Die Untreuestrafbarkeit des Vorstands einer Aktiengesellschaft [1 ed.] 9783428539901, 9783428139903

Die geltende Konzeption der Untreuestrafbarkeit lässt sich mit dem Passus »Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands gege

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Die Untreuestrafbarkeit des Vorstands einer Aktiengesellschaft [1 ed.]
 9783428539901, 9783428139903

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Schriften zum Strafrecht Heft 237

Die Untreuestrafbarkeit des Vorstands einer Aktiengesellschaft Von

Kristina Nattkemper

Duncker & Humblot · Berlin

KRISTINA NATTKEMPER

Die Untreuestrafbarkeit des Vorstands einer Aktiengesellschaft

Schriften zum Strafrecht Heft 237

Die Untreuestrafbarkeit des Vorstands einer Aktiengesellschaft

Von

Kristina Nattkemper

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-13990-3 (Print) ISBN 978-3-428-53990-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83990-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Danksagung Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Klaus Bernsmann. Schon in Studienzeiten und auch während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl haben mich seine Auffassungen, Ansichten und Anschauungen tief beeindruckt und nachhaltig geprägt. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Wolters für die Übernahme und rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Auch seine Vorlesungen haben zu meiner besonderen Affinität zum Strafrecht entscheidend beigetragen. Darüber hinaus danke ich den Mitarbeitern des Lehrstuhls von Herrn Prof. Dr. Bernsmann ganz herzlich. Dies gilt insbesondere Frau Ute Knaudt, die mir stets unterstützend zur Seite stand. Besonders danken möchte ich Frau Dr. Jenny Lederer für das akribische und kritische Lesen meiner Arbeit und dafür, dass sie immer – in juristischer wie zwischenmenschlicher Hinsicht – für mich da war und ist. Für das sorgfältige Korrekturlesen meiner Arbeit danke ich außerdem Herrn Dr. Jens Sickor sowie Herrn Sören Scheibel. Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank meiner Familie. Insbesondere meine Eltern – Herr Prof. Dr.-Ing. Udo Ossendoth und Frau Brita Ossendoth – waren mir mit ihren konstruktiven Anregungen eine große Hilfe. Bei der Verwirklichung meiner Ziele stand mir meine Mutter immer tatkräftig und liebevoll zur Seite. Danken möchte ich vor allem auch meinem Ehemann, Herrn Philipp Nattkemper, der mir stets wertvolle Denkanstöße liefert, mich mit unendlicher Geduld unterstützt und mich durch Höhen und Tiefen voller Verständnis begleitet. Danke! Bochum, im Januar 2013

Kristina Nattkemper

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aktiengesellschaft, Publikumsgesellschaft, Großunternehmen, Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Börsennotierung als notwendige Eigenschaft des Untersuchungsgegenstandes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konzentration auf den Treuebruchtatbestand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1 Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands A. Erklärungsmodell „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bezugspunkt 1: Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das „Mannesmann-Urteil“ des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reaktionen auf das „Mannesmann-Urteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fallgruppe „Kreditvergabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das „Kinowelt-Urteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fallgruppe „Spenden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bezugspunkt 2: Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versuch einer induktiven Vorgehensweise anhand der Pflichtverletzung 2. Systematisierung der Pflichtverletzungen des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . a) Grenzen eines Einverständnisses als Handlungsgrenzen . . . . . . . . . . . aa) Formale Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grenzen eines Einverständnisses im Falle der Untreue gegenüber einer GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Monistische Ausrichtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Übertragung auf die AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hauptversammlungsbeschluss, Satzung, Anstellungsvertrag, Gesetz und allgemeines Schädigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Interessengenese im Zusammenspiel mit Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . 1. Kollektiver Interessebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. 3. 4. 5. 6.

Zweckgebundener Interessebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entgegenstehende Erkenntnisse der Literatur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis und weitere Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelfunktion des Interesses der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Gründe, das Erklärungsmodell zu hinterfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Innerstrafrechtliche Inkonsistenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Rechtsgutvertauschung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlschluss vom Schaden auf die Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inkonsistenzen am Schnittpunkt von Straf- und Gesellschaftsrecht . . . . . . . 1. Entwicklung des Aktien- und Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsächliche Entwicklung von (Groß-)Unternehmen und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Gang der weiteren Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Versuch der Legitimation der Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bei fehlender Legitimation: Diskussion eines alternativen Modells . . . . . . .

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Kapitel 2 Legitimation der strafrechtlichen Konzeption aus der rechtlichen Umwelt A. Subsystem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Transformation der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Verhältnis der strafrechtlichen „Gesellschaft“ zu den gesellschaftsrechtlichen „Gesellschaftern“ und „Anteilseignern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Verhältnis des strafrechtlichen „Interesses der Gesellschaft“ zum gesellschaftsrechtlichen „Gesellschaftsinteresse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Verhältnis des strafrechtlichen „Schädigungsverbots“ zum gesellschaftsrechtlichen „Gewinnmaximierungsgebot“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IV. Verhältnis des strafrechtlichen „Schädigungsverbots“ zur gesellschaftsrechtlichen Maximierung des „Shareholder Value“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 V. Verhältnis der strafrechtlichen „Existenzgefährdung“ zur gesellschaftsrechtlichen „Bestands- bzw. Existenzvernichtung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 C. Monistische Ausrichtung der §§ 76, 93 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ermessen und § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (deutsche „Business-JudgementRule“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. ARAG/Garmenbeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmerische Entscheidung und Wohl der Gesellschaft . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis aa) Rechtsdogmatisch: „Zurückdrängung richterlicher Prüfungskompetenz“, „safe harbour“ oder „Entkoppelung von Sorgfaltsund Prüfungsmaßstäben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begründung: hindsight biases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begründung: Der Richter als „fachlicher Laie“ . . . . . . . . . . . (3) Begründung: Der Richter als Substitut der Märkte . . . . . . . . (4) Begründung: Der Richter als Prüfer von Ermessensfehlern . bb) Rechtsdogmatisch: Unwiderlegbare Vermutung objektiv pflichtkonformen Verhaltens, Fiktion oder Tatbestandsausschluss . . . . . cc) Rechtsdogmatisch: Klarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begründung: Gesetzliche Gestaltung der wirtschaftlichen „Wirklichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begründung: Ermessensspielraum als notwendiger Ausdruck des Interessenausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Handeln auf der Grundlage angemessener Information . . . . . . . . . . . . d) Loyalitätsprinzip als Handeln ohne Sonderinteressen, sachfremde Einflüsse und fehlende Treuepflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entweder: Verpflichtung des Vorstands auf das Gesellschaftsinteresse . . . . III. Oder: Verpflichtung des Vorstands auf das Unternehmensinteresse . . . . . . . 1. Unternehmensbezug des Unternehmensinteresses – Begriff des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmen als konzerndimensionaler Begriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmen im Verhältnis zur Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Historische Entwicklung des Unternehmensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . d) Negative Abgrenzung zum Begriff des „Betriebs“ . . . . . . . . . . . . . . . . e) Negative Abgrenzung zum Begriff der „Unternehmung“ . . . . . . . . . . f) Positive Ableitung vom Begriff des „Unternehmers“ . . . . . . . . . . . . . . g) Weitere positive Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ausgangpunkt: Unternehmensbegriff nach J. v. Gierke . . . . . . . . . . . . i) Das Unternehmen als Sozialverband oder sozialer „Verband“ . . . . . . j) Das Unternehmen mit mitgliedschaftlicher Struktur . . . . . . . . . . . . . . k) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Das Unternehmen als Wertschöpfungsveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . m) Das Unternehmen in austauschtheoretischer Betrachtung . . . . . . . . . . n) Das Unternehmen als Machtzentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . p) Das Unternehmen als System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis q) „Unternehmen an sich“ als Verselbständigung des Unternehmens? . . aa) Rathenau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haussmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Netter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pluralistischer Bezug des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmensinteresse als materieller Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unternehmensinteresse als Interesse an Bestand und Rentabilität bb) Bildung einer Vergleichsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Für wen/aus welchem Grunde soll das Unternehmen bestehen und rentabel wirtschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis: materielle Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmensinteresse als prozessuale Verfahrensvorgabe . . . . . . . . aa) Laske: Unternehmensinteresse als Diskursmodell . . . . . . . . . . . . . bb) Brinkmann: Unternehmensinteresse als integriertes Gesamtinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Jürgenmeyer: Unternehmensinteresse durch Wechselwirkungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) v. Werder: Unternehmensinteresse als „regulative Leitidee“ . . . . ee) Mertens: Aktuelles Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Clemens: Unternehmensinteresse als Interessenvergemeinschaftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Flume: Unternehmensinteresse als Interesse der juristischen Person als „Ideales Ganzes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Teubner: Unternehmensinteresse als Abstimmungsprozess . . . . . ii) Kessler: Unternehmensinteresse als Kompromiss . . . . . . . . . . . . . jj) Großmann: Unternehmensinteresse als Verfahrens- und Organisationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Existenzvernichtender Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anteilseigner/Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielbildungskompetenz der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gestalt der Zielkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis der Zielkomponente zum Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Struktur- und Grundlagenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschriebene Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hauptversammlungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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c) Exkurs: Haftung – insbesondere Binnenhaftung/Außenhaftung . . . . . aa) Haftung „gegenüber“ Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung „gegenüber“ Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ungeschriebene Kompetenzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zweckbildung: Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Insbesondere: Beschluss über Verwendung des Bilanzgewinnes – §§ 58, 174, 254 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Insbesondere: Beschluss über Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre – § 243 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Insbesondere: Geltendmachung von Ersatzansprüchen – §§ 147, 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Legitimation eines monistischen Modells durch Eigentum . . . . . . . . . . . . a) Eigentum in seiner verfassungsrechtlichen Dimension: Art. 14 GG und „Ordnungsmacht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Aktiengesellschaft als juristische Person . . . . . . . . . . . . . (2) Der Gesellschafter als Teilnehmer des Kapitalmarktes . . . . . bb) Eingriff und Inhaltsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sozialpflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigentum als Ordnungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Trennung des Eigentums von der Leitungsmacht . . . . . . . . . . . . . bb) Trennung des Eigentums von der natürlichen Person . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestellung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materielle Voraussetzungen der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Voraussetzungen der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materieller Aussagegehalt der Mitbestimmung im Aufsichtsrat . . . . . . . . a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangspunkt: drei Grundfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Recht aus Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verständnis des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Machtausübung, Legitimationslücke und Demokratisierung . . . . ff) Psychologisches Gegenkraftmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung der Ausgestaltung der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insbesondere: Festsetzung der Vorstandsbezüge – § 87 AktG . . . . . . . . .

244 245 246 247 247 250 251 252 252 253 254 254 254 255 255 256 257 258 261 262 264 268 269 269 269 270 271 273 275 275 276 276 277 278 280 280 281

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Inhaltsverzeichnis 4. Insbesondere: Sonstige Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats – § 111 Abs. 3, 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Exkurs: Arbeitnehmerbelange – § 193 Abs. 2 AktG, § 289 Abs. 3 HGB 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insbesondere: Einrichtung eines „Frühwarnsystems“ – § 91 Abs. 2 AktG 2. Aktienoptionsprogramme – §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 71d, 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 AktG, 315a HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verpflichtung auf das Wohl des Betriebes, seiner Gefolgschaft und dem gemeinen Nutzen des Volkes – § 70 Abs. 1 AktG 1937 . . . . . . . . . . . . . . . 4. DCGK/§ 161 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

282 284 285 285 286 287 288 290

E. Zwischenergebnis: Blinder Fleck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 F. Subsystem Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Kapitel 3 Legitimation der strafrechtlichen Konzeption aus der wirtschaftlichen Umwelt

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A. Zulässigkeit der Übernahme interdisziplinärer Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . 299 B. Transformation der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 C. Legitimation anhand monistischer wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze . . I. Einheit von Risiko und Macht, Wohlfahrtsprinzip, Harmonieprämisse und Zwangshypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Monistische Ausrichtung der Wirtschaftswissenschaften als paradigmatisches Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Paradigmas und Übertragung auf die Wirtschaftswissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilhabe des Rechts am wirtschaftswissenschaftlichen Paradigma? . . . . 3. Instabilität des Paradigmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehung des Paradigmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhaltenswissenschaftliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neue Institutionenökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wirtschaftsethik, Unternehmensethik und St. Galler ManagementModell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Shareholder Value-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

307 307 310 319 320 320 323 325 325 328 329 333 334 339 341 341

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 4 Ergebnisse der Untersuchung – Teil I

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Kapitel 5 Vorschlag einer alternativen Konzeption A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands gegenüber dem Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtlicher Komplexitätsfilter I: Interessen des Unternehmens und Interesseverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Unternehmen als soziale Realität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Unternehmen als ökonomischer Faktor und rechtliche Schöpfung . 3. Das Unternehmen als komplexes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschlossenheit des Systems (Rechtlicher Komplexitätsfilter II) . . . b) Offenheit des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Funktion des Vorstands – Schlüsselvorschriften: §§ 76, 93 AktG . . . . . . a) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesetze, Satzung, Beschluss und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewinnmaximierung/Schädigungsverbot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtlicher Komplexitätsfilter III: Verhältnis der Interessen zueinander . . . III. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtlicher Komplexitätsfilter IV: Vermögensinteressen und objektive Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtlicher Komplexitätsfilter V: Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Ergebnisse der Untersuchung – Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Monographien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Festschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446

Einleitung Die Untreuestrafbarkeit ist in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher Publikationen geworden. Je mehr dabei eine Fokussierung auf den Straftatbestand stattfand und man diesem im Einzelnen – insbesondere durch Bildung sog. „Fallgruppen“ – scheinbar näher rückte, desto mehr schienen seine Konturen zu verschwimmen. Statt von begrifflicher Schärfe muss man heute wohl von einer Unberechenbarkeit der Untreuestrafbarkeit sprechen.1 Es scheint an der Zeit, den Fokus wieder zu weiten. Die folgende Untersuchung will einen Beitrag dazu leisten, die Untreuestrafbarkeit für einen kleinen Ausschnitt der Realität – das besondere Verhältnis des Vorstands zur Aktiengesellschaft – in ihrem Gesamtzusammenhang in den Blick zu nehmen. Als Bezugsgrößen bieten sich verschiedene Umsysteme an, die, betrachtet man die Untreuestrafbarkeit weniger unter der strafrechtlichen Lupe denn aus gewisser Entfernung, unweigerlich in das Gesichtsfeld rücken: Tritt man einen Schritt zurück, wird augenscheinlich, dass das Aktienrecht die Untreuestrafbarkeit nicht nur marginal beeinflusst. Dass die beiden Rechtsgebiete des Straf- und Gesellschaftsrechts nicht unverbunden nebeneinander stehen, ist bekannt. Erklärtes Ziel dieser Arbeit ist es, die Koppelung der Systeme weniger am bisher bemühten Tatbestandsmerkmal der „Pflichtverletzung“ festzumachen, sondern vorrangig am „Interessebegriff“, der sich aufgrund seiner Offenheit besser eignet, die Gesamtzusammenhänge sichtbar zu machen, im Rahmen der Untreuediskussion aber häufig einer Abbreviatur zum Opfer fällt. Tritt man einen weiteren Schritt zurück, kommt neben dem Rechtssystem u. a. das Wirtschaftssystem in den Blick. Auch dieser Zusammenhang ist an der Untreuediskussion nicht vorbeigegangen:2 Unabhängig davon, ob versucht wird, durch die Androhung der Untreuestrafbarkeit – trotz der Bedenken gegen die Interventionsfähigkeit des Rechts in anderen Gesellschaftssystemen – wirtschaft-

1 Pointierte Formeln wie „Alles Untreue?“, Bernsmann, GA 2007, 219; „Untreue – Ein Auffangtatbestand?“, Dierlamm, NStZ 1997, 534; „§ 266 StGB passt immer“, Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, sind augenscheinliche Symptome. 2 Dies dürfte in diametralem Gegensatz zu der Situation noch Ende der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts stehen: Nach Geilen, Aktienstrafrecht, vor § 399 Rn. 10, und Tiedemann FS Tröndle, 1989, S. 319 f., war der § 266 StGB seinerzeit im Wirtschaftsleben weithin unbekannt und daher zu einer Generalprävention weitgehend ungeeignet; vgl. zu einer Zunahme der Verfolgung wegen möglicher Untreuestrafbarkeit auch jüngst Beukelmann, NJW-Spezial 2009, 152.

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liche Realität zu regulieren und zu korrigieren,3 oder vor einer Instrumentalisierung der Untreuestrafbarkeit für ein fragwürdiges ökonomisches Sachzwangdenken gewarnt wird,4 stets ist das Verhältnis von Rechts- und Wirtschaftssystem in seinen Grundlagen betroffen. Eine genauere Untersuchung der Wechselwirkungen fehlt jedoch bislang und kann auch in dieser Untersuchung wiederum nur für einen kleinen Ausschnitt der Realität versucht werden. Zum Gang der Arbeit: Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Rechtsprechung des BGH zur Untreuestrafbarkeit mit Bezug zur Aktiengesellschaft (Kapitel 1). Es sei vorweggenommen, dass sich die Interessengenese der Aktiengesellschaft nach der Konzeption des BGH vielschichtig, anhand von gesetzlichen Regelungen, Satzungsbestimmungen, Beschlüssen usw. vollzieht, letztlich aber immer auf den monistischen Grundgedanken hinausläuft, dass sich der Vorstand vorrangig an erwerbswirtschaftlichen Aspekten auszurichten habe. Ausprägungen dieser monistischen Konzeption sind vor allem der einprägsame Passus „Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands zugunsten der Gesellschaft“ und das sich als „griffige“ Formel präsentierende „allgemeine Schädigungsverbot“. Gemäß der Prämisse, dass es im Fall der juristischen Person, die vorrangig juristisches, als Aktiengesellschaft aber auch wirtschaftliches Konstrukt ist, Anknüpfungspunkte für die Interessengenese bedarf, schließt sich der Versuch an, die monistische Konzeption der Untreuestrafbarkeit zu legitimieren. Dies impliziert die Öffnung des Interessebegriffs, und damit des § 266 StGB sowohl für die strafund aktienrechtliche Umwelt (Kapitel 2) als auch für das Wirtschaftssystem (Kapitel 3). Zwar sind sowohl „Gesellschaftsinteresse“, „Shareholder Value-Doktrin“ und das „erwerbswirtschaftliche Prinzip“ als Pendants zum strafrechtlichen Monismus (fast) allgegenwärtig, ob sie ausreichen, die strafrechtliche Konzeption zu stützen, ist damit nicht ausgemacht. Das pluralistisch ausgerichtete „Unternehmensinteresse“, die Belange der „Stakeholder“ und die „soziale Verantwortung von Unternehmen“ sind – momentan beschleunigt – erstarkende Gegenkräfte, die auch die Untreuestrafbarkeit nicht gänzlich unberührt lassen können. Bereits an dieser Stelle sei vorweggenommen, dass die Legitimation der Untreuekonzeption für den gewählten Ausschnitt der Realität nicht gelingen wird (Zusammenfassung der Ergebnisse in Kapitel 4). Es schließt sich daher der Entwurf einer alternativen Konzeption an (Kapitel 5).

3 Nach Dahs, NJW 2002, 272 f., werde vielen als treuwidrig oder irgendwie als unkorrekt empfundenen Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben der Tatbestand des § 266 StGB „übergestülpt“. 4 Thomas FS Hamm, 2008, S. 767, 775 ff., hebt hervor, dass – etwa bei der Frage des Arbeitsplatzabbaus oder von Preisverhandlungen – der Untreuetatbestand nicht „als strafrechtliches Vehikel dienen soll, um eine von jedweder Rücksichtnahme befreite radikale Durchsetzung von Interessen zu flankieren“; nach Matt, NJW 2005, 389, werde das Recht nicht selten für die Moral instrumentalisiert.

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I. Aktiengesellschaft, Publikumsgesellschaft, Großunternehmen, Mitbestimmung Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes Betrachtet werden soll ausschließlich die Aktiengesellschaft mit dem Gegenstand „Betrieb eines Handelsgewerbes“ (vgl. § 3 Abs. 1 AktG), die sich nicht in Auflösung befindet. All die Eigenschaften, die zum Überdenken der Pflichtenstellung des zur Entscheidung berufenen Organs gegenüber der Gesellschaft Anlass geben, sind hier in ihrer extremen Form vorhanden.5 Die Aktiengesellschaft zeichnet sich jedenfalls in der Regel durch ihre Größe aus6, die zu einem gesteigerten Interesse der Öffentlichkeit7 und einer größeren gesamtwirtschaftlichen Bedeutung führt.8 5

So bereits Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 222. „Sechser Bericht“, 1968, S. 78; daher passen die folgenden Überlegungen, die zu Groß-„Unternehmen“ angestellt werden, in besonderem Maße auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft; damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass Großunternehmen auch andere Rechtsformen annehmen können, die Untersuchungen zu Großunternehmen sogar größtenteils rechtsformunabhängig angestellt werden, nur sind diese nicht Gegenstand der Untersuchung; nach Großmann, Unternehmensziele, S. 128, ist die typische Form von Großunternehmen die AG; Peter Ulrich, Großunternehmung als quasiöffentliche Institution, S. 161. 7 Vgl. Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 352; vgl. auch: Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 40, nach dem Entscheidungen getroffen werden, von denen das Schicksal zahlloser Menschen abhängen; Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 32, 42, bezieht dies auf seine Beschreibung der Aktiengesellschaft mit Institutscharakter, der ausdrücke, dass „Großunternehmungen“ auf ihre Bedeutung und Stellung im allgemeinen Wirtschaftsleben Rücksicht zu nehmen haben und dass die Verantwortung der Leiter derartiger Unternehmungen der Allgemeinheit gegenüber mit dem Wachsen des Unternehmens steigt; nach Keynes, Das Ende des Laissez-faire, S. 32, zeigen große Aktiengesellschaften die Tendenz zur Sozialisierung; Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 224; Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 74, 76 f.: „Groß- und Größtunternehmen sind zweifellos über den privaten Bereich hinausragende Machtgebilde“; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 117 f., beschreibt dies plastisch anhand der Unterscheidung zwischen Organisation und der sog. „small group“; nach Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 12, übersteige die Verwaltung mancher Großunternehmen an Arbeitsumfang, Personalaufbau und an Aufgabenwechsel die Regierung eines Kleinstaates dieser Zeit und die eines Großstaates vergangener Zeit; Schmoller, Schriften des Vereins für Socialpolitik 116 (1906), S. 269, erinnern die „Riesenaktiengesellschaften“ an Machtzentren ähnlich den Selbstverwaltungskörperschaften; nach Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 27, 71, handelt es sich um Institutionen von öffentlichem Interesse; Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 182, sieht die „Großunternehmung“ daher immer weniger als isolierbares Wirtschaftsgebilde, das sich auf wirtschaftliche Ziele beschränken kann. 8 So bereits Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 14; vgl. auch MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 86; Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 17; Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 38 f., nach dem die Zunahme der Größe von Unternehmen überleitet „zu der grundsätzlichen Feststellung der Tatsache, in der die Wesenswandlung, die Substitution des Grundes gipfelt: Die Großunternehmung ist heute überhaupt nicht mehr lediglich ein Gebilde privat6

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Die Größe lässt zudem eine Abschwächung der („mittelbaren“) Eigentumsposition der Aktionäre9 und eine gesteigerte Machtposition der Verwaltung,10 die vom Entscheidungsfreiraum des Vorstands nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG flankiert wird,11 erwarten. Dies führt auch zu dem Phänomen der Verselbständigung und der „Trennung von Leitung und Eigentum“.12 rechtlicher Interessen, sie ist vielmehr, sowohl einzeln wie in ihrer Gesamtzahl, ein nationalwirtschaftlicher, der Gesamtheit angehöriger Faktor, der zwar aus seiner Herkunft, zu Recht oder zu Unrecht, noch die privatrechtlichen Züge des reinen Erwerbsunternehmens trägt, während er längst und in steigendem Maße öffentlichen Interessen dienstbar geworden ist und hierdurch sich ein neues Daseinsrecht geschaffen hat“; Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 34, der von großen Unternehmen als Produzenten von wirtschaftlichem Wohlstand und Arbeitsplätzen spricht und sie daher als „Machtzentren“ bezeichnet; insbesondere auch der „Sechser Bericht“, 1968, S. 14 ff., in dem hervorgehoben wird, dass kaum ein Bereich denkbar ist, an dem große Unternehmen nicht interessiert sein müssen bzw. sind, demgemäß könnten Großunternehmen nicht mehr als private Gebilde behandelt werden; zweifelnd ein Teil der Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 107, nach dem sich die gesamtwirtschaftliche Bedeutung nach anderen Kriterien als der Größe richte, beispielsweise danach, ob Unternehmen „faktisch nicht mehr in Konkurs gehen könnten, weil der Staat helfend eingreifen müsse“, Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 122; teils wird die Möglichkeit der Messung einer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung auch ganz abgestritten, Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 124; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 7 f., 87: „[. . .] weil Gesellschaften und Körperschaften von einer gewissen Größe an keine ,Privatangelegenheit‘ mehr sind“, S. 318: „Großunternehmen üben wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Macht aus“; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 54. 9 Vgl. bereits Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 195; Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 29; selbst nach Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 32, könne die Vielheit von Aktionären zu einer derartigen Lockerung des Bandes zwischen Aktionär und Verwaltung führen, dass das Bild der Aktionäre als Beherrscher der Verwaltung zunehmend verdunkle. 10 Insbesondere Großmann, Unternehmensziele, S. 129; diese ist freilich auch von Faktoren der Substitutionsmöglichkeit und Nachfrageelastizität abhängig – so auch Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 15, 28; Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 1; dies gilt nach Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 352, in besonderem Maße bei der Publikumsgesellschaft. 11 Zum Vergleich: Der Geschäftsführer einer GmbH ist gem. § 37 GmbHG den Weisungen der Gesellschafter unterworfen; vgl. dazu Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 19, wonach Gesellschafterbeschlüsse auch einzelne Geschäftsführungsentscheidungen in konkreten Angelegenheiten enthalten können, sowohl negativ-verbietend als auch positiv-gebietend – dies seien Weisungen durch Gesellschafterbeschluss, deren bindende Wirkung auch Folge der dominierenden Stellung der Gesellschafterversammlung in der Verfassung der GmbH ist. 12 Dazu Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 222; Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 22; I., 4. GCCG des Berliner Initiativkreises, DB 2000, 1573 f.; Raiser, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 203, 208; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 4, betonte, dass für die Rechtsform der Aktiengesellschaft die Objektstellung des Unternehmens am wenigsten passe; „Sechser Bericht“, 1968, S. 34 f.; Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 2; Vogt, Sozialverband, S. 42 – für die Kapitalgesellschaften im Allgemeinen; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 203; Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 352.

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Was ein sog. „Großunternehmen“ genau ausmachen soll, wird nicht einheitlich beurteilt. Im sog. „Sechser Bericht“ werden Unternehmen in „Kleinstunternehmen“, „kleine Unternehmen“, „mittlere Unternehmen“, „große Unternehmen“ und „Mammutunternehmen“ unterteilt.13 Als Abgrenzungskriterien werden die Merkmale Beschäftigtenzahl, Jahresumsatz und Bilanzsumme angegeben.14 Ballerstedt scheint hingegen zumindest eine zahlenmäßig bestimmbare Grenze abzulehnen, wenn er auf § 4 HGB verweist,15 der ausschließlich auf „Art oder Umfang des Geschäftsbetriebes“ abstellt. Steinmann kennzeichnet das „Großunternehmen“ als eine selbständige und unter einheitlicher Entscheidungsgewalt stehende Wirtschaftseinheit, deren Zusammenbruch schwere Störungen im Wirtschafts- und Sozialgefüge einer Volkwirtschaft hervorrufen würde.16 Da es hier nur um einen Ausschnitt der Realität geht, in dem verschiedenste Belange möglichst deutlich zutage treten sollen, erscheint es sachgerecht, die Charakteristika eines Großunternehmens an eine andere gesetzliche Regelung zu koppeln, der ebenfalls besondere Beachtung geschenkt werden soll: Bei der Rechtsform der Aktiengesellschaft ist ein Aufsichtsrat zwingend vorgeschrieben und bei einer Beschäftigung von in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG17) muss der Aufsichtsrat (paritätisch) mit Vertretern der Anteilseigner und Arbeitnehmer besetzt sein. An dieser mitbestimmungsrechtlichen Regelung werden sich die weiteren Ausführungen orientieren. Publikumsgesellschaften zeichnen sich insbesondere durch eine Vielzahl von (anonymen) Aktionären ohne unternehmerische Verantwortung aus.18 Durch die Begrenzung soll insbesondere die Vorstellung von einem aktiven, die Aktiengesellschaft dominierenden Großaktionär zurückgedrängt und (auch) das Instrument des Depotstimmrechts der Banken ins Blickfeld gerückt werden. Diese Eingrenzung beruht auf der These, dass es einen entscheidenden, auch rechtlich relevanten, Unterschied gibt zwischen Gesellschaften mit wenigen Großaktionären und einer Vielzahl von Kleinaktionären, es sich dabei also nicht um eine „bloße 13

„Sechser Bericht“, 1968, S. 79. „Sechser Bericht“, 1968, S. 80; Voraussetzungen für Unternehmensverfassung damals: 20.000 Beschäftigte, 1 Milliarde DM Jahresumsatz oder 500 Millionen DM Bilanzsumme, S. 82; nach Cassier, Wer bestimmt die Geschäftspolitik der Großunternehmen?, S. 22, soll ein Großunternehmen vorliegen, wenn es mindestens 10.000 Arbeitskräfte beschäftigt, 500 Millionen DM Jahresumsatz macht, eine Bilanzsumme von mindestens 500 Millionen DM oder ein Nominalkapital von 100 Millionen DM aufweist. 15 Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 27. 16 Vgl. Steinmann, Großunternehmen, S. 133. 17 Alternativ wird auch auf die Bestimmungen §§ 1 PublG; 5b, 22 ff. GWB; 267 HGB; 157 Abs. 4 AktG; 76, 77 BetrVG 1952 zurückgegriffen. 18 Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 22; Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 511, die dem Publikumsunternehmen das personenbezogene Unternehmen gegenüberstellt. 14

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Schattierung“ handelt.19 Diese Eingrenzung erscheint aufgrund der Verbreitung von Hedge-Fonds zunächst nicht realitätsnah. Es kommt jedoch vor allem auf das Charakteristikum der Passivität von Publikumsaktionären an; diese ist auch bei Hedge-Fonds weit verbreitet, wenn jegliche Risiken durch parallele „Wetten“ auf fallende oder steigende Kurse „gehedged“ sind. Die Untersuchung stellt auf ein Unternehmen ab, das keinem Unternehmensverbund angehört, um die „Grundform“ der Aktiengesellschaft zu beleuchten.

II. Börsennotierung als notwendige Eigenschaft des Untersuchungsgegenstandes? Gegenstand dieser Untersuchung sollen vor allem die börsennotierten Aktiengesellschaften sein. Dies erscheint insbesondere im Hinblick darauf sachgerecht, dass dem Regelwerk des „Deutschen Corporate Governance Kodex“, der als Erkenntnisquelle ebenso wie das zwingende Recht genutzt werden soll, eine Unterscheidung zwischen nicht börsennotierten und börsennotierten Aktiengesellschaften (vgl. § 3 Abs. 2 AktG) zugrunde liegt.20 Der dahinter stehende Gedanke, den „Deutschen Corporate Governance Kodex“ auf solche Fälle zuzuschneiden, in denen einem kapitalnachfragenden Unternehmen eine anonyme und diversifizierte Anlegerschaft gegenübersteht,21 erlangt auch für die hiesige Untersuchung Bedeutung.

III. Konzentration auf den Treuebruchtatbestand? Vereinfachend soll sich die Untersuchung auf den Treuebruchtatbestand der Untreue konzentrieren, der nach zwar umstrittener, aber überwiegender Ansicht, den allgemeinen Tatbestand darstellt.22 Diese Eingrenzung erleichtert die Unter19 So aber Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 24; nach Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, 2007, § 93 Rn. 37, soll auch die einzuhaltende Sorgfalt von der Art und Größe des Unternehmens abhängen; auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 297 f., 323 f., erkennt relevante Unterschiede bei der Publikumsgesellschaft. 20 Vgl. zu dieser Entscheidung Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 47 f. 21 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 57. 22 Vgl. BGH NJW 1984, 2539, 2540, wonach beim Wechsel vom Missbrauchs- hin zum Treuebruchtatbestand kein Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO erforderlich ist; nach BGH, Urteil v. 21.03.1985, 1 StR 417/84, teilweise abgedruckt in wistra 1985, 190, ist ein Eröffnungsbeschluss nicht schon dann unwirksam, wenn die Alternative des § 266 StGB nicht erkennbar ist; BGH wistra 2001, 218 f., erkennt eine gleichzeitige Verletzung des Missbrauchs- und des Treuebruchtatbestandes an; die Unterscheidung nicht als erheblich ansehend BGHSt 47, 187, 192 – SWEG; BGH NJW 2006, 453 f.; BGHSt 50, 299, 314, wonach aus der Ablehnung der Missbrauchsalternative aus Gründen des § 138 BGB „unmittelbar“ folge, dass die Treuebruchalternative eingreift; darauf könne

Einleitung

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suchung und erscheint im Hinblick darauf sinnvoll, dass sich der grundlegende Rechtsgedanke der Untreuestrafbarkeit im Treuebruchtatbestand mindestens ebenso deutlich wie in dem spezielleren Missbrauchstatbestand widerspiegeln dürfte.

der Senat von sich aus erkennen, da eine andere Verteidigung ausgeschlossen sei; den Treuebruchtatbestand ausdrücklich als den umfassenderen bezeichnend, BGH NJW 2006, 522, 525, nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331, 342; nach LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 5, 9, 17, 24, 73, handelt es sich um einen einheitlichen Tatbestand, bei dem die Missbrauchsuntreue nur ein Beispiel der Treupflichtverletzung bzw. ein ausgestanzter Unterfall und insofern überflüssig sei und „wahrnehmen“ und „betreuen“ synonym seien; ebenso Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rn. 4, 21; MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 21; NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 26; SK-Samson/Günther, StGB, § 266 Rn. 5; vgl. zum Ganzen Fischer, StGB, § 266 Rn. 6 ff.; von einem einheitlichen Tatbestand ausgehend auch Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 220 f.; a. A. insbesondere Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 2.

Kapitel 1

Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands A. Erklärungsmodell „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft“ Dass den Vorstand eine Vermögensbetreuungspflicht trifft, ist unumstritten1 und soll auch nicht Gegenstand weiterer Überlegungen sein. Eine untreuerelevante Pflichtverletzung wird zum einen eingegrenzt durch den Bezug auf eine „Hauptpflicht“ 2, zum anderen durch das Rechtsgut bzw. – genauer gesagt – durch den Rechtsgutträger3. Vor dem Hintergrund einer Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands, die sich gegenüber einem Rechtsgutträger entfaltet, soll an dieser Stelle die Prämisse aufgestellt werden, dass sich die bisherige Konzeption der fast einhelligen Ansicht zur Untreuestrafbarkeit des Vorstands auf die These „Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands gegenüber der (Aktien-)Gesellschaft“ verkürzen lässt.4 1 Vgl. etwa BGHSt 46, 30; 47, 148, 187; 49, 147; 52, 323 – Siemens (für den Bereichsvorstand); BGH, Urteil v. 21.03.1985 Az. 1 StR 417/84, teilweise abgedruckt in wistra 1985, 190; BGH wistra 1990, 148 f.; BGH StV 1995, 303; BGH NJW 2006, 453; BGH wistra 2006, 266. 2 Vgl. dazu, dass nicht jede Pflicht Teil der Vermögensbetreuungspflicht ist, BGH, Urteil vom 9.12.1987 Az. 3 StR 104/87 Rn. 5 ff., nur teilweise abgedruckt in BGHSt 35, 137; BGH NStZ 1988, 217 f.: „Die gegenteilige Forderung [dass auch die Verletzung einer Nebenpflicht zu einer Untreuestrafbarkeit führen soll] ist nicht deshalb begründet, weil die Beziehung eines Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft sich insgesamt als Treueverhältnis darstellt. Nicht jede auf Grund eines solchen Verhältnisses oder im Zusammenhang mit ihm entstehende Verpflichtung fällt ohne weiteres in den Kreis jener fremdnützigen Pflichten, deren Verletzung (durch Tun oder Unterlassen) das Handlungsunrecht des Treuebruchtatbestands verwirklicht [. . .].“; nach BGH, Urteil v. 16.3. 1993 Az. 1 StR 804/92, nur teilweise abgedruckt in NStZ 1993, 442, kann auch eine Tätigkeit im Interesse der Gesellschaft ausnahmsweise nicht der Vorstands-, sondern der Rechtsanwaltstätigkeit zugerechnet werden; dazu, dass die Pflicht zur Herausgabe von Schmiergeldern und Provisionen nach § 667 BGB keine spezifische Treuepflicht nach § 266 StGB darstellt BGH NStZ 1995, 233; zur Relativität der Vermögensbetreuungspflicht auch BGHSt 47, 295, 297 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rn. 8, 15; LKHübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 81; MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 35, 37; NKKindhäuser, StGB, § 266 Rn. 33, 62. 3 Vgl. dazu sogleich, Kapitel 1 A. I.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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Um diese Behauptung auf ihre Berechtigung zu untersuchen, muss zunächst der auf recht abstrakter Ebene angesiedelte Bedeutungsinhalt herausgearbeitet werden. Dabei soll es zunächst darum gehen, die herrschende Meinung, insbesondere die Rechtsprechung des BGH, abzubilden. Es sind dabei zwei Bezugspunkte in den Blick zu nehmen: die „Gesellschaft“ und das „Interesse“.

I. Bezugspunkt 1: Gesellschaft Die Verwendung des Begriffs der „Gesellschaft“ weist auf die Eigenschaft als Verband der Gesellschafter oder – sofern eine solche in Rede steht – auf das Charakteristikum der Aktiengesellschaft als juristische Person hin. Der Begriff „Gesellschaft“ wird aber trotz – zumindest früher angenommenen – Bedeutungsunterschieden teils deckungsgleich mit dem Begriff „Unternehmen“ verwendet. Aus der Verwendung des jeweiligen Begriffes dürfen daher keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Eine synonyme Verwendung findet in gesteigertem Maße in der jüngeren Vergangenheit statt.5 Es dürfte davon auszugehen sein, dass die Jahre, in denen gesellschaftsrechtlich mit großen Differenzen um die Begriffe „Unternehmen“ und „Gesellschaft“ und deren Bedeutung gerungen wurde, nicht folgenlos am Strafrecht vorbeigegangen sind. Auch wenn die Konzeption des „Unternehmens“ alles andere als unumstritten war und ist, so kann doch zumindest festgelegt werden, was die beiden Erscheinungsformen grob unterschied: Der „Gesellschaft“ lag eine sog. „monistische Konzeption“ zugrunde, was im gesellschaftsrechtlichen Bereich so viel bedeutete wie „auf die Gesellschaft(er) bezogen“, also – da die phänotypischen Interessen der Gesellschafter zugrunde gelegt werden – vorrangig erwerbswirtschaftliche Aspekte berücksichtigend. Hingegen wurde das „Unternehmen“ pluralistisch ausgelegt, sodass die Belange mehrerer Anspruchsgruppen vereint und neben erwerbswirtschaftliche Aspekte auch soziale gestellt werden konnten.6 Plastisch entzündet sich im Gesellschaftsrecht der Streit an der Frage, ob eine Gewinnmaximierung oder nur eine bestandssichernde Rentabilität anzustreben ist. An dieser Stelle kann der Begriff „monistisch“ zum einen inhaltlich, als „vorrangig eindimensionale (erwerbswirtschaftliche) Aspekte berücksichtigend“, bestimmt werden, zum anderen negativ in Abgrenzung zu „pluralistisch“. Daraus

4 LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 55; vgl. auch MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 82; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 25; Keller FS Puppe, 2011, S. 1189, 1197; Bosch/Lange, JZ 2009, 225 f. 5 Vgl. etwa BGHSt 47, 148; 47, 187. 6 Dies stellt noch eine starke Vereinfachung dar, soll aber später eingehend erörtert werden.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

folgt, dass ein Abstellen auf die Gesellschaft(er),7 der bzw. denen vorrangig phänotypisch erwerbswirtschaftliche Interessen unterstellt werden, ein starkes Indiz für eine monistische Konzeption ist. Soweit daneben auch auf andere Interessengruppen verwiesen werden muss, spricht dies eher gegen eine strikt monistische Konzeption. Dass sich die Rechtsprechung der Unterscheidung zwischen „Gesellschaft“ und „Nicht-Gesellschaft“ (teils = „Unternehmen“) im Sinne von „monistisch“ und „pluralistisch“ durchaus bewusst ist, zeigt sich an der nur so zu handhabenden sog. „Interesseformel“ zur Abgrenzung von Untreue und Bankrott: Nicht im Interesse der Gesellschaft liege demnach die Verwirklichung gesellschaftsfremder Interessen, insbesondere eigennütziges oder im Interesse eines Dritten liegendes Verhalten.8 Die Abgrenzung sei nach einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise vorzunehmen.9 Bei einer Wertberechnung anhand des Firmenwerts, des Know-how und des Ausbildungsstands der Mitarbeiter (eine der präsentesten Gruppen beim pluralistischen Konzept des Unternehmens) verwendet der BGH hingegen den Terminus des „Unternehmens“.10 Es wird daher an dieser Stelle die Hypothese aufgestellt, dass das strafrechtliche Verständnis von der „Gesellschaft“ als Anknüpfungspunkt der Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands und – dann konsistent – die gesamte Untreuekonzeption in diesem Falle von einer monistischen Konzeption geprägt ist, die sich auf die „Gesellschaft(er)“ und nicht etwa andere Gruppen wie Gläubiger oder Arbeitnehmer bezieht und eine vorrangig erwerbswirtschaftlichen Betrachtungsweise zugrunde legt. Dies würde dem ursprünglichen Verständnis von „Gesellschaft“ entsprechen. Dass eine folgenreiche Unterscheidung zwischen einer monistischen und pluralistischen Konzeption nach bisheriger Definition dieser Arbeit existiert, soll am Beispiel des sog. „Mannesmann-Urteils“ illustriert werden. Dieses bezieht sich zwar nicht auf die Handlungsmaximen des Vorstands, wohl aber auf die des Aufsichtsrats. Die Verhaltensmaßstäbe, die an die beiden Organe gestellt werden, sind zwar inhaltlich umstritten. Dass von einer Parallelität ausgegangen werden darf, zeigt sich aber an der Bestimmung des § 116 S. 1 AktG. 7 Dass das LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3282, 3283, im Fall Mannesmann von einer Vermögensbetreuungspflicht der Beschuldigten gegenüber der Mannesmann AG und den Aktionären spricht, zeugt davon, dass dies auch im strafrechtlichen Bereich teils nicht getrennt wird. 8 BGHSt 30, 127, 128 ff.; BGH NJW 2000, 154 f.: „Der Untreuetatbestand dient nach seiner Zielrichtung – im Unterschied etwa zu den §§ 283 ff. StGB – nicht dem Gläubigerschutz, sondern bezweckt allein den Schutz des Vermögens, das der Pflichtige zu betreuen hat“; BGH NJW 1969, 1494. 9 BGHSt 30, 127, 128; BGH NJW 1969, 1494. 10 BGH NJW 1997, 66 ff.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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1. Das „Mannesmann-Urteil“ des BGH Kern des sog. „Mannesmann-Urteils“ des 3. Strafsenats des BGH aus dem Jahre 200511 ist die Bewilligung von Sonderzahlungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Übernahmekampf von Mannesmann gegen Vodafone, an – teils ehemalige – Vorstandsmitglieder durch den für die Vergütung der Vorstandsmitglieder zuständigen Aufsichtsratsausschuss. Das LG Düsseldorf hatte eine Untreuestrafbarkeit der Mitglieder des Aufsichtsratsausschuss und dementsprechend auch eine Beihilfestrafbarkeit des Begünstigten abgelehnt.12 Dies wurde insbesondere auf eine fehlende „gravierende“ Pflichtverletzung gestützt.13 Dem schloss sich der 3. Strafsenat des BGH nicht an. Er nahm eine Prüfung der Vergütungsentscheidungen vor und benennt als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen den Vorteil für die Gesellschaft und die Angemessenheit der Vergütung: Der Vorteil für die Gesellschaft liege insbesondere in einer Anreizwirkung für Vorstände, die sich entweder aus einer dienstvertraglichen Vereinbarung oder der tatsächlichen Gewährung bei Fortführung der Gesellschaft ergeben könne.14 Die Frage der Angemessenheit sei für jeden Fall gesondert zu überprüfen; der Senat kommt im vorliegenden Fall nicht mehr dazu. Ausgangspunkt für die Voraussetzung der „Anreizwirkung“ und zu überwindende Stufe, um überhaupt zu einer Prüfung der „Angemessenheit“ zu gelangen, ist die Annahme, bei Vergütungsentscheidungen sei das „Unternehmensinteresse“ zu berücksichtigen. Obwohl zur argumentativen Stützung auf Hüffer verwiesen wird, der eine pluralistische, aus Interessen der Gesellschafter, der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit zusammengesetzte Konzeption vertritt,15 wird es einem strikt erwerbswirtschaftlichen (und damit monistischen) Verständnis zugeführt. Nach dem Senat bestehe ein Handeln im Unternehmensinteresse „insbesondere“ darin, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Nachteile von ihr abzuwenden: „Das Gebot, alle Maßnahmen zu unterlassen, die den Eintritt eines sicheren Vermögensschadens bei der Gesellschaft zur Folge haben, gehört – ohne daß es dazu weiterer gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Regelungen bedürfte – zu den Treuepflichten, die ein ordentliches gewissenhaftes Präsidiumsmitglied (§ 93 Abs. 1 Satz 1, § 116 Satz 1 AktG) zwingend zu beachten hat. Diese aktienrechtliche Pflicht stellt sich im

11

BGH NJW 2006, 522, nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331. LG Düsseldorf NJW 2004, 3275 ff. 13 Von dem Erfordernis einer „gravierenden Pflichtverletzung“ geht auch noch das OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791 ff., im Amtshaftungsprozess aus, dessen Urteil noch vor der Entscheidung des BGH ergangen ist. 14 Dazu, dass eine Anreizwirkung einer Grundlage im Gesetz entbehrt Fonk, NZG 2006, 813. 15 Vgl. etwa Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12, 15; Hüffer, BB Beilage 2003, Nr. 7, S. 1, 20. 12

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Sinne des § 266 Abs. 1 StGB als Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen dar [. . .].“ 16 Auf diese Weise wird das Unternehmensinteresse auf ein allgemeines Schädigungsverbot verkürzt.17 An dieser Stelle zeigt sich bereits der enge Zusammenhang zwischen monistischem Verständnis und allgemeinem Schädigungsverbot. Ohnehin lassen sich einige Fallgruppen gerade beim Thema „Untreuestrafbarkeit des Vorstands“ allein mit dem „allgemeinen Schädigungsverbot“ begründen; die Annahme, es sei die Pflicht des Vorstands, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Nachteil von ihr abzuwenden, ist dafür symptomatisch: Ein derartiger Passus kommt etwa bei der Begründung der Untreuestrafbarkeit bei sog. „Kick-Backs“ zum Tragen: Ein sog. Kick-Back führt zu einer Untreuestrafbarkeit, da die Vermutung aufgestellt wird, dass mindestens der Betrag, den der Geschäftspartner als Schmiergeld (auf den Umstand der Korruption wird die Untreuestrafbarkeit nicht gestützt) aufwendet, auch als Preisnachlass hätte gewährt werden können.18 Da der Vorstand dazu verpflichtet sei, „auf günstige Vertragsabschlüsse zu achten und keine unwirtschaftlichen Geschäfte zu tätigen“, kann darin eine Pflichtverletzung gesehen werden, und der Kick-Back ist damit eine eindeutige Fallgruppe des allgemeinen Schädigungsverbots.19

Indem der Senat ausschließlich auf die erwerbswirtschaftlichen Aspekte des Unternehmensinteresses verweist,20 es dementsprechend monistisch versteht, reduziert er den Ermessensspielraum des Vorstands auf die Mittelwahl.21 Da im 16

BGH NJW 2006, 522, 524, nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff. Auch Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse, S. 240, interpretiert die Entscheidung als Absage an ein Bestands- und Rentabilitätsgefährdungsverbot und ein Bekennen zum „allgemeinen Schädigungsverbot“. Das sog. „allgemeine Schädigungsverbot“ bezieht eine untreuerelevante Pflichtverletzung aus der vermögensmäßigen Schädigung des Treugebers; vgl. dazu LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 21; LKSchünemann, StGB, § 266 Rn. 94; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 36; Geerds FS Otto, 2007, S. 561, 567; Tiedemann FS Tröndle, 1989, S. 319, 322 f., 325; Brammsen, wistra 2009, 85, 87; Kort, DStR 2006, 799, 803; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 360; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 647; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 907; Samson, Non Profit Law Yearbook 2004, S. 233, 242; Vogel/Hocke, JZ 2006, 568, 571; kritisch Thomas FS Hamm, 2008, S. 767; Dierlamm, NStZ 1997, 534 f. 18 Kritisch zu dieser Prämisse insbesondere Bernsmann, GA 2007, 219, 233 ff.; Rönnau FS Rissing-van Saan, 2011, S. 517, 529 ff., 540 f. 19 Vgl. dazu insbesondere BGH NStZ 1995, 233 f.; vgl. auch BGHSt 47, 295, 297 ff.; ebenso BGHSt 49, 317, 332 f. – Thyssen, wo letztendlich allerdings ein „KickBack“ als strafbarkeitsauslösender Umstand verneint wird; dies gilt unabhängig davon, dass etwa nach MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 164 ff., die Frage, ob die Verletzung des allgemeinen Schädigungsverbots für eine Pflichtverletzung ausreiche, in der Rechtsprechung nicht geklärt sei (Dierlamm selbst steht einer Pflichtverletzung durch Verstoß gegen das allgemeine Schädigungsverbot aber ablehnend gegenüber). 20 Vgl. Spindler, ZIP 2006, 349, 352, der darauf hinweist, dass der so verwendete Begriff des Unternehmensinteresses fälschlicherweise ausschließlich auf die Interessen der Anteilseigner verweist. 21 Dies irritiert auch Bauer/Arnold, DB 2006, 546, 547, die zu Recht feststellen, dass das dienstvertragliche Äquivalenzprinzip mit einem Ermessensspielraum des Aufsichts17

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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hiesigen Fall das Mittel nach Ansicht des Senats von vornherein nicht zu einem (erwerbswirtschaftlich) messbaren „Nutzen“ führen konnte, war schon gar kein Ermessensspielraum eröffnet und die Gewährung der Vorstandsvergütung bereits „dem Grunde nach“ unzulässig und daher pflichtwidrig; auf eine „Angemessenheit“ kam es nicht an.22 Die Ansicht, die auf Erhaltung von Bestand und Rentabilität des Unternehmens abstellt, wird verworfen: Zum einen werde sie der „Treuepflicht der Präsidiumsmitglieder als Verwalter fremden Vermögens“ nicht gerecht. Zum anderen gelte im Aktienrecht, dass der Vermögensinhaber ausschließlich und uneingeschränkt im Interesse des Vermögensinhabers handeln müsse.23 Der Senat bringt auf diese Weise unmissverständlich zum Ausdruck, dass er – mit Verweis auf eine zu fordernde „Anreizwirkung“ – als Interessen der Gesellschaft ausschließlich die erwerbswirtschaftlichen anerkennt und dem Aktienrecht eine monistische Konzeption unterstellt.24 Der Verweis auf den durch das UMAG geänderten Wortlaut des § 93 AktG ist dabei nicht unproblematisch, hält sich eine pluralistische Deutung dieser Vorschrift doch nicht an dem Begriff „Gesellschaft“ auf und soll der eingeführte Satz 2 den Ermessensspielraum des Vorstands doch gerade erweitern, ihn also nicht enger an die Interessen der Gesellschaft binden.25 Der Senat geht bei den Erörterungen zur Anreizwirkung von einem engen, formalen Begriff der Gesellschaft aus, der dazu führt, dass eine Anreizwirkung im Hinblick auf „Vodafone“ nicht erörtert wird.26 Auch daran wird deutlich, dass insgesamt eine Argumentation vom flexibleren „Unternehmen“ her nicht in Berates an sich nicht zu vereinbaren ist und es daher die Kategorie der „kompensationslosen Anerkennungsprämie“, die bereits dem Grunde nach unzulässig sei, gar nicht geben dürfe; auch Dreher, AG 2006, 213, 219, merkt an, dass, wollte man nur monetäre Vorteile in Ansatz bringen, der Ermessensspielraum erheblich eingeschränkt wäre. 22 Welch geringen Handlungsspielraum der Senat den Entscheidungsträgern gewährt, wird insbesondere bei der Beurteilung der Abfindung der Alternativpensionsansprüche in BGH NJW 2006, 522, 530, nicht komplett abgedruckt in BGHSt 50, 331, deutlich, wenn moniert wird, das Urteil des LG vernachlässige die Feststellung, welcher Wert den zukünftigen Alternativpensionsansprüchen unter Berücksichtigung von versicherungsmathematischer Zahlungsdauer und der zu erwartenden Absenkung der Vorstandsgehälter unter dem Einfluss der neuen Konzernmutter Vodafone objektiv zukomme und wie sich die zuerkannten Beträge dazu verhielten. 23 BGH NJW 2006, 522 524, nicht komplett abgedruckt in BGHSt 50, 331, 339. 24 A.A. Kort, NZG 2006, 131, 133. 25 Vgl. dazu unten, Kapitel 2 C. 26 Kritisch dazu auch Hohn, wistra 2006, 161, 163; nach Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127, 128, übersieht der Senat, dass die Mannesmann AG auch nach der Übernahme durch Vodafone fortbestand und weiterhin als großes Unternehmen mit einem großen Kreis von Führungskräften „werbend“ tätig war; Krause, StV 2006, 307, 309, weist auf die Eigenschaft der Mannesmann AG als Konzerngesellschaft zum Zeitpunkt der Auszahlung hin; vgl. auch Reiner/Geuter, EWIR 2006, 187 f.; Spindler, ZIP 2006, 349, 353.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

tracht gezogen wird. Daher rührt auch die Aussage, das Interesse der Großaktionärin der Mannesmann AG, der Hutchison Whampoa Ltd., die in Abstimmung mit Vodafone handelte, stimme offensichtlich nicht mit den Interessen der Mannesmann AG überein.27 Das Erfordernis einer „gravierenden“ Pflichtverletzung muss der Senat entsprechend seiner monistischen Sichtweise fallen lassen.28 Denn ein derartiges Erfordernis würde, konsequent angewandt,29 lediglich auf die Gebote der Rentabilität und des Bestandes, gekoppelt mit den Verfahrensanforderungen hinauslaufen. Dieser Ansicht hat sich der Senat bereits verschlossen – mangels Anerkennung eines Entscheidungsspielraums können weder die „gravierende Pflichtverletzung“ noch die Wertungsmaßstäbe bei „unternehmerischen Entscheidungen“ 30 Bedeutung erlangen. Insofern fällt auch die Begründung, es handle sich nicht um eine Risikoentscheidung, nicht schwer:31 Sowohl die Ablehnung eines Nutzens (und damit der Risikoentscheidung) als auch der „gravierenden Pflichtverletzung“ gehen zurück auf die monistische Konzeption, die als so selbstverständlich angesehen wird, dass das Fehlen eines Unrechtsbewusstseins „schlechterdings nicht vorstellbar“ sei.32 Interessant mit Blick auf das „Mannesmann Urteil“ des BGH ist insbesondere ein Vergleich mit dem Urteil des LG Düsseldorf.33 Das LG Düsseldorf hatte keine strafbare Untreue angenommen. Dies geschah entweder unter Hinweis auf ein fehlendes Unrechtsbewusstsein oder – und das ist hier von besonderem Interesse – wegen Nichtvorliegens einer gravierenden Pflichtverletzung: Die jeweiligen Handlungen bezüglich der Anerkennungsprämien werden an §§ 116, 93, 87 AktG gemessen, und wie der 3. Strafsenat des BGH sieht das LG Düsseldorf den § 87 AktG als verletzt an, da bereits das „Ob“ der Anerkennungsprämien nicht im Unternehmensinteresse gelegen habe. Die Zahlungen seien jeweils freiwillig 27

BGH NJW 2006, 522, 527, nicht komplett abgedruckt in BGHSt 50, 331. Zustimmend insofern Saliger, JA 2007, 326, 330. 29 Und das hat auch der 1. Senat bisher nicht gänzlich getan, wohl aber das LG Düsseldorf. 30 Nach Lutter, ZIP 2007, 841, 847 und Lutter FS Canaris, 2007, S. 245, 251, stellt die Entscheidung über Vorstandsabfindungen eine unternehmerische Entscheidung dar; ebenso: Hauschka-Sieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 11; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 41; nach Dauner-Lieb, DB 2008, 567, 570, zeichnet sich eine unternehmerische Entscheidung gerade durch Entscheidungsspielräume und Zukunftsprognosen aus; nach Kort, DStR 2007, 1127, 1132, liegt hingegen bei Eigeninteresse (etwa des Vorstands bei Vergütungsentscheidungen) keine unternehmerische Entscheidung vor. Torggler, ZfRV 2002, 133, 136, dürfte zu der Annahme einer Ermessensentscheidung kommen, da es sich um eine zweifelhafte Rechtslage handelte. 31 Dies erkennt Hohn, wistra 2006, 161, 163, als zirkuläre Argumentation. 32 BGH NJW 2006, 522, 529, nicht komplett abgedruckt in BGHSt 50, 331; dennoch das Erfordernis einer „gravierenden“ Pflichtverletzung als Ausdruck asymmetrischer Akzessorietät beibehaltend MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 68, 153. 33 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275 ff. 28

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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für zuvor erbrachte Leistungenzusätzlich zu bereits vorhandenen vertraglich vereinbarten Vergütungen, die alle Bemühungen der Begünstigten vollständig abgegolten hätten, erfolgt. Eine Anreizwirkung habe nicht mehr entstehen können, da die Mannesmann AG auf dem Weg zu einer konzernabhängigen Tochtergesellschaft gewesen sei.34 Dementsprechend sei auch ein Ermessensspielraum des Aufsichtsrates nicht gegeben. Das LG versucht, die Zuwendungen anhand des „Unternehmensinteresses“ positiv zu rechtfertigen:35 „Die hervorragende finanzielle bzw. wirtschaftliche Lage der Mannesmann AG, die seit Mitwirkung des Angekl. Dr. Esser im Vorstand und später unter seiner Leitung als Vorstandsvorsitzender erheblich verbessert wurde, gab deshalb allein keinen Anlass für die Anerkennungsprämie.“ 36 „In der [. . .] konkreten Situation der Mannesmann AG [. . .], des Fehlens einer Anreizwirkung der gewährten Anerkennungsprämie und mangels weiterer Interessen der Aktionäre oder der übrigen Arbeitnehmer war insgesamt kein im Unternehmensinteresse liegender sachlicher Grund für die zusätzlich zu der übrigen vereinbarten Vergütung zu zahlenden Anerkennungsprämien erkennbar.“ 37 Dass trotz dieser Pflichtverletzung eine Untreuestrafbarkeit verneint wird, liegt an der anschließenden Ablehnung einer „gravierenden Pflichtverletzung“; damit geht ein Perspektivenwechsel einher: Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, wird an den Maßstäben gemessen, die der 1. Strafsenat festgelegt hat38. Maßgeblich seien Ertrags- und Vermögenslage des Unternehmens, die innerbetriebliche Transparenz, der Umgang mit Informations- und Prüfpflichten, Entscheidungsbefugnisse, die Motive des Handelnden und die Art und Weise der Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen.39 Im Folgenden wird eine negative Prüfung anhand dieser Punkte vorgenommen.40 Es wird mithin nicht mehr geprüft, ob die Vermögenslage die Prämien positiv veranlasse, sondern ob sie ihnen entgegenstünden. Das LG nimmt an, dass weder Bestand noch Rentabilität gefährdet war, keine Überschreitung der Zuständigkeit vorgelegen habe und keine sachwidrigen Motive maßgeblich waren.41 Dieser Wechsel von der Prüfung einer positiven Rechtfertigung hin zu einer negativen Überprüfung erfolgt auch bei den sonstigen An34 Das LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3279 f., verfolgt hier einen extrem engen Begriff der „Gesellschaft“, wenn es ausführt, eine Anreizwirkung bestehe nicht mehr, da die Gesellschaft in einen Konzern eingegliedert werde und Vorstandsentscheidungen nicht mehr „in eigener Regie“ treffen könne. 35 Dieses Vor-die-Klammer-Ziehen des Unternehmensinteresses bezeichnet Fleischer, DStR 2005, 1318, 1320, als einen dogmatischen Fehlgriff. 36 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3278. 37 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3280. 38 BGHSt 46, 30; 47, 148, 187. 39 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3281. 40 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3281 f. 41 Eine derartige Negativprüfung passt i. Ü. besser zu dem generell anerkannten Ermessensspielraum.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

erkennungsprämien,42 der Abfindung von Alternativpensionsansprüchen43 bzw. der Erhöhung und Kapitalisierung der Abfindung von Alternativpensionsansprüchen44 und dem TOPP 200-Bonus.45 Auffallend ist eine Parallele zu Stimmen in der aktienrechtlichen Literatur, die den Ermessensspielraum – insbesondere des Vorstands, aber auch übertragbar auf den Aufsichtsrat – dann als überschritten ansieht, wenn Bestand oder Rentabilität (nicht: Gewinnmaximierung) gefährdet sind. Nimmt man dann noch die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (sog. „deutsche Business-Judgement-Rule“) hinzu, so gelangt man zu einer weitgehenden Parallelität (insbesondere der subjektive Einschlag entspricht der Regelung des Aktiengesetzes).46

Strafrechtliche Negativprüfung

Aktienrechtliche Entsprechung

Ertrags- und Vermögenslage des Unternehmens

Bestand und Rentabilität

§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG: „auf der Grundinnerbetriebliche Transparenz, Umgang mit Informations- und Prüfpflichten, lage angemessener Information“ Art und Weise der Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen, Entscheidungsbefugnisse Motive des Handelnden

§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG: „annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“

Insgesamt hat sich das LG Düsseldorf in der aktienrechtlichen Diskussion den Vertretern einer bloßen Bestands- und Rentabilitätssicherung und damit einer pluralistisch geprägten Auffassung in weiterem Maße, als es zunächst den Anschein hat, angenähert: Zwar verweist auch das LG Düsseldorf auf die eigene Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft, jedoch könne der Beurteilungsspielraum des Aufsichtsrates zu einer Bevorzugung der im Unternehmensinteresse „unstreitig“ gebündelten Partikularinteressen führen. Bei der Positivprüfung fragt das LG danach, ob „ein Nutzen für eines oder für alle in dem Begriff des Unternehmensinteresses gebündelten Interesses an der Begründung einer derartigen Zahlungsverpflichtung“ vorhanden war.47 Eine pluralistische Ausrichtung findet 42

LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3282 f.; 3283 ff. LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3286. 44 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3287. 45 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3286 f. 46 Insofern ist auch die Zusammenstellung des LG von objektiven Kriterien wie der Vermögenslage und subjektiven Momenten wie „sachwidrige Motivation“ nicht inkonsistent, wie Rönnau, NStZ 2006, 218, 220, annimmt. 47 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275 ff., 3284 f. 43

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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zwar auf anderer Ebene als im Aktienrecht statt: Die aktienrechtliche Diskussion wird bereits auf der Stufe der Ermessensüberschreitung – strafrechtlich: Pflichtverletzung – geführt, während sich das LG auf die Ebene der negativen Zivilrechtsakzessorietät – strafrechtlich: gravierende Pflichtverletzung – zurückzieht. Die „gravierende Pflichtverletzung“ kann mithin bei einer Gesamtbetrachtung als Ermessensubstitut angesehen werden.48 Letztendlich wurde das Verfahren nach Zurückverweisung von der 10. Großen Wirtschaftsstrafkammer des LG Düsseldorf nach § 153a StPO eingestellt;49 die materiellrechtlichen Vorgaben des BGH sind daher vor allem auf abstrakter, über den konkreten Fall hinausreichender Ebene von Bedeutung.

2. Reaktionen auf das „Mannesmann-Urteil“ Insgesamt dürfte es zwei Lager geben, die sich anhand ihrer Ergebnisse unterscheiden lassen – pflichtwidriges oder pflichtgemäßes Handeln der Ausschussmitglieder. Auch der Begründungszusammenhang folgt jeweils charakteristischen Linien. Der Ermessensspielraum wird auf der einen Seite – in Ansätzen ähnlich dem LG Düsseldorf – als ein „sachlicher“ Freiraum angesehen; der Aufsichtsrat dürfe in Grenzen (und insofern auch ohne positives Vorliegen eines sachlichen Grundes) frei entscheiden.50 Damit einher geht die Anerkennung von begrenzenden Zielmengen wie Rentabilität und Bestand.51 Die Vorgehensweise des BGH, den Ermessensspielraum zu negieren, indem das Unternehmensinteresse im Sinne einer Anreizwirkung vorgelagert wird, wird abgelehnt: Gerade die Frage der Kompensation sei eine unternehmerische Entscheidung, die Ermessen beinhalte.52 48 A.A. wohl Ransiek, NJW 2006, 814, der in der „gravierenden Pflichtverletzung“ einen über die für § 266 StGB ausreichende Pflichtverletzung nicht gerechtfertigten Zusatz sieht; vgl. aber auch MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 155, der in der „gravierenden“ Pflichtverletzung einen Ausdruck asymmetrischer Akzessorietät sieht; bereits vorher forderte Tiedemann FS Dünnebier, 1982, S. 519, 533, aufgrund der negativen Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts sollten nur „grobe Verstöße“ vom Strafrecht erfasst werden. 49 Vgl. dazu Saliger/Sinner, ZIS 2007, 476 ff. 50 So könnte auch Krause, StV 2006, 307, 309 f., zu verstehen sein, der es als durchaus möglich ansieht, dass einem verdienten ausscheidenden Mitarbeiter eine Prämie gezahlt wird – dies gelte „um so mehr“, wenn der Mitarbeiter unternehmenswertsteigernde Leistungen erbracht habe. 51 So MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 156; Baums, Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder, S. 11; auf Bestandserhaltung und Rentabilität beziehen sich zunächst auch Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 115 – diese Beschränkung verliert jedoch in Anbetracht der dann folgenden Erörterungen zur Angemessenheit jede Wirkung, daran ändert auch die nachträgliche Beschränkung durch eine gravierende Pflichtverletzung nichts. 52 Dazu insbesondere Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127, 128; gegen eine Implementierung des Unternehmensinteresses auch Dierlamm, StraFo 2005, 397, 401.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Das „Ob“ einzelner Vergütungselemente sei nicht von den Anforderungen des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG erfasst, die Norm betreffe einzig die Höhe der Vergütung.53 Die gerichtliche Prüfung wird – ähnlich der verwaltungsrechtlichen Ermessensausübung54 – eingeschränkt und lediglich auf einen Verstoß gegen Rentabilitätsgesichtspunkte (die nicht als Gewinnmaximierung aufgefasst werden) und Bestand beschränkt.55 Insofern kann man von einer Negativprüfung sprechen. Bei der Interpretation durch die Rechtsprechung (insbesondere der neuen, restriktiven Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Lage der Gesellschaft“ und „Aufgabe des Vorstandsmitglieds“) bestehe die Gefahr, dass der gesetzlich vorgesehene Ermessensspielraum trotz Betonung von Handlungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielraum über Gebühr eingeschränkt und einer vollen richterlichen Überprüfung zugeführt werde.56 Auf der anderen Seite wird dem Aufsichtsrat ein Sachziel zwingend vorgeschrieben. Dieses Sachziel stelle eine notwendige,57 wenn auch keine hinreichende Bedingung für die Zulässigkeit der Vorstandsvergütung dar. Dass der „sachliche Grund“ positiv festgestellt sein muss, folgt aus diesem Ansatz; die Begründungsansätze unterscheiden sich jedoch: Einerseits wird dem Aufsichtsrat schwerpunktmäßig aufgegeben, er habe auf eine wirtschaftliche Ausgeglichenheit von Leistungen des Vorstands und der Vergütung hinzuwirken.58 Sofern es sich um eine nachträgliche Vergütung handelt, ist diese Ansicht notwendigerweise vergangenheitsbezogen. Wird nicht davon ausgegangen, sämtliche Leistungen des Vorstandsmitglieds seien durch die vereinbarte Vergütung abgegolten,59 werden 53

Baums, Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder, S. 3 f. Dementsprechend ist auch der Begriff des „Beurteilungsspielraums“ als nicht von einer gerichtlichen Überprüfung ausgenommen bekannt, vgl. Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 109 ff., 114. 55 So insbesondere das Gutachten von Hüffer, BB Beilage 2003, Nr. 7, S. 1, 21 ff., 35; auch Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 100, befürworten eine eingeschränkte Überprüfung des Ermessens durch die Gerichte; vgl. zum Problemkreis der gerichtlichen Überprüfung von unternehmerischer Tätigkeit auch Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 109 ff. 56 Baums, Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder, S. 4 f. 57 Martens, ZHR 169 (2005), 124, 134, bezeichnet dies als „sachlichen Anlass“; Rönnau, NStZ 2006, 218, 219, als ein eigenständiges zusätzliches Zulassungskriterium. 58 Insbesondere Peltzer, ZIP 2006, 205, 207, nach dem das Strafrecht nicht die Verhinderung von Äquivalenzstörungen poenalisieren dürfe, die ansonsten von der gesamten Rechtsordnung gefordert werde; vgl. auch Brauer, NZG 2004, 502, 503 f.; Fleischer, DStR 2005, 1279, 1280 ff.; Fleischer, DStR 2005, 1318, 1320; Kort, DStR 2007, 1127, 1130, hebt hervor, dass die Vereinbarung einer überhöhten Vorstandsvergütung objektiv nicht im Unternehmensinteresse liegen könne; Kort, NZG 2006, 131, 133; Kort, AG 2006, 106, 107 f.; eine Leistungsbezogenheit der Vergütung dürfte i. Ü. auch dem VorstOG zugrunde liegen, vgl. Begr. RegE VorstOG BT-Drucks. 15/5577, S. 6, nach der anhand der offengelegten Vorstandsvergütung festzustellen sei, ob sie entsprechend den individuellen Leistungen der Vorstandsmitglieder festgesetzt wurde. 59 So insbesondere Martens, ZHR 169 (2005), 124 ff., auf den sich auch der Senat bezogen hat; Martens geht von der Prämisse der „Vorstände als eigenverantwortliche 54

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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als sachliche Gründe im Sinne der vergangenheitsbezogenen Vorstandsleistungen außergewöhnliche Kurssteigerungen, Unternehmenswertsteigerungen, Vermeidung eines Streits, Wahrung des Ansehens der Gesellschaft sowie sonstige überobligationsmäßige Vorstandsleistungen in Betracht gezogen.60 Diese Ansichten sind stark vom aktienrechtlichen Verbot der Verschwendung von Gesellschaftsvermögen geprägt.61 Da § 87 AktG lex specialis zu § 93 AktG sei, müsse die Vorschrift unter Beachtung der Anforderungen, die an die Ausübung unternehmerischen Ermessens gestellt werden, ausgelegt werden (die Vergütungsentscheidung sei auch unternehmerische Entscheidung62). Der Aufsichtsrat erhält

Risikoträger“ (Martens, ZHR 169 (2005), 124, 127 ff.) und davon aus, dass jegliche Situation bereits in den Vertragsbedingungen der Anstellungsverträge der Vorstände berücksichtigt wurde/werden konnte, sodass es „überobligationsmäßige“ Leistungen per se nicht gebe; vgl. auch die Ausprägung der Treuepflicht des Vorstands bzw. seiner Hauptleistungspflicht, seine berufliche Arbeitskraft vorbehaltlos in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 16. 60 Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen von Fleischer, DStR 2005, 1279, 1280 ff.; Fleischer, DStR 2005, 1318, 1320 f.; auch: Brauer, NZG 2004, 502, 505 ff., der diese jedoch als nicht berücksichtigungsfähig verwirft; auch Dauner-Lieb, DB 2008, 567, 569 f., ist im Falle von „Change-of-control-Klauseln“ auf der Suche nach einer positiven Rechtfertigung – Unterbindung von Vorstandsaktionen, die aus der Sorge um persönliche wirtschaftliche Nachteile erwachsen – schlägt aber insofern einen an das ARAG/Garmenbeck-Urteil angelehnten Weg ein, als sie „die (nicht ganz fern liegende) Möglichkeit eines ausreichenden Unternehmensnutzens für die Begründung der Zulässigkeit“ genügen lässt; Fonk, NZG 2006, 813, 814 f.; Kort, DStR 2007, 1127, 1132, spricht davon, der Aufsichtsrat habe festzustellen, „wieviel das Vorstandsmitglied ,wert ist‘“; Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 101; Peltzer, ZIP 2006, 205, 207 f., 209 f., spricht von überobligationsmäßigen Leistungen eines Vorstandsmitglieds; aus dem strafrechtlichen Schrifttum auch Ransiek, NJW 2006, 814, 815, der dementsprechend lediglich die Höhe der Vergütung für fragwürdig hält; Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 901 f., wollen eine Anerkennungsprämie bei vergangenen, außergewöhnlichen Leistungen dann zulassen, wenn die vertragliche Vergütung keine erfolgsbezogene Komponente enthält und die Prämie angemessen ist; eine Mischform stellt das Urteil des LG München I NZG 2007, 477, dar, das sich zunächst bei der Prüfung der Angemessenheit darauf beschränkt, festzustellen, dass die wirtschaftliche Lage des Unternehmens „gut“ war und insofern auf eine Negativprüfung ohne Äquivalenzüberlegungen hoffen lässt, dann jedoch eine positive Rechtfertigung der Vorstandsvergütung in den Aufgaben und Leistungen sieht; durchweg dem LG München I zustimmend Kort, EWiR 2007, 481 f., der einen Bezug zum Äquivalenzprinzip anhand eines „Marktwertes“ des Vorstands schafft; den Terminus des „Marktwertes“ verwendet auch Fleischer, DStR 2005, 1279, 1280. 61 Dauner-Lieb, DB 2008, 567, 569; Fleischer, DStR 2005, 1318; Fleischer, DB 2006, 542, 543 f., der jedoch eine Feststellung der Unangemessenheit der Höhe nach und nicht dem Grunde nach bevorzugt hätte; Kort, NZG 2006, 131, 132; Kort, DStR 2006, 799; Kort, AG 2006, 106, 108; Rönnau, NStZ 2006, 218, 219; wohl auch Vogel/ Hocke, JZ 2006, 568, 569, die hervorheben, dass – jenseits des Streits um die Zivilrechtsakzessorietät des § 266 StGB – im Zivil- und Gesellschaftsrecht keine vorsätzliche oder sichere Schädigung des zu betreuenden Vermögens erlaubt sei. 62 Fleischer, DStR 2005, 1318, 1319; a. A. Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258, der jedoch auf den erheblichen Bemessungsspielraum durch den unbestimmten Rechtsbegriff „Angemessenheit“ verweist.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

auf diese Weise einen Ermessensspielraum.63 Flankiert wird diese Ansicht durch eine Deutung der „Lage der Gesellschaft“ nicht nur in der Dimension „Vermögen“, sondern auch in Bezug auf „Märkte, Politik, Recht“ 64. Andererseits wird – und insofern ähnlich dem BGH65 und in dieser Hinsicht auch dem LG Düsseldorf66 – zukunftsbezogen auf den Nutzen der Gesellschaft bzw. des Unternehmens abgestellt.67 Dies geschieht insbesondere unter Verweis auf eine notwendige Anreizwirkung. Dieser Ansicht liegt insbesondere der strafrechtlich geprägte Kompensationsgedanke zugrunde, nach dem nur Vorteile berücksichtigt werden können, die durch die schädigende Handlung zurechenbar bewirkt werden.68 Indem ausgeführt wird, dass unternehmerische Entscheidungen, die für die Gesellschaft nutzlos, weil nicht mit dem wirtschaftsunternehmerischen Zweck der Profiterzielung und -maximierung vereinbar, auch nicht im Interesse des Unternehmens lägen,69 wird das als Leitprinzip anerkannte Unternehmensinteresse auf erwerbswirtschaftliche Aspekte zusammengekürzt und so ein Ermessensspielraum des Vorstands negiert. Damit ist es unvereinbar, sodann als entscheidendes Kriterium die Unvertretbarkeit und Willkür der Vermögensdisposition aus Sicht der Treugebers anzusehen,70 denn dies würde notwendigerweise einen Ermessensspielraum mit sich bringen.

63 Fleischer, DStR 2005, 1279; Fleischer, DStR 2005, 1318, der dies mit dem Ausnahmecharakter des § 87 Abs. 1 AktG zum Grundsatz der Vertragsfreiheit und der Unmöglichkeit der exakten Bewertung von Vorstandsleistungen erklärt; Kort, DStR 2007, 1127 f., 1132. 64 So Fleischer, DStR 2005, 1279, 1280. 65 Der BGH spricht ausdrücklich von „zukunftsbezogenem“ Nutzen. 66 Das LG Düsseldorf kommt zu der Berücksichtigungsfähigkeit von ausschließlich zukunftsbezogener Kompensationsmöglichkeit durch eine Auslegung des Begriffs der „Aufgaben“ als vorausschauend; kritisch dazu Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127. 67 So insbesondere Brauer, NZG 2004, 502, 507 f., der wie der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die Prämienzahlungen von vornherein unzulässig waren; Hanft, Jura 2007, 58, 59, der die nachträgliche Änderung einer niedrigen Vorstandsvergütung in eine angemessene Vorstandsvergütung als unvorteilhaft für die Gesellschaft abtut; für Martens, ZHR 169 (2005), 124 ff., 133, können lediglich zukunftsbezogene Aspekte von Relevanz sein, da jegliche vergangene Leistung abgegolten sei – dementsprechend sieht er die grundlegende Schwäche der Anerkennungsprämie auch darin, dass sie zu einem Zeitpunkt gezahlt werde, „in dem die Herkulesarbeit schon vollbracht ist“; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 119 ff.; Spindler, ZIP 2006, 349, 353; Vogel/Hocke, JZ 2006, 568, 569, die die vorherigen Vorstandsleistungen daher nicht berücksichtigen wollen. 68 Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 122; Vogel/Hocke, JZ 2006, 568, 569, die kritisieren, dass diese schadensdogmatische Erwägung in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion häufig übergangen werde. 69 Rönnau, NStZ 2006, 218, 219, unter dem Hinweis, dass allen aktienrechtlichen Vorschriften das Schädigungsverbot immanent sei. 70 Rönnau, NStZ 2006, 218, 219.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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Die Rechtsfigur der „gravierenden Pflichtverletzung“ wird flankierend nicht auf unternehmerische Entscheidungen bezogen, sondern auf Risikoentscheidungen begrenzt.71

Eine Entscheidungsprärogative des Aufsichtsrats wird nur noch im Hinblick auf die Bewertungsunsicherheiten der Vorstandsleistungen bzw. des Gesellschaftsnutzens und die Höhe der Vergütung gewährt. Die Entscheidungsprärogative sei jedoch – und insofern ähnlich dem verwaltungsrechtlichen Beurteilungsspielraum – gerichtlich voll überprüfbar.72 Man kann insofern von einer „Gemischt-Positiv-Negativ-Prüfung“ 73 sprechen. Zur Verdeutlichung soll folgende Übersicht dienen: Pflichtwidrigkeit (–)

Pflichtwidrigkeit (+)

Ermessen als „sachlicher Entscheidungsspielraum“

Ermessen als Ausdruck von „technischen Bewertungsschwierigkeiten“ und „Höhe der Vergütung“

(ähnlich: verwaltungsrechtliche Ermessensentscheidung)

(ähnlich: verwaltungsrechtlicher Beurteilungsspielraum)

Ermessen bezieht sich auf „Ob“ und „Wie hoch“

Ermessen bezieht sich auf „Wie hoch“

Begrenzung durch Zielmengen wie Rentabilität und Bestand

Begrenzung durch

Negative Prüfung: „Verstößt nicht gegen Bestand und Rentabilität“

Positive Prüfung: „Vorliegen eines sachlichen Grundes in Form des Sachziels“

Begrenzte gerichtliche Überprüfung

Volle gerichtliche Überprüfung

Sachziel: Sachziel: Ausgeglichenheit Nutzen für Gesellvon Vorstandsleisschaft/Unternehmen tung und -vergütung

Die Hypothese einer monistischen Konzeption des BGH hat sich in diesem Fall plastisch bestätigt: Die Berücksichtigung bloß eindimensionaler, erwerbswirtschaftlicher Aspekte führt zu einer Negierung jeglichen Ermessensspielraums und in Verbindung mit einer „Positivprüfung“ zu einer Strafbarkeit. An71 Rönnau, NStZ 2006, 218, 220; zur Definitionen des Risikogeschäfts Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 162 f., 165, der selbst „Risiko“ als Möglichkeit einer Fehlentscheidung beschreibt. 72 Brauer, NZG 2004, 502, 504; Fonk, NZG 2006, 813, 814, stellt heraus, dass dies auch der BGH klar gemacht habe, indem er auf den gesetzlichen Begriff des „billigen Ermessens“ verzichtet habe. 73 Positiv: sachlicher Grund für das „Ob“; Negativ: Bewertung und „Wie hoch“.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

ders das LG Düsseldorf: Indem es pluralistische Aspekte berücksichtigt, gelangt es – wenn auch über den Umweg einer „gravierenden Pflichtverletzung“ – zu einem Ermessensspielraum. Über die „Negativprüfung“ gelangt das LG zu einer Straflosigkeit. Die „gravierende Pflichtverletzung“ entstand aus der Rechtsprechung des 1. Strafsenats des BGH.74 Es kann vermutet werden, dass die „gravierende Pflichtverletzung“ der stärkste Indikator für eine pluralistische Ausrichtung ist. Um die Hypothese der monistischen Konzeption kritisch zu hinterfragen, wird sich die Untersuchung im Folgenden mit den Entscheidungen des BGH auseinandersetzen, die eine „gravierende Pflichtverletzung“ fordern. Dazu gehören insbesondere die Fallgruppen der Kreditvergabe, der Spenden und das „Kinowelt-Urteil“. 3. Fallgruppe „Kreditvergabe“ Die Rechtsprechung zum Risikogeschäft, insbesondere zur Kreditvergabe, hat sich kontinuierlich ausdifferenziert und verlagert das Schwergewicht von der Feststellung des Schadens hin zu der der Pflichtwidrigkeit: Zunächst wurde recht allgemein darauf hingewiesen, dass die eigenmächtige Gewährung ungenügend gesicherter Kredite den Tatbestand des § 266 StGB erfülle.75 Es wird zwar anerkannt, dass es sich bei Kreditvergaben regelmäßig um Risikogeschäfte handle und der Abschluss eines Risikogeschäfts nicht schon aus diesem Grunde eine Untreuestrafbarkeit nach sich ziehe; etwas anderes gelte jedoch dann, wenn gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsmäßig eingeräumte Vereinbarungen verstoßen werde, die das Geschäftsrisiko begrenzen sollen.76 Hingegen sei die Ausweitung eines notleidenden oder in seiner Rückzahlung gefährdeten Kredits nicht für sich bereits pflichtwidrig.77 In einer Entscheidung aus dem Jahre 200078 stellt der 1. Strafsenat die Bedeutung der Pflichtwidrigkeit gegenüber dem Vermögensnachteil heraus: Entscheidend sei – unabhängig von den Vorgaben des § 18 S. 1 KWG –, ob der Entscheidungsträger bei der Kreditvergabe seinen Prüfungs- und Informationspflichten hinsichtlich der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers insgesamt in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Mit Verweis auf die Risikohaftigkeit einer Kreditbewilligung wird der bisher häufig als gesetzmäßig akzeptierte Zusammenhang zwischen Nachteil und Pflichtwidrigkeit in doppelter Hinsicht gelockert: Zum einen bedürfe es einer gesonderten Feststellung der Pflichtverletzung. 74

BGHSt 46, 30; 47, 148, 187. BGH NJW 1984, 2539 f. 76 BGH, Urteil v. 21.03.1985 Az. 1 StR 417/84 Rn. 72, nur teilweise abgedruckt in wistra 1985, 190; BGH wistra 1990, 148 f. 77 BGH wistra 1992, 26 f. 78 BGHSt 46, 30. 75

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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Dies bedeutet bei einer Risikoprüfung, dass das Gericht insbesondere zu überprüfen hat, ob Informationspflichten vernachlässigt worden sind, die erforderliche Befugnis überschritten wurde, im Zusammenhang mit der Kreditgewährung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, vorgegebene Zwecke nicht eingehalten oder Höchstkreditgrenzen überschritten wurden oder die Entscheidungsträger eigennützig gehandelt hätten.79 Zum anderen muss, sofern eine Pflichtverletzung festgestellt ist, überprüft werden, ob der Vermögensnachteil in Form der Vermögensgefährdung auf die Pflichtwidrigkeit zurückgeführt werden kann.80 Diese Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht eine bedeutende Entscheidung im Kreis der Untreuestrafbarkeit bei Kreditvergaben: Sie bereitet das Merkmal der „gravierenden Pflichtverletzung“ vor, indem sie auf eine „allenfalls geringfügige“ Verletzung des § 18 S. 1 KWG verweist und die Beziehung zwischen Pflichtverletzung und Nachteil beleuchtet. Zudem lassen sich mit der Ausgestaltung der Pflichtverletzung Anklänge der erst später81 eingefügten sog. „deutschen Business-Judgement-Rule“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erkennen.82 Dementsprechend wird in der Folgeentscheidung eine Pflichtverletzung durch „Scheckreiterei“ bejaht, weil sie von vornherein dazu bestimmt war, eine ordnungsgemäße Kreditbewilligung zu unterlaufen.83 In der nachfolgenden Entscheidung wird die Pflichtverletzung um das Erfordernis einer „gravierenden Pflichtverletzung“ erweitert.84 Die Verbindung zu § 18 KWG wird wieder enger geknüpft:85 Zwar sei diese Vorschrift nach wie vor nicht maßgeblich; bei der Frage einer Pflichtverletzung müsse jedoch geprüft werden, ob vergleichbare Informations- und Prüfungsprogramme abgearbeitet worden seien,86 namentlich: Vorlage der erforderlichen Unterlagen, Auswertung, 79 Vgl. BGHSt 46, 30, 34; Krause, StV 2006, 307, 308, sieht darin eine Nähe zu Erkenntnissen der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre. 80 Vgl. BGHSt 46, 30, 34. 81 Der § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wurde durch das UMAG, gültig ab 01.11.2005, eingeführt. 82 Auch in gewisser Hinsicht auf Verfahrensgrundsätze – sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen – verweisend BGH NJW 2006, 522 f., nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff. 83 BGH wistra 2001, 218 f. 84 BGHSt 47, 148. 85 Dies kritisiert insbesondere Knauer, NStZ 2002, 399, 400: Es werde der Verstoß gegen ein außerstrafrechtliches Gesetz mit dem objektiven Tatbestand der Untreue gleichgesetzt. 86 BGHSt 47, 148, 152; ähnlich argumentiert der BGH beim Forderungskauf: Die Leitungsorgane hätten den Treuebruchtatbestand verwirklicht, weil sie die „Kontrollpflicht aus Gleichgültigkeit vernachlässigt und den Schadenseintritt [. . .] zugelassen haben“, BGH, Beschluss v. 11.9.2003 Az. 5 StR 524/02 Rn.12, nur teilweise abgedruckt in wistra 2003, 457.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Dokumentation.87 Dass das Merkmal der „gravierenden Pflichtverletzung“ in dieser Entscheidung ausschließlich auf die Handlungsvorgaben (etwa aus § 18 KWG) verweist und damit eher Ausdruck der negativen Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts88 als rein strafrechtliches Element (etwa objektiver Zurechenbarkeit) ist, macht der Senat sprachlich deutlich: „Gravierende Verstöße gegen die bankübliche Informations- und Prüfungspflicht begründen aber eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des Mißbrauchstatbestandes des § 266 StGB [. . .]. Bei der Frage, ob solche Verstöße vorliegen, kann auch auf die Erläuterungen des BAKred zum Verfahren nach § 18 KWG zurückgegriffen werden.“ 89 Mit dem Verweis auf die „gravierende Pflichtverletzung“ erreicht der Senat, dass eine bankrechtlich an sich gebundene Entscheidung für die strafrechtliche Beurteilung zu einer Ermessensentscheidung, jedoch nur im Hinblick auf die Wahl der Mittel, avanciert.90 Erst wenn die (originär strafrechtlichen) Ermessensgrenzen überschritten werden, indem keine den Vorgaben des § 18 KWG vergleichbare Prüfung vorgenommen wird, liegt eine strafrechtlich relevante, weil gravierende Pflichtverletzung vor. Zwar räumt der Senat bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit einen Ermessensspielraum ein. Dieser lässt sich mit dem des LG Düsseldorf jedoch nicht vergleichen: In das Ermessen der Zuständigen wird lediglich gestellt, anhand welcher Mittel die Prüfung vorgenommen wird. Eine pluralistische Ausrichtung lässt sich daraus nicht ableiten. Diese Annahme bestätigt sich im weiteren Verlauf der Urteilsbegründung: Die Pflichtwidrigkeit wird zwar vom Vermögensnachteil gelöst, eine nachträgliche Ablehnung der Pflichtwidrigkeit hingegen wieder eng an den Vermögensnachteil angebunden: „Zwar könnte eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB bei der Vergabe von – auch hochriskanten – Folgekrediten entfallen, wenn diese Erfolg bei der Sanierung des gesamten Kreditengagements versprechen. Dies ist insbesondere bei einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan der Fall, der auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist und bei dem erst nach dem Durchgangsstadium – hier der Sanierung – ein Erfolg erzielt wird [. . .].“ 91 Eine derartige Rückbindung an den Schaden erscheint nicht systemgerecht und stellt einen Rückschritt gegenüber der vorangetriebenen Trennung der Tatbestandsmerkmale durch den Senat dar. Systemfremd erscheint auch die Annahme, bei der Sanierungsbewertung könnten Überlegungen über die Erhaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen einfließen.92 Wurde dem Vorstand bisher die Beachtung von 87 88 89 90 91 92

BGHSt 47, 148, 151. So wohl auch Krause, StV 2006, 307, 308. BGHSt 47, 148, 152 f. Anders dürfte dies Spindler, ZIP 2006, 349, 353, sehen. BGHSt 47, 148, 153. BGHSt 47, 148, 154.

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Bezugsgruppen des „eigenen Unternehmens“ nur als Mittel zum erwerbswirtschaftlichen Zweck erlaubt,93 so muss man den Senat folgendermaßen verstehen: Erhaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen soll im Hinblick auf die dann evtl. verbesserte Chance auf Rückzahlung auch vorheriger Kredite gewertet werden. Er kommt so zu einer Rückbindung an ökonomische Aspekte im Sinne einer „ökonomisch sinnvollen“ Erhaltung.94 4. Das „Kinowelt-Urteil“ Handlungen des Vorstands bezüglich eines erst entstehenden Konzerns hatte der 1. Strafsenat des BGH in einem Urteil aus dem Jahre 2006 zu bewerten.95 Der Vorstand der Kinowelt Medien AG hielt zugleich Aktien der Sportwelt Beteiligungsgesellschaft, die er ganz in die Kinowelt Medien AG einbringen wollte. Nachdem der Aufsichtsrat der Kinowelt dem zugestimmt hatte, veranlasste der Vorstand mehrere Leistungen der Kinowelt an die Sportwelt, die teilweise auch in die Zeit fielen, in der die Kinowelt selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und die Übernahme daher als gescheitert angesehen werden musste. Der Senat sieht eine Untreuestrafbarkeit ab dem Zeitpunkt als gegeben, in dem der Kinowelt keine liquiden Mittel zur Verfügung standen, ein Sanierungskonzept gescheitert war und die Übernahme daher nicht mehr in Betracht kam. Zwar wird wiederum ein Ermessensspielraum des Vorstands (insbesondere bei Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes, jedoch dann in Verbindung mit der Schaffung einer breiten Entscheidungsgrundlage) betont, der offensichtlich als deckungsgleich mit dem der §§ 76, 93 AktG angesehen wird. Würden diese Grenzen überschritten, so liege jedoch „eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit i. S. von § 266 StGB begründet“.96 Die „gravierende Pflichtverletzung“ wird also mit einer Überschreitung der gesellschaftsrechtlichen Ermessensgrenzen gleichgesetzt. Im konkreten Fall hätten sich die Leistungen an die Sportwelt nicht mehr in den Grenzen des Entscheidungsspielraums gehalten, da sie unter Rentabilitätsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt werden konnten und in der Krise dringend benötigtes Kapital entzogen und so das Insolvenzrisiko erhöhten.97 Eine Existenzgefährdung der Sportwelt spiele keine Rolle.98 Das Kinowelt-Urteil ist eine durchgehend monistisch argumentierende Entscheidung. Ausschließlich die Interessen der Kinowelt AG werden als relevant 93 94 95 96 97 98

147.

Vgl. unten, Kapitel 1 A. I. 5. BGHSt 47, 148, 153. BGH NJW 2006, 453 – Kinowelt. BGH NJW 2006, 453 f. – Kinowelt. BGH NJW 2006, 453, 455 – Kinowelt. Hier zeigt sich der Unterschied zum bereits bestehenden Konzern, vgl. BGHSt 49,

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angesehen. Der Ermessensspielraum des Vorstands ist bei Entscheidungen, die nicht der Rentabilität verpflichtet sind, überschritten und wird so stark eingegrenzt.99 5. Fallgruppe „Spenden“ Die Fallgruppe philanthropischer Aktivitäten erscheint geradezu prädestiniert für die Überprüfung der Hypothese, der BGH verfolge eine monistische Untreuekonzeption. Im Jahre 2001 hatte der 1. Strafsenat des BGH die Gelegenheit, über die Untreuestrafbarkeit eines spendenvergebenden Vorstandsvorsitzenden zu entscheiden.100 Eine satzungsrechtliche Konkretisierung konnte nicht festgestellt werden, sodass ausschließlich nach den §§ 76, 93 AktG zu entscheiden war. Der Senat weist zunächst mit Bezugnahme auf die „ARAG-Entscheidung“ 101 darauf hin, dass dem Vorstand ein weiter Handlungsspielraum zustehe: „Ohne ihn sei eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar“; dies gelte auch bei Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen und Sport. Der Ermessensspielraum erschöpft sich jedoch in der Ersetzung von direkt durch indirekt gewinnsteigernde Handlungen des Vorstands: Unentgeltliche Zuwendungen seien auch bei nicht „direkt“ gewinnsteigernder Zielsetzung zulässig, sofern sich der Vorstand an dem „möglichen Nutzen“ orientiere.102 Dies entspringe der Einsicht, dass der Vorstand für ein dauerhaft erfolgreiches Wirtschaften auf den Rückhalt aller Bezugsgruppen angewiesen sei.103 Dies erinnert eindrücklich an den sog. „enlightened Shareholder Value-Ansatz“,104 der herausstellt, dass zur Steigerung des Shareholder Value die sonstigen Stakeholder angemessen bedient werden müssen.105 Hier wie dort sind die Stakeholder bzw. die sonstigen Bezugsgruppen lediglich Mittel zum Zweck der Gewinnsteigerung. Einer der Kernsätze – „Es ist mit den Verhaltenspflichten des Vorstands als eines ordentlichen Geschäftsleiters daher durchaus vereinbar, daß er unentgeltliche Zuwendungen allein mit dem Ziel ausreicht, die soziale Akzeptanz der Aktiengesellschaft zu verbessern, sie als ,good corporate citizen‘ darzustellen und dadurch indirekt ihr wirtschaftliches Fortkommen zu verbessern [. . .]“ 106 –, verdeutlicht 99 A.A. wohl Marxen/Knauer, EWiR § 266 StGB 2/06, 233 f., die hervorheben, dass ein „Hineinregieren des Strafrechts“ in komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge vermieden werden müsse. 100 BGHSt 47, 187 – SWEG. 101 BGHZ 135, 244. 102 BGHSt 47, 187, 196. 103 BGHSt 47, 187, 194. 104 Vgl. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rn. 12; Windbichler, AG 2004, 190. 105 Vgl. zu diesem Begriff noch die genaueren Erläuterungen unten, Kapitel 2 B. IV. 106 BGHSt 47, 187, 195; insgesamt zeigen sich hier Parallelen zur Ansicht Vorderwülbeckes, BB 1989, 505, 508 f., der zwischen altruistischen Spenden und Sponsoring

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durch den letzten Satzteil die eigentliche Bedeutung der Ausführungen: Unentgeltliche Zuwendungen dürfen mit dem Ziel des wirtschaftlichen Fortkommens ausgereicht werden, ggf. auch über eine verbesserte Außenwirkung und soziale Akzeptanz. Der Ermessensspielraum wird auf diese Weise wiederum auf die Wahl der Mittel beschränkt, das Unternehmensinteresse auf eine wirtschaftliche Komponente reduziert und als wirtschaftliche Begrenzung des zulässigen Vorstandshandelns beansprucht.107 Auch bei der Wahl der Mittel ist der Vorstand nicht frei: „Je loser die Verbindung zwischen dem Geförderten und dem Unternehmensgegenstand, desto enger ist der Handlungsspielraum des Vorstands und desto größer sind die Anforderungen an die interne Publizität.“ 108 Der Unternehmensgegenstand bezeichnet insbesondere den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft109 und stellt eine allgemein anerkannte Grenze des zulässigen Vorstandhandelns dar. Die Frage, wie sich Gegenstand und Zielkomponente zueinander verhalten, wird vom Senat nicht thematisiert. Sie wird sogar obsolet, wenn der Senat den Begriff des Unternehmensgegenstandes ebenso wie den des Unternehmensinteresses mit rein erwerbswirtschaftlichen Aspekten (im Sinne des sog. „Unternehmenszwecks“ 110) anfüllt. Je weniger deutlich der „Nutzen“ der Zuwendung ex ante auf der Hand liegt, desto mehr Transparenz ist erforderlich. Zusätzlich wird dem Vorstand die Pflicht auferlegt, bei der Zuwendung das Gebot der Angemessenheit im Hinblick auf Größenordnung und finanzielle Situation des Unternehmens zu wahren.111 Eine Einschränkung der Strafbarkeit soll über das parallel zu den Fällen der Kreditbewilligung eingeführte Merkmal bzw. Imagewerbung unterscheidet; aus dem Gesellschaftsrecht eine Kompensation durch den Status eines „good corporate citizen“ wohl bejahend Westermann, ZIP 1990, 771, 774. 107 Das strafrechtliche Unternehmensinteresse übernimmt auf diese Weise eher die Funktion des gesellschaftsrechtlichen Gesellschaftsinteresses als des gesellschaftsrechtlichen Unternehmensinteresses; a. A. wohl Achenbach, NStZ 2002, 523, 525, nach dem die Anerkennung des weiten Handlungsspielraums des Vorstands in BGHSt 47, 187 im Einklang mit der aktienrechtlichen Rechtsprechung stehe; a. A. wohl auch Gehrlein, NZG 2002, 463, nach dem dem BGH die Grenzziehung zwischen Gemeinwohlinteressen und Missbräuchen der Leitungsmacht gelungen sei. 108 BGHSt 47, 187, 195. 109 Vgl. zu den Begrifflichkeiten und zum Verhältnis von Unternehmenszweck und -gegenstand unten, Kapitel 2 D. III. 1. 110 Zu der Frage, ob die AG einen verbindlichen Unternehmenszweck aufweist und was dieser zulässigerweise aussagen kann, vgl. unten, Kapitel 2 D. III. 1. 111 BGHSt 47, 187, 197; nach Samson, Non Profit Law Yearbook 2004, S. 233, 241, soll eine Spende hingegen nur dann unzulässig sein, wenn feststeht, dass die Spendenmaßnahme keinerlei positiven oder gar einen negativen Effekt für das Unternehmen haben wird – er folgert daraus, die Rechtsprechung habe sich in diesem Fall gesetzgeberische Kompetenzen angemaßt.

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der „gravierenden Pflichtverletzung“ erfolgen112: Diese sei anhand einer Gesamtschau von gesellschaftsrechtlichen Kriterien zu bestimmen, namentlich der fehlenden Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz und Sachwidrigkeit der Motive.113 Auf diese Weise werden die Merkmale wieder aufgegriffen, die bereits für die Pflichtwidrigkeit konstituierend sind. Lediglich das Merkmal der sachwidrigen Motive, insbesondere des Eigennutzes, erlangt insofern eigene Bedeutung und verweist auf die Entscheidung des Senats zur Kreditvergabe.114 Diese Entwicklung könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Senat das Ermessenselement von dem Merkmal der „gravierenden“ Pflichtverletzung in Parallelität zur aktienrechtlichen Diskussion auf das Merkmal der Pflichtverletzung verlagern will. An der monistischen Ausrichtung ändert dies nichts. 6. Zwischenergebnis Sowohl im Rahmen des „Mannesmann-Urteils“ als auch bei den Aspekten, die in die „gravierende Pflichtverletzung“ hineinspielen, wird monistisch argumentiert. Ein Ermessensspielraum wird zwar in Grenzen anerkannt, tatsächliche Auswirkungen zeitigt dieser jedoch lediglich bei der Wahl der Mittel, um erwerbswirtschaftlich determinierte Ziele115 zu erreichen, mithin „Profitinteressen“ zu befriedigen. Sonstige Interessen bzw. sonstige Interessengruppen stehen dahinter zurück.116 Bereits an dieser Stelle wird der enge Zusammenhang zwischen Ermessensspielraum und pluralistischer bzw. monistischer Ausrichtung deutlich.117 Es soll nun untersucht werden, ob sich dieses Ergebnis auch hinsichtlich des zweiten Bezugspunktes „Interesse“ ergibt. Dabei ist – wie oben bereits ausge112

Kritisch zur Verwendung etwa Beckemper, NStZ 2002, 324 ff. BGHSt 47, 187, 197. 114 Vgl. oben zu BGHSt 46, 30. 115 Dass sich „monistisch“ zudem einzig und allein auf die einzelne Gesellschaft bezieht, selbst wenn diese einem Unternehmensverbund angehört, wird in BGH wistra 2006, 266, deutlich: Nach dem 4. Strafsenat des BGH erfülle die Gewährung von ungenügend gesicherten und von hohem Ausfallrisiko bedrohten Krediten an eine 100%ige Tochtergesellschaft kurz vor der beabsichtigten Fusion, um diese vor der Insolvenz zu bewahren, den objektiven Tatbestand der Untreue. Diese Annahme dürfte insbesondere darauf gestützt worden sein, dass die Vorstände bei der Kreditbewilligung das satzungsmäßige Kreditlimit überschritten hatten. 116 Darauf, dass trotz Erwähnung sonstiger Interessengruppen die Aktionärsinteressen entscheidend sind, weisen auch Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 233, hin. 117 Auf den engen Zusammenhang zwischen einem „Nützlichkeitstest“ und dem Ermessensspielraum hinweisend Baums, Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder, S. 11. 113

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führt – besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob andere Interessen(-gruppen) zur Stabilisierung bzw. zur Erklärung der Konzeption herangezogen werden müssen oder nicht. Letzteres würde eine monistische Ausrichtung stützen, während Ersteres demgegenüber pluralistische Aspekte einbringen würde.

II. Bezugspunkt 2: Interesse Das Theorem „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft“ fasst – für die hier vorzunehmende Untersuchung – zu kurz: Im Rahmen des Treuebruchtatbestandes setzt Strafbarkeit voraus, dass die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen der Verpflichtete zu betreuen hat,118 Nachteil zugefügt wird. Gegenstand der Betreuungspflicht ist mithin das Vermögensinteresse,119 nicht das Vermögen.120 Auf die Inhaberschaft des Vermögens kommt es – anders als der Terminus „Vermögensbetreuungspflicht“ nahe legt – vor allem deswegen nicht an, weil nach einhelliger Ansicht Vermögensinhaberschaft und Vermögensinteressenträgerschaft durchaus auseinander fallen können.121 Kern der Problematik – und ggf. Schlüssel zu einem Verständnis der Abbreviatur – ist der „Interesse-Begriff“,122 der überraschenderweise jenseits der sog. 118 Dass dieser Satzteil für beide Alternativen gelten soll, ist inzwischen fast unumstritten; der Inhalt ist hingegen weiter zweifelhaft. 119 Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der 2. Strafsenat des BGH im Fall Siemens statuiert, auf die Absicht, das Geld im wirtschaftlichen Interesse des Treugebers zu verwenden, komme es nicht an (BGHSt 52, 323, 337, 339 – Siemens) – dies unterstreicht lediglich die Bedeutungslosigkeit des Umstands, dass das Geld „letztendlich“ noch dem Treugeber zugutekommen soll; ebenso BGHSt 55, 266, 284 – Trienekens. 120 So aber LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 68 ff., der dementsprechend die Frage, ob es sich um „fremde“ Vermögensinteressen handle, nach der „Zugehörigkeit des Vermögens(interesses), nicht danach, wem es wirtschaftlich zugerechnet wird“, beantwortet; bei Kubiciel, NStZ 2005, 353, 358, 360, deutet sich ein Fokus auf die Vermögensinhaberschaft an, wenn er u. a. konstatiert, eine Pflichtverletzung sei zu verneinen, wenn sich der Vermögensinhaber in der Entscheidung vertreten sehen kann; genau genommen müsste die Vermögensbetreuungspflicht „Vermögensinteressebetreuungspflicht“ heißen – es scheint verständlich, dass sich ein derartig unhandlicher Begriff nicht etablieren kann. 121 Vgl. LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 69. 122 Das Interesse findet sich meist als „Fremdnützigkeit“ der Tätigkeit des Verpflichteten wieder. Schwerpunkt dieser Arbeit sollen nicht die in jahrelanger Judikatur entwickelten weiteren Indizien der Selbständigkeit, der Bewegungsfreiheit, der Verantwortlichkeit, des Spielraums des Verpflichteten bei Erfüllung seiner Obliegenheiten, deren Dauer, ihr Umfang und ihre Art, ihre Eigenschaft als Hauptpflicht, ihr Gewicht und ihre Bedeutung sein, vgl. dazu LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 73. Das Vorliegen dieser Umstände wird beim Vorstand von niemandem in Frage gestellt. Vorliegend interessieren ausschließlich die Fremdnützigkeit und die Interessen, die der Vorstand zu berücksichtigen hat.

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„Risikogeschäfte“ 123 der Verkürzung meist124 zum Opfer fällt.125 Dies dürfte vor allem daran liegen, dass sich der Begriff des „Interesses“ als alltägliche, und daher scheinbar leicht verständliche Formulierung präsentiert.126 Dieses Verständnis reicht bei der Beurteilung einer Strafbarkeit zulasten einer (insbesondere einzelnen) natürlichen Person aus: Diese ist in der Regel fähig, für sich selbst, eindeutig oder konkludent ihr Interesse im Sinne einer Zielorientie123 Bei den Risikogeschäften soll nach strafrechtlicher Vorstellung die Risikoneigung des Treugebers – hier also der Gesellschaft(er) – maßgeblich sein. An dieser Stelle wird eine Hinwendung zur Interessenartikulation des Treugebers sichtbar, vgl. etwa MüKoDierlamm, StGB, § 266 Rn. 201; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 20: „[. . .] im Rahmen des vom Vermögensinhaber [. . .] abgesteckten Risikobereichs“; noch objektiv BGH NJW 1975, 1234, 1236, wonach darauf abzustellen sei, ob der Verlust wahrscheinlicher sei als der Gewinn; ebenfalls eher objektiv noch LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 84 f.: „In manchen Lebensbereichen ist die Spekulation verpönt, in anderen ist sie das tägliche Brot“ – später aber eine subjektive Färbung annehmend: „[. . .] da vieles nicht von allein von den jeweiligen äußeren Umständen abhängt, sondern auch von subjektiven Momenten beeinflußt wird“; vgl. dazu auch Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 567 ff., die die Bedeutung des Innenverhältnisses herausstellt; Knauer, NStZ 2002, 399, 401 f. betont die Bedeutung des Interesses des Vermögensinhabers bei Kreditbewilligung, die auch den Risikogeschäften unterfielen – bei einer arbeitsvertraglichen Einbeziehung könnten aber auch gesetzliche Vorgaben wie etwa § 18 KWG interessemaßgeblich sein. Mit dieser Konstellation beschäftigte sich bereits Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 164 ff., im Zusammenhang mit Risikogeschäften. Er führt die untreuespezifische Pflichtenstellung des „Geschäftsführers“ vorrangig auf das zwischenmenschliche Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und „Geschäftsführer“ zurück: Der Wille des „vitalen Vermögensinhabers“ („faktische Konkordanz“) sei vorrangig bei der Frage zu beachten, welche Entscheidungen bei Risikogeschäften pflichtgemäß und welche pflichtwidrig seien. Er wendet sich damit gegen die Auffassung, objektivierbare Risikorichtlinien seien stets entscheidend. Erst wenn eine konkrete Anweisung oder sonstige Willensäußerung fehle und nach der mutmaßlichen Einschätzung gesucht werden müsse, würde die geschäftsübliche Sorgfalt – jedoch in Verbindung mit konkreten Grundentscheidungen der Risikopolitik – wieder relevant. Objektive normative Bewertungen seien zudem bei der Dispositionsgrenze zu beachten. 124 Nicht jedoch beim Beschluss des BVerfG: BVerfGE 126, 170, 203. 125 So auch BGH NJW 2000, 154: „Der Untreuetatbestand [. . .] bezweckt allein den Schutz des Vermögens, das der Pflichtige zu betreuen hat“; der 5. Senat spricht in BGHSt 49, 147, 152; 49, 317, 321; 50, 299, 315, jeweils von einer Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich, zugunsten oder im Interesse des Vermögens; bei LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 21, wird indessen das subjektive Vermögensinteresse thematisiert, wenn auch pauschal konstatiert wird: „Vermögensinteressen richten sich auf das Gewinnen, Erhalten und Vermehren wirtschaftlicher Werte“; ausdrücklich auf den Unterschied zwischen Vermögensinteresse und Vermögen hinweisend MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 37; ebenso NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 43: Das Interesse sei nicht etwa Tatobjekt, sondern maßgebliche Zwecksetzung; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 11, stellt unter der Überschrift Vermögensinteressen lediglich das Verhältnis zum Vermögen dar, wird später (Rn. 19a) aber konkreter; ein Ansatz findet sich auch bei Kaufmann, Organuntreue, S. 18 ff., der jedoch an die Vermögensinhaberschaft angelehnt zu sein scheint; Kohlmann FS Werner, 1984, S. 387, 395, thematisiert unter „Vermögensinteressen“ nur Vermögenswerte der Gesellschaft, der Gesellschafter, der Gläubiger und der Arbeitnehmer. 126 Mittelstraß, Gesellschaftstheorie, S. 126 ff.

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rung zu artikulieren und so Handlungsmaximen für den Vermögensbetreuungspflichtigen zu definieren. Im hier zu untersuchenden Fall könnte sich die Situation anders darstellen: Stellt man das Wesensmerkmal der „Gesellschaft“ als Anteilseignerverband in den Vordergrund, so liegt ein Verständnis des Interesses nahe, das seinem alltäglichen Wortsinn entspricht und das auf die Gesellschafter und deren „natürliche“ Interessen zurückgreift.127 Eine derartige Betrachtungsweise zeigt Parallelen zur „Fiktionstheorie“ Savignys, die von der Bemühung geprägt ist, nur Menschen als originäre Rechtspersonen anzusehen.

Dies scheint umso eher eine systemgerechte Lösung zu sein, als die Gesellschafter im Hinblick auf eine Pflichtverletzung des Vermögensbetreuungspflichtigen als dispositionsbefugt angesehen werden und die Festlegung des Interesses, das wahrgenommen bzw. betreut werden soll, auf das Engste mit der Dispositionsbefugnis über eine Verletzung des Interesses verknüpft ist.128 Das Interesse der Gesellschaft wäre dann deckungsgleich mit dem der Gesellschafter bzw. ihrer Gesamtheit und könnte lediglich noch auf unterschiedliche Art und Weise – einstimmig und mehrheitlich – aggregiert werden. Diesen Weg beschreitet Nelles mit ihrem Erklärungsmodell für die „Untreue gegenüber Gesellschaften“: Ausgehend von der für sie entscheidenden Vermögensbeziehung zwischen Vermögenssubjekt und Vermögensobjekt, die insbesondere eine Zwecksetzungsbefugnis voraussetzt, ist das Vermögensinteresse der Zweck, den das Vermögenssubjekt für das Vermögen definiert hat.129 Die Zwecksetzung könne entweder autonom durch das Vermögenssubjekt oder durch Gesetz bestimmt werden. Bei Personenvereinigung – auch bei juristischen Personen – komme die Zwecksetzungsbefugnis der „Gesamtheit der Mitglieder“ zu und werde nicht durch das Gesetz bestimmt.130

127 So wird denn auch konstatiert, das Interesse der juristischen Person decke sich mit dem Interesse der Gesellschafter, vgl. Dierlamm, StraFo 2005, 397, 400; vgl. auch Arnold, Jura 2005, 844, 849; auch Kubiciel, NStZ 2005, 353, 356, sieht offenbar die „Eigentümer“ als entscheidende Interessenträger an; Ransiek, wistra 2005, 121 f.; die Annahme der Gesellschafter als Bezugspunkt dürfte auch am ehesten mit der Annahme in Einklang zu bringen sein, Interessen seien stets subjektiv, so etwa LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 69. 128 Dazu ausführlich insbesondere Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 446 ff. 129 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 470. 130 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 491 f.: „Ihr [Anm.: der Mitgliederversammlung] sind alle im Rahmen der rechtlichen Existenz der juristischen Person in Betracht kommenden Zielvorgaben vorbehalten [. . .]. Ihre Willensbildung ist die der juristischen Person“; auch auf die Gesellschafter als interessegebendes Organ abstellend, Kohlmann FS Werner, 1984, S. 387, 399, 403.

