden V-Person oder des Informanten als Zeuge in der Hauptverhandlung verhindern kann. Wie unten zu zeigen sein wird 14 , gibt es vielfaltige Möglichkeiten, den Informanten bzw. die V-Person zu vernehmen und gleichwohl ihren Schutz zu gewährleisten. Zu denken ist dabei insbesondere an die Möglichkeiten der Geheimhaltung der Identität des Zeugen nach § 68 StPO, den Zeugen mittels Videotechnik an einem anderen Ort zu vernehmen 15 (§ 247a StPO), die Öffentlichkeit und den Angeklagten von der Vernehmung auszuschließen (§ 172 GVG, § 247 StPO) oder den Zeugen kommissarisch durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernehmen zu lassen (§ 223 StPO). Bei einer kumulativen Anwendung der Zeugenschutzmöglichkeiten wird es häufig möglich sein, den Zeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen und

" §4 IV. 14 § 10 II. 15 Siehe hierzu Wattenberg, StV 2000, 688, 695 f.

§ 7 Vertraulichkeitszusage.

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gleichzeitig seine Sicherheit zu gewährleisten 16. Ist bei Beginn der Ermittlungen absehbar, dass diese Schutzmöglichkeiten für die V-Person oder den Informanten ausreichen, ist eine Vertraulichkeitszusage unzulässig.

3. Besonderheiten bei Informanten Informanten sind in der Regel Personen, die zufällig eine Straftat beobachtet, ein Gespräch mitgehört oder sonst Informationen in Erfahrung gebracht haben. Sie haben meist keinen direkten Kontakt zum Täterkreis. Unter diesen Umständen ist eine Gefahrdung des Informanten durch eine Enttarnung häufig wesentlich geringer, als dies bei V-Personen der Fall ist. Eine Vertraulichkeitszusage ist aus diesem Grund nicht selten entbehrlich. Dennoch sind potentielle Informanten überwiegend nur gegen Zusicherung der Vertraulichkeit bereit, Informationen zu geben. Generell ist bei einer Zusicherung gegenüber Informanten aber die gesetzliche Wertung zu beachten, dass alle Personen, die Kenntnisse über eine Straftat besitzen, diese, notfalls gemäß § 70 StPO unter Anwendung von Beugemitteln, offenbaren müssen. Nr. 3.3 RiStBV/D legt daher zutreffend fest, dass einem Informanten Vertraulichkeit nur zugesichert werden darf, wenn dieser bei Enttarnung erheblich gefährdet wäre oder unzumutbare Nachteile zu erwarten hätte. Bestehen insbesondere für Informanten, die direkte Tatzeugen sind, im Einzelfall effektive Schutzmöglichkeiten nach dem Strafverfahrensrecht, scheidet eine Vertraulichkeitszusage daher aus17.

4. Pauschale Vertraulichkeitszusagen Eine Vertraulichkeitszusage, die blanko und ohne nähere Prüfung des Sachverhalts abgegeben wurde, weil sonst der Informant bzw. die V-Person nicht mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten oder in der Hauptverhandlung aussagen würde, ist anhand dieser Maßstäbe grundsätzlich rechtswidrig 18 . In Verfahren zur Aufklärung besonders aufsehenerregender Straftaten wird aber potentiellen Anzeigeerstattern (also Informanten) häufig pauschal die Vertraulichkeit zugesichert. Der BGH hat diese Praxis grundsätzlich für zulässig erklärt, da sonst die Polizei eines wichtigen Hilfsmittels zur Aufklärung von Straftaten beraubt würde 19 . Nach einer Auffassung sollte jedoch der „ausufernde Gebrauch" von Vertraulichkeitszusagen ohne konkrete Gefährdung der 16

Vgl. unten § 10 II, 11. Körner, BtMG, Scherp, § 31, 124. 18 Körner, BtMG, Scherp, § 31, 124; J. Meier, ZStW 95 (1983), 834, 842. 19 BGH, MDR/D 1952, 659. So auch VGH München, NJW 1980, 198, 199. Zustimmend Meyer-Goßner, § 158, 16. 17

9 Ellbogen

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Wissenszuträger eingeschränkt werden 20. Die in Fernsehsendungen wie „Aktenzeichen X, Y ... ungelöst" oder in Fahndungsaufrufen häufig benutzte Floskel „Sachdienliche Hinweise werden auf Wunsch vertraulich behandelt" sollte nach dieser Ansicht nur noch in „relativierter" Form Anwendung finden, etwa mit dem Hinweis, dass eine Geheimhaltung nur im Falle einer Gefährdung des Zeugen erfolge. Gegen eine Relativierung der Zusicherung der Vertraulichkeit spricht allerdings, dass diese kaum möglich ist, ohne gleichzeitig den Zweck des Aufrufes zu gefährden, nämlich Zeugen zu finden, die ohne einen solchen Anstoß nicht mit den Strafverfolgungsorganen zusammenarbeiten würden. Andererseits bedeutet die Auffassung des BGH eine Tolerierung rechtswidrigen Verhaltens, mit erheblichen Einschränkungen der gerichtlichen Wahrheitsfindung. Auch in aufsehenerregenden Kriminalfällen darf daher - wie in „normalen" Strafsachen - eine Vertraulichkeitszusage nur abgegeben werden, wenn dem Zeugen, Informanten oder V-Mann nach einer Offenbarung ihrer Identität tatsächlich Gefahren drohen, denen nur mittels Vertraulichkeitszusage begegnet werden kann. Die Zusicherung der Vertraulichkeit in einem Aufruf ist folglich zulässig, es muss aber zugleich deutlich gemacht werden, dass die Zusicherung tatsächlich nur erteilt wird, wenn die Voraussetzungen der §§ 54, 96 StPO vorliegen.

IV. Zuständigkeit für die Vertraulichkeitszusage /. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wie oben dargestellt 21, handelt es sich bei der Vertraulichkeitszusage um eine Zusicherung im Sinne des § 38 I VwVfG. Die Zusicherung stellt nach h.M. 22 einen Verwaltungsakt dar. Nach § 44 II Nr. 3 VwVfG muss ein Verwaltungsakt von der dafür zuständigen Behörde erlassen werden, da er sonst nichtig ist. Im repressiven Bereich folgt aus § 161 I StPO, dass die Zuständigkeit für die Erteilung einer Vertraulichkeitszusage gegenüber einer V-Person bzw. einem Informanten bei der Staatsanwaltschaft liegt, da diese die Verfahrensherrschaft für das Ermittlungsverfahren inne hat 23 , und nur sie die notwendigen Verwaltungsakte zur Geheimhaltung der Identität eines V-Mannes bzw. Informanten 20

Körner, BtMG, Scherp, § 31, 124. §711,2. 22 Knack, VwVfG, § 38, 21; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 38, 2; Obermayer, VwVfG, § 38, 6; Stelkens/Bonk/Sachs Stelkens, VwVfG, § 38, 5. 23 Füllkrug, ZRP 1984, 193, 194; J. Meyer, ZStW 95 (1983), 834, 843; Rebmann,, NJW 1985, 1, 5; von Zwehl, V-Leute, S. 46. Einschränkend Meyer-Goßner, § 158, 17 (in der Regel). Grundsätzlich zur allgemeinen Leitungsfunktion der Staatsanwaltschaft Decker, KR 1980, 423 ff.; Kaiser, NJW 1972, 14 ff. 21

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erlassen darf. Zwar wurde dies von Vertretern der Polizei zunächst anders gesehen24, der für Polizei und Staatsanwaltschaft bindende Nr. 5.1 RiStBV/D bestimmt aber nunmehr eindeutig, dass diese Zusicherung vom staatsanwaltlichen Behördenleiter oder einem von ihm besonders bezeichneten Staatsanwalt zu erteilen ist. Weiterhin soll die Zusage bei Gefahr in Verzug auch der zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft geben können. Wie oben bereits dargelegt 25, wird der Einsatz von V-Leuten allerdings selten so schnell erfolgen müssen, dass es einer Notkompetenz zur Anordnung bedürfte. Bei Informanten kann es aber anders liegen, da sie häufig spontan bei den Strafverfolgungsbehörden erscheinen, um Hinweise bzw. Informationen zu geben.

2. Notkompetenz bei Informanten? Speziell bei Informanten besteht die Besonderheit, dass sie häufig spontan der Polizei - und nicht der Staatsanwaltschaft - Informationen anbieten, deren Preisgabe sie aber von einer Vertraulichkeitszusage abhängig machen. In diesen Fällen besteht die Notwendigkeit für schnelles Handeln. Nr. 5.2 RiStBV/D bestimmt für diese Konstellationen, dass vor der Zusicherung der Vertraulichkeit gegenüber einem Informanten die Einwilligung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen ist, es sei denn, dass dadurch der Untersuchungszweck gefährdet würde. Fehlt diese Einwilligung, so soll die Staatsanwaltschaft unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, unterrichtet werden. Nr. 5.2 RiStBV/D räumt somit der Polizei eine Not- bzw. Eilkompetenz für die Erteilung einer Vertraulichkeitszusage ein. Dies steht jedoch zu der dargestellten26 Rechtslage in Widerspruch und ist deshalb unbeachtlich. Erscheint bei der Polizei ein Informant, der nur bereit ist, sofort Angaben zu machen, und zu einem späteren Termin nicht erscheinen will oder mutmaßlich nicht erscheinen wird, so muss die Polizei versuchen, den zuständigen Staatsanwalt zu erreichen. Dieser kann notfalls auch fernmündlich informiert werden und seine Entscheidung treffen. Ist der Staatsanwalt nicht erreichbar und kann auch - etwa zur Nachtzeit - der staatsanwaltschaftliche Notdienst nicht verständigt werden, muss die Polizei den Informanten wieder nach Hause schicken. Erteilt sie ihm dennoch eine Vertraulichkeitszusage, so ist diese nichtig. Diese Beschränkungen werden allerdings in der Praxis nicht immer beachtet 27 . Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das Schwergewicht der Er-

24 25 26 27

9*

Kay, Die Polizei 1982, 33 ff. § 6 VI, 4 a, bb). Vgl. §7 IV, 1. Vgl. allgemein zu diesem Problem LR G. Schäfer, § 96, 13.

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

mittlungstätigkeit bei der Polizei liegt 28 , die in Strafverfahren meist selbstständig ermittelt 29 , und darüber hinaus auch noch präventiv zur Gefahrenabwehr tätig werden muss. Speziell der Rückgriff auf das Polizei- und Ordnungsrecht ist der Polizei im Strafverfahren jedoch regelmäßig verwehrt, denn mit der Begehung einer Straftat ist die Prävention gescheitert 30 und es muss die repressive Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beginnen31. Daher verbleibt auch in Eilfällen die Zuständigkeit für den Erlaß von Vertraulichkeitszusagen bei der Staatsanwaltschaft. Eine Zuständigkeit der Polizei fur Vertraulichkeitszusagen im repressiven Bereich existiert daher nicht 32 . Die Polizei darf auch bei Gefahr im Verzug solche Zusagen nicht geben, da sie die entsprechenden Verwaltungsakte, die zur Umsetzung der Vertraulichkeitszusage erforderlich sind, nicht erlassen kann 33 . Gibt die Polizei dennoch eine Vertraulichkeitszusage, so ist diese nichtig.

3. Übergang vom präventiven zum repressiven Einsatz Häufig stellt sich das Problem, dass V-Personen zunächst präventiv eingesetzt wurden und ihnen für diesen Einsatz von der Polizei Vertraulichkeit zugesichert wurde. Während des Einsatzes kann sich dann herausstellen, dass die Straftat, zu deren Verhinderung die V-Person eingesetzt wurde, begangen wurde und nun aufgeklärt werden muss. Die von der Polizei im Rahmen ihrer Zuständigkeit erteilte Zusicherung der Geheimhaltung behält in diesem Fall ihre Wirksamkeit, weil der V-Mann aufgrund der Vertraulichkeitszusage einen Anspruch auf Geheimhaltung seiner Identität erworben hat, sich die Voraussetzungen einer Zusicherung im präventiven und repressiven Bereich nicht wesentlich unterscheiden und die Gefährdung des V-Mannes auch dann vorliegt, wenn die Straftat (nur noch) aufgeklärt und nicht mehr verhindert werden soll. Die Staatsanwaltschaft ist an die Vertraulichkeitszusage der Polizei in diesem Fall gebunden und muss über diese informiert werden, da nur die Staatsanwaltschaft - aufgrund ihrer Verfahrensherrschaft im Ermittlungsverfahren - die Möglichkeit hat, die Identität des V-Mannes zu schützen.

28

Vgl. Ambos, Jura 2003, 674, 677; Kerl, DRiZ 1985, 3, 4; Kuhlmann, DRiZ 1976, 265 f.; von Zwehl, V-Leute, S. 44. 29 Kritisch hierzu Preuß, StV 1981, 312. 30 Ernesti, NStZ 1983, 57, 61; Taschke, StV 1986, 54, 56. 31 Siehe zum Übergang von Prävention zur Repression § 7 IV, 3. 32 J. Meyer, ZStW 95 (1983), 834, 843. 33 Siehe zur Zuständigkeit zum Erlaß von Sperrerklärungen und Aussagegenehmigungen unten § 8 III und § 9 II.

§ 7 Vertraulichkeitszusage.

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V. Information der Staatsanwaltschaft über die Identität Nr. 5.4 RiStBV/D bestimmt, dass die Polizei (nur) in begründeten Ausnahmefällen die Staatsanwaltschaft über die Identität der V-Person bzw. des Informanten unterrichtet. Dies würde bedeuten, dass im Regelfall nur die Polizei die wahre Identität der V-Personen bzw. des Informanten kennt.

1. Unbeachtlichkeit der Nr. 5.4 RiStBV/D Diese Regelung ist jedoch unwirksam, da sie von falschen Prämissen ausgeht. Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass es zur Wahrung der Geheimhaltung notwendig ist, die Identität der V-Person bzw. des Informanten nur möglichst wenigen Personen mitzuteilen. Deshalb wurde sogar erwogen, dem polizeilichen V-Mann-Führer zu gestatten, die Identität einer V-Person gegenüber seinem Dienstvorgesetzten zu verschweigen 34. Auf dem Gebiet der Strafverfolgung besitzt jedoch die Staatsanwaltschaft die Verfahrensherrschaft. Daraus folgt - auch wenn dies von der Polizei zum Teil anders gesehen wird 35 - , dass es kein Geheimwissen der Polizei gegenüber der Staatsanwaltschaft geben darf 36 . Die Polizei kann sich gegenüber einem entsprechenden Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft auch nicht auf § 96 StPO berufen, um die Identität der Privatperson geheimzuhalten37, da § 163 II 1 StPO insoweit eine Spezialregelung darstellt. § 110b III 2 StPO stellt im Übrigen klar, dass der zuständige Staatsanwalt die Offenbarung der Identität des Verdeckten Ermittlers verlangen kann. Für V-Personen und Informanten gilt im Ergebnis nichts anderes, der Informationsanspruch folgt hier - wie gezeigt - aus § 163 II 1 StPO. Die Regelung in Nr. 5.4 RiStBV/D widerspricht folglich geltendem Recht und ist daher unbeachtlich38.

34

Burandt, KR 1973, 300 f. Kay, Die Polizei 1982, 33, 38; Krüger, Die Polizei 1982, 97, 100 f.; Plonka, Die Polizei 1975, 80, 83; Reuber, Die Polizei 1987, 207, 210. 36 Füllkrug, ZRP 1984, 193, 195; Geißer, GA 1983, 385, 392 ff.; Görgen, DRiZ 1976, 296, 297; Gössel, GA 1980, 325, 351 f.; Keller, StV 1984, 521, 525; LR Rieß, § 163, 60; Taschke, StV 1986, 54, 55. Für eine unbeschränkte Auskunftspflicht der Polizei ist auch Rüping, ZStW 95 (1983), 894, 909 f. 37 Keller, StV 1984, 521, 526; SKStPO Rudolphi, § 96, 3; Taschke, StV 1986, 54, 55; Ohlig, StV 1986, 117, 118 f. 38 Gössel, NStZ 1996, 287, 288. Ähnlich Deutsch, Heimliche Erhebung von Informationen, S. 270; Strate, StV 1989, 406, 409. 35

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten 2. Tatsächlicher

Umfang der Informationspflicht

Die Polizei darf folglich die Identität des V-Mannes bzw. des Informanten nicht gegenüber der Staatsanwaltschaft geheimhalten. Fraglich ist allerdings, wer innerhalb der Staatsanwaltschaft von der Identität des Zeugen informiert werden muss. Wie oben dargelegt 39, ist grundsätzlich der Behördenleiter der Staatsanwaltschaft zuständig für die Abgabe einer Vertraulichkeitszusage. Bei der Einholung der Zustimmung zu einer Vertraulichkeitszusage ist es in der Regel aber entbehrlich, die Identität der V-Person dem Behördenleiter der Staatsanwaltschaft mitzuteilen, da diese Information bei der zu treffenden Entscheidung zumeist unerheblich ist. Bei der Auswertung der erlangten Erkenntnisse muss aber der sachbearbeitende Staatsanwalt die Möglichkeit haben, sich ein Bild über die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der V-Person zu machen. Hierzu müssen ihm alle erforderlichen Umstände - auch die Identität der Quelle - von der Polizei mitgeteilt werden 40 . Für die Glaubwürdigkeitseinschätzung kann es nämlich erforderlich sein, Erkundigungen über Vorstrafen oder frühere Einsätze einzuziehen, um eine gesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben. Den Angaben des polizeilichen V-Mann-Führers allein darf der Staatsanwalt ungeprüft nur Glauben schenken, wenn er mit diesem schon länger zusammenarbeitet und dessen Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit bei der Einschätzung eingesetzter Privatpersonen kennt. Diese Einschränkung widerspricht nicht dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft, sondern sie bedeutet eine zusätzliche Sicherung gegenüber den Gefahren, welche diese Ermittlungsmethode mit sich bringt.

VI. Aktenführung und Vertraulichkeitszusage Umstritten ist, ob im Falle einer Vertraulichkeitszusage der Umstand, dass Privatpersonen am Verfahren mitgewirkt haben, in den Ermittlungsakten vermerkt werden muss. Teilweise wird in der polizeilichen Praxis dieser Sachverhalt in den Ermittlungsakten nicht erwähnt oder nur floskelhaft mit z.B. „dienstlich wurde bekannt, dass ..." 41 umschrieben. Nach einer Ansicht darf der Umstand, dass eine Privatperson in die Ermittlungstätigkeit involviert war, grundsätzlich geheimgehalten werden. Auf eine aktenmäßige Dokumentation sei aber gleichwohl nicht ganz zu verzichten, die39

§ 7 IV, 1. Vgl. auch Nr. 5.1 RiStBV/D. J. Meyer, ZStW 95 (1983), 834, 845. 41 Ablehnend gegenüber dieser Praxis BGH, StV 2000, 57, 61; Körner, BtMG, Scherp, § 31, 165; Weider, StV 2000, 48, 50. 40

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se könne aber in besonderen Akten vorgenommen werden, die dem Gericht nicht vorgelegt zu werden bräuchten 42. Nach einer anderen Auffassung muss dieser Umstand in den („normalen") Ermittlungsakten festgehalten werden 43. Richtigerweise ist zu differenzieren. Ermittlungsakten müssen generell den Grundsätzen der Aktenwahrheit und Aktenvollständigkeit genügen44. Hieraus folgt, dass in den Akten der Einsatz von V-Personen oder Informanten und die Gewinnung der Ermittlungsergebnisse auf diesem Weg vermerkt werden müssen45, gesonderte Akten hierüber darf es daher nicht geben. Die Handlungen und Erkenntnisse der Privatperson sind in den Akten daher so zu vermerken, dass sie dem Decknamen der handelnden Person zuzuordnen sind, der Deckname selbst aber keine Rückschlüsse auf den sog. Klarnamen zulässt. Ein gänzliches Verschweigen dieses fur die Beweiswürdigung und Strafzumessung wichtigen Umstandes ist nur zulässig, wenn schon durch das Bekanntwerden, dass ein V-Mann bzw. ein Informant mitgewirkt hat, dessen Enttarnung droht 46 . In allen anderen Fällen ist der Einsatz vollständig zu dokumentieren, die Anonymität der zum Einsatz gekommenen Personen kann später durch eine Sperrerklärung gewahrt werden. Bei der Aktenführung ist zudem zu beachten, dass die Darlegung des Anfangsverdachts und der Bewertungsgrundlagen hierfür ebenfalls dem Grundsatz der Aktenwahrheit unterliegen. Den sog. Initiativ-Hinweisen (z.B. dem Tipp eines Informanten) auf eine Straftat fehlt es zwar an Beweiskraft, jedoch ist auch der Anlass für Ermittlungshandlungen darlegungspflichtig 47 und in den Akten zu vermerken.

V I I . Form und Inhalt der Vertraulichkeitszusage Gemäß § 38 I VwVfG ist die Vertraulichkeitszusage schriftlich und in der Regel vor dem Einsatz der V-Person bzw. der (ersten) Befragung des Informanten zu erteilen. Die Vertraulichkeitszusage stellt eine behördliche Selbstverpflichtung dar, die Identität des Informanten bzw. der V-Person im weiteren Verfahren geheim zu halten. Die mitgeteilten bzw. ermittelten Informationen sind von dieser Geheimhaltung zumeist nicht erfasst. Etwas anderes kann aber

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LR Rieß, § 163, 78. LR Lüderssen, ξ 147,51 ff. 44 Meyer-Goßner, § 147, 14; siehe auch BVerfG, NJW 1983, 1043 ff. und LG Frankfurt/M., StV 1998, 271 f. 45 LG Berlin, StV 1986, 96 f.; Körner, BtMG, Scherp, § 31, 164. 46 Krey, Miyazawa FS, S. 595, 608. 47 Körner, BtMG, Scherp, § 31, 165. So auch Nack, KR 1999, 171, 175. 43

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

gelten, wenn z.B. nur die V-Person eine bestimmte Information hatte und daher bereits durch die Offenbarung der Information eine Enttarnung droht. Gemäß Nr. 4 RiStBV/D ist die Zusicherung mit dem Hinweis zu verbinden, dass die Geheimhaltung entfallen kann, wenn Informationen wissentlich oder leichtfertig falsch gegeben werden, die V-Person von einer Weisung vorwerfbar abweicht oder sich sonst als unzuverlässig erweist, sich eine strafbare Tatbeteiligung des Empfangers der Zusicherung herausstellt oder die V-Person sich bei ihrer Tätigkeit für die Strafverfolgungsbehörden strafbar macht. Der Grund für diesen Hinweis liegt darin, dass - wie sogleich zu zeigen sein wird unter bestimmten Umständen die Bindungswirkung der Vertraulichkeitszusage entfallen kann und die Strafverfolgungsbehörden die Identität der betreffenden V-Personen bzw. Informanten offenbaren dürfen bzw. beim Verdacht der Begehung oder Beteiligung an einer Straftat unter Umständen sogar offenbaren müssen.

V I I I . Bindung an die Vertraulichkeitszusage 1. Grundsatz der Verbindlichkeit Lagen bei der Abgabe einer Vertraulichkeitszusage deren Voraussetzungen vor und wurde die Zusage von dem dafür zuständigen Beamten erteilt, so ist sie grundsätzlich rechtswirksam und verbindlich. Polizei und Staatsanwaltschaft sind dann verpflichtet, den Namen des V-Mannes bzw. Informanten geheim zu halten 48 . Die Geheimhaltung ist durch eine Sperrerklärung oder gegebenenfalls durch die Verweigerung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung zu gewährleisten. Wird eine Zusicherung abgegeben, obwohl die Voraussetzungen der §§ 54, 96 StPO nicht vorliegen, so ist die Zusicherung rechtswidrig, aber wirksam, denn § 38 II VwVfG ordnet u.a. die analoge Anwendung des § 44 VwVfG an 49 . Wird die Zusicherung hingegen von einer unzuständigen Behörde oder nur mündlich gegeben, so ist sie nichtig 50 .

48 49 5(1

Körner, BtMG, Scherp, § 31, 124; SKStPO Rogali , vor § 48, 87. Vgl. Obermayer, VwVfG, § 38, 46. Vgl. Ule/Laubinger, § 49, 4.

§ 7 Vertraulichkeitszusage

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2. Ausnahmen von der Bindungswirkung Wie dargelegt 51, entfallt die Bindungswirkung einer Vertraulichkeitszusage aber, wenn die V-Person oder der Informant wissentlich oder leichtfertig falsche Informationen liefert oder sich nachträglich eine Beteiligung an der aufzuklärenden Straftat herausstellt. Dies gilt auch, wenn die V-Person vorwerfbar von Weisungen abgewichen ist, sich als unzuverlässig erweist oder bei der Ermittlungstätigkeit fur die Strafverfolgungsorgane Straftaten begangen hat 52 . In diesen Fällen muss der Informant bzw. die V-Person als Zeuge benannt und gegebenenfalls ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet werden 53. Die Freistellung des Zeugen von strafrechtlicher Verantwortung durch Geheimhaltung seines Namens würde - in Fällen der üblen Nachrede - den Betroffenen der Denunziation schutzlos preisgeben und damit nicht nur die Würde der Person antasten, die zu achten und zu schützen Art. 1 I GG der staatlichen Gewalt aufgibt, sondern auch am Prinzip des Rechtsstaates rütteln, der jedem den Rechtsweg zum Schutz seiner Ehre gewährleistet 54. Diese Folgen entsprechen dem Verwaltungsakts-Charakter der Zusicherung, denn § 38 I I I VwVfG bestimmt, dass im Falle der nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage die Behörde an die Zusage nicht gebunden ist, wenn sie bei Kenntnis der wahren Umstände die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. In den angeführten Beispielen ist die Staatsanwaltschaft wegen des Legalitätsprinzips verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und bei hinreichendem Tatverdacht Anklage zu erheben. Eine Geheimhaltung der Identität wäre grundsätzlich unzulässig und würde eine Strafvereitelung im Amt bedeuten. In den aufgeführten Beispielen, in denen die Bindung an eine Zusicherung entfällt, besteht auf Seiten der V-Person bzw. des Informanten grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse an der Einhaltung der Zusicherung, da der Betreffende sich selbst absprachewidrig verhalten hat. Deshalb wird durch die Nichteinhaltung der Zusage in diesen Fällen das allgemeine Vertrauen in die Vertraulichkeitszusage nicht beeinträchtigt 55 und die Anwerbung von geeigneten V-Personen und Informanten nicht unmöglich gemacht. Es erscheint sogar notwendig, die Zusage als gegenstandslos zu betrachten, weil V-Personen und

51

§7 VII. Dies war auch schon vor der Einführung der RiStBV/D anerkannt: siehe VGH München, NJW 1980, 198, 199; LG Hannover, NJW 1959, 351, 353; Erdsiek, NJW 1960, 616, 617; Berschel, JuS 1966, 231, 237; Schneider, Die Pflicht, S. 108. 53 Körner, KR 1983, 290, 293. 54 OVG Berlin, NJW 1955, 1940, 1941; VG Freiburg, NJW 1956, 1941, 1942; Berschel, JuS 1966, 231,235. 55 Kay, Die Polizei 1982, 33, 38; von Zwehl, V-Leute, S. 52 f. 52

138

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Informanten so in Zukunft von der Verletzung ihrer Informations- und Verhaltenspflichten abgehalten werden können. Sollten der V-Person oder dem Informanten durch die Rücknahme der Vertraulichkeitszusage Gefahren für Leib oder Leben drohen, ist er vor diesen jedoch zu schützen. Hierfür kommen aber nur die nach dem Strafverfahrensrecht möglichen Zeugenschutzmaßnahmen in Betracht. Ein Vorgehen über §§ 54, 96 StPO scheidet hingegen aus.

IX. Anfechtbarkeit der Vertraulichkeitszusage durch den Beschuldigten? Gegen die Zulässigkeit einer Vertraulichkeitszusage spricht auch nicht, dass der Beschuldigte keine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Erteilung einer solchen Zusage hat, da er durch diese nicht unmittelbar beschwert wird. Zwar wird er regelmäßig ein starkes Interesse daran haben, feststellen zu lassen, dass die Zusicherung unwirksam ist. Dennoch scheidet eine Anfechtbarkeit aus, da die Vertraulichkeitszusage unmittelbar keine rechtlichen Nachteile für den Beschuldigten mit sich bringt. Erst die Umsetzung der Zusicherung durch den Erlass einer Sperrerklärung oder die Beschränkung oder die Versagung einer Aussagegenehmigung berührt seine Rechtsstellung. Daher kann die Rechtmäßigkeit der Vertraulichkeitszusage nur - mittelbar - (vom Gericht) überprüft werden, nämlich wenn ein Verwaltungsakt damit begründet wurde, eine Vertraulichkeitszusage müsse eingehalten werden. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass eine Vertraulichkeitszusage nur für die Staatsanwaltschaft und die Polizei, nicht aber für das Gericht verbindlich ist 56 . Der zuständige gerichtliche Spruchkörper ist nach § 155 I StPO innerhalb der durch die Anklage gezogenen Grenzen berechtigt und verpflichtet, selbstständig den Sachverhalt zu untersuchen 57. Eine Beweiserhebung, also insbesondere eine Zeugenvernehmung wäre daher grundsätzlich zulässig58, wenn das Gericht trotz der Vertraulichkeitszusage die Identität der V-Person oder des Informanten erfahrt.

§ 8 Sperrerklärung Die Vertraulichkeitszusage, die gegenüber einer V-Person oder einem Informanten abgegeben wurde, kann im Strafverfahren u.a. dadurch eingehalten werden, dass die Staatsanwaltschaft eine Sperrerklärung gemäß § 96 StPO ab56 57 58

BGH, NStZ 1988, 563, 564; BGHSt 39, 141, 144. So ausdrücklich BGH, StV 1988, 5; OLG Frankfurt, NJW 1982, 1408, 1409. Zu den Einschränkungen siehe unten § 8 VI, 1 und § 12.

§ 8 Sperrerklärung

139

gibt und so jene Aktenteile, die Rückschlüsse auf die Identität der V-Person oder des Informanten geben können, dem Gericht vorenthält. Grundsätzlich ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass behördliches Wissen den Strafverfolgungsbehörden vorenthalten wird. Neben §§ 54, 96 StPO59 belegen Art. I § 35 SGB, § 68 ff. SGB X und §§ 30, 30a AO, dass der Gesetzgeber Interessen der Verwaltung und des Bürgers auch im Strafverfahren für schützenswert hält 60 .

I. Allgemeines Da - wie oben bereits dargelegt wurde 61 - der Einsatz von V-Personen bzw. die Aussagen von Informanten in den Ermittlungsakten - möglicherweise unter Verwendung von Decknamen - dokumentiert werden muss, besteht die Möglichkeit, dass über das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers gemäß § 147 StPO oder durch die Kenntnisnahme des Gerichts infolge der Aktenvorlage gemäß § 199 II 2 StPO der Umstand, dass V-Männer oder Informanten mitgewirkt haben, offenbar wird. Droht bereits hierdurch eine Enttarnung, können die betreffenden Aktenteile gemäß § 96 StPO gesperrt werden. Die Ermittlungsakten enthalten ansonsten allenfalls allgemeine Hinweise darauf, dass z.B. ein bestimmter Umstand durch eine V-Person oder auf Grund der Aussage eines Informanten ermittelt wurde. Mittels Sperrerklärung kann zudem die Vertraulichkeitszusage selbst unzugänglich gemacht werden, um zu verhindern, dass aus dieser Name, Anschrift und Deckname der V-Person bzw. des Informanten ermittelt wird. Folge der Sperrerklärung ist, dass die Vertraulichkeitszusage der Ermittlungsakte entnommen und gesondert aufbewahrt wird, so dass weder Gericht noch Verteidigung diese einsehen können. Die Verfahrensbeteiligten erfahren aus den Ermittlungsakten aber zumindest den Umstand, dass ein Informant bzw. eine V-Person am Verfahren beteiligt war, sowie den Decknamen der betreffenden Person. Dieses Verfahren hat die zuvor übliche Praxis abgelöst, die Vertraulichkeitszusage in der Ermittlungsakte zu belassen und das Gericht um Geheimhaltung zu bitten. Die Bitte, das Gericht möge trotz Kenntnis der Identität des Informanten oder des V-Mannes diesen nicht als Zeuge benennen bzw. vernehmen 62 , wird zutreffenderweise heute als unbeachtlich angesehen63. Verhindert

59 § 96 StPO ist trotz seiner Einschränkung der gerichtlichen Wahrheitsfindung verfassungsgemäß, Janoschek, Strafprozessuale Durchsuchung, S. 104. 60 Keller, StV 1984, 521, 524. So grundsätzlich auch BVerfGE 101, 106, 128. 61 §7 VI. 62 Für die Beachtlichkeit einer solchen Vertraulichkeitsbitte: RGSt 42, 291, 293; 72, 268, 273. Ebenso Meyer-Goßner, § 147, 16, der aber gleichwohl von einer Verwertbar-

140

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

wird dadurch ohnehin nicht, dass der Verteidiger von der Vertraulichkeitszusage Kenntnis nimmt, und die sich daraus ergebenden Informationen an seinen Mandanten weitergibt. Durch eine Vertraulichkeitsbitte der Staatsanwaltschaft wird der Verteidiger nämlich rechtlich weder gebunden noch verpflichtet.

II. Behandlung gerichtlicher Auskunftsverlangen Ist die Beteiligung einer V-Person oder eines Informanten bekannt geworden, wird das Gericht im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht nach § 244 I I StPO regelmäßig versuchen, die Identität der Person zu ermitteln, um sie als Zeuge in der Hauptverhandlung vernehmen zu können. Um ein entsprechendes gerichtliches Auskunftsverlangen gemäß § 244 I I StPO64 auf Offenbarung der Identität der Person abzuwehren, kommt eine analoge Anwendung der §§ 54, 96 StPO in Betracht. Eine direkte Anwendung dieser Vorschriften scheidet aus, weil § 96 StPO nur die Vorlegung bzw. Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken regelt 65 , § 54 StPO scheidet aus, weil diese Vorschrift die Vernehmung von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes betrifft. Beide Normen verhalten sich daher nicht zu der Frage, wie auf ein (bloßes) gerichtliches Auskunftsverlangen zu reagieren ist. Eine Analogie zur Abwehr gerichtlicher Auskunftsverlangen wäre zulässig, wenn eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage wie bei § 54 bzw. § 96 StPO besteht.

7. Planwidrige

Regelungslücke

Hinsichtlich des Einsatzes von V-Personen und Informanten besteht - wie bereits geprüft 66 - keine planwidrige Regelungslücke, da im Gesetzgebungsverfahren zum OrgKG davon ausgegangen wurde, dass die Generalklauseln (§§ 161, 163 StPO) insoweit ausreichen würden. Zur Geheimhaltung der Identität dieser Personen wurde ausdrücklich festgestellt, dass sich die RiStBV/D bewährt habe und darum eine eigenständige Regelung entbehrlich sei 67 . Dabei

keit des - nicht gesperrten - Akteninhalts ausgeht, wenn zuvor rechtliches Gehör gewährt worden sei. Vgl. auch Schneider, Die Pflicht, S. 118 f. 63 BGH, StV 1996, 577; Gillmeister, NStZ 1997, 44; Körner, BtMG, Scherp, § 31, 165. 64 Siehe zum Recht des Gerichts von allen Behörden Auskunft zu verlangen: BGHSt 36, 328, 337; HKStPO Krehl, §161,2; Meyer-Goßner, § 161, la; Pfeiffer, §161,2. 65 BGHSt 30, 34, 35; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 3, 31. 66 §6111,3. 67 BT-Drs. 12/989, S. 34.

§ 8 Sperrerklärung

141

wurde jedoch übersehen, dass §§ 54, 96 StPO - wie oben gezeigt - nicht unmittelbar eingreifen, wenn das Gericht Auskunft über die Identität einer „gesperrten Person" fordert. Daher ist von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen.

2. Vergleichbare

Interessenlage

Als analog anzuwendende Regelungen kommen § 54 StPO68 und § 96 StPO in Betracht. Beide Vorschriften dienen der Geheimhaltung behördlichen Wissens im Strafverfahren und entsprechen daher der Interessenlage der Behörde im Falle eines gerichtlichen Auskunftsersuchens, welches sich auf geheimhaltungsbedürftige Fakten bezieht. Zur Beantwortung der Frage, welche der beiden Normen die sachgerechtere Lösung für die Geheimhaltung der Identität eines V-Mannes oder eines Informanten bietet, kann zunächst § 110b III 3 StPO herangezogen werden, der für die vergleichbare Situation der Geheimhaltung der Identität eines Verdeckten Ermittlers bestimmt, dass § 96 StPO anzuwenden ist. Für die analoge Anwendung des § 96 StPO könnte zudem sprechen, dass wegen der weit reichenden Bedeutung der Geheimhaltung nach § 96 Satz 1 StPO die Entscheidung der obersten Dienstbehörde herbeigeführt werden muss. Diese Zuständigkeit der obersten Dienstbehörde hat ihren guten Sinn, denn nachgeordnete Behörden können häufig nicht sicher beurteilen, was das Staatswohl erfordert, zumal wenn sie über ihre eigene Tätigkeit Auskunft geben sollen. Dies gilt im besonderen Maße, wenn die Geheimhaltung bestimmter Informationen möglicherweise künftigen Ermittlungsinteressen dient, die Offenbarung der Informationen aber nicht allein deshalb dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes abträglich wäre 69 . Allerdings ist im Falle der Versagung einer Aussagegenehmigung nach § 54 StPO gemäß § 62 IV BBG bzw. den entsprechenden Regelungen der Landesgesetze ebenfalls die Entscheidung der obersten Aufsichtsbehörde herbeizuführen. In beiden Varianten ist folglich sichergestellt, dass die Entscheidung auf höchster Ebene getroffen wird. Für eine analoge Anwendung des § 96 StPO im Falle eines gerichtlichen Auskunftsverlangens spricht, dass sich das Auskunftsverlangen auf den Inhalt der gesperrten Akten bezieht und keine Zeugenvernehmung des mit der Anleitung bzw. Überwachung der V-Person oder des Informanten befassten Beamten erforderlich ist. Es würde genügen, die gewünschte Auskunft schriftlich zu geben, denn das Gericht fordert lediglich die Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift des Zeugen und nicht die Aussage eines Beamten. § 54 StPO scheidet daher mangels Vergleichbarkeit der zu entscheidenden Situation aus. Auf ge68 69

Für eine Anwendung des § 54 StPO Herdegen, NStZ 1984, 97, 100. BGHSt 30, 34, 36.

142

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

richtliche Auskunftsverlangen nach der Identität einer V-Person bzw. eines Informanten ist daher nach zutreffender h.M. § 96 StPO analog anzuwenden70.

I I I . Zuständigkeit für die Abgabe einer Sperrerklärung Zuständig für die Abgabe einer Sperrerklärung ist nach § 96 S. 1 StPO die oberste Dienstbehörde, also regelmäßig der zuständige Fachminister. Dieser braucht die Erklärung nicht selbst abzugeben, sondern kann dies einem Beamten überlassen, der berechtigt ist, das Ministerium nach außen zu vertreten 71. Umstritten ist, wer im Falle der Sperrung einer V-Person bzw. eines Informanten oberste Dienstbehörde der Polizei ist.

1. Zuständigkeit des Innenministers? Nach Ansicht der Rechtsprechung und eines Teils der Literatur 72 ist der Innenminister oberste Dienstbehörde für die Abgabe einer Sperrerklärung. Zur Begründung wird ein Vergleich mit dem Verdeckten Ermittler bemüht, dessen Stellung der einer V-Person, die nach dem Verpflichtungsgesetz 73 zur Verschwiegenheit besonders verpflichtet wurde, angenähert sei 74 . Bei einem Verdeckten Ermittler sei es naheliegend, die Sperrerklärung dem Innenminister vorzubehalten, weil der Justizminister in der Regel nicht über die für eine Entscheidung erforderlichen Informationen verfüge, sondern sich diese erst über das Innenministerium verschaffen müsse. Auch habe das Innenministerium nach § 62 IV BBG in Verbindung mit den entsprechenden Bestimmungen des jeweiligen Landesbeamtengesetzes über die Aussagegenehmigung für den Verdeckten Ermittler zu entscheiden, so dass möglicherweise eine Freigabe durch das Justizministerium durch die Verweigerung einer Aussagegenehmigung des Innenministeriums unterlaufen werden könnte. Zudem würden Verdeckte Ermittler typischerweise in einem Aufgabenbereich tätig werden, in dem sich po70

BGHSt 32, 115, 123 f.; BGH, NStZ 1988, 563, 564; BGH, StV 1981, 110, 111; OLG Hamburg, JR 1982, 434, 435; OLG Hamm, NStZ 1990, 44, 45; Geppert, Jura 1992, 244, 249; Hellmann,, Strafprozeßrecht, Teil II, § 3, 31; HKStPO Lemke, § 96, 13; Körner, BtMG, Scherp, § 31, 183; J. Meyer, ZStW 95 (1983), 834, 840; Meyer-Goßner, § 96, 12; H Schäfer, JR 1984, 397, 400. 71 BGHSt 35, 82, 86; Meyer-Goßner, § 96, 8. 72 BGH, NStZ 1995, 604; KG, StV 1996, 531, 532; HKStPO Lemke, § 96, 7; Hoffmann, Der unerreichbare Zeuge, S. 144; Kissel, § 23 EGGVG, 151b; KK Nack, § 96, 15; Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 919; Meyer-Goßner, § 96, 12; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 43, Rdnr. 18; H Schäfer, JR 1984, 397, 400. 73 Gesetz vom 2.3.1974, BGBl. I, 469, 574. Siehe auch oben § 2 II, 2 e). 74 BGH, NStZ 1995,604,605.

§ 8 Sperrerklärung

143

lizeilich präventive und strafrechtlich repressive Zielsetzungen untrennbar vermengen würden. Die Entscheidung über die Sperrung oder die Preisgabe der Identität eines Verdeckten Ermittlers berühre gerade hinsichtlich einer weiteren Verwendungsmöglichkeit regelmäßig auch Belange der Gefahrenabwehr, welche in die Zuständigkeit des Innenministers fielen. Durch die Preisgabe der Identität eines Verdeckten Ermittlers oder einer anderen Person könnten für dessen Leib, Leben oder Freiheit besondere Gefahren erwachsen, welche vom Justizminister mangels näherer Informationen zum Umfeld des Einsatzes kaum oder gar nicht abschätzbar seien. Neben diesen Gründen spräche für dieselbe Zuständigkeit im Falle der Sperrung eines Informanten oder einer V-Person und einem Verdeckten Ermittlern, dass es misslich wäre, wenn bei einem gemeinsamen Einsatz von Verdeckten Ermittlern und V-Personen verschiedene Ministerien zuständig wären.

2. Justizminister

als zuständige oberste Dienstbehörde

Diese Auffassung ist jedoch mit einem Teil der Literatur abzulehnen75.

a) Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft Richtigerweise hat nämlich der Justizminister die alleinige Zuständigkeit für die Abgabe einer Sperrerklärung hinsichtlich aller im Strafverfahren zu verdeckten Ermittlungen eingesetzten Personen, denn die Strafverfolgung ist Aufgabe der Justiz und gehört folglich nicht in den Zuständigkeitsbereich des Innenministers. Dies belegt auch die Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft während des Ermittlungsverfahren. Das Schwergewicht der Ermittlungsarbeit liegt zwar bei der Polizei, die aber - wie aus § 161 I StPO folgt - für und unter Anleitung der Staatsanwaltschaft tätig wird. Der Innenminister ist im Wesentlichen für den Bereich der Gefahrenabwehr zuständig. Die Strafverfolgung setzt aber üblicherweise erst dann ein, wenn Straftaten nicht mehr zu verhindern, sondern aufzuklären sind. Werden folglich V-Personen oder Verdeckte Ermittler zur Strafverfolgung eingesetzt, ist für sie nicht die Polizei, sondern die Justiz zuständig. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass speziell der Einsatz von Verdeckten Ermittlern durch die Staatsanwaltschaft nicht angeordnet, sondern nur genehmigt werden kann. Entscheidend ist nämlich, dass ohne Zustimmung der 75

Arloth, NStZ 1992, 96; Gössel, NStZ 1996, 287, 288; LR G. Schäfer, § 96, 13; G. Schäfer, NStZ 1990, 46; Taschke, StV 1986, 54, 56. Vgl. auch Schneider, Die Pflicht, S. 70.

144

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Staatsanwaltschaft der Einsatz zur Strafverfolgung unzulässig ist, was die Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft auch hinlänglich unter Beweis stellt.

b) Entscheidungskompetenz des Justizministers Die Behauptung, die Sperrerklärung müsse in die Zuständigkeit des Innenministers fallen, weil der Justizminister nicht über die notwendigen Informationen für diese Entscheidung verfüge, überzeugt nicht. Die Polizei hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 163 II 1 StPO ohne Verzug über alle Ermittlungsergebnisse in Kenntnis zu setzen, so dass es einen Wissensvorsprung des Innenministers nicht geben darf. Sollte die Polizei zum Zeitpunkt der Entscheidung noch über relevantes Wissen verfügen, so muss sie es unverzüglich der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stellen. Es ist zudem kein Grund ersichtlich, der dagegen spräche, dass der Justizminister eine mögliche Gefährdung der betreffenden Person oder die Möglichkeit einer weiteren Verwendung bei seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt. Das Argument, im Falle des gemeinsamen Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und V-Personen müssten zwei verschiedene Ministerien über die jeweiligen Sperrerklärungen entscheiden, trägt somit nicht, da auch hinsichtlich eines Verdeckten Ermittlers der Justizminister zur Entscheidung berufen ist.

c) Gefahr sich widersprechender Ergebnisse Gegen die Zuständigkeit des Justizministers für die Entscheidung über die Freigabe von Informationen könnte jedoch sprechen, dass diese Entscheidung durch die Verweigerung der Aussagegenehmigung durch den Innenminister konterkariert werden könnte. Bei genauer Betrachtung liegt die Zuständigkeit für die Erteilung einer Aussagegenehmigung auf dem Gebiet der Strafverfolgung aber ebenfalls beim Justizminister 76, so dass es keine unterschiedlichen Kompetenzen gibt. Zum Teil wird allerdings behauptet, die Zuständigkeit für die Erteilung von Aussagegenehmigungen von Polizeibeamten liege beim Disziplinarvorgesetzten 77 , also in der Endkonsequenz beim Innenminister. Träfe diese Sicht zu, so hätte dies zur Konsequenz, dass im Falle eines gerichtlichen Auskunftsersuchens auf welches der Justizminister keine Sperrerklärung abgibt, der polizeiliche V-Mann-Führer also die Identität einer V-Person preisgeben müsste, der Innenminister dem Beamten die Genehmigung, zu diesem Punkt auszusagen, 76 77

Siehe zur Zuständigkeit für Aussagegenehmigungen unten § 9 II. KK Senge, § 54, 14; LR Dahs, § 54, 17; Meyer-Goßner, § 54, 19.

§ 8 Sperrerklärung

145

verweigern könnte, so dass die Entscheidung des Justizministers leerlaufen würde. Um diese „Patt-Situation" zu vermeiden, wird vorgeschlagen, dass der Innenminister gehalten sei, sich auf dem Gebiet der Strafverfolgung Justizfreundlich" zu verhalten. Er sei zwar der Dienstvorgesetzte des Polizeibeamten, aber auf repressivem Gebiet liege die Weisungsbefugnis beim zuständigen Staatsanwalt. So könnte dieser auch den betreffenden Polizeibeamten anweisen, ihm gegenüber die Identität einer V-Person zu offenbaren, und dann selbst dem gerichtlichen Auskunftsersuchen nachkommen78. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestehe zwar grundsätzlich, bei rechtmäßiger Anwendung der jeweiligen Verfahrensbefugnisse sei sie aber gering. Diese auf Konsens ausgerichtete eher pragmatische Lösung taugt jedoch nicht für die Bestimmung der Regelzuständigkeit in einem Teilbereich der Strafverfolgung. Wenn beide Ministerien in einem bestimmten Rechtsfall zu unterschiedlichen Auffassungen gelangen und kein Konsens möglich ist, muss eine Lösung für das Strafverfahren gefunden werden, die mit der Strafprozessordnung vereinbar ist. Soweit Polizeibeamte im Strafverfahren eingesetzt werden, unterliegen sie gemäß §§1611 StPO, 152 GVG der Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft, daher entscheidet auch der Justizminister über die Verweigerung oder Beschränkung der Aussagegenehmigung von Polizeibeamten, soweit sich ihre Tätigkeit - wie hier - auf die Strafverfolgung bezieht79. Die an sich gegebene dienstrechtliche Weisungsbefügnis des Innenministers für den Polizeibeamten findet daher kraft Gesetzes keine Anwendung. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht daher richtigerweise nicht.

3. Zuständigkeit bei Gemengelagen In Fällen einer echten Gemengelage, d.h. einer Situation, in der zum Zeitpunkt der Entscheidung der Einsatz einer V-Person sowohl zur Abwehr drohender Straftaten als auch zur Strafverfolgung erforderlich ist, besteht nach dem Gesetz keine solche eindeutige Kompetenzzuweisung an das Justiz- oder das Innenministerium. Wenn im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch Straftaten seitens des Beschuldigten oder dessen Komplizen drohen, müssen beide Ministerien gemeinsam entscheiden, ob der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr in der konkreten Situation der Vorrang gebührt. Lässt sich kein Einvernehmen erzielen, so wird im Zweifel der Gefahrenabwehr - wegen der noch

78 79

Gössel, NStZ 1996, 287, 288. Siehe näher unten §9 II, 1.

10 Ellbogen

146

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

möglichen Verhinderung von Straftaten und damit dem noch möglichen Schutz von Rechtsgütern - der Vorrang zu geben sein80. Wurde eine V-Person zunächst präventiv eingesetzt, wandelt sich dieser Einsatz dann aber in Folge der Ereignisse zu einem repressiven, liegt die Zuständigkeit für die Abgabe einer Sperrerklärung beim Justizminister. Dieser hat sich jedoch mit dem Innenminister abzustimmen81, um ein möglicherweise fortbestehendes Geheimhaltungsinteresse zu berücksichtigen.

IV. Voraussetzungen einer Sperrerklärung § 96 S. 1 StPO nennt als Voraussetzung für eine Sperrerklärung, dass durch das Bekanntwerden des Akteninhalts dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereitet würden. Bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs steht der obersten Dienstbehörde ein Beurteilungsspielraum zu. Sie muss nach pflichtgemäßen Ermessen eine Abwägung zwischen dem Staatswohl und der Wahrung öffentlicher Belange einerseits und dem hohen Rang der gerichtlichen Wahrheitsfindung in Verbindung mit dem Freiheitsanspruch des Angeklagten andererseits vornehmen 82. Die Belange des Strafverfahrens und die Interessen des Beschuldigten sind zu berücksichtigen und ihnen ist genügendes Gewicht beizumessen83. Die Nichtfreigabe des Zeugen soll dabei einen Ausnahmefall darstellen, der besonderer Rechtfertigung bedarf 84.

1. Sperrerklärung

bei Vorliegen einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit

a) Gefährdung einer V-Person als Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Umstritten ist, ob unter den Begriff des Nachteils für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes auch die persönliche Gefährdung einer V-Person an Leib, Leben oder Freiheit fällt. Nach einer Ansicht ist dies nur ausnahms-

80 Vgl. z.B. die Verwaltungsvorschriften zur Anwendung unmittelbaren Zwanges, Β III RiStBV/A. 81 Arloth, NStZ 1992, 96. Siehe z.B. BGH, NStZ 1989, 380: in diesem Fall mussten sich beide Ministerien abstimmen, weil in einem Verfahren ein Staatsanwalt und ein Kriminalhauptkommissar als Zeugen vom Hörensagen vernommen werden sollten. 82 BGH, StV 1981, 109, 110; BGH, StV 1982, 206, 207. 83 BGHSt 32, 115, 124; KK Senge, vor § 48, 61; SKStPO Rogali , vor § 48, 83. 84 BGHSt 35, 82, 85; 38, 237, 246; BGH, NStZ 1989, 282. Siehe näher zur Überprüfung der behördlichen Entscheidung unter § 8 VIII.