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Demgegenüber ist aus dem Gesellschaftsrecht eine Abhebung der Verbandsinteressen von den Gesellschaftern wohl bekannt131 und wird auch im Strafrecht aufgegriffen.132 Insbesondere Otto v. Gierke lenkte den Blick durch seine „Theorie der realen Verbandspersönlichkeit“ auf die Wirklichkeit der Verbände als soziale Erscheinungsformen, die als „Ganzes“ mehr seien als die Summe ihrer Mitglieder, und Wirkungen hervorbrächten, die aus der bloßen Summierung von Kräften nicht erklärbar seien.133

Um das Problem der Interessengenese bei der Untreue gegenüber der Aktiengesellschaft einer Lösung zuzuführen, kann – aufgrund der dargestellten Verkürzung – nicht der direkte Weg einer Auswertung von Rechtsprechung und Literatur zum Interessebegriff gewählt werden. Es fällt jedoch auf, dass eine wesentlich breitere Erörterung bei der Pflichtverletzung stattfindet, die dem Vorstand zur Last gelegt werden soll. Zwar sollte es denklogisch möglich sein, die Pflichtverletzung aus der Vermögensbetreuungspflicht durch Deduktion zu bestimmen (denn die Vermögensbetreuungspflicht sollte die Summe der wahrzunehmenden Pflichten sein). Da jedoch die „Unbekannte“ nicht bei den Einzelableitungen (Pflichtverletzung) liegt, sondern bei dem Grundprinzip (Vermögensbetreuungspflicht), soll versucht werden, auf induktive Weise zu den an sich vorgelagerten Vermögensinteressen, die die Vermögensbetreuungspflicht ausmachen, durchzustoßen. 1. Versuch einer induktiven Vorgehensweise anhand der Pflichtverletzung Eine induktive Vorgehensweise kann nur bei einer systematischen Verknüpfung, die einen gedanklichen Kreislauf zwischen Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung ermöglicht, zulässig sein. Es ist entscheidend, dass die Vermögensbetreuungspflicht ihrer Definition nach aufgrund der „Fremdnützigkeit“ den Vorstandspflichten und damit der „Pflichtwidrigkeit“ weit vorgreift. Um die Fremdnützigkeit zu begründen, muss eine Gesamtschau der Pflichten des potentiellen Täters erfolgen und daraus eine „Grundtendenz“ der altruistischen Pflichten herausgelesen werden. Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der mögliche Täter gegen eine konkrete Pflicht verstoßen hat. Bei der Pflichtverletzung dürfen dann nur solche Pflichten Beachtung finden, die zum Bündel derjenigen Pflichten gehören, die auch die Vermö131 Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 899, die einerseits von einer Konkretisierung des Verbandsinteresses sprechen, andererseits im Vergleich mit dem „Kindeswohl“ eine objektive, fiktive Interessenordnung anerkennen. 132 So hebt Bernsmann, GA 2007, 219, 224, hervor, dass das Interesse der Gesellschaft nicht identisch mit dem der Gesellschafter ist. 133 O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 21, 31.

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gensbetreuungspflichten in diesem Fall konstituieren. Ansonsten sieht sich die Konzeption dem Vorwurf einer Rechtsgutvertauschung134 bzw. – genauer, aber unhandlicher – einer „Rechtsgutträgervertauschung“ ausgesetzt. An sich erscheint eine induktive Vorgehensweise aufgrund der Verknüpfung zulässig. Dieser Ausgangspunkt unterliegt jedoch einigen Einschränkungen, etwa in zeitlicher Hinsicht: Es können nur bisherige Ausführungen Beachtung finden. Aufgrund der Fülle der Erkenntnisse ist jedoch damit zu rechnen, dass diese für den Schluss auf ein „Grundprinzip“ ausreichen. Es kann zudem nur versucht werden, die sog. „herrschende Meinung“ herauszuarbeiten. Dies entbindet nicht davon, auch abweichende Ansichten zu erörtern, insbesondere, um eine fundierte Interpretation der Rechtsprechung des BGH zu gewährleisten. Die induktive Vorgehensweise kann zudem lediglich einen Rahmen vorgeben, da Rechtsprechung und Literatur regelmäßig nur negativ feststellen, was pflichtund daher interessenwidrig ist. Dies ist jedoch für die hiesige Untersuchung unschädlich: Dem Vorstand kommt bei der Leitung des Unternehmens unstreitig ein Ermessensspielraum zu, der ebenfalls – und hier findet sich die Entsprechung – Grenzen erfährt. Eine Weisung vermag ihn ebenso wenig positiv zu binden wie eine zu konkrete Satzungsbestimmung, die gegen seinen gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum verstieße. Diese Grenzen und damit die „Interessen“ in der strafrechtlichen Konzeption sind im Folgenden näher zu beleuchten; es wird sich herausstellen, dass die Interessengenese bei der Aktiengesellschaft vielschichtig verläuft. 2. Systematisierung der Pflichtverletzungen des Vorstands Versucht man, die verschiedenen Verhaltensanforderungen, denen der Vorstand ausgesetzt ist, zu systematisieren, so zeigt sich schnell, dass sich diese teils überschneiden, überlagern oder verdrängen können: Der Vorstand ist in unterschiedlichem Maße an Gesetz,135 Satzung,136 Hauptversammlungsbeschlüsse,137 An134 Der Begriff ist Sternberg-Lieben, Schranken der Einwilligung, S. 512 ff., entlehnt; eine unzulässige, weil gegen den Parlamentsvorbehalt verstoßende, Rechtsgutvertauschung könne insbesondere zustande kommen, indem Rechtsgütern Dritter mittelbarer strafrechtlicher Schutz dadurch gewährt werde, dass eine Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Individualrechtsguts für unwirksam erklärt werde (Sternberg-Lieben, Schranken der Einwilligung, S. 521, 590). 135 Vgl. dazu LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 86; MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 151; NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 63, der das Abstellen auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters aber als Fall neben gesetzlicher Bestimmung ansieht; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 19a, 35a; nach Hellmann, ZIS 2007, 433, 437, ist die Bestimmung des Innenverhältnisses zwischen Treunehmer und -geber nur äußerst selten anzutreffen, sie könnten daher nur als Indiz wirken. 136 Missverständlich BGH wistra 2006, 266: Dass die Vorstände einen weiten Ermessensspielraum gehabt und zudem nicht ausschließbar in der Kreditbewilligung eine

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stellungsvertrag,138 – nicht unstreitig – an das allgemeine Schädigungsverbot139 und – sofern anerkannt – an das Verbot der Bestandsgefährdung gebunden.140 Der Terminus des Einverständnisses141 wird gemeinhin für ein die – „ansonsten“ gegebene – Tatbestandsmäßigkeit beseitigendes Instrument verwendet. Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass es mithin den Handlungsspiel„nachvollziehbare“ Maßnahme zur Erhaltung der Sachwerte der GmbH zwecks einer gegenüber der Insolvenz „günstigeren“ Fusion gesehen hätten, führe nur zum Fehlen des subjektiven Tatbestandes. Anscheinend wird dabei zugrunde gelegt, die Beschuldigten hätten um die Überschreitung des Kreditlimits gewusst. Wie es nun zu erklären ist, dass der Ermessensspielraum – wenn auch nur auf subjektiver Ebene – über satzungsmäßige Bestimmungen hinausreichen kann, bleibt offen. 137 Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 19a, 35a, spricht von Weisungen, die das Vermögensinteresse konkretisieren; eine weitere Unterteilung in Einverständnis und Weisung, vgl. dazu Schramm, Untreue und Konsens, S. 61, erscheint daneben entbehrlich. 138 Vgl. zu vertraglichen Grenzen MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 151. 139 Akzentuiert formuliert in BGH NJW 2006, 522 f., nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331 – Mannesmann, wonach die Organe von Kapitalgesellschaften alles zu unterlassen hätten, was den Eintritt eines sicheren Vermögensschadens bei der Gesellschaft zur Folge habe; OLG Karlsruhe wistra 2005, 72, 75, spricht davon, dass es „an einer Vermögensgefährdung und damit zugleich an der Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB [. . .] fehlen [kann]“; nicht ausdrücklich das Schädigungsverbot ansprechend, aber sinnverwandt LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 21; unmissverständlich LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 94: „Soweit an Hand dieser allgemeinen Standards für den Einzelfall kein eindeutiges Gebot feststellbar ist, bleibt in der Regel das Verbot, den Geschäftsherrn zu schädigen, als Minimalpflicht übrig“; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 36, spricht ausdrücklich von einem Verbot, den Geschäftsherrn zu schädigen; nach Geerds FS Otto, 2007, S. 561, 567, wird eine Pflichtverletzung regelmäßig angenommen, wenn der Treupflichtige Vermögen des Treugebers schädige; das Schädigungsverbot im Rahmen der Pflichtenstellung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder hervorhebend Tiedemann FS Tröndle, 1989, S. 319, 322 f., 325; auch Brammsen, wistra 2009, 85, 87; Kort, DStR 2006, 799, 803, beschreibt das durch die Rechtsprechung anerkannte Schädigungsverbot dahingehend, dass das Organmitglied das anvertraute Vermögen nicht nutzlos hingeben dürfe und dass jeder den Organmitgliedern zugewendete Vorteil begründungspflichtig sei und durch einen Nutzen der Gesellschaft kompensiert werden müsse, hält diesen Grundsatz jedoch für fragwürdig oder sogar nichtssagend; vgl. auch Kubiciel, NStZ 2005, 353, 360; nach Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 647, handelt derjenige, der den zu Betreuenden schädigt, pflichtwidrig – weil er ihn schädigt; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 907, sieht in dem allgemeinen Schädigungsverbot eine strafrechtsspezifische Auslegung des Untreuemerkmals der „Pflichtwidrigkeit“; nach Samson, Non Profit Law Yearbook 2004, S. 233, 242, habe der „ordentliche Unternehmensführer“ die Aufgabe, Vermögensschäden des Unternehmens zu vermeiden; Vogel/Hocke, JZ 2006, 568, 571, sehen in dem Schädigungsverbot den Kern der Vermögensbetreuungspflicht; kritisch zu einem allgemeinen Schädigungsverbot insbesondere und akzentuiert Thomas FS Hamm, 2008, S. 767; Dierlamm, NStZ 1997, 534 f. 140 Eine ähnliche Einteilung findet sich bei Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 266; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 266 Rn. 40, 46c ff.: „gesellschafts-, bilanz- und steuerrechtlich illegal“. 141 Der Frage, ob es sich um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis oder eine rechtfertigende Einwilligung handelt, soll hier nicht nachgegangen werden. Vielmehr

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raum des Vorstands erweitert; dies gilt zunächst einmal unabhängig davon, in welcher Form das Einverständnis geäußert wird. Die äußeren Grenzen eines rechtmäßigen Vorstandshandelns sind daher dort anzusetzen, wo die Einverständnisgrenzen verlaufen. Jenseits dieser Grenzen handelt der Vorstand nach dieser Definition des Einverständnisses immer pflichtwidrig. Es bietet sich daher an, mit der Bedeutung des Einverständnisses für den Vorstand zu beginnen. Dass der Terminus „Einverständnis“ im Zusammenhang mit der Untreue in Verbindung mit Vorgaben des Aktienrechts ungünstig ist, soll an dieser Stelle noch nicht vertieft werden.

Ausgangspunkt soll die Frage sein, bis zu welchem Ausmaß ein Einverständnis erteilt werden kann, ob ihm Schranken gesetzt werden (können) – und wenn ja – inwiefern. a) Grenzen eines Einverständnisses als Handlungsgrenzen Das Einverständnis in Verhaltensweisen des Vorstands wird nach allgemeiner Ansicht von den vermeintlich dispositionsfähigen Gesellschaftern142.143 Es ist umstritten, welche formale Bedeutung ihm zukommen soll. In der Rechtsprechung wird es überwiegend als tatbestands-144, teils aber auch als rechtswidrigkeitsausschließend145 behandelt. Hier soll ein Erklärungsmodell erarbeitet werden, dass sich als interessegeleitet darstellt. Mithin käme dem Gesellschafterwillen die Wirkung eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses zu.

wird die herrschende Meinung zugrunde gelegt, die einen Tatbestandsausschluss annimmt. 142 Dies ändert nichts daran, dass der Vorstand innerhalb seiner Kompetenzen nach §§ 76, 93 AktG eine Einwilligung bzw. ein Einverständnis in Handlungen von leitenden Mitarbeitern erklären kann, vgl. Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11. 143 Lediglich Schramm, Untreue und Konsens, S. 141 f., diskutiert im Hinblick auf das Vorstandsverhalten auch ein Einverständnis durch den Aufsichtsrat; in eine ähnliche Richtung geht auf den ersten Blick BGHSt 52, 323, 335 – Siemens, wo von einer Einwilligung durch den Vorstand bzw. einer Billigung durch den Aufsichtsrat die Rede ist – dies geschieht jedoch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung über das Einverständnis durch die Gesellschafter und dürfte mithin lediglich einen Verweis auf die Weisungsbefugnis des Zentralvorstands gegenüber dem Bereichsvorstand darstellen. 144 BGHSt 3, 24 f.; 34, 379; BGH NJW 2006, 522, 525, nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331, 342; so in der Literatur auch Fischer, StGB, § 266 Rn. 90; Lackner/ Kühl, StGB, § 266 Rn. 20; LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 87; MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 129, 176; NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 66; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 21; SK-Samson/Günther, StGB, § 266 Rn. 46; Feigen FS Rudolphi, 2004, S. 445, 448; Kohlmann FS Werner, 1984, S. 387, 402; Schramm, Untreue und Konsens, S. 177; Arloth, NStZ 1990, 570, 573; Radtke, GmbHR 1998, 311. 145 BGHSt 3, 32; 9, 203, 216.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Im Folgenden wird ausschließlich auf strafrechtliche Erörterungen eingegangen.146 aa) Formale Voraussetzungen Die formalen Voraussetzungen des Einverständnisses werden kontrovers diskutiert: Dies betrifft insbesondere die Aspekte „Hauptversammlungsbeschluss oder formlose Erklärung“ und „einstimmig oder mehrheitlich“. Daraus ergeben sich verschiedene Konstellationen. Sofern eine Zustimmung aller Gesellschafter vorliegt, soll dies auch formlos geschehen können.147 Eine mehrheitliche Zustimmung wird teilweise als unbeachtlich bezeichnet.148 Dies dürfte insbesondere auf ein enges Verständnis des Einverständnisses zurückzuführen sein, das etwa Hauptversammlungsbeschlüsse nicht mit einbezieht. Teils wird unter Verweis auf verschiedene – bloße Mehrheit voraussetzende – Vorschriften eine Willensäußerung mit dem jeweiligen Quorum als ausreichend angesehen, um die Pflichtverletzung oder zumindest den Schaden entfallen zu lassen.149 Teils wird konsequent streng auf die Einhaltung der formalen Voraussetzungen auch bei einheitlicher Willensbekundung gedrängt150 oder die Einhaltung von Verfahrens- und Formvorschriften selbst bei mehrheitlicher Willensäußerung als unbeachtlich eingestuft.151 Der 3. Strafsenat des BGH hat festgestellt, dass ein Einverständnis entweder durch eine Zustimmung aller Anteilseigner oder durch eine Zustimmung der diese „repräsentierende“ Hauptversammlung zustande käme.152 Sowohl durch das Alternativverhältnis als auch durch das Repräsentationsprinzip könnte ange146 Das Gesellschaftsrecht kann hingegen als durchgehend konstant angesehen werden, wenn es als Einverständnis- bzw. Zustimmungsgrenzen Kapitalerhaltung bzw. Existenzbewahrung annimmt, vgl. etwa BGHZ 31, 258; 93, 146; 95, 330, 340; 119, 257; 122, 333; 142, 92; BGH NJW 1984, 1037. 147 Dazu Krause, JR 2006, 2006, 51 f.; Vogel/Hocke, JZ 2006, 568, 570; nach Brand, AG 2007, 681, 683, unterscheidet sich ein informelles übereinstimmendes Handeln von Vorstand und Aktionärsgesamtheit nur in seiner „nonchalanten“ Einstellung gegenüber den aktienrechtlichen Verfahrensanforderungen von dem formellen Vorgehen; a. A. Spindler, ZIP 2006, 349, 354, unter Verweis auf den Gläubigerschutz und die andersgeartete Situation bei der GmbH. 148 Krause, JR 2006, 2006, 51 f.; Vogel/Hocke, JZ 2006, 568, 570 f. 149 MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 136; Schramm, Untreue und Konsens, S. 125; Krause, StV 2006, 307, 310 f. argumentiert mit §§ 327a ff. AktG; Ransiek, NJW 2006, 814, 815 f. mit Hinweis auf §§ 327a, 179a, 179 II, 174, 133 AktG; Maurer, GmbHR 2004, 1549 f., Fn. 11, schneidet die Frage nach einer Einstimmigkeit oder Mehrheit zwar an, lässt sie dann aber offen. 150 Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1063 ff. 151 So Schramm, Untreue und Konsens, S. 175 ff., mit Ausnahme der Vorschriften über die Zuständigkeit. 152 BGH NJW 2006, 522, 525, nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331, 343.

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deutet sein, dass der Senat davon ausgeht, dass ein Hauptversammlungsbeschluss auch als Mehrheitsbeschluss ergehen kann.153 Nach dem 2. Strafsenat des BGH ist Voraussetzung eines Mehrheitsbeschlusses aber zumindest, dass die Minderheitsgesellschafter mit der Frage der Billigung der Pflichtwidrigkeit überhaupt befasst waren.154 bb) Materielle Voraussetzungen Bei der Analyse der Grenzen eines Einverständnisses fällt auf, dass sich die Kasuistik im Falle der Untreue zulasten der GmbH als wesentlich reichhaltiger als im Falle der Aktiengesellschaft darstellt. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass zum einen die Gesellschaftsform der GmbH tatsächlich wesentlich weiter verbreitet ist und zum anderen die Kapitalerhaltungsvorschriften weniger streng sind als bei einer Aktiengesellschaft und so das Einverständnis bei der GmbH mehr Bedeutung erlangt als bei der AG. Der BGH hat im Hinblick auf die Grenzen eines Einverständnisses bei der Aktiengesellschaft einen Gleichlauf mit denen bei der GmbH festgestellt,155 sodass die diesbezügliche Entwicklung nachgezeichnet werden soll. cc) Grenzen eines Einverständnisses im Falle der Untreue gegenüber einer GmbH Im Hinblick auf die Grenzen eines Einverständnisses lässt sich in der Rechtsprechung eine Entwicklung feststellen, die sich von der Annahme gänzlicher Irrelevanz des Einverständnisses in Fällen der Untreue zulasten der GmbH hin zu einer begrenzten Bedeutung ausbildet: Das Reichsgericht konstatierte, das Einverständnis der Gesellschafter schließe eine Untreue gegenüber der mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft nicht aus.156 Dem schloss sich der BGH an und übernahm insbesondere die Begründung anhand der eigenen Rechtspersönlichkeit. Dies führt dazu, dass vor der Eintragung der Gesellschaft das Einverständnis die Pflichtwidrigkeit ausschließen soll, während es danach keine Wirkung mehr entfalte.157

153 Anders versteht den Senat wohl Ransiek, NJW 2006, 814, 815: „Ende März 2000 war Vodafone nicht Allein-, sondern nur Mehrheitsaktionärin; zudem fehlte es an einem Hauptversammlungsbeschluss“. 154 BGHSt 55, 266, 279 f. – Trienekens. 155 BGH NJW 2006, 522, 525, nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331, 342, bezieht sich auf die Entscheidung BGHSt 35, 333, 335 ff., in der die Einverständnisgrenzen bei der GmbH thematisiert werden. 156 RGSt 42, 278; 71, 353. 157 BGHSt 3, 24, 25.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Vom Reichsgericht wird auch das Verbot des „willkürlichen“ Abzugs von Vermögen übernommen: Die Gesellschafter hätten außerhalb der Liquidation ausschließlich Anspruch auf Reingewinn und nicht auf sonstige Vermögensbestandteile der Gesellschaft. Demnach sei eine Zustimmung selbst aller Gesellschafter ohne Bedeutung. Dass der Vermögensabzug zudem gegen § 30 GmbHG verstoße, komme noch „hinzu“.158 Gleichsam den „Höhepunkt“ der Problematik bildete die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1987159: Dem Angeklagten wurde als faktischem Geschäftsführer zur Last gelegt, private Verbindlichkeiten aus dem Vermögen der GmbH beglichen zu haben. Dies war hauptsächlich anhand gefälschter Rechnungen erfolgt. Es wurde zugrunde gelegt, dass die Ehefrau als Alleingesellschafterin von vornherein mit allen Handlungen einverstanden gewesen war. Die Handlungen des Geschäftsführers sollten jedoch trotz Zustimmung der Gesellschafter in der Regel pflichtwidrig sein, wenn die Vermögensverschiebung durch Falsch- oder Nichtbuchung verschleiert werde und die Zustimmung daher selbst ungetreu sei. Dies gelte ausdrücklich auch bei Nicht-Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften und bei der Möglichkeit, die Vermögenswerte als Gewinn auszuschütten.160 Diese Argumentation hat einen Bedeutungsverlust des Einverständnisses zur Folge, da eine Zustimmung bereits dann unwirksam sein soll, wenn sie zu einem Verstoß gegen die „Grundsätze des ordentlichen Kaufmanns“ ergehe161 bzw. dem „Wesen der GmbH nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung zuwiderlaufen würde“ 162. Die Entscheidung des BGH führte zu heftigster Kritik. Im Folgenden wurde sie unter „Fortführung“ von BGHSt 34, 379 abgeschwächt: Obwohl auch in einem darauffolgenden Fall falsche Rechnungen gestellt wurden, sollte eine lückenhafte oder falsche Buchführung für sich allein nicht mehr zu einer Untreuestrafbarkeit führen.163 Ein Nachteil könne dann nicht angenommen werden, wenn die Gewinnverschiebung als Gewinnvorschuss gewertet werden könne. Hingegen sei bei einer Existenzgefährdung der GmbH eine Untreue denkbar.164 158 So auch BGHSt 3, 32, 39 f. noch zur speziellen Untreuevorschrift nach § 81a GmbHG, dessen Anwendungsbereich aber nach BGHSt 35, 333, 337 und BT-Drucks. V/4094, S. 56, voll von § 266 StGB aufgenommen wurde; vgl. auch BGHSt 9, 203, 216; BGH wistra 1983, 71; vgl. dazu auch Schramm, Untreue und Konsens, S. 114. 159 BGHSt 34, 379. 160 Der BGH beschränkt sich hier auf die Feststellung: „Denn das ist eben nicht geschehen“, BGHSt 34, 379, 388. 161 BGHSt 34, 379, 385, 387; dieser Verstoß lag hier in der nicht ordnungsgemäßen Buchführungspflicht, S. 388. 162 BGHSt 34, 379, 386. 163 BGHSt 35, 333, 336. 164 BGHSt 35, 333, 387; eine interessante Gestalt hat die Existenzgefährdung im Fall „Bremer Vulkan Verbund AG“ angenommen, BGHSt 49, 147. Die BVV AG hatte von

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Die strafrechtliche Rechtsprechung nähert sich mit der Stammkapitalerhaltung als Einverständnisgrenze, zu deren Begründung ausdrücklich auf die zivilrechtliche Rechtsprechung des BGH verwiesen wird,165 der zivilrechtlichen Rechtsprechung an. Keine Rolle sollen hingegen bloße Verstöße gegen Formalien oder Falschbuchungen spielen.166 dd) Monistische Ausrichtung? Die entscheidende Frage lautet nun, in wessen Interesse dem Einverständnis diese Grenzen gezogen wurden. Oben wurde herausgearbeitet, dass insbesondere der BGH an den Vorstand monistische Anforderungen stellt. Diese These könnte erschüttert werden, wenn sich ergeben sollte, dass die Begrenzung des Einverständnisses einem pluralistischen Verständnis entspringt, etwa indem sie einen Gläubigerschutz bezwecken. Es müsste dann dem Vorwurf der Rechtsgutvertauschung gezielter nachgegangen werden.

der Treuhandanstalt zwei ostdeutsche Werften erworben. Sowohl durch verschiedene Subventionen als auch durch die Übernahme von Garantien zum Bestand der Ostwerften seien keine Vermögensbetreuungspflichten begründet worden. Eine Untreuestrafbarkeit komme jedoch im Hinblick auf eine Existenzgefährdung der beiden Tochterunternehmen in Betracht, BGHSt 49, 147, 157 ff. Dies überrascht, führt der BGH doch vorher aus: „Die Gesellschaft hat gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf Gewährleistung ihres Bestands. Die Gesellschafter können die Existenz der Gesellschaft – sei es im Rahmen einer freiwilligen Liquidation, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens – beenden“; relativiert wird dies dann später: „Eine entsprechende Pflicht, die Gesellschaft nicht existenzbedrohend zu beeinträchtigen, trifft nicht nur den Geschäftsführer als das vertretungsberechtigte Organ, sondern in gleicher Weise den beherrschenden Alleingesellschafter“. Der 5. Senat verfährt insofern ungewöhnlich, als er zuerst die Pflichtverletzung und erst im Anschluss daran die Vermögensbetreuungspflicht prüft. Die BVV AG hatte die beiden Ostwerften nämlich angewiesen, einem Cash-Management beizutreten, obwohl sich die BVV AG zu diesem Zeitpunkt bereits in finanzieller Schieflage befunden hatte. Im Folgenden wurde das Guthaben der Ostwerften (u. a. aus Zuschüssen und Subventionen stammend) abgeschöpft und anderen (bedürftigen) Konzerngesellschaften zur Verfügung gestellt, bis es Anfang 1996 zum finanziellen Zusammenbruch der BVV AG kam. Der Senat stützte die Vermögensbetreuungspflicht der BVV AG gegenüber den Ostwerften nicht auf die Stellung als Gesellschafter, sondern auf die Verfügungsgewalt über die finanziellen Mittel des gesamten Konzerns. Die BVV AG wird mithin ähnlich einem faktischen Geschäftsführer behandelt. 165 BGH NJW 1997, 66, 68; im Folgenden dann BGHSt 49, 147, 159 – BVV, wonach sich aber die zivilrechtliche an die strafrechtliche Entwicklung anlehne; BGH NJW 2000, 154 f.; BGH, Beschluss v. 11.9.2003 Az. 5 StR 524/02 Rn.60, nur teilweise abgedruckt in wistra 2003, 457; BGH wistra 2006, 265; ob die Zweigleisigkeit durchgehalten wird, ist indes fraglich in BGH NJW 2009, 2225, 2227, BGH NZG 2011, 1311 f., 1238, wo der Verstoß gegen die Kapitalerhaltung als Unterfall der Existenzgefährdung behandelt wird; auch auf den Angriff des Stammkapitals als Einverständnisgrenze abstellend LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 87; Kohlmann FS Werner, 1984, S. 387, 397. 166 BGH NJW 1997, 66, 69; an dieser Stelle zeigt sich mit aller Deutlichkeit die im Vergleich zu BGHSt 34, 379, komplett gegensätzliche Argumentation.

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Wie gesehen unterliegt das Einverständnis durch die Gesellschafter verschiedenen Grenzen, insbesondere in Form der Kapitalerhaltung und des Verbots der Bestandsgefährdung. Indes dient zur Begründung die eigene Rechtspersönlichkeit der juristischen Person. Belange von Gruppen, die nach dem ursprünglichen Verständnis eher der Sphäre des Unternehmens und nicht der Gesellschaft zuzuordnen sind – insbesondere Gläubiger und die Allgemeinheit –, werden zwar erwähnt: So sei es irrelevant, dass die Vorschriften über die Stammkapitalerhaltung „letztlich“ auch den Schutz der Gläubiger im Auge hätten; in den Vordergrund wird jedoch stets die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH gerückt.167 Deutlich kommt dies in der umstrittenen Entscheidung des BGH zu diesem Themenkreis zum Tragen: „[. . .] trotz der Hinweise auch auf das (mittelbare) Interesse der Gesellschaftsgläubiger in den Fällen der Untreue zum Nachteil einer GmbH bei Zustimmung der Gesellschafter [. . .] hält der Bundesgerichtshof – ausdrücklich – den Gesichtspunkt nicht für maßgeblich, sondern hebt darauf ab, daß die GmbH sich als eigene Rechtspersönlichkeit darstellt [. . .].“ 168 In eine andere Richtung scheint lediglich eine Entscheidung des 3. Strafsenats BGH aus dem Jahre 1956 zu weisen,169 in der der BGH postuliert, die Vorschrift des § 30 GmbHG sei der Disposition der Gesellschafter entzogen, da sie zu den Normen gehöre, die überwiegend im Interesse der Gesellschaftsgläubiger lägen oder zum unantastbaren „Wesen“ der Gesellschaft zählten.170 Da sich der BGH auch auf das „Wesen“ der GmbH bezieht und es sich bei dieser Formulierung um einen Einzelfall handelt, dürfte die Behauptung dennoch vertretbar sein, den Grenzen eines Einverständnisses liege eine monistische Konzeption zugrunde, die jedenfalls Gruppeninteressen einer pluralistischen Konzeption zu ihrer Begründung nicht bedarf. Das Verbot der Existenzgefährdung wird in engem Zusammenhang mit der Kapitalerhaltung diskutiert. So wird die Existenzgefährdung der GmbH mit einer das Stammkapital gefährdenden Maßnahme gleichgesetzt171 bzw. eine konkrete Existenzgefährdung mit einem Angriff des § 30 GmbHG argumentativ gestützt.172 Mit dem Verweis auf die GmbH wird parallel zum Gebot der Stammkapitalerhaltung die eigene Rechtspersönlichkeit hervorgehoben. Der Hinweis auf Ver167

BGHSt 3, 32, 40. BGHSt 34, 379, 386; im Fall „Siemens“, BGHSt 52, 323, 335, bezieht sich der BGH wieder auf diese Entscheidung, und zwar in einer Verweisungskette mit BGHSt 35, 333, obwohl diese Entscheidungen zumindest im Hinblick auf die Grenzen eines Einverständnisses inkompatibel sind, vgl. dazu oben Kapitel 1 A. II. 2. a) cc). 169 BGHSt 9, 203. 170 BGHSt 9, 203, 216. 171 BGH NJW 1997, 66, 69. 172 BGH NJW 2000, 154 f.; BGH, Beschluss v. 11.9.2003 Az. 5 StR 524/02 Rn. 60, nur teilweise abgedruckt in BGH wistra 2003, 457. 168

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bindlichkeiten gegenüber Banken und Lieferanten dürfte nur ein anderer Ausdruck für das Verbot eines Abzugs von Mitteln, den die Gesellschaft für „ihren Fortbestand“ benötigt, sein. In eine andere Richtung könnte lediglich die Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH zum Bremer-Vulkan-Verbund aus dem Jahre 2004173 weisen: Die Schranken der Dispositionsbefugnis werden darauf gestützt, dass Interessen „anderer“ oder öffentliche Interessen berührt seien. Der Zweck der Kapitalgesellschaft erschöpfe sich nicht in einer bloßen Vermögensanlagemöglichkeit für Gesellschafter. Die Gesellschaft habe vielmehr als Wirtschaftssubjekt neben ihren Rechten auch Pflichten, die das Funktionieren des Wirtschaftskreislaufes gewährleisteten, etwa, dass genügend Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gläubiger verbleiben müsse.174 All dies muss jedoch unter den Vorzeichen gelesen werden, dass gerade in dieser Entscheidung häufig von den „Eigeninteressen“ der Tochtergesellschaften gesprochen wird und eine Vermögensverfügung ausdrücklich als gegenüber der Gesellschaft treuwidrig angesehen wird.175 ee) Übertragung auf die AG Der BGH hat durch Verweis auf BGHSt 35, 33 die für die GmbH entwickelten Grenzen eines Einverständnisses auf die Aktiengesellschaft übertragen.176 Dementsprechend soll ein Einverständnis der Gesellschafter den Schranken der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 57 AktG und dem Verbot der Bestandsgefährdung unterliegen. Dieser „Gleichlauf “ ist freilich nur ein formeller, begrifflicher, weil sich sowohl bei der GmbH als auch der Aktiengesellschaft ein Verweis auf die „Kapitalerhaltungsvorschriften“ und den „existenzvernichtenden Eingriff“ findet – materiell unterscheiden sich die Kapitalerhaltungsvorschriften allerdings erheblich:177 Der Anwendungsbereich des § 57 AktG ist wesentlich weiter als der des § 30 GmbHG. Während im GmbHG lediglich das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf, verbietet § 57 Abs. 1 AktG generell die Rückgewährung der Einlagen. Damit einher geht die geringere Bedeutung sowohl eines Einverständ173

BGHSt 49, 147. BGHSt 49, 147, 158 f. 175 BGHSt 49, 147, 158, 160. 176 BGH NJW 2006, 522, 525, nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331– Mannesmann; vgl. auch Fleischer-Spindler, Handbuch des Vorstandsrechts, § 15 Rn. 18; ebenfalls auf die Parallelität bei GmbH und AG hinweisend Fischer, StGB, 58. Aufl., § 266 Rn. 54 (nunmehr insofern aufgegeben, als dass den Aktionären keine Einwilligungskompetenz zukomme: Fischer, StGB, § 266 Rn. 102); MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 140; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 21c. 177 Darauf weist insbesondere Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247 ff., hin, der dies insbesondere auf die unterschiedliche Stellung der Gesellschafter in der GmbH und der AG bezieht. 174

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nisses als auch der Bestandsgefährdung im Aktienrecht. Dass das Einverständnis dennoch auch eine praktische Bedeutung im Falle der Aktiengesellschaft besitzt, zeigt die Mannesmann-Entscheidung des BGH.178 Die monistische Ausrichtung der strafrechtlichen Untreuekonzeption gegenüber der Aktiengesellschaft scheint noch weniger Begründungsaufwand zu benötigen als gegenüber der GmbH:179 § 31 Abs. 2 GmbH macht die Rückerstattung bei einem gutgläubigen Empfang von dem Gläubigerbedarf abhängig, sodass die Gläubigerinteressen immer mitschwingen. Anders im Aktienrecht: Eine entsprechende Vorschrift fehlt; § 62 AktG regelt diesen Fall gerade nicht. Eine Pflicht zur Rückgewähr wird nur für den Fall des Bezugs als Gewinnanteile teilweise eingeschränkt, besteht aber ansonsten absolut. ff) Schlussfolgerung Den Grenzen eines Einverständnisses liegt eine monistische Konzeption zugrunde: Zur Begründung sind neben den Interessen der Gesellschaft(er) sonstige Interessen, für die stellvertretend etwa die Gruppe der Gläubiger steht, nicht notwendig. Dennoch: Selbst wenn sich die Gesellschafter geeinigt haben, können sie nach dieser Konzeption die Vorschriften zur Kapitalaufbringung und -erhaltung bzw. das Existenzgefährdungsverbot – im Gegensatz zu den sonstigen gesetzlichen Vorschriften, der Satzung und dem allgemeinen Schädigungsverbot – nicht suspendieren180 und der Vorgang wäre in jedem Fall interessewidrig im Sinne des § 266 StGB. Dies gilt für die äußere Grenze des Ermessens, beispielsweise für die überdehnte Risikofreudigkeit, die eine Gefährdung des Bestandes nach sich zieht. Das Bestandsgefährdungsverbot legt aber auch einen „inneren Ring“ um das Ermessen des Vorstands, denn auch zu risikoaverses Vorgehen kann eine Bestandsgefährdung bedeuten. Bereits an dieser Stelle deutet sich an, dass ein Verständnis der Untreuekonzeption, die die Gesellschaft als Gesamtheit der Gesellschafter betrachtet, zu Schwierigkeiten führt: Aus dem Blickwinkel der Gesellschafter stellen sich die Grenzen, die das Einverständnis erfährt, als Schranken ihrer Dispositionsbefugnis dar, die nur mit ihnen entzogenen Rechtsgütern anderer Rechtsgutträger zu erklären sind, auf deren Interesse sich die Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands nicht bezieht. Der Vorwurf einer Rechtsgut(träger)vertauschung kommt auf.181 178

BGH NJW 2006, 522 f., nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331 – Mannes-

mann. 179

So auch Wellkamp, NStZ 2001, 113, 119. Damit ist zugleich eine mehrheitliche Beschlussfassung als ein „Minus“ ausgeschlossen. 180

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Hinzu kommt, dass den Gesellschaftern als Dispositionsgrenze das Verbot einer Bestandsgefährdung auferlegt wird, obwohl sie doch – sofern sie ein bestimmtes Verfahren einhalten – jederzeit die Auflösung der Gesellschaft beschließen können. Ein Erklärungsmodell, das nur auf die Interessen der Gesellschafter abstellt, büßt zunehmend an Überzeugungskraft ein. b) Hauptversammlungsbeschluss, Satzung, Anstellungsvertrag, Gesetz und allgemeines Schädigungsverbot Liegt kein den Handlungsspielraum des Vorstands erweiterndes Einverständnis der Gesellschafter vor, ist der Vorstand an die Grenzen gebunden, die ihm durch Hauptversammlungsbeschlüsse, Satzung, Anstellungsvertrag, Gesetz und das allgemeine Schädigungsverbot gesetzt werden. Die durch Gesetz und das allgemeine Schädigungsverbot gesetzten Grenzen verschwimmen allerdings,182 wenn den §§ 76, 93 Abs. 1 S. 1 AktG die Pflicht des Vorstands implementiert wird, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Nachteil von ihr abzuwenden. Von den gesetzlichen Bestimmungen erlangen vor allem die Grundsätze der Kapitalaufbringung und Erhaltung, die Anforderung an den Vorstand aus §§ 76, 93 Abs. 1 S. 1 AktG, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (gemeinsam mit den einzelnen gesetzlichen Ausprägungen dieses Grundsatzes), strafrechtliche Vorschriften (etwa aus dem Bereich der Korruption) und – offenbar – Bilanzierungsvorschriften183 Bedeutung für die Untreue. Satzungsbestimmungen, Hauptversammlungsbeschlüsse und Anstellungsverträge wurden hingegen bisher kaum erörtert. Sie erscheinen obsolet, wenn der Vorstand einem allgemeinen Schädigungsverbot unterliegen soll. Dass es sich sowohl bei Satzungsbestimmungen als auch bei Hauptversammlungsbeschlüssen nicht um den natürlichen Willen der „Menschen“ als Gesellschafter handelt, der diesen selbst zugerechneten wird, wird daran deutlich, dass – zumindest für den Fall einer nur mehrheitlich gefassten Entscheidung unstreitig – Vorschriften über das Verfahren, das Quorum und die materiellen Satzungsgrenzen die Willensäußerung lenken.184 181 Vgl. dazu unten, Kapitel 1 B. I. 1.; der Rechtsprechung werfen Vogel/Hocke, JZ 2006, 568, 571 Fn. 34, in Bezug auf den „gläubigerschützenden § 30 GmbHG“ eine Rechtsgutvertauschung vor. 182 Insgesamt zu einem Übergreifen von Treuepflicht und Pflichtwidrigkeit bzw. Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil Fischer, StGB, 58. Aufl., § 266 Rn. 40, 46a; § 266 Rn. 54, 59, 64. 183 Etwa im Falle einer „Schwarzen Kasse“, vgl. BGHSt 52, 323 – Siemens und BGHSt 55, 266 – Trienekens; vgl. dazu auch Bernsmann, GA 2009, 1, 6. 184 Eine derartige aktualisierte Interessenbildung nach Maßgabe einer „satzungsgemäßen Willensbildung“ wird auch vom 2. Senat des BGH in BGHSt 51, 100, 113 f. – Kanther, angesprochen: „Hierbei ist namentlich zu berücksichtigen, dass nach satzungs-

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Es steht jedoch zu erwarten, dass sich dieser Trend ändern wird, sobald Compliance-Richtlinien in der Praxis (noch weiter) zunehmen.185 Dieses allgemeine Schädigungsverbot ist „Urtyp“ einer monistischen Konzeption. Die Suche nach der Grundlage gestaltet sich jedoch komplizierter als angenommen: Bereits vor der eingehenden Untersuchung des allgemeinen Schädigungsverbots darf vermutet werden, dass seine Existenz jedenfalls nicht auf einer ausdrücklichen Entscheidung der Gesellschafter beruht, denn es gilt unabhängig von einer expliziten Bestimmung in der Satzung. So ist denn im Gesellschaftsrecht anerkannt, dass bei Schweigen der Satzung eine erwerbswirtschaftliche Zielsetzung der Gesellschaft zu vermuten ist.186. Auch aus strafrechtlicher Sicht wird das allgemeine Schädigungsverbot dementsprechend als ein eigenständiger Fall neben einem Satzungsverstoß verstanden,187 der es höchstens zulässt, einen dahingehend konkludent geäußerten Willen der Gesellschafter anzunehmen. gemäßem Zweck und Struktur des Landesverbands die Definition dessen, was als das ,Interesse‘ des Landesverbands anzusehen war, gerade in der innerparteilich offenen Diskussion zu finden und von den zuständigen Organen zu entscheiden war.“ 185 Zu verbindlichen Compliance-Regeln als Grenze des Vorstandsermessens Fischer, StGB, § 266 Rn. 81; zur Bedeutung von Compliance-Regeln bei Schwarzen Kassen Bernsmann, GA 2009, 1, 6. 186 Darauf wird noch näher einzugehen sein, vgl. unten, Kapitel 2 D. III. 1. a); dennoch kann im Aktienrecht nicht von einem allgemeinen Schädigungsverbot die Rede sein, weil sich das AktG gerade gegen eine Erfolgshaftung des Vorstands verwehrt, vgl. dazu aus dem Gesellschaftsrecht HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 19; KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 4; MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 28, § 93 Rn. 5, 27: Aus diesem Grunde sei auch eine Haftungsverschärfung, die an eine Erfolgshaftung heranreiche, nicht zulässig; Spindler/Stilz-Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, S. 107; Fleischer, AktG, 2007, § 93 Rn. 56; Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 46; Hauschka-Sieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 1; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 51, 95, 100, 140; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 345, unter Hinweis auf die notwendige Anpassungs- und Innovationsfähigkeit eines jeden Unternehmens; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; zum parallelen Problem im GmbH-Recht insbesondere Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 17. Eine Verschuldenshaftung sei daher auch der § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bereits gewesen; das ergibt sich nach Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 89; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, aus dem § 93 Abs. 2 S. 2 AktG: Die Vorschrift des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG hat ihre Ursprünge in § 84 Abs. 2 S. 2 AktG 1937. Die historische Entwicklung verdeutlicht, dass der Norm bereits der moderne Gedanke zugrunde lag, einer Risikoaversion der Vorstände entgegenzuwirken und insbesondere keine Erfolgshaftung einzuführen; vielmehr sollte der „in der Rechtsprechung entwickelte Gedanke, wonach der Vorstand in Schadenersatzprozessen den Entlastungsbeweis zu führen hat“, positivrechtlich normiert werden, vgl. Amtl. Begr. zu § 84 AktG 1937, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28, S. 4, die hervorhebt, den Vorständen dürfe nicht „jeder Mut zur Tat genommen werden“; auch nach RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11, soll klargestellt werden, dass eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet. 187 Besonders akzentuiert LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 94: „Soweit an Hand dieser allgemeinen Standards für den Einzelfall kein eindeutiges Gebot feststellbar ist, bleibt in der Regel das Verbot, den Geschäftsherrn zu schädigen, als Minimalpflicht übrig“.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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Das Interesse an einer Nicht-Schädigung kann auch nicht aus der Strafvorschrift der Untreue selbst abgeleitet werden, will sich der Straftatbestand – genauer: der Interpret – nicht dem Vorwurf aussetzen, den Anknüpfungspunkt für das Interesse, dessen Verletzung er poenalisiert bzw. poenalisieren will, selbst zu produzieren. Dementsprechend bedarf es eines anderen Anknüpfungspunktes. Möchte man die anthropologische Annahme zugrunde legen, jeder Mensch hätte ein Interesse daran, nicht geschädigt zu werden, so ist dies nur vordergründig ein Erklärungsansatz: Ein derartiges Verständnis würde dazu führen, dass der Vorstand, wollte er nicht das Schädigungsverbot verletzen, eine Gewährsstellung für das (private) Vermögen der Gesellschafter hätte. Dies trägt schon deswegen nicht, weil der Vorstand anerkanntermaßen nicht dazu verpflichtet sein kann, alle verfügbaren Vermögenswerte in den Grenzen des Gesetzes in das Privatvermögen der Gesellschafter zu überführen.188 Es läge denn auch nahe, bei dieser Lesart des Schädigungsverbots dem Vorstand eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gesellschaftern – und nicht gegenüber der Gesellschaft – zu überantworten, was nicht nur terminologisch, sondern auch sachlich zweifelsfrei einen großen Unterschied darstellen würde. Bis hierher kann mithin festgestellt werden: Die Untreuekonzeption bezüglich des Vorstands ist eine monistische. Dies lässt sich an den erwerbswirtschaftlichen Zielsetzungen verdeutlichen. Der die monistische Konzeption in Frage stellende Verweis auf Interessengruppen, die typischerweise im Rahmen eines Unternehmens andere als rein erwerbswirtschaftliche Interessen aufweisen, wird „umschifft“, indem auf die „eigene Rechtspersönlichkeit“ der Gesellschaft verwiesen wird. Gerade dies stellt die Konzeption vor neue Schwierigkeiten, weil nicht deutlich wird, wie sie die maßgeblichen Interessen der eigenen Rechtspersönlichkeit generieren sollen; besonders deutlich wird dies etwa beim allgemeinen Schädigungsverbot.

III. Interessengenese im Zusammenspiel mit Pflichtverletzung Für die bisherigen Erkenntnisse muss, sollen sie diskutabel sein, ein Erklärungsmodell gefunden werden. Auszugehen ist dabei von Folgendem: Ein Interesseverständnis, das stets seinen Ausgang bei den Gesellschaftern nimmt, könnte zu eng sein, weil auch die Rechtsprechung in ihren Äußerungen zur „eigenen Rechtspersönlichkeit“ die Gesellschaft von den Gesellschaftern abhebt. Ziel des Erklärungsmodells muss es demgemäß sein, alle Facetten der Handlungsmaximen des Vorstands zu integrieren. 188 Nur eine Minderheitsmeinung sieht als Inhalt des Gesellschaftszwecks auch das Austeilen des Gewinnes an, während die herrschende Meinung höchstens das Erzielen von Gewinn als erfasst anerkennt, vgl. dazu Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 28 f.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Dies hat mit Blick auf die Eigenschaft der Aktiengesellschaft als „juristische Person“ zu geschehen,189 die es vermag, die Gesellschaft zu verselbständigen, indem ihr selbst Willensfassung und -betätigung zugerechnet wird, indem sie allein haftet und einen Mitgliederwechsel überdauert. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, ein Erklärungsmodell zu finden, das die Interessengenese bei der Aktiengesellschaft abbildet. Es wird sich zeigen, dass der natürliche Wortsinn des Interessebegriffs, der sich auf menschliche Individuen bezieht,190 für die hiesige Konstellation ungeeignet ist und aufgegeben werden muss. 1. Kollektiver Interessebegriff Der Frage, was den Begriff des Interesses ausmachen könnte, wird meist wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Beantwortung könnte ihren Ausgang bei einer von dem Wissenschaftstheoretiker Mittelstraß rührenden Unterscheidung nehmen. Mittelstraß differenziert zwischen dem individuellen, dem kollektiven und dem transsubjektiven Interesse (jeweils in subjektiver und objektiver Bedeutung). Als individuelle Interessen versteht er die von einer Person artikulierten bzw. durch Interpretation der Handlungsresultate gewonnenen Interessen einer Person. Kollektive Interessen sind die auf gleiche Art und Weise ermittelten Interessen einer Gruppe.191 Interessbegriffe nach Mittelstraß Interesse

individuelles

kollektives

subjektiv

artikuliert

artikuliert

objektiv

abgeleitet aus den Handlungsresultaten

abgeleitet aus den Handlungsresultaten

transsubjektives qua rationaler Interessenkritik

In juristischen Termini „übersetzt“ spricht Mittelstraß hier die ausdrückliche und die konkludente Äußerung von Interessen an. Unter subjektiven Interessen versteht er „individuelle oder kollektive Interessen, für die außer dem Hinweis auf ihre Faktizität keine Begründungen gegeben werden“ 192, unter objektiven „individuelle oder kollektive Interessen, die durch eine Handlung deutende Analyse spezieller Entwicklungen, d. h. Wirkungszusammenhänge, begründet wer189 190

Auch bei der Fremdheit des Vermögens wird auf die juristische Person abgestellt. Vgl. Stober/Kluth/Wolff/Bachof, S. 296; Mayntz, Soziologie der Organisation,

S. 22. 191 192

Mittelstraß, Gesellschaftstheorie, S. 126, 138. Mittelstraß, Gesellschaftstheorie, S. 126, 141.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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den“ 193. Transsubjektive Interessen sind letztendlich die qua „rationaler Interessenkritik“ in Geltung gesetzten allgemeinen Interessen.194 Diese Einteilung von Interessen muss insbesondere vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Mittelstraß das Interesse vorrangig als erkenntnisbeeinflussend analysiert. Dies geschieht im Zuge einer Neuorientierung der Erkenntnistheorie, die insbesondere durch die Frankfurter Schule angestoßen wurde und von Habermas noch heute wirkungsmächtig vertreten wird.195 Dementsprechend ist für Mittelstraß die Frage nach dem „Begründungszusammenhang“ 196 von hoher Bedeutung. Die vorliegende Untersuchung verfolgt keinen wissenschaftstheoretischen Ansatz, sodass die Einteilung von Mittelstraß in objektiv, subjektiv und transsubjektiv für die hiesige Untersuchung zu vernachlässigen ist. Als relevant kann hingegen angesehen werden, dass Mittelstraß individuelle und kollektive Interessen unterscheidet. Mit einer kollektiven Interessedeutung kündigt sich eine Dimension des Interessebegriffs an, die nicht notwendig mit einer einstimmigen oder mehrheitlichen Willensbetätigung (etwa der Gesellschafter)197 zusammenfällt. 2. Zweckgebundener Interessebegriff H. J. Wolff bestimmt das Interesse gegenstandsbezogen198 und differenziert zwischen subjektiv faktischen und objektiv bestimmbaren, wahren Interessen jeweils eines Individuums oder einer Gemeinschaft.199 Das subjektiv faktische Interesse ist nach Wolff die positive Bezogenheit, die ein bestimmtes Subjekt zu bestimmten Gegenständen tatsächlich hat. Daneben existiere ein objektiv be193

Mittelstraß, Gesellschaftstheorie, S. 126, 144. Mittelstraß, Gesellschaftstheorie, S. 126, 151. 195 Habermas, Erkenntnis und Interesse, der „Sinn der Wahrheit von Aussagen“ lasse sich nicht mit einer objektiven Erkenntnis erfassen, sondern die Wahrheit ergebe sich erst in Verbindung mit dem objektiven Lebenszusammenhang, der eben auch durch das jeweilige Interesse geprägt sei. 196 Dieser ist eine Spielart des Habermas’schen „objektiven Lebenszusammenhanges“. 197 Die Abgrenzung zwischen mehrheitlicher und einstimmiger Interessengenese spielt etwa bei der Bestimmung des Verbands- bzw. des Gesellschaftsinteresses bei Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 18 ff., eine Rolle: Das Verbandsinteresse sei nicht identisch mit dem Interesse der Mehrheit, müsse aber – wollte man dem Verband keinen höheren Wert als der Summe der Mitglieder beimessen – durch Einstimmigkeit determiniert werden können. 198 Dies lässt auf eine Passung zwischen den Begriffen und dem strafrechtlichen Interessebegriff hoffen, der ja ein Vermögensinteresse voraussetzt. 199 So inzwischen Stober/Kluth/Wolff/Bachof, S. 295 f.; Parallelen finden sich bei Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 899, die im Hinblick auf das Verbandsinteresse auf die vergleichbare Situation bei Bestimmung des „Kindeswohls“ anhand einer objektiven, fiktiven, als mündeleigen gedachten Interessenordnung des Kindes verweisen. 194

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

stimmbares, wahres Interesse eines Subjekts, „das in seinem Bestand und in seiner Werthöhe unabhängig ist von der Existenz und der Stärke des subjektiven, tatsächlichen Interesses“. Es werde ermittelt, indem ein Gegenstand „auf bestimmte zugeordnete Bedürfnisse, Zwecke und Ziele bezogen und von da aus irrtumsfrei beurteilt wird“ 200. Träger von Interessen seien jeder Mensch sowie menschliche Gemeinschaften. Das subjektive, tatsächliche Interesse ergebe sich aus einem komplizierten Wechselwirkungsprozess zwischen den tatsächlichen Interessen der Gemeinschaftsmitglieder („volonté de tous“), während sich das wahre Interesse aus dem Zweck der Gemeinschaft ableiten lasse („volonté générale“).201 Aus dieser Einteilung ergibt sich für das Unternehmen ein relevanter Erkenntnisgewinn durch eine weitere Interessendimension. Einer „Gruppe“ kann ein Interesse zukommen, das sich entweder anhand eines Wechselwirkungsprozesses konstituiert oder aus dem Zweck der „Gruppe“ abgeleitet wird. Interessenbegriffe nach H. J. Wolff Interesse

eines Menschen

einer menschlichen Gemeinschaft

subjektiv faktisch

tatsächliche Bezogenheit

Wechselwirkungsprozess

objektiv bestimmbar, wahr

abgeleitet aus Bedürfnis, Ziel und Zweck

abgeleitet aus Zweck

Sofern Wolff einen Wechselwirkungsprozess anspricht, dürfte es sich damit um eine einstimmige oder mehrheitliche Willensbetätigung handeln. Der „Zweck“ der Gruppe ist dem Wechselwirkungsprozess gegenübergestellt und könnte dementsprechend auch als Erklärung für ein nicht durch die Gesellschafter artikuliertes Interesse taugen. Ähnlichkeiten weist diese Behandlungsweise mit der Radbruch’schen Werteinteilung auf: Folgt man der Unterteilung Radbruchs in „individualistische“ (Individualwerte bevorzugend = Einstimmigkeitsprinzip)202, „überindividualistische“ 200

Inzwischen Stober/Kluth/Wolff/Bachof, S. 295 f. Inzwischen Stober/Kluth/Wolff/Bachof, S. 296; ob sie sich dabei an Rousseaus Vorstellung vom „Gemeinwohl“ anlehnen, bleibt undurchsichtig. 202 Geht man mit Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 68 ff., davon aus, dass der jeweilige Individualwert der individualistischen Auffassung nicht durch den Wertgehalt einer noch so großen Majorität überboten werden kann, so könnte sich das Interesse einer derartigen „Gesellschaft“ nur durch die Summe ihrer Individualinteressen definieren lassen (Einstimmigkeitsprinzip). Das rechtsphilosophische Verständnis vom „Individuum“ löst das sich aufdrängende praktische Problem einer Summierung unterschied201

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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(Kollektivwerte bevorzugend = Mehrheitsprinzip)203 und „transpersonale“ (Werkwerte bevorzugend)204 Auffassungen, so lässt sich die Interessengenese ggf. transpersonal deuten:205 Die „Werkwerte“ eröffnen eine neue Dimension, denn „[w]ährend Gesellschaft und Gesamtheit unmittelbare soziale Beziehungen und Gebilde sind, ist die Gemeinschaft ein Gebilde, dessen sozialer Zusammenhang durch eine gemeinsame Sache vermittelt wird“ 206. Ähnliches klingt auch bei O. v. Gierke an, der einer individualistischen Sicht auf die menschlichen Verbände eine überindividuelle gegenüberstellt, die die Ganzheit der Verbände hervortreten lässt, die mehr ist als die Summe der Individuen.207 Interessenbegriffe nach Radbruch individualistisch Summe Wechselwirkungsprozess mit Einstimmigkeitsprinzip

überindividuell Wechselwirkungsprozess mit Mehrheitsprinzip

transpersonal Werkwert

Eine genaue Beschreibung dessen, was unter Zweck oder transpersonalem „Werkwert“ zu verstehen ist, nehmen weder H. J. Wolff noch Radbruch vor. Um eine handhabbare Deutung des Interesses anhand des Zwecks zu erreichen, muss der Zweckbegriff im Fall der juristischen Person in mehrfacher Hinsicht von seinem personalen Substrat entkoppelt werden: Der Zweckbegriff muss den Umständen Rechnung tragen, dass er unabhängig von den natürlichen Interessen der Gesellschafter entsteht208 und selbst durch eine mehrheitliche oder lichster Interessen dadurch, dass das individualistische Individuum selbst „aller individualisierenden Merkmale unfähig“, mithin „individualitätslos“, „isoliert“ und „abstrakt“ sei, Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 65 f., 71. 203 Für die überindividualistische Auffassung hingegen sei der Wert der Majorität der Individuen hingegen höher als derjenige ihrer Minorität (Mehrheitsprinzip), vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 59, 68. Bereits die Bildung von Majorität und Minorität setze einen Prozess voraus, der das Interesse der „Gesamtheit“ hervorbringen soll. Aus diesem Grunde wird dem „Individuum“ zwar nicht empirische Individualität, aber immerhin mehr (konkrete) Individualität als bei der individualistischen Auffassung zugestanden; die überindividualistische Sichtweise geht dementsprechend auch von „Individualitäten und Ganzheiten aus Individualitäten“ aus. Dies ist insbesondere deshalb möglich, weil das Individuum hier nicht mehr als isoliert aufgefasst wird, sondern als Glied eines Organismus, Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 65, 71. 204 Bei der transpersonalen Auffassung dienten Persönlichkeitswerte und Kollektivwerte den Werkwerten. 205 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 54 ff. 206 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 60. 207 O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 11. 208 Vgl. oben, Kapitel 1 A. II.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

einstimmige Willensfassung nicht suspendiert werden kann. Er muss zudem einen ständigen Wechsel der Mitglieder überdauern. Der – hier interessekonstituierende – Zweckbegriff darf also nicht in seinem ursprünglichen Bedeutungsgehalt verwendet werden, der fest mit menschlichem Handeln, insbesondere mit Einzelhandlungen, verknüpft war und auf die Rationalität des Vorganges verwies, indem der Zweck eine Rechtfertigung und einen Sinn verkörperte.209 In dieser Lesart ginge der Zweckbegriff nicht über den oben erörterten Interessebegriff hinaus. Ebenso darf der Zweckbegriff nicht in seinem gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang verwendet werden: Dieser ist bereits mit einem festen Bedeutungsgehalt versehen.210 Auch so kann keine neue Dimension neben einer einstimmigen oder mehrheitlichen Willensfassung erreicht werden. Der Zweckbegriff soll vielmehr in Anlehnung an eine systemtheoretische211 Deutung verstanden werden.212 Systemtheoretisch kann „kollektives Handeln“ als systemisch koordiniertes Handeln mit dem Ziel, das System insgesamt gegenüber seiner Umwelt in einer bestimmten Weise zur Geltung zu bringen, erfasst werden;213 als „Grundmodell“ eines derartigen korporativen Akteurs gilt gerade die juristische Person.214 Jedes soziale System ist – definitionsgemäß – zweckbestimmt.215 Zwecke dienen dem System – gerade auch wirtschaftlichen Subsystemen216 – als Entscheidungshilfen, indem sie die Komplexität der Umwelt reduzieren und sich anhand der Zwecke aus einer Unendlichkeit von Möglichkeiten auf eine Handlung bzw.

209 Diese Betrachtungsweise dürfte insbesondere auch damit zusammenhängen, dass der Zweck einer flüchtigen Handlung eine ontologisch betrachtungsfähige Substanz verleiht, vgl. Luhmann, Zweckbegriff, S. 2. 210 Vgl. dazu unten, Kapitel 2 D. III. 1. 211 Der Zweckbegriff der Kybernetik eignet sich weniger, da er lediglich ein Teilproblem behandelt, nämlich wie Wirkungen von Prozessen des Systems trotz Umweltveränderungen konstant gehalten werden können, Luhmann, Zweckbegriff, S. 110. 212 Vgl. zum Zweckbegriff insbesondere Luhmann, Zweckbegriff; vgl. zu den Begriffen „Ziel“ und „Zweck“ etwa Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 114 f., der den „Zweck“ als von der Umwelt aufgegeben ansieht, hingegen eine systeminterne Willensbildung als „Ziel“ bezeichnet, in seinen weiteren Ausführungen aber allein den Zielbegriff zugrunde legen kann, da er die Zwecke in das System als „Basis-Ziele“ implementiert; auch Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 58 f., räumt ein, dass „Zweck“ eher etwas der Organisation von außen Zugewiesenes impliziert, auch wenn sie „Zweckbegriff“ und „Zielbegriff“ synonym verwendet. 213 Willke, Systemtheorie I, S. 168. 214 Willke, Systemtheorie I, S. 169; gegen ein Eigeninteresse einer Aktiengesellschaft als Anthropomorphisierung Kessler, AG 1993, 252, 254. 215 Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 18, 36. 216 Vgl. Luhmann, Zweckbegriff, S. 39, 174, 178.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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Handlungsfolge festlegen.217 Anhand des systemtheoretischen Zweckbegriffs kann ein Umweltbezug eingebracht werden und so der (zweckgebundene) Interessebegriff auf eine neue Ebene gehoben werden: Zwecke kommen zwar dem Grunde nach durch Entscheidungsprozesse im System zustande.218 Soziale Systeme sind aber auch kausal mit ihrer Umwelt verbunden, also insofern – insbesondere was Erwartungen der Umwelt betrifft – „umweltoffen“.219 Insbesondere die rechtliche Umwelt kann der Gesellschaft mithin einen Zweck aufgeben und so das zweckgebundene Interesse beeinflussen:220 Die Besonderheit des Handelns von kollektiven bzw. korporativen Systemen liegt insbesondere in einer normativen Bindung221, der „Gesetzmäßigkeit der Operationsweise“ 222 und der Institutionalisierung von Bewusstsein auf kollektiver Ebene.223 Die Ziele einer Organisation können auch durch eine außerhalb der Organisation stehende „Autorität“ vorgegeben werden.224

217 Luhmann, Zweckbegriff, S. 18 ff., 22 f.; der Zweckbegriff nimmt in den späteren Schriften Luhmanns eine weniger bedeutende Stellung ein. Demgegenüber verwendet er „Sinn“ als Schlüsselbegriff für das, was für soziale Systeme relevant sein kann, denn Sinn bedeutet Selektionszwang und Sinn steuert die Selektionen. Insofern scheint der Sinnbegriff ebenso wie der Zweckbegriff mit dem Interessebegriff zumindest teilweise zur Deckung gebracht werden zu können: Sowohl das Interesse als auch der Sinn „leitet“. Das Interesse wird daher vor allem handlungsmotivierend untersucht, wobei Handlung bedeutet, etwas zu bewirken. Der systemtheoretische Sinnbegriff hingegen „leitet“, indem er Operationen und Beobachtung von psychischen und sozialen Systemen steuert. Ein wie auch immer gearteter Sinn eines sozialen Systems „Unternehmung“, der dieses konstituiert, ist von dem Vorstand, der zwar Umwelt und als Mensch selbst kein System ist, zwingend zu beachten, auch wenn er es in gewissen Nuancen beeinflussen kann; das Zweck-Mittel-Schema vergleicht Luhmann, Zweckbegriff, S. 178, insbesondere mit dem Input/Output-Modell: Output sei der Zweck, Input seien die Mittel. 218 Luhmann, Zweckbegriff, S. 132, 145 f., 177. 219 Luhmann, Zweckbegriff, S. 132, 145 f., 177; eine Abgrenzung von der Umwelt erfolgt insbesondere dadurch, dass die sozialen Systeme operativ geschlossen sind, da sie ihre Operationen nur an die vorherigen, vom System vorgenommenen anknüpfen können, Luhmann, Soziale Systeme, S. 57 ff., 61 ff.; sowohl System als auch Umwelt gehören zur Erfassung von sozialen Prozessen, vgl. Willke, Systemtheorie I, S. 180. 220 Vgl. Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 20, 45, 58 f.; auch Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 42 f., 51, unterscheidet verschieden generierte Interessen: So seien persönliche Interessen, Ziele und Normen irgendwelcher „Mitglieder“ der Unternehmung von spezifischen „Interessen“ der Unternehmung, die eine den einzelnen Menschen übergeordnete Institution darstellt, zu trennen. Die Interessen und Ziele der Unternehmung könnten nur aus ihrem Zweck abgeleitet werden. Der Zweck liege dabei in der Umwelt, in der Leistung von Beiträgen zur Wohlfahrt der Gesellschaft; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 43. Aus diesem Grunde wird beispielsweise auch nicht von Mitarbeiterzielen, sondern von mitarbeiterbezogenen Zielen gesprochen, vgl. Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 156. 221 Willke, Systemtheorie I, S. 168 f.; Etzioni, Aktive Gesellschaft, S. 120. 222 Willke, Systemtheorie I, S. 171. 223 Etzioni, Aktive Gesellschaft, S. 246. 224 Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 64 f., die daneben noch Zielvorgaben durch die Gesamtheit der Mitglieder oder leitende Personen anerkennt.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Der systemtheoretische Zweckbegriff ermöglicht mithin, die Gesellschaft als das zu sehen, was sie (in der für diese Arbeit eingenommenen Perspektive) – jedenfalls auch – „ist“: ein juristisches (und ggf. wirtschaftliches) Konstrukt. Daraus ergibt sich ein Interesseverständnis, das mit Blick auf das hiesige Thema auf den „umweltbezogenen Zweck“ der Gesellschaft als juristische Person verweist. Dieser Zweck kommt nicht (nur) durch die natürlichen Interessen der Gesellschafter zustande, sondern kann auch von der Umwelt aufgegeben werden. Möchte man einen Bezug zu den Gesellschaftern herstellen, so könnte man das Interesse der Gesellschaft auch als Summe der „Rollen“ 225-interessen (im Gegensatz zu natürlichen Interessen) der Gesellschafter auffassen, denn die „Rolle“ des Gesellschafters ist ebenfalls juristisch vorgeformt und unterliegt Erwartungen, die sich im Zweck konstituieren.226 Als „Umwelt“, die der Gesellschaft bzw. dem Unternehmen interessengenerierende Zwecke aufgibt, kommt vorrangig die rechtliche in Betracht: Die Interessengenese anhand gesetzlicher Bestimmungen – etwa der Kapitalaufbringung und -erhaltung – ist aus dieser Perspektive unkompliziert. Das allgemeine Schädigungsverbot und das Verbot der Bestandsgefährdung sind hingegen – wie oben ausgeführt – nicht ausdrücklich gesetzlich normiert. Sie können dennoch durch die rechtliche Umwelt aufgegeben sein: Dies kann entweder die gesellschafts-, insbesondere aktienrechtliche Umwelt, sofern sich diese Erfordernisse aus einer Auslegung ergeben und das Strafrecht sie aufnimmt, oder die strafrechtliche Umwelt sein: Letztere könnte derartige Interessen der Gesellschaft ggf. auch selbst konstituieren. Dies steht in engem Zusammenhang mit der Diskussion, ob das Strafrecht entweder grundlegend eigene Überlegungen anstellen oder nur gezielt Wertungen aus dem Gesellschaftsrecht übernehmen darf (sog. negative bzw. limitierte Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts227). Ein systemtheoretisch orientiertes Erklärungsmodell eröffnet zudem die Möglichkeit, spezifische Zwecke ggf. als von der wirtschaftlichen Umwelt auferlegt zu sehen. Dies würde aber voraussetzen, dass Erwartungen der wirtschaftlichen Umwelt überhaupt rechtlich, insbesondere strafrechtlich relevant sind. Unter Be-

225 Zur Funktion der Menschen als Rolleninhaber im Unternehmen, vgl. Steinmann/ Löhr, Unternehmensethik, S. 29; zur Vernachlässigung der „Rollentheorie“ im Strafrecht Amelung FS Lüderssen, 2002, S. 7; den Begriff der „Rolle“ verwendet auch KKMertens, AktG, § 76 Rn. 9. 226 Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 81, die die Rolle als einen Komplex von Erwartungen an den Inhaber einer bestimmten Position in der Organisation ansieht; dass gerade der Untreuetatbestand voller Rollenannahmen ist, wird beispielsweise durch die zivilrechtliche, nicht natürlich geformte Fremdnützigkeit der Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands deutlich. 227 Vgl. dazu unten, Kapitel 2 A.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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achtung des Grundsatzes nulla poena sine lege scripta kommt dies nur in Betracht, wenn der Gesetzgeber wirtschaftliche Umstände in seine gesetzlichen Bestimmungen aufgenommen hat. Aus dieser Perspektive kann die Sichtweise, die vorrangig auf menschliche bzw. natürliche Interessen – etwa der Gesellschaft(er) – abstellt,228 erweitert werden. Systeme sind auf zweck- und rollengebundene Interessen angewiesen.229 Die Interessengenese der Aktiengesellschaft stellt sich aus dieser Perspektive als unterschiedlich zweck- und zielbestimmt,230 und damit vorrangig als Problem der Kompetenzabgrenzung bei der Interessenartikulation für die Aktiengesellschaft dar.231 An keiner Stelle kommt die Erkenntnis der überragenden Bedeutung der Kompetenzabgrenzung deutlicher zum Ausdruck als bei O. v. Gierke: „Das Recht aber ordnet und durchdringt zugleich den inneren Bau und das innere Leben des Verbandes“.232 Das Recht könne das Innenleben des sozialen Verbandes bestimmen, indem jeder Gliedperson eine Stelle im Ganzen, Kompetenzen und Zuständigkeiten zugewiesen 228 So aber Stober/Kluth/Wolff/Bachof, S. 296; auch Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 22, verwendet den Interessebegriff für Individuen, den Zweck- und Zielbegriff für Organisationen. 229 Dies gilt umso mehr, als der Mensch aus den sozialen Systemen in die Umwelt verwiesen wird, vgl. dazu unten, Kapitel 5 A. I. 3. b). 230 Vgl. zu dieser Sichtweise auch Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 194; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 266 f.; auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 301 f., erarbeitet im Gesellschaftsrecht eine vielschichtige, komplexe Konzeption gesellschaftsrechtlicher Entscheidungsfehler: Generelle Entscheidungsgrenzen, die in jedem Fall und ohne Abhängigkeit vom Entscheidungsgegenstand gelten, ergäben sich aus dem Rationalgebot, gesetzlichen Vorschriften, der Satzung, dem Anstellungsvertrag, Verhaltensrichtlinien, Geschäftsordnungen, Beschlüssen von Hauptversammlung, Aufsichtsrat oder herrschendem Unternehmen. Absolute Entscheidungsgrenzen seien abwägungsfest und in Abhängigkeit vom Entscheidungsgegenstand zu bestimmen und legten fest, welche Entscheidungen der Vorstand „gar nicht“ treffen dürfte. Ermessensgrenzen bestimmten die Schranken für die im Lichte der absoluten Entscheidungsgrenzen verbleibenden oder anderweitig bestimmten Generierungs- und Evaluationsermessensspielräume des Vorstands. Allgemeine Abwägungsgrundsätze gäben Grenzen vor für Einschätzungs-, Evaluations- und Auswahlfreiräume unabhängig vom Entscheidungsgegenstand. Ermessensrichtlinien seien anwendbar bei bestimmten Generierungs- und Evaluationsermessensspielräumen bei bestimmtem Entscheidungsgegenstand. 231 Daraus ergibt sich eine Untreuerelevanz der aktienrechtlichen Kompetenzabschichtung; grundsätzlich ebenso Schramm, Untreue und Konsens, S. 125, 143; auch Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 10, spricht davon, dass das Interesse durch die „zuständigen Organe“ zu bestimmen sei, auch die Ausführungen Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 20, stimmen damit überein; a. A. zur Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzabgrenzung für die Untreuestrafbarkeit Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247, 266 f.; Brand, AG 2007, 681, 689; wohl auch Schlösser, HRRS 2009, 19, 23 f.; Hellmann, ZIS 2007, 433, 436, hält nur manche Normen zur Kompetenzverteilung für untreuerelevant – nicht etwa § 241 AktG, insofern komme es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit nicht an. 232 O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 12.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands würden. Die einzelnen Mitglieder seien dabei nicht etwa einem Stellvertreter ähnlich, sondern wirkten an der Willenseinheit des Ganzen mit.233

Das Problem der Kompetenzabgrenzung besteht zwischen den Organen der Gesellschaft und dem Gesetzgeber: • Zielbestimmung Die Willensäußerung kann von den Gesellschaftern ausgehen. Dies ist der Fall bei Satzungsbestimmungen, einem Hauptversammlungsbeschluss (jeweils mehrheitlich oder einstimmig) – der möglicherweise die Bedeutung eines Einverständnisses annimmt. • Rechtliche Zweckbestimmung Nehmen die Gesellschafter ihre Kompetenzen nicht wahr, so erstreckt sich die Kompetenz des Gesetzgebers in ihrer ganzen Reichweite: Dann hat der Vorstand neben den Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsgrundsätzen auch das Erfordernis der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und alle Einzelausprägungen zu beachten. Das Interesse kann der Gesetzgeber so mit gesetzlichen Vorschriften der Aktiengesellschaft implementiert haben.234 Bei der Aktiengesellschaft handelt es sich – auch – um ein rechtliches Konstrukt, dementsprechend muss sie als „Gegenleistung“ für ihre Existenz auch gesetzliche Grenzen achten. Dass dies im Folgenden nicht etwa als hypothetischer bzw. mutmaßlicher Wille der Gesellschafter bezeichnet wird, ist dem Bemühen geschuldet, Gesellschafter und Gesellschaft möglichst abstrakt und somit voneinander getrennt zu betrachten und die Ergründung der Interessengenese nicht unnötig zu begrenzen. Eine weitere Besonderheit bei der Interessengenese zeigt sich bei den Grenzen eines Einverständnisses. Sowohl das Kapitalaufbringungs- als auch das Kapitalerhaltungsgebot sind gesetzlich normiert. Während die Gesellschafter andere gesetzliche Bestimmungen zumindest mit einem verfahrens- und formgerechten einstimmigen Einverständnis überwinden können, bestehen diese Gebote selbst bei ggf. lautem Protest aller Gesellschafter fort; den Gesellschaftern wird in dieser Hinsicht die Kompetenz zur Interesseartikulation genommen. Für die Gesellschafter gibt es Umstände, die sich selbst durch ausdrückliche gegenteilige Willensäußerung nicht beseitigen lassen. Die Dispositionsgrenze der Gesellschafter als natürliche Personen und die von diesen abstrakte Interessengenese der Aktiengesellschaft sind mithin lediglich zwei Seiten ein und desselben Sachverhalts.

233

O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 25 ff. Dazu, dass das Interesse der Gesellschaft nicht mit dem Interesse eines Aktionärs identisch ist, vgl. LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3280. 234

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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• Offene Zweckbestimmung Das allgemeine Schädigungsverbot und das Verbot der Bestandsgefährdung werden weder von den Gesellschaftern noch vom Gesetzgeber ausdrücklich artikuliert; das Bestandsgefährdungsverbot kann zudem nicht von den Gesellschaftern überwunden werden. Dennoch werden die Aussagegehalte der Gesellschaft als deren Interesse zugerechnet. Da Derartiges nicht von den anthropologisch begründeten Interessen der Gesellschafter abgeleitet werden darf, aber auch nicht im „luftleeren Raum“ entstehen kann, bedarf es eines Anknüpfungspunktes für die dahingehende Deutung. Dieser Anknüpfungspunkt muss in einem der Gesellschaft rechtlich oder ggf. wirtschaftlich vorgegebenen Zweck gefunden werden, um Geltung beanspruchen zu können. Interessant ist, dass sowohl das Schädigungs- als auch das Bestandsgefährdungsverbot zwar als mögliche Pflichtverletzungstatbestände fungieren, den Vorstand mithin belasten können. Sie vermögen ihn aber bei einem Gesetzes- (und wohl auch bei einem Satzungsverstoß) nicht zu entlasten; ob der veruntreute Betrag letztlich im Interesse des Treugebers verwendet wird, soll irrelevant sein.235

Einverständnis, Satzung, Beschluss systemintern (Ziel) rechtliche Umwelt (Zweck) wirtschaftliche Umwelt (Zweck)

gesetzliche Normierung

allgemeines Schädigungsverbot

ungefährdete Bestandserhaltung

(+)

(?)

(?)

(?)

(?)

(+)

Darüber hinaus stellt sich ein „Kompetenzproblem“, und zwar auf der einen Seite innerhalb des Systems Recht zwischen Straf- und Zivil-, genauer: Gesellschaftsrecht, und auf der anderen Seite systemübergreifend zwischen Recht und Wirtschaft. Die „Kompetenzabgrenzung“ innerhalb des Systems Recht stellt sich in dreifacher Hinsicht: Die gesetzlichen Regelungen von Straf- und Gesellschaftsrecht stehen nach (inzwischen) einhelliger Ansicht zumindest nicht völlig unverbunden nebeneinander. Das Stichwort lautet „Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts“; darauf ist später zurückzukommen.236 235 Besonders deutlich in BGHSt 52, 323, 337, 339 – Siemens; ebenso BGHSt 55, 266, 284 – Trienekens. 236 Vgl. unten, Kapitel 2 A.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Eine grundlegende Frage stellt sich darüber hinaus bezüglich der Auslegungskompetenz bei den verschiedenen gesetzlichen Materien, für diese Untersuchung also insbesondere hinsichtlich des Aktiengesetzes. Es wird sich herausstellen, dass die für die Pflichtenstellung des Vorstands markanten Normen äußerst auslegungsbedürftig sind, auch verschiedenen Auslegungen zugeführt werden und durch richterrechtliche Institute geprägt sind. An diese Erkenntnis schließt sich unmittelbar die Frage an, ob die Strafgerichte strikt an die Auslegung durch die Zivilgerichte gebunden sind. Diese Frage ist zu verneinen.237 Dies entbindet jedoch nicht von der Pflicht, den Gesetzeswortlaut des Aktiengesetzes ernst zu nehmen; Vorstandspflichten, die aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden können, dürfen nicht durch das Strafrecht bzw. den Strafrichter „erfunden“ werden. Dies zwingt zu einer Analyse von Rechtsprechung und Schrifttum im Aktienrecht. Nicht übersehen werden darf im Übrigen, dass auch der geläufige Passus „Was zivilrechtlich erlaubt ist, darf strafrechtlich nicht verboten sein“,238 auf das Zusammenspiel von Gesetzgeber und Rechtsprechung verweist, will man sich nicht dem Glauben eines vollständigen Gesetzeswerks hingeben.

Die dritte Kompetenzabschichtung betrifft auch das Verhältnis von Gesetzgeber und Rechtsprechung. Letztere überschreitet ihre Kompetenzen, wenn sie etwa das Merkmal des „Unternehmensinteresses“ in eine gesetzliche Regelung hineinliest, die ein Handeln im Unternehmensinteresse entweder gar nicht oder zumindest an anderer Stelle erfordert.239 Das „Kompetenzproblem“ zwischen Recht und Wirtschaft bezieht sich auf das Zusammenspiel dieser beiden Systeme, insbesondere auf die Frage, ob eines der beiden Systeme dem anderen unterzuordnen ist. Auch darauf ist an späterer Stelle zurückzukommen. 3. Entgegenstehende Erkenntnisse der Literatur? Die Literaturansichten lassen sich im Hinblick auf Grenzen eines Einverständnisses grob in zwei Gruppen einteilen: Entweder wird eine Dispositionsschranke anerkannt – oder nicht. 237 Vgl. Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 237; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 913 ff., 926; selbst eine Bindung an das Urteil des Zivilgerichts, das nach Aussetzung nach § 262 Abs. 2 StPO ergeht, besteht grds. nicht, Ausnahmen stellen lediglich Urteile, die für und gegen alle wirken, rechtsgestaltende Urteile und Verwaltungsakte dar; um diese geht es in der hiesigen Untersuchung jedoch nicht. 238 Achenbach GS Schlüchter, 2002, S. 257, 273; Günther FS Weber, 2004, S. 311, 314; Fleischer-Spindler, Handbuch des Vorstandsrechts, § 15 Rn. 22; Lüderssen FS Lampe, 2003, S. 727, 728; Bosch/Lange, JZ 2009, 225 f.; Keul, DB 2007, 728; vgl. dazu Kapitel 2 A. 239 Samson, Non Profit Law Yearbook 2004, S. 233, stellt eine derartige Kompetenzüberschreitung seitens der strafrechtlichen Rechtsprechung etwa bei dem Komplex „Untreue und Spendenvergabe“ fest.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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Die Ansicht Ewalds, demzufolge ein Einverständnis durch die Gesellschaft mangels alleiniger Rechtsgutsinhaberschaft – das Gesellschaftsvermögen umfasse die Vermögensinteressen der Anteilseigner, der Gläubiger und der Arbeitnehmer – wirkungslos bleibe,240 setzt an anderer Stelle an, kann aber aufgrund des singulären Charakters an dieser Stelle außer Betracht bleiben.

Aufschlussreich als Gegenansicht zur Rechtsprechung sind die Beiträge, die eine Dispositionseinschränkung gänzlich verneinen. Sie tun dies entweder, weil sie das Vermögen wirtschaftlich den Gesellschaftern zurechnen und von daher zu einer umfassenden Dispositionsbefugnis gelangen241 bzw. eine Zuordnung der Zwecksetzungsbefugnis an die Gesamtheit der Mitglieder vorsehen, die ihre Interessen auch bei Verstoß gegen Gläubigerinteressen materiell wirksam definieren könnten.242 Oder gesellschaftsrechtlich anerkannte Schranken werden nicht als untreuerelevant angesehen, da die zugrunde liegenden Normen des Gesellschaftsrechts gläubigerschützend seien, Gläubigerinteressen nicht zum Schutzgut des § 266 StGB gehörten und ein Eigeninteresse der Gesellschaft abzulehnen sei.243 240

Ewald, Verbundene Unternehmen, S. 238. So etwa Labsch, JuS 1985, 602; vgl. dazu auch, aber selbst ablehnend insbesondere MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 25; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 253 ff.; ebenfalls eine strikte zivilrechtliche Zuordnung präferierend Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rn. 3; NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 30; Schönke/SchröderPerron, StGB, § 266 Rn. 21b f.; Kaufmann, Organuntreue, S. 14; Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247, 264; Wodicka, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 228 f.; Beckemper, GmbHR 2005, 592 f.; Bittmann/Richter, wistra 2005, 51 f.; Brammsen, wistra 2009, 85, 91; Gehrlein, NJW 2000, 1089; Radtke, GA 2008, 535, 537; Radtke, GmbHR 1998, 361 f.; Schnauder/Müller-Christmann, JuS 1998, 1080, 1082; a. A. ist hingegen MüKoDierlamm, StGB, § 266 Rn. 138, 140, der materielle Schranken des Einverständnisses befürwortet und diese neben der Beeinträchtigung des Grundkapitals in der Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldungssituation sieht – zwar seien die Gesellschafter berechtigt, die Liquidation der Gesellschaft zu beschließen; dies müsse jedoch anhand einer ordnungsgemäßen Abwicklung geschehen; diese Ansicht stellt eine Konkretisierung mit leichter Akzentverschiebung der dargestellten Konzeption der Rechtsprechung dar und lässt sich durchaus mit dieser vereinbaren. 242 So Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 552 f. 243 So Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 173 ff.; insbesondere auch Schönke/ Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 19a, 21bf.; SK-Samson/Günther, StGB, § 266 Rn. 48, folgern daraus eine uneingeschränkte Dispositionsmacht des Vermögensinhabers; Schramm, Untreue und Konsens, S. 123 ff.; Sternberg-Lieben, Schranken der Einwilligung, S. 84 Fn. 19, 565; Volk FS Hamm, 2008, S. 803, 813 Fn. 26; Arloth, NStZ 1990, 570, 572 ff., mit dem Zusatz, ob das Einverständnis gesellschaftsrechtlich wirksam sei, sei ohne Belang; Kasiske, wistra 2005, 81, 84 f.; Krause, JR 2006, 2006, 51, 53 f.; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 359; kritisch wegen eines dadurch transportierten Gläubiger- und Insolvenzschutzes auch Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rn. 20a; vgl. zum Ganzen auch MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 1, 135; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 230; reinen Gläubigerschutz nur im GmbH-Recht (§ 30 GmbHG), nicht hingegen im Aktienrecht annehmend Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247, 261; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 908; ausdrücklich stellt der BGH eine gläubigerschützende Wirkung von § 266 StGB in Abrede (BGHSt 28, 371, 373); Einverständnisgrenzen der Bestandssicherung und des § 30 GmbHG zwar anerkennend, ein Eigeninteresse hingegen ablehnend, da die wirtschaftliche Zwecksetzung durch die Ge241

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Die parallele Argumentation gilt bezüglich öffentlicher Interessen bei Buchführungsvorschriften244 und im Recht des Kreditwesens245. Fast durchgehend fällt eine Konzentration auf die Vermögensinhaberschaft auf.246 Von diesem Punkt ausgehend wird über die „Dispositionsfähigkeit“ diskutiert. Dabei wird die Genese des Vermögensinteresses weitgehend vernachlässigt. Die Vermögensinhaberschaft und die Interessenartikulation laufen jedoch nicht parallel. Durch diese Gedankengänge werden die Eigenheiten einer juristischen Person und deren vielschichtige Willensbildung – an sich unnötigerweise – zu früh außer Acht gelassen. Die Dispositionsgrenzen werden als ein Negativum aufgefasst, das den Gesellschaftern etwas von ihrer Freiheit nimmt. Eine Sichtweise, die die Grenzen als Übergang zu einem – von den Gesellschaftern abstrahierten – eigenständigen Interesse der Gesellschaft zu werten vermag, wird damit zumindest schwierig. 4. Vermögensinteresse Das Vermögensinteresse verweist auf den Vermögensbegriff der Untreue. Dieser ist ebenso wie der Vermögensbegriff des Betruges umstritten. Insbesondere sellschafter getroffen werde: NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 69; § 30 GmbHG und/ oder den ungefährdeten Bestand als Einverständnisgrenze anerkennend, da Gläubigerinteressen dadurch lediglich „mittelbar“ geschützt würden: Flum, Schutz der GmbH, S. 83, 136 (entscheidend sei, dass der Verweis auf Gläubigerinteressen bei der Begründung der Einverständnisgrenze lediglich der Verdeutlichung des „Hintergrundes“ diente); Kaufmann, Organuntreue, S. 95; Kohlmann FS Werner, 1984, S. 387, 398; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1067; Radtke, GmbHR 1998, 311, 313; Radtke, GmbHR 1998, 361, 363; die Reflexartigkeit hervorhebend: Beckemper, GmbHR 2005, 592, 595; Gehrlein, NJW 2000, 1089 f.; Hellmann, ZIS 2007, 433, 437, 439; Kramer, WM 2004, 305, 309; Maurer, GmbHR 2004, 1549 ff.; Schnauder/Müller-Christmann, JuS 1998, 980, 982; nach Arnold, Jura 2005, 844, 849, ist maßgeblich nicht der Grund für die Schaffung einer Norm, sondern die Norm selbst; nach Ransiek, wistra 2005, 121 f., ist es gleichgültig, warum die Zuordnung des Vermögens an die GmbH erfolgt, dies sei ein rechtliches Konstrukt, das es zu beachten gelte; Existenzgefährdung und § 57 AktG – allerdings exklusiv eines Eingriffs in freie Rücklagen – als Einverständnisgrenze anerkennend Brand, AG 2007, 681 ff.; Wodicka, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 271, erkennt als einer der wenigen nur das Existenzgefährdungsverbot an; a. A. Ewald, Verbundene Unternehmen, S. 238, nach dem Gläubigerinteressen untreuerelevant seien. 244 Vgl. Brammsen, wistra 2009, 85, 87. 245 So weist Knauer, NStZ 2002, 399, 401, darauf hin, dass das KWG – insbesondere auch der § 18 KWG – nicht dem Schutz des Vermögens der Bank diene, sondern dessen Schutzgut richtigerweise das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Banken sei; ähnlich Feigen FS Rudolphi, 2004, S. 445, 451; nach Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 673, wird dennoch durch die Vorschriften auch das Vermögen der Bank selbst geschützt – „ob sie es will oder nicht“; nach Schünemann, NStZ 2006, 196, 198, würde es einen Missbrauch des Straftatbestandes darstellen, wollte man mit dessen Hilfe die Verletzung von Gemeininteressen poenalisieren. 246 Vgl. beispielsweise Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 171 ff.

A. „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft‘‘

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der sog. „juristisch-ökonomische Begriff“ 247 impliziert, dass allein aus der Eigenschaft der Untreue als Vermögensdelikt nicht ein notwendiger Vorrang wirtschaftlicher Belange folgt. Der Schadensbegriff kann nicht die Pflichtverletzung präjudizieren – vielmehr besteht auch ein Schaden immer nur insoweit, als wirtschaftliche Vorteile erzielt werden dürfen bzw. sollen und vermögenswerte Positionen als schützenswert angesehen werden. 5. Zwischenergebnis und weitere Fragestellung Die Untersuchung hat zunächst zu der Erkenntnis geführt, dass eine „monistische“, im Sinne von einer vorrangig erwerbswirtschaftlich orientierten Konzeption die Untreuestrafbarkeit des Vorstands vorgibt. Es wurde jedoch deutlich, dass das Merkmal „monistisch“ nicht einzig auf die Gesellschafter als interessekonstituierende Elemente zurückgeführt werden kann. Die Annahme, dann könne sich die Interessengenese nur durch Verweis auf andere Interessengruppen erklären, die als Elemente einer pluralistischen Konzeption angesehen werden müssten, wäre indes übereilt. Die Rechtsprechung baut die Konzeption auf der „eigenen Rechtspersönlichkeit“ der Gesellschaft auf und ist damit konsequent monistisch; der Vorwurf einer Rechtsgutvertauschung wäre mithin verfehlt. Dementsprechend wurde die Interessengenese bei der Aktiengesellschaft veranschaulicht und ein Erklärungsmodell für die Interessekonstituierung erarbeitet, das sich insbesondere durch eine vielschichtige Zweck- und Zielabhängigkeit auszeichnet. Daran anschließend soll die Untreue-Konzeption tiefergehend im Hinblick auf folgende Punkte untersucht werden: Das allgemeine Schädigungsverbot und die ungefährdete Bestandserhaltung müssen – als Zwecke – von einer der Umwelten vorgegeben werden. Dies ist eine notwendige Bedingung; nur dann kann ein Verstoß gegen diese auch zu einer Pflichtverletzung und damit ggf. zu einer Strafbarkeit wegen Untreue führen. Im Falle des Bestandsgefährdungsverbots muss zudem ein Kompetenzentzug der Gesellschafter angeordnet werden. Die jeweiligen interessekonstituierenden Ziele und Zwecke müsste der Vorstand in monistischer Art und Weise wahrzunehmen haben. Dementsprechend müssen sich die vom Vorstand zu verfolgenden Zwecke als Ausdruck des Interesses der Gesellschaft (also nicht des Unternehmens) verstehen. Nur dann ist es gerechtfertigt, von einer Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft zu sprechen. „Monistisch“ bedeutet insoweit für die weitere Untersuchung „auf die Gesellschaft bezogen“. Die Gesellschaft ist dabei von den Gesellschaftern in weiten Teilen unabhängig. Ihr wird jedoch offenbar das phäno247 Vgl. hier nur Fischer, StGB, § 263 Rn. 90; MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 180; MüKo-Hefendehl, StGB, § 263 Rn. 309; Schönke/Schröder-Cramer/Perron, § 263 Rn. 82 f.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

typische Interesse der Gesellschafter, rein erwerbswirtschaftliche Belange zu berücksichtigen, unterstellt. Daraus ergibt sich für die weitere Untersuchung eine jeweils zweistufige Fragestellung: Satzung, Beschluss (ggf. in Form eines Einverständnisses)

Gesetz

Schädigungsverbot

ungefährdeter Bestand

Anknüpfungspunkt: Ziel/Zweck

(+)

(+)

(?)

(?)

Ausrichtung: monistisch

(?)

(?)

(?)

(?)

Nur wenn sich die offenen Bereiche durch Positivzeichen ersetzen lassen, lässt sich auch die dargestellte Untreue-Konzeption – jedenfalls im analysierten Bereich – aufrechterhalten. Dies gilt unabhängig davon, dass sich die erste Stufe mehr auf die Pflichtverletzung bezieht und die zweite Stufe eher der Vermögensbetreuungspflicht zuzurechnen ist. Wie dargestellt, sind die beiden Stufen untrennbar miteinander verflochten. 6. Doppelfunktion des Interesses der Gesellschaft Damit lässt sich eine Doppelfunktion des Verweises auf die „Gesellschaft“ ausmachen: Zum einen kann durch den Verweis klargestellt werden, dass es sich nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich um die Interessen der Gesellschafter als natürliche Personen handelt.248 Vielmehr ist mit der Gesellschaft zugleich auf deren eigene Rechtspersönlichkeit hingewiesen. Dies gilt unabhängig davon, dass der Verweis auf die „eigene Rechtspersönlichkeit“ einer gewissen Zwangslage der Rechtsprechung entsprungen sein dürfte, die daraus resultierte, dass gläubigerschützende speziellere Normen abgeschafft wurden und als „strafwürdig“ anerkannte Fälle von dem – nach, fast einhellig anerkannt, nicht gläubigerschützenden – § 266 StGB erfasst werden mussten.249

Zum anderen wird eine monistische Ausrichtung abgebildet; diese ergibt sich nicht per se aus dem Terminus des Vermögensinteresses, geschweige denn der Untreue als Vermögensdelikt: Durchaus kann (auch) ein Umgang des Vermögens zu anderen Zwecken als des „finanziellen Inputs“ im Vermögensinteresse liegen. 248 So selbst im Falle der GmbH: BGHSt 34, 379, 385 f.: „Träger der geschützten Vermögensinteressen ist die GmbH selbst als juristische Person, nicht jedoch sind es ihre Gesellschafter.“ 249 Dies deutet Schramm, Untreue und Konsens, S. 116, an.

B. Gründe, das Erklärungsmodell zu hinterfragen

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B. Gründe, das Erklärungsmodell zu hinterfragen I. Innerstrafrechtliche Inkonsistenzen 1. „Rechtsgutvertauschung“ Wie bereits angesprochen, wird der Untreuekonzeption, wie sie sich bis zu dieser Stelle darstellt, der Vorwurf der Rechtsgutvertauschung gemacht: Dieser bezieht sich insbesondere auf die Schranken des Einverständnisses (Kapitalaufbringungs-, -erhaltungsgebote, Existenzgefährdungsverbot). Die Schranken würden nicht die Interessen der Gesellschaft(er) schützen, sondern die der Gläubiger, obwohl Rechtsgut allein das Vermögen des Treugebers sei, im Falle der Kapitalgesellschaft also nicht Interessen der Gläubiger.250 Besonders einsichtig wird der Vorwurf der Rechtsgutvertauschung bei der Frage der Bestandserhaltung als Einverständnisgrenze, weil die Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern keinen Anspruch auf Bestand hat. Vielmehr kann die Gesellschaft durch die Gesellschafter jederzeit liquidiert oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens aufgelöst werden.251

Dieser Vorwurf ist nach der hiesigen Konzeption vorerst entkräftet: Es handelt sich durchgehend um das „Interesse der Gesellschaft“.252 Er wird jedoch in anderer Gestalt wieder aufkommen bei der Frage, ob die Vorstandsfunktion generell in monistischen Bahnen zu verlaufen hat, der Vorstand mithin einzig oder zumindest vorrangig wirtschaftliche Aspekte und nicht etwa auch „soziale“ zu wahren hat. Wie gezeigt werden wird, werden „soziale“ Erwägungen häufig mit den phänotypischen Stakeholder-Interessen umschrieben.

250 Ausdrücklich etwa BGHSt 28, 371, 373; Fischer, StGB, § 266 Rn. 2; dezidiert Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 263; Labsch, JuS 1985, 602, 606; Labsch, wistra 1985, 8; Bernsmann, GA 2009, 1, 12, weist auf einen neuralgischen Punkt auch außerhalb der Einverständnisgrenzen bei den das Interesse der Gesellschaft konstituierenden gesetzlichen Bestimmungen hin: Diese würden zu Unrecht über das Legalitätsprinzip des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in die Untreuestrafbarkeit inkorporiert: Schutzgut des § 266 StGB sei weder das Interesse des Staates und der Allgemeinheit an nicht käuflichen Amtsträgern oder an einem fairen Wettbewerb, noch das Interesse der (ggf. lediglich potentiellen) Gläubiger an einer ordentlichen Buchführung; jeweils um Rechtsgüterkongruenz bemüht: Nach Ayasse, Untreue im Bankenbereich, S. 16, 65, typisierten die Vorschriften des KWG den „ordentlichen Bankkaufmann“ und könnten deshalb – obwohl sie nicht dem geforderten Schutz des Vermögens des Kreditinstituts dienten – untreuerelevant werden; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 54 f., stuft einen Verstoß gegen Vorschriften des KWG deshalb als untreuerelevant ein, weil sie unmittelbar das Vermögen des Kreditinstituts schützen und nur mittelbar das der Gläubiger; Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 82, 84 f., hält die Vorschriften des KWG für irrelevant; zur „Schutzzweckverlagerung“ generell auch Fischer, StGB, § 266 Rn. 99, der den Verweis auf die eigene Rechtspersönlichkeit für nicht überzeugend hält. 251 Vgl. dazu Fischer, StGB, § 266 Rn. 99. 252 So auch Fleischer-Spindler, Handbuch des Vorstandsrechts, § 15 Rn. 18.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

Auch eine andere mögliche Verwerfung ist bedenklich. Zunehmend greift der Terminus des „Unternehmensinteresses“ in der strafrechtlichen Diskussion Raum.253 Ein Verstoß gegen das Schädigungsverbot soll dann nicht vorliegen, wenn die Handlung des Vorstands dem „Unternehmensinteresse“ dient. Das „Unternehmensinteresse“ ist zumindest ein auf den ersten Blick dem Gesellschaftsrecht entlehnter Begriff. Er stellt sich – und dieser These ist kritisch nachzugehen – als ein dem „monistischen Verständnis“ gegenübergestellter „pluralistischer Begriff“ dar. Dies bedeutet, dass er für sich in Anspruch nimmt, auch soziale Erwägungen aufzunehmen. Wie gesehen werden im strafrechtlichen Bereich (soziale) Erwägungen wirtschaftlichen Interessen untergeordnet. Die Begriffswahl ist, da sie im Gegensatz zu „Interesse der Gesellschaft“ (Strafrecht) und „Gesellschaftsinteresse“ (Gesellschaftsrecht) deckungsgleich mit dem gesellschaftsrechtlichen Begriff ist, zumindest missverständlich. 2. Fehlschluss vom Schaden auf die Pflichtverletzung Die Tendenz, den eingetretenen Schaden zugleich eine Pflichtverletzung indizieren zu lassen,254 führt zu einer Ausweitung des Straftatbestandes Untreue.255 Dies gilt umso mehr, als sich die Annahme einer Pflichtverletzung dann parallel zur Schadensfeststellung ausweitet,256 und wiegt umso schwerer, als die Absicht, 253

Vgl. dazu insbesondere BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann. Dazu Fischer, StGB, § 266 Rn. 64; MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 6; kritisch auch Dierlamm/Links, NStZ 2000, 656; Fleischer, NZG 2008, 371, 372, bezieht sich insofern auf die Erkenntnisse der psychologischen Verhaltensforschung, dem sog. „Hindsight Bias“; den Schluss vom Schaden auf die Pflichtverletzung kritisierend auch Matt, NJW 2005, 389 f.; Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 163, weist auf eine ähnliche Problematik im Bereich des Risikogeschäfts hin, indem dem Begriff des „Risikogeschäfts“ das letztliche „Schiefgehen“ bereits implementiert wird; Knauer, NStZ 2002, 399, 402, konstatiert etwa, bei Risikogeschäften – etwa der Kreditbewilligung – werde die Pflichtverletzung den Vermögensnachteil in den häufigsten Fällen nach sich ziehen; zu dem kruden Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensschaden bei sog. „Kick-backs“ Bernsmann, StV 2005, 576 ff. 255 Plastisch bei Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 69 f., 85 f., 127, der eine bei fehlender subjektiver Modifizierung entscheidende (objektiv) begangene Pflichtwidrigkeit aus dem eingetretenen Schaden folgert; ebenso bei Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 166, der Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil subjektiv färbt und so ausdrücklich auch in Grenzen die Dispositionsfreiheit schützt; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 121, verknüpfen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil, sofern es um eine Angemessenheitsprüfung im Rahmen der Vermögensbetreuungspflicht geht; vgl. zum Problemkomplex insbesondere auch Thomas FS Hamm, 2008, S. 767, 769 ff.; Volk FS Hamm, 2008, S. 803, 805: Der Tatbestand werde auf ein einziges Tatbestandsmerkmal reduziert; Hohn, wistra 2006, 161, 162, der heraushebt, dass es sich bei Pflichtverletzung und Schaden um zwei eigenständige Tatbestandsmerkmale handelt, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Handlungs- bzw. Erfolgsunrecht nicht ein Schicksal teilen; Krause, StV 2006, 307, 309. 254

B. Gründe, das Erklärungsmodell zu hinterfragen

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finanzielle Mittel (letztendlich) im wirtschaftlichen Interesse des Treugebers zu verwenden, dem Täter nicht zugute kommen soll.257 Es wird mit verschiedenen Instrumenten versucht, dieser Ausweitung zu begegnen, beispielsweise mit dem Erfordernis einer „gravierenden“ Pflichtverletzung,258 einer bewusst eigenständigen Bewertung von Schädigung und Pflichtverletzung insbesondere unter Verweis auf den weiten Ermessensspielraum259 bzw. anhand einer Verwendung von Kriterien der objektiven Zurechenbarkeit260 oder Kausalität,261 einer Sozialkongruenz bzw. -adäquanz der Handlung,262 einer Beschränkung auf vermögensschützende, materielle Pflichten263 oder spezifischen Anforderungen an den subjektiven Tatbestand.264 Das Problem liegt vor allem darin begründet, dass nach 256 Vgl. etwa im Falle der „Schwarzen Kasse“ BGHSt 51, 100 – Kanther (noch schadensgleiche Vermögensgefährdung) einerseits und BGHSt 52, 323, 336 f. – Siemens (endgültig eingetretener Vermögensnachteil) und BGHSt 55, 266, 282 – Trienekens (endgültig eingetretener Vermögensnachteil selbst bei Verlagerung durch ein Vorstandsmitglied) andererseits; zustimmend Ransiek, NJW 2009, 95; eine Anbindung des Schadensbegriffs an die Pflichtwidrigkeit ist auch bei Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 166, zu verzeichnen: „Besteht dagegen die Gefahr der Fehlentscheidung, muß ihre pflichtwidrige Verursachung zur Untreuevollendung stets ausreichen“. 257 Vgl. BGHSt 52, 323, 337, 339 – Siemens; ebenso BGHSt 55, 266, 284 – Trienekens. 258 Jeweils 1. Strafsenat: BGHSt 46, 30, 32 (nur dem Sinn nach); 47, 148; 47, 187; BGH NJW 2006, 453 (jeweils ausdrücklich); Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 74 ff., will nur evidente Verstöße als untreuerelevant einstufen; ebenso Kubiciel, NStZ 2005, 353, 357 (hervorhebend, dass es „für das Strafrecht gravierend“ bedeuten müsse); Saliger, HRRS 2006, 10, 20; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 118 f.; kritisch zum Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung aufgrund der Unbestimmtheit Hamm, NJW 2005, 1993, 1995; kritisch, solange die gravierende Pflichtverletzung nur Ausdruck einer bestimmten Schadenshöhe ist, Schünemann, NStZ 2005, 473, 475. 259 BGH NJW 2006, 522 f., nicht komplett abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff. 260 Vgl. dazu Achenbach/Ransiek-Seier, HWSt, V 2 Rn. 196 f.; dass eine kritische Hinterfragung der Zurechnung des Erfolges gerade bei komplexen Unternehmensstrukturen, betrieblichen Großrisiken und steigender Anzahl von Akteuren erforderlich ist, exemplifiziert Heine, strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 53 f.; Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 84; Schramm, Untreue und Konsens, S. 65; Ransiek, ZGR 1999, 613 ff.; Saliger, HRRS 2006, 10, 21 ff.; Schünemann, NStZ 2005, 473, 475 ff., sieht in dem Erfordernis einer „gravierenden“ Pflichtverletzung einen Verweis auf die objektive Zurechnung zwischen Pflichtverletzung und Schaden – aus dem Umstand, dass diese nur dann unproblematisch sei, solange die Pflichtverletzung in einem Verstoß gegen das allgemeine Schädigungsverbot bestehe, resultiere seine Kritik an der Entscheidung des LG Düsseldorf in Sachen Mannesmann. 261 Nach Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 85 ff., sind nur Verstöße gegen materielle, vermögensschützende Vorgaben kausal für den Vermögensnachteil, nicht hingegen formelle Verstöße. 262 Klug FS Schmidt, 1961, S. 249, 260 f. 263 Günther FS Weber, 2004, S. 311, 316; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 115 ff. 264 BGHSt 51, 100, 121, bezüglich der Anforderungen an den bedingten Vorsatz im Fall einer Vermögensgefährdung; vgl. dazu bereits RGSt 68, 371, 374; 69, 15, 17; BGH GA 1956, 154, 155 f.; 121; BGH NJW 1975, 1234, 1236; BGH NJW 1983, 461; BGH NStZ 1986, 455 f.; BGH wistra 1987, 137; 1988, 305 f.

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der Untreuekonzeption nicht nur Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung eng verbunden sind, sondern auch Pflichtverletzung und Schaden: Deutlich wird dies beim Verstoß gegen das allgemeine Schädigungsverbot. Ist ein Schaden eingetreten, liegt der Schluss auf eine Pflichtverletzung in Form des Verstoßes gegen das allgemeine Schädigungsverbot mehr als nahe. Dieses Problem liegt darin begründet, dass sich das allgemeine Schädigungsverbot an den Erfolg eines Schadens anlehnt und eine Tathandlung nicht näher konkretisiert bzw. eingegrenzt wird. Überraschenderweise spiegelt sich diese Abstraktionstendenz im subjektiven Tatbestand weniger wider, wenn etwa der Irrtum über die Einhaltung des Ermessensspielraums in Kenntnis des Schadens lediglich als Verbotsirrtum und nicht als Tatbestandsirrtum gewertet wird.265 Würde man nun den Interessebegriff anders ableiten bzw. ausweiten, könnten auf diese Weise auch außerwirtschaftliche Aspekte Relevanz erhalten, deren Beachtung trotz Vorliegen eines Schadens eine Pflichtverletzung ausschließen könnte. Dies würde bedeuten, dass die Pflichtverletzung dezidierter untersucht werden müsste. Demgegenüber dürfte insbesondere die Installation der Rechtsfigur des „Gefährdungsschadens“ dazu geführt haben, dass vorschnell von einer Pflichtverletzung auf einen Schaden geschlossen wird. Diesem Umstand wird teils entgegengewirkt, indem ein Vergleich des Vermögens vor und nach der schädigenden Handlung aus einer Sicht „ex ante“ vorgenommen wird. Auf diese Weise wird der Beurteilungsspielraum von Vorständen auch in den Vermögensnachteil projiziert.266 Es bleibt abzuwarten, ob mit dem sog. „Siemens-Urteil“ 267 eine Ausweitung des Tatbestandes durch Umwandlung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung in einen endgültigen Schaden, mithin die Abschaffung der schadensgleichen Vermögensgefährdung „dem Namen nach“ 268 einher geht oder ob eine 265 BGH NJW 2006, 522, 531, nicht komplett abgedruckt in BGHSt 50, 331; bereits BGH NJW 1979, 1512; auch Hohn, wistra 2006, 161, 164. 266 BGH NStZ-RR 2006, 378, wo ein Vermögensnachteil durch die Abgabe einer Bürgschaftserklärung trotz Inanspruchnahme aus der Bürgschaft verneint wird, da ein in Aussicht genommenes Bauprojekt aus der ex-ante-Sicht einen kompensierenden Vermögenszuwachs versprach; zu dem Erfordernis einer ex-ante-Sicht auch Fischer, StGB, § 266 Rn. 68; zur „Verschleifung“ auch in dieser Hinsicht Matt, NJW 2005, 389 f.; zu einer „Verschleifung“ im Hinblick auf Erfolg und Handlung bzw. Handlung und Erfolg auch Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 638, 646 ff.; Rose, wistra 2005, 281, 287; Saliger, HRRS 2006, 10, 14. 267 BGHSt 52, 323 – Siemens. 268 Dafür würde ein Vergleich mit dem Kanther-Urteil, BGHSt 51, 100, sowie die Äußerung Fischers, StraFo 2008, 269, 271, der Begriff des Gefährdungsschadens sei eine Bezeichnung für eine Berechnungsart einer eingetretenen Vermögensminderung, sprechen; der 1. Strafsenat nimmt die Abgrenzung zwischen endgültigem Nachteil und Vermögensgefährdung ohnehin anders – zugunsten eines endgültigen Vermögensnachteils – vor, vgl. dazu BGH NJW 2008, 2451 f.; Nack, StraFo 2008, 277 ff.

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Eingrenzung des Tatbestandes durch Abschaffung der schadensgleichen Vermögensgefährdung „der Sache nach“ die Folge sein wird.269 Eine weitere Verschleifung, die für die hiesige Untersuchung jedoch wenig relevant und daher zu vernachlässigen ist, ist die der Pflichtverletzung und der Vermögensbetreuungspflicht: So wurde im Bremer-Vulkan-Komplex aus der Existenzgefährdung auf eine Vermögensbetreuungspflicht geschlossen,270 ohne diese weiter argumentativ zu untermauern.

II. Inkonsistenzen am Schnittpunkt von Strafund Gesellschaftsrecht Die herrschende Meinung im Gesellschaftsrecht geht davon aus, der Vorstand habe das sog. „Unternehmensinteresse“ zu beachten. Wie bereits ausgeführt, stellt sich dieser Begriff – wird er nicht lediglich als Synonym für Gesellschaftsinteresse bzw. eine Instrumentalisierung von sozialen für wirtschaftliche Aspekte gebraucht – als pluralistisch dar. An dieser Stelle ist nicht nur die innerstrafrechtliche Konsistenz in Frage zu stellen, sondern das reibungslose Ineinandergreifen von Straf- und Gesellschaftsrecht. Dieses Erfordernis ergibt sich nicht nur aus dem übergeordneten Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung,271 sondern auch aus der weit verbreiteten Annahme, bei § 266 StGB handele es sich um eine sog. „Blankettvorschrift“ bzw. § 266 StGB habe sich negativ/limitiert akzessorisch zu verhalten.272 Im Gesellschaftsrecht wird die Verpflichtung des Vorstands auf das Unternehmensinteresse häufig dahingehend kritisiert, dass es den Entscheidungsspielraum des Vorstands erweitere und ihm daher zu viel Macht zuwachsen lasse. Würde sich herausstellen, dass die strafrechtliche Begrenzung auf die Wahrung des Interesses sich als enger darstellt, so wäre dies keine zulässige Durchbrechung im Sinne der negativen Zivilrechtsakzessorietät mehr. 1. Entwicklung des Aktien- und Strafrechts Das Aktienrecht hat sich in letzter Zeit stark weiterentwickelt, insbesondere was die Pflichtenstellung des Vorstands angeht: Die Einführung der bereits er269 Dafür würden die kritischen Anmerkungen zum Institut der schadensgleichen Vermögensgefährdung bereits im Kanther-Urteil sowie Äußerungen von Fischer, StraFo 2008, 269, 271 f., zu grundlegenden Unterschieden zwischen §§ 253, 263 StGB einerseits und § 266 StGB andererseits sprechen. 270 BGHSt 49, 147 – BVV. 271 Vgl. hierzu nur Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 451 ff. 272 Vgl. Günther FS Weber, 2004, S. 311, 314; Fischer, StGB, § 266 Rn. 59; MüKoDierlamm, StGB, § 266 Rn. 152 f.; Brammsen, wistra 2009, 85, 87; Dierlamm, StraFo 2005, 397 ff.; Fleischer, DB 2006, 542, 544; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 645; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113; Sax, JZ 1977, 663 f.; Näheres dazu unten Kapitel 2 A.

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wähnten sog. „deutschen Business-Judgement-Rule“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG mag dies verdeutlichen.273 Von dieser Entwicklung scheint die strafrechtliche Bewertung des Vorstandshandelns – insbesondere anhand des „allgemeinen Schädigungsverbotes“ – bisher unberührt geblieben zu sein. Während im Gesellschaftsrecht noch lebhaft darum gestritten wird, welche Zielvorgaben der Vorstand zu verfolgen habe,274 scheint sich das Strafrecht schon für eine erwerbswirtschaftlich orientierte Lesart des Aktienrechts entschieden zu haben. Während sich das Gesellschaftsrecht um eine Hinwendung zu „nachhaltiger Unternehmensführung“ bemüht (insbesondere die Materie des „DCGK“ 275 und die Neufassung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG sind hier zu nennen), wird Derartiges im Strafrecht nicht gewürdigt.276 Dies zielt weniger auf den Schadensbegriff in der Untreuekonzeption, als vielmehr auf die vernachlässigten Punkte des Vermögensinteresses und der Pflichtwidrigkeit, ab. Im strafrechtlichen Schrifttum werden Bedenken geäußert, das Strafrecht könnte – insbesondere auch im Hinblick auf die Dispositionsgrenzen der Gesellschafter – das Gesellschaftsrecht überholen. So meint Bernsmann, dass selbst Handlungen im Unternehmensinteresse einer Strafbarkeit wegen Untreue zugeführt werden könnten,277 während Baums darauf hinweist, dass sich die Rechtsprechung im Fall „Mannesmann“ über das im Gesellschaftsrecht herrschende Verständnis des „Unternehmensinteresses“ hinwegsetzt, indem sie voraussetzt, dass alles, was der Gesellschaft objektiv nütze, im Unternehmensinteresse liege und die Gerichte die objektive Nützlichkeit voll überprüfen könnten.278 Flum hält es für fragwürdig, dass gesellschaftsrechtlich unbedenkliche Gewinnausschüttungen kriminalisiert werden,279 Nelles spricht von strafrechtlichen Verboten bezüglich gesellschaftsrechtlich Gebotenem,280 nach Schramm ist das Strafrecht teils strenger als das Gesellschaftsrecht,281 Ulmer beschreibt eine „Diskrepanz“ 273 Die Bedeutung der Business-Judgement-Rule für die strafrechtliche Untreue hervorhebend Fleischer-Spindler, Handbuch des Vorstandsrechts, § 15 Rn. 25. 274 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, 2007, § 76 Rn. 2. 275 Deutscher Corporate Governance Kodex; unter „Corporate Governance“ wird gemeinhin eine „angemessene Unternehmensorganisation“ mit effizienter Unternehmensleitung und -überwachung verstanden, die langfristige Wertschöpfung bzw. nachhaltige Unternehmenswertsteigerung sicherstelle, vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15a; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 27; Schneider, AG 2000, 106; vgl. ausführlich unten, Kapitel 2 D. V. 4. 276 Dazu etwa Dahs, NJW 2002, 272 f. 277 Bernsmann, GA 2009, 1, 5, 7. 278 Baums, Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder, S. 9 f. 279 Flum, Schutz der GmbH, S. 7, unter Hinweis auf BGHSt 34, 379. 280 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 267: „Ihm [Anm.: dem Geschäftsführer] wird also bei Strafe verboten, was ihm zivilrechtlich erlaubt oder sogar geboten ist“. 281 Schramm, Untreue und Konsens, S. 120.

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von Straf- und Gesellschaftsrecht, wobei das Strafrecht überraschenderweise strenger ausfalle,282 nach Volk lebt das Strafrecht in einer Parallelwelt, die mit KontrAG, TransPuG und DCGK nicht abgeglichen sei, und die Strafgerichte prüften unternehmerische Entscheidungen mit der Akribie eines Wirtschaftsprüfers nach,283 Wodicka weist darauf hin, dass der BGH in Strafsachen anhand des Willkürverbots, des Verbots einer Liquiditäts- bzw. Existenzgefährdung und der Anforderungen an einen ordentlichen Kaufmann die Dispositionsbefugnis mehr eingeschränkt habe, als die Kapitalerhaltungsvorschriften dies vorsähen284. Wie groß die Inkongruenz zwischen Aktien- und Strafrecht bereits vor Einführung der Business-Judgement-Rule durch den Gesetzgeber war, wird deutlich, wenn man das fast schon „Allgemeingut“ gewordene strafrechtliche allgemeine Schädigungsverbot mit Beiträgen aus dem gesellschaftsrechtlichen Schrifttum vergleicht. So spricht Horn von „schwindelerregenden Haftungsperspektiven“, sofern jede unsorgfältig getroffene Entscheidung, die adäquat kausal mit einem Schaden in Verbindung gebracht werden kann, zu einer Haftung führen soll.285 Nach Lutter liege ein derartiger Sachverhalt „weit vor der Ebene, wo sich Recht und Gerichte einmischen können“.286 Anders als im Strafrecht wird die „vage Formel“ 287, das Organmitglied habe die Vorteile der Gesellschaft zu wahren und Nachteile von ihr abzuwenden, kaum mehr verwendet288 oder wenn, dann meist mit einem stark personalisierten Schadensbegriff gekoppelt.289 282 Ulmer FS Pfeiffer, 1988, S. 853 f.; auch Hauschka-Sieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 14, weist auf die abweichenden Beurteilungskriterien im Straf- und Gesellschaftsrecht hin, will aber dennoch aus strafrechtlichen Entscheidungen Argumente zur zivilrechtlichen Beurteilung herleiten; zu der unterschiedlichen Entwicklung der Dispositionsgrenzen im GmbH-Recht und der insofern strengeren straf- als gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung des RG und des BGH auch Schnauder/MüllerChristmann, JuS 1998, 980 ff., 1080 ff. – auch mit Hinweis auf die Wechselwirkungen, die der § 266 StGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB zeitigt; auf Divergenzen zwischen strafrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Rechtsprechung im Hinblick auf die Wirkung eines Einverständnisses bei der GmbH zwar hinweisend, diese dann jedoch als letztlich marginal bezeichnend Gehrlein, NJW 2000, 1089 f.; auf einen „Antagonismus“ zwischen dem Handeln der Ermittlungsbehörden einerseits und den gesellschaftsrechtlichen Normen andererseits weist Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1191, hin. 283 Volk FS Hamm, 2008, S. 803. 284 Wodicka, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 149. 285 Horn, ZIP 1997, 1129, 1132. 286 Lutter, ZIP 1995, 441. 287 So Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 2. 288 Nach Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 113, kann eine Pflicht des Vorstands, „alle erdenklichen Schädigungen der Gesellschaft zu verhindern“, auch nicht aus der Baustoff-Entscheidung des BGH (BGHZ 109, 297) abgeleitet werden, vielmehr werden abstrakte Verhaltenspflichten festgelegt; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 2, konstatiert: Das Vorstandsmitglied sei erstens verpflichtet, die im Aktiengesetz, in der Satzung und der Geschäftsordnung niedergelegten Organpflichten zu

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Das Rollenverständnis der Leitungsorgane von Unternehmen unterlag einem stetigen Wandel, der es verwunderlich erscheinen lässt, dass sich bei der Untreuestrafbarkeit unveränderlich als Anknüpfungspunkt für die altruistische Pflichtenstellung (Vermögensbetreuungspflicht) die „Gesellschaft“ ausmachen lässt, sie aber kaum konkretisiert wird.290 Dies überrascht, wird doch der Untreuetatbestand zunehmend als sog. „Blanketttatbestand“ verstanden, um so die „Einheit der Rechtsordnung“ zu inkorporieren. Umso dringlicher erscheint die Beantwortung der Frage, ob das Strafrecht die Weiterentwicklungen im Gesellschaftsrecht aufnehmen kann bzw. darf. Damit soll nicht einer einseitigen Betrachtungsweise Vorschub geleistet werden, die die Errungenschaften des Strafrechts für die Entwicklung des Gesellschaftsrechts vernachlässigt: Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den Rechtsgebieten arbeitet das Strafrecht dem Gesellschaftsrecht – plastisch insbesondere bei der Existenzvernichtungshaftung291 – vor.292 Derartige Annährungen sind zu begrüßen. Solange diese noch nicht vollzogen sind, ist die strafrechtliche Entwicklung im Verhältnis zur gesellschaftsrechtlichen aber mit größter Aufmerksamkeit zu verfolgen, will das Strafrecht seinen Charakter als „ultima ratio“ nicht verlieren.

erfüllen und die das Unternehmen betreffenden Rechtsvorschriften des allgemeinen Zivilrechts, des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts und des öffentlichen Rechts zu beachten. Zweitens müsse das Vorstandsmitglied die ihm übertragene Unternehmensleitung innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Pflichtenrahmens umfänglich wahrnehmen und sein Amt mit der erforderlichen Sorgfalt führen. Drittens obliege es dem Vorstandsmitglied, sich in geeigneter Weise von dem recht- und zweckmäßigen Verhalten nachgeordneter Unternehmensangehöriger und seiner Vorstandskollegen zu überzeugen. Es unterliege mithin einer „Legalitätspflicht“, einer „Sorgfaltspflicht im engeren Sinne“ und einer „Überwachungspflicht“. 289 Etwa LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 21; anders: Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 f. 290 Kritisch hinterfragt und einer neuen Konzeption zugeführt durch Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften; eine begrifflich parallele aktienrechtliche Pflichtenstellung des Vorstands im Hinblick auf die „Gesellschaft“ lässt sich i. Ü. auch nicht ausmachen, vielmehr ist bei der monistischen Auffassung von den „Aktionären“ die Rede. 291 Insbesondere die Urteile im Komplex Bremer-Vulkan haben zur Synchronisierung von Gesellschafts- und Strafrecht beigetragen: Fleischer, NJW 2004, 2867, 2869, spricht insofern von „Vorspuren“; Kasiske, wistra 2005, 81, 83 f., nennt das Strafrecht in der Bremer-Vulkan-Entscheidung des 2. Zivilsenats des BGH einen „Schrittmacher“ für das Gesellschaftsrecht, merkt jedoch an, dass bei der Bremer-Vulkan-Entscheidung des BGH, in der auf die Rechtsprechung der Zivilsenate des BGH verwiesen wird, anhand einer selektiven Wahrnehmung die Aussagen der zivilrechtlichen KBV-Entscheidung nicht hinreichend gewürdigt würden; auch Ransiek, wistra 2005, 121, würdigt den Komplex Bremer-Vulkan als Annäherung; vgl. dazu auch Schramm, Untreue und Konsens, S. 121. 292 Bosch/Lange, JZ 2009, 225, sprechen von einer sich scheinbar auflösenden Grenze zwischen strafrechtlichem und zivilrechtlichem Haftungsmaßstab; Dreher, AG 2006, 213, nennt dieses Phänomen eine „Überformung des Aktienrechts durch die Rechtsprechung von Straf- und Verwaltungsgerichten“, sieht es aber im Ganzen nicht als besonders verbreitet an.

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2. Tatsächliche Entwicklung von (Groß-)Unternehmen und Gesellschaftsrecht Zu diesen rechtlichen Bedenken kommen die tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklungen hinzu. Ohne sich bereits an dieser Stelle damit auseinanderzusetzen, in welchem Verhältnis Wirtschaft, Gesellschaft und Recht stehen bzw. ob empirische Erkenntnisse überhaupt Einfluss auf das Recht nehmen können, erscheint ein kurzer historischer Abriss angebracht. Da daraus keine rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen werden sollen, kann zunächst dahingestellt bleiben, dass zumeist davon ausgegangen wurde, das (Gesellschafts-)Recht erhebe den Anspruch, die „Wirklichkeit“ abzubilden. Immer wieder wird im Verhältnis der tatsächlichen Entwicklung von Wirtschaftsunternehmen und dem Unternehmensrecht ein „Hinterherhinken“ der rechtlichen Konzeption des Unternehmensrechts, das sich in Wellen vollziehe,293 und ein verlorener oder geänderter „Wirklichkeitswert“ moniert.294 Rathenau prägte für die Verwerfungen zwischen tatsächlicher Entwicklung und Recht die Beschreibung der „Substitution des Grundes“.295 Die folgenden Ausführungen sollen für die rapiden Veränderungen bei Unternehmen sensibilisieren, die auch auf die gesellschaftsrechtliche Diskussion durchschlugen, hingegen bei der Untreuekonzeption keine nennenswerten Spuren zeitigten. Vorwiegend bezieht man sich auf das 19. und angehende 20. Jahrhundert, als durch die Neuordnung der wirtschaftlichen Kräfte und durch die Veränderungen der Wirtschaftsstruktur296 moderne Unternehmen hervorgebracht wurden,297 die sich insbesondere durch ihre Überindividualität und Unpersönlichkeit auszeich293 Nach Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 3, könne man das Auftauchen von Strömungen – denen man aber nicht immer nachgeben müsse –, die nach einer Reihe von Jahren oder Jahrzehnten seit Bestehen eines Aktienrechts dessen Änderung oder Verbesserung herbeiführen wollen, fast schon als eine Art Naturerscheinung beobachten; nach Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 137, ist es sogar „Schicksal jeder wissenschaftlichen Dogmatik, dem Lauf des Lebens hinterherzuhinken und ihr Gebäude erst umzubauen, nachdem die neuen Tatsachen in zunehmendem Alter einer Einfügung ins bestehende System hartnäckig widerstrebt haben“; vgl. auch Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 231. 294 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 532; Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 49; Mertens, ZGR 1998, 386, 390, spricht von einem Abstand des Aktiengesetzes zur Realität. 295 Nach Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 17, sei diese Erkenntnis jedoch nicht neu, sondern gehe eigentlich auf Klein – den Haussmann aber ansonsten als Vertreter einer gegensätzlichen Ansicht zitiert – zurück, der jedoch das Phänomen einen „Wechsel der Grundlagen“ genannt habe. 296 Vgl. dazu nur die wegweisenden Werke von Keynes, Das Ende des Laissez-Faire, 1926, S. 30 ff.; Rosenstock, Vom Industrierecht, S. 13 f.; Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1993, S. 213 ff.; Sombart, Die Ordnung des Wirtschaftslebens, S. 45 ff. 297 Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 2.

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neten.298 Diese „Unternehmen der Neuzeit“ übernahmen ein Unternehmensrecht, das zu den tatsächlichen Gegebenheiten nicht passte, sondern auf die Wirtschaft des zerfallenden Mittelalters (Selbstversorgung) und des Frühkapitalismus (Familienunternehmen) zugeschnitten war.299 Diese „fiktiv gewordene Urvorstellung“ ist weiterhin Grundlage von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft geworden.300 Trotz veränderter Eigentumsverhältnisse, Wandlung der Aktionäre aufgrund zunehmender Diversifikation, unterschiedlicher Interessen und veränderter Funktion der Verwaltung ist die formale Behandlung der Unternehmen die gleiche geblieben.301 Aus dem Wandel der Strukturen der Aktiengesellschaften wurde die Forderung nach tief greifenden Änderungen des Aktienrechts abgeleitet.302 Der Begriff des Unternehmens und des Unternehmensinteresses als Antithese zu Gesellschaft und Gesellschaftsinteresse nimmt in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion einen bedeutenden Platz ein.303 Inzwischen haben sich Struktur und Zielsetzung insbesondere der Anteilseigner verändert. Es sei an dieser Stelle nur auf einzelne Instrumentarien zur Risikoverringerung hingewiesen: Die Möglichkeit zur Diversifikation des Aktienbesitzes führt zu einer unterschiedlichen Risikoneigung von Aktionären und Vorstand: Während für die Aktionäre nur das sog. „systematische“ Risiko der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von Interesse ist, hängt das Schicksal des einzelnen Unternehmens zusätzlich von dem sog. „unsystematischen“ Risiko ab.304 Für die Aktionäre ist es generell günstiger, wenn Vorstände hohe Risiken eingehen, während dem Vorstand tatsächlich eher eine risikoaverse Haltung eigen ist und auch sein soll.305

298

Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 105, 145. Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 21; ähnlich Steinmann, Großunternehmen, S. 22: „Es [das Aktienrecht] übertrug die für die Einzelfirma und Personengesellschaften richtige Vorstellung der klassischen Nationalökonomie vom Eigentümer-Unternehmer auf die Aktiengesellschaft und schuf damit den Idealtyp eines Durchschnittsaktionärs, der zugleich Kapitalgeber und Unternehmer war“. 300 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 8, 12, 14, 40 f.; dies bestreitet Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 45 ff., der dem entgegenhält, das „lebende Aktienrecht“ vermöge es, die Differenzen zwischen Recht und Wirklichkeit zu überbrücken; bestreitend auch Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 551 f. 301 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 12, 29, 44, „[. . .] von dem ursprünglichen Geschöpf [ist] kaum etwas anderes als die ins Riesenhafte gewachsene Schale geblieben“. 302 Krause, Unternehmer und Unternehmung, S. 24, der die wohl damalig herrschende Meinung im Gesellschaftsrecht repräsentierte, forderte, die Figur des Privateigentums so zu modifizieren, dass sie in der Lage sei, die neu aufbrechenden Kräfte in sich aufzunehmen; vgl. dazu Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 508 ff. 303 Vgl. dazu unten Kapitel 2 C. II. III. 304 Vgl. dazu unten, Kapitel 2 B. IV, Kapitel 3 C. II. 305 KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 48: „Unternehmerische Initiative muß stets verbunden sein mit sorgsamer Risikoeinschätzung und dem Versuch, Risiken nach Möglichkeit zu minimieren.“ 299

C. Gang der weiteren Darstellung

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Sog. „Hedge-Fonds“ befördern kein spezifisches Interesse mehr, wenn nahezu jegliche Kursschwankung durch verschiedene Instrumentarien (etwa: Wette auf die entgegengesetzte Entwicklung des Kurses) abgefangen („gehedged“) wird. Bei den sog. „Leerverkäufen“ ist ein fallender Aktienkurs gerade günstig für den „Verkäufer“.306 Hinzu kommt die Veränderung der Einflussgewichtung: Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt über das Unternehmen ist ein vielbeachtetes Thema,307 die Vorschriften der Mitbestimmungen verbürgen ein Teilnahmerecht der Arbeitnehmervertreter an dem Schicksal des Unternehmens. Es drängt sich die Frage auf, ob das gemeinsame „Zweck- bzw. Zielelement“ im Sinne des oben herausgearbeiteten Interesseverständnisses tatsächlich von den sich derart verändernden Zielen unabhängig ist. Dies wäre nur der Fall, sofern sich der Anknüpfungspunkt für die Interessengenese aus der Rechtsform der Aktiengesellschaft, aus sonstigen gesetzlichen Regelungen oder ggf. aus der wirtschaftlichen Umwelt zwingend ergäbe. Dementsprechend ist die weitere Arbeit aufzubauen.

C. Gang der weiteren Darstellung Es wurde geklärt, wie sich das Interesse, das der Vorstand zu beachten hat, nach strafrechtlicher Konzeption konstituiert.

I. Versuch der Legitimation der Konzeption In einem ersten Schritt soll versucht werden, diese Untreuekonzeption zu legitimieren, und zwar zunächst anhand der rechtlichen Umwelt der Gesellschaft. Diese Vorgehensweise soll zum einen einer Kriterienreduktion vorbeugen, die sich leicht einstellt, sofern lediglich eine Falsifikation versucht wird. Dabei soll nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass auch die hiesige Untersuchung auf eine Widerlegung als wissenschaftliches Anliegen verweist, mithin einen apologetischen Ansatz mit einer kritischen Analyse verbindet: Die Argumente für die monistische Konzeption sollen auf ihre Tragfähigkeit untersucht werden – oder widerlegt werden. Dies steht nicht unbedingt einer Widerlegung der gesamten Konzeption gleich, sondern teils auch nur einer Entkräftigung. Zunächst soll das Aktien- und Gesellschaftsrecht auf Anknüpfungspunkte und eine monistische Ausrichtung untersucht werden. Um ein reibungsloses Ineinan306 Ein Leerverkauf soll definitionsgemäß vorliegen, wenn ein Verkäufer Wertpapiere verkauft, welche er nicht hat bzw. nicht besitzt, in der Absicht, sie später billiger zu erwerben und an der Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis zu verdienen – dies führt zu einem Gewinn bei Kurseinbrüchen und Baisses, vgl. dazu Trüg, NJW 2009, 3202 f. 307 Vgl. BVerfGE 126, 170, 201.

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Kap. 1: Strafrechtliche Konzeption der Untreuestrafbarkeit des Vorstands

dergreifen von Straf- und Aktienrecht zu gewährleisten, muss ein Abgleich der jeweiligen Begriffe vorgenommen werden, die – wie sich zeigen wird – nicht deckungsgleich sind. Im Rahmen der Überprüfung der monistischen Ausrichtung wird die Würdigung teils anhand der „Durchschnittsinteressen“ einer Vergleichsgruppe erfolgen. Die Vergleichsgruppe wird herangezogen, da die gesellschaftsrechtliche Diskussion „rollenbezogener“ bzw. „phänotypischer“ als die strafrechtliche geführt wird. Eine Widerlegung kann sowohl anhand einer dualistischen als auch einer pluralistischen Ausrichtung erfolgen. Es soll damit nicht der erst später zu entwerfenden Konzeption vorgegriffen werden. Im Anschluss erfolgt eine Untersuchung der „Fähigkeiten“ des Strafrechts, eigene Erwartungen zu artikulieren. Im zweiten Schritt soll die wirtschaftliche Umwelt als zweck- und zielgebend, mithin interessekonstituierend, untersucht werden. Eine kritische Würdigung muss insbesondere die Zulässigkeit der Übertragung der Argumente in den juristischen Bereich erfahren. Die Auswahl der wirtschaftlichen Umwelt aus den verschiedenen Umwelten eines Unternehmens ist dem Umstand geschuldet, dass sie die für die monistische Konzeption charakteristischen erwerbswirtschaftlichen Aspekte thematisiert.

II. Bei fehlender Legitimation: Diskussion eines alternativen Modells Gelingt eine Legitimation nicht, so muss dies nicht notwendig eine dualistische oder pluralistische Konzeption positiv stützen. Erst im dritten Teil soll im Rahmen der Erstellung einer alternativen Konzeption diskutiert werden, ob der Vorstand einer pluralistischen oder wie auch immer gearteten Vermögensbetreuungspflicht unterliegt und ob sich eine solche ggf. als konsistenter erweist. Das alternative Modell soll ausschließlich nach geltendem Recht konzipiert werden. Sofern auf Beiträge zu Reformüberlegungen308 zurückgegriffen wird, geschieht dies unter dem Blickwinkel, dass sich diese meist mit dem geltenden Recht kritisch auseinandersetzen. Die alternative Konzeption soll ebenfalls auf ihre Praktikabilität und Konsistenz überprüft werden. Dies hat auch im Hinblick darauf zu erfolgen, was die neue Konzeption der Vermögensbetreuungspflicht für die weiteren objektiven Tatbestandsmerkmale der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils bedeutet. Insgesamt sollen – insbesondere was die Legitimationsversuche betrifft – die relevanten Gesichtspunkte angerissen werden; Vollständigkeit ist dabei nicht das Ziel. 308 Ein rechtspolitischer bzw. ideologischer Charakter wird vor allem denjenigen Beiträgen – teils zu voreilig – nachgesagt, die sich mit „Unternehmensrecht“ oder „Unternehmensverfassung“ beschäftigen.

Kapitel 2

Legitimation der strafrechtlichen Konzeption aus der rechtlichen Umwelt Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob sich die skizzierte monistische Untreuekonzeption durch ihre rechtliche Umwelt legitimieren lässt. Die rechtliche Umwelt unterteilt sich bei der hiesigen Untersuchung in Straf- und Gesellschafts-, insbesondere Aktienrecht. Ob zur rechtlichen Umwelt lediglich das Strafrecht gehört oder ob sich die strafrechtliche Konzeption auch dem Gesellschafts- bzw. Aktienrecht öffnet, wird kontrovers diskutiert. Dies soll nun erörtert werden.

A. Subsystem Gesellschaftsrecht „Determination des Strafrechts durch das Zivilrecht“ oder „Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken“? Grob lassen sich zwei antagonistische Ansichten skizzieren: „Determination des Strafrechts durch das Zivilrecht“ und „Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken“ 1. Beide Ansichten werden zwar in ihrer jeweiligen Schärfe nicht (mehr) vertreten, waren sie doch teils zu stark den Ideologien ihrer Zeit verhaftet; dennoch sind ihre gemäßigten Ausprägungen noch erkennbar. Sie könnten, sofern aktien- und strafrechtlich eine unterschiedliche Pflichtenstellung des Vorstands angenommen wird, zu einer unterschiedlichen Bewertung des materiellen Strafrechts gelangen.2 Die Problematik liegt im Verhältnis von Strafund Zivilrecht begründet: Ist das Strafrecht eher ein „accessorischer Rechtsteil“ 3

1 So der Titel des mit nationalsozialistischem Gedankengut belasteten Werkes von Bruns, der versucht hat, die strafrechtliche Begriffsbildung von der zivilistischen und dem Rechtsgüterschutz zu lösen, um sie einer tatsächlichen, wirtschaftlichen und teleologischen Auslegung – etwa anhand der „natürlichen Empfindung“ und der „Volkssitte“ – zuzuführen und so die „gebotene Bestrafung des Täters“ zu gewährleisten (Bruns, Befreiung des Strafrechts, S. 8, 58, 96, 107 ff., 306, 309). 2 So wohl auch Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 80; Lehleiter/ Hoppe, BKR 2007, 178, 181, kommen in Bezug auf den Problemkreis der Kreditvergabe hingegen zu dem Ergebnis, dass Unterschiede zwar auf den ersten Blick nahe liegen, letztendlich bei genauerem Hinsehen jedoch verschwimmen. 3 Binding, Handbuch des Strafrechts, S. 9.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

oder steht es als „selbständiger Teil der Rechtsordnung gleichberechtigt neben den großen anderen Rechtsgebieten“ 4? Eine negative, limitierte oder asymmetrische Akzessorietät5 des Strafrechts baut auf zwei Aussagen auf: Auf der einen Seite ist eine Strafbarkeit ohne aktienrechtlichen Pflichtenverstoß nicht denkbar. Oder anders gewendet: Was nach dem Aktienrecht erlaubt ist, kann keine strafbare Untreue sein;6 plastisch wird dies durch die Einordnung der Untreue als „Blankett“, das auf außerstrafrechtliche Normen verweist, oder als „Suchprogramm“,7 aber auch durch die „gemäßigtere“ Charakterisierung als Strafvorschrift mit normativen Tatbestandsmerkmalen8. Teils wird insofern auch von der „strafrechtsgestaltenden Kraft des Aktienrechts“ gesprochen.9 Nach der Systematik des § 266 StGB erfordere dieser eine bereits bestehende, außerhalb des Strafrechts begründete Vermögensfürsorgepflicht;10 dies ergebe sich zwanglos aus der Annahme, dass das Strafrecht dem Rechtsgüterschutz diene: Die Rechtsgüter würden erst im Zivilrecht bzw. im öffentlichen Recht definiert, normativ ausgestaltet und dort auch primär geschützt; das Strafrecht müsse sich auf seine Funktion als Sekundärmaterie zurückziehen.11 Daraus folgt auf der anderen Seite, dass nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung auch zugleich strafrechtlich relevant ist. Diese Schlussfolgerung versteht sich als Ausdruck des Ultima-Ratio-Charakters des Strafrechts12 und seiner Subsidiarität.13 4

v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, S. 32. Vgl. dazu Günther FS Weber, 2004, S. 311, 314; MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 152 f.; Brammsen, wistra 2009, 85, 87; Dierlamm, StraFo 2005, 397 ff.; Fleischer, DB 2006, 542, 544; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113; auch BVerfGE 126, 170, 210 f. 6 Achenbach GS Schlüchter, 2002, S. 257, 273; Günther FS Weber, 2004, S. 311, 314; Fleischer-Spindler, Handbuch des Vorstandsrechts, § 15 Rn. 22; Lüderssen FS Lampe, 2003, S. 727, 728; Bosch/Lange, JZ 2009, 225 f.; Keul, DB 2007, 728; zum Verhältnis von Straf- und Aktienrecht im Falle Mannesmann auch Fleischer, DB 2006, 542, 544; LG Düsseldorf NJW 2004, 3275 f.; auch in der Rechtsprechung wird in das Gesellschaftsrecht verwiesen, vgl. etwa BGHSt 47, 187; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 223, spricht von gesellschaftsrechtlich vorgeformten Sachverhalten bei der Untreue. 7 Fischer, StGB, 58. Aufl., § 266 Rn. 5; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 645; Sax, JZ 1977, 663 f.; kritisch Kubiciel, NStZ 2005, 353, 357; offen gelassen durch Mankowski/Bock, ZStW 120 (2008), 704 f. 8 So Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 903 ff., 926, der einen Blankett-Charakter ablehnt. 9 Fleischer, DB 2006, 542, 544. 10 LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3282; so insbesondere auch Hüffer, BB Beilage 2003, Nr. 7, S. 1, 9. 11 Dierlamm, StraFo 2005, 397 f.; gegen eine Rechtsgutbezogenheit im Wirtschaftsstrafrecht Alwart, JZ 2006, 546 ff. 12 BVerfGE 39, 1, 47; 88, 203, 258; 96, 10, 25. 13 Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 158 ff., äußert Bedenken, die Untreuestrafbarkeit könne zu einer Überregulierung des Bankensektors führen; zur Subsidiarität 5

A. Subsystem Gesellschaftsrecht

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Die Auslegung nimmt im Falle der Untreue am Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung ihren Anfang; da diese mit der Vermögensbetreuungspflicht eng zusammenhängt, taugen aber beide Merkmale als Anknüpfungspunkt zur Zivilrechtsakzessorietät. Sollen bestimmte zivilrechtliche, genauer: aktienrechtliche Pflichten bei der strafrechtlichen Beurteilung (k)eine Rolle spielen, so sollte dies konsequenterweise sowohl für die Pflichtverletzung als auch für die Vermögensbetreuungspflicht gelten. Dies erlangt auch für die geforderte „Fremdnützigkeit“ des Vermögensbetreuungsverhältnisses Bedeutung, die sich häufig nur auf rechtliche Konstruktionen zurückführen lassen dürfte.14 Sieht man die Einführung des Erfordernisses einer „gravierenden Pflichtverletzung“ als Ausdruck des Verhältnisses von Straf- und Zivilrecht15 und nicht als strafrechtseigenen Aspekt,16 so darf man sich durch die einschlägigen Urteile des BGH bestätigt sehen, da die Pflichtverletzung aus einem anderen Rechtsgebiet abgeleitet und sodann auf einen strafwürdigen Kern reduziert wird.17 Daraus ergibt sich für die vorliegende Untersuchung, dass, sollte sich aus dem Gesellschaftsrecht keine monistische Pflichtenstellung des Vorstands ergeben, diese ggf. dennoch aus einer negativen Zivilrechtsakzessorietät abgeleitet werden könnte, bei der nur bestimmte (monistische) Pflichten zu berücksichtigen sind. Freilich ist dies nur dann möglich, wenn die Strafbarkeit des Vorstands nur auf einen Ausschnitt gesellschaftsrechtlicher Pflichtwidrigkeit begrenzt wäre, nicht aber, wenn damit (wenn auch nur mittelbar) die Strafbarkeit auch auf Fälle ausgeweitet würde, die gesellschaftsrechtlich erlaubt sind. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Orientierung an eindimensionalen (erwerbswirtschaftlichen) Aspekten – wie gesehen – zu einem Ermessensfreiraum lediglich bezüglich der Mittel zu diesem Zweck führen kann, nicht jedoch zu einem Spielraum zum Ausgleich verschiedener Interessen, der beträchtlich größer sein kann. Sofern hingegen davon ausgegangen wird, das „Treueverhältnis“ im Rahmen der Untreue sei Ausdruck der Befreiung des Strafrechts vom zivilrechtlichen Denken,18 wird dies dahingehend relativiert, dass der Untreuetatbestand jedenfalls zivilrechtsaffin im Hinblick auf das Betreuungsverhältnis sei, das auf den

auch Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1190; Kutzner, NJW 2006, 3541, 3543, hebt diese Seite der negativen Akzessorietät besonders hervor, sieht sie aber etwa in der Kinowelt-Entscheidung des BGH nicht verwirklicht. 14 Dementsprechend kommt nach LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 77, in Situationen, in denen jeder zunächst seinen eigenen Vorteil suchen „darf“, auch keine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht. 15 So etwa Dierlamm, StraFo 2005, 397, 402. 16 So etwa Fischer, StV 2010, 95 f. 17 So etwa Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1190. 18 LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 61.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

strafrechtlichen, aber zivilrechtlich geprägten Vermögensbegriff verweise.19 Wird postuliert, die außerhalb des Strafgesetzbuches verankerten Ver- und Gebote seien nur indiziell geeignet, im Rahmen des Untreuetatbestandes Berücksichtigung zu finden, so wird doch zumindest die eine Seite der Zivilrechtsakzessorietät – was ausdrücklich als erlaubt erklärt worden ist, kann nicht poenalisiert werden – anerkannt.20 Da die Annahme der Subsidiarität bzw. des fragmentarischen Charakters des Strafrechts beim Rechtsgüterschutz21 auch bei der ersten Ansicht zu einer Relativierung bzw. Lockerung der Zivilrechtsakzessorietät führt, andererseits durch die zweite Ansicht dem Vermögensbetreuungsverhältnis eine Zivilrechtsaffinität zugeordnet wird, liegen die Äußerungen – was das Verhältnis von Strafgesetz und Aktiengesetz angeht – nicht mehr weit auseinander, sodass auch die gesellschaftsrechtliche Umwelt legitimationsfähig ist. Die bloß fragmentarisch und auslegungsbedürftig im Aktiengesetz geregelte Pflichtenstellung des Vorstands bringt es mit sich, dass dieser Streit an anderer Stelle wieder auflebt, nämlich bei der Frage, wem die „Deutungshoheit“ für eine aktienrechtliche – und damit abhängig auch der strafrechtlichen – Pflichtverletzung des Vorstands zukommt.22 Ob Strafrechtspraktiker und -theoretiker zur originären Auslegung des Gesellschaftsrechts ebenso berufen sind wie die Gesellschaftsrechtler, wird kontrovers diskutiert.23 Jedenfalls darf die Ausübung einer wie auch immer gearteten Deutungshoheit nicht dazu führen, dass die Rechtsprechung die Funktion des Gesetzgebers übernimmt. Dies beansprucht im Strafrecht aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes und des damit einhergehenden strikten Gesetzesvorbehalts (Art. 103 Abs. 2 GG)24 noch mehr Geltung als im Gesellschaftsrecht und darf nicht davon abhängig sein, dass gesellschaftsrechtliche Normen zur Ausgestaltung des materiellen Strafrechts herangezogen werden.

19 LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 68; eine Präjudizierung der strafrechtlichen Bewertung durch zivilrechtliche Kategorien wie Haupt- und Nebenpflicht lehnt LKSchünemann, StGB, § 266 Rn. 88, ab. 20 Englisch, NJW 2005, 2974 f. 21 Nach Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1190, könnte unter Berücksichtigung des Art. 103 Abs. 2 GG nur eindeutig unvertretbares Handeln als untreuerelevant eingestuft werden; Hohn, wistra 2006, 161, 162, 164, hebt hervor, es dürften daher nur solche Vermögensverwendungen poenalisiert werden, die als sicher und vollständig nutzlos eingestuft werden könnten. 22 Vgl. dazu bereits oben, Kapitel 2 A. 23 Dafür etwa Rönnau, NStZ 2006, 218, 220; a. A. Dierlamm, StraFo 2005, 397 ff.; Tiedemann FS Dünnebier, 1982, S. 519, 531 f.; Tiedemann FS Tröndle, 1989, S. 319, 326 ff.; Tiedemann FS Weber 2004, S. 319, 325 ff. 24 Vgl. zum Bestimmtheitsgrundsatz und der Vorschrift des § 266 StGB, BVerfGE 126, 170, 200 ff. – Beschluss v. 23.06.2010, Az. 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09.

B. Transformation der Begriffe

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Zu beachten ist auch der Einfluss, den das Strafrecht auf das Gesellschaftsrecht ausüben könnte, was insgesamt zu einer Zirkularität der Materie führen würde (sog. „Überformung des Gesellschafts- durch das Strafrecht“).25 Dieser Umstand ist besonders beachtenswert, schenkt man der angerissenen Behauptung Glauben, die Rechtsprechung in Strafsachen und die Strafverfolgungsbehörden gingen nicht selten in Bezug auf die Untreue über die zivilrechtlichen Maßstäbe hinaus26 und führten so über § 823 Abs. 2 StGB Haftungswirkung herbei, die rein gesellschaftsrechtlich nicht eintreten würden.27 Dazu dürfte insbesondere auch die vorrangige Befassung der Strafgerichte geführt haben, die durch die restriktive Fassung des § 147 AktG a. F. bedingt wurde.28 Der Aufsichtsrat tat sich seit jeher schwer, sich zu einem Haftungsprozess gegen den Vorstand durchzuringen, sei es aufgrund (übertriebener) Loyalität, Furcht vor dem Bekanntwerden eigener Fehler und der teils anzutreffenden Praxis, Ersatzansprüche gegen Abfindungsansprüche aufzurechnen.29

B. Transformation der Begriffe Trotz einer Durchdringung von Straf- und Gesellschaftsrecht herrscht keine einheitliche Terminologie.30 Soll also das Aktienrecht als rechtliche Umwelt auf einen Anknüpfungspunkt für die monistische Konzeption untersucht werden, so 25 Dazu Dreher, AG 2006, 213; Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 898, sehen z. B. die Ausführungen des 3. Strafsenats des BGH im Mannesmann-Urteil als „unverzichtbar, um die Treubindung der Organe der juristischen Person zu sichern“; Säcker/Stenzel, JZ 2006, 1151, 1153 f., sehen in der Poenalisierung eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 AktG durch das Mannesmann-Urteil des 3. Senats einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dem zugrunde liegenden Aufsichtsratsbeschluss die Wirksamkeit abzusprechen; Einfallstor ist beispielsweise § 148 Abs. 1 Nr. 3 AktG, bei dem die „Unredlichkeit“ auch auf eine Strafbarkeit wegen Untreue verweist, vgl. Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1171 f.; Spindler, NZG 2005, 865, 867. 26 Vgl. dazu bereits oben, Kapitel 1 B. II. 1. 27 Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 80. 28 Deshalb blieben nach Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 423, auch die Geschehnisse um Mannesmann der Zivilgerichtsbarkeit entzogen. 29 Zu derartigen Motiven vgl. Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169 f.; Diekamm/Leuering, NZG 2004, 249; Hoor, DStR 2004, 2104 f.; Lutter, ZIP 2007, 841, 848; Thümmel, DB 2004, 471, 473; insbesondere neue Kodifikationen (KonTraG, TransPuG), der Deutsche Corporate Governance Kodex und ein sich verbreitendes Shareholder Value-Denken der Anteilseigner haben in Verbindung mit der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung, die die Pflicht des Aufsichtsrats, Ansprüche gegenüber dem Vorstand zu verfolgen, statuiert hat, zu einer verstärkten Befassung auch der Zivilgerichtsbarkeit geführt, vgl. zu dieser Entwicklung auch Graef, GmbHR 2004, 327 f.; Hauschka, NJW 2004, 257 f.; Witte/Hrubesch, BB 2004, 725; der Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, verweist auf den nach US-amerikanischem Vorbild wachsenden Druck auf Vorstände durch die Aktionäre. 30 Dies kritisiert Fleischer, DB 2006, 542, im Falle des Mannesmann-Urteils, bei dem der BGH nicht ausreichend zwischen Sorgfalts- und Treuepflichten differenziere.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

müssen die jeweiligen strafrechtlichen und aktienrechtlichen Begriffspaare gefunden werden.

I. Verhältnis der strafrechtlichen „Gesellschaft“ zu den gesellschaftsrechtlichen „Gesellschaftern“ und „Anteilseignern“ Während im Strafrecht fast durchgehend von der „Gesellschaft“ gesprochen wird, gegenüber der die Vermögensbetreuungspflicht besteht (wenn diese auch die phänotypischen Interessen der Gesellschafter aufnimmt), benennt das Gesellschaftsrecht häufig die „Gesellschafter“ oder „Anteilseigner“ als Interessenträger, wenn es um die Pflichtenstellung des Vorstands geht.31 Der Begriff „monistisch“ wurde der strafrechtlichen Konzeption zugeordnet, da lediglich wirtschaftliche Aspekte Berücksichtigung finden, die der Gesellschaft implementiert werden. Im Gesellschaftsrecht wird eine Konzeption vor allem dann als „monistisch“ bezeichnet, wenn sie sich der Interessen der Gesellschafter annimmt und die Interessen sonstiger Anspruchsgruppen vernachlässigt oder instrumentalisiert und so im Gegensatz zu einer pluralistischen Prägung steht.32 Im Gesellschaftsrecht wird dabei fast durchgehend auf das „Rolleninteresse“ der Gesellschafter abgestellt, das phänotypisch wirtschaftlich auf finanziellen „Input“ ausgerichtet ist, mithin „Gewinnmaximierung“ favorisiert (die Frage, wie die Interessen der Ak31 MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 14, spricht von einer Treuepflicht, die auch der „personifizierten Gesamtheit der Aktionäre“ gegenüber bestehe; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 1, konstatiert, der § 93 AktG diene dem Schutz der Aktionäre, später werden die Äußerungen wesentlich genauer, etwa MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 46; teils wird dies flankiert von Wendungen wie „Aktionäre als Eigentümer“ oder „Geld der Aktionäre“, so etwa KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 25; Schramm, Untreue und Konsens, S. 143; Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 228; Jahn, ZIP 2006, 738, 741, 745; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 356; Lutter, ZIP 2007, 841; Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 903; von dem Vorstand als „Treuhänder zugunsten aller Aktionäre“ spricht Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 2; nach Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 61, wirtschaftet der Vorstand mit dem „Geld der Aktionäre“; von einer treuhänderähnlichen Stellung spricht auch das OLG Hamm AG 1995, 514; vgl. auch Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2191; Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127, 130, spricht hingegen dezidiert von der „juristischen Person als Eigentümer“; anders etwa Martens, ZHR 169 (2005), 124, 136, 138, der zwischen der Gesellschaft und den Aktionären unterscheidet: „Das Interesse des Mehrheitsgesellschafters [. . .] steht außerhalb des Gesellschaftsinteresses“. 32 Dies wird deutlich bei Spindler, ZIP 2006, 349, 352, der die Verweise auf das vom BGH im Mannesmann-Urteil rein erwerbswirtschaftlich verstandene „Unternehmensinteresse“ als zugunsten der Interessen der Anteilseigner instrumentalisiert deutet; wiederum Spindler, NZG 2005, 865, 872, der von vornherein Interpretationen vorbeugen will, das „Wohl der Gesellschaft“ im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als „langfristige Ertragsstärkung“ solle eine einseitige Orientierung an Anteilseignerinteressen einführen; nach Jahn, ZIP 2006, 738, 741, dürfte dies auch auf den steigenden Einfluss des Shareholder Values zurückzuführen sein, der eine Trennung von Aktionären und Unternehmen nicht transportiert.

B. Transformation der Begriffe

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tionäre bestimmt und wie sie in einen operablen Einklang gebracht werden sollen, stellt sich mithin an dieser Stelle nicht).33 Dass es nicht um die konkreten Interessen der konkreten Gesellschafter geht, wird zum einen daran deutlich, dass betont wird, dass das Interesse der Gesellschaft nicht notwendig identisch mit dem Interesse der Aktionäre sei,34 zum anderen daran, dass auf Verbandsebene diskutiert wird. Man kann die Begrifflichkeiten demnach folgendermaßen zur Deckung bringen:

strafrechtlich: Gesellschaft

gesellschaftsrechtlich: Gesellschafter/Anteilseigner

(vorrangig) erwerbswirtschaftlich

monistisches Element

Dieser personale Bezug wird bei der Erörterung des Unternehmensinteresses wieder Bedeutung erlangen: Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass das Unternehmensinteresse mitbestimmungsrechtliche Gedanken transportieren kann: Die Brücke von nicht-ökonomischen Forderungen hin zur Beteiligung der Arbeitnehmer kann nur über ein personales Element geschlagen werden.

II. Verhältnis des strafrechtlichen „Interesses der Gesellschaft“ zum gesellschaftsrechtlichen „Gesellschaftsinteresse“ Das „Gesellschaftsinteresse“ hat unterschiedliche Funktionen.35 Im Folgenden wird das „Gesellschaftsinteresse“ ausschließlich unter dem Aspekt „Verhaltensmaßstab für den Vorstand“ als Ausdruck einer monistischen Konzeption untersucht. Um Verwirrungen vorzubeugen, sei bereits hier herausgestellt, dass das strafrechtliche Interesse der Gesellschaft nicht identisch mit dem gesellschaftsrechtlichen Gesellschaftsinteresse ist. Zwar legt das Gesellschaftsinteresse im gesellschaftsrechtlichen Sinne vom terminologischen Sichtwinkel aus ein monistisches Verständnis nahe. Dies bedarf 33 Vgl. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Rn. 605; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 26; nach Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 301, richteten sich die Interessen der Anlagegesellschafter auf Rendite und Mobilität der Anteile, stetiges Wachstum der Firma, Steuervorteile und Anonymität der Teilhaberschaft. 34 Etwa MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 30. 35 Vgl. dazu unten, Kapitel 2 C. II.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

dennoch schon deshalb weiterer Untersuchung, als es auf das „Etikett“ nicht ankommen darf; die Begriffe Gesellschafts- und Unternehmensinteresse bzw. -wohl werden inzwischen streckenweise synonym verwendet.36 Insbesondere die Definitionsbefugnis37 sowie die Art der Genese stellen sich als problematisch dar. Bei der Betrachtung der Interessengenese fallen Übereinstimmungen mit der strafrechtlichen Problematik ins Auge. Nachdem teils eine einstimmige,38 teils eine mehrheitliche bzw. vereinheitlichende39 Entscheidung für die Konstituierung des Gesellschaftsinteresses durch die Gesellschafter/Hauptversammlung gefordert wurde, hat sich die Artikulation des Interesses – und damit entgegengesetzt zur strafrechtlichen Entwicklung (im Strafrecht wurde den Gesellschaftern mit der Ausweitung der früher extrem engen Grenzen eines Einverständnisses mehr Freiraum gegeben, im Gesellschaftsrecht kam dem Einverständnis hingegen wesentlich größere Bedeutung zu)40 – von der ausdrücklichen Erklärung durch die Gesellschafter mehr und mehr abge-

36 Etwa BGHZ 135, 244, 255; auch RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11; das OLG Düsseldorf AG 1996, 373, 375, nennt etwa als Bezugspunkt der Gesellschaftsinteressen u. a. das Unternehmensinteresse, das auf wirtschaftlichen Erfolg und Gewinnerzielung gerichtet sei; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 27, weist zutreffend darauf hin, dass es nicht darauf ankomme, ob die Interessen von Arbeitnehmern, Dritten und der Allgemeinheit über das Unternehmens- oder das Gesellschaftsinteresse berücksichtigt würden; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 34, verwendet Unternehmen und Gesellschaft aufgrund der Objektstellung des Unternehmens synonym; vgl. dazu auch Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 20, der selbst Unternehmens- und Verbands-/Gesellschaftsinteresse genau trennt. 37 Vereinzelte Ansichten sähen allein die Staatsaufsicht, ein Aktienamt, ein Sondergericht oder Banken als zur Formulierung des Eigeninteresses der Gesellschaft berufen – diese Vorschläge kamen von Marx, Planitz und Lerchenthal, vgl. Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 60, 217; Netter, ZGB 1930, 297, hingegen meint, in der Verwaltung die Instanz gefunden zu haben, die zur Formulierung der Interessen berufen ist. 38 So auch Landsberger, ZBH 1932, 79, 87; auch Möser, Die Generalversammlung der Aktiengesellschaft, 1925, S. 92 („Denn identisch mit dem Willen der Gesellschaft ist streng genommen nur der Wille sämtlicher Aktionäre“), bei dem jedoch eine besondere Ausrichtung erkennbar wird, wenn er im Zweifel als Willen der Gesellschaft den Willen annehmen will, der auf Gesunderhaltung, Sicherstellung der Gesellschaft hinziele; sehr kritisch gegenüber der Mehrheit, die die Gesellschaftsinteressen „verraten“ habe, Sontag, Die Aktiengesellschaft im Kampfe zwischen Macht und Recht, S. 11 ff., 17. 39 Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 59. 40 So konstatiert der BGH in BGHZ 31, 258: „Darum haftet er [der Geschäftsführer] im allgemeinen nicht, wenn er einen Gesellschafterbeschluß oder eine Weisung des alleinigen Gesellschafters befolgt oder wenn er der alleinige Gesellschafter ist. Seine Ersatzpflicht wird aber auch beim Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht aufgehoben, wenn Zahlungen dem § 30 GmbHG zuwider [. . .] geleistet werden [. . .]. Diese Ausnahmen erklären sich daraus, daß auch die Gesellschafter die in § 30 und § 64 Abs. 2 GmbHG gezogenen Grenzen nicht überspringen können.“; ebenso BGHZ 93, 146; 95, 330, 340; 142, 92; BGH NJW 1984, 1037; darüber hinaus zur Einverständnisgrenze der Bestandsgefährdung BGHZ 119, 257; 122, 333.

B. Transformation der Begriffe

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hoben;41 das Gesellschaftsinteresse sei aber mit den „gebündelten“ – dann also abstrakt definierten – Aktionärsinteressen identisch.42 Einer Abhebung des Gesellschaftsinteresses von den Gesellschaftern steht insbesondere Zöllner kritisch gegenüber: Zwar sei das Verbandsinteresse/Gesellschaftsinteresse von der realen Interessenübereinstimmung unabhängig und auch nicht zwingend mit dem mehrheitlichen Willen der Gesellschafter identisch (auch wenn es zusammenfallen könne). Wollen die Gesellschafter aber eine bestimmte Maßnahme einstimmig, so müsse das Verbandsinteresse/Gesellschaftsinteresse dadurch determiniert werden können, wolle man nicht dem Verband, der nur durch seine Mitglieder lebe und dem „an sich“ kein zu schützender Wert innewohne, einen höheren Wert zubilligen als der Gesamtheit der Mitglieder.43 Das Verbandsinteresse erfahre auch nicht dadurch eine Verselbständigung gegenüber dem Mitgliedergesamtinteresse, dass dem Verband Rechtsfähigkeit zugewiesen werde.44 Die Gegenansicht vertritt insofern Otto v. Gierke, der der Mitgliedschaft das „Ganze“ gegenüberstellt, das mehr sei als die Summe der Individuen und dem auch ein höherer Wert zukomme als dem jeweiligen Teil.45

Diese Entwicklung lässt sich anhand der Rechtsprechung eindrucksvoll verfolgen: Das Reichsgericht knüpfte den Begriff des Gesellschaftsinteresses anfangs eng an die Mehrheitsentscheidung: So wurde in der viel zitierten Hibernia-Entscheidung46 aus dem Jahre 1908 ein starres, schrankenloses Majoritätsprinzip zugrunde gelegt. Die Mehrheit des Aktienbesitzes habe über die Verwaltung der Gesellschaft und darüber zu entscheiden, was im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zu tun und zu lassen sei.47 Damit ging die Ansicht einher, die Aktiengesellschaft sei eine „Veranstaltung der Aktionäre“.48 41 Insbesondere Strukturänderungen der Aktionäre im Hinblick auf Depotstimmrechte und Konzernstrukturen trugen dazu bei, dass die Mehrheitsentscheidung nicht mehr als sachgerecht erschien und Schranken unterzogen wurde, vgl. Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 589 ff.; Orth DStR 1994, 250, 253; Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 109. 42 HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 76 Rn. 12. 43 Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 19 f. 44 Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 21. 45 O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 25 ff., 31. 46 RGZ 68, 235 – Hibernia. 47 RGZ 68, 235, 246 – Hibernia. 48 In RGZ 59, 423, 425 aus dem Jahre 1904 heißt es: „Die Aktiengesellschaft ist kein selbstnütziges Vermögenssubjekt; ihre Bestimmung ist, für die Aktionäre zu arbeiten, und diesen, während ihres Bestehens in Form des Gewinnes, nach der Auflösung durch Verteilung, das Vermögen wieder zufließen zu lassen. Dem entspricht der Wertgehalt der Aktionärrechte“; vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I 2, S. 33, demzufolge dies einhergeht mit der Durchsetzung der Meinung, das Vermögen der Aktiengesellschaft sei ausschließlich der Aktiengesellschaft als juristischer Person zuzuordnen; vgl. auch Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 12; Lehmann, Das Recht der Aktiengesellschaften I, S. 243, bezeichnete die Aktiengesellschaft daher als „ein besonderes Lebewesen“, das „materiell wirtschaftlich nur um der Mitglieder willen und für die Mitglieder fungiert“.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Mit der Folgeentscheidung aus dem Jahre 192349 wurden dem Majoritätsprinzip jedoch Schranken gesetzt: „Der Gesellschafter leitet seine Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag her; seine Befugnisse sind ihm in seiner Eigenschaft als Gesellschafter verliehen; bei Ausübung dieser Rechte hat er sich daher grundsätzlich von dem Interesse der Gesellschaft und nicht von seinen privaten außerhalb der Gesellschaft liegenden Sonderinteressen leiten zu lassen.“ Eine Orientierung an Vorteilen, die außerhalb der Gesellschaft liegen, konnte einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen.50 Als materielle Schranke des Bezugsrechtsausschlusses etwa, der vorrangiges Mittel zur Machtverteilung innerhalb des Unternehmens war (und ist),51 hat das Reichsgericht gefordert, der Bezugsrechtsausschluss müsse im „Interesse der Gesellschaft“ und erforderlich sein52. Infolge einer sprachlichen Verkürzung wurde im Folgenden daraus das „Gesellschaftsinteresse“.53 An dieser Stelle zeigt sich die Doppelfunktion des Gesellschaftsinteresses in ihrer gesamten Tragweite. Auch wenn teils davon ausgegangen wird, die Einschränkung des Bezugsrechtsausschlusses durch das Gesellschaftsinteresse stelle nur eine geringfügige Schranke für die Mehrheit der Gesellschafter dar, „denn diese darf grundsätzlich entscheiden, ob der Bezugsrechtsausschluss im Interesse der Gesellschaft liegt, genauer: ob der Zweck, zu dem der Ausschluss erfolgt, dem Gesellschaftsinteresse dient“ 54, so zeigt sich doch an dieser Stelle deutlich55 – und insofern parallel zu den Einschränkungen des Einver-

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RGZ 107, 202, 204. RGZ 107, 202, 205. 51 Zöllner, AG 2002, 585 f. 52 Zu der Entwicklung dieser Voraussetzung vgl. Zöllner, AG 2002, 585, 586; ebenso BGHZ 83, 319; lediglich in Bezug auf die Konkretisierung der geplanten Maßnahme abweichend und eine abstrakte Beschreibung als ausreichend erachtend BGHZ 136, 133, 139 – Siemens/Nold; BGHZ 164, 241 – Mangusta/Commerzbank I; BGH ZIP 2006, 368. 53 Zöllner, AG 2002, 585, 586; der Gesichtspunkt des Gesellschaftsinteresses hat in der Rechtsprechung insbesondere bei der Frage der Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss seinen festen Platz gefunden: Zu den Kapitalerhöhungsskandalen des 20. Jahrhunderts, die die Gründungsschwindel des 19. Jahrhunderts ablösten, vgl. Zöllner, AG 2002, 585, gehören u. a. bekannte Fälle wie RGZ 68, 235 – Hibernia (1908); RGZ 105, 373 – Union-AG (1922); RGZ 107, 67 – Vereinigte Stahlwerke (1923); RGZ 108, 322 – Leipziger Buchbinderei (1924); RGZ 113, 188 – Bergbau Ilse (1926); RGZ 119, 248 – Hamburg Süd AG (1927); RGZ 113, 149 – Industrie- und Privatbank AG gegen Viktoria Versicherungs-AG (1931); BGHZ 21, 354 – Minimax-Fall (1956); BGHZ 33, 175; BGHZ 71, 40 – Kali- und Salz-AG (1978); BGHZ 83, 319 – Holzmann (1982); BGHZ 136, 133 – Siemens/Nold. 54 Zöllner, AG 2002, 585, 588. 55 Insbesondere, wenn Zöllner, AG 2002, 585, 588, selbst feststellt, die Definition des Gesellschaftsinteresses solle der Mehrheit wieder entzogen werden, wenn ihre Einschätzung erkennbar unzutreffend, ihre Dienlichkeit für das Gesellschaftsinteresse nicht plausibel oder die Entscheidung nicht pflichtgemäß und sorgfältig vorbereitet worden sei; ähnlich Hayum, Die Grenzen der Mehrheitsherrschaft in der Generalversammlung der Aktiengesellschaft, 1927, S. 76, nach dem die Mehrheitsmacht nur solange zulässig 50

B. Transformation der Begriffe

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ständnisses im strafrechtlichen Bereich – die Abhebung von den tatsächlichen Interessen der Gesellschafter. Betrachtet man die Entwicklung des Gesellschaftsinteresses, so dürfte die monistische Ausrichtung offenkundig werden: Es entwickelte sich aus Mehrheitsentscheidungen, und es war gängige Vorstellung, dass Gesellschafter phänotypisch wirtschaftlich interessiert seien.56 Die Beschränkung des Stimmrechts hatte die Funktion, dass beim Widerstreit das private Aktionärsinteresse zurücktreten müsse,57 nicht aber, das vorrangig wirtschaftliche Bestreben einzudämmen. Ganz im Gegenteil wird von rein finanziellen Interessen als den „typischen“ der Gesellschaft gesprochen.58

ist, „solange und insoweit die Mehrheit mit ihrer Abstimmung und Entscheidung den Einheitswillen der Korporation zum Ausdruck bringt, den Einheitswillen, der nur darauf gehen kann, die Interessen der Gesellschaft zu wahren“. 56 Vorrangig auf ein Interesse am Wachstum des Unternehmens und daher an Eigenkapitalerhöhung abstellend, Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 61; der „Phänotyp“ ergibt sich aus der Einteilung der Aktionärstypen: Nach Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 16, 26 f., haben die Großaktionäre an Bedeutung verloren, die restlichen Aktionäre seien nach ihrem Beweggrund zu unterscheiden, ob sie eine angemessene Verzinsung oder einen Kursgewinn erwarten; dies wird kritisiert insbesondere von Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 15, 19 ff., 85, nach dem die bloße Unterscheidung von anlagesuchenden und spekulativen Aktionären der modernen Gruppierung nicht mehr gerecht werde; neben dem Gelegenheitsaktionär (Einzelaktionär zwecks Vermögensanlage/Spekulation/besonderer Beziehung zum Unternehmen) gebe es den Großaktionär (industrieller/finanzieller/anlagesuchender Unternehmeraktionär), der sich durch die Beherrschung der AG auszeichne, durchaus; der „Sechser Bericht“, 1968, S. 34 f. unterscheidet zwischen beherrschendem Anteilsbesitz, großem, aber nicht beherrschendem Anteilsbesitz und Streubesitz; besonders augenscheinlich wurde die monistische Ausrichtung, wenn angenommen wurde, das Gesellschaftsinteresse solle durch den gemeinsamen Zweck konstituiert werden, zu dem sich die Gesellschafter zusammengeschlossen haben: Nach Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 60, wird das Gesellschaftsinteresse durch die Bindung an den Verbandszweck konstituiert; ähnlich Zöllner, AG 2003, 2, 8; zu den ökonomischen Interessen vgl. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 78; nach Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 183, seien Eigenkapitalgeber neben Leitung oder Beaufsichtigung der Unternehmung ökonomisch an Vermögenssicherung und -zuwachs und Gewinn interessiert; das Interesse der Gesellschafter sei „allgemein“ darauf gerichtet, durch Einsatz des eingelegten Vermögens Erträge zu erzielen sowie das Vermögen in seiner Substanz zu erhalten und zu vermehren, Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 136; nach Franz Marx, ZBH 1926, S. 350 f., liegt das Eigeninteresse der Aktiengesellschaft im bestmöglichen, ökonomischen Erreichen des Gesellschaftszwecks; für Kuhner, ZGR 2004, 244, 246, 267 sei das Gesellschaftsinteresse identisch mit dem „überindividuellen Verbandsinteresse“ das seinerseits in der „langfristigen Gewinnmaximierung“ liege – daraus ergebe sich ein Verständnis des Gesellschaftsinteresses, das zumindest nicht zwingend identisch sei mit dem Interesse der Mehrheit der Gesellschafter; nach Mülbert, ZGR 1997, 129, 141, soll das Gesellschaftsinteresse eine „überindividuelle, von den konkreten Interessen der einzelnen Verbandsmitglieder abgelöste und für alle Gesellschaftsorgane gleichermaßen verbindliche Leitmaxime“ sein. 57 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 593, 612. 58 So etwa LG Düsseldorf AG 1994, 330 f. im ARAG/Garmenbeck-Fall.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

An dieser Stelle treffen sich strafrechtliche und gesellschaftsrechtliche Konzeption: Sowohl die straf- als auch die gesellschaftsrechtliche gehen bei ihren Interessekonzeptionen nicht von dem natürlichen Interesse des Gesellschafters aus, sondern von einem phänotypischen Interesse des Gesellschafters an erwerbswirtschaftlichen Aspekten auf Verbandsebene. Das „Interesse der Gesellschaft“ im strafrechtlichen Sinne kann daher nicht unbesehen mit dem Gesellschaftsinteresse gleichgesetzt werden. Dennoch stellt das monistische Element eine deutliche Gemeinsamkeit dar. strafrechtliches Interesse der Gesellschaft ≠ Gesellschaftsinteresse strafrechtliches Interesse der Gesellschaft

Gesellschaftsinteresse

monistisches Element

Das Gesellschaftsinteresse wurde so mehr und mehr von den Gesellschafterinteressen getrennt: Diese repräsentierten nicht mehr das, was als „richtig“ angesehen wurde.59 Während sich das Gesellschafterinteresse mithin weiterentwickelte – insbesondere im Hinblick auf Konzernstrukturen und heute: Diversifikation mit höchster Risikofreudigkeit –, blieb das Gesellschaftsinteresse unverändert. Die jüngere Verwendung des Begriffs des „Gesellschaftsinteresses“ 60 ist zwar durch eine begriffliche Verwebung mit dem „Unternehmensinteresse“ gekennzeichnet; beide werden weniger als positive Verhaltensanforderungen verstanden denn als Verbot, eigennützige oder „gesellschafts-“ bzw. „unternehmensfremde“ Interessen zu verfolgen.61 Dies wurde aber auch schon früher als Element des Gesellschaftsinteresses angesehen62 und ändert an der monistischen Ausrichtung des Gesellschaftsinteresses nichts. 59 Diese Abwendung vom Gesellschafterinteresse verläuft in ähnlichen Bahnen wie die Substitution des ungehemmten Marktgeschehens durch rechtliche Regelungen, vgl. dazu Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 146. 60 Etwa BGHZ 136, 133, 139; 71, 40, 44; 83, 321; 125, 239, 242. 61 So insbesondere auch im ARAG/Garmenbeck-Komplex: OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 1153: „Ein solcher Rechtsmißbrauch [. . .] wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn der Vorstand die Nichtigkeitsklage ohne jede Rücksicht auf die Gesellschaftsinteressen oder sogar in einer gegen die Unternehmensinteressen gerichteten Weise ausschließlich zur Verfolgung eigennütziger Partikularinteressen erhoben hätte“; LG Düsseldorf AG 1994, 330 f.; OLG Düsseldorf AG 1996, 373, 375; ebenfalls eine negative Funktion zugrundelegend Westermann, ZIP 1990, 771, 776. 62 Etwa RGZ 107, 105.

B. Transformation der Begriffe

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III. Verhältnis des strafrechtlichen „Schädigungsverbots“ zum gesellschaftsrechtlichen „Gewinnmaximierungsgebot“ Das strafrechtliche Schädigungsverbot ist – wie bereits diskutiert – die logische Konsequenz der monistischen, rein auf erwerbswirtschaftliche Aspekte abstellenden strafrechtlichen Konzeption. Eben dies gilt auch für das gesellschaftsrechtliche Pendant der Gewinnmaximierung. Beide Anforderungen an den Vorstand zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Vorstand lediglich ein Ermessen bei der Wahl der Mittel, die er zum erwerbswirtschaftlichen Zwecke einsetzen will, einräumen. Ein Ermessen, das den Ausgleich verschiedener Interessen – auch sozialer – zum Inhalt hat, wird nicht gewährt: Bei der Suche nach einem Anknüpfungspunkt im Gesellschaftsrecht fällt auf, dass vorrangig versucht wird, dem Vorstand positive Handlungsanweisungen zu geben: Es stehen sich – an dieser Stelle noch vereinfacht – die rentable und die gewinnmaximierende Unternehmensführung gegenüber.63 Die rentable Unternehmensführung lässt auch die Berücksichtigung von nicht rein ökonomischen Belangen zu.64 Eine gewinnmaximierende Unternehmensführung ist zur Berücksichtigung ausschließlich ökonomisch relevanter Aspekte verpflichtet. Da das „Interesse der Gesellschaft“ auf finanziellen Input ausgerichtet ist, der sonstige Belange lediglich instrumentalisiert, ist das gesellschaftsrechtliche Korrelat die Gewinnmaximierung. Eine Übereinstimmung von gesellschaftsrechtlicher Gewinnmaximierung und strafrechtlichem Schädigungsverbot besteht mithin in der monistischen Ausrichtung als vorrangig erwerbswirtschaftlicher Orientierung, die sich durch Einschränkung des Ermessensspielraums auszeichnet. strafrechtliches Schädigungsverbot

gesellschaftsrechtliche Gewinnmaximierung

monistisches Element (geringerer Ermessensspielraum)

Es soll nicht verkannt werden, dass diese Parallele ausschließlich im Bereich der Vermögensbetreuungspflicht und der Pflichtverletzung gilt. Der Vermögensnachteil muss zwingend davon getrennt ermittelt werden. Entgangener Gewinn kann nur dann relevant werden, wenn er sich zu einer sog. „Exspektanz“, d. h. tatsächliche Anwartschaften, verdichtet hat.65 63 Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 73; Koch, Unternehmensinteresse, S. 199; „Sechser Bericht“, 1968, S. 23, 108. 64 Sie findet sich daher auch vorrangig bei der Untersuchung des „Unternehmensinteresses“, das sich als pluralistische Konzeption versteht. 65 Vgl. dazu MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 185; Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

IV. Verhältnis des strafrechtlichen „Schädigungsverbots“ zur gesellschaftsrechtlichen Maximierung des „Shareholder Value“ Ein „modernes“ Verständnis der gesellschaftsrechtlichen Konzeption der Gewinnmaximierung stellt die Forderung nach Maximierung des „Shareholder Value“ dar. „Shareholder Value“ hat in den letzten beiden Jahrzehnten – auch als „Kampfbegriff“ 66 – große Beachtung und kritischen Widerhall67 gefunden. Vom Gesellschaftsinteresse und von der herkömmlichen Forderung nach einer Gewinnmaximierung unterscheidet sich der Begriff insofern, als der Gesellschafter als „Mensch im Ganzen“ wieder hervortritt: Die Konzeption orientiert sich vorrangig am finanziellen Output für die Aktionäre, mithin vorrangig an der Marktwertmaximierung. Ob diese Marktwertmaximierung ein eigenständiges Unternehmensziel (für den Vorstand, aber auch für den Satzungsgeber) darstellt bzw. darstellen darf, ist umstritten. Es stehen sich die Vertreter einer verbandsrechtlichen Deutung des Aktiengesetzes und die einer kapitalmarktlichen gegenüber. Noch im Jahre 1997 wurde der Orientierung am Shareholder Value-Gedanken das Paradigma des Verbandsgedankens im Aktienrecht entgegengehalten; nunmehr wird bereits von einem Paradigmenwechsel gesprochen, der den Shareholder Value-Gedanken begünstige.68 Das in der Vergangenheit wenig entwickelte Kapitalmarktrecht 69 dürfte dazu beigetragen haben, dass eine Betrachtung des Aktionärs mehr als Teilnehmer des Kapitalmarkts denn als Gesellschafter im überkommenen Sinne 66

Kuhner, ZGR 2004, 244, 258. Dem Shareholder Value-Begriff kann vorgeworfen werden, dass er „weiche“ Faktoren, die nicht in Cash-flow-Größen messbar sind, systematisch übergeht: Implizite Verträge zu Arbeitnehmern (s. o.) werden ignoriert. Kuhner, ZGR 2004, 244, 261 f., drückt dies dahingehend aus, dass die Honorierung wohlerworbener, aber rechtlich nicht abgesicherter Stakeholderansprüche nicht gerade ein „Herzensanliegen“ Shareholder Value-geleiteter Unternehmenspolitik sei. Dies mutet insbesondere deswegen überraschend an, als die Shareholder Value geleitete Vorgehensweise ihre Legitimation auch aus „impliziten“ Verträgen, allerdings aus denen der Anteilseigner, abzuleiten sucht. Hinzu kommt der Vorwurf, Shareholder Value würde ein Wirtschaften in kurzen Zeitabschnitten begünstigen. Aufgrund der Anlehnung an Börsenkurse, die kurzfristige Erfolgsergebnisse (z. B. Quartalsberichte) überbewerteten, reagiere auch die Shareholder Value-begründete Taktik kurzsichtig. Das Leitbild der Shareholder Value-Betrachtung ist ein diversifizierter Aktionär eines börsennotierten Unternehmens, der nur dann zufrieden gestellt wird, wenn die Rendite seiner Kapitalanlage mindestens die Durchschnittsrendite für risikolose Kapitalanlagen (z. B. Staatsanleihen) plus „Risikozulage“ erreicht. Daraus folgt i. Ü. auch die – zumindest auf den ersten Blick – paradoxe Erkenntnis, dass auch schwarze Zahlen kein Garant für Wertschöpfung sind; mit dem Begriff des „Cash-flow“ argumentierte übrigens auch ein Teil der Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 112. 68 Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 424. 69 Nach Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 69 f., liegt dies an den Einzelforschungen im Gesellschaftsrecht, die sich überwiegend auf bestimmte Gesellschaftsformen beschränken. 67

B. Transformation der Begriffe

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schwer fiel. Dies dürfte sich durch die beschleunigte Entwicklung des Kapitalmarktrechts70 ändern und einen neuen Blickwinkel zulassen. Indes darf nicht übersehen werden, dass der Gedanke so neu nicht ist: Eine in gewisser Weise ähnliche Diskussion gab es bereits im Hinblick auf den Inhalt des Gesellschaftszwecks: Auch hier sah sich die herrschende Meinung, die nur das Erzielen von Gewinn als erfasst ansah, einer Ansicht gegenüber, die auch das Austeilen des Gewinnes im Gesellschaftszweck enthalten sehen wollte.71

Ob man das Shareholder Value-Konzept als ein monistisches Konzept im hiesigen Verständnis deuten kann, lässt sich anhand eines Vergleichs mit der Gewinnmaximierung untersuchen.72 Insofern bestehen einige Unterschiede: Die Gewinnmaximierung fordert die Mehrung des Gesellschaftsvermögens (es werden Ergebnisgrößen der Rechnungslegung verwendet), während die Marktwertmaximierung eine höchstmögliche Bewertung der Gesellschaft durch die Anleger am Kapitalmarkt anstrebt, insbesondere die Erhöhung des Börsenkurses. Der Börsenkurs bewertet jedoch – und dies tritt zu den sonstigen Bedenken gegenüber irrationalen Beeinflussungen des Aktienkurses hinzu – die Aktie als werthaltiges Mitgliedschaftsrecht und nicht als Anteil am Unternehmenswert.73 Der Aktienkurs für das Unternehmen entfaltet selbst zwar keine unmittelbare Wirkung; sofern der Wert der Aktie fällt, ist es für das Unternehmen jedoch schwieriger, mittels Kapitalerhöhung finanzielle Mittel zu gewinnen. Hinzu kommt die erhöhte Gefahr einer Beherrschung durch einen Dritten.74

Die verbandsrechtliche Konzeption stellt die Gesellschaft bzw. das Unternehmen in den Mittelpunkt, Aktionäre profitieren nur mittelbar. Dem entspricht es, dass im Gesellschaftsrecht – insofern dem Strafrecht ähnlich – ein Auftrags- oder auftragsähnliches Verhältnis zwischen Vorstand und Aktionären nicht besteht; die organschaftlichen Pflichten des Vorstands beziehen sich einzig auf die Gesellschaft.75 Hingegen wird beim Shareholder Value-Gedanken der verbandsrechtliche Bezug insbesondere dadurch gelockert, dass die Gesellschaft als „rechtliches Konstrukt“ nur noch neben dem Aktionär steht und nicht mehr „vor“ diesem – dies spiegelt sich insbesondere in der Theorie des Vertragsnetzwerkes (sog. „nexus of con-

70 Vgl. zu den aktuellen Entwicklungen des Kapitalmarktrechts Weber, NJW 2009, 33 ff. 71 Vgl. dazu Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 28 f. 72 Dazu Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 427 ff. 73 Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 429; Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326, 329. 74 Vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 29. 75 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 10; KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 31, § 93 Rn. 57; MüKoSpindler, AktG, § 76 Rn. 23, § 93 Rn. 95; Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rn. 10; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 51; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rn. 48, § 9 Rn. 5 f.; Fleischer, AG 2003, 291 f.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

tracts“) zwischen Vorstand und Aktionären,76 aber wohl auch in der ebenfalls meist auf das Verhältnis Vorstand-Aktionär abstellenden Prinzipal-Agent-Theorie wider. Im US-amerikanischen Shareholder Value-Konzept haben die „directors“ und „officers“ eine Treuepflicht („fiduciary duty“) gegenüber der Corporation und den Aktionären und sind sowohl der Gesellschaft als auch den Aktionären unmittelbar persönlich haftbar.77 Das „board of directors“ wird direkt von den Aktionären gewählt, die „officers“ entweder auf eben diesem Weg oder vom „board of directors“ 78 – die Legitimation nimmt ihren Anfang in jedem Fall bei den Aktionären. Kapitalmarktlich steht – ganz im Lichte der Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften, die von nutzenmaximierenden Individuen ausgehen – der Aktionär im Vordergrund,79 und zwar der diversifizierte. Für diesen ist ausschließlich das systematische Risiko von Interesse,80 er verhält sich risikofreudig. Verbandsrechtlich hat sich die Gesellschaft hingegen sowohl mit dem systematischen als auch mit dem unsystematischen Risiko auseinanderzusetzen. Gewinnmaximierung und Shareholder Value-Konzept differieren mithin in einigen Punkten.81 Die entscheidende Frage lautet nun, inwieweit sich dies auf die vorliegende Untersuchung auswirkt. Sowohl Gewinnmaximierung als auch Shareholder Value lassen sich von erwerbswirtschaftlichen Aspekten leiten.82 Dies gilt auch für die gemäßigte Variante des Shareholder Value-Gedankens, den „enlightened Shareholder ValueAnsatz“: Danach werden die Interessen anderer „Stakeholder“ 83 in einer Weise 76 Vgl. Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 7; Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 432; Bitter, WM 2001, 2133, 2139. 77 Vgl. dazu Martin, NZG 2003, 948 f., 951; Gottlieb v. McKee, 107 A.2d 240 (Ch Ct 1954); Bodell v. General Gas & Electric Corp., 132 A 442 (1926); Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (1985). 78 Vgl. dazu Martin, NZG 2003, 948 f. 79 Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 431. 80 Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn sich Frage der Dividendenausschüttung oder Thesaurierung stellt. Eine Dividendenausschüttung kommt nur bei „überschüssigem“ Kapital in Frage. Wann Kapital überschüssig ist, es der Gesellschaft also an einem Investitionsvorhaben mit positivem Wert fehlt, berechnet sich jedoch auf unterschiedliche Weise: Bei einem verbandsrechtlichen Ansatz muss der Wert der Investition lediglich im positiven Bereich liegen, beim Shareholder Value-Ansatz hingegen über den sog. „Eigenkapitalkosten“. Diese berechnen sich im Zusammenhang mit dem Portfolio und den daraus abgeleiteten Renditeerwartungen der Aktionäre, vgl. Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 431. 81 So insbesondere Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 432. 82 Ebenso MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 76, nach dem Shareholder Value „letztlich“ Vorrang der Interessen der Aktionäre bedeute. 83 Dies ist in gewisser Weise der Gegenbegriff zu „Shareholder“ und umfasst insbesondere auch Arbeitnehmer, Gläubiger, Lieferanten usw. Eine besondere Verbreitung erhält der Begriff im Rahmen der Diskussion um eine Corporate Governance. Man könnte den Ansatz daher auch mit Brink, Ethisches Management, S. 53, 74, „strategisches Stakeholder-Management“ nennen.

B. Transformation der Begriffe

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integriert, dass das Unternehmen dem Wettbewerb standhält;84 der Unternehmensbetrieb bleibt aber eine „Veranstaltung der Aktionäre“ 85. Die bloße „ZweckMittel-Funktion“ der Stakeholder wird auf diese Weise häufig verschleiert,86 sodass der trügerische Eindruck entsteht, der Vorstand handle bei Verfolgung von Wettbewerbsvorteilen (beispielsweise niedrigerem Lohnniveau und Entlassungen) gleichfalls im Interesse der (sonstigen) Arbeitnehmer.87 Tatsächlich handelt es sich beim „enlightened Shareholder Value-Ansatz“ allein um die Integration der Erkenntnis, dass die Beachtung der Stakeholder-Interessen auch den Shareholder Value begünstigt und damit um einen rein pragmatischen und monistischen Begründungsansatz.88 Die monistische Ausrichtung wird besonders deutlich, wenn Ossadnik formuliert: „Eine gleichrangige Behandlung mehrerer Ziele würde überdies verunmöglichen, das Unternehmen nach dem Oberziel ,Shareholder Value‘ zu führen.“ 89

Hinzu kommt, dass, ebenso wie beim strafrechtlichen Schädigungsverbot und dem gesellschaftsrechtlichen Gewinnmaximierungsgebot, dem Vorstand ein Ermessen, das Ausdruck eines Interessenausgleichs sein könnte, nicht zugebilligt wird. Teilweise wird auch der Shareholder Value-Gedanke schlicht als Aufwertung der Aktionärsinteressen verstanden, ohne die Verbandsebene bzw. Binnenperspektive zu verlassen.90 gesellschaftsrechtlicher Shareholder Value

gesellschaftsrechtliche Gewinnmaximierung

monistisch

strafrechtliches Schädigungsverbot

monistisch

84 Auch Zöllner, AG 2003, 2, 8 f., will zwar dem Gesellschaftsinteresse gewisse Interessen der Belegschaft inkorporieren. Indem er dies aber nur in den Grenzen des Gesellschaftsinteresses zulässt, ist er ganz auf der Linie des „enlightened Shareholder Value-Ansatzes“; ebenso Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rn. 12, der aber von einem „moderaten Shareholder Value-Konzept“ spricht. 85 Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rn. 12. 86 So wird beispielsweise durch Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 289, konstatiert: „Bei näherem Hinsehen besteht der oft beschworene Gegensatz zwischen Eigentümern und anderen Stakeholdern, wie Arbeitnehmern und Gläubigern, aber langfristig nicht, wenn er auch im Einzelfall aufbrechen kann“. 87 Vgl. Windbichler, AG 2004, 190. 88 Diesen bringt beispielsweise v. Werder, ZGR 1998, 69, 75, zum Ausdruck: „Der Arbeitnehmer, der mit 50 Jahren seinen Arbeitsplatz verliert und in Folge mit den Raten für sein Eigenheim in Verzug gerät, wird sich nach Lage seiner mutmaßlichen individuellen Präferenzen kaum damit trösten können, dass die Unternehmung an Wettbewerbskraft gewonnen hat.“ 89 Ossadnik FS Matschke, 2008, S. 301, 313. 90 Etwa Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

V. Verhältnis der strafrechtlichen „Existenzgefährdung“ zur gesellschaftsrechtlichen „Bestands- bzw. Existenzvernichtung“ Im Gesellschaftsrecht ist die Rede vom „Bestands-“ bzw. „Existenzvernichtungsverbot“.91 Beide Begriffe lassen sich mit dem „Existenzgefährdungsverbot“ von ihrem Bedeutungskern her – Existenz und Bestand sind insofern synonym – in Einklang bringen. Ein Unterschied besteht lediglich im Maß der Verletzung: Während sich das Verbot im Gesellschaftsrecht meist auf die Vernichtung bezieht, soll im Strafrecht bereits die (konkrete) Gefährdung ausreichen.92 Diese Unterscheidung ist bei genauem Hinsehen eine rein terminologische. Sie wirkt sich praktisch kaum je aus, weil es zu einem Strafverfahren wegen Untreue regelmäßig nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Unternehmens kommt.93 Darüber hinaus herrscht im Strafrecht bei wirtschaftlichen Zusammenhängen keine Einigkeit darüber, wo die Grenze zwischen Gefährdung und Verletzung zu ziehen ist, da Gefahren durch mathematische Genauigkeiten in quantitative Verletzungen überführt werden94. Hinzu kommt, dass auch im Gesellschaftsrecht teilweise auch von Existenz- bzw. Bestandsgefährdung gesprochen wird.95 Für beide Arten der Pflichtverletzung wird jedenfalls ein Anknüpfungspunkt für ein Bestandsinteresse der Gesellschaft benötigt. strafrechtliches Existenzgefährdungsverbot gesellschaftsrechtliches Existenzvernichtungsverbot

Bestandsgedanke zugunsten wirtschaftlicher Belange

zugunsten der Gesellschafter

monistische Ausprägung

91

Vgl. dazu unten, Kapitel 2 C. III. 2. a). Etwa BGHSt 49, 147, 159 f. 93 Vgl. Schnauder/Müller-Christmann, JuS 1998, 1080 f. 94 Vgl. dazu unten, Kapitel 5 A. V. 95 So beziehen sich BGHZ 119, 257; 122, 333, im Falle der Einverständnisgrenzen auch auf eine Bestandsgefährdung; nach Decher, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 25, 37, stehen den Fällen der Existenzvernichtung die der Bestandsgefährdung gleich, die wenigstens mittelfristig zwangsläufig in die Existenzvernichtung führen; Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 88, 110 f., spricht zunächst von Gefährdung, relativiert jedoch später: „[. . .] existenzgefährdenden oder richtiger existenzvernichtenden Eingriff“; auch bei Mülbert, DStR 2001, 1937, 1939, ist die Rede von einem existenzbedrohenden Eingriff; Roth, NZG 2003, 1081 ff., spricht durchgängig von Existenzgefährdung; a. A. Weller, DStR 2007, 116, 119, der ganz ausdrücklich nur eine Existenzvernichtung ausreichen lässt. 92

C. Monistische Ausrichtung der §§ 76, 93 AktG?

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Ein Unterschied herrscht dann freilich bei den Anforderungen an den subjektiven Tatbestand: Wird strafrechtlich tatsächlich eine Bestandsgefährdung als ausreichend angesehen, so reicht es bislang aus, wenn der Täter diese billigend in Kauf nimmt.96

Hier sei auf die Problematik der monistischen Ausrichtung des Bestandes bereits hingewiesen: Die Wahrung des Bestandes lässt sich nur schwer in die Kategorien von monistisch und pluralistisch einordnen, ist mithin kein originär monistisches oder pluralistisches Interesse.97 Vielmehr lässt sich plausibel machen, dass weitere Gruppen ein Interesse am Bestand haben.98 Ausdruck eines monistischen Interesses ist die Bestandswahrung aber eindeutig dann, wenn sie ausschließlich „Mittel zum (wirtschaftlichen) Zweck“ ist. Sollte sich herausstellen, dass der Vorstand gesellschaftsrechtlich den Bestand nicht nur als Mittel zum Zweck des finanziellen Inputs sichern soll, sondern dabei auch andere, nicht notwendigerweise wirtschaftliche, Größen mit einfließen lassen darf, so ist dies zumindest ein Indiz dafür, dass das zu beachtende Interesse über das der Gesellschaft hinauswächst. Nachdem zu den strafrechtlichen Begrifflichkeiten jeweils das gesellschaftsrechtliche Pendant gefunden wurde, soll nunmehr die gesellschaftsrechtliche Umwelt der strafrechtlichen Untreuekonzeption vor dem Hintergrund untersucht werden, ob sie zu einer Legitimation taugt.

C. Monistische Ausrichtung der §§ 76, 93 AktG? Da es vorliegend um die Pflichtenstellung des Vorstands geht, sollen als Ausgangspunkt die Verhaltensanforderungen gewählt werden, die durch die §§ 76, 93 AktG an ihn gestellt werden. Dies dürfte auch insofern zweckmäßig sein, als aus diesen Vorschriften die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit als weitere Indizien für eine „Vermögensbetreuungspflicht“ gezogen werden.99 Es soll zunächst erörtert werden, welche Verpflichtungen dem Vorstand gesellschaftsrechtlich auferlegt werden.100 Dies leitet unmittelbar zu den verschiedenen Auffassungen zur Pflichtenstellung des Vorstands über. 96 Im Anschluss an die sog. „Kanther-Entscheidung“ des BGH (BGHSt 51, 100) stellt sich die Frage, ob der Täter dann auch den endgültigen Eintritt der Existenzvernichtung in seinen Vorsatz aufgenommen haben muss. 97 Häufig wird der „Bestand“ als kleinster gemeinsamer Nenner aller Interessengruppen bezeichnet, die an der Unternehmung beteiligt sind. 98 Vgl. dazu unten, Kapitel 2 C. III. 2. a). 99 Vgl. Fleischer-Spindler, Handbuch des Vorstandsrechts, § 15 Rn. 19; dies werde auch noch durch § 84 Abs. 1 AktG unterstrichen, Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 351. 100 Bei diesem Aspekt geht es um einen Anknüpfungspunkt für die monistische Ausrichtung der Untreuestrafbarkeit des Vorstands, mithin der „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft“.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Auf der einen Seite ist der Blick darauf zu richten, ob die Pflichtenstellung monistisch oder pluralistisch verstanden wird. Hier wird deutlich, dass dieses Element auf die Perspektive des Vorstands abstellt. Da das strafrechtliche Schädigungsverbot ebenso wie das gesellschaftsrechtliche Gewinnmaximierungsgebot logische Konsequenzen der jeweiligen monistischen Konzeption sind, gehen diese weitgehend darin auf. Auf der anderen Seite ist nach einem Anknüpfungspunkt für ein „Bestandsinteresse“ zu suchen. Hier wird in erster Linie die Perspektive der Gesellschaft angesprochen. Die gedankliche Mehrschichtigkeit der Perspektiven wird sich nur schwerlich im Aufbau der Untersuchung aufgreifen lassen. Zweckmäßigerweise ist durchgehend die Perspektive des Vorstands einzunehmen; dies trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Bestandsinteresse nur dann für die strafrechtliche Konzeption bedeutsam werden kann, wenn dem Vorstand die Wahrung dieses Interesses auch gesellschaftsrechtlich auferlegt wird.101 Zudem wird sich herausstellen, dass der „Bestand“ für eine pluralistische Auffassung ein ebenso charakteristisches Element ist wie das Schädigungsverbot bzw. das Gewinnmaximierungsgebot für die monistische. Nach der isolierten Darstellung der §§ 76, 93 AktG soll, sofern sich entgegengesetzte Ansichten herauskristallisieren, eine systematische Auslegung erfolgen. Es ist der Konsistenzanspruch des Rechtssystems zugrunde zu legen. Eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft und Geschäftsführung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters – §§ 76, 93 AktG – Der Pflichtenstandard des Vorstands ist gesetzlich nur lückenhaft geregelt.102 Aus den Vorschriften der §§ 76, 93 AktG lässt sich in einer Gesamtschau zumindest folgern, dass der Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einzuhalten hat, während er die Gesellschaft in eigener Verantwortung leitet.103 Allein aus dem Wortlaut, nach dem der Vorstand die „Gesellschaft“ in eigener Verantwortung zu leiten hat, lässt sich keine monistische Ausrichtung herauslesen: Nach herrschender Meinung ist der Begriff der „Gesellschaft“ inadäquat und muss durch den des „Unternehmens“ ersetzt werden.104 101 Dies gebietet der Gedanke der negativen Zivilrechtsakzessorietät, vgl. oben, Kapitel 2 A. 102 So auch Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 8; Bürkle, BB 2005, 565, 567; Mertens, ZGR 1998, 386 ff. 103 Die Leitung ist nach Hüffer, AktG, § 76 Rn. 7, ein herausgehobener Teil der Geschäftsführung. 104 So Hüffer, AktG, § 76 Rn. 9; KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 6; MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 15; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 5; Nell-Breuning, Haupt-

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Tatsächlich ist die Leitung der „Gesellschaft“ als Verband der Gesellschafter nur schwer vorstellbar; diese Annahme dürfte durch die Neufassung des § 87 Abs. 1 AktG gestützt werden: Die Sätze 2 und 3 bestimmen, dass variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben sollen, um eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu begünstigen.105 Geht man davon aus, dass die Neufassung Ausprägung der Erkenntnis ist, dass anhand der Vergütungsstruktur die „richtigen“ Anreize für das Vorstandshandeln gesetzt werden sollen, so ergibt dies nur Sinn, wenn der Vorstand die Unternehmensentwicklung maßgeblich mitbestimmt. Wie sich diese – auf den ersten Blick nicht ganz widerspruchslosen – Anforderungen an den Geschäftsleiter in sinnvolle Übereinstimmung bringen lassen, wird unterschiedlich beantwortet und hängt von der Bedeutung der Vorschriften jeweils für sich und daneben von ihrer Beziehung zueinander ab, also von der Teleologie der Einzelnorm und dem systematischen Zusammenhang. In der Vergangenheit wurden die Bedeutungsinhalte der §§ 76, 93 AktG isoliert betrachtet. Dies führte zu einem Auseinanderfallen der objektiven Verhaltenspflichten und des Verschuldensmaßstabes (§ 93 AktG) auf der einen Seite und der Leitungszuweisung an den Vorstand (§ 76 AktG) auf der anderen. Dies zog trotz seiner Eigenverantwortlichkeit eine volle gerichtliche Überprüfbarkeit des Handelns des Vorstands nach sich.106 Betrachtet man die §§ 76, 93 AktG hingegen als Einheit, so kann der Verschuldensmaßstab anhand der Leitungsaufgabe konkretisiert werden.107 Die Charakteristik eines „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ wird so aus dem Aktienrecht selbst abgeleitet und kann die gesetzlich verbürgte Eigenverantwortung in sich aufnehmen; dies ist folgerichtig, weil der Vorstand ein „Geschöpf“ des Aktienrechts ist. Nur innerhalb dieses Systems ist er – in einem rechtlichen Sinne – existent. Die Pflichten, aber auch Rechte, die ihm durch das Gesetz eingeräumt werden, müssen in die „Rollenbeschreibung“ des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einfließen. Daraus ergibt sich auch, dass dieser Maßstab nicht statisch, sondern flexibel ist und sich zum einen mit jeder Gesetzesreform – zumindest peripher – verändern kann, zum anderen aber auch dazu taugt, tatsächliche Umstände in rechtlich relevante zu transformieren. So sollen etwa auch die Art und Größe des Unternehmens, die Zahl der Beschäftigten, die referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 48; Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. S. 47, 69; allgemeiner für einen materiellen Unternehmensgehalt auch bei formalem Gesellschaftsbegriff, Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 552. 105 Dieses Verhältnis der Sätze 2 und 3 wird insbesondere durch das Wort „daher“ in S. 3 vermittelt. 106 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 40 ff. 107 Vgl. dazu Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3a; auch nach Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 49, 52, 98, ist eine einheitliche Betrachtung erforderlich und durch das ARAG/ Garmenbeck-Urteil des BGH (BGHZ 135, 244 ff.) bestätigt.

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Konjunkturlage sowie die Zeitverhältnisse Tatsachen sein, die die rechtliche Wertung und damit die Verhaltensmaßstäbe des Vorstands beeinflussen können.108 Der § 93 Abs. 1 AktG beschreibt also sowohl den Verschuldensmaßstab als auch – in Form eines Auffangtatbestandes, auf den alle sonstigen Pflichten und Verletzungen dieser durch den Vorstand zurückgeführt werden können109 – den objektiven Maßstab der Sorgfaltspflichten („Doppelfunktion“)110, wobei beides vor dem Hintergrund zu bestimmen ist, dass der Vorstand die Leitungsfunktion eigenverantwortlich und weisungsfrei111 wahrnimmt. Dieser Entscheidungsfreiraum des Vorstands erfährt jedoch Grenzen. Wo sich diese befinden, ist hoch umstritten.

I. Ermessen und § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (deutsche „Business-Judgement-Rule“) Was einen „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter“ nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG ausmacht, kann entweder aus der gesetzlichen oder – soweit in eine rechtliche Relevanz transformiert – aus der „tatsächlichen“, vorrangig wohl wirtschaftlichen Umwelt hergeleitet werden. Insofern ist § 93 Abs. 1 S. 1 AktG ausfüllungsbedürftig. Neben § 76 AktG, der bereits Bedeutung bei der Auslegung des Merkmals des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ erlangt hat, indem er die Eigenverantwortlichkeit in die Bestimmung des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG inkorporiert hat, sind nunmehr mit dem UMAG durch die Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG n. F. neue Aspekte zur Auslegung entstanden. Dies geschieht in der Weise, dass negativ bestimmt wird, wann eine Pflichtverletzung jedenfalls „nicht vorliegt“ 112. Daraus können Rückschlüsse gezogen werden, wann von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter auszugehen ist. Obwohl das Verhältnis der US-amerikanischen Business-Judgement-Rule zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG113, das der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung zu § 93 Abs. 1 108

MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 24. Vgl. KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 7. 110 Vgl. HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 2; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 20, 158; Schmidt/Lutter-Krieger/Seiler, AktG, § 93 Rn. 5; Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 10; vgl. auch KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 7, nach dem dem Erfordernis des Verschuldens neben dem der objektiven Pflichtwidrigkeit in der Praxis jedoch nur geringe Bedeutung zukomme. Eine eigene Anspruchsgrundlage stellt der Abs. 1 nach herrschender Meinung jedoch nicht dar. 111 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 10 f. Eine Ausnahme besteht lediglich beim Beherrschungsvertrag, § 308 AktG, und im Falle der Hauptgesellschaft gegenüber der eingegliederten Gesellschaft, § 323 AktG. 112 Was mit dieser sprachlichen Wendung dogmatisch gemeint ist, sei hier noch dahingestellt. 113 Nach RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11, ist die Business Judgement Rule sowohl Vorbild als auch Parallele; zur nur teilweisen Deckung des § 93 AktG und der 109

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S. 2 AktG114 und zur US-amerikanischen Business-Judgement-Rule115 umstritten ist, sollen alle Aspekte im Folgenden beleuchtet werden. Dabei ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine monistische oder eine pluralistische Auffassung in das AktG hineinträgt bzw. eine solche – sofern sie bereits im AktG selbst angelegt ist – aufnimmt. 1. ARAG/Garmenbeck Ausgangspunkt der Neuregelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist der facettenreiche ARAG/Garmenbeck-Rechtsstreit. Zum Hintergrund: Eine niederländische Tochter der ARAG AG (die ARAG Finanz B.V.) überwies einen Geldbetrag in Höhe von 55,6 Mio. DM an die Garmenbeck-Gruppe Ende 1989. Der Betrag wurde ungesichert an die GarmenbeckBusiness Judgement Rule Heermann, AG 1998, 201, 206; Henze, NJW 1998, 3309, 3310 f.; Horn, ZIP 1997, 1129 ff.; Ihrig, WM 2004, 2098, 2101; Lutter, ZIP 1995, 441; als deckungsgleich ansehend wohl Brömmelmeyer, WM 2005, 2065; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 826; Leyens, JZ 2007, 1061, 1064; Schäfer, ZIP 2005, 1253 f., der die „Dürre des Fallmaterials“ als Grund für die fehlende Wahrnehmung dieses Grundsatzes ansieht; Schneider, DB 2005, 707; nach Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 298, wurde die Business-Judgement-Rule in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH in den § 93 Abs. 2 AktG hineingelesen; als sehr nahe kommend Böttcher, NZG 2005, 49, 52; gar als „gegenläufig“ wegen formeller Angemessenheitsprüfung einerseits (BusinessJudgement-Rule) und materieller andererseits (§ 93 AktG) ansehend Kinzl, DB 2004, 1653 f.; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 444 ff., 447, weisen darauf hin, dass der Delaware Supreme Court die Ermessensgrenze bei „Irrationalität“ setzt (z. B. Brehm v. Eisner, 746 A.2d 244, 264 (Del.Supr.2000), sich die Rechtsprechung jedoch seit dem Enron-Skandal verschärfte (etwa: The Walt Disney Co. Derivative Ligitation, 825 A2d. 275 ff. (Del.Ch. 2003), zudem treffe die Geschäftsleiter im US-amerikanischen Recht nur dann ein Verschulden, wenn ihnen mindestens grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. 114 Nach BGHZ 175, 365 – UMTS, inhaltsgleich; ebenso wohl Hauschka-Sieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 7; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4a, sieht in der Norm eine Anknüpfung an die Rechtsprechung des BGH; nach MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 35, habe der Gesetzgeber die Rechtsprechung lediglich in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kodifiziert; nach Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1181 f., nicht deckungsgleich, da die Gesetzvorschrift aufgrund der subjektiven Komponente über ARAG/Garmenbeck hinausgeht, eine inhaltliche Prüfung hingegen nicht wie ARAG/Garmenbeck vornimmt; auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 48 f., sieht in der Gesetzesfassung eine Steigerung zur richterrechtlichen Haftungsfreistellung; nach Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 444, werde das Haftungsprivileg durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erweitert, da nur eine „völlig unverantwortliche Fehlbeurteilung“ zur Aufhebung des Privilegs führe, während der BGH lediglich forderte, dass die Grenzen „deutlich überschritten seien“. 115 Nach Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 174, sind die Parallelen des Urteils zur Business-Judgement-Rule „schwerlich zu übersehen“; Henze, NJW 1998, 3309, 3311, sieht „die drei Elemente“ der Business-Judgement-Rule als übernommen an, denen jedoch noch zwei zusätzliche Voraussetzungen – die Risikobereitschaft dürfe nicht überspannt werden und das Handeln dürfe nicht aus anderem Grunde pflichtwidrig sein – hinzugefügt worden seien; ebenso Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1123.

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Gruppe ausgegeben und erfolgte auf alleinige Weisung des Geschäftsführers des ARAG Finanz B.V., der zugleich Finanzvorstand der ARAG AG war. Die Garmenbeck-Gruppe brach zusammen, und das Geld war verloren. Es folgte ein Schadensersatzprozess gegen den Finanzvorstand, der im Ergebnis, gestützt auf die fehlende Bestellung von Sicherheiten trotz höchst risikoreichen Geschäften, erfolgreich war.116 Zudem ist der Finanzvorstand vom LG Aachen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten wegen Untreue verurteilt worden.117 Der Schadensersatzprozess gegen die übrigen Vorstandsmitglieder ging einher mit einem (erfolgreichen) Antrag einer Großaktionärin beim AG Düsseldorf auf Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (auch in diesem Punkt hatte sich der Vorstand geweigert) u. a. zum Zwecke der Beschlussfassung über die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche. Der Aufsichtsrat hatte sich zunächst geweigert, die Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Das Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsverfahren bezüglich des gefassten Beschlusses zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche, das daraufhin durch den Vorstand angestrengt wurde, war letztlich erfolglos.118 Die Schadensersatzklage hat das LG Düsseldorf abgewiesen.119 Die initiierende Großaktionärin war die Fida GmbH, die sich mit der AFI GmbH jeweils paritätisch den Aktienbesitz der ARAG AG teilte. Die AFI konnte nicht auf einen Gesellschafterbeschluss hinwirken, mit dem der Vorstand verpflichtet werden sollte, eine Hauptversammlung einzuberufen, da der ablehnende Beschluss durch die Aktionäre der AFI – anders als noch vom LG Düsseldorf120 – vom OLG Düsseldorf 121 als wirksam erachtet worden ist. Interessant ist dabei die jeweilige Begründung, die eine starke Parallele zu den „eigentlichen“ ARAG/Garmenbeck-Urteilen, die im Anschluss behandelt werden sollen, aufweist: Das LG Düsseldorf ist von einer Verpflichtung der Gesellschafter ausgegangen, aufgrund ihrer Treuepflicht auf einen Schadensersatz durch entsprechende Anweisung des Geschäftsführers hinzuwirken. Das Ermessen der Gesellschafter sei bei einer derartigen Geschäftsführungsmaßnahme allein am Gesellschaftsinteresse zu orientieren. Bei immensen Schäden und einer „auf der Hand liegenden“ Erfolgsaussicht des Schadensersatzanspruchs, wie den in Rede stehenden, werde das Ermessen auf Null reduziert, da die Wiederherstellung der finanziellen Lage der Gesellschaft ihrem typischen Interesse entspreche und anderweitige Aspekte nur 116 LG Düsseldorf – 33 O 204/93 – nicht veröffentlicht, vgl. dazu Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1118; OLG Düsseldorf AG 1997, 231. 117 LG Aachen – 86 Kls 31 Js 1420/90 – nicht veröffentlicht, vgl. dazu Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1119. 118 LG Düsseldorf – 10 O 66/95 – nicht veröffentlicht, vgl. dazu Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1120 f.; OLG Düsseldorf ZIP 1997, 1153; BGH II ZR 135/97 – Nichtannahmebeschluss – nicht veröffentlicht, vgl. dazu Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1120. 119 LG Düsseldorf ZIP 1995, 1985. 120 LG Düsseldorf AG 1994, 330. 121 OLG Düsseldorf AG 1996, 373.

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ganz ausnahmsweise berücksichtigungsfähig seien.122 Demgegenüber hat das OLG Düsseldorf eine breite Spanne des Ermessens der Gesellschafterversammlung angenommen: Selbst wenn eine Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder der ARAG AG eindeutig Erfolg verspräche, so sei dieses Ermessen zumindest im hiesigen Fall nicht auf Null reduziert.123 Schwerpunkt der weiteren Betrachtung soll der sog. „Aufsichtsratsprozess“ sein. Zwar geht es dort in erster Linie um die Pflichtenstellung der Aufsichtsratsmitglieder; dennoch besteht die besondere Bedeutung dieser Entscheidung in den Ausführungen über die Vorstandspflichten. Nachdem der Aufsichtsrat mehrheitlich beschlossen hatte, keine Schadensersatzansprüche gegen den Vorstandsvorsitzenden geltend zu machen, focht die Minderheit im Aufsichtsrat diesen Beschluss an. Das LG Düsseldorf hat zunächst der Klage stattgegeben;124 vor dem OLG Düsseldorf ist die Berufung erfolgreich gewesen.125 In der Revision hat der BGH die Gelegenheit bekommen, grundlegende Fragen zu behandeln.126 In der Entscheidung des LG Düsseldorf fällt auf, dass die Ermessensreduzierung der Aufsichtsratsmitglieder mit rein erwerbswirtschaftlichen Aspekten begründet wird. Die Herstellung der finanziellen Lage der Gesellschaft vor Schädigung sei in der Regel das „primär anzustrebende Ziel“.127 Dass das LG sich auch von der Höhe des Schadens beeinflussen lässt, zeigt sich daran, dass die Gründe gegen die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs als „von absolut untergeordneter Bedeutung“ und „unerhebliche Nebensächlichkeiten“ gegenüber dem „immensen Schaden“ bewertet werden.128 Hier zeigt sich zum einen eine enge gedankliche Verbindung zwischen Regel-Ausnahme-Betrachtung und Ermessensreduzierung,129 zum anderen eine Parallele zur strafrechtlichen Rechtsprechung des BGH, der das Unternehmensinteresse rein erwerbswirtschaftlich interpretiert, auf diese Weise zu einer gebundenen Entscheidung kommt, die einer – voll überprüfbaren – positiven Rechtfertigung bedarf, um nicht pflichtwidrig zu sein.130 Das OLG Düsseldorf hat hingegen eine Ermessensreduzierung auf Null verneint und sie auf Ausnahmefälle beschränkt – etwa bei einer Bestandsgefährdung.131 Es entwickelt eine zweistufige Entlastung der Aufsichtsratsbeschlüsse von einer gerichtlichen Nachprüfbarkeit: Die Erfolgsaussichten der Klage bedürf122 123 124 125 126 127 128 129 130 131

LG Düsseldorf AG 1997, 330 ff. OLG Düsseldorf AG 1996, 373, 376. LG Düsseldorf AG 1994, 328 ff. OLG Düsseldorf AG 1995, 416 ff. BGHZ 135, 244 ff. – ARAG/Garmenbeck. LG Düsseldorf AG 1994, 328, 330. LG Düsseldorf AG 1994, 328, 330. Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 641. s. o., Kapitel 1 A. I. OLG Düsseldorf AG 1995, 416, 420.

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ten einer Einschätzung und daher eines Freiraums, der dem öffentlich-rechtlichen Beurteilungsspielraum ähnlich sei. Auf der zweiten gedanklichen Stufe sei eine Ermessensebene angesiedelt. Diese könne nur darauf überprüft werden, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt worden ist, die Grenzen eingehalten wurden und zweckentsprechend Gebrauch gemacht wurde.132 Der Ermessensspielraum ergebe sich aus der Vielzahl an Aspekten wirtschaftlicher, personeller und sozialer Art.133 Der BGH hat vom OLG Düsseldorf das zweistufige Anforderungsprogramm für den Aufsichtsrat übernommen. Bei der Feststellung des zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestandes sowie der Analyse des Prozessrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung erkennt der Senat eine „Entscheidungsprärogative“ des Aufsichtsrats nicht an. Diese Tätigkeiten seien dem Erkenntnisbereich zuzuordnen.134 Dass der Senat dennoch einen begrenzten Beurteilungsspielraum in Betracht zieht,135 überrascht zunächst. Jedoch lassen sich die beiden Aussagen in Übereinstimmung bringen, wenn man die „Entscheidungsprärogative“ als nur begrenzt gerichtlich nachprüfbar ansieht, den Beurteilungsspielraum hingegen zur kompletten Überprüfung durch das Gericht stellt.136 Dass ein Beurteilungsspielraum notwendig sei, ergebe sich insbesondere aus den Eigenheiten der Anspruchsvoraussetzungen einer Schadensersatzforderung gegen den Vorstand (die so auch mittelbare Bedeutung für die Pflichtenstellung des Aufsichtsrats erlangt): Dem Vorstand müsse bei Leitung der Geschäfte des Unternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar sei.137 Eine Schadensersatzpflicht komme dementsprechend nur in Betracht, wenn „die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes, unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, die Bereit-

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OLG Düsseldorf AG 1995, 416, 419. OLG Düsseldorf AG 1995, 416, 420. 134 Zustimmend HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 12; Schmidt/ Lutter-Krieger/Seiler, AktG, § 93 Rn. 8; Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 86; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256 f.; als „Ermessensentscheidung“ ansehend hingegen Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1184; ebenso wegen des „Prozessrisikos“ Heermann, AG 1998, 201, 203; differenzierend Schneider, DB 2005, 707, 711 f., der der BusinessJudgement-Rule nur Entscheidungen mit wirtschaftlicher Unsicherheit zuordnen will, nicht hingegen solche, die – wie diejenigen im Hinblick auf die Durchsetzung von zivilrechtlichen Forderungen – lediglich rechtlich unsicher sind. 135 BGHZ 135, 244, 254 – ARAG/Garmenbeck. 136 A.A. und für eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle auch des Beurteilungsspielraums wohl Semler FS Ulmer, 2003, S. 627, 629; gegen eine Trennung von Beurteilungsspielraum und Ermessen Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 11. 137 BGHZ 135, 244, 253 – ARAG/Garmenbeck; im Anschluss daran BGHZ 175, 365 – UMTS; BGH DStR 2002, 597 f.; 2005, 933, 935. 133

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schaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muß“ 138. Auf „nächster Stufe“ müsse sich der Aufsichtsrat der Frage stellen, ob der Anspruch verfolgt werden soll.139 Auch hier verneint der Senat (zunächst) pauschal einen unternehmerischen Ermessensspielraum. Dies folgert er aus der Zugehörigkeit dieses Entscheidungsteils zu der rückwärts gerichteten140 Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats.141 Auch diese Aussage wird jedoch im Folgenden teilweise – faktisch und ausdrücklich142 – revidiert. In manchen Fällen dürfe der Aufsichtsrat nach sorgfältiger Ermittlung der Aspekte doch den Schaden ersatzlos hinnehmen. Bedeutung könnten dabei negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas,143 in Ausnahmefällen sogar Schonung des Vorstandsmitglieds wegen sozialer Konsequenzen für diesen oder seine Familie erlangen.144

138 BGHZ 135, 244, 253 f. – ARAG/Garmenbeck; eine Unverantwortlichkeit liegt nach Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 97 ff., zwischen dem Maßstab der Vertretbarkeit und Willkür; kritisch, wenn auch nicht zu dem Ziel, aber zu dem Mittel, um dem Vorstand einen weiten Handlungsspielraum zu ermöglichen und auf die Gefahr einer Haftungshysterie verweisend Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1124; Thümmel, DB 2004, 471, 472, äußert Bedenken, dass auf diese Weise eine inhaltliche Prüfung der Entscheidung vorgenommen werden könnte, mithin das Unternehmerermessen durch das Richterermessen ersetzt werde – dieser inhaltliche Maßstab werde durch den neuen § 93 Abs. 1 S. 2 AktG jedoch nicht übernommen. 139 BGHZ 135, 244, 254 ff. – ARAG/Garmenbeck. 140 Die Unterscheidung zwischen vergangenheitsbezogener und präventiver Kontrolle des Aufsichtsrats hat der BGH bereits im Jahre 1991 vorgenommen – BGHZ 114, 127, 129 f.: „Diese Kontrolle bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik“; vgl. auch BGHZ 124, 111, 128; 126, 340; vgl. zum Ganzen auch v. Werder, ZfB 1997, 901 ff. Fn. 10; vgl. zur Annäherung von Vorstands- und Aufsichtsratspflichten auch Hopt FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 911 ff. 141 BGHZ 135, 244, 254 – ARAG/Garmenbeck; ebenso Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 111; Raiser, NJW 1996, 552, 554; es scheint so, als würde der BGH für eine unternehmerische Entscheidung nicht lediglich Unsicherheit/Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern Zukunftsbezug fordern, vgl. dazu Heermann, AG 1998, 201, 203; auch auf den Zukunftsbezug abstellend die Begründung des UMAG-RefE, S. 18, wenn dort Entscheidungen gefordert werden, „die in ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und Einschätzungen geprägt sind“. 142 BGHZ 135, 244, 256 – ARAG/Garmenbeck: „Nur in diesen engen Grenzen kann dem Aufsichtsrat [. . .] ein Entscheidungsermessen [. . .] zuzubilligen sein“. 143 Dies zieht auch Götz, NJW 1997, 3275, 3277, heran. 144 BGHZ 135, 244, 255 f. – ARAG/Garmenbeck; kritisch zum letzten Kriterium Heermann, AG 1998, 201, 207 f., der personenbezogene Aspekte nicht als zum Wohl des Unternehmens zugehörig ansieht; dazu, dass bei Vorliegen einer D & O-Versicherung eine Inanspruchnahme in aller Regel geboten ist, MüKo-Habersack, AktG, § 111 Rn. 37.

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Während die Strafsenate des BGH einen – behaupteten – Ermessensfreiraum stark reduzieren, sperrt sich der II. Zivilsenat zunächst gegen einen Ermessensspielraum, führt ihn dann aber doch ein.145 Bemerkenswert ist, dass der Senat das Verhalten des Vorstands nur dann einer Haftung zuführen will, sofern das unternehmerische Handeln gewisse Toleranzgrenzen überschreitet. Voraussetzung der Inanspruchnahme des Haftungsfreiraums ist auch, dass das Handeln „ausschließlich am Unternehmenswohl“ orientiert ist. Dieses Erfordernis lässt sich mit dem Satzelement einer „deutlichen“ Überschreitung aus rein logischen Gesichtspunkten nicht in Einklang bringen: Eine „ausschließliche“ Berücksichtigung gewährt keinen Spielraum, eine „mehr oder weniger ausschließliche“ Orientierung am Unternehmenswohl ist unmöglich. Im systematischen Zusammenhang – der Senat möchte einen Spielraum anhand dieser Kriterien beschreiben – ist der Spielraum im Merkmal des „Unternehmenswohls“ anzusiedeln. Das Merkmal der „deutlichen“ Überschreitung passt hingegen nicht.146 Dennoch ist es keineswegs redundant; bei den sonstigen Merkmalen ist eine abgestufte Überschreitung durchaus vorstellbar.147 Um dem Bedeutungsgehalt der Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG – und damit mittelbar der Interpretation der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung – näherzukommen, sollen nun die Grenzen des pflichtgemäßen Vorstandshandelns beleuchtet werden. 2. Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Voraussetzung dafür, dass eine Pflichtverletzung „nicht vorliegt“, mithin ein zumindest insoweit ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG anzunehmen ist, ist eine unternehmerische Entscheidung, die unter Einhaltung des Legalitätsprinzips, des Loyalitätsprinzips, der Informationsund Sachprüfungspflicht und des Irrationalitätstests gutgläubig gefasst wurde.148

145 Dazu auch Götz, NJW 1997, 3275, 3276; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 295 f., sieht es als verfehlt an, die Aussagen des 4. Senats dahingehend auszulegen, sie würden eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Anspruchsverfolgung konstatieren; für eine Verpflichtung hingegen etwa Henze, NJW 1998, 3309, 3311. 146 Es sei denn, man geht von einem Bereich einer „haftungsfreien Pflichtverletzung“ aus; ablehnend Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 85. 147 So soll nach Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 85 f., ein „deutliches“ Überschreiten der Grenzen sorgfältiger Informationsermittlung etwa dann gegeben sein, wenn der Vorstand nicht mehr darauf vertrauen konnte, die unternehmerische Entscheidung auf angemessener Grundlage zu treffen, sondern vielmehr nach der tatsächlichen Informationslage das Treffen einer richtigen Entscheidung „nahezu ausgeschlossen“ erscheine. 148 Paefgen, AG 2004, 245, 251 ff.; Spindler, AG 2006, 677, 679 f.

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a) Unternehmerische Entscheidung und Wohl der Gesellschaft Bereits die Frage, was eine unternehmerische Entscheidung ausmachen soll, wird nicht einheitlich beantwortet: Die Diskussion dreht sich sowohl um den zeitlichen als auch den sachlichen Bezugsrahmen der Entscheidung:149 Auf der einen Seite wird eine „Zukunftsbezogenheit“ als unabdingbare Voraussetzung angesehen;150 sofern eine „Risikohaftigkeit“, ein „Prognosecharakter“ oder „Ungewissheit“ gefordert wird, scheint dies in eine ähnliche Richtung zu gehen.151 Auf der anderen Seite wird die „unternehmerische Entscheidung“ schlicht als Gegenstück zur rechtlich gebundenen Entscheidung,152 als Synonym der Ermessensentscheidung bzw. des Beurteilungsspielraums,153 als Korrelat des unternehmerischen Ermessens154 bzw. „Entscheidung unter Unsicherheit“ 155 angesehen, was 149 Diese Frage vernachlässigend Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1183, „[d]a der Vorstand im Rahmen der Ausübung seiner Leitung im Zweifel stets unternehmerisch tätig wird“. 150 So auch in der Begründung zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG i. d. F. des Entwurfs des UMAG – BT-Drucks. 15/5092, S. 11; vgl. auch BGHZ 135, 244, 255 – ARAG/Garmenbeck, nach dem nur die präventiv-zukunftsgerichtete Kontrolle des Aufsichtsrats, nicht hingegen die vergangenheitsbezogene, einen Ermessensspielraum auslösen soll; für eine Zukunftsbezogenheit wohl auch Semler FS Ulmer, 2003, S. 627 f.; Hauschka, ZRP 2004, 65, 66; Hoor, DStR 2004, 2104 f.; Kindler, ZHR 162 (1998) 101, 111; Kolb, DZWIR 2006, 50, 52; Spindler, AG 2006, 677, 678; Spindler, NZG 2005, 865, 872, der an dieser Stelle aber nicht ausdrücklich von Zukunftsbezug spricht; Thümmel, DB 2004, 471, 472; a. A. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.116 f., 122 f., der auch bei der Kontrolltätigkeit einen Ermessensspielraum einräumen will. 151 So HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 11; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 40; Semler FS Ulmer, 2003, S. 627 f.; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256, 1259; Spindler, AG 2006, 677, 681. 152 RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11, später aber auch auf die Zukunftsbezogenheit rekurrierend; besonders weit insofern Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086: „Eine unternehmerische Entscheidung ist jede Betätigung eines Vorstands im Außenverhältnis, mit welcher er von seiner aus § 76 Abs. 1 AktG folgenden Leitungsmacht Gebrauch macht, um den von der AG verfolgten Unternehmenszweck auszufüllen; wohl auch Torggler, ZfRV 2002, 133, 136, der auch Entscheidungen bei zweifelhafter Rechtslage als Ermessensentscheidung ansieht; eine negative Definition vornehmend Fleischer, ZIP 2004, 685, 690; hingegen auf das Risiko abstellend wiederum Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 830 f.; den prognostischen Einschlag hervorhebend Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 64. 153 Auch der Begriff des Beurteilungsspielraums findet sich in der Begründung zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG i. d. F. des Entwurfs des UMAG – BT-Drucks. 15/5092, S. 11; dem Festmachen an einer „Ermessensentscheidung“ haften Bedenken einer zirkulären Argumentation an, sofern „Ermessen“ als beschränkte gerichtliche Kontrolle verstanden wird; kritisch zur Voraussetzung des Ermessens überhaupt Hauschka, ZRP 2004, 65, 66; Lutter, ZIP 2007, 841, 843; Rose, wistra 2005, 281, 284, spricht von einem Entscheidungsspielraum. 154 Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2066; Ihrig, WM 2004, 2098, 2103. 155 So Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4 f.; Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 94 ff., verweist auf das Unsicherheitsmerkmal, hält aber die Business-Judgement-Rule insgesamt für ungeeignet, das Problem der unternehmerischen Entscheidung zu lösen, da die Normierung „richtigen unternehmerischen Handelns“ aufgrund der Unbeherrschbarkeit

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auch für vergangenheitsbezogene Entscheidungen Raum lässt.156 Ob sich aus den verschiedenen Definitionen sachliche Unterschiede ergeben, kann mit einiger Berechtigung bezweifelt werden, hält man für den Risikobegriff lediglich zwei Handlungsalternativen für erforderlich.157 Ob aber § 93 Abs. 1 S. 2 AktG einer monistischen bzw. pluralistischen Konzeption zuzuordnen ist, hängt eng mit der Bedeutung eines „vernünftigerweise158 Annehmen-Dürfens“, zum „Wohle der Gesellschaft zu handeln“, zusammen: Sofern mit der Wendung die US-amerikanische Forderung nach „any rational purpose“ übernommen werden sollte,159 wird auf diese Weise eine – wenn auch zurückhaltende160 – materielle „Positiv-Prüfung“ festgeschrieben161 (wenn man des Marktes unmöglich sei und die „unternehmerische Entscheidung“ zu viele heterogene Entscheidungssituationen erfasse; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 54; Keßler FS Baumann, 1999, S. 153 f.; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 87 f.; Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2190; Fleischer, ZGR 2001, 1, 24; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 834; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 13; Hüffer, NZG 2007, 47, 48, der sich hier jedoch skeptisch zeigt; Paefgen, AG 2004, 245, 251; Schneider, DB 2005, 707, 709, spricht von wirtschaftlicher Unsicherheit, scheint dies aber mit einem Zukunftsbezug versehen zu wollen. 156 Etwa bei der Bilanzierung, vgl. Spindler, AG 2006, 677, 679; zudem bestehen interdisziplinäre Ansätze zur Definition der unternehmerischen Entscheidung, vgl. Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 6 ff., 23. 157 So etwa Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 165, bei der Definition des Risikogeschäfts; ähnlich Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 228; Hellmann, ZIS 2007, 433 f.; auch Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, sieht Risiko schlicht als Möglichkeit einer Fehlentscheidung; nach Haas, Untreue, S. 106, sind alle wirtschaftlichen Geschäfte mehr oder weniger ein Risikogeschäft. 158 Der ursprüngliche Passus „ohne grobe Fahrlässigkeit“ wurde wegen der dogmatischen Bedenken bezüglich einer Vermischung von Verschulden und Pflichtverletzung durch den Begriff „vernünftigerweise“ ersetzt, vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 42. 159 So würden wohl Brömmelmeyer und Paefgen entscheiden, vgl. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068; Paefgen, AG 2004, 245, 255. 160 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 252 f. hebt hervor, dass der bei Überprüfung der letztendlichen Entscheidung zum Zuge kommende „rational business purpose test“ wesentlich großzügiger ist als der beim Entscheidungsprozess anzuwendende „reasonable belief test“. 161 Vgl. Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 176; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 87, sieht darin eine inhaltliche Ergebniskontrolle; Ihrig, WM 2004, 2098, 2105, weist auf die Gefahr hin, dass der unbestimmte Rechtsbegriff doch wieder zu einer ex-postBeurteilung führen könnte; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087, formuliert, die Entscheidung dürfe nicht „unvernünftig“ gewesen sein, der Vorstand habe vorzutragen, warum die Annahmen in der Entscheidungssituation und die Ableitung des Handlungsweges daraus begründbar seien; derartiges scheint Spindler, AG 2006, 677, 679 f., nicht zur Überprüfung stellen zu wollen, wenn er die gerichtliche Überprüfbarkeit auf die Verfahrenswahl und die Ermittlung der Tatsachen beschränkt; das US-amerikanische Äquivalent liegt entweder im „abuse of discretion“-Test, nach dem die Business-Judgement-Rule nicht zur Anwendung gelangt bei Entscheidungen, die ein ordentlicher Geschäftsmann so nicht vorgenommen hätte (die in Delaware jedoch abgelehnt wird) oder

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diese Voraussetzung nicht als Prüfung der Entscheidung auf eine „fehlende Unvertretbarkeit“ begreift162), für die jedoch anders als im US-amerikanischen Recht die Beweislast beim Vorstand liegt.163 Ähnliches wird erreicht, indem die „Verschwendung von Gesellschaftsvermögen“ als Negativvoraussetzung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verwendet wird,164 sofern dies nicht restriktiv gehandhabt wird. „Handeln zum Wohle der Gesellschaft“ wird einerseits in der langfristigen Ertragsstärkung165 und/oder bedeutungsäquivalent zu dem Begriff des „Unternehmenswohls“ bzw. „Unternehmensinteresses“ 166 gesehen. Dies könnte im Einzelfall auch einen kurzfristigen Verzicht auf Gewinn bzw. die Übernahme von Kosten – immer aus der ex-ante-Sicht – erfordern.167 Andererseits wird darin auch ein Verweis auf die Aktionärsinteressen gesehen.168 Eine Parallelität zum materiellen „Unternehmensinteresse“ 169 wird in der Negativaussage deutlich, die Entscheidung transportiere jedenfalls dann nicht das Wohl der Gesellschaft, wenn sie den Bestand der Gesellschaft gefährde bzw. zu dauernder Unrentabilität führe.170 Nur sehr geringe Aussagekraft wird dem Passus zugebilligt, wenn sich seine Bein der Prüfung der Bösgläubigkeit, die bejaht wird, wenn „the decision is so beyond the bounds of reasonable judgment, that it seems essentially inexplicable on any ground“, vgl. Torggler, ZfRV 2002, 133, 136. 162 So KG AG 2005, 581 f.: „Die getroffene Entscheidung, das Kreditengagement fortzuführen und die weiteren Kredite zu bewilligen, ist danach nicht unvertretbar gewesen“. 163 Vgl. zur Beweislast unten, Kapitel 2 C. I. 3. 164 So vor der Kodifikation Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 845 f.; meist wird neben den Tatbestandsvoraussetzungen dem Vorstand das Verbot auferlegt, Gesellschaftsvermögen zu verschwenden; dies sei zu bejahen, wenn die Ausgaben in keinem vernünftigen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft stünden und sich für die Gesellschaft auch sonst nicht auszahlten (Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 72; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 82) bzw. von den marktüblichen Konditionen erheblich abwichen (MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 60). Ob dies in das Handeln „zum Wohle der Gesellschaft“ hineinzulesen ist, wird nicht deutlich. Die Parallele zu der strafrechtlichen Konzeption bei Unternehmensspenden – auf diese soll das Verschwendungsverbot ausdrücklich anwendbar sein – ist nicht zu übersehen. 165 Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068; Hauschka, ZRP 2004, 65, 66 f., der zusätzlich eine Legalität der Entscheidung fordert, damit diese zum Wohl der Gesellschaft sein könne; Kuthe, BB 2004, 449; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087; Spindler, NZG 2005, 865, 872; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 164. 166 Etwa HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 15; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 45; Schmidt/Lutter-Krieger/Seiler, AktG, § 93 Rn. 13; Fleischer, ZIP 2004, 685, 690; wohl auch Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, S. 842; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257, 1259; Spindler, NZG 2005, 865, 872, stellt heraus, dass der Begriff „Wohl der Gesellschaft“ keinen Abschied vom „Unternehmensinteresse“ darstelle und keine einseitige Orientierung an den Anteilseignerinteressen implementieren solle. 167 Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 56. 168 So Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 230, die dies jedoch im Anschluss relativieren. 169 Vgl. unten, Kapitel 2 C. III. 2. a). 170 Lutter, ZIP 2007, 841, 844.