§ 8 Sperrerklärung

147

weise der Fall 85 , nämlich wenn es sich bei dem Gefährdeten um einen unersetzbaren Geheimnisträger handele86. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Mit der h.M. ist vielmehr davon auszugehen, dass im Falle der Gefährdung einer V-Person an Leib, Leben oder Freiheit generell ein Nachteil im Sinne des § 96 StPO droht, also nicht nur dann, wenn es sich bei dem Gefährdeten um einen unersetzbaren Geheimnisträger handelt87. Der Grund fur dieses plausible Ergebnis liegt in Folgendem: Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nimmt einen besonders hohen Rang ein. Art. 2 II 1 GG in Verbindung mit Art. 1 I 2 GG verpflichtet den Staat zu einem umfassenden Schutz des menschlichen Lebens und gebietet ihm, sich schützend vor dieses Leben zu stellen, es insbesondere vor rechtswidrigen Angriffen zu bewahren 88. Dies gilt um so mehr, wenn der Staat den betroffenen Bürger durch die Inanspruchnahme für Aufgaben der Strafverfolgung den Gefahren eines rechtswidrigen Angriffes erst aussetzt. Öffentliche Interessen können es somit gebieten, das Wissen um den Aufenthalt eines Zeugen geheimzuhalten und dadurch sein persönliches Erscheinen vor Gericht zu verhindern, um eine dem Zeugen drohende Lebensgefahr abzuwenden. Die Folgen der Nichterfüllung dieser Schutzpflichten stellen folglich einen Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes dar, der durch die Abgabe einer Sperrerklärung abgewendet werden kann. Diese Ansicht wird durch § 110b III 3 StPO bestätigt, der eine Geheimhaltung der Identität des Verdeckten Ermittlers nach Maßgabe des § 96 StPO zulässt, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Offenbarung der Identität Leben, Leib oder Freiheit des Verdeckten Ermittlers oder einer anderen Person gefährden würde. § 110b III 3 StPO kann insoweit als Auslegungshilfe zu den Geheimhaltungsgründen des § 96 StPO angesehen werden. Auch § 68 III StPO lässt sich entnehmen, dass die Gefährdung eines Zeugen an Leib, Leben oder Freiheit als Geheimhaltungsgrund anzusehen ist 89 . Der Gesetzgeber hat folglich 85

Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1036; Franzheim, JR 1982, 436, 437; ders., NStZ 1983, 230; Lüderssen, Klug FS II, S. 527, 531, Röhrich, Rechtsprobleme, S. 113 f.; Taschke, Die behördliche Zurückhaltung, S. 182. Im Ergebnis ebenso Lesch, StV 1995, 542, 546. 86 Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1036. Ähnlich Hoffmann, Der unerreichbare Zeuge, S. 142. 87 So auch - ohne Angabe von Gründen - BT-Drs. 12/989, S. 42; OVG Lüneburg, NJW 2001, 1665; VG Darmstadt, NVwZ 1996, 92, 93; Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 426; Beulke/Satzger, JZ 1993, 1013, 1015; Geppert, Jura 1992, 244, 250; Herdegen, NStZ 1984, 97, 100; Hilger, NStZ 1992, 523, 524, Fn. 154; Körner BtMG, Scherp, §31, 187; Krey, Miyazawa FS, S. 595, 607; Lisken, NJW 1991, 1658, 1659 f.; Möhrenschlager, wistra 1992, 326, 331; SKStPO Rogali, vor § 48, 81; SKStPO Schlüchter, §251,61. 88 Vgl. BVerfGE 46, 160, 164; 57, 250, 285. 89 So auch Arloth, NStZ 1993, 467, 468. 10*

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

in zwei Bestimmungen anerkannt, dass die Gefährdung eines Zeugen an Leib, Leben oder Freiheit die Geheimhaltung der Identität des Zeugen rechtfertigen kann. Eine Übertragung dieses Gedankens auf § 96 StPO ist auch angebracht, da es - wie gezeigt - Aufgabe des Staates ist, Personen die er zur Erfüllung seiner Aufgaben in Anspruch nimmt, zu schützen. V-Personen und Informanten können daher wie Verdeckte Ermittler von der zuständigen Behörde gemäß § 96 StPO gesperrt werden, wenn ihnen bei Offenbarung ihrer Identität Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen.

b) Enttarnungsrisiken Eine Sperrung nach § 96 StPO kommt allerdings nur in Betracht, wenn der V-Person tatsächlich im Falle der Offenbarung ihrer Identität Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen. Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Angeklagte die V-Person namentlich kennt und sie darum nicht mehr „enttarnt" werden kann. Für die V-Person bestehen dann zwar Gefahren, ihnen kann dann aber nicht über § 96 StPO begegnet werden. Das Enttarnungsrisiko kann aber auch so gering sein, dass eine Sperrung des Zeugen mit dieser Begründung unzulässig wäre. Selbst wenn die V-Person mit dem Beschuldigten - z.B. bei einem Scheinaufkauf - direkten Kontakt hatte, folgt daraus nicht notwendig, dass der Beschuldigten die V-Person in der Hauptverhandlung wiedererkennt und damit enttarnt. Liegt im Zeitpunkt der Hauptverhandlung das letzte Zusammentreffen schon länger zurück und fand der - eventuell nur einmalige - Kontakt unter konspirativen Umständen statt, so ist eine Enttarnung sogar eher unwahrscheinlich. Der Beschuldigte hat infolge des Zeitablaufs möglicherweise keine genaue Personenkenntnis mehr, zumal die V-Person ihr Aussehen nicht selten (alters- oder tarnungsbedingt 90) verändert haben wird. Da der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Möglichkeit hat, den Zeugen während dessen Vernehmung länger zu beobachten, ist eine Enttarnung in solchen Fällen aber auch nicht gänzlich auszuschließen. Art und Weise sowie der Inhalt der Zeugenaussage können nämlich Rückschlüsse auf die Identität der V-Person zulassen91, weil der Angeklagte sich wieder an sie erinnert.

90

Zur Zulässigkeit von Veränderungen des Äußeren bei der Vernehmung siehe unten § 10 II, 7 und 8. 91 OLG Hamm, NStZ 1985, 566, 567; OVG Lüneburg, NJW 2001, 1665; VG Darmstadt, NVwZ 1996, 92, 95.

§ 8 Sperrerklärung

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c) Schutz der V-Person durch andere Maßnahmen Der Grund fur die Abgabe einer Sperrerklärung entfällt, wenn die Sicherheit des Zeugen durch andere strafprozessual zulässige und effektive Maßnahmen gewährleistet werden kann. Sind solche Möglichkeiten vorhanden, so muss die Staatsanwaltschaft sie der für die Entscheidung über die Sperrung des Zeugen zuständigen Behörde vorschlagen, um sie zu einer „Freigabe" zu bewegen und dadurch das Erscheinen des Zeugen vor Gericht zu ermöglichen 92. Denn die Staatsanwaltschaft hat nicht nur den Schutz des Zeugen vor den möglichen Folgen einer (öffentlichen) Aussage zu gewährleisten, sondern gleichzeitig auch den Belangen des gerichtlichen Verfahrens und der Wahrheitsfindung zu genügen. Das Strafverfahrensrecht bietet verschiedene Möglichkeiten des Zeugenschutzes. So können unter den Voraussetzungen des § 172 GVG die Öffentlichkeit und unter denen des § 247 StPO der Angeklagte ausgeschlossen werden. Seit 1998 besteht zudem nach § 247a StPO die Möglichkeit, die V-Person nicht im Sitzungssaal, sondern an einem anderen Ort mittels Videotechnik zu vernehmen. Da diese Vorschrift einen umfassenden Zeugenschutz bezweckt93, gibt es keine Begrenzung auf Verfahren wegen bestimmter Deliktstypen, so dass diese Form der Vernehmung generell zur Anwendung kommen kann 94 . Darüber hinaus erlaubt § 68 II, III StPO, dass der Zeuge im Falle einer Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit Angaben zur Person verschweigt oder nur seine frühere Identität offenlegt. Die Möglichkeit, die Vernehmung unter optischer oder akustischer Abschirmung des V-Mannes durchzuführen, besteht dagegen seit einer Entscheidung des Großen Senats des BGH nicht mehr 95 . Unzulässig wäre es auch, den Zeugen kommissarisch gegen den Willen des Verteidigers in dessen Abwesenheit zu vernehmen 96. Bei kumulativer Anwendung der Zeugenschutzmöglichkeiten wird es häufig möglich sein, den Zeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen und gleichzeitig seine Sicherheit zu gewährleisten 97. Bieten die Schutzmöglichkeiten des Strafverfahrensrecht im jeweiligen Einzelfall jedoch keinen hinreichenden Schutz, so ist eine Sperrung der V-Person gestützt auf deren Gefährdung - zulässig.

92

Siehe zu den Zeugenschutzmöglichkeiten unten § 10 II. BT-Drs. 13/7165, S. 10. 94 Pfeiffer, § 247a, 2. 95 BGHSt 32, 115, 124 f.; zustimmend: Fezer, JZ 1984, 433 ff.; Tiedemann/Sieber, NJW 1984, 753, 754 ff. Anders noch BGHSt 31, 148, 156; 31, 290, 293, Rebmann, NStZ 1982, 315, 318 ff. Siehe auch unten § 10 II, 7. 96 BGHSt 32, 115, 127 ff.; Pfeiffer, § 223, 10. Siehe auch unten § 11 I, 3. 97 Vgl. § 10 II, 11. 93

150

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten 2. Weitere Gründe für eine Sperrerklärung

Umstritten ist, ob eine V-Person oder ein Informant - wie dies § 110b III 3 StPO für Verdeckte Ermittler vorsieht - gesperrt werden darf, wenn die Möglichkeit der weiteren Verwendung zu verdeckten Ermittlungen besteht. Zudem ist ungeklärt, ob eine Sperrung auch damit begründet werden darf, künftige Ermittlungsverfahren könnten dadurch erschwert werden, dass die Vertraulichkeit trotz einer entsprechenden Zusage nicht gewährleistet wird, weil dann keine Privatperson mehr bereit sei, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Beide Sperrgründe sind eng miteinander verbunden, so dass sie im Weiteren gemeinsam dargestellt werden.

a) Streitstand Ein Teil der Rechtsprechung subsumierte diese Umstände zunächst unter den Begriff des Staatswohls in § 96 StPO98, während ein anderer Teil dies mit der Begründung ablehnte, die Erschwerung künftiger Ermittlungen sei kein Grund, die V-Person zu „sperren", da Vertraulichkeitszusagen nur zulässig seien, wenn sie zum Schutz vor Leibes- oder Lebensgefahren dienen99. Seit einer Entscheidung aus dem Jahre 1989 überprüft der BGH Sperrerklärungen nur noch darauf, ob sie vom erkennenden Gericht hinzunehmen oder diese Behördenentscheidungen willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich erteilt und darum nichtig und unbeachtlich sind 100 . Die Begründung einer Sperrerklärung könne zwar aus Sicht des Gerichts rechtsfehlerhaft sein, solange aber keine Nichtigkeitsgründe vorlägen, müsse die Behördenentscheidung hingenommen werden. Dennoch hat der BGH angedeutet, dass eine Sperrerklärung, die nur damit begründet würde, die Offenbarung der Identität des Informanten würde einen Bruch der diesem gegebenen Vertraulichkeitszusage bedeuten, rechtsfehlerhaft sei 101 . Ein Teil der Literatur hält es jedoch für unzulässig, eine V-Person deshalb zu sperren, weil sich die Behörde zur Einhaltung der Vertraulichkeitszusage verpflichtet fühle oder weil die V-Person im Falle der Freigabe in anderen Ver-

98

BVerfGE 57, 250, 284 f.; OLG Hamm, NStZ 1990, 44, 45 f.; VG Mainz, DVB1. 1982, 659, 660. Zustimmend: AKStPO Dolling, § 250, 18; Arloth, NStZ 1992, 96 f.; ders., NStZ 1993, 467, 468; Krey, Miyazawa FS, S. 595, 607; Vitt, Jura 1994, 17, 18 f. 99 BGHSt 31, 290, 294; BGH, StV 1985, 45, 47 f.; BGH, NStZ 1989, 380, 381; Landesverwaltungsgericht Köln, GA 1957, 251 ff.; LG Aachen, StV 1988, 476, 479. 100 BGHSt 36, 159, 163. Schon früher in diesem Sinne: Herdegen, NStZ 1984, 97, 100. 101 BGH, StV 1985, 45, 48; BGHSt 36, 159, 163. Ebenso Arloth, NStZ 1985, 280, 281; J. Meyer, JR 1983, 477, 478 f.

§ 8 Sperrerklärung

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fahren nicht mehr verwendet werden könne 102 . Zwar erlaube § 110b III StPO die Sperrung von Verdeckten Ermittlern, um ihren erneuten Einsatz zu gewährleisten, diese Vorschrift könne aber nicht sinngemäß auf V-Personen und Informanten angewendet werden. Begründet wird dies vor allem damit, dass Informanten und V-Personen keiner aufwendigen Legendierung bedürften 103.

b) Stellungnahme Bei der Berücksichtigung der genannten Gründe im Rahmen einer Sperrerklärung muss jedoch differenziert werden. Wie oben dargelegt 104, muss bereits bei der Zusicherung der Vertraulichkeit sorgfältig geprüft werden, ob eine solche im Einzelfall wirklich erforderlich ist, den Schutz des Zeugen oder die Tätigkeit der Strafverfolgungsorgane zu gewährleisten. Der Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit, der die Verwendung des sachnächsten Beweismittels fordert, muss bei dieser Entscheidung über die Sperrung ebenso Berücksichtigung finden wie die Tatsache, dass eine Vertraulichkeitszusage häufig erst Voraussetzung für eine Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit Privatpersonen ist. Im Bereich der Aufklärung besonders schwer wiegender Delikte kann es daher notwendig sein, eine Sperrerklärung auch ohne konkrete Leibes- oder Lebensgefahr für die Privatperson abzugeben, weil sonst bestimmte Erkenntnisquellen nicht genutzt werden können. Hierbei muss auch bedacht werden, dass sich ohnehin nur wenige Privatpersonen bereit finden, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten 105. Beim Bruch einer einmal gegebenen Zusicherung würde diese Bereitschaft sicher noch geringer werden. Daher hat das Bundesverfassungsgericht auch festgestellt, dass eine erteilte Vertraulichkeitszusage eine Sperrerklärung grundsätzlich rechtfertigen kann 106 . Die Gegenauffassung, nach der eine Sperrung generell nur bei einer Leibesoder Lebensgefahr für die gesperrte Person in Betracht kommt, ist nicht mit § 62 I BBG und § 110b III 3 StPO vereinbar. Die mögliche Wiederverwendung

102 Fezer, JZ 1985, 496, 498; Geppert, Jura 1992, 244, 250; HKStPO Lemke, § 96, 13; Lesch, StV 1995, 542, 546; Lisken, NJW 1991, 1658, 1660; Lüderssen, Jura 1985, 113, 125 f.; SKStPO Schlüchter, § 251, 61; Taschke, StV 1985, 269, 271; ders., StV 1986, 54, 57; Zaczyk, StV 1993, 490, 496; von Zwehl, V-Leute, S. 39 f., 55. 103 KKNack, § 96, 21. 104 § 7 III. 105 Siehe auch oben § 2 II, 2 b). 106 BVerfGE 101, 106, 128. Ebenso Meyer-Goßner, § 158, 17; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 166 ff, 170. Ähnlich Schneider, Die Pflicht, S. 109, der aber daraufhinweist, dass dies nicht in Verfahren gegen den Zeugen selbst gelten kann, wenn dessen mögliche Strafbarkeit festgestellt werden soll.

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

einer V-Person in weiteren Ermittlungsverfahren und der Umstand, dass einmal gegebene Vertraulichkeitszusagen nicht ohne Grund gebrochen werden dürfen, um die Anwerbung von Privatpersonen für die Strafverfolgung künftig nicht unmöglich zu machen, stellen Sperrgründe dar, welche die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, nämlich die Strafverfolgung, sicherstellen sollen. § 62 I BBG in Verbindung mit § 54 I StPO erlaubt es der Behörde, eine Aussagegenehmigung zu verweigern, wenn durch die Aussage eines Beamten vor Gericht die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährdet oder erheblich erschwert würde. Da die Voraussetzungen von § 54 und § 96 StPO identisch sind 107 , dürfen diese Gründe folglich auch bei der Abgabe einer Sperrerklärung berücksichtigt werden. Die Formulierung des § 62 I BBG macht allerdings deutlich, dass nicht jede Beeinträchtigung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben eine Sperrung des Zeugen rechtfertigt. Da eine ernstliche Gefährdung bzw. erhebliche Erschwerung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben gefordert ist, können diese Sperrgründe nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen. Es müssen also weitere Umstände vorliegen, um eine Sperrung zu rechtfertigen, etwa der Umstand, dass die V-Person besonders zuverlässig arbeitet oder in einer Position tätig ist, die weitere Ermittlungserfolge wahrscheinlich macht. Darüber hinaus zeigt § 110b I I I 3 StPO, dass diese Sperrgründe bei verdeckten Ermittlungen nicht von vornherein ausscheiden. Der Umstand, dass eine V-Person nach dem Erscheinen vor Gericht „verbrannt", d.h. ein weiterer Einsatz nicht möglich wäre, darf also zumindest dann in die Entscheidung über die Sperrerklärung einfließen 108 , wenn sich die betreffende V-Person als zuverlässig erwiesen hat und sie im laufenden Verfahren unentbehrlich zur Überführung des Straftäters ist.

V. Form der Sperrerklärung Die Sperrerklärung muss schriftlich abgegeben werden und die Gründe der obersten Dienstbehörde für die Sperrung nachvollziehbar darlegen 109. Bei der inhaltlichen Präzisierung ist zu berücksichtigen, dass durch eine zu ausführliche Begründung die geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen offenbar werden könnten. Die Sperrerklärung ist gleichwohl so weit verständlich zu machen, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, die Erklärung auf Widersprüche, of-

107

Siehe unten § 9 III. OVG Lüneburg, NJW 2001, 1665, 1666; Krey, Miyazawa FS, S. 595, 607; Meyer-Goßner, § 96, 13; Murmann/Grassmann, JuS 2001, Beilage S. 3*, 21*; Siegismund, JR 1994, 251,252; SKStPO Rogali, vor § 48, 81. 109 BGHSt 29, 109, 112; BVerwG, NJW 1984, 2233, 2235. 108

§ 8 Sperrerklärung

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fensichtliche Fehler und Unstimmigkeiten zu überprüfen 110. Teilweise wird in Anlehnung an § 99 I I 1 VwGO verlangt, die Behörde müsse die Wertung der Tatsachen als geheimhaltungsbedürftig so einleuchtend darlegen, dass diese unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als triftig anzuerkennen ist 111 . Stehen Gründe der Geheimhaltung einer Substantiierung der Sperrerklärung entgegen, so ist dies anzugeben und plausibel zu machen112. Abstrakte Kriterien derart, dass die gesperrten Akten ihrem Wesen nach geheim seien, genügen zur Begründung nicht 113 . Die Darlegung darf sich folglich nicht auf die bloße Wiedergabe oder Umschreibung der gesetzlichen Weigerungsgründe beschränken 114 , sondern sie muss aus sich selbst heraus verständlich sein, damit eine Überprüfung möglich ist.

VI. Rechtsfolgen einer Sperrerklärung 1. Grundsätzliche Folgen einer Sperrung Eine zumindest nicht willkürliche oder offensichtlich rechtswidrige Sperrerklärung hat zur Folge, dass die gesperrten Aktenteile nicht vorgelegt und gerichtliche Auskunftsersuchen hinsichtlich des gesperrten Akteninhalts, also insbesondere bezüglich der Identität einer V-Person oder eines Informanten, abschlägig beschieden werden können. Eine Beschlagnahme der gesperrten Akten ist dann unzulässig115. Die grundsätzlich als Zeuge in Betracht kommende Privatperson ist aufgrund dieser behördlichen Entscheidung für das gerichtliche Verfahren unerreichbar im Sinne des § 244 I I I 2 StPO geworden, so dass Beweisanträge, die sich auf die Vernehmung des V-Mannes oder des Informanten beziehen, abgelehnt werden dürfen 116 . Gegebenenfalls muss aber auf Beweissurrogate zurückgegriffen werden, um dennoch die Erkenntnisse der V-Person bzw. des Informanten dem Verfahren zugänglich zu machen.

110

BVerwG, NJW 1987, 202, 204; VGH Mannheim, NStE Nr. 11 zu § 96; Geppert, Jura 1992, 244, 250; Herdegen, NStZ 1984, 97, 100; Hilgen NStZ 1992, 523, 524; Möhrenschlager, wistra 1992, 326, 331; SKStPO Rogali , vor § 48, 83. 111 BVerwGE 66, 39, 44; 74, 115, 120; 75, 1; Hess. VGH, StV 1986, 52, 53. 112 BVerfGE 57, 250, 288; BGHSt 31, 148, 155; BVerwGE 75, 1, 9; OVG Lüneburg, NJW 2001, 1665; AKStPO Amelung, § 96, 23; LR G. Schäfer, § 96, 41. Ähnlich KK Nack, § 96, 17. 1.3 BVerwG, StV 1986, 523, 525 ff.; BVerwG, NVwZ-RR 1997, 133, 134. 1.4 BVerwGE 74, 115, 123 f.; 74, 115, 120 f.; 75, 1, 11 f. 1.5 RGSt 72, 268, 271; BGHSt 38, 237, 246 f.; Meyer-Goßner, § 96, 2; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rdnr. 13. Siehe auch unten § 8 VI, 3. 116 Siehe auch unten § 12 IV.

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Trotz rechtmäßiger Sperrung einer V-Person oder eines Informanten kommt es bisweilen aber vor, dass die Verteidigung durch eigene Recherchen die Identität der betreffenden Person ermittelt und einen Beweisantrag auf Vernehmung dieses Zeugen stellt. Wie oben bereits angedeutet117, bleibt die Sperrerklärung dann folgenlos. Das Gericht darf einen Zeugen, von dem es vermutet, es handele sich bei ihm um eine gesperrte Person, vernehmen. Es hat jedoch in eigener Verantwortung zu prüfen, ob von der Vernehmung wegen Gefahr für Leib oder Leben des Zeugen abzusehen ist 118 .

2. Beschlagnahme bei fehlender, willkürlicher oder offensichtlich rechtsmissbräuchlicher Sperrung a) Möglichkeit der Beschlagnahme von Behördenakten Fehlt eine Sperrerklärung oder ist diese unvollständig oder fehlerhaft begründet, muss das Gericht im Wege der Gegenvorstellung auf dem Dienstweg hiergegen vorgehen 119 . Wird die Herausgabe der gesperrten Akten oder Aktenteile auch nach einer Gegenvorstellung des Gerichts willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich verweigert, etwa weil erkennbar ein bestimmtes Ergebnis des Strafverfahrens angesteuert, die Aufklärung von Straftaten gerade in der betroffenen Behörde verhindert werden soll 120 (z.B. bei Korruption), das Ansehen eines bestimmten Politikers geschützt oder ministerielle Fehlentscheidungen vertuscht werden sollen, z.B. um Schadensersatzansprüchen vorzubeugen, oder wird gar keine Sperrerklärung abgegeben, ist umstritten, ob die betreffenden Akten beschlagnahmt werden dürfen. Teilweise wurde dies mit der Behauptung bestritten, es handele sich bei Akten nicht um Gegenstände im Sinne des § 94 StPO 121 . Diese These überzeugt jedoch ebensowenig wie das bloß formale Argument, eine Beschlagnahme scheide aus, weil sich die Akten bereits in behördlichem Gewahrsam befänden 122 , denn hierbei wird übersehen, dass § 94 StPO nicht irgendeinen amtli-

1.7

§ 7 IX. BGHSt 39, 141, 145; Beulke/Satzger, JZ 1993, 1013, 1015; Lesch, JA 1995, 691, 699; Meyer-Goßner, § 96, 12; Siegismund, JR 1994, 251, 253. 119 BGHSt 32, 115, 125 f.; 33, 178, 180; BGH, NStZ 1989, 282; Meyer-Goßner, § 96, 9; SKStPO Rogali , vor § 48, 86. 120 Siehe hierzu z.B. Hohmann, wistra2001, 196, 197. 121 So ohne nähere Begründung BayObLG, DRiZ 1931, Rspr. S. 116, Nr. 130. Hiergegen zutreffend Kramer, NJW 1984, 1502, 1503: Behördenakten sind „zwanglos" unter § 94 StPO subsumierbar. 122 KG, JR 1980, 476, 477. 1.8

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chen Gewahrsam, sondern den der Strafverfolgungsbehörden meint 123 . Dies wird durch § 98 IV StPO bestätigt, der die Beschlagnahme im Bereich der Bundeswehr regelt 124 . Da diese an ihren Unterlagen auch Gewahrsam ausübt, macht die Vorschrift nur Sinn, wenn sie auf die Begründung von Gewahrsam der Strafverfolgungsbehörden abzielt. Aus § 5 I 4 VwVfG folgt im Übrigen nicht, dass es im inter-behörderlichen Bereich keine Beschlagnahme gibt. Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass eine Behörde eine andere Behörde insbesondere dann um Amtshilfe ersuchen kann, wenn sie zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörden befinden. Daraus zu folgern, der Aktenaustausch könne generell nur im Wege der Amtshilfe erfolgen, greift aber zu kurz, da §§ 94 ff. StPO demgegenüber ersichtlich eine Sonderregelung darstellen. Zudem schränkt § 5 II VwVfG die Verpflichtung zur Amtshilfe unter ähnlichen Voraussetzungen wie § 96 StPO ein, so dass eine Lösung innerhalb der Strafjprozessordnung gefunden werden muss 125 .

b) Ausschluss der Beschlagnahme? Eine Ansicht lehnt die Möglichkeit der zwangsweisen Sicherstellung von Akten bei Behörden ab 126 . Eine derartige Beschlagnahme sei unzulässig, da andere Behörden nicht der Befehls- und Zwangsgewalt der Justizbehörden unterworfen seien. Zwar unterlägen die Verwaltungsbehörden in ihrer Verwaltungstätigkeit einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte, diese beinhalte aber keine Weisungsbefugnis oder Zwangsgewalt der Justiz gegenüber der Verwaltung. Eine solche Möglichkeit widerspräche zudem dem Prinzip der Gewaltenteilung, nach dem Rechtspflege und Verwaltung als selbständige Ausprägungen der Staatsgewalt neben- und nicht übereinander stünden127.

123

BGHSt 38, 237, 243; LG Oldenburg, wistra 1990, 76, 77; Kramer, NJW 1984, 1502, 1503, Reichert-Hammer/Renzikowski, JA 1990, 153, 158. 124 Ebenso Amelung, NStZ 1993, 48; Taschke, Die behördliche Zurückhaltung, S. 286 f. So grundsätzlich auch Janoschek, Strafprozessuale Durchsuchung, S. 94 f. 125 So auch LG Marburg, NJW 1978, 2306. 126 KG, JR 1980, 476 f.; LG Wuppertal, NJW 1978, 902; LR G. Schäfer, § 96, 4; Reiß, StV 1988, 31, 34; Rudolphi, Schaffstein FS, S. 433, 438; SKStPO Rudolph, § 96, 8. Einschränkend: Arloth, NStZ 1993, 467, 469 f., nach dem eine Beschlagnahme „allenfalls" bei völligem Fehlen einer Sperrerklärung in Betracht kommt. 127 Rudolphi, Schaffstein FS, S. 433, 438; Stratenwerth, JZ 1959, 693, 694.

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten c) Zulässigkeit der Beschlagnahme

Richtigerweise ist jedoch davon auszugehen, dass eine Beschlagnahme im Falle einer fehlenden, willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Sperrerklärung zulässig ist 128 . Hierfür sprechen zunächst der Standort und Charakter des § 96 StPO. Diese Vorschrift steht im 8. Abschnitt der Strafprozessordnung, welcher die Beschlagnahme regelt. Zudem ist § 96 StPO seinem Wortlaut nach eine Ausnahmevorschrift, welche die allgemeine Herausgabepflicht des § 95 StPO einschränkt. Der Schluss, dass außer in den Fällen des § 96 StPO Behördenakten daher beschlagnahmt werden können, ist zwar nicht zwingend, für die Auslegung der Vorschrift kommt ihm jedoch erhebliche Bedeutung zu 1 2 9 . Die systematische Stellung des § 96 StPO belegt jedenfalls, dass es sich nicht lediglich um eine Modifikation der allgemeinen Amtshilfeverpflichtung handelt 130 .

aa) Grundsatz der Gewaltenteilung Das Argument, der Grundsatz der Gewaltenteilung stünde diesem Ergebnis entgegen, überzeugt schon deshalb nicht, weil dies bei konsequenter Anwendung bedeuten würde, dass die Verwaltung eine unberechtigte Sperre durchsetzen und so in unzulässiger Weise in den Gang der Rechtsprechung eingreifen könnte 131 , sie letztlich die Möglichkeit hätte, über den staatlichen Strafanspruch zu disponieren 132. Dadurch würde die Erfüllung der Aufgaben, die der Rechtsprechung übertragen sind, durch die Verwaltung behindert. Gerade darin läge ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. 128 BGHSt 38, 237; KG, NStZ 1989, 541 f.; OLG Jena, NJW 2001, 1290, 1291 ff; OLG Köln, NStZ 1986, 569, 570; LG Bremen, NJW 1955, 1850; LG Darmstadt, NStZ 1989, 86; LG Hannover, NJW 1959, 351, 352; LG Marburg, NJW 1978, 2306; LG Oldenburg, wistra 1990, 76; AKStPO Amelung, § 96, 19; Amelung, NStZ 1993, 48; Erd· Siek, NJW 1960, 616; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 4, 161; Hilgendorf, JZ 1993, 368, 369; HKStPO Lemke, § 96, 12; KK Nack, § 96, 27 f; Kramer, NJW 1984, 1502, 1506; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 533 f.; Taschke, Die behördliche Zurückhaltung, S. 288; ders., NStZ 1993, 94; Walter, NJW 1978, 868, 871. Einschränkend KMR Müller, § 96, 2, nach dem eine Beschlagnahme nur zulässig ist, wenn keine Sperrerklärung vorliegt. 129 BGHSt 38, 237, 242 f. Ähnlich LG Marburg, NJW 1978, 2306, 2307; LG Koblenz, wistra 1983, 166; Walter, NJW 1978, 868, 871. 130 BGHSt 38, 237, 241 f.; Reiß, StV 1988, 31, 33; anders Taschke, StV 1986, 54, 55, der in § 96 StPO eine Begrenzung der allgemeinen Amtshilfepflicht sieht, die nur bei Behörden greife, die zur Amtshilfe verpflichtet seien, was bei der Polizei nicht der Fall sei. 131 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, 13. Im Ergebnis ebenso Hohmann, wistra 2001, 196, 197. 132 LG Marburg, NJW 1978, 2306, 2307.

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Die Gegenauffassung übersieht zudem, dass es häufig Überschneidungen der drei Bereiche der staatlichen Gewalt gibt, die stets zugunsten der einen oder anderen Gewalt gelöst werden müssen. So ist die Rechtsprechung gemäß Art. 20 I I I GG an die Entscheidungen des Gesetzgebers gebunden, fur diesen können aber in bestimmten Fällen Urteile bindend sein, Art. 93 I Nr. 2, 94 I I 1 GG, § 31 BVerfGG. Im Übrigen sehen im Verhältnis von Judikative und Exekutive andere Verfahrensordnungen ebenfalls Eingriffsbefugnisse der Rechtsprechung vor, so etwa die §§ 100, 101 FGO oder §§ 113 ff. VwGO. Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Bund, ein Bundesland, sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden lassen z.B. § 882a ZPO, §§ 170, 172 VwGO, § 255 AO, §§ 151 ff. FGO ausdrücklich zu. Die Beschlagnahme von Behördenakten stellt also keinen neuartigen oder unbekannten Eingriff in das Gewaltenteilungsprinzip dar, sondern sie ist mit diesem Grundsatz durchaus vereinbar. Darüber hinaus entspricht die Vorstellung, es gäbe Staatsorgane, die nicht der Zwangsgewalt der Strafverfolgungsbehörden unterworfen sind, dem Bild eines Staates als einer Einheit ohne inneres Konfliktpotential. Diese Sichtweise ist jedoch Bestandteil der Verfassungslehre der konstitutionellen Monarchie des vergangenen Jahrhunderts und nicht mehr zeitgemäß133.

bb) Wahrung von Amtsgeheimnissen Allerdings ist anerkannt, dass zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Verwaltung Amtsgeheimnisse dem Strafverfahren entzogen werden können 134 . Geschützt werden können die politische Geheimsphäre zur Wahrung der Sicherheit des Staates, die Geheimsphäre der Verwaltung als Voraussetzung für ihre ungehinderte Aufgabenerfüllung, sowie administrative Kenntnisse über Vorgänge der privaten Geheimsphäre 135. Den gesetzlichen Rahmen hierfür bilden §§ 54, 96 StPO, die in Fällen einer fehlenden, willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Begründung aber keine Schutzwirkung entfalten, weil sie voraussetzen, dass die Klassifizierung als geheimhaltungsbedürftig nicht willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt. In den Fällen, in denen eine solche Begründung abgegeben wird, kann zwar gleichwohl ein geheim zu haltender Umstand vorliegen, dessen Bekanntwerden dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde, trotzdem

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Hohmann, wistra2001, 196, 197. Ebenso LG Koblenz, wistra 1983, 166. BVerfGE 57, 250, 284. 135 Maetzel, DVBl. 1966, 665, 666 f.; v. Zezschwitz, NJW 1972, 796, 798. Siehe auch Wiese, Beamtenrecht, S. 120. 134

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

folgt aber aus dem Gewaltenteilungsprinzip 136, dass die Exekutive ihre Entscheidungen der Judikative gegenüber hinreichend begründen muss, wenn sie beachtlich sein sollen.

3. Fälle der fehlerhaften, nicht willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Sperrung Fraglich ist, wie das Gericht zu verfahren hat, wenn die Sperrerklärung nach seiner Einschätzung zwar fehlerhaft, aber nicht willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich abgegeben wurde. Nach einer Auffassung ist in dieser Situation ebenfalls eine Beschlagnahme zulässig137. Nur rechtmäßige Sperrerklärungen würden eine Beschlagnahme ausschließen, da Gerichte nur durch rechtsgestaltende Verwaltungsakte gebunden seien138 - eine Wirkung, die nicht rechtmäßige Verwaltungsakte nicht entfalten würden. Sollte sich die Annahme des Gerichts als falsch erweisen, die Sperrerklärung also doch rechtmäßig sein, so sei die Behörde über §§ 304, 305, 309 StPO hinreichend geschützt, der Name der gesperrten Person dürfte dann wegen der unzulässigen Beweiserhebung nicht verwertet werden 139 . Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, da ihre Grundannahme - die fehlende Bindungswirkung der nicht rechtmäßigen Sperrerklärung - falsch ist. Die Sperrerklärung stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG dar 140 , der gemäß §§ 43, 44 VwVfG nur im Falle der Nichtigkeit unwirksam ist. In allen anderen Fällen ist dieser Verwaltungsakt wirksam und damit für das Gericht bindend 141 . Ein nicht rechtmäßiger VerWaltungsakt ist zwar - innerhalb bestimmter Fristen - anfechtbar, jedoch nicht für das Gericht 142 . Dieses kann nur auf dem Dienstweg versuchen, eine Abänderung der Behördenentscheidung zu erreichen, bleibt dies erfolglos, muss es die behördliche Sperrerklärung hinnehmen. Eine Beschlagnahme der Akten nach § 94 StPO kommt daher nicht in Betracht 143 .

136 137 138 139 140 141 142 143

Siehe oben § 8 VI, 2 c), aa). Lüderssen, Klug FS II, S. 527, 536. Vgl. KK Engelhardt, § 262, 6; Meyer-Goßner, § 262, 8; Pfeiffer, Lüderssen, Klug FS II, S. 527, 535 ff. § 8 VIII, 2. Vgl. Meyer-Goßner, § 262, 8. §8 VII, 1. Siehe bereits oben § 8 VI, 1.

§ 262, 4.

§ 8 Sperrerklärung

159

Nach Auffassung der früheren Rechtsprechung und eines Teils der Literatur 1 4 4 darf das Gericht in dieser Situation nicht auf Beweissurrogate zurückgreifen, so dass die Aussagen der gesperrten V-Personen bzw. Informanten im Strafverfahren komplett unverwertbar wären 145 . Diese Unverwertbarkeit wird mit einem aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens hergeleiteten Beweiserhebungsverbot begründet. Eine solche Sanktionierung des rechtswidrigen Verwaltungshandelns durch das Gericht findet im Gesetz aber keine Stütze. Vielmehr gebietet die allgemeine Amtsaufklärungspflicht gemäß § 244 I I StPO dem Gericht auch in diesen Fällen Beweis zu erheben 146. Bei der Verwertung der so erhobenen Sekundärbeweise ist - wegen der damit verbundenen fehlenden oder eingeschränkten Überprüfbarkeit der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen147 - allerdings eine kritische Beweiswürdigung angezeigt. In bestimmten Konstellationen kann daher sogar die Anwendung des In-dubio-pro-reo-Satzes naheliegen148.

4. Unvereinbarkeit

des § 96 StPO mit Art. 19IV GG?

Die Möglichkeit, Beweissurrogate gegen den Angeklagten zu verwenden, wenn eine vom Gericht hinzunehmende rechtmäßige bzw. fehlerhafte, aber nicht willkürliche oder offensichtlich rechtsmissbräuchliche Sperrerklärung abgegeben wurde, könnte gegen Art. 19 IV GG verstoßen. Das Bundesverfassungsgericht hat den mit § 96 StPO fast wortgleichen § 99 VwGO a.F. für insoweit mit Art. 19 IV GG unvereinbar erklärt, als er die Aktenvorlage an das Gericht auch in denjenigen Fällen ausschließt, in denen die Gewährung effektiven Rechtsschutzes von der Kenntnis der Verwaltungsvorgänge abhängt149. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es ebenfalls um die Geheimhaltung von Akten, in welchen sich Aussagen von Personen befanden, denen Vertraulichkeit zugesichert worden war. Für eine Übertragung dieses Urteils auf § 96 StPO könnte neben der inhaltlichen Ähnlichkeit mit § 99 VwGO a.F. sprechen, dass es zwischen beiden Verfahrensordnungen weitgehende Übereinstimmungen gibt, z.B. die gerichtliche Aufklärungspflicht, das umfas-

144

BGHSt 29, 109, 111; 31, 148, 154; 33, 83, 92; LG Aachen, StV 1988, 476 ff.; Frenzel, NStZ 1984, 39, 40; Geppert, Jura 1992, 244, 252; LR G. Schäfer, § 96, 53; Rebmann,, NStZ 1982, 315,321. 145 Siehe zu diesem Problemkreis unten § 12 II. 146 BGHSt 36, 159, 163 ff.; KK Nack, § 96, 30. 147 Siehe dazu auch unten § 13 II, 2. 148 BVerfG, StV 1991, 449; LG Frankfurt/M., StV 1994, 475, 476. 149 BVerfGE 101, 106 ff. Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit Art. 19 IV GG hatte schon sehr früh Fezer, Kleinknecht FS, S. 113, 124 ff.

160

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

sende Akteneinsichtsrecht für die Beteiligten und die Grundsätze der Öffentlichkeit, Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme.

a) Fehlende gerichtliche Überprüfbarkeit der Verwaltungsentscheidung In seinem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht betont, es gehöre zur Effektivität des Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt im Sinne des Art. 19 IV GG, dass das (erkennende) Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann und genügend Entscheidungsbefugnisse besitzt, um drohende Rechtsverletzungen abzuwenden oder erfolgte Rechtsverletzungen zu beheben150. Dies schließe eine Bindung des Gerichts an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Wertungen aus 151 . Das Gericht müsse die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung gewinnen und begründen 152. Der aus der mangelnden Überprüfbarkeit der behördlichen Entscheidung resultierende Verstoß gegen Art. 19 IV GG wird nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch nicht dadurch kompensiert, dass die oberste Dienstbehörde die Erklärung über die Sperrung abzugeben habe. Hierdurch würde zwar vermieden, dass die Entscheidung von derjenigen Behörde gefällt wird, deren rechtmäßiges Handeln überprüft werden soll und die unter Umständen ein sachwidriges Interesse an der Nichtvorlage der Akten haben kann. Die oberste Dienstbehörde sei aber ebenfalls am Verfahren beteiligt und an dessen Ausgang interessiert 153.

b) Verfahren nach Neufassung des § 99 II VwGO Das Bundesverfassungsgericht hatte zunächst durch eine vorläufige Regelung gemäß §§ 31, 32 BVerfGG dieses Defizit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch ein sog. „in camera"-Verfahren beseitigt. Danach durfte nur der Vorsitzende des erkennenden Gerichts Einsicht in die gesperrten Akten erhalten und anhand der Akten die Entscheidung der Behörde überprüfen. Dem Betroffenen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens musste dabei entgegen § 100 I VwGO keine Akteneinsicht gewährt werden, um die Geheimhaltungsinteressen der Verwaltung zu wahren 154 .

,5H 151 152 151 154

BVerfGE 101, 106, 123; so auch schon BVerfGE 61, 82, 110 f. BVerfGE 15, 275, 282; 84, 34, 49. BVerfGE 15, 275, 282; 21, 191, 194 f.; 101, 106, 123. BVerfGE 101, 106, 126. Vgl. BVerfGE 101, 106, 128.

§ 8 Sperrerklärung

161

Nach der Neufassung des § 99 II VwGO 1 5 5 stellt nunmehr das Oberverwaltungsgericht auf Antrag eines Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ohne mündliche Verhandlung fest, ob die Sperrung von Akten bzw. Aktenteilen rechtmäßig war. Wurde die Sperrerklärung von einer obersten Bundesbehörde abgegeben ist für diese Überprüfung das Bundesverwaltungsgericht zuständig. Die Behörde muss die gesperrten Akten für diese Überprüfung zur Verfügung stellen, ihre Geheimhaltungsinteressen werden durch ausdrücklich angeordnete Geheimhaltungspflichten gewahrt, § 99 II Satz 7 und 10 f. VwGO. Das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 100 I VwGO besteht für dieses Überprüfungsverfahren nicht, § 99 II 9 VwGO.

c) Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs Gegen eine Übertragung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf § 96 StPO bzw. eine analoge Anwendung des § 99 II VwGO n.F. auf das strafrechtliche Verfahren spricht vor allem die hieraus folgende Beschränkung des Akteneinsichtsrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits früher entschieden, dass es gegen Art. 103 I GG - der mit Art. 19 IV GG in einem engen Zusammenhang steht 156 - verstößt, wenn geheimzuhaltende Tatsachen nur gegenüber dem Strafgericht, nicht aber auch gegenüber dem Angeklagten offenbart würden 157 . Dieser Grundsatz - seil, der Anspruch auf rechtliches Gehör - ist jedoch unverzichtbar und gehört zum Kern einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung158. Hiervon darf auch im Falle der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung nicht abgewichen werden 159 . Zudem würden sich Geheimhaltungsinteressen der Exekutive im Strafverfahren zu Gunsten des Angeklagten auswirken 160 . Ein „in camera"-Verfahren bzw. § 99 II VwGO analog würde demgegenüber den Rechtsschutz nicht erweitern, sondern zur Folge haben, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen gegen den Angeklagten verwenden zu dürfen, ohne dass dieser Gelegenheit erhielte, sich zu diesen zu äußern 161. Bereits vor der Neufassung des § 99 II VwGO wurden für das Strafverfahren Vorschläge gemacht, die fehlende strafprozessuale Überprüfung von Sperrerklärungen dadurch abzugleichen, das Bundesverwaltungsgericht, das jeweilige Oberverwaltungsgericht oder den jeweiligen Verfassungsgerichtshof über

155 156 157 158 159 160 161

Durch Gesetz vom 20.12.2001, BGBl. I, S. 3987, 3988. BVerfGE 81, 123, 129. BVerfGE 57, 250, 288. So ausdrücklich BVerfGE 57, 250, 288. BVerfGE 57, 250, 288; BVerfG, NJW 2000, 1175, 1178. So auch BGH, NJW 2000, 1661, 1662 f. BVerfGE 101, 106, 130; so auch BGH, NJW 2000, 1661, 1662.

11 Ellbogen

162

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Sperrvermerke von Bundesbehörden bzw. von Landesbehörden unter Ausschluss der Öffentlichkeit und aller Prozessbeteiligten entscheiden zu lassen162. Diese Möglichkeit scheitert aber - wie gezeigt - an Art. 103 I GG. Das Problem der fehlenden gerichtlichen Überprüfbarkeit kann im Strafprozess folglich auch nicht de lege ferenda durch Einfuhrung eines §§ 99 II VwGO, 86 I I I FGO entsprechenden Zwischenstreitverfahrens vor dem erkennenden Gericht - oder dem Oberverwaltungs- bzw. dem Bundesverwaltungsgericht - gelöst werden 163 . Die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen einer Sperrerklärung durch die Behörde dürfte - wie beim „in-camera-Verfahren" wegen Art. 103 I GG nicht unter Ausschluss des Angeklagten und dessen Verteidiger durchgeführt werden 164 .

d) Kompensation über das Beweisrecht Allerdings müssen sich Geheimhaltungsinteressen der Exekutive im Strafprozess nicht stets zu Gunsten des Angeklagten auswirken 165 . Dies belegt der bereits erwähnte 166 „Schmücker"-Prozess 167. Eine Erkenntnis dieses Prozesses war es nämlich, dass die Gefahr der - bewussten oder unbewussten - Manipulation von Beweismitteln durch die Behörden bzw. ihre Mitarbeiter besteht, weil diese die prozessuale Bedeutung ihres Tuns nicht überblicken 168 und darum z.B. Teile von Aussagen unterdrücken, weil sie glauben, auf diese komme es im Prozess nicht an. Dies muss nicht einmal in der Absicht erfolgen, den Beschuldigten zu Unrecht zu belasten, es kann aber zur Folge haben, dass eine Anwendung des In-dubio-pro-reo-Satzes in der konkreten Situation nicht in Betracht kommt, weil ein schlüssiger Indizienbeweis vorzuliegen scheint. In der Rechtsprechung hat sich deshalb die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Geheimhaltung von Beweismitteln zwangsläufig die Möglichkeit der Verteidigung beschränkt, durch den Antritt von Gegenbeweisen die Glaubwürdigkeit anonymer Gewährspersonen zu erschüttern oder die Unglaubhafitigkeit ihrer

162

401. 161

So Klein, FAΖ vom 14.10.1981, S. 11 - Nachweis bei Geißer, GA 1983, 385,

So die Vorschläge von Erdsiek, NJW 1960, 616, 618; Stratenwerth, JZ 1959, 693, 695; Tiede mann/Sie ber, NJW 1984, 753, 757; Witten, NJW 1961, 753, 758. 164 Geißer, GA 1983, 385, 403. Ablehnend auch Fezer, Kleinknecht FS, S. 113, 120 f. 165 Kritisch insoweit auch Fezer, Kleinknecht FS, S. 113, 117; Seelmann, StV 1984, 477, 479. 166 § 1 IV, Fn. 40. 167 Dokumentation in StV 1991, S. 371 ff. 168 In diesem Sinne auch Preuß, StV 1981, 312, 313.

§ 8 Sperrerklärung

163

Angaben zu belegen 169 . Diese Beeinträchtigung muss durch eine besonders kritische Prüfung der anonymen Angaben und ihres begrenzten Beweiswertes ausgeglichen werden. Daraus folgt insbesondere, dass die anonymen Angaben nicht alleinige Urteilsgrundlage sein dürfen, sondern durch andere aussagekräftige Beweismittel bestätigt werden müssen170. Ein dem § 99 I I VwGO n.F. entsprechendes „in camera"-Verfahren im Strafprozess hätte gegenüber dieser „Beweislösung" zwar den Vorteil, dass schnell eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung herbeigeführt werden könnte, Art. 103 I GG steht dem aber entgegen.

V I I . Rechtsweg gegen eine Sperrerklärung Als Rechtsweg gegen eine - eventuell nur vermeintlich - rechtswidrige Sperrerklärung kommen der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO und das Verfahren nach §§23 ff. EGGVG in Betracht.

1. Klagebefugnis bzw. Rechtsmittelberechtigung Nach heute fast einhelliger Auffassung kann das Gericht nicht selbst im Klageweg gegen eine Sperrerklärung vorgehen 171. Das Strafgericht kann die Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder einer anderen Behörde nicht gerichtlich überprüfen lassen, weil ein Gericht nicht bei einem anderen Rechtsschutz suchen kann. Zwar käme als verletztes Recht § 199 II 2 StPO in Betracht, der die Staatsanwaltschaft verpflichtet, alle Akten dem Gericht vorzulegen. Diese Pflicht kann aber nach Maßgabe des § 96 StPO beschränkt werden. Auch andere Behörden sind gegenüber dem Gericht zur Vorlage von beweisrelevanten Akten nach § 95 StPO verpflichtet, können diese Pflicht jedoch durch eine Sperrerklärung gemäß § 96 StPO beschränken. Teilweise wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass § 96 StPO (ohnehin) nur auf Behörden Anwendung finden würde, die nicht Strafverfolgungsbehörden seien172. Diese Einschränkung lässt sich aber weder dem Gesetzeswortlaut noch dessen Sinn und

169

BGH, NJW 2000, 1661, 1663. BGH, NJW 2000, 1661, 1663. Siehe auch unten § 13 II, 2 c, ee). 171 BGHSt 32, 115, 126; AK Amelung, § 96, 31; Arloth, Geheimhaltung, S. 86; Fezer, JuS 1987, 358, 360; Geppert, Jura 1992, 244, 252; HKStPO Lemke, § 96, 16; KK Nack, § 96, 32; LR G. Schäfer, § 96, 59; Lüderssen, Klug FS II, S. 527, 535; J. Meyer, ZStW 95 (1983), 834, 842; Meyer-Goßner, § 96, 14; Pfeiffer, § 96, 4; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 558. 172 Hans. OLG Hamburg, StV 1984, 11 f.; Keller, StV 1984, 521, 525; Taschke, StV 1986, 54, 55 f. 170

II*

164

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Zweck entnehmen und ist als sachwidrig abzulehnen173. Auch die Strafverfolgungsbehörden müssen die Möglichkeit haben, wegen übergeordneter Interessen, Amtsgeheimnisse gegenüber dem Gericht zu wahren. Glaubt das Gericht, dass die Sperrerklärung rechtswidrig abgegeben wurde, muss es versuchen auf dem Dienstweg 174 eine Änderung herbeizufuhren oder auf Beweissurrogate zurückgreifen, gegen die Behörde klagen kann sie jedoch nicht. Auch der Staatsanwaltschaft wird von der h.M. 1 7 5 - meist ohne jede Begründung - das Beschreiten des Rechtsweges versagt 176. Dies überzeugt jedoch nicht 177 . Richtig ist lediglich, dass es gegenüber der Polizei keines Rechtsweges bedarf, denn diese darf gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht die Aktenvorlage mittels Sperrerklärung verweigern, § 163 I StPO schließt dies - wie gezeigt 178 - aus. Andere Behörden können die Vorlage von Akten (-teilen) gegenüber der Staatsanwaltschaft zwar gemäß § 96 StPO verhindern, dies schließt aber nicht das Anfechtungsrecht gegen diese Entscheidung aus. Wie § 296 StPO zeigt, ist die Staatsanwaltschaft durch jede falsche Rechtsanwendung im Strafverfahren beschwert 179. Diese allgemeine Beschwerdebefugnis folgt aus der Stellung der Staatsanwaltschaft als Rechtspflegeorgan, das zur unparteiischen Mitwirkung 173

Im Ergebnis ebenso: OLG Frankfurt, NJW 1982, 1408, 1409; HKStPO Lemke, § 96, 3; Meyer-Goßner, § 96, 3. 174 Siehe hierzu bereits oben § 8 VI, 2 a). 175 Siehe die Nachweise in Fn. 171. 176 In den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland ging die Staatsanwaltschaft allerdings noch von einem eigenen Anfechtungsrecht aus. Ein spektakulärer Fall der damaligen Zeit belegt jedoch den Wandel, der zu einer Verneinung dieses Rechts führte: Im Jahre 1954 hatten Zollfahndungsbeamte aufgrund eines Hinweises ergebnislos eine Wohnung durchsucht. Deren Inhaberin erstattete daraufhin Anzeige wegen § 164 StGB. Im Zuge der Ermittlungen forderte die Staatsanwaltschaft den zuständigen Bundesfinanzminister auf, ihr den Namen des Informanten preiszugeben. Als dieser sich weigerte, erhob die Staatsanwaltschaft Verpflichtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Das OVG Münster, MDR 1958, 544, sah den Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet, das BVerwG, MDR 1959, 782, erklärte den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und stellte der Staatsanwaltschaft anheim, vor dem zuständigen Amtsgericht Antrag auf Auskunft zu stellen. Das LG Bonn, MDR 1965, 763 f., befand daraufhin, dass der Bundesfinanzminister nicht berechtigt war, den Namen gemäß § 96 StPO analog geheimzuhalten. Anders aber Rupp, JZ 1960, 66, 67, der lakonisch feststellte, hätten die Beteiligten erkannt, dass die Staatsanwaltschaft nicht in eigenen Rechten verletzt sein kann, so hätte schon 10 Jahre früher eine Entscheidung herbeigeführt werden können, nämlich indem die Wohnungsinhaberin Klage erhoben hätte. 177 Für ein Anfechtungsrecht der Staatsanwaltschaft Ostendorf, DRiZ 1981, 4, 10; Eb. Schmidt, Lehrkommentar Nachträge und Ergänzungen zu Teil II, § 96, 6; Vogel, NJW 1959, 1938, 1939. 178 § 7 V, 1. 179 Siehe z.B. KG, JR 1994, 372; OLG Bremen, NStZ 1989, 286; KK Ruß, vor § 296, 6; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 37, Rdnr. 12.

§ 8 Sperrerklärung

165

am Strafverfahren berufen ist. Ihre Aufgabe besteht auch in der Sicherung und Überwachung der Rechtsförmlichkeit des Verfahrens insgesamt. Der öffentlichen Anklagebehörde fällt nach dem Gesetz zudem die Aufgabe zu, auf die Beseitigung inkorrekter Entscheidungen hinzuwirken 180 . § 296 StPO gilt - wie aus dem systematischen Zusammenhang folgt - zwar nur für gerichtliche Entscheidungen, gleichwohl gilt dieser Grundsatz aber für das gesamte Strafverfahren. Das Argument, die Staatsanwaltschaft könne in diesem Punkt nicht mehr Rechte für sich beanspruchen, als das Gericht, das selbst nicht gegen eine behördliche Sperrerklärung vorgehen kann, wird der eigenständigen Stellung der Staatsanwaltschaft als Rechtspflegeorgan nicht gerecht. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass alle für die Sachverhaltsaufklärung erforderlichen Beweismittel dem Gericht zur Verfügung stehen, unabhängig davon, ob sie den Angeklagten be- oder entlasten. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, muss die Staatsanwaltschaft behördliche Entscheidungen gerichtlich überprüfen lassen können, und zwar unabhängig davon, ob der Angeklagte oder dessen Verteidiger von dieser Möglichkeit ebenfalls Gebrauch macht oder nicht. Dieses Anfechtungsrecht widerspricht auch nicht der Gewaltenteilung zwischen Justiz und Exekutive. Wie oben bereits gezeigt, haben die Strafverfolgungsbehörden sogar die Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen Behördenakten zu beschlagnahmen 181 . Die Befugnis, eine Behördenentscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen, steht der Staatsanwaltschaft daher auf jeden Fall zu. Neben der Staatsanwaltschaft können auch der Angeklagte und sein Verteidiger eine derartige Verwaltungsentscheidung anfechten 182. Rechtsmittelberechtigt können daneben auch ein eventueller Nebenkläger oder ein Dritter sein, der durch diese Verwaltungsentscheidung in eigenen Rechten verletzt wird 1 8 3 .

2. Rechtsweg bei Entscheidungen des Justizministers Strittig ist, welcher Rechtsweg zu beschreiten ist, wenn der Justizminister als oberste Dienstbehörde die Sperrerklärung abgegeben hat. Nach der h.M. ist in diesem Fall gemäß §§ 23 I, 25 I EGGVG ein Strafsenat des jeweils zuständigen

180 OLG Bremen, NStZ 1989, 286; KK Ruß, vor § 296, 6. Vgl. Peters, Strafprozeß, § 71 II, 7. 181 Siehe § 8 VI, 2 c). 182 Fezer, Kleinknecht FS, S. 113, 121; Hilger, NStZ 1984, 145; LR G. Schäfer, § 96, 60; SKStPO Rudolphi, § 96, 15. 183 Z.B. wenn der Dritte den Namen des Informanten benötigt, um gegen diesen wegen falscher Verdächtigung vorzugehen, siehe den Fall oben in Fn. 176.

166

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Oberlandesgerichts zur Entscheidung berufen 184. Nach einer Ansicht in der Literatur soll jedoch der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO eröffnet sein, da eine Sperrerklärung kein Rechtsakt von Justizbehörden auf dem Gebiet des Strafrechts sei, sondern eine Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 185 . Die letztgenannte Auffassung ist jedoch abzulehnen, da die Voraussetzungen einer abdrängenden Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit gemäß § 40 I 1 VwGO gegeben sind. § 23 I EGGVG setzt nämlich (nur) voraus, dass eine Justizbehörde eine Verfügung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen hat. Der Begriff der Justizbehörde ist allerdings im Gesetz nicht definiert. Eine Ansicht kommt mittels grammatikalischer Auslegung zu dem Ergebnis, dass er organisationsrechtlich zu verstehen ist, also nur Behörden, die dem Geschäftsbereich des Justizministers zugehören, danach Justizbehörden sind 186 . Zutreffend ist jedoch eine weite funktionale Auslegung dieses Begriffes 187 , nach der es für die Klassifikation als Justizbehörde nur darauf ankommt, ob die Behörde kraft Gesetzes Aufgaben wahrnimmt, die unmittelbar der Strafrechtspflege dienen 188 . Für dieses Ergebnis spricht zunächst der Wortlaut des § 23 I EGGVG, nach welchem alle freiheitsentziehenden Maßnahmen der Vollzugsbehörden der Kontrolle durch die Oberlandesgerichte unterworfen werden, auch wenn diese Maßnahmen nicht in Anstalten der Justizverwaltung vollzogen werden 189 . Daneben streitet aber auch die Entstehungsgeschichte des § 23 I EGGVG für eine funktionale Auslegung. Die Zuweisung zu den ordentlichen Gerichten erfolgte nämlich vor allem deshalb, weil diese Gerichte über die für die Nachprüfung erforderlichen zivil- und strafrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen und zudem das Durcheinander und Gegeneinander verschiedener Gerichtsverfahren durch Bündelung der Verfahren bei den Oberlandesgerichten beseitigt werden sollte 190 .

184 OVG Münster, NJW 1977, 1790; Arloth, NStZ 1992, 96; HKStPO Lemke, § 96, 16; Kissel, § 23 EGGVG, 151b; Meyer-Goßner, § 96, 14; Pfeiffer, § 96, 4. 185 KK Nack, § 96, 34; LR Böttcher, § 23 EGGVG, 26. 186 Markworth, DVB1. 1975, 575, 576 ff.; Samper, BayVBl. 1967, 98 f. 187 BGHSt 28, 206, 209; BVerwGE 47, 255, 262; KK Schoreit, § 23 EGGVG, 10; D. Meyer, JuS 1971, 294, 296; Schenke, VerwaltungsArchiv 60 (1969), 332, 338 f. 188 BVerwG, NJW 1984, 2233, 2234; Kissel, § 23 EGGVG, 13; Meyer-Goßner, § 23 EGGVG, 2. 189 Schenke, VerwaltungsArchiv 60 (1969), 332, 338 f. 190 KK Schoreit, § 23 EGGVG, 10; D. Meyer, JuS 1971, 294, 296. Siehe auch unten § 8 VII, 3 d, bb).

§ 8 Sperrerklärung

167

Die von der Behörde getroffene Entscheidung muss als Justizverwaltungsakt zu qualifizieren sein 191 . Hierunter ist jedes hoheitliche Handeln einer Justizbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet der Strafrechtspflege zu verstehen. Das Handeln der Behörde muss geeignet sein, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen. Neben Verwaltungsakten ist dies auch bei schlicht hoheitlichem Handeln und Realakten der Fall 192 . Diese Definition verdeutlicht, dass es sich bei einer Sperrerklärung des Justizministers sowohl um einen Justizverwaltungsakt als auch (natürlich) um eine Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, zu dem auch das Strafrecht gehört, handelt. Dennoch ist nicht der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 I 1 VwGO gegeben, da § 23 EGGVG als abdrängende Sonderzuweisung die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit begründet.

3. Rechtsweg bei Entscheidungen des Innenministers Gibt der Innenminister als oberste Dienstbehörde die Sperrerklärung ab, so ist ebenfalls umstritten, welcher Rechtsweg gegen diese Entscheidung zu beschreiten ist. Nach hier vertretener Auffassung ist der Innenminister allerdings nur in sehr wenigen Fällen zur Entscheidung über die Sperrerklärung berufen 193 . Dies ist nur in Konstellationen der Fall, die eine echte Gemengelage darstellen, also dann, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung der Einsatz einer bestimmten V-Person sowohl zur Abwehr drohender Straftaten als auch zur Strafverfolgung erforderlich ist. Die folgenden Überlegungen gelten jedoch auch, wenn der Innenminister - nach hier vertretener Auffassung - zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen und eine Sperrerklärung abgegeben hat.

a) Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten? Bis zu einem Beschluss des BGH im Jahre 1998 194 war es überwiegende Ansicht der Oberlandesgerichte, dass gemäß §§23 ff. EGGVG die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind 195 . Diese Auffassung wurde von einigen Verwaltungsgerichten 196 und einem Teil der Literatur geteilt 197 .

191

VGH Mannheim, NJW 1969, 1319; KK Schoreit, § 23 EGGVG, 20. OVG Hamburg, NJW 1970, 1699, 1700; OVG Münster, NJW 1977, 1790; Kissel , § 23 EGGVG, 28; Schenke, NJW 1976, 1816, 1818. 193 Siehe oben § 8 III 2 und 3. 194 BGHSt 44, 107 ff., mit Anmerkung Katholnigg, NStZ 1999, 40 f. 195 OLG Celle, JR 1984, 297; dass., NStZ 1991, 145; Hans. OLG Hamburg, StV 1982, 9, 10; OLG Hamm, NStZ 1985, 566 ff.; dass., NStZ 1990, 44 f.; dass., NStZ 192

168

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten b) Zuständigkeit nach § 13 GVG?

Eine Ansicht sieht demgegenüber den Rechtsweg nach § 13 GVG eröffnet 198 , da der Anspruch auf Herausgabe der Akten im strafrechtlichen Verfahrens· und Beweisrecht wurzele. Den vom Bundesverfassungsgericht 199 aufgestellten Anforderungen an die Abwägung der im Spannungsverhältnis stehenden Rechtsgüter könnten nur die Strafgerichte gerecht werden, da nur diese Gerichte die Schwere der Straftat, das Ausmaß der dem Beschuldigten drohenden Nachteile und das Gewicht der einer bestmöglichen Aufklärung entgegenstehenden Umstände sowie den Stellenwert des Beweismittels zutreffend einschätzen könnten.

c) Verwaltungsrechtsweg? Die überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hält indes den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für eröffnet 200 . Dies entspricht auch der h.M. in der Literatur 201 , die als Begründung anfuhrt, dass der Innenminister bei der Entscheidung über die Sperrerklärung ihm übertragene Verwaltungsaufgaben wahrnehme und allein darüber entscheide, ob die von ihm zu wahrenden Geheimhaltungsinteressen dem Interesse der Strafrechtspflege an Er-

1998, 316 f.; OLG Stuttgart, NJW 1985, 77, 78, dass., NJW 1991, 1071, 1072. A.A. nur KG, StV 1996, 531 f. und OLG Hamm, NJW 1973, 1089. 196 OVG Lüneburg, NJW 1984, 940; VGH Kassel, NJW 1984, 1253; VG Darmstadt, StV 1982, 415 f.; VG München, NStZ 1992, 452; VG Wiesbaden, StV 1982, 230, 232. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung, NJW 1975, 893 f., den Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG bei strafprozessualen Maßnahmen der Polizei für eröffnet gehalten, insoweit zustimmend Schenke, NJW 1975, 1529 f. 197 Altenhain, DRiZ 1970, 105, 107; Franzheim, JR 1982, 436; Hilger, NStZ 1984, 145, 147; Hoffmann, Der unerreichbare Zeuge, S. 150; H. Schäfer, JR 1984, 397, 400; Schenke, NJW 1976, 1816, 1817. 198 Ziegler, ZRP 1988, 25, 27. So auch VG Berlin, DÖV 1977, 144, bzgl. der Überprüfung einer Aussagegenehmigung. In diesem Sinne auch Hantel, JuS 1984, 516, 517 f., der aber de lege lata diesen Weg für nicht gangbar hält. 199 BVerfGE 57, 250, 285. 200 BVerwGE 69, 192, 194 ff.; 75, 1; BVerwG, DVB1. 1984, 836; BVerwG, NJW 1984, 2233; BayVGH, StV 1993, 460 f.; VGH Mannheim, NJW 1991, 2097. 201 Altenhain, DRiZ 1964, 297, 298; Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Rdnr. 1259; Geppert, Jura 1992, 244, 251; HKStPO Lemke, §96, 16; Kissel, § 23 EGGVG, 151a; KK Schoreit, § 23 EGGVG, 88; KK Nack, § 96, 34; Kopp/Schenke, § 179 VwGO, 5; LR Böttcher, § 23 EGGVG, 24; Κ Meyer, JR 1984, 297 ff.; ReichertHammer/Renzikowski, JA 1990, 153, 157; G. Schäfer, NStZ 1990, 46; SKStPO Rogali, vor § 48, 85; SKStPO Rudolphi, § 96, 15; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rdnr. 13. So nunmehr auch Katholnigg, NStZ 1999, 40; ders., Strafgerichtsverfassungsrecht, § 23 EGGVG, 7.

§ 8 Sperrerklärung

169

langung der Akten bzw. Informationen Grenzen setzt 202 . Daher werde der Innenminister nicht als Justizbehörde im Sinne des § 23 EGGVG tätig 203 . Außerdem gehöre die Vorlage von Akten an ein Strafgericht zu einem bei diesem anhängigen Strafverfahren nicht zu den spezifischen Aufgaben einer Behörde, sondern werde von allen Behörden nach den gleichen Grundsätzen im Rahmen der Amtshilfe für das Prozessgericht vorgenommen 204. Auch könne nur eine Klage vor dem Verwaltungsgericht eine für die oberste Dienstbehörde verbindliche Entscheidung herbeiführen, da es in der Strafprozessordnung keinen hinreichenden Rechtsschutz gegen rechtswidrige Sperrerklärungen gäbe 205 . Zudem müssten zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Verfahren betreffend Sperrerklärung und Aussagegenehmigung bei den Verwaltungsgerichten gebündelt werden 206 .

d) Stellungnahme Gibt der Innenminister eine Sperrerklärung ab, ist jedoch der Rechtsweg nach § § 2 3 ff. EGGVG eröffnet. Der Gegenauffassung ist aber insoweit zuzustimmen, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt, für welche gemäß § 40 I VwGO grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Allerdings besteht für diese gemäß § 23 EGGVG eine abdrängende Sonderzuweisung zu den ordentlichen Gerichten. Der Innenminister erlässt mit der Sperrerklärung nämlich einen Justizverwaltungsakt und entscheidet funktional als Justizbehörde im Sinne des § 23 I EGGVG.

aa) Voraussetzungen des § 23 EGGVG Die Gegenauffassung bestreitet dies mit dem Argument, dass § 23 EGGVG die Nachprüfung von Verwaltungsakten den ordentlichen Gerichten nur zuweise, soweit die in Streit stehende Amtshandlung der zuständigen Behörde gerade als spezifisch justizmäßige Aufgabe auf einem der in § 23 I EGGVG genannten Rechtsgebiete anzusehen ist 207 . Der Innenminister entscheide bei Abgabe der Sperrerklärung aber in erster Linie über die zu wahrenden Geheimhaltungsinteressen seiner Behörde. 202 203 204 205 206 207

195.

AKStPO Amelung, § 96, 30; SKStPO Rudolphi, § 96, 15. BGHSt 44, 107, 113. BVerwG, NJW 1984, 2233, 2234. BVerwG, NJW 1987, 202. BGHSt 44, 107, 117 f. BGHSt 44, 107, 113; BGHZ 105, 395, 399; BVerwGE 47, 255, 260; 69, 192,

170

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Diese Entscheidung stellt tatsächlich keine spezifisch justizmäßige Aufgabe der Strafrechtspflege dar. Mit ihr wird der jeweils obersten Dienstbehörde aber die Möglichkeit eingeräumt, auf den weiteren Verlauf des Strafverfahrens Einfluss zu nehmen, da es sich bei den zu sperrenden Informationen zumeist um beweisrelevante Umstände für das Strafverfahren handelt 208 . Dass bei der Entscheidung häufig auch präventiv polizeiliche Aspekte - etwa der weiteren Verwendungsmöglichkeit der V-Person zur Verbrechensverhütung, mit der die Geheimhaltungsbedürftigkeit meist begründet wird - berücksichtigt werden müssen, stellt ebenfalls einen Aspekt der Strafrechtspflege dar, weil die Tätigkeit einer V-Person im Bereich der Gefahrenabwehr im Wesentlichen auch der Erforschung von Straftaten dient 209 . Gerade das Argument, die kriminalpolizeiliche Aufgabe der Bekämpfung insbesondere der Rauschgiftkriminalität sei berührt 210 , zeigt dies. Denn den Weg der Bekämpfung beschreitet zwar die Polizei, das Ziel wird aber von den Strafgerichten erreicht, welche die Straftäter durch eine Verurteilung „aus dem Verkehr ziehen". Der Umstand, dass auch präventive Gründe für die Entscheidung relevant sind, ändert daher am Charakter als Justizverwaltungsakt nichts, entscheidend ist, dass der Innenminister funktional als Justizbehörde handelt. Insgesamt stehen nach Anlass, Auswirkung und Gründen der Sperrerklärung die Beziehungen der Entscheidung zum Strafverfahren deutlich im Vordergrund 211 . Unabhängig welche oberste Dienstbehörde diese Entscheidung trifft - ob der Justizminister oder der Innenminister - stellt die Sperrerklärung folglich einen Justizverwaltungsakt dar, für welchen § 23 EGGVG den Rechtsweg regelt.

bb) Sinn und Zweck der §§ 23 ff. EGGVG Für dieses Ergebnis streitet auch der Normzweck der §§23 ff. EGGVG. Die §§ 23 -30 EGGVG wurden 1960 - wenn auch nur als Übergangslösung, bis zu einer damals erwarteten endgültigen Regelung durch den Gesetzgeber in den Einzelgesetzen212 - eingefügt, um das bestehende Durcheinander und Gegeneinander der verschiedenen Gerichtsverfahren zu beseitigen213. Das Hineinwirken einer Gerichtsbarkeit in eine andere sollte unterbunden werden. Wie oben

208

OLG Hamm, NStZ 1985, 566, 567. OVG Münster, NJW 1980, 855; OLG Celle, NStZ 1991, 145; Hilger, NStZ 1984, 145, 147. So auch D. Meyer, JuS 1971, 294, 296. 2.0 So Bay VGH, StV 1993, 460, 461 und VGH Mannheim, NJW 1991, 2097, 2098. Eine ähnliche Begründung wird von BVerwGE 69, 192, 196 gegeben. 2.1 OLG Stuttgart, NJW 1985, 77, 78. Im Ergebnis ebenso VGH Kassel, NJW 1984, 1253. 212 BT-Drs. III/1094, S. 15; BVerwGE 47, 255, 257. 2,3 BVerwGE 6, 86, 89 f.; 47, 255, 260; Bachof, MDR 1956, 314, 315. 209

§ 8 Sperrerklärung

171

bereits erwähnt 214 , ist deshalb der Begriff der Justizbehörde in § 23 I EGGVG in einem weiten funktionalen Sinne zu verstehen. Gleichzeitig verwendet § 23 I 1 EGGVG den Begriff der Strafrechtspflege und nicht den des Strafverfahrens, was nahelegt, dass alle Streitigkeiten, die mit der Vorbereitung und Durchführung eines Strafprozesses verbunden sind, von § 23 I EGGVG erfasst sein sollten. Die Zuweisung des § 23 EGGVG sollte gerade verhindern, dass die Verwaltungsgerichte in Sachgebiete der ordentlichen Gerichte hineinreden und entscheiden215. Zu einer solchen Vermengung der Verfahren kommt es aber, wenn innerhalb eines anhängigen Strafprozesses die Verwaltungsgerichte über eine Teilfrage - die für die Beweiserhebung im Strafprozess wichtig ist - entscheiden müssen216. Die Klassifizierung des Innenministers als Justizbehörde im funktionalen Sinne entspricht daher auch Sinn und Zweck der §§23 ff. EGGVG.

cc) Sachnähe der ordentlichen Gerichte Ein weiterer Grund für die Verweisung an die ordentlichen Gerichte besteht darin, dass diese über die für die Nachprüfung der Rechtsfragen (eventuell) erforderlichen zivil- und strafrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen 217 . Die hieraus folgende größere Sachnähe zeigt sich gerade bei der Beurteilung des Stellenwerts des gesperrten Beweismittels218. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entspricht zudem den Anforderungen des Art. 19 IV GG, der nicht nur die Eröffnung irgendeines Rechtsweges garantiert, sondern des Rechtsweges zu dem Gericht, das nach seinem allgemeinen Aufgabenkreis, nach seiner Sachkunde und nach seiner Besetzung als das (sachlich) zuständige Gericht im Sinne des Art. 95 GG anzusehen ist 219 . Falls im Bereich von Gemengelagen für die zu treffenden Entscheidungen öffentlich-rechtliche Kenntnisse erforderlich sind, besitzen die mit dieser Aufgabe betrauten Richter an den Oberlandesgerichten auch diese, da es sich bei ihnen gemäß §§ 5 ff. DRiG um Volljuristen handelt. Ein verfassungsrechtlich gesichertes Entscheidungs-

2.4

§ 8 VII, 2. BVerwGE 47, 255, 260. 2.6 So ausdrücklich OVG Lüneburg, NJW 1984, 940, 941. 2.7 BT-Drs. III/55, S. 61, so auch BVerwGE 47, 255, 260; VG Darmstadt, StV 1982, 415,416. 2.8 Arloth, NStZ 1987, 520, 521. In diesem Sinne auch Fezer, Kleinknecht FS, S. 113, 128. 2.9 BFH, BStBl. 1951 III, 107, 109; Schenke, VerwaltungsArchiv 1969, 332, 339. In diesem Sinne auch Lüke, JuS 1961, 205, 206. Mit Bedenken insoweit BVerwGE 1, 21, 24. 2.5

172

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

monopol der Verwaltungsgerichte für alle öffentlich-rechtlichen Fragen existiert ohnehin nicht 220 .

dd) Einheit der Rechtsprechung Die Gegenauffassung behauptet jedoch, dass zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte angenommen werden müsse. Daher müssten bei diesen die Verfahren betreffend Sperrerklärungen und Aussagegenehmigungen - für welche die Verwaltungsgerichte (ohnehin) zuständig seien 221 - gebündelt werden. Dieses Argument kann jedoch nicht überzeugen. Denn dieser Gedanke darf nicht dazu führen, dass über einen für das Strafverfahren elementar wichtigen Bereich, nämlich die Beweisaufnahme, hierzu nicht berufene Gerichte mitentscheiden. Das ist aber der Fall, wenn die Verwaltungsgerichte über die Zulässigkeit und Begründetheit von Sperrerklärungen urteilen. Diese Judikatur der Verwaltungsgerichte hat bewirkt, dass der überwiegende Teil der Probleme, die sich aus der Abgabe einer Vertraulichkeitszusage ergeben, von diesen Gerichten entschieden werden. Dies hat zum einen zur Folge, dass der Sachverstand der Oberlandesgerichte bei der Beurteilung dieser Fragen außen vor bleibt, und zum anderen, ein komplett neuer Instanzenzug eröffnet wird. Das widerspricht aber dem Zweck des § 29 I 1 EGGVG, nämlich eine schnelle und endgültige Entscheidung bei Klagen gegen Justizverwaltungsakte herbeizuführen. Die Einheit der Rechtsprechung erfordert es deshalb vielmehr, die Problematik der Sperrerklärungen, die für ein Strafverfahren abgegeben wurden, innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu entscheiden.

ee) Fehlender Rechtsschutz? Die Behauptung, das Verfahren nach §§23 EGGVG ermögliche keinen hinreichenden Rechtsschutz gegen rechtswidrige Sperrerklärungen trifft ebenfalls nicht zu. Das Oberlandesgericht ist nämlich im Verfahren nach §§23 ff. EGGVG - wie aus den §§23 II, 28 EGGVG folgt 222 - zu den gleichen Entscheidungen befugt, welche die Verwaltungsgerichte treffen können. Es kann die Sperrerklärung aufheben bzw. bestätigen (§ 28 I EGGVG) oder der obersten Dienstbehörde entsprechend § 113 V 2 VwGO aufgeben, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 28 II 2 EGGVG). Es 220

BVerfGE 4, 387; Lüke, JuS 1961, 205, 206. Siehe zum Rechtsweg gegen die Verweigerung von Aussagegenehmigungen unten § 9 V. 222 Kissel , GVG, § 28 EGGVG, 1. 221

§ 8 Sperrerklärung

173

gibt daher keine Defizite in der Durchsetzbarkeit der gerichtlichen Entscheidung gegenüber der Behörde. Darüber hinaus kann das Prozessgericht - wie bereits dargestellt 223 - unter bestimmten Voraussetzungen die Beschlagnahme der betreffenden Behördenakten anordnen 224. Auch insoweit besteht folglich keine Überlegenheit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

ff) Ausschluss des § 13 GVG Den Rechtsweg fur Anfechtungen von Sperrerklärungen über § 13 GVG und nicht über §§23 ff. EGGVG zu bestimmen, überzeugt ebenfalls nicht. Nach dieser Ansicht 225 ist über § 13 GVG der Rechtsweg zum erkennenden Prozessgericht gegeben. Allerdings müsste es sich dann bei der Klage gegen eine Sperrerklärung um eine Strafsache handeln, um tatsächlich die Zuständigkeit der Strafgerichte zu begründen. Unter Strafsachen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Verfahren zu verstehen, in denen nach dem jeweils geltenden materiellen und Verfahrensrecht eine Kriminalstrafe verhängt wird 2 2 6 . Das Verfahren über die Zulässigkeit einer Sperrerklärung wird zwar letztlich für das Strafverfahren geführt, ist von diesem aber getrennt zu betrachten. Es endet mit der Feststellung, dass die Aktenvorlage zu Recht oder zu Unrecht verweigert wurde und ist damit keine Strafsache im Sinne des § 13 GVG. Über die Sperrerklärung müsste folglich vor einem Zivilgericht mit den dort geltendem Verfahrensrecht verhandelt werden. § 25 I EGGVG verwendet demgegenüber den weiteren Begriff der Strafrechtspflege, unter den das Verfahren über die Zulässigkeit der Zurückhaltung eines Beweismittels für den Strafprozess subsumiert werden kann. Folglich ist ein Strafsenat des Oberlandesgerichts zuständig für eine Klage gegen eine Sperrerklärung. §§23 ff. EGGVG sind daher nicht nur spezieller gegenüber § 13 GVG, sondern begründen auch die Zuständigkeit eines Spruchkörpers, der für die zutreffende Entscheidung durch seine Sachkunde und Besetzung prädestiniert ist. Soweit diese Ansicht darüber hinaus fordert, dass bei der Überprüfung der Sperrerklärung vor dem erkennenden Prozessgericht dem Angeklagten die Ak-

223

Siehe § 8 VI, 2. Arloth, NStZ 1987, 520. Dieses Zugeständnis macht auch der BGH, in BGHSt 44, 107, 116. 225 Siehe oben § 8 VII, 3 b). 226 Kissel , GVG, § 13, 210; siehe auch BVerfGE 22, 49, 80. 224

174

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

teneinsicht vorenthalten werden kann 227 , begegnet dies den schon oben dargelegten Bedenken 228 .

V I I I . Umfang der Überprüfung einer Sperrerklärung Sowohl die Oberlandesgerichte im Verfahren nach §§23 ff. EGGVG als auch die Strafgerichte selbst müssen die behördlichen Sperrerklärungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen 229. Wie bereits angedeutet230, sind allerdings Umfang und Kriterien der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung umstritten.

1. Meinungsstand Während früher zum Teil vertreten wurde, das Gericht könne eine Sperrerklärung (überhaupt) nicht überprüfen 231, sind sich Rechtsprechung und Literatur heute darüber einig, dass zumindest die formellen Voraussetzungen der Sperrerklärung durch das Gericht - uneingeschränkt - zu überprüfen sind. Hierunter fasst die h.L. im Anschluss an die Rechtsprechung auch die Kontrolle, ob die Sperrerklärung willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich abgegeben wurde 232 . Das Gericht muss daher sowohl die behördliche Zuständigkeit für die getroffene Entscheidung als auch eine ausreichende - plausible 2 3 3 - Begründung der Sperrerklärung prüfen. Strittig ist dagegen, in welchem Umfang die Gerichte die materiellen Voraussetzungen der Verwaltungsentscheidung überprüfen dürfen. Eine Ansicht nimmt einen (weitgehend) unüberprüfbaren Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörde an 234 . Dem gegenüber wird aber auch vertreten, dass die in § 96 StPO verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe uneingeschränkt der gerichtli-

227

Ziegler, ZRP 1988, 25, 28. § 8 VI, 4 c). 229 BVerfGE 57, 250, 287 f. 230 § 8 IV. 231 BVerwG, NJW 1956, 1493 f., mit ablehnender Anmerkung v. Köhler, a.a.O.; LG Bremen, NJW 1955, 1850; KMR Müller, § 96, 8. 232 Beulke/Satzger, JZ 1993, 1013, 1015; Möhrenschlager, wistra 1992, 326, 331. I.E. ebenso KK Nack, § 96, 17. 233 Siehe hierzu oben § 8 V. 234 OLG Celle, NStZ 1983, 570 f.; Gribbohm, NJW 1981, 305, 306; Herdegen, NStZ 1984, 97, 100. Siehe auch Ole, VerwaltungsArchiv 1985, 1, 15 ff. 228

§ 8 Sperrerklärung

175

chen Überprüfung unterliegen 235 . Eine dritte Auffassung differenziert hingegen. Die Rechtsanwendung der Behörde sei der uneingeschränkten Überprüfung zugänglich, Ermessensentscheidungen hingegen sollen nur auf offensichtliche Ermessensfehler überprüfbar sein 236 .

2. Stellungnahme Eine Sperrerklärung stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG dar 237 . Das Verwaltungsrecht enthält bindende Regeln über den Erlass und die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes, die Überprüfimg der Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung muss hieran anknüpfen.

a) Nichtigkeitsüberprüfung Gemäß §§ 43, 44 VwVfG ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt wirksam, es sei denn, er ist nichtig. Ein Nichtigkeitsgrund ist gemäß § 44 I I Nr. 3 VwVfG, wenn eine Behörde den Verwaltungsakt außerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen hat, ohne dass sie dazu ermächtigt wurde. Das Gericht muss darum auf jeden Fall prüfen, ob die Sperrerklärung von der zuständigen obersten Dienstbehörde erlassen wurde. Gemäß § 44 I VwVfG ist ein Verwaltungsakt zudem nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Eine willkürliche oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich erteilte Sperrerklärung weist solch einen schwerwiegenden Mangel im Sinne des § 44 I VwVfG auf, der zur Nichtigkeit und damit zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts fuhrt. Die Sperrerklärung ist dann wirkungslos. Mit der h.M. muss die Sperrerklärung daher auch auf diese Punkte hin überprüft werden.

b) Überprüfung der materiellen Voraussetzungen Die materielle Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung hängt davon ab, ob die Behörde die tatsächlichen Grundlagen sorgfältig zusammengetragen und rich235 OLG Frankfurt, NStZ 1983, 231; OLG Hamm, NStZ 1990, 44, 45; OLG Stuttgart, NJW 1985, 77, 78; dass., NJW 1991, 1071, 1072. Zustimmend Hilgendorf, JZ 1993, 368, 269. 236 AKStPO Amelung, § 96, 26; Taschke, Die behördliche Zurückhaltung, S. 267 f. 237 AKStPO Amelung, § 96, 23; Janoschek, Strafprozessuale Durchsuchung, S. 123; SKStPO Rogali , vor § 48, 83.

176

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

tig eingeschätzt hat, zutreffende Bewertungen und Prognosen getroffen und die Interessen des Angeklagten an einem fairen und zügigen Verfahren einerseits und der Behörde an der Geheimhaltung andererseits angemessen abgewogen hat 238 . § 96 StPO verwendet auf der Tatbestandsseite unbestimmte Rechtsbegriffe, welche der Auslegung durch die Behörde zugänglich sind. Allerdings gebietet es Art. 19 IV GG, dass es keinen der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum der Behörde gibt 239 . Daher unterliegt es der uneingeschränkten Überprüfung durch das Gericht, ob die in Betracht kommenden Rechtsnormen und deren tatsächliche Voraussetzungen durch die Behörde zutreffend angenommen wurden 240 . Auf der Rechtsfolgenseite räumt § 96 StPO der Behörde dagegen ein Ermessen ein. Die Behörde hat also die Wahl, ob sie es für zweckmäßig hält - nach Bejahung der Voraussetzungen des § 96 StPO - die Akten zu sperren oder nicht. Diese Zweckmäßigkeit der Entscheidung kann und darf das Gericht nicht überprüfen, zum einen, weil es in tatsächlicher Hinsicht nicht über die notwendigen Informationen dafür verfügt und zum anderen, weil dies eine originäre Verwaltungsaufgabe darstellt. Eine Zweckmäßigkeitskontrolle kann daher nur innerhalb der Behördenhierarchie erfolgen. Dies ist bei einer Sperrerklärung aber entbehrlich, da diese ohnehin vom zuständigen Fachminister abgegeben wird 2 4 1 . Erforderlich ist aber in Anlehnung an § 114 VwGO eine Überprüfung der Entscheidung auf Ermessensfehler 242. Hierbei muss anhand der Begründung der Sperrerklärung beurteilt werden, ob ein Ermessensfehlgebrauch, Ermessensnichtgebrauch oder eine Überschreitung des Ermessens vorliegt. Ist ein solcher Ermessensfehler gegeben, so ist die Sperrerklärung rechtswidrig 243 .

§ 9 Aussagegenehmigung Die zweite Möglichkeit zur Einhaltung einer Vertraulichkeitszusage ist neben einer Sperrerklärung die Versagung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung. Bei V-Leuten, die nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtet wurden 244 sowie Angehörigen der Strafverfolgungsorgane ist § 54 I 218 239 240 241 242 243 244

BVerfGE 101, 106, 125. Hantel, JuS 1984, 516, 520. Siehe hierzu auch Tettinger, DVBl. 1982, 421 ff. Fezer, Kleinknecht FS, S. 113, 119. Siehe oben § 8 III. So auch Frenzel, NStZ 1984, 39, 40. Siehe aber zur Bindungswirkung einer Sperrerklärung unten § 12 I - III. Siehe bereits oben § 2 II, 2 e) und § 8 III, 1.

§ 9 Aussagegenehmigung

177

StPO einschlägig, so dass bei der Vernehmung die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften zu beachten sind, insbesondere die Erforderlichkeit einer Aussagegenehmigung.

I. Anwendbarkeit des § 54 I StPO Für förmlich verpflichtete V-Personen, als sogenannte andere Personen des öffentlichen Dienstes, gilt § 54 I StPO, wenn ihre Tätigkeit im weitesten Sinne mit der einer Behörde zusammenhängt und nicht nur von untergeordneter oder rein mechanischer Art ist, wie dies z.B. bei Botendiensten, Reinigungs- oder Schreibarbeiten der Fall wäre 245 . Die Zusammenarbeit von V-Personen mit den Strafverfolgungsbehörden geht in der Regel über eine solche untergeordnete oder mechanische Tätigkeit hinaus, zumal der Einsatz von V-Personen im direkten Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben der Strafverfolgungsorgane steht. Darüber hinaus ist jedoch eine besondere Verbindung zum öffentlichen Dienst erforderlich, welche die Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 54 I StPO rechtfertigt. Weder die bloße Zusammenarbeit mit der Polizei noch eine Vertraulichkeitszusage genügen dafür. Die Verpflichtung auf die Interessen des öffentlichen Dienstes wird bei V-Personen erst durch die Anwendung des Verpflichtungsgesetzes begründet 246 , weil dieses der V-Person strafbewehrt aufgibt 247 , ihm bekannt gewordene Amtsgeheimnisse zu wahren. Auf nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtete V-Personen findet § 54 I StPO daher Anwendung 248 , für alle anderen V-Personen gilt - im Grundsatz - eine uneingeschränkte Zeugnis- bzw. Aussagepflicht. Dieses Ergebnis wird von einem Teil der Literatur mit der Behauptung abgelehnt, nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtete V-Leute seien keine anderen Personen des öffentlichen Dienstes249. Sie würden ebensowenig

245

KK Senge, § 54, 8; Kohlhaas, JR 1957, 41, 43; Meyer-Goßner, § 54, 10. Zu den Anforderungen an eine förmliche Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz vgl. BGH, NJW 1980, 846. 247 Siehe zu den strafrechtlichen Konsequenzen einer Verpflichtung Steinke, KR 1980, 490, 491. 248 BGHSt 31, 148, 156 f.; BGH, NStZ 1981, 70; BGH, NStZ 1984, 31, 32; OLG Celle, NStZ 1983, 570; OLG Hamburg, NStZ 1994, 98; Geißer, GA 1983, 385, 408; Gribbohm, NJW 1981, 305, 307 f.; HKStPO Lemke, § 54, 5; KK Senge, § 54, 9; MeyerGoßner, § 54, 11; Rebmann, NStZ 1982, 315, 320 f.; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 53; Siegismund, JR 1994, 251, 253; Steinke, KR 1980, 490. So bereits Woesner, NJW 1961, 533, 537, der ebenfalls an eine besondere Verschwiegenheitsverpflichtung anknüpft. 249 AKStPO Kühne, § 54, 5; Geerds, JZ 1984, 46, 48, Fn. 31; Lesch, JA 1995, 691, 699; J. Meyer, ZStW 95 (1983), 834, 846. 246

12 Ellbogen

178

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Funktionen des öffentlichen Dienstes wahrnehmen wie z.B. Hersteller und Lieferanten von Polizeiwaffen 250 . V-Leute würden nur dann unter § 54 StPO fallen, wenn sie hauptberuflich mit festen Bezügen bei einem öffentlichrechtlichen Dienstherrn angestellt seien 251 . Zudem habe der BGH in der Sedlmayr-Entscheidung 252 festgestellt, dass V-Leute auch durch eine förmliche Verpflichtung nicht zu Angehörigen der Ermittlungsbehörden würden; dies müsse auch bei § 54 StPO Berücksichtigung finden 253 . Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Bereits der Verweis auf die genannte BGH-Entscheidung geht fehl. Der BGH führte dort aus, dass förmlich verpflichtete V-Männer nicht zu Angehörigen der Ermittlungsbehörden würden und darum keine Vernehmung im Sinne der §§ 136, 252 StPO durchführen, wenn sie sich mit dem Beschuldigten oder Zeugen über den Tathergang unterhalten 254 . Gleichzeitig betonte der BGH aber, dass V-Personen die Strafverfolgungsorgane bei der Aufklärung von Straftaten unterstützen. Zu § 54 StPO äußerte er sich in dieser Entscheidung nicht. Wie oben ausgeführt sind förmlich verpflichtete V-Männer daher als andere Personen des öffentlichen Dienstes anzusehen, denn es kommt nicht auf ihre Tätigkeit als Privatperson an, sondern darauf, dass sie für eine Behörde Aufgaben wahrnehmen bzw. die Behörde durch ihre Tätigkeit unterstützen und dadurch die Möglichkeit eines Geheimnisbruchs besteht255. Daher ist für ihre Aussagen eine Aussagegenehmigung erforderlich.

II. Zuständigkeit für die Erteilung einer Aussagegenehmigung Fraglich ist, wer einer V-Person, die nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtet wurde, und einem Beamten, der in verdeckte Ermittlungen involviert ist, die Aussagegenehmigung zu erteilen hat und welche Voraussetzungen dafür gelten.

7. Zuständigkeitsregelung

bei Beamten

Die Zuständigkeit für die Erteilung einer Aussagegenehmigung richtet sich nach dem zugrunde liegenden Dienstverhältnis. Bei Beamten ist folglich gemäß

250 251 252 253 254 255

AKStPO Kühne, § 54, 5. Lesch, JA 1995, 691, 699. BGHSt 40, 211 ff. Lesch, JA 1995, 691, 699. BGHSt 40, 211,213. Steinke, KR 1980, 490.

§ 9 Aussagegenehmigung

179

§§ 61 I I 2 BBG, 39 II 2 BRRG der Dienstvorgesetzte zuständig, bei Angestellten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes gemäß § 9 I I 1 BAT (bzw. BAT/Ost) der Arbeitgeber. Für den sachbearbeitenden Staatsanwalt ist daher der Leitende Oberstaatsanwalt (gemäß § 147 Nr. 3 GVG) bzw. der Justizminister (gemäß § 147 Nr. 2 GVG) fur die Aussagegenehmigung zuständig. Untersteht ein Beamter hingegen mehreren staatlichen Stellen, so soll nach h.M. der Disziplinarvorgesetzte zuständig sein, z.B. bei Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft, die dem Polizeidienst angehören, der polizeiliche Dienstvorgesetzte 256. Die Zuständigkeit des polizeiliche Dienstvorgesetzten für die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen Polizeibeamten, der auf repressiven Gebiet eingesetzt wurde, ist jedoch abzulehnen, denn es ist ein Vergleich mit den Fällen der Dienstaufsichtsbeschwerde angezeigt. Bei diesen muss unterschieden werden, ob sich die Beschwerde gegen die eigentliche Sachbehandlung richtet (dann Sachaufsichtsbeschwerde) oder lediglich gegen das Verhalten des Beamten als solches (sogenannte Dienstaufsichtsbeschwerde im engeren Sinne). Im ersten Fall ist die Staatsanwaltschaft für die Bearbeitung der Beschwerde zuständig, im letzteren der Dienstvorgesetzte 257. Bei der Aussagegenehmigung im Zusammenhang mit dem Einsatz von V-Personen zur Strafverfolgung handelt es sich um einen Aspekt der Sachbearbeitung des Polizeibeamten. Der Beamte wurde im repressiven Bereich gemäß § 161 I StPO im Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig, daher muss diese darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang das bei dieser Tätigkeit erlangte Wissen im Strafverfahren preisgegeben wird. Gegen diese Auffassung kann nicht angeführt werden, dass die Genehmigungsbedürftigkeit der Aussage eines Beamten an dessen dienstrechtlichen Status anknüpft und z.B. durch eine Aussagegenehmigung die öffentlich-rechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn verletzt sein kann, etwa wenn der Beamte sich durch seine Aussage gefährden würde. Denn diese Umstände muss auch der Justizminister bei seiner Entscheidung berücksichtigen, die Fürsorgepflicht trifft ihn in dieser Situation genauso wie den Innenminister, der nach der Gegenauffassung zuständig wäre. Im Übrigen hat der Justizminister diese Gegebenheiten bei einem Staatsanwalt, der sich durch eine Aussage vor Gericht gefährden könnte, ebenfalls zu beachten. Die §§161 StPO, 152 GVG sprechen daher für die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft bzw. des Justizministers für die Erteilung von Aussagegenehmi-

256

HKStPO Lemke, § 54, 9; KK S enge, § 54, 14; Kohlhaas, JR 1957, 41, 43; LR Dahs, § 54, 17; Meyer-Goßner, § 54, 19. 257 OLG Hamburg, NJW 1970, 1699, 1700; AKStPO Achenbach, § 163, 30 f.; KK Wache, § 163, 33; Kuhlmann, DRiZ 1976, 265, 267 f.; Meyer-Goßner, § 152 GVG, 8. 12*

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

gungen bzw. deren Beschränkung oder Versagung für einen Polizeibeamten, wenn sich die Aussage auf die strafVerfolgende Tätigkeit des Beamten bezieht. Aus § 61 II BBG folgend ist für die Genehmigung der Aussage der sachbearbeitende Staatsanwalt zuständig. Gemäß § 62 IV BBG ist für die Verweigerung (bzw. Beschränkung) der Aussagegenehmigung hingegen die oberste Aufsichtsbehörde zuständig, so dass über diese der Leitende Oberstaatsanwalt bzw. der Justizminister entscheiden muss.

2. Zuständigkeit bei förmlich verpflichteten

V-Leuten

Da eine förmlich verpflichtete V-Person einer anderen Person des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 54 I StPO gleichsteht, ist gemäß § 9 II BAT (bzw. BAT/Ost) der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber für die Erteilung einer Aussagegenehmigung zuständig 258 V-Personen werden in der Regel für ihren Einsatz entlohnt oder erhalten für diesen andere Vorteile 259 . Aber auch wenn sie keine Gegenleistung für ihre Tätigkeit erhalten, sind sie in diesem Zusammenhang als Arbeitnehmer zu qualifizieren, da sie nach Aufforderung durch die Staatsanwaltschaft bzw. die Polizei Aufgaben für diese erfüllen. Fraglich ist aber, wer in rechtlicher Hinsicht bei einer Tätigkeit der V-Person auf repressiven Gebiet deren Arbeitgeber ist. In der überwiegenden Anzahl der Fälle hat die V-Person nur mit einem Polizeibeamten auf staatlicher Seite Kontakt, der ihm Anweisungen erteilt und Geld zukommen lässt - Finanzmittel die dem Ressort der Polizei, also des Innenministeriums, entstammen. Dies könnte dafür sprechen, die Polizei als Arbeitgeber der V-Person anzusehen. Allerdings muss auch hier die Leitungsfünktion der Staatsanwaltschaft für das Ermittlungsverfahren berücksichtigt werden. Die Polizei setzt V-Personen im repressiven Bereich unter Anleitung der Staatsanwaltschaft ein, die z.B. Weisungen erteilen kann, welche die Polizei dann an die V-Person weiterleiten muss. Obwohl V-Personen von der Polizei bezahlt werden, werden sie auf dem Gebiet der Strafverfolgung tätig, so dass im dienstrechtlichen Sinne die Staatsanwaltschaft ihr Arbeitgeber ist. Dies belegt vor allem § 161 StPO, der den Einsatz einer V-Person erst ermöglicht. § 161 StPO ist aber eine Befugnisnorm der Staatsanwaltschaft und nicht der Polizei. Folglich ist zur Entscheidung über eine Aussagegenehmigung (Versagung, Beschränkung oder Erteilung) die Staatsanwaltschaft berufen. Diese Zuständigkeit ist auch sachgerecht, denn so kann die Staatsanwaltschaft bestimmen, welche Beweismittel für das gerichtli-

258 259

§ 9 I. § 2 II, 2 a).

§ 9 Aussagegenehmigung

181

che Verfahren zur Verfügung stehen, um einen Angeklagten zu überführen. Es wäre fatal, wenn die Staatsanwaltschaft einen Belastungszeugen benennt, dem dann von der Polizei, bzw. dem Innenminister als deren oberste Aufsichtsbehörde, keine Aussagegenehmigung erteilt wird. Durch diese Zuständigkeitsregelung wird folglich sichergestellt, dass allein die Staatsanwaltschaft über die für die Anklageerhebung relevanten Punkte, wie z.B. die Bereitstellung von Beweismitteln, entscheidet, und nicht die Polizei und deren oberste Aufsichtsbehörde das Innenministerium. Die h.M. kommt zu dem gegenteiligen Ergebnis, nämlich zur Zuständigkeit des Innenministers, zum Teil ohne dies weiter zu begründen 260, zum Teil mit dem Hinweis, die Zuständigkeit sei wie bei § 96 StPO zu bestimmen261. Der Verweis auf § 96 StPO geht jedoch fehl. Die Zuständigkeit für die Abgabe von Sperrerklärungen für V-Personen nach § 96 StPO analog liegt nämlich, wie oben gezeigt 262 , ebenfalls beim Justizminister. Im Übrigen hat diese Auffassung zur Folge, dass der Innenminister über die Freigabe von Beweismitteln für das Strafverfahren entscheiden darf, was die Zuweisung der Aufgabe der Strafverfolgung an die Justiz missachtet.

3. Zu präventiven Zwecken eingesetzte V-Personen Bei V-Personen, die zunächst zu präventiven Zwecken und später, weil sich die Straftat nicht verhindern ließ, zu repressiven Zwecken eingesetzt wurden, gilt - wie bei der Abgabe von Vertraulichkeitszusagen 263 - , dass die Zuständigkeit ebenfalls im Bereich der Justiz liegt. Gemäß § 39 II 3 BRRG analog muss die Staatsanwaltschaft jedoch prüfen, ob sich der Vorgang, zu dem sich die betreffende V-Person äußern soll, im Rahmen der präventiven Tätigkeit für den früheren Dienstherrn, also den Innenminister ereignet hat. Wenn dem V-Mann also während des präventiven Einsatzes bestimmte Vorgehensweisen oder Einsatzcharakteristika bekannt geworden sind oder er die Identitäten anderer präventiv eingesetzter Polizeibeamter oder V-Personen erfahren hat, muss der Justizminister mit Zustimmung des Innenministers entscheiden, ob sich die Aussagegenehmigung auch auf diese geheimhaltungsbedürftigen Umstände bezieht.

260 261 262 263

BGHSt 31, 148, 156; Meyer-Goßner, § 54, 19. LR Dahs, § 54, 9. § 8 III, 2. Siehe auch § 7 IV, 3.

182

3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten I I I . Gründe für die Beschränkung oder Versagung einer Aussagegenehmigung

§ 54 I StPO verweist hinsichtlich der Genehmigung zur Aussage auf die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften. Die Genehmigung kann nach diesen versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde 264 . Wie § 96 StPO verwendet § 54 StPO damit auf der Tatbestandsebene unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Auslegung durch die Behörde zugänglich sind. Es besteht insoweit allerdings kein Ermessens-, sondern nur einen Beurteilungsspielraum 265, welcher der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Bei den Rechtsbegriffen der ernstlichen Gefährdung und erheblichen Erschwerung der Aufgabenerfüllung ist - ähnlich wie bei einer Sperrerklärung - nicht allein der eigene Aufgabenbereich der Behörde zu berücksichtigen, sondern auch der hohe Rang der gerichtlichen Wahrheitsfindung 266. Die Versagung setzt eine sorgfaltige Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter und eine entsprechende Würdigung des gesamten Sachverhalts voraus 267 . Da die Vorschriften zur Sperrerklärung und zur Aussagegenehmigung dem gleichen Zweck dienen, nämlich geheimhaltungsbedürftige Tatsachen nicht öffentlich werden zu lassen, müssen für die Gründe, unter denen beide erteilt werden, die gleichen Anforderungen gelten 268 . Deshalb kann hinsichtlich der speziellen Gründe für eine Beschränkung oder Verweigerung einer Aussagegenehmigung auf das zur Sperrerklärung Gesagte verwiesen werden 269 . Ein Teil der Literatur lehnt dies jedoch ab 270 . Angesichts seines klaren und eindeutigen Wortlauts könne § 96 StPO nicht so weit interpretiert werden, dass er die Alternativen des § 54 StPO in Verbindung mit den beamtenrechtlichen Vorschriften mitumfasse 271. Dies überzeugt allerdings nicht. §§ 54, 96 StPO dienen der Wahrung von Amtsgeheimnissen im Strafverfahren. Die Geheimhaltung kann aber in ein und

264

§§ 62 I BBG, 39 III 1 BRRG. KK Senge, § 54, 16; Wiese, Beamtenrecht, S. 122. 266 BVerfGE 57, 250, 284; BVerwGE 66, 39, 43; BGHSt 32, 115, 124. 267 BVerfGE 57, 250, 285; BGHSt 32, 32, 35; BGH, NStZ 1983, 355. 268 Für eine Gleichbehandlung: BVerfGE 57, 250, 282, 289; BGH, NJW 1984, 65, 66; OLG Hamburg, NJW 1982, 297, 298; Herdegen, NStZ 1984, 97, 100; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 496 ff; Schneider, Die Pflicht, S. 94; Ziegler, ZRP 1988, 25, 26. 269 Siehe § 8 IV. 270 Arloth, NStZ 1985, 280, 281; Franzheim, JR 1982, 436, 437; Lüderssen, Klug FS II, S. 527, 529, Fn. 15; J. Meyer, JR 1983, 477 f. 271 Arloth, NStZ 1985, 280, 281. 265

§ 9 Aussagegenehmigung

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demselben Gerichtsverfahren nicht davon abhängig sein, ob eine Aussagegenehmigung erforderlich ist oder eine Sperrerklärung abgegeben werden muss. Die Geheimhaltung muss in beiden Fällen anhand der gleichen Voraussetzungen bestimmt werden 272 . Im Übrigen wurde durch die Einführung des § 110b III StPO klar gestellt, dass beide Vorschriften die gleichen Voraussetzungen haben 273 .