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deutung darin erschöpfen sollte, Handeln im „eigenen Interesse“ des Geschäftsleiters vom Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auszuschließen.171 Die Frage, die sich unmittelbar anschließt, ist dann freilich die nach der eigenständigen Bedeutung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Die Verbandsebene wird verlassen, wenn auch an dieser Stelle wiederum von einer Nutzenmaximierung der Aktionäre gesprochen wird.172 Es wird zweierlei deutlich. Zum einen: Eine Positivprüfung in Verbindung mit einer Gewinnmaximierung würde zu einer Ermessensreduktion173 dergestalt führen, dass lediglich die Mittelwahl im Ermessen stünde, und das auch nur unter der Prämisse, dass verschiedene Mittel gleich geeignet scheinen, den Gewinn zu maximieren.174 Die Parallele zur strafrechtlichen Konzeption ist unverkennbar. Zum anderen: Zur Bedeutung des „Wohls der Gesellschaft“ wird jegliche Ansicht vertreten, die eine monistische oder pluralistische Konzeption auszeichnen kann; das „Wohl der Gesellschaft“ ist für sich gesehen ein offener Rechtsbegriff, der wiederum auf die rechtliche und ggf. wirtschaftliche Umwelt verweist. Er kann – und dies legt eine zirkuläre Argumentation nahe, die dem Verdikt der logischen Unzulässigkeit unterliegt175 – mit monistischen oder pluralistischen Konzeptionen gefüllt werden. Es schließt sich daher der Versuch an, über den Weg einer dogmatischen Einordnung den Bedeutungsgehalt der Vorschriftzu ergründen. Der Vergleich der einzelnen Ansätze zur dogmatischen Verankerung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wird durch unterschiedliches Vokabular bzw. unterschiedliche Begriffsdeutungen und Begriffsüberschneidungen erschwert. Insgesamt ist die 171 So wohl Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 443 ff.; der „Eigennutz“ erhält im Strafrecht somit eine doppelte Funktion: Zum einen die geschilderte Voraussetzung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, zum anderen die Abgrenzung zum Bankrott nach der Interesseformel des BGH. 172 So denn auch in der enlightened Shareholder Value-Variante: Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2191: „Eine Entscheidung ergeht zum Wohl der Gesellschaft, wenn sie auf die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen mit allen Anspruchsgruppen hinwirkt und darüber hinaus sowohl alle nicht vertraglich untermauerten Erwartungen der anderen Anspruchsgruppen, die für eine Nutzenmaximierung der Anteilseigner notwendig sind, berücksichtigt sowie auch den Nutzen der Anteilseigner durch eine Steigerung des Unternehmenswertes erhöht“. 173 Ähnlich Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 254; zu dieser Gefahr i. Ü. auch DaunerLieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 92 f. 174 Ähnliches wird erreicht, indem bereits dem Begriff der „unternehmerischen Entscheidungen“ als Voraussetzung „Chancen“ für die Gesellschaft implementiert werden: So Semler FS Ulmer, 2003, S. 627 f., 640: „Unternehmerische Entscheidungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Chancen und Risiken begründen [. . .]. Eine Entscheidung, die zwar Risiken beinhaltet, aber keine Chancen eröffnet, darf von einem verantwortungsbewussten Unternehmer nicht getroffen werden [. . .]. Die Aufgabe, das Unternehmen zu leiten, erlaubt ihm nicht, Chancen nicht zu nutzen“. 175 Vgl. dazu etwa Klug, Juristische Logik, 1966, S. 153 ff.; Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 15.

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Diskussion jedoch nicht lediglich ein Ringen um Begrifflichkeiten, sondern von grundlegender Natur, sowohl im Hinblick auf die dogmatische Einordnung als auf den tieferen Grund für die Existenz des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. aa) Rechtsdogmatisch: „Zurückdrängung richterlicher Prüfungskompetenz“, „safe harbour“ oder „Entkoppelung von Sorgfalts- und Prüfungsmaßstäben“ Geht man davon aus, die Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG solle die richterliche Prüfungskompetenz zurückdrängen, so wäre durch die Kodifizierung eine Trennung von Sorgfaltsmaßstab und Prüfungsmaßstab vorgenommen worden.176 Dies führte dazu, dass es den Gerichten verwehrt wäre, festzustellen, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, sofern die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllt sind. Sind sie nicht gegeben, heißt das nach überwiegender Ansicht nicht, dass der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hätte – dies sei erst nach der dann zulässigen vollumfänglichen gerichtlichen Kontrolle zu beurteilen.177 Eine solche Auslegung wäre stark an die US-amerikanische Funktionsweise der Business-Judgement-Rule angelehnt.178 Sofern es sich „nur“ um eine richterliche Prüfungsbegrenzung – und nicht um eine materielle Entscheidung des Gesetzgebers – handelte, ist fraglich, ob diese auch für ein Strafverfahren zu gelten hätte. Aufgrund des Ultima-Ratio-Charakters des Strafrechts wäre dies aber zu bejahen. Die mögliche Kontrolldichte der Gerichte verhält sich analog zur Deutung der Voraussetzungen, dass der Vorstand „vernünftigerweise annehmen durfte, zum 176 Vgl. Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 50; Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 174, bereits bezüglich der Aussagen des BGH in ARAG/Garmenbeck; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 37; Fleischer, ZIP 2004, 685, 689 f.; wohl auch in diese Richtung auch OLG Düsseldorf AG 1996, 373, 375, das bezüglich der Geschäftsleitung durch den Geschäftsführer von einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung ausgeht und auf Zweckmäßigkeitserwägungen der Geschäftsführers verweist; die US-amerikanischen Äquivalente sind „standards of conduct“ und „standards of review“. 177 Lutter FS Canaris, 2007, S. 245, 249; Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2196; Lutter, ZIP 2007, 841, 845; demgegenüber geht Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 38 f., 213, 224, 228 ff., 258, 494 f., 501, im Sinne eines Automatismus bei Verneinung der Voraussetzungen zugleich von einer Pflichtwidrigkeit aus – die Rechtfertigung liege darin, dass nur so die fehlende Überprüfung des Entscheidungsergebnisses kompensiert werden könne. Eine Enthaftung könne lediglich bei Gründen wie fehlender Fehlerkausalität oder Zurechnung angenommen werden; die aber auch nur, wenn es sicher zu demselben Entscheidungstenor und damit auch zu demselben Schaden gekommen wäre. 178 Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 168, spricht von einem „Tatbestandsfilter bezüglich der richterlichen Kontrolle“; Schneider, DB 2005, 707, 710, scheint – in Anlehnung an die US-amerikanische Doktrin – von einem gerichtlich nicht überprüfbaren Freiraum innerhalb des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auszugehen. Er will eine „volle gerichtliche Prüfung“ bzw. eine „volle Justiziabilität“ nur bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen zulassen.

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Wohl der Gesellschaft zu handeln“. Auf diese Weise kann, wie oben bereits erörtert, den Gerichten eine materielle, ggf. sogar „positive“, Prüfung eines verschwindend geringen Ermessensspielraums gestattet werden. Demgegenüber könnte § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bedeuten, dass auf eine inhaltliche Kontrolle komplett verzichtet wird (im US-amerikanischen sog. „judicial self restraint“) und lediglich die Einhaltung des Verfahrens überprüfbar ist („Legitimation durch Verfahren“).179 Sofern die in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG genannten Voraussetzungen vorliegen, könnte die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre weitergehende „Richtigkeit“ bzw. tatsächliche Vereinbarkeit mit dem Gesellschafts- oder Unternehmensinteresse geprüft werden, sondern nur auf ihr Zustandekommen.180 Im US-amerikanischen Recht, an das sich das deutsche in diesem Falle in mancher Hinsicht anlehnen soll, wird eine zweistufige Prüfung vorgenommen: Bei den Verhaltensmaßstäben („standards of conduct“) wird zwischen der „duty of care“ und der „duty of loyalty“ unterschieden.181 Bei der Prüfung des jeweiligen Vorstandshandelns werden stufenweise verschiedene „tests“ vorgenommen, wobei sich von Stufe zu Stufe die Prüfungsdichte des Gerichts erhöht: Am Anfang steht die Business-Judgement-Rule, die einen sog. „safe harbour“, mithin Schutz vor einer inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle, garantiert. Liegen ihre Voraussetzungen182 nicht vor, wird ein „entire/intrinsic fairness test“ angewendet. Dieser Test wird von zwei Prüfungspunkten dominiert, „fair dealing“ und „fair price“ 183. Nachrangig kommt der „fraud/waste/gift test“ zum Zuge, bevor der „disinterested ratification test“ durchgeführt wird. Schlussendlich erfolgt der „just and reasonable test“. Die „duty of care“ kann alle Prüfungsschritte durchlaufen, während im Falle der „duty of loyalty“ sofort und vorrangig der „entire/ intrinsic fairness test“ zur Anwendung gelangt.

179 So insbesondere Spindler, AG 2006, 677, 679 f.; vgl. auch Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2066, 2069; Paefgen, AG 2004, 245, 248; kritisch zu einer gänzlich inhaltslosen Prüfung Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1182. 180 Insofern wird auch von einem „sicheren Hafen“ gesprochen: Vgl. etwa Grundei/ v. Werder, AG 2005, 825, 827; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086 f.; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 163. 181 Vgl. dazu auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 238 ff. 182 Diese sind nach § 4.01 (c) der Principles of Corporate Governance des American Law Institute: „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this section if the director or officer: (1) is not interested in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation“. 183 Hier werden die Marktüblichkeit der Bedingungen und des Preises geprüft, wobei jede Bewertungsmethode angewendet werden darf, die in Finanzkreisen akzeptiert ist, vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 315.

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Ein derartiger „gerichtsfreier“ Raum ist dem deutschen Zivilrecht (bisher) fremd,184 könnte jedoch bei entsprechender Begründung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Platz greifen. (1) Begründung: hindsight biases Der Geschäftsleiter muss nur vernünftigerweise annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über das Merkmal der „Annahme“ wird eine Subjektivierung in das Merkmal hineingetragen185 und anschaulich von einem „Perspektivenwechsel“ gesprochen: Es kommt nicht länger auf den Blickwinkel eines außenstehenden Betrachters an, sondern auf den des Vorstandsmitglieds.186 Eng gekoppelt sowohl mit diesem Umstand als auch mit der dogmatischen Einordnung als „safe harbour“ ist die Deutung der Vorschrift als Reaktion auf die Gefahren der „hindsight biases“ (sog. „Rückschaufehler“), um dem Rückschluss vom Schaden auf ein Fehlverhalten entgegen zu wirken.187 Während für den Unternehmer eine „anstehende“ Entscheidung zu treffen ist, deren Folgen er nicht (komplett) absehen kann, betrachtet der Richter die Geschehnisse aus einer ex-post-Perspektive, aus der der zu diesem Zeitpunkt eingetretene Schaden dominierend auf die Einschätzung des Richters einwirkt. Dies stellt ein typisch menschliches, nicht speziell richterliches Erkenntnisphänomen dar und kann durch Sensibilisierung dieser Tatsache zwar entschärft, aber nicht

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Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 37; Kinzl/Gleiss, AG 2004, R003. Eine Subjektivierung befürwortend insbesondere Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 50. 186 Durch das „vernünftigerweise Annehmen-Dürfen“ wird wiederum eine Objektivierung erreicht, vgl. zum Verhältnis von Objektivierung und Subjektivierung Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 50, Rn. 59; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 43; Kinzl, DB 2004, 1653; Paefgen, AG 2004, 245, 252; Hoor, DStR 2004, 2104, 2107, sieht in dem Begriff „vernünftigerweise“ einen Ersatz für „ohne grobe Fahrlässigkeit“ und die subjektive Komponente, lehnt diese jedoch ab; kritisch zur Deutung als subjektives Element Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; Schütz, NZG 2005, 5, 6, sieht den Schwerpunkt der Objektivierung in dem Begriff „vernünftigerweise“. 187 Vgl. dazu HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 9; MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 29; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 35; Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 84 f.; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 46; Fleischer FS Immenga, 2004, S. 575, 580; Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 832; HauschkaSieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 3; Keßler FS Baumann, 1999, S. 153 f.; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 85 f.; Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 229; Fleischer, ZGR 2001, 1, 24; Fleischer, NZG 2008, 371, 372; Ihrig, WM 2004, 2098, 2099; Schäfer, ZIP 2005, 1253; Schneider, DB 2005, 707, 708 f.; die notwendige ex-ante-Sicht ausdrücklich betonend BGHZ 175, 365 – UMTS; ein anschauliches Beispiel für den Schluss vom Schaden auf eine Pflichtverletzung bringt aber jüngst BGH NZG 2005, 562 f. hervor; aus dem strafrechtlichen Schrifttum insbesondere auch Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 573; hingegen eine ex-post-Beurteilung vornehmend Samson, Non Profit Law Yearbook 2004, S. 233, 243. 185

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beseitigt werden.188 Dies birgt die Gefahr, dass auf diese Weise – unterbewusst – die organschaftliche Verschuldenshaftung faktisch in eine Gefährdungs- bzw. Erfolgshaftung umgedeutet werden kann.189 Soll sich das Gericht also zurückhalten, weil der Vorstand keine hellseherischen Fähigkeiten entwickeln kann und der Markt im Kern nicht beherrschbar ist,190 weil in diesen Fällen von einem negativen Ausgang keine Pflichtverletzung und Haftung abgeleitet werden kann und der sog. „hindsight biases“ der Gerichte vorgebeugt werden soll?191 Für diesen Fall sollte bereits die Definition der unternehmerischen Entscheidung ein Zukunftselement enthalten und nur solche Entscheidungen mit Zukunftsbezug unter den § 93 Abs. 1 S. 2 AktG fallen.192 Den Richtern soll lediglich verwehrt sein, aus einem eingetretenen Schaden die Pflichtverletzung abzuleiten. Einer bewussten ex-ante-Betrachtung als bewährtes Korrektiv der „hindsight biases“ steht nicht die Prüfung entgegen, ob sich zum Zeitpunkt der Entscheidung irgendein rationaler Grund für diese finden ließ. Diese Wertung könnte sich mit dem Passus „vernünftigerweise annehmen durfte, dass“ stützen lassen,193 wobei gerade die Subjektivierung die ex-ante-Betrachtung fordert.194 Allerdings wäre dann kein großer Fortschritt durch den § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu verzeichnen: Dass das Vorstandsmitglied nicht lediglich aufgrund eines Schadens hafte, hat das RG bereits im Jahre 1910 entschieden.195 Der Begründung anhand der „hindsight biases“ ist zumindest als gedankliche Wurzel eine monistische Auffassung zu unterstellen, ansonsten wäre eine gedankliche Verbindung zwischen Schaden und Pflichtverletzung – der gerade vorgebeugt werden soll – erst gar nicht entstanden. (2) Begründung: Der Richter als „fachlicher Laie“ Läge hingegen die Erkenntnis zugrunde, dass ein fachlicher Vorsprung der unternehmerischen Entscheidungsträger vor den Gerichten zu verzeichnen ist,196 so 188 Vgl. Fleischer FS Immenga, 2004, S. 575, 580; Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 832; Fleischer, ZIP 2004, 685 f.; Schäfer, ZIP 2005, 1253; Schneider, DB 2005, 707, 708 f. 189 Vgl. Fleischer FS Immenga, 2004, S. 575, 580. 190 Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 88; Kinzl/Gleiss, AG 2004, R003, spricht von einer nur schwer möglichen ex-post-Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen; ähnliche Erwägungen bei Hoor, DStR 2004, 2104, 2106. 191 Dazu Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 89; Fleischer, NZG 2008, 371, 372; Schäfer, ZIP 2005, 1253; Spindler, AG 2006, 677, 678. 192 So auch Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256, 1259, der so versucht, die Diskrepanz zwischen Verhaltens- und Nachprüfungsstandards zu überbrücken; vgl. auch Schneider, DB 2005, 707, 709, der von der „Unsicherheit des weiteren Geschehensablaufs“ spricht. 193 Vgl. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2069. 194 Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 92. 195 RG NJW 1911, 223.

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müsste man jegliche Entscheidung „unter Unsicherheit“ – die auch vergangenheitsbezogen sein kann, einbeziehen. Gleichzeitig müsste die inhaltliche Kontrolle zurückgedrängt werden. Diese Begründung ist im Hinblick auf eine monistische oder pluralistische Ausrichtung neutral. (3) Begründung: Der Richter als Substitut der Märkte Auch bei einer rechtsökonomischen Begründung müsste eine inhaltliche Prüfung zurückgedrängt werden:197 Sofern Märkte (etwa: „Arbeitsmärkte für Manager“, Kapitalmärkte) für eine Bewertung der „Prognosen“ sorgen würden, habe sich eine richterliche Kontrolle zurückzuhalten,198 um nicht die Risikoaversion der Vorstände weiter zu befördern. In eine ähnliche Richtung geht die Begründung, man müsse der Verrechtlichung von unternehmerischen Entscheidungen aus Prinzip bzw. um potentielle Vorstände nicht abzuschrecken, entgegenwirken.199 Die gerichtliche Kontrolle müsste sich – um der Risikoaversion entgegenzuwirken – auf die Wahl des Verfahrens für die Prognose und die Ermittlung der Tatsachen beschränken.200 Eine inhaltliche Kontrolle dürfte erst bei festgestelltem Marktversagen eingreifen. (Nimmt man die Annahme hinzu, die disziplinierenden Kräfte des Kapitalmarktes und des Unternehmenskontrollmarktes würden zunehmend schwächer,201 so steigt die Bedeutung der richterlichen Tätigkeit.) Die Disziplinierungen sowohl durch den Kapitalmarkt als auch durch den Unternehmenskontrollmarkt werden meist als Instrumente zur Behebung des Prinzipal-Agent-Problems genannt. Dieses besteht grob gesagt darin, dass der Agent

196 Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, weist darauf hin, dass es wohl kaum unterschiedlichere Berufe gibt als die des Richters und des Unternehmers; vgl. auch Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1178; Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 831; Keßler FS Baumann, 1999, S. 153 f.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 46; Böttcher, NZG 2005, 49, 51; Kinzl/Gleiss, AG 2004, R003; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2084, gibt zu bedenken, dass auch ein Heranziehen von Gutachtern auf Grenzen stößt; kritisch im Hinblick auf die Relevanz dieses Umstandes Schäfer, ZIP 2005, 1253. 197 Fleischer, ZGR 2001, 1, 24 f.; Spindler, AG 2006, 677 ff. 198 So auch Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 32; zur Funktion der Regulierung bei Marktversagen auch Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 45. 199 Nach Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 103, ist eine Überregulierung kaum mehr von der Hand zu weisen; vgl. auch Weiss/Buchner, WM 2005, 162. 200 Spindler, AG 2006, 677, 679 f. 201 So Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 30 f. Diese Prämisse wurde jedoch in letzter Zeit zunehmend relativiert: Führt man die begrenzte Wirkung der Kapitalmärkte auf die Beteiligung der Banken zurück, die auch in schwächeren Phasen Fremdkapital zur Verfügung stellten, so ist eine Relation der Sachlage zur Finanzmarktkrise unverkennbar.

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(Vorstand) aus opportunistischen Gründen202 nicht hinreichend den Belangen des Prinzipals (des Anteilseigners) Rechnung trägt, der phänotypisch erwerbswirtschaftlich interessiert ist. Den Vorständen wird einerseits zu große Risikobereitschaft vorgeworfen, da die Anteilseigner und nicht sie das Risiko treffe, andererseits zu große Risikoaversion,203 da sie anders als die diversifizierenden Anteilseigener sowohl systematisches als auch unsystematisches Risiko beachteten. Diese Divergenz sei nicht noch zusätzlich mit strengen Haftungsregeln zu verstärken. Die gerichtliche Kontrolle habe sich aus diesen Gründen auf die Wahl des Verfahrens für die Prognose und Ermittlung der Tatsachen zu beschränken.204 Mit dieser Lesart wäre eine monistische Konzeption nahegelegt, sähe man den § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als Instrument zur Bekämpfung dieser Probleme. Andererseits wird § 93 Abs. 1 S. 2 AktG durch Abschirmung des Vorstands von der Hauptversammlung als Instrument gesehen, das Prinzipal-Agent-Problem zu „verfestigen“: Das althergebrachte Gedankengut des wirtschaftlichen Mechanismus „Einheit von Risiko und Chance“ sei nun für unternehmerisches Handeln explizit in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG niedergelegt und dem Prinzipal zugewiesen worden.205 Der § 93 AktG soll als Instrument der Innenhaftung zwar dem Prinzipal-Agent-Problem vorbeugen, dass die Agenten als nicht unmittelbar Risikotragende nicht die Sorgfalt anwenden, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen, jedoch eben nicht den Grundsatz komplett negieren.206 Der Grundsatz der „Einheit von Herrschaft und Haftung“ ist – billigt man dem Vorstand die Herrschaft im Unternehmen zu – auf diese Weise stark gelockert worden. Die Entfernung des Vorstands von den Anteilseignern könnte mithin auch gegen eine monistische Konzeption angeführt werden. (4) Begründung: Der Richter als Prüfer von Ermessensfehlern § 93 Abs. 1 S. 2 AktG könnte auch als kodifizierter Ermessensspielraum bzw. Beurteilungsspielraum, ähnlich den gleichnamigen Instrumentarien des öffent-

202 Etwa: Erhalt des Arbeitsplatzes, persönliches Auskommen, weiteres Bestehen am Markt, bei baldigem Ausscheiden aus dem Berufsleben kommt die abnehmende Bedeutung monetärer Anreize hinzu, vgl. Langenbucher, DStR 2005, 2083. 203 Dies scheint jedoch uneinheitlich beurteilt zu werden, wenn bei der Begründung der erweiterten Sonderprüfungs- und Klagemöglichkeit der Aktionärsminderheit von einer Eindämmung ausgeprägter Risikofreude des Vorstands die Rede ist, vgl. Langenbucher, DStR 2005, 2083. 204 Spindler, AG 2006, 677, 679 f. 205 Lutter FS Canaris, 2007, S. 245; Lutter, ZIP 2007, 841; vorher bereits Witte/Hrubesch, BB 2004, 725, 727. 206 Kock/Dinkel, NZG 2004, 441.

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lichen Rechts, angesehen werden.207 Teils findet eine sprachliche Anpassung an die verwaltungsrechtliche Ermessenslehre statt.208 Dementsprechend soll sich auch die richterliche Kontrolle auf die Überprüfung von formaler Rechtmäßigkeit (Zuständigkeit, Verfahren, Form) und materieller Rechtmäßigkeit (Ermessensüber- und -unterschreitung, Ermessensmissbrauch: Willkür oder Missbrauch) zurückziehen. Die Ermessensentscheidung wird so gegen eine gerichtliche Überprüfung abgeschirmt,209 denn Wirtschaftlichkeit, Ordnungsmäßigkeit und „Richtigkeit“ der Entscheidung sollen nur ausnahmsweise zu prüfen sein,210 wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.211 Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum weist insbesondere Dreher auf die Problematik der Ermessensreduzierung, die nach seiner Auffassung nur in absoluten Grenzfällen vorliegen könne, hin:212 Eine gerichtliche Überprüfbarkeit stelle, insbesondere sofern richterliche Wertungen an die Stelle derjenigen der zuständigen Gesellschaftsorgane treten, den stärksten Eingriff in die Willensbildungsautonomie der Gesellschaft dar.213 Eine Ermessensreduzierung auf Null werde insbesondere in Fällen angenommen, in denen wesentliche Interessen der Aktiengesellschaft berührt214 bzw. bei Entscheidungen – und hier wird das Ausmaß der Zirkularität erkennbar –, die gegen das Unternehmensinteresse verstoßen würden.215 Eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse und Grundsätze des Verwaltungsrechts wird an der vergleichbaren Ausgangslage festgemacht: Die aktienrechtliche Gliederung der Entscheidungsüberprüfung in Vorstand, Aufsichtsrat und Gericht habe eine Entsprechung in der Ausgangsbehörde, Fachaufsichtsbehörde und Gericht. 207 Vgl. Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 50, der bei einer derartigen Einordnung Abwägungsspielräume zwischen Kosten und Nutzen als erforderlich ansieht. 208 OLG Düsseldorf AG 1995, 416, 419; Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189 ff.; Bürkle, BB 2005, 565, 569 f., verwendet Begriffe wie Entschließungsermessen, Auswahlermessen und Ermessensreduktion auf Null; Heermann, AG 1998, 201, 211; Hüffer, NZG 2007, 47, 53, spricht von „Ermessensschrumpfung“; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 109 ff., 114; von einer Ermessensreduzierung auf Null war insbesondere auch die Holzmüller-Entscheidung, BGHZ 83, 122, geprägt; Semler FS Ulmer, 2003, S. 627, 633 ff., 640, lehnt den Begriff der „Ermessensreduzierung auf Null“ ab; kritisch Raiser, NJW 1996, 552, 553. 209 Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2196. 210 Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 621 f., 630; Fischer, BB 1996, 225, 226, sieht den tieferen Sinn darin, dass § 76 AktG eine Vermutung von Fachkompetenz beinhalte, die nicht durch Gerichte ersetzt werden könne. 211 Eine Parallelität zur strafrechtlichen Rechtsprechung ließe sich nur insoweit feststellen, wenn aus erwerbswirtschaftlichen Aspekten regelmäßig eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden würde. 212 Dreher, ZHR 158 (1994), 614 ff. 213 Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 619, 630, 636. 214 Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 635. 215 Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1177.

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Während im Verwaltungsrecht die Entscheidungsfreiräume auf einer verfassungsrechtlichen Legitimation basieren würden, herrsche im Aktienrecht der Gedanke der verbandsrechtlichen Legitimation:216 Art. 19 Abs. 4 GG zwinge die Verwaltungsgerichte an sich zu einer vollen Überprüfung der Rechtsanwendung durch die Verwaltung; davon könne lediglich der Gesetzgeber eine Ausnahme durch die Instrumente des Einschätzungsbegriffs217 und des Ermessensspielraums machen.218 Im Gesellschaftsrecht sei die nur punktuelle Regelung der Leitungsaufgaben Ausfluss der Verbandsautonomie gemäß Art. 9 Abs. 1 GG, die sowohl das Recht zur Selbstverwaltung als auch die Pflicht zur Selbstkontrolle umfasse.219 Da die Entscheidungen der Leitungsorgane der Aktiengesellschaft durch ein Höchstmaß an Komplexität, Unstrukturiertheit und damit Unsicherheit gekennzeichnet seien, müssten auch im Hinblick auf den Vorwurf einer Pflichtverletzung dementsprechende Grenzen gesetzt werden – dies sei bei der Entscheidung über den Handlungsbedarf (Einschätzungsprärogativen) und das Handlungsprogramm (Ermessen) zu verorten.220 Diese Begründung lässt ein weites Ermessen des Vorstands erwarten, nimmt man das Regel-Ausnahme-Verhältnis ernst. Es soll daher tiefer in das von Lohse entwickelte Gedankengebäude eingedrungen werden: Im Verwaltungsrecht sei das Konzept der „negativen Kontrolle“ entwickelt worden. Der Bestand einer verwaltungsrechtlichen Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht hänge entweder davon ab, ob die einzig richtige Entscheidung getroffen worden sei (Fall der Ermessensreduzierung auf Null) oder ob eine „im Lichte der Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten rechtlich vertretbare und in diesem Sinne rechtlich richtige Entscheidung“ getroffen worden sei (sonstige Fälle).221 Die Parallele insbesondere zu ARAG/Garmenbeck bleibt nicht verbor216 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 53 f.; die Übertragbarkeit der Grundsätze aus dem öffentlichen Recht wird jedoch überwiegend kritisch angesehen: Die Prüfung der Gerichte sei als Verrechtlichung staatlichen Handelns anzusehen. Der Bürger solle staatliches Handeln selbst dort noch gerichtlich überprüfen lassen können, wo dem Staat Handlungsspielräume eingeräumt werden müssen; diese Situation ist nach Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 97 und Hoor, DStR 2004, 2104 ff., in keiner Weise vergleichbar mit unternehmerischem Handeln. Dort herrscht nach Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 14 und Hoor, DStR 2004, 2104 ff., weder ein Über-/Unterordnungsverhältnis, noch sei die Trennung von Exekutive und Judikative betroffen. Hinzu kommt nach MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 46, dass die Verwaltung anders als der Vorstand Grundrechte des Bürgers achten müsse. 217 Anerkannt etwa bei Bewertungen im Beamten-, Schul- und Prüfungsrecht, bei Einschätzungen kollektiver, pluralistisch besetzter Bewertungskommissionen, Prognosen. 218 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 61 f. 219 So Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 70; im Hinblick auf die unternehmerische Freiheit weist etwa Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1174, auch auf Art. 2, 12, 14 GG hin. 220 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 78 ff. 221 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 55.

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gen. Während im ersten Fall die Kompetenz zur Letztentscheidung beim Gericht liegt, verbleibt sie im zweiten Fall bei der Verwaltung. Die Ermessensreduzierung auf Null ermächtigt das Gericht zu einer Positivprüfung der Verwaltungsermächtigung, während es in sonstigen Fällen auf eine Negativkontrolle verwiesen sei.222 Im Gesellschaftsrecht laute die entscheidende Frage in Annäherung an das Verwaltungsrecht daher, ob die Leitungsorgane eine vertretbare Entscheidung getroffen haben. Stehen dabei – durch Auslegung der Befugnisnorm ermittelte – Entscheidungsfreiräume zur Verfügung, komme es darauf an, ob rechtlich relevante Entscheidungsfehler vermieden worden sind.223 Dies sei anhand einer gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre, die an die verwaltungsrechtliche anzulehnen sei, zu systematisieren. Auszugehen sei von einer Trennung zwischen Ergebnisfehlern und Vorgangsfehlern. Nach dem Konzept der negativen Kontrolle müsse mit der rechtlichen Freiheit bei der Wahl des Ergebnisses die Pflicht korrelieren, dieses Ergebnis anhand eines fehlerfreien Vorgangs zu gewinnen. Die gesellschafsrechtlichen Fehler könnten dementsprechend folgendermaßen eingeteilt werden: Grundlegend sind die Entscheidung zwischen Ergebnisfehler und Vorgangsfehler und die Orientierung am Unternehmenswohl.224 Der einzige rein inhaltliche Ergebnisfehler ist die Überschreitung als abstrakter Verhaltensfehler225. Ein inhaltlicher Ergebnisfehler kann ebenso wie ein inhaltlicher Vorgangsfehler226 in der Gestalt des Abwägungsmangels227 und der Zweckverkehrung228 auftreten. Als strukturelle Vorgangsfehler (konkrete Verhaltensfehler) kommen die Abwägungsunschlüssigkeit229 und die Abwägungsmissorganisation230 in Betracht.231 222

Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 56. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 85. 224 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 211. 225 Das Ergebnis der Einschätzung/Ermessensausübung ist von der Rechtsordnung in keiner Fallgestaltung gedeckt. 226 Konkreter Verhaltensfehler: Ergebnisse der Einschätzung/des Ermessens sind im konkreten Fall nicht von der Rechtsordnung gedeckt. 227 Gesichtspunkte sind nicht in einer Weise bewertet, gewichtet oder ausgeglichen worden, die im Lichte der objektiven Umstände, Wertungsgrundsätze bzw. des Rationalitätsgehaltes gerechtfertigt werden kann. 228 Der Zweck der einer konkreten Entscheidung zugrundeliegenden Befugnisnorm wird fehlinterpretiert – Verfolgung eines anderen Zwecks als des Unternehmenswohls; vgl. dazu Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 227 f. 229 Gesichtspunkte sind nicht, nicht vollständig oder nicht ausschließlich gewürdigt oder zwar gewürdigt, aber nicht zutreffend bestimmt. 230 Organisatorische Voraussetzungen der Abwägung sind im Hinblick auf Zusammensetzung, Selbstorganisation oder Instrumentarium nicht gegeben; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 222, weist auf den entscheidenden Zusammenhang zwischen Entscheidungsorganisation und Entscheidungsfundierung/-findung hin. 231 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 216 ff. 223

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Hervorzuheben bleibt bei der Konzeption Lohses: Den Interessengruppen neben den Anteilseignern kommt eine eigenständige Bedeutung zu.232 Lohse legt einen Schwerpunkt auf verfahrensmäßige Ausformungen: Eine Abwägungsunschlüssigkeit sei bei einem Verstoß gegen das Sachgebot bzw. das Fundierungsgebot gegeben. Zur näheren Konkretisierung wird auf die verfügbaren Informationen abgestellt, die durch Unternehmensberichterstattung (die sich von einem finanziellen Bericht zu einer wertorientierten Unternehmensberichterstattung gewandelt hat), externe Prüfung (die statt einer prüfungsrisikoorientierten nunmehr eine geschäftsrisikoorientierte Abschlussprüfung darstellt) und durch das interne Steuerungs- und Überwachungssystem erlangt werden können und daher überwiegend durch Vorstand und Aufsichtsrat auch eingeholt werden müssen.233 Die Einbeziehung von Bezugsgruppen neben den Anteilseignern weist eher auf eine pluralistische als auf eine monistische Konzeption hin; dies gilt auch – wie sich noch deutlicher herausstellen wird234 – für die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Entscheidungsanforderungen. bb) Rechtsdogmatisch: Unwiderlegbare Vermutung objektiv pflichtkonformen Verhaltens, Fiktion oder Tatbestandsausschluss Durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG könnte gestaltend in die rechtliche Wirklichkeit eingegriffen werden, wenn durch die Vorschrift die objektive Sorgfaltspflichtverletzung ausgeschlossen werden würde. Diese Ansicht wird damit begründet, dass 232 Eine Überschreitung einer absoluten Entscheidungsgrenze liege vor bei einer Spende (an einen externen Dritten), die nicht der Imagewerbung diene (insbesondere anonyme Spende) oder die ein von der Hauptversammlung nach § 58 Abs. 3 S. 2 AktG festgelegtes Werbebudget überschreite und deshalb als Gewinnverwendung und nicht als Aufwand zu qualifizieren ist oder die nicht die Beziehung zu Gläubigern, Lieferanten und/oder Kunden verbessert. Die Ermessensgrenze sei überschritten, wenn die Spende zwar der Imagewerbung dient, ein von der Hauptversammlung nach § 58 Abs. 3 S. 2 AktG festgelegtes Werbebudget auch nicht überschreitet und die Beziehungen zu Gläubigern, Lieferanten und/oder Kunden verbessert, aber der Höhe nach mehr als 25% über der verkehrsüblichen Höhe von Spenden an diese Empfängergruppe durch vergleichbare Unternehmen dieser Branche liege. Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung von Ermessensrichtlinien sei gegeben, wenn die Spende nicht als Überschreitung von Entscheidungs- oder Ermessensgrenze anzusehen sei, aber der Höhe nach unangemessen sei, und zwar gemessen an der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens, der Nähe zum Unternehmensgegenstand, der Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung der Beziehungen zu Gläubigern, Lieferanten und/oder Kunden nach Art (Bindung) und Ausmaß (Gewinnsteigerung), vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 301 ff. 233 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 365 f., 407 f., 425 f., 443. 234 Vgl. unten, Kapitel 2 C. III. 2. b).

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es sich nicht lediglich um eine Exkulpation handeln könne, da ansonsten § 84 Abs. 3 S. 2 AktG anwendbar bliebe und der Ermessensfreiraum nicht in gewünschtem Maße geschützt wäre; demgegenüber könne in der Vorschrift auch keine bloße Beweisregel gesehen werden. Vielmehr sei § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine unwiderlegbare Rechtsvermutung: Bei Einhaltung der Erfordernisse der Vorschrift sei die objektive Pflichtverletzung zwingend zu verneinen und eine weitere rechtliche Prüfung sei ebenso wie der Gegenbeweis ausgeschlossen.235 Durchaus könnte die Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch so gedeutet werden, dass eine Pflichtverletzung anhand einer „Legitimation durch Verfahren“ exkludiert wird. Dies könnte durch eine Fiktion erreicht werden, die faktisch einen Tatbestandsausschluss bedeuten würde.236 Für diese Wertung spricht der Wortlaut des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor [. . .]“.237 Ob eine Vermutung oder eine Fiktion vorliegt, hängt davon ab, ob eine hypothetische gerichtliche Prüfung nie zu der Feststellung einer Pflichtverletzung führen könnte oder typischerweise zu dem genannten Ergebnis führte.238 Jedenfalls wird auf diese Art und Weise formell eine weitgehende Unabhängigkeit des Vorstands geschaffen. Anders als bei der bloßen Zurückdrängung der richterlichen Überprüfung bleibt hier (ggf. nur typischerweise) keine Appellfunktion einer Sorgfaltspflichtverletzung. Ob damit auch materiell ein Entscheidungsfreiraum geschaffen wird, ist damit nicht entschieden, sondern hängt weiterhin von einer pluralistisch oder monistisch gefärbten Auslegung des Merkmals „Wohl der Gesellschaft“ ab. Diese Ansicht ist daher notwendig neutral.239

235 HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 9, sprechen schlicht von einer Vermutung; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4c f., weist darauf hin, dass eine bloße Vermutung und keine Fiktion vorliege, weil die Prüfung, fände sie denn statt, typischerweise zu dem genannten Ergebnis führe. 236 Vgl. HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 10; wohl auch Schmidt/ Lutter-Krieger/Seiler, AktG, § 93 Rn. 11; Fleischer, ZIP 2004, 685, 689; wohl auch Kolb, DZWIR 2006, 50 ff., der von einer „Ausklammerung“ der unternehmerischen Entscheidung von der Pflichtverletzung spricht; kritisch zu den Wendungen „Tatbestandsausschluss“ bzw. „Tatbestandseinschränkung“ Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4d, weil § 93 Abs. 1 AktG nur Pflichten umschreibe, ohne selbst Haftungstatbestand zu sein. 237 Darauf weist auch Lutter, ZIP 2007, 841 f., ausdrücklich hin. 238 Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4c f. 239 Dies gilt auch im Hinblick auf die Begründung anhand einer notwendigen Haftungserleichterung: Insbesondere Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 33 ff., weist darauf hin, dass es für Vorstände keine Haftungsprivilegierungen gebe, die denen der Arbeitnehmer (vgl. BAG NJW 1995, 210; BGH DB 1994, 428), der Mitglieder von Personengesellschaften (vgl. § 708 BGB in Verbindung mit § 105 Abs. 2 HGB) und von Beamten (§ 839 BGB) entsprächen. Dieses Ungleichgewicht könnte durch die Einräumung von Ermessen gemildert werden.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

cc) Rechtsdogmatisch: Klarstellung Die Vorschrift könnte die rechtliche Wirklichkeit lediglich gesetzlich abbilden: Bereits vor Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG war ein Ermessensspielraum des Vorstands bei der Frage der Pflichtverletzung240 anerkannt,241 wenn auch nicht immer erkennbar.242 Durch das Urteil des BGH in Sachen ARAG/Garmenbeck243 wurde das deutsche Aktienrecht für Überlegungen im Hinblick auf die US-amerikanische Business-Judgement-Rule geöffnet.244 Diese wurde in die 240

Nicht etwa beim Verschulden; dies begrüßend Hoor, DStR 2004, 2104, 2106. BGHZ 75, 96, 113; 125, 239 – Deutsche Bank; BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck; dies hervorhebend Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 3; Lutter FS Canaris, 2007, S. 245; Diekamm/Leuering, NZG 2004, 249, 251 f.; Ihrig, WM 2004, 2098, 2099 f.; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 103 ff.; Kinzl, DB 2004, 1653; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 443; Lutter, ZIP 2007, 841; Schneider, DB 2005, 707; Schäfer, ZIP 2005, 1253 f.; Spindler, AG 2006, 677, 680; Spindler, NZG 2005, 865, 871; Thümmel, DB 2004, 471; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 165; vgl. auch den Entwurf des 6. aktienrechtlichen Reformgesetzes von 1884, der festlegte, dass „die Mitglieder des Vorstandes für ein mißglücktes oder Schaden bringendes Geschäft mit einstehen, wenn sie nicht den Beweis führen, daß von ihnen die Eingehung und Abwicklung des Geschäfts selbst mit der bezeichneten Sorgfalt erfolgt ist“; vgl. auch Amtl. Begr. zu § 84 AktG 1937, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28, S. 4, die hervorhebt, den Vorständen dürfe nicht „jeder Mut zur Tat genommen werden“. 242 So urteilte der BGH im Jahre 1979 (BGH NJW 1980, 1629 f.) etwa: „Eine Schädigung der Kl. war für den Bekl. [. . .] als mögliche Folge [. . .] vorhersehbar, weil er mit den schwierig gewordenen Verhältnissen des wenig später zum Vergleichsverfahren genötigten Bankhauses [. . .] vertraut war [. . .]. Hieraus ergibt sich der schuldhafte Verstoß gegen seine Pflichten als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Kl.; denn die gesetzliche Pflicht des Aufsichtsrats zur Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 I AktG) und die damit verbundene Verantwortung, fehlerhaftes oder gar gesellschaftsschädigendes Verhalten der Verwaltung abzuwenden, schließt mit Selbstverständlichkeit die Pflicht ein, solche Maßnahmen nicht von sich aus dem Vorstand nahezulegen“ (Hervorhebung nicht im Originaltext). 243 Nach Böttcher, NZG 2005, 49, 51, habe der BGH vorher die Entscheidungen der Unternehmensorgane vollumfänglich geprüft und im ARAG/Garmenbeck-Urteil eine „Wende“ vollzogen. 244 § 4.01 (c) der Principles of Corporate Governance des American Law Institute lautet: „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this section if the director or officer: (1) is not interested in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation“; nach Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 97, stellt das Urteil jedoch keine Rechtsfortbildung dar, sondern konkretisiert lediglich die §§ 93, 166 AktG; Fleischer, NZG 2008, 371, 373, sieht zwischen der ARAG/Garmenbeck-Formel und dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Akzentverschiebung hin zur subjektiven Absicherung des unternehmerischen Freiraums aus Sicht der Vorstandsmitglieder; Semler, AG 2005, 321, 324 f. hält den Verweis auf die US-amerikanische Business-Judgement-Rule für gänzlich überflüssig: „Das amerikanische Recht bringt uns nichts Neues, die Folgerungen aus der Business Judgment Rule sind uralte Erkenntnisse deutscher Rechtsprechung und Rechtswissenschaft“. 241

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„eigene Verantwortung“ des Vorstands hineingelesen und so befähigt, auf den § 93 AktG (als Verhaltenspflicht und Verschuldensmaßstab245) einzuwirken.246 Dementsprechend wäre der dogmatische Anknüpfungspunkt für die Ermessensentscheidung der § 76 AktG.247 Die Annahme einer „Abbildung der Wirklichkeit“ bedeutet gleichzeitig, dass die Vorschrift notwendig deklaratorisch ist.248 Inhaltlich lasse sich § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG hineinlesen, ohne Verwerfungen zu provozieren.249 Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits vor Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine pluralistische Konzeption zugrunde gelegt wurde, die schon per se einen weiteren Ermessensspielraum bewirkt, und das „Unternehmensinteresse“ nunmehr als gleichbedeutend mit „Wohl der Gesellschaft“ angesehen wird.250 Diese Ansicht zeigt deutlich die Offenheit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. (1) Begründung: Gesetzliche Gestaltung der wirtschaftlichen „Wirklichkeit“ Haftungsvorschriften wirken in rechtsökonomischer Hinsicht verhaltenssteuernd und sollen im Aktienrecht auf die Symptome des Auseinanderfallens von Eigentum und Unternehmensleitung (typisches Prinzipal-Agent-Problem) reagieren.251 Es soll sowohl einer zu starken Risikoaversion als auch einer überzogenen 245 Zu dieser Doppelfunktion auch Fleischer, NZG 2008, 371, 372; Semler, AG 2005, 321, 324. 246 Insbesondere Thümmel, DB 2004, 471; zu den Konkretisierungen: Fischer, DStR 2007, 1083, 1084, nennt als Anwendungsvoraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, dass die Entscheidung auf informierter Grundlage, gutgläubig, neutral und nachvollziehbar getroffen worden ist; Horn, ZIP 1997, 1129, 1134 f.: Der so eröffnete Ermessensspielraum werde dann nicht überschritten und das Vorstandsmitglied handelte dementsprechend nicht pflichtwidrig, wenn 1. es sich im Rahmen der Möglichkeiten in ausreichender Weise informiert hat, 2. es sich bei der Entscheidung nicht in einem Interessenkonflikt befindet und 3. es bei der Entscheidung oder Vorgehensweise glaubt und vernünftigerweise glauben kann, dass es im besten Interesse des Unternehmens handelt (oder diesen Punkt positiv gewendet: pflichtwidrig handelt, wenn seine Handlung oder Entscheidung durch keine vernünftige unternehmerische Überlegung gerechtfertigt werden kann); ähnlich Heermann, AG 1998, 201, 205. 247 So auch Torggler, ZfRV 2002, 133, 135. 248 So Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4a; Schmidt/Lutter-Krieger/Seiler, AktG, § 93 Rn. 10; wohl auch Ihrig, WM 2004, 2098, 2102 f., der von „gesetzlicher (klarstellender) Anordnung“ spricht. 249 So Kinzl/Gleiss, AG 2004, R003 f.; auch nach MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 38, handelt es sich bei § 93 Abs. 1 S. 2 AktG lediglich um die gesetzliche Konkretisierung der objektiven Pflichtenstellung des Vorstands. 250 Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4g. 251 Erhellend dazu insbesondere Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 112 ff.; Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827; zur Steuerungsfunktion der

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Risikoneigung der Vorstände vorgebeugt werden. Denn, was im Rahmen der Untreuediskussion unter den Vorzeichen etwa des „Risikogeschäfts“ noch eher wenig beleuchtet ist: Auch risikoaverses Verhalten der Vorstände kann zu wirtschaftlich unsinnigen Ergebnissen führen,252 insbesondere im Hinblick auf Güterallokation und die Interessen der Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger.253 Die deutsche Business-Judgement-Rule sollte zu einer ausgeglichenen Risikoneigung der Vorstände beitragen,254 die auch durch die Erweiterung der Aktionärsklage nach § 148 AktG255 verschoben wurde.256 Betrachtet man die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG n. F. als Gegengewicht zu § 148 AktG, so kann zumindest festgestellt werden, dass eine Emanzipation des Vorstands von den Aktionären/der Hauptversammlung gewollt ist, denn sie soll auch querulantische und sog. „räuberische Aktionäre“ zurückdrängen. Nicht umsonst geht Keßler davon aus, es seien vor allem ökonomische Aspekte „einer markt- und unternehmensbezogenen Effizienzanalyse, welche die stringente Anwendung der ,business judgement rule‘ gebieten“.257 Nur durch einen Ermessensspielraum können Organhaftung Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 37; auch nach RegE UMAG BTDrucks. 15/5092, S. 12, darf Unbesonnenheit und Leichtsinn der Leitungsorgane auf Kosten von Kapitalgebern und Arbeitnehmern kein Vorschub geleistet werden; Ihrig, WM 2004, 2098 f., sieht die Rechtfertigung des Ermessens in dem Umstand, „dass der Prinzipal, würde er selbst zu handeln haben, auch bei bester Anstrengung nicht anders agieren und nicht anders als sein Agent an der Notwendigkeit vorbeikommen würde, Prognosen zu wagen und zwischen einer Vielzahl von Handlungsalternativen wählen zu müssen, die sich im Nachhinein als unternehmerischer Fehlschlag erweisen können“. 252 So Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 56; Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 46; nach Roth, BB 2004, 1066, 1068, haben Anteilseigner und Arbeitnehmer ein Interesse an prosperierenden Gesellschaften, in denen die Unternehmensleiter nicht aus Haftungsgründen von notwendigen Risiken absähen; vgl. auch Schäfer, ZIP 2005, 1253; teils steht jedoch zu befürchten, dass sie über das Ziel hinausschießt, wenn von der „CEO Overconfidence“ die Rede ist, vgl. Fleischer, NZG 2008, 371, 372; kritisch zu einem Einfluss des Haftungsmaßstabes auf das Vorstandsverhalten überhaupt Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 93; Hopt FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 914, unter Bezugnahme auf Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; Fischer, DStR 2007, 1083, 1083 f. 253 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 56; Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 830; Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 229, sprechen von den Aktionärsinteressen widersprechenden und volkswirtschaftlich schädlichen Entscheidungen; vgl. auch Fleischer, ZIP 2004, 685 f.; Paefgen, AG 2004, 245, 247. 254 Zu diesem Aspekt bereits vor Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 21. 255 Diese Vorschrift ist der „Ersatz“ für das frühere Minderheitenrecht nach § 147 Abs. 3 AktG a. F. 256 Hopt FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 914; Keßler FS Baumann, 1999, S. 153 f., 172; kritisch zum Ausgleich des § 148 AktG durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wegen der Voraussetzung der „Unredlichkeit“ Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 50; Peltzer, NZG 2007, 580, geht davon aus, das eigentliche Korrektiv zur Aktionärsklage seien die hohen Voraussetzungen des § 148 Abs. 3 AktG; dazu, dass zu risikoaverses Verhalten nachteilig sein kann, bereits RGZ 13, 43, 46; vgl. auch RegE UMAG BT-Drucks. 15/ 5092, S. 10 f.

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auch Transaktionskosten gemindert werden:258 So könne allein ein weites unternehmerisches Ermessen verhindern, dass der Vorstand zu viel Energie auf Abwehr unberechtigter Schadensersatzklagen aufwenden müsse259 und auf Geschäftschancen reagieren könne.260 Die monistische Ausrichtung ist einerseits – es wird auf Markt- und Unternehmenseffizienz verwiesen – nicht zu übersehen. Andererseits sollen die Aktionäre nur in Grenzen Einfluss nehmen und der Vorstand soll sich emanzipieren können. Darauf, dass auch der § 148 AktG offen ist für unterschiedliche Interpretationen, soll unten zurückgekommen werden.261 (2) Begründung: Ermessensspielraum als notwendiger Ausdruck des Interessenausgleichs Der Aspekt des Interessenausgleichs ist Kern eines materiellen Verständnisses des Unternehmensinteresses. Eine eingehende Erörterung soll erst an späterer Stelle erfolgen.262 Daher seien hier nur diejenigen Punkte aufgezeigt, auf die sich die Vertreter auch verschiedener Ausprägungen des Unternehmensinteresses einigen können sollten. Der Vorstand hat nach einer pluralistischen Konzeption des Unternehmensinteresses diversen Interessen Rechnung zu tragen. Das Ermessen des Vorstands bzw. eine Einschätzungsprärogative wäre dann Ausdruck davon, dass ihm der Ausgleich verschiedenster Interessen aufgegeben ist,263 die in ihrer Vielfältigkeit und ihrem Facettenreichtum viele „richtige“ Entscheidungen zulassen. Aus der Eigenverantwortung des Vorstands kann abgeleitet werden, dass einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer ein gewisser Spielraum zukommt, dass ihm also kein strikter Pflichtenstandard mit Zielvorgaben gemacht werden kann.264 257

Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 167. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 45. 259 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 20. 260 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 23. 261 Vgl. unten, Kapitel 2 D. III. 8. 262 Vgl. unten, Kapitel 2 C. III. 2. 263 Bejahend Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 171; vgl. dazu auch Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 23 ff., der als berechtigte Interessen die der Aktionäre, der Arbeitnehmer, der Gläubiger und der Öffentlichkeit anerkennt; ähnlich Schwerdtfeger, Unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Grundgesetz, S. 91, der die Aufgabe der sozial verpflichteten Unternehmensleitung darin sieht, „neben den Interessen des Unternehmens und der verschiedenen Aktionärsgruppen als soziale Daten auch möglichst alle innerhalb der Belegschaft und der Allgemeinheit relevanten Interessen und Gesichtspunkte in ihre Überlegungen einzubeziehen und dann nach eigener Wertung zu entscheiden, welche Interessen und Gesichtspunkte im konkreten Falle vorgehen sollen“. 264 Vgl. dazu insbesondere auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 38, die jedoch zu bedenken gibt, dass die bloße Eigenverantwortung noch nicht den Schluss auf Entscheidungsfreiräume zulässt, S. 60 f. 258

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Nach dieser Begründung würde nicht lediglich die Wahl der Mittel zur Erreichung eines bestimmten Zwecks (etwa: Gewinnmaximierung) einem Entscheidungsspielraum unterliegen, sondern die Definition des „Zwecks“ selbst. Es handelt sich mithin um eine pluralistisch gefärbte Begründung für den § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. dd) Zwischenergebnis Die dogmatischen Verortungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und die Begründungen weisen keine eindeutig pluralistische bzw. monistische Ausrichtung auf. Vielmehr ist zu beobachten, dass sowohl die „unternehmerische Entscheidung“ und – in noch höherem Maße – das „Wohl der Gesellschaft“ Einfallstore für die jeweils präferierte Konzeption sind. Es sollen nunmehr die „Grenzen“ des Anwendungsbereichs des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf eindeutigere Anknüpfungspunkte hin untersucht werden. b) Legalitätsprinzip Der Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG soll nach fast einhelliger Ansicht nicht eröffnet sein bei illegalen, gegen Gesetz, Satzung, Beschluss oder Vertrag verstoßenden (auch „nützlichen“) Entscheidungen;265 die Einhaltung von 265 BGH NJW-RR 2004, 900 f. (anders jedoch bei Verstoß gegen ausländische Rechtsordnungen: BGHZ 94, 268, 272); BGH NJW 2011, 88, 92; BR-Drucks. 3/05, S. 3; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4 f.; Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 845; Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 4; Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2191; Diekamm/Leuering, NZG 2004, 249, 252; Fischer, DStR 2007, 1083, 1086; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 443; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2085; Lehleiter/Hoppe, BKR 2007, 178, 181; Paefgen, AG 2004, 245, 251 f., der dies „Legalitätsprinzip“ nennt; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256; einschränkend: trotz Verstoßes gegen Satzung keine Pflichtverletzung annehmend: LG Köln NJW-RR 2000, 1056; HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 7 f., nehmen die Vertragspflichten aus der Legalitätspflicht aus; Spindler/StilzFleischer, AktG, § 93 Rn. 14, 30, der darauf hinweist, dass den Vorstand im Innenverhältnis nicht die Pflicht trifft, Vertragspflichten der Gesellschaft im Außenverhältnis nachzukommen; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 44, 73 ff., der Vertragsverletzungen für zulässig hält, wenn die Gesellschaft lediglich durch einen Schadensersatz aus vertraglichen Gründen belastet werden könnte; Hauschka-Sieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 20 ff.: Auch in Bezug auf die Gesetzes- und Satzungstreue sowie beim Verstoß gegen behördliche Vorgaben sei ein unternehmerischer Ermessensspielraum gegeben – lediglich bei Verletzung von Normen, die unmittelbar das Gesellschaftsvermögen schützten, liege grundsätzlich eine Pflichtverletzung vor; keine Pflichtverletzung annehmend bei Verstößen gegen Verträge, die für die Gesellschaft ungünstig sind, Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 132; Fleischer, ZIP 2005, 141, 148 ff., der jedoch bei der Gesellschaft „nützlichen“ Pflichtverletzungen als Ausnahmen eine unklare Rechtslage, Vertragsverletzungen oder das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen anerkennt; Torggler, ZfRV 2002, 133, 135 f., der an der Absolutheit dieses Grundsatzes zweifelt; damit korreliert die Ansicht, dass auch ein rechtswidriges Verhalten im Außenverhältnis eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis bedeutet; kritisch zur Ableitung der Pflichtverletzung aus dem der Gesellschaft drohenden Schaden wegen der externen Pflichtver-

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Gesetzesbestimmungen wird so vor die Klammer des Vorstandsermessens und damit auch vor Gesellschafts- oder Unternehmensinteressenserwägungen gezogen.266 Eine der US-amerikanischenvergleichbare „Law-as-Price“-Theorie, die das Geschäftsleiterermessen auch auf Gesetzesverstöße beziehen und Sanktionen lediglich innerhalb der anzustellenden Kosten-Nutzen-Erwägungen berücksichtigen will – was dazu führen würde, dass ein allein auf die Gewinnmaximierung zielender Vorstand „nützliche“ Gesetzverstöße in Kauf nehmen müsste – existiert in Deutschland nach ganz herrschender Ansicht nicht.267 Ein Gesetzesverstoß darf freilich weder in der Verletzung der Sorgfaltspflicht, noch in einer Verwirklichung des § 266 StGB liegen, ansonsten droht eine zirkuläre Argumentation. Der Vorstand unterliegt mithin zum einen internen Pflichtenbindungen, die sich aus Aktiengesetz, Satzung, Anstellungsvertrag (dieser kann zwar die organschaftlichen Verhaltenspflichten nicht abändern, wohl aber konkretisieren268) und Geschäftsordnung ergeben, und zum anderen externen Pflichtenbindungen außerhalb des Aktienrechts. Dieses Ergebnis wird einhellig vertreten bei Verstößen gegen zwingendes, eindeutiges Recht. Eine andere Frage ist, ob auch eine rechtliche Unsicherheit, etwa bei umstrittener Auslegung von gesetzlichen Vorschriften, eine Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nach sich zieht. Dies soll insbesondere möglich sein, wenn der Vorstand mit erheblichen Rechtsunsicherheiten konfrontiert ist bzw. eine begründete Aussicht auf Änderung einer bisher gefestigten Rechtsprechung besteht.269 Wo die Rechtslage hingegen zweifelhaft sei, müsse zwischen den Vorteilen für die Gesellschaft bei günstiger Rechtsansicht und den Nachteilen bei gegenteiliger Rechtslage abgewogen werden – dies sei eine Ermessensentscheidung.270 letzung: Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1175; Fleischer, ZIP 2005, 141, 144; Hoor, DStR 2004, 2104 f.; Ihrig, WM 2004, 2098, 2103 ff., unter Verweis auf die Einheit der Rechtsordnung; gegen einen generellen Legalitätszwang des Vorstands und für eine Abwägung, wenn die dahinterstehenden Interessen nicht tangiert werden, Kessler, AG 1995, 61, 64 f.; Kessler, AG 1995, 120, 132; Lutter, ZIP 2007, 841, 843; Schneider, DB 2005, 707, 709 ff. 266 Vgl. Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 4; Fleischer, ZIP 2005, 141, 148; Ihrig, WM 2004, 2098, 2104; dies beruht auf der Konstruktion, dass Rechtsbindungen der Gesellschaft nach Außen in das Verbandsinnenverhältnis projiziert werden. 267 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 33, weist darauf hin, dass vielmehr eine Law-as-Limit-Theorie Platz greife; vgl. auch Fleischer, ZIP 2005, 141, 147 ff.; Ihrig, WM 2004, 2098, 2103 f. 268 Vgl. Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 29. 269 MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 65 ff.; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 29. 270 Insbesondere Torggler, ZfRV 2002, 133, 136; vgl. auch KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 38.

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Wenn die der Gesellschaft günstige Auslegung vertretbar erscheint und der Vorstand die sonstigen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllt, entfalle eine Pflichtwidrigkeit.271 Wo die Voraussetzung der Legalitätspflicht zu verorten ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Während es teils in die „unternehmerische Entscheidung“ hineingelesen wird,272 sollen nach anderer Ansicht auch illegale Handlungsalternativen zu einer unternehmerischen Entscheidungssituation führen können. Diese soll aber entweder bereits definitionsgemäß nicht zum Wohle der Gesellschaft sein können273 oder ohnehin auf Null reduziert sein.274 Insgesamt wird kein Unterschied gemacht zwischen gesellschafts- oder etwa gläubiger- oder arbeitnehmerschützenden Vorschriften. D. h., dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter auch dann ausgeschlossen sein kann, wenn rein gläubigerschützende Vorschriften verletzt sind. Daraus eine pluralistische Ausrichtung zu folgern, wäre jedoch zu voreilig: Das „Interesse der Gesellschaft“ ist – wie im strafrechtlichen Teil gesehen – sehr dehnbar. Aus einer pluralistisch anmutenden Argumentation wird leicht eine monistische, wenn Gesetzesverletzungen durch den Vorstand mit einer Verpflichtung auf Schadensersatz der Gesellschaft gekoppelt werden, was deren erwerbswirtschaftlichen Interessen eindeutig zuwider laufen würde. Es überrascht jedoch, dass das Thema der Rechtsgutvertauschung an diesem Punkt bisher nicht verfangen hat. c) Handeln auf der Grundlage angemessener Information Es werden zu Recht Bedenken dahingehend geäußert, dass die Überprüfung, ob eine „angemessene“ Informationsdichte erreicht wurde, leicht in eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung umschlagen kann275 bzw. bei einer kompletten ex-post-Überprüfung durch die Gerichte sogar zu einer nachträglichen Ermessensreduzierung führen könnte.276

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MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 68. Dies scheint auch die Begründung des Regierungsentwurfs (RegE UMAG BTDrucks. 15/5092) nahe zu legen; wohl auch Lutter, ZIP 2007, 841, 843. 273 Hauschka, ZRP 2004, 65, 66; Thümmel, DB 2004, 471, 472. 274 Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1175; Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2190. 275 Paefgen, AG 2004, 245, 254; aus dem US-Amerikanischen Schrifttum vergleichbar Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 107: „Judicial inquiry into the amount of information managers should acquire before deciding creates the precise difficulties that the business judgment rule is designed to avoid“; dies als „zu pessimistisch“ abtuend Hoor, DStR 2004, 2104, 2107; generell kritisch zu diesem Merkmal Semler, AG 2005, 321, 325. 276 Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 254. 272

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Die entscheidende Weichenstellung ist daher, ob die „Angemessenheit der Information“ formell oder materiell bestimmt wird:277 Während formellen Anforderungen bereits Genüge getan werden könnte, wenn gewisse Verfahrensregeln eingehalten werden,278 erfordert eine materielle Angemessenheit, dass alle entscheidungserheblichen bzw. wesentlichen Informationen ermittelt wurden.279 Die materielle Prüfung stellt ein Einfallstor für ex-post-Betrachtungen dar. Dies wird teils als unproblematisch angesehen, da diese Betrachtung nicht in gleichem Maße der Gefahr von sog. „hindsight biases“ unterliege.280 Demnach wird der § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vorrangig materiell verstanden, wenn auch die Erfüllung von formellen Anforderungen aufgrund der Subjektivierung („annehmen durfte“) als Auffangtatbestand auf zweiter Stufe als ausreichend angesehen wird.281 Gleiches wird erreicht, wenn etwa nur detailbegründete oder qualifiziert-begründete Entscheidungen des Vorstands ausreichen sollen, um von einer angemessenen Informationsdichte ausgehen zu können.282 Das zugängliche Wissen müsse zwar nicht vollständig ausgeschöpft werden: Die erkenntnistheoretisch höchstmögliche Fundierung einer qualifizierten Begründung sei unter dem Kosten/Nutzen-Aspekt (auch der Autonomiekosten bei Arbeitsdelegation) und der zeitlichen Begrenzung nicht zu fordern.283 Es reiche aus, wenn globale Konsequenzaussagen (positive Wirkungen der Entscheidungen, mithin eine generelle Rechtfertigung) ihrerseits begründet werden. Problematisch erscheint an dieser Stelle, dass der Anspruch einer Begründung eine materielle Prüfung nahe legt. Die offenen Rechtsbegriffe der „angemessenen Information“, des „vernünftigerweise Annehmen-Dürfens“ und der „positiven Wirkungen der Entscheidung“, der „Gutgläubigkeit bezüglich der Richtigkeit der Entscheidung“ 284 verweisen 277

Diese Unterscheidung trifft Kinzl, DB 2004, 1653. Kinzl, DB 2004, 1653, 1654, erwähnt das Abarbeiten von Checklisten. 279 Kinzl, DB 2004, 1653. 280 Dazu Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 840, der dafür den Umstand anführt, dass sich das Gericht über die unternommenen Anstrengungen zur Informationsgewinnung auch im Nachhinein relativ leicht und ohne größere Anstrengungen ein Bild machen kann. 281 Diese „Zwei-Stufen-Theorie“ entwickelt Kinzl, DB 2004, 1653 f. 282 Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 833 f.; v. Werder, ZfB 1997, 901 ff., 117 ff., nach dem unbegründete oder lediglich globalbegründete Entscheidungen hingegen nicht ausreichen sollen. 283 v. Werder, ZfB 1997, 901, 914 ff. 284 Ob das Merkmal der Gutgläubigkeit eine eigenständige Bedeutung erlangt, ist fraglich: In der Begründung UMAG-REfE S. 17 f., scheint aber davon ausgegangen zu werden; ebenso vorher bereits Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 63; a. A. Hauschka, ZRP 2004, 65, 66; Paefgen, AG 2004, 245, 256; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 165. Teils wird angenommen, das Verwaltungsorgan müsse von der Richtigkeit der Entscheidung überzeugt, also gutgläubig sein, vgl. Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2192; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 443 f. Die Voraussetzung der „Gutgläubigkeit“ dürfte noch ein „Überbleibsel“ der vorherigen Entwurfsformulierung sein, nach der der Geschäftsleiter „ohne grobe Fahrläs278

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wiederum auf die jeweils bevorzugte Konzeption. Dies wird noch plastischer, bezieht man den Ermessensspielraum auch auf die Informationsbeschaffung285 und lässt das „Wohl der Gesellschaft“ auch diese Entscheidung determinieren. Die Forderung nach einer strengen Überprüfung der „Angemessenheit der Informationsbeschaffung“ wird lediglich durch zwei Aspekte gelockert:286 Zum einen weisen Regierungsbegründung und Stimmen aus der Literatur auf Erkenntnisse der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre hin. Der Vorstand

sigkeit“ annehmen sollte, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Diese Formulierung wurde insbesondere aufgrund des Vorwurfs einer Vermischung von Verschulden und Pflichtverletzung (etwa: Fleischer, ZIP 2004, 685, 692) gestrichen. Der Terminus „vernünftigerweise“ transportiert eine Gutgläubigkeit bereits selbst in weit höherem Maße. 285 Dafür wohl RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 12; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 47 f.; Schmidt/Lutter-Krieger/Seiler, AktG, § 93 Rn. 13; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 70; ebenso wegen zu hoher Informationsbeschaffungskosten Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 841; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 46; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 14, 80 ff.; Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, DB 2006, 2189, 2192; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2067, will dem Vorstand einen „gewissen Beurteilungsspielraum“ bei der Bewertung des Informationsbedarfs zubilligen; Fleischer, ZGR 2001, 1, 25; Fleischer, ZIP 2004, 685, 689; Kinzl/Gleiss, AG 2004, R003, R004, bezeichnen die Entscheidungen zur Informationsbeschaffung als „unternehmerische Entscheidungen“; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 444; Lutter, ZIP 2007, 841, 845, der dem ausdrücklich zustimmt, um der Gefahr der ex-post-Beurteilung durch die Gerichte vorzubeugen; Spindler, NZG 2005, 865, 872; Spindler, AG 2006, 677, 681, der sich auf zu hohe Kosten der Beschaffung jeglicher Information beruft; Torggler, ZfRV 2002, 133, 139, der die Entscheidung, eine Angelegenheit für entscheidungsreif zu halten, als Ermessensentscheidung einstuft; dagegen wohl Semler FS Ulmer, 2003, S. 627, 632; ebenfalls dagegen Fischer, DStR 2007, 1083, 1084; Hoor, DStR 2004, 2104, 2107, sieht ein Haftungsprivileg für verschuldete Mängel der Informationsbeschaffung generell als nicht gerechtfertigt; ebenso Thümmel, DB 2004, 471, 472; abwägend Böttcher, NZG 2005, 49, 52; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16; ebenso Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087; ein Beurteilungsspielraum würde jedenfalls der US-amerikanischen Business-Judgement-Rule entsprechen, die bei der Entscheidung bezüglich Art und Umfang der einzuholenden Information den Spielraum eröffnenden „reasonable belief test“ anwendet. 286 Auch die Anlehnung an die US-amerikanische Business-Judgement-Rule legt keinen strengen Maßstab nahe: Der Delaware Supreme Court (Mangels einer Zuweisungsnorm an die Bundesverfassung obliegt den einzelnen Bundesstaaten die Gesetzgebung bez. des Gesellschaftsrechts. Es fand ein regelrechter „Liberalisierungswettbewerb“ zwischen den Bundesstaaten statt, um möglichst viele Unternehmen zur Gründung im jeweiligen Bundesstaat zu bewegen; Delaware tat sich durch gesellschaftsrechtliche Normen mit hoher Anpassungsfähigkeit, einfachen Formvorschriften und niedrigen Gebühren hervor, sodass den Gerichten in Delaware aufgrund der verstärkten Gründung von Gesellschaften eine besondere Bedeutung zukommt, vgl. Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 157 f.) hat in der Entscheidung Smith v. van Gorkom (Smith v. van Gorkom, 488, A. 2d 858, 872 ff., Del.Supr. 1985) das Vorliegen einer informierten Entscheidung abgelehnt, da diese einen Unternehmenszusammenschluss betreffende Entscheidung nach einer nur zweistündigen, spontanen Beratung auf Grundlage eines 20-minütigen Vortrags des persönlich betroffenen CEOs von van Gorkom zustande gekommen war. Schriftliche Unterlagen wurden nicht vorgelegt, eine Sitzung unter Angabe des Tagesordnungspunktes wurde nicht einberufen.

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habe bei seiner Entscheidungsvorbereitung anerkannte betriebswirtschaftliche Verhaltensmaßstäbe zu berücksichtigen, wenn diese auch nicht direkt als rechtliche Leitlinien, sondern nur als „Konkretisierungsbeitrag“ herangezogen werden könnten.287 Nun ist zumindest der deskriptive Zweig der Entscheidungstheorien, der auch die präskriptiven Anforderungen beeinflusst hat, zu dem Ergebnis gelangt, dass Entscheidungen nur selten rational ablaufen:288 Vielmehr sind sie durch persönliche Präferenzen oder vorgefasste Beschlüsse determiniert; teils wird schlicht die erstbeste oder satisfizierende Lösungsmöglichkeit ausgewählt. Hinzu kommen menschliche Fehlleistungen bei der Wahrnehmung und der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten. Bei Kollegialorganen werden diese Mechanismen teils durch ihre pluralistische Besetzung entschärft, teils durch Gruppenphänomene, wie angestrebten Konsens, verschärft. Dies habe zu der betriebswirtschaftlichen Erkenntnis geführt, dass ein Zusammenhang zwischen effizienten unternehmerischen Entscheidungen und den verfügbaren Informationen nicht bestehe.289 Zum anderen hat der BGH in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung eine objektive Rationalitätsauffassung vertreten: Das unternehmerische Handeln müsse nach sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen erfolgen. Das UMAG subjektiviert diesen Maßstab (insbesondere auch erkennbar in der Gesetzesbegründung, die auf „Instinkt, Erfahrung, Phantasie und Gespür“ verweist290), macht es auch durch ein „vernünftigerweise annehmen Dürfen“ wieder einen Schwenk zum objektiven Maßstab.291 d) Loyalitätsprinzip als Handeln ohne Sonderinteressen, sachfremde Einflüsse und fehlende Treuepflichtverletzung Das Loyalitätsprinzip ist zwar nicht ausdrücklich in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG niedergelegt, wird jedoch zusammen mit dem Verbot einer Treuepflichtverlet287 Böttcher, NZG 2005, 49, 53; Spindler, AG 2006, 677, 681; kritisch gegenüber der Übertragung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1176; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 206; Semler FS Ulmer, 2003, S. 627. 288 Dazu Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 828 ff. 289 Kinzl/Gleiss, AG 2004, R003, R004, die daraus schlussfolgern, der Gesetzgeber solle sich darauf zurückziehen, nur solchen Fällen mit Mitteln des Haftungsrechts zu begegnen, in denen die Entscheidung nicht auf einem „Mindestmaß an Sachinformationen“ beruhe. 290 RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11; kritische Anmerkung zur Verrechtlichung dieser Eigenschaften Hauschka, ZRP 2004, 65, 67; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; als zutreffend bezeichnend wiederum Hauschka-Sieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 12. 291 Vgl. Böttcher, NZG 2005, 49, 53; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 830; Thümmel, DB 2004, 471, 472; kritisch zur Deutung als subjektives Element Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; nach Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4g überwiegen die objektiven Elemente.

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zung in die gesetzliche Regelung hineingelesen und einem Verständnis im Sinne von „Handeln ohne Eigeninteressen“ zugänglich gemacht.292 Lutter möchte dementsprechend jegliche Entscheidungen, die im objektiven Interessenkonflikt zustande gekommen sind, von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausnehmen:293 Bei Kollegialorganen soll bereits ein Interessenkonflikt eines Mitglieds ausreichen, um die Entscheidung komplett zu „infizieren“ und so auch alle anderen Mitglieder vom Privileg des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auszuschließen.294 Dies stellt sich insbesondere beim Aufsichtsrat als höchst problematisch dar, wenn dort Vertreter eines Zuliefer- bzw. Abnehmerunternehmens, Bankenvertreter, Vertreter eines Wettbewerbsunternehmers295 und die Vertreter der Arbeitnehmer, die teils auch noch Gewerkschaften angehören, sitzen.296 Daneben fragt sich, inwieweit dies mit der gängigen Anreiztechnik von Aktienoptionen und Ähnlichem vereinbar sein soll. Auch das Siemens-Urteil des BGH297 vernachlässigt die Relevanz des fehlenden Eigeninteresses, indem ausgeführt wird, es sei irrelevant, ob das Geld zum Nutzen der Gesellschaft verwendet werden sollte. Der § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist nach ganz herrschender Meinung nicht anwendbar bei Treuepflichtverletzungen.298 Gesetzliche Ausprägungen sind das Wettbewerbsverbot (§ 88 Abs. 1 AktG) und die Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG). Die beiden zugrunde liegenden Gedanken sind die Vermeidung von Interessenkonflikten und das Verbot von Sondervorteilen.299 Treuepflichtwidrig handelt der Vorstand etwa, wenn er sich selbst oder nahestehende Dritte bereichert, unabhängig von der Art und Weise.300 292 In der deutschen gesetzlichen Regelung wird das Loyalitätsprinzip zumeist in das Handeln „zum Wohle der Gesellschaft“ hineingelesen, vgl. Lutter FS Canaris, 2007, S. 245 ff.; im US-amerikanischen Recht beinhaltet das Loyalitätsprinzip drei Komponenten: (1) Das jeweilige Organ muss unbefangen und (2) unabhängig sein. Unschädlich ist das Vorliegen einer der beiden Komponenten (oder beider), wenn (3) der Interessenkonflikt keinen Einfluss auf die Entscheidung hatte. 293 Lutter FS Canaris, 2007, S. 245, 247 ff. 294 Bei der US-amerikanischen Business-Judgement-Rule soll die Privilegierung erst dann nicht mehr eingreifen, wenn die Mehrheit der Geschäftsführer gegen ihre Pflichten verstoßen hat, vgl. Carus v. Metex Corp. Fed. Sec. L. Rep. (CCH), P 96,967 (E.D.N.Y. 1992); vgl. zu alldem Kock/Dinkel, NZG 2004, 441. 295 Lutter FS Beusch, 1993, S. 509, 515 ff., hatte diese vorher noch weitergehend als „inhabil“ zur Übernahme eines Aufsichtsratsmandats angesehen. 296 Lutter FS Canaris, 2007, S. 245, 252 ff. 297 BGHSt 52, 323 – Siemens. 298 Fleischer FS Wiedemann, 2002, S. 827, 844, spricht sich für eine rechtsökonomische Erklärung des Ausschlusses der Treuepflichtverletzung aus dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG aus: Gegen Sorgfaltspflichtverstöße können Anreize durch Aktienoptionsprogramme und Ähnliches gesetzt werden; derartige Anreize versprechen bei der Treuepflichtverletzung hingegen keinen Erfolg: Die Treuepflichtverletzung zeichnet sich motivatorisch meist durch einen eigenen Vorteil aus. 299 Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 9 ff. 300 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 59 ff.

C. Monistische Ausrichtung der §§ 76, 93 AktG?

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Insgesamt verhält sich diese Grenze des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Hinblick auf eine monistische bzw. pluralistische Konzeption neutral; dass die Entscheidung nicht von Eigeninteressen beeinflusst sein darf, ist einhellige Meinung über die Grenzen pluralistischer und monistischer Konzeptionen hinweg. 3. Beweislast Für die Frage, welcher Entscheidungsspielraum dem Vorstand zusteht, ist die Beweislast von großer Bedeutung. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG besagt, dass bei Streitigkeiten darüber, ob die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters eingehalten wurde, den Vorstand die Beweislast trifft. Diese Beweislastumkehr soll dem Umstand geschuldet sein, dass das Organmitglied die in Frage stehenden Umstände besser übersehen kann als der Anspruchsteller.301 Die Streitfrage ist nun, für welche Umstände die Beweislastumkehr Bedeutung erlangt. Die Antwort muss dabei zwischen den Polen der Erfolgshaftung302 des Vorstands und einer derartig restriktiven Auslegung der Beweislastumkehr liegen, die Erfolgsaussichten einer Klage von vornherein illusorisch machen. In der Literatur wird überwiegend angenommen, die Beweislastumkehr beziehe sich sowohl auf die Pflichtverletzung als auch auf das Verschulden.303 Kri301 BGH NJW 2003, 358; Goette, ZGR 1995, 648, 672; Witte/Hrubesch, BB 2004, 725, 729. 302 Eine Erfolgshaftung, die sich als Verantwortung des Vorstands für jede von der idealen Entscheidung abweichende darstellte, komme für Vorstandshandeln unstreitig nicht in Betracht. Aus dem Gesellschaftsrecht: HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 19; KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 4; MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 28, § 93 Rn. 5, 27: Aus diesem Grunde sei auch eine Haftungsverschärfung, die an eine Erfolgshaftung heranreiche, nicht zulässig; Spindler/Stilz-Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, S. 107; Fleischer, AktG, 2007, § 93 Rn. 56; Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 46; Hauschka-Sieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 1; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 51, 95, 100, 140; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 345, unter Hinweis auf die notwendige Anpassungs- und Innovationsfähigkeit eines jeden Unternehmens; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; zum parallelen Problem im GmbH-Recht insbesondere Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 17. Eine Verschuldenshaftung sei daher auch der § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bereits gewesen; das ergibt sich nach Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 89; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, aus dem § 93 Abs. 2 S. 2 AktG – Die Vorschrift des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG hat ihre Ursprünge in § 84 Abs. 2 S. 2 AktG 1937. Die historische Entwicklung verdeutlicht, dass der Norm bereits der moderne Gedanke zugrunde lag, einer Risikoaversion der Vorstände entgegenzuwirken und insbesondere keine Erfolgshaftung einzuführen; vielmehr sollte der „in der Rechtsprechung entwickelte Gedanke, wonach der Vorstand in Schadenersatzprozessen den Entlastungsbeweis zu führen hat“ positivrechtlich normiert werden, vgl. Amtl. Begr. zu § 84 AktG 1937, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28, S. 4, die hervorhebt, den Vorständen dürfe nicht „jeder Mut zur Tat genommen werden“; auch nach RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11, soll klargestellt werden, dass eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet. 303 Vgl. Begründung UMAG-RefE, S. 19; HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 26; KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 102; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 163;

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tisch wurde dies seit jeher unter dem Aspekt gesehen, dass eine derartig umfassende Beweislastumkehr an eine Erfolgshaftung heranreiche.304 Neue Brisanz hat die Vorschrift durch Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erlangt. Bei § 93 Abs. 2 AktG handelt es sich um eine Beweislastumkehr zulasten des beklagten Organs.305 Geht man davon aus, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG habe Anleihen bei der US-amerikanischen Business-Judgement-Rule genommen, die in ihrer eigentlichen Bedeutung die Vermutung aufstellt, der Geschäftsleiter habe eine sorgfaltsgemäße Entscheidung getroffen,306 wird der Widerspruch offensichtlich.307 Da überwiegend angenommen wird, die Beweislastverteilung habe Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 98, die dem Vorstand auferlegt, die Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu beweisen; Hauschka-Sieg/Zeidler, Corporate Compliance, § 3 Rn. 3; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 204 Fn. 36; Hopt FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 921; Lutter FS Canaris, 2007, S. 245, 250 Fn. 37; v. Gerkan, ZHR 154 (1990), 49, 63; Goette, ZGR 1995, 648, 672; Hoor, DStR 2004, 2104; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 305; str. nach Ihrig, WM 2004, 2098, 2100, und Torggler, ZfRV 2002, 133, 137. 304 Vgl. dazu Paefgen, AG 2004, 245, 257. 305 Lediglich bei sozialen Aufwendungen wird zugunsten des Vorstands eine Modifikation der Beweislast diskutiert: Mit Hilfe einer Fallgruppenbildung bezüglich Handlungen im Bereich der Corporate Identity wird eine Beweiserleichterung zugunsten des Vorstands erreicht, die sich aus dem weiten unternehmerischen Ermessen sowie dem Umstand rechtfertigten, dass sich der Nutzen sozialer Aufwendungen nicht beziffern lasse, vgl. MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 168. 306 Die US-amerikanische Doktrin aus Delaware scheint davon auszugehen, dass die Beweislast für das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen und dementsprechend der Möglichkeit einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit zunächst beim Kläger – etwa dem klagenden Aktionär – liegt („presumption“). Ist der Kläger dabei erfolgreich, so dreht sich die Beweislast bei der dann uneingeschränkten gerichtlichen Prüfung („entire fairness-test“) um und dem Vorstand („director“) obliegt seine Entlastung; vgl. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 445 ff.; auch Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 298, hebt die Bedeutung der Business-Judgement-Rule als Beweisregel hervor; Hopt FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 920, sieht in der Business-JudgementRule neben der formalen Beweislastregel auch die materielle Vermutung einer grundsätzlich ordnungsgemäßen Handlung der Leitungsorgane niedergelegt; in der Entscheidung Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984), heißt es, die Business-Judgement-Rule sei eine „presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interest of the company“; ebenso Revlon, Inc. v. Mac Andrews & Forbes Holding, 506 A.2d 173, 180 (Del.Supr. 1986); Unocal Corporation v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 954 (Del.Supr. 1985); Smith v. van Gorkom, 488 A.2d 858, 872 (Del.Supr. 1985); Cede & Co. v. Technicolor Inc., 634 A.2d 345, 360 (Del.Supr. 1993); Mc Mullin v. Beran, 765 A.2d 910, 916 (Del.Supr. 2000); kritisch zur Business-Judgement-Rule als Vermutung des pflichtgemäßen Verhaltens Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 243 f.; anders ist dies nach der Konzeption der Business Judgement Rule des American Law Instituts, vgl. dazu Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 445. 307 MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 164, führt diese Diskrepanz auf die international unterschiedlichen Mittel der Beweisführung zurück; vgl. auch Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169, 1177, der sowohl auf die Diskrepanz bei der Beweislast als auch bei der Prüfungsdichte (inhaltliche Prüfung im deutschen, rein formalen Prüfung im US-ame-

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sich auch durch die Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht geändert308 – das Vorstandsmitglied habe also die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu beweisen309 – wird unter Berücksichtigung der überragenden Bedeutung der Beweislastverteilung für die Funktionsfähigkeit310 insbesondere der Neueinführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ein Anpassungsbedarf des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG postuliert.311 Die Rechtsprechung verhält sich zu der Frage der Beweislastverteilung ambivalent: In der reichsgerichtlichen Judikatur scheint – trotz verschiedener undeutlicher Formulierungen312 – eine relativ konstante Linie erkennbar: Der Kläger hat den Schaden und die Verursachung des Schadens durch möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Organs zu beweisen. Das beklagte Organ kann sich nur entlasten, indem es nachweist, pflichtgemäß oder nicht schuldhaft gehandelt zu haben bzw. indem es den Nachweis eines fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhanges erbringt.313 Es spricht, falls es zu einer Schädigung der Gesellschaft gekommen ist, zunächst eine Vermutung dafür, dass die Organe ihre Sorgfalt nicht eingehalten haben.314 Die Rechtsprechung des BGH war in weit höherem Maße terminologisch mehrdeutig315 und wird von jeder Seite für die jeweils eigene Meinung in Anspruch genommen. Überwiegend wird davon ausgegangen, der BGH habe die rikanischen Recht) hinweist; bereits vorher Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 139 ff., der sich für eine ersatzlose Streichung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ausspricht; vgl. auch Fleischer, ZIP 2004, 685, 688; Hoor, DStR 2004, 2104, 2106; Kinzl/Gleiss, AG 2004, R003, R004. 308 Fleischer, ZIP 2004, 685, 688; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 448; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 254. 309 Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 61. 310 Paefgen, AG 2004, 245, 258 ff. 311 Roth, BB 2004, 1066, 1067, schlägt eine gesetzliche Änderung dahingehend vor, dass die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG dann nicht eingreifen soll, wenn lediglich ein Überschreiten der Ermessensgrenzen geltend gemacht werde. 312 Vgl. dazu Goette, ZGR 1995, 648, 650 ff. 313 RGZ 13, 43, 46 (zu Genossenschaftsbank); RGZ 35, 83, 86 (AG); RGZ 98, 98, 100 (GmbH); RG JW 1920, 1032, 1033 (AG); RG JW 1931, 40, 42 (Genossenschaftsbank); RG JW 1936, 2313 (Kreditgenossenschaft); RG JW 1937, 2657 (Genossenschaft); RG JW 1938, 2019 (Genossenschaft); RG DR 1939, 723 (Genossenschaft); RGZ 161, 129 (GmbH); RG HRR 41 Nr. 136 (GmbH). 314 Vgl. Goette, ZGR 1995, 648, 655; besonders deutlich in RG DR 1939, 723: „Eine Genossenschaft hat zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs gegen ihre Verwaltungsträger nur darzutun, daß ihr aus deren Geschäftsgebarung im Rahmen des ihnen obliegenden Pflichtenkreises ein Schaden erwachsen ist. Hat sie diesen Nachweis erbracht, so spricht eine Vermutung dafür, daß ihr Schaden mit einer Pflichtverletzung des in Anspruch genommenen Verwaltungsmitglieds in ursächlichem Zusammenhang steht“. 315 BGH WM 1962, 1286 f. (Genossenschaft); BGH WM 1971, 1548 (AG); BGH WM 1972, 1121 (Gesellschaft bürgerlichen Rechts); BGH LM Nr. 5 zu § 43 GmbHG (GmbH); BGH NJW 1978, 425 (GmbH & Co. KG); BGH WM 1979, 1425, 1428 (Pub-

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Linie des Reichsgerichts fortführen wollen;316 die teils verbale Abkehr sei zu vernachlässigen, da insbesondere den Bedenken einer zu großen Nähe zur Erfolgshaftung geschuldet.317 In jüngerer Vergangenheit ist ein höheres Maß an begrifflicher Genauigkeit zu verzeichnen. So hob der 2. Zivilsenat hervor, dass die Beweislast die Klägerin nur für einen Schaden und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Organmitglieds in dessen Pflichtenkreis treffe, das „als pflichtwidrig überhaupt in Betracht kommt, sich also insofern ,möglicherweise‘318 als pflichtwidrig darstellt“; die vorangegangenen Ausführungen des Senats seien ebenso zu verstehen. Das Organmitglied habe sich dahingehend zu entlasten, dass es seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen sei oder schuldlos gehandelt habe bzw. dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.319 Zumindest die fünf Voraussetzungen für das Eingreifen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG müssten also vom Vorstandsmitglied dargetan werden.320 Auch hier wird zwar einerseits eine monistische gedankliche Wurzel erkennbar, weil der Schaden die Vermutung einer Pflichtverletzung nach sich zieht. Andererseits wird eine Erfolgshaftung nachdrücklich abgelehnt und die Pflichtverletzung so vom Schaden getrennt. 4. Zwischenergebnis Die offenen Rechtsbegriffe „Wohl der Gesellschaft“, „unternehmerische Entscheidung“, „angemessene Information“ und „vernünftigerweise Annehmen-Dürfen“ lassen sich nicht aus sich heraus mit Inhalt füllen, sondern sind Einfallstore für die jeweilige monistische oder pluralistische Lesart des Aktiengesetzes. Dies wird deutlich, wenn man das „Wohl der Gesellschaft“ entweder mit erwerbswirtschaftlichen Aspekten anreichert oder dem Unternehmensinteresse gleichsetzt, eine „unternehmerische Entscheidung“ nur bezüglich der Mittel oder auch bezüglich des Zwecks annimmt, die „Angemessenheit der Information“ einer materiellen oder verfahrensmäßigen Überprüfung unterzieht und „Vernunft“ und likums-Kommanditgesellschaft); BGH WM 1985, 1293 (GmbH); BGH ZIP 1994, 872, 873 (GmbH). 316 Etwa BGH WM 1980, 1190 (GmbH); BGH WM 1991, 281 (GmbH); BGH ZIP 1992, 108 f. (GmbH). 317 So Goette, ZGR 1995, 648, 667, 671. 318 Ebenso Fleck, GmbHR 1997, 237, 239; Goette, ZGR 1995, 648, 673 f. 319 BGHZ 152, 280, 284 f.; im Anschluss daran BGH DStR 2007, 402, 404, 406 (Genossenschaft): „Eine Genossenschaft trifft im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren Vorstand gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein – sich als „möglicherweise“ pflichtwidrig darstellendes – Verhalten des Vorstands in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist“. 320 Lutter, ZIP 2007, 841, 846.

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„Rationalität“ als Sammelbecken rein erwerbswirtschaftlicher oder eben auch „sonstiger“ Aspekte begreift. Die Begriffe verweisen auf das Regelwerk des Aktienrechts (oder auf andere Umwelten) und lassen sich nur in diesen Zusammenhängen verstehen. Es muss versucht werden, dem Aktienrecht eine „Grundtendenz“ zu entnehmen, die sich entweder als monistisch oder pluralistisch darstellt. Dazu sollen zunächst die vorrangig als Leitlinien des Vorstandshandelns gehandelten Maximen des „Gesellschaftsinteresses“ und des „Unternehmensinteresses“ untersucht werden. Zunächst muss deren Bedeutungsgehalt geklärt werden. Es wird sich dabei auch ein Zusammenhang mit der Bestandswahrung ergeben. Dabei ist zu beachten, dass die Signifikanten „Gesellschaftsinteresse“ und „Unternehmensinteresse“ teils zu bloßen Worthülsen verkümmern, die – und das trifft vor allem für das „Unternehmensinteresse“ zu – mit monistischen oder pluralistischen Ideen angefüllt werden. In dieser Untersuchung stehen sie dennoch als Synonyme für monistisch bzw. pluralistisch. Ob dieses Signifikat auch von anderen Verwendern zugrunde gelegt wird, bedarf gesonderter Untersuchung. Zur Systematisierung der Arbeit müssen zunächst die durch die „Anhänger“ der jeweiligen Strömung selbst verwendeten Begriffe zugrunde gelegt werden, wobei eine Vermutung für „Gesellschaftsinteresse“ als Bezeichnung für eine monistische und „Unternehmensinteresse“ für eine pluralistische zu gelten hat;321 anschließen muss sich eine kritische Auseinandersetzung mit der Konvergenz von Begriff bzw. Signifikant und Inhalt bzw. Signifikat. Das Gesellschaftsinteresse ist also – zumindest in seiner typischen Erscheinungsform – eine monistische Konzeption, also auf die Gesellschaft(er) bezogen und von erwerbswirtschaftlichen Interessen geleitet. Es kann – wie gesehen – mit der strafrechtlichen Konzeption insoweit zu einer Übereinstimmung gebracht werden. Im Gegensatz zum pluralistisch anmutenden Unternehmensinteresse dürfte vom „Gesellschaftsinteresse“ nicht die Gefahr ausgehen, die strafrechtliche Konzeption in Frage zu stellen. Das „Unternehmensinteresse“ wird aus diesem Grunde weitaus raumgreifender behandelt werden: Es muss untersucht werden, ob es tatsächlich eine pluralistische Konzeption beinhaltet oder doch einer monistischen Konzeption nur ein anderer Name gegeben wurde. Sollte eine pluralistische Bedeutung des Unternehmensinteresses ausgemacht werden können, ist es erst dann gerechtfertigt, von einer möglichen Verwerfung zwischen Strafund Gesellschaftsrecht zu sprechen. Eine tatsächliche Inkonsistenz zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht ergibt sich erst dann, wenn auch aus dem Aktien321 Das gleiche gilt sowohl für die Begriffe „Gesellschaft“ und „Unternehmen“ – Rittner FS Geßler, 1971, S. 139, 158, führt etwa aus, „das Unternehmen – zumal das der Aktiengesellschaft – ist seit langem zu einer sozialen Veranstaltung ersten Ranges geworden“ – als auch Gesellschaftsrecht und Unternehmensrecht: Insbesondere von den Befürwortern eines Mitbestimmungsrechts wurde eine Veränderung „vom Gesellschaftsrecht zum Unternehmensrecht“ propagiert, vgl. dazu auch Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 20 f.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

recht insgesamt keine monistische „Grundtendenz“ herausgelesen werden kann, daraus eine pluralistische Lesart folgt und die Differenz zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht kein Ausdruck negativer oder limitierter Akzessorietät ist.

II. Entweder: Verpflichtung des Vorstands auf das Gesellschaftsinteresse In seinem Standpunkt eines monistischen Verhaltensmaßstabes des Vorstandes, der sich zumindest vorrangig an erwerbswirtschaftlichen Interessen der Anteilseigner auszurichten habe, stringent ist Herbert Wiedemann. Das Gesellschaftsrecht ist nach Wiedemann das „Recht der privaten Zweckverbände“.322 Der Verbandszweck habe konstituierende Bedeutung: Man wolle „gemeinsame Sache“ machen, um mit vereinten Kräften mehr oder anderes zu erreichen als in der Vereinzelung.323 Zudem sei er „Polarstern“ der Verbandswelt, an dem sich Organe und Mitglieder zu orientieren hätten.324 Bei den Erwerbsgesellschaften umfasse der Zweck das formale und sachliche Unternehmensziel, das von den Kapitaleignern definiert werde und von der Geschäftsführung zu verfolgen sei,325 der Unternehmensbetrieb sei vorrangig eine „Veranstaltung der Aktionäre“.326 Für Wiedemann sind es somit ausschließlich die Aktionäre, die – bis auf einen Restspielraum des Vorstands – die Vorstandspolitik bestimmen.327 Auch im Konfliktfall gehen die erwerbswirtschaftlichen Belange den Interessen der Arbeitnehmer vor.328 Der Vorstand habe sich an diesem Zweck auszurichten, der grundsätzlich erwerbswirtschaftlicher Art sei; eine gesetzliche Leitmaxime, nach der der Vorstand berechtigt wäre, von diesen Unternehmenszielen abzuweichen (etwa das „Unternehmensinteresse“ 329), existiere nicht.330 Dabei erkennt Wiedemann den 322

Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 3. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 9, der im letzten Punkt mit der wirtschaftswissenschaftlich fundierten Ansicht über den Entstehungsgrund von Unternehmen übereinstimmt; auch die Treuepflicht bestimme sich überwiegend nach dem Verbandszweck. 324 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 17. 325 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 10 f. 326 GK-Wiedemann, AktG, § 179 Rn. 67; Wiedemann, Organverantwortung, S. 133; ähnlich auch Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 33; auch Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 26, betonte bereits, die Verwaltung einer Aktiengesellschaft sei Verwalterin fremden Vermögens, die vom Aktionärswillen, d. h. von der Gesamtheit der Aktionäre abhängig ist und daher im Interesse der Aktionäre zu handeln habe. 327 Wiedemann, ZGR 1975, 385, 424 ff. 328 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 627. 329 Trotz der Ausrichtung am „Unternehmensinteresse“ strikt monistisch ausgerichtet aber Koch, Unternehmensinteresse, S. 164, 205, 208, der es als vorrangige Aufgabe des 323

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Unterschied zwischen den sog. „Anlagegesellschaften“ (etwa: Aktiengesellschaften) und dem Einzelkaufmann bzw. der Gemeinschaft der Mitunternehmer331 an: Bei den Anlagegesellschaften gebe es zwei Machtzentren, die Gesellschafterversammlung und die Verwaltung, zu der sowohl Geschäftsführungs- als auch Aufsichtsorgane zählten.332 (Dass den Anlagegesellschaftern überhaupt ein Mitspracherecht eingeräumt wird, sei historisch gesehen alles andere als selbstverständlich.) Selbst diese zwei Ebenen änderten jedoch nichts an der „einheitlichen Eigentumsorientierung der Unternehmensverfassung, solange die Anlagegesellschafter nicht zu desinteressiert oder zu zahlreich sind, um ihren Willen zu formulieren und durchzusetzen“ 333. Die Geschäftsleiter seien den Interessen der Kapitalgeber verpflichtet und treuhänderische Verwalter fremden Vermögens. Sowohl das Gesellschaftsinteresse als auch das „Wohl der Gesellschaft“ leitet Wiedemann von der Festlegung des Unternehmensziels ab.334 Beides sei nicht das Profitinteresse des einzelnen Anteilseigners, sondern – und hier hält Wiedemann die Binnenperspektive ein – die erwerbswirtschaftliche Orientierung des Unternehmens.335 Das Recht der Handelsgesellschaften enthalte bereits eine Unternehmensverfassung, deren Substrat „die durch einheitliche Leitung und ökonomische Zweckrichtung abgegrenzte Wirtschaftsorganisation“ sei.336 Dies folge daraus, dass die Gesellschaften ein Unternehmen betrieben, deren Unternehmensorganisation der

Unternehmens ansieht, Gewinn zu erzielen und dementsprechend das Unternehmensinteresse in der Gewinnoptimierung auflöst. 330 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 338; es wird jedoch im Hinblick auf Publikumsgesellschaften immer wieder auf deren Sonderstellung hingewiesen: Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 83, 297 f., 323 f., 352. 331 Der Einzelkaufmann ist nach Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 296 f., 312, der „geborene Prinzipal“; dies sei darauf zurückzuführen, dass „in den Entscheidungen, die eine persönliche Haftung begründen können, [niemand] der Entscheidungsgewalt eines anderen unterworfen werden kann“. Die Unternehmensordnung sei Konsequenz der Vermögensordnung, die sich aus der Knappheit des Kapitals während der Industrialisierung erkläre. In der Gemeinschaft der Mitunternehmer, der auch die GmbH ähnle, komme die Leitungskompetenz aus eben diesen Gründen der Gesamtheit der Gesellschafter zu; diese sei das „einheitliche Machtzentrum“ der Mitunternehmergemeinschaft. 332 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 297 f. 333 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 298. 334 Dementsprechend hätten nach Wiedemann FS Barz, 1974, S. 561, 573, bei der Auftragsvergabe und einer Entscheidung zwischen Land A und Land B als Auftragnehmer „andere als ökonomische Gesichtspunkte auszuscheiden“. 335 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 627 f. 336 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 311; die Erwerbsorientierung habe auch der Betriebsrat zu achten, der daher verpflichtet sei, eine Überstundenregelung zu billigen, wenn es die Auftragslage des Unternehmens erfordere, Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 314.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Gesetzgeber und die Kapitaleigner bestimmten.337 Ganz deutlich werden das objektivierte Unternehmensverständnis Wiedemanns und die Dominanz der Kapitaleigner. Eine pluralistische Konzeption lehnt er nicht zuletzt deshalb ab, weil das sog. „gemeine Wohl“ nur das sei, was die politisch Einflussreichen dazu erklärten.338 Einem Unternehmensinteresse als Verhaltensmaßstab steht er mangels klarer Definition kritisch gegenüber.339 Das Unternehmensinteresse ist nach Wiedemann „ausfüllungsbedürftig“ und – insbesondere aufgrund des Fehlens eines eigenständigen Interessenträgers – zu unbestimmt, sobald es aus der Definitionsbefugnis der Gesellschafter ausgegliedert wird; die negativen Verhaltensmaximen seien zudem nicht praktikabel.340 Die Entscheidung, ob im Einzelfall das Anteilseigner- oder etwa das Arbeitnehmerinteresse vorrangig sei, müsse sich an einem Ausgleich zwischen den Aufgaben des Unternehmens und dem Sozialstaatsprinzip orientieren. In der herrschenden Wirtschaftsordnung könne ein Unternehmen nur überleben, wenn er sich erwerbswirtschaftlich orientiert. Das AktG 1965 sei auf Publikumsgesellschaften und daher auch auf Anlegerschutz zugeschnitten. Die Funktion als Kapitalsammelbecken könne die Aktiengesellschaft nur dann erfüllen, wenn die Verwaltung im Gegenzug zugunsten der Aktiensparer agiere: „Dem telos des Gesetzes, das den Aktiensparer als wirtschaftlichen Eigentümer zur Richtschnur seiner Ausgestaltung nimmt, würde es zuwiderlaufen, wenn dem verantwortlichen Unternehmensleiter in § 76 AktG zur Pflicht gemacht würde, gleichrangig Dritt- und Allgemeininteressen zu verfolgen.“ 341 Die damit verbundene Einschränkung der Interessen der Arbeitnehmer sei ihnen zuzumuten, weil der Arbeitnehmerschutz in vielfältiger Weise im Arbeitsrecht verwirklicht werde, der Kapitalschutz hingegen nur im Gesellschaftsrecht.342 Die Annahme, es sei unmöglich, relevante Interessen von irrelevanten abzugrenzen,343 resultiert (auch) aus einer strikten Ablehnung einer Sozialverbandstheorie: Der Kreis würde zu weit, wollte man alle am Unternehmen betroffenen Personen einbeziehen. Zudem würde die Zusammenfassung von Arbeitnehmern, Managern und Kapitalgebern deren unterschiedlicher Betroffenheit nicht gerecht.344 337

Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 20. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 322. 339 Wiedemann FS Barz, 1974, S. 561, 576 f., lässt die bloße Erhaltung der Organisation nicht ausreichen. 340 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 300, 626. 341 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 339. 342 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 626 ff. 343 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 309 f. 344 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 309 f. Dennoch darf nicht vorenthalten werden, dass selbst Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 311, das Unternehmen als Wirtschaftsorganisation ansieht, die durch das Zusammenwirken von Kapitaleignern und Ar338

C. Monistische Ausrichtung der §§ 76, 93 AktG?

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Sowohl Personengesellschaften als auch Vereine seien dem Privatrecht zuzuordnen und nähmen ideengeschichtlich am klassischen Sozialmodell teil, nach dem die Rechtsinstitute des Privatrechts der Interessenverfolgung des einzelnen Bürgers345 bzw. verschiedener Bezugsgruppen (Mitglieder, Gläubiger, Arbeitnehmer, nicht hingegen: Geschäftspartner, Verbraucher,346 Unternehmen,347 Konzern oder Allgemeinheit348), dienen.349 Neben Wiedemann befürworten auch andere Autoren den Verhaltensmaßstab des „Gesellschaftsinteresses“ (bzw. einer monistischen Lesart unter der Bezeichnung „Unternehmensinteresse“). Dies geschieht insbesondere unter Hinweis auf einen fehlenden Rechtsträger eines Unternehmensinteresses,350 auf die fehlende Bestimmbarkeit351 – das Unternehmensinteresse sei „Blankettbegriff“ 352 oder „plakatives Kennwort“ 353–, auf den ausreichenden gesetzlichen Schutz anderer Bezugsgruppen bzw. auf den weder rechtlich noch ökonomisch gebotenen Interessenpluralismus354 oder die Warnung vor der Gefahr einer Ausuferung bei einer interessenpluralistischen Herangehensweise.355 beitnehmern gekennzeichnet sei. Auch darin kommt jedoch seine Anschauung zum Ausdruck, das Unternehmen ausschließlich objektivistisch und nicht als Subjekt zu verstehen. 345 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 7. 346 Diese beiden Interessengruppen würden über den Markt berücksichtigt. 347 Das Unternehmen sei kein Interessenträger. 348 Diese sei keine vorstellbare Bezugsgruppe, sondern eine Abbreviatur für anerkannte Grund- oder streitbefangene Tageswerte. 349 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 84 ff. 350 Auch nach Zöllner, AG 2003, 2, 7 f., krankt die Idee des Unternehmensinteresses daran, dass ein Interessenträger nicht auszumachen sei. Das Unternehmen scheide aus, da es nicht rechtsfähig sei. Dem Unternehmen wohne lediglich ein Zweck inne, der ihm vom Unternehmensträger (der Gesellschaft) beigelegt wurde und daher dem Gesellschaftszweck entspricht. Zöllner verwirft einen rechtlichen und soziologischen Verbandscharakter des Unternehmens. Stattdessen scheidet er das Gebilde Unternehmen in einen Arbeitnehmer- bzw. Belegschaftsverband und einen Anteilseignerverband. Aufgabe des Unternehmensträgers (Gesellschaft) sei es insbesondere, die Organisation „Unternehmen“ zu installieren, am Leben zu erhalten und ggf. auch zu beenden. Ein autonomes, sich selbst organisierendes Unternehmen sei demgegenüber auch wirtschaftsverfassungsrechtlich verfehlt. 351 Fleischer, DStR 2005, 1318, 1320, hält den Begriff für verfehlt; Kort, DStR 2007, 1127, 1129, 1133, bezeichnet das Unternehmensinteresse als einen äußerst vagen, unbestimmten Begriff und ein bewegliches System; Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 170, sieht im „Unternehmensinteresse“ eine Manifestation einzelner Restbestände von Begriffsjurisprudenz. 352 Wiedemann, ZGR 1975, 391. 353 Hölters, BB 1978, 640 f. 354 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 172 ff.; v. Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft, S. 88 ff.; Empt, Corporate Social Responsibility, 2004, S. 119 ff.; Groh, DB 2000, 2153, 2157; Rittner, JZ 1980, 113 ff.; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 159; Zöllner, AG 2000, 145 f.; Zöllner, AG 2003, 2 f., 7. Auch MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 73 ff., 82 f., 86, 92, neigt einer monistischen Konzeption zu, wenn er ausführt, die

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Insbesondere Zöllner hebt ähnlich wie Wiedemann die Bedeutung des Verbandszwecks hervor. Die Zweckbindung allein soll ausreichen, um den Vorrang des Verbandsinteresses in den Geschäftsführungsangelegenheiten zu begründen.356 Neuen Schwung hat der Einfluss US-amerikanischer Konzepte und Erklärungsansätze in die Diskussion gebracht. So wird die Prinzipal-Agent-Theorie als Stütze einer vorrangig aktionärsorientierten Sichtweise herangezogen.357 Der Shareholder Value-Ansatz wird zwar nicht in seiner originären Konzeption gebraucht, sondern in den Verbandsgedanken derart integriert, dass auch er ein Synonym für vorrangige Beachtung der Aktionärsinteressen bzw. erwerbswirtschaftlicher Belange geworden ist.358 Eine Verankerung in der Satzung wird bereits als zulässig erachtet.359 Der sich entwickelnde Zweig der Rechtsökonomie beteuert unter Rückgriff auf diese Lehren, der Vorrang der Aktionärsinteressen sei zwingend, da die Anteilseigner als Residualberechtigte das größte Risiko trügen, die anderen Interessengruppen ausreichend durch zwingendes Gesetzesrecht geschützt seien, nur so die Kontrolle der Manager effizient gestaltet werden könne und der Prinzipal-Agent-Gedanke im Aktiengesetz durch das KontraG von 1998 einen Niederschlag gefunden habe.360 Die Konzeption des „Gesellschaftsinteresses“ ist monistisch und vermag aus diesem Grunde die strafrechtliche Konzeption zu stützen. Sie ist jedoch weit daLeitung der AG sei primär auf das Wohl der Gesellschaft und ihrer Aktionäre ausgerichtet. Dennoch legt er sich vorrangig auf die Schranken des Bestandes und der dauerhaften Rentabilität fest: Die Gewinnmaximierung sei nicht operabel und gesetzlich, Shareholder Value stelle ein Subziel dar, das der Vorstand verfolgen könne, aber nicht müsse, die erwerbswirtschaftliche Zielsetzung hindere den Vorstand nicht an sozialen Erwägungen. Soziale Erwägungen werden aber immer wieder auf die „Günstigkeit“ für die Gesellschaft bezogen, die sich jedoch nicht materiell auswirken müsse. 355 Darauf hinweisend auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 97; diese Schwäche eines jeden pluralistischen Ansatzes erkennend Teubner, ZGR 1983, 34, 39. 356 Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 324. Zwar geht es Zöllner in der Untersuchung maßgeblich um die Stimmrechtsschranken der Gesellschafter; da diese in Fragen der Geschäftsführung dem Verbandsinteresse unterliegen sollen, dürfte dies erst recht für den Vorstand gelten. 357 Etwa Kuhner, ZGR 2004, 244, 253; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 117; Säcker/ Boesche, BB 2006, 897, 898; Zöllner, AG 2003, 2, 10. 358 Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 29 ff.; modifiziert nutzt den Shareholder Value-Begriff auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12, ohne ihm aber zu folgen; neue Orientierung am Gesellschaftsinteresse, gekoppelt mit einer Binnenperspektive werden erkennbar, wenn Mülbert, ZGR 1997, 129, 141, vom „Gesellschaftsinteresse“ als „überindividuelle, von den konkreten Interessen der einzelnen Verbandsmitgliedern abgelöste und für alle Gesellschaftsorgane gleichermaßen verbindliche Leitmaxime“ spricht, das aus diesem Grunde zumindest nicht zwingend identisch mit dem Interesse der Mehrheit der Gesellschafter sei. 359 Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 35. 360 Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 31, 33.

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von entfernt, einhellig anerkannt zu werden. Das Unternehmensinteresse als Leitmaxime des Vorstands, das nunmehr untersucht werden soll, kann – so die Prämisse – als Gegenentwurf angesehen werden.