IV. Form der Aussagegenehmigung Die Aussagegenehmigung bzw. ihre Verweigerung erklärt die Behörde regelmäßig schriftlich, bei Eilbedürftigkeit kann die Entscheidung aber auch mündlich oder telefonisch getroffen werden 274 . Umstritten ist jedoch, ob neben einer Verweigerung bzw. Versagung auch eine Beschränkung der Aussagegenehmigung auf bestimmte Vorgänge, Umstände, Tatkomplexe oder Fragen in Betracht kommt. Eine Ansicht hält es insbesondere für unzulässig, dass eine Verhörsperson nur die Genehmigung erhält, die Aussage eines V-Mannes wiederzugeben, dessen Identität aber verschweigen muss 275 . Dieses Vorgehen sei problematisch, weil dann Erkundigungen über die Glaubwürdigkeit der primären Quelle unmöglich seien, es bestehe die Gefahr eines Geheimprozesses, bei dem der Angeklagte nicht wisse, wer ihn wirklich belaste. Bei der Zulässigkeit dieser Aussagebeschränkung würde ein und derselbe Staat sich einmal durch seine vollziehende und zum anderen durch seine rechtsprechende Gewalt, mit sich selbst in Widerspruch setzen und sein eigenes, in der Aussageverweigerung liegende Beweisverbot einseitig dadurch umgehen, dass er einen künstlichen Zeugen einführe, der nur fragmentarisch aussage276. Durch derartige Aussagebeschränkungen verwirkliche sich eine administrative Außensteuerung des Strafverfahrens, welche die Wahrscheinlichkeit einer wahrheitsgetreuen Tatsachenfeststellung senke, weil insbesondere die persönliche Beteiligung des Zeugen an dem zu beweisenden Lebenssachverhalt nicht überprüft werden könne.

272 Ziegler, ZRP 1988, 25, 26. Vgl. BVerfGE 57, 250, 282; Herdegen, NStZ 1984, 97, 100. 273 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 42; Hilger, NStZ 1992, 523, 524, Fn. 154; HKStPO Lemke, § 110b, 12. 274 HKStPO Lemke, § 54, 9; LR Dahs, § 54, 15; Meyer-Goßner, § 54, 19. 275 Arndt, NJW 1963, 432, 433; Kofjka, JR 1969, 306; Meilicke, NJW 1963, 425 ff.; v. Zezschwitz, NJW 1972, 796 ff. In einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung, hat sich der BGH dem angeschlossen, BGH, JR 1969, 305 f. 276 Arndt, NJW 1963, 432, 433.

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

Mit der h.M. ist jedoch von der Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung der Aussagegenehmigung auszugehen277. Ähnliche Beschränkungsmöglichkeiten sind auch bei §§ 53, 55 StPO anerkannt, so dass einem Polizeibeamten z.B. erlaubt werden kann, Informationen, welche ihm eine V-Person mitgeteilt hat, preiszugeben, deren Identität aber nicht 278 . Der Gegenauffassung ist allerdings zuzugeben, dass die Verwertung einer so erlangten Aussage problematisch ist. Bei der durch einen Zeugen vom Hörensagen vermittelten Aussage eines anonymen Zeugen versagen die Rechte des Angeklagten aus den §§ 240, 257 StPO. Die Verfahrensbeteiligten können sich kein Bild von der Persönlichkeit, dem Lebenslauf und Charakter sowie den Beweggründen des unmittelbaren Zeugen machen. Diese Defizite bei der Beweiserhebung fuhren jedoch nicht zu einer Unzulässigkeit einer derartigen Aussagebeschränkung, vielmehr muss das Gericht diese Defizite bei der Beweiswürdigung berücksichtigen und die Aussagen besonders gründlich überprüfen. Es muss sich der Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein und darf eine Verurteilung auf diese Angaben nur stützen, wenn diese durch andere wichtige Gesichtspunkte bestätigt werden 279 . Eine derartige Aussagebeschränkung kommt nicht nur bei Beamten, sondern auch bei V-Personen in Betracht, so dass insbesondere Umstände der Zusammenarbeit mit anderen V-Personen oder Verdeckten Ermittlern und deren Identität - soweit sie der V-Person bekannt ist - verschwiegen werden dürfen. Ähnlich wie bei der Sperrerklärung 280 muss die Behörde ihre Gründe für die Aussageverweigerung so weit verständlich machen, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, diese nachzuvollziehen und gegebenenfalls auf die Beseitigung etwaiger Hindernisse hinzuwirken 281 .

277

RGSt 7, 74, 75; BGHSt 17, 382, 385; BGH, MDR/D 1952, 659. Ebenso Fezer, JuS 1978, 472, 474; HKStPO Lemke, § 54, 11; KMR Neubeck, § 54, 15; Kohlhaas, JR 1957, 41, 43; Leiß, DÖV 1956, 396, 398; LR Dahs, § 54, 19; Meyer-Goßner, § 54, 22; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 101; Eb. Schmidt, JZ 1962, 761, 762; Woesner, NJW 1961,533, 536. 278 BVerfG, JZ 1967, 570; BGHSt 17, 382, 384 f.; OLG Hamm, NJW 1970, 821; OLG Stuttgart, NJW 1972, 66, 67. 279 BVerfG, NJW 1996, 448; BGHSt 17, 382, 386; 36, 159, 166; 42, 15, 25; BGH, StV 1994, 637; BGH, StV 1996, 583 f.; BGH, StV 2000, 603 f.; BGH, StV 2000, 649, 650; OLG Frankfurt, NJW 1968, 1000; OLG Köln, StV 1994, 289, 290. 280 Siehe dazu § 8 V. 281 BGHSt 29, 109, 112 f.; OVG Berlin, StV 1984, 279 f.; Fezer, JuS 1987, 358, 360.

§ 9 Aussagegenehmigung

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V. Rechtsweg gegen die Beschränkung oder Versagung einer Aussagegenehmigung 1. Allgemeines Generell besteht die Gefahr, dass durch die Abgabe einer Sperrerklärung oder die Beschränkung bzw. Versagung einer Aussagegenehmigung die Behörden zu starken Einfluss auf die gerichtliche Wahrheitsfindung nehmen, weil sie dass Gericht zwingen, auf bestimmte primäre Beweismittel zu verzichten und auf sekundäre Beweismittel zurückzugreifen 282. Auch ist es mit dem Gebot der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 I GG) und dem Verbot, jemanden seinem gesetzlichen Richter zu entziehen (Art. 10112 GG) nur schwer vereinbar, dem zuständigen Richter die unabhängige Verfugung über den Prozessstoff durch Vernehmungsbeschränkungen zu erschweren oder unmöglich zu machen 283 . Derartige Beschränkungen der gerichtlichen Aufklärungspflicht durch die Behörde sind nur zulässig und mit Art. 97 I, 101 12 GG vereinbar, wenn das Gesetz, insbesondere §§ 54, 96 StPO, dies zulässt. Die Staatsanwaltschaft 284 , der Angeklagte, sein Verteidiger 285 , der Privat- und Nebenkläger 286 haben grundsätzlich die Möglichkeit gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die Behörde die Voraussetzungen des § 54 StPO, bzw. - wie oben bereits dargestellt 287 - des § 96 StPO, im konkreten Fall zu Recht angenommen hat. Wenn hingegen nach Beurteilung das erkennenden Gerichts die Versagung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung ermessensfehlerhaft oder nicht hinreichend begründet ist, muss das Gericht bei der Behörde eine Gegenvorstellung erheben 288. Sollte diese erfolglos bleiben, kann eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht kommen 289 . Wie bei einer Sperrerklärung kann das Gericht nicht selbst gerichtlich gegen die behördliche Versagung einer Aussagegenehmigung vorgehen 290 , sondern es ist an die Entscheidung der Behörde ge-

282 Geppert, Jura 1992, 244, 251; Hantel, JuS 1984, 516, 517; Seelmann, StV 1984, 477, 481 f.; v. Zezschwitz, NJW 1972, 796; sprechen von der Gefahr einer administrativen Außensteuerung des Strafverfahrens. 283 Hantel, JuS 1984,516,518. 284 Siehe oben § 8 VII, 1. 285 BVerwG, NJW 1971, 160 f.; VG Mainz, DVBl. 1982, 659; Schlüchter, Strafprozeßrecht, S. 197. 286 Gusy, StV 2001, 271; Schmid, JR 1978, 8; Woesner, NJW 1981, 533, 536. 287 §8 VII, 1. 288 BGHSt 32, 115, 126; BGH, NStZ 1996, 608; OLG Hamm, NJW 1970, 821 f.; Geerds, NStZ 1996, 609; Schlüchter, Strafprozeßrecht, S. 197. 289 RGSt 44, 291, 292; OLG Hamm, NJW 1970, 821; Meyer-Goßner, § 54, 27; KMR Neubeck, § 54, 17. 290 Geppert, Jura 1992, 244, 250 f.; Tiedemann, JuS 1965, 14, 16 f.

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

bunden 291 . Nur wenn die zuständige oberste Dienstbehörde eine uneingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt hat, der betreffende Beamte gleichwohl aber nicht aussagen will, z.B. weil er wegen einer von ihm gegebenen Vertraulichkeitszusage die Identität eines V-Mannes nicht preisgeben will, kommen gegenüber dem Beamten Zwangsmittel nach § 70 StPO in Betracht, da dann für diesen eine Aussagepflicht besteht292.

2. Vorliegen eines Justizverwaltungsaktes Die Bestimmung des Rechtswegs muss an der Rechtsnatur der Aussagegenehmigung anknüpfen. Diese stellt wie die Sperrerklärung einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG dar 293 . Die Aussagegenehmigung könnte wie jene - zudem als Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 I EGGVG zu qualifizieren sein. Wie bereits definiert 294 , ist unter einem Justizverwaltungsakt jedes hoheitliche Handeln einer Justizbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet der Strafrechtspflege zu fassen, wobei unter Justizbehörde jede öffentliche Stelle zu verstehen ist, die kraft Gesetzes Aufgaben wahrnimmt, welche unmittelbar der Strafrechtspflege dienen. Nach dieser Definition stellt die Aussagegenehmigung ebenfalls einen Justizverwaltungsakt dar, so dass der Rechtsweg nach §§23 ff. EGGVG eröffnet zu sein scheint.

3. Geltung des § 1261BRRG Dieser Befund steht aber unter dem Vorbehalt, dass nicht § 126 I BRRG und damit der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Nach § 40 I 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet, soweit die Streitigkeit nicht durch ein Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Die sogenannten Sonderzuweisungen an ein anderes Gericht werden in auf- und abdrängende Sonderzuweisungen unterteilt. Abdrängende Sonderzuweisungen verweisen die Entscheidung eines Rechtsstreits trotz Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges an eine andere Gerichtsbarkeit: Art. 34 S. 3 GG, § 23 EGGVG, § 51 SGG und

291

100. 292

BGHSt 33, 178, 179 f.; Fezer, JuS 1987, 358, 360; Herdegen., NStZ 1984, 97,

Röhrich,, Rechtsprobleme, S. 511. BVerwGE 18, 58, 59; 34, 252, 254; OVG Berlin, DVB1. 1955, 568; OVG Münster, MDR 1963, 250; VG Mainz, DVB1. 1982, 659; heiß, DÖV 1956, 396, 398; Roxin,, Strafverfahrensrecht, § 26, Rdnr. 29; Eb. Schmidt, JZ 1962, 761, 762; Tiedemann, JuS 1965, 14, 16. 294 Siehe oben § 8 VII, 2. 293

§ 9 Aussagegenehmigung

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§ 33 FGO. § 23 EGGVG stellt z.B. eine abdrängende Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte dar. Auf eine abdrängende Sonderzuweisung kommt es allerdings dann nicht an, wenn eine aufdrängende Sonderzuweisung zum Verwaltungsrechtsweg besteht, da diese eine Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte ohne Rücksicht auf die öffentliche oder private Rechtsnatur der Streitigkeit begründet 295. Eine aufdrängende Sonderzuweisung geht daher § 40 VwGO und abdrängenden Sonderzuweisungen vor. Beispiele für aufdrängende Sonderzuweisungen sind die §§59 SoldG, 54 BAföG, 71 DRiG und 126 IBRRG. § 126 I BRRG eröffnet den Verwaltungsrechtsweg u.a. für alle Klagen der Beamten und früheren Beamten aus dem Beamtenverhältnis. Klagt also ein Beamter, etwa ein V-Mann-Führer, gegen eine Aussagegenehmigung, weil er z.B. glaubt, er würde sich durch eine Aussage vor Gericht gefährden, steht ihm hierfür der Rechtsweg nach § 126 I BRRG offen, da es sich um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis handelt 296 . Fraglich ist aber, ob § 126 BRRG auch einschlägig ist, wenn ein Bürger, z.B. der Angeklagte, gegen die Entscheidung über die Aussagegenehmigung für einen Beamten vorgeht. Dies setzt voraus, dass es sich um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis handelt. Diese Annahme liegt auf den ersten Blick nicht nahe, da der Bürger kein Beamter ist 297 . Jedoch muss beachtet werden, dass die Entscheidung über die Aussagegenehmigung im Verhältnis Beamter und Dienstherr ergeht und darum das Beamtenverhältnis auch dann betroffen ist, wenn ein Außenstehender, z.B. der Angeklagte, gegen die Versagung der Aussagegenehmigung vorgeht 298 . Im Übrigen sind nicht der Wortlaut, sondern Sinn und Zweck des § 126 BRRG entscheidend299. Maßgeblich ist daher, dass der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage im Beamtenrecht hat und der Rechtsstreit aufgrund beamtenrechtlicher Regelungen entschieden werden muss. § 126 BRRG bezweckt, das Beamtenrecht der Länder einer einheitlichen Auslegung zugänglich zu machen 300 . Die Voraussetzungen unter denen die Verschwiegenheitspflicht des Beamten, die zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG gehört 301 , hinter der Aufklärungspflicht des Gerichts zurückzutreten hat, müssen bundeseinheitlich geklärt und

295 Vgl. Eyermann, VwGO, Rennert, § 40, 163 f.; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, §11, Rdnr. 10; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 33. 296 Zur Klagebefugnis des Beamten in dieser Situation: Schmid, JR 1978, 8 f. 297 So auch Hilger, NStZ 1984, 145, 147. 298 VG Mainz, DVBl. 1982, 659. 299 BVerwGE 66, 39,41. 100 BVerwGE 34, 252, 253; OLG Stuttgart, NJW 1985, 77, 79. In diesem Sinne auch Erichsen, VerwaltungsArchiv 1980, 429, 430. 301 BVerfGE 28, 191, 201; BVerwGE 37, 265, 268; Hantel, JuS 1984, 516, 518.

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3. Teil: Der Schutz von V-Personen und Informanten

angewendet werden. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 126 BRRG fur die Überprüfung von Aussageverweigerungen nach § 54 StPO entspricht folglich der gesetzgeberischen Intention. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Dienstherr durch die Entscheidung über die Aussagegenehmigung seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten verletzen könnte. Diese Umstände sprechen dafür, alle Klagen gegen die Erteilung, Versagung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung, unabhängig ob sie von Beamten oder Privatpersonen erhoben werden, unter § 126 BRRG zu fassen 302. §§23 ff. EGGVG sind folglich - trotz Vorliegens eines Justizverwaltungsaktes - nicht anwendbar, da eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Verwaltungsgerichten nach § 126 BRRG besteht.

4. Klage auf die Aussagegenehmigung für eine V-Person Im Falle der Verweigerung einer Aussagegenehmigung für eine V-Person gilt die Sonderzuweisung zu den Verwaltungsgerichten nach § 126 I BRRG nicht, da es sich bei V-Personen nicht um Beamte handelt und auch kein Beamtenverhältnis betroffen ist. Da es sich - wie oben festgestellt 303 - bei einer Aussagegenehmigung um einen Justizverwaltungsakt handelt, ist der Weg zu den ordentlichen Gerichten nach § 23 EGGVG eröffnet 304 .

5. Problem unterschiedlicher

Gerichtszuständigkeiten

Die obige Prüfung hat somit ergeben, dass für Klagen gegen die Versagung bzw. die Beschränkung von Aussagegenehmigungen für Beamte die Verwaltungsgerichte gemäß § 126 I BRRG zuständig sind, bei förmlich verpflichteten V-Personen hingegen die Oberlandesgerichte nach § 23 ff. EGGVG. Bei Klagen gegen die Versagung von Aussagegenehmigungen kann es daher zu einer Rechtswegspaltung kommen, wenn in einem Verfahren ein Beamter und ein

302 BVerwGE 66, 39, 41; OVG Berlin, StV 1984, 280; VG Mainz, DVB1. 1982, 659; OLG Hamm, NJW 1968, 1440; OLG Stuttgart, NJW 1985, 77, 78; Altenhain,, DRiZ 1964, 297, 298, Fn. 25; Fezer, JuS 1987, 358, 361; Geppert, Jura 1992, 244, 251; Kissel, § 23 EGGVG, 112; Kopp/Schenke, § 179 VwGO, 5; heiß, DÖV 1956, 396, 398; LR Böttcher, § 23 EGGVG, 25; Κ Meyer, JR 1984, 297, 298; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 26, Rdnr. 29; Tiedemann, JuS 1965, 14, 16. Hantel, JuS 1984, 516, 517, hält de lege lata dieses Ergebnis für zwingend, schlägt aber aus Gründen der Prozeßökonomie und Rechtssicherheit eine Zuständigkeitskonzentration beim Gericht der Hauptsache vor. Kritisch auch Hilger, NStZ 1984, 145, 147. 303 § 9 V, 2. 304 Unzutreffend ist die Vermutung von Hantel, JuS 1984, 516, 521, wegen § 9 BAT seien die Arbeitsgerichte für derartige Streitigkeiten zuständig.

§ 9 Aussagegenehmigung

189

förmlich verpflichteter V-Mann zum Einsatz gekommen sind. Wenn die oberste Dienstbehörde in diesem Fall beiden Personen keine Aussagegenehmigung erteilt, könnte der Angeklagte diese behördlichen Entscheidungen anfechten, müsste dies allerdings vor unterschiedlichen Gerichten tun. Hierbei besteht die Gefahr, dass das Oberlandesgericht hinsichtlich der Zulässigkeit der Versagung der Aussagegenehmigung zu einem anderen Ergebnis kommt als das Verwaltungsgericht. Hält das eine Gericht die Versagung für unzulässig und muss die Behörde z.B. der V-Person eine Aussagegenehmigung erteilen, so wird die Entscheidung des anderen Gerichts sinnlos, da die V-Person die - vermeintlich - geheimhaltungsbedürftigen Umstände preisgeben muss. Darüber hinaus wäre die Entscheidung des Oberlandesgerichts nach § 29 I 1 EGGVG unanfechtbar, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hingegen bestünden Rechtsmittel. Diese Rechtswegspaltung ist zwingende Folge der bestehenden gesetzlichen Zuständigkeitszuweisungen. Gleichwohl ist dieses Ergebnis misslich, zum einen wegen der aufgezeigten Gefahr sich widersprechender Gerichtsurteile und zum anderen, weil es gerade Ziel des Gesetzgebers war, derartige Rechtswegaufspaltungen durch Einfuhrung der §§23 ff. EGGVG zu vermeiden. Durch die Annahme der alleinigen Zuständigkeit der Oberlandesgerichte nach §§23 ff. EGGVG für alle Klagen betreffend die Erteilung, Versagung oder Beschränkung von Aussagegenehmigung für das strafrechtliche Verfahren könnte diese Rechtswegaufspaltung vermieden werden. Diese Zuständigkeitsregelung erscheint auch sachgerecht, da die Verwaltungsgerichte nur strafprozessextern die Zulässigkeit der Zurückhaltung von Beweismitteln prüfen können, die Konsequenzen ihrer Rechtsprechung im einzelnen Strafverfahren dagegen nicht. Dies gilt für die Strafsenate der Oberlandesgerichte zwar auch, jedoch sind diese zu einer Entscheidung hierüber eher berufen als die Verwaltungsgerichte, denn die Beweiswürdigung ist ureigene Aufgabe der ordentlichen Gerichte 305 . Die - alleinige - Zuständigkeit des Oberlandesgerichts hätte aufgrund § 29 I 1 EGGVG zudem den Vorteil, dass schnell eine rechtskräftige Entscheidung herbeigeführt werden könnte. Dies würde auch dem strafprozessualen Beschleunigungsgebot hinreichende Beachtung verschaffen. Eine Klärung dieser Problematik kann aber nur der Gesetzgeber herbeiführen, indem er eine Ausnahmevorschrift zu § 126 BRRG erlässt, die lauten könnte: (§ 126 IV BRRG) „Bei Rechtsstreitigkeiten über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für das strafrechtliche Verfahren ist abweichend von Absatz 1 der Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG gegeben

305

Gusy, StV 2001, 271, 272. Siehe auch §13 11.

Vierter

Teil

Beweisaufnahme und Beweisverwertung Eine Vertraulichkeitszusage kann also - wie gezeigt1 - durch die Abgabe einer Sperrerklärung oder die Versagung bzw. Beschränkung einer Aussagegenehmigung umgesetzt werden. Folge dieser Verwaltungsakte ist, dass der unmittelbare Zeuge nicht oder nur eingeschränkt fur das gerichtliche Verfahren zur Verfugung steht. Da hierdurch die gerichtliche Beweisaufnahme und Beweiswürdigung zum Teil erheblich erschwert wird, hat die Literatur eine DreiStufen-Theorie entwickelt 2 , mit der - abhängig vom Grad der Gefährdung des Zeugen und den bestehenden Schutzmöglichkeiten - beurteilt werden kann, ob der Zeuge teilweise oder komplett gesperrt werden muss. A u f der ersten Stufe wird geprüft, ob die Zeugenschutzmöglichkeiten des Strafverfahrensrechts ausreichen, um den unmittelbaren Zeugen in der Hauptverhandlung zu schützen. Ist dies der Fall, ist eine Sperrung unzulässig3. Ist die Gefährdung des Zeugen so groß, dass sein Erscheinen in der Hauptverhandlung ausgeschlossen ist, ist auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob der Zeuge zumindest kommissarisch vernommen werden kann. Ist auch dies nicht möglich, so muss auf der dritten Stufe geprüft werden, ob wegen der Sperrung des Zeugen eine Beweismittelsurrogation durch eine Protokollverlesung oder die Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen in Betracht kommt. Die Einfuhrung des Wissens des gesperrten Zeugen in die Hauptverhandlung durch solche Beweissurrogate ist danach jedenfalls zulässig, wenn die Sperrung des Zeugen nach Maßgabe der dargelegten Kriterien rechtmäßig erfolgte. Strittig ist, ob eine Beweismittelsurrogation darüber hinaus auch dann zulässig ist, wenn der Zeuge zu Unrecht gesperrt wurde.

1

Siehe §§ 8, 9. Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 427 ff.; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil IV, § 2, 31 ff.; LescK Strafprozeßrecht, 2. Kapitel, Rdnr. 167; SKStPO Schlüchter, § 251, 58 ff. Vgl. auch Schomburg, KR 1992, 679, 680. 3 Vgl. auch oben § 7 III, 2. 2

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

191

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung Eine Sperrung scheidet nach der Drei-Stufen-Theorie aus, wenn der Zeuge trotz der bestehenden Gefährdungslage bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung hinreichend geschützt werden kann. Das StraiVerfahrensrecht eröffnet zahlreiche Wege zum Schutz gefährdeter Zeugen. Die einschlägigen Bestimmungen sind im Zusammenhang mit den Verfahrensabschnitten geregelt, in welchen die Schutzmöglichkeiten wirksam werden sollen4. Die bestehenden Zeugenschutzmöglichkeiten können je nach Sachlage des Einzelfalles alternativ oder kumulativ eingesetzt werden 5, da sie unterschiedlich schutzintensiv sind und jeweils nur einen bestimmten Gefahrdungsaspekt betreffen.

I. Allgemeine Bedeutung des Zeugen und seiner Aussagepflicht Verdeckt eingesetzte V-Leute und Informanten haben im Strafverfahren grundsätzlich die Stellung eines Zeugen, da sie über Wissen verfügen, das zur Aufklärung einer Straftat beitragen kann. Da ein Zeuge über Vorgänge berichtet, die sich in der Vergangenheit ereignet haben6, hängen die Bedeutung und die Würdigung des Zeugenbeweises von Umständen ab, die in diesem Beweismittel selbst begründet sind, namentlich von der Persönlichkeit des Zeugen, dessen Lebenslauf, Charakter 7, seinen Motiven bei der Aussage8, seinen kognitiven Fähigkeiten und seinem Geisteszustand9. Da der Zeuge nicht die Vorgänge selbst, sondern nur die Wahrnehmungen, die er über diese gemacht hat, wiedergibt, ist der Inhalt der Aussage ganz wesentlich von seinem Auffassungs- und Urteilsvermögen, seiner Gedächtnisstärke, seiner Fähigkeit, streng sachlich zu berichten, von seiner persönlichen Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit abhängig. Ein Zeuge kann daher regelmäßig nicht durch einen anderen Zeugen und zumeist auch nicht durch ein anderes Beweismittel beliebig ersetzt werden, sondern er ist in diesem Sinne unersetzbar 10. Die Zeugenpflicht ist nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht 11 und trifft alle deutschen Staatsangehörigen sowie sich im Inland 4

Griesbaum, NStZ 1998, 433, 436; Pfeiffer, vor §§ 48-71, 5. So auch BT-Drs. 12/989, S. 35. 6 Peters, Strafprozeß, § 42 I; Rogali, JZ 1996, 944, 945. 7 BGHSt 32, 115, 127. Vgl. auch HKStPO Julius, § 261, 27. 8 Vgl. Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1453 ff. 9 LR Gollwitzer, § 261, 81. 10 RGSt 47, 100, 104 f.; BGHSt 22, 347, 348; 32, 115, 127; Peters, Strafprozeß, § 42 I 1 ; Pfeiffer, vor §§ 48-71, 1. " BVerfGE 49, 280, 284; BVerfG, NJW 1988, 897, 898; Caesar, NJW 1998, 2313; SKStPO Schlüchter, § 247a, 3. Vgl. auch Nelles, NJ 1998, 449, 450. 5

192

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

aufhaltende Ausländer und Staatenlose12. Die Aussagepflicht des Zeugen ist nicht ausdrücklich gesetzlich normiert 13 , § 70 StPO, der die Auferlegung der Kosten sowie die Verhängung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft für den Fall vorschreibt, dass der Zeuge die Aussage ohne gesetzlichen Grund verweigert, setzt sie aber voraus 14. Die Aussagepflicht des Zeugen kann entfallen, wenn die Vernehmung zu einer Gefahr für Leib oder Leben für ihn oder seine Familie führen kann 15 , denn vitale Belange des Zeugen dürfen Verfahrensregeln nicht aufgeopfert werden 16 . Dies folgt aus dem Grundrecht des Zeugen auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Art 1 I 2 GG verpflichtet den Staat zu einem umfassenden Schutz des menschlichen Lebens und gebietet ihm, sich schützend vor dieses Leben zu stellen, es insbesondere vor rechtswidrigen Angriffen anderer zu bewahren 17. Wenn die Rechtsprechung den Bürger als Zeugen zur Mitwirkung am Verfahren zwingt, dann müssen zugleich die für den Bürger daraus erwachsenden Lasten in Grenzen gehalten werden 18. Das Vorliegen dieser Umstände muss das Gericht in eigener Verantwortung prüfen 19. Bei der Entscheidung über die Vernehmung des Zeugen hat es zu berücksichtigen, welche Schutzmöglichkeiten nach dem geltenden Strafprozessrecht bestehen und ob dadurch die Gefahren beseitigt werden können.

II. Die einzelnen Zeugenschutzmöglichkeiten 7. Allgemeines Die Gefährdungssituation von Zeugen kann ganz unterschiedlicher Natur sein. Die Repressionen, die einem Zeugen gerade im Bereich der Organisierten Kriminalität drohen, reichen von symbolischen, angsteinflößenden Gesten, z.B. Warnschüssen oder dem Zusenden von Patronen, schriftlichen oder mündlichen Warnungen bzw. Drohungen, über Sachbeschädigungen, z.B. das Zerstechen von Autoreifen, Wohnungseinbrüchen, Brandanschlägen und Körperverletzungen bis hin zu Entführungen und versuchten oder gar vollendeten Tötun-

12

Pfeiffer, vor §§ 48-71, 1; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 26, Rdnr. 11. Jung, GA 1998, 313, 317 f., befürwortet zur Klarstellung eine gesetzliche Fixierung dieses Grundsatzes. 14 So auch Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil IV, § 3, 24. 15 BGHSt 30, 34, 37; 39, 141, 142; Griesbaum, NStZ 1998, 433, 434; KK Herdegen,, § 244, 84; Pfeiffer, vor §§ 48-71, 1. 16 SKStPO Schlüchtern § 247, 20. 17 BVerfGE 57, 250, 284 f. 18 BT-Drs. 13/7165, S. 4; Griesbaum, NStZ 1998, 433, 434; KMR Usch, § 247a, 1. 19 BGHSt 39, 141, 142; Beulke/Satzger, JZ 1993, 1013, 1015 f.; Siegismund, JR 1994, 251,253. 13

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

193

gen. Auch können Angehörige des Zeugen das Ziel derartiger Angriffe sein20. Die Einschüchterung des Zeugen kann empfindliche Auswirkungen auf dessen Aussageverhalten haben. Sie kann dazu fuhren, dass der Zeuge Aussagen abschwächt, widerruft oder von vornherein falsche Angaben macht, Nichtwissen oder Erinnerungslücken vortäuscht oder unter Hinweis auf die Gefahrdung die Aussage generell verweigert 21. Die gesetzlich vorgesehenen Zeugenschutzmaßnahmen schützen jeweils vor bestimmten derartigen Gefährdungsaspekten.

2. Verzicht auf die Angabe des Wohnortes nach § 68 II StPO Die schwächste Form des Zeugenschutzes bietet § 68 II StPO. Nach dieser Vorschrift kann dem Zeugen bei der Vernehmung zur Person gestattet werden, seinen Wohnort zu verschweigen oder statt dessen seinen Dienstort oder eine andere ladungsfähige Anschrift 22 anzugeben.

a) Voraussetzungen Voraussetzung für den Verzicht auf diese Angaben ist, dass Anlass zu der Besorgnis besteht, der Zeuge oder eine andere Person werde durch das Bekanntwerden seines Wohnortes gefährdet.

aa) Auslegung des Gefahrbegriffs im Allgemeinen Fraglich ist, wie der Begriff der Gefahr auszulegen ist. Im materiellen Strafrecht wird zwischen abstrakter und konkreter Gefahr unterschieden. Die konkrete Gefahr wird als ein durch eine beliebige Ursache eingetretener ungewöhnlicher Zustand definiert, in welchem nach den konkreten Umständen der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich ist 23 . Wahrscheinlich ist der Eintritt, wenn diese Möglichkeit naheliegt oder die begründete Besorgnis besteht24. 20 Ahrens, DRiZ 1986, 355 f.; Sielaff KR 1986, 58 ff.; SKStPO Rogali , vor § 48, 68; Weigernd, KR 1992, 143, 144. 21 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 34. 22 Z.B. die einer Polizeidienststelle, wenn diese ein Zeugenschutzprogramm betreut, Rebmann/Schnarr, NJW 1989, 1185, 1189. Siehe allgemein zum polizeilichen Zeugenschutz: Soiné, KR 1999, 602 ff.; ders., NJW 1999, 3688 ff. sowie Soiné/Engelke, NJW 2002, 470 ff. 23 RGSt 66, 98, 100, 222, 225; Kühl, Strafrecht AT, § 8, 38; Tröndle/Fischer, § 34 § 315c StGB, 3a;. Siehe auch Lackner/Kühl, § 315c StGB, 21 f.; Tröndle/Fischer, StGB, 15. 24 RGSt 10, 173, 176; Tröndle/Fischer, § 34 StGB, 3a.

13 Ellbogen

194

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

Zum Teil wird auch verlangt, dass die ernstzunehmende Möglichkeit eines Schadenseintrittes bestehen müsse. Ernstzunehmen sei die Gefahr, wenn die für das Gefahrurteil relevante Konstellation von Risikofaktoren eine besonnene Person typischerweise zu akuten Schutz- oder Rettungsmaßnahmen veranlasse25. Eine konkrete Gefahr liegt auch dann vor, wenn es nur vom Zufall abhängt, ob die Schädigung eintritt oder ausbleibt26. Eine abstrakte Gefahr ist demgegenüber gegeben, wenn eine Handlung typischerweise zu Schädigungen führen kann, ohne dass ein konkretes Angriffsobjekt in seiner Existenz oder Sicherheit effektiv betroffen ist 27 . Diese Definitionen machen deutlich, dass der Gefahrbegriff des materiellen Strafrechts nur einen Anhaltspunkt für das Prozessrecht liefern kann, denn eine nur abstrakte Gefahr stellt zu geringe Anforderungen auf, die Zeugenschutzmaßnahmen aber erst bei einer konkreten Gefahr anzuwenden, wird dem Schutzbedürfnis des Zeugen und der Verantwortung des Staates für die Sicherheit des Einzelnen nicht gerecht. Die Anforderungen an die Bestimmung des Gefahrbegriffs könnten sich aber aus dem Prozessrecht selbst ergeben. Unter anderem in den §§ 98 I, 105 I, 127 II StPO verwendet das Gesetz den Begriff der Gefahr im Verzug. Diese ist gegeben, wenn das Abwarten einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der Ermittlungsmaßnahme gefährden würde 28 . Die Annahme einer Gefahr im Verzug muss sich auf Tatsachen gründen, die auf den Einzelfall bezogen sind. Bloße - denkbare - Möglichkeiten, Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder fallunabhängige Vermutungen genügen nicht 29 . Maßgeblich ist eine objektive Prognose auf Grund der im Zeitpunkt des Einschreitens nach dem Stand der Ermittlungen bekannten Tatsachen (ex ante)30. Für den allgemeineren Begriff der Gefahr können nicht so strenge Anforderungen gelten. Es genügt daher, dass im jeweiligen Einzelfall sich die Gefahr auf Grund konkreter Hinweise, etwa in einem Drohbrief, kriminalistischer Anhaltspunkte, kriminologischer Erkenntnisse oder aus der Lebenserfahrung er-

25

NKStGB Neumann, § 34, 39 f. Hellmann, JuS 2003, 17, 19; Kindhäuser, Strafrecht BT II - Vermögensdelikte, § 14, 14.8; SKStGB Günther, § 250, 30. 27 Vgl. Lackner/Kühl, vor § 13, 32; Schönke/Schröder Heine, vor §§ 306 ff., 3; Tröndle/Fischer, vor § 13 StGB, 13 a. 28 BVerfGE 51, 97, 111; Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 238; Borchers JA 1982, 338, 345; KK Boujong, § 127, 35; Meyer-Goßner, § 127, 19. 29 BVerfGE 103, 142, 155; Gusy, JZ 2001, 1033, 1035; Meyer-Goßner, § 98, 7; Sachs, JuS 2001, 701, 703 Vgl. auch Amelung,, NStZ 2001, 337 ff. 30 AKStPO Amelung,, § 98, 5; SKStPO Rudolphi, § 98, 10. 26

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

195

gibt 31 . Eine konkretisierte Gefährdungslage muss nicht gegeben sein 32 , ebensowenig muss eine Rechtsgutsverletzung unmittelbar bevorstehen 33.

bb) Gefahr im Sinne des § 68 II StPO Klärungsbedürftig ist, welcher Art die Gefährdung im Sinne des § 68 II StPO sein muss. § 68 III StPO setzt die Gefährdung des Zeugen oder einer anderen Person an Leib, Leben oder Freiheit voraus. § 68 II StPO hingegen spricht nur von einer Gefährdung. Da § 68 III StPO nur für die dort aufgezählten Rechtsgüter gilt, folgt im Umkehrschluss, dass § 68 II StPO auch Gefahren für andere Rechtsgüter, wie z.B. das Eigentum, den Besitz oder den Hausfrieden erfasst. Einschränkend wird jedoch teilweise verlangt, dass § 68 II StPO erhebliche Gefährdungen für den Zeugen voraussetzt 34, so dass bloße Belästigungen, wie etwa Telefonanrufe, Massensendungen oder fingierte Warenbestellungen nicht genügen würden 35 . In der Rechtsprechung wurden aber die Gefahr von Schmierereien an der Hauswand oder von Telefonanrufen schon als ausreichende Gefährdung gewertet 36. Bei der Beantwortung der Frage, wie erheblich die Gefährdung des Zeugen bei § 68 II StPO sein muss, sind Sinn und Zweck des § 68 I StPO zu berücksichtigen, der durch § 68 II StPO eingeschränkt werden soll. Die Feststellung der Personalien des Zeugen gemäß § 68 I StPO soll Personenverwechslungen vermeiden und den Beteiligten die Einholung von Erkundigungen ermöglichen37. Allerdings kommt es auf Nachforschungen zum privaten Hintergrund des Zeugen etwa an dessen Wohnort zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit selten an, die Aussage selbst und das Aussageverhalten des Zeugen liefern die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für diese Feststellung38. Bei seiner Entscheidung nach § 68 II StPO zu verfahren, muss das Gericht daher die Schutzinteressen des Zeugen gegen den Informationsanspruch der Prozessbeteiligten

11

OLG Koblenz, NStZ 1992, 95; Leineweber, KR 1979, 38, 39; ders., MDR 1985, 635, 637; ders., MDR 1990, 109, 110; Pfeiffer, § 68, 2. 32 HKStPO Lemke, § 68, 13. Vgl. auch KK Senge, § 68,1. 33 OLG Koblenz, NStZ 1992, 95; Hund, NStZ 1992; 95, 96; LR Dahs, § 68, 11; Meyer-Goßner, § 68, 12. 34 AKStPO Lemke, § 68, 9; KK Senge, § 68, 7; Pfeiffer, § 68, 2. 35 KMR Paulus, § 68, 15; Leineweber, MDR 1985, 635, 637; LR Dahs, § 68, 10; Meyer-Goßner, § 68, 12; Rebmann/Schnarr, NJW 1989, 1185, 1186. 36 OLG Celle, NJW 1988, 2751 f. 37 BGHSt 23, 244, 245; 32, 115, 128; 33, 83, 87. 38 Vgl. BGHSt 37, 1, 3 f.; Schweckendieck, NStZ 2002, 408, 414. 1*

196

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

und der Öffentlichkeit abwägen39. Bei bloßen Unannehmlichkeiten für den Zeugen sind dessen Schutzinteressen regelmäßig noch nicht so stark beeinträchtigt, dass sie dem Aufklärungs- und Verteidigungsinteresse des Angeklagten vorgehen. Besteht lediglich die Gefahr, dass dem Zeugen bei Bekanntwerden seiner Adresse massenhaft Briefe oder fingierte Warenbestellungen zugesandt werden, reicht dies für § 68 II StPO noch nicht aus, da dann keine nachhaltigen Beeinträchtigungen des Zeugen zu befürchten sind. Ist damit zu rechnen, dass der Zeuge etwa durch nächtliche Telefonanrufe eingeschüchtert oder "zermürbt" werden soll, besteht ebenfalls kein Bedürfnis nach § 68 II StPO vorzugehen, da der Zeuge dann eine Geheimnummer beantragen kann, um sich vor dieser Gefahr zu schützen. Drohen Beschädigungen bzw. Anschläge auf die Wohnung oder das Fahrzeug des Zeugen darf dieser nach § 68 II StPO hingegen seinen Wohnort verschweigen, da er derartige Nachteile nicht hinnehmen muss40.

b) Entscheidungsform Die Entscheidung über die Anwendung des § 68 II StPO trifft der Vorsitzende des zuständigen Spruchkörpers nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß Nr. 130a II RiStBV soll der zuständige Staatsanwalt darauf hinwirken, dass dem Zeugen im Falle einer Gefährdung die Angabe des Wohnortes erspart wird. Auch der Zeuge kann beantragen, seinen Wohnort nicht angeben zu müssen41. Nach § 238 II StPO kann die Entscheidung des Gerichts, nach § 68 II StPO zu verfahren, herbeigeführt werden. Da eine derartige Gefährdungslage für den Zeugen regelmäßig auch schon vor Anklageerhebung besteht, gestattet es § 200 I StPO in diesem Fall, auf die Angabe des Wohn- und Aufenthaltsortes des Zeugen in der Anklageschrift zu verzichten.

c) Schutzwirkung Das Verschweigen des Wohnortes gemäß § 68 II StPO wird nur in bestimmten Fällen ausreichend sein, um eine Gefährdung des Zeugen auszuschließen, z.B. wenn er einen „Allerweltsnamen" trägt oder er in einer Großstadt lebt.

39

BGH, NStZ 1989, 237, 238; Herdegen, NStZ 1984, 200, 201; Hilgen NStZ 1992, 457, 459; KK Senge, § 68, 7; Leineweben MDR 1985, 635, 637; ders., MDR 1990, 109, 111; Meyer-Goßnen § 68, 11; Pfeiffer, § 68, 2. 40 Meyer-Goßnen § 68,12. 41 KK Senge, § 68, 9; KMR Paulus, § 68, 16; Meyer-Goßner, § 68, 11.

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

197

3. Verschweigen der Identität gemäß § 68 III StPO Einen weitergehenden Schutz des Zeugen gewährleistet § 68 III 1 StPO. Nach diesem kann dem Zeugen gestattet werden, keine Angaben zur Person oder nur über eine frühere Identität zu machen.

a) Voraussetzung Die Vorschrift setzt den Anlass zu der Besorgnis voraus, dass der Zeuge oder eine andere Person durch die Offenbarung der Identität oder des Wohnund Aufenthaltsortes an Leben, Gesundheit oder Freiheit gefährdet würde. Im Gegensatz zu § 68 I I StPO rechtfertigt nur eine Gefährdung dieser Rechtsgüter das Verschweigen der Identität, im Übrigen sind die Anforderungen an das Bestehen einer Gefahr aber identisch, so dass sich diese auf Grund konkreter Hinweise, kriminalistischer Anhaltspunkte, kriminologischer Erkenntnisse oder aus der Lebenserfahrung ergeben kann 42 . Die Gefährdungslage muss sich noch nicht konkretisiert haben43. Erforderlich ist jedoch nach dem Wortlaut des § 68 III StPO, dass sich die Gefährdung des Zeugen nicht durch ein Vorgehen nach § 68 II StPO ausschließen lässt44. § 68 III StPO wurde eingeführt, um besonders gefährdete Personen, wie etwa V-Leute, zu schützen45. Wenn nach § 68 III StPO verfahren wird, darf trotzdem die generelle Funktion des § 68 StPO, nämlich den Schutz vor Personenverwechslung zu gewährleisten und die Einholung von Erkundigungen über den Zeugen zu ermöglichen 46, nicht völlig außer Acht gelassen werden. § 68 III 2 StPO bestimmt daher, dass der Zeuge in diesen Fällen gleichwohl anzugeben hat, in welcher Eigenschaft ihm die Tatsachen, die er bekundet, bekanntgeworden sind. Auf diese Weise wird für das Gericht und die Verfahrensbeteiligten offenbar, dass verdeckt ermittelt wurde 47 . Darüber hinaus bestimmt § 68 IV StPO, dass dem Zeugen erforderlichenfalls Fragen über solche Umstände gestellt werden dürfen, die seine Glaubwürdigkeit und insbesondere seine Beziehung zu dem Beschuldigten oder zu dem Verletzten betreffen, so genannte Ge-

42

Vgl. oben § 10 11,2 a, aa). Hilger, NStZ 1992, 457, 459; LR Dahs, § 68, 13; Meyer-Goßner, § 68, 15; Pfeiffer, § 68, 3. 44 Hilgen NStZ 1992, 457, 459; LR Dahs, § 68, 13. 45 BT-Drs. 12/989, S. 35 f. 46 BGHSt 23, 244, 245; 32, 115, 128; Kreysel, MDR 1996, 991, 992; MeyerGoßner, § 68, 1. 47 Hilger, NStZ 1992, 457, 459; Möhrenschlager, wistra 1992, 326, 332; Renzikowski, JZ 1999, 605, 606; SKStPO Rogali, vor § 48, 78. 43

198

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

neralfragen. Durch diese Fragen darf aber der Schutzzweck der Geheimhaltung nicht unterlaufen werden 48.

b) Geheimhaltungsbedürftige Angaben Zur Identität eines Zeugen gehören alle eine Person kennzeichnenden Angaben, wie der Name, die Anschrift, das Geburtsdatum, der Beruf und der Familienstand49. Angaben darüber darf der Zeuge - im Falle des Vorliegens einer Gefährdung - verschweigen. Hat der Zeuge eine neue Identität erhalten, wird zum Teil etwas pauschalisierend vertreten, der Zeuge dürfe sowohl die alte als auch die neue Identität geheimhalten50. Grundsätzlich braucht der Zeuge im Falle einer Identitätsänderung nach dem Wortlaut des § 68 III 1 StPO nur Angaben über seine frühere Identität zu machen. Dies wird in der Regel ausreichen, um den Zeugen hinreichend zu schützen51. Nur wenn der Zeuge durch die Angaben zu seiner früheren Identität gefährdet würde, darf er sowohl die alte als auch die neue Identität verschweigen. Dies wird insbesondere bei V-Leuten der Fall sein, die in Verfahren der Betäubungsmittel- oder organisierten Kriminalität eingesetzt wurden 52 .

c) Schutzwirkung Durch die Geheimhaltung der genannten Angaben senkt § 68 III StPO wie § 68 II StPO das Risiko, dass der Zeuge durch den Angeklagten oder durch dessen Freunde bzw. Helfer identifiziert und nach dem Strafverfahren aufgefunden und Repressalien unterworfen wird. Unmöglich wird dies aber nicht, da ein Wiedererkennen durch den Angeklagten oder die Zuschauer möglich bleibt. Der Zeuge wird jedoch zu einem Anonymus 53 , dessen Aussagen besondere Schwierigkeiten bei der Beweiswürdigung bereiten 54.

48 49 50 51 52 53 54

Pfeiffer, § 68, 4; Renzikowski, JZ 1999, 605, 606. Vgl. auch § 111 I OWiG. HKStPO Lemke, § 68, 18; Meyer-Goßner, § 68, 15; Pfeiffer, Vgl. Rieß, NJ 1992, 491, 494, Fn. 58; LR Dahs, § 68, 14. BT-Drs. 12/989, S. 35. Kritisch daher Eisenberg, NJW 1993, 1033, 1036. § 13 II, 1 b.

§ 68, 3.

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

199

4. Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer Der Gefahr der Identifizierung des Zeugen durch den Angeklagten während der Hauptverhandlung kann durch § 247 S. 2, 2. HS StPO begegnet werden, der es u.a. zulässt, den Angeklagten aus dem Sitzungszimmer zu entfernen, wenn die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils fur die Gesundheit des Zeugen besteht, falls dieser in Gegenwart des Angeklagten vernommen würde. Erforderlich ist jedoch, dass der Zeuge den Ausschluss des Angeklagten verlangt 55 .

a) Anwendungsbereich und Voraussetzungen Diese Möglichkeit des Zeugenschutzes wurde durch das sogenannte Opferschutzgesetz 198656 eingefügt und soll vor allem die Opfer von Gewalttaten vor den psychischen Folgen einer Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten, etwa der Vernehmungsunfähigkeit infolge eines Nervenzusammenbruchs, schützen. Die Anwendung der Vorschrift ist aber nicht auf den Schutz dieses Personenkreises beschränkt 57. Geringfügige seelische Belastungen oder Beeinträchtigungen des Wohlbefindens, wie sie aus der Vernehmung des Zeugen in Gegenwart des Angeklagten erwachsen können, reichen angesichts des eindeutigen Wortlautes für § 247 StPO noch nicht aus, diese muss der Zeuge hinnehmen58. Da zudem die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für die Gesundheit des Zeugen bestehen muss, genügt die bloße Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung nicht, sondern es ist eine auf tatsächliche Umstände gestützte hohe Wahrscheinlichkeit für einen Gesundheitsnachteil des Zeugen erforderlich 59.

b) Anwendbarkeit auf V-Personen Zutreffend wird § 247 S. 2, 2. HS StPO ebenfalls auf die Vernehmung eines V-Mannes angewendet, wenn für diesen im Falle der Kenntnis des Angeklagten von seinem Aussehen eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr besteht60. Um55

BT-Drs. 10/6124, S. 14; HKStPO Julius, § 247, 3; KK Diemer, § 247, 11. Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren vom 18.12.1986, BGBl. I, S. 2496. 57 BT-Drs. 10/6124, S. 14; KK Diemer, § 247, 11; SKStPO Schlüchter, § 247, 17. 58 Hanack, JR 1989, 255; Meyer-Goßner, § 247, 12. 59 BT-Drs. 10/6124, S. 14; Meyer-Goßner, § 247, 12. 60 Nach der alten Rechtslage hielt die Rechtsprechung dies bereits in analoger Anwendung von § 247, S. 1 StPO für zulässig: BVerfG, NJW 1981, 1719, 1724; BGHSt 56

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4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

stritten ist aber, ob der Angeklagte darüber hinaus nach § 247 StPO analog ausgeschlossen werden darf, wenn eine weitere Verwendung des betreffenden Zeugen als V-Person geplant ist oder bestimmte polizeiliche Ermittlungsmethoden geheim gehalten werden sollen, und durch die Entfernung des Angeklagten eine Sperrung des Zeugen vermieden werden kann. Darüber hinaus ist streitig, ob in diesem Fall der Angeklagte nicht nur von der Vernehmung sondern auch von der Vereidigung bzw. der Entscheidung darüber ausgeschlossen werden darf, obwohl es sich dabei nicht um einen Teil der Vernehmung handelt. Die h.M. befürwortet in dieser Konstellation die analoge Anwendung des § 247 StPO61 und lässt auch die Erstreckung des Ausschlusses auf die Dauer der Vereidigung bzw. die Entscheidung hierüber zu 62 . Durch die analoge Anwendung bleibe die Vernehmung des Zeugen möglich, ohne die Rechte des Angeklagten zu stark einzuschränken, denn dieser müsse gemäß § 247 S. 4 StPO über den wesentlichen Inhalt der in seiner Abwesenheit gemachten Aussage unterrichtet werden und könne so gegebenenfalls durch Nachfragen oder Stellungnahmen seine Rechte wahren. Die Erstreckung des Ausschlusses auf die Vereidigung sei konsequent, weil nur dadurch verhindert werde, dass der Zweck des Ausschlusses vereitelt werde 63. Eine Gegenauffassung hält diese extensive Anwendung des § 247 StPO, der eine Ausnahme zu dem ansonsten bestehenden Recht und der Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit während der Hauptverhandlung darstellt, zumindest für bedenklich 64 , da der Angeklagte gerade bei der „denunziationsanfälligen" Aussage eines V-Mannes auf die Sicherungsfunktion seines Anwesenheitsrechts angewiesen sei und einer möglichen Gefährdung des Zeugen durch § 68 III StPO begegnet werden könne 65 . Der Ausnahmecharakter des § 247 StPO würde zugunsten einer Güterabwägung verwischt werden 66.

32, 115, 125. Für die Zulässigkeit nach der neuen Rechtslage siehe BGH, NStZ 1993, 350; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 785; LR Gollwitzer, § 247, 27; Meyer-Goßner, § 247, 12; Rieß/Hilger, NStZ 1987, 145, 150; SKStPO Schlüchter, § 247, 18. 61 BGHSt 32, 32; BGH, NJW 1985, 1478; BGH, NStZ 1996, 608; LR Gollwitzer, § 247, 16; Meyer-Goßner, § 247, 4; Pfeiffer, § 247, 2; Renzikowski, JZ 1999, 605, 606; SKStPO Rogali, vor § 48, 77. 62 BGH, NStZ 1985, 136; BGH, NJW 1990, 2633 f.; Hanack, JR 1989, 255, 256; LR Gollwitzer, § 247, 20; Meyer-Goßner, Pfeiffer FS, S. 311, 322; ders., § 247, 8; Pfeiffer, § 247, 3; Renzikowski, JZ 1999, 605, 606; SKStPO Schlüchter, § 247, 20. 63 BGH, NStZ 1985, 136. 64 AKStPO Meier, § 247, 2; Hassemer, JuS 1986, 25, 27; HKStPO Julius, § 247, 5; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 42, 48. Mit Bedenken auch Reichert-Hammer/ Renzikowski, JA 1990, 153, 159. 65 So HKStPO Julius, § 247, 5. 66 AKStPO Meier, § 247, 2.

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

201

Diese Bedenken überzeugen jedoch nicht. Zum einen ist nicht erwiesen, dass ein Zeuge in Anwesenheit des Angeklagten Denunziationen eher unterlässt als in dessen Abwesenheit, zumal gemäß § 247 S. 4 StPO der Angeklagte vom wesentlichen Inhalt der Aussage zu unterrichten ist und daher gegebenenfalls auf Widersprüche und Unwahrheiten hinweisen kann, die dann in einer erneuten Vernehmung des Zeugen ausgeräumt oder offengelegt werden müssen67, und die Strafdrohung der §§153 ff. StGB für den Zeugen auch im Falle des Ausschlusses des Angeklagten gilt. Zum anderen genügt § 68 III StPO allein in dieser Situation regelmäßig nicht zum Schutz des Zeugen, da die Gefahr besteht, dass der Angeklagte den Zeugen während dessen Vernehmung wiedererkennt und identifiziert, obwohl der Zeuge seinen Namen verschwiegen hat. Darüber hinaus wird der Verstoß gegen das Anwesenheitsrecht des Angeklagten dadurch kompensiert, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung befragt und seine Glaubwürdigkeit durch das Gericht und die Verfahrensbeteiligten beurteilt werden kann. Wäre dieses Vorgehen unzulässig, könnte die Aussage des Zeugen nur über Beweissurrogate in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Die damit verbundenen Nachteile für die Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung überwiegen daher den Vorteil, den Zeugen in Gegenwart des Angeklagten vernehmen zu können.

c) Schutzwirkung Der - im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehende68 - Ausschluss des Angeklagten nach § 247 S. 2, 2. HS StPO bietet dem Zeugen einen weitgehenden Schutz, insbesondere wenn zugleich seine Identität nach § 68 III StPO geheim gehalten wird. Dennoch bleibt unter Umständen die Gefahr, dass der Zeuge vom Verteidiger oder von den Zuschauern identifiziert bzw. wiedererkannt wird.

5. Ausschluss der Öffentlichkeit Der Zeuge kann neben dem Ausschluss des Angeklagten auch durch einen Ausschluss der Öffentlichkeit geschützt werden. Nach § 169 GVG ist die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht grundsätzlich öffentlich. Dieses grundlegende Prinzip rechtsstaatlichen Verfahrens soll der Öffentlichkeit eine Kontrolle der gerichtlichen Verfahren ermöglichen 69, nicht öffentlich sind nur die

67 68 69

BGHSt 22, 289, 296 f.; BGH, NJW 1985, 1478 f. HKStPO Julius, § 247, 6; SKStPO Schlüchter, § 247, 19. BGHSt 9, 280 ff.; 21, 72 f.; Reichert-Hammer/Renzikowski,

JA 1990, 153, 159.

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4. Teil: Beweisaufnahme und Β e weis Verwertung

Verhandlungen in Familiensachen (§ 170 GVG) und gegenüber Jugendlichen (§ 48 I JGG). Seit 199270 besteht aber gemäß § 172 Nr. la GVG die Möglichkeit, die Öffentlichkeit von der Verhandlung oder von einem Teil davon auszuschließen, wenn eine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist und diesen Gefahren nicht durch polizeilichen Schutz begegnet werden kann.

a) Frühere Praxis Schon vor der Einfuhrung dieser ausdrücklichen Ermächtigung wurde die Öffentlichkeit zum Schutz von V-Personen ausgeschlossen71, indem die mögliche Gefährdung des Zeugen durch ein späteres Wiedererkennen durch einen Zuschauer dem Begriff Gefährdung der öffentlichen Ordnung in § 172 Nr. 1 GVG subsumiert wurde 72 . Die Neufassung des § 172 GVG hat diese Rechtsprechung bestätigt73 und zugleich die individualrechtliche Komponente des Zeugenschutzes verdeutlicht 74 .

b) Voraussetzungen Die Besorgnis der Gefahrdung des Zeugen oder einer anderen Person ist wie bei § 68 I I StPO zu verstehen 75. Die Gefährdung muss gerade aus der Anwesenheit der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung resultieren 76. Geht die Gefahr erkennbar nur von einzelnen Zuschauern, z.B. Sympathisanten des Angeklagten, aus, so sind nur diese nach § 176 StPO auszuschließen77. Die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung muss die . Bedeutung der Öffentlichkeit für den sogenannten „reformierten" Strafprozess 78 beachten. Welch hohen Rang die Strafprozessordnung dem Öffentlichkeitsgrundsatz einräumt, belegt

70

Eingeführt durch das OrgKG vom 15.7.1992, BGBl. I, S. 1302. BGHSt 3, 344; 30, 193, 194; 32, 115, 125; BGH, NStZ 1984, 522. 72 BGHSt 3, 344; BGH, MDR/H 1980, 273; zustimmend: Seelmann, StV 1984, 477, 483. In diesem Sinne heute noch KK Diemer, § 172 GVG, 5. 73 BT-Drs. 12/989, S. 48. 74 BT-Drs. 12/989, S. 60. 75 Siehe § 10 II, 2 a). 76 LR Wickern, § 172 GVG, 13. 77 BGH, bei Pfeiffer (zu § 338 Nr. 6 StPO), NStZ 1981, 297; Diemer, NJW 1999, 1667, 1669; LR Wickern,, § 172 GVG, 13. 78 Siehe zu diesem Roxin, Strafverfahrensrecht, § 70, 8. Vgl. auch Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil IV, § 2, 2. 71

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

203

§ 338 Nr. 6 StPO, der diesen Grundsatz durch einen absoluten Revisionsgrund schützt.

c) Schutzwirkung Im Zusammenspiel mit den zuvor dargestellten Zeugenschutzmöglichkeiten kann der Ausschluss der Öffentlichkeit häufig eine Gefährdung des Zeugen ausschließen. Jedoch besteht weiterhin die Möglichkeit, dass der Zeuge durch den Verteidiger gesehen und identifiziert wird. Darüber hinaus ist der Zeuge gleichwohl auf dem Weg zum und vom Gericht ungeschützt, eine Gefährdung, die in bestimmten Fällen auch durch polizeiliche Schutzmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden kann.

6. Zeugenvernehmung an einem anderen Ort / Videovernehmung Durch das Zeugenschutzgesetz79 besteht seit 1998 nach Maßgabe des § 247a StPO die Möglichkeit, einen Zeugen außerhalb des Sitzungssaals zu vernehmen und diesen Vorgang mittels Videotechnik simultan in den Sitzungssaal zu übertragen. Diese Optimierung des Zeugenschutzes setzt voraus, dass die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen besteht, falls dieser in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird. Darüber hinaus ist die Videovernehmung auch unter den Voraussetzungen des § 251 I Nr. 2 - 4 StPO möglich, also etwa wenn der Zeuge erkrankt ist und das Haus nicht verlassen darf oder wenn er sich im Ausland aufhält. Die Entscheidung über die Anwendung des § 247a StPO trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen 80 und ist nach § 247a Satz 2 StPO unanfechtbar.

a) Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich Den Grund für die Einführung dieser Vorschrift bildeten Strafprozesse wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, denen das Gericht die Anwesenheit in der Hauptverhandlung ersparen wollte 81 . Vor Einführung des § 247a StPO wurde zum Teil das sog. „Mainzer Modell", bei dem der Vorsitzende die Vernehmung an einem anderen Ort vornahm und diese in das Sitzungszimmer

79

Gesetz vom 30.4.1998, BGBl. I, S. 820. Meyer-Goßner, § 247a, 7; Rieß, NJW 1998, 3240, 3242; Rose, JR 2000, 77, 78; Seitz, JR 1998, 309,311. 81 LG Mainz, NJW 1996, 208. Siehe auch Rieß, StraFo 1999, 1 f. 80

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4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

übertragen wurde 82 , praktiziert. Nach § 247a StPO, dem das sog. „Englische Modell" 83 zugrunde liegt, bleibt der Vorsitzende dagegen im Sitzungssaal und der Zeuge befindet sich, eventuell gemäß § 68b StPO im Beistand eines Rechtsanwalts, in einem anderen Raum. § 247a StPO enthält - trotz der geschilderten Gründe für die Einführung dieser Norm - keine Begrenzung auf bestimmte Deliktstypen oder (kindliche) Zeugen84. Die Videovernehmung soll vielmehr die Schutzmöglichkeiten aller gefährdeten Zeugen erhöhen 85. Im Gegensatz zu § 247 S. 2, 2. HS StPO, der eine dringende Gefahr für die Gesundheit des Zeugen voraussetzt, begnügt sich § 247a StPO daher mit einer dringenden Gefahr für das Wohl des Zeugen. Dadurch erlangt § 247a StPO gegenüber § 247 StPO einen größeren Anwendungsbereich 86. Die Gefahr muss sich aus der Gegenwart eines in der Hauptverhandlung Anwesenden ergeben, also nicht nur aus der Anwesenheit des Angeklagten wie bei § 247 StPO. Die Besorgnis, der Zeuge werde bei einer Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen, stellt indes keinen hinreichenden Grund für die Anordnung einer Videovernehmung dar 87 .

b) Kombination mit kommissarischer Vernehmung Mitunter kommt eine Videovernehmung von Zeugen - insbesondere von sehr kleinen Kindern, Greisen, Geisteskranken oder stark verängstigten Personen - nicht in Betracht, weil diese durch die bloße Kommunikation über eine Bild-Ton-Leitung überfordert sein können. Die Hindernisse, die in dieser Situation einer Aussage des Zeugen in die Kamera hinein entgegenstehen, können in der Regel durch eine persönliche Atmosphäre bei der Befragung überwunden werden. Bei einer solchen Fallgestaltung kann eine Kumulation der Videovernehmung mit einer kommissarischen Vernehmung durch einen ersuchten Richter der Ausweg sein, indem die kommissarische Vernehmung simultan in die Hauptverhandlung übertragen wird 88 .

82 Siehe zu den Bedenken gegen dieses Vorgehen BT-Drs. 13/7165, S. 10 („schwierige strafprozessuale Fragen"); Dahs, NJW 1996, 178 f.; Jansen, StV 1996, 123 ff.; Laubenthal, JZ 1996, 335, 343 f. 83 Caesar, NJW 1998, 2313, 2315; Rieß, NJW 1998, 3240, 3241; Seitz, JR 1998, 309,311. 84 Janovsky, KR 1999, 453; KMR Lesch, § 247a, 17; Pfeiffer, § 247a, 2. 85 Vgl. BT-Drs. 13/7165, S. 8, 10. 86 So auch SKStPO Schlüchter, § 247a, 5. 87 Diemer, NStZ 2001, 393, 394. 88 HKStPO Julius, § 247a, 3; KK Diemer, § 247a, 3; KMR Lesch, § 247a, 5; Schlüchter/Greff KR 1998, 530, 532.

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

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Diese Möglichkeit wird von einigen Autoren bestritten 89. Ein solches Vorgehen verletze das Erfordernis der Verfahrensklarheit, denn sowohl im Interesse des betroffenen Zeugen als auch der Verfahrensbeteiligten müsse feststehen, wer die Vernehmung durchführt und die darauf bezüglichen Entscheidungen zu treffen habe. Eine Zeugenvernehmung, die gleichzeitig kommissarische Vernehmung und Teil der Hauptverhandlung sein soll und bei der außerdem zwei verschiedenen Richtern die Befugnis zur Befragung zustehen würde, sei abzulehnen. Eine solche Konstruktion sei im Übrigen entbehrlich, da der Vorsitzende des Gerichts sich notfalls in die Befragung des Zeugen vor Ort einschalten könne, wodurch die Anordnung der kommissarischen Vernehmung hinfällig werde 90 . Diese Gegenargumente überzeugen jedoch nicht, da sie die Bedingungen, unter denen eine kumulative Anwendung der §§ 247a, 223 StPO in Betracht kommt, nicht hinreichend würdigen. Die kommissarische Vernehmung - die mittels Videotechnik in die Hauptverhandlung simultan übertragen wird kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn der Zeuge stark verängstigt ist und eine persönliche Vernehmungsatmosphäre zur Erforschung der Wahrheit unerlässlich erscheint 91. In diesen und den oben geschilderten Fällen, in denen der Zeuge durch die Videotechnik überfordert wäre, ist es nicht möglich, dass der Vorsitzende des Gerichts sich noch zusätzlich in die Vernehmung vor Ort einschaltet. Denkbar ist nur, dass er Zwischenfragen dem ersuchten Richter übermittelt und dieser dann die Fragen stellt. Die Erfordernisse der Verfahrensklarheit bleiben dadurch in dieser Situation gewahrt.

c) Technische Umsetzung Während der Videovernehmung muss eine von fremden Einflüssen ungestörte ständige und wechselseitige Bild-Ton-Verbindung bestehen. Der Vorsitzende und die übrigen Teilnehmer der Hauptverhandlung müssen den Zeugen sehen können. Umgekehrt sollte dieser den Vorsitzenden und die Vorgänge im Gerichtssaal sehen und Gespräche bzw. Fragen hören können92. Die verbalen und nonverbalen Reaktionen des Zeugen, die für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit bedeutsam sind, also vor allem Mimik und Gestik, müssen

89 Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1328e; Meyer-Goßner, § 223, 20; Rieß, NJW 1998, 3240, 3242. Mit Bedenken auch Beulke, ZStW 113 (2001), 709, 721 f. 90 So LR Gollwitzer, § 247a, 20. 91 KK Diemer, § 247a, 3; KMR Lesch, § 247a, 5. 92 Janovsky, KR 1999, 453, 455 f.; KMR Lesch, § 247a, 6; Leitner, StraFo 1999, 45, 47; LR Gollwitzer, § 247a, 3; Meyer-Goßner, § 247a, 10; Riech, StraFo 2000, 400, 405 f.

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4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

möglichst umfassend wahrnehmbar sein93. Der Vernehmungsraum muss sich gemäß § 247a StPO nicht im Gerichtsgebäude befinden. Der Ort muss den anderen Prozessbeteiligten nicht bekannt sein 94 , er kann sogar im Ausland lie-

d) Subsidiarität und Schutzwirkung Gemäß § 247a S. 1 StPO ist die Videovernehmung Maßnahmen nach § 247 StPO und §§ 171b, 172 GVG subsidiär, wenn die Gefährdung des Zeugen durch die dort genannten Möglichkeiten abgewendet werden kann. Diese Regelung trägt dem Grundsatz der unmittelbaren Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung Rechnung96. Die Subsidiarität schließt aber eine kumulative Anwendung dieser Normen nicht aus, da Fälle denkbar sind, in denen nur eine gemeinsame Anwendung der Zeugenschutzvorschriften die Sicherheit des Zeugen gewährleistet 97. Eine extensive Handhabung der Subsidiaritätsklausel war vom Gesetzgeber wohl auch nicht beabsichtigt. Eine alleinige Anwendung des § 247a StPO wird im Bereich verdeckter Ermittlungen nur in Betracht kommen, wenn die Sicherheit des Zeugen nur auf dem Weg vom und zum Vernehmungsort gefährdet ist 98 . Sollen darüber hinaus die Anonymität des Zeugen gewahrt und/oder ein späteres Wiedererkennen verhindert werden, muss die Videovernehmung mit den dargestellten anderen Schutzvarianten verbunden werden 99 . § 247a StPO ergänzt daher die Möglichkeiten des Schutzes des Zeugen während der Vernehmung. Insbesondere die Gefahr der Identifizierung des Zeugen durch den Verteidiger kann durch eine Videovernehmung aber nicht ausgeschlossen werden. Obwohl § 247a S. 1,2. HS StPO die Möglichkeit vorsieht, die Videovernehmung anstelle einer Protokollverlesung nach § 251 I Nr. 2 StPO anzuordnen, wird regelmäßig diese Verfahrensweise bei einer V-Person, die gefährdet ist oder weiterhin zum Einsatz kommen soll, nicht in Betracht kommen, da § 247a StPO diese Gefahren nicht beseitigen kann 100 .

93

KMR Lesch, § 247a, 6; Schlothauer, StV 1999, 47, 50. Zur Frage, ob der Zeuge während der Vernehmung optisch oder akustisch abgeschirmt werden darf, siehe unten § 10 II, 7 und 8. 94 BT-Drs. 13/9063, S. 4; Schlüchter, H. J. Schneider FS, S. 445, 448. 95 BGH, JR 2000, 74, 75 f.; Diemer, NStZ 2001, 393, 395; Rieß, NJW 1998, 3240, 3241; SKStPO Schlüchter, § 247a, 16. 96 BGH, NStZ 2001, 261, 262. 97 KR 1998, 530, 532. SKStPO Schlüchter, § 247a, 7, ebenso Schlüchter/Greff 98 In diesem Sinne auch SKStPO Schlüchter, § 247a, 13. 99 So auch BT-Drs. 13/4983, S. 6. ,,M) KK Senge, vor § 48, 67; KK Wache, § 168e, 4. Vgl. auch Wagner, KR 2000, 167, 169. SKStPO Schlüchter, § 247a, 13 und Schlüchter/Greff KR 1998, 530, 533, nehmen

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

207

7. Zulässigkeit der optischen und akustischen Abschirmung des Zeugen a) Begriffsbestimmung, Abgrenzung zur Verfremdung Um eine Identifizierung des Zeugen während der Vernehmung zu verhindern oder zu erschweren, wird diskutiert, dessen Körper oder auch nur sein Gesicht für die Dauer der Vernehmung in der Hauptverhandlung vor den Verfahrensbeteiligten geheimzuhalten, indem der Zeuge in einem Schrank, einer Kabine oder hinter einem Paravent sitzend vernommen 101 oder es ihm gestattet wird, während der Vernehmung ein Kostüm oder eine Gesichtsmaske zu tragen 102 . Zusätzlich kann auch die Stimme des Zeugen elektronisch verzehrt werden 103 , um eine Enttarnung über seine Stimmfarbe oder Artikulation zu verhindern. Von der optischen Abschirmung oder Vermummung zu trennen ist die Verfremdung des Äußeren, deren Zulässigkeit gesondert untersucht wird 1 0 4 . In der hier gebrauchten Bedeutung erfasst die Verfremdung z.B. das Tragen einer Perücke, eines Toupets oder eines Bartes. Wesentlich ist aber, dass trotz der äußerlichen Verfremdung die Wahrnehmung der Reaktionen des Zeugen möglich bleibt. Besteht diese Möglichkeit nicht, liegt eine Abschirmung vor.

b) Meinungsstand Bis zu einer Entscheidung des Großen Senats des BGH 1 0 5 wurde von der Möglichkeit, den Zeugen optisch und/oder akustisch abzuschirmen, Gebrauch gemacht 106 . Der Große Senat hat jedoch mit Billigung der h.M. 1 0 7 im Jahre 1983 eine Beweisaufnahme unter optischer und akustischer Abschirmung des

eine teleologische Reduktion des § 247a StPO mit dem Ergebnis vor, dass die Videovernehmung eine Urkundenverlesung ersetzen kann, wenn der Schutz des Zeugen gewährleistet ist. ,() 1 Herdegen, NStZ 1984, 97, 101 f.; Rebmann, NStZ 1982, 315, 319. 102 Rebmann, NStZ 1982, 315, 319. 103 Vgl. BGH, NStZ 1984, 522; BGH, NJW 2003, 74. 104 Siehe unten § 10 II, 8. 105 BGHSt 32, 115, 124 f. 106 Siehe z.B. BGHSt 31, 148, 156; 291, 293. 107 Caesar, NJW 1998, 2313, 2318; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1040; KK Senge, vor § 48, 71; Krehl, GA 1990, 555, 560; Kreysel, MDR 1996, 991, 992; LR Dahs § 68, 16; Meyer-Goßner, § 68, 18; Pfeiffer, § 68, 3; Renzikowski, JZ 1999, 605, 607; SKStPO Rogali , vor § 48, 75; Wagner, KR 2000, 167. LR Gollwitzer, § 247a, 14 hält die Zulässigkeit der Abschirmung für zweifelhaft. SKStPO Schlüchter, § 247a, 18 sowie § 251, 59a; Schlüchter/Greff KR 1998, 530, 533 halten die Abschirmung de lege lata fürunzulässig.

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4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

Zeugen für unzulässig erklärt, weil es dafür im geltenden Recht keine Stütze gebe 108 . Allerdings mehren sich nach Einführung des § 68 III StPO, der - wie dargestellt 109 - die Geheimhaltung der Identität des Zeugen während der Vernehmung gestattet, und des § 247a StPO, der die Vernehmung an einem anderen Ort erlaubt 110 , Stimmen, eine Abschirmung des Zeugen insbesondere bei einer Videovernehmung zuzulassen111. So könne bei einer Videovernehmung die Übertragung der Vernehmung in der Weise modifiziert werden, dass über die Linse der am Vernehmungsort eingesetzten Kamera eine Plastikfolie gelegt und die Übertragung der Stimme des Zeugen durch technische Maßnahmen (Graphic Equalizer) in den Höhen und Tiefen begrenzt würde. Hierdurch würde das Erkennen der Gesichtszüge und der Stimme des Zeugen hinreichend verhindert, ohne dass die Beobachtung von Mimik und Gestik sowie Tonfall und Stimmfarbung in erheblicher Weise beeinträchtigt wird 1 1 2 . Gegen die Zulässigkeit einer Abschirmung spreche nicht, dass eine gesetzliche Ermächtigung für ein solches Vorgehen fehle, da auch andere Verfahrensweisen, z.B. Absprachen oder die Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen, gesetzlich nicht geregelt seien, aber dennoch als zulässig erachtet würden 113 . Zudem sei das Urteil des Großen Senats im Kontext der damaligen Rechtslage zu sehen, nach der eine Wahrung der Anonymität des Zeugen nicht möglich war 114 . Dieser Argumentation sei spätestens mit der Neufassung des § 68 StPO der Boden entzogen worden 115 . Entscheidend für die Zulässigkeit dieser in der Strafprozessordnung nicht geregelten Verfahrensweise sei nur, ob sie mit den Grundsätzen des Verfahrensrechts und den Wertvorstellungen unserer Rechtsordnung in Einklang stehe116. Dies sei der Fall, da die Abschirmung insbeson108 BGHSt 32, 115, 124. Hiervon geht auch BT-Drs. 12/989, S. 36 aus. Zustimmend Bruns, MDR 1984, 177, 178 f.; Engels, NJW 1983, 1530 ff.; Fezer, JZ 1984, 433 ff.; KMR Paulus, § 68, 6; Tiedemann, JZ 1967, 570, 571; Tiedemann/Sieber, NJW 1984, 753, 754 ff.; Weider, StV 1983, 227, 228, (anders noch ders., in StV 1981, 151, 153). 109 § 10 II, 3. 1.0 Siehe auch oben § 10 II, 6. 1.1 So Beulke, ZStW 113 (2001), 709, 726 f.; Diemer, NJW 1999, 1667, 1670; ders., NStZ 2001, 393, 397 f.; HKStPO Julius, § 247a, 8; Jung; GA 1998, 313, 326; KK Diemer, § 247a, 14; KMR Lesch, § 247a, 19; Schlothauer, StV 2000, 180, 183; Weider, StV 2000, 48, 54 f.; Weider/Staechelin, StV 1999, 51, 53. Für eine Lösung de lege ferenda Bender/Nack, Tatsachenfeststellung, Band 2, Rdnr. 922; Rebmann/Schnarr, NJW 1989, 1185, 1191. 1.2 Vorlagebeschluss des BGH, NJW 2003, 74; Kolz, Schäfer Sonderheft, S. 35, 36. 113 Weider, StV 2000, 48, 52. 114 So ausdrücklich KMR Lesch, § 247a, 20. 1.5 Diemer, NJW 1999, 1667, 1670; KK Diemer, § 247a, 14; Lesch, StV 1995, 542, 545. 1.6 Vorlagebeschluss des BGH, NJW 2003, 74, 75.

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

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dere nicht gegen den Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren oder Art. 6 MRK verstoße 117. Wenn sogar die völlige Ersetzung der Vernehmung der unmittelbaren Wahrnehmungsperson verfahrensrechtlich möglich sei, dann müsse dies erst recht für deren Vernehmung unter optischer und akustischer Abschirmung gelten. Es handele sich dann trotz der Abschirmung immer noch um eine unmittelbare Vernehmung, der eine höhere Beweiskraft zukomme als bloßen Beweissurrogaten 118. Der abgeschirmte Zeuge sei folglich nach dem Prinzip der materiellen Unmittelbarkeit 119 zur Aufklärung einer Straftat unter größtmöglicher Berücksichtigung der Verteidigungsinteressen unerlässlich 120. Bei einer Abschirmung könnten die für die Glaubwürdigkeitsprüfung wichtigen nonverbalen Äußerungen des Zeugen unter Umständen jedenfalls noch teilweise wahrgenommen werden 121 .

c) Unzulässigkeit der optischen und akustischen Abschirmung Diese Ansicht ist jedoch - mit der h.M. 1 2 2 - abzulehnen. Auch nach Einführung der §§68 III und 247a StPO ist eine optische und akustische Abschirmung des Zeugen während der Vernehmung ausgeschlossen. Zutreffend ist allerdings, dass die damalige Begründung des Großen Senats für die Unzulässigkeit der Abschirmung 123 durch die zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetzesänderungen, insbesondere § 68 III StPO, hinfällig geworden ist. Es fehlt jedoch weiterhin eine gesetzliche Grundlage für die abgeschirmte Vernehmung des Zeugen und außerdem bietet ein solches Vorgehen keine ausreichende Basis für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Die Durchführung der Zeugenvernehmung ist im Gesetz zwar nur fragmentarisch geregelt. Ausnahmen und Beschränkungen der Pflichten des Zeugen sind aber jeweils ausdrücklich normiert worden, z.B. in den §§ 52 f f , 68 II, III StPO. Die Möglichkeit einer abgeschirmten Vernehmung des Zeugen sieht das Gesetz nicht vor. Es ist daher davon auszugehen, dass der Zeuge seine Aussage für alle Verfahrensbeteiligten sichtbar und hörbar machen muss. Hierfür spricht, dass im Gesetzgebungsverfahren zum OrgKG festgestellt wurde, dass auch nach der neuen Rechtslage der Zeuge nicht maskiert oder in einer Kabine 117

Weiden StV 2000, 48, 52. Vorlagebeschluss des BGH, NJW 2003, 74, 75. 1.9 Siehe zu diesem u.a.: BVerfG, NJW 1981, 1719, 1722; Geppert, Jura 1992, 244, 246; Günther, NStZ 1984, 33, 34. 120 KK Diemer, § 247a, 14; KMR Lesch, § 247a, 21. Ähnlich Vorlagebeschluss des BGH, NJW 2003, 74, 75; Kolz, Schäfer Sonderheft, S. 35, 38. 121 Diemen NStZ 2001, 393, 398. 122 Siehe die Nachweise in Fn. 107. 121 Siehe BGHSt 32, 115, 124 f. 1.8

14 Ellbogen

210

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

sitzend vernommen werden dürfe 124 . Aus dem Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung zu einer derartigen Durchführung der Vernehmung folgt daher, dass keine planwidrige Gesetzeslücke besteht, die durch Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte. Darüber hinaus spricht für dieses Ergebnis, dass im Falle einer optischen und akustischen Abschirmung des Zeugen dessen Glaubwürdigkeit nur eingeschränkt oder überhaupt nicht beurteilt werden kann. Zunächst wurde die Möglichkeit der Individualisierung des Zeugen als wesentliches Kriterium der Glaubwürdigkeit angesehen125. Mit der Einführung des § 68 III StPO hat der Gesetzgeber sich aber von dieser starren Sichtweise getrennt 126. Bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung wird heute nämlich in erster Linie nicht mehr nach der allgemeinen Glaubwürdigkeit des Zeugen, als einer dauerhaften personalen Eigenschaft geforscht. Vielmehr wird anhand der Sachaussage des Zeugen beurteilt, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben des Zeugen entsprechen 127, denn die Klärung der allgemeinen Glaubwürdigkeit lässt nach den Erkenntnissen der forensischen Psychiatrie noch nicht ohne weiteres generelle Schlüsse auf die spezielle Glaubwürdigkeit zu 1 2 8 . Aus der allgemeinen Glaubwürdigkeit können zwar gewisse Rückschlüsse auf den Zeugen gezogen werden, gleichwohl muss aber dessen Aussage anhand bestimmter (Realitäts-) Kriterien daraufhin untersucht werden, ob es sich um erlebnisfundierte oder erfundene Angaben handelt. Die Analyse der Aussage allein ist aber nicht hinreichend verlässlich, da es sich bei dem Zeugen um einen begabten oder geübten Lügner handeln kann 129 . Neben dem verbalen kommt es daher auch auf das nonverbale Aussage verhalten des Zeugen an 130 . Die Gegenauffassung hält es zwar für möglich, die Übertragung der Zeugenvernehmung derart zu modifizieren, dass eine Identifizierung des Zeugen unmöglich ist, aber gleichwohl dessen Mimik und Gestik beobachtbar bleiben, um dessen Glaubwürdigkeit zu beurteilen. Bei näherer Betrachtung erscheint es jedoch ausgeschlossen, beide Anliegen - Zeugenschutz und Glaubwürdigkeitsbeurteilung - gleichzeitig verwirklichen zu können. Soll die Glaubwürdigkeit sicher und zweifelsfrei beurteilt werden können, so müssen u.a. die Reaktionen des Zeugen während seiner Aussage - etwa ein Zucken, Erröten, Stirnrunzeln

124

BT-Drs. 12/989, S. 36. Vgl. z.B. BGHSt 32, 115, 128. 126 KK Diemer, § 247a, 14; SKStPO Schlüchter, § 247a, 18. 127 BGHSt 45, 164, 167; Kolz, Schäfer Sonderheft, S. 35, 38. Siehe auch Müllen JZ 2000, 267 f. 128 BGH, StV 1994, 64; AKStPO Maiwald, § 261, 24 (nur beschränkt Rückschlüsse möglich); Boetticher, Schäfer Sonderheft, S. 8, 12. Vgl. auch KK Herdegen, § 244, 31. 129 Vgl. Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1427; Müllen JZ 2000, 267, 268. 130 Vgl. Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1427, 1458 ff. 125

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

211

oder Augenzwinkern - deutlich sichtbar sein. Sind diese Reaktionen sichtbar, dürfte eine Identifizierung des Zeugen ebenfalls möglich sein. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Wahrnehmung der Körperreaktionen des Zeugen durch die Videoübertragung selbst schon erschwert wird 1 3 1 , eine weitere Beschränkung entwertet dieses Beweismittel fast völlig, so dass nur die Aussage selbst und deren inhaltliche Konstanz, einen sicheren Anhaltspunkt für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung liefert. Der scheinbare Vorteil der Videovernehmung des unmittelbaren Zeugen wird durch die fehlende Möglichkeit einer sicheren und umfassenden Glaubwürdigkeitsbeurteilung entwertet. Die Zweifel, die bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen bleiben, gehen zu Lasten der Beweiskraft der Aussage, so dass dieser unter diesen Umständen regelmäßig allenfalls indizielle Bedeutung zukommen wird. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen vom Hörensagen hingegen kann beurteilt werden, dieser kann auch über das verbale und nonverbale Aussageverhalten des unmittelbaren Zeugen befragt werden, was eine zumindest mittelbare Glaubwürdigkeitsbeurteilung ermöglicht. Das Argument, der abgeschirmte Zeuge sei das bestmögliche Beweismittel in dieser Situation, trifft daher nicht zu. Die fehlende gesetzliche Ermächtigung sowie die aus der Abschirmung resultierenden Mängel bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung sprechen daher gegen eine optische oder akustische Abschirmung des Zeugen während der Vernehmung. Daneben kommt es nicht darauf an, ob die Abschirmung tatsächlich nicht gegen Grundprinzipien des Strafprozessrechts verstößt 132.

8. Verfremdung

des Äußeren

Anstelle einer optischen Abschirmung oder Vermummung kommt aber die Verfremdung des Äußeren des Zeugen in Betracht, um diesen vor der Gefahr der Identifizierung während der Vernehmung in der Hauptverhandlung zu schützen. Unter Verfremdung ist das Tragen farbiger Kontaktlinsen, einer Perücke, eines Toupets, eines (falschen) Bartes oder Augenbrauen zu verstehen 133, also die Verwendung von kosmetischen Hilfsmitteln, die ein Wiedererkennen des Zeugen erschweren, aber nicht von vornherein unmöglich machen. Die Vernehmung eines äußerlich verfremdeten Zeugen wird zutreffend für zulässig gehalten 134 , da dies nur der Geheimhaltung der Identität des Zeugen 131

Siehe zum Beweiswert einer Videovernehmung unten § 13 II, 1 d) sowie BGH, StV 1999, 580, 582; Schlüchter/Greff, KR 1998, 530, 532 f. 132 KMR Paulus, § 68, 6 bejaht einen Verstoß gegen die Prozessfairness. 133 Siehe auch oben § 10 II, 7 a). 134 LG Frankfurt/M., StV 1994, 475, 476; so auch KK Senge, vor § 48, 71. 14*

212

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

dient und es sich um ein Verhalten handelt - Änderung der Haartracht, äußeres Auftreten - , welches der Zeuge ohnehin von sich aus vornehmen kann, ohne dafür eine Erlaubnis zu benötigen. Darüber hinaus ist die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen weiterhin uneingeschränkt möglich ist, denn trotz dieser Veränderungen des Äußeren können die nonverbalen Reaktionen des Zeugen auf die Fragen und bei seinen Antworten von allen Verfahrensbeteiligten wahrgenommen werden. Ein derartiges Vorgehen kann jedoch nur in bestimmten Fällen eine Gefährdung des Zeugen hinreichend ausschließen, denn ein Wiedererkennen wird durch eine Verfremdung nur erschwert, aber nicht unmöglich gemacht. Mittels Verfremdung kann es aber möglich sein, den Zeugen in Gegenwart des Angeklagten zu vernehmen, etwa wenn sich beide nur einige Male persönlich getroffen haben oder das letzte Zusammentreffen schon länger zurückliegt.

9. Ausschluss des Verteidigers? Die Gefahr der Enttarnung droht dem Zeugen auch vom Verteidiger des Angeklagten 135 . Selbst wenn dieser nicht kollusiv mit dem Angeklagten oder dessen Hintermännern zusammenarbeitet, wird es das Bestreben des Strafverteidigers sein, sein Wissen über die Identität, das Aussehen, körperliche oder sprachliche Besonderheiten des Zeugen dazu zu verwenden, diesen zu enttarnen, z.B. um nach einem Wegfall der Anonymität eine Ladung des Zeugen zur Hauptverhandlung zu erreichen oder Erkundigungen über dessen Glaubwürdigkeit einziehen zu können 136 . Bei V-Personen, die häufiger eingesetzt werden, besteht zudem die Gefahr, dass durch die Enttarnung in einem Strafverfahren ihre Identität auch in anderen Strafverfahren offenbar wird. Gleichwohl betont die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Vornahme kommissarischer Vernehmungen, dass die bloße Anwesenheit des Verteidigers den Untersuchungserfolg nie gefährden könne 137 . Diese Feststellung soll aber nicht zum Ausdruck bringen, dass von einem Verteidiger keine Gefahren im oben dargestellten Sinn ausgehen können, sondern die Rechtsprechung will mit dieser Aussage einer zu leichtfertigen Beschränkung der Verteidigerrechte entgegenwirken. Denn der Verteidiger ist neben dem Gericht und der Staatsanwaltschaft gleichberechtigtes Organ der Rechtspflege 138, seine Abwesenheit

135

So auch Siegismund., JR 1994, 251, 253. Vgl. Wesemann, StV 1997, 597, 604 f. 137 So BGHSt 32, 115, 129. 138 BVerfGE 38, 105, 119; 63, 266, 284; BGHSt 35, 200, 203; Günther, NStZ 1984, 33, 35; KK Laufhütte, vor § 137, 5. Strittig, siehe auch AKStPO Stern, vor § 137, 24; Augstein, NStZ 1981, 52 ff.; LR Lüderssen, vor § 137, 33. 136

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

213

stellt in Fällen der notwendigen Verteidigung gemäß § 338 Nr. 5 StPO einen absoluten Revisionsgrund dar. Der (Wahl- oder Pflicht-) Verteidiger kann von einzelnen Verfahrenshandlungen nicht ausgeschlossen werden. In Betracht kommt nur eine Ausschließung des Verteidigers vom gesamten Strafverfahren unter den Voraussetzungen der §§ 138a ff. StPO 139 . Die Ausschlussgründe sind in § 138a I, II StPO abschließend aufgeführt 140. Diese Ausschlussgründe werden aber regelmäßig nicht vorliegen, so dass der Verteidiger von der Vernehmung des Zeugen nicht ausgeschlossen werden kann. Selbst wenn dem Verteidiger also die Identität des Zeugen nach § 68 III StPO verheimlicht wird, besteht folglich die Möglichkeit, dass er später Dritten das Äußere des Zeugen oder sonstige Auffälligkeiten beschreibt und so eine Enttarnung herbeiführt 141 . Da § 138a StPO den Ausschluss des Verteidigers von der Vernehmung gefährdeter Zeugen nicht zulässt, kann diese Gefahr nach geltendem Recht nicht abgewendet werden 142 . Eine vereinzelt gebliebene Ansicht in der Literatur will ein Schweigen des Verteidigers in dieser Situation über die Geheimhaltungsverpflichtung nach § 174 III GVG sicherstellen 143. Dies kommt allerdings nicht in Betracht, da diese Vorschrift ausdrücklich nicht auf § 172 Nr. 1 und la GVG verweist 144 . Eine - teilweise befürwortete 145 - analoge Anwendung scheidet aus, weil dadurch die Verteidigerrechte unzulässig beschnitten würden. Bei Anwendung der Zeugenschutzmöglichkeiten des Strafprozessrechts kann die Gefahr einer späteren Identifizierung des Zeugen durch den Verteidiger nicht ausgeschlossen werden. Diese Gefahr ist in bestimmten Situationen ernst zu nehmen, und kann auch eine Sperrung des Zeugen für das gerichtliche Verfahren rechtfertigen. Jedoch ist ein voreiliges Misstrauen gegenüber Strafverteidigern unangebracht. Diese sind sich regelmäßig ihrer Verantwortung auch gegenüber dem Zeugen bewusst und werden diesen - soweit sie es abschätzen können - nicht unnötig in Gefahr bringen. Die Anwesenheit des Verteidigers bei der Befragung des Zeugen sollte von den Strafverfolgungsbehörden als Chance verstanden werden, sowohl die Rechte des Angeklagten zu

139 BGHSt 37, 395, 396; AG Heidelberg, StV 1982, 162, 164; KK Laufhütte, § 138a; 3; Pfeiffer, § 138a, 1. 140 Meyer-Goßner, § 138a, 1 , Reichert-Hammer/Renzikowski, JA 1990, 207. 141 Gegen ein generelles Misstrauen gegenüber Verteidigern ist in diesem Kontext aber Günther, NStZ 1984, 33, 35. 142 Jung, GA 1998,313, 325. 143 So - ohne weitere Begründung - Weider, StV 1981, 19, 20. 144 Vgl. auch LR Wickern, § 174 GVG, 26. 145 Günther, NStZ 1984, 33, 35; Lesch, StV 1995, 542, 545. Ebenso SKStPO Schlüchter, § 251, 59, die hierin aber eine in ihrer Wirksamkeit wenig gesicherte Maßnahme sieht.

214

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

wahren, als auch den Sachverhalt umfassend aufklären zu können. Der Verteidiger kann durch sein Nachfragen erreichen, dass das Maß der vom Täter verwirklichten Schuld zutreffend ermittelt wird und auch eine mögliche Beteiligung der V-Person an der aufzuklärenden Straftat kritisch hinterfragt wird. Den Strafverfolgungsbehörden wird häufig der nötige Abstand fehlen, um dies objektiv zu beurteilen.

10. Ausschluss der Laienrichter? Zum Teil wird bzw. wurde von den Strafverfolgungsbehörden eine Freigabe des Zeugen für das gerichtliche Verfahren davon abhängig gemacht, dass die Vernehmung des Zeugen in Abwesenheit der Laienrichter zu erfolgen habe 146 . Diesem Verlangen wird zum Teil dadurch nachgekommen, dass eine kommissarische Vernehmung des Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung nur mit den Berufsrichtern des gerichtlichen Spruchkörpers vorgenommen wird. Unstreitig ist zunächst, dass während der laufenden Hauptverhandlung die Laienrichter nicht von der Vernehmung ausgeschlossen werden dürfen 147 , da sie gemäß § 261 StPO aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ihre Überzeugung von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten schöpfen müssen, was unmöglich ist, wenn sie nicht sämtliche Beweismittel selbst wahrgenommen haben 148 . Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ist nach § 338 Nr. 1 StPO ein absoluter Revisionsgrund, der eingreift, wenn das erkennende Gericht während der Hauptverhandlung nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Dies ist aber der Fall, wenn die Laienrichter während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung - z.B. der Beweisaufnahme - nicht anwesend sind. Die kommissarische Vernehmung durch die Berufsrichter während der Hauptverhandlung unter Ausschluss der Schöffen wäre eine von § 223 StPO nicht gedeckte unzulässige Umgehung des § 161 StPO 149 , da dieses Vorgehen eine Hauptverhandlung in Abwesenheit der dafür erforderlichen Prozesssubjekte darstellt. Überwiegend für zulässig gehalten wird es dagegen, dass die kommissarische Vernehmung - außerhalb der Hauptverhandlung - durch mehrere bzw. alle Berufsrichter des erkennenden Gerichts durchgeführt wird und deren Wahrnehmungen dann durch Protokollverlesung in die Hauptverhandlung eingeführt

146

Siehe z.B. den Hinweis in BGHSt 32, 115, 124. BGHSt 32, 115, 124. 148 So auch Reichert-Hammer/Renzikowski, JA 1990, 207. 149 BGHSt 31, 236 ff.; BGH, bei Miebach NStZ 1989, 217, 218 Nr. 7 (für den Fall der Augenscheinseinnahme); Meyer-Goßner, § 223, 15. 147

§ 10 Zeugenschutz in der Hauptverhandlung

215

werden 150 . Diese Praxis ist jedoch abzulehnen, da darin eine Umgehung der Rechte der Schöffen liegt, die durch § 30 GVG gerade den Berufsrichtern gleichgestellt sind 151 . Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Berufsrichter die Aussage des Zeugen nicht - wie von § 261 StPO gefordert - auf der durch das Protokoll vermittelten Grundlage würdigen 152 , sondern auf Grund ihres eigenen Erlebens. Die Beauftragung sämtlicher Berufsrichter des gerichtlichen Spruchkörpers mit der Durchführung der kommissarischen Vernehmung ist daher unzulässig. Möglich ist jedoch, einen Berufsrichter mit der kommissarischen Vernehmung zu beauftragen und dessen Wahrnehmungen dann durch Protokollverlesung in die Hauptverhandlung einzuführen. Der Umstand, dass der beauftragte Richter bei der Urteilsfindung die von ihm selbst erstellten Protokolle würdigen muss, liegt gleichwohl - wie stets beim beauftragten Richter - vor 1 5 3 . Dem kann dadurch entgegen gewirkt werden, dass ein Berufsrichter des Spruchkörpers beauftragt wird, der an der Urteilsfindung nicht beteiligt ist. Diese Möglichkeit besteht anerkannter Maßen 154 . Darüber hinaus kann nach § 223 I StPO auch angeordnet werden, dass der Richter eines anderen Gerichts die Vernehmung durchführt, sogenannter ersuchter Richter. Die Gefahr einer Enttarnung bzw. sonstigen Gefahrdung des Zeugen durch die Laienrichter ist ohnehin nur als gering einzustufen. Einen direkten Kontakt der Schöffen zum Angeklagten oder dessen Verteidiger während der laufenden Hauptverhandlung - bei dem Informationen über den Zeugen ausgetauscht werden könnten - wird es in der Regel nicht geben, da für die Schöffen stets die Gefahr besteht, so eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Zudem besteht bei Schöffen auf Grund ihres zeitlich unregelmäßigen Einsatzes als Laienrichter, anders als bei Verteidigern, nicht die Gefahr, dass sie durch ihre Tätigkeit bei Gericht die Identität von „Dauer-V-Personen" aufdecken, die in verschiedenen Strafverfahren eingesetzt werden und darum häufiger vor Gericht erscheinen.

11. Zusammenfassung Die aufgezeigten Möglichkeiten zum Schutz des Zeugen während seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung werden häufig ausreichen, um einer Ge150 BGH, NStZ 1983, 182; Foth, MDR 1983, 716, 717; LR Gollwitzer, § 223, 28; Meyer-Goßner, § 223, 15; Pfeiffer, § 223, 8; SKStPO Schlüchter, § 223, 37. 151 Im Ergebnis ebenso Peters, Strafprozeß, § 59 II 2, der ergänzend auch auf den Wortlaut von § 223 I StPO („durch einen ... Richter") verweist; Tiedemann/Sieber, NJW 1984, 753, 755. Bedenken hiergegen hat auch Grünwald, StV 1984, 56, 58. 152 HKStPO Julius, § 223, 1. 153 Kritisch insoweit Goeckenjan/Eisenberg, JR 2001, 123, 125. 154 BGHSt 2, 1; KK Tolksdorf § 223, 18; Meyer-Goßner, § 223, 15.

216

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

fährdung wirksam zu begegnen. Ob - und gegebenenfalls in welcher Kumulation - sie angewendet werden müssen, um diesen Schutz zu gewährleisten, hängt insbesondere davon ab, welchem (verbrecherischen) Umfeld der Angeklagte angehört, welche Strafe ihm droht, welches Wissen der Zeuge offenbaren kann, ob er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde, wie oft er mit dem Angeklagten Kontakt hatte oder ob er unter einer Legende aufgetreten ist. Reichen diese Schutzmöglichkeiten für den Zeugen auf Grund der Umstände des Einzelfalles nicht aus, muss zugunsten seiner Sicherheit auf die Vernehmung verzichtet und auf Beweissurrogate zurückgegriffen werden 155 .

§ 11 Beweissurrogate I. Kommissarische Vernehmung Ist die Gefährdung des Zeugen so groß, dass er - trotz der dargestellten Schutzmöglichkeiten156 - nicht in der Hauptverhandlung vernommen werden kann, muss auf der zweiten Stufe der Drei-Stufen-Theorie 157 geprüft werden, ob eine kommissarische Vernehmung in Betracht kommt. Das Gericht kann nach § 223 I StPO die kommissarische Vernehmung eines Zeugen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter u.a. anordnen, wenn dem Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung für längere oder ungewisse Zeit nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen. Gemäß §§361 f. ZPO ist ein beauftragter Richter Mitglied des erkennenden Gerichts, ein ersuchter Richter hingegen der eines anderen Gerichts, im letzteren Falle handelt es sich um Rechtshilfe nach §§ 156 ff. GVG.

1. Allgemeines Häufig wird die kommissarische Vernehmung ihrem Wesen nach als ein vorweggenommener Teil der Hauptverhandlung bezeichnet158. Dies ist jedoch unzutreffend 159, da sie nicht ohne weiteres zur Urteilsgrundlage im Sinne des 155

Siehe oben § 101. Siehe § 10. 157 Vgl. oben Einleitung zu Teil 4. 158 BGHSt 9, 24, 27; KMR Lesch, § 247a, 5; Kreysel, MDR 1996, 991, 993; MeyerGoßner., § 223, 1; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 41, Rdnr. 10; Schellenberg, NStZ 1993, 372, 373; SKStPO Schlüchter, § 223, 2; Strate , StV 1985, 337, 339. 159 BGH, NStZ 1989, 382; AKStPO Keller, § 223, 1; Goeckenjan/Eisenberg, JR 2001, 123, 125; HKStPO Julius, § 223, 2; KMR Eschelbach, § 223, 1; LR Gollwitzer, § 223, 1, Fn. 1; Ranft, Strafprozeßrecht, Rdnr. 1405. 156

§ 11 Beweissurrogate

217

§ 261 StPO gemacht werden kann, sie bedarf vielmehr der strengbeweislichen Einführung in die Hauptverhandlung durch ein Beweissurrogat. Zudem sind der vernehmende Richter und das erkennende Gericht nicht identisch und für die Prozessbeteiligten gibt es keine Pflicht zur ununterbrochenen Anwesenheit im Sinne des § 226 StPO. Die kommissarische Vernehmung ist nicht öffentlich 160 und kann von der Erhebung der öffentlichen Klage bis zum Ende der Hauptverhandlung angeordnet werden 161 . Sie kann nicht nur im Inland, sondern - soweit entsprechende Rechtshilfeübereinkommen bestehen, unverzichtbare allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze sowie das dort geltende Verfahrensrecht beachtet werden 162 auch im Ausland durchgeführt werden 163 . Bei der kommissarischen Vernehmung handelt es sich - aus Sicht der Hauptverhandlung - um ein Vernehmungssurrogat, weil das Ergebnis der Vernehmung durch die Verlesung des erstellten Protokolls gemäß § 251 I StPO in die Hauptverhandlung eingeführt wird 1 6 4 . Dies gilt jedoch nur hinsichtlich der Aussage des Zeugen selbst. Soweit es um den Eindruck des Vernehmenden vom Zeugen als Anknüpfungspunkt für eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung geht, muss die Verhörsperson nach richtiger Ansicht gemäß § 250 StPO persönlich vernommen werden 165 . Die h.M. lässt es jedoch genügen, dass diese Umstände ins Protokoll aufgenommen und (mit-) verlesen werden 166 . Dies ist jedoch abzulehnen, weil § 251 I StPO nur die Ersetzung der Vernehmung des Zeugen durch die Protokollverlesung gestattet. Bei den Eindrücken des Vernehmenden vom Zeugen handelt es jedoch um Tatsachen, die der Vernehmende selbst wahrgenommen hat.

160 161 162

395.