III. Oder: Verpflichtung des Vorstands auf das Unternehmensinteresse Nach dieser Konzeption soll der dem Vorstand zugebilligte Ermessensspielraum eine Begrenzung darin finden, dass der Vorstand ausschließlich im „Unternehmensinteresse“ handeln dürfe. Das „Unternehmensinteresse“ ist in seiner typischen Erscheinungsform eine pluralistische361 Konzeption. Als gedankliche Wurzeln des „Unternehmensinteresses“ werden insbesondere die Prägung der deutschen Rechtskultur durch die idealistische bzw. Hegel’sche Philosophie und ihrer Vorstellungen von der Teleologie staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen und durch korporatistische Tendenzen, etwa der Katholischen Soziallehre, ausgemacht.362 Das „Unternehmensinteresse“ gilt – wie alle Begriffe aus der Gattung des „Unternehmens“ 363 – als äußerst umstritten im Gesellschaftsrecht,364 was auch im strafrechtlichen Bereich zu Problemen führt.365 Auch wenn die dem Unternehmensinteresse zugedachten Funktionen facettenreich sind,366 interessiert es in dieser Arbeit ausschließlich als Leitmaxime, vorrangig für den Vorstand. Zunächst muss herausgearbeitet werden, was das „Unternehmensinteresse“ überhaupt ausmachen soll. Ausführungen der zivilrechtlichen Rechtsprechung 361 „Pluralistisch“ soll im Folgenden als auch „dualistisch umfassend“ verwendet werden. 362 Vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244, 247; ein Einfluss der „Gemeinnutzideologie“ des nationalsozialistischen Staates wird am § 70 AktG 1937 festgemacht, so Kuhner, ZGR 2004, 244, 250. 363 Dieses Schicksal teilt er mit dem „Unternehmen“ und insbesondere dem „Unternehmen an sich“, vgl. unten, Kapitel 2 C. III. 1. q). 364 Vgl. zu den verschiedenen Betitelungen als „Hohlgefäß“ usw. bereits oben; Großmann, Unternehmensziele, S. 88, fasst dies dahingehend zusammen, es bleibe unklar bzw. widersprüchlich, was das Unternehmensinteresse begrifflich sei, warum ihm rechtliche Qualität zukommen solle und was der Inhalt des Unternehmensinteresses sei; dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass einer rechtlichen Ableitung eines Unternehmensinteresses kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde, vgl. dazu insbesondere Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 32. 365 Dazu MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 230; Tiedemann FS Tröndle, 1989, S. 319, 328; Tiedemann FS Weber 2004, S. 319, 324; Volk FS Hamm, 2008, S. 803, 810; Dierlamm, StraFo 2005, 397, 401 f.; zu der Problematik unbestimmter gesellschaftsrechtlicher Vorgaben bei unternehmerischen Entscheidungen insgesamt Kubiciel, NStZ 2005, 353. 366 Vgl. dazu Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 139 ff.

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zum „Unternehmensinteresse“ bzw. „Interesse des Unternehmens“ erschöpfen sich zumeist in der Verwendung als bloßem Schlagwort.367 Eine inhaltliche Klärung ergibt sich daraus nicht. Eher scheint es so zu sein, dass – und diese Funktion hatte in der Rechtsprechung auch das „Gesellschaftsinteresse“, was auch die Häufung der Substitution erklären dürfte – damit lediglich negativ der Einfluss sachfremder Erwägungen ausgeschlossen werden soll. Nahe liegt die Lesart, das „Unternehmensinteresse“ als „Interesse des Unternehmens“ zu verstehen. Viel gewonnen ist damit nicht. Das „Interesse des Unternehmens“ steht zwar in Verwandtschaft zum „Interesse der Gesellschaft“, das bei der strafrechtlichen Betrachtung analysiert wurde. Parallel dazu lässt es sich jedoch nicht konstruieren: Der „Gesellschaft“ kommt aufgrund ihrer Eigenschaft als juristische Person die Fähigkeit zu, sich von ihren Mitgliedern abzuheben, durch Organe zu handeln und rechtstechnisch Zurechnungspunkt u. a. auch für Interessen zu sein.368 Die ganz herrschende Meinung billigt Unternehmen den Status einer juristischen Person nicht zu.369 Dennoch bietet sich der Begriffsbestandteil „Unternehmen“ als Ausgangspunkt an. Ein Grund dafür ist, dass etwa die materielle Lesart des Unternehmensinteresses, die auf dem Unternehmensbegriff aufbaut, nur im Zusammenhang ihres jeweiligen Unternehmensverständnisses einsichtig wird: Auf den Inhalt eines Unternehmensinteresses sollen sich nur diejenigen einigen können, die eine Sichtweise des Unternehmens teilen.370 Aus diesen Überlegungen ergibt sich für den Gang der weiteren Untersuchung Folgendes: Es soll zunächst das Gebilde des „Unternehmens“ untersucht werden. Dabei ist im Hinblick auf die zu bestimmende Interessengenese bereits an jener Stelle besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob sich das Unternehmen eher als „Zusammenschluss“ bestimmter Bezugsgruppen („Stakeholder“) und deren Partikularinteressen versteht (etwa als „Sozialverband“) oder sich von diesen – dann zumindest in dieser Hinsicht ähnlich der juristischen Person – abhebt (etwa in Anlehnung an die Idee des „Unternehmens an sich“ 371).

367 Vgl. BGHZ 64, 325, 331; 76, 191, 194 – Riegeler Bier; BGHZ 83, 106, 120, 121 – Siemens; BGHZ 83, 144, 149 – Dynamit Nobel; BGHZ 83, 151, 153 – Bilfinger & Berger; BGHZ 125, 239, 243. 368 Vgl. insbesondere zum letzten Punkt Wolff/Stober/Bachof/Kluth, Verwaltungsrecht I, S. 296. 369 So bereits Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 118; anders Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 166 ff.; ähnlich Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 66, der dies jedoch eher als Synonym für die Subjektstellung verwendet habe dürfte. 370 Vgl. Raiser FS R. Schmidt, 1976, S. 114. 371 Durch den Terminus „Unternehmensinteresse“ wird eine Personifizierung des Unternehmens durchaus nahegelegt, vgl. Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 20.

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Hält das Unternehmen die Verbindung zu den Bezugsgruppen und deren Partikularinteressen, liegt es nahe, dass sich deren Interessen im „Unternehmensinteresse“ widerspiegeln. Dies kann entweder in „materieller“ Hinsicht geschehen, indem auf abstrakt-phänotypische Interessen abgestellt wird, oder „formal-prozessual“ im Sinne eines verfahrensmäßigen Ausgleichs der konkrettatsächlichen Interessen. Diese Unterscheidung ist der weiteren Untersuchung zugrunde zu legen. Hebt sich das Unternehmen hingegen von seinen „Mitgliedern“ ab, so können deren Interessen weder materiell noch formal-prozessual auf die Interessengenese einwirken. Es wäre sodann – ähnlich der Untersuchung im strafrechtlichen Teil – ein anderes Erklärungsmodell für die Interessengenese zu entwickeln. Bei der Beleuchtung der Interessengenese ist in beiden Fällen kritisch zu hinterfragen, ob das „Unternehmensinteresse“ überhaupt pluralistisch im Sinne einer Ausrichtung des Verhaltensmaßstabes auf Interessen verschiedener Gruppen bzw. auf verschiedene Interessen ohne Bezug zu bestimmten Gruppen ist. Dabei ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob „echte“ pluralistische Standpunkte vertreten werden, mithin die ausgeloteten Interessen gleichrangig zu berücksichtigen und nicht dem Interesse der Gesellschafter zu dienen bestimmt sind.372 Diese Prüfung ist von großer Wichtigkeit im Hinblick darauf, dass heute das „Unternehmen“ teils als Synonym für „Gesellschaft“,373 und das „Unternehmensinteresse“ für „Gesellschaftsinteresse“ verwendet wird.374 Diese Abgrenzung wird besonders plastisch bei der bereits oben dargestellten sog. enlightened Shareholder Value-Doktrin.375 Nur wenn sich die Konzeptionen als „echte“ pluralistische verstehen, kann eine mögliche Verwerfung mit der strafrechtlichen Konzeption festgestellt werden. 372 Insbesondere die materielle Ausrichtung wird zur Überprüfung der „echten“ pluralistischen Ausrichtung eines „Vergleichselements“ bedürfen. 373 Augenscheinlich wird dies insbesondere bei der Behauptung, dass, spreche man „verkürzt“ von Unternehmen, man an sich Unternehmensträger meine, dazu Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 41; dass dies jedoch nicht zwangsläufig zu einem monistischen Verständnis des Unternehmens führt, zeigt Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 139, auf, der das Unternehmen als mit der Gesellschaft identisch ansieht (sog. „Identitätsthese“). Er will jedoch die bestehenden – bisher sog. – Gesellschaftsorgane in eine neue Funktion als Unternehmensorgane überführen und das Unternehmen als Subjekt einordnen. Neben die drei Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung stellt er als viertes Unternehmensorgan die Belegschaft und löst so bereits den Gesellschaftsbegriff von einer monistischen Färbung. 374 Auch BGHZ 135, 244 ff. – ARAG/Garmenbeck; Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 899; Säcker/Stenzel, JZ 2006, 1151, 1156 f.; auch nach Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 63, sind Gesellschaftsinteresse und Unternehmensinteresse identisch; dies dürfte aber vor allem daran liegen, dass er bereits ein pluralistisch erweitertes Verständnis von „Gesellschaft“ vertritt. 375 Vgl. oben, Kapitel 2 B. IV.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

1. Unternehmensbezug des Unternehmensinteresses – Begriff des Unternehmens a) Unternehmen als konzerndimensionaler Begriff? In gesetzlichen Regelungen wird der Begriff des „Unternehmens“ insbesondere im Kontext der verbundenen Unternehmen verwendet,376 etwa in den §§ 15 ff., 291 ff. AktG. Die Bestimmungen ziehen jedoch keine Definitionen des „Unternehmens“ nach sich; der Gebrauch des Begriffes in diesem Kontext beschränkt sich unter Zurückführung auf den Zweck der Regelungen darauf, Interessengegensätzen und Machtmissbrauch durch rechtsformneutrale „Unternehmen“ vorzubeugen.377 b) Unternehmen im Verhältnis zur Gesellschaft Als rechtlicher Fixpunkt des Unternehmens bietet sich die Gesellschaft, mithin die juristische Person, an. Bereits die geäußerten Ansichten zur Relation von Gesellschaft und Unternehmen sind jedoch ebenso mannigfaltig wie die Äußerungen zum Unternehmensbegriff: Es wird vertreten, Gesellschaft und Unternehmen seien zu identifizieren:378 So sieht etwa Flume das Unternehmen als juristische Person verfasste Wirkungseinheit an. Das Gesellschaftsrecht sei daher bereits das geforderte Unternehmensverfassungsrecht.379 Eine Forderung nach der Entwicklung des Gesellschaftsrechts zum Unternehmensrecht sei richtigerweise zu verstehen als „,Fortentwicklung‘ des Rechts der ,juristischen Person‘“ 380. Die als juristische Person verfasste Aktiengesellschaft381 sei nicht unmittelbar mit den Gesellschaftern verbunden, sie sei nicht Anteilseignergesellschaft.382 Zu einer Gleichbedeutung der Begriffe von Gesellschaft und Unternehmen gelangt auch Mertens: Das Unternehmen als soziale und wirtschaftliche Zweck-, Handlungs- und Wirkungseinheit sei in die juristische Person inkorporiert und als Gesellschaft verfasst. Diese Sichtweise, die die Theorie von der Gesellschaft als Unternehmensträger ablöse, sei eher im Stande, die Realität abzubilden. Auch dem § 76 AktG müsse die Sichtweise der Gesellschaft, gleichbedeutend mit Un376

Vgl. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Rn. 642. Vgl. dazu Hüffer, AktG, § 291 Rn. 8. 378 Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 54; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 17 f.; Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 139. 379 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 19 f. 380 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 20. 381 Anders übrigens für die GmbH; auf das Weisungsrecht abstellend, Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 27. 382 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 25. 377

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ternehmen, zugrunde gelegt werden, um zu einem sinnvollen Leitungsbereich des Vorstandes zu gelangen. Die Verfassung der juristischen Person (im hiesigen Falle als das Recht der Aktiengesellschaft samt Mitbestimmung) müsse als „gestaltbildende und einheitsstiftende Struktur“ des Unternehmens, das in die juristische Person inkorporiert und als Aktiengesellschaft verfasst ist, begriffen werden.383 Die Gegenansicht bewertet Unternehmen und Gesellschaft als entgegengesetzte Einheiten,384 die sich aber durchaus überschneiden könnten: Nach Schilling stelle das obere Segment die Hauptversammlung dar, das untere markiere die Belegschaft. Die Schnittmenge, die die einzige Verbindung zwischen den Kreisen sei, repräsentiere Aufsichtsrat und Vorstand.385 Vermittelnd zwischen diesen Ansichten steht Fechner, der davon ausgeht, dass man auf das Unternehmen treffe, wenn man die Abstraktheit der juristischen Person zu überwinden versuche.386 Das Unternehmen stehe mithin „hinter“ der juristischen Person.387

Die wohl herrschende Meinung sieht die Gesellschaft als Unternehmensträger, wobei das Unternehmen objektivistisch betrachtet wird.388 Sollte dies plastisch dargestellt werden, so wären dies zwei unterschiedlich große Einheiten, wobei die größere Einheit (das Unternehmen) die kleinere (Gesellschaft) voll umfasst.389

383

KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 6. So wohl auch Fechner, Treubindungen, S. 82; missverständlich insoweit Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 226, der annimmt, das Unternehmen trete „neben die Gesellschaft“, später jedoch davon ausgeht, dass die Gesellschaft sich mit anderen Kräften zum Unternehmen verbindet, S. 230, und die Gesellschaft vom Unternehmensverband umfasst würde, der Gesellschaft mithin eine Unternehmensverfassung „wie ein Hut aufgestülpt“ würde, S. 231; nicht ganz eindeutig auch Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, S. 276. 278 f., der das Unternehmensrecht dem Gesellschaftsrecht als „umfassendere“ Kategorie „gegenüberstellen“ will. 385 Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 140 f. 386 Fechner, Treubindungen, S. 62. 387 Fechner, Treubindungen, S. 63, 70. 388 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 9; MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 15, 64; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 14; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 34; a. A.: Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 23, nach dem die Einordnung der juristischen Person als Unternehmensträgerin mit der rechtlichen Ausgangslage nicht in Übereinstimmung gebracht werden könne. 389 Eindeutig das Unternehmen als den umfassenderen Begriff ansehend Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 19; wohl auch Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 75, der den Unternehmensbegriff als die von der Gesellschaft zu unterscheidende (weitere) Rechtseinheit ansieht; Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 230 f., der sich jedoch nicht ganz deutlich ausdrückt; Schilling FS Duden, 1972, S. 537, 538, der den Begriff des „Unternehmens“ als den umfassenderen Begriff gegenüber dem der Gesellschaft ansieht. 384

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Dass der Umfang eines Unternehmens sich nicht mit demjenigen eines Rechtssubjekts decken muss, ist bereits früh erkannt worden.390

Es dürfte anhand dieser kurzen Darstellung bereits deutlich geworden sein, dass das Verhältnis zur Gesellschaft ebenfalls mit Unsicherheiten behaftet ist. Auch die herrschende Meinung führt nicht zu einer klaren Bestimmung dessen, was das Unternehmen genau ausmachen soll. Ein für die hiesige Untersuchung praktikabler Begriff lässt sich mithin daraus nicht ableiten. c) Historische Entwicklung des Unternehmensbegriffs Zumindest bei seiner Entstehung hatte der Begriff des „Unternehmens“ eine eigenständige Bedeutung gegenüber dem der „Gesellschaft“, insbesondere vor dem Hintergrund eines teils ideologisierenden Gebrauchs. „Unternehmen“ soll daher in seinem historischen Zusammenhang beleuchtet werden, um zu klären, ob mit seiner Einführung ein Gegenbegriff zur Gesellschaft391 im Sinne einer bewussten Ablehnung der monistischen Konzeption eingeführt werden sollte. Es ist zu überprüfen, ob ursprünglich ein „Rahmen“ geschaffen werden sollte, der – anders als die Gesellschaft – offen war für eine Betrachtung verschiedenster Beziehungen zwischen Vorstand, Anteilseignern, Arbeitnehmern, Öffentlichkeit usw., ob also das Unternehmen als interessenpluralistische (nur in seinen Nuancen unterschiedlich konzipierte) Veranstaltung begriffen wurde.392 Der vorrangige Zweck der Aktiengesellschaften wurde zu Zeiten der Leobener Eisenhandelsgesellschaften (Statut 1439) und der Niederländisch-Ostindischen Compagny in der Kapitalsammelfunktion gesehen.393 Die kleinen Geldgeber waren einflusslos und wurden als Obligationäre betrachtet. Erst einige Zeit später wurde ihnen eine „Eigentümerstellung“ zuerkannt.394 Die Leitung der Kompanien übernahmen die Großaktionäre, die das Bestimmungsrecht aufgrund der staatlich genehmigten oder verliehenen Statuten behielten.395 Deren Rechte wurden jedoch aufgrund zunehmenden Machtmissbrauchs durch eine Stärkung der Generalversammlung eingeschränkt. Da diese eben auch aus zahlreichen Kleinaktionären bestand, konnte sie mangels Interesse und Fähigkeit diese Aufgabe nur unzulänglich bewältigen, sodass gesellschaftsfremde Beamte dieses Defizit 390 So bereits u. a. Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 53, 56; wohl auch Fechner, Treubindungen, 1942, S. 82, nach dem die juristische Person Trägerin von Rechten und Pflichten ist, die sich auf das Unternehmen beziehen. 391 Die Aktiengesellschaft wurde, ebenso wie andere Gesellschaftsformen, als Anteilseignerverband entworfen, zu dem insbesondere Kapitalgeber und der Vorstand gerechnet wurden, Schilling, ZHR 144 (1980), 136 f. 392 So Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 34; Zöllner, AG 2003, 2, 3. 393 Zu den historischen Wurzeln der Aktiengesellschaft vgl. Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 53 ff. 394 Vgl. Steinmann, Großunternehmen, S. 13. 395 Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 23 f.

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ausfüllen mussten.396 Die Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht war vollzogen. Erst zum Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat die Entwicklung eines eigenständigen Handelsrechts eingesetzt. Hauptquellen waren das Preußische Allgemeine Landrecht, das allerdings noch ständisch ausgerichtet war, und der Code de Commerce. Der Code de Commerce unterschied drei Gesellschaftsformen: Die „société en nom collectif “, die „société en commandite“ und die „société anonyme“.397 Einen entscheidenden Schritt markierte die Aktiengesellschaft des Code de Commerce von 1807, die nach Art. 37 nicht mehr von einer staatlichen Konzession398 – die als mit den damaligen liberalen Ordnungsvorstellungen als unvereinbar galt399 – abhängig und eine „ziemlich einfache Gesellschaft“ 400 war. In Deutschland wurde die genehmigungsfreie Aktiengesellschaft durch das ADHGB von 1861 eingeführt, in dem sie als eine besondere Form der Handelsgesellschaft geregelt war.401 Mit der Novelle von 1870 wurde die Zahl der Rechtsformen auf zwei gesetzlich genau geregelte Typen beschränkt, nämlich AG und KAG. Die AG, die nicht Handelsgesellschaft war, wurde der Handels-AG gleichgestellt.402 Die GmbH trat erst später hinzu. Das Normativsystem, das lediglich einen Registrierungszwang und formale Voraussetzungen vorsah und so das Konzessionssystem abschaffte, sollte die Bedürfnisse individueller Freiheit der Kapitalbeteiligung, Sicherheit des Rechtsverkehrs und Schutz der Gläubigerinteressen gewährleisten. Die Staatsaufsicht wurde in der Aktiengesellschaft durch das nicht mehr länger fakultative Kontrollorgan Aufsichtsrat zu ersetzen versucht (Art. 191 ff., 224 ff. ADHGB).403 Die „Einfachheit“ dieses – damals „idealen“ – Systems beruhte auf der Vorstellung, dass Entscheidungen über das weitere Agieren des Unternehmens allein dem Willen der Kapitaleigner anvertraut werden konnten.404 396

Steinmann, Großunternehmen, S. 14 f. Großmann, Unternehmensziele, S. 135; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 69; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 24 ff. 398 Das Konzessionssystem beruhte nach Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 65, auf der rechtspolitischen Motivation, bestehende Machtstrukturen zu festigen und ein bürgerliches Nebenregime des Staates zu verhindern. 399 Steinmann, Großunternehmen, S. 16. 400 Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 22. 401 Vgl. dazu Großmann, Unternehmensziele, S. 69; Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 24. 402 Nach Art. 208 ADHGB galt die AG als Handelsgesellschaft, auch wenn sie kein Handelsgeschäft betrieb; später § 210 Abs. 2 HGB, der nicht mehr von Handelsgeschäft, sondern von Handelsgewerbe sprach; heute § 3 AktG. 403 Vgl. Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 66 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 26. 404 Vgl. Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 20. 397

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In der Gründerzeit (insbesondere 1870–1873) kam es zu einem starken Anstieg der AG-Gründungen. Sie führte in eine Krise, die verschiedene gesetzliche Novellen notwendig werden ließ: 1870/1884 wurden – auch im Sinne des liberalen Gedankenguts – die Rechte der Generalversammlung gestärkt (Art. 221 ff.; 237 ff. ADHGB), der Stimmenkauf unterbunden. Der Vorstand konnte jederzeit abberufen und die Geschäftsführung ganz auf den Aufsichtsrat übertragen werden.405 Insbesondere die Stärkung der Generalversammlung (u. a. durch Wahl der Aufsichtsratsmitglieder) stand der tatsächlichen Entwicklung der Aktiengesellschaft zur Publikumsgesellschaft diametral entgegen: Die Macht der Generalversammlung vertrug sich – und hier ergibt sich eine historische Parallele zur Generalversammlung der Handelskompanien – nicht mit ihren tatsächlichen Problemen bei der Willensbildung.406 Der Machtzuwachs der Generalversammlung diente als Vehikel der Machtdiskrepanz zwischen einigen wenigen Großaktionären bzw. dem Vorstand gegenüber machtlosen Anlageaktionären.407 So wurde festgestellt, „daß der Vorstand die Geschicke der Gesellschaft weit mehr als alle übrigen bestimmt[e]“.408 Um den Gläubigerschutz zu verstärken, wurde mit der Novelle von 1884 auch haftendes Garantiekapital obligatorisch und das Niederstwertprinzip zur Bewertung der Aktiva eingeführt. Fast ohne Erwähnung bleiben zu dieser Zeit die Arbeitnehmer, denen lediglich 25 Paragraphen im HGB 1900 gewidmet waren;409 diese werden aber aufgrund ihrer lückenhaften Struktur nicht als umfassende Regelung bezeichnet.410 Das Arbeitsrecht hatte sich noch nicht als eigenes Rechtsgebiet etabliert, Tarif- und Arbeitskampfrecht waren noch nicht besetzt. Eine Beteiligung von Arbeitnehmern durch betriebliche Vertretung existierte nur äußerst vereinzelt. Bevor das „Unternehmen“ überhaupt in den Blickpunkt gerückt wurde (bzw. wenn, dann ausschließlich in seiner Funktion als Objekt, das vom Einzelkaufmann bzw. einer Gesellschaft betrieben wird, somit als Inbegriff der Tätigkeit), 405

Vgl. Steinmann, Großunternehmen, S. 19. Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 25; Steinmann, Großunternehmen, S. 20 ff., der dies auch auf die fehlende Publizität zurückführt, S. 23 f. 407 Vgl. dazu Wieland, Handelsrecht II, S. 9: „[E]ine kleine Zahl von Großaktionären [hat] vermittelst des ihnen die Mehrheit verleihenden Aktienbesitzes und der von ihnen bestellten und ihrem Willen dienstbaren leitenden Organe sich eine unangreifbare Machtstellung errungen [. . .], oft rücksichtslos den Interessen ihrer Gruppe diejenigen der übrigen Aktionäre und der Gesellschaft selbst zum Opfer bringend, während die Großzahl der Aktionäre, die die Aktien zum Zwecke einer gewinnbringenden Anlage oder der Spekulation erworben haben, zu völliger Bedeutungslosigkeit herabgedrückt werden.“ 408 Klein, Entwicklungen, S. 32, geht sogar so weit, den Vorstand als die „Gesellschaft selbst“ und das „Handelnde Wirtschaftssubjekt“ zu bezeichnen. 409 §§ 59–83 HGB. 410 Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 33. 406

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waren also die diskussionsprägenden Begriffe des Handels- und Gesellschaftsrechts die des „Einzelkaufmanns“, der „Handelsgesellschaft“ und des „Handelsgeschäfts“;411 daher waren diese Begriffe auch Mittelpunkt des Handelsgesetzbuches von 1897.412 Die Problematik, ob es im Gesellschaftsrecht auch andere Interessen als die der Aktionäre zu beachten gilt, war noch nicht erkannt.413 Ein formaler Durchbruch gelang dem Unternehmensbegriff in der (Kriegs-) Gesetzgebung des Ersten Weltkrieges: Ausländische „Unternehmen“ wurden Sondervorschriften unterworfen, die sie beispielsweise der Verwaltung durch eine Aufsichtsperson unterstellte, die die deutschen Interessen wahrzunehmen hatte.414 Der Begriff des „Unternehmens“ trug – an dieser Stelle zeigt sich eine Parallele zur heutigen gesetzlichen Regelung der verbundenen Unternehmen – dem Bedürfnis nach rechtsformübergreifenden Regelungen Rechnung. Die Weimarer Reichsverfassung erklärte sodann in Art. 156 WRV das Reich für befugt, private wirtschaftliche Unternehmen, die für die Vergesellschaftung geeignet erschienen, in Gemeineigentum zu überführen. Die bisher aufgezählten Vorschriften sind indes dem öffentlichen Recht zuzuschreiben, das sich nicht auf einzelne Gesellschaftsformen beschränkt und daher mit dem rechtformneutralen Unternehmensbegriff arbeitet.415 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schränkte die Rechtsprechung zunehmend die Aktionärs- und Minderheitenrechte ein; im Gesellschaftsrecht wurde das „Unternehmen“ Gegenstand eingehender Diskussion, als es sich – insbesondere verknüpft mit den Namen Rathenau, Haussmann und Netter – bis zum viel zitierten und stark verzerrten „Unternehmen an sich“ aufschwingen konnte.416 Die Diskussion um das „Unternehmen an sich“ war zwar von begrifflichen Verwirrungen geprägt, wirkte jedoch befruchtend, wenn nicht gar grundlegend für die Erörterung einer pluralistischen Unternehmenskonzeption: Die beobachtete und dem „Unternehmen an sich“ vorgeworfene „Verselbständigung“ war nichts anderes als die Vereinheitlichung unterschiedlicher Interessen. 411

§§ 1 ff., 105 ff., 343 ff. HGB 1900; vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation,

S. 1. 412

Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 15. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 51; der Begriff des „Unternehmens“ in den §§ 2, 3 HGB bedeutet nach Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 15, das gleiche wie „Gewerbe“ und dürfte nur aus Gesichtspunkten der Sprachästhetik verwendet worden sein; Köhler, JZ 1956, 137 f., betont, das Aktienrecht sei jedenfalls bei seiner Entstehung ganz auf dem Gedanken der einheitlichen Zurechnungsgrundlage – das „autonome Privatinteresse der zusammengeschlossenen Eigentümer“ – gegründet worden; dieser Zurechnungszusammenhang sei jedoch bereits mit Einführung des § 70 AktG 1937 und des Mitbestimmungsrechts zerbrochen. 414 Vgl. dazu Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 20. 415 Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 23. 416 Vgl. dazu Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 67 ff. 413

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So spiegelt denn auch der erste Entwurf des Aktiengesetzes 1930 ein neuartiges Verständnis wider, wenn dort die Rede ist von der „Rechtsidee, daß das Unternehmen nicht nur der äußere Rahmen für die Verfolgung der Interessen der einzelnen beteiligten Staatsbürger, sondern als solches ein Rechtsgut besonderer Eigenart und eine Einrichtung mit besonderen Aufgaben sei, eine Einrichtung, der der Staat Schutz und Förderung auch insoweit nicht vorenthalten dürfe, als das Schutz- und Förderungsbedürfnis in Widerstreit mit den Sonderinteressen der Aktionäre gerät [. . .]. Von diesem Gedanken ausgehend, erkennt der Entwurf den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz als berechtigt an, daß die Interessen des Unternehmens als solchem ebenso schutzwürdig sind wie das individuelle Interesse des einzelnen Aktionärs. Bei sachgemäßer Verwaltung des Unternehmens und richtiger Einstellung der einzelnen Aktionäre gibt es in Wahrheit einen Interessengegensatz zwischen dem Unternehmen und seinen Aktionären nicht [. . .].“ 417 Bis zu dieser Stelle lässt sich lediglich ein Abschied von einer individualistischen Denkweise feststellen. Eine pluralistische Ausrichtung wird aber in folgenden Äußerungen deutlich: „Die Verwaltung hat ausschließlich dem Unternehmen zu dienen, und der Aktionär muß sich dessen bewußt bleiben, daß die moderne Aktiengesellschaft nicht nur eine Form des individuellen Gewinnstrebens ist, sondern in verschiedenen Abstufungen auch den allgemeinen Interessen des Volkes zu dienen hat“.418 Abgeschafft werden sollte die Vorratsaktie, beibehalten die Stimmrechtsaktie. Eine Auflösung sollte möglich sein bei der Gefährdung des Gemeinwohls durch gesetzeswidriges Verhalten. Der Entwurf wurde mit lediglich marginalen Veränderungen zum Amtlichen Entwurf von 1931, der jedoch nur in Teilen419 Gesetz wurde. In der Aktienrechtsnovelle vom 19.9.1931 führte der Gesetzgeber die Pflichtprüfung der Rechnungslegung der Aktiengesellschaft ein,420 die vornehmlich im öffentlichen Interesse und im Gläubigerinteresse und erst nachrangig im Aktionärsinteresse liegen und den Schutz des Unternehmens bezwecken sollte.421 417 Entwurf eines Gesetzes über die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, veröffentlicht durch das Reichsjustizministerium, Berlin 1930, S. 94 ff. 418 Entwurf eines Gesetzes über die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, veröffentlicht durch das Reichsjustizministerium, Berlin 1930, S. 94 ff.; Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 540, sieht in dieser Äußerung einen eindeutigen Beweis für das Vordringen des Unternehmens und ein Zurücktreten des Individualinteresses; i. Ü. ist dem Gutachten des Deutschen Anwaltvereins zu den Fragebögen des Reichsjustizministeriums, das den Entwurf beeinflusst haben dürfte, zu entnehmen: „Das Unternehmen ist als solches in seiner Objektivierung und Versachlichung und durch den Schutz dieser sozialen Funktion des Unternehmens zu einem den Aktionärsindividualismus einschränkenden Moment geworden“, Druckschriften des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 22, S. 14. 419 Nur die Regelungen zur Rechnungslegung wurden Gesetz. 420 RgBl I S. 493, 498. 421 Geßler, 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft, 1965, S. 129, 149.

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Als der „entscheidende gesetzgeberische Schritt“ 422 bzw. als „dominierender Akzent“ 423 wird die Einführung der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand angesehen, der zu einer Emanzipation von den Aktionären unter Bindung an das Wohl des Betriebs, seiner Gefolgschaft und an den gemeinen Nutzen von Volk und Reich (§ 70 AktG 1937) erfolgte. Es wird konstatiert, der Arbeiter sei nicht mehr, wie Otto v. Gierke noch beanstandete,424 rechtlos in dem Kapitalverein.425 Das Aktiengesetz von 1937 war insbesondere – wieder – von den enttäuschten Erwartungen an die Hauptversammlung geprägt: Ging man anfangs davon aus, dass die Hauptversammlung das Interesse und die Fähigkeit aufwies, unternehmerische Tagesentscheidungen durch An-Sich-Ziehen der Entscheidungsgewalt oder Weisungen an den Vorstand treffen zu können, so kristallisierte sich bald heraus, dass die Generalversammlung weder sachlich noch verfahrensmäßig dazu befähigt war. Zudem mangelte es dem Vorstand an der dann erforderlichen Eigenständigkeit und Beweglichkeit.426 Dementsprechend wurde die Generalversammlung als „souveränes Unternehmensorgan“ mit dem AktG 1937 „entmachtet“: Mit § 70 Abs. 1 AktG wurde die autonome Verantwortung des Vorstands festgeschrieben,427 der nunmehr auch nicht mehr ohne Grund abberufen werden konnte428 und dem gemeinsam mit dem Aufsichtsrat anstelle der Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses und die Kompetenz zur Rücklagenbildung übertragen wurde.429 Im Gegenzug wurden sowohl Mehrstimm- als auch Vorratsaktien grundsätzlich verboten. Ob nun die Stärkung der Vorstandsstellung eine Reaktion auf die teils handlungsunfähige Gesellschaftergesamtheit darstellt oder aber diese erst bewirkte,430 bleibt vage; richtig dürfte die Annahme einer wechselseitigen Verstärkung sein. Der Blick auf andere Interessen als die der Gesellschaft wurde sowohl durch die Debatte um das „Unternehmen an sich“ als auch durch die Gemeinwohlklausel und die neuen Mitbestimmungsregelungen erweitert.431 422

Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 137. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 30. 424 Vgl. O. v. Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. I, S. 1037. 425 Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 138. 426 Schilling, Bericht des Ausschusses II der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 63, 64; zur geschichtlichen Entwicklung auch Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 151 ff. 427 Vorher betonte bereits das Reichsgericht die Gleichberechtigung aller Gesellschaftsorgane und die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands, RGZ 117, 203; 142, 219. 428 Mit Recht weist Steinmann, Großunternehmen, S. 31, jedoch darauf hin, dass dies nur formale Bedeutung hatte, da der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung immer einen wichtigen Grund darstellt. 429 § 125 AktG 1937. 430 So Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 303. 431 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 129, bringt diese Entwicklung auf die Nenner „Emanzipation“ und „Integration“. 423

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Das explosive Gedankengut dieser Jahre wurde nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere unter dem Stichwort „Unternehmensverfassung“ 432 wieder aufgegriffen. Es wurde nach einem „Unternehmensrecht“ verlangt, da man befürchtete und beanstandete, eine gesellschaftsrechtliche Behandlung des Unternehmens könne dieses nicht in seiner Ganzheit erfassen.433 Auf dem Deutschen Juristentag 1951 kam die Bedeutung des Unternehmens mit großer Macht in den Blick, als die „Reform des Unternehmensrechts“ auf dem Programm erschien und zu diesem Thema eine Kommission eingesetzt wurde. In den Berichten der Kommission(en) wird bestätigt, dass das Gesellschaftsrecht nicht mehr tauglich sei, das Unternehmen in seiner Ganzheit abzubilden.434 Die Kommission spricht sich daher für ein Unternehmensrecht aus, das Unternehmer, Kapitaleigner und Arbeitnehmer zu würdigen wisse.435 Zahlreiche Änderungen des Handelsgesetzbuches und seiner Nebengesetze436 zeugen von diesen Umbrüchen. So führte Gieseke bereits 1940 den Nachweis, dass das Unternehmen von weiten Gebieten der Rechtsordnung als Einheit anerkannt werde und dass diese Gebiete zahlenmäßig denjenigen gegenüber überwiegen, die dem Unternehmen die Anerkennung versagen.437 „Kaufmann“ und „Unternehmen“ seien die Zentralbegriffe des Handelsrechts.438 Auch Raisers Untersuchungen ist der Nachweis zu verdanken, dass der Begriff des „Unternehmens“ an Bedeutung im Sprachgebrauch nicht nur von Judikatur und Lehre gewonnen hat, sondern in zahlreichen Gesetzen als Leitbegriff an die Stelle von „Kaufmann“ und Gesellschaft getreten ist.439 Neben dem Recht der verbundenen Unternehmen wenden sich insbesondere das Publizitätsgesetz, das 432 Auch als „Vehikel“ der Mitbestimmung bezeichnet, vgl. Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 35. 433 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 6. 434 Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 19; so auch: „Sechser Bericht“, 1968, S. 61. 435 Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 19. 436 Z. B. Aktiengesetz, 30.1.1937, 6.9.1965; Montanmitbestimmungsgesetz, 21.5. 1951, Mitbestimmungsgesetz, 4.5.1976. 437 Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 117 ff., 140; freilich ist in Rechnung zu stellen, dass die Untersuchung von Gieseke fast ein halbes Jahrhundert zurückliegt; dennoch dürfte die Bedeutung des Unternehmensbegriffs im Gesetz ungebrochen sein, vgl. dazu nur das Recht der verbundenen Unternehmen, §§ 15 ff., 291 ff. AktG. 438 Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 125. 439 Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 18; scharf kritisiert allerdings beispielsweise von Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 55; den Versuchen Raisers ähnlich sind die von Karl August Eckhardt, ZHR 94, S. 1, 20 ff., der damals bereits versuchte nachzuweisen, dass diese Determinierung geltendes Recht gewesen sei; und Hedemann, Das bürgerliche Recht und die neue Zeit, S. 17, der prophezeite, dass das Unternehmen der „dominierende Begriff bei dem Neubau der Privatrechtsordnung“ werde.

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Betriebsverfassungsgesetz, die Mitbestimmungsgesetze440 und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen an Unternehmen.441 Dass dies beim Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Funktion des Unternehmens als Rechts- und Pflichtsubjekt geschieht, trägt jedoch zu jener Zeit noch singulären Charakter: 1962 wird in der Begründung des Regierungsentwurfs zur Aktienrechtsreform davon gesprochen, das Aktienrecht müsse „von dem wirtschaftlichen Eigentum der Aktionäre an dem auf ihren Kapitalbeiträgen beruhenden Unternehmen ausgehen“; der Aktionär sei „wirtschaftlicher Eigentümer“.442 Erst das AktG 1965 wechselt etwa nach Raiser langsam die Sichtweise auf das Unternehmen vom Objekt zum Subjekt.443 Bei den Kapitalgesellschaften rücken die Rechtsfähigkeit und die Haftungsbeschränkung des „Unternehmens“ in den Vordergrund; dem Unternehmen müsse der Freiraum gewährt werden, der zu seiner Entfaltung notwendig sei. Die Haftungsbegrenzung rückt die vermögensrechtliche Sphäre des Unternehmens und der Gesellschafter so weiter auseinander.444 Zahlreiche Definitionsversuche des „Unternehmens“ vermochten es nicht, einen einheitlichen Begriff hervorzubringen. Als Grund wird zumeist angegeben, die Definitionen seien zu sehr den Gesetzen verhaftet, in deren Kontext sie stünden.445 Hinzu kommt, dass der Begriff des „Unternehmens“ auf das Engste mit einem „Unternehmensrecht“ verbunden ist. Der Begriff ist daher den gleichen Bedenken ausgesetzt wie ein Unternehmensrecht446 und leidet unter der Annahme, Unternehmensrecht sei ausreichend mit den Bestandteilen Gesellschaftsrecht und Mitbestimmungsrecht umschrieben.447

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Raiser, ZRP 1981, 30, 32. Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 25 ff., wobei hier schon das Unternehmen als Organisation aller am Produktionsprozess beteiligten Kräfte zu verstehen sei. 442 Bei Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 13. 443 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 27 ff. 444 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 17. 445 So schon Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 18; Fechner, Treubindungen, S. 63; Julius v. Gierke, ZHR 111 (1948), 1, 2; Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 140; NellBreuning FG Kronstein, 1967, S. 47; Ballerstedt, JZ 1951, 486, 487; i. Ü. wird auch der Begriff des „Unternehmers“ nicht einheitlich gebraucht, nämlich entweder als Bezeichnung für den Vorstand oder für den Aktionär, vgl. Fechner, Treubindungen, S. 71. 446 Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15 ff., 18 f., 29, erkannte unterschiedliche Gründe für das Misstrauen gegen ein „Unternehmensrecht“: Es bestärke den Verdacht, man bekenne sich nicht in ausreichendem Maße zur marktwirtschaftlichen Ordnung, negiere die Rolle des Unternehmers bzw. Kaufmanns, verliere den personalen Bezug, nähere sich dem „Unternehmen an sich“ an oder wolle die gesellschaftsrechtlichen Organisationsformen verdrängen bzw. einer Einheitslösung zuführen. 447 Vgl. Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 16, 21. 441

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Zu den Definitionsproblemen kamen Begriffsverwirrungen hinzu. So werden „Unternehmen“, „Unternehmung“ und „Betrieb“ teils als synonym behandelt.448 Diese sollen vorab ausgeräumt werden. d) Negative Abgrenzung zum Begriff des „Betriebs“ Im Arbeitsrecht kommt dem Begriff des „Unternehmens“ keine besondere Bedeutung zu. Dies dürfte historisch insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass sich arbeitsrechtlich der Betriebsbegriff449 bereits als Schlüsselbegriff etablieren konnte.450 Dass sich eine pluralistische Betrachtung des Unternehmens nicht verfestigen konnte, dürfte auch daran gelegen haben, dass so ein Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit forciert wurde: Dementsprechend geht man auch davon aus, dass sich das Arbeitsrecht „in scharfer Frontstellung gegenüber dem bürgerlichen Recht und Handelsrecht entwickelt“ 451 hat. Von Vertretern des (Neo-)Marxismus sei ein Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit selbst befördert worden; dies habe sich insbesondere bei der Entwicklung des MitbestG niedergeschlagen: Einer Kooperation von Anteilseignern und Arbeitnehmern im Aufsichtsrat wurde vorgehalten, lediglich die Interessen der Anteilseigner zu transportieren, indem die Fronten zu ihren Gunsten geglättet würden. Die unterschiedliche Terminologie muss noch heute dafür herhalten, die Rechte der Arbeitnehmer, die nur bzw. insbesondere dem Betrieb angehörten, auf eine betriebliche Mitbestimmung zu begrenzen.452 Nach der grundlegenden Definition Jacobis ist der Betrieb eine Vereinigung von Arbeitsmitteln, welche kraft der Identität ihres Inhabers, ihrer einheitlichen Zweckbestimmung und ihrer auf diesen Zweck hin ausgerichteten Organisation eine sich von der Umwelt unterscheidende Einheit bilde.453 Der Betrieb im subjektiven Sinn sei der Ort, „an dem etwas betrieben wird“, während der Betrieb im objektiven Sinn abstellt auf „die Mittel [. . .], die in der Hand der Betreibenden 448 Vgl. bereits Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 120; Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 53. 449 Bedeutung erlangt der Betriebsbegriff insbesondere durch das Betriebsrätegesetz von 1920. 450 Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 22. 451 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 129. 452 Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 128; dementsprechend zeugt bereits die Anerkennung von Konflikten innerhalb des „Unternehmens“ zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern von einer Tendenz zu einer pluralistischen Anschauung: Solange das Unternehmen rein interessenmonistisch als Veranstaltung der Anteilseigner gesehen wird und die Arbeitnehmer auf den Betrieb verwiesen werden, dürften sich keine Reibungen ergeben; vgl. auch Vogt, Sozialverband, S. 31; vgl. zu der Existenz der Diskussion um eine Unternehmensverfassung für eine pluralistische Entwicklung, NellBreuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 51. 453 Jacobi, Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegriffe, S. 1 ff.

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der Verfolgung eines bestimmten Zweckes dienen. Der Zweck, um den es sich dabei handelt, ist der unmittelbare, in diesem Sinne technische Zweck der Tätigkeit [. . .], nicht der entferntere Zweck, das Ziel, um deswillen die Tätigkeit vom Betreibenden schließlich vorgenommen wird“.454 Das Meinungsspektrum im Hinblick auf die Beziehung von Betrieb und Unternehmen steht dem bezüglich des Verhältnisses von Gesellschaft zum Unternehmen in nichts nach: Die Begriffe stünden nebeneinander oder deckten sich, die Unterscheidung sei ohnehin unerheblich.455 Die überwiegende Auffassung im Arbeitsrecht scheint davon auszugehen, der Betrieb diene dem arbeitstechnischen Ziel innerhalb des Unternehmens. Ein Unternehmen könne daher zwar aus mehreren Betrieben, ein Betrieb aber nicht aus mehreren Unternehmen bestehen.456 Denklogisch würde diese Sichtweise dazu führen, den Betrieb als organisatorisch verselbständigten Teil des Unternehmens anzusehen. Der Betriebsbegriff ist im Gegensatz zum Unternehmensbegriff insofern monistisch, als er vor allem die Interessen einer Bezugsgruppe, nämlich die der Arbeitnehmer, im Blick hat. e) Negative Abgrenzung zum Begriff der „Unternehmung“ Die Begriffe „Unternehmen“ und „Unternehmung“ werden teils synonym verwendet.457 Teils wird aber auch der Begriff des „Unternehmens“ als der juristische, engere und der Begriff der „Unternehmung“ als der betriebswirtschaftliche, umfassendere angesehen.458 In der Betriebswirtschaftslehre begegnet zudem die Gleichsetzung von Betrieb und Unternehmung.459 Der Begriff „Unternehmung“ dürfte durch Kosiol geprägt worden sein. Für ihn konstituiert sich die Unternehmung durch die „Fremdbedarfsdeckung, wirtschaftliche Selbständigkeit und als Folge die besondere Art des wirtschaftlichen Risikos“.460 Kosiol stellt der Unternehmung noch die „Haushaltung“ zur Seite, die zusammen die privatwirtschaftlichen Betriebe ausmachen sollen.461 454 Jacobi, Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegriffe, S. 5 ff.; v. Nell-Breuning, Streit um Mitbestimmung, S. 41, hebt die Bedeutung des Menschen im Betrieb hervor; der Betrieb als „Vollzug des Unternehmens“ habe das Wohl der Belegschaft als (zusätzliches) Ziel mit Eigenwert. 455 Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 124 ff. 456 Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 123. 457 Vogt, Sozialverband, S. 26; vgl. Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 41. 458 Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 8 f., wobei der Unternehmungsbegriff sowohl das Unternehmen als auch den Betrieb umfassen soll, S. 68 ff., 77 ff. 459 Vgl. Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 41; Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 153. 460 Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, S. 28. 461 Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, S. 23 ff.

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Aufgrund dieser gedanklichen Wurzeln soll der Begriff der „Unternehmung“ im Folgenden nur im wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang verwendet werden. f) Positive Ableitung vom Begriff des „Unternehmers“ Der Begriff des Unternehmers wandelte sich von einem subjektiven Verständnis, das sich durch das Erwerbsstreben des Ein-Mann-Unternehmers auszeichnete, zu einem funktionalen, das den Schwerpunkt in der Unternehmensleitung sieht.462 Als Unternehmer wird wahlweise die Gesellschaft bzw. der Inhaber463, die Hauptversammlung, der Vorstand bzw. derjenige, der das Unternehmen leitet,464 bezeichnet; der Begriff des Unternehmers wird dadurch relativ465 und führt im hiesigen Zusammenhang nicht weiter. g) Weitere positive Definitionsversuche Selbst Raiser, der wohl zu Recht als einer der führenden Protagonisten eines Unternehmensrechts bezeichnet wird,466 gibt zu bedenken, dass sich keine Definition des Unternehmens durchgesetzt habe. Dennoch hält er an seiner Auffassung fest, dass nur ein einheitlicher Begriff dem Auseinanderreißen eines zusammengehörigen sozialen Phänomens entgegenwirken kann und allen gesetzlichen Begriffsverwendungen des „Unternehmens“ ein gemeinsamer Kern innewohne.467 Ziel der folgenden Ausführungen kann nur der Versuch sein, den Kern des Unternehmensbegriffs herauszuarbeiten, der für die Frage, was das Unternehmen im aktienrechtlichen Zusammenhang in seiner Eigenschaft als Bezugspunkt von Interessen ausmacht, aufschlussreich ist. Dementsprechend sollen einige der Definitionsversuche des Unternehmens vorgestellt und der Unternehmensbegriff unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet werden. Dazu zählen neben der Definition Julius v. Gierkes, die Ausgangpunkt vieler weiterer Überlegungen war, Auffassungen, die sich unter den Übergruppen „Unternehmen als Sozialverband“ bzw. „Unternehmen als sozialer Verband“, „Unternehmen mit mitgliedschaftlicher Struktur“, „Unternehmen als 462 Vogt, Sozialverband, S. 40; die Rettung der Personenbezogenheit des Handelsrechts wurde daher als gescheitert bezeichnet, vgl. Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 20; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 8. 463 Vgl. „Sechser Bericht“, 1968, S. 20. 464 So „Sechser Bericht“, 1968, S. 20. 465 Vgl. Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 19. 466 So Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 278. 467 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 11, 115.

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Wertschöpfungsveranstaltung“, „Unternehmen als Machtzentrum“ und „Unternehmen als System“ zusammenfassen lassen. Zu jedem Theorienzweig wird eine Auswahl an für repräsentativ erachteten Stimmen zu Wort kommen. Vollständigkeit kann auch hier nicht das Ziel sein. h) Ausgangpunkt: Unternehmensbegriff nach J. v. Gierke Julius v. Gierke unterstellt zwar allen Gesetzen einen gemeinsamen, übergeordneten volkswirtschaftlichen Unternehmensbegriff („Inbegriff von Tätigkeiten, die eine Wirtschaftseinheit bilden“ oder „Organisation von Produktionsmitteln und Arbeitskräften“ 468). Eine Übernahme des volkswirtschaftlichen Begriffs sei für das Recht jedoch unzweckmäßig, weil zu „statisch“. Vielmehr werde dieser im Rahmen der Übernahme in das jeweilige Gesetz modifiziert.469 Julius v. Gierke unterscheidet im Folgenden drei „selbständige rechtliche Ausstrahlungen“ des Unternehmens („im weiteren Sinne“):470 Erstens: die Betriebstätigkeit, also das Betreiben des Unternehmens als Tätigkeit („Betrieb im subjektiven Sinne“); zweitens: den durch die Betriebstätigkeit geschaffenen Tätigkeitsbereich mit den ihm zugehörigen Sachen und Rechten („Unternehmen im engeren Sinne“); drittens: die personenrechtliche Betriebsgemeinschaft, den Betriebsverband zwischen Unternehmer und Arbeitnehmern („Unternehmen im weiteren Sinne“).471 Bei diesen drei rechtlichen Ausstrahlungen nach Julius v. Gierke werden bereits alle Facetten eines Unternehmens deutlich, um die gerungen wurde und wird: Das Unternehmen in einem objektiven passiven Sinne, das „betrieben“ wird, das Unternehmen in subjektiver Ausprägung, einmal sachlich als Tätigkeitsbereich und einmal personal als Gemeinschaft. Der Bezug zu natürlichen Personen und deren Interessen wird bei Julius v. Gierke insbesondere bei der rechtlichen Ausprägung des „Unternehmens im weiteren Sinne“ deutlich. i) Das Unternehmen als Sozialverband oder sozialer „Verband“ Die Lehre vom Unternehmen als Sozialverband472 geht auf Fechner zurück, der auch als einer der ersten Vertreter einer pluralistischen Sichtweise angesehen 468

Julius v. Gierke, ZHR 111 (1948), 1, 6. Julius v. Gierke, ZHR 111 (1948), 1 f. 470 Julius v. Gierke, ZHR 111 (1948), 1, 7; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 4, ordnet dieser Trichotomie die Einteilung in Wirtschaftsrecht, Handelsrecht und Arbeitsrecht bei. 471 Julius v. Gierke, ZHR 111 (1948), 1, 10, 15. 472 Darüber, ob das Unternehmen auch rechtlich bereits als sozialer „Verband“ anerkannt werde oder lediglich im soziologischen Sinne einen Verband darstelle, herrscht 469

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wird,473 wenn auch der gedankliche Ansatz seinen Ausgang bei Otto v. Gierke nehmen dürfte. O. v. Gierke hebt die Realität des Verbandes und der juristischen Person hervor. Die Ansicht, die – aufgrund einer konsequent individualistischen Sicht der Dinge – in der juristischen Person lediglich eine Fiktion erblickt, gehe ebenso an der Wirklichkeit vorbei wie die Theorie eines subjektlosen Zweckvermögens:474 „Aber deutet nicht vielleicht ihre [die der Verbandspersonen] zähe Widerstandskraft darauf hin, dass sie keineswegs gespenstische Schatten, sondern lebendige Wesen sind? Dass das Recht, indem es die organisierten Gemeinschaften als Personen behandelt, nicht in einen Widerspruch zur Wirklichkeit tritt, sondern der Wirklichkeit adaequaten Ausdruck verleiht? Sind vielleicht die menschlichen Verbände reale Einheiten, die mit der Anerkennung ihrer Persönlichkeit durch das Recht nur das empfangen, was ihrer wirklichen Beschaffenheit entspricht? Mit vielen antworte ich: Ja!“ 475 Nach O. v. Gierke ist die Verbandsgründung kein Vertrag, sondern ein sozialrechtlicher Konstitutivakt.476 Nach Fechner ist das Unternehmen „die sozialrechtliche Einheit eines Personenverbandes, der mit Hilfe von sachlichen und immateriellen Erzeugungsmitteln unter dem Gesichtspunkt der Kostendeckung oder Gewinnerzielung der produktiven Bereitstellung von Gütern bzw. Leistung im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtplanung zu dienen bestimmt ist“ 477. Er beschreibt das Unternehmen als eine zu bestimmten wirtschaftlichen Zwecken organisierte Gruppe von Menschen478. Dieser personale Bestand diene zwar dem Zweck der Produkkeine Einigkeit, vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 91; der Begriff des „sozialen Verbandes“ soll daher hier neutral dahingehend gebraucht werden, dass zum einen nicht ein juristisch anerkannter Verband gefordert wird, zum anderen nicht nur Vertreter der sog. „Sozialverbandstheorie“ behandelt werden, sondern auch solche Autoren, die sich nicht ausdrücklich zu dieser bekennen, deren Erwägungen aber ähnlich zu sein scheinen. Es soll hier nicht übersehen werden, dass die Sozialverbandstheorie insbesondere dazu gedacht war, den Gedanken der Mitbestimmung (in die Unternehmensversammlung und Personengesellschaften) zu transportieren; ungeachtet dessen baut sie auf der Erscheinung „Unternehmen“ auf; auch von Teilen der Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 146, wird das Unternehmen als Sozialverband bezeichnet. 473 Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 52. 474 O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 5 ff. 475 O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 10. 476 Insgesamt ablehnend Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 86, der die Begriffspaare Vermögen/Sondervermögen und Unternehmen/Gesamtsache nicht in einem Unter- oder Überordnungsverhältnis stehend ansieht und daher den Begriff des Sondervermögens als bloße Beschreibung einer beschränkten persönlichen Haftung als unzweckmäßig ansieht; vgl. zum Sondervermögen auch „Sechser Bericht“, 1968, S. 140 ff. 477 Fechner, Das wirtschaftliche Unternehmen, S. 16; Hervorhebung nicht im Originaltext. 478 Fechner, Treubindungen, S. 67; Hervorhebung nicht im Originaltext; ähnlich, allerdings mit nationalsozialistischem Gedankengut belastet, Siebert, Deutsche Rechtswissenschaft 1936, S. 204, 225, der das Unternehmen als lebendigen Organismus an-

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tion, sei aber zugleich selbst Zweck des Unternehmens, „das allen in ihm Tätigen das wirtschaftliche Dasein ermöglichen und sichern soll“ 479. Dem menschlichen Bestand, der den wesentlichen Bestand des Unternehmens ausmache,480 müssten sich daher alle materiellen und immateriellen Mittel dienend unterwerfen.481 Fechner geht davon aus, dass der Weg über das Unternehmen überhaupt erst die Begründung der Treuepflichten der Aktionäre ermöglichte.482 Das aktienrechtliche Mitgliedschaftsverhältnis sei zur Begründung von Gesellschaftsbeziehungen nicht fähig.483 Ausschließlich das Unternehmen bilde die wirtschaftliche Substanz der Aktiengesellschaft484 und umfasse seine Mitglieder als natürliche Personen, was Voraussetzung einer Treuebindung sei.485 Fechner zählt zum Unternehmen die Betriebsgemeinschaft, Geldgeber, Dauerlieferanten, Dauerabnehmer und dauerhafte Kunden486 und unterscheidet – nicht ganz deckungsgleich – „die Interessen der Gesellschaft, des Unternehmens, der Aktionäre, der Gefolgschaft, die Interessen Dritter und die der Allgemeinheit“ 487. Der Aktionär gehöre kraft seiner Mitgliedschaft bei der Aktiengesellschaft zum Unternehmen.488 Fechner betont aber, dass auf die einzelnen Kreise jeweils besondere Regeln anzuwenden seien.489 So stehe beispielsweise der „vorübergehende Aktionär“ dem Unternehmen nahezu wie ein Dritter gegenüber; die Beziehung zu einem Kunden oder Dauerlieferanten könnte hingegen sehr viel enger sein als zu einem Aktionär, selbst bei großem Aktienbesitz.490 Oppikofer sieht die Bedeutung des Unternehmens in dreifacher Hinsicht: für den „Unternehmensinhaber“ 491, die „Arbeiter“ und die „gesamte Volkswirtschaft“.492 Er weist nach, dass sich während des Mittelalters die Anschauung durchgesetzt hat, „wirtschaftliche Unternehmen ohne Rücksicht auf ihre Rechtssieht, in dem unter Führung des Unternehmers die Beschäftigten mit einem organisierten Bestand von sachlichen und immateriellen Arbeitsmitteln eine von dem Unternehmer übernommene Funktion für die Gemeinschaft vollziehe. 479 Fechner, Treubindungen, S. 64 f. 480 Fechner, Treubindungen, S. 67. 481 Fechner, Treubindungen, S. 65. 482 Fechner, Treubindungen, S. 63 ff. 483 Fechner, Treubindungen, S. 69. 484 Fechner, Treubindungen, S. 63. 485 Fechner, Treubindungen, S. 68. 486 Fechner, Treubindungen, S. 69. 487 Fechner, Treubindungen, S. 103 f. 488 Fechner, Treubindungen, S. 70. 489 Fechner, Treubindungen, S. 69. 490 Fechner, Treubindungen, S. 70, Fn. 3. 491 Oppikofer geht in seiner Untersuchung jedoch noch nicht einer Trennung von Eigentum und Führungsgewalt nach, sodass unter Unternehmensinhaber der „Eigentümer“ zu verstehen ist. 492 Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 2 f.

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subjekte als rechtlich für sich bestehende soziale Körper aufzufassen und in ihrer Einheit zu schützen“ 493. Er sieht Güter und Kräfte nach seiner Definition des Unternehmens – das Unternehmen zeichne sich durch Zusammenwirken von Arbeitskräften und Wirtschaftsgütern und einem übertragbaren, also vom Organisierenden unabhängigen494, organisatorischen Eigenwert aus495 – dann als zugehörig an, wenn sie durch organisatorische Tätigkeit in zweckbestimmter Zuordnung gemeinsam zusammenwirken:496 Die Zweckbestimmung als entscheidendes Kriterium zur Zuordnung an das gewerbliche Unternehmen weist Oppikofer auch für das Römische Recht nach.497 Das Recht des Mittelalters habe zwar nicht daran angeknüpft, sondern eine neue Konzeption geschaffen; aber da auch diese Frucht des Problems der rechtlich einheitlichen Erfassung des Unternehmens gewesen sei,498 sei auch im Germanischen Recht die Zweckwidmung einer Sache bzw. eines Rechts entscheidend für die Zugehörigkeit zur Organisation gewesen.499 Nell-Breuning rechtfertigt die Bezeichnung des Unternehmens als Sozialgebilde damit, dass sich der Verbund des Unternehmens aus zwei Gruppen zusammensetze: Diese trügen die wenig glückliche Bezeichnung „Produktionsfaktor Arbeit“ und „Produktionsfaktor Kapital“.500 Die dualistische Ansicht wird anhand einer Betrachtungsweise gewonnen, die stark dem personalen Substrat des Unternehmens verhaftet ist: Der Jurist müsse ausgehen von den Menschen, ihren Rechten und Pflichten.501 Dementsprechend untersucht Nell-Breuning, wer dem Unternehmen tatsächlich angehört. Als wesentlich wird dabei auf den unternehmerischen Willen (beispielsweise des Vorstandsgremiums) abgestellt, der den Bereich des Unternehmens durchdringe: Unternehmen sei all das, aber auch nur das, was dem Herrschaftsbereich eines unternehmerischen Willens unterfalle.502 Dies seien diejenigen, die Risikokapital als Anteilseigner bereitstellten, und die 493

Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 50. Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 20. 495 Nach Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 8 f., ist das Unternehmen eine Zusammenordnung gegenständlicher, nicht bloß ideeller Art und in diesem Sinn als Organisation von Arbeitskräften und Wirtschaftsgüter anzusehen. 496 Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 5, 16; offensichtlich soll in Abgrenzung zum Betrieb dem Unternehmen ein übertragbarer organisatorischer Eigenwert innewohnen. 497 Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 32, 43, wobei zu dieser Zeit über Sklaven bestimmt werden musste. 498 Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 46. 499 Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 64; da das Germanische Recht wesentlich mehr auf äußerliche Merkmale angewiesen war als das Römische, wurde zum Nachweis der Zweckwidmung vor allem auf die äußerlich wahrnehmbare räumliche oder funktionelle Einordnung der Sache in die Organisation und auf die Aussagen der Hörigen abgestellt, Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 65 f. 500 Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 49. 501 Vgl. Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 51. 502 Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 56 f. 494

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im Unternehmen tätigen Menschen.503 Die Allgemeinheit bzw. das öffentliche Interesse gehöre hingegen mangels Kalkulierbarkeit, wer von den einzelnen Maßnahmen in Zukunft betroffen sei, nicht dazu.504 Zwar sind diese Überlegungen vor dem rechtspolitischen Hintergrund der Unternehmensverfassung505 angestellt worden. Die Erkenntnisse jedoch, die auf das „Sein“ und nicht das „Sollen“ des Unternehmens abstellen, können hier gewinnbringend sein. Für den „Sechser Bericht“ ist das Unternehmen ein „lebendiger Organismus“ und in Anlehnung an Julius von Gierke ein auf der gemeinsamen Arbeit beruhendes soziales Gebilde, in dessen Vordergrund Menschen und Menschengruppen stünden.506 Im „Sechser Bericht“ wird das Unternehmen als Sozialgebilde verstanden, das die betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Aufgabe und Funktion habe, wirtschaftliche Leistungen zu erbringen, mithin zu produzieren. Es habe daneben die eigenwirtschaftliche Aufgabe, Gewinn zu erzielen. Als zusammenwirkende Gruppen – wobei „zusammenwirken“ ausschließlich und daher noch wertungsfrei ausdrücken soll, dass diese Gruppen an der Veranstaltung „Unternehmen“ beteiligt sind – werden die Eigentümer, Gläubiger, Banken, Lieferanten, Abnehmer, Berater, Stellen und Behörden, sowie die Öffentlichkeit genannt.507 Im Hinblick auf die Anteilseigner wird zwar ihr Status als „wirtschaftliche“ Eigentümer und ihre besonders risikobehaftete Stellung im Unternehmen hervorgehoben.508 Jedoch seien die Arbeitnehmer „eng, enger jedenfalls als die Masse der Aktionäre der großen Publikumsgesellschaften, mit dem Unternehmen verbunden“ 509 und aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit durch die Macht der Unternehmensleitung mehr betroffen als alle anderen Gruppen.510 Die Arbeitnehmer seien insbesondere im Vergleich zu den Anfängen des Industriezeitalters zu einem wichtigen Faktor geworden.511 Die Geschäftspartner seien hingegen nur dann zum Unternehmensverband zu zählen, sofern sie in wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmen gerieten, die es nicht mehr erlaube, sie auf ihre Stellung als bloße Vertragskontrahenten zu verweisen.512

503

Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 58 f. Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 62. 505 Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 63 ff., favorisiert eine Installation von Unternehmensorganen in Analogie zu den Gesellschaftsorganen, namentlich „Unternehmensversammlung“, „Unternehmensrat“ und „Unternehmensleitung“. 506 „Sechser Bericht“, 1968, S. 17. 507 „Sechser Bericht“, 1968, S. 18, 22 ff. 508 „Sechser Bericht“, 1968, S. 22 f. 509 „Sechser Bericht“, 1968, S. 24. 510 „Sechser Bericht“, 1968, S. 107. 511 „Sechser Bericht“, 1968, S. 42. 512 „Sechser Bericht“, 1968, S. 25 f. 504

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Als besonderes Anliegen des „Sechser Berichts“ erscheint es, die interessendualistische Auffassung im Sinne eines Gegensatzes zwischen „Kapital“ und „Arbeit“ auf eine interessenpluralistische auszuweiten.513 Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass implizit in dem Bericht die Interessen der Anteilseigner und Arbeitnehmer zwar als gleichwertig, die der Allgemeinheit aber als weniger gewichtig angesehen werden.514 Auch die Ansicht Ballerstedts ist von dem Gedanken des Unternehmens mit dem Charakter eines Sozialverbandes durchdrungen. Ballerstedt beschreibt das Unternehmen als eine „auf Dauer angelegte Vereinigung personeller Kräfte und sachlicher Mittel zu einem wirtschaftlichen Zweck im Interesse der Erzielung einer durch Teilnahme am Marktverkehr zu realisierenden materiellen Wertschöpfung“ 515. Das Streben nach Rentabilität sei anerkennenswert, auch wenn dies nicht vorrangiger Zweck sein dürfe; der bilanzielle Überschuss sei kein ausschlaggebendes Kriterium.516 Die Wertschöpfung erfordere vor allem die Integration der personellen und sachlichen Produktionsfaktoren.517 Nach Ballerstedt ist das Unternehmensrecht daher „der Inbegriff der Rechtsnormen, die das Unternehmen als sozialen Verband der in ihm durch Kapitalbeträge oder personale Leistungen kooperierenden Rechtssubjekte und als Institution der Wirtschaftsverfassung betreffen“ 518. Schilling versteht in Anlehnung an die Definition Ballerstedts das Unternehmen als eine „auf die Dauer angelegte Vereinigung von Kapital (Anteilseigner), Arbeit (Belegschaft), und unternehmerischem Willen (Geschäftsleitung) zur Erzielung einer durch Teilnahme am Markt zu realisierenden materiellen Wertschöpfung, in der Regel mit Gewinnerzielungsabsicht, autonom in seiner Zielsetzung und Verwaltung und Kernstück einer freien Wirtschaftsordnung“ 519. Auch bei dieser Definition ist der Sozialverbandscharakter unverkennbar. Schilling rekurriert auf die Idee von „Stoff“ und „Form“: Das Unternehmen sei als soziale Lebenseinheit der „Stoff“, der durch die Rechtsform seine „Form“ erhalte. Zu

513

Vgl. „Sechser Bericht“, 1968, S. 88. Vgl. „Sechser Bericht“, 1968, S. 125 ff. 515 Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 22, Hervorhebung nicht im Originaltext; ähnlich Wieland, Handelsrecht I, S. 239 ff. 516 Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 23; insbesondere da dann gemeinnützige Unternehmungen und sog. „Abschreibungsgesellschaften“ von vornherein aus der Definition heraus fielen und der Grad eines etwaigen Marktübergewichts und ein Missbrauch der Marktstellung nach Berücksichtigung verlangten, die nur unter Wertungswidersprüchen zum Wettbewerbsrecht möglich wären. 517 Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 24. 518 Ballerstedt, ZHR 137 (1971), 479, 484. 519 Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 137. 514

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diesem „Stoff“ gehöre neben den Kräften Kapital und unternehmerischem Willen „schon immer“ die Arbeit.520 Vogt zeichnet ein Bild des Unternehmens als Sozialverband, worunter er „ein mikroökonomisches Modell für die Organisation Unternehmen mit pluralistisch geprägten Strukturen“ versteht. Rahmen seiner soziologischen Betrachtung ist damit der Organisationsbegriff, von dem er auf die Zwecke des Unternehmens überleitet: Die Menschen sollen ausreichend mit Gütern und Dienstleistungen versorgt werden, das Unternehmen soll entsprechend dem Gewinnsteuerungsprinzip der Sozialen Marktwirtschaft Gewinn erwirtschaften, es sollen die individuellen Bedürfnisse aller Organisationsmitglieder befriedigt und einvernehmlich Konflikte gelöst und verringert werden.521 Zusammenfassend verfolge das Unternehmen daher als Ziele die Güterversorgung, Kapitalrendite, Befriedigung individueller und sozialer Bedürfnisse der Arbeitnehmer bzw. die Verbesserung der Beziehungen aller Unternehmensmitglieder.522 Das Unternehmensziel der Produktivitätssteigerung wird als Wert neben den Zielen der Organisationsmitglieder gesehen.523 Vogt legt die Vorstellung zugrunde, dass alle, die als Produktionsfaktoren eine Leistung ins Unternehmen einbringen, dafür gleichberechtigt entschädigt und zum anderen eine Gemeinschaft im soziologischen Sinn werden.524 Es handle sich mithin um ein soziales System mit einem abgegrenzten Kreis von Mitgliedern. Als dem Unternehmen zugehörig sollen neben den Kapitalgebern die Mitglieder der Unternehmensorgane und die Arbeitnehmer betrachtet werden. Hingegen seien Lieferanten, Kunden, Kreditgeber, Verbraucher und die „politischen Interessen der Bürger“ ausgeschlossen;525 diese könnten den politischen bzw. makroökonomischen Funktionsträgern überlassen bleiben.526 Eine andere, aber hier interessierende Konzeption entwirft Flume: Zwar sei Bezugspunkt der Vorstandsverantwortung die Gesellschaft als juristische Person. Dies bedeute aber aufgrund des „idealen Ganzen“ nicht lediglich eine Verpflichtung den Aktionären gegenüber, sondern ebenfalls den im Unternehmen Tätigen (Arbeitnehmer);527 denn das Unternehmen sei als juristische Person verfasst, mit diesem also zu identifizieren528 bzw. die sonstigen Interessen beispielsweise der 520

Schilling FS Duden, 1977, S. 537, 548 f. Vogt, Sozialverband, S. 10, 13, bezeichnet diese Voraussetzungen als das „magische Viereck der Mikroökonomie“. 522 Vogt, Sozialverband, S. 8, 78, 346. 523 Vogt, Sozialverband, S. 163. 524 Vogt, Sozialverband, S. 10, 30, 193 ff. 525 Vogt, Sozialverband, S. 99. 526 Vogt, Sozialverband, S. 101. 527 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 23, 26. 528 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 17. 521

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Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit und die Einheit Unternehmen in den Gesellschaftsinteressebegriff zu integrieren.529 Dementsprechend interpretiert Flume das Aktienrecht als das Unternehmensverfassungsrecht der als Aktiengesellschaft verfassten Unternehmen530 und die Entwicklung eines Unternehmensrechts als Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts.531 Die Belegschaft sei als viertes Unternehmensorgan neben Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung hinzugekommen.532 Es sei demnach auch legitim, die Tätigen in die Willensbildung mit einzubeziehen.533 Nach dieser Konzeption ist das Gesellschaftsinteresse identisch mit dem Unternehmensinteresse. Dies entspricht Flumes Identifikationsthese von Gesellschaft und Unternehmen. Diese Gleichstellung kann er jedoch nur durchhalten, indem er das Gesellschaftsinteresse vom Interesse der Gesellschafter trennt.534 Die dargestellten Ansichten zeigen deutlich auf, welche Eigenschaften das Unternehmen ausmachen sollen: Es soll als soziale Realität erfasst werden, die sich aus meist gleichberechtigten menschlichen Interessengruppen zusammensetzt. Dieses Unternehmensverständnis steht in einigen Punkten in diametralem Gegensatz zum Gesellschaftsbegriff, der vor allem das rechtliche Konstrukt, das sich vom menschlichen Substrat abhebt, dabei aber Anleihen bei den Interessen der Gruppe „Anteilseigner“ nimmt, abbildet. j) Das Unternehmen mit mitgliedschaftlicher Struktur Als Vorreiter eines Verständnisses, das die mitgliedschaftliche Struktur als charakteristisches Merkmal des Unternehmens hervorhebt, ist Raiser anzusehen. Er beruft sich auf organisationssoziologische Erkenntnisse, um das Unternehmen mit mitgliedschaftlicher Struktur näher zu beschreiben, das er als eine „auf der organisatorischen Verbindung von personellen und sachlichen Mitteln beruhende rechtliche Einheit“ betrachtet, „die nach ökonomischen Methoden arbeitet und wirtschaftliche Werte hervorbringt, um über den Markt das Interesse der Allgemeinheit an seinen Erzeugnissen und mit dem Erlös die Einkommenswünsche und sonstigen Bedürfnisse der an ihm beteiligten Anteilseigner, Arbeitnehmer und Unternehmensleiter zu befriedigen“ 535. Oberstes Ziel des Unternehmens

529

Ähnlich auch Ulmer, ZHR 141 (1977), 490, 497. Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 9. 531 Flume, ZGR 1978, 690, der sich dabei aber nicht auf eine Sozialverbandstheorie stützt, die nach ihm jeglichem Bezug zur Wirklichkeit entbehre. 532 Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 140. 533 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 24. 534 Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 63. 535 Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 38. 530

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müsse das Streben nach Befriedigung der unabweisbaren Ansprüche aller Beteiligten sein.536 Dies passt sich in seine allgemeine Definition der Organisation ein, ein soziales Gebilde mit einem abgrenzbaren Kreis von Mitgliedern, die zusammen anhand eines Planes nach dem ökonomischen Prinzip des geringstmöglichen Aufwands auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiteten,537 (Definition nach Handlungssubjekten, Handlungszweck, Handlungsmitteln), mit den vier Aufgaben der Organisation: Zielverwirklichung, Integration, Anpassung, Selbsterhaltung.538 Allgemein soll das Ziel einer Organisation dahin gehen, eine für die Gesellschaft nützliche Leistung zu erbringen.539 Die Bedürfnisbefriedigung der verschiedenen Gruppen Allgemeinheit, Anteilseigner, Arbeitnehmer und Unternehmensleiter werden dennoch als konstituierend für das Unternehmen angesehen. Das Unternehmen wird von der „Gesellschaft als Anteilseignerverband“ geschieden und der allgemeine Nutzen gegenüber der privaten Gewinnmaximierung hervorgehoben.540 Die Aufgabe der Integration weist auf das Erfordernis eines Einigungsprozesses der einzelnen Elemente zu einer Einheit hin, die Aufgabe der Anpassung auf eine flexible Handhabung der Veränderung der Außenwelt, die der Selbsterhaltung auf die fortdauernde Leistungsfähigkeit.541 Das „öffentliche Interesse“ ist nach Raiser mangels Präzisierbarkeit und mangels Zuweisung an einen bestimmten Träger nicht per se berücksichtigungsfähig. Er gesteht jedoch den Partikularinteressenträgern zu, jeweils einen gewissen Ausschnitt aus dem „Ganzen“ des öffentlichen Interesses wahrzunehmen; auch sie könnten jedoch nicht schlechthin als Vertreter des öffentlichen Interesses angesehen werden.542 Indem Raiser das Unternehmen maßgeblich als Handlungssystem verschiedener Akteure ansieht, vermeidet er eine Identifikation des Unternehmens mit der Vermögensmasse oder einigen wenigen Mitgliedern bzw. Unternehmensführern. Dementsprechend sieht Raiser die Ausrichtung der Unternehmensverwaltung auf das Unternehmensinteresse auch als Versuch und als Chance, „den traditionellen Rahmen des Gesellschaftsrechts zu sprengen“ 543. 536 So Raiser, ZHR 144 (1980), 206; das Gesellschaftsinteresse hat nach Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 43, die Aufgabe übernommen, eine angemessene Mitberücksichtigung der Gegeninteressen von anderen (Minderheits-)Aktionären bzw. die Gleichbehandlung der Aktionäre zu gewährleisten. 537 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 100. 538 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 105. 539 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 106, wobei unter Gesellschaft hier die „Allgemeinheit“ zu verstehen sein dürfte. 540 Vgl. Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 38. 541 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 107 f. 542 Raiser, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 203, 210 f. 543 Raiser FS R. Schmidt, 1976, S. 101, 113.

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Auch Ott knüpft seine Überlegungen an den Mitgliedschaftsgedanken. Das Unternehmen umfasse alle Personen mit arbeitsteilig zugewiesenen Funktionen, die mit Beiträgen dem Unternehmenswohl dienten.544 Er postuliert, an der Mitgliedschaft der Arbeitnehmer in einem Unternehmen könnten keine Zweifel bestehen, diese sei sogar noch unmittelbarer als die Mitgliedschaft der Anteilseigner.545 k) Zwischenergebnis Insgesamt scheint sich bei den bisher dargestellten Einordnungen des Unternehmens ein Dualismus des Unternehmensbegriffs ausmachen zu lassen:546 Es steht entweder die Tätigkeit oder die Beschreibung der Ordnung von Wirtschaftsgütern und Arbeitskräften im Vordergrund.547 Es erscheint legitim – ohne einem Zirkelschluss zu unterliegen, indem die Wahl des Arbeitsbegriffs zugleich das Ergebnis bestimmt – zunächst das Augenmerk auf die Definitionsbestandteile zu legen, die die Merkmale der Organisation beschreiben. So spricht Julius von Gierke von einer personenrechtlichen Betriebsgemeinschaft, Fechner von der Einheit eines Personenverbandes bzw. einer organisierten Gruppe von Menschen, Ballerstedt von einer Vereinigung personeller Kräfte, Netter von einer Einheit u. a. aus personalen Substraten, Raiser von einer auf personellen und sachlichen Mitteln beruhenden rechtlichen Einheit. Den personalen Merkmalen des Unternehmens wird zwar eine graduell unterschiedliche Bedeutung zuerkannt548, und es darf damit noch nicht vorweggenommen werden, welche Personen tatsächlich dahinter stehen. Dennoch dürfte bei den vorgestellten Theorien die personale Ausrichtung des Unternehmensbegriffs als konstituierend gelten. Eine Abhebung des Unternehmens vom personalen Substrat erfolgt nicht, ein Rückgriff auf die Interessen der jeweiligen Bezugsgruppen ist möglich.

544

Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, S. 116. Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, S. 116 f. 546 So auch Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 4 ff.; nach Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 117 ff., 125 ff., 130 ff., 140, seien die Bedeutungsebenen „Unternehmen als Tätigkeitsinbegriff“ und „Unternehmen als Zusammenfassung der beschäftigten Personen“ zu unterscheiden. 547 Diese Differenzierung hat erhebliche praktische Konsequenzen, wenn man davon ausgeht, dass eine Hervorhebung der Tätigkeit häufig Grundlage der Ansicht ist, das Unternehmen sei nicht übertragbar, vgl. Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 4; dies ist folgerichtig, sofern man mit Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 11, davon ausgeht, dass eine (nicht unbedingt im rechtlichen Sinne) übertragbare Organisation ein unpersönliches Element voraussetze. 548 Die größte Bedeutung dürfte den Personen in der Theorie des „Unternehmens als Sozialverband“ zuerkannt worden sein. 545

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l) Das Unternehmen als Wertschöpfungsveranstaltung Für Kunze ist das Unternehmen eine Wertschöpfungsveranstaltung;549 Kern aller Unternehmen sei das Zusammenwirken von Menschen.550 Das Unternehmen konstituiere sich durch die Faktoren Kapital, Arbeit und Gemeinwohl.551 Die Aufgabe, die das interessenpluralistische Gebilde zu bewältigen habe, sei der Ausgleich von Spannungen und die Integration der Interessen.552 Für die Frage der Mitgliedschaft kommt es nach Kunze darauf an, ob sich die Interessengruppe aus „Insidern“ zusammensetzt. Dazu seien – und diese Abgrenzung nimmt er nach eigenen Worten rechtspolitisch und nicht soziologisch vor – Unternehmensleiter, Arbeitnehmer und Anteilseigner zu zählen.553 Denn nur diese nähmen an der Produktion teil oder stünden sonst zu ihr in Beziehung554 und sollten deshalb zu einem fiktiven Unternehmensverband zusammengefasst werden und so gestellt werden, als ob sie Mitglieder eines auch rechtlich anerkannten Unternehmensverbandes seien.555 Arbeitnehmer seien als Angehörige des Unternehmens als den Eigenkapitalgebern gleichwertig zu betrachten.556 Die Allgemeinheit will Kunze ebenfalls einbeziehen. Hinter dem Begriff des öffentlichen Interesses stünden jedoch keine ex ante bestimmbaren Interessen. Daher sei es als „die große, unabsehbare, genau genommen: die unendliche Fülle der möglichen Interessen [zu] verstehen, die bei unternehmerischen Entscheidungen neben dem Kapitalinteresse und neben den Interessen der Belegschaft Berücksichtigung erheischen“ 557. Als Interessen unter dieser Sammelbezeichnung kämen u. a. in Betracht die gesamte Volkswirtschaft und die Verbraucherschaft.558 Die Repräsentanten des öffentlichen Interes-

549 Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 203; ähnlich beschreibt Peltzer FS Lutter, 2000, S. 571, 586, das Unternehmen als Leistungsgemeinschaft; Semler FS Raisch, 1995, S. 291, 300 f., sieht das Unternehmen als Wertschöpfungsveranstaltung, die aus einer Werte- und Haftungsträgerin (Anteilseignergemeinschaft), Leistungsträgern (Mitarbeiter) und Führungsträgern (Vorstand) besteht. 550 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 103. 551 Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 225. 552 Kunze, Marburger Gespräch, S. 78 ff. 553 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 105. 554 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 104. 555 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 121; Kunze, ZHR 147 (1983), 16, 23, hebt hervor, dass lediglich Anteilseigner und Arbeitnehmer zu berücksichtigen, sonstige Interessen wie die der Geschäftspartner, Gläubiger und der Öffentlichkeit hingegen zu vernachlässigen seien. 556 Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 206. 557 Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 224 f. 558 Auch Rittner, Die werdende juristische Person, S. 282 f., charakterisiert das Unternehmen als autonome Leistungseinheit, deren Aufgabe es sei, Leistungen für die Volkswirtschaft zu produzieren.

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ses559 könnten in einer Unternehmensverfassung jedoch – anders als Kapitaleigner und Arbeitnehmer – in der Minderzahl sein.560 Auch Köhler sieht das Unternehmen als eine pluralistisch orientierte Wertschöpfungsveranstaltung und volkswirtschaftliche Leistungseinheit an.561 Er rückt Eigentümer, Arbeitnehmer (Gewerkschaften), inaktive Mitglieder der Entscheidungsspitze, Kreditgeber, Lieferanten und Abnehmer in den Kreis derjenigen, deren Interessen durch die Entscheidungsspitze wahrgenommen werden müssten. Dem Zeitgeist überlässt er es, die wechselnde Gewichtigkeit im „Legitimitätsstreit“ zu bestimmen.562 Den Einbezug von Vertretern des öffentlichen Interesses hält Köhler nicht für sinnvoll:563 Niemand im Unternehmen könne das „öffentliche Interesse“ definieren; das einzige „öffentliche Interesse“, das die Unternehmensmitglieder verwirklichen könnten, sei der erfolgreiche Ausgleich der Interessengruppen im Unternehmen. Für die Verwirklichung eines darüber hinausgehenden Zwecks des „Gemeinwohls“ sei auf das Koordinationssystem der Wirtschaftsverfassung verwiesen.564 m) Das Unternehmen in austauschtheoretischer Betrachtung Vanberg stellt der Konzeption einer Sozialverbandstheorie des Unternehmens („Modell der Ressourcenzusammenlegung“) eine austauschtheoretische Betrachtungsweise gegenüber:565 Ihm geht es insbesondere um die Rolle der Arbeitnehmer. Je nachdem, welche Interpretation zugrunde zu legen sei, seien die Arbeitnehmer entweder Mitglieder oder Austauschpartner des Unternehmens (wie etwa auch Kunden und Lieferanten). Vanbergs Konzeption ist nach eigenem Bekunden der individualistisch-utilitaristischen Denktradition verhaftet, die das Unternehmen als marktanaloges, also auf dem Tauschkonzept basierendes Gebilde interpretiert.566 Der Anreiz-Beitrags-Theorie hafte, da sie auf ein Tausch-Element abstelle, die Schwäche an, dass sie Organisationsmitglieder nicht von Organisationsexternen, die im Markt, aber nicht innerhalb der Organisation handelten, abgrenzen kön559 Diese will Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 228, durch staatliche oder sonstige öffentlichen Stellen bestellen lassen. 560 Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 228. 561 Köhler, ZgStW 115 (1959), 716, 721; von der Unternehmung als „pluralistischer Wertschöpfungsveranstaltung“ geht auch Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 474, aus. 562 Köhler, JZ 1956, 137, 141. 563 Anders wohl Köhler, ZgStW 115 (1959), 716, 721. 564 Köhler, JZ 1956, 137, 142. 565 Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276. 566 Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 280.

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ne.567 So wolle etwa Barnard den Diensten eines Arbeitnehmers und den Kaufakten von Kunden im Hinblick auf das Tausch-Charakteristikum eine gleichartige Bedeutung für die Organisation verleihen; Simon und March stellen die Arbeitnehmer mit Konsumenten, Lieferanten, aber auch Kapitalanlegern gleich.568 Bei Coase finde sich hingegen der hilfreichere, wenn auch noch nicht ausreichende Hinweis darauf, dass das Spezifikum eines Unternehmens der Ersatz marktlicher Austauschfunktionen durch Autoritätsbeziehungen sei. Den Verweis auf Anreiz-Beitrags-Strukturen und Autoritätsbeziehungen nimmt Vanberg insofern auf, als er als Mitglieder einer Organisation diejenigen ansieht, deren Verbleib von einem ausreichenden Anreiz bei eigeninteressiertem Handeln abhängig ist und die die Ressourcen zusammenlegen und einer zentralen Disposition unterstellen.569 Der bloße Austauschcharakter wird von Vanberg auf diese Art und Weise stark modifiziert. Als Mitglieder des Unternehmens sind nach seinem Ansatz zwar Arbeitnehmer und Kapitalgeber anzusehen.570 Sofern die Stellung der Arbeitnehmer jedoch dem Muster „keine Verfügungsmacht in Verbindung mit Kontrakteinkommen“ entspreche, sei ihre Mitgliedsstellung nicht der der Eigenkapital-, sondern der Fremdkapitalgeber vergleichbar, denn die bloße Stellung als Mitglied bedeute nicht zugleich, dass alle dem Verband in gleicher „Qualität“ angehörten.571 n) Das Unternehmen als Machtzentrum Steinmann stellt nicht auf die Kooperation von Menschen als Sozialverband ab, sondern auf die ausgeübte wirtschaftliche Macht durch und in Großunternehmen.572 Nach ihm stellt das Großunternehmen die typische und prägende Erscheinung hoch entwickelter Gesellschaften dar.573 Da dieser Umstand mit der Ausübung von Macht gekoppelt sei, ergebe sich daraus, dass die Machtausübung in der Wirtschaft das zentrale Ordnungsproblem sei.574 Um die Interessengruppen auszumachen, die als Machtbetroffene anzusehen seien, wählt Steinmann als Kriterium, „welche der auf das Großunternehmen be567

Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 281 f. Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 282. 569 Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 286 f. 570 Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 289. 571 Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 294. 572 Ähnlich auch Vogt, Sozialverband, S. 12 f., 78, der neben dem Sozialverbandsgedanken die Erforderlichkeit einer Konfliktregelung im Unternehmen in engem Zusammenhang zur Legitimation und Kontrolle von Macht, auch durch die Arbeitnehmer, sieht. 573 Steinmann, Großunternehmen, S. 155. 574 Vgl. zur Aufstellung dieser Thesen Steinmann, Großunternehmen, S. 131 ff. 568

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ziehbaren Interessen, von ihrer typischen, also nicht situationsbedingten, sondern auf Dauer angelegten Interessenlage her auf das Gesamtschicksal der Großunternehmen gerichtet sind (Unternehmensinteressen) und welche nicht“.575 An dieser Stelle ergibt sich eine interessante Prägung des Unternehmensinteresses, das so eng wie möglich an Partikularinteressen gebunden wird. Steinmann sortiert von vornherein die Wettbewerber und die kleineren Lieferanten, Abnehmer und Gläubiger aus:576 Mögliche Unternehmensinteressen seien die der Großlieferanten, Großabnehmer und Großgläubiger, wobei auf Umfang und Langfristigkeit der Leistungsbeziehungen abzustellen sei.577 Als „notwendige Unternehmensinteressen“ identifiziert Steinmann die Interessen der Arbeitnehmer, Kapitaleigner, Konsumenten (Endverbraucher)578 und der Allgemeinheit. Bei den Kapitaleignern spricht er sich gegen eine Differenzierung von Klein- und Großaktionären aus, da die Machtbetroffenheit keine derartig schwerwiegenden Unterschiede aufweise, die diese rechtfertigen würde.579 Unter Arbeitnehmern möchte Steinmann nur die Gruppen der Arbeiter und die der nicht leitenden Angestellten verstanden wissen.580 Die Repräsentation des Gesamtinteresses müsse durch die Repräsentanten aller Unternehmensinteressen und etwaiger Vertreter staatlicher Behörden erfolgen.581 Der Aspekt der „Macht“ mutet faktisch an. Eine Tauglichkeit für das Gesellschaftsrecht, insbesondere für das Aktienrecht, das sich nur einem normativen Geltungsanspruch unterwerfen müsste, wird daher bezweifelt. Gerade bei Steinmann wird diese Faktizität jedoch in eine normative Aussage überführt, wenn davon ausgegangen wird, dass Machtpositionen rechtfertigungsbedürftig seien.582

o) Zwischenergebnis Für Kunze ist Kern aller Unternehmen das Zusammenwirken von Menschen, Vanberg unterscheidet zwischen Organisationsmitgliedern und „Organisationsexternen“. Ähnlich äußert sich Steinmann, der die Interessen der Arbeitnehmer, Kapitaleigner, Konsumenten (Endverbraucher) und der Allgemeinheit als maßgeblich ansieht. Auch diese Ansichten lösen sich daher nicht vom personalen Substrat. Die Hypothese, dass sich hinter dem Unternehmensinteresse Bezugsgruppen und Partikularinteressen verbergen, kann daher aufrechterhalten werden. 575

Steinmann, Großunternehmen, S. 176. Steinmann, Großunternehmen, S. 176 f. 577 Steinmann, Großunternehmen, S. 177 ff. 578 Diese sah er aber z. Zt. seiner Untersuchung als nicht repräsentierfähig an, Steinmann, Großunternehmen, S. 220. 579 Steinmann, Großunternehmen, S. 177 ff. 580 Steinmann, Großunternehmen, S. 212 f. 581 Steinmann, Großunternehmen, S. 229 f. 582 Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 41. 576

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Zu einem anderen Ergebnis zwingen ggf. die nun abschließend darzustellenden Betrachtungsweisen des Unternehmens, die versuchen, das Unternehmen als komplexes System bzw. als abstraktes Erkenntnisobjekt „an sich“ zu begreifen. p) Das Unternehmen als System583 Teubner nimmt eine systemtheoretische Anbindung des Unternehmens vor. Anders als soziologisch orientierte Unternehmenstheoretiker hebt Teubner das Handlungssystem von den Aktionären, Arbeitnehmern, Managementmitgliedern und sonstigen Individuen ab und verweist Menschen und Sachen in die Unternehmensumwelt („Trennung von Kommunikationssystemen und psychischen Systemen“ 584).585 Dieses Handlungssystem nennt Teubner „Corporate actor“ und weist diesem die Trägereigenschaft des Unternehmensinteresses zu.586 Aufgrund der Autonomie des Handlungssystems kann das Unternehmensinteresse nicht aus den einzelnen Interessen zusammengefügt und das Unternehmen nicht lediglich als Koordinationszentrum von Interessen verstanden werden.587 Der Interessenträger der Organisation habe ein eigenes Interesse an der Bestandserhaltung (eigene Reproduktion, Selbstreferenz, Autopoiese588), die ausschließlich dazu diene, die Einheit des Unternehmens als Bezugspunkt selbstreferentieller Operationen zu repräsentieren.589 Dies sei Voraussetzung dafür, dass der Funktions- und Leistungsbezug des Unternehmens verwirklicht werden könne: Zukunftssicherung der Gesamtgesellschaft, Interessenbefriedigung von Konsumenten, Anteilseignern, Arbeitnehmern etc. Hervorgehoben wird damit auch die gesamtgesellschaftliche Funktion von Unternehmen, die über eine nicht lediglich binnenorientierte Sichtweise in die Überlegungen einfließen müsse.590

583 Auch bei Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 29 f., Hervorhebung nicht im Originaltext, sind systemtheoretische Anklänge zu finden, wenn er feststellt: „Das Stichwort Verantwortung meint nicht bloß das Verhältnis der Unternehmensführung nach innen, gegenüber Kapitaleignern und Mitarbeitern, sondern betrifft auch die Beziehungen des Unternehmens zu seiner ökonomischen Umwelt, vornehmlich zum Markt, die Aufnahme und reaktive Verarbeitung der Marktsignale, die mittel- und langfristige Beobachtung der gesamtwirtschaftlichen Daten, der Planung der Unternehmenstätigkeit“; auch Raiser FS Potthoff, 1989, 31, 40, erkennt die Systemtheorie als Chance, sich dem Gebilde „Unternehmen“ zu nähern. 584 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 476. 585 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 471. 586 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 472. 587 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 476, 478 f. 588 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 477. 589 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 478. 590 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 480.

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Teubner löst sich mit seiner Argumentation (zunächst) vom personalen Bezug: Die Autonomie des Handlungssystems bedinge, dass das Unternehmensinteresse nicht aus den einzelnen Interessen zusammengefügt werde, Interessenträger mithin einzig die Organisation selbst sei. Damit wendet er sich zum einen gegen die Ansicht, das Interesse des Unternehmens sei die Summe der Einzelinteressen bzw. der kleinste gemeinsame Nenner. Zum anderen lehnt er es ab, den natürlichen Menschen in das System „Unternehmen“ einzubeziehen. Diese Konzeption nimmt Anleihen bei Luhmann, der die Elemente eines Systems nicht in den Personen, sondern in den Kommunikationsvorgängen erkennt.591 In Anlehnung an systemtheoretische Überlegungen beschreibt Teubner das Unternehmen als Kommunikationssystem, das in selbstreferentieller Geschlossenheit auf einen gesellschaftlichen Funktions- und Leistungszusammenhang hin organisiert sei. Er gelangt anhand der systemtheoretischen Betrachtungsweise zu einem Funktionsund Leistungsbezug des Unternehmens. Daraus ergibt sich, dass es die Umwelt des Unternehmens ist, aus dem es seinen Sinn bezieht und auf die auch nur das Interesse an der Bestandserhaltung gerichtet ist: Als Funktion des Unternehmens sieht Teubner die Zukunftssicherung der Gesamtgesellschaft an;592 sofern diese Aufgabe vom Unternehmen nicht erfüllt werden könne, sei auch eine Bestandserhaltung, da das Unternehmen gerade nicht Selbstzweck sein dürfe, kein absolutes Ziel mehr. Die Leistung betrifft die Beziehung des Unternehmens zu seiner Umwelt, der wiederum Konsumenten, Lieferanten, Kapitalgeber, Arbeitnehmer usw. angehören.593 Auf diese Weise kann man Teubners Konzeption sowohl einem personalen als auch einem pluralistischen Bezugspunkt zuführen: Die Akteure übernehmen bei Teubner eine Doppelrolle. Neben der Rolle als psychische Systeme, als Umwelt anderer, insbesondere anderer sozialer Systeme, ist für die hiesige Untersuchung von Belang, dass Teubner Akteure als „semantische Konstrukte des Rechtssystems“ erkennt.594 Darin liegt nur ein geringer Unterschied zu den hier angenommenen rechtlich kreierten „Rollen“. Dass allein das Abstellen auf einen sog. „Corporate actor“ nicht ein Loslösung vom personalen Substrat bedeutet, dürfte etwa ein Vergleich mit Fechner, der als Begründer der Sozialverbandstheorie wohl am wenigsten das personale Substrat des Unternehmens vernachlässigen wollte, zeigen. Auch Fechner sieht das Unternehmensinteresse als das Eigeninteresse des „sozialen Verbands“ Unternehmen, das aber nicht der Summe der Einzelinteressen entspreche, sondern vielmehr ein integriertes Gesamtinteresse darstelle.595

591

Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 81. Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 483. 593 Leistung betrifft die Beziehung des Unternehmens zu seiner Umwelt, also zu Konsumenten, Lieferanten, Kapitalgebern, Arbeitnehmern usw., vgl. Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 483. 594 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 37. 592

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Kessler legt ebenfalls eine Anschauung eines Unternehmens zugrunde, die neben entscheidungstheoretischen systemtheoretische (das Unternehmen als produktives soziales System, dessen sich die am Unternehmen Interessierten zum Zweck der Zielerfüllung bedienen) Anleihen nimmt. Die systemtheoretische Fundierung erlaubt Kessler, eine Unternehmenstheorie zu entwickeln, die nur in einem Punkt statisch ist: Grundvoraussetzung eines jeden Unternehmens wird in einer andauernden und nachhaltigen Kapitalzufuhr gesehen, auch wenn später vorgegebene Unternehmensziele strikt ausgeschlossen werden.596 Mittel zu diesem Zweck sei es etwa, entsprechenden Gewinn zu erzielen, interessante Arbeitsplätze bereitzustellen, qualitativ hoch stehende und zu den Kundenwünschen adäquate Produkte anzubieten und selbst ein „guter“ Kunde zu sein. Ansonsten bleibt genug Raum, um einzelfallbezogen auf die Interessen der jeweils zu berücksichtigenden Interessengruppen abzustellen. Selbst die „Ziele der Organisation“ leiten sich von den Interessen der Organisationsteilnehmer ab. So wird eine eindeutige Verbindung zum personalen Substrat des Unternehmens geknüpft. Dabei soll der Vorstand Partikularinteressen nicht nur in dem Maße erfüllen, das ihm gesetzlich oder tarifvertraglich vorgegeben wird.597 Systemtheoretische Anleihen bedeuten also trotz luhmann’scher Vorprägung nicht notwendigerweise eine Loslösung vom personalen Substrat. Um zu einer fundierten Auffassung bezüglich einer Entfernung des Unternehmens vom personalen Element zu gelangen, soll nunmehr die Ausgestaltung des Unternehmens untersucht werden, die sich – angeblich – von dem personalen Substrat besonders weit entfernt hat: Das „Unternehmen an sich“. 595 Fechner, Treubindungen, S. 62 ff.; ähnlich auch Geiler, Moderne Rechtswandlungen, S. 183; Geiler FS Pinner, 1932, S. 254, 277; Geiler, Die wirtschaftlichen Strukturwandlungen und die Reform des Aktienrechts, 1927, S. 2 und Geiler, ZBlfAktB 1929, 103, 111, dürfte eine Verselbständigung des Unternehmens vorschweben, wenn er als die zwei in der Aktiengesellschaft wirkenden Prinzipien neben der Maßgeblichkeit der Interessen der Aktionäre („Grundwesen der Aktiengesellschaft als Kapitalgesellschaft“) den Schutz des Unternehmens („soziale Funktion des Unternehmens“) anerkennt. Er führt aus, die Betriebe würden zu „neuartigen sozialen Organismen, deren Leitung in der Hand Dritter liegt, bei denen sich der Organschaftsgedanke immer mehr durchsetzt, indem sie im zunehmenden Maße als Treuhänder, nicht nur des anvertrauten Kapitals, sondern aller am Produktionsprozeß beteiligten Kreise, insbes. auch der Arbeitnehmer und Verbraucher erscheinen“; Geiler erkennt dennoch drei Interessengruppen als Träger der von ihm ausgemachten Grundprinzipien in der Aktiengesellschaft (Aktionärsschutz und Unternehmensschutz) an: Das Interesse der Allgemeinheit, das Interesse des „Unternehmens an sich“ als korporative Organisation, das Aktionäre und Angestellte und Arbeiter vereinigt, und das Aktionärsinteresse; auch nach Otto v. Gierke, Genossenschaftsrecht Bd. I, S. 1016, gehört der Aktionär dem Unternehmen nicht mit seiner Persönlichkeit, sondern ausschließlich mit einem abgrenzbaren Stück seiner Vermögenssphäre an; den materiellen Gehalt eines Unternehmensinteresses will auch Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 551, weder aus einer Summierung der Einzelinteressen erzielen noch als „kleinsten gemeinsamen Nenner“ verstanden wissen. 596 Kessler, AG 1993, 252, 255. 597 Kessler, AG 1993, 252 f.

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Sollte es zutreffen, dass das Unternehmen nach der Konzeption des „Unternehmens an sich“ reiner Selbstzweck ist,598 so wäre die Differenzierung von monistischer oder pluralistischer Konzeption nur auf anderem Wege als durch Zugriff auf Interessengruppen möglich. Dass die Figur des „Unternehmens an sich“ unmittelbar mit dem Unternehmensinteresse verknüpft ist, liegt neben der Frage nach dem personalen Substrat daran, dass die Diskussion um das „Unternehmen an sich“ diejenige um das „Unternehmensinteresse“ und eine interessenpluralistische Betrachtung weit voran gebracht hat.599 q) „Unternehmen an sich“ als Verselbständigung des Unternehmens? Die frühesten Ansätze zur Verselbständigung des Unternehmens liegen vor dem Ersten Weltkrieg und vor der Begriffsschöpfung des „Unternehmens an sich“. Einen ersten Schritt in diese Richtung tat Hassenpflug, der die „Handlung unter einer Firma“ zu einem Rechtssubjekt und einer Trägerin von Rechten und Pflichten, die aus Handlungsgeschäften bestehen, machen wollte.600 Darin ist eine erste Abgrenzung von der natürlichen, tätigen Person zu erblicken. Hassenpflug setzte für die „Handlung“ nicht den Status einer juristischen Person voraus. Dementsprechende Erwiderungen halten eine Verselbständigung der Handlung und Verleihung einer Subjektstellung, ohne sie durch staatliche Anerkennung zur

598 Vgl. dazu Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 17; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 53; Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 222. 599 So Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 51; vgl. auch Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 22; demgemäß unterstellt Flume, dass, wäre die Diskussion um das „Unternehmen an sich“ nur ernsthafter geführt worden, auch die – bis dahin als unproblematisch betrachtete – personenmäßige Bezogenheit des Unternehmens auf die Aktionäre bereits früher in den Blick gekommen wäre. Nach Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 46, zeugt nämlich beispielsweise die Begründung des Aktienrechtsentwurfs 1930 von einer neuen, durch das „Unternehmen an sich“ geprägten Sichtweise, wenn dort von der Ablösung der individualistischen Auffassung gesprochen werde: „Die Verwaltung hat ausschließlich dem Unternehmen zu dienen“, Entwurf eines Gesetzes über die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, veröffentlicht durch das Reichsjustizministerium, 1930; vgl. auch Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 2, 171. 600 Hassenpflug, Elvers Themis, Band 1, 1827, S. 59 ff.: „Eine unter einer Firma betriebene Handlung ist als das Rechtssubjekt hinsichtlich aller aus Handlungsgeschäften entstehenden Rechte und Pflichten anzusehen“; ähnlich auch Endemann, Das Deutsche Handelsrecht, S. 74; Anstöße zur Verselbständigung des Unternehmens kamen auch aus anderen (geografischen wie wissenschaftlichen) Bereichen: So ließ bereits die 1896 erlassene österreichische Executionsordnung eine Zwangsvollstreckung in das Unternehmen als Ganzes zu. Sie wird daher neben einer Entscheidung des französischen Cour de Cassation zur Verpfändung des Gesamtunternehmens als entscheidender Schritt zur Anerkennung eines einheitlichen Unternehmens als Rechtsobjekt angesehen, vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 1.

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juristischen Person zu erheben und mit einer Haftungsbeschränkung einhergehen zu lassen, für ausgeschlossen.601 Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Bekker, der eine Verselbständigung des Handelsgeschäfts auf der Brinz’schen Theorie der Personifikation des Zweckvermögens aufbauen wollte.602 Bekkers Gedanken fanden jedoch, wohl insbesondere weil sie den persönlichen Gehalt des Unternehmens vernachlässigten, nur wenige Anhänger.603 Auch Sombart erklärte für die kapitalistische Unternehmung die Verselbständigung als charakteristisch, denn die Einheit führe ein eigenes, das Leben der Individuen überdauerndes, Leben; sie sei unsterblich.604 Ähnlich dürfte Keynes zu verstehen sein, der den Begriff der „Selbstsozialisierung der Großunternehmen“ einführt, wonach sich das Unternehmen mit zunehmender Größe eher dem Status einer öffentlichen Korporation annähere und sich von dem Einfluss der Aktionäre löse.605 Diese Ansichten erfuhren Ablehnung, die darauf zurückgeführt wurde, dass sowohl der Verselbständigung als auch der Subjektivierung des Unternehmens der Einfluss des Römischen und Französischen Rechts entgegenstehe, das auf einer stark individualistischen Sichtweise aufbaute: Die Verselbständigung und Personifikation des Unternehmens sollte unvereinbar sein mit dem Ideal der freien Persönlichkeit.606 Mit einem verselbständigten Unternehmensbegriff einher (aber nicht gleichbedeutend) ging die Frage nach der Subjektstellung des Unternehmens:607 So ver601 Vgl. dazu Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 72; dass notwendige Voraussetzung der juristischen Person eine Haftungsbeschränkung sei, ist jedoch seit Schreiber, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, S. 28 ff., widerlegt. 602 Bekker, ZHR 4 (1861), 499 ff., „Zweckvermögen, insbesondere Peculium, Handelsvermögen und Aktiengesellschaften“. 603 Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 76, 81. 604 Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd 3, 2. Hlbbd., S. 739. 605 Keynes, Das Ende des Laissez-faire, S. 33 f.; ähnlich Schumpeter, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 48 (1920/21), S. 305, 314, 340. 606 Vgl. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 79, 81 f., der das Menschenbild der 19. Jahrhunderts daher als eine entscheidende Quelle der Dogmatik des Handelsund Gesellschaftsrechts ansieht. 607 Nicht ganz eindeutig insofern Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 39, der das Unternehmen als Objekt der Gesellschaft und als Subjekt des Aktienrechts einordnet; Rittner, ZHR 144 (1980), 330 ff., bezeichnet eine Subjektivierung und damit Bedeutungsverstärkung des Unternehmens als rechtsirrig und auf einer Begriffsvertauschung beruhend; alles, was er als Gegenansicht anzuerkennen bereit ist, ist ein neuer „Unternehmensträgertyp“, der keine Gesellschaft mehr ist, sondern eine Vereinigung von Anteilseignern, Belegschaft und Geschäftsleitung. Auch eine derartige Betrachtungsweise – die eine Gleichberechtigung der Mitglieder impliziere – wischt er jedoch mit Hinweis auf die Heterogenität der Gruppen beiseite. Folgerichtig erkennt er nur die Aktionäre als einzige Mitglieder der Körperschaft an, sodass die Organe als ihre Treuhänder zu

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knüpft Endemann608 die Selbständigkeit mit der Rechtssubjektivität des Geschäfts: „Das Geschäft ist ein Komplex nicht bloss der für den Handel bestimmten Produktivmittel, sondern zugleich der in ihm wirthschaftlich thätigen Kapitale und Arbeitskräfte. Das Wesen des Geschäfts erschöpft sich nicht in dem Begriff eines Konglomerats todter Vermögensstücken. [. . .] Es ist ein Glied des Verkehrslebens, und insofern mehr als blosses Objekt dinglicher oder persönlicher Berechtigung“ 609. Endemann sieht das Geschäft nicht als von der Willkür des Prinzipals abhängige Einrichtung, vielmehr dränge das Geschäft als Teil der Wirtschaft die physische Person des Eigentümers in den Hintergrund.610 Heftige Kritik erfährt Endemann insbesondere von Laband, der Endemanns Ausführungen als „ein Attentat gegen die Integrität des Persönlichkeitsbegriffs“ 611 bezeichnet. Die Geburtsstunde des „Unternehmens an sich“ ist zugleich die einer Fehlinterpretation bzw. einer begrifflichen Verwirrung:612 Interessanterweise hat Rathenau, der als Schöpfer des Begriffs gehandelt wird, den Terminus selbst nie beansprucht. Vielmehr hat ihn Haussmann in seiner Kritik an Rathenau geprägt.613 Das „Unternehmen an sich“ ist seit jeher harscher Kritik ausgesetzt.614 Diese Kritik ist auch darauf zurückzuführen, dass sich das „Unternehmen an sich“ mit seiner Befähigung, unbestimmte Interessen aufzunehmen, als Vehikel der nationalsozialistischen Ideologie eignete.615 Insgesamt lässt sich eine einheitliche Linie nicht erkennen. Richtigerweise stellt daher Wiethölter fest: „Wer sich zum ,Unternehmen an sich‘ äußert, muß zunächst sagen, was er darunter verhandeln haben; dem – nach Rittner bereits ungünstigen, weil nur für individualrechtliche Beziehungen geeigneten – Gesellschaftsinteresse ein Unternehmensinteresse gegenüberzustellen, hält er für verfehlt; Schilling FS Duden, 1977, S. 537, 540, beschreibt das Schicksal des Unternehmens als seit 100 Jahren zwischen Subjekt- und Objektstellung hin- und herpendelnd. 608 Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 44, schreibt Endemann einen Gedankengang zu, der an das „Unternehmen an sich“ erinnere. 609 Endemann, Das Deutsche Handelsrecht, S. 54 f., wobei sich Endemann nicht auf das dem Individualismus verhaftete Römische Recht, sondern auf christlich-kanonische Ideen stützt; nicht ganz eindeutig hingegen Vogt, Sozialverband, S. 33 f., der einmal von Rechtssubjekt und einmal von -objekt spricht. 610 Vgl. Endemann, Das Deutsche Handelsrecht, S. 55. 611 Laband, ZHR 8 (1865), 643, 647, der sich auf frühere Äußerungen Endemanns bezieht. 612 Vgl. Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 558 ff. 613 Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 14; dies hat insbesondere Netter nachgewiesen, Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 545 ff. 614 Nach Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 50, wird der Unternehmensbegriff im „Unternehmen an sich“ „zum Widersinn verzerrt“; nach Teubner, ZHR 149 (1985), 470, gehört das „Unternehmen an sich“ in das „Gruselkabinett der Rechtsfiguren“, von dem sich Gesellschaftsrechtler mit Entsetzen abwenden oder das – nach einer Auseinandersetzung – als „Ideologie“ abgetan wird. 615 Vgl. Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 154 ff.

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steht.“ 616 Daher soll die Figur zunächst in ihren verschiedenen Interpretationen näher betrachtet werden. aa) Rathenau Rathenaus Schrift „Vom Aktienwesen“ weist gemeinwirtschaftliche Ansätze auf,617 die sich in sein Gesamtwerk einpassen, dem der durchgehende Gedanke zugeschrieben wird, das Unternehmen habe seine Existenz und die Erfüllung seiner wirtschaftlichen Zwecke auch gegen den Aktionär durchzusetzen.618 Auch in dem soeben angesprochenen Werk versucht Rathenau einen Weg zu weisen, der den Bestand schützenswerter Unternehmen auch gegen den Willen der Anteilseigner gewährleistet. Als denkbare Fälle eines Konflikts, bei dem sich die „Interessen des Unternehmens“ insbesondere gegen die Interessen der Minderheitsaktionäre durchzusetzen haben, behandelt Rathenau Auskunftserteilung619 und Dividendenpolitik620. Während er sich auf diesem Feld nur mit dem Mehrheits-/ Minderheitskonflikt beschäftigt und der Mehrheit eindeutig den Vorrang einräumt,621 zeichnet er bei seinem berühmten Beispiel der Liquidation der Deutschen Bank ein anderes Bild: Selbst wenn diese durch die Mehrheit beschlossen würde, bliebe dem Staat oder der Reichsregierung nichts anderes übrig, als ein Sondergesetz zu erlassen, das den Beschluss rückgängig mache.622 Rathenau verfolgte mithin ein zweistufiges Modell: Zunächst soll das Interesse des Unternehmens durch die Mehrheit der Gesellschafter bestimmt werden, in besonders gelagerten Fällen jedoch durch das öffentliche Interesse (etwa durch den Gesetzgeber), das sich dann auch gegen den Willen der Gesellschafter durchsetzt.623 Riecher interpretiert Rathenaus Konzeption als ein von Privatinitiative getragenes Unternehmen, geführt von einer absolutistisch organisierten Verwaltung ohne 616

Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 41. Vgl. hierzu insbesondere den letzten Satz, nach dem dem Unternehmen „die Durchdringung mit dem Geiste der Gemeinverantwortlichkeit und des Staatswohls“ beschieden sei, Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 62; ebenso interpretiert von Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 27 f.; dies wird jedoch bestritten von Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 546 ff.; Netter wollte sich auf Rathenau berufen und dürfte daher zu Zeiten der Weimarer Republik ein eigenes Interesses daran gehabt haben, dessen Werk von gemeinwirtschaftlichem Gedankengut zu lösen, vgl. dazu Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 10. 618 Vgl. Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 10. 619 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 30 ff. 620 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 35 ff. 621 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 30 ff. 622 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 29. 623 An dieser Stelle zeigt sich eine Parallele zu der oben, Kapitel 1 A. III., ausgearbeiteten Konzeption der Interessengenese. Die Idee, die Interessen der Gesellschafter gegenüber öffentlichen Interessen zurücktreten zu lassen, erlebt etwa im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Hypo Real Estate eine neue Aktualität. 617

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starke Bindungen.624 Auch Flume nimmt an, Rathenau wäre es in seiner Schrift vornehmlich um die Stärkung der Verwaltung gegangen.625 Bereits hier klingt an, was die „Verselbständigung des Unternehmens“ bedeutet, wenn Rathenau zudem von einer „Entpersönlichung des Eigentums“ spricht, nämlich vorrangig die Entfernung des Unternehmens von den Gesellschaftern und deren Bestimmungsmacht. Die Bestimmungsmacht wird weitergehend als zuvor in die Hände der Verwaltung gelegt. Die Verbindung zum personalen Substrat wird damit aber nicht gekappt. bb) Haussmann Der Begriff des „Unternehmens an sich“ geht also ursprünglich auf Haussmann zurück, der in seinem Aufsatz „Die Aktiengesellschaft als ,Unternehmen an sich‘“ Rathenau kritisiert.626 Rathenaus Konzeption führe „zum Schutz des Unternehmens an sich gegenüber der Mehrheit in der Generalversammlung“ 627; zudem stelle das „Unternehmen an sich“ das Ertragsstreben für die kapitalistische Wirtschaftsordnung in Frage und gestatte der Verwaltung, „sich selbst über die Einzelinteressen der in der Aktiengesellschaft verbundenen Kräfte zu erheben und Wirtschaft um ihrer selbst willen zu betreiben“ 628. Haussmann konnte zu dieser Zeit dem „Unternehmen an sich“ durchaus auch Positives abgewinnen: Die durch den „Institutscharakter der Aktiengesellschaft“ gewonnene Autonomie629 (später verstanden als „Gesamtinteresse“ 630), fordere eine Rücksichtnahme der Aktiengesellschaft auf ihre Bedeutung im Wirtschaftsleben dergestalt, dass die Verantwortung der Verwaltung gegenüber den Aktionären sich zugunsten der Allgemeinheit abschwäche und sich die widerstreitenden Kräfte unter der „Glocke der Autonomie“ ausgleichen könnten.631 Eine Verfolgung gesellschaftsfremder Interessen sollte im Rahmen der guten Sitten nach Haussmann zulässig sein, da ansonsten jegliche Interessenpolitik in der Aktiengesellschaft unterbunden werde.632 Dementsprechend versteht er das „Unternehmen an sich“ als Rahmen, der die unterschiedlichen Interessen – wobei er das Interesse der (Unternehmens-)Aktionäre als grundsätzlich mit dem Interesse des 624

Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 15. Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 46. 626 Haussmann, JW 1927, 2953. 627 Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 46. 628 Haussmann, BA 1930/31, S. 57, 62. 629 Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 42, 47 ff., 52. 630 Haussmann, BA 1930/31, S. 57, 64. 631 Diese Abschwächung sei aber lediglich eine Modifikation, keine Aufhebung der Grundprinzipien der privatwirtschaftlichen Aktiengesellschaft, Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 42. 632 Haussmann, BA 1930/31, S. 57, 63. 625

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Unternehmens gleichlaufend ansieht633 – umfasst und innerhalb dessen der neutrale Vorstand zum Ausgleich verpflichtet sei.634 Als vorrangig ausgleichendes Prinzip sieht er den Maßstab der „guten Sitten“,635 der Ausdruck des lebenden Aktienrechts sei und die Brücke zwischen Form und Inhalt schlage.636 Als „Form“ dürfte er dabei das Aktienrecht und als „Inhalt“ das reale Aktienwesen verstanden haben. Später stand er dem Begriff des „Unternehmens an sich“ dann eher ablehnend gegenüber.637 cc) Netter Netter sieht in dem „Unternehmen an sich“ eine aktienrechtliche Theorie gestaltenden Typs. Die Theorie besage nichts anderes, als dass sie in dem, was sie „Unternehmen an sich“ nenne, ein gestaltendes Prinzip der Wirklichkeit erkannt zu haben glaube, auf das sich die Lebensfunktionen der Aktiengesellschaft zurückführen lasse.638 Die Kritik am „Unternehmen an sich“ lässt sich nach Netter in drei Gruppen einteilen.639 Die begrifflich-dogmatische kritisiere den Begriff des Unternehmens als zu eng, sofern er nur auf die Aktiengesellschaft bezogen wird, als nicht deckungsgleich mit dem Begriff der Betriebswirtschaftslehre und zudem neben den Schranken der guten Sitten als überflüssig. Eine weitere Gruppe kritisiere die Figur als bloß zweckgeleitete Rechtfertigung einer Verwaltungsherrschaft,640 während die dritte Gruppe bereits die Möglichkeit einer Antithese zwischen Interessen des Unternehmens und Interessen der Gesellschafter verneine641. Netter selbst äußert sich ebenfalls skeptisch über die „Verselbständigung des Geschäfts“, was für ihn gleichbedeutend ist mit „Emporhebung eines selbständigen Wirtschaftsorganismus über die einzelnen lebenden Menschen hinaus“, der „ein eigenes, das Leben der Individuen überdauerndes Leben führt“.642 dd) Zusammenfassung Das „Unternehmen an sich“ als Idee entwickelte sich aus zwei, sich wechselseitig verstärkenden, tatsächlichen und rechtlichen Phänomenen: Auf der einen 633 634 635 636 637 638 639 640 641 642

Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 52. Haussmann, BA 1930/31, S. 57, 64. Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 54 ff. Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 57. Haussmann, BA 1931/32, S. 467, 473. Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 541. Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 554 ff. Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 561 ff. Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 565 ff. Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 534 f.