163

OLG Koblenz, VRS Band 61, 270; SKStPO Schlüchter, § 223, 27. RGSt 66, 213, 214 f.; BGH, MDR/D 1969, 724; HKStPO Julius, § 223, 5. BGHSt 2, 300, 303 f.; 7, 15, 16; BGH, NStZ 1983, 181; Diemer, NStZ 2001, 393,

Siehe hierzu HKStPO Julius, § 223, 10 ff.; KMR Eschelbach, § 223, 94 ff. und SKStPO Schlüchter, § 223, 32 ff. 164 Siehe näher zur Protokollverlesung nach § 251 I StPO unten § 11 II, 1. 165 AKStPO Keller, § 223, 17; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 86; Foth, MDR 1983, 716, 717; Goeckenjan/Eisenberg, JR 2001, 123, 125; Itzel, NStZ 1989, 383 f.; SKStPO Schlüchter, § 223, 36 und § 251, 35. Siehe auch HKStPO Julius, § 251, 4 sowie OLG Düsseldorf, StV 1984, 107 (zu § 251 II StPO) 166 BGH, NStZ 1983, 182; BGH, NStZ 1989, 382 f.; BGH, NJW 2000, 1204, 1206; KK Tolksdorf, § 223, 22; KMR Eschelbach, § 223, 88; LR Gollwitzer, § 223, 34; Meyer-Goßner, § 223, 24. Mit Bedenken gegen ein solches Vorgehen aber LG Düsseldorf, NStZ 1982, 299, 300.

218

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung 2. Voraussetzungen

Die Entscheidung über die Durchführung der kommissarischen Vernehmung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts 167 . Bei der Entschließung hat es nicht nur die Gefährdung des Zeugen zu berücksichtigen, sondern auch, ob es wegen der Bedeutung der Aussage oder sonstiger besonderer Umstände eines persönlichen Eindrucks des Gerichts vom Zeugen bedarf, um dessen Glaubwürdigkeit oder Aussageverhalten zu würdigen. § 223 I StPO setzt voraus, dass dem Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen. Andere Hindernisse von vergleichbarer Bedeutung wie Krankheit oder Gebrechlichkeit sind vor allem Gefahren für Rechtspositionen des Zeugen, die dieser in ähnlicher Weise wie Gesundheitsnachteile bei Abwägung gegenüber der staatsbürgerlichen Zeugenpflicht zum Erscheinen vor Gericht von Rechtswegen nicht hinnehmen muss 168 . Ein solches Hindernis kann daher die Gefährdung des Zeugen an Gesundheit, Leben oder Freiheit sein 169 . Bedingung ist allerdings, dass der Gefährdung nicht durch andere Maßnahmen begegnet werden kann 170 , etwa durch einen Ausschluss des Angeklagten und/oder der Öffentlichkeit. Da die Hindernisse für längere oder ungewisse Zeit bestehen müssen, ist bei der Anordnung zudem zu prüfen, ob die Gefährdung des Zeugen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch besteht bzw. bestehen wird. Ein Hindernis im Sinne des § 223 I StPO stellt darüber hinaus die behördliche Sperrung des Zeugen dar 171 . Wie oben bereits dargestellt 172, kommt bei einer Gefährdung des Zeugen durch eine Vernehmung in der Hauptverhandlung eine Anwendung des § 247a StPO in Betracht. Die Möglichkeit einer Videovernehmung schließt jedoch die Annahme eines Hindernisses im Sinne des § 223 I StPO nicht aus, da „Erscheinen" in der Hauptverhandlung nicht die nur visuell vermittelte, sondern die

167

HKStPO Julius, § 251, 7; SKStPO Schlüchter, § 223, 24. KMR Eschelbach, § 223, 50. Vgl. auch oben § 10 I. 169 BGHSt 17, 337, 346 f.; KK Tolksdorf, § 223, 6; Meyer-Goßner, § 251, 6; Pfeiffer, § 223, 4; SKStPO Schlüchter, § 223, 11. 170 BGHSt 22, 311, 313 f.; Meyer-Goßner, § 251, 7; KMR Eschelbach, § 223, 51; SKStPO Schlüchter, § 223, 11. 171 BGHSt 29, 390 f.; 32, 115, 126 f.; BGH, StV 2001, 214; HKStPO Julius, § 251, 5, 16; KK Tolksdorf, § 223, 9; LR Gollwitzer, § 223, 12; Meyer-Goßner, § 223, 6; Pfeiffer, § 223, 4; SKStPO Schlüchter, § 223, 18. Zum Umfang der Bindungswirkung einer Sperrung siehe aber unten § 12 I - III. 172 Siehe § 1011,6. 168

§ 11 Beweissurrogate

219

körperliche Anwesenheit des Zeugen vor Gericht meint 173 . Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift. § 247a StPO verweist u.a. auf die Voraussetzungen des § 251 I Nr. 2 StPO. Wäre die Durchführung einer danach möglichen Videovernehmung als Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung zu werten, so könnte das nach § 251 I Nr. 2 StPO erforderliche dem entgegenstehende Hindernis niemals vorliegen 174 . Beide Verfahrensweisen - § 223 StPO und § 247a StPO - können daher kumulativ angewandt werden 175 .

3. Informationspflicht

und Teilnahmerechte

Gemäß § 224 I StPO sind die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und dessen Verteidiger von der - geplanten - kommissarischen Vernehmung zu unterrichten, sie dürfen an dieser - grundsätzlich 176 - teilnehmen, wobei es ihrer Anwesenheit bei deren Durchführung aber nicht bedarf. Die Benachrichtigung kann nach § 224 I 2 StPO unterbleiben, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Umstritten ist, wann die Möglichkeit einer Gefährdung des Vernehmungserfolges zu befürchten ist. Die h.M. fasst hierunter nicht nur zeitliche Verzögerungen, die durch eine Benachrichtigung der Prozessbeteiligten entstehen können, sondern alle Gründe, die einen Verlust bzw. Ausfall des Beweismittels befürchten lassen177. Die Benachrichtigung könne daher auch unterbleiben, wenn die auf bestimmte Anhaltspunkte gestützte Annahme bestehe, dass der Angeklagte oder dessen Verteidiger die Information über die bevorstehende kommissarische Vernehmung zum Anlass nehmen, Verdunklungshandlungen vorzunehmen oder Druck auf die Beweisperson auszuüben178. Ein Grund könne ebenfalls die zu befürchtende Unerreichbarkeit des Zeugen auf Grund einer von der obersten Dienstbehörde für den Fall der Terminsbenachrichtigung angekündigten Sperrerklärung sein 179 .

173

BGH, JZ 2001, 49, 50; Albrecht, StV 2001, 364; Diemer, NStZ 2001, 393, 395; KMR Eschelbach, § 223, 45; Meyer-Goßner, § 251, 7; Sinn, JZ 2001, 51. Ähnlich KK Tolksdorf § 223, 3. Zweifelnd Gieß, JR 2002, 97. 174 BGHSt 46, 73, 76 f. 175 Siehe auch § 10 II, 6 b). 176 Zu den Einschränkungen beim Beschuldigten siehe § 224 II StPO. 177 BGHSt 29, 1, 3; BGH, NStZ 1990, 136; KK Tolksdorf, § 224, 9; Kreysel, MDR 1996, 991, 993; Meyer-Goßner, JR 1980, 254 f.; SKStPO Schlüchter, § 224, 15. 178 Vgl. BGHSt 29, 1,4. 179 SKStPO Schlüchter, § 224, 16.

220

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

Mit der Gegenauffassung ist der Gefahrbegriff des § 224 I 2 StPO jedoch auf zeitliche Verzögerungen zu beschränken, die durch eine rechtzeitige Benachrichtigung der Prozessbeteiligten drohen 180 . Die Gefahr von Verdunklungshandlungen seitens des Angeklagten und dessen Verteidigers kann die Anwendung von § 224 StPO nicht rechtfertigen. Besteht die Gefahr, dass die Vernehmung des Zeugen durch die Anwesenheit des Angeklagten beeinträchtigt wird, so kann der Angeklagte unter den Voraussetzungen des § 247 StPO von der Vernehmung ausgeschlossen werden. Drohen Verdunklungshandlungen des Verteidigers vor oder während - also unter den Augen des Richters! der Vernehmung, so müsste dies als versuchte Strafvereitelung gewertet werden. Gleichwohl behält der Verteidiger nach der h.M. auch in dieser Konstellation sein Anwesenheitsrecht. Der faktische Ausschluss des Verteidigers durch eine unterlassene Benachrichtigung hätte dann präventivpolizeilichen Charakter 181 . Da es gegenüber Verteidigern aber keinen permanenten Verdacht auf Strafvereitelung gibt, bilden §§ 138 a ff. StPO die Grenze für deren zulässigen Ausschluss in gravierenden Verdachtsfällen. Für diese einschränkende Auslegung des § 224 I 2 StPO spricht zudem, dass durch die Änderungen der §§ 168c V, 224 StPO in den letzten Jahren die Rechte der Verteidigung gestärkt und nicht beschränkt werden sollten 182 . Daher kann auch eine drohende Sperrung des Zeugen seitens der Exekutive, nicht durch eine unterlassene Benachrichtigung des Anwaltes abgewendet werden, da es dafür im Gesetz keine Grundlage gibt. Über den Wortlaut des § 224 I StPO hinaus wird es teilweise für möglich gehalten, nicht nur die Benachrichtigung des Verteidigers zu verhindern, sondern auch dessen Anwesenheitsrecht über diese Vorschrift zu beschränken, wenn ansonsten die oberste Dienstbehörde den Zeugen zu sperren droht 183 . Dies ist jedoch abzulehnen, und zwar zum einen, weil § 224 StPO nur die Benachrichtigung des Verteidigers regelt, und zum anderen, weil dessen Ausschluss nur nach § 138a StPO und den dort genannten Voraussetzungen möglich ist. Erfährt der Verteidiger von einer geplanten kommissarischen Vernehmung, obwohl er über diese - aus welchen Gründen auch immer - nicht informiert wurde, so darf er an dieser teilnehmen 184 .

180

AKStPO Keller, § 224, 3; KMR Eschelbach, § 224, 44; D. Krause, StV 1984, 169, 172; LR Rieß, § 168c, 44; Nelles, StV 1986, 74, 75; Rengier, Jura 1981, 299, 306; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 37, 25; Welp, JZ 1980, 134, 135 f.; Zaczyk, NStZ 1987, 535, 538. 181 Zaczyk, NStZ 1987, 535, 539. 182 KMR Eschelbach, § 224, 44; Welp, JZ 1980, 134, 135 f. 183 BVerfGE 57, 250, 287; BGH, NJW 1980, 2088; Fröhlich, NStZ 1981, 270, 271; Gribbohm, NJW 1981, 305, 306; Herdegen, NStZ 1984, 200, 203. 184 BGHSt 31, 148, 153; 32, 115, 129; Bruns, MDR 1984, 177, 178; Engels, NJW 1983, 1530, 1531; SKStPO Schlüchter, § 223, 27.

§ 11 Beweissurrogate

221

4. Schutzwirkung Die Anordnung der kommissarischen Vernehmung kann eine Möglichkeit sein, einem gefährdeten Zeugen die Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu ersparen und gleichwohl auf dieses Beweismittel nicht gänzlich verzichten zu müssen. Besteht jedoch die Gefahr, dass der Zeuge vom Verteidiger enttarnt wird, so kann diese Gefahr durch eine kommissarische Vernehmung nicht abgewendet werden, da auch in dieser Situation der Verteidiger von der geplanten kommissarischen Vernehmung zu benachrichtigen ist und er ein Anwesenheitsrecht hat.

II. Protokollverlesung und Vernehmung der Verhörsperson / des Zeugen vom Hörensagen Ist ein Zeuge gesperrt worden oder seine Gefährdung so groß, dass er nicht in der Hauptverhandlung oder kommissarisch vernommen werden kann, ist auf der letzten Stufe der Drei-Stufen-Theorie zu prüfen, ob eine Ersetzung dieses unmittelbaren Beweismittels durch Beweissurrogate, wie eine Protokollverlesung oder die Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen in Betracht kommt.

7. Protokollverlesung

gemäß § 2511 StPO

Gemäß § 251 I Nr. 2 StPO kann die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung u.a. dann durch die Verlesung einer früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn seinem Erscheinen für eine längere oder ungewisse Zeit nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen. In der hier untersuchten Konstellation kommen nur richterliche Vernehmungen in Betracht, die nicht auf der zweiten Stufe (also durch kommissarische Vernehmung) erfolgten, also z.B. die Vernehmung des Beschuldigten bei der Haftprüfung oder zu einem sonstigen Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft.

a) Technische Ausdehnung des Anwendungsbereiches § 251 I StPO gestattet zum Zwecke der Verhütung eines Beweismittel Verlustes (Nr. 1 und 2) und zur Erleichterung und Beschleunigung der Hauptverhandlung (Nr. 3 und 4) 1 8 5 die Ersetzung des Personalbeweises, also der Vernehmung

185

BGHSt 10, 186, 189; 26, 18, 20; Gründler, MDR 1986, 903.

222

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

des Zeugen oder seiner Verhörsperson, durch einen Urkundsbeweis. Über seinen Wortlaut hinaus erfasst § 251 StPO nicht nur die Verlesung von Vernehmungsprotokollen, sondern auch das Abspielen von Tonband- oder Videoaufzeichnungen einer solchen Vernehmung 186 . Hinsichtlich der Vorführung von Videoaufnahmen stellt dies der 1998 eingeführte § 255a I StPO klar, indem die Vorschrift eine analoge Anwendung des § 251 StPO anordnet. Die Vorführung einer Videovernehmung ist somit der Verlesung einer Vernehmungsniederschrift gleichgestellt 187 . Dabei ist es gleichgültig, ob die Videoaufnahme nach §§ 58a, 168e, 247a S. 4 StPO während des Ermittlungsverfahrens, einer kommissarischen Vernehmung oder einer früheren Hauptverhandlung hergestellt wurde. Hinsichtlich Tonbandaufnahmen wird die Anwendbarkeit des § 251 StPO zum Teil verneint 188 . Zutreffend ist aber die gegenteilige Auffassung, wie eine teleologische Auslegung der Vorschrift zeigt: Wenn schon eine Vernehmungsniederschrift verlesen werden darf, muss erst recht das Abspielen der Tonbandaufnahme einer Vernehmung möglich sein 189 . Diese Gleichbehandlung mit den Vernehmungsniederschriften und damit die analoge Anwendung der für diese geltenden Regeln des Urkundenbeweises betrifft aber nur die Voraussetzungen, unter denen solche Bild- oder Tonaufzeichnungen von Vernehmungen in der Hauptverhandlung als Beweismittel für Inhalt und Form der Aussage verwendet werden dürfen. Die Einführung selbst folgt den Regeln des Augenscheinsbeweises, weil die Tonaufzeichnung nicht für die Reproduktion einer dort festgehaltenen Äußerung über eine Wahrnehmung, sondern für den Beweis einer daraus ersichtlichen objektiven Gegebenheit herangezogen werden soll 190 .

b) Voraussetzungen Die Voraussetzungen des § 251 I Nr. 2 StPO entsprechen denen des § 223 I StPO 191 , so dass auf das dort Gesagte verwiesen werden kann. § 251 I Nr. 2 StPO gilt allerdings für alle richterlichen Vernehmungsprotokolle, also auch solche aus dem Ermittlungsverfahren nach §§168 ff. StPO. Der Rückgriff auf

186 Kintzi, DRiZ 1996, 184, 189; Meyer-Goßner, § 251, la; Laubenthal, JZ 1996, 335, 342; LR Gollwitzer, § 251, 68; SKStPO Schlüchter, § 251, 51. 187 BT-Drs. 13/4983, S. 4; KK Diemer, § 255a, 2 und 4; Meurer, JuS 1999, 937, 938; Rieß, NJW 1998, 3240, 3241; Seite, JR 1998, 309, 313; SKStPO Schlüchter, § 255a, 5. 188 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 28, Rdnr. 9. 189 Kintzi, DRiZ 1996, 184, 189; Meyer-Goßner, § 251, la; Mildenberger, Schutz kindlicher Zeugen, S. 228 f.; SKStPO Schlüchter, § 251, 51. Vgl. auch F.-W. Krause, Zum Urkundenbeweis im Strafprozeß, S. 125 f. 190 So auch LR Gollwitzer, § 251, 68. 191 Meyer-Goßner, § 251, 6; SKStPO Schlüchter, § 251, 13.

§ 11 Beweissurrogate

223

die Protokolle als Vernehmungssurrogat hängt in der hier untersuchten Konstellation davon ab, dass die zur Annahme eines Hindernisses führende Gefährdung des Zeugen zum Zeitpunkt der Verlesung bzw. dem Vorspielen der Vernehmung noch besteht192.

c) Verlesbarkeit richterlicher Protokolle Nach § 251 I StPO sind Protokolle einer richterlichen Vernehmung in weitergehenden Umfang verlesbar als solche von staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Vernehmungen, deren Verlesbarkeit in § 251 II StPO geregelt ist 193 . Dies wird zum Teil zutreffend darauf zurückgeführt, dass richterliche Protokolle zuverlässiger sind 194 . Diese besondere Wertschätzung kann insbesondere mit der institutionellen Unabhängigkeit des Richters sowie den Anwesenheits- und Fragerechten der Prozessbeteiligten (§ 168c StPO) bei der Vernehmung begründet werden. Die Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft besteht in erster Linie in der Stoffsammlung für die Anklageerhebung, die des (Ermittlungs-) Richters dagegen in der Beweissicherung, so dass letzterer grundsätzlich objektiver sein dürfte. Hinzu kommt, das nur im Falle einer richterlichen Vernehmung die Strafdrohung der §§153 ff. StGB gilt, was den Zeugen zumindest im Grundsatz zu einer wahrheitsgemäßeren Aussage motivieren dürfte.

d) Schutzwirkung Durch die Möglichkeit, die frühere richterliche Vernehmung eines gefährdeten Zeugen nach § 251 I Nr. 2 StPO in das Verfahren einzuführen, können sowohl die Sicherheitsinteressen des Zeugen als auch das Aufklärungsinteresse des Staates gewahrt werden. Soweit es der Schutz des Zeugen erfordert, können dessen Personalien gemäß § 168a I 2 StPO in Verbindung mit § 68 II, III StPO unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung verschwiegen werden 195 . Die hieraus folgenden Defizite bei der Verteidigung und generell die Schwierigkeiten bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung müssen im Rahmen der - noch zu erörternden 196 - Beweiswürdigung Beachtung finden.

192

BGHSt 1, 103 f.; 9, 297, 300; LR Gollwitzer, § 251, 38. Siehe dazu auch unten § 11 II, 2. 194 Fezer, JuS 1977, 382 ff.; KMR Paulus, § 251, 3; Peters, JR 1977, 476. 195 Vgl. HKStPO Lemke, § 68, 14; KMR Eschelbach, § 223, 87; LR Gollwitzer, § 223, 35; Meyer-Goßner, § 223, 24; Pfeiffer, § 223, 12. 196 Siehe § 13. 193

224

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung 2. Protokollverlesung

gemäß §251 II StPO

Gemäß § 251 I I 1 StPO kann die Vernehmung eines Zeugen durch die Verlesung eines nichtrichterlichen Vernehmungsprotokolles oder einer vom Zeugen stammenden schriftlichen Erklärung ersetzt werden, wenn die Prozessbeteiligten damit einverstanden sind. Im Übrigen ist dies nach Satz 2 u.a. zulässig, wenn der Zeuge in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann.

a) Voraussetzungen der Verlesung Bei der Verlesung der Vernehmung eines V-Mannes oder Informanten wird es nur in den wenigsten Fällen möglich sein, nach § 251 II 1 StPO vorzugehen, da zumindest der Angeklagte und sein Verteidiger kein Interesse daran haben werden, belastende Aussagen eines Zeugen hinzunehmen, ohne deren Glaubhaftigkeit und allgemein die Glaubwürdigkeit des Zeugen hinterfragen zu können. Nur wenn die Verlesung für den Angeklagten entlastende Momente enthält, wird § 251 II 1 StPO in Betracht kommen. Relevant wird daher häufig § 251 I I 2 StPO sein, der bei gefährdeten Zeugen eine Ersetzung der Vernehmung - auch ohne Zustimmung des Angeklagten und seines Verteidigers - ermöglicht. Eine solche Surrogation setzt u.a. voraus, dass der Zeuge aus - rechtlichen oder tatsächlichen197 - Gründen in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann. Ein rechtliches Hindernis stellt insbesondere die behördliche Sperrung des Zeugen dar 198 . Nicht absehbar ist die Zeit bis zur gerichtlichen Vernehmung vor Gericht, wenn ungewiss ist, wann eine solche Vernehmung vor dem erkennenden Gericht möglich ist und diese Ungewissheit unter Abwägung aller Umstände nicht hingenommen werden kann. Bei der Abwägung müssen die Schwere der aufzuklärenden Straftat, die Bedeutung der Aussage und des persönlichen Eindrucks des Gerichts von der Wahrnehmungsperson für die Sachverhaltsaufklärung 199, die Gefahr des Verlustes oder der Verschlechterung anderer Beweismittel infolge des Abwartens sowie das Bedürfnis des Angeklagten nach Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens und seine sonstigen Interessen berücksichtigt werden 200 . Bei Verneh-

197

HKStPO Julius, § 251, 10; LR Gollwitzer, § 251, 60 f.; Meyer-Goßner, § 251, 26 ff.; SKStPO Schlüchter, § 251, 55 ff. 198 BVerfGE 57, 250, 282; BGHSt 32, 115, 127; 33, 70, 73; LR Gollwitzer, § 251, 61; Meyer-Goßner, § 251, 26; Nack, KR 1999, 171 f.; Rebmann, NStZ 1982, 315, 317; SKStPO Schlüchter, § 251, 66; Tiedemann, JuS 1965, 14, 17. 199 BGH, NStZ 1985, 561, 562; BGH, StV 1989, 467 f.; KMR Paulus, § 251, 45; SKStPO Schlüchter, § 251, 56. 200 BGHSt 22, 118, 120; BGH, NStZ 1993, 144 f.; ter Veen, StV 1985, 295, 299.

§ 11 Beweissurrogate

225

mungsprotokollen wird stets auch zu erwägen sein, ob die Vernehmung der Verhörsperson nicht das sachnähere Beweismittel darstellt 201 . Existieren sowohl richterliche als auch nichtrichterliche Vernehmungsprotokolle folgt aus § 251 StPO nicht, dass nur erstere verlesbar sind. Vielmehr muss das Gericht gemäß §§ 244 II, 261 StPO entscheiden, ob das eine Protokoll dem anderen vorzuziehen oder beide zu verlesen sind, etwa wenn sich erst so der Lebenssachverhalt vollständig erschließt 202. Gegen eine Verlesung nichtrichterlicher Vernehmungsprotokolle kann sprechen, dass Aussagen vor der Polizei und der Staatsanwaltschaft nicht in den Anwendungsbereich der §§ 153 ff. StGB fallen und eine Vereidigung des Zeugen nicht möglich ist. Es kann daher zweifelhaft sein, ob der Zeuge hinreichend zu einer wahrheitsgemäßen Aussage motiviert war 203 . Bei der Entscheidung über die Verlesung ist zudem zu bedenken, dass Ermittlungsbeamte der Polizei und Staatsanwaltschaft regelmäßig erfahrener 204 in der Befragung sind 205 , d.h. bei der Vernehmung taktisch geschult vorgehen und darum eher zu „stichhaltigen" Angaben des Zeugen gelangen. Allerdings leiden vor allem polizeiliche Vernehmungsprotokolle häufig darunter, dass der Protokollierende auf Grund seines von Strafverfolgungsintentionen geleiteten Vorverständnisses normorientiert fragt und Aussageakzente anders als der Vernommene setzt 206 . Bei der Lektüre derartiger Protokolle fällt darum oftmals auf, dass die geschilderten Angaben „nahtlos" unter eine Strafnorm subsumiert werden können und eindeutige belastende oder entlastende Tendenzen aufweisen. Untersuchungen haben zudem die Gefahr aufgezeigt, dass sich der Ermittlungsbeamte sehr früh im Verlauf der Vernehmung ein Bild über den Tathergang macht 207 . Passen Aussagen des Zeugen in dieses Bild, werden sie ins Protokoll übernommen. Passen sie nicht, werden sie unter Umständen modifiziert oder einfach weggelassen208. Diese Umstände müssen bei der Beweismittelauswahl berücksichtigt werden.

201

SKStPO Schlüchter, § 251, 67. BGHSt 19, 354 f.; KK Diemer, § 251, 22; Meyer-Goßner, § 251, 29. 201 HKStPO Julius, §251,2. 204 Die Polizeibehörden haben z.B. im Gegensatz zur Justiz intensive Trainingsprogramme zur Vernehmungstechnik entwickelt, Boetticher, Schäfer Sonderheft, S. 8, 14. 205 Eisenberg, NStZ 1988, 488; Geppert, DRiZ 1992, 405, 408; Peters, JR 1967, 467. 206 HKStPO Julius, § 251, 2; Rasch/Hinz, KR 1980, 377, 378. 207 Siehe zum sogenannten Pygmalion-Effekt § 13 II, 2 b). 208 Bender/Nack, Tatsachenfeststellung, Band 2, Rdnr. 911; Nack, StV 1994, 555, 563, m.w.N. 202

15 Ellbogen

226

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung b) Ergänzende schriftliche Befragung

Umstritten ist, ob zur Ausräumung von Unklarheiten, Missverständnissen oder Sachverhaltslücken der nach § 251 StPO verlesenen Aussage auf eine ergänzende schriftliche Befragung des Zeugen - die auch noch während der Hauptverhandlung veranlasst werden kann - zurückgegriffen werden darf. Während die h.M. dies für zulässig erachtet 209, hält ein Teil der Literatur 210 dies mit der Begründung für unzulässig, die schriftliche Befragung sei eigentlich kein Fall des § 251 II StPO. Es könne sich die Notwendigkeit von Nachfragen ergeben, zusätzliche Antworten müssten gegeben werden, Argumente würden ausgetauscht und Versuche unternommen werden, die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu erschüttern. Die Folge dessen sei ein dem Zivilprozess ähnliches schriftliches Verfahren, welches der Strafprozessordnung fremd sei. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass Außenstehende - z.B. Polizeibeamte - dem Zeugen bei der Formulierung der Antworten behilflich seien und somit der wahre Aussagegehalt der schriftlichen Mitteilungen des Zeugen zweifelhaft sein könne 211 . Diese Gegenargumente können jedoch nicht überzeugen. Die Gefahr, dass der Strafprozess künftig schriftlich abgewickelt wird, weil zwischen Gericht und Zeuge ein ausgedehnter Briefwechsel geführt wird, besteht nicht, denn es handelt sich lediglich um eine ergänzende schriftliche Befragung. Der Zeuge hat im Vorfeld bereits eine Aussage gemacht, die nun klargestellt werden soll, was regelmäßig mit einem Fragenkatalog erreichbar sein wird. Ob der Zeuge bei der Beantwortung der Fragen Formulierungshilfen erhalten hat, muss das Gericht jedoch in der Tat prüfen. Dies stellt aber kein Argument gegen die schriftliche Befragung dar, zumal diese Gefahr bei einem Vernehmungsprotokoll ebenfalls besteht. Eine ergänzende schriftliche Befragung des Zeugen ist zudem mit dem Wortlaut des § 251 II StPO zu vereinbaren, der ausdrücklich die Möglichkeit enthält, dass eine Urkunde verlesen wird, die eine vom Zeugen stammende schriftliche Erklärung enthält. Die Verlesung vom Gericht eingeholter schriftlicher Äußerungen des Zeugen ist daher zulässig.

209 BVerfGE 57, 250, 273 ff.; BGH, NStZ 1981, 270; KG, StV 1995, 348 f.; zustimmend KMR Paulus, § 251, 44; LR Gollwitzer, § 251, 67; Meyer-Goßner, § 251, 33; Rebmann, NStZ 1982, 315, 319; Renzikowski, JZ 1999, 605, 608; K -Η. Schmid, DRiZ 1983,474, 475. 2.0 Bruns, Neue Wege, S. 46 ff.; Engels, NJW 1983, 1530, 1532; Frenzel, NStZ 1984, 39, 41; HKStPO Julius, § 251, 16; Kotz, StV 1981, 591, 592 („nur akademische Bedeutung"); J Meyer, ZStW 95 (1983), 834, 856. 2.1 Bruns, Neue Wege, S. 46 f.

§ 11 Beweissurrogate

227

c) Schutzwirkung Aus § 168a I StPO in Verbindung mit § 68 II, III StPO folgt, dass die Anonymität des befragten Zeugen der Verlesung von Vernehmungsprotokollen nicht entgegensteht212. § 251 I I StPO bietet daher eine Möglichkeit, die Wahrnehmungen eines gefährdeten Zeugen in das Verfahren einzuführen. Der Nachteil dieses Vorgehens ist allerdings - wie noch zu zeigen sein wird 2 1 3 - die geringe Beweiskraft des so gewonnenen Beweismittels.

3. Vernehmung der Verhörsperson / Zeuge vom Hörensagen Eine weitere Möglichkeit, die Aussage eines gefährdeten Zeugen in das gerichtliche Verfahren einzuführen, stellt die Vernehmung der - richterlichen oder nichtrichterlichen - Verhörsperson dar. Der sogenannte Zeuge vom Hörensagen kann als mittelbarer Zeuge bezeichnet werden, da er eigene Wahrnehmungen über die Angaben wiedergibt, die ein Dritter, der eigentliche - unmittelbare - Zeuge, ihm gegenüber gemacht hat. Der Zeuge vom Hörensagen kann aber zudem die Eindrücke schildern, die er von der Glaubwürdigkeit des Zeugen gewonnen hat. Der Zeuge vom Hörensagen ist ein mittelbares Beweismittel, weil er über Vorgänge berichtet, die ein anderer unmittelbar beobachtet und ihm erzählt hat. Seine Aussage besteht also darin, dass er darüber berichtet, was ein Informant oder V-Mann wahrgenommen oder erlebt haben will.

a) Vereinbarkeit mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz Die Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen verstößt nicht gegen § 250 StPO und den dort normierten Unmittelbarkeitsgrundsatz 214, denn dieser regelt nur den Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis 215. Der Zeuge

212 BGH, NJW 1985, 984; Fezer, JZ 1985, 496; Herdegen, NStZ 1984, 200, 203; HKStPO Julius, § 251, 16; Pfeiffer, § 251, 10; SKStPO Schlüchter, § 251, 61b. A.A. Frenzel, NStZ 19*84, 39, 40 f., der durch die Einführung des § 68 III StPO in seiner Argumentation überholt wurde. 213 § 13 II, 2 b). 214 So aber Goldschmidt, JW 1929, 2993, 2996; v. Kries, ZStW 6 (1886), 88, 105 ff.; v. Scanzoni , JW 1925, 997; Spendel, JuS 1964, 465, 472 f. 215 RGSt 5, 142 ff.; BGHSt 6, 209, 210; 22, 268, 270 f.; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1029; Geppert, Jura 1991, 538, 541 f.; Gülzow, Die Polizei 1984, 331; Herdegen, NStZ 1984, 200, 203; HKStPO Julius, § 244, 9; KK Pfeiffer, Einl., 98; KK Senge, vor §48, 77; W. Krause, V-Leute, S. 153 ff.; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 279 ff.; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 44, Rdnr. 27; Schneidewin, JR 1951, 481, 482; Volk, Strafprozeßrecht, § 18, Rdnr. 26. Ähnlich Peters, Strafprozeß, § 39 II, der aus § 250 StPO aber 15'

228

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

vom Hörensagen stellt ebenfalls ein Personalbeweismittel dar und gehört folglich der gleichen Kategorie wie der unmittelbare Zeuge an 216 . § 250 StPO kann nicht im Sinne einer materiellen Unmittelbarkeit dahin verstanden oder ausgelegt werden, dass nicht nur die Verlesung von Protokollen, sondern erst recht auch die Vernehmung der Verhörspersonen unzulässig sei 217 . Eine solche Beschränkung ist weder dem Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 250 StPO zu entnehmen. Zutreffend ist allerdings, dass mit der Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen das sachnähere Beweismittel durch ein sachferneres ersetzt wird. Das Gericht muss grundsätzlich versuchen, den unmittelbaren Zeugen selbst zu vernehmen. Sollte es nicht alles versucht haben, den unmittelbaren Zeugen zu vernehmen, ist die Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen deshalb zwar nicht unzulässig, es kommt aber ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nach § 244 II StPO in Betracht 218 . Die Aufklärungspflicht verbietet es nämlich, allein das sachfernere Beweismittel heranzuziehen, wenn das sachnähere verfügbar ist 219 , da sich das Gericht generell bemühen muss, sich des bestmöglichen Beweismittels zu bedienen220.

b) Gewährleistung des Zeugenbefragungsrechts (Art. 6 III MRK) und des rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG)? Bedenken gegenüber dem Zeugen vom Hörensagen könnten aus Art. 6 III MRK hergeleitet werden, da es dem Angeklagten in dieser Situation verwehrt ist, an die nicht präsente Beweisperson Fragen zu stellen 221 . Die Rechtsprechung des EGMR scheint diese Bedenken zu bestärken, da der Gerichtshof in verschiedenen Urteilen zum Ausdruck gebracht hat, dass Art. 6 I, III MRK es erfordert, dem Angeklagten eine angemessene und geeignete Gelegenheit zu geben, einem gegen ihn aussagenden Zeugen Fragen zu stellen 222 . Wenn der die Folgerung ableitet, es müsse stets der tatnächste Zeuge vernommen werden, wenn dieser greifbar sei. 2.6 Kritisch aber Grünwald, Dünnebier FS, S. 347, 351 ff. 2.7 So aber Seebode/Sydow, JZ 1980, 506 ff., 515. Ähnlich Muskat, GA 1888, 284 ff. 218 BGHSt 6, 209, 210; 17, 382, 384; 32, 115, 123; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1030; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil IV, § 2, 18; W. Krause, V-Leute, S. 153; LR Gollwitzer, § 250, 26; Schneidewin, JR 1951, 481, 482. 2,9 BGHSt 32, 115, 123; Taschke, StV 1985, 269, 270. 220 BVerfG, NJW 1981, 1719, 1722; HKStPO Julius, § 244, 9. 221 So in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung der BGH, in GA 1968, 370; ebenso Grünwald, JZ 1966, 489, 494; Peters, Strafprozeß, § 39 II. Auch SKStPO Rogali , vor § 48, 89, hält die Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen bei einem anonymen unmittelbaren Zeugen für konventionswidrig. 222 Siehe z.B. EGMR (Kostovski gegen die Niederlande), StV 1990, 481 ff.

§ 11 Beweissurrogate

229

anonyme Zeuge in diesem Sinne ein Belastungszeuge wäre, läge folglich ein Konventionsverstoß nahe, da dem Angeklagten diese Befragungsmöglichkeit genommen wird. Diese Bedenken greifen im Ergebnis jedoch nicht durch. Der Belastungszeuge im Sinne des Art. 6 III MRK ist die Verhörsperson, die in der Hauptverhandlung anwesend ist und befragt werden kann 223 . Die Gegenauffassung 224 sieht in diesem Argument eine formalistische Scheinlogik, welche offensichtlich den Sinn der Bestimmung verkenne, die auch gewährleisten solle, Fragen an diejenige Person zu richten, deren Wahrnehmungen nur mittelbar durch den Zeugen vom Hörensagen in das Verfahren eingeführt werden 225 . Jedoch ist nach der authentischen englischen und französischen Fassung des Art. 6 III MRK und der Rechtslage in diesen Ländern vom Wortlaut her mit dem Begriff „Belastungszeuge" rein formal nur derjenige Zeuge gemeint, der als präsentes Beweismittel vor dem erkennenden Gericht steht und seine Aussage macht 226 . Auch die teleologische Auslegung fuhrt zu diesem Ergebnis, denn die Vorschrift dient allein der Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung. Der unmittelbare Zeuge ist in diesen Fällen für die Anklage ebensowenig erreichbar wie für die Verteidigung 227 . Die Defizite bei der Befragung des anonymen Zeugen können jedoch dadurch ausgeglichen werden, dass das Gericht oder der Angeklagte dem unmittelbaren Zeugen Fragen vorlegen lässt, um dessen Glaubwürdigkeit zu prüfen oder Unklarheiten auszuräumen 228. Darüber hinaus ist den Urteilen des EGMR nicht zu entnehmen, dass die Verwertung anonymer Zeugenaussagen, z.B. durch die Vernehmung der Verhörsperson, grundsätzlich unzulässig sei. Das ist nur der Fall, wenn die Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt werden 229 . Der Gerichtshof hat zudem betont, dass die Zulässigkeit von Beweismitteln in erster Linie durch die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts geregelt wird und es grundsätzlich 221 BVerfG, StV 1991, 449, 450; BGHSt 17, 382, 388; BGH, MDR 1991, 271; Geppert, Der Grundsatz der Unmittelbarkeit, S. 245 ff.; Hanack, JZ 1972, 236 f.; KMR Paulus, § 250, 17; Krey, Miyazawa FS, S. 595, 608; Meyer-Goßner, Art. 6 MRK, 22; Rebmann, NStZ 1982, 315, 318. I.E. ebenso KK Schoreit, § 261, 23. 224 Arndt, NJW 1963, 432, 433; Grünwald, JZ 1966, 489, 494; Meilicke, NJW 1963, 425, 428; Wattenberg/Violet, StV 1997, 620; v. Zezschwitz, NJW 1972, 796, 799 f. Zweifelnd Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1053. 225 Wattenberg/Violet, StV 1997, 620, 622. 226 Rebmann, NStZ 1982, 315, 318. 227 Rebmann, NStZ 1982, 315, 318. Ebenso Hermann, ZStW 89 (1977), 164, 199; KMR Paulus, § 250, 17. 228 BVerfG, NStZ 1991, 445, 446; BGH, NStZ 1993, 292. Vgl. auch OLG Düsseldorf, StV 1992, 560. Zustimmend Detter, NStZ 2003, 1, 6; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1054; Joachim, StV 1992, 245, 248; Meyer-Goßner, Art. 6 MRK, 22; Pfeiffer, § 96, 3. Siehe außerdem oben § 13 II, 2. 229 So auch BGH, StV 1991, 100, 101.

230

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

Sache der nationalen Gerichte ist, die von ihnen zusammengetragenen Beweise zu würdigen 230 . Die Aufgabe des Gerichtshofes besteht hingegen darin, festzustellen, ob das Gerichtsverfahren in seiner Gesamtheit einschließlich der Art der Darstellung der Beweismittel fair war 231 . Dem Grundsatz des fairen Verfahrens ist in diesen Fällen aber - wie noch zu zeigen sein wird 2 3 2 - im Rahmen der Beweiswürdigung Geltung zu verschaffen. Eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung des anonymen Zeugen ist nämlich nur eingeschränkt möglich, so dass eine Verurteilung nicht allein auf die durch einen Zeugen vom Hörensagen vermittelte Aussage eines anonymen Zeugen gestützt werden kann. Erforderlich ist vielmehr, dass andere Beweise oder Beweisanzeichen die Richtigkeit der Aussage bestätigen. In der Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen liegt auch kein Verstoß gegen Art. 103 I GG 2 3 3 , der den Anspruch auf rechtliches Gehör verfassungsrechtlich verankert, da der Angeklagte sich zu allem, was die Beweisgrundlage des Urteils bildet, insbesondere zur Anonymität des unmittelbaren Zeugen und zu der hieraus möglicherweise geminderten Beweiskraft der Aussage des Zeugen vom Hörensagen äußern kann 234 . Zudem spricht § 240 I, II StPO, der das Fragerecht u.a. des Angeklagten gegenüber Zeugen regelt, gegen einen solchen Verstoß. Denn der Wortlaut und die Systematik des § 240 StPO weisen darauf hin, dass das Fragerecht nur gegenüber dem Zeugen besteht, der in der Hauptverhandlung anwesend ist 235 .

c) Verstoß gegen § 261 StPO? Zum Teil wird behauptet, die Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen verstoße gegen § 261 StPO, weil dieser Zeuge dem Gericht nicht nur dasjenige, was ihm an Tatsachen bekannt geworden ist, mitteile, sondern zugleich sein eigenes Urteil über die Glaubwürdigkeit des unmittelbaren Zeugen 236 . Diese Gefahr besteht in der Tat, ihr wird aber dadurch begegnet, dass die Gerichte nach der Rechtsprechung des BGH dazu verpflichtet sind, trotz der Anonymität des unmittelbaren Zeugen zu versuchen, die Glaubwürdigkeit des Abwesenden 230

EGMR, StV 1992, 499, 500; EGMR, EuGRZ 1999, 660, 663. So auch BGHSt 45, 321,329. 231 EGMR, EuGRZ 1999, 660, 663. 232 § 13 II, 2. 233 So aber Arndt, NJW 1962, 25, 27; Grünwald, JZ 1966, 489, 494. 234 BGHSt 17, 382, 387; KK Diemer, § 250, 13; Rebmann, NStZ 1982, 315, 318. So ebenfalls Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1049. 235 Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1032; so auch LR Gollwitzer, § 240, 12. 236 So Geppert, Der Grundsatz der Unmittelbarkeit, S. 293; S. Schaefer, Zeugnis vom Hörensagen, S. 63 f. So auch Peters, Strafprozeß, § 39 II („Rollenvertauschung").

§ 11 Beweissurrogate

231

selbst zu beurteilen 237 . Wie oben bereits dargestellt 238, knüpft die Glaubwürdigkeitsbeurteilung heute in erster Linie nicht mehr an die allgemeine Glaubwürdigkeit des Zeugen als einer dauerhaften personalen Eigenschaft an, sondern es wird vor allem anhand der Sachaussage des Zeugen beurteilt, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben des Zeugen entsprechen 239. Das Gericht darf sich daher nicht mit einer pauschalen Glaubwürdigkeitseinschätzung des Zeugen vom Hörensagen begnügen, sondern muss vielmehr anhand der von diesem geschilderten Umstände und Form der Aussage selbst beurteilen, ob der unmittelbare Zeuge glaubwürdig ist. Darüber hinaus müssen die Bekundungen des mittelbaren Zeugen durch andere Beweise oder Beweisanzeichen bestätigt werden, da die Angaben des Zeugen vom Hörensagen selbst nur eine geminderte Beweiskraft haben 240 und die durch einen Dritten vermittelte Aussage eines - unmittelbaren - Zeugen keine von vernünftigen Zweifeln freie Überzeugung fur einen Schuldspruch zu begründen vermag. Bei der Beurteilung muss zudem berücksichtigt werden, dass die Aussage des unmittelbaren Zeugen nicht unter dem Druck der strafbewehrten Wahrheitspflicht zustande gekommen ist, der ein Zeuge vor Gericht ausgesetzt ist, der Angeklagte und sein Verteidiger die Auskunftsperson nicht befragen und ihr Vorhalte machen konnten 241 sowie die Gefahr der Entstellung und der unvollständigen Wiedergabe der Tatsachen besteht242. Außerdem können das Vorverständnis und die Erwartungshaltung des mittelbaren Zeugen zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen der wiedergegebenen Aussage fuhren 243 .

237

BGHSt 17, 382, 386; OLG Frankfurt, NJW 1968, 1000. Zustimmend Gribbohm, NJW 1981, 305, 306; Rebmann,, NStZ 1982, 315, 317. 238 Siehe § 10 II, 7 c). 239 BGHSt 45, 164, 167; Kolz, Schäfer Sonderheft, S. 35, 38. Siehe auch Müller, JZ 2000, 267 f. 240 BVerfG, NJW 1996, 448; BGHSt 17, 382, 386; 36, 159, 166; BGH, StV 1994, 637; BGH, StV 1996, 583 f.; BGH, StV 2000, 603 f.; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1034; Fezer, JZ 1985, 496, 497 f.; Geisler, NJW 1976, 1986; Gülzow, Die Polizei 1984, 331; KK Senge, vor § 48, 77; KMR Paulus, § 250, 22; LR Gollwitzer, § 250, 25 f.; Rebmann, NStZ 1982, 315, 317; K.-H Schmid, DRiZ 1983, 474, 475 f; Eb Schmidt, JZ 1962, 761, 762. 241 BGH, StV 1992, 6 f.; HKStPO Julius, § 261, 33. . 242 BGHSt 17, 382, 385; Geppert, Jura 1991, 538, 539; K.-H. Schmid, DRiZ 1983, 474, 475; SKStPO Schlüchter, § 250, 23. 243 Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1033; Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 924.

232

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung d) Charakteristik des Beweismittels

Entgegen den dargestellten Bedenken in der Literatur 244 kann somit das Wissen eines V-Mannes oder eines Informanten durch die Vernehmung der Verhörsperson als Zeugen vom Hörensagen in die Hauptverhandlung eingeführt werden 245 und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Zeuge anonym bleibt 246 . Ein Nachteil dieses Vorgehens besteht jedoch zweifellos - gerade bei anonymen Zeugen - in der geringen Beweiskraft der so erlangten Aussage. Da eine solche allein nicht ausreicht, um eine Verurteilung des Angeklagten herbeizuführen, müssen stets noch weitere Beweise oder Beweisanzeichen vorhanden sein, um der Aussage wenigstens indizielle Bedeutung beimessen zu können.

I I I . Zusammenfassung Die Erkenntnisse eines gefährdeten oder gesperrten Zeugen können durch die Verlesung von Vernehmungsprotokollen, das Abspielen von Tonband- oder Videoaufzeichnungen früherer Befragungen sowie durch die Vernehmung von Verhörspersonen als Zeugen vom Hörensagen in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Nachteilig sind aber die geringe Beweiskraft dieser Vernehmungssurrogate und die damit verbundene Gefahr einer ineffizienten Sachverhaltsermittlung. Solange es für den Zeugen und seine Familie vertretbar ist, muss daher zugunsten einer optimalen Wahrheitsfindung versucht werden, diesen selbst in der Hauptverhandlung zu vernehmen.

§ 12 Prozessuale Auswirkungen einer Sperrung Die behördliche Sperrung eines Zeugen führt dazu, dass dessen Aussage nur auf der dritten Stufe der Drei-Stufen-Theorie - also über Beweissurrogate - in das Strafverfahren eingeführt werden kann. Da dies zu Defiziten bei der Sachverhaltsaufklärung und den Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten führt, ist umstritten, ob die behördliche Sperrung stets zu einer Beweissurroga-

244 Frenzel, NStZ 1984, 39, 40 f.; Grünwald, JZ 1966, 489, 493 f.; Krainz, GA 1985, 402, 406 f.; v. Kries, ZStW 6 (1886), 88, 107; Meilicke, NJW 1963, 425, 426 ff.; Seebode/Sydow, JZ 1980, 506, 513. 245 BVerfG, NStZ 1995, 600; BGH, StV 1988, 91, 92; Geppert, Jura 1991, 538, 540 ff.; Hanack, JZ 1972, 236 f.; Meyer-Goßner, § 250, 4; Rebmann, NStZ 1982, 315 ff.; Eb. Schmidt, JZ 1962, 761 ff.; SKStPO Schlüchter, § 250, 21; Tiedemann, MDR 1963, 456, 457 f.; Willms, DRiZ 1964, 234 f.; Wömpner, NStZ 1983, 293, 298. 246 BVerfGE 57, 250, 292 ff.; Geisler, NJW 1976, 1986; Herdegen, NStZ 1984, 200, 203; Koffka, ZStW 81 (1969), 954, 963; dies., JR 1969, 306.

§ 12 Prozessuale Auswirkungen einer Sperrung

233

tion fuhrt oder ob in bestimmten Konstellationen wegen der Sperrung eine Ersetzung des Beweismittels ausscheidet. Problematisch sind insbesondere jene Fälle, in denen das Gericht eine behördliche Sperrerklärung für rechtswidrig oder missbräuchlich erteilt erachtet. Im Grundsatz gilt jedoch zunächst, dass die Gerichte durch eine Sperrerklärung der Exekutive rechtlich nicht gebunden werden 247 . Aus § 155 I StPO folgt vielmehr, dass die Gerichte innerhalb der durch die Anklage gezogenen Grenzen berechtigt und verpflichtet sind, selbstständig tätig zu werden, um den angeklagten Lebenssachverhalt aufzuklären 248. Eine Zeugenvernehmung zum Zwecke der Beweiserhebung wäre daher auch dann zulässig, wenn es sich bei dem Zeugen um einen von der zuständigen Verwaltungsbehörde zuvor gesperrten V-Mann handelt. Da die Behörde einen Zeugen aber in der Regel sperrt, um diesen vor Gefahren für ihn oder seine Familie zu bewahren, muss das Gericht in eigener Verantwortung prüfen, ob von der Vernehmung wegen Gefahr für Leib oder Leben abzusehen ist 2 4 9 oder ob die dargestellten Zeugenschutzmöglichkeiten 250 ausreichen. Die Möglichkeit der Beweismittelsurrogation ist nur eine prozessuale Folge der behördlichen Sperrung eines Zeugen. Geklärt werden muss in diesem Zusammenhang auch, wie sich die Sperrung des Zeugen auf das Beweisantragsrecht des Angeklagten auswirkt, etwa wenn dieser die Vernehmung des gesperrten Zeugen beantragt. Darüber hinaus muss untersucht werden, ob der Angeklagte das Recht hat, eine Aussetzung des Verfahrens zu verlangen, um außerhalb des laufenden Strafverfahrens gerichtlich gegen die Sperrung vorgehen zu können.

I. Willkürliche oder offensichtlich rechtsmissbräuchliche Sperrung eines Zeugen Das Gericht hat in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Verweigerung der Auskunftserteilung nach § 96 StPO analog oder die Versagung bzw. Beschränkung einer Aussagegenehmigung aus willkürlichen oder offensichtlich rechts-

247

BGHSt 39, 141, 144; BGH, NStZ 1988, 563, 564; Nack, KR 1999, 171, 172. Siehe auch oben § 7 IX. 249 BGHSt 39, 141, 145; Beulke/Satzger, JZ 1993, 1013, 1015; Lesch, JA 1995, 691, 699; Meyer-Goßner, § 96, 12; Siegismund, JR 1994, 251, 253. 250 § 10 II. 248

234

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

missbräuchlichen Gründen oder ohne jede Begründung 251 erfolgte und so zum (rechtswidrigen) Ausfall des primären Zeugen fuhrt.

1. Kriterien Zur Bestimmung der Tragfähigkeit der Begründung einer behördlichen Sperrerklärung bzw. Verweigerung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung als willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist an die Rechtsnatur dieser behördlichen Entscheidungen anzuknüpfen. Wie oben bereits dargestellt 252, handelt es sich um Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG.

a) § 44 VwVfG Die Unbeachtlickeit einer willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich begründeten Sperrerklärung könnte sich daher aus § 44 VwVfG ergeben. Nach dieser Norm ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Besonders schwerwiegend sind nur solche Rechtsfehler, die den tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen. Es genügt also nicht, dass der Verwaltungsakt geltendem Recht widerspricht, sondern es muss sich um eine qualifizierte Unvereinbarkeit mit der geltenden Rechtsordnung handeln 253 , wie dies z.B. bei Willkürmaßnahmen der Fall ist 254 . Offenkundig ist die schwere Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes, wenn diese für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist, also sich geradezu aufdrängt 255. Da es sich bei einer Sperrerklärung um einen Verwaltungsakt handelt, bilden diese Kriterien des Verwaltungsrechts den Maßstab für das Vorliegen einer Sperrung aus willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Grün-

251 BVerfGE 57, 250, 290; BGH, StV 1992, 308 (für den gleich zu behandelnden Fall der Aktenbeschlagnahme); Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1051; KK Nack, § 96, 26. 252 § 7 II, 2. 253 Obermayer Schäfer, § 44 VwVfG, 19; Stelkens/Bonk/Sachs Sachs, § 44, 101 („schlechthin unerträglich"). 254 Stelkens/Bonk/Sachs Sachs, § 44, 103. 255 Obermayer Schäfer, § 44 VwVfG, 20; Stelkens/Bonk/Sachs Sachs, § 44, 117 f.

§ 12 Prozessuale Auswirkungen einer Sperrung

235

den und die daraus folgende Nichtigkeit. Sie verdeutlichen, dass die Annahme eines solchen Mangels nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt.

b) Beispielsfälle Willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist die Begründung einer Sperrerklärung oder die Verweigerung einer Aussagegenehmigung, wenn z.B. erkennbar ein bestimmtes Ergebnis des Strafverfahrens angesteuert wird, die Aufklärung von Straftaten gerade in der betroffenen Behörde verhindert werden soll (z.B. bei Korruption), das Ansehen einer bestimmten Person um jeden Preis geschützt oder ministerielle Fehlentscheidungen vertuscht werden sollen, z.B. um Schadensersatzansprüchen vorzubeugen 256. Ein besonders schwerwiegender Fehler im Sinne des § 44 VwVfG kommt zudem in Betracht, wenn die Behörde pauschal darauf verweist, dass eine Aussagegenehmigung in diesen Fällen stets verweigert würde oder in diesem Bereich der Verbrechensbekämpfung eine Sperrerklärung immer erforderlich sei, ohne am Einzelfall darzulegen, ob der Zeuge tatsächlich gefährdet ist oder sonstige Gründe seiner Freigabe entgegenstehen, weil dann keine Einzelfallentscheidung vorliegt und die Begründung in dieser Form offensichtlich ungeeignet ist, eine Sperrung zu rechtfertigen. Um derart rechtswidrige Begründungen von Verwaltungsakten zu vermeiden, sieht das Gesetz vor, dass die oberste Dienstbehörde die Sperrerklärung bzw. Aussageverweigerung abgeben muss, da diese nicht direkt in die Sachbearbeitung eingebunden ist und darum ein höheres Maß an Objektivität erwartet werden kann. Gleichwohl sind derartige Begründungen nicht gänzlich ausgeschlossen.

2. Reaktionsmöglichkeiten

des Gerichts

a) Gegenvorstellung Gegen eine willkürliche oder offensichtlich rechtsmissbräuchliche Sperrerklärung bzw. Versagung einer Aussagegenehmigung muss das Gericht zunächst im Wege der Gegenvorstellung vorgehen 257 und so versuchen, die Behörde nach Darlegung der bestehenden Bedenken zu einer Änderung ihrer Entscheidung zu bewegen.

256

Siehe auch oben § 8 VI, 2 a). BGHSt 32, 115, 125 f.; 33, 178, 180; BGH, NStZ 1989, 282; Meyer-Goßner, § 96, 9; SKStPO Rogali , vor § 48, 86. 257

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

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b) Beschlagnahme bei einer Sperrerklärung Sollte die Gegenvorstellung erfolglos bleiben, so kann das Gericht - wie oben dargestellt 258 - die Beschlagnahme gesperrter behördlicher Akten bzw. Aktenteile anordnen. Eine Beschlagnahmeanordnung kann jedoch erfolglos bleiben, weil die entsprechenden Unterlagen bei der Durchsuchung der Behörde - zumeist der Polizei - nicht auffindbar oder unvollständig sind.

c) Beugemaßnahmen bei der Versagung einer Aussagegenehmigung? Denkbar wäre es, im Falle einer erfolglosen Durchsuchung den sachbearbeitenden Beamten zu vernehmen, um so an die erforderlichen Informationen über die Identität eines Zeugen zu gelangen. Wird die Aussagegenehmigung für den Beamten aber ebenfalls aus willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Gründen verweigert oder beschränkt, so kann das Gericht hierauf nur mit einer Gegenvorstellung, allenfalls mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde 259 reagieren. Beugemaßnahmen gegenüber dem Zeugen zur Durchsetzung der Aussagepflicht kommen nicht in Betracht, da das Gericht insoweit an die Entscheidung der Behörde gebunden ist 260 , denn es muss positiv eine Aussagegenehmigung vorliegen, um eine Aussage des Beamten erzwingen zu können. Zwar ist in diesen Fällen die versagende Verwaltungsentscheidung nichtig, die erforderliche Aussagegenehmigung für den Zeugen liegt aber gleichwohl nicht vor, so dass dieser eine Dienstpflichtverletzung begehen würde, falls er aussagt. Die unterschiedlichen Rechtsansichten zwischen Gericht und Behörde dürfen zudem nicht auf dem „Rücken" des gesperrten Zeugen ausgetragen werden.

d) Beweisverwertung Da den tatsächlichen Möglichkeiten des Gerichts in den Fällen einer willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Sperrung, den (unmittelbaren) Zeugen für die Hauptverhandlung nutzbar zu machen, Grenzen gesetzt sind, ist umstritten, ob für die Beweisaufnahme in dieser Konstellation auf Beweissurrogate zurückgegriffen werden darf oder dem ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot entgegensteht. Besteht ein solches Beweisverwertungsverbot, so wirkt dieses im gerichtlichen Verfahren als Beweiserhebungsverbot. 258

§ 8 VI, 2 c). RGSt 44, 291, 292; OLG Hamm, NJW 1970, 821; KMR Neubeck, § 54, 17; Meyer-Goßner, § 54, 27. 260 BGHSt 33, 178, 179 f.; Fezer, JuS 1987, 358, 360; Herdegen, NStZ 1984, 97, 259

100.

§ 12 Prozessuale Auswirkungen einer Sperrung

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aa) Beweisverwertungsverbot Nach einer Ansicht muss das Gericht in dieser Situation auf das evident rechtswidrige Verhalten der Behörde mit einem Beweisverwertungsverbot reagieren 261 . Zur Begründung wird angeführt, dass Zeugen bzw. Beweismittel künftig nur noch in dem unabweisbaren Umfang dem Gericht vorenthalten werden würden, wenn sich die Fälle häuften, in denen Gerichte wegen eines solchen Beweisverwertungsverbotes freisprächen 262. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde dieses Problem in einigen Entscheidungen angesprochen, die Lösung aber bewusst offen gelassen, z.T. weil es im konkreten Fall nicht entscheidungsrelevant war 263 . Zu klären ist folglich, ob ein Beweisverwertungsverbot im Falle der willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Sperrung eines Zeugen anzunehmen ist.

bb) Beweisverbotslehre In der Dogmatik der Beweisverbote hat sich die Unterscheidung zwischen selbstständigen und unselbstständigen Beweisverwertungsverboten durchgesetzt 264 . Erstere knüpfen nicht an die Verletzung eines Beweiserhebungsverbotes an, sondern sie können auch bei rechtmäßiger Beweisgewinnung zu einem Beweisverwertungsverbot fuhren. Sie werden unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet und können auf der Verletzung von Grundrechten oder wesentlichen Verfahrensgarantien beruhen 265. Ist vor der gerichtlichen Beweisaufnahme absehbar, dass ein Beweismittel einem selbstständigen Beweisverwertungsverbot unterfällt, darf es schon nicht erhoben werden. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote knüpfen an die Verletzung bestehender Beweiserhebungsverbote an. 261 Diese Möglichkeit wurde von BGHSt 29, 109, 111 f. erwogen, im konkreten Fall aber abgelehnt. Einige Instanzgerichte haben hingegen ein Beweisverwertungsverbot angenommen, so LG Bremen, StV 1981, 19 (für den Fall einer fehlenden bzw. offensichtlich unzureichenden Begründung); AG Heidelberg, StV 1982, 162 ff. (ohne ausdrücklich auf die willkürlich rechtswidrige Begründung abzustellen, die aber nach den Urteilsgründen vorlag). Dafür auch Rebmann, NStZ 1982, 315, 321; K.-H. Schmid, , DRiZ 1983, 474, 475. Von der Möglichkeit eines Beweisverwertungsverbotes im Falle vorsätzlicher Gesetzesumgehung durch die Strafverfolgungsbehörden geht auch BGHSt 24, 125, 131 f. aus. 262 Rebmann, NStZ 1982, 315, 321. 263 So in BVerfGE 57, 250, 290; BGHSt 36, 159, 163. 264 Siehe z.B. Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 457; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil IV, § 3, Rdnr. 82, 85; Küpper, JZ 1990, 416 f.; LR Gössel, Einl. Abschn. K, Rdnr. 106; Rogali, ZStW 91 (1979), 1,3. 265 Blau, Jura 1993, 513, 519 f.; Küpper, JZ 1990, 416, 419. Siehe auch Schroth, JuS 1998, 969, 978.

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4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

Die Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen oder die Verlesung von Vernehmungsprotokollen nach einer Sperrung des unmittelbaren Zeugen verstößt selbst dann nicht gegen gesetzlich geregelte Beweiserhebungsverbote, wenn die Sperrung willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist. Die Beweiserhebung selbst wäre nämlich rechtmäßig, da es nach der Strafprozessordnung unerheblich ist, warum ein Beweismittel dem Gericht zur Verfügung gestellt wird. Bei einer willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Sperrung kommt folglich nur ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot in Betracht. Die Voraussetzungen, unter denen - selbstständige wie unselbstständige Beweisverwertungsverbote hergeleitet werden können, sind jedoch umstritten. Ausdrückliche Beweisverwertungsverbote sind im Gesetz nur vereinzelt zu finden, so in den §§ 100b V, 136a I I 2, 252 StPO, §§ 51 BZRG, 393 II AO. Derartige Verbote schränken den wesentlichen Grundsatz des Strafverfahrens ein, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel, die von Bedeutung sind, zu erstrecken hat 266 . Es gibt allerdings keine Wahrheitserforschung um jeden Preis 267 . Streit besteht jedoch über die Voraussetzungen eines gesetzlich nicht geregelten Beweisverwertungsverbots. Die Rechtskreistheorie stellt bei der Bestimmung eines Beweisverwertungsverbotes darauf ab, ob die Verletzung eines Beweiserhebungsverbotes den Rechtskreis des Angeklagten wesentlich berührt oder sie für ihn nur von untergeordneter oder gar keiner Bedeutung ist. Für die Bestimmung des Rechtskreises sei der Schutzzweck der entsprechenden Verfahrensvorschrift maßgeblich 2 6 8 . Diese Auffassung ist jedoch schon im Ansatz problematisch, da zum einen keine trennscharfen Kriterien zur Abgrenzung von wesentlichen und unwesentlichen Verletzungen des Rechtskreises des Angeklagten existieren und zum anderen der Angeklagte grundsätzlich einen Anspruch auf ein justizförmiges Verfahren 1IY269 und darum die Aufteilung nach Rechtskreisen, die den Angeklagten berühren oder nicht berühren, nicht sinnvoll ist 270 . Gegen die Rechtskreistheorie wird auch § 337 StPO angeführt, der das Recht der Verfahrensbeteiligten regele, wegen aller Gesetzesverstöße - soweit sie durch diese 266

BGHSt 27, 355, 357. In diesem Sinne auch HKStPO Julius, § 261, 4. BGHSt 14, 358, 365; Blau, Jura 1993, 513, 515; LR Gössel, Einl. Abschn. K, Rdnr. 10. 268 BGHSt 11, 213, 215; KG, StV 1995, 348, 349. Zustimmend Bauer, NJW 1994, 2530 f.; ders., wistra 1996, 46 ff. sowie Ranft, Strafprozeßrecht, Rdnr. 517. 269 So auch Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 365; Geppert, Jura 1988, 305, 313; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24, Rdnr. 20. 270 Ablehnend daher: Haffke, GA 1973, 65, 78; Häuf NStZ 1993, 457 ff.; ders., wistra 1995, 53 ff.; Rogali, ZStW 91 (1979), 1, 26; Eb. Schmidt, JZ 1958, 596 ff.; Volk, Strafprozeßrecht, § 28, 9. Differenzierend Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 365. 267

§ 12 Prozessuale Auswirkungen einer Sperrung

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beschwert werden - Revision einzulegen, also keine Beschränkung auf Verletzungen des Rechtskreises des jeweiligen Beteiligten enthalte. Dieses Ergebnis bestätige auch § 339 StPO: Wäre die Staatsanwaltschaft nur befugt, Gesetzesverstöße zu monieren, die ihren (eigenen) Rechtskreis schützen, bedürfte es dieser Vorschrift nicht 271 . Einige Autoren nehmen hingegen ein Verwertungsverbot bei einer Verletzung des Schutzzwecks einer Verfahrensvorschrift an 272 . Es müsse jeweils festgestellt werden, ob der Schutzzweck der (verletzten) Norm ein Beweisverwertungsverbot notwendig macht. Diese Theorie versagt allerdings bei selbstständigen Verwertungsverboten, da diese kein verfahrenswidriges Verhalten staatlicher Organe voraussetzen 273. Andere stellen auf die Verletzung von Informationsbeherrschungsrechten ab 274 . Darunter werden Rechte - z.B. die Aussageverweigerungsrechte, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, berufliche und staatliche Geheimhaltungsbefugnisse - verstanden, die es ihrem Inhaber erlauben, bestimmte Informationen zurückzuhalten und dadurch zu verhindern, dass sie von anderen gespeichert, weitergegeben oder verwertet werden. Auf die Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung kommt es bei der Informationsgewinnung nicht an, sondern nur darauf, ob die Informationsverwertung Rechte des Betroffenen verletzt. Zum Teil wird zur Herleitung eines Beweisverwertungsverbotes auf den aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammenden Gedanken der Disziplinierung der Strafverfolgungsorgane zurückgegriffen 275. Danach sollen die Strafverfolgungsbehörden mittels der Verwertungsverbote zur strikten Beachtung der prozessualen Vorschriften veranlasst werden. Die h.M. nimmt zur Herleitung eines Beweisverwertungsverbotes im jeweiligen Einzelfall eine Abwägung der geschützten Interessen des Beschuldigten und des Strafverfolgungsinteresses des Staates vor, sogenannte Abwägungslehre. Diese Auffassung basiert auf der bereits dargestellten 276 Sphärentheorie zur Bestimmung der Zulässigkeit von Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Wie dort darf die Beweisverwertung nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts eingreifen. Soweit ein Eingriff grund271

So auch Rudolphi, MDR 1970, 93, 96. Beulke, Strafprozessrecht, Rdnr. 458; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 370 (bei unselbstständigen Verwertungsverboten); Flöhr, Jura 1995, 131, 133; KMR Paulus, § 244, 516 f.; Rudolphi, MDR 1970, 93, 97 ff. 273 So auch Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 366; Küpper, JZ 1990, 416, 417. 274 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 28; ders., Roxin FS, S. 1259 ff. Zustimmend: Hamm, StraFo 1998, 361, 363; Kiehl, NJW 1993, 3314; Müssig, GA 1999, 119, 133. 275 Achenbach, ZStW 87 (1975), 74, 88; vgl. auch Nüse, JR 1966, 281, 284 f. 276 § 5 I, 4 c - f. 272

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4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

sätzlich möglich ist, müssen bei der Abwägung die Schwere des Tatvorwurfs und des Verfahrensverstoßes, die Bedeutung des Beweismittels sowie der Schutzzweck des Beweiserhebungsverbotes berücksichtigt werden 277 .

cc) Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens Die dargestellten unterschiedlichen Theorien zur Bestimmung eines Beweisverwertungsverbotes können im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen fuhren. In zwei Konstellationen behördlichen Verhaltens liegt jedoch nach allen Ansätzen ein Beweisverwertungsverbot vor, und zwar zum einem, wenn die Behörde Verfahrensvorschriften bewusst missachtet278 und zum anderen, wenn sie einen Zeugen willkürlich, offensichtlich rechtsmissbräuchlich oder unbegründet sperrt. In beiden Fällen erfordert der Grundsatz des fairen Verfahrens die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes. Diese Folge ist z.B. für die Vertreter der Abwägungslehre konsequent, weil bei einem derart schweren Verstoß gegen Verfahrensvorschriften keine Kompensation mit dem Strafverfolgungsinteresse des Staates möglich ist. Obwohl den Beweisverwertungsverboten zwar grundsätzlich keine Disziplinierungsfunktion 279 zukommt, muss in solchen Fällen den Strafverfolgungsbehörden der Anreiz genommen werden, auf rechtswidrigem Wege Beweismittel zu erheben. Die Heranziehung des sachferneren statt des sachnäheren Beweismittels verletzt den Grundsatz des fairen Verfahrens 280, weil weder dem Gericht noch dem Angeklagten seitens 277

BGHSt 24, 125, 130; 27, 355, 357; BGH, NJW 2001, 528, 529; OLG Frankfurt, NJW 1997, 2963, 2964; Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 458 (dieser wendet die Abwägungslehre jedoch nur bei selbstständigen Beweisverboten an); Blau, NJW 1973, 2234, 2239; Hellmann,, Strafprozeßrecht, Teil IV, § 3, 84; Schellhammen NJW 1972, 319, 320; modifizierend SKStPO Wolter, vor § 151, Rdnr. 197 (er vertritt eine Kombination von Abwägungs- und Schutzzwecklehre).1 Rogali, NStZ 1988, 385, 391 ff.; ders., ZStW 91 (1979), 1, 10, 31; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24, 21; Sehr oeder, Strafprozeßrecht, Rdnr. 125; stellen zusätzlich - in bestimmten Konstellationen - auf einen hypothetischen Ermittlungsverlauf ab, „hypothetic clean path". Auf die Unschärfe der Abwägungskriterien weisen generell hin: Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 367; Rogali, ZStW 91 (1979), S. 1, 35; Volk, Strafprozeßrecht, § 28, 12. Kritisch aber Lesch, Strafprozeßrecht, 3. Kapitel, Rdnr. 160 f. 278 BGHSt 24, 125, 131; KG, StraFo 1997, 108, 111 f.; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 363; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil IV, § 3, 84; Meurer, JR 1990, 389, 392; Rogali, JZ 1996, 944, 945; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24, 22; T. Schneider, NJW 1974, 1914, 1915; SKStPO Wolter, vor § 151, 203. 279 So aber Achenbach, ZStW 87 (1975), 74, 88. Gegen den Disziplinierungsgedanken z.B. Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 28; Otto, GA 1970, 289, 301; Ranft, Strafprozeßrecht, Rdnr. 1617; Rogali, JZ 1996, 944, 947; ders., ZStW 91 (1979), 1, 15. 280 So BVerfGE 57, 250, 290; BGHSt 29, 109, 112; 31, 148, 154 ff.; 33, 83, 92; 36, 159, 162 f.; BGH, StV 1983, 49, 50; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1046; Frenzel, NStZ 1984, 39, 40; Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 918; Reichert-Hammer/ Renzi-

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der Behörde Gründe geltend gemacht und im Rahmen des Möglichen belegt werden, welche die Prüfung ermöglichen, ob die Ersetzung des unmittelbaren Beweismittels unumgänglich ist 281 . Zwar kann bei einer Sperrung der verminderten Beweisqualität der Beweissurrogate grundsätzlich durch eine „vorsichtige" Beweiswürdigung Rechnung getragen werden 282 , bei solch schweren Rechtsverstößen einer Behörde darf der Angeklagte aber nicht auf diese verfahrensrechtliche Sicherung verwiesen werden, sondern er muss davor durch die Annahme eines BeweisverwertungsVerbotes geschützt werden 283 .

II. Fehlerhafte Sperrung eines Zeugen Hält das Gericht die Sperrung eines Zeugen - durch eine Sperrerklärung oder die Verweigerung bzw. Beschränkung einer Aussagegenehmigung - zwar für fehlerhaft, aber nicht für willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich, so muss das Gericht auch hier zunächst im Wege der Gegenvorstellung versuchen, eine Abänderung der Verwaltungsentscheidung herbeizuführen. Rechtswidrig ist die Sperrung z.B., wenn die Behörde sie allein auf eine Vertraulichkeitszusage gegenüber dem Zeugen stützt 284 , also keine Gefahr für dessen Leib oder Leben besteht. Bleiben die Bemühungen des Gerichts, gegen eine fehlerhafte Begründung vorzugehen, erfolglos, so darf nach der früheren Rechtsprechung und einem Teil der Literatur 285 auch in dieser Fallgruppe - wie bei einer willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Sperrung 286 - nicht auf Beweissurrogate zurückgegriffen werden. Der Grundsatz des fairen Verfahrens verbiete es, die gegenüber einer unmittelbaren Vernehmung eines Zeugen schlechteren Beweismittel, wie Vernehmung der Verhörsperson oder Protokollverlesung, heranzuziehen, wenn die behördliche Sperrung des Zeugen nicht gerechtfertigt war 287 . Der Zeuge sei nämlich nicht unerreichbar im Rechtssinne und eine Erkowski, JA 1990, 153, 158; Roxin, Strafverfahrensrecht, §43, 18; Schröder, Strafprozeßrecht, Rdnr. 55; Seelmann, StV 1984, 477, 478; SKStPO Rogali , vor § 48, 91; Volk,, Strafprozeßrecht, § 27, 37. 281 BVerfGE 57, 250, 290; BGHSt 29, 109, 112. 282 Siehe § 13 II, 2 c, ee). 281 BVerfGE 57, 250, 290. 284 § 8 IV, 2. 285 BGHSt 31, 148, 154; 33, 83, 92; LG Aachen, StV 1988, 476 ff.; LG Frankfurt/M., StV 1994, 475 f.; Arloth, Geheimhaltung, S. 177; Fremei, NStZ 1984, 39, 40; Geppert, Jura 1992, 244, 252; Günther, NStZ 1984, 33, 36; Joachim, StV 1992, 245; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 43, Rdnr. 18; LR G. Schäfer, § 96, 53; Taschke, Die behördliche Zurückhaltung, S. 307 f. 286 § 12 I, 2d, cc). 287 BGHSt 31, 148, 154; LG Aachen, StV 1988, 476, 478. 16 Ellbogen

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Setzung des Beweismittels komme deshalb nicht in Frage. Das Gericht verletze zudem seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 II StPO, wenn es nicht versucht, die Identität des Zeugen festzustellen und ihn in der Hauptverhandlung zu vernehmen 288 . Dies sei durch die Beschlagnahme von Behördenakten rechtlich und tatsächlich möglich. Mit der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur ist das Verbot einer Beweissurrogation im Falle der fehlerhaften Sperrung eines Zeugen jedoch abzulehnen 289 . Den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt die Beweissurrogation in diesen Fällen jedenfalls nicht. Wie oben bereits ausgeführt, liegt ein Verstoß gegen diesen Grundsatz erst vor, wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind oder das Willkürverbot missachtet wurde 290 . Bei der bloß fehlerhaft begründeten Sperrung eines Zeugen ist dies jedoch nicht der Fall. In Anbetracht der Verpflichtung des Gerichts, der minderen Beweisqualität der nach der Sperrung verbleibenden Beweismittel bzw. Surrogate durch eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung Rechnung zu tragen, kann die behördliche Zurückhaltung eines Beweismittels rechtsstaatlich hingenommen werden 291 . Der Grundsatz des faires Verfahrens wird in diesen Fällen somit gewahrt, wenn die Beweissurrogate besonders kritisch auf ihre Überzeugungskraft hin überprüft werden. Auch die Anwendung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes kann naheliegen 292 . Gegen den Verzicht auf Beweissurrogate wegen einer fehlerhaften Begründung der Sperrung eines Zeugen spricht zudem, dass dies einer Sanktionierung des nicht rechtmäßigen Verwaltungshandeln gleich käme 293 . Zweck des Strafverfahrens ist jedoch die Aufklärung und Aburteilung des angeklagten Lebenssachverhaltes. Die Amtsaufklärungspflicht nach § 244 II StPO gebietet es dem Gericht in diesen Fällen daher, die zur Verfügung stehenden Beweise zu erheben. Die Aufklärungspflicht tritt nur im Falle einer willkürlichen, offensichtlich rechtsmissbräuchlichen oder fehlenden Begründung der Sperrung zurück, weil bei solchen besonders schwerwiegenden Rechtsverletzungen durch eine Behörden kein faires Verfahren gewährleistet ist. Bei einer „nur" rechtswidrigen Sperrerklärung geht der Strafverfolgungsanspruch des Staates dagegen vor.

288

Taschke, Die behördliche Zurückhaltung, S. 307 f. BGHSt 36, 159, 163 ff.; HKStPO Julius, § 244, 9; KK Nack, § 96, 30; Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 923; LR Gollwitzer, § 244, 271; Pfeiffer, § 244, 34; SKStPO Rogali, vor § 48, 91; SKStPO Schlüchter, § 251, 63b. 290 Siehe § 4 II. 291 BVerfGE 57, 250, 290. 292 BVerfG, StV 1991, 449; BGHSt 29, 109, 111 f. Siehe auch unten § 13 II, 2 c, ee). 293 So auch SKStPO Rogali , vor § 48, 91. 289

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243

Die Gegenauffassung verkennt im Übrigen, dass die Beschlagnahme der gesperrten Behördenakten im Falle einer (nur) rechtswidrigen Begründung nicht möglich ist 294 , das Gericht also weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit hat, die Identität des Zeugen zu ermitteln und diesen in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Der unmittelbare Zeuge wird durch die Behördenentscheidung folglich zu einem unerreichbaren Beweismittel 295 , und seine Aussagen können durch Beweissurrogate in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

III. Sperrung des Zeugen aus rechtmäßigen Gründen Eine Auffassung hält die Beweissurrogation nach einer behördlichen Sperrung des unmittelbaren Zeugen sogar dann für unzulässig, wenn die Sperrung rechtmäßig erfolgte 296 . Der Staat habe zwar die Aufgabe, Zeugen bei einer Gefährdung an Leib oder Leben zu schützen. Er sei aber auch verpflichtet, dem Angeklagten ein rechtsstaatliches und faires Verfahren zu gewährleisten. Es sei daher widersprüchlich, wenn der Staat gefährdete Zeugen nicht im erforderlichen Umfang schützen könne oder wolle, gleichzeitig aber Beweissurrogate zulasse, die zu Lasten des Angeklagten gingen und dessen Verteidigungsmöglichkeiten einschränkten 297. Gegen den Angeklagten dürfte nichts verwendet werden, wozu dieser in der Hauptverhandlung nicht Stellung nehmen konnte 298 , wie dies bei einem anonymen Zeugen der Fall sei. Der Ausschluss von Beweissurrogaten gelte nur dann nicht, wenn feststehe, dass der Angeklagte die Gefährdung des Zeugen herbeigeführt habe 299 . Diese Auffassung ist abzulehnen300. Der Gegenansicht ist allerdings zuzugeben, dass der Staat - finanziell und personell - nicht in der Lage ist, die Gefährdung aller Zeugen abzuwenden. Die Sperrung eines Zeugen stellt daher

294

Siehe bereits oben § 8 VI, 3. Siehe § 12 IV. 296 Bruns, Neue Wege, S. 65 f.; ders., NStZ 1983, 49, 53 f.; Engels, NJW 1983, 1530, 1532; Fezer, Kleinknecht FS, S. 113, 129; Grünwald, StV 1984, 56,58; Koffka, JR 1969, 306; Lüderssen, Jura 1985, 113, 126; Seelmann, StV 1984, 477, 482. Ebenso, wenn es um die Verwertung von Aussagen anonyme Zeugen geht, Frenzel, NStZ 1984, 39, 40; Krainz, GA 1985, 402, 416. Mit Bedenken gegen eine Verwertbarkeit auch Geppert, Jura 1992, 244, 252 f. 297 Grünwald, StV 1984, 56, 58; Plähn, StV 1981, 216, 217; Taschke, StV 1985, 269, 271. In diesem Sinne auch Arndt, NJW 1963, 432, 433; Bruns, Neue Wege, S. 65 f. 298 Woesner, NJW 1961, 533, 536. 299 Seelmann, StV 1984, 477, 482; Taschke, StV 1985, 269, 271. Siehe auch Hoffmann, Der unerreichbare Zeuge, S. 199. 300 Ablehnend z.B. BGHSt 33, 83, 88 ff.; 36, 159 ff. (für den Fall einer sogar rechtswidrigen Sperrung); Herdegen, NStZ 1984, 200, 202. 295

16*

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bei bestimmten Gefährdungsstufen zumeist die einzige Möglichkeit dar, dessen Sicherheit zu gewährleisten. Die infolge der Sperrung notwendig werdende Beweissurrogation geht aber nicht notwendig und in jedem Fall zu Lasten des Angeklagten. Wie noch darzustellen sein wird 3 0 1 , berücksichtigt die Rechtsprechung die geminderte Beweiskraft der in die Hauptverhandlung eingeführten Surrogate überwiegend zu Gunsten des Angeklagten und stellt so einen vertretbaren Ausgleich zwischen den Einschränkungen der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten und den Notwendigkeiten einer geordneten Strafrechtspflege her. Da der Angeklagte sich zu den Beweissurrogaten äußern kann, trifft die Behauptung, er könnte zu Beweismaterial, das seiner Verurteilung zugrunde gelegt wird, nicht hinreichend Stellung nehmen, nicht zu. Das Argument des widersprüchlichen Verhaltens des Staates vermag ebenfalls nicht zu überzeugen, da die Vorstellung vom Staat als einer Einheit ohne internes Konfliktpotential, hier also zwischen der Ermittlungsbehörde, die den Zeugen schützen will, und dem Gericht, das zugunsten des Angeklagten eine bestmögliche Beweisaufnahme anstrebt, Bestandteil der Verfassungslehre der konstitutionellen Monarchie des vorigen Jahrhunderts ist 302 und mit dem heutigen Staatsverständnis des Grundgesetzes nicht im Einklang steht. Der Konflikt zwischen Behörde und Gericht muss im Rahmen der Beweiswürdigung gelöst werden, darf aber nicht der Grund sein, durch ein Verwertungsverbot das Strafverfahren lahmzulegen. Darüber hinaus ist die Einschränkung der Gegenauffassung, der Ausschluss der Beweissurrogation gelte nicht, wenn feststehe, der Angeklagte habe die Gefährdung des Zeugen herbeigeführt, ungeeignet, eine Manipulation des Strafverfahrens durch den Angeklagten zu verhindern. Ob die Gefährdung des Zeugen vom Angeklagten oder dessen Umfeld ausgeht, ist in der Regel schwer feststellbar, so dass davon ausgegangen werden müsste, die Gefährdung ginge nicht von diesem aus. Die wirksame Strafverfolgung in Verfahren, in denen Zeugen wegen nicht abwendbarer Gefahren nicht auszusagen brauchen, wäre daher praktisch weitgehend in Frage gestellt und zwar unabhängig davon, ob in einem Verfahren verdeckt ermittelt wurde oder nicht.

IV. Ablehnung von Beweisanträgen nach § 244 I I I StPO Die oben dargestellten Möglichkeiten der Beweismittelsurrogation greifen u.a. dann ein, wenn der unmittelbare Zeuge für das gerichtliche Verfahren nicht zur Verfugung steht, er - aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen - unerreichbar ist. § 244 III StPO gibt dem Gericht die Möglichkeit einen Beweisan301 102

Siehe § 13. Hohmann, wistra2001, 196, 197.

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trag, z.B. auf Vernehmung eines bestimmten Zeugen, abzulehnen, wenn das benannte Beweismittel unerreichbar ist. Die - nicht willkürliche oder offensichtlich rechtsmissbräuchliche - behördliche Sperrung eines Zeugen macht diesen aus Rechtsgründen unerreichbar 303, so dass Beweisanträge des Angeklagten auf Vernehmung eines gesperrten V-Mannes nach § 244 III StPO abgelehnt werden dürfen. Jene Vertreter in der Literatur, die in dieser Konstellation eine Unerreichbarkeit des Zeugen ablehnen304, nehmen folgerichtig auch ein Verbot der Beweissurrogation nach einer (rechtswidrigen) Sperrung eines Zeugen durch die Behörde an. Diese Auffassung wurde oben bereits widerlegt 305 . Auf die Argumente, die auch hier gelten, kann daher verwiesen werden. Nach zutreffender h.M. darf das Gericht von der Unerreichbarkeit des Zeugen aber erst ausgehen, wenn eine hinreichend substantiierte Erklärung der obersten Dienstbehörde vorliegt 306 , da allein diese eine rechtlich verbindliche Entscheidung herbeifuhren kann. Daher reicht der bloße Umstand, dass einem Zeugen von der Staatsanwaltschaft Vertraulichkeit zugesichert wurde, noch nicht aus, um von einem unerreichbaren Beweismittel auszugehen307, es muss aufgrund dieser Zusicherung ein Verwaltungsakt von der obersten Dienstbehörde erlassen worden sein. Eine willkürliche oder offensichtlich rechtsmissbräuchliche Behördenentscheidung begründet ebenfalls keine rechtliche Unerreichbarkeit des Zeugen 308 , da ein derartiger Verwaltungsakt gemäß § 44 VwVfG nichtig ist 309 . Der Zeuge kann dann zwar aus faktischen Gründen unerreichbar sein, weil es dem Gericht nicht möglich ist, eine ladungsfahige Adresse zu ermitteln, aber eine Beweissurrogation kommt wegen eines sonst gegebenen Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht in Betracht 310 . Vor Ablehnung eines Beweisantrages wegen Unerreichbarkeit im Sinne des § 244 III StPO muss das Gericht - auch ohne besonderen Antrag - prüfen, ob

303 BGHSt 30, 34, 37; 32, 115, 126; BGH, MDR/H 1980, 987; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1041; HKStPO Julius, § 244, 30; KK Herdegen,, § 244, 84; KK Senge, vor § 48, 66; LR Gollwitzer, § 244, 271; Meyer-Goßner, § 244, 66; Pfeiffer, § 244, 34; Roxin, Strafprozeßrecht, § 43, Rdnr. 18; Schmidt-Hieber, JuS 1985, 458, 459; Volk,, Strafprozeßrecht, § 27, 35. 304 So Bruns, Neue Wege, S. 42; Seelmann, StV 1984, 477, 478. 305 Siehe § 12 II, III. 306 BGH, NStZ 2001, 333; HKStPO Julius, § 244, 30. Siehe auch § 8 V. 307 BGHSt 35, 82, 84 ff.; KK Diemer, § 251, 27; KK Herdegen, § 244, 84; SKStPO Schlüchter, § 244, 115. 308 BGHSt 36, 159, 163; LR Gollwitzer, § 244, 271 309 § 121 1. 3,0 § 12 I 2 d, cc).

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eine Videovernehmung nach § 247a StPO in Betracht kommt 311 . Ist von der Videovernehmung - im Gegensatz zur Protokollverlesung oder Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen - eine weitergehende oder bessere Sachaufklärung zu erwarten, so darf das Gericht nicht nach § 244 III StPO verfahren, sondern muss eine Videovernehmung durchführen 312. Allerdings ist bei einer Vernehmung nach § 247a StPO der Zeuge nicht körperlich anwesend und das Gericht kann sich nur unter Einschränkungen einen eigenen Eindruck von der Auskunftsperson und ihrem nonverbalen Aussage verhalten machen 313 . Verspricht sich das Gericht deshalb keine bessere Sachverhaltsaufklärung, so darf es, trotz der Möglichkeit einer Videovernehmung, den Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen nach § 244 III StPO ablehnen. Der Zeuge ist trotz Sperrerklärung im Sinne des § 244 III StPO erreichbar, wenn das Gericht oder der Angeklagte die Identität des Zeugen selbst ermittelt hat und der Angeklagte beantragt, Beweis durch dessen Vernehmung zu erheben 314 . Die behördliche Sperrung des Zeugen ist für das Gericht nicht bindend und im Übrigen auch bedeutungslos geworden. In diesen Fällen kann aber gleichwohl aus anderen Gründen eine Vernehmung des Zeugen ausscheiden, z.B. weil dieser bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung an Leben, Gesundheit oder Freiheit gefährdet wäre 315 .

V. Aussetzung des Strafverfahrens? Der Angeklagte und sein Verteidiger haben regelmäßig ein großes Interesse daran, gerichtlich gegen die Sperrung vorzugehen, um den Zeugen selbst in der Hauptverhandlung vernehmen zu lassen. Dies kann auch bei einem Belastungszeugen sinnvoll sein, z.B. um dessen Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage durch Fragen zu erschüttern. Darüber hinaus kann es sein, dass der gesperrte Zeuge den Angeklagten auch - zumindest teilweise - entlasten kann, die Behörde aber dennoch - aus Sicht der Verteidigung zu Unrecht - von einer Gefährdung des Zeugen ausgeht. Ein Strafverfahren darf gemäß § 229 I StPO nur für höchstens zehn Tage unterbrochen werden, bei einer längeren Unterbrechung muss das Verfahren neu begonnen werden. Daher wird eine rechtskräftige Entscheidung über die

3.1

BGH, StV 1999, 580; Diemer, NStZ 2001, 393, 395; Schlothauer, StV 2000, 180, 181; Sinn, JZ 2001,51 f. 3.2 BGHSt 46, 73; Rose, JR 2001, 345 ff. 313 BGH, JR 2000, 74, 77; Rose, JR 2001, 345, 347. Vgl. auch oben § 10 II, 6. 314 BGH, StV 1993, 113; BGHR StPO, § 96 Informant 6; KG, StV 1995, 348, 349; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1039; SKStPO Schlüchter, § 244, 115. 3,5 Siehe oben § 101, 1.

§ 12 Prozessuale Auswirkungen einer Sperrung

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Anfechtung der Sperrerklärung bzw. Verweigerung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung regelmäßig nicht während des laufenden Strafverfahrens ergehen, da das Anfechtungsverfahren häufig längere Zeit in Anspruch nimmt. Es ist daher umstritten, ob das erkennende Gericht die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Sperrung abwarten muss und der Angeklagte einen Anspruch auf Aussetzung des Verfahrens hat. Nach einer Ansicht besteht für das Gericht keine generelle Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen eine Sperrerklärung vorgehen will 3 1 6 . Das Gericht habe vielmehr (nur) nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Aufklärungspflicht und des Beschleunigungsgebotes zu entscheiden. Bei der Entscheidung müsse es berücksichtigen, ob ein rechtskräftiges Urteil über die Anfechtung der Sperrerklärung in absehbarer Zeit ergehen würde und ob diese Aussicht auf Erfolg habe 317 . Nach der Gegenauffassung hat der Angeklagte einen Anspruch auf Aussetzung des Verfahrens 318. Als Argument hierfür wird zum einen § 262 II StPO bemüht: Wenn das Gericht das Verfahren aussetzen darf, um das Urteil eines Zivilgerichts abzuwarten, an dessen Entscheidung es aber nach § 262 I StPO nicht gebunden ist, so müsse es erst recht das Verfahren aussetzen, wenn es um die Freigabe eines Zeugen gehe, zumal diese Entscheidung für das strafrechtliche Verfahren Wirksamkeit entfalte 319 . Zum anderen gebiete Art. 19 IV GG, das Verfahren über die Freigabe des gesperrten Zeugen abzuwarten, da nur so ein umfassender und effektiver Rechtsschutz gewährleistet sei. Wenn das strafgerichtliche Verfahren nicht ausgesetzt und die Sperrung des Zeugen erst nach Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils aufgehoben würde, wäre der Angeklagte auf die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 359 Nr. 5 StPO beschränkt, um seine Rechte zu wahren. Die Nichtaussetzung des Verfahrens, vor allem bei der erfolgversprechenden Anfechtung einer Sperrerklärung würde zudem die Verteidigung des Angeklagten im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO unzulässig beschränken. Eine Pflicht des Gerichts, das Verfahren auszusetzen, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen die behördliche Sperrung eines Zeugen vorgeht, läge jedoch nur vor, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen wäre. Eine solche Ermessensreduzierung folgt allerdings nicht aus der Aufklärungspflicht des Gerichts nach § 244 II StPO. Zwar handelt es sich bei dem Aufklärungs-

1.6 Arloth, Geheimhaltung, S. 85; KK Nack, § 96, 36; Meyer-Goßner, § 54, 29; Pfeiffer,, § 96, 4; Woesner, NJW 1961, 533, 536. 1.7 BGH, NStZ 1985, 466, 467. 3.8 M. Schmid, JR 1978, 8, 9 f. 319 M. Schmid, JR 1978, 8, 9 f.

248

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

grundsatz um ein das Strafverfahren beherrschendes Prinzip 320 , welches das Gericht verpflichtet, jedes Beweismittel zu benutzen, das nach der konkreten Sachlage zu einer Änderung des bisherigen Beweisergebnisses fuhren kann, weil die gedanklich abstrakte Aussicht auf Änderung des Beweisergebnisses besteht321. Eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich daraus aber nicht. Bei seiner Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens muss das Gericht nämlich berücksichtigen, welche Erfolgsaussichten die Anfechtung der Sperrung eines Zeugen hat 322 . Wenn die Sperrerklärung nach Auffassung des Gerichts einleuchtend und überzeugend begründet ist, und die Anfechtung daher keine Aussicht auf Erfolg hat, besteht keine Notwendigkeit, das Anfechtungsverfahren abzuwarten und das Strafverfahren unnötig zu verzögern 323, zumal eine Aussetzung nicht ohne triftigen Grund angeordnet werden darf 324 . Wenn hingegen die Sperrerklärung derart fehlerhaft begründet ist, dass eine Aufhebung dieser Erklärung und die Freigabe des Zeugen wahrscheinlich sind, so muss das Gericht das Verfahren aussetzen, um ein möglicherweise entscheidendes Beweismittel in der Hauptverhandlung heranziehen zu können 325 . Aus Art. 19 IV GG und der dort garantierten Effektivität des Rechtsschutzes folgt ebenfalls keine generelle Pflicht zur Aussetzung des Strafverfahrens 326. Zum einen ergeht die Anfechtung der behördlichen Sperrerklärung nicht innerhalb des Strafprozesses, zumal bei der Anfechtung auch die Interessen der Behörde an der Geheimhaltung berücksichtigt werden müssen. Der Rechtsschutz des Angeklagten im Strafprozess wird daher nicht verkürzt. Zum anderen findet die Anfechtbarkeit der Sperrerklärung im Strafverfahren Beachtung, und zwar durch eine Aussetzung, falls das Gericht die Anfechtung für erfolgversprechend hält, durch ein Verwertungsverbot im Falle der willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Sperrung 327 oder im Rahmen der Beweiswürdigung, indem die Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Zeugen zu berücksichtigen sind. Durch eine Nichtaussetzung des Strafverfahrens wird der Angeklagte folglich nur beschwert, wenn die Sperrerklärung im 320 BVerfGE 57, 250, 275; BVerfG, MDR 1984, 284; BVerfG, NStZ 1987, 419; Meyer-Goßner, § 244, 11. 321 Fezer, JuS 1987, 358, 361. Vgl. auch Herdegen, NStZ 1998, 444, 445; HKStPO Julius, § 244, 8; LR Gollwitzer, § 244, 45 ff. LR Gollwitzer, § 244, 38 spricht sogar von einem übergeordneten Verfahrensgrundsatz. 322 BGH, NStZ 1985, 466, 467 f. Vgl. auch KMR Neubeck, § 54, 17; SKStPO Schlüchter, § 228, 9. 323 Vgl. SKStPO Schlüchter, § 228, 9. 324 OLG Frankfurt, MDR 1983, 253; Kleinknecht, JR 1966, 231; Meyer-Goßner, § 228, 4. 325 SKStPO Rudolphi, § 96, 16. Vgl. Fezer, Kleinknecht FS, S. 113, 121. 326 Arloth, Geheimhaltung, S. 86. 327 Siehe § 12 I, 2 d, cc).

§ 13 Beweiswürdigung

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außergerichtlichen Verfahren - entgegen der Prognose des Strafgerichts - aufgehoben und die Behörde zur Freigabe des Zeugen verpflichtet wird. In diesen - seltenen - Fällen ist der Angeklagte aber durch § 359 Nr. 5 StPO hinreichend geschützt. Das Argument der Gegenauffassung, aus § 262 StPO ergebe sich im Wege eines Erst-Recht-Schlusses ein Anspruch auf Aussetzung, trägt nicht, da nicht die Zulässigkeit der Aussetzung überhaupt strittig ist, sondern die Pflicht zur Aussetzung. Diese Pflicht folgt aber auch aus § 262 I I StPO nicht 328 . Aus dem oben dargestellten 329 ergibt sich daher, dass das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht bei der Entscheidung über die Aussetzung das Gebot der Verfahrensbeschleunigung, die Bedeutung des Beweismittels, dessen Freigabe erstritten werden soll, die voraussichtliche Dauer und die Erfolgsaussichten eines entsprechenden gerichtlichen Anfechtungsverfahrens zu berücksichtigen hat 330 , um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Angeklagten und dem Interesse des Staates an zügiger Aufklärung strafbaren Verhaltens zu gewährleisten. Ist eine Behördenentscheidung unzulänglich begründet und erscheint die außergerichtliche Anfechtung deshalb erfolgversprechend, so kann die in diesem Fall erforderliche Aussetzung zwar zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen, dies ist aber zugunsten einer umfassenden Sachverhaltsermittlung hinzunehmen.

§ 13 Beweiswürdigung Gemäß § 244 I I StPO hat das Gericht die Wahrheit zu erforschen und die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Die für das Gericht verbindliche behördliche Sperrung eines Zeugen hat jedoch zur Folge, dass dessen Aussagen bzw. Erkenntnisse nur durch Beweissurrogate in die Hauptverhandlung eingeführt werden können. Wie bereits ausgeführt 331, müssen die hieraus folgenden Defizite in der Sachverhaltsaufklärung und für die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten, durch eine „vorsichtige" Beweiswürdigung ausgeglichen werden. Nach § 261 StPO entscheidet das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Es ist allerdings umstritten, inwieweit dies tatsächlich nach der Sperrung eines Zeugen möglich ist und welche Grundsätze bei der Beweiswürdigung zu beachten sind. Auch die Anwendung der oben

328

So auch Arloth, Geheimhaltung, S. 85.

329 § 1 2

330 331

V.

BGH, NStZ 1985, 466, 467 f.; KK Nack, § 96, 36. § 12 I, 2 d, cc).

250

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

dargestellten Zeugenschutzmöglichkeiten in der Hauptverhandlung 332 erschweren die Würdigung der erhobenen Beweise. Die Möglichkeiten und Grenzen der Beweiswürdigung in Verfahren, in denen verdeckt ermittelt wurde, müssen daher im Folgenden untersucht werden, um daraus Rückschlüsse auf die Zulässigkeit einer Sperrung zu ziehen.

I. Allgemeine Grundsätze Die Zeugenschutzmöglichkeiten bzw. Beweissurrogate fuhren regelmäßig zu einer Anonymität und/oder zu einer nur begrenzten Überprüfbarkeit der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Das Gericht muss sich im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 261 StPO der Unzulänglichkeiten der so ermittelten Beweise bewusst sein 333 , die Bekundungen, die auf einen nicht näher bekannten Zeugen zurückgehen, besonders kritisch überprüfen und deren geminderte Beweiskraft regelmäßig in erheblichem Umfang zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen. Die Angaben eines anonymen Zeugen können nur tragfähige Grundlage einer Verurteilung sein, wenn sie durch andere Beweise oder Beweisanzeichen334 bestätigt werden 335 . Die Zweifel und Unsicherheiten bezüglich der erhobenen Beweise müssen im Urteil dargestellt werden, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung auf Rechtsfehler zu ermöglichen 336 .

/. Darstellung im Urteil Die Beweiswürdigung und speziell die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen ist allerdings (ureigene) Aufgabe des Tatrichters und gehört 332

§ 10 II. BVerfG, StV 1991, 449. 334 Beispiele für solche Beweise und Beweisanzeichen führt Nack, KR 1999, 171, 173 ff. an. 335 BVerfG, NJW 1996, 448; BGHSt 17, 382, 386; 36, 159, 166; 42, 15, 25; BGH, StV 1994, 637; BGH, StV 1996, 583 f.; BGH, StV 2000, 603 f.; BGH, StV 2000, 649, 650; OLG Frankfurt, NJW 1968, 1000; OLG Köln, StV 1994, 289, 290; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1034; Fezer, JZ 1985, 496, 497 f.; Geisler, NJW 1976, 1986; Geppert, Jura 1991, 538, 543; Gülzow, Die Polizei 1984, 331; KK Schoreit, § 261, 29; KK Pfeiffer, Einl., 98; KK Senge, vor § 48, 77; KMR Paulus, § 250, 22; W. Krause, VLeute, S. 155; LR Gollwitzer, § 25Ò, 25 f.; Meyer-Goßner, § 250, 5; Nack, StV 1994, 555, 558; ders., KR 1999, 171, 173; Rebmann, NStZ 1982, 315, 317; Renzikowski, JZ 1999, 605, 609; G. Schäfer, StV 1995, 147, 152; Schlüchter, H. J. Schneider FS, S. 445, 456; K-K Schmid, DRiZ 1983, 474, 475 f; Eb. Schmidt, JZ 1962, 761, 762. 336 BVerfG, StV 1991, 449. Vgl. auch KK Engelhardt, § 267, 18; Meyer-Goßner, § 267, 11 f. 333

§ 13 Beweiswürdigung

251

zum Wesen richterlicher Rechtsfindung 337, weil nur der Tatrichter einen unmittelbaren Eindruck von der Hauptverhandlung hat, den im Übrigen auch das bestbegründete Urteil nicht uneingeschränkt vermitteln kann. Die fur eine Verurteilung erforderliche persönliche Überzeugung, die sich aus der objektiven Beweislage ergibt, ist daher stets die des Tatrichters 338. Gleichwohl muss in der Revisionsinstanz anhand der Urteilsgründe überprüft werden können, ob Denkgesetze, die eine klare, folgerichtige und von Lücken und Widersprüchen freie Beweisführung erfordern 339, oder Erfahrungssätze bei der Beweiswürdigung richtig angewandt wurden oder sich die aus den Beweisen gezogenen Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernt haben, dass sie letztlich einen Schuldspruch nicht zu tragen vermögen 340. Dies macht es in der Regel erforderlich, den wesentlichen Inhalt der Bekundungen des Zeugen im Urteil wiederzugeben 341.

2. Würdigung der Zeugenaussagen Bei der Würdigung der Zeugenaussagen besteht die Hauptaufgabe des Gerichts darin, die Aussagefähigkeit und die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu beurteilen 342 . Bei der Beurteilung der Aussagefahigkeit muss das Gericht sich ein Bild davon machen, ob der Zeuge die Fähigkeit und die Gelegenheit zur umfassenden Wahrnehmung und Erinnerung an den zu beweisenden Sachverhalt hat bzw. hatte und den Willen zur vollständigen und richtigen Wiedergabe dieser Kenntnisse besitzt 343 . Das Hauptproblem bei der Beweiswürdigung in Strafverfahren, in denen verdeckt ermittelt wurde, besteht häufig darin, dass Angaben oder Anknüpfungstatsachen zur Aussagefähigkeit und Glaubwürdigkeit des Zeugen fehlen. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen ist neben der Glaubhaftigkeit der Aussage selbst aber der entscheidende Punkt, der über die Beweiskraft einer Aussage entscheidet344. Es geht allerdings in erster Linie nicht um die allgemeine Glaubwürdigkeit, also Informationen über die Persönlichkeit 337 BGHSt 3, 52, 53; 8, 130, 131; Fischer, NStZ 1994, 1; Meyer-Goßner, § 261, 3; Nack, StV 1994, 555, 557. 338 So ausdrücklich z.B. G. Schäfer, StV 1995, 147, 153. 339 Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 102; KK Schoreit, §261, 47; LR Gollwitzer, §261, 44; Niemöller, StV 1984, 431, 435 f., m.w.N. 340 OLG Köln, StV 1994, 289, 290. Zustimmend zu diesen weitgehenden Begründungserfordernissen: G. Schäfer, StV 1995, 147, 153 f. 341 BGH, StV 1991, 409; BGH, StV 1993, 235; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1033a; Nack, StV 1994, 555, 556. 342 HKStPO Julius, § 261, 27; LR Gollwitzer, § 261, 81. 343 BGH, StraFo 1997, 140, 141; HKStPO Julius, § 261, 27; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 284. Siehe speziell zur Aussagefähigkeit Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1362 ff. 344 S. Schaefer, Zeugnis vom Hörensagen, S. 63.