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Seite nahmen die Unternehmen seit dem Ersten Weltkrieg an Größe und Macht zu und wuchsen aus der Privatsphäre des Einzelkaufmanns, der „Eigentum“ und Verfügungsgewalt vereinte, heraus. Es dominierte die Vorstellung, dass die Unternehmen wirtschaftlich, sozial und politisch relevante Großeinheiten geworden seien und eine Tendenz zur Institutionalisierung zeigten.643 Auf der anderen Seite entwickelte sich nach der Übertragung von Zuständigkeiten auf die Generalversammlung, die diese mangels Fähigkeit zur einheitlichen Willensbildung nicht ausfüllen konnte, ein Kontrollvakuum.644 Beide Phänomene führten zu einer Öffnung des Unternehmens für Interessen, die über die der Aktionäre hinausgingen: Dies sollte zum einen dem Umstand Rechnung tragen, dass weite Gruppen von der Machtausübung betroffen waren. Zum anderen drängten verschiedenste Gruppen in das Kontrollvakuum. Ob nun die gesteigerte Selbständigkeit des Vorstands die Bindung an verschiedene Interessen bedingte und diese den Freiraum dadurch einengten645 oder aber die Bindung an unterschiedliche Interessen erst zu einem Freiraum des Vorstands führte, dürfte aufgrund der sich jeweils verstärkenden Wechselwirkungen schwer auszumachen sein, ist aber für die hiesige Untersuchung auch irrelevant.646 Fest steht, dass durch die Erweiterung der Partikularinteressen um weitere Interessengruppen (insbesondere Arbeitnehmer,647 Gläubiger, Öffentlichkeit bzw. Allgemeinheit648, (nationale) Volkswirtschaft) das Unternehmen eine Tendenz zur beschriebenen „Verselbständigung“ zeigte. Diese Verselbständigung bezieht sich jedoch nicht auf eine Entfernung des Unternehmens von jeglichem menschlichen Substrat, sondern von den Gesellschaftern649: Der Entscheidungsinstanz „Verwaltung“ kam zumindest wegen des Kontrollvakuums, ggf. auch aufgrund einer gesteigerten Fülle an legitimen Interessen, größerer Freiraum und mehr Macht zu,650 sodass 643

Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 53; „Sechser Bericht“, 1968, S. 16. Vgl. Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 25. 645 So wohl der „Sechser Bericht“, 1968, S. 194: „[E]rst führt die ,Schwäche des Eigentums‘ zur ,Verabsolutierung der Verwaltung‘ [. . .], und dann kommt die – so lautet die Behauptung – dadurch provozierte Mitbestimmung.“ 646 Bedeutung erlangt die Frage hingegen, wenn es um den Vorwurf geht, pluralistische Auffassungen würden einen Verwaltungsabsolutismus bezwecken. 647 Vgl. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 18, 20; Flume FS Beitzke, S. 43, 49, sieht in der Diskussion bereits die „Drei-Bänke-Lehre“ der Mitbestimmungsdebatte vorgezeichnet. 648 Nach Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 128 f., wurde die Berücksichtigung des Allgemeininteresses von allen Autoren, die dem „Unternehmen an sich“ positiv gegenüberstanden, befürwortet; vgl. dazu auch Haussmann, JW 1927, S. 2953, 2955. 649 Albach, Die Bedeutung gesellschaftlicher Veränderungen, S. 747: „[Der] Prozeß der Loslösung des Unternehmens von seinen Anteilseignern erscheint [. . .] als weitgehend vollzogen“; vgl. auch Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 2. 650 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 54, drückt dies dahingehend aus, dass „Herr im Hause“ nunmehr die Verwaltung geworden sei, S. 54; dies spiegelt auch die Einführung des § 70 AktG 1937 wider, vgl. dazu Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 25. 644

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die Interessen der Gesellschafter im Extremfall sogar zurückgedrängt werden konnten und sich die Verfügungsgewalt mehr und mehr vom „Eigentum“ trennte.651 Die Aufladung des Unternehmens mit gesellschaftsfremden Interessen führte so zu der Vorstellung einer Verselbständigung des Unternehmens. Dies dürfte die Begriffswahl des „Unternehmens an sich“, die an das Kantische „Ding an sich“ erinnert652 und so erkenntnistheoretisch auf ein Objekt verweist, das mit den menschlichen Sinnen nicht erfahrbar ist, zusätzlich befördert haben. All dies sind jedoch keine Zeichen für ein Gebilde, das um sich selbst kreist, „selbst Zweck“ ist653 oder „im luftleeren Raum schwebt“ 654. Für die hiesige Untersuchung ist vielmehr ausschlaggebend, dass das „Unternehmen an sich“ die Verbindung zu seinem personalen Substrat gerade nicht gekappt hat, sondern genau daraus entstanden ist. Erst die Erweiterung des Interessenkreises führte zu einer Abstraktion vom Gesellschafterwillen und dementsprechend aus der damaligen Warte zu der Vorstellung einer „Verselbständigung“ des Unternehmens. Der Aspekt der Verselbständigung der Verwaltung von den Anteilseignern, mithin der Verfügungsgewalt vom „Eigentum“, wurde oben bereits dargelegt. Die „gefühlte“ Verselbständigung wurde daneben durch einen weiteren Umstand genährt: Eine einheitliche Leitmaxime (etwa das „Unternehmensinteresse“) konnte sich praktisch nicht aus der Summe der einzelnen Interessengruppen ergeben. Mithin wurde das Interesse durch Vereinheitlichung und Ausgleich der unterschiedlichen (abstraktphänotypischen oder konkret-tatsächlichen) Interessen materiell oder formal-prozessual generiert. Wenn auch das Rolleninteresse wenig mit dem aktuellen Individual-Interesse zu tun, so gilt dies umso mehr für das Ergebnis einer endgültigen Vereinheitlichung. 655 Das Unternehmensinteresse kann eben nicht mit den Interessen der Aktionäre, aber auch nicht mit den Interessen der Arbeitnehmer gleichgesetzt werden,656 sondern ist ein „Gesamtinteresse“.657 Auch die Frage nach einer „Einheitlichkeit“ des Unternehmens hat nicht per se etwas mit einer Verselbständigung vom

651 Diese Trennung von Eigentum und Verwaltung führte zum Vorwurf, das Unternehmen an sich sollte zu einer Machterweiterung des Managements eingesetzt werden, sog. „Verwaltung an sich“, vgl. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 18; Nussbaum, MdW 1928, 1906 f. 652 Vgl. auch Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 580. 653 Vgl. bereits Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 222. 654 Vgl. Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 558 ff. 655 Ebenso der „Sechser Bericht“, 1968, S. 193, der das Interesse des Unternehmens als pluralistische „Synthese“ der vertretenen Interessen anerkennt, es jedoch ablehnt, soweit es darüber hinausgeht: „Ein ,Unternehmen an sich‘, wenn es nicht ein Gespenst sein soll, gibt es daneben nicht.“ 656 Flume, ZGR 1978, 678, 689. 657 Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 170.

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personalen Substrat insgesamt zu tun658 und wird auch heute unter den Vorzeichen des Schutzes eines subjektiven Rechts am Unternehmen659 und der Übertragbarkeit des Unternehmens660 diskutiert. Insgesamt dürfte die Geschichte des „Unternehmens an sich“ die einer begrifflichen Verwirrung gewesen sein, die dazu geführt hat, dass etwas gar nicht Existentes bekämpft wurde. r) Zwischenergebnis Das Unternehmen trennt sich nach den dargestellten Ansichten nicht vom personalen Substrat und erscheint bis zu diesem Punkt als Ausprägung einer pluralistischen Konzeption. Nach dieser Vorarbeit soll nunmehr das sog. „Unternehmensinteresse“ in seiner Funktion als Leitmaxime, insbesondere für den Vorstand, auf seine pluralistische Ausrichtung hin untersucht werden. 658 Die Frage nach der Einheitlichkeit des Unternehmens macht sich insbesondere daran fest, ob der Unternehmensschutz als Schutz eines eigenständigen Organisationswertes neben dem Schutz der Einzelrechte, die sich auf die Organisation beziehen, erforderlich sei, vgl. Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 71 ff., 76; insbesondere die von Raiser zu Recht so genannten „Pionierarbeiten“ von Isay, Das Recht am Unternehmen, v. Ohmeyer, Das Unternehmen als Rechtsobjekt, und Pisko, Das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs, beschäftigen sich mit der Frage der Anerkennung eines einheitlichen Unternehmens unter diesen Vorzeichen; für die Einheit des Unternehmens führt Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 78, 83, die Gesamthandsgemeinschaft der Gesellschafter an; der Anlass zur Gesellschaftsbildung sei die Einheit des Unternehmens als Rechtsobjekt gewesen. 659 Bereits das Reichsgericht erkannte seit 1888 ein subjektives Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb an (RGZ 22, 93; 28, 238; 51, 369, 373; 56, 271; RG JW 1899, 749). Als Grundsatzentscheidung dürfte jedoch RGZ 58, 24, 29 f. vom 27.02.1904 angesehen werden, in der das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dadurch fundiert wird, dass es sich dabei nicht bloß um eine freie Willensbetätigung handle, sondern dass dieser Wille sich bereits in einer gegenständlichen Verkörperung niedergeschlagen habe. Der Übergang vom reinen Tätigkeitsbegriff des „Unternehmens“ zu einem Begriff, der das Unternehmen als einheitliches Rechtsobjekt anerkennt, ist unverkennbar. Im Constanze I-Urteil (BGHZ 3, 270, 279; vgl. auch BGHZ 8, 142, 144; 16, 172) heißt es weiter: „[D]ie Verhältnisse eines gewerblichen Unternehmens, seine Erzeugnisse oder sonstigen Leistungen [müssten] nicht nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen“ geschützt werden. Später stellt der BGH (BGHZ 29, 65, 70) fest: „Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung gewährten und nach und nach erweiterten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben“. Hier wird der Übergang vom „Gewerbebetrieb“ zum „Unternehmen“ als eigentliches Schutzgut offensichtlich. Bereits Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 132, wies zudem auf die Bedeutung der Sachmängelhaftung als Indiz für die Einheitlichkeit des Unternehmens als Rechtsobjekt hin. 660 Die Einheit des Unternehmens wird an die Voraussetzung geknüpft, dass es auch einheitlich übertragen werden kann; Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 70, hat darauf hingewiesen, dass dies zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für ein einheitliches Rechtsobjekt sei; Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 129, führt insbesondere auch die Möglichkeit der Übertragung der Arbeitsverträge auf einen neuen Arbeitgeber an.

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2. Pluralistischer Bezug des Unternehmensinteresses Es soll nunmehr überprüft werden, ob das Unternehmensinteresse tatsächlich pluralistisch im Sinne eines Gegensatzes zur monistischen Ausrichtung verstanden werden kann. Ein pluralistischer Ansatz kann auch so angelegt sein, dass zwar die Interessen mehrerer Interessengruppen zu beachten sind, dies jedoch nur im Hinblick auf den größten Nutzen der Gesellschaft(er), sog. „enlightened Shareholder Value-Doktrin“. Mit einem derartigen Verständnis der Interessenwahrung661 könnte die strafrechtlich monistische Konzeption in Einklang gebracht werden. Es bleibt also zu untersuchen, ob dem dualistischen bzw. pluralistischen Verständnis des Unternehmensinteresses eine ranggleiche Wahrung der Interessen der unterschiedlichen Interessegruppen zugrunde liegt.662 Sofern die Handlungsmaxime eines „Unternehmensinteresses“ anerkannt wird, besteht Einigkeit darüber, dass sie eine „richtige“ Entscheidung gewährleisten soll, mithin eine normative Leitlinie sein soll, an der sich der Adressat zu orientieren hat. In Anlehnung an die moralphilosophische Trennung von materialer und formaler Ethik663 lassen sich zwei Hauptströmungen festmachen: Entweder gibt das Unternehmensinteresse als Überbegriff bestimmte Entscheidungsinhalte bereits vor (materielle Prägung des Unternehmensinteresses anhand abstrakt-phänotypischer Interessen) oder es wird als Ausformung eines bestimmten Prozedere verstanden, anhand dessen man erst zu der „richtigen“ Entscheidung gelangen soll (formal-prozessuale Prägung anhand konkret-tatsächlicher Interessen).664 a) Unternehmensinteresse als materieller Begriff Im Hinblick auf die Interessengenese beim materiellen Unternehmensinteresse wird das Unternehmensinteresse entweder als Resultante der verschiedenen Interessen (etwa: „kleinster gemeinsamer Nenner“) verstanden665 oder als Schranke der Interessenfindung vorgeschaltet.666 661

Im Folgenden „unechte“ dualistische bzw. pluralistische Ausrichtung. Im Folgenden „echte“ dualistische bzw. pluralistische Ausrichtung. 663 Vgl. dazu Hügli/Lübcke, Philosophielexikon, „Form/Materie“; Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 11 ff. 664 Zu dieser Unterscheidung auch Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 36 ff.; Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 25; eine Entsprechung findet sich im Strafrecht bei der Diskussion, ob man sich vom Rechtsgutdogma trennen und zu einer Verletzung einer Handlungsregel („strafwürdige Regelverletzung“) wechseln sollte, vgl. dazu Alwart, JZ 2006, 546 ff. 665 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 626; ähnlich Steinmann, Großunternehmen, S. 184; Vogt, Sozialverband, S. 194; anders jedoch Teile der Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 141 f., die darauf hinweisen, dass die Öffentlichkeit in Einzelfällen durchaus auch ein Interesse daran haben könne, dass ein Unternehmen nicht mehr be662

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Obwohl eine zirkuläre Argumentation zu befürchten ist, wenn das Unternehmensinteresse zum einen als Resultante verschiedener Interessen – u. a. auch der Aktionäre –, zum anderen als Schranke einer Interessenartikulation eben dieser Gruppen fungieren sollte,667 löst sich dieser Widerspruch bei genauem Hinsehen jedoch auf und lässt eine Ableitung vom personalen Substrat des Unternehmens zu: Die materiellen Auffassungen zum Unternehmensinteresse stünden vor großen praktischen Schwierigkeiten, müssten sie mit einem konkreten Interesse der verschiedensten Interessengruppen hantieren. Die Interessengenese ist daher auf abstrakt-phänotypische Interessen derjenigen angewiesen, die für ein Unternehmen jeweils als konstituierend angesehen werden (etwa „Arbeitnehmer“, „Gläubiger“, „Öffentlichkeit“) und auch rechtliche Anerkennung finden. aa) Unternehmensinteresse als Interesse an Bestand und Rentabilität Überwiegend findet man die Konkretisierung des Handelns im „Unternehmensinteresse“ als Gewährleistung des Bestandes des Unternehmens und bei erwerbswirtschaftlich tätigen Unternehmen daher die Verpflichtung des Vorstands auf dauerhafte bzw. langfristige668 rentable669 Führung des Unternehmens.670 stehe; es stellt eine Fehlinterpretation dar, wenn Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 4, davon ausgeht, das Unternehmensinteresse werde in der Rechtswissenschaft „weit verbreitet als ein von den individuellen Interessen und Bedürfnissen der Betroffenen unabhängiges Phänomen begriffen“. 666 So beispielsweise Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 549, 551, der das Unternehmensinteresse weder als Summe aller Einzelinteressen, noch als kleinsten gemeinsamen Nenner sieht; vgl. dazu auch den Meinungsstand innerhalb der Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 139 ff. 667 Als Lösung wird vorgeschlagen, eine der beiden Funktionen fallen zu lassen – so beispielsweise Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I 2, S. 58, der das „Unternehmensinteresse“ nicht aus den Einzelinteressen ableitet, sondern diesen vorordnet – oder zwei verschiedene Begriffe des Unternehmensinteresses zuzulassen. 668 Im Gegensatz zu kurzfristiger Orientierung kann dies etwa nicht den Verkauf zu einem möglichst hohen Preis, sondern die Zielrichtung „Kundenbindung“ gebieten, vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 96. 669 Der Begriff der Rentabilität ist nunmehr auch in § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AktG niedergelegt, nach dem über die Rentabilität der Gesellschaft zu berichten ist. 670 OLG Hamm AG 1995, 512, 514; HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 76 Rn. 11, § 93 Rn. 15; Hüffer, AktG § 76 Rn. 13; KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 17, 22; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 13; Schmidt/Lutter-Krieger/Seiler, AktG, § 93 Rn. 13; Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 554 ff., der den Ansatz bei der ökonomischen Funktion des Unternehmens schlicht damit begründet, dass dies die Aufgabe jedes Unternehmens sei, S. 547; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 103; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 20 f.; Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 363; Ehrenberg, Thünen-Archiv 1 (1906), S. 279, 295 ff., 301, der das Interesse der Unternehmung als das Bedürfnis nach Erhaltung und Entwicklung des Unternehmens bezeichnet, dem sich der Unternehmer mit seinen jeweiligen Interessen unterzuordnen hat; Hüffer, BB Beilage 2003, Nr. 7, S. 1, 21 ff.; so auch der „Sechser Bericht“, 1968, S. 20 f., 85, nach dem noch das Interesse an der Förderung des Unternehmens hinzukommen und das

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Bereits die Frage, was den „Bestand des Unternehmens“ ausmacht, ist alles andere als leicht zu beantworten: Ist damit eine wirtschaftliche Substanzerhaltung oder eine rechtliche Selbständigkeit gemeint?671 Noch komplexer ist die Bestimmung einer „rentablen“ Unternehmensführung. Rentabilität kann über verschiedene Rentabilitätsziffern (etwa Gesamtkapitalrentabilität, Eigenkapitalrentabilität usw.) bewertet werden und spannt sich über eine kostendeckende bis hin zu einer „Shareholder Value“- bzw. gewinnmaximierenden Führung eines Unternehmens. Will man den Begriff des „Gewinns“ einbeziehen, potenzieren sich die Unsicherheiten,672 weil er mit dem Gewinnbegriff aus dem Rechnungswesen, dem ausschließlich an Netto-Mittelzuwachs oder -abfluss orientierten „Cash-flow“ oder dem Mehrwert gleichgesetzt werden kann. Vorliegend ist insbesondere herauszuarbeiten, in wessen Interesse bzw. aus welchem Interesse heraus das Unternehmen bestehen und für wen bzw. aus welchem Grunde es rentabel arbeiten soll. Da das Unternehmensinteresse die Leitschnur des Ermessens des Vorstands darstellt, ist damit zugleich die Frage aufgeworfen, für wen bzw. aus welchem Grund der Vorstand das Unternehmen erhalten soll bzw. für wen und aus welchem Grund er die Rentabilität sicherstellen soll. Zur Untersuchung, in wessen Interesse bzw. aus welchem Interesse heraus Bestand und Rentabilität nach den materiellen Ansichten gesichert werden sollen, erscheint die Würdigung anhand mehrerer „Elemente“, die einem Vergleich zugeführt werden können, zweckdienlich. Neben den Anteilseignern, deren abstrakt-phänotypische Interessen sowohl nach monistischer als auch nach pluralistischer Auffassung als bedeutsam angesehen werden, kommen als Vergleichsgruppen insbesondere die als „typische Stakeholder“ gehandelten Arbeitnehmer, Gläubiger (teilweise noch unterteilt in Fremdkapitalgeber, Lieferanten, Konsumenten) und die Öffentlichkeit in Betracht. Ein Rückgriff auf eine personale Vergleichsgruppe ist aufgrund des ErInteresse des Unternehmens mit dem des Unternehmers gleichgesetzt werden soll, sofern dieser als Treuhänder aller übrigen Mitglieder des Unternehmensverbandes handelt, S. 22; Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 144; teils wird auf das Merkmal der Rentabilität bewusst verzichtet: So schließt Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 24 f., den Zweck des „wirtschaftlichen Erwerbs“ ausdrücklich aus seiner Unternehmensdefinition aus; dies geschieht wohl auch aus der Motivation Oppikofers heraus, die historische Entwicklung der Unternehmen ab dem Mittelalter nachzuzeichnen. Aufgrund des Zwecks der Selbstversorgung wäre das Merkmal der wirtschaftlichen Betätigung unzweckmäßig gewesen; wohl auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 37; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068; Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 623; Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 900; Spindler, AG 2006, 677, 683; kritisch zum Unternehmensinteresse insgesamt Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 94. 671 Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 106. 672 Vgl. dazu Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 125 ff.; HeidelbergerKommBürgers/Israel, AktG, § 76 Rn.15; Luhmann, Zweckbegriff, S. 148.

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gebnisses, dass keiner der Unternehmensbegriffe eine Loslösung vom personalen Substrat bedeutet, möglich. Es ist in diesem Teil der Arbeit noch nicht geboten, zu untersuchen, in welchem Verhältnis all diese Gruppen zueinander stehen. Es reicht aus, dass sich eine Gruppe finden lässt, deren Interessen in gleichem Maße – und nicht als „Mittel zum Zweck“ – wie die der Gesellschafter wahrzunehmen sind. Es sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Erörterung von unterschiedlichen abstrakt-phänotypischen Interessen nur bei den materiellen Theorien aufschlussreich ist. Bei den prozessualen Theorien kommen die konkret-tatsächlichen Interessen der Gruppen zum Tragen, die anhand eines Verfahrens in Übereinstimmung gebracht werden sollen und so das Unternehmensinteresse konstituieren. Wessen bzw. welche Interessen relevant sind, ergibt sich bei diesen Theorien aus der Frage, wer am Verfahren teilnehmen darf und ob alle Teilnehmer gleichberechtigt sind. bb) Bildung einer Vergleichsgruppe Die Vergleichsgruppe soll der Überprüfung dienen, ob die pluralistischen Auffassungen auf die gleichrangige Wahrung verschiedener Interessen bzw. Interessen verschiedener Interessengruppen ausgerichtet sind. Da nicht immer explizit die adressierten Interessengruppen angesprochen werden, muss herausgearbeitet werden, welcher Gruppe welche Interessen unterstellt werden bzw. von welcher Prägung diese Interessen sind. Im Folgenden muss also erforscht werden, welchen Gruppen typischerweise welche Interessen zugeordnet werden. Eine Wertung, ob es sich dabei um ein „anerkanntes“ Interesse handelt, hat zu unterbleiben. Die Arbeitnehmer werden in ihrem rollentypischen Umfeld, dem Arbeitsplatz, betrachtet. Ihnen wird als vorrangiges Interesse die Erhaltung des „status quo“ im Hinblick auf Arbeitsplatz- und Lohnsicherung unterstellt; daneben sollen angemessene Arbeitsbedingungen relevante Belange sein.673 Was die Öffentlichkeit bzw. die Allgemeinheit betrifft, fällt die Definition des „gemeinen Wohls“ bzw. des „öffentlichen Interesses“ offenbar schwerer. Das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft – insbesondere im Hinblick auf die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen – dürfte jedenfalls in ihrem Interesse liegen.674 Teils 673 Vgl. Koch, Unternehmensinteresse, S. 199; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 26; „Sechser Bericht“, 1968, S. 108; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 159, 162; Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 136; Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 144. 674 „Sechser Bericht“, 1968, S. 27; Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 138, die zwischen öffentlichem und dem hier angesprochenen „Interesse der Allgemeinheit“ differenziert.

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wird unter „Gemeinwohl“ der Inbegriff des „allgemeinen Rechts“, also auch des Strafrechts, verstanden.675 Teils wird das „öffentliche Interesse“ als das auf das Gemeinwohl gerichtete Interesse der Allgemeinheit definiert.676 Nach Sontheimer ist die Idee des Gemeinwohls das „Interesse des Ganzen“. Dieses Gemeinwohl sei in der Praxis vielfach eine Art Resultante aus dem Kräfteparallelogramm der gesellschaftlichen Sonderinteressen, aber es sei nicht identisch mit dem arithmetischen Mittel der Gruppeninteressen. Es gebe mithin zwar eine „Idee des Gemeinwohls“ als regulatives Prinzip; eine erweisbare Sicherheit über die Gültigkeit einer je konkreten Vorstellung vom Gesamtinteresse existiere jedoch nicht. Es herrsche eine dialektische Spannung zwischen Interessenrepräsentation und Gemeinwohl, die unabdingbare Voraussetzung einer freiheitlichen Ordnung sei.677 Damit ist wiederum die Vereinheitlichung von Partikularinteressen angesprochen. Die Gläubiger seien allgemein an der Validität ihrer Forderungen interessiert: Die Lieferanten wollten ihre Waren gewinnbringend verkaufen, die Abnehmer billig einkaufen und die Fremdkapitalgeber ihr Geld zinsbringend anlegen; insgesamt erhoffen sie sich eine ordnungsgemäße Erfüllung der übernommenen Zahlungs-, Abnahme, Liefer- und Leistungsverpflichtungen.678 Die Konsumenteninteressen dürften sich typischerweise auf eine quantitativ und qualitativ ausreichende Versorgung mit preiswerten Gütern beziehen.679 Schon dieser kurze Abriss der verschiedenen unterstellten Interessen zeigt, dass abstrakt-phänotypische Interessen zugrunde gelegt werden, die nicht konkret-individuell geprägt sind, ohne diese näher zu er- bzw. begründen. Ebenso wie bei einigen der dargestellten Unternehmensmodelle scheint es, als würde von tatsächlichen Gegebenheiten und empirischen Daten auf normative Regeln geschlossen werden. Dass dieser Vorwurf zwar naheliegt, meist aber unberechtigt sein dürfte, zeigen die Verweise etwa auf die Mitbestimmungsregelungen, die den Einbezug der Arbeitnehmer in das Unternehmen rechtfertigten, anhand derer die Erkenntnisse in den rechtlichen Bereich überführt werden.680 Bereits an dieser Stelle zeigt sich, dass sich die Interessen der „Öffentlichkeit“ aufgrund ihrer Abstraktheit und Vielschichtigkeit jedenfalls nicht vorrangig zum Vergleich eignen werden, sondern eher auf Arbeitnehmer- und Gläubigerinteressen abzustellen ist.

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Keller FS Puppe, 2011, S. 1189, 1196. „Sechser Bericht“, 1968, S. 32. 677 Sontheimer, Staatsidee, S. 199, 207. 678 „Sechser Bericht“, 1968, S. 108; Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 137. 679 Steinmann, Großunternehmen, S. 179. 680 Insbesondere Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 230, baut sein prozedurales Verständnis des Unternehmensinteresses auf den Mitbestimmungsregeln auf. 676

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cc) Für wen/aus welchem Grunde soll das Unternehmen bestehen und rentabel wirtschaften? Als Ergebnis der Analyse des Unternehmensbegriffs konnte festgestellt werden, dass die Verbindung zum personalen Substrat des Unternehmens nicht gekappt wurde. In unterschiedlich akzentuierter Form wurde auf Anteilseigner, Arbeitnehmer, Öffentlichkeit usw. abgestellt, diese also für ein Unternehmen als Bezugspunkte (entweder als konstituierende oder zumindest sinngebende) gefordert. An dieses Ergebnis knüpft die materielle Theorie des Unternehmensinteresses nun nahtlos an, wenn sie in ihrer typischen Ausprägung dem Unternehmensinteresse entnimmt, der Vorstand einer Aktiengesellschaft habe bei der eigenverantwortlichen Leitung des Unternehmens die Verpflichtung, den Bestand des Unternehmens, dessen Rentabilität und – zusätzlich – verschiedene sonstige Interessen zu wahren.681 Die Interessen werden dem jeweiligen pluralistischen Unternehmensbegriff mit personalen Bezug entnommen, sodass weitgehend auf die obigen Erkenntnisse verwiesen werden kann.682 Wenn dem Vorstand die Pflicht auferlegt wird, unterschiedliche Interessen zu wahren, geschieht dies anhand verschiedener Angaben bezüglich der „Rangfolge“ der Interessen: Es wird entweder ausdrücklich eine gleichberechtigte Wahrung gefordert (dies geschieht in besonders anschaulicher Form, wenn etwa 681 Flume, ZGR 1978, 678, 689, vermerkt, Vorstand und Aufsichtsrat hätten in der Ausrichtung ihrer Entscheidung auf das Unternehmensinteresse die beteiligten Interessen sachgerecht zu wahren; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 103 ff., 108 ff., 119 ff., arbeitet ähnlich wie Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 161 ff., Fallgruppen pflichtwidrigen Vorstandshandelns (unterteilt in originäre Leitungspflichten, Legalitätspflichten und Organisations- und Leitungspflichten) heraus. Oberste Verhaltensrichtlinie des Vorstands ist dabei die Sicherung des Bestandes der Gesellschaft. Darüber hinaus soll ein Überschreiten der Grenzen unternehmerischen Ermessens etwa gegeben sein bei Zahlungen ohne Rechtsgrund bzw. ohne Bezug zum Unternehmensgegenstand, unverantwortlich unrealistischen Prognosen, Nichtergreifen zwingender Geschäftschancen, grob unverhältnismäßigen sozialen Aufwendungen, unverantwortlicher Organisationsstruktur, unverantwortlichem Kontrollverhalten. Hingegen sollen Grundsätze des unternehmerischen Ermessens das Unternehmensinteresse konkretisieren. Sie wirken nicht absolut, sodass ein Verstoß gegen einen der Grundsätze keine Pflichtverletzung des Vorstands nach sich ziehen muss. Daneben gehören zu den Grundsätzen: Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft, sofern nicht diejenigen – nicht nur finanziellen – Gründe, die gegen die Geltendmachung sprechen, überwiegen, Absehen von Zahlungen ohne Rechtsgrund, Verzicht auf eine Gefährdung des Sicherungsinteresses der Gesellschaft durch Kreditvergabe oder Vorleistungen ohne Sicherheiten, Verzicht auf Einkäufe zu höheren als den marktüblichen Preisen, Erfüllung vertraglicher Pflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten, Absehen von Verstößen gegen drittschützende Deliktsnormen; vgl. zum Interessenausgleich auch Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 356; ähnlich äußert sich Wilmersdörffer, LZ 1931, Sp. 1417, 1425, nach dem die Verwaltung die Interessen der Angestellten und Arbeiter wahren müsse. 682 s. o., Kapitel 2 C. III. h) ff.

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der Erhalt von Arbeitsplätzen zum Bestandsinteresse gezählt wird683) bzw. von einer „Wahrung ohne bestimmte Rangfolge“ der Interessen gesprochen; gleichbedeutend damit ist das Verbot eines generellen Vorrangs bestimmter Interessen.684 Exemplarisch hierfür sind die Ausführungen Hüffers: Er hebt die hinter dem „Unternehmensinteresse“ stehenden Partikularinteressen hervor;685 das Unternehmen selbst zum Interessenträger zu machen, lehnt er ab.686 Dem Vorstand sei Ermessen eingeräumt, welches er sachgerecht ausfülle, indem er die in der Gesellschaft und ihrem Unternehmen zusammentreffenden Interessen wahrnehme, also im Sinne einer „praktischen Konkordanz“ ausgleiche.687 Interessenträger seien Aktionäre (Kapital), Arbeitnehmer (Arbeit) und die Öffentlichkeit (Gemeinwohl). Der Vorstand sei daher weder berechtigt noch verpflichtet, sich allein an den Aktionärsinteressen auszurichten; die Aktiengesellschaft habe sich in die Interessen der Gesamtwirtschaft und in die Interesse der Allgemeinheit einzufügen; eine bestimmte vorgegebene Rangfolge gebe es unter den unterschiedlichen Interessen nicht, insbesondere auch keinen Vorrang zugunsten der Arbeitnehmer oder der Öffentlichkeit.688 Eine weitere Variante besteht darin, die Bezugsgruppen zu nennen, wobei sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass zumindest ein Vorrang einer bestimmten Bezugsgruppe nicht zu verzeichnen ist bzw. gar das Interesse der Allgemeinheit oder der Arbeitnehmer in den Vordergrund rückt.689 683 Müller-Erzbach, Die Erhaltung des Unternehmens, ZHR 61 (1908), 357 ff., 364; ähnlich zählt auch Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 401, den Erhalt von Arbeitsplätzen zum Inhalt des Unternehmensinteresses bei mitbestimmten Gesellschaften. 684 Ballerstedt, JZ 1951, 486, will den Unternehmer darauf verpflichten, eine gemeinwirtschaftliche Funktion zu erfüllen: Zur Erfüllung dieser Pflicht dürfe er „weder sozialpolitischen Bedürfnissen der Wohlfahrt oder der Sicherung des Arbeitsplatzes nicht dem marktökonomischen Prinzipen des Wettbewerbs noch dem Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte den absoluten Vorrang unter den auf ihn eindringenden Ansprüchen zugestehen. Er muß zwischen ihnen vermitteln“. 685 Ebenso OLG Hamm AG 1995, 512, 514: „§ 76 Abs. 1 AktG besagt, daß der Vorstand nach seinem eigenen Ermessen die in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und des Gemeinwohls sachgerecht wahrzunehmen hat, wobei die Wahrung dieser Interessen in der Pflicht des Vorstands eine Grenze findet, für den Bestand des Unternehmens und eine dauerhafte Rentabilität zu sorgen“; HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 76 Rn. 13, benennen Eigen- und Fremdkapitalgeber, Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten sowie die Öffentlichkeit; nach MüKoSpindler, AktG, § 93 Rn. 5, Rn. 21, hat der Vorstand die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu wahren. 686 Nach Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15, sind derartige Deutungen geeignet, die Qualifikation als Interessenträger zu überdehnen und so die Vorstandsverantwortung eher aufzulösen als zu binden. 687 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Hüffer, BB Beilage 2003, Nr. 7, S. 1, 20; vgl. hierzu auch HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 76 Rn. 13. 688 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12, 15; Hüffer, BB Beilage 2003, Nr. 7, S. 1, 20. 689 Mit unterschiedlicher Akzentuierung: HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, § 76 Rn. 13, sprechen von Aktionären, Arbeitnehmern, Gläubigern und anderer am Unterneh-

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men interessierter Gruppen sowie den Interessen der Allgemeinheit, die der Vorstand im Sinne einer praktischen Konkordanz auszugleichen hat – lediglich praktisch wirke sich Bestand und Rentabilität zugunsten der Aktionäre aus; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 69, § 93 Rn. 12, 19: auch Gläubigerinteressen; Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rn. 12: „Unternehmensinteresse als Abbreviatur für die gleichberechtigte Berücksichtigung vielfältiger Anspruchs- und Interessengruppen“, später jedoch relativierend; vgl. auch Spindler/Stilz-Fleischer, § 76 Rn. 27; Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 22; Fechner, Treubindungen, S. 69, betont, dass die Rangfolge jeweils auf die konkreten Gegebenheiten abstellen müsse – so stehe beispielsweise der „vorübergehende Aktionär“ dem Unternehmen nahezu wie ein Dritter gegenüber, die Beziehung zu einem Kunden oder Dauerlieferanten könnte hingegen sehr viel enger sein als zu einem Aktionär, selbst bei großem Aktienbesitz; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2. C. Rn. 46; Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 550, äußert sich lediglich dahingehend, dass das öffentliche Interesse stets Vorrang vor dem Interesse des Unternehmens habe, schließt jedoch gerade aufgrund dessen eine Integration in das Unternehmen aus; Kübler/Assmann, GesR, § 15 III 4 a, S. 205; Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 62; als am weitestgehenden ist die Ansicht Otts, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, S. 289, zu bezeichnen, der annimmt, an der Mitgliedschaft der Arbeitnehmer in einem Unternehmen könnten keine Zweifel bestehen, diese sei sogar noch unmittelbarer als die Mitgliedschaft der Anteilseigner; Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 156, geht davon aus, die Arbeitnehmer als Mitglieder der Organisation besäßen dieselbe Anwartschaft wie die Kapitaleigner; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 13; nach Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247, 261, komme keinem Interesse Vorrang zu; nach dem „Sechser Bericht“, 1968, S. 24, 107, 125 ff., seien insbesondere die Arbeitnehmer „eng, enger jedenfalls als die Masse der Aktionäre der großen Publikumsgesellschaften, mit dem Unternehmen verbunden“, und aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit durch die Macht der Unternehmensleitung mehr betroffen als alle anderen Gruppen, Interessen der Anteilseigner und Arbeitnehmer seien daher als gleichwertig, die der Allgemeinheit hingegen als weniger gewichtig anzusehen; Steinmann, Großunternehmen, S. 176; Trescher FS Potthoff, 1989, S. 61, 64; nach Wieland, Handelsrecht I, 1921, S. 240, ist das Unternehmen der Inbegriff sämtlicher in gewerblicher Tätigkeit aufgewandter Mittel und Kräfte, was die Einbeziehung zumindest der Arbeitnehmer nahe legt. Dennoch nimmt Wieland weder in seinem näher konkretisierten Unternehmensbegriff – „1. die gewerbliche Tätigkeit, 2. das Handelsvermögen, d.h. die zum Gewerbebetrieb bestimmten Vermögensrechte, 3. tatsächliche Beziehungen von Vermögenswert, Kundschaft, Kredit u. a.“ – noch in seinem Unternehmungsbegriff, der auf den Unternehmer abzielt, eine Abgrenzung vor; Verweis auf Erhaltung des Unternehmens im öffentlichen Interesse bzw. im Interesse der Allgemeinheit bei Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 20; Ballerstedt, ZHR 137 (1971), 479, 484; Bosch/ Lange, JZ 2009, 225 f., heben die Pflicht der Vorstands hervor, widersprechende Interessen der Aktionäre, Arbeitnehmer und der Allgemeinheit auszugleichen; Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 363; nach Kunze, ZHR 144 (1980), S. 100, 121 und Kunze, ZHR 147 (1983), S. 16, 23, Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 206, seien Anteilseigner, Arbeitnehmer und Unternehmensleitung zu einem fiktiven Unternehmensverband zusammenzufassen und so zu stellen, als ob sie Mitglieder eines auch rechtlich anerkannten Unternehmensverbandes seien, Arbeitnehmer seien als Angehörige des Unternehmens als den Eigenkapitalgebern gleichwertig zu betrachten, sonstige Interessen wie die der Geschäftspartner, Gläubiger und der Öffentlichkeit seien hingegen zu vernachlässigen; Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 294, bemüht sich lediglich um die Begründung einer Mitgliedsstellung, gibt jedoch zu bedenken, dass nicht alle dem Verband in gleicher „Qualität“ angehörten; der Entwurf eines Gesetzes über die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, veröffentlicht durch

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Mithin kann festgehalten werden, dass der Vorstand jedenfalls nicht verpflichtet ist, bei der Erfüllung seiner Leitungsaufgabe einem bestimmten Interesse, insbesondere dem der Aktionäre, allein oder vorrangig Geltung zu verschaffen. Sofern er dazu auch nicht als berechtigt angesehen wird, ergibt sich daraus implizit eine zwingend gleichrangige Wahrung der Interessen und damit eine „echte“ pluralistische Konzeption. Wenn auch die Forderung nach Rentabilität auf den ersten Blick für eine pluralistische Konzeption systemfremd anmutet, weil sie sich als Unterfall des Kapitalinteresses, mithin als „typisches“ Interesse der Anteilseigner darstellt,690 so lässt sich dies auflösen: Wird von Rentabilität gesprochen, so ist damit eine Gewinnsatisfizierung691 gemeint, die sich als Zielmenge (dimensionales Ziel692) darstellt, in deren Grenzen die Berücksichtigung konfligierender Interessen nicht notwendig den Vorrang eines bestimmten Interesses erfordert:693 Der Zielmonismus weicht vielmehr einem Zielbündel, das statt der Gewinnmaximierung nur begrenzte Gewinnziele verfolge, was gemeinwirtschaftliche Ziele, Kapitalerhaltung, Marktversorgung, Eroberung von Marktanteilen, Selbständigkeit, wirtschaftliche Macht und außerökonomische Ziele ermöglicht.694

das Reichsjustizministerium, Berlin 1930, S. 94, stellt fest: „Von diesem Gedanken ausgehend, erkennt der Entwurf den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz als berechtigt an, daß die Interessen des Unternehmens als solchem ebenso schutzwürdig sind wie das individuelle Interesse des einzelnen Aktionärs. Bei sachgemäßer Verwaltung des Unternehmens und richtiger Einstellung der einzelnen Aktionäre gibt es in Wahrheit einen Interessengegensatz zwischen dem Unternehmen und seinen Aktionären nicht [. . .]. Die Verwaltung hat ausschließlich dem Unternehmen zu dienen und der Aktionär muß sich dessen bewußt bleiben, daß die moderne Aktiengesellschaft nicht nur eine Form für individuelles Gewinnstreben ist, sondern in verschiedenen Abstufungen auch den allgemeinen Interessen des Volkes zu dienen hat“; nicht ganz eindeutig Schilling FS Duden, 1977, S. 537, 548 f., der hervorhebt, neben den Kräften Kapital und unternehmerischem Willen sei die Arbeit „schon immer“ ein Bestandteil des Unternehmens. 690 Vgl. oben, Kapitel 1 A. I.; dies gilt vor allem bei der Gewinnmaximierung, die auf den ersten Blick die größtmögliche Berücksichtigung des Kapitalinteresses der Gesellschafter darstellt; anders wohl Flume FS Beitzke, 1979, S. 43, 64, der im Unternehmensinteresse die Maßgabe erkennt, das Vermögen zu erhalten und Gewinn zu erwirtschaften. Dies käme zwar zunächst den Aktionären zugute; der Vorstand habe aber ein Geschäft, das lukrativ sei und Arbeitsplätze erhalte, auch gegen die Aktionärsmehrheit vorzunehmen. Hier ergibt sich die seltene Forderung nach der Durchsetzung der Gewinnverfolgung sogar entgegen der Interessen der Anteilseigner. 691 Vgl. zu „satisfizer“ statt „maximizer“ auch die „Theorie des Anspruchsniveaus“, Simon, Models of Man, S. 170 ff., 175 ff. 692 Vgl. zu diesem Begriff, der Ziele beschreibt, die „mehr oder weniger“ erreicht werden können, Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 102 f.; Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 112. Das Gegenstück dazu ist das dichotomische Ziel (etwa Gewinnmaximierung), das einen Zielpunkt darstellt, der typischerweise nicht die Berücksichtigung anderer als gewinnträchtiger Belange zulässt. 693 Vgl. bereits Großmann, Unternehmensziele, S. 78. 694 Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 13, die strikt gegen eine Gewinnmaximierung sind, sei sie kurz- oder langfristig; Vogt, Sozialverband, S. 84.

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Nimmt man die charakteristische These, oft sei die Rentabilität des Unternehmens nicht das einzige, manchmal sogar nicht das wichtigste Ziel erwerbswirtschaftlich betriebener Unternehmen, sie sei aber in der marktwirtschaftlichen Ordnung unentbehrlich,695 so wird deutlich, dass die Gewinnsatisfizierung auf diese Weise als Mittel zum Zweck des Fortbestandes des Unternehmens angesehen wird. Die Frage, in wessen Interesse Bestand und Rentabilität angestrebt werden sollen, lässt sich auf den Bestand verkürzen. Die dauerhafte Rentabilität liege im Interesse aller Interessengruppen.696 Diese Deutung der Rentabilität ist daher ebenso pluralistisch zu verstehen wie der pluralistische Bestandsgedanke.697 Die dargestellte materielle Konzeption des Unternehmensinteresses scheint ins Wanken zu geraten, wenn „typische“ Vertreter dieser Ansicht abweichen. Diese 695 „Sechser Bericht“, 1968, S. 85; Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 24 f., will seinerzeit auch eine Tendenz der Wirtschaftspolitik erkennen, „das reine wirtschaftliche Erwerbsstreben der Unternehmen mit anderen außerhalb der Erwerbswirtschaft liegenden Zwecken zu verbinden, ihnen unterzuordnen oder neben ihnen geradezu wegfallen zu lassen“; ähnlich auch Keynes, Das Ende des Laissez-faire, S. 33 f., nach dem das Profitstreben hinter dem Interesse der Unternehmensleitung an Stabilität und Ansehen zurückzutreten habe, und Schumpeter, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 48 (1920/21), S. 305, 314, 340. 696 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 13; auch Aufwendungen, die soziale Kosten verursachen und den Gewinn schmälern, liegen nach Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12, 14, ebenso im Rahmen des Leitungsermessens, die auch keine Vorlagepflicht nach den Holzmüller-Grundsätzen auslösten, wie die Umsetzung des Shareholder Value-Gedankens. 697 Besonders deutlich wird dies etwa bei Vogt, Sozialverband, S. 101: Vogt sieht die Bereitstellung von Leistung (Sachziel) unter Wahrung der Wirtschaftlichkeit oder Rentabilität (Formalziel) als „Zielbündel“ des Unternehmens. Zustimmend zitiert er Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, S. 214 ff., 223 ff., nach dem sich Rentabilität (Formalziel) und Sachziele wechselseitig dominieren können – die Existenz der Unternehmung sei aber zumindest in der marktwirtschaftlichen Ordnung von gewisser Rentabilität abhängig, die daher auch allgemein als höherrangiges Ziel verfolgt werde; auch Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 197, richtet sich gegen eine Gleichsetzung von „Unternehmen“ mit dem privaten Erwerbsinteresse der Anteilseigner (Ballerstedt bezeichnet sie als „Eigentümer“, erläutert aber vorher, dass Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft zwar juristisch kein Eigentum besäßen, gegen die Bezeichnung als Eigentümer aber nichts einzuwenden sei) – dies sei schon aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums im Sinne einer Beziehung auf das Gemeinwohl nicht durchführbar; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 103, spricht sogar von „sozialer Rentabilität“; nach Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 475, würde die Gleichsetzung einer erwerbswirtschaftlichen Orientierung des Unternehmens mit der erwerbwirtschaftlichen Tendenz der Anteilseigner auf eine unzulässige Identifizierung von Unternehmensinteresse und Gesellschaftszweck hinauslaufen – wie bereits oben gesehen stehen bei ihm sowohl Bestand als auch Rentabilität in einem Zweck-Mittel-Verhältnis zur Befriedigung der Interessengruppen und Bestandserhaltung der Gesamtgesellschaft; auch das BVerfG betonte in dem sog. Mitbestimmungsurteil in BVerfGE 50, 290, 343, die einheitliche Wahrung verschiedenster Interessen durch den Vorstand: „Die eigenverantwortliche Nutzung des von den Anteilseignern zur Verfügung gestellten Kapitals ist dem Vertretungs- und Leitungsorgan übertragen (vgl. § 76 Abs. 1 AktG), dem dabei die Wahrung von Interessen aufgegeben ist, die nicht notwendig diejenigen der Anteilseigner sein müssen“.

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Abweichungen beziehen sich auf die Frage, ob der Vorstand zumindest berechtigt ist, vorrangig die Anteilseignerinteressen zu beachten und so insbesondere aus eigenem Antrieb Gewinnmaximierung oder die Umsetzung des Shareholder Value-Konzepts anzustreben. Nach Mertens ist dem Vorstand seine Leitungsmacht nicht im Interesse der Aktionäre, sondern auch zum Wohl des Unternehmens, der Arbeitnehmer und des allgemeinen Wohls gegeben.698 Als Zielmittelpunkt des Vorstandshandelns gilt nach Mertens der Bestand in Form der erfolgreichen Behauptung der in Form der Aktiengesellschaft verfassten Wirtschaftseinheit, also des „Unternehmens“.699 Der Bestand könne nur unter Berücksichtigung der äußeren Umstände gewährleistet werden. In einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung bedeute dies die Erwirtschaftung ausreichender Rentabilität.700 Insoweit steht Mertens ganz in der Tradition pluralistischer Konzeptionen, die die Rentabilität als Mittel zum Zweck ansehen. Eine Verpflichtung des Vorstands zur Gewinnmaximierung gebe es nicht. So liege es durchaus im Ermessen des Vorstands, Ziele wie Bedarfsdeckung, angemessene Entlohnung der Mitarbeiter, soziale Integration des Unternehmens usw. zu verfolgen.701 Demgegenüber sei es aber zulässig, dass der Vorstand aus eigenem Antrieb auf eine Gewinnmaximierung hinarbeite. Grenzen erfahre das Ermessen in der ungefährdeten Bestandserhaltung und durch die Interessen, die der Vorstand bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen hat: Neben den Interessen der Aktionäre seien dies die der Arbeitnehmer, der Öffentlichkeit an einem Unternehmen als „good corporate citizen“ und ggf. die der Gläubiger, die jeweils zumindest im Rahmen der gesetzlichen Mindestanforderung berücksichtigt werden müssten.702 dd) Zwischenergebnis: materielle Theorien Die dargestellten Ansichten lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Entweder wird dem Vorstand die Pflicht auferlegt, verschiedene Interessen (und darunter 698

KK-Mertens, AktG, Vorb. § 76 Rn. 21. KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 16, deutlich wird dies auch in den Rn. 17 f.; Mertens, ZGR 1977, 270, 275, leitete das Bestandsinteresse noch aus dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung und Förderung des Unternehmens im Wirtschaftsprozess ab, gibt dies aber in KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 23, auf. 700 KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 17, 22. 701 KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 11. 702 KK-Mertens, AktG, § 76 Rn.16, 18, 22, 32 ff.; nach Mertens, AG 2000, 157 ff., folgt daraus insbesondere ein breiter Ermessensspielraum bei Einsatz finanzieller Mittel des Unternehmens für soziale, politische und kulturelle Zweck und zwar grundsätzlich unabhängig vom Unternehmensgegenstand und ohne Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung. 699

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zumindest immer die Interessen der Arbeitnehmer) gleichrangig wahrzunehmen bzw. wird ihm verboten, ein Interesse vorrangig zu berücksichtigen. Oder es wird dem Vorstand zumindest das Recht zu einer vorrangigen Wahrung der Anteilseigner(-interessen)/erwerbswirtschaftlichen Belange zugestanden. Beide Ausprägungen sind „echte“ pluralistische Deutungsweisen. Dies leuchtet bei der erstgenannten Ansicht unmittelbar ein. Bei der zweiten Ausprägung muss man sich vor Augen führen, dass ein Charakteristikum der pluralistischen Prägung der Handlungsmaxime des Vorstands eine gleichzeitige Erweiterung seines Handlungsspielraums ist.703 Der Handlungsspielraum des Vorstands ist in der zweiten Lesart des Unternehmensinteresses sogar noch größer als in der ersten, wenn dem Vorstand das Recht zugestanden wird, alle Interessen gleich zu gewichten, er aber auch flexibel das Interesse der Anteilseigner/erwerbswirtschaftliche Belange vorgehen lassen darf, ohne dazu verpflichtet zu sein. Hinzu kommt, dass etwa Hüffer eine Umsetzung des Shareholder Value-Konzepts nur unter Beibehaltung des – pluralistischen – „Gesamtkonzepts“ für zulässig erachtet und eine Berechtigung zu kurzfristiger Gewinnmaximierung ablehnt.704 Der Forderung nach Rentabilität kommt lediglich eine „dienende“ Funktion zu und ist so dem Bestand untergeordnet. Sie passt sich auf diese Weise in die pluralistische Konzeption trotz des zunächst systemfremden Einschlags nahtlos ein. b) Unternehmensinteresse als prozessuale Verfahrensvorgabe Die prozessualen Theorien ziehen aus der Handlungsmaxime „Unternehmensinteresse“ eine andere Konsequenz: Der Vorstand habe die einzelnen Interessen verfahrensmäßig zum Ausgleich zu bringen. Eine derartige Idee ist auch der materiellen Theorie eines Unternehmensinteresses nicht fremd und wird dort als „praktische Konkordanz“ bezeichnet.705 Die „praktische Konkordanz“ gilt als erreicht, wenn alle betroffenen Rechtsgüter zur relativ optimalen Wirksamkeit gelangen und keine einzelne Rechtsposition in ihrer Geltung völlig eingeschränkt wird.706 Gerade aus diesem Aspekt wird – gekoppelt mit der Annahme phäno703

Vgl. unten, Kapitel 2 F. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12, 14. 705 KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 19, 22; Hopt, ZGR 1993, 534, 536; Ähnliches klingt bei Raiser FS R. Schmidt, 1976, S. 101, 108, an, nach dem das Unternehmensinteresse als Handlungsmaxime des Vorstands maßgebend ist, das sich darstelle als „eine multidimensionale und außerordentlich komplexe Größe, deren zahllose Komponenten sich nicht auf einen einfachen Nenner bringen lassen, sondern einander widersprechen und aufheben können“; Semler FS Raisch, 1995, S. 291, 298, fordert, dass die Verfolgung eines Interesses der Anteilseigner „die Interessen der Mitarbeiter nicht ungebührlich beeinträchtigt“; gegen ein Vertrauen „auf einen automatischen Ausgleich der Partikularinteressen durch Abstimmung“: Wiedemann FS Barz, 1974, S. 561. 706 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 28; Kuhner, ZGR 2004, 244, 255; nach Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 144, fordere das 704

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typischer Interessen – die Forderung nach dem Bestand (und damit auch nach Rentabilität) als kleinstem gemeinsamem Nenner erst einsichtig. Die prozessualen Theorien unterscheiden sich von den materiellen dadurch, dass sie die Beeinflussung des Unternehmensinteresses durch die konkret-tatsächlichen Interessen ermöglichen und einen absoluten Bezugspunkt des Vorstandshandelns verneinen. Ist es in den materiellen Theorien des Unternehmensinteresses möglich und erforderlich, den einzelnen Interessengruppen auch materiell ausgestaltete Interessen zu unterstellen (Gewinn, Arbeitsplatzerhalt usw.), so liegt der Sinn der prozessualen Gestaltung gerade darin, derartige Vorgaben zu vermeiden. Ein materielles Ergebnis ist erst Produkt des Prozesses. Das jeweilige Gruppeninteresse kann daher zunächst nur formal verstanden werden als „Interesse an der Teilnahme am Prozess“. Will man bestimmen, in wessen Interesse der jeweilige Prozess einzuhalten ist, so ist notwendigerweise herauszuarbeiten, welche Interessengruppen überhaupt daran beteiligt werden sollen. Die Bestimmung der Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands lehnt sich bei einem prozessualen Verständnis eng an die Bestimmung der notwendigen Prozessteilnehmer an: Sieht man es als Pflicht des Vorstands als geschäftsführendes Organ an, die Beachtung der Verfahrensgrundsätze dadurch zu gewährleisten, dass er sein Handeln nur an Richtlinien ausrichtet, die prozessgemäß entstanden sind, so liegt sein Handeln zugleich im Interesse der Teilnehmer, soll doch der Prozess eine Legitimation seines Handelns gegenüber den Betroffenen durch vorherige Interesseneinbringung gewährleisten, deren Akzeptanz fördern und die Anforderungen der Umwelt an das Unternehmen erfüllen. Das Handeln des Vorstands darf sich dann nur an Richtlinien orientieren, die den prozessualen Erfordernissen entsprechend zustande gekommen sind. Im Folgenden sollen einige der Ansätze eines prozessualen Verständnisses des Unternehmensinteresses dargestellt werden. aa) Laske: Unternehmensinteresse als Diskursmodell Laske vertritt einen prozessualen Ansatz, der sich an ein Diskursmodell anlehnt.707 Laskes Ansatz entsagt den inhaltlichen Vorgaben mehr als andere prozessuale Modelle: Der Preis des Diskursmodells sei daher ein genereller Verzicht

Unternehmensinteresse die Berücksichtigung der anderen am Unternehmen beteiligten Interessen in Diskussions- und Verständigungsbereitschaft; auch der DCGK fördert die Diskussionskultur von Vorstand und Aufsichtsrat, vgl. 3.5; 3.6 DCKG. 707 Laske, ZGR 1979, 173 ff.; ähnlich wohl auch Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 619, der den durch Dialog generierten Entscheidungen des jeweiligen Gesellschaftsorgans (hier: des Aufsichtsrats) eine Richtigkeitsgewähr zuspricht; generell das Erfordernis der Pflege einer Diskussionskultur hervorhebend I., 8.; II., 4.1. GCCG des Berliner Initiativkreises, DB 2000, 1573 f., I. 8.

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auf eine inhaltliche, unternehmensrechtlich nutzbare Verhaltensmaxime.708 Nicht einmal die Annahme, dass der Fortbestand des Unternehmens (und daher erst recht nicht irgendeine formale Gewinnerwartung) im Interesse aller Beteiligten liege, lässt Laske gelten.709 Das Unternehmensinteresse soll sich vielmehr anhand eines „Interessenvergemeinschaftunsprozesses“ herauskristallisieren, in dem alle Beteiligten das Recht auf gleiche Einbringung ihrer Interessen hätten und in dem die Regeln des vernünftigen Argumentierens gelten.710 Welche Interessengruppen genau zu berücksichtigen sind, legt Laske nicht fest. Durch den Terminus „Interessenvergemeinschaftungsprozess“ wird jedoch deutlich, dass er von grundsätzlich divergierenden Interessen ausgeht. Laskes Konzeption lehnt sich offensichtlich an die Diskurstheorie und ihren bedeutendsten Vertreter Habermas an. Für diesen ist der Diskurs das Verfahren, in dem Legitimität generiert werden kann, wenn unter der Einhaltung bestimmter Regeln ein Konsens erzielt wird. Die in diesem Zusammenhang wichtigste Regel ist die der Herrschaftsfreiheit im Diskurs, eine Bedingung, die sicherstellt, dass im Diskurs nur der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“ gilt. Diese Herrschaftsfreiheit sowie die Konsensorientiertheit, also die für ein legitimes Ergebnis notwendige Zustimmung aller Teilnehmer des Diskurses, schließen aus, dass einer Interessensgruppe in der Verfolgung ihres Interesses prima facie ein Vorrang eingeräumt wird. Laskes Konzeption ist somit nicht als ein monistisches, sondern ein „echtes“ dualistisches bzw. pluralistisches Modell – an sich sogar der „Prototyp“ des Pluralismus – zu verstehen. bb) Brinkmann: Unternehmensinteresse als integriertes Gesamtinteresse Brinkmann kann ebenfalls als Vertreter eines prozeduralen Verständnisses des Unternehmensinteresses angesehen werden.711 Er geht davon aus, dass die Kombination von Markt- und Organisationsversagen eine Definition eines materiellen Unternehmensinteresses unmöglich machten.712 Dementsprechend sei die Unternehmensleitung zur Abwägung, aber nicht zur Verwirklichung bestimmter Ziele aufgerufen.713 Das Unternehmensinteresse soll ein integriertes Gesamtinteresse sein,714 das anhand eines interessenpluralistischen Abstimmungsprozesses des 708

Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 52. Laske, ZGR 1979, 173, 191. 710 Laske, ZGR 1979, 173, 200. 711 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 31, unterscheidet beim Unternehmensinteresse eine regulative und eine normativ-integrative Funktion. 712 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 101 ff. 713 Brinkmann, AG 1982, 122, 126. 714 Brinkmann, AG 1982, 122, 128; Auch Steinmann, Großunternehmen, S. 185 ff., 197, entwickelte eine verfahrensmäßige Bindung der Macht von Großunternehmen, um Machtmissbrauch zu verhindern: Es seien die Stufen der Interessenerfassung, der Inte709

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politischen Subsystems des Unternehmens herausgebildet wird. Das Unternehmensinteresse sei das „Postulat einer jeweils gelingenden, integrierten Gesamtinteressebildung [. . .] als regulatives Prinzip“.715 Brinkmanns Auffassung geht insbesondere zurück auf die „Koalitionsthese der behavioristischen Theorie der Firma“ 716. Er zeichnet so ein Bild einer komplexen, organisationsintern und -extern bedingten Konstitution des Gesamtinteresses.717 Brinkmann sieht seine Konzeption durch die Mitbestimmungsgesetzgebung bestätigt; dadurch habe die Interessenvergemeinschaftung eine positiv-rechtliche Form erhalten.718 Mit dem Verweis auf das Mitbestimmungsrecht kann Brinkmann die Einbeziehung zumindest der Arbeitnehmer neben den Gesellschaftern unterstellt werden. Da sich seine Argumentation nicht auf die Mitbestimmungsregelung im Einzelnen stützt, ist nicht anzunehmen, dass er daran anknüpfend einen Vorrang der Anteilseigner anerkennt.719 Es handelt sich mithin um ein „echtes“ pluralistisches Verständnis. cc) Jürgenmeyer: Unternehmensinteresse durch Wechselwirkungsprozess Die Frage, wer Träger des Unternehmensinteresses sein soll, diskutiert besonders intensiv Jürgenmeyer.720 Er verwirft sämtliche Ansätze, die das Unternehmen zum Träger des Unternehmensinteresses aufbauen wollen, da dem Unternehmen nach dem geltenden Recht keine Subjektstellung zukomme.721 Daraus ergebe sich die Interpretation des Unternehmensinteresses als das Interesse des resseninterpretation und des Interessenausgleichs anhand Verhandlung und Diskussion zu durchlaufen. Aus dem Interessenausgleich ergebe sich die Fixierung der Zielkonzeption, die an das integrierte Gesamtinteresse Brinkmanns erinnert, anhand derer die Einhaltung der Grenzen einer zulässigen Machtausübung überprüft werden könnte. 715 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 225. 716 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 173 ff. 717 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 198. 718 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 230. 719 Anders wohl Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 553 f., der zu erkennen meint, dass der Gesetzgeber das Unternehmensinteresse verfahrensmäßig zu verwirklichen suche: Er verweist auf die §§ 58, 243, 131 und 160 AktG und auf die Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes, die jedoch das Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner sichern würden. 720 Insgesamt bewertet Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 203, die Tauglichkeit des „Unternehmensinteresses“ als Maxime eher kritisch. Normative Bedeutung entfalte das Unternehmensinteresse lediglich für die Mitglieder der geschäftsleitenden Organe, jedoch auch nur insoweit es ihnen vorgegeben sei und nicht durch sie selbst anhand eines Wechselwirkungsprozesses formuliert werden müsse, S. 216, 234. Verallgemeinernd lasse sich das Unternehmensinteresse als negative Verhaltensmaxime auf Loyalität (auch: Erhaltung der Funktionsfähigkeit durch vertrauensvolle Zusammenarbeit in den Organen) und Missbrauchsverbot der Gesellschaft gegenüber zurückführen, Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 217, 238. 721 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 166, 173.

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Unternehmensträgers am Unternehmen (Unternehmen als Objekt).722 Dennoch sei das Unternehmensinteresse letztlich immer auf das Interesse der dahinter stehenden Personen zurückzuführen.723 Das Unternehmen sei notwendig Ausdruck des gemeinsamen Interesses aller am Unternehmen Beteiligten.724 Zur Beantwortung der Frage, welche Personen das Unternehmensinteresse konstituieren, setzt sich Jürgenmeyer mit dem personalen und dem anstaltlichen Element des Unternehmensträgers auseinander. Diese Idee kam bereits Anfang der 1930er Jahre auf und bewog Haff zu der Mahnung, „sich an die Hauptprinzipien des Körperschaftsrechtes wieder zu erinnern“ 725. Jürgenmeyer attestiert der Aktiengesellschaft die stärkste Ausprägung der anstaltlichen Ausrichtung aller Gesellschaftsformen, die durch breite Streuung der Aktien, wirtschaftliche Größe, obligatorische Einrichtung des Aufsichtsrats, Eigenständigkeit des Vorstands und Mitbestimmung726 begünstigt werde. Mithilfe des anstaltlichen Elements führt Jürgenmeyer das Unternehmensinteresse einer neuen Konzeption zu: Indem er dem Unternehmensträger dieses Element einverleibt, öffnet er den an sich monistischen Gesellschafterverband weiteren, unternehmensträgerfremden (nicht: unternehmensfremden) Interessen.727 Wessen Interessen konkret zu berücksichtigen sind, ergebe sich kraft Gesetzes oder wirtschaftlicher Macht nach der Partizipation in den Unternehmensorganen. Dies könnten – soweit tatsächlich in Unternehmensorganen vertreten – neben den Arbeitnehmern und Anteilseignern insbesondere Wettbewerber, Kunden, Lieferanten und Hausbanken sein,728 deren Interessen in einem „komplizierten Wechselwirkungsprozess“ innerhalb der durch den Unternehmenszweck gesetzten Grenzen aktualisiert werden müssten.729 Wenn Jürgenmeyer insbesondere die Macht der Interessengruppen zugrundelegt, die sich durch die Beteiligung an den Unternehmensorganen konstituieren soll, so wird eine abgestufte pluralistische Auffassung erkennbar: Er dürfte sich im Hinblick auf die Unternehmensorgane insbesondere auf den Vorstand (evtl. mit Arbeitsdirektor730) und den Aufsichtsrat (evtl. mit Arbeitnehmervertretern) beziehen. Da der Anteil der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und daher auch deren Macht divergieren können, könnte mit dieser Ansicht – anders als bei 722

Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 173. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 175. 724 Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 100. 725 Haff RG Festschrift II, 1929, S. 187. 726 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 181 f. 727 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 193. 728 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 196. 729 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 236. 730 Gem. § 76 Abs. 2 S. 3 AktG bleiben die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors (§ 13 Abs. 1 MontanMitbestG, § 33 Abs. 1 S. 1 MitbestG 1976) unberührt; der Arbeitsdirektor erlangt die gleichen Rechte und Pflichten wie die sonstigen Vorstandsmitglieder, vgl. MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 101. 723

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Brinkmann – eine pluralistische Ausrichtung im Sinne einer Gleichberechtigung der Interessengruppen nur bei paritätisch besetztem Aufsichtsrat anzunehmen sein. dd) v. Werder: Unternehmensinteresse als „regulative Leitidee“ v. Werder schreibt unter Bezug auf Marsch-Barner731 dem Unternehmensinteresse den Charakter einer regulativen Leitidee zu, nach dem das Unternehmensinteresse zu verstehen sei als die allgemeine Maxime der Selbsterhaltung, der inneren Stabilität und der Sicherung des Erfolgs des Unternehmens am Markt.732 Diese Ansicht steht zwischen den materiellen und den prozessualen Theorien, da sie zwar eine inhaltliche Bestimmung des Begriffs befürwortet, eine Operationalisierbarkeit aber (noch) ablehnt, gleichzeitig aber auf die konsensstiftende Funktion des Unternehmensinteresses hinweist. Die Leitlinie für Vorstand und Aufsichtsrat müsse dabei zwischen den Extremen des Shareholder- und des Stakeholder-Ansatzes liegen:733 Es soll von einem Oberziel des Unternehmens ausgegangen werden, das den Einzelinteressen der verschiedenen Bezugsgruppen (Aktionäre, Arbeitnehmer, Manager, Kunden, Lieferanten und Allgemeinheit) übergeordnet ist und sie zu einem sachgerechten Ausgleich bringt. Dabei komme den Interessen der Anteilseigner zwar besondere Aufmerksamkeit, jedoch nicht die ausschließliche Priorität zu. Vielmehr müssten auch die Belange der sonstigen „Stakeholder“ angemessene Berücksichtigung finden. Eine Angemessenheit liege immer dann vor, wenn die Maßnahmen den Unternehmenswert nachhaltig steigerten.734 731

Semler/v. Schenck-Marsch-Barner, AR Hdb S. 735 ff. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-v. Werder, DCGK, 3. Aufl., Rn. 352, 355. 733 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-v. Werder, DCGK, 3. Aufl., Rn. 353 ff. 734 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-v. Werder, DCGK, 3. Aufl., Rn. 354, der hervorhebt, dass dies in Deutschland umso dringlicher erscheine, als Studien der Hay-Group in den Jahren 2003 und 2004 zu der Erkenntnis gelangten, dass im europäischen Vergleich die Bundesrepublik die höchsten „Short-term-incentives“ zählt (vgl. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, 3. Aufl., Fn. 844); auf die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts abstellend auch Ringleb/Kremer/Lutter/v. WerderRingleb, DCGK, Rn. 604, 608 ff.; ebenso offensichtlich das Europäisches Parlament, Entwurf einer Stellungnahme des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt für den Ausschuss für Wirtschaft und Währung am 11. September 2003 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, S. 4, das eine Verpflichtung zu Quartalsberichten ablehnte, um einem weiteren Anreiz für kurzfristige Ertragsmaximierung vorzubeugen: „Im Übrigen haben die Entwicklungen an den Aktienmärkten in den zurückliegenden Jahren wohl gezeigt, welche schädlichen Auswirkungen vorherrschende kurzfristige Betrachtungsweisen an den Märkten haben können. Ziel der Entwicklungen der Kapitalmärkte ist es zweifelsohne, das langfristige Investment zu fördern. Quartalsangaben, die letztlich in Quartalsberichten münden, haben insoweit oftmals eine psychologisch entgegengesetzte Wirkung.“ 732

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Zwar verwendet v. Werder den Begriff des „Unternehmensinteresses“ und entwirft auch eine pluralistische Konzeption des Unternehmensinteresses, indem er auf Shareholder und Stakeholder abstellt. Dennoch handelt es sich nicht um eine „echte“ pluralistische Auffassung: Den Interessen der Anteilseigner soll Vorrang zukommen; die Belange der „Stakeholder“ sollen von vornherein nur einer „angemessenen“ Berücksichtigung zugeführt werden, wobei „Angemessenheit“ auf den erwerbswirtschaftlichen Aspekt der nachhaltigen Unternehmenswertsteigerung verkürzt wird. ee) Mertens: Aktuelles Unternehmensinteresse Mertens unterscheidet im Jahre 1977 zwischen „normativem“ und „aktuellem“ Unternehmensinteresse und gelangt so zu einer gemischt materiell-prozessualen Theorie.735 Das „normative Unternehmensinteresse“ ist nach Mertens vorrangig auf die Bestandserhaltung gerichtet und deckt sich so mit den obigen Ausführungen.736 Das „normative Unternehmensinteresse“ soll auch bei der Bildung des „aktuellen Interesses“ zu berücksichtigen sein.737 Dem Vorstand sei die eigenverantwortliche Verwirklichung des aktuellen Unternehmensinteresses in Form der Geschäftspolitik unter Berücksichtigung des normativen Interesses (insbesondere Bestandserhaltung) übertragen.738 Das „aktuelle Unternehmensinteresse“ soll anhand eines Integrationsprozesses zu verwirklichen sein (sog. „Integrationsinteresse“), das die Interessen der Aktionäre, Arbeitnehmer, Gläubiger und der Öffentlichkeit vereint,739 und sich so als „echte“ pluralistische, verfahrensmäßige Konzeption des Unternehmensinteresses versteht. ff) Clemens: Unternehmensinteresse als Interessenvergemeinschaftungsprozess Clemens bevorzugt ebenfalls ein prozessuales Modell des Unternehmungsinteresses, das er als „Interessenvergemeinschaftungsprozess“ bezeichnet.740 Demnach sei bei der kommunikativen Interessenvergemeinschaftung das Transsubjektivitätsprinzip, das er der konstruktivistischen Philosophie und Wissenschaftstheorie entnimmt, einzuhalten, „das die Absicht und Aufforderung, in un735 736 737 738 739 740

Mertens, ZGR 1977, 270 ff. s. o., Kapitel 2 C. III. 2. a). Mertens, ZGR 1977, 270, 276. Mertens, ZGR 1977, 270, 276. Mertens, ZGR 1977, 270, 275. Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 27, 160 f.

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voreingenommener, zwangloser und nicht-persuasiver gemeinsamer Bemühung, Einverständnis zu erzielen“, einfordere.741 Bei der Auswahl der Interessengruppen, die an der Interessenvergemeinschaftung teilnehmen sollen, unterscheidet er zwischen direkt und indirekt Betroffenen. Zur Teilnahme seien die direkte Betroffenheit und die Artikulationsfähigkeit erforderlich; diese Voraussetzungen seien (nur) bei den Vertretern von Kapitalgebern und Arbeitnehmern gegeben.742 Die Einhaltung des Transsubjektivitätsprinzips beurteilt er trotz des Übergewichts der Anteilseignerseite – deshalb lehnt er auch das Vorliegen der formalen und materialen Gleichheit ab743 – im Rahmen des Mitbestimmungsgesetzes günstiger als im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes.744 Die Bestimmung des Unternehmungsinteresses anhand eines Prozesses bietet Clemens die Chance, dieses als variablen Auffangbegriff zu verstehen, der immer neu gebildet werden könne.745 Clemens fordert somit anhand des Transsubjektivitätsprinzips eine gleichrangige Interessenberücksichtigung von Anteilseignern und Arbeitnehmern. Dass er dafür die gesetzlichen Vorschriften noch nicht für optimal geeignet hält, ändert daran nichts. Er vertritt daher ein „echtes“ pluralistisches Konzept. gg) Flume: Unternehmensinteresse als Interesse der juristischen Person als „Ideales Ganzes“ Anfänglich nicht ganz deutlich ist die Auffassung Flumes, der als Teil der Verhaltensmaxime „Unternehmensinteresse“ angibt, die „vermögensmäßige Eigenberechtigung“ der Aktionäre sei zu respektieren; es müsse beachtet werden, dass das Kapital der Aktionäre die vermögensmäßige Grundlage des Unternehmens sei.746 Zugleich gibt er aber als Ziel an, die Antithese von Kapital und Arbeit zu überwinden und vertritt ein integrierendes Konzept der juristischen Person als „ideales Ganzes“, dem Arbeitnehmer ebenso wie Anteilseigner zugehören würden. Dementsprechend trage der Vorstand nicht nur Verantwortung gegenüber den Anteilseignern, sondern auch gegenüber Arbeitnehmern und Öffentlichkeit.747 Indem er die juristische Person mit dem Unternehmen und das Gesellschaftsinteresse mit dem Unternehmensinteresse identifiziert und die Belegschaft 741

Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 164. Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 221 f., 242. 743 Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 288. 744 Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 284 f.; 291. 745 Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 292. 746 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 30; ähnlich wohl Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 366, nach dem das Aktionärsinteresse zwar das Unternehmensinteresse besonders stark präge, dennoch das Aktiengesetz im Regelfalle das Ermessen des Vorstands, begrenzt durch das Unternehmensinteresse, an die Stelle des Aktionärswillens rücke. 747 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 23, 26. 742

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als viertes Unternehmensorgan neben Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung anerkennt, vertritt er gegenüber anderen Konzeptionen eine fortgeschrittene „echte“ pluralistische Konzeption des Unternehmensinteresses. hh) Teubner: Unternehmensinteresse als Abstimmungsprozess Teubner sieht als Unternehmensinteresse die optimale Abstimmung von gesellschaftlicher Funktion (Beziehung des Teilsystems zum Gesamtsystem) und gesellschaftlichen Leistungen (Beziehung des Teilsystems zu anderen Teilsystemen) des Unternehmens an748 und fügt dieses nahtlos in seinen Unternehmensbegriff ein. Die Systemtheorie ist seines Erachtens prädestiniert, um den Umweltbezug und damit gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens zu erhellen; Unternehmen versteht er als autonome und lernfähige Sozialsysteme.749 Die gesellschaftliche Aufgabe von Unternehmen hebt Teubner besonders hervor: „Eine wirtschaftliche Unternehmung ist keine Anstalt zur Selbstbedienung und Selbstverwirklichung, weder für Anteilseigner noch für Arbeitnehmer, sondern hat eine gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen.“ 750 Die Steuerungsrechte im Unternehmen sollen nach gesellschaftlichen Interessen am Unternehmenserfolg verteilt werden. Er setzt auf eine Normierung von Unternehmensstrukturen, nicht von bestimmten Ergebnissen. Die These Teubners lässt sich dementsprechend wie folgt zusammenfassen: Funktions- und Leistungsgerechtigkeit sollen aufeinander abgestimmt werden, und zwar durch externe, prozessorientierte Stimulanz von interner Selbstregulierung qua Internalisierung gesellschaftlicher Verantwortung in Entscheidungsstrukturen des Unternehmens. Das Unternehmensinteresse entfaltet so auch Verhaltensanforderungen auf staatlicher Seite: Es sei darauf gerichtet, Organisationsstrukturen für diskursive Einigungsprozesse zu schaffen, die eine optimale Abstimmung von Unternehmensleitung und -funktion ermöglichten.751 Das („normative“) Unternehmensinteresse stelle somit ein Korrektiv der Abschöpfungsinteressen im Interesse gesellschaftlicher Funktions- und Leistungserfüllung der Unternehmen dar,752 das im Unternehmen durch das Zusammenspiel von mitbestimmtem Aufsichtsrat, Hauptversammlung und Vorstand aktualisiert werde.753

748 Teubner, ZHR 149 (1985), 470 ff.; daneben stellt er noch den Begriff der Reflexion als Beziehung des Teilsystems zu sich selbst, Teubner, ZGR 1983, 34, 53. 749 Teubner, ZGR 1983, 34, 42 ff. 750 Teubner, ZGR 1983, 34 ff.; hier trifft er sich mit dem Ansatz von Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution. 751 Teubner, ZGR 1983, 34, 54; Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 484. 752 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 485. 753 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 486.

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Teubner kommt demgemäß zu einer ungewöhnlichen Relation von Bestand, Rentabilität und prozessualem Verständnis des Interessebegriffs: Sowohl Leistung des Unternehmens als auch die Wahrnehmung von Funktion setzen den Bestand voraus. Erst zugunsten der Bestandssicherung erhalte das Profitstreben auch seinen Sinn.754 Dass Teubner nicht binnenstrukturell argumentiert – seiner Ansicht nach eine Schwäche der Diskussion um die Unternehmensverfassung, die durch die enge Koppelung an die Mitbestimmung bedingt ist755 –, sondern das Unternehmen in seinem Umweltbezug betrachtet, wird daran deutlich, dass das Bestandsinteresse seiner Ansicht nach nicht absolut gilt: Sofern ein Unternehmen keine gesellschaftliche Funktion erfüllen kann, ist es auch nicht mehr wert, zu bestehen.756 Teubner gesteht so bereits dem Bestand des Unternehmens nur eine dienende Funktion zu. Dies gilt erst recht für die Rentabilität, die nur den Bestand des Unternehmens sichern soll. Die Bedeutung des Unternehmensinteresses weist auffällig über das Unternehmen hinaus in die pluralistische Umwelt. Daraus und aus der Tatsache, dass Teubner ausdrücklich einen mitbestimmten Aufsichtsrat fordert und somit sein Unternehmensbegriff einen personalen Bezug erhält, kann ihm unterstellt werden, eine „echte“ pluralistische Konzeption zu verfolgen. ii) Kessler: Unternehmensinteresse als Kompromiss Kessler entwickelt eine Theorie, die ihren Anfang bei Individualzielen einzelner Anspruchsgruppen nimmt (gleichzeitig ein „Unternehmensinteresse“ ablehnt757) und verlässt – in wirtschaftswissenschaftlicher Manier – den Verbandsgedanken. Bei der Analyse der Partikularinteressen unterscheidet Kessler persönliche Ziele der Mitglieder, Ziele der Mitglieder für die Organisation und schließlich Ziele der Organisation selbst.758 Die Ziele der Organisation leiteten sich von den Interessen der Teilnehmer für die Organisation ab, die anhand eines formalen, legitimierten Prozesses einer Kompromissbildung miteinander in Einklang gebracht werden. Zu den Interessenträgern (Koalitionsmitglieder/Anspruchsgrup754 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 482; eine Orientierung an einer erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung lehnt er ab, sofern darin lediglich eine Identifikation mit den Anteilseignerinteressen erblickt wird, Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 476. 755 Teubner, ZGR 1983, 34. 756 Auf diese Weise erlangt die Bestandssicherung bei Teubner eine neuartige Bedeutung: Die Bestandssicherung der Gesamtgesellschaft und nicht die des Unternehmens ist entscheidend. 757 Kessler, AG 1995, 61; da sich diese Ablehnung vorrangig auf den Begriff und den Verbandsgedanken als einer „Anthropomorphisierung des Unternehmens“ (Kessler, AG 1995, 61, 64) beziehen dürfte, soll die Ansicht Kesslers dennoch an dieser Stelle diskutiert werden. 758 Kessler, AG 1993, 252, 255; Kessler, AG 1995, 61, 64.

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pen759) werden sowohl Kapitaleigner und Arbeitnehmer als auch etwa Lieferanten und Kunden gerechnet. Kessler nimmt eine Einteilung nach systemtheoretischen Größen vor: Zum relevanten „Umsystem“ des Unternehmens sollen alle Komponenten, die für das Sachziel des Unternehmens von Bedeutung seien, gehören. Das globale Umsystem als erste Untergliederung erfasse alle Elemente, die auch für Unternehmen mit differierendem Sachziel Gültigkeit aufwiesen. Das Gegenstück ist das sachzielbezogene Umsystem. Die Gewichtung der enthaltenen Anspruchsgruppen nimmt Kessler danach vor, ob vertragliche Beziehungen bestehen (Arbeitnehmer, Aktionäre, Lieferanten, Kunden) und ob gesetzlich garantierte Teilnahmerechte vorgesehen sind (nur Arbeitnehmer und Aktionäre).760 Die Kapitaleigner wiesen phänotypisch Sicherheitsinteressen bezüglich der Kapitalanlage, Erwerbsinteressen und ein Interesse an wirtschaftlicher Macht durch Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse auf.761 Die Arbeitnehmer seien unterschiedlich interessiert: Vorrangig an Existenzsicherung und an den Zielbereichen „Einkommen/Vermögen“, „Betriebsklima/Soziale Beziehungen“, „Mitbestimmung und Entfaltung am Arbeitsplatz“ und „Verbesserung der Arbeitsbedingungen“.762 Antizipierte Unternehmensziele werden von dem Leitungsorgan gebildet, allerdings in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung. Diese müssen auf ihre Kompatibilität mit den Interessen der sonstigen Anspruchsgruppen, insbesondere der Kapitaleigner und der Arbeitnehmer, überprüft und ggf. angepasst werden. Auf diese Art und Weise schafft Kessler ein Einfallstor für wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse. Die antizipierten Unternehmensziele bestehen aus Sicherheitszielen, Erfolgszielen und Expansionszielen.763 Den Gläubigern werden neben dem Sicherheitsinteresse und den Erwerbsinteressen auch Unternehmens- und Betriebsinteressen, etwa bezüglich einer Kontrolle der Unternehmensführung, unterstellt.764 Bei Zielidentität der Interessen können diese ohne Weiteres zu Zielen des Unternehmens gemacht werden. Bei Zielkonkurrenz bzw. Zielantinomie sei zu un759 Definition: „Die an dem Unternehmen interessierte Gruppe (Anspruchsgruppe) ist eine innerhalb oder außerhalb des Unternehmens angesiedelte Gruppe, die Ansprüche, die aus ihren eigenen Zielen resultieren, an das Unternehmen direkt/indirekt heranträgt und die gegenwärtig oder zukünftig generell/aufgabenspezifisch auf den unternehmerischen Zielerreichungsmaßstab einwirken oder von diesem beeinflußt werden“, Kessler, AG 1993, 252, 256. 760 Kessler, AG 1995, 61 f.; hier bezieht er sich auf Kirsch, Entscheidungsprozesse III, S. 126: „Als Träger eines politischen Systems sollen jene Personen oder Organisationen der Umwelt des politischen Systems angesehen werden, die auf Grund der Verfassung das Recht besitzen, die Kernorgane dieses politischen Systems zu besetzen.“ 761 Kessler, AG 1993, 252, 260. 762 Kessler, AG 1993, 252, 260; aufgrund der privaten Altersvorsorge weisen die Arbeitnehmer zunehmend auch die typischen Interessen von Anteilseignern auf, vgl. Leyens, JZ 2007, 1061, 1066. 763 Kessler, AG 1993, 252, 261. 764 Kessler, AG 1993, 252, 262.

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tersuchen, ob und ggf. welche Interessen der Gesetzgeber als schützenswert erachtet.765 Zwar seien die Interessen der Arbeitnehmer und der Kapitaleigner als gesetzlich legitimierte „am nachhaltigsten zu berücksichtigen“.766 Dabei sei das Sicherheitsinteresse der Kapitaleigner vom Gesetzgeber anerkannt worden; anderes gelte hingegen für das Erwerbsziel: Die Erwerbsinteressen seien vom Gesetzgeber in weitem Umfang ignoriert worden.767 Die Arbeitnehmerziele seien durch die Verabschiedung der Mitbestimmungsgesetzgebung legitimiert worden.768 Trotz dieser gesetzgeberischen Aktivitäten sowohl im Hinblick auf die Kapitaleigner- als auch Arbeitnehmerinteressen, geht Kessler von einer Hierarchie der zu berücksichtigenden Belange aus: Die Sicherheitsziele und Beteiligungs- und Mitwirkungsinteressen der Kapitaleigner stehen dabei auf höchster Stufe und sind Ausgangpunkt jeder Entscheidung der Leitungsorgane. Die sonstigen, nachfolgenden Interessen werden lediglich in einer Negativprüfung berücksichtigt, die eine vollständige Negierung verhindern soll. Insbesondere sei in den Mitbestimmungsgesetzen nicht der Grund- oder Leitgedanke verwurzelt, dass den Arbeitnehmern weitergehende Rechte gesichert werden sollen.769 Auch hier dürfen die Erwerbsinteressen der Kapitaleigner nur dann tangiert werden, wenn dies einem der antizipierten Unternehmensziele diente. Über die Unternehmensziele flössen die jeweiligen Partikularinteressen der Anspruchsgruppen wieder ein, da nur durch ihre Beiträge das Unternehmen existieren könne, und der Vorstand dementsprechende Anreize vornehmen müsse.770 Trotz eines prozessualen Ansatzes – der jedoch durch den Verweis auf „typische Interessen“ teils ausgehöhlt wird, ist die Konzeption Kesslers nicht „echt“ pluralistisch. jj) Großmann: Unternehmensinteresse als Verfahrensund Organisationsregeln Großmann lehnt eine Verpflichtung auf ein materiell monistisches bzw. dualistisches oder pluralistisches Unternehmensziel ganz ab; dies geschieht nach eingehender Untersuchung des Aktienrechts insbesondere unter dem Hinweis, dass ein Ziel nicht definiert werden könne:771 Es könne höchstens das Zielausmaß – und das auch nur bei einer monistischen Konzeption – bestimmt werden. Hingegen 765

Kessler, AG 1995, 61, 63. Kessler, AG 1993, 252, 263. 767 Kessler, AG 1993, 252, 265; Kessler, AG 1995, 61, 63. 768 Kessler, AG 1993, 252, 266. 769 Kessler, AG 1995, 61, 63. 770 Kessler, AG 1993, 252, 268 ff. 771 Großmann, Unternehmensziele, S. 78 ff., S. 86, prüft die Operationalität einer monistischen Konzeption insbesondere auch anhand der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorien und sieht diese als gescheitert an. 766

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

sei eine Aussage über die Zieldefinition – Ausschüttung oder Einbehaltung in Verbindung mit Kursgewinn – ebenso wenig möglich wie die Präzisierung des Zeit- und Risikobezugs und die Handhabung von Zielkonflikten (etwa Gewinn/ Liquidität). Den Begriff des „Unternehmensinteresses“ lehnt Großmann ab. Dies stützt er insbesondere auf die Erkenntnis, dass es operable, materielle Zielvorgaben nicht gebe; das Aktiengesetz regle generell nur, „wer nach welchem Verfahren welche Frage zu entscheiden hat, nicht aber mit welchem Inhalt“ 772; der Gesetzgeber wolle seine Ziele nicht durch die Vorgabe von Zielvorschriften verwirklichen, sondern durch „strikte Normen“ und „Organisationsnormen“.773 Er unterstellt jedoch, da der Misserfolg des Unternehmens zugleich zum persönlichen Misserfolg der Beteiligten führe, ein gemeinsames Interesse am Bestand und am marktkonformen Verhalten. Diese Umstände ermöglichten es dem Gesetzgeber erst, sich auf reine Organisationsregeln zu beschränken; der Vorstand unterliege bei der Entscheidungsfindung lediglich formalen Verfahrens- und Organisationsanforderungen.774 Seine Argumentation lässt darauf schließen, dass Großmann inhaltlich nur den „materiellen“ Unternehmensinteressebegriff für unvertretbar hält.775 Die Konzeption, zu der er letztlich gelangt, ist eine verfahrensmäßige, die sich von den o. g. prozessualen Theorien nur dem Namen nach unterscheidet. Der Hinweis auf die Interessenfeststellung bzw. Interessenabwägung legt ebenso wie bei den prozessualen Theorien einen „echten“ dualistischen bzw. pluralistischen Hintergrund nahe. 3. Zwischenergebnis Die Theorien des Unternehmensinteresses stellen zum großen Teil einen „echten“ pluralistischen Verhaltensmaßstab für das Vorstandshandeln bereit. Sie stehen damit im Gegensatz sowohl zu der monistischen aktienrechtlichen Leitmaxime des Gesellschaftsinteresses als auch der herausgearbeiteten strafrechtlichen Untreuekonzeption. Die Theorien des Unternehmensinteresses sind daher geeignet, den Geltungsanspruch der Untreuekonzeption anzugreifen. Da sie aber in Konkurrenz zum Gesellschaftsinteresse stehen, stellt sich zunächst die Frage, welcher aktienrechtlichen Leitmaxime Vorrang einzuräumen ist. 772

Großmann, Unternehmensziele, S. 133. Großmann, Unternehmensziele, S. 163. 774 Großmann, Unternehmensziele, S. 168 ff.; zu diesen Anforderungen gehören etwa: Pflicht zur sorgfältigen Vorbereitung und Durchführung der Entscheidungen, was insbesondere auch die Pflicht zur Information umfasse, die sorgfältige Ermessensausübung nach den Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere Feststellung der betroffenen Interessen und Interessenabwägung (ermessensfehlerhaft sei z. B., wenn der Vorstand von einer ausschließlichen Verpflichtung auf das Aktionärsinteresse ausgehe). 775 Großmann, Unternehmensziele, S. 105 ff. 773

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts? Bei isolierter Betrachtungsweise der §§ 76, 93 AktG gibt es zwei miteinander in Konkurrenz tretende Ansichten. Die Vorschriften der §§ 76, 93 AktG sollen nunmehr in ihrem weiteren gesetzlichen Zusammenhang eingebettet werden. Der Vorstand ist Leitungsorgan. Gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 AktG hat er die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden“. Auch hier wird wieder eine „Rolle“ kreiert, nämlich die des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“. Was diesen ausmacht, lässt sich nicht aus der Luft greifen, es muss vielmehr im Aktienrecht i. w. S. verankert sein. Erst in diesem „System“ kann die Rolle des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ als objektive Verhaltensanforderung Gestalt annehmen und bestimmt werden.776 Die vorliegende Arbeit unterliegt in ihren einzelnen Schritten mehreren Begründungsproblemen, die an dieser Stelle einer Erörterung bedürfen: Was hat zu gelten, wenn das Aktiengesetz weder einer monistischen noch einer pluralistischen Konzeption zuneigt, wenn es sich vielmehr „neutral“ verhält? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Kompetenzabgrenzung zwischen den Organen „Hauptversammlung“ und „Vorstand“. Während die Kompetenzen und Zuständigkeiten der Hauptversammlung zunächst enumerativ bestimmt sind, hat der Vorstand bei der Leitung der „Gesellschaft“ eine Eigenverantwortlichkeit, bei deren Ausübung er in diesem Fall weder auf monistische noch „echte“ pluralistische Leitlinien verpflichtet werden könnte (Frage des „Müssens“). Es steht aber unter gewissen Voraussetzungen in seinem Ermessen, die eine oder andere Richtung einzuschlagen (Frage des „Dürfens“). Dieser Befund könnte die monistisch strafrechtliche Konzeption nicht ausreichend stützen, die von einer Verpflichtung auf monistische Aspekte (insbesondere der Erwerbswirtschaftlichkeit) ausgeht. Im Folgenden soll das Aktienrecht auf seine Grundtendenz hin untersucht werden. Die Vorstellung der monistischen oder pluralistischen Konzeption auch als Kompetenzabgrenzungsproblem bestimmt den weiteren Aufbau in groben Zügen vor. Es werden die Organe Hauptversammlung und Aufsichtsrat anhand ausgewählter Vorschriften777 insbesondere im Hinblick auf ihr Verhältnis zum Vorstand beleuchtet. Die Grundsätze der Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und des Existenzvernichtungsverbots erlangen dabei herausragende Bedeutung.778

776

s. o., Kapitel 2 C. I. 4. Vgl. dazu ausführlich Großmann, Unternehmensziele. 778 Die besondere Bedeutung von Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften wird ansatzweise deutlich, wenn sie etwa von Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 28, als „Grundsätze des Aktienrechts“ bezeichnet werden. 777

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

I. Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung Oben779 wurde bereits festgestellt, dass Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Rahmen der strafrechtlichen Konzeption als interessekonstituierende Elemente angesehen werden. Sieht man die Interessengenese als Kompetenzabgrenzungsproblem, so lassen sich Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung der Kompetenz des Gesetzgebers zuordnen. Da sie gesetzlich geregelt sind,780 bedürfen sie im Gegensatz zu dem allgemeinen Schädigungsverbot und dem Bestandsgefährdungsverbot keines weiteren materiellen „Anknüpfungspunktes“. Die entscheidende Frage lautet daher, ob Kapitalaufbringung und -erhaltung in einer monistischen oder pluralistischen Weise durch den Vorstand zu wahren sind. Wie dargelegt, wird im gesellschaftsrechtlichen Bereich monistisch mit „im Interesse von Gesellschaft oder Gesellschafter“ gleichgesetzt, während ein pluralistischer Bezug zumeist über die Arbeitnehmer oder Gläubiger hergestellt wird. Häufig wird behauptet, der Kapitalerhaltungs- und -aufbringungsgrundsatz diene dem Interesse der Gläubiger, Gläubigerschutz sei mithin vorrangiger Zweck der Vorschriften zum Ausgleich der Haftungsbeschränkung.781 Darauf verweist zumindest auch der historische Zusammenhang: Die Grundsätze der Kapitalaufbringung und -erhaltung wurden in der sog. „Zeit der Gründerschwindel“, in der der Gläubigerschutz besonders im Vordergrund stand, eingeführt782 Dass die Vorschrift eine gläubigerschützende Funktion erfüllt, über die die Aktionäre nicht disponieren können, ergibt sich zudem aus dem Zusammenspiel der § 93 Abs. 3 bis 5 AktG: Selbst bei einem Verzicht der Gesellschaft auf eine Schadensersatzforderung gegenüber dem Vorstand oder ein Vergleich über diese ist eine

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s. o., Kapitel A. II. 2. a). Kapitalerhaltung: § 57 AktG, Kapitalaufbringung in verschiedenen Vorschriften: §§ 1 Abs. 2, 2, 29 AktG, Verbot der Unterpariemission nach §§ 9, 36a Abs. 2 S. 3 AktG, Bestimmungen über die Sondervorteile und den Gründungsaufwand nach § 26 AktG, sowie die Sacheinlagen und Sachübernahmen in §§ 27, 32 Abs. 2, 33 Abs. 2 Nr. 4, 34 Abs. 1, 2, 36 Abs. 2 S. 2, 37 Abs. 4 Nr. 2, 38, 40, 41 Abs. 3 AktG, Nachgründungsvorschriften gem. §§ 52, 53 AktG, Vorschriften Mindesteinlage ggf. erforderliche Sicherung hinsichtlich der Resteinlage, Vorschriften über die Leistungsformen und den Nachweis der endgültigen freien Verfügung des Vorstands hierüber nach §§ 36a, 36 Abs. 2 S. 2, 54 Abs. 2 und 3, 37 Abs. 1 AktG, Haftungsbestimmungen nach §§ 46 ff. AktG, Haftung der Aktionäre und Vormänner für nicht geleistete Einlagen gem. §§ 64, 65, 66 AktG, Verbot der Befreiung von der Einlagepflicht nach § 66 Abs. 1 AktG, präventive gerichtliche Kontrolle der Kapitalaufbringung nach § 38 AktG und die Vorbelastungshaftung der Gründer für Unterdeckungen zum Eintragungszeitpunkt § 41 AktG. 781 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 20, 85, 320: „[U]nd künftiger Gesellschafter“, 518, 565: Vermittlung des Garantiekapitals zwischen Gläubigerschutz, Interessen der Anlegergesellschafter und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen; auch Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 46; zum bezweckten Gläubigerschutz auch Großmann, Unternehmensziele, S. 76; Kessler, AG 1993, 252, 265, 267, der jedoch „auch“ einen Aktionärsschutz konstatiert. 782 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 43, 516 f. 780

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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Ersatzpflicht gegenüber den Gläubigern nicht auf den Fall einer „gröblichen Verletzung“ beschränkt. Es wird vertreten, der Gläubigerschutz gehe in dieser Hinsicht dem der Gesellschafter im Rang vor: Dies erkläre sich zum einen aus der Kopplung der Risikobeherrschung mit der Verlustgefahr und zum anderen aus den unterschiedlichen Motiven der Kapitalgabe. Während die Gesellschafter eine angemessene Rendite erzielen wollten, erwarteten die Gläubiger eine feste Verzinsung und vertrauten darauf, dass sie das Ausfallrisiko an letzter Stelle treffe. Die Gesellschafter dürften ihren dann ggf. erlittenen Verlust nicht sozialisieren. Dies gelte auch für Publikumsgesellschaften, obwohl die Anleger dem Unternehmen teils entfernter gegenüberstünden als mancher Großgläubiger.783

Zumindest die Annahme eines reinen Gläubigerschutzes ist jedoch in gewisser Hinsicht unschlüssig: Die Aktionäre können sich von der Einhaltung der Kapitalerhaltungsgrundsätze selbst einstimmig nicht suspendieren. Das bedeutet, dass ihnen nicht die alleinige Dispositionsbefugnis zukommt. Die Interessen der Gläubiger daneben zu stellen, wäre ein Begründungsansatz. Ein Vergleich mit dem Recht der GmbH macht diesen Ansatz jedoch angreifbar: Nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG haben die Aktionäre der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes empfangen haben, zurückzugewähren; der § 62 AktG statuiert also eine absolute Verpflichtung zur Rückerstattung, unabhängig vom tatsächlichen Gläubigerbedarf.784 § 31 GmbHG, der ebenfalls die Rückerstattung von Beträgen betrifft, die entgegen dem Kapitalerhaltungsgrundsatz ausgezahlt wurden, ordnet eine derartige Verpflichtung bei gutem Glauben des Empfängers nur dann an, wenn sie zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Hier lässt sich eine Begrenzung des Schutzes auf Gesellschafter und Gläubiger gut begründen.785 Anders im Aktienrecht: Aus dem § 62 AktG kann eine Schutzrichtung von Kapitalaufbringung und -erhaltung zum Schutz der Gesellschaft selbst herausgelesen werden.786 Dies korrespondiert mit der Auffassung, die Gesellschaftsgläubiger könnten sich durch Besicherung von Krediten, durch Risikoaufschläge, Kontrollrechte und Einreden wesentlich wirkungsvoller selbst schützen. Dementsprechend sei die Kapitalerhaltung, die nur unnötige sog. „Compliance Kosten“ verursache und Substanzverlust ohnehin nicht verhindern könne, nicht praktikabel.787 783

Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 515. Eine Ausnahme kann gem. S. 2 lediglich bei Beträgen gemacht werden, die als Gewinnanteile bezogen wurden. 785 Vgl. etwa Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 1; Wodicka, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 213 ff., sieht aber auch im § 30 GmbHG ein Instrument zum Schutz der Gesellschaft selbst. 786 Auch nach Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 40, dienen die Vorschriften der Kapitalerhaltung im Aktienrecht sowohl den Belangen der Gesellschaft als auch der Gesellschafter; nach Brand, AG 2007, 681, 687, sind Gläubigerinteressen im Aktienrecht gerade nicht entscheidend. 787 Vgl. Fleischer, ZGR 2001, 1, 12 f.; Kübler, AG 1998, 345. 784

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Genau dies ist aber auch der entscheidende Punkt: Es kann ein Interesseschutz der Gesellschaft herausgelesen werden, aber neben anderen. Ein Schutz auch der Gläubiger durch Kapitalaufbringung und -erhaltung wird – soweit ersichtlich – nicht bestritten, was auch daran liegen mag, dass diese Frage im Gesellschaftsrecht nicht ansatzweise von so existenzieller Bedeutung ist wie im Strafrecht. Eine gläubigerschützende Funktion wird umso dringlicher, als das effektivste Instrument des Gläubigerschutzes – das Verbot einer materiellen Unterkapitalisierung – nicht Gesetz geworden und auch richterrechtlich nicht anerkannt ist.788 Hingegen wird einer „nominellen Unterkapitalisierung“, in der die Gesellschafter statt Eigenkapital Fremdkapital, etwa in Form eines Darlehens, zuführen, begegnet: Früher wurde dieser Fall anhand der §§ 32a, b GmbHG und durch Weiterentwicklung der Kapitalerhaltung durch die Rechtsprechung gelöst, heute sind die Institute in das Insolvenzrecht übergegangen.789 Dieses Nebeneinander von geschützten Interessengruppen macht eine eindeutige Beantwortung der Frage nach einer monistischen oder pluralistischen Ausrichtung der Vorschriften unmöglich, eine Antwort lässt sich anhand einer Betrachtung allein dieser Vorschriften nicht erreichen. Stets weisen die jeweiligen Begründungsansätze über die Vorschriften hinaus. Eine monistische oder pluralistische Ausrichtung lässt sich nur im Gesamtzusammenhang des Aktienrechts erörtern. Für die Abbildung dieses „Gesamtsystems“ in kleinerer Dimension ist der sog. „existenzvernichtende Eingriff“, der im Folgenden betrachtet wird, prädestiniert. In der Diskussion, in der um eine dogmatische Begründung des existenzvernichtenden Eingriffs gerungen wird, stehen sich Ansichten, die sich auf das Eigeninteresse der Gesellschaft/des Unternehmens als „Selbstzweck“ berufen und solche, die eben dieses „Eigeninteresse“ als bloßes Instrument des Gläubigerschutzes verstehen, gegenüber. Dies lässt auf Erkenntnisse bezüglich der Kompetenzabgrenzung hoffen. Die Entwicklung dieses Instituts auch vor dem Hintergrund näher betrachtet werden, dass es neben Kapitalerhaltung und -aufbringung als nicht disponible Grenze das dritte „Standbein“ sowohl der aktienrechtlichen als auch der strafrechtlichen Konzeption darstellt.

II. Existenzvernichtender Eingriff Rechtsprechung und Schrifttum greifen die Problematik des „existenzvernichtenden Eingriffs“ vor allem im GmbH-rechtlichen Kontext auf. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften im Aktienrecht 788

Erst jüngst bestätigt in BGHZ 176, 204 – GAMMA. Vgl. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 42: „Die Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen werden in das Insolvenzrecht verlagert, wo sie systematisch auch hingehören.“ 789

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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strenger ausfallen und ein Bedürfnis für eine weitere Einschränkung der Kapitalverwendung weniger dringend erscheint. Bei dem existenzvernichtenden Eingriff handelt es sich um eine Haftungsgrundlage gegenüber dem Alleingesellschafter bzw. gegenüber den einverständlich handelnden Gesellschaftern.790 Bei diesen wird das Problem des existenzvernichtenden Eingriffs besonders virulent, da es am Regulativ der Treuepflichten gegenüber Minderheitsgesellschaftern fehlt. Implizit ist hier immer auch die Frage nach einer Dispositionsschranke für die Gesellschafter angesprochen. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse, weil auch in strafrechtlicher Hinsicht den Gesellschaftern die Kompetenz zur Bestandsgefährdung der Gesellschaft/des Unternehmens abgesprochen wird. Die Begründung des Existenzvernichtungsverbots näherte sich bei einer Begründung über das Eigeninteresse stark der strafrechtlichen Konzeption an: Es fände dann nämlich ein Verweis auf die Eigenbelange, mithin auf die eigene Persönlichkeit der Gesellschaft, statt, die auch die Gesellschafter nicht verletzen dürften. Handelt es sich bei dem existenzvernichtenden Eingriff um eine Dispositionsschranke für die Gesellschafter, so kann auch der Vorstand diese nicht überspringen. Er handelt mithin „erst recht“ pflichtwidrig, wenn er die Existenz der Gesellschaft im Sinne der im Folgenden dargestellten Doktrin vernichtet.791 Das Rechtsinstitut des sog. „existenzvernichtende Eingriff“ sah sich im Laufe der Zeit mannigfaltigen Begründungsansätzen und Funktionszuweisungen ausgesetzt: Die Haftung des Gesellschafters wurde beginnend mit der Autokran-Entscheidung des BGH anhand des sog. „qualifiziert faktischen Konzerns“ begründet, der sich durch einen unzulässigen – insbesondere nicht durch einen Unternehmensvertrag legitimierten – Zugriff auf das Vermögen einer GmbH durch einen Gesellschafter, der der GmbH als „herrschendes Unternehmen“ gegenübertritt,792 auszeichnet: Sofern das herrschende Unternehmen die Geschäfte des abhängigen Unternehmens „dauernd und umfassend“ selbst geführt hat, sollte eine Haftung des herrschenden Unternehmens in Analogie zu den aktienrechtlichen Vorschriften der §§ 303, 322 Abs. 2, 3 AktG bzw. §§ 303, 302 AktG in Betracht kommen.793 790 Dass der Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs nicht auf „Managementfehler“ Anwendung findet, wird in BGH ZIP 2005, 250, klargestellt. 791 Zu der Relevanz des existenzvernichtenden Eingriffs auch für die Leitungsorgane Vetter, ZIP 2003, 601, 610 f. 792 Die Beschränkung auf „Konzernlagen“ stieß im Schrifttum auf Kritik, vgl. etwa Schmidt, NJW 1994, 447. 793 BGHZ 95, 330 – Autokran, mit der Frage nach einer Ausfallhaftung des herrschenden Unternehmens bei Vermögenslosigkeit des abhängigen Unternehmens; BGHZ 107, 7 – Tiefbau; BGHZ 115, 187 – Video, mit der Feststellung, dass sich aus § 303 I AktG ein unmittelbar auf Zahlung gerichteter Anspruch ergeben kann, wenn feststeht,

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Die TBB-Entscheidung des BGH brachte eine Wende (bzw. eine „Klarstellung“ 794) in der Haftungsbegründung: Es wurde nicht mehr auf die dauernde und umfassende Leitung des abhängigen Unternehmens abgestellt werden, sondern darauf, ob Leitungsmacht in einer Weise ausgeübt werde, die keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nehme.795 Die fehlende Rücksichtnahme könne nicht allein aufgrund der umfassenden Leitung vermutet werden. Der „Vorgänger“ des existenzvernichtenden Eingriffs war also auf die Konstellation „beherrschter“ und „beherrschender“ Unternehmen zugeschnitten: Hier erschien das Eigeninteresse als Regulat der Interessen des herrschenden Unternehmens, die nicht in einem natürlichen Gleichklang mit den Interessen der abhängigen Gesellschaft standen, erforderlich.796 Die Bremer-Vulkan-Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH brachte eine tiefgreifende Veränderung der Dogmatik:797 In einem obiter dictum führt der Senat aus, eine Haftung des Gesellschafters sei nicht länger aus den aktienrechtlichen, konzernrechtlichen Regelungen abzuleiten, sondern aus der Gewährleistung des Bestandsschutzes des abhängigen Unternehmens. Eine angemessene Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der abhängigen Gesellschaft fehle, wenn diese infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen könne. Die Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff war – noch – als Binnenhaftung ausgestaltet. Dies änderte sich mit der KBV-Entscheidung:798 Der BGH entwickelte den existenzvernichtenden Eingriff „weiter“ dass der Gläubiger mit seiner Forderung gegen das beherrschte Unternehmen ausfällt; dazu, dass mit „Video“ eine Vermutungskaskade konstruiert wurde (anderweitige unternehmerische Betätigung führe zu der Vermutung eines Konzerns, dauernde und umfassende Leitung führe zu der Vermutung eines Verhaltens zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft), die zu einer Häufung von qualifizierten Konzernen „soweit das Auge reicht“ geführt hat, vgl. Röhricht, ZGR 1999, 445, 466; ebenso Goette, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 11 ff.; Goette, DStR 2000, 1066. 794 BGHZ 122, 123, 131 – TBB. 795 BGHZ 122, 123 – TBB; vgl. zu dieser Wende, die von den Instanzgerichten längere Zeit „ignoriert“ worden sei insbesondere Goette, DStR 1993, 1753; Goette, DStR 1997, 503. Fortgeführt von BGH DStR 1993, 1753 – Schotterkleber, der allerdings nach eigenem Bekunden des 2. Zivilsenats kein „Konzernhaftungsfall“ war; BGH NJW 1994, 446 – EDV-Peripherie; BGH NJW 1994, 3288 – Architektenfall, mit explizitem Hinweis auf die „Eigeninteressen“; BGH NJW 2001, 3622. 796 Dies klang bereits in BGHZ 95, 330, 335 f. – Autokran, an; vgl. dazu insbesondere Röhricht FS BGH, 2000, S. 83; Ulmer FS Pfeiffer, 1988, S. 853, 864 f. (hier deutet sich aber bereits an, dass ein Eigeninteresse der Aktiengesellschaft näher liegt); Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 396; Ulmer, NJW 1986, 1579 f.; kritisch zum Interessengleichlauf bei unverbundenen Gesellschaften Wodicka, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 252 f. 797 BGHZ 149, 10 – BVV; die Aufgabe der Rechtsprechung zur Haftung aus qualifiziertem faktischen Verein bekräftigt BGH DStR 2002, 1010. 798 BGHZ 151, 181 – KBV; nach BGH NZG 2004, 1107 – Klinik, hafte der Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern „jedenfalls“ nach § 826 BGB.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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und machte aus der Binnen- eine Durchgriffshaftung. Die fehlende angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeiten der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten sei als Missbrauch der Rechtsform der GmbH einzustufen, der zum Verlust des Haftungsprivilegs führe.799 Die Trihotel-Entscheidung des BGH800 stellte das Institut des existenzvernichtenden Eingriffs auf die dogmatische Grundlage des § 826 BGB und führte wieder zurück zu einer Binnenhaftung.801 Die vorher stets konstatierte Subsidiarität gegenüber Ausgleichansprüchen aus §§ 30 f. GmbHG wird aufgegeben, ein „mindestens eventualvorsätzliches“ Handeln der Gesellschafter ist nunmehr erforderlich. Insgesamt dürfte die Konzeption des existenzvernichtenden Eingriffs insbesondere in seiner über den Unternehmensverbund hinausgehenden Ausprägung auf die Aktiengesellschaft übertragbar sein,802 sodass sie auf ihre Aussagekraft bezüglich eines Bestands- bzw. Eigeninteresses des Unternehmens untersucht werden soll. Dies ist umso einleuchtender, als der existenzvernichtende Eingriff ursprünglich – wie gesehen – aus aktienrechtlichen Regelungskomplexen hervorgegangen ist und ein Zurückbleiben des Gläubigerschutzes in der Aktiengesellschaft hinter der GmbH kaum begründbar erscheint:803 So sind zwar die Kapitalerhaltungsgrundsätze im Aktienrecht wesentlich strenger ausgerichtet als im Recht der GmbH. Einige der Gründe, die gegen einen darüber zu erreichenden Einzelausgleich im GmbHG – und dies war bis zur Trihotel-Entscheidung eine Negativvoraussetzung (bzw. ein negatives Tatbestandsmerkmal804) des existenzgefährdenden Eingriffs – sprechen, sind aber auch für das Aktienrecht stichhaltig. Dies gilt insbesondere für Eingriffe unter Verstoß gegen die Bilanzwahrheit bzw. für solche ohne Bilanzwirksamkeit, mithin Eingriffe, die einen Schaden verursachen und deren Auswirkungen durch einen Einzelausgleich nicht mehr behoben werden könnten.805

799 Auf diesen Aspekt stellen auch BGH NJW-RR 2005, 335 – BMW-Vertragshändler, und BGH DStR 2005, 340 – Handelsvertreter, ab. 800 BGHZ 173, 246 – Trihotel; ebenso BGHZ 176, 204 – GAMMA; BGHZ 179, 344 – Sanitary. 801 Vgl. Goette, DStR 2007, 1593 f. 802 Hüffer, AktG, § 1 Rn. 22, 26a, der auf die konkurrierende Haftung aus § 117 AktG hinweist und daher eine ebensolche Dringlichkeit für die Aktiengesellschaft wie für die GmbH nicht annimmt; KK-Koppensteiner, AktG, Anh. § 318 Rn. 72 ff.; MüKoHeider, AktG, § 1 Rn. 77, 85; Radtke/Hoffmann, GA 2008, 535, 549; wohl auch OLG Köln AG 2007, 371 f.; im Grunde ebenso, eine praktische Relevanz jedoch leugnend Emmerich/Habersack-Habersack, Konzernrecht, Anhang zu § 317 Rn. 5. 803 Vgl. dazu MüKo-Heider, AktG, § 1 Rn. 85. 804 Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 41, 59. 805 Zu der Bedeutung dieser Umstände für das Versagen eines Einzelausgleichs Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 93 ff., 111 ff.; auch Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 41, 59.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Im Hinblick auf die Aktiengesellschaft stellt sich die Begründung eines Eigeninteresses sogar leichter dar als bei der GmbH: Während etwa Rönnau bei der GmbH ein Eigeninteresse ablehnt, vermerkt er für die Aktiengesellschaft: „Die Gründe für die Ablehnung eines Eigeninteresses der GmbH bereiten bereits den Boden für ein entgegengesetztes Ergebnis bei der Aktiengesellschaft. Die Aktiengesellschaft ist eine echte, körperschaftlich strukturierte juristische Person, womit sie sich von der in der Binnenstruktur personalistisch geprägten GmbH fundamental unterscheidet.“ Es könne daher von einem Eigeninteresse bei der Aktiengesellschaft gesprochen werden.806 Als dogmatischer Anknüpfungspunkt für das Bestandsvernichtungsverbot werden – wiederum – entweder ein eigenes Bestandsinteresse der Gesellschaft oder das Prinzip des Gläubigerschutzes angeboten.807 Dies ist für die hiesige Untersuchung von Bedeutung: Im Strafrecht wird das Interesse am weiteren Bestehen der Gesellschaft auf die eigene Rechtspersönlichkeit der juristischen Person bzw. der Gesellschaft zurückgeführt.808 Eine Parallelität zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht wäre augenscheinlich, wenn diese Begründung auch im Gesellschaftsrecht vorrangig Platz greifen würde. Der BGH weist zunächst zur Begründung des qualifiziert faktischen Konzerns kumulativ auf die Interessen der abhängigen Gesellschaft, der außenstehenden Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger hin.809 Eine Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern komme dann in Betracht, wenn das „Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft infolge eines von dem herrschenden Unternehmen – sachlich umfassend und zeitlich andauernd – ausgeübten Einflusses nachhaltig beeinträchtigt wird“.810 Ein „Eigeninteresse“ der abhängigen Gesellschaft könne unproblematisch festgestellt werden, wenn es sich bei der beherrschten Gesellschaft um eine mehrgliedrige handele, denn dann könne sich ein eigenständiges Interesse an die Interessen der außenstehenden Gesellschafter und der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens anlehnen. Bei einer Konzentration aller Anteile in einer Hand könne ein eigenes Interesse hingegen höchstens dann angenommen werden, wenn man Interessen der Gesellschaftsgläubiger, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit heranziehe.811 Bereits in der Video-Entscheidung bekam der BGH Gelegenheit, auch den Fall des Ein-Mann-Gesellschafters zu entscheiden: Die Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern solle auch die faktische Außerkraftsetzung der Kapitalerhal-

806 807 808 809 810 811

Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247, 261 f. Vgl. dazu Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 17. s. o., Kapitel 1 A II. 2. a) dd) ff. BGHZ 95, 330, 334 f. – Autokran; BGHZ 107, 7, 17 – Tiefbau. BGHZ 95, 330, 334 – Autokran. BGHZ 95, 330, 335 f. – Autokran.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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tungsgrundsätze kompensieren – diese dienten dem Gläubigerschutz, daher hafte auch der Alleingesellschafter.812 Auch bei der Umstellung der Haftungsvoraussetzung auf die fehlende Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der Gesellschaft wurden die Interessen der abhängigen Gesellschaft, der Minderheitsgesellschafter und der Gläubiger bei einer mehrgliedrigen Gesellschaft herangezogen.813 Sofern keine Minderheitsgesellschafter vorhanden waren, sei die gebotene Rücksichtnahme dann verletzt, wenn die Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen könne.814 In der BVV-Entscheidung war direkt über die Situation eines Alleingesellschafters zu entscheiden. Zur Subsidiarität der Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff stellte der BGH fest: „Zu einer Haftung [. . .] führt aber auch ein solcher bestandsvernichtender Eingriff nur dann, wenn sich die Fähigkeit der GmbH zur Befriedigung ihrer Gläubiger nicht schon durch die Rückführung entzogenen Stammkapitals gemäß § 31 GmbHG wiederherstellen lässt.“ Obwohl die Gläubiger so eine Schlüsselrolle im Haftungskonzept einnahmen, führte der BGH den existenzvernichtenden Eingriff einer Binnenhaftung zu, sodass der Schluss gezogen wurde, die strafgerichtliche Rechtsprechung zum Existenzgefährdungsverbot als Einverständnisschranke für die Gesellschafter sei durch die obersten Zivilrichter abgesegnet worden und ein Eigeninteresse der Gesellschaft anerkannt.815 Indes brachte die zeitnahe KBV-Entscheidung des BGH Ernüchterung: Die Ersetzung der Binnenhaftung durch eine Durchgriffshaftung legte die Annahme nahe, das Institut des existenzvernichtenden Eingriffs ziele nicht auf den Schutz der juristischen Person um ihrer selbst willen, sondern auf den Schutz der Gesellschaftsgläubiger.816 Maßgeblich wird darauf hingewiesen, dass das Gesellschaftsvermögen, das zur Erfüllung der Verbindlichkeiten benötigt wird, zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger in der Gesellschaft verbleiben müsse und damit der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen sei.817 Als Begründung wird entweder auf die Zweckbindung des Vermögens zugunsten der Gesellschaftsgläubiger verwiesen oder auf ein Verhalten abgestellt, das dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht und daher sitten-

812 813 814 815

BGHZ 115, 187, 197 f. – Video. BGHZ 122, 123, 126 – TBB; BGH NJW 1994, 446 – EDV-Peripherie. BGH NJW 1994, 3288, 3290 – Architektenfall. Etwa: Kasiske, wistra 2005, 81, 83; kritisch Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247,

260. 816 Kasiske, wistra 2005, 81, 83 ff., führt aus: „Soweit von Interessen der GmbH die Rede ist, sind damit also letztlich immer die Interessen ihrer Gesellschafter und/oder ihrer Gläubiger gemeint. Ein eigenes Interesse der GmbH als solcher an ihrem Bestand und der Aufrechterhaltung ihres Vermögens besteht nicht.“ 817 Ebenso maßgeblich auf Gläubigerinteressen abstellend BGH NZG 2004, 1107 f. – Klinik; BGH NJW-RR 2005, 335 – BMW-Vertragshändler.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

widrig818 bzw. „unredlich“ 819 sei, verwiesen. Nicht übersehen werden darf aber, dass der existenzvernichtende Eingriff durchgängig subsidiär gegenüber einem Ausgleich nach den §§ 30 f. GmbHG war und neben den Gläubigern teils auf „die Gesellschaft“ verwiesen wurde.820 Die Begründung für die Rücknahme dieser Wende in der Trihotel-Entscheidung bleibt ambivalent: Der Senat knüpft die Existenzvernichtungshaftung an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens. Dass dennoch eine Binnenhaftung favorisiert wird, ist darauf zurückzuführen, dass der BGH von dem Gesellschaftsvermögen als Schutzobjekt ausgeht, durch welches die Gläubiger nur „mittelbar“ bzw. „reflexartig“ geschützt würden und er einen Gleichklang mit den §§ 30 f. GmbHG anstrebt. Gerade das Herausstellen eines reflexartigen Schutzes erinnert stark an die strafrechtliche Konzeption, die den Vorwurf einer Rechtsgutvertauschung zu entkräften sucht.821 Insgesamt bleiben die Aussagen und Begründungen des BGH vage. Röhrichts Interpretation des TBB-Urteils des BGH ist hingegen – er war an der Entscheidung unmittelbar beteiligt – besonders aufschlussreich. Er bezeichnet die Haftung im „qualifiziert faktischen Konzern“ als Gläubigerschutzinstrument:822 Die Fülle an gläubigerschützenden Normen im GmbHG zeige den Willen des Gesetzgebers, Gläubigerrisiken einzugrenzen.823 Kerngedanke des Schutzes sei dennoch die Existenz der von ihren Gesellschaftern verschiedenen juristischen Person,824 deren Eigeninteresse auf Existenzsicherung bzw. Bestandserhalt auch gegenüber dem Alleingesellschafter bzw. den einverständlich handelnden Gesellschaftern und auch außerhalb der Liquidation anzuerkennen sei, indem das Eigeninteresse als Dispositionsschranke fungiere. Dabei gehe es nicht um die Respektierung der juristischen Person um ihrer selbst willen.825 Vielmehr komme dem „Eigeninteresse“ der juristischen Person die Funktion desjenigen Rechtsträgers zu, der seinen Gesellschaftern das wirtschaftliche Risiko abnehme, indem er Verbindlichkeiten übernehme.826 Röhricht konstruiert auf diese Weise das Eigeninteresse als Regulat und Gegenstück zu § 13 Abs. 2 GmbHG. Daher verbiete das Eigeninteresse existenzvernichtende Eingriffe selbst dem Alleingesellschafter, der nicht als „herrschendes“ Unternehmen auftritt.827 818 819 820 821 822 823 824 825 826

BGH NZG 2004, 1107 f. – Klinik. BGH NJW-RR 2005, 335, 337 – BMW-Vertragshändler. Etwa BGH DStR 2005, 340 f. – Handelsvertreter. Vgl. oben, Kapitel 1 B. I. 1. Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 88. Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 98 f. Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 100 f. Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 103. Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 104.