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4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

des Zeugen, sein Vorleben und seine Beziehungen zum Angeklagten - auch wenn hieraus in gewissem Umfang Rückschlüsse gezogen werden können - , sondern vor allem um die Widerspruchsfreiheit, den Detailreichtum, die Homogenität und die Konstanz 345 der Aussagen als wesentliche Indizien für die spezielle Glaubwürdigkeit 346 . Das Gericht muss sich daher bemühen, solche Anhaltspunkte zu ermitteln, um die Aussage des Zeugen eigenständig einschätzen und würdigen zu können.

a) Notwendiges Wissen des Gerichts Um die Aussage eines Zeugen zutreffend würdigen und einschätzen zu können, muss dem Tatgericht daher bekannt sein, wie dieser an die Informationen gekommen bzw. wie der Zeuge die Erkenntnisse erlangt hat, die er mitteilt. § 68 I I I 2 StPO bestimmt deshalb, dass der Zeuge - wenn er keine Angaben zur Person machen muss - (zumindest) anzugeben hat, in welcher Eigenschaft ihm die Tatsachen, die er bekundet, bekanntgeworden sind. Die Verfahrensbeteiligten erfahren so, dass verdeckt ermittelt wurde. Darüber hinaus geklärt werden muss aber, in welchem Umfang der Zeuge an der aufzuklärenden Tat beteiligt war, welche Motivation er hatte, sich als Informant oder V-Person den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen und welche Entlohnung er hierfür erhalten hat. Gerade der Umstand, dass V-Personen zum überwiegenden Teil leistungsabhängig besoldet werden, kann bei diesen zu einem Erfolgszwang während der Ermittlungen führen und die Gefahr begründen, dass sich der Wunsch, einen bestimmten Beschuldigten zu überführen, und das tatsächlich Erlebte annähern oder gar miteinander verschmelzen 347. Der Gefahr einer so begründeten unwissentlich oder wissentlich falschen Aussage348 oder scheinbar lückenlosen und eindeutigen Beweiskette, die mit Hilfe der V-Person ermittelt wurde, kann nur hinreichend begegnet werden, wenn das Tatgericht über die wesentlichen Umstände des Einsatzes der V-Person informiert ist und es diese eigenständig würdigen kann 349 . Darüber hinaus wirkt sich z.B. der Um-

145

Siehe hierzu Bender/Nack, Tatsachenfeststellung, Band 1, Rdnr. 289 ff. BGH, StV 1987, 189; BGH, StV 1991, 409; Fischer, NStZ 1994, 1, 2. 347 von Zezschwitz, NJW 1972, 796, 797. Auf diese Gefahr weist auch Eschelbach, StV 2000, 390, 396 hin. 348 Zu unwissentlichen falschen Aussagen siehe: Geppert, Der Grundsatz der Unmittelbarkeit, S. 288; W. Krause, V-Leute, S. 108 ff. Zu wissentlich falschen Aussagen siehe: W. Krause, V-Leute, S. 112 ff.; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 285 f.; für den Bereich des Verfassungsschutzes vgl. Ehmke, DÖV 1956, 417, 421. 349 Siehe zu dieser Gefahr: Arndt, NJW 1963, 432, 433; K-K Schmid, DRiZ 1983, 474, 475 f.; Tiedemann, MDR 1965, 870, 871. Anlass zu besonderer Vorsicht sieht in diesem Zusammenhang Kohlhaas, JR 1957, 41, 42. 346

§ 13 Beweiswürdigung

253

stand, dass der Zeuge den Angeklagten zur Tat provoziert hat - wie oben ausgeführt 350 - sogar zwingend als schuldunabhängige Strafmilderung aus 351 , und muss deshalb dem Gericht ebenfalls bekannt sein.

b) Eigenständige Glaubwürdigkeitseinschätzung Vor allem bei anonymen Zeugen, deren Aussagen nur durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wurden, muss sich das Gericht um eine - eigenständige - Glaubwürdigkeitseinschätzung im Rahmen der Beweiswürdigung bemühen 352 . Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit ist Aufgabe des Gerichts und dieses darf nicht die Würdigung eines Dritten, z.B. des Zeugen vom Hörensagen, übernehmen. Es ist deshalb erforderlich, dass im Falle der Sperrung des Zeugen Anknüpfungstatsachen mitgeteilt werden oder durch das Gericht ermittelt werden können, die eine selbstständige Beurteilung der Glaubwürdigkeit durch das Gericht ermöglichen, etwa die Häufigkeit der Zusammenarbeit mit dem Zeugen, Überprüfungsergebnisse seiner Zuverlässigkeit, das Vorliegen einer Beziehung zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten, also ob er mit diesem verwandt, verschwägert oder verfeindet ist, sowie eventuelle Vorstrafen. Anknüpfungstatsachen, die das Gericht ebenfalls bei der Vernehmung der Verhörsperson ermitteln muss, sind z.B. das Auftreten des geschützten Zeugen bei der Vernehmung bzw. Befragung, seine Sprechweise, Mimik und Gestik, körperliche Reaktionen oder sonstigen Verhaltensweisen 353, wie z.B. Stottern, Zittern, Unsicherheit im Auftreten oder sein Aussageverhalten 354, also etwa ausweichende Antworten oder widersprüchliche Angaben 355 .

Körner (StV 1982, 382, 385) und Weider (StV 2000, 48, 49) beschreiben die Gefahren, die sich aus dem Umstand ergeben, dass V-Leute nach der Menge der beschlagnahmten Betäubungsmittel entlohnt werden. Dies kann zu Beweismanipulationen der Zeugen führen, indem etwa größere Mengen an Betäubungsmitteln vorgetäuscht werden, um höhere Erfolgshonorare zu erhalten. 350 § 2 III, 3. 351 Zum notwendigen Revisionsvorbringen im Falle einer - vermeintlich - unzureichenden Berücksichtigung dieser Umstände im Urteil siehe BGH, StV 2000, 604, 605. 352 Zu grundsätzlichen Glaubwürdigkeitsbedenken gegenüber V-Personen siehe: Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1034; Geißdörfer, KR 1993, 679 f.; Joachim, StV 1992, 245, 248. 353 Laubenthal, JZ 1996, 335, 341; Meurer, JuS 1999, 937, 939. 354 Zur Problematik der Würdigung von Zeugenaussagen gerade unter diesem Aspekt siehe weiterführend Scholz, NStZ 2001, 572 ff. Speziell zum wechselnden Aussageverhalten BGH, StV 1992, 219; Nack, StV 1994, 555, 556. 355 W. Krause, ν- Leute, S. 158.

254

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung II. Spezielle Grundsätze der Beweiswürdigung bei geschützten oder gesperrten Zeugen 7. Würdigung der Aussage eines Zeugen in der Hauptverhandlung a) Fehlende Angaben zum Wohnort

Wurde dem Zeugen gemäß § 68 I StPO gestattet, seinen Wohnort zu verschweigen, wird es häufig nur schwer möglich sein, Angaben zu dessen allgemeiner Glaubwürdigkeit einzuholen. Wie bereits dargestellt 356, steht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit jedoch die Analyse der Aussage und des nonverbalen Verhaltens des Zeugen bei dieser im Vordergrund. Diese Umstände können trotz der fehlenden Wohnortangabe ermittelt werden, gleichwohl ergeben sich Einschränkungen bei der Beweiswürdigung.

b) Fehlende Angaben zur Identität des Zeugen Durfte der Zeuge gemäß § 68 III StPO seine Identität verschweigen, muss das Gericht die Aussage des anonymen Zeugen würdigen, ohne dessen allgemeine Glaubwürdigkeit z.B. durch Leumundszeugen oder einen Auszug aus dem Bundeszentralregister beurteilen zu können. Persönlichkeit, Lebenslauf, Charakter und Beweggründe eines Zeugen sind zwar wichtige Anhaltspunkte für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit 357 , fehlende Angaben zur Identität machen eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung aber nicht unmöglich 358 . Das verbale und nonverbale Aussageverhalten kann analysiert und der Glaubwürdigkeitsbeurteilung zugrunde gelegt werden 359 , zumal der speziellen Glaubwürdigkeit ein größerer Stellenwert zukommt als der allgemeinen. Dennoch ist die Beweiskraft der Aussage eines anonymen Zeugen gemindert. Das Gericht muss sich deshalb der Unsicherheiten stets bewusst sein, die bei der Benutzung dieses Beweismittels bestehen. Obwohl der Zeuge bei der Vernehmung seinen Namen nicht anzugeben braucht, kann er - entgegen einer Literaturauffassung 360 - auf seine Aussage hin vereidigt werden und die Strafdrohung der §§ 153 ff. StGB gilt für ihn. 356

Siehe oben § 10 II, 7 c). BGHSt 17, 382, 386; K.-H Schmid, , DRiZ 1983, 474, 475. 35x BGHSt 45, 164, 167; Kolz, Schäfer Sonderheft, S. 35, 38. Siehe auch Müller, JZ 2000, 267 f. sowie Herdegen, NStZ 1984, 200, 201. 359 Siehe oben § 10 II, 7 c). 360 So Tiedemann/Sieber, NJW 1984, 753, 756, ohne nähere Begründung. Ähnlich K.-H. Schmid , DRiZ 1983, 474, 475 (der anonyme Zeuge stehe faktisch nicht unter der Strafdrohung der §§ 153 f. StGB); KK Herdegen,, § 244, 25a. 357

§ 13 Beweiswürdigung

255

Ebenso kommt bei falschen Angaben eine Strafbarkeit nach §§ 145d, 164, 185 ff. StGB in Betracht 361 . Insbesondere die Strafbarkeit nach den §§153 ff. StGB setzt nicht voraus, dass der Zeuge Angaben zur Person macht, da er diese Angaben nach § 68 III StPO verschweigen darf. Es kommt nur darauf an, dass er vor Gericht unrichtige Angaben macht und diese gegebenenfalls beeidet. Die Strafverfolgung wird durch die fehlende Namensangabe zwar erschwert, aber nicht unmöglich gemacht, da den Strafverfolgungsbehörden der Klarname des Zeugen bekannt ist und diese verpflichtet sind, beim Verdacht einer Straftat zu ermitteln. Wie bereits dargestellt 362, hindert selbst eine Vertraulichkeitszusage der Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall die Strafverfolgung nicht. Eine Minderung des Beweiswertes kann also nicht damit begründet werden, eine Vereidigung des anonymen Zeugen sei nicht möglich.

c) Ausschluss des Angeklagten bzw. der Öffentlichkeit Der Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 172 Nr. la GVG wirkt sich nicht auf die Beweiskraft der in Abwesenheit der Öffentlichkeit erhobenen Beweise, also insbesondere der Zeugenaussage, aus. Dies gilt auch, wenn der Angeklagte nach § 247 StPO ausgeschlossen wurde. Dessen Verteidigungsrechte bleiben dadurch gewahrt, dass sein Verteidiger bei der Vernehmung anwesend ist und der Angeklagte selbst gemäß § 247 S. 4 StPO vom Vorsitzenden über den wesentlichen Inhalt der Aussagen und sonstigen Verhandlungen während seiner Abwesenheit zu unterrichten ist, so dass er dazu Stellung nehmen kann. Auf die Brauchbarkeit der in dieser Zeit erhobenen Beweise wirkt sich der Ausschluss daher nicht aus.

d) Videovernehmungen Eine Videovernehmung nach § 247a StPO beeinträchtigt selbst unter optimalen Bedingungen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, da der Zeuge nicht körperlich anwesend ist 363 . So wird auf die Gefahr hingewiesen, dass sich das Gericht nicht der „normativen" Gültigkeitskraft der übertragenen Aufnahmen entziehen könne, und deshalb die Gefahr bestehe, die Kommunikation mittels Videoschaltung oder Bildtelefon für ebenso oder auch nur annähernd so

361

So auch Körner, StV 1982, 382, 383. § 7 VIII, 2. 363 BGH, StV 1999, 580, 582; Diemer, StraFo 2000, 217, 218. Optimistischer in der Einschätzung der Beweiskraft hingegen Schlothauer, StV 1999, 47, 50 „besonders hoher Beweiswert", ähnlich BT-Drs. 13/7165, S. 5 „hoher Beweiswert". 362

256

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

aufschlussreich wie ein persönliches Gespräch zu halten 364 . Auch wenn exakte wissenschaftliche Erkenntnisse bislang fehlen, ist doch zu vermuten, dass die Beweiskraft einer solchen Zeugenaussage dadurch gemindert wird, dass je nach Übertragungsqualität und -möglichkeiten die Reaktionen des Zeugen nicht vollständig wahrnehmbar und durch ein technisches Medium „gefiltert" 365 , spontane Nachfragen nur eingeschränkt möglich sind und die Motivation zur wahrheitsgemäßen Aussage nachlassen oder fehlen kann, wenn der direkte (Augen-) Kontakt zur Vernehmungsperson fehlt 366 . Die technisch bedingte Distanz erschwert es dem Vernehmenden darüber hinaus, im Vorfeld der Aussage Vorbehalte oder Nervosität beim Zeugen abzubauen, Vertrauen zu erwecken (während eines so genannten „warming up") oder sich selbst einen hinreichenden Eindruck von den individuellen Eigenarten der Auskunftsperson und ihrem nonverbalen Aussageverhalten zu verschaffen 367. Der Eindruck von dem Zeugen kann auch dadurch verzerrt sein, dass dieser aufgrund der ungewohnten Situation, sich vor einer Kamera zu äußern, Hemmungen hat 368 . Darüber hinaus können je nach der Qualität der Übertragung die für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit wesentlichen Reaktionen des Zeugen nicht, nur unzulänglich oder verzerrt wahrgenommen werden. Die Beweiskraft einer Videovernehmung ist daher geringer als die einer Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung. Bei der Beweiswürdigung müssen die technisch bedingten Defizite dieser Vernehmungsmethode berücksichtigt werden. Bei Videovernehmungen aus dem Ermittlungsverfahren können die dargestellten technischen Defizite durch die größere „Tatnähe" der Aussage ausgeglichen sein. Eine Einschränkung des Beweiswertes gegenüber einer Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung besteht aber gleichwohl.

2. Beweiswürdigung

bei mittelbarer Einführung der Zeugenaussagen

a) Schriftliche Äußerungen des Zeugen Schriftliche Äußerungen des Zeugen können im Wege der Verlesung nach §251 II StPO in das Verfahren eingeführt werden 369 . In dieser beweisrechtli-

164

Fischer, JZ 1998, 816, 820. Diemer, NStZ 2001, 393, 396. 366 KK Diemer, § 247a, 5; KMR Lesch, § 247a, 10. Ähnlich Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1328 f („mangelnde emotionale Nähe des Zeugen"). 367 BGH, JR 2000, 74, 77; Diemer, NStZ 2001, 393, 396; HKStPO Julius, § 261, 33a. 36K Arntzen, ZRP 1995, 241 (für kindliche Zeugen); Diemer, NStZ 2001, 393, 396. 369 Siehe oben § 11 II, 2 b. 365

§ 13 Beweiswürdigung

257

chen Ausnahmesituation 370 muss sich das Gericht bewusst sein, dass bei diesen als Beweissurrogat in Betracht kommenden Äußerungen 371, nicht einmal die Möglichkeit besteht, einen Zeugen vom Hörensagen, z.B. die Verhörsperson, über dessen persönlichen Eindruck von dem Zeugen oder dessen Aussageverhalten zu befragen 372. Auf Grund der Schwierigkeiten, eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung vorzunehmen - diese beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Aussageanalyse - , ist die Beweiskraft schriftlicher Äußerungen des Zeugen stark gemindert.

b) Protokollverlesung gemäß §§ 251 I, II StPO Bei der Würdigung des Inhalts verlesener Protokolle muss das Gericht u.a. berücksichtigen, dass es sich keinen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Zeugen machen konnte und die Protokolle teilweise nicht den Wortlaut der Aussagen des Zeugen wiedergeben, sondern nur inhaltliche Zusammenfassungen darstellen. Auch besteht die Gefahr der Entstellung und Unvollständigkeit wiedergegebener Tatsachen. Es kann bei der Protokollierung zudem auf Grund des Vorverständnisses und der Erwartungshaltung des Vernehmenden zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen gekommen sein 373 . Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass nur bei richterlichen Vernehmungen die Strafdrohung der §§153 ff. StGB für den Zeugen gilt und der Umstand, dass der Verteidiger bei einer Vernehmung nicht anwesend war 374 , die Beweiskraft des Protokolls weiter mindern kann, da so möglicherweise Gesichtspunkte und Widersprüche nicht angesprochen wurden, die speziell dem Angeklagten bekannt sind und ihn entlasten können. Die Revisionsgerichte stellen an die Beweiswürdigung deshalb zu Recht besonders strenge Anforderungen 375 .

170

BVerfGE 57, 250, 280; K.-H. Schmid, DRiZ 1983, 474, 475. BVerfGE 57, 250, 273 ff.; BGH, NStZ 1981, 270; KG, StV 1995, 348 f.; K. H. Schmid , DRiZ 1983, 474, 475. 172 K.-H. Schmid , DRiZ 1983, 474, 475. 173 Siehe oben § 11 II, 3 c, mit weiteren Nachweisen. 374 Siehe zur Wichtigkeit des Umstandes, dass der Verteidiger bei der Vernehmung eines Belastungszeugen anwesend ist Weider, StV 1981, 19, 29 sowie Hoffmann, Der unerreichbare Zeuge, S. 137. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Verteidiger ein Anwesenheitsrecht speziell bei polizeilichen Vernehmungen hat, da es auf die tatsächliche Anwesenheit ankommt. Gegen ein solches Anwesenheitsrecht Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 156; Meyer/Goßner, § 163, 16, m.w.N. Für ein solches Recht AKStPO Achenbach, § 163a, 32; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 6, 10. 375 BGHSt 17, 382, 385 f.; 33, 83, 88 (besonders strenger Maßstab). 171

17 Ellbogen

258

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung

Den Beweiswert polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Protokolle mindert es weiter, dass den Ermittlungen häufig eine Täterhypothese zugrunde lag, auf deren Verifizierung die Vernehmungen gerichtet waren und welche die Befragung, die Deutung der Aussagen und deren Protokollierung beeinflusste 376. Zudem kann sich der sog. Pygmalion-Effekt einstellen377. Gemeint ist damit das Phänomen, dass manche Zeugen in bestimmten Situationen vor allem aus persönlichen Gründen dem Vernehmenden zuliebe all das aussagen oder bestätigen, was dieser hören will. Dies kann zu Falschaussagen oder zumindest zu Verzerrungen bzw. Unvollständigkeiten der Aussageinhalte fuhren und zur Folge haben, dass der Angeklagte einseitig belastet wird. Der Pygmalion-Effekt kann im Bereich der verdeckten Ermittlungen noch dadurch verstärkt werden, dass eine V-Person auf Grund eines unzutreffenden Tatverdachtes zu Ermittlungen einsetzt wird und deshalb voreingenommen ist und dementsprechende „Beweise" liefert - sei es, weil die V-Person ihr Erfolgshonorar bekommen will oder weil ihr die notwendige kriminalistische Erfahrung fehlt. Ob eine solche Fokussierung auf einen bestimmten Verdächtigen vorgelegen hat, lässt sich dem Protokoll meist nicht ohne weiteres entnehmen, auffallig kann aber sein, dass nicht nach naheliegenden Tat- oder Täteralternativen gefragt wurde oder der befragte Zeuge nicht auch zu Umständen vernommen wurde, die den Angeklagten entlasten können. Eine solche Einseitigkeit des Protokolls mindert dessen Beweiskraft erheblich. Das Gericht muss daher in Zweifelsfällen den Vernehmenden und gegebenenfalls den polizeilichen V-Mann-Führer selbst als Zeugen vernehmen, um das Vorliegen dieser Umstände zu klären.

c) Zeuge vom Hörensagen aa) Genereller Beweiswert Der Zeuge vom Hörensagen gibt als mittelbarer Zeuge dasjenige wieder, was ihm der unmittelbare Zeuge, z.B. ein V-Mann, bei einer Vernehmung oder einem Gespräch mitgeteilt hat. Das Gericht ist verpflichtet, sich selbst ein Bild von der Glaubwürdigkeit des unmittelbaren Zeugen zu machen. Hierbei ist es zwangsläufig auf Angaben des Zeugen vom Hörensagen angewiesen. Es darf dessen Angaben aber nicht ohne weiteres Glauben schenken, vielmehr muss der mittelbare Zeuge nach Anknüpfungstatsachen für eine Glaubwürdigkeits-

176

Grünwald,, Dünnebier FS, S. 347, 357; Wattenberg,, StV 2000, 688, 693. Bender/Nack, Tatsachenfeststellung, Band 1, Rdnr. 106; Nack,, StV 1994, 555, 560. Die Bezeichnung leitet sich von der Komödie Pygmalion von George Bernhard Shaw ab, die auch Vorlage für das Musical „My fair Lady" war. 377

§ 13 Beweiswürdigung

259

beurteilung befragt werden, etwa nach der Form und Flüssigkeit der Aussage und dem (nonverbalen) Verhalten des Zeugen während der Vernehmung 378 . Stereotype Beteuerungen der allgemeinen Glaubwürdigkeit des unmittelbaren Zeugen, z.B. der V-Mann habe stets zuverlässig gearbeitet, es beständen keine kriminellen Verbindungen oder die V-Person werde regelmäßig überprüft, sind wenig aussagekräftig, so dass hieraus keine verlässlichen Rückschlüsse gezogen werden können 379 . Für den Beweiswert der Aussage des Zeugen vom Hörensagen könnte aber sprechen, dass für den Zeugen die Strafdrohung der §§153 ff. StGB gilt. Allerdings geht es nicht darum, ob der Zeuge vom Hörensagen die gemachte Aussage tatsächlich gehört hat, sondern ob sich der wiedergegebene Lebenssachverhalt so und nicht anders zugetragen hat. Das Gericht muss allerdings klären, ob die Beziehung zum unmittelbaren Zeugen den Wahrheitswillen des Aussagenden beeinflusst. Darüber hinaus muss es berücksichtigen, dass die Authentizität des wiedergegebenen Gehörten durch unbewusste Verarbeitung verfälscht sein kann 380 . Zum Teil wird gefordert, wegen des Fehlens von Anknüpfungstatsachen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des unmittelbaren Zeugen, Persönlichkeit, Motivation und Aussagesituation des unmittelbaren Zeugen zugunsten des Angeklagten grundsätzlich negativ zu bewerten 381. Dies ist jedoch abzulehnen. Derartige Wissensdefizite hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des unmittelbaren Zeugen müssen nach - zutreffender - h.M. dadurch berücksichtigt werden, dass den Bekundungen des Zeugen vom Hörensagen nur indizielle Bedeutung zugemessen wird und eine Verurteilung auf diese Angaben nur gestützt werden darf, wenn sie durch weitere Beweise oder Beweisanzeichen bestätigt werden 382 . Lassen sich derartige Beweise oder Beweisanzeichen nicht finden oder besteht die Wahrscheinlichkeit, dass diese Sekundärbeweise durch den unmittelbaren Zeugen manipuliert oder sogar platziert wurden, so muss der Angeklagte, wenn keine weiteren Beweismittel zur Verfugung stehen, freigesprochen werden. Die Beweiskraft der so eingeführten Zeugenaussage ist daher überwiegend gering 383 .

378

Siehe auch schon oben § 11 II, 3 c. Siehe zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung auch Körner, StV 1982, 382, 385 f. und LG Darmstadt, StV 1991, 342 ff. 380 BGH, NStZ 1988, 144; OLG Köln, StV 1994, 289, 290; HKStPO Julius, § 261, 33; Krainz, GA 1985, 402, 413 f. 381 So etwa Bender/Nack, Tatsachenfeststellung, Band 2, Rdnr. 927. 382 Siehe oben § 13 1. 383 W. Krause, V-Leute, S. 154; Murmann/Grassmann, JuS 2001, Beilage S. 3*, 21*; Röhrich, Rechtsprobleme, S. 283; G. Schäfer, StV 1995, 147, 152. 379

17*

260

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung bb) Besonderheit bei Ermittlungsbeamten

Bei Ermittlungsbeamten, die als Zeugen vom Hörensagen vernommen werden, ist zu beachten, dass diese die Möglichkeit und gegebenenfalls die Pflicht haben 384 , sich anhand von Protokollen und eigenen Aufzeichnungen auf die gerichtliche Vernehmung vorzubereiten. Daher kann es schwer zu beurteilen sein, ob die Aussage auf der Erinnerung des Zeugen oder auf dem damals Geschriebenen beruht 385 . Hinzu kommt der psychologische Druck, als professioneller Beobachter keine Erinnerungslücken zugeben zu wollen. Dies begünstigt die Gefahr, eine Wahrnehmung, an die man sich nicht mehr erinnert, nachträglich zu ergänzen 386. Eine besondere Prüfungspflicht ergibt sich für das Gericht aber auch, wenn der Beamte aus länger zurückliegenden Vernehmungen Aussagen wiedergibt, die nicht ins Vernehmungsprotokoll aufgenommen wurden 387 .

cc) Fokussierung des Ermittlungsverfahrens Auch bei der Vernehmung von Zeugen vom Hörensagen muss die Gefahr der Fokussierung des Ermittlungsverfahrens auf einen bestimmten Täter oder Täterkreis bedacht werden. Das Gericht muss den Zeugen deshalb danach befragen, ob eine derartige Fokussierung auf einen bestimmten Verdächtigen vorlag. Handelt es sich bei dem Zeugen vom Hörensagen um einen V-MannFührer, muss auch der Wissensstand des unmittelbaren Zeugen - also der eingesetzten V-Person - im Zeitpunkt der Ermittlungen erfragt werden 388 . Im Gegensatz zur Protokollverlesung erlaubt die Möglichkeit der Befragung des mittelbaren Zeugen dann eine Beurteilung, ob eine derartige Verzerrung bzw. Einseitigkeit der Ermittlungen vorgelegen haben kann. Ist dies der Fall, so ist der Beweiswert der Zeugenaussage erheblich gemindert.

dd) Negative Berücksichtigung der Sperrung des Zeugen? Der BGH hat in einigen Entscheidungen von den Gerichten verlangt, durch eine „besonders kritische Würdigung" der Aussagen von Zeugen vom Hörensagen, die Angaben anonymer bzw. gesperrter Dritter wiedergeben, dem Um384

BGHSt 1, 5, 8; Nack,, StV 1994,555, 559. Bender, StV 1984, 127, 131; Eisenberg, Beweisrecht, Rdnr. 1455; HKStPO Julius, § 261, 34; siehe hierzu auch Mai/Köpcke, KR 1995, 263 ff. 386 AG Kaufbeuren, StV 1987, 57; HKStPO Julius, § 261, 34. Siehe allgemein auch Kühne, NStZ 1985, 252 ff. 387 BGH, StV 1993, 509,510. 388 Vgl. Nack, StV 1994, 555, 560. 385

§ 13 Beweiswürdigung

261

stand Rechnung zu tragen, dass die Exekutive durch die Sperrung eine erschöpfende Sachverhaltsaufklärung verhindere und es den Verfahrensbeteiligten unmöglich mache, die Glaubwürdigkeit des anonymen Zeugen zu überprüfen 389. Die Notwendigkeit der Anwendung strenger Maßstäbe bei der Beweiswürdigung und speziell bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist in diesen Konstellationen aber nicht Folge der Behördenentscheidung, sondern der tatsächlichen Gefährdung des unmittelbaren Zeugen, wegen der er gesperrt wurde 390 , und stellt keine Sanktionierung der Behördenentscheidung dar. Eine zusätzliche negative - Berücksichtigung der Sperrung des unmittelbaren Zeugen durch die Exekutive verbietet sich daher.

ee) Indizwirkung Einige Entscheidungen von Instanzgerichten belegen die Gefahr, dass diese die durch Zeugen vom Hörensagen eingeführten Aussagen unkritisch einer Verurteilung zugrunde legen 391 oder Bedenken mit der Floskel „das Gericht war sich des eingeschränkten Beweiswerts bewusst" abtun 392 . Die Revisionsgerichte verlangen von dem Tatrichter zwar, dass er sich der Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein muss und dies in den Urteilsgründen zum Ausdruck bringt 393 , jedoch muss der Tatrichter auch tatsächlich die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen kritisch würdigen, die Anwendung des In-dubiopro-reo-Grundsatzes in Betracht ziehen und darf eine Verurteilung des Angeklagten nicht allein auf die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen stützen, sondern muss diese noch durch weitere Beweise oder Indizien 394 absichern 395. Eine solche Bestätigung der Aussagen kann sich z.B. ergeben, wenn diese bereits ermittelte Informationen und Indizien in einen sinnvollen Zusammenhang bringen. Details, die der unmittelbare Zeuge gehört bzw. ermittelt haben will, müssen aber gegebenenfalls darauf überprüft werden, ob der Zeuge diese nur vom Beschuldigten oder auch aus anderen Quellen erfahren haben kann 396 .

389 390 391 392 393 394 395 396

BGHSt 33, 178, 181; BGH, NStZ 1982, 433; BGH, StV 1983, 403. Zu Recht so differenzierend G. Schäfer, StV 1995, 147, 152, Fn. 81. So z.B. im Fall der BGH, StV 2000, 603 zugrunde lag. Siehe dazu Wattenberg,, StV 2000, 688, 693. BVerfG, NStZ 1991, 445; OLG Köln, NStZ 1990, 557; SKStPO Rogali , vor § 48, Siehe speziell zum Indizienbeweis: Nack, MDR 1986, 366 ff. Siehe oben § 13 I. BGHSt 36, 159, 166; Burhoff Handbuch Hauptverhandlung, Rdnr. 1138.

262

4. Teil: Beweisaufnahme und eweiserwertung I I I . Zusammenfassung

Die aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Würdigung von Beweissurrogaten machen deutlich, dass der Tatrichter darum bemüht sein muss, den unmittelbaren Zeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen, um eine umfassende und gesicherte Sachverhaltsaufklärung zu gewährleisten. Bei kumulativer Ausschöpfung aller dargestellten Zeugenschutzmöglichkeiten, die das StrafVerfahrensrecht bietet, lässt sich eine Gefährdung des Zeugen und seiner Angehörigen in einem Großteil der Verfahren ausschließen. Kann der unmittelbare Zeuge vom Gericht vernommen werden, besteht die Möglichkeit dessen (spezielle 397 ) Glaubwürdigkeit zu beurteilen, Fragen zu stellen und Widersprüche auszuräumen. Eine derartigen Aussage kann gegebenenfalls eine Verurteilung des Angeklagten tragen. Ist die Gefährdung des unmittelbaren Zeugen jedoch so groß, dass nur eine Beweissurrogation in Betracht kommt, ist eine Verurteilung des Angeklagten allein aufgrund einer so eingeführten Aussage ausgeschlossen. Es müssen vielmehr weitere Beweise bzw. Indizien ermittelt werden, um den Angeklagten zu überführen. Sind die weiteren Indizien und Beweise aber ebenfalls von dem gesperrten Zeugen herbeigeschafft bzw. aufgrund seiner Hinweise ermittelt worden, trägt dies eine Verurteilung ebenfalls nicht, da die Möglichkeit besteht, dass diese vom Zeugen manipuliert wurden. Die Strafverfolgungsbehörden sollten sich deshalb darum bemühen, dass die eingesetzten V-Personen möglichst für das spätere gerichtliche Verfahren zur Verfügung stehen. Bei der Abgabe von Vertraulichkeitszusagen sollten die betreffenden V-Personen darauf hingewiesen werden, dass bei einer kumulativen Anwendung der Zeugenschutzmöglichkeiten eine Gefährdung in der Hauptverhandlung häufig ausgeschlossen werden kann. Ist absehbar, dass die V-Person für das gerichtliche Verfahren nicht zur Verfügung stehen wird, sollten bereits in einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens weitere Personen, z.B. Verdeckte Ermittler oder weniger gefährdete V-Personen, eingesetzt oder andere Beweise ermittelt werden, die in der Hauptverhandlung präsentiert werden können.

397

Vgl. oben § 13 I, 2.

Wesentliche Ergebnisse 1. Teil Zur effektiven Bekämpfung der Organisierten Kriminalität kann auf den Einsatz verdeckter Ermittlungsmethoden nicht verzichtet werden 1. Unter verdeckten Ermittlungen sind solche Ermittlungsmaßnahmen zu verstehen, bei denen sich die Strafverfolgungsbehörden verfahrensrelevante Informationen und Daten durch die Mitwirkung von Privatpersonen oder Polizeibeamten verschaffen, welche über ihre wahre Identität und/oder ihre Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden täuschen oder diese nicht offenbaren 2. Werden Polizeibeamte zu verdeckten Ermittlungen eingesetzt, kann man zwischen Verdeckten Ermittlern und nicht offen ermittelnden Polizeibeamten unterscheiden3. Privatpersonen können als V-Personen oder Informanten verdeckt tätig werden 4. Zur Überführung eines Straftäters dürfen verdeckt ermittelnde Polizeibeamte oder Privatpersonen auch zum Mittel der Tatprovokation greifen 5. Der Einsatz als Lockspitzel setzt in einem solchen Fall aber zumindest das Bestehen eines Tatverdachts gegenüber dem „provozierten" Bürger voraus 6. Im Falle der Tatprovokation ist der hierzu eingesetzte Polizeibeamte oder V-Mann regelmäßig nach den Regeln des agent provocateur straflos. Rechtliche Probleme ergeben sich allerdings bei abstrakten Gefährdungsdelikten sowie Vorbereitungs- und Unternehmensdelikten, da bei diesen der Lockspitzel zu einer vollendeten Tat anstiften will, aber gleichzeitig Vorkehrungen getroffen hat, einen schädlichen Erfolg bzw. eine Rechtsgutsverletzung zu verhindern. Eine einheitliche Linie zur Lösung dieses Problems hat sich in Rechtsprechung und Literatur noch nicht herausgebildet. Beim verlockten Täter führt eine (rechtswidrige) Tatprovokation nicht zu einem Verfahrenshindernis, sondern diese ist im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Gegebenenfalls hat das Gericht einen Verstoß gegen den

1

§ 1 II.

2

H Siehe § 1 I, 1 und 2. Siehe §2 II, 2 und 3. § 1 III. §2111 1.

1 4 5 6

264

Wesentliche Ergebnisse

Grundsatz des fairen Verfahrens ausdrücklich festzustellen und diesen Verstoß als schuldunabhängigen Strafmilderungsgrund von besonderem Gewicht in der Strafzumessung zu kompensieren 7.

2. Teil Der Einsatz von Privatpersonen zu verdeckten Ermittlungen verstößt grundsätzlich nicht gegen das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren 8. Die Verwendung von V-Personen zu verdeckten Ermittlungen greift jedoch in das Grundrecht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung ein9. Dieses Grundrecht ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Mit Hilfe der Sphärentheorie 10 kann ein unantastbarer Kernbereich sowie eine Privat- und eine Sozialsphäre unterschieden werden. In den Kernbereich dieses Grundrechts darf auch durch verdeckte Ermittlungen nicht eingegriffen werden, Eingriffe in die Privat- und die Sozialsphäre des Beschuldigten sind grundsätzlich zulässig, sie bedürfen jedoch einer Rechtsgrundlage. Darüber hinaus kann Art. 13 I GG durch verdeckte Ermittlungen verletzt werden, wenn eine V-Person unter Vorspiegelung einer Zutrittsberechtigung Einlass in eine fremde Wohnung erlangt 11 . Der Einsatz von V-Leuten verletzt nicht das nemo-tenetur-Prinzip, da dieses nicht vor unbewussten Selbstbelastungen - etwa im Gespräch einer V-Person mit dem Beschuldigten - schützt12. Das nemo-tenetur-Prinzip gewährleistet nur die Freiheit von Zwang zur Herbeiführung einer Aussage und zur Mitwirkung am Strafverfahren. Lässt die V-Person den Beschuldigten in einem privaten Gespräch über ihre Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden im Unklaren und belastet sich der Beschuldigte daraufhin, so berührt dies den Schutzbereich des nemo-tenetur-Prinzips folglich nicht. Eine Verletzung des nemo-tenetur-Prinzips kommt jedoch in Betracht, wenn der V-Mann derart auf den Beschuldigten einwirkt, dass dieser nicht mehr eigenverantwortlich handelt 13 . Da der Einsatz von V-Personen die Grundrechtsausübung des Beschuldigten berührt, folgt aus dem Vorbehalt des Gesetzes, dass für den strafprozessualen Einsatz von V-Leuten eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich 7 8 9 10 11 12 13

§21113. §4 VI. §51,5. Siehe zu dieser § 5 I, 4 b). §5 IV, 5. §511, ld). §5 II, 3 c).

Wesentliche Ergebnisse ist 14 . Die Reichweite des Vorbehaltes des Gesetzes bestimmt sich nach der Wesentlichkeitstheorie 15, so dass entscheidend ist, ob und wie intensiv diese Maßnahme den grundrechtlichen Schutzbereich berührt 16. Eine Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten ist nicht wegen eines der Legislative gewährten Übergangsbonus entbehrlich. Das folgt zum einen daraus, dass einen solchen Dispens nur das Bundesverfassungsgericht erteilen kann und zum anderen daraus, dass eine dem Gesetzgeber einzuräumende Übergangsfrist bis zur Einführung einer spezialgesetzlichen Ermächtigung ohnehin abgelaufen wäre 17 . Eine analoge Anwendung der §§ 110a ff. StPO scheidet als Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von Privatpersonen zu verdeckten Ermittlungen aus18, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, die durch eine Analogie geschlossen werden könnte 19 , und auch keine vergleichbare Interessenlage zwischen dem Einsatz von Verdeckten Ermittlern und dem Einsatz von Privatpersonen besteht20. § 161 I StPO21 stellt jedoch eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten dar 22 . Eingriffe in das informelle Selbstbestimmungsrecht des Beschuldigten können durch das staatliche Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung legitimiert werden. Unzulässig ist jedoch der Einsatz von V-Personen zur Informationsgewinnung innerhalb des unantastbaren Kernbereichs und gegenüber Unverdächtigen 23. Ein Eingriff in Art. 13 I GG für den Fall, dass sich die V-Person Zutritt zu einer fremden Wohnung unter Vortäuschung einer Zutrittsberechtigung verschafft, kann durch § 161 I StPO ebenfalls nicht legitimiert werden 24.

3. Teil Der Einsatz von V-Personen und die Zusammenarbeit mit Informanten erfordert zumeist, dass diesen von den Strafverfolgungsbehörden Vertraulichkeit

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

§ 5 V. Siehe zu dieser § 3 III. § 3 V. §611. §6111. §6111,3. §6111,4. §6 VI. §6 VII. §6 VI, 4. §6 VI, 5.

Wesentliche Ergebnisse

266

zugesichert wird 2 5 . Eine Vertraulichkeitszusage ist eine Zusicherung im Sinne von § 38 I VwVfG, die darauf gerichtet ist, die Identität der Privatpersonen im Strafverfahren durch die Abgabe von Sperrerklärungen bzw. durch die Verweigerung oder die Beschränkung von Aussagegenehmigungen - beides Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG - , geheim zu halten26. Zuständig für die Abgabe von Vertraulichkeitszusagen ist die Staatsanwaltschaft 27. Eine Kompetenz der Polizei hierfür besteht auch in Eilfällen nicht 28 . Trotz einer wirksamen Vertraulichkeitszusage muss der Einsatz von V-Personen aktenmäßig dokumentiert werden 29 . Die Geheimhaltung der Identität der Handelnden ist durch die Verwendung von Decknamen zu gewährleisten. Durch eine Sperrerklärung nach § 96 StPO können bestimmte Aktenteile, die Rückschlüsse auf die Identität der Privatperson zulassen, dem gerichtlichen Verfahren entzogen werden. Die Vorschrift gilt zudem analog für gerichtliche Auskunftsverlangen 30. Zuständig für die Abgabe einer Sperrerklärung ist gemäß § 96 StPO die oberste Dienstbehörde. Bei polizeilich geführten Ermittlungsakten ist oberste Dienstbehörde allerdings nicht der Innenminister, sondern der Justizminister 31. Eine Sperrerklärung ist zulässig, wenn der V-Person oder ihr nahestehenden Personen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen und wenn ohne eine solche Sperrung die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährdet oder erheblich erschwert würden 32 . Folge einer vom Gericht hinzunehmenden Sperrerklärung ist, dass die gesperrten Akten bzw. Aktenteile nicht herausgegeben werden müssen. Eine Beschlagnahme der Akten scheidet ebenfalls aus33. Etwas anderes gilt nur, wenn die Sperrung aus willkürlichen oder offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Gründen erfolgt oder keine Sperrerklärung abgegeben wird 34 . Die Möglichkeit, in allen anderen Fällen statt der nach § 96 StPO gesperrten Zeugen Beweissurrogate gegen den Angeklagten zu verwenden, stellt keinen Verstoß gegen Art. 19 IV GG dar 35 . Insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts,

25 26 27 28

29 30 31 32 33 34 35

§71. §711,2. §7 IV, 1. §7 IV, 2. § 7 V I

§811. §8111. §8 IV. §8 VI, 3. §8 VI, 2. §8 VI, 4.

Wesentliche Ergebnisse das § 99 VwGO a.F., der fast wortgleich zu § 96 StPO die behördliche Zurückhaltung von Akten im Verwaltungsprozess regelte, wegen Verstoßes gegen Art. 19 IV GG aufhob, ist auf das Strafverfahren nicht übertragbar 36. Eine gerichtliche Anfechtung der Sperrerklärung durch das Gericht ist nicht möglich 37 . Die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte, dessen Verteidiger und ein eventueller Nebenkläger können jedoch diese Verwaltungsentscheidung anfechten. Da es sich bei einer Sperrerklärung um einen Justizverwaltungsakt handelt, ist gemäß § 23 EGGVG Klage vor dem Oberlandesgericht zu erheben 38 . Entgegen der h.M. gilt dies auch, wenn der Innenminister als oberste Dienstbehörde die Sperrerklärung abgegeben hat 39 . Die Durchsetzung einer Vertraulichkeitszusage durch Versagung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung kommt u.a. bei V-Leuten in Betracht, die nach dem Verpflichtungsgesetz formlich verpflichtet wurden, da auf diese § 54 StPO anzuwenden ist 40 . Die Staatsanwaltschaft ist für die Erteilung der Aussagegenehmigung hinsichtlich aller im repressiven Bereich eingesetzten Beamten und Privatpersonen zuständig41. Dies gilt entgegen der h.M. insbesondere auch für Polizeibeamte42. Die Gründe für die Beschränkung oder Versagung einer Aussagegenehmigung nach § 54 StPO entsprechen denen des § 96 StPO, da beide Vorschriften dem gleichen Zweck dienen, nämlich geheimhaltungsbedürftige Tatsachen nicht offenbar werden zu lassen43. Die Verweigerung einer Aussagegenehmigung für einen Beamten ist vor den Verwaltungsgerichten anzufechten, da § 126 I BRRG eine aufdrängende Sonderzuweisung darstellt 44. Für förmlich verpflichtete V-Leute gilt diese Sonderzuweisung hingegen nicht, so dass gemäß § 23 EGGVG die Oberlandesgerichte für die Überprüfung der Versagung der Aussagegenehmigungen zuständig sind 45 . Die hieraus folgende Rechtswegaufspaltung kann nur durch den Gesetzgeber beseitigt werden. Eine Konzentration der Verfahren bei den Oberlandesgerichten gemäß § 23 EGGVG erscheint dabei als sachgerecht46.

36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

§8 VI, 4 c). §8 VII, 1. §8 VII, 2. §8 VII, 3d). §91. §911. §911, 1. §9111. § 9 V, 3. § 9 V, 4. Siehe den diesbezügliche Gesetzesänderungsvorschlag unter § 9 V, 5.

268

Wesentliche Ergebnisse Übersicht über die Zuständigkeiten und Rechtswege bei der Umsetzung einer Vertraulichkeitszusage im repressiven Bereich Zuständigkeit

Rechtsweg

Vertraulichkeitszusage

Staatsanwaltschaft

Kein Rechtsweg

Sperrerklärung

JM (k.M. IM)

JM - §§ 23 ff. EGGVG

IM (bei Gemengelage)

IM - §§ 23 ff. EGGVG (k.M. § 40 VwGO)

Aussagegenehmigung

JM für V-Personen und V-Personen - §§ 23 ff. Beamte (k.M. IM für V- EGGVG Personen und für PolizeiBeamte - § 40 VwGO, § 126 beamte) BRRG (de lege ferenda §§23 ff EGGVG)

JM = Justizminister; IM = Innenminister.

4. Teil Die Rechtmäßigkeit von Sperrerklärungen bzw. Verweigerungen von Aussagegenehmigungen ist anhand der sog. Drei-Stufen-Theorie festzustellen 47. A u f der ersten Stufe ist zu prüfen, ob die Zeugenschutzmöglichkeiten des Strafverfahrensrechts ausreichen, um den Zeugen während einer Vernehmung in der Hauptverhandlung zu schützen48. Die Vernehmung unter optischer und/oder akustischer Abschirmung des Zeugen ist unzulässig49. In Betracht kommt aber eine Verfremdung des Äußeren 50. Von der Vernehmung des Zeugen darf der Verteidiger nicht ausgeschlossen werden. Nur unter den Voraussetzungen von § 138a I StPO ist sein Ausschluss vom gesamten Verfahren zulässig51. Eine kumulative Anwendung der einzelnen Zeugenschutzmöglichkeiten vermag häufig die im Einzelfall bestehende Gefahr fur den Zeugen abzuwenden52. Ist die Gefährdung des Zeugen jedoch so erheblich, dass eine Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen ist, muss auf der zweiten Stufe geprüft werden, ob der Zeuge zumindest kommissarisch vernommen werden 47 48 49 50 51 52

Siehe zu dieser Einleitung Teil 4. Siehe zu diesen Zeugenschutzmaßnahmen § 10 II. §1011,7. § 1011,8. §1011,9. § 10 II, 11.

Wesentliche Ergebnisse kann 53 . Dabei ist gemäß § 224 I StPO zu beachten, dass über die geplante kommissarische Vernehmung die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und dessen Verteidiger zu informieren sind. Die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würden. Hierunter fallen allerdings nur zeitliche Verzögerungen der Untersuchungshandlung 54. Kann der Zeuge wegen der ihm oder seinen Angehörigen drohenden Gefahren weder in der Hauptverhandlung noch kommissarisch vernommen werden, so muss auf der dritten Stufe geprüft werden, ob eine Beweissurrogation in Betracht kommt 55 . Die Verlesung von Vernehmungsprotokollen 56 oder die Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen 57 scheidet jedoch aus, wenn der unmittelbare Zeuge, z.B. ein V-Mann, willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich gesperrt wurde 58 . Eine Beweissurrogation würde in einem solchen Fall gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen 59. Eine nur fehlerhafte Begründung der Sperrung hindert eine Beweissurrogation hingegen nicht 60 . Beweisanträge auf Vernehmung des unmittelbaren Zeugen dürfen im Falle der Sperrung wegen Unerreichbarkeit des Zeugen gemäß § 244 III StPO abgelehnt werden 61 . Der Angeklagte kann nicht die Aussetzung des laufenden Strafverfahren verlangen, wenn er gerichtlich gegen die behördliche Sperrung des unmittelbaren Zeugen vorgeht 62 . Wird ein gefährdeter Zeuge unter Anwendung von Zeugenschutzmaßnahmen in der mündlichen Verhandlung vernommen oder seine Aussage durch Surrogate in das Verfahren eingeführt, so sind an die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen besonders strenge Anforderungen zu stellen. Die Angaben eines anonymen Zeugen können nur dann tragfähige Grundlage einer Verurteilung sein, wenn sie durch andere Beweise oder Beweisanzeichen bestätigt werden 63. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines anonymen Zeugen darf sich das Gericht nicht auf die Einschätzung anderer, z.B. eines Zeugen vom Hörensagen verlassen, sondern es muss versuchen, Anknüpfungspunkte fur eine ei-

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

§ Π I. § 11 I 3. Siehe § 11 II. § 11 II, 1 und 2. § 11 II 3. § 121, 2d). § 12 I, 2 d, cc). Siehe § 12 II sowie III. §12 IV. § 12 V, 3. § 13 I.

270

Wesentliche Ergebnisse

gene Beurteilung zu ermitteln 64 . Bei der Würdigung einer Zeugenaussage wird in erster Linie nicht nach der allgemeinen Glaubwürdigkeit des Zeugen als einer dauerhaften personalen Eigenschaft geforscht. Nach den Erkenntnissen der forensischen Psychiatrie können aus der allgemeinen Glaubwürdigkeit nämlich noch nicht ohne weiteres generelle Schlüsse auf die spezielle Glaubwürdigkeit gezogen werden, daher muss anhand der Sachaussage des Zeugen beurteilt werden, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben entsprechen 65. Neben dem verbalen kommt es dabei auch auf das nonverbale Aussageverhalten des Zeugen an. Die (spezielle) Glaubwürdigkeit lässt sich in der Regel hinreichend sicher beurteilen, wenn der unmittelbare Zeuge, z.B. ein V-Mann, in der Hauptverhandlung vernommen wurde. Dies gilt auch dann, wenn er gemäß § 68 III StPO seine Identität verschweigen durfte und eventuell andere Zeugenschutzmaßnahmen kumulativ zur Anwendung kamen. Eine derartige Aussage kann gegebenenfalls eine Verurteilung des Angeklagten tragen 66. Wurde die Aussage des Zeugen wegen dessen Gefährdung hingegen nur durch Beweissurrogate in das Verfahren eingebracht 67, müssen stets noch weitere Beweise bzw. Indizien ermittelt werden, um den Angeklagten zu überfuhren 68. Diese Beweise oder Beweisanzeichen müssen zudem daraufhin überprüft werden, ob sie von dem gesperrten Zeugen manipuliert wurden 69 . Die Strafverfolgungsbehörden müssen in derartigen Verfahren von Anfang an bemüht sein, weitere Beweisquellen einzusetzen oder zu ermitteln, um die Defizite bei der Beweiswürdigung des gesperrter Zeugen abzugleichen. Eine Verurteilung darf zumindest nicht allein auf die Aussage eines gesperrten Zeugen gestützt werden 70.

64 65 66 67 68 69 70

§ 13 1, 2 b). §10 II, 7 c). Siehe § 13 II, 1 sowie III. Siehe § 11 II. Siehe § 13 II, 2 und III. § 13 II,2c,ee). § 13 III.

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arverzeichnis Ablehnung eines Beweisantrages 244 Abschirmung - optische und

Fokussierung des Ermittlungsverfahrens 260

akustische 207 Agent Provocateur 49

Gefährdung 193

Aktenführung 134

Gewohnheitsrecht 109

Aktivität und Passivität 80

Glaubwürdigkeit 254

Allgemeines Persönlichkeitsrecht 96

Graphic Equalizer 207

Auskunfitsverlangen 140 Aussagegenehmigung 176 ff.

In camera Verfahren 160

Ausschluss der Laienrichter 214

Informant 49

Ausschluss der Öffentlichkeit 201

Informationsbeherrschungsrechte 239

Ausschluss des Verteidigers 212

Instrumentalisierung 82

Aussetzung des Verfahrens 246

Irrtumsbedingte Selbstbelastung 84

Beschlagnahme 154

Justizverwaltungsakt 169

Beweisverwertung 236 Beweisverwertungsverbot 237

Keuschheitsprobe 33

Beweiswürdigung 249 ff.

Klagebefugnis 163 Kommissarische Vernehmung 216

Chancengleichheit 66 Legende 32 Eigenverantwortlichkeit 83, 89

Lockspitzel 49

Einverständnis 99 Entfernung des Angeklagten 199

Nemo-tenetur-Prinzip 78

Ermächtigungsgrundlage 102, 122

Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte 39 Notkompetenz 131

Faires Verfahren 63 Fehlerhafte Sperrung 241

Organisierte Kriminalität 25

Sachwortverzeichnis Pauschale Vertraulichkeitszusage 129

Unverletzlichkeit der Wohnung 97

Privatdetektiv 49 Protokollverlesung 221, 224

Verdeckte Ermittler 31

Pygmalion Effekt 258

Verdeckte Ermittlungen 24 Verfremdung des Äußeren 211

Recht auf informationelle Selbstbestimmung 68

Vernehmungsbegriff 85 Vertraulichkeitszusage 125 Verwaltungsakt 126

Schriftliche Äußerungen 226

Verwaltungsrechtsweg 168

Schwellentheorie 111

Videovernehmung 203

Sperrerklärung 138

Vorkonstitutionelles Gewohn

Sphärentheorie 73

heitsrecht 109

Strafzumessungslösung 55

V-Person - heiße und kalte 45

Tatprovokation 50

Wesentlichkeitstheorie 60

Täuschungsverbot 88

Willkürliche, offensichtlich rechts-

Totalvorbehalt 59

missbräuchliche Sperrung 233

Übergangsbonus 103

Zeuge vom Hörensagen 221

Under Cover Agent 43

Zollkriminalamt 41