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Die Ansichten in der Literatur hierzu sind vielfältig. Problematisch ist, da es den Vorwurf einer Rechtsgutvertauschung im Gesellschaftsrecht nicht gibt, dass den einzelnen Beiträgen nicht immer präzise eine bestimmte Stoßrichtung unterstellt werden kann. Grob lassen sich jedoch die stark individualistischen Ansichten von denen unterscheiden, die die Verbandspersönlichkeit anerkennen. Ausgehend von dieser Unterteilung, die die ganze Arbeit prägt, sollen im Folgenden einige der Ansichten exemplarisch dargestellt werden. So interpretiert etwa Bitter die Rechtsprechung des BGH im Falle BremerVulkan dahingehend, dass das neue Haftungsmodell nunmehr nicht mehr auf Konzernsachverhalte beschränkt sei828 und an ein „Eigeninteresse“ der Gesellschaft gekoppelt sein soll.829 Gerade ein derartiges Eigeninteresse lehnt er selbst aber ab: Aus ökonomischer Sicht sei ein Recht auf Überleben des Unternehmens nicht begründbar; vielmehr sei jeder unternehmerischen Aktivität Risiko – ggf. auch ein Existenzrisiko – immanent und ökonomisch sogar erwünscht. Neben den Interessen der Gläubiger und der Gesellschafter existiere kein eigenständiges Interesse der Gesellschaft an ihrer Bestandserhaltung.830 Es sei nicht angängig, aus der juristischen Verselbständigung der Gesellschaft zu folgern, diese stehe neben ihren Gesellschaftern.831 Die Haftung diene daher einzig und allein dem Gläubigerschutz.832 Auch Rönnau sieht positiv die Gläubigerinteressen als ausschlaggebend an,833 während Lutter negativ ein Eigeninteresse der beherrschten GmbH gegenüber ihrem Alleingesellschafter ablehnt.834 Mülbert steht einem Eigeninteresse einer GmbH im Verhältnis zu ihrem Alleingesellschafter bzw. der einverständlich handelnden Gesellschaftergesamtheit kritisch gegenüber.835 Er leitet ein Verbot existenzbedrohender Gesellschafter aus den §§ 30 f. GmbHG ab: Den Vorschriften liege eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Abwicklungsalternativen Liquidation und Insolvenz zugrunde. Ein existenzbedrohender Eingriff verschiebe diese Verteilung zulasten der Liquidation. Dann gebiete Sinn und Zweck der §§ 30 f. GmbHG „Insolvenzprophylaxe im Interesse der Gläubiger“ und Rücknahme einer Privilegierung der Gesellschafter bei „normaler“ Wahrscheinlichkeitsvertei827

Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 107 f., 118 ff. Bitter, WM 2001, 2133, 2135; ebenso Schmidt, NJW 2001, 3577, 3479. 829 Bitter, WM 2001, 2133; so auch: Benecke, BB 2003, 1190, 1193; Luttermann, BB 2001, 2433 f. 830 Bitter, WM 2001, 2133, 2136; ähnlich bereits Ehricke, AcP 199 (1999), 257 ff. 831 Bitter, WM 2001, 2133, 2139. 832 Bitter, WM 2001, 2133, 2136; so auch Luttermann, BB 2001, 2433, 2436. 833 Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247, 260. 834 Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; auch: Rehbinder, AG 1986, 85. 835 Mülbert, DStR 2001, 1937, 1941. 828

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

lung.836 Dieser Schutz müsse anhand eines Ersatzanspruchs der GmbH wegen treupflichtwidriger Verletzung des Gesellschaftsinteresses, welches sich aus dem Formalziel als Teil des Gesellschaftszwecks ergebe und in der Regel in der Gewinnmaximierung liege, erreicht werden.837 Roth spricht mehrfach von einem „Bestandsschutzinteresse der Gläubiger“ und „Gläubigerschutz durch Existenzschutz“.838 Dagegen geht es nach Schmidt bei der Haftung nach dem Bremer-Vulkan-Urteil um eine den Gläubigerschutz einschließende Verschuldenshaftung des Gesellschafters gegenüber „seiner“ GmbH.839 Zwar sei es mit einem Eigeninteresse der Gesellschaft nicht weit her, solange nicht Dritte betroffen seien; Schutzpflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft seien dennoch möglich, auch wenn sie zugleich ein Haftungsreservoir für Gläubiger darstellen.840 Radtke und Hoffmann ziehen aus der Trihotel-Entscheidung den Schluss, es finde lediglich ein mittelbarer Schutz der Gläubiger statt, der von den Eigeninteressen der Gesellschaft transportiert werde.841 Wodicka sieht im Bestandsinteresse ein Interesse der Gesellschaft selbst – dieses unterscheide sich auch signifikant vom Interesse der Gläubiger: Letzteres ziele lediglich auf die Befriedigung von Forderungen, ein weitergehendes Interesse am Bestand könne hingegen nicht erkannt werden.842 Nach Altmeppen und Goette geht es bei der Existenzvernichtungshaftung auch nach der Trihotel-Entscheidung um die Schädigung der Gesellschaft; Gläubiger erlitten lediglich einen Reflexschaden.843 Bereits dieser kurze Abriss macht deutlich, dass es nur ein schmaler Grat zwischen dem „reflexartigen“ Schutz der Gläubiger durch das Eigeninteresse der Gesellschaft und dem mittelbaren Gesellschaftsschutz über Gläubigerschutzvorschriften ist. Die Beantwortung der Frage, ob das Instrument eher auf eine monistische oder pluralistische Ausprägung des Rechts der GmbH bzw. – sofern eine Übertragung stattfindet – des Aktienrechts hindeutet, bedarf noch eines weiteren Schrittes: Zu kurz gegriffen wäre jedenfalls ein Verständnis, das die Begründung des BGH anhand eines Eigeninteresses der Gesellschaft/des Unternehmens mit einer monistischen Konzeption schlichtweg gleichsetzte: 844 Das Eigeninteresse der juristi836

Mülbert, DStR 2001, 1937, 1942. Mülbert, DStR 2001, 1937, 1943. 838 Roth, NZG 2003, 1081 ff. 839 Schmidt, NJW 2001, 3577, 3479. 840 Schmidt, NJW 2001, 3577, 3480. 841 Vgl. dazu auch Radtke/Hoffmann, GA 2008, 535, 547 f. 842 Wodicka, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 232. 843 Altmeppen, NJW 2007, 2657, 2659; Goette, DStR 2007, 1593 f. 844 So versteht etwa Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247, 261 f., das Eigeninteresse als Ausdruck eines Interessenpluralismus. 837

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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schen Person zu betonen, bedeutet zunächst nicht mehr – und dies ist vor dem Hintergrund der Kontroverse im Gesellschaftsrecht um dir „individualistische Sichtweise“ oder die „Verbandspersönlichkeit“ zu sehen –, als die juristische Person als reale Verbandspersönlichkeit anzuerkennen. Dies ist zwar eine begrüßenswerte Annäherung strafrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Dogmatik,845 ein Gleichlauf der Konzeptionen ergibt sich daraus aber noch nicht. Das Eigeninteresse der Gesellschaft ist zunächst eine Leerformel, die angefüllt werden muss. Insofern steht die Untersuchung an dieser Stelle vor dem gleichen Problem wie die strafrechtliche Konzeptionsdiskussion: Es lässt sich nicht auf natürliche Interessen der Beteiligten (etwa der Gesellschafter) zurückgreifen. Es muss vielmehr sichergestellt werden, dass dem Charakter der Aktiengesellschaft als rechtlichem Gebilde hinreichend Rechnung getragen wird. Das Eigeninteresse stellt insofern einen Verweis auf die – vorrangig rechtliche – Umwelt dar, die jedoch in den meisten Beiträgen nicht genauer erörtert wird. Eine Unterfütterung des Eigeninteresses an einem Bestand findet nur dann statt, wenn parallel zum materiellen Unternehmensinteresse mit einem Interesse an Bestand und Rentabilität argumentiert wird: So verweist etwa Ulmer zur Begründung des qualifiziert faktischen Konzerns stets auf den Interessendreiklang von Gesellschaft, Gläubigern und (sofern vorhanden) Gesellschaftern, verwendet aber auch den Terminus des „Eigeninteresses“ der Gesellschaft.846 Dem könnten sich die Vertreter des materiellen, pluralistischen Unternehmensinteresses sicher anschließen, jedoch reicht dies zu einer Einordnung unter monistische oder pluralistische Vorzeichen für diese Untersuchung nicht aus, soll sie nicht zirkulär werden. Ob der Bestand aus vorrangig erwerbswirtschaftlichen Gründen gesichert werden soll – denn dies ist in dieser Untersuchung der Sinngehalt einer „monistischen Konzeption“ 847 –, kann aus dem „existenzvernichtenden Eingriff“ selbst also nicht deduziert werden. Ein weiteres Problem darf an dieser Stelle nicht aus den Augen verloren werden: Der existenzvernichtende Eingriff ist – wie aus der Betrachtung deutlich geworden sein sollte – ein Instrument, das von der Rechtsprechung entwickelt wurde; es handelt sich mithin – so auch BGH – um ein durch Rechtsfortbildung geschaffenes „Rechtsprechungsmodell“, das sich dem Vorwurf ausgesetzt sah, auf keine materiellen Pflichten rekurrieren zu können.848 Selbst die Verortung in 845 Dieser zeigt sich etwa auch darin, dass der gesellschaftsrechtliche Bestandsschutz über das Eigeninteresse lediglich „reflexartig“ auch das Gläubiger- und Arbeitnehmerinteresse und das Interesse der Allgemeinheit schütze, Wodicka, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 255. 846 Ulmer, NJW 1986, 1579 f. 847 Vgl. oben, Kapitel 1 A. I. 848 So insbesondere Altmeppen, ZIP 2002, 1553, 1560 ff.; nach Benecke, BB 2003, 1190, 1192, bleibt die Suche nach einer Rechtsgrundlage für den existenzvernichtenden Eingriff eine „Gratwanderung“.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

den Anwendungsbereich des § 826 BGB stellt einen „richterrechtlichen Gestaltungsakt“ dar. Das führt aber zu der Frage, inwieweit eine Schöpfung der Judikative als materieller Anknüpfungspunkt für die strafrechtliche Konzeption taugt. Potenziert wird diese Problematik dann, wenn man davon ausgeht, der „Bestandsschutz“ gründe auf strafrechtlichen Kategorien,849 die lediglich in das Gesellschaftsrecht übernommen wurden. Es droht ein Verweisungskreislauf, der das Fehlen eines materiell-rechtlichen Anknüpfungspunktes verschleiern könnte. Indes lässt sich Folgendes feststellen: § 826 BGB fungiert in der neueren Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff als Kompetenzabgrenzungs- bzw. in diesem Falle genauer: als Kompetenzentzugsnorm. Ein materieller Bezugspunkt für das strafrechtliche Interesse der Gesellschaft, nicht in ihrem Bestand vernichtet bzw. gefährdet zu werden, ist – nunmehr – greifbar.850 Der materielle Gehalt wird nicht zuletzt daran deutlich, dass der Anspruch aus existenzgefährdendem Eingriff nach § 826 BGB ausdrücklich nicht mehr subsidiär ist und vor der Trihotel-Entscheidung gerade der Charakter als Instrument der Rechtsfortbildung zu einer Subsidiarität gegenüber dem allgemeinen „materiellen“ Recht der GmbH geführt hat.851 Dies gilt unabhängig von dem Befund, dass zumindest vor der Trihotel-Entscheidung ein Erfassen des existenzvernichtenden Eingriffs von § 826 BGB kritisch betrachtet wurde: Röhricht etwa hielt eine Aufnahme der gesamten Fallgruppe in den lediglich punktuell eingreifenden § 826 BGB nur unter „Vergewaltigung“ vor allem der subjektiven Tatbestandsmerkmale für möglich.852 Eine genuin gesellschaftsrechtliche Fragestellung sollte nicht im Deliktsrecht beantwortet werden.853

Neben einem materiellen Anknüpfungspunkt ergibt sich also, dass die Kompetenzzuweisung im Gesellschaftsrecht parallel zu der Kompetenzverteilung im 849

So etwa Luttermann, BB 2001, 2433 f. Nach Altmeppen, NJW 2007, 2657, 2659, hat die Existenzvernichtungshaftung, die als eigenständige Haftungsfigur auch durch „Trihotel“ nicht aufgehoben wurde, „nunmehr eine dogmatische Heimat gefunden“. 851 Vgl. zu dieser Begründung Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbHKonzern, S. 41, 60; nach Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2039, fehlt es beim Eingreifen etwa der §§ 30 f. GmbHG an einer Regelungslücke als Voraussetzung der Existenzvernichtungshaftung. 852 Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 97, 100; auf die fehlende Deckungsgleichheit hinweisend auch Schmidt, NJW 2001, 3577, 3481; Westermann, NZG 2002, 1129, 1135; nach Goette, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 11, 23 f., sind die wirklich problematischen Fälle hingegen ohne Überdehnung des Anwendungsbereichs durch § 826 BGB erfassbar; zustimmend Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 41, 46, 53; auch Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2041, plädierte schon vor Trihotel für eine Unterordnung der Existenzvernichtungshaftung unter § 826 BGB; auch Decher, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 25, 29, hält eine Erfassung durch § 826 BGB für möglich; nach Trihotel warnt insbesondere Altmeppen, NJW 2007, 2657, 2659 f., vor überzogenen Anforderungen an den subjektiven Tatbestand des § 826 BGB. 853 Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 116. 850

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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Strafrecht verläuft. Lediglich die Frage nach einer monistischen oder pluralistischen Ausrichtung lässt sich an dieser Stelle nicht beantworten. Die Regelungen des Aktiengesetzes müssen daher weiter nach einer Antwort „durchsucht“ werden. Die weitere Darstellung folgt der Prämisse der Interessengenese als Kompetenzabgrenzungsproblem und gliedert sich nach den verschiedenen Organen der Aktiengesellschaft.

III. Anteilseigner/Hauptversammlung Für die Anteilseigner/die Hauptversammlung sollen sowohl die prägnanten einfachgesetzlichen Normen als auch die Ausstrahlungswirkung des „Eigentums“, insbesondere als Schutzgut des Art. 14 GG, analysiert werden. Gemäß § 82 Abs. 2 AktG hat der Vorstand gegenüber der Gesellschaft insbesondere die Beschränkungen einzuhalten, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft durch die Satzung und Hauptversammlungsbeschlüsse aufgestellt werden. Es soll zunächst die Reichweite der Zielbildungskompetenz der Anteilseigner/Hautversammlung und ihre Aussagekraft bezüglich einer monistischen Konzeption untersucht werden. Es schließt sich die Erörterung einer materiellen Aussagekraft der Satzung bezüglich der Verpflichtung, den (ungefährdeten) Bestand der Gesellschaft/des Unternehmens zu wahren, an. 1. Zielbildungskompetenz der Anteilseigner Es soll zunächst analysiert werden, ob sich aus der Satzungsgewalt bereits eine vorrangige oder ausschließliche Beachtung der Anteilseignerinteressen ergeben könnte. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn es den Anteilseignern möglich wäre, den Vorstand durch die Satzung etwa auf eine Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value zu verpflichten. Bei der Frage nach der Zuordnung sowohl der Zielbildungs- als auch der Zielverwirklichungskompetenz im Aktienrecht stößt man mit den Worten Dudens jedoch auf eine „überraschende Lücke“ 854. Um die Ausmaße dieser Lücke und die Grenzen dessen abzustecken, was die Hauptversammlung durch Satzung bestimmen kann, muss zunächst eine terminologische Klärung erfolgen: Von dem Inhalt der Satzung gemäß § 23 Abs. 2, 3 AktG kann für die hiesige Untersuchung nur die Festlegung des Gegenstands des Unternehmens gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG Relevanz erlangen. Die sonstigen Bestandteile der Satzung sind rein formaler Natur, sodass sie auf die Leitung des Unternehmens nur insofern Einfluss nehmen könnten, als aus ihrer bloßen Existenz und der Befugnis der Gesellschafter, diese festzulegen, bereits eine monistische Konzeption des 854

Duden FG Kunze, 1969, S. 127, 139.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Aktienrechts herausgelesen würde. Dies aus der bloßen Festlegung gewisser Kompetenzen zu folgern, wäre jedoch im Hinblick auf die Prämisse der Interessengenese als Kompetenzabgrenzungsproblem, die mithin bereits die Zuweisung von Kompetenzen an die verschiedenen Organe enthält, widersinnig. Das Aktiengesetz spricht ausschließlich vom „Unternehmensgegenstand“ 855, während die ansonsten ebenfalls gebräuchlichen Begriffe des „Gesellschaftszwecks“ und des „Gesellschaftsziels“ nicht vorkommen.856 Sowohl die Frage, in welchen Verhältnis Gegenstand und Zweck stehen, als auch die parallele Frage nach dem systematischen Zusammenhang zwischen § 179 Abs. 2 S. 1 AktG (da der „Unternehmensgegenstand“ Teil der Satzung wird, bedarf auch die Änderung des Unternehmensgegenstandes einer Stimmenmehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst, § 179 Abs. 2 S. 1 AktG) und § 33 BGB sind klärungsbedürftig. Insgesamt scheint zumindest Einigkeit über die Begriffsklärung des „Gegenstandes“ zu herrschen: Der „Gegenstand“ soll die konkrete Tätigkeit des Unternehmens bezeichnen, die auch die äußerste Grenze des rechtlichen „Dürfens“ (nicht hingegen des rechtlichen Könnens) abstecke.857 Die Festlegung des Gegenstandes sei die vorrangige Möglichkeit der Anteilseigner, das Ermessen des Vorstands zu begrenzen.858 Nur durch die Bestimmungsmacht über den Unternehmensgegenstand könne die Kluft zwischen Verlustrisiko der Anteilseigner und Herrschaft des Vorstands überbrückt werden.859 Dennoch dürfe die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes den Gestaltungsspielraum der Geschäftsleitung – und hier klingt wieder eine Auslegungsfrage an – nicht über Gebühr einschränken: Es bedürfe eines Ausgleichs zwischen Satzungsautonomie und

855 §§ 3 Abs. 1, 23 Abs. 3 Nr. 2, 39 Abs. 1, 76 Abs. 3 Nr. 2, 179 Abs. 2 S. 2, 179a Abs. 1 S. 1, 275 Abs. 1 S. 1, 276 AktG. 856 So ist auch die Unmöglichkeit der Zweckerreichung kein Grund für die Auflösung durch Urteil; anders bei der GmbH: § 61 Abs. 1 GmbHG; dennoch wird der Terminus „Gesellschaftszweck“ verwendet: So sieht Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rn. 51, den Vorstand an den heteronom vorgegebenen Gesellschaftszweck gebunden, wenn auch mit weitem Ermessensspielraum. 857 Zur Reichweite des Unternehmensgegenstandes insbesondere BGHZ 119, 305 ff. – Klöckner-Entscheidung; vgl. außerdem Hüffer, AktG, § 23 Rn. 21; MüKo-Pentz, AktG, § 23 Rn. 69; Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rn. 51, § 7 Rn. 11; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 12, 269; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 328, nach dem der Gegenstand den Wirtschaftsbereich festlegt, in dem die Unternehmung überwiegend auf dem Markt auftreten will; Fleischer, ZIP 2005, 141, 143 f., nach dem damit sowohl ein Über- als auch ein Unterschreitungsverbot angesprochen sei. 858 MüKo-Pentz, AktG, § 23 Rn. 86; MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 24; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 15, 72; vgl. auch Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 80 ff., 95. 859 Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 84.

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Leitungsautonomie.860 U. a. soll es der Bestimmungsmacht des Vorstands unterliegen, mit welchen Mitteln der Unternehmensgegenstand verfolgt werde.861 Der Unternehmensgegenstand bezwecke neben dem Schutz der Gesellschafter auch den des Geschäftsverkehrs und dessen Teilnehmer (Vertragspartner wie etwa Kreditgeber), die aufgrund des Gegenstandes berechtigtes Vertrauen bildeten.862 Daraus lässt sich die Ansicht erklären, die auch bei sog. „satzungsdurchbrechenden Beschlüssen“ zu deren Wirksamkeit neben der erforderlichen Stimmenmehrheit einen Registereintrag fordern.863 Daneben864 soll – inzwischen – eine Zielkomponente stehen. Eine Bindung an den Verbandszweck im Aktienrecht wurde solange zurückgewiesen,865 bis Weisbart den Grundsatz des § 705 BGB auch auf die Aktiengesellschaft anwendete und so den klaren Gegenpol formulierte.866 Diese Komponente wird – obwohl inhaltlich zumindest Ähnliches gemeint ist – teils als „Zweck“, „Formalziel“ oder „Unternehmensziel“ 867 bezeichnet. Bezüglich dieser Zielkomponente ergeben sich zwei Teilfragen: Welche Gestalt kann die Zielkomponente annehmen? In welchem Verhältnis steht die Zielkomponente zum „Gegenstand“?

860 Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 139 ff., der auf die unterschiedlichen Ausprägungen dieses Ausgleichs hinweist, steckt folgende Grenzen ab: Durch die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes dürfe keine Einzelfallregelung getroffen werden, es sind nur Regelungen zulässig, die der Beschreibung des konkret erfahrbaren Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft dienen und für die Investitionsentscheidung der Gesellschafter von grundlegender Bedeutung sind. 861 Hüffer, AktG, § 23 Rn. 21; eine starke Einschränkung erkennt hingegen MüKoPentz, AktG, § 23 Rn. 78, an, wenn er konstatiert, die Beschränkung des Vorstandshandelns stehe den Aktionären grundsätzlich uneingeschränkt offen. 862 Hüffer, AktG, § 23 Rn. 21; MüKo-Pentz, § 23 Rn. 69, 79; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 73 ff. 863 So Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 317 ff.; KK-Zöllner, § 179 Rn. 96 ff.; vgl. auch Geßler/Hefermehl-Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 179 Rn. 37; GK-Wiedemann, AktG, § 179 Rn. 99; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 7 ff.; offen gelassen in BGHZ 123, 15, 19; zur Rechtslage bei der GmbH Baumbach/Hueck-Zöllner, GmbHG, § 53 Rn. 39 ff. 864 Dies dürfte vor allem auf Fischer, Hdb. des gesamten Handelsrechts III 1, S. 88 ff., zurückzuführen sein; die Ansicht, Gegenstand und Zweck seien identisch (etwa RG DR 1939, 720, 721), ist seitdem überholt, vgl. Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 15 ff.; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 27. 865 Vgl. Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 124. 866 Weisbart, Praxis der Aktiengesellschaft, S. 472. 867 Nach Großmann, Unternehmensziele, S. 15 ff., 29. Dieser Terminus soll u. a. darauf hinweisen, dass die Bindung aller Organe – und somit auch des Vorstands – an ein zur vollen Disposition des Gesellschafter stehendes Ziel fraglich erscheine, Großmann, Unternehmensziele, S. 31.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

a) Gestalt der Zielkomponente Soweit die Satzung – wie typischerweise868 – keine Angaben zu der Zielkomponente enthält, wird im Zweifel angenommen, die unternehmerische Tätigkeit sei auf „Gewinnerzielung“ gerichtet.869 Dies dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass gemäß § 3 Abs. 1 AktG die Aktiengesellschaft unabhängig von ihrem Gegenstand als Handelsgesellschaft gilt, was gemeinhin mit „Gewinnerzielung“ verbunden wird.870 Sowohl der Begriff der „Gewinnerzielung“ als auch der des „Handels“ sind indes zu pauschal, um daraus Rückschlüsse ziehen zu können; insbesondere kann die Gewinnerzielung die gesamte Bandbreite von Gewinnmaximierung bis hin zu bestandserhaltender Rentabilität umgreifen. Nach Großmann kommen als „Formalziele“ insbesondere die Erwirtschaftung von Gewinnen871 oder die Verfolgung altruistischer Motive in Betracht.872 Diese „Formalziele“ decken sich von ihrem Bedeutungsgehalt her mit den „Unternehmenszielen“ der Unternehmensrechtskommission873 und den „Prinzipien“ Dudens:874 Duden unterscheidet als Zielkomponenten das erwerbswirtschaftliche Ziel, das im Kern von der Gewinnmaximierung bestimmt wird, daneben aber auch weitere Ziele wie Macht-, Prestige- oder Fürsorgestreben zulässt; das Be868

Großmann, Unternehmensziele, S. 30; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 35. Geßler/Hefermehl-Eckhardt, AktG, § 23 Rn. 64; GK-Brändel, AktG, § 3 Rn. 17; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, § 1 Rn. 9; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22; KK-Dauner-Lieb, AktG, § 3 Rn. 10; wohl auch KK-Mertens, AktG, § 82 Rn. 12; MüKo-Pentz, AktG, § 23 Rn. 76; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 168; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 33; nach Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 39, 169, wird die AG zumindest typischerweise errichtet, um Gewinn zu erzielen, zweifelhaft könne lediglich sein, ob angemessener oder optimierter Gewinn zu erzielen sei. Eine Erwerbsorientierung als Zielkomponente räumt Tieves aber indirekt ein, indem er eine Rücknahme des Gegenstandes durch Hauptversammlungsbeschluss nur bei wirtschaftlicher Vertretbarkeit als zulässig erachtet; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 28; Kessler, AG 1995, 61, 67; a. A. insbesondere Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 438, nach dem sich das Unternehmen selbst mit seinen Zweckvorgaben erst unter konkrete Sachzwänge stelle, die, würde dieser Zweck in der Gewinnmaximierung bestehen, deterministische Züge erhalte. 870 Insbesondere Großmann, Unternehmensziele, S. 69 ff., 71 f., versucht, aus dem § 3 AktG Argumente für eine monistische Auffassung zu gewinnen. Er weist nach, dass § 3 AktG ursprünglich auf Art. 208 ADHGB 1870 zurückgeht, der die Aktiengesellschaften, deren Gegenstand nicht ein Handelsgeschäft war, den Handels-Aktiengesellschaften gleichstellte. Sprachlich leicht verändert wurde diese Bestimmung in den § 210 Abs. 2 HGB übernommen, der Vorläufer des heutigen § 3 AktG ist. Dementsprechend lässt sich die Auffassung des Gesetzgebers entnehmen, dass die meisten Aktiengesellschaften typischerweise ein Handelsgewerbe betreiben. Zu Recht erkennt Großmann, dass sich daraus keine Verpflichtung für das Vorstandshandeln ableiten lässt. 871 In der extremen Form ist damit die Gewinnmaximierung angesprochen; eine derartige Festsetzung hält Großmann, Unternehmensziele, S. 237 ff., jedoch für unverbindlich. 872 Großmann, Unternehmensziele, S. 16 f. 873 Vgl. Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 156, 184. 874 Duden FG Kunze, 1969, S. 127 ff. 869

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darfsdeckungs- oder Dienstprinzip, das auf die Bedürfnisbefriedigung bestimmter Kreise abzielt; das Angemessenheitsprinzip, das nicht ein Gewinnmaximum, sondern nur ein angemessenes Einkommen anstrebt;875 das gemeinwirtschaftliche Unternehmen, das der Durchsetzung gesamtwirtschaftlicher Ziele dienen soll, und sonstige Zielbestandteile, die auf die Autonomie und die Selbständigkeit am Markt abstellen. Wiedemann stellt neben das materielle Unternehmensziel, das inhaltsgleich mit dem gängigen Unternehmensgegenstand verwendet wird, eine zweistufige Konzeption von formalen Unternehmenszielen.876 Auf erster Stufe legt er für erwerbswirtschaftliche Betriebe die möglichen Verhaltensmaßstäbe/Wertschöpfungen fest: Gewinnerzielung als Gewinnmaximierung (bzw. Gewinnoptimierung: Entweder ist mit den gegebenen Mitteln ein größtmöglicher Erfolg oder ein bestimmter Erfolg mit geringen Mitteln zu erreichen877) oder angemessene Gewinnerzielung.878 Die Definitionsmacht verortet er bei den Kapitaleignern: „Ohne Zweifel gehört zur Zuständigkeit der Haupt- oder Gesellschafterversammlung auch die Befugnis, das formelle Unternehmensziel zu benennen.“ 879 Der weitere Ermessens- und Handlungsspielraum des Vorstands (insbesondere im Vergleich zum Geschäftsführer) habe nichts damit zu tun, dass er selbst die formalen Unternehmensziele artikulieren könne, sondern sei der andersartigen Aufgabenstellung bei Führung eines Großunternehmens geschuldet.880 Erst auf zweiter Stufe kommt es auf eine Entscheidung über Nutzenzuwendung/Wertverteilung an: Mittelbare (Thesaurierung) oder unmittelbare (Dividende) Zuwendung an Mitglieder, Zuwendung an Mitgliederbetriebe, Zuwendungen an andere Personen oder Zwecke.881 Sonstige Äußerungen decken die gesamte Bandbreite ab: So sieht etwa Mülbert die Gewinnmaximierung und die Marktwertmaximierung als gleichberechtigte Formalziele der Aktiengesellschaften (und zwar auch der nicht börsennotierten) an; dem Satzungsgeber stehe es aber offen, auch der Marktwertmaximierung Vorrang einzuräumen.882 Nach Mertens kommt eine Festlegung auf 875

Für eine angemessene Gewinnerzielung auch Semler FS Ulmer, 2003, S. 627 f. Wiedemann, ZGR 1975, 385, 413. 877 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 324. 878 Dies bedeute eine durch ökonomische oder außerökonomische Nebenbedingungen begrenzte Gewinnerzielung. 879 Nach Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 336, verfolgt die Aktiengesellschaft erwerbswirtschaftliche Ziele, wenn die Satzung nichts anderes vorsehe,; vgl. auch Wiedemann FS Barz, 1974, S. 561, 573 ff., wo er jedoch darauf hinweist, dass die Rechtslage bei paritätischer Besetzung der Aufsichtsräte ggf. neu zu überdenken sei. 880 Wiedemann FS Barz, 1974, S. 561, 574. 881 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 326 ff. 882 Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 438 ff.; Mülbert, DStR 2001, 1937, 1946, hebt hervor, dass das Formalziel in der Regel Gewinnmaximierung sei; ähnlich MüKoPentz, AktG, § 23 Rn. 76, der offensichtlich davon ausgeht, die Zielkomponente sei aus876

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Gewinnmaximierung durch die Satzung ebenso wenig in Betracht wie die Verpflichtung auf ein bestimmtes Verhältnis von Gewinn und sozialem Aufwand. Die Satzung könne weder die Eigenverantwortung des Vorstands, noch den Charakter des Unternehmens als soziale Veranstaltung beseitigen.883 b) Verhältnis der Zielkomponente zum Gegenstand Nach der wenig einheitlichen Beurteilung, welche Bedeutung der Zielkomponente beigemessen werden kann, ist es kaum verwunderlich, dass auch ihr Verhältnis zum Gegenstand umstritten ist.884 Überwiegend wird eine zweigliedrige Konzeption zugrunde gelegt und von einem Zweck-Mittel-Verhältnis ausgegangen, wobei der Zweck durch die Zielkomponente vermittelt würde und die Mittel anhand des Gegenstandes festgelegt würden.885 Daraus, dass § 33 Abs. 1 S. 2 BGB als allgemeingültiges verbandsrechtliches Prinzip anerkannt wird,886 folgt dann, dass eine Gegenstandsänderung den Anforderungen des § 179 AktG, eine Zweckänderung dagegen einem Einstimmigkeitserfordernis genügen muss. Auch Zöllner vertritt zwar eine zweigliedrige Konzeption, ordnet aber den Unternehmensgegenstand dem Zweck jedoch nicht im Sinne einer Zweck-Mittel-Relation unter: Der Gegenstand sei der engere Begriff, der einen Teil des Gesellschaftszwecks widerspiegele und daher auch Haupterkenntnisquelle für den Zweck sei. Er sei aber „echter“ Zweckbestandteil.887 Der Ansicht, die für die Änderung des Zwecks Einstimmigkeit, für die des Gegenstandes hingegen (qualifizierte) Mehrheit fordert, stimmt er zu.888

Bei einer dreigliedrigen Konzeption wird der Zweck als Oberbegriff für Ziel und Gegenstand verwendet: Großmann geht etwa davon aus, dass „Gegenstand“ und „Formalziel“ zwar in einer „Mittel-Zweck-Beziehung“ stünden, aber ansonsten voneinander unabhängig seien. Gemeinsam beschrieben sie den „Gesamtzweck“ oder „Gesellschaftszweck“.889 Aus dieser Rangordnung ergebe sich, dass schließlich in der Gewinnerzielung zu sehen, da eine Einschränkung der Gewinnerzielung zugunsten anderer Ziele eine Abweichung sei, die einer ausdrücklichen Ermächtigung des Vorstands in der Satzung bedürfe. 883 KK-Mertens, AktG, § 82 Rn. 12 f. 884 Vgl. nur MüKo-Pentz, AktG, § 23 Rn. 70 ff. 885 Geßler/Hefermehl-Eckhardt, AktG, § 23 Rn. 64; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 1 Rn. 31. 886 Vgl. Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 21. 887 Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 27. 888 Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 30. 889 Großmann, Unternehmensziele, S. 20; ebenso: KK-Zöllner, § 179 Rn. 112; MüKo-Pentz, AktG, § 23 Rn. 74, 76; davon scheint auch Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 438, auszugehen, der das Formalziel als eine Komponente des Verbandszwecks ansieht; auch Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 26 ff., unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 GenG.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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eine Zweckänderung nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB eine Einstimmigkeit erfordere, während § 179 Abs. 1, 2 AktG für die Änderung nur des Gegenstandes ausnahmsweise eine Dreiviertel-Mehrheit ausreichen lasse.890 Eine andere Lesart der dreigliedrigen Auslegung begreift den Gegenstand als Oberbegriff, in dem sowohl Ziel bzw. Zweck als auch Art und Weise der Tätigkeit enthalten sind.891 Folgerichtig müsste dies dazu führen, dass auch der Zweck mit einer Dreiviertel-Mehrheit geändert werden kann.

c) Folgerungen Könnten die Ziele „Gewinnmaximierung“ oder „Maximierung des Shareholder Value“ in der Satzung festgelegt werden, wäre dies ein starkes Indiz für ein monistisches Prinzip, da es den Gesellschaftern so ermöglicht werden würde, ihre – zumindest phänotypisch – erwerbswirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Hier müssen zwei Fragen getrennt werden: Können die Gesellschafter eine verbindliche Zielkomponente überhaupt bestimmen? Falls ja: Kann diese in einer Gewinnmaximierung/Maximierung des Shareholder Value liegen? Nach ganz herrschender Ansicht kann die Zielkomponente nicht in den gesetzlich genannten Unternehmensgegenstand hineingelesen werden,892 und der Unternehmensgegenstand bedingt regelmäßig auch nicht aus sich heraus die Zielkomponente.893 Der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG kann daher nur dann Rechnung getragen werden, wenn es sich bei der Zielbestimmung um ein verbandsrechtliches Prinzip handelt, das auch im Aktienrecht Anwendung findet. Die Möglichkeit und Verbindlichkeit der Festlegung einer Zielkomponente muss aus der Gesamtkonzeption des Aktienrechts abgelesen werden können.894 An dieser Stelle tritt die Stringenz der jeweiligen Ansätze als Zirkularität für die hiesige Untersuchung zutage: Nur wenn dem Aktienrecht eine monistische 890 Großmann, Unternehmensziele, S. 26; ebenso: MüKo-Pentz, AktG, § 23 Rn. 77; Kessler, AG 1995, 61, 67; im Ergebnis ebenso Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 32 f., der allerdings die Aussage des § 179 Abs. 2 S. 1 AktG bereits als dem § 33 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend ansieht, mithin in § 179 Abs. 2 S. 1 AktG keine Ausnahme zu § 33 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern zu § 40 BGB sieht. 891 GK-Brändel, AktG, § 3 Rn. 14. 892 s. o. 893 Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 89: „So kann etwa ein auf die Produktion von Autoreifen ausgerichtetes Unternehmen sowohl mit dem Ziel der Gewinnerwirtschaftung, sog. erwerbswirtschaftliches Prinzip, als auch als reine, nicht auf die Erzielung eigenen Gewinns ausgerichtete Betriebsabteilung eines Automobilunternehmens geführt werden, ohne daß der Unternehmensgegenstand anders als etwa ,Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung von Reifen aller Art aus natürlichem oder synthetischem Kautschuk, Kunststoffen oder aus sonstigen Rohstoffen‘ lautete“; zu Ausnahmen etwa bei einem Verlag christlicher Literatur, Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 156. 894 Vgl. Großmann, Unternehmensziele, S. 86.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Konzeption zugrunde gelegt wird, kann auch die Festlegung eines beliebigen Unternehmensziels bis hin zur Gewinnmaximierung durch die Gesellschafter anerkannt werden. Parallel dazu läuft die Annahme, die grundsätzlich uneingeschränkte Satzungsgewalt der Aktionäre sei der Leitungsmacht des Vorstands nach § 76 AktG vorgelagert.895 Die Möglichkeit einer Festlegung des Vorstands auf rein erwerbswirtschaftliche Aspekte wird demgegenüber von Vertretern einer pluralistischen Konzeption verneint.896 Soweit eine pluralistische Interessenwahrnehmung als aktienrechtlich angeordnet anerkannt wird, werden entgegenstehende Hauptversammlungsbeschlüsse als nichtig angesehen.897 Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Unternehmensinteresse teils als vorrangig gegenüber der Zielkomponente verstanden wird.898 Hier wird – wieder – deutlich, dass die Frage der Handlungsmaxime zugleich eine Macht- und Kompetenzfrage ist, und zwar sowohl im Verhältnis der Anteilseigner zu sonstigen Anspruchsgruppen, der Anteilseigner zum Vorstand, als auch zwischen Gesetz- und Satzungsgeber. Sofern mit der gesetzlichen Kompetenzzuweisung des § 76 AktG ein garantierter Ermessensspielraum des Vorstands (oder zumindest die Möglichkeit eines Hinwegsetzens über Satzungsbestimmungen899) einhergeht, darf die Satzung diesen nicht über Gewähr (etwa anhand einer Gewinnmaximierung oder Maximierung des Shareholder Value) einschränken. Ist die gesetzliche Zuweisung hingegen nur eine (grundsätzliche) Zuständigkeitszuweisung an den Vorstand, bleibt Raum für satzungsmäßige Abweichungen.900 Es folgt daraus, dass beide o. g. Fragen auf die Gesamtkonzeption des Aktienrechts verweisen und daher an dieser Stelle (noch) nicht beantwortet werden. Zunächst soll zwecks Prüfung des Aussagegehalts eine Auseinandersetzung mit Struktur- und Grundlagenentscheidungen durch die Hauptversammlung stattfinden. 2. Struktur- und Grundlagenentscheidungen a) Geschriebene Kompetenzen Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 AktG hat vorrangig eine begrenzende Funktion: Die Regelungen zu Kompetenzen der Hauptversammlung in Gesetz und 895 So MüKo-Pentz, AktG, § 23 Rn. 78, der zugleich ein „höheres, gegenüber der Satzung vorrangiges Eigeninteresse der Gesellschaft“ ausschließt. 896 Insbesondere Großmann, Unternehmensziele S. 86 f.; Kessler, AG 1993, 252, 265; Kessler, AG 1995, 61, 63; Westermann, ZIP 1990, 771, 776. 897 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 25. 898 So Fechner, Treubindungen, S. 79, nach dem die Aktionäre ebenso wie der Vorstand der Pflichtenbindung des Unternehmensinteresses unterlägen. 899 Vgl. dazu KK-Mertens, AktG, Vorb. § 76 Rn. 18. 900 Vgl. dazu KK-Mertens, AktG, Vorb. § 76 Rn. 17.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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Satzung901 sind (grundsätzlich) abschließend; insbesondere hat die Hauptversammlung grundsätzlich keine Kompetenz in Fragen der Geschäftsführung. Neben der mehr oder weniger weitreichenden Kompetenz der Anteilseigner zur Bestimmung des Zielelements stehen der Hauptversammlung insbesondere sog. „Struktur- und Grundlagenentscheidungen“ 902 und „regelmäßig wiederkehrende oder laufende Maßnahmen“ 903 zu. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 2 AktG nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. § 119 AktG ist gemäß § 23 Abs. 5 AktG zwingend und deutlicher Beweis für die strikte Kompetenzverteilung im Aktienrecht:904 Der Vorstand unterliegt grundsätzlich nicht der Pflicht, Hauptversammlungsbeschlüsse zu befolgen; eine Ausnahme liegt nur dann vor, wenn er selbst die Zustimmung nach § 119 Abs. 2 AktG eingeholt hat. Dazu ist er aber lediglich in den engen Grenzen der Holzmüller-905 bzw. Gelatine-Doktrin906 verpflichtet, ansonsten ist er frei.907 Die Bedeutung der Vorschrift wird auf der einen Seite darin gesehen, die Hauptversammlung von der Geschäftsführung auszuschließen.908 Existierte diese 901

Nach Hüffer, AktG, § 119 Rn. 10, verbleibt dafür kaum Regelungsspielraum. Insbesondere §§ 119 Abs. 1 Nr. 5 (§ 179), Nr. 6 (§§ 182 ff., 221, 222 ff.), Nr. 8 (§ 262 Abs. 1 Nr. 2); 179a Abs. 1; 274 Abs. 1, 2; Abschluss und Änderung von Unternehmensverträgen, Eingliederungsbeschlüsse. 903 Insbesondere § 119 Abs. 1 Nr. 1 bis 4; § 119 Abs. 1 Nr. 7 kann keiner der beiden Gruppen zugeordnet werden; zu sonstigen Fällen, die weder regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen noch Grundlagen- und Strukturmaßnahmen darstellen, vgl. Hüffer, AktG, § 119 Rn. 9. 904 Hüffer, AktG, § 119 Rn. 1, spricht von einer bezweckten Machtbalance zwischen den Gesellschaftsorganen. 905 BGHZ 83, 122, 131 – Holzmüller; demnach ist der Vorstand bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre, wie z. B. der Ausgliederung eines Betriebs, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens bildet, auf eine dazu gegründete Tochtergesellschaft, nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Entscheidung der Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 2 AktG herbeizuführen. 906 BGHZ 159, 30, 40 – Gelatine I; demnach gibt es in engen Grenzen ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bei Maßnahmen, die das Gesetz zwar dem Vorstand als Leitungsaufgabe zuweist, die aber an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen, rührt, weil sie Veränderungen nach sich zieht, die denjenigen zumindest nahe kommen, welche allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können. Außer für Fälle von Ausgliederungen könne diese Ausnahmezuständigkeit für die Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft wegen des mit ihr verbundenen weiteren Mediatisierungseffekts in Betracht kommen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre liege aber auch in diesen Fällen erst dann vor, wenn die wirtschaftliche Bedeutung der Maßnahme in etwa die Ausmaße wie in der HolzmüllerEntscheidung erreiche. 907 Vgl. Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rn. 49, s. u., Kapitel 2 D. III. 2. d). 908 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 2, 4, stützt diese Erkenntnis sowohl auf § 119 Abs. 2 AktG als auch auf § 76 AktG; ebenso Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 7; wohl auch 902

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Vorschrift nicht, so unterläge der Vorstand generell der Weisungsbefugnis der Hauptversammlung.909 Diese Auffassung bedeutet, dass die Hauptversammlung im Grundsatz zuständig wäre, sie mithin dem Vorstand „übergeordnet“ sei. Dies ist jedoch alles andere als unbestritten, insbesondere das BVerfG betont, die Hauptversammlung sei „den anderen Gesellschaftsorganen nicht übergeordnet“.910 Eine hierarchische Organverfassung sei dem deutschen Aktienrecht fremd.911 Dementsprechend wird die Funktion der Vorschrift des § 119 Abs. 2 AktG auf der anderen Seite in der Möglichkeit des Vorstands gesehen, sich von seiner Verantwortung im Einzelfall zu befreien.912 b) Hauptversammlungsbeschlüsse Die Hauptversammlung entscheidet durch Beschlüsse.913 Eine begrenzende Wirkung im Sinne des § 82 Abs. 2 AktG können nur endgültig wirksame Beschlüsse entfalten. Zur Bestimmung der „Wirksamkeit“ ist eine Synchronisierung der Vorschrift mit § 93 Abs. 4, 5 AktG, der die Ersatzpflicht des Vorstands regelt, anzustreben. Die Ersatzpflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft tritt nicht ein, wenn seine Handlung auf einem gesetzmäßigen914 Beschluss der Hauptversammlung beruht. Um den Gleichlauf mit § 82 Abs. 2 AktG zu gewährleisten, dürfe dementsprechend auch eine Ausführungspflicht nur bezüglich gesetzmäßiger Beschlüsse bestehen.915 Umstritten ist, was unter „gesetzmäßig“ zu verstehen ist: Beschlüsse, die weder nichtig, noch anfechtbar sind, seien „gesetzmäßig“, wobei grundsätzlich bei Ablauf der Anfechtungsfrist sowie bei Heilung der Nichtigkeit von einem gesetzmäßigen Beschluss auszugehen sei.916 Andernorts ist zu lesen,

Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 15; Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 898; vgl. dazu auch die Vorgängervorschrift § 193 AktG 1937. 909 Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 223. 910 BVerfG NJW 2000, 349 f. 911 Rönnau FS Amelung, 2009, S. 247, 257. 912 Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 223. 913 Nach Hüffer, AktG, § 119 Rn. 2, ist die Durchführung der gesamten Hauptversammlung darauf auszurichten. 914 Nach den Regelungen des HGB 1897 war eine Haftung gegenüber der Gesellschaft auch bei gesetzeswidrigen Beschlüssen möglich, da der Vorstand den Weisungen der Hauptversammlung unterlag; die Haftung gegenüber den Gläubigern blieb hingegen bestehen. 915 Nach KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 111, ist tieferer Grund für die Vorschrift des § 93 Abs. 4 AktG der Umstand, dass der Vorstand bei Beschlüssen der Hauptversammlung eine Folgepflicht habe; vgl. auch MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 207; ebenso Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 41 ff., 44. 916 HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 33; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 207; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 305 f.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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nichtige Beschlüsse könnten den Vorstand nie entlasten, auch wenn die Nichtigkeit nach § 242 AktG nicht mehr geltend gemacht werden könne. Sei der Vorstand wegen Verletzung des Gesellschaftsinteresses durch den Beschluss zu seiner Anfechtung verpflichtet, gelte das gleiche für inzwischen unanfechtbare Beschlüsse.917 Auf diese Weise wird das Gesellschaftsinteresse zum „Zünglein an der Waage“, ob der Vorstand entlastet wird oder nicht, ob die Hauptversammlung also seinen Handlungsspielraum anhand dieses Beschlusses beeinflussen darf. Wird demgegenüber angenommen, auch die Hauptversammlung sei an das Unternehmensinteresse gebunden,918 wird die entscheidungsdominante Funktion der jeweiligen monistischen oder pluralistischen Konzeption erneut deutlich. Der Fragenkomplex, der sich aus den §§ 82 Abs. 2, 93 Abs. 4, 5 AktG ergibt, ist die Parallele zum strafrechtlichen Einverständnis: In beiden Fällen geht es um die Interessengenese der Aktiengesellschaft, die (auch) eine Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen den einzelnen Organen ist. Während jedoch im Strafrecht zumeist in Anlehnung an das Einverständnis bezüglich einer Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers von einer dreigleisigen Begrenzung „Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung, Bestandsgefährdung“ gesprochen wird und umstritten ist, ob nicht auch ein formloses Einverständnis möglich ist,919 stellt sich die Situation im Aktienrecht anders dar: § 93 Abs. 4 S. 1 AktG sieht vor, dass bei einem „gesetzmäßigen“ Beschluss der Hauptversammlung die Ersatzpflicht zumindest gegenüber der Gesellschaft entfällt. Dies dürfte im Sinne eines Wegfalls der Pflichtwidrigkeit gemeint sein, weil gegenüber den Gesellschaftsgläubigern eine Haftung durch einen Beschluss der Hauptversammlung zwar gemäß § 93 Abs. 5 S. 3 AktG nicht generell, aber „regelmäßig“ ausgeschlossen sein soll, da der Pflichtwidrigkeitstatbestand durch den Beschluss der Hauptversammlung aufgehoben sei. Dreh- und Angelpunkt der Vorschrift ist damit wiederum die „Gesetzmäßigkeit“ des Beschlusses. Diese stellt sich als Schranke des aktienrechtlichen „Einverständnisses“ dar bzw. als Kompetenzabgrenzung bei der Interessengenese der Aktiengesellschaft. Geht man mit der herrschenden Meinung davon aus, dass 917 MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 208 f.; auch Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 44, kann eine Haftung gegenüber den Gläubigern nicht davon abhängen, ob der Beschluss angefochten wurde. 918 Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 899. In § 243 Abs. 4 S. 1 AktG ist durch das UMAG das durch Rechtsprechung und Literatur entwickelte Kriterium der Relevanz einer Informationspflichtverletzung kodifiziert worden. Unter einem „objektiv urteilenden Aktionär“ soll „der vernünftig und im wohlverstandenen Unternehmensinteresse handelnde Aktionär“ zu verstehen sein: „Dieser Aktionär verfolgt keine kurzfristigen Ziele, sondern ist an der langfristigen Ertrags- und Wettbewerbsfähigkeit seiner Gesellschaft interessiert“, RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 26; vgl. dazu Diekamm/ Leuering, NZG 2004, 249, 253; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 256. 919 Zu beidem s. o.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

„gesetzmäßig“ nur der Beschluss ist, der weder nichtig noch anfechtbar ist,920 so gelangt man im Aktienrecht schnell zu teils engeren, teils weiteren „Einverständnis“-Grenzen als im Strafrecht: Zunächst ist ein „Einverständnis“ im Sinne des Aktienrechts nicht lediglich einstimmig möglich. Ein Beschluss nach § 241 Nr. 3 AktG921 ist u. a. dann nichtig, wenn er „mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind“. Auf welcher der Varianten das Schwergewicht liegt, ist zwar umstritten.922 Jedenfalls steht aber fest, dass auf diese Weise zwingend Interessen von Gläubigern und ein „öffentliches Interesse“ einfließen. Die Interessengenese der Aktiengesellschaft wird so jedenfalls auch von diesen (nicht monistischen) Interessen bestimmt, sei es auch nur der negative Befund, dass diese Interessen nicht tangiert würden. Verstoßen die Beschlüsse der Hauptversammlung gegen Kapitalaufbringungs- oder Kapitalerhaltungsgrundsätze, die im Interesse der Gläubiger gegeben sind,923 oder gegen die Bestimmungen der §§ 25 ff. MitBestG, die im öffentlichen Interesse liegen,924 dann können sie das Interesse der Aktiengesellschaft nicht beeinflussen und es muss anders generiert werden. Damit bleibt zunächst festzuhalten: Der aktienrechtliche Gesetzgeber hat die Belange von Gläubigern und der Öffentlichkeit (auch: Arbeitnehmern) in die Interessengenese der Aktiengesellschaft einfließen lassen. Dies bedeutet zumindest einen ersten Anhaltspunkt für eine pluralistische Interpretation des Aktienrechts,925 sieht man darin mehr eine Kompetenzabgrenzung als eine Kompetenzbegrenzung. Fasst die Hauptversammlung einen Beschluss, der etwa gegen Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes926 verstößt, so trifft den Vorstand keine Folgepflicht. Führt er den Hauptversammlungsbeschluss aus, so macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig. Ergeht ein Hauptversammlungsbeschluss, der keine dieser Belange 920 Vgl. etwa HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 33; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 207; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 305 f. 921 Dies ist aufgrund der seltenen Fälle der Sittenwidrigkeit (wohl aber bei Gläubigerschädigung) die entscheidende Vorschrift bei inhaltlichen Mängeln, vgl. MüKo-Hüffer, § 241 Rn. 46, 70. 922 Vgl. MüKo-Hüffer, § 241 Rn. 48. 923 MüKo-Hüffer, § 241 Rn. 55. 924 Vgl. BGHZ 83, 106, 109 f.; 83, 151, 153 ff.; 89, 48, 50; MüKo-Hüffer, § 241 Rn. 63 ff. 925 Anders Ewald, Verbundene Unternehmen, S. 238 f., der wohl auch aus der Vorschrift des § 93 Abs. 5 AktG den Schluss zieht, Vermögensinteressen der Gläubiger seien untreuerelevant. 926 Die Mitbestimmungsgesetze dürften als Ausdruck einer „nicht-monistischen“ (ob auch einer „echt“ pluralistischen, bleibt zu untersuchen) Regelungsmaterie par excellence gelten und eignen sich daher besonders zur Illustration.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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tangiert, so ist der Vorstand folgepflichtig in dem Sinne, dass er die „Beschränkungen“ einhalten muss, die ihm aufgegeben werden. Wie weit sein Handlungsspielraum eingeschränkt werden darf, ist wiederum eine Frage der präferierten monistischen oder pluralistischen Konzeption und so auch ein Abgrenzungsproblem der Kompetenzen zwischen Vorstand und Hauptversammlung sowie der Belange der Anteilseigner und sonstiger Bezugsgruppen: Nimmt man an, die Hauptversammlung sei an das Unternehmensinteresse im Sinne einer „echten“ pluralistischen Konzeption gebunden, kann sie den Handlungsspielraum des Vorstands weniger stark einschränken (so wäre sie etwa gehindert, die ausschließliche Verfolgung von Gewinnmaximierung zu bestimmen), als wenn sie an das Gesellschaftsinteresse gebunden wäre. Auch an dieser Stelle zeigt sich, dass die Entscheidung zwischen „pluralistisch“ und „monistisch“, „Unternehmensinteresse“ und „Gesellschaftsinteresse“ eine Kompetenzabgrenzung bedeutet. Die herrschende strafrechtliche Betrachtung hingegen umgeht die sonstigen Bezugsgruppen und ist insofern in ihrer monistischen Konzeption konsequent, verschiebt aber die Kompetenzen der Interessengenese weit zugunsten der Anteilseigner, wenn sie ein formloses Einverständnis zulässt: Ist ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig,927 weil etwa gegen Vorschriften der Mitbestimmung verstoßen wird, und handelt der Vorstand dennoch dementsprechend, sind die Vorschriften der Mitbestimmung nicht suspendiert, der Vorstand verhält sich gesetzeswidrig und damit zunächst pflichtwidrig. Die strafrechtliche Pflichtwidrigkeit können die Anteilseigner jedoch nach der genannten Ansicht suspendieren, wenn sie einverständlich zustimmen (bei Verstoß gegen die Mitbestimmungsgesetze sind die Schranken Kapitalaufbringung, -erhaltung und Existenzvernichtungsverbot nicht tangiert). Das formlose Einverständnis unterläge nicht den Nichtigkeitsgründen. Wird hingegen auch für das strafrechtlich relevante Einverständnis ein „gesetzmäßiger“ Hauptversammlungsbeschluss gefordert, so könnte die strafrechtliche Pflichtwidrigkeit wegen Verstoßes gegen Vorschriften der Mitbestimmungsregeln nur durch eine originär strafrechtliche Selektion der Nichtigkeitsgründe ausgehebelt werden: Nur solche Nichtigkeitsgründe wären untreuerelevant, die gegen Vorschriften verstießen, die im „Interesse der Gesellschaft“ stünden (also erwerbswirtschaftlich geprägt sind). Dies würde zwar die strafrechtliche Konsistenz erhöhen, entfernte sich zugleich aber von den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere hätte dies – würde man konsequent bleiben – zur Folge, dass zwar anfechtbare, nicht hingegen nichtige Beschlüsse untreuerelevant wären: Anfechtbar sind gemäß § 243 Abs. 1 AktG solche Beschlüsse, die gegen das Gesetz oder die Satzung verstoßen, aber nicht nichtig sind. Wie gesehen ist die Folge der 927 Sind Belange anderer Interessengruppen als die der Anteilseigner tangiert, ist eine Nichtigkeit die Folge, da anfechtungsbefugt allein ein bestimmtes Quorum der Hauptversammlung ist.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Nichtigkeit nach § 241 Nr. 3 AktG insbesondere dann vorgesehen, wenn gegen Vorschriften verstoßen wird, die im Interesse solcher Interessengruppen bestehen, die nicht anfechtungsbefugt gemäß § 245 AktG sind, also Gläubiger, Arbeitnehmer, die Öffentlichkeit usw. Die verletzten Normen müssen zudem ausschließlich oder überwiegend deren Interessen dienen, sodass die Berufung auf die eigene Rechtspersönlichkeit bereits begrifflich schwer fällt. Befolgt nun der Vorstand einen nichtigen Beschluss, so dürfte dies, wenn die Nichtigkeit auf der Verletzung einer Norm, die Ausdruck eines Interessenpluralismus ist, nicht zu einer Untreuestrafbarkeit führen, auch wenn alle sonstigen Voraussetzungen des § 266 StGB gegeben wären. Verwirklicht der Vorstand hingegen diese Merkmale durch Verfolgung eines anfechtbaren Beschlusses, so wäre Untreuestrafbarkeit zu bejahen. Den Vorstand strafrechtlich zu belangen, wenn er einen anfechtbaren Beschluss befolgt, nicht hingegen, wenn ein nichtiger Beschluss zugrunde liegt, mutet zumindest kurios an. Unabhängig von den Anforderungen, die an das Einverständnis gestellt werden, würden sich im Strafrecht so die Kompetenzen zugunsten einer zwar konsistenten, aber wenig ausbalancierten monistischen Konzeption verschieben. Eine letzte Variante wäre darin zu sehen, den Verstoß gegen die Mitbestimmungsgesetze als Einverständnisgrenze aufzunehmen. Um sich nicht dem Vorwurf einer „Rechtsgutvertauschung“ auszusetzen, müssten die Vorschriften der Mitbestimmung als im „Interesse der Gesellschaft“ liegend angesehen werden. Die typisch pluralistischen Vorschriften in eine monistische Bedeutung zu überführen, wäre nur mit erheblichem, moralisch fragwürdigem Begründungsaufwand möglich, weil jegliche Werte auf pekuniäre Aspekte zusammengekürzt würden. Die Alternative wäre die weitere Sinnentleerung des Begriffs der „Gesellschaft“.

c) Exkurs: Haftung – insbesondere Binnenhaftung/Außenhaftung Es ist das Verhältnis von § 82 Abs. 2 AktG und § 93 Abs. 4, 5 AktG erörtert worden.928 Dementsprechend soll an dieser Stelle die Haftung des Vorstands näher beleuchtet werden. Wäre die Haftung des Vorstands auch bei Verstoß etwa gegen gläubigerschützende Vorschriften auf eine Binnenhaftung, also eine solche gegenüber der Gesellschaft begrenzt, dann erschiene die Pflichtenstellung gegenüber anderen Interessengruppen als relativiert.929 Das Gesellschaftsrecht unterscheidet zwischen Binnen- und Außenhaftung des Vorstands.930

928

s. o., Kapitel 2 D. III. 2. b). Eine enge Bindung zwischen Schutzobjekt und Anspruchsinhaberschaft scheint auch Westermann, NZG 2002, 1129, 1135, zugrundezulegen. 930 Vgl. dazu Semler, AG 2005, 321, 323 ff. 929

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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aa) Haftung „gegenüber“ Gesellschaftern Der Gesellschafter kann in der Regel nur einen Ausgleich des Schadens an die Gesellschaft verlangen. Dies beruht auf der Annahme, der Gesellschafter sei lediglich mittelbar mit einem sog. „Reflexschaden“ wegen Entwertung der Aktien geschädigt,931 und eine Doppelhaftung des Vorstands sei in jedem Fall zu vermeiden.932 Dies erinnert stark an die strafrechtliche „Verteidigung“ gegen eine Rechtsgutvertauschung: Die verletzten Normen schützen vorrangig die Gesellschaft und nur mittelbar sonstige Interessengruppen. Den Aktionären stehen die Instrumente der §§ 147, 148 AktG – es handelt sich aber auch bei einer Klage im eigenen Namen grundsätzlich933 um einen Anspruch der Gesellschaft – und ggf. Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB bezüglich des Mitgliedschaftsrechts934 und nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz und nach § 826 BGB zu. Im Falle des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB ist auffällig, dass dem § 266 StGB Schutzcharakter zugunsten der Gesellschafter zuerkannt wird.935 Dies markiert einen Bruch mit der strafrechtlichen Konzeption, die eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft annimmt. Wichtig erscheint auch die Konstruktion, dass der Vorstand bei Verletzung von Vorschriften, die sich eigentlich an die Gesellschaft richten, deshalb haften soll, weil diese Pflichtenstellung auf das Innenverhältnis projiziert wird.936 Dies wird meist damit begründet, dass der Gesellschaft aufgrund des Gesetzesverstoßes Vermögensnachteile drohen (etwa Schadensersatzzahlungen).937 Interessanterweise lebt auch an dieser Stelle der doch an sich zu vermeidende Schluss vom Schaden auf die Pflichtwidrigkeit fort und ein monistischer Anklang wird deutlich, wenn eine Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns mit dem „Schadensersatzpotential“ der betreffenden Handlung begründet werden muss.

931 MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 262; Feddersen FS Laufs, 2006, S. 1169 f.; Semler, AG 2005, 321, 323; zu beachten ist jedoch der Unterlassungsanspruch der Aktionäre, sofern der Vorstand in die Mitwirkungsrechte der Aktionäre eingreift, vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 19; vgl. auch OLG Düsseldorf AG 1996, 373, 377. 932 MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 283. 933 Ausnahmen markieren §§ 117 Abs. 1 S. 2, 317 Abs. 1 S. 2 AktG. 934 Kritisch MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 271 f., der von einem Vorrang des Verbandsrechts ausgeht. 935 Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 80. 936 KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 34; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 130; Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 24; Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 14; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 57; Ihrig, WM 2004, 2098, 2104 f. 937 Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 14.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

bb) Haftung „gegenüber“ Gläubigern Die Gläubiger können ihre Ansprüche grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft geltend machen. Sofern der Gesellschaft ein Anspruch gegen den Vorstand zusteht, besteht für die Gläubiger die Möglichkeit, diesen pfänden und sich überweisen zu lassen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz gibt es auf der einen Seite für Gläubiger die Möglichkeit, aus Deliktsrecht direkt gegen den Vorstand vorzugehen.938 Auf der anderen Seite verfügen sie über ein unmittelbares Klagerecht gegen den Vorstand gemäß § 93 Abs. 5 AktG. Der Gläubiger macht jedoch nach herrschender Meinung auf diese Weise keinen eigenen Anspruch, sondern einen solchen der Gesellschaft im Wege der Prozessstandschaft geltend.939 Nach anderer Ansicht soll der Umstand, dass ein Gläubiger Leistung an sich selbst verlangen kann und sein Anspruch nicht davon abhängt, dass die Gesellschaft den Anspruch jemals inne gehabt hat, auf ein materielles Eigenrecht des Gläubigers hinweisen.940 Die Klagemöglichkeit ist grundsätzlich nur bei einer gröblichen Verletzung der Sorgfalt durch den Vorstand gegeben, eine Ausnahme besteht bei den Verstößen des § 93 Abs. 3 AktG, wozu auch die Vorschriften über die Kapitalgrundlage zählen. Gegenüber den Gläubigern wird der Vorstand nicht dadurch befreit, dass die Handlung auf einem Beschluss der Hauptversammlung beruht. Dies gilt – wie bereits gesehen – ohnehin für gesetzeswidrige Beschlüsse. Bei gesetzmäßigen Beschlüssen fehlt an sich die Pflichtverletzung des Vorstands, die auch Voraussetzung der Haftung gegenüber den Gläubigern ist.941 Hier wird deutlich, dass dem Beschluss der Hauptversammlung tatbestandsausschließende Wirkung beigemessen wird. Der Gesetzgeber dürfte also davon ausgegangen sein, dass es Beschlüsse gibt, die zwar im Hinblick auf die Hauptversammlung als gesetzmäßig anzusehen sind, vom Vorstand aber ein Verhalten verlangen, welches Pflichten verletzt, deren Erfüllung ihm im Interesse der Gläubiger auferlegt ist.942 Aus diesen Bestimmungen kann gefolgert werden, dass die Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat zur Wahrung des Vermögens der Aktiengesellschaft – anders als bei der GmbH – auch immer den Gläubigerschutz bezwecken würden.943 Auch aus diesem Grunde kann die Haftung des Vorstands weder gemildert, noch verschärft werden.944 Dies kann als Indiz für eine pluralistische Pflichtenstellung gewertet werden.

938

Vgl. oben, Kapitel 2 D. III. 2., III. 2. c), bb). Etwa Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rn. 113. 940 KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 142 f.; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 234, der jedoch auch den Widerspruch mit der Möglichkeit einer befreienden Leistung des Vorstands an die Gesellschaft einräumt. 941 KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 122; MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 247. 942 KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 122. 943 MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 1; Spindler, ZIP 2006, 349, 354. 944 MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 26; KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 4. 939

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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d) Ungeschriebene Kompetenzen? Eine Gesamtschau der gesetzlich geregelten Kompetenzen der Hauptversammlung zeigt, dass sie sich u. a. auf den Grundgedanken der „Struktur- und Grundlagenentscheidung“ zurückführen lassen. Fraglich ist, ob aus dem induktiv gewonnenen Gedanken weitere Zuständigkeiten der Hauptversammlung deduziert werden können. Laut dem II. Zivilsenat des BGH sind „grundlegende Entscheidungen, die durch die Außenvertretungsmacht des Vorstands, seine begrenzte Geschäftsführungsbefugnis wie auch durch den Wortlaut der Satzung formal noch gedeckt sind, gleichwohl aber so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen“,945 von der Hauptversammlung zu treffen. Während der II. Zivilsenat zunächst noch auf die Regelung des § 119 Abs. 2 AktG rekurriert, will er die Zuständigkeit in einem späteren Urteil als „offene Rechtsfortbildung“ verstanden wissen.946 Es ist fraglich, was daraus für Schlussfolgerungen gezogen werden können. Nimmt man an, der späteren Entscheidung liege die Annahme der „Hauptversammlung als aktienrechtliches Grundlagenorgan“ zugrunde,947 so könnten aus diesem allgemeinen Gedanken weitere, insbesondere ungeschriebene Zuständigkeiten und Kompetenzen abgeleitet werden.948 Noch beim Holzmüller-Urteil949 wurde diese Lesart abgelehnt: Der BGH habe einer ungeschriebenen Zuständigkeit eine Absage erteilt, zum einen durch Verweis auf den § 119 Abs. 2 AktG, zum anderen dadurch, dass der Schwerpunkt der Betrachtung auf den Pflichten des Vorstands (hier zur Vorlage wegen Ermessensschrumpfung) liege.950 Der Annahme, der II. Zivilsenat wolle mit der Entscheidung ungeschriebenen Kompetenzen der Hauptversammlung Tür und Tor öffnen und ihre Stellung insgesamt stark aufwerten, steht die strenge Kompetenzordnung des Aktienrechts entgegen. Sie dürfte daher nicht vertretbar sein. 3. Zweckbildung: Bestand Die vorhergehenden Überlegungen beziehen sich insbesondere auf die Zielbildungskompetenz der Anteilseigner im Hinblick auf eine Gewinnmaximierung und mithin auf eine monistischen Tendenz. Eine andere Frage, die sich ebenfalls 945

BGHZ 83, 122, 131 – Holzmüller. BGHZ 159, 30, 40 – Gelatine I. 947 So wohl Lutter FS Barz, 1974, S. 199, 210 ff.; Lutter FS Westermann, 1974, S. 347, 357 ff.; nach Hüffer, AktG, § 119 Rn. 1, beseitigt § 119 AktG die Hauptversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan mit grundsätzlicher Allzuständigkeit. 948 Vgl. zu diesem Gedanken Lutter FS Stimpel, 1985, S. 825, 832 f. 949 BGHZ 83, 122, 131 – Holzmüller. 950 Mertens, AG 2000, 157, 162. 946

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

auf den Gegenstand der Satzung erstreckt, ist die, ob aus der Satzung hervorgeht, dass der Vorstand den (ungefährdeten) Bestand zu sichern hat. Wie bereits erläutert, hat der Vorstand die Grenzen einzuhalten, die ihm u. a. der wie auch immer geartete Gesellschaftszweck vorgibt. Der Gesellschaftszweck einer Aktiengesellschaft ist eng mit dem jeweiligen Stadium ihres Daseins verbunden. Eine Aktiengesellschaft entsteht in drei Phasen: Am Anfang steht der übereinstimmende Wille der Gründer – dieser kann zu einer sog. Vorgründungsgesellschaft zwischen den Gründern führen, die nach den Vorschriften der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts – §§ 705 ff. BGB – zu beurteilen ist. Die notarielle Beurkundung des Gesellschaftervertrages begründet die sog. Vorgesellschaft, auf die grundsätzlich die Regeln des Aktienrechts anzuwenden sind. Mit der Eintragung in das Handelsregister wird die Vorgesellschaft zur Aktiengesellschaft; die juristische Person entsteht (vgl. §§ 41 Abs. 1 S. 1 AktG). Der Aktiengesellschaft immanent ist zumindest der Gesellschaftszweck, eine – in Abgrenzung zur „Abwicklungsgesellschaft“ – „werbende“ Gesellschaft zu sein. Wird die Gesellschaft – aus welchen Gründen auch immer – „aufgelöst“, so bedeutet dies eine Änderung des Gesellschaftszwecks: Aus der „werbenden“ Gesellschaft wird eine sog. „Abwicklungs- oder Liquidationsgesellschaft“, deren Zweck auf die Beendigung des Geschäftsbetriebes gerichtet ist. Freilich kann sich im Stadium der Auflösung die Pflicht des Vorstands nicht auf eine Bestandserhaltung beziehen; dies würde dem – in diesem Fall – maßgeblichen Willen der Anteilseigner bzw. Hauptversammlung zuwiderlaufen. Anderes gilt für das Stadium der Gesellschaft als „werbende“ Gesellschaft: Diese Charakteristik trägt zugleich die Eigenschaft als „bestehende“ Gesellschaft als notwendige Voraussetzung in sich.951 Die Pflicht zur Bestandssicherung lässt sich nur vordergründig bereits aus der Pflicht, das „Wohl der Gesellschaft“ zu fördern, ableiten.952 Wie gesehen, kann in Abhängigkeit zur Definition des „Wohls der Gesellschaft“ eine Existenzberechtigung entfallen, betont man etwa besonders den Umweltbezug der Gesellschaft/des Unternehmens.

Die Pflicht zu einer Bestandssicherung durch den Vorstand harmoniert mit seiner Stellung als Geschöpf des Aktienrechts – ohne die (bestehende) Aktiengesellschaft/das bestehende Aktienunternehmen wäre der Vorstand in dieser speziellen Rolle nicht existent. In einem früheren Teil der Untersuchung953 wurde der Bestand als Interessenbestandteil in der herrschenden strafrechtlichen Untreuekonzeption ausgemacht. 951 So wohl auch Schnauder/Müller-Christmann, JuS 1998, 980, 984; Wodicka, Untreue zum Nachteil der GmbH, S. 234 f. 952 A.A. für den Geschäftsführer und einer Ableitung aus § 43 Abs. 1 GmbHG Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 393 ff. 953 Vgl. oben, Kapitel 1 A. II. 2. a).

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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Dies wird durch die vorangegangenen Überlegungen und die Erkenntnisse bezüglich des existenzvernichtenden Eingriffs gestützt. Die herrschende strafrechtliche Konzeption geht davon aus, dass ein Einverständnis der Gesellschafter/der Hauptversammlung in einen bestandsgefährdenden Eingriff des Vorstands unbeachtlich sei und eine daraus resultierende Untreuestrafbarkeit demgemäß nicht berühre.954 Auch dies deckt sich mit der aktienrechtlichen Regelung: Wie gesehen, fungiert zum einen § 826 BGB („Verbot des existenzvernichtenden Eingriffs“) als Kompetenzabgrenzungs- bzw. Kompetenzentzugsnorm. Zum anderen wird die Aktiengesellschaft gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG u. a. durch einen Beschluss der Hauptversammlung aufgelöst, der einer Mehrheit bedarf, die – keine weiteren satzungsmäßigen Erfordernisse vorausgesetzt – mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst (freiwillige Auflösung). Dies ist die einzige Kompetenzzuweisung an die Gesellschafter/die Hauptversammlung, auf die Existenz der Aktiengesellschaft einzuwirken. Auch daraus ergibt sich implizit, dass eine Bestandsgefährdung/-vernichtung auf andere Weise unzulässig ist, sog. „Verbot der Liquidation auf kaltem Wege“.955 954

Vgl. dazu oben Kapitel 1 A. II. 2. a). Vgl. zur parallelen Frage im GmbH-Recht BGH ZIP 2005, 117, wonach der GmbH-Gesellschafter zwar nicht verpflichtet sei, das Gesellschaftsunternehmen fortzuführen, wolle er aber die Unternehmenstätigkeit einstellen, müsse er sich dabei des dafür im Gesetz vorgesehenen Verfahrens bedienen; vgl. zum Verbot der Bestandsgefährdung außerhalb der Auflösungstatbestände selbst durch die Gesellschafter einer GmbH BGHZ 149, 10 – BVV, wonach der Schutz einer GmbH gegen Eingriff ihres Alleingesellschafters nicht (mehr) dem Haftungsrecht des Konzernrechts des AktG folge, sondern auf die Erhaltung ihres Stammkapitals und die Gewährleistung ihres Bestandes beschränkt sei, der eine angemessene Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der GmbH erfordere; vgl. zu dem Argument des Vorrangs der geregelten Abwicklungsverfahren insbesondere Röhricht FS BGH, 2000, S. 83, 100 f., 103, 105; auch: Decher, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 25, 29, 37; Goette, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 11, 23; Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, S. 41, 68; Winter, Treubindungen, S. 202 ff.; Fleck, ZGR 1990, 31, 36 ff.; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 395; Haas, WM 2003, 1929, 1933 ff.; Priester, ZGR 1993, 512 ff.; auch Schnauder/Müller-Christmann, JuS 1998, 980, 984, die die Bestandserhaltung auf die Interessen von Arbeitnehmern und Gläubigern zurückführen; Weller, DStR 2007, 116, 120; vgl. zum Zusammenhang zwischen Liquidationsvorschriften und Bestandsinteressen auch Gehrlein, NJW 2000, 1089 f.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1066; Radtke, GmbHR 1998, 311, 316 f.; Altmeppen, ZIP 2002, 1553 ff., erkennt den Aussagegehalt der §§ 65 ff. GmbHG als Gebot des Bestandsschutzes nicht an; Kasiske, wistra 2005, 81, 84, zieht hingegen aus der Auflösungsmöglichkeit nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG die Folgerung, dass ein Bestandsinteresse der juristischen Person gegenüber den Gesellschaftern generell auszuschließen sei; nach Mülbert, DStR 2001, 1937, 1941, kann ein Verbot der Liquidation auf kaltem Wege nicht aus den §§ 65 ff. GmbHG abgeleitet werden; nach Kaufmann, Organuntreue, S. 118 f., seien die Liquidationsvorschriften als Argument im Bereich der Untreuestrafbarkeit unzulässig, da sie ausschließlich dem Gläubigerschutz dienten; aus strafrechtlicher Warte weist MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 138, 140, auf die besondere Bedeutung der Einhaltung des Verfahrens hin. 955

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Demgemäß stellt der BGH in der KBV-Entscheidung956 klar, dass die Gesellschaft keinen Anspruch gegen die Gesellschafter auf Wahrung ihres Bestandes habe; die Gesellschafter könnten vielmehr jederzeit die Existenz der Gesellschaft vernichten. Dies habe aber in jedem Fall in einem geordneten Verfahren zu erfolgen. In den Entscheidung „Klinik“ 957 und „BMW-Vertragshändler“ 958 hebt der BGH hervor, dass der Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern gegenüber grundsätzlich nicht verpflichtet sei, das Unternehmen fortzuführen; wolle er die Unternehmenstätigkeit einstellen, so müsse er sich aber des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens bedienen. Insofern findet sich im Aktienrecht ein zur strafrechtlichen Konzeption paralleler Kompetenzentzug; die Liquidationsvorschriften sprechen nicht gegen, sondern gerade für ein Bestandsinteresse der juristischen Person.959 Aus diesen Überlegungen ergibt sich noch keine klare Antwort auf die Frage einer monistischen oder pluralistischen Wahrnehmung der Bestandssicherungspflicht des Vorstands. Die Gründe dafür wurden teils bereits oben erörtert.960 Indes sei angemerkt, dass die Deutung einer Bestandssicherung des „Unternehmens“ näher liegen dürfte:961 Ebenso wie eine wortwörtliche „Leitung der Gesellschaft“ 962 wäre die Vorstellung des Vorstands als Leiter des Verbandes sinnentleert: Dass etwa bei Eingliederung einer Gesellschaft in die Muttergesellschaft zwar das Unternehmen erhalten bleiben kann, der Verband aber bei Umwandlung zur reinen Besitzgesellschaft schwer geschädigt bzw. aufgelöst wird, erkannte bereits Zöllner963. Es ist hier wie dort zumindest plausibler, von einer Leitung und Bestandssicherung des Unternehmens auszugehen. 4. Zwischenergebnis Ein Anknüpfungspunkt für die Bestandssicherung liegt vor. Aus den bisher diskutierten Kompetenzen der Anteilseigner bzw. der Hauptversammlung konnte 956

BGHZ 151, 181 – KBV. BGH NZG 2004, 1107 – Klinik. 958 BGH NJW-RR 2005, 335 ff. – BMW-Vertragshändler. 959 So Radtke/Hoffmann, GA 2008, 535, 548; a. A. wohl Beckemper, GmbHR 2005, 592, 595: „Eine zivilrechtliche Grundlage läßt sich für das Existenzgefährdungsverbot nämlich nicht finden.“ 960 Vgl. oben, Kapitel 2 D. II. 961 Dies gilt umso mehr, wenn man wie Rosenstock, Vom Industrierecht, S. 13, annimmt: „Die juristische Person ist unsterblich“. 962 Vgl. oben, Kapitel 2 C. 963 Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 20. Das Gegenstück kommt später (S. 73) zum Tragen: So widerstreite die Einstellung eines unrentablen Unternehmens zwar dem „Unternehmensinteresse“, nicht hingegen dem „Gesellschaftsinteresse“. Nicht übersehen werden darf dabei, dass Zöllner ein objektiviertes Verständnis vom Unternehmen hat (vgl. S. 73). 957

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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eine eindeutig monistische oder pluralistische Konzeption des Aktienrechts indes nicht abgeleitet werden. Vielmehr sind die Kompetenzen flexibel und dehnen sich aus bzw. nehmen im Gegenzug ab, abhängig davon, welche Konzeption zugrunde gelegt wird. Es sollen nunmehr einige weitere markante Kompetenzzuweisungen an die Anteilseigner/die Hauptversammlung untersucht werden. 5. Insbesondere: Beschluss über Verwendung des Bilanzgewinnes – §§ 58, 174, 254 Abs. 1 AktG Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn und beschließen über dessen Verwendung; flankierend besteht die Möglichkeit der Anfechtung des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns, §§ 58, 174, 254 Abs. 1 AktG. Aus diesen gebündelten Vorschriften leitet H. Westermann das Bestehen eines Anspruchs auf Gewinnerzielung ab.964 Dabei vermischt Westermann jedoch das „Ob“ eines Gewinnes mit dem „Wie“ seiner Verteilung. Erst wenn Gewinn erwirtschaftet und dieser in den sog. Bilanzgewinn überführt wurde, entsteht der Anspruch der Aktionäre auf eben diesen. Es handelt sich daher lediglich um einen „Formalanspruch“, der nur das Verhältnis der Aktionäre untereinander betreffe;965 die Vorschrift des § 254 Abs. 1 AktG gebe nicht vor, wie, wann und unter welchen Bedingungen Gewinn überhaupt zu erzielen sei.966 Darüber hinaus ist der Begriff der „Gewinnerzielung“ undeutlich; er kann einer Auslegung zugeführt werden, die sowohl eine Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value oder auch lediglich eine bestandssichernde Rentabilität bezeichnen kann.967 Der Begriff des „Bilanzgewinns“ ist hingegen ein bloßer Verweis auf die Regeln der Rechnungslegung und hat damit keinen eigenständigen, insbesondere keinen imperativen Charakter. Zudem bedarf auch die Verwendung des Jahresüberschusses eines Beschlusses durch die Hauptversammlung. Hier bestehen wiederum die oben erörterten Schranken, die – je nach Konzeption – im Gesellschafts- oder Unternehmensinteresse liegen können.

964 Westermann FS Schnorr von Carolsfeld, 1973, S. 517 ff.; ähnlich Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, S. 33 ff. 965 Großmann, Unternehmensziele, S. 63, 68; gegen einen Anspruch der Aktionäre auf Gewinn auch Mertens, AG 2000, 157, 160. 966 MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 75. 967 Ähnliches galt für den Begriff des Jahresgewinns: Die Vorschrift des § 86 AktG a. F. dürfte nicht zuletzt deswegen aufgehoben worden sein, weil der umstrittene Terminus des „Jahresgewinns“ verwendet wurde, vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 83 f.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

6. Insbesondere: Beschluss über Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre – § 243 AktG Der Bezugsrechtsausschluss ist vorrangiges Mittel zur Machtverteilung innerhalb des Unternehmens. Ob der einem Bezugsrechtsausschluss zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss materiell auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, wird daran gemessen, ob er aus einer auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung bezogenen Beurteilung unter gebührender Berücksichtigung der für die vom Bezug ausgeschlossenen Aktionäre eintretenden Folgen durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist. Eine Wertung muss auch die Abwägung von Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck beinhalten.968 Das Interesse der Gesellschaft wird dabei insbesondere von wirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkten beeinflusst: So müssten beispielsweise bei einer Platzierung von Aktien an ausländischen Börsen unter Bezugsrechtsausschluss die positiven Aspekte bezüglich währungskompatiblen Eigenkapitals und der Aufnahme von Fremdkapital berücksichtigt werden; auch Bekanntheitsgrad, Image und Anreize für ausländische Arbeitnehmer seien relevant.969 Auffällig ist, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Bezugsrechtsausschlusses die Beeinträchtigung der Aktionäre am Ausgabekurs bzw. Börsenkurs gemessen wird.970 An dieser Stelle wird deutlich, dass selbst bei der Frage des Bezugsrechtsausschlusses nicht lediglich die Belange der Anteilseigner in den Blick gerückt sind, sondern auch die sonstiger Bezugsgruppen, auch wenn es um zukünftige Arbeitnehmer geht. Ob damit allerdings mehr als erwerbswirtschaftliche Aspekte angesprochen sind, wird nicht deutlich. Besonders deutlich wird im Falle des Bezugsrechtsausschlusses aber die Diskrepanz zwischen „Interesse der Gesellschaft“ und „Interesse der Gesellschafter“.

7. Zwischenergebnis Eine Argumentation, die auf der Satzungs- und Beschlussgewalt der Hauptversammlung fußt, ist zirkulär: Die Kompetenzgrenzen der Hauptversammlung, die korrelierenden Kompetenzen des Vorstands, damit einhergehend die Maßgeblichkeit verschiedener Belange, ist abhängig von einer monistischen oder pluralistischen Konzeption des Aktienrechts. Diese kann denklogisch aus der Satzungsund Beschlusskompetenz der Hauptversammlung, die sich mit der jeweils zugrunde gelegten Auffassung wandelt und relativiert, nicht abgelesen werden.

968 969 970

BGHZ 71, 40; 120, 141; 125, 239, 241 – Deutsche Bank. BGHZ 125, 239, 242 f. – Deutsche Bank. BGHZ 125, 239, 246 – Deutsche Bank.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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8. Insbesondere: Geltendmachung von Ersatzansprüchen – §§ 147, 148 AktG Die Vorschriften der §§ 147, 148 AktG sind durch das UMAG modifiziert worden.971 § 147 AktG sieht zwar weiterhin die Anspruchsverfolgung auf Grundlage eines Beschlusses der Hauptversammlung vor und erfährt insoweit keine grundlegenden Änderungen. Weiterhin handelt es sich auch um Ersatzansprüche der Gesellschaft und nicht um eigene Ansprüche der Gesellschafter. § 148 AktG972 sieht aber nunmehr ein Verfolgungsrecht durch einen Aktionär oder eine Aktionärsgruppe vor, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung Aktien im Umfang von entweder einem Prozent des Grundkapitals oder einem anteiligen Betrag von 100.000 A (Börsenwert973) gehalten werden.974 Die Verfolgung ist nicht mehr abhängig von der Bestellung eines Vertreters; es handelt sich mithin um eine actio pro societate.975 Das Verfahren ist zweistufig ausgestaltet: Zunächst muss die Klage durch das Iudex a quo zugelassen werden. Das Verfolgungsrecht ist auf Schädigungen durch unredliches Handeln oder grobe Pflichtverletzungen begrenzt, § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG. Gemäß § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG lässt das Gericht die Klage nur zu, wenn keine überwiegenden Gründe des „Gesellschaftswohls“ entgegenstehen. Die Begrifflichkeit des Gesellschaftswohls stellt jedoch ebenso wenig wie der Verweis auf die Gesellschaft in § 76 AktG und § 93 Abs. 1 S. 2 AktG einen eindeutigen Hinweis auf eine monistische Konzeption dar. Ganz im Gegenteil erscheint eine pluralistische Lesart zunächst einleuchtender, und auch an dieser Stelle soll daher die Deutung als „Unternehmenswohl“ bzw. „Unternehmensinteresse“ möglich sein.976 Die Verwirklichung eines Schadensersatzanspruchs ist ein typisch monistischer, weil erwerbswirtschaftlicher Aspekt: Der Gesellschaft (nicht etwa dem Gesellschafter) sollen finanzielle Mittel zufließen. Daraus den Schluss zu ziehen, es könnten dann lediglich nicht-erwerbswirtschaftliche Aspekte entgegenstehen, wäre allerdings zu kurz gegriffen: Wie das ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH eindrucksvoll belegt, können auch Aspekte wie „Image“ des Unternehmens unter rein pekuniären Gesichtspunkten betrachtet werden. Sofern das Klagezulassungsverfahren erfolgreich ist, kann der Antragsteller binnen drei Monaten Klage erheben, § 148 Abs. 4 S. 1 AktG. Die Kosten hat ge971 Zum Zusammenspiel des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG mit den §§ 147, 148 AktG vgl. oben, Kapitel 2 D. III. 8. 972 Im RefE noch § 147a AktG. 973 Diekamm/Leuering, NZG 2004, 249 f.; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 253. 974 Diese Schwellenwerte gehen auf Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 110, zurück. 975 Diekamm/Leuering, NZG 2004, 249 f. 976 Diekamm/Leuering, NZG 2004, 249, 250.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

mäß § 148 Abs. 6 AktG der Antragsteller zu tragen, soweit sein Antrag abgewiesen wird. Ansonsten steht ihm ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber der Gesellschaft zu. Diese Neuerung stellt ein erheblich wirksameres Instrument zur Anspruchsverfolgung durch die Aktionärsminderheit dar als der vorherige § 147 AktG in der Fassung des KontraG.977 Aus sich heraus geben die Vorschriften der §§ 147, 148 AktG jedoch keinen Hinweis auf eine etwaige zugrunde liegende Konzeption; dies gilt umso weniger, als er als „Gegengewicht“ zur Neueinführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gedacht war und daher entweder dessen Neutralität notwendig folgt oder – bei unterstellter monistischer Tendenz der §§ 147, 148 AktG – einen pluralistischen Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG impliziert. 9. Zwischenergebnis Aus dem Aktienrecht im engeren Sinne ergibt sich ein Anknüpfungspunkt für das Bestandsgefährdungsverbot. Eine eindeutig monistische oder pluralistische Tendenz kann nicht herausgelesen werden. Dies könnte sich ggf. bei Auslegung im Lichte der Verfassung – insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 14 GG – ändern. 10. Legitimation eines monistischen Modells durch Eigentum Das Eigentum ist auf seine Legitimationsfähigkeit hinsichtlich einer monistischen Konzeption zu untersuchen: Es soll in seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung erfasst werden, und zwar auf der einen Seite im Hinblick auf eine – etwaige – Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Eigentumsrechts durch eine pluralistische Konzeption und auf der anderen Seite als „Ordnungsmacht“. In die Betrachtung müssen die Entwicklungen des Eigentums und die Besonderheiten der Publikumsaktiengesellschaft mit Streubesitz einfließen. a) Eigentum in seiner verfassungsrechtlichen Dimension: Art. 14 GG und „Ordnungsmacht“ Es geht um die Pflichtenstellung des Vorstands, welche er entweder monistisch oder dualistisch bzw. pluralistisch auszuüben hat. Sowohl die Rolle des Vorstands als auch die der Arbeitnehmer und Gesellschafter sind vom Gesellschaftsrecht determiniert. Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, ob dem Gesellschaftsrecht schon deswegen eine monistische Konzeption zugrunde liegt bzw. zugrunde gelegt werden muss, weil Gesetzgeber und Rechtsprechung nur so den Anforderungen gerecht werden können, die Art. 14 GG an sie stellt. 977

Götz, AG 1997, Sonderheft, 38 f.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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Eine monistische Konzeption wäre insbesondere dann anzunehmen, wenn eine pluralistische Ausrichtung einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in Art. 14 GG darstellen würde. Um die Frage zu beantworten, ob durch eine Verpflichtung des Vorstands auch auf die Interessen anderer Gruppen als der Eigentümer eine Verletzung des Art. 14 GG zu befürchten steht, kann auf die Diskussion zur Einführung der Mitbestimmung zurückgegriffen werden.978 Dort geht es um die Partizipation der Arbeitnehmer in einem Organ der Gesellschaft, dem Aufsichtsrat. Durch diese Maßnahme sollten die Interessen der Arbeitnehmer – auf welche Art und Weise soll an späterer Stelle erörtert werden979 – Berücksichtigung finden. Die Interessebildung im Aufsichtsrat wurde dementsprechend nicht mehr ausschließlich von den (monistischen) Belangen der Gesellschafter bestimmt und eine pluralistische Ausrichtung stand im Raum. aa) Schutzbereich Bereits der Ausschuss I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags nahm an, dass das Eigentum gemäß Art. 14 GG die rechtliche Grundlage der Wirtschaftseinheit „Unternehmen“ sei.980 Art. 14 GG gewährleistet einen doppelten „Eigentumsschutz“: die Garantie des Grundrechts der Eigentumsfreiheit als subjektiv öffentliches Recht und die Garantie der objektiven Rechtseinrichtung (Eigentumsgarantie). 981 Als relevant muss insbesondere die Frage angesehen werden, wie sich die Eigentumsstrukturen innerhalb der Publikumsaktiengesellschaft darstellen. Dabei ist zwischen dem Eigentum im Sinne des § 903 BGB und dem verfassungsrechtlichen „Eigentum“ im Sinne des Art. 14 GG, das weiter gefasst ist und dementsprechend auch Vermögen umfasst, strikt zu differenzieren.982 (1) Die Aktiengesellschaft als juristische Person Bei der Aktiengesellschaft ist Eigentümerin im Rechtssinne die juristische Person, während die Gesellschafter „bloße“ Anteilseigner sind; das Eigentumsrecht verwandelt sich – insbesondere bei der Publikumsgesellschaft ist diese Mediatisierung weit fortgeschritten – in ein „neuartiges Sondervermögensrecht“, das 978 Dies bringt es mit sich, dass – insofern ähnlich der Diskussion um den Unternehmensbegriff – neuere Literatur rar ist. 979 Kapitel 2 D. IV. 2. 980 Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 16. 981 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck-Depenheuer, GG, Art. 14 Rn. 85 ff. 982 Vgl. Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 218; „Sechser Bericht“, 1968, S. 22, 155 ff.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

keine Schlüsse auf sachliche Mindestbefugnisse der Gesellschafter zulässt.983 Daher kann auch der Ansicht, die Gesellschafter seien „wirtschaftliche“ Eigentümer, da die juristische Person ausschließlich rechtlicher Zurechnungspunkt sei,984 nur im Hinblick auf die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 14 GG gefolgt werden.985 Was die Konstruktion der juristischen Person für die „Ordnungsmacht“ des Eigentums bedeutet, soll unten beleuchtet werden. (2) Der Gesellschafter als Teilnehmer des Kapitalmarktes Das deutsche Aktienrecht öffnet sich seit einigen Jahren mehr und mehr – dennoch deutlich später als andere Rechtsordnungen986 – den Belangen des Kapitalmarktes;987 damit einher geht das nunmehr gefestigte Verständnis des Aktionärs als Gesellschafter und Anleger. Dies gilt jedoch nicht für die Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG: Die beschränkte Innenhaftung steht im Widerspruch zum kapitalmarktrechtlichen Anliegen einer Haftungsverschärfung im Außenverhältnis.988 Insgesamt scheint es eine Wandlung des „Aktienrechtseigentums“ zu geben, die die Bindung der Gesellschafter an die Gesellschaft lockert, sie von einer Stellung als Eigentümer noch weiter entfernt und die Binnenperspektive des Gesell983

Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 702 f. U. a. Begründung zum AktG 1965 in RegE BT-Drucks. IV/171, S. 92: „Ein Aktienrecht, das diesen Grundsätzen [der Anerkennung und dem Schutz des privaten Eigentums und der freien Verfügung über das private Eigentum] in unserer Wirtschaftsverfassung entsprechen soll, muß daher von dem wirtschaftlichen Eigentum der Aktionäre an dem auf ihren Kapitalbeiträgen beruhenden Unternehmen ausgehen“; vgl. auch MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 95; Lehmann, Das Recht der Aktiengesellschaften I, S. 227 ff.; „Sechser Bericht“, 1968, S. 22; an dieser Stelle sind Friktionen mit dem Strafrecht zu befürchten, sofern mit dem „wirtschaftlichen“ Eigentum nicht lediglich auf das verfassungsrechtliche Eigentum verwiesen werden soll: Die ganz herrschende Meinung im Strafrecht lehnt die wirtschaftliche Betrachtungsweise ab und kommt daher zu dem Ergebnis, dass selbst der Ein-Mann-Gesellschafter bzw. die einverständlich handelnden Gesellschafter Untreue zulasten seiner bzw. ihrer Kapitalgesellschaft begehen könne(n). 985 Vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 199. 986 Dies ist nach Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 477, auf die Tatsache zurückzuführen, dass die „Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer, Landwirte und Beamten“ bis zum Zweiten Weltkrieg schlicht nichts anzulegen hatte und die Alters-, Kranken- und Invalidenfürsorge vom Staat gesichert wurde; hinzu kommt, dass dem Anleger eine große Eigenverantwortung auferlegt wurde, vgl. nur RGZ 111, 26, 30: „Wer Aktien erwirbt, hat sich den für die Aktiengesellschaften bestehenden Vorschriften anzupassen; wer das nicht kann oder will, soll dem Aktienverkehr fernbleiben; für ihn paßt eine Vermögensanlage in Aktien nicht.“ 987 Vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 36; Begr. RegE KonTraG BTDrucks. 13/9712, S. 11 f. 988 Vgl. etwa die Ansätze Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz, KapitalanlegerMusterverfahrensgesetz; zum Ganzen Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 49 f. 984

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schafts- und Aktienrechts verlässt. Wiedemann hebt den geänderten Blickwinkel des Anlegers in Publikumsgesellschaften („von der Mitgliedschaft zu Vermögensanlage“) insbesondere anhand der Vorschriften über Auskunftsrechte, Umgestaltung der Depotstimmrechte der Banken (§ 136 AktG), das Abfindungsrecht (§ 305 AktG) und den Jahresabschluss hervor.989 Bei Fragen der Abfindungshöhe für Aktionäre haben sowohl das BVerfG als auch der BGH darauf abgestellt, dass sich diese nicht (lediglich) am „wahren“ Unternehmenswert orientieren dürfe. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass das Aktieneigentum durch die Verkehrsfähigkeit geprägt sei, mithin der Wert auch durch den Marktwert (etwa: Börsenkurs) bestimmt werde.990 Bei der Entscheidung über ein reguläres Delisting sind nach dem BGH ebenfalls der Verkehrswert der Aktie und die Möglichkeit der Realisierung maßgeblich, beides gehöre zum Aktieneigentum und mitgliedschaftlichen Vermögenswert (dessen Schutz i. Ü. der Hauptversammlung und nicht dem Vorstand obliege).991 Auch die §§ 327a ff. AktG sprechen dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass bei derartig schmalen Beteiligungen kein unternehmerisches, sondern lediglich ein Kapitalbeteiligungsinteresse vorhanden ist.992 bb) Eingriff und Inhaltsbestimmung Ob ein Eingriff in das verfassungsrechtlich verbürgte Eigentum bei einem pluralistischen Verständnis des Aktienrechts zu befürchten ist, lässt sich anhand der Mitbestimmungsdiskussion illustrieren. Das Meinungsspektrum kann nur anhand einiger ausgewählter Beiträge dargestellt werden: Huber greift die Frage auf, ob überhaupt ein Eingriff vorliege: „Durch die Einführung eines wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts wird die Eigentümerstellung des Unternehmers, bei Kapitalgesellschaften die der Anteilseigner, unmittelbar berührt.“ 993 Nach Flume ist die paritätische Mitbestimmung zwar bei Personengesellschaften ein Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Eigentum. Im Falle der juristischen Person sei es hingegen nur der Regelung der Organisation der juristischen Person zuzurechnen.994 Es sei demnach auch legitim, die Tätigen in die Willensbildung mit 989

Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 476 ff. BVerfGE 100, 289 – DAT/Altana; BGHZ 147, 108, 115 ff. – DAT/Altana. 991 BGHZ 153, 47, 55 – Macrotron; daraus, dass dem Vorstand die Kompetenz zu den Verkehrswert beeinträchtigenden Entscheidungen so partiell entzogen wird, folgert Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 437, eine Hinwendung zum Prinzip der Marktwertmaximierung: „Zugespitzt formuliert ist die Verfolgung des Shareholder Value bei börsennotierten Aktien nach der Macrotron-Entscheidung nicht mehr nur erlaubt, sondern sogar das Gebot des Aktienrechts.“ 992 Krause, StV 2006, 307, 311. 993 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 572. 994 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 22. 990

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einzubeziehen; 995 aus der Mitgliedschaft müsse für die Anteilseigner dennoch eine „vermögensmäßige Eigenberechtigung“ gewährleistet bleiben.996 Folgt man dem „Sechser Bericht“, so hat sich der Eigentümer selbst „enteignet“. Mit dem unternehmerischen Einsatz gehe ein Akt der Veränderung des Eigentums einher, den der Eigentümer selbst vollziehe:997 „Unsere Eigentumsordnung wird durch die gesetzliche Einführung einer pluralistischen Unternehmensverfassung für die großen Unternehmen nicht berührt.“ 998 Nach Ballerstedt ist die gesetzliche Mitbestimmung ausschließlich Ausdruck einer Inhaltbestimmung des Eigentums und nicht etwa enteignender Eingriff des Gesetzgebers.999 Andere halten den Eingriff in das Eigentumsrecht für durch Art. 15 GG gerechtfertigt.1000 Im sog. „Feldmühle-Urteil“ weist das BVerfG darauf hin, dass der Gesetzgeber bei Ausgestaltung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht nur die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums zu berücksichtigen habe, sondern ebenso alle übrigen Verfassungsnormen wie den Gleichheitssatz, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, sowie das Prinzip der Rechts- und Sozialstaatlichkeit.1001 Bereits an dieser Stelle klingt an, dass das Vorliegen eines Eingriffs oder einer Inhaltsbestimmung vom Verständnis der Prägung des Eigentums der juristischen Person vorbestimmt ist. cc) Sozialpflichtigkeit Die Ansicht, dass unternehmerisch gebundenes Eigentum einer verstärkten Sozialpflichtigkeit unterliegt, lässt sich in der Zeit zwischen den Weltkriegen verorten.1002 Die Sozialpflichtigkeit wird durch das Mitbestimmungsurteil des BVerfG bestätigt, ist aber auch heute wieder „gängig“ 1003. 995

Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 24. Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 26. 997 „Sechser Bericht“, 1968, S. 164; daraus erklärt sich auch, dass etwa der Bezugsrechtsausschluss zumeist sogar ohne Erwähnung des Art. 14 GG abgehandelt wird, vgl. BGHZ 125, 239 – Deutsche Bank. 998 „Sechser Bericht“, 1968, S. 169. 999 Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 80. 1000 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck-Depenheuer, GG, Art. 15 Rn. 24. 1001 BVerfGE 14, 263 ff. 1002 Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 138; interessant auch Ballerstedt, JZ 1951, 486, 489, der die Sozialverbindlichkeit des Eigentums als Versuch interpretiert, den „Dingcharakter“ des Eigentums zu relativieren. 1003 Etwa KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 32; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werderv. Werder, DCGK, Rn. 355; Westermann, ZIP 1990, 771, 773, der darauf hinweist, dass selbst bei einer Ablehnung der Anwendung des Art. 14 GG jedenfalls unbestreitbar sei, dass der Unternehmensleiter unternehmerische Entscheidungen mit Rücksicht auf die Einbindung des Unternehmens in gesellschaftliche Interdependenzen behandeln müsse. 996

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Es verwundert nicht, dass gerade Vertreter einer pluralistischen Unternehmenskonzeption auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums verweisen: Oppikofer hat aufgrund der Wandlung des Unternehmens zum Großunternehmen, das diverse Interessen tangiert, vorhergesagt, dass das „römische Eigentum als absolutes Herrschaftsrecht von verschiedensten Gemeinschaftsinteressen geschmälert werden wird“ 1004. Raiser postuliert gar, gerade die Figur der Mitgliedschaft, die an die Stelle des Eigentums getreten sei, bringe unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Rechte der Gesellschafter zugunsten des Unternehmens stärker beschnitten werden könnten.1005 Er interpretiert die Sozialbindung des Eigentums insofern organisationssoziologisch: „Der Eigentümer eines Vermögenswertes, den er einer Organisation zur Verfügung gestellt hat, ist verpflichtet, mit ihm so zu verfahren, wie es der Zweck und die Aufgabe der Organisation fordern, und darf die anderen Mitglieder der Organisation nicht von der funktionsgerechten Einwirkung auf den Gegenstand ausschließen“. Der Aussagegehalt des § 903 BGB kehre sich so um.1006 Die Eigentumsordnung soll die pluralistische Ausgestaltung nicht hindern: Der Eigentumsschutz sei durch das Sozialstaatsprinzip, die Sozialbindung des Eigentums und die Grundrechte anderer ohnehin relativiert.1007 Netter sieht die Verfügungsfreiheit der Kapitaleigentümer auf der einen Seite durch Art. 153 III WRV1008 und des Weiteren aufgrund der besonderen volkswirtschaftlichen und politischen Bedeutung des Eigentums eingeschränkt.1009 Der Unternehmer werde mehr und mehr zum Treuhänder der Gesamtheit. Dies müsse dazu führen, dass der Gewinntrieb und die Rentabilität an Bedeutung für die wirtschaftliche Betätigung verlören und das Interesse der Gesamtheit entscheidende Mitbestimmung auf die privatwirtschaftliche Initiative fordere:1010 „Die Freiheit des Entschlusses besteht grundsätzlich für den Kapitalisten in der Frage, ob und welchen Teil seines Kapitaleigentums er durch die Beteiligung an einer A. G. einem gemeinschaftlichen Zweck, nämlich eben dem Gegenstand des Unternehmens, widmet. Hat er diesen Entschluß aber getroffen, ist ein neues Wirtschaftsobjekt durch die A. G. entstanden [. . .], so folgt dieser neue Rechtsträger nicht mehr ausschließlich den Geboten des privaten Eigentümers, der Kapitalisten, sondern weithin eigenen Gesetzen. Er wird nicht mehr ausschließlich von dem privaten Interesse der Aktionäre, sondern weitgehend von dem wirtschaftlichen Interesse der Gesamtheit in seiner Lebensbetätigung bestimmt.“ 1011 1004

Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 118. Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 17. 1006 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 148. 1007 Raiser, ZRP 1981, 30, 34. 1008 „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll Dienst sein am gemeinen Besten.“ 1009 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 533. 1010 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 533. 1011 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 534; ebenso der „Sechser Bericht“, 1968, S. 169: „Wenn er aber widmet, muß er sich darüber klar sein, daß er die bisher für ihn maßge1005

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Dreher ist der Ansicht, dass die Gemeinwohlbindung nicht fortwirke, sondern vielmehr bereits mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes eine „Allgemeine Richtlinienbestimmung ähnlichen Inhalts“ für sämtliche Unternehmen an ihre Stelle getreten sei. Diese Bestimmung finde ihre Wurzeln in Art. 14 Abs. 1 GG, nach dem Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll, sowie aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG.1012 Dreher zieht daraus den Schluss, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft die Belange der Allgemeinheit und der Arbeitnehmer berücksichtigen müsse.1013 Ballerstedt versteht die Eigentumsverpflichtung als Korrelat der sozialen Macht, die der Eigentümer mit der Investition erstrebe; der Eigentümer mache, indem er sein Eigentum in das Unternehmen einbringe, in bestimmter Weise von seinem Freiheitsrecht Gebrauch und sei insoweit nicht mehr frei.1014 Ballerstedt spricht plastisch von einer „Widmung“ des Eigentums:1015 Nutze der Eigentümer das Eigentum alleine, so stehe ihm die Art der Nutzung im Rahmen des § 903 BGB frei. Bringe er sein Eigentum jedoch im Rahmen dieser Freiheit in ein Unternehmen ein, so unterliege es weitergehenden Schranken. Auch der Ausschuss I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags hat in einem Atemzug mit der Grundlage Eigentum des „Unternehmens“ die soziale Bindung hervorgehoben, der das Eigentum unterliege und so bestimmte Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern sowie der Öffentlichkeit nach sich ziehe.1016 Für Baas übernimmt Art. 14 GG neben Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG die Funktion des früheren Octroisystems und des § 70 AktG 19371017: die Bindung an das Gemeinwohl. Die limitierende Funktion der Gemeinwohlbindung führe dazu, dass ein Freiraum für den Vorstand geschaffen werde, innerhalb dessen er erwerbswirtschaftliche Maßnahmen beschränken oder unterlassen dürfe.1018 Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die Eigentumsgarantie mit dem pluralistischen oder monistischen Ausgangspunkt des jeweiligen Ansatzes relativiert. Dies beginnt bei der Frage, ob überhaupt ein Eingriff vorliegt, und reicht bis zu bende Eigentumsordnung verlässt und sich in eine andere, gesellschaftspolitisch höhere Ordnung, die Unternehmensordnung, begibt.“ 1012 Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 356. 1013 Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 356. 1014 Ballerstedt, JZ 1951, 486, 491; ähnlich Kunze, Marburger Gespräch, S. 88. 1015 Ballerstedt, JZ 1951, 489 f. 1016 Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 16. 1017 Baas, Leitungsmacht, S. 52 ff., 75 ff., 79 ff., 85 ff., 153 ff.; ähnlich: Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 82; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 7; Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 138. 1018 Baas, Leitungsmacht, S. 152 ff.

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den Ausmaßen der Sozialpflichtigkeit. Insofern scheint die Frage der präferierten Konzeption nicht nur dem Aktienrecht im engeren Sinne, sondern auch dem Art. 14 GG vorgelagert zu sein. Ggf. kann ein Fixpunkt bei der Ausprägung des Eigentums als Ordnungsmacht gefunden werden. b) Eigentum als Ordnungsmacht Insbesondere Nell-Breuning thematisiert in vielfältigen Beiträgen die Funktion und die Bedeutung von Eigentum aus Sicht der „Christlichen Soziallehre“ erörtert. Er hebt hervor, dass Eigentum Macht bedeuten könne, daneben aber auch „ohnmächtiges“ Eigentum denkbar sei.1019 Um die momentane Bedeutung des Eigentums in Großunternehmen (Publikumsgesellschaften) nachvollziehen zu können, ist ein Blick auf die Wandlung der „Ordnungsmacht“ des Eigentums unverzichtbar. Zumindest in früheren Zeiten herrschte die Auffassung vor, in Unternehmen dominiere die „Macht des Kapitals“.1020 Diese Vorstellung gründet sich – vereinfacht gesagt – vor allem auf das früher prägende Bild der „Ein-Mann-Gesellschaft“; diese beschreibt Nell-Breuning plastisch wie folgt: „Ein Mann, wir nennen ihn etwas voreilig ,Unternehmer‘, hat einen ,Betrieb‘, womit wir sagen wollen: Er ist Eigentümer der sachlichen Betriebs- oder Produktionsmittel, der Gebäude, Geräte, Maschinen, Materialien usw. [. . .] ,Unternehmen‘ ist zunächst das, was dieser Mann, den wir Unternehmer nannten, unternimmt – er allein, selbstverständlich in seinem eigenen Namen und auf seine Rechnung und Gefahr; wie könnte es anders sein?“ 1021 In diesem dargelegten Fall verhielte es sich sicherlich so, dass „die Macht im Raum der Wirtschaft mit dem Eigentum an den Produktionsmitteln verknüpft war“ 1022. Nach Nell-Breuning ist der Gedanke, dass das Unternehmen 1019 Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 28. Auch Steinmann, Großunternehmen, S. 186 f., weist auf den Machtverlust des Eigentums, jedoch unter anderem Blickwinkel, hin: In der überkommenen Unternehmensordnung konnte das Eigentum nur unter der Prämisse eines machtfreien Raums Legitimationskraft entfalten. Da alle sonstigen Interessen nach damaliger Auffassung über den Wettbewerb ausgeglichen werden konnten, reichte eine interessenmonistische Legitimation aus. Mit der Widerlegung der Machtfreiheit habe das Eigentum seine Legitimation verloren. Überhaupt sei die richtige Frage nicht, welche Quelle zur Legitimation berufen sei, sondern vielmehr – zweckgerichtet – welches Legitimationsverfahren Schutz gegen Machtmissbrauch biete; vgl. zum Legitimationsverlust des Eigentums auch Steinmann/Schreyögg, Management, S. 101; wenn Vogt, Sozialverband, S. 80, davon ausgeht, der Leiter eines Unternehmens sei in jedem Falle von der Institution des Privateigentums direkt oder indirekt abhängig, so ist damit noch nichts über die Legitimation gesagt. 1020 Vgl. Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 39. 1021 Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 40 f. 1022 Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 39; Nell-Breuning Referat, Fünftes Europäisches Gespräch, 1956, S. 188, 191.

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bei dem Mann anfange, der sein Eigentum unternehmerisch einsetze, überholt.1023 Auch Raiser beschreibt den „Normalfall“ der Zeit, der im 19. Jahrhundert den Grundstein auch für das heutige Handelsrecht legte, in der Weise, dass der Eigentümer-Unternehmer „König“ seines Unternehmens (mittelgroßer Fabriken und Handelshäuser) war. Der Eigentümer sei in der Lage gewesen, die Fäden „in der Hand zu behalten“. Arbeiter besaßen noch keinen Einfluss und – was für die hiesige Untersuchung als besonders relevant zu gelten hat – die Kapitalgesellschaften waren noch unterrepräsentiert. Erst die technische Revolution, die eine Vergrößerung der Unternehmen erforderlich machte, lenkte den Blick mehr auf die Kapitalgesellschaften. 1024 Dieser damalige „Normalfall“ wird jedoch – was sowohl Nell-Breuning als auch Raiser erkennen – den Gegebenheiten in Großunternehmen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht: aa) Trennung des Eigentums von der Leitungsmacht Die zur Zeit der industriellen Revolution in Deutschland seit 1850 aufblühenden Industrieunternehmen gewannen an Größe, Konzentration, und die Aktiengesellschaften an Zahl.1025 Bereits Klein und Rathenau wiesen auf die veränderte Zusammensetzung der Aktionäre hin.1026 Die mit dem persönlichen Eigentum verbundene Macht hat sich im Zuge dessen vom einzelnen Aktionär getrennt1027 und ist auf Personen übergegangen, die zwar mittels Eigentum, das aber nicht das Ihrige ist, Macht ausüben.1028 M. a.W.: Eigentum verleiht trotz dieser Wandlung 1023 Vgl. Nell-Breuning, Arbeiterschaft und Management, S. 275, 277; so auch der „Sechser Bericht“, 1968, S. 164 f., der dies insbesondere mit der vergleichbaren Lage des Zusammenschlusses von Eigentümern und selbständig Beschäftigten – hier keine Leitungsbefugnis des Eigentümers – und mit Arbeitnehmern untermauert. 1024 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 86 f. 1025 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 12; Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 26 f. 1026 Klein, Entwicklungen, S. 11 ff., unterscheidet das „Großkapital“, das in der Aktiengesellschaft das Mittel für weitausgreifende Unternehmungen sieht, und den kleinen Aktionär, der nur etwas bessere Zinsen und ansonsten viel Ruhe und wenig Wagnis wolle; Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 16, 26 ff., der den anlegenden Aktionär, der eine angemessene Verzinsung erwartet, von dem spekulativen Aktionär, der eine Kurssteigerung präferiert, unterscheidet. 1027 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 87 f., der ausdrücklich annimmt, die Zeiten seien vorbei, in denen auf das Gedankengut des 19. Jahrhunderts rekurriert werden könnte, die herrschende Lehre habe ihre Voraussetzungen verloren. 1028 Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 53; Raiser, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 203, 213. Auch nach dem „Sechser Bericht“, 1968, S. 163, 167, ist es lediglich Zufall, wenn Leitungsmacht und Eigentum zusammenfielen, denn die Rechtsgrundlage der Leitungsbefugnis sei nicht das Eigentum, sondern der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung.

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Macht durch Verfügungsgewalt, jedoch nicht an die „Eigentümer“: 1029 Das Eigentum im eigentlichen Sinne, nämlich die „rechtliche Befugnis des Eigentümers, über das, was er sein eigen nennt, zu verfügen und dadurch gesellschaftliche Macht auszuüben“, ist „entfunktionalisiert“ und „entmachtet“ worden.1030 Die breite Streuung des Eigentums könne dazu beitragen, dass Macht dem NichtEigentümer zugespielt werde.1031 Die Umbrüche dieser Zeit werden vor allem in den Schriften Sombarts) und Naphtalis deutlich. Die Bedeutung der entwickelten Organisation hebt beispielsweise Naphtali hervor: „Je fortgeschrittener, je ausgedehnter, je mächtiger die Organisationen sind, die die Wirtschaftsführung im modernen Kapitalismus bestimmen [. . .], desto notwendiger wächst ihr wirtschaftliches Handeln aus der Sphäre des Privaten heraus und wird zur Gemeinschaftssache“1032. Auch die Verfechtung der „Wirtschaftsdemokratie“, die die „Unterordnung jeder wirtschaftlichen Tätigkeit unter die Interessen der Allgemeinheit“ fordert, geht auf Naphtali zurück.1033 Ist die Verbindung zwischen Leitung und Eigentum gekappt, so führt dies zu der Frage, wie sich die Leitungsfunktion, namentlich die des Vorstands, zu legitimieren vermag. Nell-Breuning bezieht sich zur Klärung der Frage auch auf einen Artikel der Zeitschrift „Fortune“ mit dem Titel „What is management’s right to manage?“. Dessen Quintessenz, dass Quelle der Weisungsbefugnisse des Managements gegenüber der Belegschaft ausschließlich die kollektiv mit ihm kontrahierende Belegschaft selbst ist, stimmt er zu.1034 Nach Nell-Breuning ist es nicht einzusehen, warum bei einem solchen Unternehmen die Willensbildung beim Eigentümer allein liegen soll und die Arbeitskräfte lediglich als Objekt erschei1029

Nell-Breuning Referat, Fünftes Europäisches Gespräch, 1956, S. 188, 199. Nell-Breuning Referat, Fünftes Europäisches Gespräch, 1956, S. 188, 196, 198. 1031 Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 65; insbesondere bei einer breiten Streuung der Gesellschaftsanteile haben die Gesellschaftsmitglieder nur noch geringen Einfluss auf das Unternehmen und müssen die Unternehmensführung der Verwaltung überlassen; vgl. auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 181, der dies als Zeichen des zunehmenden Anstaltseinschlags deutet. 1032 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, 1928, S. 28. 1033 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 24; nach Naphtali hat die Wirtschaftsdemokratie drei Kernpunkte: Sie gründe auf die Notwendigkeit des Klassenkampfes bis zur Überwindung des Kapitalismus durch Sozialisierung, d. h. Wirtschaftsdemokratie und Kapitalismus seien unvereinbare Gegensätze; sie gründe auf der Beseitigung des Privateigentums von Produktivvermögen; sie beinhalte deduziertes Misstrauen in die Wahrnehmung der Unternehmerfunktion durch Privatpersonen. Ein wesentlich weiteres Verständnis von der Wirtschaftsdemokratisierung hat Biedenkopf, Mitbestimmung, S. 133, wenn er darunter versteht, „daß sich die Verfassung der Wirtschaft als Organisation zweckrationaler Vorgänge an bestimmten, in den Grundrechten der Sozialpflichtigkeit der Rechtssituation und in allen Rechtseinschränkungen enthaltenen Wertvorstellungen orientieren muß“. Vogt, Sozialverband, S. 349, versteht unter Demokratisierung das Ausgehen der Herrschaft von allen Mitgliedern eines Sozialverbandes. 1034 Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 45. 1030

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nen.1035 Bei den früheren Ein-Mann- und Familienbetrieben wäre es sinnvoll gewesen, das Unternehmen vom Eigentum her zu systematisieren und zu ordnen. Mit der Wahrnehmung dieser Funktion sei das Eigentum in den „heutigen anonymen kapitalgesellschaftlichen Großunternehmen“ überfordert.1036 Die „moderne“ Herangehensweise an das Problem der Trennung von Eigentum und Leitung ist die „Prinzipal-Agent-Theorie“. Da die Trennung der Leitungsmacht vom Eigentum nur ihr typischer Anwendungsbereich ist, in dem die Risiken des Prinzipals besonders deutlich zutage treten, dies aber mit dem Rechtsinstitut „Eigentum“ selbst wenig zu tun hat, soll sie an dieser Stelle noch nicht ausführlich beleuchtet werden.1037

bb) Trennung des Eigentums von der natürlichen Person Das Eigentum hat sich zudem von der natürlichen Person getrennt; das Verfügungsrecht, das sich aus der Einbringung von Eigentum in die juristische Person ergeben, verflüchtigt sich: Besondere Aufmerksamkeit muss zudem der Konstruktion der juristischen Person geschenkt werden, denn diese ist Eigentümerin im Rechtssinne1038 (dies wird auch bei der Strafbarkeitsbeurteilung eines Gesellschafters einer als juristische Person verfassten Kapitalgesellschaft wegen Untreue zugrunde gelegt, da nur so das Vermögen der Aktiengesellschaft auch für den Alleinaktionär taugliches Tatobjekt ist), und es ist ein Zusammenhang zwischen Machtverlust der Eigentümer und der Konzeption der Kapitalgesellschaft zu vermuten.1039 Der Eigentumscharakter der Rechtsmacht der Aktionäre wurde zu retten versucht, indem die Eigentumsbefugnisse aufgeteilt wurden: Der juristischen Person wurde die Rechtsträgerschaft zugeschrieben, den Aktionären die anteilsmäßige Teilhabe am Vermögen als Ganzem.1040 Savigny, der bei seiner ursprünglichen Konzeption der juristischen Person noch keine Aktiengesellschaften berücksichtigt, diese vielmehr erst 13 Jahre nach der Veröffentlichung der Lehre von der juristischen Person im 1853 erschienen „Obligationenrecht II“ in den Blick nimmt, sieht Aktien in ambivalenter Funktion: Sie vermittelten den Aktionären entweder eine Stellung als Miteigentümer oder als Gläubiger bzw. Nutzungsberechtigte, wobei dann die Corporation als Eigentümer angesehen werden müsse. In jedem Falle trete neben die juristische Person 1035

Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 46. Nell-Breuning Hauptreferat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 25, 50; auf die Aktualität des Auseinanderfallens von Vermögensinhaberschaft und Verfügungsmacht hinweisend auch BVerfGE 126, 170, 201. 1037 Dazu unten mehr, Kapitel 3 C. IV. 3. c). 1038 Nell-Breuning Referat, Fünftes Europäisches Gespräch, 1956, S. 188, 192. 1039 Nell-Breuning Referat, Fünftes Europäisches Gespräch, 1956, S. 188, 199. 1040 So insbesondere O. v. Gierke, vgl. dazu auch Fechner, Treubindungen, S. 74. 1036

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die Sozietät der Mitglieder.1041 Für die These des Miteigentums der Aktionäre wurde Art. 216 ADHGB in Anspruch genommen, der lautete: „Jeder Aktionär hat einen verhältnismäßigen Anteil an dem Vermögen der Gesellschaft“, wobei daraus teils auch abgeleitet wurde, der Aktiengesellschaft komme eine Stellung als juristische Person nicht zu.1042 Diese Ansicht ist in mehrfacher Hinsicht überholt: Die Aktiengesellschaft wird einhellig als juristische Person angesehen. Dieser wird das Eigentum zugeordnet, an dem die einzelnen Mitglieder nur einen geldwerten Anteil hätten.1043 Dementsprechend wandelt sich das ursprüngliche Eigentum mit dem Einbringen in die Kapitalgesellschaft: 1044 Der frühere sachenrechtliche Eigentümer wird zum Vermögensinhaber1045 mit Mitgliedschaftsrechten.1046 Die Mitgliedschaftsrechte sind in den Publikumsgesellschaften meistens wertlos, da sich die Aktionäre dessen häufig kaum bewusst sind,1047 sodass die 1041 Vgl. Savigny, Obligationenrecht II, S. 113 Fn (f1); aufschlussreich zur Bedeutung der Lehre Savignys für die Theorie der juristischen Person insbesondere Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I 2, S. 5 ff.; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5 ff. 1042 Thöl, Handelsrecht I § 121. 1043 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 12. 1044 Vgl. Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 195, der insofern von „mittelbarem Eigentum“ spricht; vgl. auch O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S. 306 ff., 318 ff., und O. v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S. 21, der das Anteilsrecht an einer Kapitalgesellschaft als besondere Art des Eigentums ansieht und es als schädlichen „Irrthum“ bezeichnet, dass „das Eigenthum überall sich selbst gleich und von der Natur seines Gegenstandes vollkommen unabhängig sei“ – für v. Gierke war insbesondere die Einsicht prägend, dass der „Societas“ unabhängig von ihrer Rechtsform wesentliche verbandsmäßige Elemente eigen seien; nach Rittner, Die Funktion des Eigentums im modernen Gesellschaftsrecht, S. 10, verändere das Eigentum mit Einbringung in ein Unternehmen seinen Aggregatzustand, in dem die ursprüngliche Funktion von einer erhöht sozialgebundenen Funktion überlagert werde, seinen Inhalt im Kern aber nicht verändere; vgl. auch „Sechser Bericht“, 1968, S. 164; Ballerstedt, JZ 1951, 486, 490. 1045 Vgl. Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 220; Rittner, Die Funktion des Eigentums im modernen Gesellschaftsrecht, S. 22, hält den Eigentumsbegriff für ungeeignet für das moderne Gesellschaftsrecht; Fehr, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 47 (1928), S. 4, 117, fordert für das Unternehmen als Organisation gar einen ganz neuen Eigentumsbegriff: Das organisierte Eigentum sei ein besonderes Eigentum, bei dem es weniger darauf ankomme, wem es gehöre, als welche sozialen und wirtschaftlichen Energien es ausstrahle. 1046 Vgl. Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 221; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 147; Matsuda, ZHR 96 (1931), 239, 251, 256 ff., sieht die Aktie nicht einmal als Anknüpfungspunkt für die Mitgliedschaft, in der Aktie seien nur Ansprüche gegen die Gesellschaft verkörpert; Mitgliedschaftsrechte würden ausschließlich durch die Satzung gewährleistet. 1047 Eine Verflüchtigung des „Eigentums“ der Anteilseigner wird aus rechtssoziologischen Gesichtspunkten hergeleitet, die insbesondere den Klein-, Minderheits- und Gelegenheitsaktionär betreffen. Dessen Interesse reiche über die Höhe des Dividendensatzes und – soweit die Gesellschaft börsennotiert ist – über die Entwicklung des Börsenkurses nicht hinaus, vgl. Schilling, Bericht des Ausschusses II der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 63, 64. Das mangelnde Interesse und die man-

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Aktie zum Wertpapier wird.1048 Die „juristische Person“ stellt eine Sondervermögensordnung dar, bei der der Grad der Verselbständigung gegenüber den Mitgliedern besonders ausgeprägt ist.1049 Wieacker hebt denn auch hervor, dass die juristische Person eine Form der Zuordnung von Gegenständen, Vermögen und Vermögenslagen an Personenmehrheiten darstellt.1050 Nach Wiedemann wird ein organisiertes Sondervermögen durch die Verleihung der Rechtsfähigkeit selbständiger, von Mitgliedern unabhängiger Träger von Rechten und Pflichten.1051 Dieses Sondervermögen bedarf mindestens eines Vertretungsorgans. Das Handeln der Verwaltung bzw. des Organs habe „im Interesse des Sondervermögens“ zu erfolgen.1052 Was aber liegt im „Interesse des Sondervermögens“? Auch dies wird wiederum abhängig vom jeweiligen, mehr pluralistisch oder monistisch geprägten Verständnis beantwortet: An dieser Stelle sei nur auf Wiedemann verwiesen, nach dem die Personifikation des Sondervermögens kein Selbstzweck ist.1053 Vielmehr solle mit dem Sondervermögen der Verbandszweck erreicht werden,1054 der nach seiner Ansicht erwerbswirtschaftlich, anhand der Interessen der Kapitaleigner ausgerichtet sei. Die Zirkularität der Argumentationen wird wiederum deutlich: Steht das Sondervermögen in einem Mittelverhältnis zum „Zweck“, so relativiert sich dieser mit monistischem bzw. pluralistischem Verständnis. Am Rande ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Der ökonomische und rechtliche Einfluss des Faktors Arbeit hat sich seit dem 19. Jahrhundert außerordentlich verstärkt.1055 Ballerstedt konstatiert daher, dass – erkenne man ein „Recht aus Arbeit“ an1056 – die Eigentümer der sachlichen Produktionsmittel die Wertschöp-

gelnde Urteilsfähigkeit manifestierten sich insbesondere in der Übertragung der Verwaltung des Mitgliedschaftsrechts auf Bankenvertreter. Diese Entwicklung stehe in krassem Widerspruch zu dem gesteigerten Interesse des Arbeitnehmers, der „einen großen Teil seiner Lebenskraft in langen Dienstjahren dem Unternehmen zugewandt“ habe, vgl. Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 21. 1048 So insbesondere Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 222; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 22, sieht daher in der Eigentumsthese nach dem deutschen Recht einen Anachronismus, der insbesondere auf der bereits von Savigny zurückgewiesen Gleichsetzung der juristischen Person mit den Mitgliedern basiere, sog. Identitätsthese: Nach Savigny, System II, S. 243, besteht das Wesen aller Corporationen darin, dass Subjekt der Rechte nicht die Mitglieder, sondern das Ideale Ganze ist. 1049 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 9. 1050 Wieacker FS Huber, 1973, S. 339, 347. 1051 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 196. 1052 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 197. 1053 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 200. 1054 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 18. 1055 Raiser, ZRP 1981, 30, 32. 1056 Darauf baut er die Forderung nach Mitbestimmung auf.

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fung im Unternehmen nicht mehr für sich alleine in Anspruch nehmen könnten; vielmehr müssten sie zugestehen, dass nur in Verbindung mit Arbeitsleistungen Werte geschaffen werden könnten.1057 Mit diesen Äußerungen ist ausdrücklich die Frage angeschnitten, in welchem Verhältnis Kapital bzw. Eigentum und Arbeit stehen. Böhm beleuchtet die Frage, ob der Gesetzgeber des bürgerlichen Rechts eine Bevorzugung des Eigentums vor der Arbeit betrieben hat.1058 Im Ergebnis verneint er dies.1059 Die Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers gegenüber dem Eigentümer vermittle eine entscheidende Verstärkung des Schutzes.1060 Ein Vorrang von Kapital vor Arbeit sei lediglich de facto als Reflex der Einführung der Gewerbefreiheit eingetreten;1061 der Unternehmer leite sein Recht zum Aufbau eines Unternehmens und zur Investition von Kapital nicht aus seinem Eigentum ab, sondern aus der Privatautonomie.1062 Diese käme ausschließlich dem besitzenden Teil der Bevölkerung zugute, da sie Vermögen voraussetze:1063 Aufgabe des Unternehmers sei es, Kapitalien und Arbeitskräfte zu kombinieren.1064 Für diese Aufgabe benötigt er Vermögen, um weitere Verträge schließen zu können. Die typische Konstellation war in der Vergangenheit dadurch geprägt, dass der „Unternehmer“ das Vermögen selbst aufbrachte, um dann Verträge zu schließen. Es handelt sich mithin um einen faktischen, nicht um einen normativen Vorrang.1065 Die Aufgabe der Kombination der Produktionsfaktoren gehe jedoch zunehmend auf Organpersonen der Gesellschaft über; diese würden ihre Befugnis jedenfalls typischerweise nicht aus einer Beteiligung ableiten.1066 Der „Ressourcenansatz“ ist wiederum eine moderne Ausprägung des Zusammenspiels von Arbeit und Kapital. Nach diesem Ansatz sollen die Steuerungsrechte nach dem Einbringen von Ressourcen in das Unternehmen verteilt werden. Lange Zeit stand auch dort das Eigentum im Mittelpunkt der Betrachtung, ganz nach dem Grundsatz: „Wer zahlt, schafft an“. Den Gewerkschaften ist es zu verdanken, dass

1057 Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 194; vgl. auch Ballerstedt, JZ 1951, 486, 488. 1058 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11. 1059 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 22. 1060 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 16. 1061 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 35. 1062 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 19, 24. 1063 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 24. 1064 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 27. 1065 Nach Nell-Breuning, Streit um Mitbestimmung, S. 15 f., liegt bei denjenigen Autoren, die das Privateigentum für die Legitimationsgrundlage unternehmerischer Tätigkeit halten, eine Gleichsetzung zweier Kategorien, die jedoch strikt zu unterscheiden seien, vor: Die Erfolgsgrundlage für eine Tätigkeit ist demnach nicht zugleich ihre Legitimation. 1066 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 29.

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neben dem Privateigentum auch die Einbringung von Arbeitskraft berücksichtigungsfähig wurde.1067

Die „Macht des Eigentums“ in Publikumskapitalgesellschaften löst sich durch ihre spezifischen Entwicklungen auf.1068 Befindet sich die Legitimationsgrundlage einer Ordnungsmacht gerade aufgrund der Strukturen des Systems, in dem sie wirken soll, in der Auflösung, so muss das Gleiche für die Ordnungsmacht selbst gelten.1069 Insgesamt ist daher festzustellen, dass die Legitimation durch das Eigentum nicht weit trägt. c) Zwischenergebnis: Eigentum Das Eigentum der Gesellschafter ist durch die Konstruktion der juristischen Person mediatisiert. Ohnehin ist „Eigentum“ ein rechtlich vorgeformter Begriff. Was ein Innehaben des Eigentums bei einer natürlichen Person ausmacht, ist dennoch in Normalfällen leicht greifbar. Die Rechtsposition „Eigentum“ kann zwar auch einer juristischen Person zukommen. Zu einer natürlichen Person bestehen jedoch relevante Unterschiede: Die natürliche Person hat originäre, durch sie selbst artikulierbare Interessen. Sie kann über Eigentum grundsätzlich frei verfügen und es – in den verfassungsrechtlichen Grenzen – in ihren Dienst stellen. Die juristische Person hingegen befindet sich von vornherein in einem engen, zivil-, gesellschafts- und hier aktienrechtlichen Korsett. Die Aktiengesellschaft ist selbst eine Schöpfung des Aktienrechts.1070 Was das Eigentum für Rechte und Pflichten vermittelt, kann daher auch nur in diesem (aktienrechtlichen) System ermittelt werden. Insofern ist es auch weniger das Problem, dass mit Schwächung des Eigentums auch die Legitimation des Managements schwindet1071 – das Eigentum besteht bei der juristischen Person ja durchaus fort. Die Problematik liegt vielmehr in der Systemabhängigkeit des Eigentumsbegriffs.

1067 Vgl. Teubner, ZGR 1983, 34, 37 f., der zu Recht auf das Paradoxon hinweist, dass die Gewerkschaften im Hinblick auf das Privateigentum zwar den Ressourcenansatz bekämpfen, er jedoch in ihrer Argumentation bez. der Arbeitskraft weiterlebt. 1068 Ein anderer Begründungsansatz ist der, dass die Eigentumssphäre des Privatindividuums im Verlauf der kulturhistorischen Entwicklung ohnehin stetig an Umfang einbüße, vgl. Lassalle, System der erworbenen Rechte, S. 390 ff. 1069 So auch Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 222. 1070 Dies führt auch dazu, dass alle Organe durch Art. 14 GG einer „Gemeinwohlbindung“ unterliegen sollen, vgl. dazu Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 82; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 7; Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 138. 1071 So Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 196 ff. Ballerstedt geht sogar so weit, ein Alleinbestimmungsrecht aus Arbeit über das Unternehmen in Betracht zu ziehen, verneint dies aber letztlich.

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Dass sich insofern das verfassungsrechtlich verbürgte Eigentum als in gewisser Weise aktienrechtsakzessorisch anlässt, ist Folge der teilweisen Hierarchiedurchbrechung des Rechtssystems.1072 Es soll nun auf der weiteren Suche eines Fixpunktes für eine monistische oder pluralistische Konzeption das „nächste“ – nicht im Sinne eines Hierarchieverhältnisses– Organ der Aktiengesellschaft untersucht werden: der Aufsichtsrat.

IV. Aufsichtsrat Der deutlichste Legitimationsvorgang bezüglich des Vorstands ist dessen Bestellung (und als Gegenstück die Abberufung). Gemäß § 84 AktG erfolgt beides durch den Aufsichtsrat. Es soll untersucht werden, ob aus dieser abgeleiteten Legitimation Schlussfolgerungen für die Handlungsmaximen des Vorstands gezogen werden können. Dazu gehört insbesondere die Frage, ob durch die Mitbestimmungsgesetzgebung eine Modifikation dieser Handlungsmaxime erfolgt ist. 1. Bestellung des Vorstands a) Materielle Voraussetzungen der Bestellung Gegenwärtig qualifizieren sich Mitglieder des Vorstands für ihre Position durch ihren Sachverstand und ihre Führungseigenschaften (unternehmerischer Qualifikation) und nicht mehr – wie früher häufig – durch Kapitalbesitz:1073 Das hauptberufliche Management erhält seine Legitimation, entgegen des früher in der klassischen Theorie der Marktwirtschaft herrschenden Leitbildes der Einheit von Eigentum und Kontrolle, nicht mehr aus dem Eigentum an Produktionsmitteln (sofern diese je legitimationsfähig waren oder doch eher auf Koinzidenz beruhten), diese brauchen sie weder besessen zu haben, noch irgendwann zu besitzen, sondern aufgrund persönlicher Fähigkeiten.1074 Davon zeugt auch der Ansatz von Galbraith, der bezüglich der Machtverteilung in Unternehmen den Begriff der „Technostruktur“ kreiert hat und „die richtungsweisende Intelligenz – das Gehirn – des Unternehmens“ bei denen zu finden meint, die „zur Entscheidungsfindung durch die Gruppe spezielles Wissen, besondere Talente oder Erfahrungen beitragen“.1075 1072 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 9, spricht insofern unter Bezugnahme auf Hofstadt von einer „Verschleifung der Rechtsquellenhierarchie“. 1073 Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 221; Nell-Breuning FG Kronstein, 1967, S. 47, 52; „Sechser Bericht“, 1968, S. 167; Raiser, ZRP 1981, 30, 31. 1074 Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 35; gerade aus diesem Umstand rührt das insbesondere wirtschaftswissenschaftlich viel behandelte Problem des „Prinzipal-Agent-Konflikts“; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 301. 1075 Galbraith, Die moderne Industriegesellschaft, S. 88.

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b) Formelle Voraussetzungen der Bestellung Die Organpersonen leiten ihre Funktionen und Rechte daher nicht aus einer Beteiligung am Unternehmen ab, sondern zunächst allein aus ihrer Bestellung zum Mitglied des Vorstandes.1076 Die Bestellung erfolgt durch den Aufsichtsrat. Dessen Wesen wurde durch Einführung der Mitbestimmung modifiziert, zumindest was die Besetzung dieses Organs angeht: In unterschiedlichem Ausmaß hielten neben den Anteilseignerauch Arbeitnehmervertreter Einzug. Diese Veränderungen im Aufsichtsrat könnten verschiedene Konsequenzen haben: Sie könnten lediglich eine formale Modifikation der Stellung der Arbeitnehmer im Sinne von Organisationsgesetzen bedeuten1077 und ausschließlich die Informations- und Kontrollrechte der Arbeitnehmer verbessern wollen. Dies wird u. a. damit begründet, dass in der Aktiengesellschaft die Einheiten von „Interesse und Verantwortung“ bzw. „Verantwortung und Initiative“ erhalten bleiben müsse. Gemäß dieser Annahme wird weiter geschlussfolgert, dass die Willensbildung in der Aktiengesellschaft aber nur von einem Organ ausgehen müsse, das sich ausschließlich an dem erwerbswirtschaftlichen Ziel ausrichte. Eine Abhängigkeit der Willensbildung von den Arbeitnehmern würde das erwerbswirtschaftliche Prinzip essentiell treffen.1078 Es könne daher weder vom Aufsichtsrat als Unternehmensorgan gesprochen,1079 noch von einer rechtlichen Modifikation der Vorstandsstellung ausgegangen werden, auch wenn die Belange der Arbeitnehmer durch die quasi-paritätische Mitbestimmung faktisch ein größeres Gewicht erlangt hätten.1080 Die Einführung der Mitbestimmung könnte aber auch den materiellen Gehalt aufweisen, eine dualistische bzw. pluralistische Unternehmensorganisation zu konstituieren oder zu bestätigen. Diese Interpretation könnte einerseits die Pflichtenstellung des Vorstands „zugunsten“ der Arbeitnehmer verändern,1081 indem 1076 Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 29 f.; nach Großmann, Unternehmensziele, S. 174, wird im Verfahren der Bestellung die stärkste Bindung des Vorstands begründet; dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Vorstandsmitgliedern häufig zur Abschwächung des „Prinzipal-Agent-Konflikts“ Anteile verschafft werden, um sie für möglichst hohe Gewinne im Interesse der Gesellschafter zu motivieren. 1077 Großmann, Unternehmensziele, S. 232, lehnt eine materielle Veränderung der Pflichtenstellung des Vorstands schon deswegen ab, da er jegliche materielle Bindung des Vorstands überhaupt verneint; vgl. auch Martens, AG 1976, 113, 119. 1078 So ein Teil der Mitglieder des Ausschusses II der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags, vgl. Schilling, Bericht des Ausschusses II der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 63, 66; ähnlich Koch, Unternehmensinteresse, S. 154 f.; diese Äußerungen laufen Gefahr, zirkulär zu werden: Sie setzen voraus, dass der Vorstand von der Willensbildung der Anteilseigner abhängig war. 1079 Koch, Unternehmensinteresse, S. 142 f. 1080 Ulmer, Einfluss des Mitbestimmungsgesetzes, S. 36. 1081 Vgl. dazu etwa Raiser FS R. Schmidt, 1976, S. 101, 115; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 156; Semler FS Raisch, 1995, S. 291, 294 ff.

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dem Vorstand aufgegeben würde, deren Belange eingehend(er) zu berücksichtigen. Andererseits könnte man in der veränderten Zusammensetzung des Aufsichtsrats eine Störung der „Balance“ zugunsten der Arbeitnehmer sehen (auch aufgrund der zusätzlich bestehenden betrieblichen Mitbestimmung), die durch eine Pflichtstellung des Vorstands austariert werden muss, die wiederum „zugunsten“ der Anteilseigner wirkt,1082 indem ihm aufgegeben würde, deren Interessen vorrangig zu wahren. Letztendlich könnte die Mitbestimmung auch primär ein Instrument zur Wahrung des „öffentlichen Interesses“ sein, indem es auf die „Kontrolle und Transparenz der im Großunternehmen mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung angesammelten wirtschaftlichen Macht zielt“ 1083. Ein Blick auf die Regelung der Mitbestimmung lohnt sich auch deshalb, weil Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gleichen Verhaltensmaßstäben bei der Interessenwahrnehmung unterliegen, vgl. § 116 S. 1 AktG.1084 Daneben muss auch dem gewandelten Verständnis vom Aufsichtsrat Rechnung getragen werden: Längst hat er sich von einem bloßen Kontrollorgan zu einem „Diskussionspartner“ des Vorstands entwickelt, der ebenso wie jener unternehmerische Leitungsentscheidungen zu treffen hat;1085 nicht zuletzt überträgt sich der Ermessensspielraum des Vorstands auch auf die Pflichtenstellung des Aufsichtsrats.1086 Zur Diskussion tragen insbesondere auch die Arbeitnehmer mit ihren speziellen Kenntnissen bei und dienen so unmittelbar der Erzielung eines Konsenses und mittelbar der erleichterten Umsetzung.1087 2. Materieller Aussagegehalt der Mitbestimmung im Aufsichtsrat Teils wird es als Zweck der Mitbestimmungsgesetze angesehen, dass die Leitmaxime des Vorstands – dann meistens in der Gestalt des Unternehmensinteresses – durch die nahezu paritätische Mitbestimmung eine inhaltliche Veränderung 1082 Vgl. Großmann, Unternehmensziele, S. 223; vgl. zu dieser Fragestellung auch Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 620 ff., 635 ff. Nach Ansicht der Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 614, 637, dürfe eine Summierung der Arbeitnehmerrechte erst gar nicht stattfinden: Die Mitbestimmung im Betrieb und im Unternehmen fänden auf unterschiedlichen Ebenen und ohne die Möglichkeit einer Kumulation des Einflusses statt. 1083 Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 103. 1084 Vgl. Großmann, Unternehmensziele, S. 10; Koch, Unternehmensinteresse, S. 203. 1085 Vgl. dazu nur BGHZ 135, 244 ff. – ARAG/Garmenbeck; allen voran Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 23 ff., 27 f.; II., 3.2. GCCG des Berliner Initiativkreises, DB 2000, 1573, 1575; Leyens, JZ 2007, 1061, 1065, spricht von einer Aufwertung der Stellung des Aufsichtsrates seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. 1086 Eindrücklich wiederum BGHZ 135, 244 ff. – ARAG/Garmenbeck. 1087 II., 4.4. GCCG des Berliner Initiativkreises, DB 2000, 1573, 1576.

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erfahre,1088 die sich dann folgerichtig auch auf die Verantwortung des Vorstands niederschlagen müsse:1089 Nach Semler konnte der Vorstand vor Einführung der unternehmerischen Mitbestimmung als Sachwalter der Aktionäre angesehen werden; dies habe sich jedoch grundlegend geändert – die Interessen seien gleichrangig wahrzunehmen.1090 Nach Raiser hat es das Mitbestimmungsrecht mit sich gebracht, dass eine einseitige Ausrichtung der Leitungsbefugnis auf die Gesellschaft der Aktionäre als nicht mehr haltbar erscheine.1091 Die Arbeitnehmer als Mitglieder der Organisation besäßen dieselbe Anwartschaft wie die Kapitaleigner1092 und seien wie diese in einem relativ selbständigen Teilverband verfasst.1093 Lieferanten und Abnehmer bzw. Verbraucher seien weiterhin nicht als Unternehmensbeteiligte, sondern als Marktpartner zu verstehen.1094 Auch Wiedemann räumt ein, die Arbeitnehmer seien durch die Mitbestimmung auf Unternehmensebene als relevante Bezugsgruppe anerkannt worden;1095 das Entsendungsrecht der Arbeitnehmer sprenge die herkömmliche Vermögensund Verbandsorganisation und präge eine wie auch immer geartete Unternehmensorganisation.1096 Zugleich werde die Selbständigkeit des Vorstands durch die Mitbestimmung gestärkt.1097 Zur Erhellung der Frage nach dem materiellen Aussagegehalt sollen sowohl die historische Entwicklung als auch die Begründungen für die Mitbestimmung genauer beleuchtet werden.1098 Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat lässt sich auf zwei „konkurrierende“ Ideen stützen: Es lassen sich insofern vereinfachend zwei Ansichten unterscheiden, die entweder das sog. „Konfliktmodell“ oder das „Integrationsmodell“ präferieren. Das Konfliktmodell basiert in groben Zügen auf der Diskursidee: So

1088

Ballerstedt, ZGR 1977, 136. Semler FS Raisch, 1995, S. 291, 293 f. 1090 Semler FS Raisch, 1995, S. 291, 294 ff. 1091 Raiser FS R. Schmidt, 1976, S. 101, 115. 1092 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 156. 1093 Raiser FS Fischer, 1979, S. 561, 572. 1094 Raiser, ZRP 1981, 30, 34. 1095 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 33. 1096 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 299. 1097 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 352. 1098 Neben den Begründungsansätzen, die hier diskutiert werden, gibt es noch einige weitere; beispielsweise wird zudem die „Befriedungsfunktion“ vorgeschlagen oder es wird auf eine Begründung ganz verzichtet, da es ausreichend sei, zu erkennen, dass die Mitbestimmung Teil der sozialpolitischen Entwicklung sei, die zur Wandlung von Rechten der Arbeitnehmer führe, vgl. Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 38. 1089

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soll eine gemeinsame Leitmaxime erst anhand des Diskurses unabhängiger Teilnehmer im konkreten Fall gefunden werden. Der Pluralismus bei der Besetzung des Aufsichtsrats ist eine Voraussetzung für die Diskursfähigkeit – so können verschiedenste Argumente eingebracht werden, und eine Kontrolle wird verbessert.1099 Hingegen geht das Integrationsmodell von einer bereits bestehenden gemeinsamen Handlungsmaxime, etwa dem Unternehmensinteresse, aus. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insofern gebunden.1100 Nur auf diese Weise lässt sich auch postulieren (will man den Unternehmensinteresse-Begriff nicht in seine normative und seine aktuelle Bedeutung unterteilen), alle Mitglieder des Aufsichtsrates – Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter – seien auf das Unternehmensinteresse verpflichtet.1101 Eine Parallele zur materiellen bzw. prozessualen Interpretation des Unternehmensinteresses ist offensichtlich: Auf der einen Seite wird eine inhaltlich vorbestimmte Handlungsmaxime angeboten, die anhand abstrakt-phänotypischer Interessen generiert wird. Auf der anderen Seite sollen konkret-tatsächliche Interessen anhand eines bestimmten Prozesses zu einer Leitmaxime aggregiert werden. a) Historische Entwicklung Die Teilnahme der Arbeitnehmer an der Unternehmensführung war nach Oppikofer bereits im mittelalterlichen Agrarrecht ein anerkannter Grundsatz und habe zu einer „dinglichen Mitberechtigung am Unternehmen“ geführt.1102 Ob dies bereits als Anfang der „Mitbestimmung“ gewertet werden kann, ist zweifelhaft; die geschichtlichen Wurzeln der Mitbestimmung gehen aber zumindest bis 1835

1099 Die organisatorische Ausgestaltung (insbesondere die Entscheidung für ein Organ) zeugt nach Großmann, Unternehmensziele, S. 227, davon, dass das MitbestG auf Diskussion und Einigung abziele. Dem Aufsichtsrat sei als kontrollierender Mittler zwischen Gesellschafterinteressen und geschäftspolitischen Zielsetzungen nach Brinkmann, AG 1982, 122, 128, durch die Mitbestimmung eine neue Funktion der Interessenvermittlung beigemessen worden. Der Aufsichtsrat habe zu garantieren, dass die geschäftspolitische Zielkonkretisierung an die repräsentierten und betroffenen Unternehmensinteressen gekoppelt werde. Dies akzeptierte i. Ü. auch die SEC, als sie eine Ausnahme vom Sarbanes-Oxley Act für deutsche Unternehmen zuließ: „We understand that some countries, such as Germany, require that non-management employees, who would not be viewed as independent under the requirements, serve on the supervisory board or audit committee. Having such employees serve on the board or audit committee can provide an independent check on management, which itself is one of the purposes of the independence requirements under the Sarbanes-Oxley Act.“ 1100 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 623 ff., sieht im Gesetz das Integrationsmodell verwirklicht; wohl auch MüKo-Habersack, AktG, § 111 Rn. 17. 1101 MüKo-Habersack, AktG, § 111 Rn. 17. 1102 Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 97 f.

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zurück, als der Staatsrechtslehrer von Mohl eine Fabrikarbeiter-Ordnung forderte.1103 Nach § 70 des Betriebsrätegesetzes vom 04.02.1920 waren in Unternehmen, die einen Aufsichtsrat besaßen, ein bzw. zwei Mitglied(er) des Betriebsrates in den Aufsichtsrat zu entsenden; weitere Bestimmungen enthielt das Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15.02. 1922.1104 Diese Normierung wird bereits als der erste Schritt über eine monistische Auffassung hinaus bezeichnet.1105 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Mitbestimmung zunächst für den Bereich der Montanindustrie im Montanmitbestimmungsgesetz aus dem Jahre 1951 und in dem dazugehörigen Mitbestimmungsergänzungsgesetz (sog. „Holdingnovelle“) aus dem Jahre 1956 verankert. Mit dem BetrVG 1952 (insbesondere §§ 76 ff. BetrVG) und dem MitBestG 1976 wurde die Mitbestimmung für die restlichen Wirtschaftszweige – jedoch nur für Unternehmen einer bestimmten Größe und bestimmter Rechtsform – eingeführt.1106 Die Befürworter der unternehmerischen Mitbestimmung nahmen die angebliche Bevorzugung von Kapital vor Arbeit zum Anlass ihrer Forderung. Dieser pauschale Vorwurf muss für die weitere Untersuchung differenziert behandelt werden: Er kann entweder auf einer gesetzlichen, normativen Besserstellung (Güterrecht) oder faktisch auf der geltenden Wirtschaftsordnung basieren.1107 An dieser Stelle sind zunächst die gesetzlichen Bestimmungen zu untersuchen; auf den Einfluss der Wirtschaftsordnung ist weiter unten zurückzukommen.1108 Dabei ist zugrundezulegen, dass die Mitbestimmung als „Spezialität der deutschen Sozialgesetzgebung“ angesehen werden kann.1109 Die Mitbestimmungsdebatte fällt in die Zeit, die sich einem „Makrokorporatismus“ angenähert hat: Die Jahre 1967 bis 1977 waren die der „Konzertierten Aktion“, die von Wirtschaftsminister Schiller angeregt wurde und im Februar 1967 erstmals zusammenkam.1110 1976 verweigerten die Gewerkschaftsvertreter aufgrund der Klage der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsgesetz jedoch die weitere Zusammenarbeit.1111

1103

Püttner FS Potthoff, 1989, S. 21, 28. Beide Gesetze abgeschafft durch § 65 „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ vom 20.01.1934. 1105 Großmann, Unternehmensziele, S. 139. 1106 Vgl. zu dieser Entwicklung „Sechser Bericht“, 1968, S. 61 f. 1107 So bereits Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 13 ff. 1108 Vgl. unten, Kapitel 3. 1109 Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 185. 1110 Anfänglich bestand sie aus 34 Personen aus neun Organisationen und wuchs dann auf bis zu 80 Teilnehmer an; vgl. Weßels, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 26– 27/2000, S. 16 ff. 1111 Weßels, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 26–27/2000, S. 16 ff. 1104

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b) Begründungsansätze aa) Ausgangspunkt: drei Grundfiguren Mit den unterschiedlichen Bezugspunkten der unternehmerischen Mitbestimmung setzt sich Duden auseinander, der den Bedeutungsebenen drei „Grundfiguren“ zuordnet1112: 1. Die „Gesellschaft“ der Gründer-Gewerbebetreibenden-Kapitaleigner, wie auch immer sie verfasst sei, trete als Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern als „Dritten“ in arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Beziehungen. Die Arbeitnehmer könnten als Dritte durch Repräsentanten bis zu einem gewissen Maß der Mitverantwortung auch in Organe der Unternehmensgesellschaft eintreten. 2. Neben die Unternehmensträgergesellschaft trete eine „Unternehmens“-Organisation, der die Trägergesellschaft das Unternehmensvermögen widme und in die die „Unternehmens“-Entscheidungen verlegt würden. Die Trägergesellschaft trete als Teilnehmer neben anderen in die „Unternehmens“-Organisation ein. 3. Die Kapitaleignergesellschaft bleibe zwar der Rahmen für die Unternehmensführung, sie erweitere sich aber zum „Unternehmen“. Die Mitarbeiter träten als Angehörige ein und würden als gleichrangig neben Kapitaleignern und Leitenden behandelt. Größtenteils wird davon ausgegangen, dass die Mitbestimmungsgesetzgebung entweder Grundfigur 1 oder Grundfigur 3 verwirklicht habe.1113 Dafür wird angeführt, die Organisation der Unternehmensträgergesellschaft werde beibehalten und die Erfordernisse der Mitbestimmung integriert. Die Gesetzestechnik, die unternehmerische Mitbestimmung in einem Gesellschaftsorgan zu verankern und so Unternehmensrecht dem Gesellschaftsrecht gleichsam „überzustülpen“, wird kritisiert.1114 Demgegenüber setzt Grundfigur 2 eine eigene rechtliche Organisation für den Unternehmensverband voraus. Soweit ersichtlich kann eine Verwirklichung dieses Modells durch die Mitbestimmungsgesetzgebung nur dann angenommen werden, wenn man entweder davon ausgeht, die Mitbestimmung hätte die originären Gesellschaftsorgane in Unternehmensorgane umgewandelt oder die Gesellschaft und das Unternehmen seien deckungsgleich.1115 1112

Duden FS Schilling, 1973, S. 309, 314 f. So Duden selbst in FS Schilling, 1973, S. 309, 316; Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 205. 1114 Etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 592. 1115 So etwa KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 6 f.; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 19 ff. 1113

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Obwohl zwischen den Figuren 1 und 3 nur graduelle Unterschiede bestehen sollen,1116 ist doch die Zuordnung der Mitbestimmungsregelungen zu einer der beiden Grundfiguren für die vorliegende Fragestellung von besonderer Bedeutung: Sind die Arbeitnehmer bloße „Dritte“ bzw. Vertragspartei oder stehen sie als Angehörige des Unternehmens als gleichrangig neben den Kapitaleignern?1117 Figur 1 koppelt das Unternehmen eng an die Anteilseigner und deren Interessen,1118 während nach Grundfigur 3 die Arbeitnehmervertreter als gleichwertige Verbandsmitglieder angesehen werden. Letzteres würde eine pluralistische Handlungsmaxime des Vorstands nahe legen.1119 Um eine Einordnung zu ermöglichen, sollen nunmehr einige Begründungsansätze der unternehmerischen Mitbestimmung dargestellt werden. bb) Menschenwürde Schilling erblickt den materiellen Gehalt bereits in der organisatorischen Regelung selbst, und zwar in der Aufnahme der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat, die materiell die Erweiterung der Legitimation der Unternehmensleitung und das Gebot der Kooperation beinhalte1120 und die Wandlung des Arbeiters vom Objekt zum Subjekt trage. Die Forderung nach der Subjektstellung könne sich auf die Menschenwürde und – somit mittelbar – auf den kategorischen Imperativ Kants („Handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann“ 1121) berufen.1122 Diese Ansicht intendiert eine institutionalisierte Beteiligung des Aufsichtsrats als notwendige Legitimation der Macht, die der Vorstand auch bzw. gerade über die Arbeitnehmer auszuüben vermag. Nur ein Verständnis der Mitbestimmung, das auch normative Wirkung zeitigt, kann dies bewirken. cc) Recht aus Arbeit Nach der Ansicht Ballerstedts überzeugen weder staatspolitische Begründungsansätze für die Mitbestimmung (Sicherung der demokratischen Staatsord1116

Vgl. Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 205. Vgl. bereits Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 206 f. 1118 Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 207; so auch Rittner FS Knur, 1972, S. 205, 232, der dementsprechend bei Spenden den Vorstand ausschließlich auf das Interesse der Aktionäre verpflichtet wissen möchte. 1119 Nach Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 209, werde die Unternehmensleitung dann nicht mehr durch die Eigentümer, sondern durch die Verbandsmitglieder legitimiert, sodass sie auf Interessenintegration verpflichtet sei. 1120 Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 143; auch auf die Legitimation abstellend, Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 102. 1121 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten IV, S. 437. 1122 Schilling FS Duden, 1977, S. 537, 545, 553. 1117

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nung) noch sozialpolitische (Bewahrung der Würde des Menschen am Arbeitsplatz) oder wirtschaftspolitische.1123 Vielmehr sei das sog. „Recht aus Arbeit“ Grundlage der Mitbestimmung.1124 Dem Menschen dürfe nicht nur (negativ) seine Würde nicht genommen werden, es sei ihm auch (positiv) seine Selbstverwirklichung zu ermöglichen; diese spanne sich zwischen den Polen „Werk“ und „Verantwortung“ auf.1125 Ballerstedt beschreibt den Arbeitsvertrag als Regelung mit vermögensrechtlichem oder personenrechtlichem Einschlag – je nachdem, aus welcher Warte (auf der einen Seite Arbeitgeber, auf der anderen Arbeitnehmer) er den Vertrag betrachtet.1126 Das „Recht aus Arbeit“ ist ihm zufolge das Recht, das aus der personenrechtlichen Prägung des Arbeitsvertrages entspringe und das mangels Quantifizierbarkeit weder entgeltlich noch durch Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, des Kündigungsschutzes, des Arbeitsschutzes usw. abgegolten werden könne.1127 dd) Verständnis des Unternehmens Die Legitimation des Vorstands wird insbesondere mit dem Verständnis des Unternehmens als dualistische bzw. pluralistische Organisation – die Mitbestimmung sei eine rechtliche Verarbeitung (Form) der tatsächlichen sozialen Gegebenheit, dass die Arbeit die dritte Kraft im Unternehmen darstelle (Stoff)1128 – begründet1129 und verweist so auf jegliche Argumente, die bereits bei der Diskussion um den Unternehmensbegriff vorgetragen wurden. Dementsprechend wird in der wirtschaftlichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer generell, insbesondere aber im MitbestG, eine interessenpluralistische Umgestaltung der bis dahin interessenmonistischen Unternehmensordnung gesehen.1130 So kommt es, dass sich die Vorstellungen einer dualistischen bzw. pluralistischen Konzeption im Hinblick auf das Verständnis des Unternehmens und die Bedeutung der Mitbestimmung wechselseitig verstärken.

1123

Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 186. Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 192. 1125 Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 188. 1126 Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 190. 1127 Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 192. 1128 Schilling FS Duden, 1977, S. 537, 551. 1129 Vgl. Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 42. 1130 Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 11 f., 19; Steinmann, Großunternehmen, S. 33; ähnlich Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 102. 1124

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ee) Machtausübung, Legitimationslücke und Demokratisierung Demgegenüber wird das Erfordernis der erweiterten Legitimation des Vorstands mit der Legitimationslücke begründet, die durch das Desinteresse der Anteilseigner entstanden ist.1131 Ballerstedt diskutiert das Mitbestimmungsrecht neben der Hauptsäule „Recht aus Arbeit“ ausdrücklich auch in seiner Legitimationsfunktion, um die Lücke, die sich durch die Abschwächung der „mittelbaren“ Eigentumspositionen der Aktionäre in Großunternehmen ergebe, zu füllen:1132 „[D]ie unternehmensmäßige Mitbestimmung hat ihre Rechtfertigung in der Notwendigkeit einer Legitimation der Unternehmensleitung als der hierarchischen Spitze des integrativen Prozesses materieller Wertschöpfung.“ 1133 Die Notwendigkeit einer Legitimation ergebe sich aus der Machtausübung gegenüber Menschen.1134 Hier zeigt sich deutlich die synchrone Verschiebung auf einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Ebene. Ein Legitimationsbedürfnis anhand mitbestimmungsrechtlicher Regelungen basiert auf geringerem Schutz des Eigentums und mehr Sozialpflichtigkeit (und umgekehrt). Ebenfalls von einer „Lücke“, vorrangig in soziologischer Dimension, geht ein Teil der Mitglieder des Ausschusses II der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags aus. Aktionären einer typisch kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaft mit Streubesitz fehle es an einem unternehmerischen Willen, sodass unternehmerisches Risiko und unternehmerische Initiative auseinanderfielen und im soziologischen Gefüge der Aktiengesellschaft eine Lücke entstehe. Daraus ergebe sich die Verpflichtung der „Eigentümer“, die Arbeitnehmer an der Willensbestimmung des Unternehmens – etwa durch unternehmerische Mitbestimmung – teilhaben zu lassen.1135 Auch der „Sechser Bericht“ scheint die Mitbestimmung als Teil der „Legitimation von Macht in gesellschaftspolitisch relevanten Gebilden“ anzusehen.1136 Die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften würden dazu führen, dass neben den Interessen der Eigentümer auch die Interessen der Arbeitnehmer zu berück1131 Vgl. dazu Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 39, nach dem der Wille der Anteilseigner für die tatsächliche Herrschaftsausübung durch den Vorstand ohnehin so wenig autorativ ist, dass eine lückenlose Herrschaft der Anteilseigner schon lange nicht mehr behauptet werden könne. 1132 Ballerstedt, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 183, 197. 1133 Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 26. 1134 Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 26; ähnlich Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 249 f.; kritisch wegen der Begrenzung auf die Binnenperspektive Teubner, ZGR 1983, 34 f. 1135 Vgl. Schilling, Bericht des Ausschusses II der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 63, 67. 1136 Vgl. „Sechser Bericht“, 1968, S. 89.

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sichtigen seien. Die Unternehmen, die der Mitbestimmung unterlägen, seien daher nicht länger interessenmonistisch, sondern interessenpluralistisch.1137 Anders als die bisher diskutierten Auffassungen stellt der „Sechser Bericht“ sowohl auf die Macht ab, die die Großunternehmen auf ihre Umwelt ausüben, als auch auf die Macht, die intern geballt wird. Die Großunternehmen stellen nach dem Bericht gesellschaftspolitisch relevante Sozialgebilde dar. Innerhalb dieser müssten die Grundnormen einer freiheitlichen Gesellschaft gewährleistet sein, denn „[d]ie durchgängige Geltung der Grundnormen einer freiheitlichen Ordnung für Teilbereiche der Gesellschaft zu leugnen heißt, die Freiheitlichkeit der Gesamtordnung in Frage stellen.“ 1138 Dazu gehöre auch, dass Macht an die Legitimierung durch die Machtbetroffenen gebunden sei; dies sei nur möglich, indem man die Ausübung von Macht an das Fortdauern des Vertrauens der Machtbetroffenen binde. Eindeutig wird aus der Bestellung des Vorstands durch ein pluralistisches Organ die Hoffnung genährt, dass es eine „ausgewogen zusammengesetzte, von Interessen unabhängige, aber allen Interessen aufgeschlossen gegenüberstehende, in diesem Sinne neutrale oder neutralisierte Unternehmensleitung“ begünstige.1139 Der Gedanke der „Demokratisierung“ spiegelt sich etwa bei Jürgenmeyer wider, wenn er feststellt, das Leistungsorgan werde nach gesetzlich vorgeschriebenem Proporz von Repräsentanten unterschiedlicher Gruppen (der Anteilseigner, der Arbeitnehmer usw.) gewählt.1140 Die Mitbestimmung stellt sich so als ein Instrument zur Entschärfung von sozialen Konflikten im Unternehmen dar. Ähnlich äußert sich Rosenberg: „Die Mitbestimmung ist im Grunde, so glaube ich, das Wesen einer demokratischen Gesellschaft. Das heißt, die Legitimation derer, die regieren, ganz gleich auf welcher Ebene und wo auch immer, soll von denen kommen, die regiert werden.“ 1141 Auch die Begründung anhand der Wirtschaftsdemokratie stellt die Machtausübung in den Mittelpunkt. Die Eigentümerseite könne diese Macht über die Arbeitnehmer nicht legitimieren, vielmehr seien unabhängige Repräsentanten der Arbeitnehmer erforderlich.1142 Mit der Machtausübung ist ein Aspekt angesprochen, der sich durch die gesamte Mitbestimmungsdebatte zieht. Erinnert man sich an die strafrechtlichen Begründungsansätze zur Vermögensbetreuungspflicht und der Untreuestrafbar1137

„Sechser Bericht“, 1968, S. 151. „Sechser Bericht“, 1968, S. 73. 1139 „Sechser Bericht“, 1968, S. 93. 1140 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 192. 1141 Dichgans/Rosenberg/Scheel/Schmidt-Rosenberg, S. 17. 1142 Kritisch dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 593, der den Zusammenhang zwischen Demokratie im staatsrechtlichen Sinne und unternehmerischer Mitbestimmung als brüchig bezeichnet. 1138

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keit, die ebenfalls auf einem Machtelement basieren,1143 so stellt sich die Frage, wie sich das Strafrecht von der modifizierten Stellung der Arbeitnehmer so unberührt und ungerührt zeigen konnte. Machtausübung und Legitimation (etwa durch Demokratisierung) sind auf das Engste miteinander verknüpft. Gerade die Demokratisierung verweist auf eine Recht zur – wenn auch nur mittelbaren – Entscheidungsteilhabe. Auch damit ist ein normativer, materiell-rechtlicher Aussagegehalt der Mitbestimmung angesprochen. ff) Psychologisches Gegenkraftmodell Die paritätische Mitbestimmung lässt sich auch psychologisch mit guten Gründen versehen: Entscheidungsträger neigen nicht selten zu Selbstüberschätzung („overconfidence bias“), die auch dadurch verstärkt wird, dass Erfolge der eigenen Leistung, Misserfolge dagegen der Umwelt zugeschrieben werden („self serving bias“). Das Kollegialprinzip wirkt dem entgegen.1144 Dies muss umso mehr für ein heterogen zusammengesetztes Organ gelten. Die bisher dargestellten Ansichten können für ein materiell-rechtliches pluralistisches Verständnis herangezogen werden. c) Bedeutung der Ausgestaltung der Mitbestimmung Es existieren verschiedene Mitbestimmungsmodelle, die nachfolgend kurz skizziert werden sollen: In Unternehmen der Montanindustrie wird der Aufsichtsrat gemäß § 1 Abs. 1 MontanMitbestG, § 5 Abs. 1 MitbestErgG paritätisch mit Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern sowie einer neutralen Person besetzt. Das MitbestG von 1976 sieht ebenfalls eine paritätische Besetzung vor (§ 7 MitbestG), verzichtet aber auf die neutrale Person und billigt dem Aufsichtsratsvorsitzenden (der wegen der Wahlmodalitäten nach § 27 MitbestG regelmäßig ein Vertreter der Anteilseigner ist) im Gegenzug zur Auflösung von Patt-Situationen eine zweite Stimme zu, § 29 Abs. 2 MitbestG. Die schwächste Stellung nehmen die Arbeitnehmervertreter nach dem BetrVG 1952 ein; dort kommt ihnen gemäß § 76 Abs. 1 BetrVG lediglich eine Drittelbeteiligung zu. Über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder hat gemäß § 120 AktG die Hauptversammlung zu entscheiden.1145 Die formale Frage der Besetzung kann nur Bedeutung erlangen, wenn ein Konfliktmodell (und kein Integrationsmodell) zugrunde gelegt wird. Der Einfluss 1143 Vgl. Binding, Lehrbuch des Strafrechts, Besonderer Teil I, S. 397; LK-Schünemann, § 266 Rn. 5. 1144 Vgl. Fleischer FS Immenga, 2004, S. 575, 581. 1145 Dies als widersprüchlich jedenfalls im Hinblick auf die Arbeitnehmervertreter ansehend Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 217.

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formaler Regelungen auf die materielle Handlungsmaxime des Vorstands (mag sie auch anhand eines Prozesses zustande kommen) hängt davon ab, inwieweit die Formalien adaptiert werden. Wohl im Hinblick auf die Regelungen das Letztentscheidungsrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden und aufgrund des für ihn immer noch im Vordergrund stehenden personalen Elements des nach ihm entscheidenden Unternehmensträgers1146 soll etwa nach Jürgenmeyer den Gesellschaftern das Letztentscheidungsrecht zustehen.1147 Auch Clemens nimmt an, das Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden stünde einer Gleichberechtigung von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern entgegen.1148 Ein Teil der Unternehmensrechtskommission ging davon aus, dass durch diese gesetzliche Entscheidung das Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner, das diesen eben in einer privatwirtschaftlichen, marktwirtschaftlichen Ordnung obliege, gesichert werden soll.1149 Zu beachten ist, dass im Rahmen der Publikumsgesellschaften der Einfluss der Anteilseigner über die Besetzung des Aufsichtsrats in der Praxis denkbar gering ist: Die Anteilseignervertreter würden praktisch durch Kooptation des Unternehmensmanagements berufen, sodass sich eigentlich Angehörige der Führungsschicht und Arbeitnehmervertreter gegenüberstünden.1150 Demgegenüber ist bereits oben dargelegt worden, dass die Mehrzahl der Vertreter eines prozessualen Verständnisses des Unternehmensinteresses einer „echten“ pluralistischen Interpretation zuneigen.1151 An dieser Stelle wird wiederum deutlich, dass von einer monistischen Überzeugung auf einen Aussagegehalt des Gesetzes geschlossen wird. 3. Insbesondere: Festsetzung der Vorstandsbezüge – § 87 AktG Eine engere Bindung des Vorstands an den Aufsichtsrat im Sinne einer „Anreizstimulation“ erfolgt durch die Kompetenz des Aufsichtsrats, über die Bezüge des Vorstands zu bestimmen, § 87 AktG. Diese Vorschrift diene dem Schutz der Gesellschaft, der Aktionäre, der Arbeitnehmer sowie sonstiger Gläubiger vor

1146

Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 191 f. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 200. 1148 Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 275 ff.; ähnlich Kunze FS Duden, 1977, S. 201, 208, der behauptet, die Empfehlung der Kommission für ein Verhältnis von 7 zu 5 könne nur dahingehend erklärt werden, dass sie – trotz vorheriger Beteuerungen – doch nicht von der gleichen Bedeutung der Anteilseigner und Arbeitnehmer ausgegangen sei. 1149 Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 264. 1150 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 5, 29; „Sechser Bericht“, 1968, S. 92, der genauer aber nur von Annäherung an eine „Kooptierung“ spricht. 1151 Vgl. oben, Kapitel 2 C. III. 2. b). 1147

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übermäßigen Bezügen des Vorstands.1152 Sie soll Ausdruck der Leistungsgerechtigkeit in der Leistungsgemeinschaft „Unternehmen“ sein.1153 Eine Reglementierung der Vorstandsvergütung wurde erstmals durch §§ 77, 78 AktG 1937 vorgenommen.1154 In § 77 Abs. 3 AktG 1937 wurde bestimmt, die Tantiemen für Vorstandsmitglieder hätten in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufwendungen zu Gunsten der Arbeitnehmer und Allgemeinheit zu stehen. Die Diskussion um Vorstandsbezüge ist bereits beleuchtet worden.1155 Insbesondere anhand des Mannesmann-Verfahrens ist illustriert worden, dass § 87 AktG unterschiedlichen Interpretationen zugänglich ist. Besonderer Hervorhebung bedarf aber die Neufassung des § 87 AktG durch das VorstAG: In § 87 Abs. 1 S. 2 AktG wird hervorgehoben, dass die Vergütungsstruktur bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. § 87 Abs. 1 S. 3 AktG flankiert die Regelung dahingehend, dass variable Vermögensbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben sollen. Die Förderung der Nachhaltigkeit bei der Unternehmensleitung passt sich in eine allgemein zu beobachtende Entwicklung ein.1156 4. Insbesondere: Sonstige Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats – § 111 Abs. 3, 4 AktG Die Satzung oder der Aufsichtsrat „haben“ zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen; die Einführung eines Zustimmungsvorbehalts durch den Aufsichtsrat verdichtet sich sogar zu einer Pflicht, wenn eindeutig unvertretbares Vorstandshandeln befürchtet werden muss.1157 Die Regelung wird insbesondere als Stärkung der mitbestimmten Aufsichtsräte angesehen, bei denen der Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte zunehmend ausgedünnt wurde.1158 (Dies spricht im Übrigen gegen die Annahme einer Reduktion von Transaktionskosten.) Die Formulierung der Vorschrift geht auf den Vorschlag der Regierungskommission Corporate Governance zurück und wurde durch das TransPuG eingeführt; die Erweiterung, wonach klarstellend konkretisiert werden sollte, dass die 1152 Fleischer, DStR 2005, 1279; Kort, DStR 2007, 1127 f., 1132; Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 99; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 115. 1153 Peltzer FS Lutter, 2000, S. 571, 586, der die „Gerechtigkeit des Marktes“ hervorhebt. 1154 Daher rührt der Vorwurf nationalsozialistischer Prägung des Angemessenheitsgebots, vgl. Fleischer, DStR 2005, 1279. 1155 Vgl. oben, Kapitel 1 A. I. 1. f. 1156 Vgl. etwa unten, Kapitel 2 C. V. 4. 1157 BGHZ 124, 111, 127. 1158 Vgl. MüKo-Habersack, AktG, § 111 Rn. 101.

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Zustimmungspflicht sich insbesondere auf Maßnahmen und Entscheidungen mit grundlegender Bedeutung für Ertragsaussichten und Risikoexposition der Gesellschaft bezieht,1159 ist nicht übernommen worden. Was der Zustimmungsvorbehalt für die Leitungsautonomie des Vorstands bedeutet, wird nicht einheitlich beantwortet. Während etwa Fleischer die Leitungsautonomie des Vorstands durch das Vetorecht des Aufsichtsrats als unberührt ansieht,1160 geht Ballerstedt davon aus, dass die Vorschrift ein Stück Leitungsgewalt auf den Aufsichtsrat übertrage. Ihr Zweck und ihre Wirkung würden sich daher nicht darin erschöpfen, eine wirksame Präventivüberwachung des Vorstands zu ermöglichen.1161 Der Aufsichtsrat wird so als gegenüber dem Vorstand gleichberechtigtes, 1162 mit-unternehmerisches Organ der Gesellschaft bezeichnet.1163 Nach § 111 Abs. 4 S. 3 AktG kann der Vorstand bei Verweigerung der Zustimmung durch den Aufsichtsrat verlangen, dass die Hauptversammlung entscheidet. Mutet dies auch wie eine „Überordnung“ der Hauptversammlung bzw. ein Letztentscheidungsrecht an, so soll doch vor allem das Gleichgewicht zwischen Vorstand und Aufsichtsrat gesichert sowie verhindert werden, dass der Vorstand in eine Abhängigkeit zum Aufsichtsrat gerät.1164 Die gleiche Funktion erfüllt auch § 93 Abs. 4 S. 1 AktG, der den Aufsichtsrat von der Geschäftsführung ausschließt1165 und so in Parallelität zu § 119 Abs. 2 AktG steht. Nach herrschender Ansicht soll die Satzung die Kompetenz des Aufsichtsrats, bestimmte Geschäfte für zustimmungspflichtig zu erklären, nicht ausschließen können.1166 Eine Kompetenzkompetenz des mitbestimmten Aufsichtsrats stellt eine rein monistische Ausrichtung an den Interessen der Kapitaleigner zumindest in Frage.1167 1159 Vgl. dazu Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 75 ff. 1160 Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rn. 49. 1161 Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 31. 1162 Dies dürfte nicht zuletzt an den zahlreichen Überwachungsinstrumenten liegen, wie etwa Einsichts- und Prüfungsrechten, Einberufung der Hauptversammlung, Zustimmungsrechten, Erteilung eines Prüfungsauftrages etc. 1163 BGHZ 135, 244, 254 f. – ARAG/Garmenbeck, spricht von einer begleitenden Mitgestaltung der Tätigkeit des Vorstands durch präventive Kontrolle; vgl. auch MüKoHabersack, AktG, § 111 Rn. 13; kritisch zu einer Leitungsfunktion des Aufsichtsrats Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 4. 1164 MüKo-Habersack, AktG, § 111 Rn. 130, der aber auf die geringe praktische Relevanz dieser Bestimmung hinweist. 1165 Ausnahmen sind Zustimmungserfordernisse, Personalkompetenzen, die Vertretungsbefugnis gegenüber dem Vorstand sowie § 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG – Diese Vorschriften lassen den Aufsichtsrat an der Geschäftsführung teilhaben. Insoweit machen sie den Aufsichtsrat zum Geschäftsführungsorgan, vgl. MüKo-Habersack, AktG, § 111 Rn. 10. 1166 Auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 339 f. 1167 Dies räumt auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 340, ein.

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Wenn das „Wohl der Gesellschaft“ es erfordert, hat der Aufsichtsrat eine Hauptversammlung einzuberufen. Demgegenüber kann er auch ein Zustimmungserfordernis für die freiwillige Vorlage durch den Vorstand nach § 119 Abs. 2 AktG statuieren.1168 Kompetenzabgrenzungen bestimmen auf diese Weise das Wesen der Aktiengesellschaft. Auch hier ist der offene Rechtsbegriff wiederum Zeichen für ihre Relativität: Was zeichnet das „Wohl der Gesellschaft“ aus? Wie in allen anderen dargestellten Fällen kreist der Begriff ohne greifbaren Fixpunkt um sich selbst und kann mit pluralistischen oder monistischen Voraussetzungen angefüllt werden. 5. Exkurs: Arbeitnehmerbelange – § 193 Abs. 2 AktG, § 289 Abs. 3 HGB Kurz soll auch beleuchtet werden, inwieweit die Arbeitnehmerbelange – neuerdings zunehmend – an Gewicht gewinnen. Anhand des § 193 Abs. 2 AktG wird das Ziel deutlich, auch die Mitarbeitermotivation zu stärken und eine intensivere Bindung aufzubauen;1169 gleichzeitig findet sich hier der Versuch, unterschiedliche Interessen von Arbeitnehmern und Gesellschaftern auf eine Linie zu bringen. Der Frankfurter Kodex fordert, die Vergütung der Mitarbeiter als Anreiz für eine langfristige Unternehmenswertsteigerung zu nutzen.1170 Die Regierungskommission Corporate Governance sprach sich gegen eine gesetzliche Festschreibung aus, machte aber deutlich, dass auch etwa die Beschäftigungssicherung legitimes Erfolgsziel sei.1171 Gemäß § 289 Abs. 3 HGB soll im Lagebericht auch auf Indikatoren wie Informationen oder Arbeitnehmerbelange eingegangen werden. Es wird empfohlen, im Hinblick auf das (wenig glücklich so bezeichnete) „Humankapital“ Angaben zu Fluktuation, Mitarbeiterqualifikation, Weiterbildungsaufwand pro Mitarbeiter, Entlohnungssystemen, Vergütungsregelungen, Altersstruktur der Mitarbeiter, Unternehmenszugehörigkeit, Mitarbeiterzufriedenheit, Fehlzeiten, Wertbeitrag sowie wesentlichen Änderungen der tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen zu machen.1172 1168 1169

Vgl. MüKo-Habersack, AktG, § 111 Rn. 114. Vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001,

S. 84. 1170

Vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001,

S. 85. 1171

Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 85. Vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 275 f.; Begr. RegE BilReG BTDrucks. 15/3490, S. 30 f.: „Die in Anlehnung an die Richtlinie besonders erwähnten Belange der Arbeitnehmer und des Umweltschutzes bilden keine abschließende Aufzählung und zwingen auch nicht zu einer entsprechenden Schwerpunktsetzung. Vielmehr 1172

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Die Belange der Arbeitnehmer dringen so ins Bewusstsein. Dass dies für eine pluralistische Konzeption notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. 6. Zwischenergebnis Das Verständnis des Aufsichtsrats spiegelt die Unterscheidung von materiellem und prozessualem Verständnis vom Unternehmensinteresse wider. Selbst strenge Vertreter eines monistischen Verständnisses erkennen hierin eine gesetzlich anerkannte gestärkte Stellung des Aufsichtsrats. Dass damit ein „echtes“ pluralistisches Verständnis anerkannt wird, ist zwar zweifelhaft, dennoch kann nicht geleugnet werden, dass die Mitbestimmung ebenso wie die gesetzliche Verankerung von Arbeitnehmerbelangen außerhalb des Aufsichtsrats zumindest in ihrer Tendenz auf eine pluralistische Konzeption der Handlungsmaxime des Vorstands verweisen (wenn auch der mögliche Begründungsansatz „Vermeidung von Transaktionskosten“ nachdenklich stimmt). Wiederum begegnen bei der Kompetenzfrage relative Grenzen, die abhängig von einem monistischen oder pluralistischen Verständnis in die eine oder andere Richtung verschoben werden können. Immer noch fehlt damit ein fester Bezugspunkt für das Vorstandshandeln. Schlussendlich soll die über die §§ 76, 93 AktG hinausgehende Pflichtenstellung des Vorstands als drittes Organ der Aktiengesellschaft betrachtet werden.

V. Vorstand Die für eine Leitmaxime des Vorstandshandelns bedeutendsten Vorschriften der §§ 76, 93 AktG wurden bereits auf eine mögliche Aussage bezüglich einer monistischen oder pluralistischen Konzeption untersucht.1173 Als Ergebnis konnte lediglich festgehalten werden, dass sich diese Vorschriften neutral gegenüber jeglicher „Grundtendenz“ des Aktienrechts verhalten. Nunmehr sollen einige weitere Normen betrachtet werden, die das Vorstandshandeln bestimmen. Auch hier kann es nur um eine punktuelle Untersuchung gehen.

gehören auch sonstige nichtfinanzielle Angaben in die Lageberichterstattung, wenn sie zur Einschätzung von Geschäftsverlauf oder Lage von Bedeutung sind oder die voraussichtliche Unternehmensentwicklung wesentlich beeinflussen können. Dazu werden regelmäßig die Entwicklung des Kundenstammes, das Humankapital, der Bereich Forschung und Entwicklung, unter Umständen auch die – z. B. durch Sponsoring oder karitative Zuwendungen seitens des Unternehmens geförderte – gesellschaftliche Reputation der Kapitalgesellschaft zählen.“ 1173 s. o. Kapitel 2 C.

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1. Insbesondere: Einrichtung eines „Frühwarnsystems“ – § 91 Abs. 2 AktG § 91 Abs. 2 AktG wurde durch das KonTraG eingeführt und überantwortet dem Vorstand die Einrichtung eines Überwachungssystems, damit für die „Gesellschaft“ bestandsgefährdende Entwicklungen früh genug erkannt werden. In der Gesetzesbegründung wird auch auf die Bedeutung der Neuerungen zur Sicherung von Arbeitsplätzen hingewiesen.1174 Zur Bestandssicherung muss ein adäquates Risikomanagement betrieben werden. Risiko wird dabei pauschal definiert als „Möglichkeit, daß das tatsächliche Ergebnis einer unternehmerischen Aktivität von dem erwarteten Ergebnis abweicht“ 1175. Unterteilbar ist diese – noch wertungsfreie – Definition weiter in das reine Risiko, das eine Schadensminderung notwendig voraussetzt, und das spekulative Risiko unternehmerischen Handelns, das sich entweder vermögensmindernd (dann „Verlustgefahr“) oder vermögensmehrend (dann „Chance“) auswirkt. Thematisch können das Marktrisiko, das Kreditrisiko, das rechtliche Risiko, das Betriebsrisiko, das Standortrisiko, Elementarrisiken wie Naturkatastrophen usw. unterschieden werden.1176 Die entsprechenden Vorgehensweisen werden zumeist in das „Erfassen der Risiken“ (Identifizierung, Analyse, Quantifizierung) und „Maßnahmen zur Beeinflussung der Risiken“ (Risikovermeidung, Risikoverminderung, Risikoüberwälzung, Risikokompensation) unterteilt.1177 Umstritten ist, was von § 91 Abs. 2 AktG umfasst wird. Das Spektrum reicht von der bloßen Forderung nach einem Risikofrüherkennungssystem,1178 das lediglich die Risikoidentifikation sicherstellt, über zusätzliche Instrumente der Analyse, Bewertung und Steuerung1179 bis hin zum Einbezug des gesamten internen Überwachungssystems.1180 Selbst eine noch mehrere Seiten füllende Liste der „Risiko“-Begrifflichkeiten würde nur einen kleinen Ausschnitt der Risiken wiedergeben, denen sich ein Unternehmen ausgesetzt sieht. Wichtig für die hiesige Untersuchung ist der Bezug zur „Bestandssicherung“:1181 § 91 Abs. 2 AktG ist eine spezielle Ausprägung 1174

BT-Drucks. 13/9712, S. 11. So Kless, DStR 1998, 93. 1176 Kless, DStR 1998, 93 f. 1177 Vgl. etwa Kless, DStR 1998, 93, 95 f. 1178 So Eggemann/Konradt, BB 2000, 503, 506. 1179 So Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 428 ff. 1180 Vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 438 ff., nach der Risiken identifiziert, analysiert, bewertet und gesteuert werden müssen und der Vorstand ein „mehrdimensionales Frühwarnsystem“ einzurichten, aufrechtzuhalten und zu überwachen hat. 1181 Vgl. zu diesem Zweck der Regelung Dreher, AG 2006, 213, 217; Kort, DStR 2006, 799, 801. 1175

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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der §§ 93, 76 AktG. Die Vorschrift beeinflusst dementsprechend auch die Voraussetzung einer Entscheidung „auf der Grundlage angemessener Information“ des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.1182 Indem dem Vorstand durch § 91 Abs. 2 AktG aufgegeben wird, (verfahrensmäßige) Maßnahmen zu treffen, die das Erkennen bestandsgefährdender Risiken erleichtern, wird vorausgesetzt, dass ihn zumindest auch die Pflicht zur (materiellen) Bestandssicherung trifft; ansonsten wäre § 91 Abs. 2 AktG nichts als eine leere Hülle. Mit Einführung des § 91 Abs. 2 AktG hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass eine Bestandssicherung grundsätzlich bedingungslos bis zu einer etwaigen freiwilligen Auflösung oder einer solchen im öffentlichen Interesse anzustreben ist. Dies deckt sich mit dem bereits oben1183 gefundenen Ergebnis, das einen Anknüpfungspunkt für die Bestandssicherung bejaht, eine eindeutig monistische oder pluralistische Ausrichtung hingegen verneint. Zwar spricht § 91 Abs. 2 AktG wiederum vom „Fortbestand der Gesellschaft“. In sprachlicher Parallelität zu § 76 AktG, nach dem dem Vorstand die Leitung der „Gesellschaft“ obliegt, und angelehnt an die Erkenntnisse bezüglich des Aussagegehalts der Satzung hinsichtlich einer Bestandssicherung, ist „Gesellschaft“ eher als „Unternehmen“ zu verstehen. 2. Aktienoptionsprogramme – §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 71d, 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 AktG, 315a HGB Durch das KonTraG wurde die Möglichkeit des Rückerwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft und die der bedingten Kapitalerhöhung zur Bedienung eines Aktienoptionsprogramms für den Vorstand ausgeweitet. Damit soll das Aktienrecht für das Marktwertmaximierungsziel und damit für das Shareholder Value-Konzept geöffnet worden sein:1184 Aktienrückkäufe seien ein Instrument zur Börsenstabilisierung; Aktienoptionen seien ein Anreizmittel, um das Vorstandshandeln den typischen Aktionärsinteressen anzunähern. Ein sog. „Repricing“, also eine nachträgliche Anpassung der Optionen zugunsten der Vorstandsmitglieder soll nach Ansicht der Regierungskommission Corporate Governance ausgeschlossen sein.1185 Gemäß § 192 f. AktG muss die 1182

Vgl. Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 169. Vgl. oben, Kapitel 2 D. II., III. 3. f. 1184 Insbesondere Mülbert FS Röhricht, 2005, S. 421, 433 ff.; ebenso Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 171; vgl. dazu auch HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 76 Rn. 14; MüKo-Spindler, AktG, § 76 Rn. 77, § 93 Rn. 4, der dies später mit den Interessen der AG gleichsetzt; nach Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 32, weist § 315a HGB ebenfalls in die Richtung der Shareholder Value-Konzeption, da er mit der Anerkennung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze für eine verbesserte Kapitalmarktpublizität sorge; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 32 f., 36, sieht darin eine Verschiebung der Anreize und Anpassung an die Belange des Kapitalmarktes. 1185 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 90. 1183

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

Hauptversammlung über die bedingte Kapitalerhöhung beschließen (dies gilt jedoch mangels „Verwässerungseffekt“ nicht bei sog. „phantom stocks“ oder SARs1186). Tatsächlich befördern Aktienoptionsprogramme teils zweifelhafte Anreize und dürften daher nicht ohne Grund in Verruf geraten sein. Sowohl kurzfristige Maximierung des Shareholder Value als auch eine Orientierung am Börsenwert, der nichts mit dem „wahren“ Wert des Unternehmens zu tun haben muss,1187 werden begünstigt. Nun bedeutet die Ermöglichung von Aktienoptionsprogrammen weder, dass eine kurzfristige Ausübung der Option möglich ist, noch, dass der Vorstand verpflichtet wäre, eine Marktwertmaximierung anzustreben. Dass er es darf, kann der Vorschrift hingegen entnommen werden – ansonsten hätte der Gesetzgeber ein unstimmiges Anreizsystem vorgesehen. Die Vorschriften sind auch in engem Bezug zum „Deutschen Corporate Governance Kodex“ (DCGK) zu sehen, der später behandelt werden soll. 3. Verpflichtung auf das Wohl des Betriebes, seiner Gefolgschaft und dem gemeinen Nutzen des Volkes – § 70 Abs. 1 AktG 1937 Obwohl schon längst außer Kraft, lebt der Gedanke des § 70 Abs. 1 AktG 1937 in der Diskussion über die Handlungsmaxime des Vorstands fort. Das AktG 1937 kannte in seinem § 70 Abs. 1 noch eine ausdrückliche Gemeinwohlbindung, die in dem Passus „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Recht es fordern“ ihren Niederschlag fand.1188 Die Generalklausel ist auf diesem Wege über die alleinige Beachtung der Gesellschaftsinteressen hinausgegangen, hat nicht nur Freiraum, sondern auch Bindung geschaffen. So wird der Vorschrift bescheinigt, sie habe den Einbe1186

Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 88. Auch der BGH sieht die Aussagekraft des Börsenkurses kritisch, etwa BGHZ 175, 365 – UMTS. 1188 Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 166, deutet die Einführung des § 70 AktG 1937 als Zugeständnis an das „Unternehmen an sich“; Ähnliches gilt im österreichischen Recht, § 70 öAktG bestimmt: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre und der Arbeitnehmer sowie des öffentlichen Interesses es erfordert“; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 30, sieht im § 70 AktG 1937 die Verwirklichung einer „Führerrolle“ des Vorstands, räumt aber ein, dass es sich aufgrund der früheren gedanklichen Wurzeln nicht um nationalsozialistisches Gedankengut handele, obwohl es gut zu dieser Zeit passe; nach dem Referentenentwurf 1958 sollte konkretisiert werden, der Vorstand habe die Gesellschaft so zu leiten „wie das Wohl des Unternehmens, seiner Arbeitnehmer und der Aktionäre sowie das Wohl der Allgemeinheit es fordern“. 1187

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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zug der Interessen der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit1189 und ein Abrücken von einer kapitalistischen Interessenpolitik bewirkt.1190 Ob daraus eine Gleichrangigkeit der Interessen gefolgert werde konnte, wurde nicht einheitlich interpretiert, sondern zeugt wiederum von dem „Vorverständnis“ der Autoren von einer monistischen oder pluralistischen – ggf. stillschweigenden – Grundtendenz des Aktienrechts: Beispielhaft sieht etwa Semler gerade in der Nichterwähnung der Aktionärsinteressen einen Hinweis darauf, dass es (selbstverständliche und daher nicht erwähnenswerte) Primäraufgabe des Vorstands sei, die Anteilseignerinteressen zu wahren.1191 Weiterhin wurde eine Zuordnung des Unternehmens an die Aktiengesellschaft und somit an die Aktionäre teils nicht in Frage gestellt. Als Aussagegehalt wurde lediglich angesehen, dass sich die Gesellschaft „wirtschaftspolitisch der deutschen Volkswirtschaft eingliedern“ solle.1192 Der Referentenentwurf eines Aktiengesetzes aus dem Jahre 1958 sah vor, § 70 Abs. 1 AktG in den § 71 Abs. 1 AktG umzuwandeln und zu bestimmen: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Unternehmens, seiner Arbeitnehmer und der Aktionäre sowie das Wohl der Allgemeinheit es fordern.“ Der Regierungsentwurf eines Aktiengesetzes stellte hingegen § 73 Abs. 1 AktG mit dem Wortlaut des späteren § 76 Abs. 1 AktG vor: Die Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit sei selbstverständlich und könne anhand des Ermessens, das dem Vorstand eingeräumt werde, verwirklicht werden.1193 Die SPD brachte einen Änderungsantrag zur Einfügung eines § 72a AktG ein: „Die Gesellschaft hat das Unternehmen unter Berücksichtigung des Wohls seiner Arbeitnehmer, der Aktionäre und der Allgemeinheit zu betreiben.“ 1194 Das Aktiengesetz von 1965 hat dennoch von der Vorschrift des § 70 AktG 1937 nur den ersten Teil in den neuen § 76 AktG übernommen. Aufgrund der nicht eindeutigen Äußerungen beim Gesetzgebungsverfahren steht eine Fortgeltung auch des zweiten Teils dennoch in Rede.1195 Unter Bezugnahme auf § 70 AktG 1937 wurde sogar gefolgert, 1189

Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 24. Schlegelberger/Quassowski, AktG, 1937, § 70 AktG, Anm. 3. 1191 Semler FS Raisch, 1995, S. 291, 295. 1192 Schlegelberger/Quassowski, AktG, 1937, § 70 Rn. 8; eine weitere Interpretation bringt Steinmann, Großunternehmen, S. 33, hervor, nach dem es sich beim § 70 Abs. 1 AktG 1937 weniger um eine echte Pflicht im aktienrechtlichen Sinne als um ein rechtspolitisches Prinzip handele. 1193 BegrRegE und Ausschussbericht, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 97 f. 1194 Bei Großmann, Unternehmensziele, S. 152, Fn. 112. 1195 Nach Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 58, ist zumindest die Fortgeltung der Funktionsbestimmung unstreitig; erst Rittner FS Geßler, 1971, S. 139, S. 142 ff., wies aber darauf hin, dass eine Weitergeltung der Vorschrift nicht unbesehen angenommen werden könne; auch er hält aber den Grundgedanken einer pluralistischen Bindung weiterhin für gültig. 1190

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

das Gemeinwohl sei in jedem Falle übergeordnet.1196 Dies wird heute nicht mehr vertreten.1197 Nicht ganz deutlich wird die Bedeutung der Bezugnahme auf die Begriffe „Betrieb“ und „Gefolgschaft“. Zwar dürfte die Gemeinwohlklausel auf diesem Wege über das Gesellschaftsinteresse hinausgehen.1198 Es stellt jedoch eine personale Gruppe („Gefolgschaft“) neben einen Begriff, der diese Gruppe nach allgemeiner Ansicht mit umfassen soll („Betrieb“).1199 Es lässt sich daher zwar eine Öffnung für Interessen neben den Anteilseignern feststellen, ob sich der Gesetzgeber daneben teilweise vom personalen Substrat lösen wollte, wird hingegen nicht deutlich. Jedenfalls ist interessant, dass der arbeitsrechtlich geprägte Betriebsbegriff ins Gesellschaftsrecht transferiert wurde; eine auch längerfristige stärkere Verwebung der Rechtsgebiete konnte er aber nicht bewirken. Obwohl inhaltlich von dem Meinungsstreit darüber, ob § 70 AktG 1937 heute noch fort gilt, wohl keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind,1200 ist doch allein die Tatsache der Existenz dieses Meinungsstreits bemerkenswert und Ausdruck der Suche nach einem Anknüpfungspunkt für eine monistische oder pluralistische Grundtendenz des Aktienrechts, die aber ebenso wie im Falle des Art. 14 GG oder der Mitbestimmungsgesetze aufgrund der Offenheit bezüglich der jeweiligen Konzeption ergebnislos verläuft.1201 4. DCGK/§ 161 AktG Gemäß § 161 AktG haben Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich zu erklären, inwieweit den Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird („comply or explain“ 1202).

1196 So GK-Schmidt/Meyer-Landrut, 2. Aufl., § 70 AktG 1937 Anm. 11, die jedoch davon ausgehen, dass sich Gemeinwohl, Wohl des Unternehmens und seiner Arbeitnehmer sowie seiner Aktionäre in einer „konsolidierten und geordneten Volkswirtschaft“ ohnehin decken. 1197 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 27. 1198 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 33. 1199 Nach Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 25, brachte die Vorschrift die Bindung des Leitungsorgans an die Interessen der Aktionäre und Arbeitnehmer und an die „sozialen und politischen Erwartungen der Allgemeinheit“ zum Ausdruck; den Betriebsbegriff vernachlässigend Fechner, Treubindungen, S. 63, 65, 69, 81, der den Betrieb als „Unternehmen“ liest und von einer stark personalen Deutung des Unternehmens ausgeht; beide Begrifflichkeiten gleichsetzend wohl Kunze, Referat, Siebtes Europäisches Gespräch, 1958, S. 215, 223, der die Vorschrift als Pflicht des Vorstands versteht, „die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Unternehmens, seiner Belegschaft und das Allgemeinwohl“ es erfordern. 1200 So auch Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 23. 1201 Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 138.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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Unter „Corporate Governance“ wird gemeinhin eine „angemessene Unternehmensorganisation“ mit effizienter Unternehmensleitung und -überwachung verstanden, die langfristige Wertschöpfung bzw. nachhaltige Unternehmenswertsteigerung sicherstellt,1203 teils auch mit „Unternehmensverfassung“ gleichgesetzt wird.1204 Der DCGK ist kein zwingendes Gesetzesrecht; er beschränkt sich auf Rechtsbeschreibungen, Empfehlungen und Anregungen. Der gesetzesbeschreibende Teil soll insbesondere ausländischen Anlegern das Verständnis der deutschen Konzeption erleichtern. Empfehlungen und Anregungen sollen zwar „international und national gute und verantwortungsvolle Geschäftsführung“ fördern, gleichzeitig aber auch die Nachteile ausgleichen, die ein starres Gesetzeswerk typischerweise mit sich bringt: Es lässt nur wenig Spielraum für notwendige Differenzierungen und kann eine Anpassung an rasch verändernde Verhältnisse nur schwer nachvollziehen.1205 Die Bedeutung des DCKG für die gesetzliche Pflichtenstellung etwa des Vorstands wird unterschiedlich beurteilt: Der DCGK soll den gesetzlich eröffneten Handlungsspielraum konkretisieren,1206 als sog. „soft law“ der Öffentlichkeit und den Gerichten als Auslegungshilfe dienen1207 oder zur Veränderung der Praxis beitragen, vor der sich auch die Rechtsprechung nicht verschließen könne.1208 1202 MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 30; inzwischen ist diese Umschreibung auch passend; kritisch zur vorherigen Fassung des § 161 S. 1 AktG („Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Gesellschaft erklären jährlich, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden.“) Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Vorbem. Rn. 47: Mangels Begründungspflicht sollte es eher „comply or disclose“ heißen. 1203 Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15a; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 27; Schneider/Strenger, AG 2000, 106; der Begriff wurde insbesondere in den USA geprägt, vgl. Leyens, JZ 2007, 1061; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 36, sieht darin aber eine Hinwendung zum Shareholder Value-Gedanken. 1204 Große/Boos, WM 2006, 1177, die sich ausdrücklichen gegen eine Übersetzung als „gute Unternehmensführung“ verwahren. 1205 Vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 45 f. 1206 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Vorbem. Rn. 20; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 285 ff., gibt jedoch zu bedenken, dass der Regelungsbereich begrenzt und die Substantiierung defizitär sei; von einer möglichen Konkretisierung gehen auch Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326 ff., aus, die die strafrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen den DCGK untersuchen. 1207 OLG Schleswig NZG 2003, 176, 179; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 43, spricht von einer Spezifizierung der Sorgfaltspflichten; vgl. auch Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 f.; Van Kann/Eigler, DStR 2007, 1730, 1732, 1735, gehen davon aus, dass Öffentlichkeit und Gerichte die Anregungen aufnehmen und ihre Wertung im Hinblick auf die Obergrenze als Normalfall akzeptieren werden. 1208 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 282.

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Umstritten ist dabei insbesondere, ob der Kodex eine Haftungsverschärfung nach sich ziehen kann.1209 Seine Erarbeitung durch eine Kommission von Privatleuten, die zwar vom Bundesjustizministerium eingesetzt wurde, der aber keine Vorgaben gemacht wurden, zieht dementsprechend verfassungsrechtliche Bedenken nach sich.1210 Eingang in zwingendes Recht kann der DCGK unstreitig finden, wenn er in die Satzung, die Geschäftsordnung oder den Anstellungsvertrag aufgenommen wird. Zudem erlangt er über § 161 AktG Bedeutung, und eine unrichtige Entsprechungserklärung kann eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 400 AktG und Schadensersatzansprüche der Gesellschaft nach § 93 AktG nach sich ziehen.1211 Blicke in die Praxis bestätigen die Akzeptanz des DCGK.1212 Die Prüfung des Abschussprüfers nach § 285 Nr. 16 HGB beschränkt sich aber auf die Umstände, ob eine Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgegeben und den Aktionären zugänglich gemacht wurde; eine Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Entsprechenserklärung erfolgt nicht.

Die Erkenntnisquellen, die zur Entstehung des DCGK beitrugen, waren sowohl im Hinblick auf Urheber als auch auf ihre Internationalität mannigfaltig. So gab es Bewertungsrichtlinien großer institutioneller Anleger für ihre Portfoliogesellschaften, die von den Gesellschaften zu „Codes of Best Practice“ weiterentwickelt wurden, verschiedene Berichte britischer Komitees,1213 einen Corporate Governance-Bericht der OECD 1999 (neugefasst 2004), Leitfaden zu Corporate Governance in Bankenorganisationen durch den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht 1999 (neugefasst 2006), Initiativen der Frankfurter Grundsatzkommission Corporate Governance Kommission – flankiert von einer Scorecard der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asses Management (DVFA)1214 – 1209 Vgl. Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 32; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1575 ff.; Buchta, DStR 2003, 694, 695; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 542; Seibt, AG 2002, 249, 250; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 166. 1210 Vgl. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Vorbem. Rn. 51 ff.; insgesamt eher kritisch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15 ff. 1211 Van Kann/Eigler, DStR 2007, 1730, 1735. 1212 29 der 30 DAX-Unternehmen akzeptieren die Regelungen des DCGK zum Unternehmensinteresse als verbindlich. Teils erfolgt eine wörtliche Übernahme – so Siemens AG, Geschäftsbericht – teils eine explizite Berücksichtigung von Interessen der Stakeholder, etwa wie folgt: „ThyssenKrupp [. . .] ist ausgerichtet auf die Interessen aller Beteiligten – also Mitarbeiter, Eigentümer, Kunden, Lieferanten und Öffentlichkeit“ (ThyssenKrupp, Geschäftsbericht); „[d]ie Deutsche Bank handelt im Interesse ihrer Aktionäre, Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft“ (Deutsche Bank, Geschäftsbericht). Hingegen statuiert beispielsweise die Fresenius Medical Care als oberstes Ziel „die Maximierung des Unternehmenswertes“ (Fresenius Medical Care, Geschäftsbericht). Die Akzeptanz ist nach Van Kann/Eigler, DStR 2007, 1730, 1733, weiter steigend; vgl. dazu auch Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Rn. 1638 ff. 1213 „Code of Best Practice“ des Cadbury Komitees, der „Greenbury-Report“, der „Hampel-Report“ und schließlich der „Combined Code“, der seit 2000 Mindeststandard der an der Londoner Börse gelisteten Unternehmen ist.

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und des Berliner Initiativkreises aus dem Jahre 2000.1215 Der German Code of Corporate Governance des Berliner Initiativkreises zeichnet sich dadurch aus, dass er betriebswirtschaftlich ausgerichtet ist und den Vorstand in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt.1216 Die Grundsätze, an denen sich das Vorstandsmitglied zu orientieren hat, sind die rechtliche Zulässigkeit, die ökonomische Zweckmäßigkeit und die soziale Verantwortung des Unternehmens in angemessenem Maße.1217 Die betriebswirtschaftliche Ausrichtung wird dadurch untermauert, dass der „Markt“ darüber zu entscheiden habe, welche Anpassungen an dem GCCG vorzunehmen seien.1218 Bedeutungsvoll ist insbesondere der Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“.1219 Schließlich übergab die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, in der nach der Empfehlung der Regierungsvertreter sowohl Vertreter von Anlegern, Arbeitnehmern, Vorstandsund Aufsichtsratsmitgliedern, Unternehmensberatern und Wissenschaftlern vertreten waren,1220 im Februar 2002 den Kodex dem Bundesjustizministerium, dessen Ergebnisse nicht unwesentlich vom 63. Deutschen Juristentag beeinflusst waren. Am 21.05.2003 kamen zudem Impulse von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die eine Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament unter dem Titel „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan“, die eine dreistufige Innovation vorsah.1221 Zudem wurde 2003 durch die Bundesregierung ein 10-Punkte-Programm zur „Verbesserung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes“ veröffentlicht. Viele der Maßnahmen wurden inzwischen gesetzlich1222 realisiert. Das Programm soll an den Stellen eingreifen, an denen das Selbstregulierungspotenzial des Kapitalmarktes nicht ausreicht.1223 1214 Scorecard abrufbar unter http://www.dvfa.de/die_dvfa/standards/corporate_go vernance/dok/35333.php; letzter Zugriff am 11.01.2012. 1215 Vgl. zu diesen Entwicklungen Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 49 ff. 1216 Dazu zwei der Mitwirkenden, Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1 ff. 1217 III., 1.2, 1.3, 1.4 des Berliner Initiativkreises, DB 2000, 1573, 1576; dies gilt i. Ü. nach IV., 1.2, 1.3, 1.4, auch für den Aufsichtsrat und hat nach IV., 5.5, dessen Kontrollgegenstand zu bestimmen. 1218 Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1, 6. 1219 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001. 1220 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 61 f. 1221 Zur weiteren Entwicklung vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 3 ff. 1222 Durch UMAG, VorstOG, BilReG, BilKoG, AnSVG. 1223 Große/Boos, WM 2006, 1177, 1181; Köhler/Meyer/Mauelshagen, BB 2004, 2623.

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Eines der Hauptziele des zuletzt am 26. Mai 2010 neu gefassten DCGK ist der Anlegerschutz, der sich aufgrund der strukturellen Unterschiede zu ausländischen Kapitalmärkten nicht wie bei diesen allein durch den selbst produzierten Druck des Kapitalmarkts und einer Börsenaufsicht verwirklichen lässt.1224 Daraus erklärt sich auch die prominente Stellung der Regelungen zu dem Thema „Aktionäre und Hauptversammlung“ direkt am Anfang des Kodex. Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, den Aktionären die Wahrnehmung ihrer Rechte zu erleichtern. Dies entspricht der anfänglichen Zielrichtung der Corporate Governance, auf die Probleme durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle zu reagieren.1225 Dennoch ist der DCGK keine monistisch ausgerichtete Regelungsmaterie: Das „Unternehmensinteresse“ – bzw. gleichbedeutend: das „Unternehmenswohl“ – findet als Leitmaxime an mehreren Stellen Eingang in den „Deutschen Corporate Governance Kodex“. Bereits in der Präambel wird bestimmt: „Die von den Aktionären gewählten Anteilseignervertreter und die Arbeitnehmervertreter sind gleichermaßen auf das Unternehmensinteresse verpflichtet“. Ziff. 3.1. stellt eine Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat zum Wohle des Unternehmens fest. In den Abschnitten 4.1.1. und 4.3.3. wird neben der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands ausdrücklich seine Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse hervorgehoben. Eine besondere Bedeutung misst der DCKG der langfristigen und nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts bei, wenn es auch im DCKG in der Fassung vom 26. Mai 2010 in Ziff. 4.1.1. syntaktisch nicht mehr gleichrangig neben dem „Unternehmensinteresse“ als Verpflichtung des Vorstands steht, sondern als Teil des „Unternehmensinteresses“ ausgestaltet ist. Daneben soll die variable Vergütung auch Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung enthalten (Ziff. 4.2.3.),1226 um keine kurzfristige Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value zu begünstigen. Daraus wird der Schluss gezogen, im Kodex sei sich der „herrschenden Meinung“ angeschlossen worden, „die neben den Eigentums- und Gewinnmaximierungsinteressen der Aktionäre auch die Interessen der Mitarbeiter, der Kunden,

1224 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 47 f.; vgl. auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 284 f. 1225 Leyens, JZ 2007, 1061 f. 1226 Jeweils parallele Vorschriften für den Aufsichtsrat finden sich in den Ziff. 5.4.6, 5.5.1; eine Orientierung des Vorstands an langfristiger Wertschöpfung erreicht der GCCG des Berliner Initiativkreises, DB 2000, 1573, 1577, III, 6.3., (3), indem er vorschlägt, dass die Optionen erst nach einer Wartefrist von mindestens zwei Jahren ausgeübt werden können und Aktien aus einer Optionsausübung wenigstens drei Jahre gehalten werden müssen; Aufsichtsratsmitglieder erhalten nach IV., 7.3., grundsätzlich keine Stock Options oder eine vergleichbare Vergütung.

D. Monistische Grundtendenz des Aktienrechts?

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der Gläubiger und ganz allgemein der sonstigen, dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) eine Berücksichtigung empfiehlt“ 1227. Manche Stimmen aus der Literatur lassen jedoch Zweifel an der pluralistischen Ausrichtung aufkommen. Häufig scheint es so, als würde die Existenzberechtigung wiederum lediglich auf ökonomische Komponenten reduziert: So wird etwa die steigende Zahlungsbereitschaft von Investoren und die Kurssteigerung bei guter Corporate Governance hervorgehoben;1228 auf diese Weise wird die Berücksichtigung von pluralistischen Interessen – ähnlich dem „enlightened shareholder value“ – zum bloßen Mittel zum Zweck. Der Regelungskomplex der Vorstandsvergütung dürfte derjenige sein, der bei einer Gesamtbetrachtung den meisten Änderungen unterlag, insbesondere auch nach Verabschiedung der Regelung im Gesetz zur Offenlegung der Vorstandsvergütung (VorstOG)1229. Kriterien der Angemessenheit der Vorstandsvergütung sind nach Ziff. 4.2.2. DCGK die Aufgaben des Vorstands, dessen persönliche Leistungen, die Leistungen des Vorstands als Kollegialorgan sowie die wirtschaftliche Lage, der Erfolg und die Zukunftsaussichten des Unternehmens unter Berücksichtigung seines Vergleichsumfelds. Die monetären Vergütungsteile sollen neben fixen auch variable Bestandteile enthalten. Die Regierungskommission Corporate Governance sprach sich gegen eine Deckelung der Vorstandsvergütung (sog. „cap“) aus, und zwar auch mit Verweis auf die Regulierungswirkung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat.1230 Demgegenüber soll 1231 seit dem Kodex in der Fassung vom 6. Juni 2008 ein Abfindungscap vereinbart werden, nach dem der Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschritten und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages vergütet werden soll. Die Zusage für eine Leistung aus Anlass eines Kontrollwechsels sollte 150% des Abfindungs-Caps nicht überschreiten: In Ziffer 4.2.3 des Kodex wird die Vorstandsabfindung thematisiert und eine relative Obergrenze empfohlen. Davon erfasst sind sowohl Abfindungen im herkömmlichen Sinne als auch Sonderzahlungen und Sachleistungen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Höhe der Abfindung bereits im Anstellungsvertrag geregelt 1227 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Rn. 605, Hervorhebung nicht im Originaltext; keine monistische, einseitige Festlegung der Unternehmensführung auf Börsenkurse legt im Übrigen auch der I., 3. GCCG des Berliner Initiativkreises, DB 2000, 1573, zugrunde. 1228 Schneider/Strenger, AG 2000, 106. 1229 Vetter, ZIP 2004, 1527, spricht von dem DCGK als „Testballon“ für den Gesetzgeber. 1230 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 87 f. 1231 Die vorherige Fassung beinhaltete lediglich eine Anregung.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

werde und bei Ausscheiden keine darüber hinausgehenden Zahlungen erfolgten.1232 Die zugrunde liegenden Gedanken des DCGK sind nunmehr in die Neufassung des § 87 AktG durch das VorstAG eingeflossen: Auch dieser geht von fixen und variablen Bestandteilen der Vergütung aus, setzt als Vergleichsmaßstab die „übliche Vergütung“ fest und bestimmt, dass der Aufsichtsrat für außerordentliche Entwicklungen eine „Begrenzungsmöglichkeit“ vereinbaren soll. Seit der Fassung des DCGK vom 14.06.2007 zeigt sich auch, dass die Idee der „Compliance“ zunehmend Eingang in das Bewusstsein erlangt (vgl. Ziff. 3.4; 4.1.3; 5.3.2 DCGK).

Bereits die Stoßrichtung des DCGK (Konkretisierung bzw. Erläuterung der gesetzlichen Regelungen) zeigt an, dass er nicht selbständig dem Aktienrecht eine bestimmte monistische oder pluralistische Grundtendenz zu implementieren vermag. Darüber hinaus ist eine Tendenz aber auch nicht erkennbar: Der Begriff des „Unternehmensinteresses“ unterliegt hier den gleichen Unsicherheiten wie bereits mehrfach angesprochen – der Signifikant lässt keine einfachen Rückschlüsse zu. Zwar sind verschiedene Bezugsgruppen angesprochen, und der DCGK legt besonderen Wert auf eine nachhaltige und langfristige Unternehmenswertsteigerung; wird aber die Beachtung des DCGK darauf zusammengekürzt, dass eine Nichtbeachtung zu Ansehensverlust und so zu einem Schaden der Gesellschaft führen kann,1233 so geht jeglicher pluralistischer Selbstwert verloren.

E. Zwischenergebnis: Blinder Fleck Das Aktienrecht weist keinen Anknüpfungspunkt für eine monistische oder pluralistische Konzeption auf, sondern ist in dieser Hinsicht allein selbstreferentiell. Es weist diesbezüglich einen „blinden Fleck“ auf, der auf das jeweilige Vorverständnis rekurriert: Abhängig davon, ob sich ein monistisches oder pluralistisches Vorverständnis bei der Auslegung der Normen niederschlägt, kommt man zu unterschiedlichen Kompetenzabgrenzungen der Organe und andersartigen Leitmaximen, die jeweils Teil eines stimmigen Gesamtkonzepts sind. Was sich hingegen ausmachen lässt, ist ein Anknüpfungspunkt für das „Bestandsinteresse“.1234 Hauptaufgabe des Vorstandes ist es, das Unternehmen zu leiten (was für sich bereits ein bestehendes Unternehmen voraussetzt) und ein Überwachungssystem einzurichten, vermittels dessen man bestandsgefährdende

1232

Van Kann/Eigler, DStR 2007, 1730. Vgl. im Hinblick auf „freiwillige Verhaltensrichtlinien“ Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 40. 1234 Vgl. oben, Kapitel 2 D. II., III. 3. f., V. 1. 1233

F. Subsystem Strafrecht

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Risiken erkennt. Für wen bzw. aus welchem Grunde der Vorstand den Bestand erhalten soll, ist damit noch nicht gesagt: Der Bestand kann sowohl im Sinne eines – insbesondere materiellen, aber auch prozessualen – Unternehmensinteresseverständnisses erhalten werden als auch als notwendige Voraussetzung einer Maximierung des Gewinnes bzw. des Shareholder Value. Insoweit lässt sich die monistische Tendenz der strafrechtlichen Konzeption nicht durch eine eindeutig monistische des Aktienrechts legitimieren. Es soll an dieser Stelle nochmals überprüft werden, ob das Strafrecht ggf. anhand des Instruments der negativen Zivilrechtsakzessorietät doch eine (relativ) eigenständige Legitimation zu erreichen vermag.

F. Subsystem Strafrecht Negative Zivilrechtsakzessorietät und Verhältnis zu den Ansichten zum Unternehmensinteresse Aus sich heraus kann das Strafrecht eine monistische Konzeption der Untreue nicht legitimieren, will es sich nicht in zirkulärer Argumentation verstricken oder Tatbestandsmerkmale, die zu trennen sind, verschmelzen.1235 Die negative Zivilrechtsakzessorietät bietet die Chance, aus dieser Selbstbezogenheit auszubrechen, indem Fixpunkte in einem anderen System gesucht werden, die aber über die Einheit der Rechtsordnung miteinander verbunden sind. Das System Strafrecht muss aber nicht alle Aspekte aus dem Gesellschaftsrecht aufnehmen, sondern kann nur bestimmte gesellschaftsrechtlich unzulässige Handlungsweisen für strafbewehrt erklären. So könnte das Strafrecht etwa nur das Verhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft(ern) bzw. die Orientierung des Vorstands an erwerbswirtschaftlichen Belangen herausgreifen und einen Pflichtenverstoß in diesem Ausschnitt der Vorstandstätigkeit mit Strafe bedrohen. Indes darf – unstreitig – nach der Idee der negativen Zivilrechtsakzessorietät nichts mit Strafe bedroht sein, was gesellschaftsrechtlich erlaubt ist. Es stellt sich mithin die zentrale Frage: Ist „monistisch statt pluralistisch“ ein zulässiger Ausdruck negativer Zivilrechtsakzessorietät oder mit anderen Worten: Ist eine Kompetenzverschiebung zugunsten der Anteilseigner ein zulässiger Ausdruck negativer Zivilrechtsakzessorietät? Tatsächlich ist es so, dass – wie bereits mehrfach erörtert – die Leitmaximen „Gesellschaftsinteresse“, „materielles Unternehmensinteresse“, „prozessuales Un1235 Etwa: Schluss vom Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens auf eine monistische Konzeption der Untreue und damit auch der Pflichtverletzung.

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Kap. 2: Strafrechtliche Konzeption aus der rechtlichen Umwelt

ternehmensinteresse“ einen jeweils sich erweiternden Handlungsspielraum nach sich ziehen. Oder anders gewendet: Es kann festgestellt werden, dass der Verbindlichkeitscharakter der verschiedenen Verständnisse vom monistischen über das pluralistische bis hin zum prozessualen Verständnis der Verbindlichkeitscharakter immer weiter abnimmt.1236 War das Vorstandshandeln beim monistischen Prinzip noch streng durch die Anteilseignerinteressen in Gestalt der erwerbswirtschaftlichen Interessen Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value als Zielpunkt zu legitimieren1237, so erweiterte der Kreis der berücksichtigungsfähigen sonstigen Interessen anhand des pluralistischen Verständnisses auch das Entscheidungsspektrum im Sinne einer Zielmenge1238, das als vertretbar angesehen werden muss. Durch eine weitere Beachtung von Interessen neben den Aktionärsinteressen ist auch eine neue Möglichkeit der „Rechtfertigung“ von Vorstandsentscheidungen entstanden.1239 Besonders deutlich wird die Erweiterung des Handlungsspielraums bei einem Verständnis, das dem Vorstand erlaubt, sich monistisch oder pluralistisch auszurichten, ihn aber nicht auf eine bestimmte Konzeption verpflichtet. Mit einem Schritt zu rein prozessualen Erfordernissen wäre der Vorstand an keine materiellen Fixpunkte, sondern lediglich an die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens gebunden. Wie bereits dargelegt handelt es sich bei der Zugrundelegung eines monistischen Verständnisses im Strafrecht gegenüber den gesellschaftsrechtlichen Konzeptionen (mit Ausnahme des monistischen Modells) um eine Verengung des möglichen Spielraums. Dementsprechend handelt es sich bei der strafrechtlichen monistischen Konzeption nicht um einen zulässigen Ausdruck der negativen Zivilrechtsakzessorietät. Noch deutlicher dürfte dies bei der parallelen Kompetenzverschiebung zulasten des Vorstands und zugunsten der Hauptversammlung werden.1240 Dabei handelt es sich nicht um ein „Herausgreifen“ bestimmter strafrechtsrelevanter gesellschaftsrechtlicher Aspekte, sondern um ein „aliud“. Der letzte Versuch soll nunmehr darin bestehen, die strafrechtliche Konzeption aus der wirtschaftlichen Umwelt heraus zu legitimieren. Die Fragen, ob dies überhaupt zulässig ist, und wenn ja, auf welche Weise, sollen nunmehr erörtert werden.

1236

Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 52. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 53, nennt dies ein „materiales Zielprogramm“. 1238 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 53, sieht das Unternehmensinteresse dabei vor allem als Begrenzung. 1239 Vgl. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 81. 1240 s. o. 1237

Kapitel 3

Legitimation der strafrechtlichen Konzeption aus der wirtschaftlichen Umwelt A. Zulässigkeit der Übernahme interdisziplinärer Erkenntnisse Insbesondere: Wirtschaftsordnung Der Begriff „Wirtschaftsordnung“ bezieht sich auf die Gesamtordnung des Sozialbereichs Wirtschaft, also auf alle für den Ablauf und Aufbau der Wirtschaft geltenden Regeln und die wirtschaftsgestaltenden Institutionen.1 Auf diese Weise wird ein juristischer Bezug hergestellt. Bei der juristischen Argumentation soll die Untersuchung jedoch nicht stehen bleiben, vielmehr sollen auch die ökonomischen Erklärungsmodelle für die Funktion der Wirtschaftsordnung herangezogen werden. Bevor dies geschehen kann, muss allerdings begründet werden, dass es zulässig und geboten ist, auch außerjuristische Argumentation fruchtbar zu machen.2 Während in den Rechtswissenschaften die Auslegung von Normen in ihrem rechtlichen Zusammenhang weit gediehen ist, wird der Aspekt anderer „Umwelten“ nicht selten vernachlässigt.3 Bei der Übertragung von ökonomischen Er1

Vgl. Vogt, Sozialverband, S. 50. Bereits O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 1 f., hob die Bedeutung der Interdisziplinarität gerade bei Erforschung der menschlichen Verbände hervor; stillschweigend wohl die Möglichkeit einer Heranziehung bejahend Laskos, Untreue bei der Kreditvergabe, S. 49 ff., 60, 71 f., der auch „evidente“ Verstöße gegen bankbetriebliche Pflichten als untreuerelevant ansieht; einschränkend Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 90 ff. 3 Darauf weist Fleischer hin, vgl. etwa Fleischer FS Immenga, 2004, S. 575 ff. Fleischer macht sowohl psychologische als auch wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse für das Recht fruchtbar, weist aber auf die besondere Bedeutung hin, die einer Überprüfung eines jeden fachfremden Arguments auf juristischer Ebene zukomme: Die Autorität des Gesetzgebers sei in jedem Falle zu achten, Fleischer, ZGR 2001, 1, 32. Für eine juristische Rezeption wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse seien von vornherein nur diejenigen Regeln geeignet, die in der Betriebswirtschaftslehre als gesichert gelten und sich in der Praxis bewährt hätten, Fleischer-Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 36; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 46. Bei „fehlender legislatorischer Vorprägung“ könnten rechtsökonomische Gesichtspunkte zur Auslegung herangezogen werden, Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 33. Auch Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 430, setzt sich in ihrer Untersuchung mit system2

300

Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

kenntnissen muss insbesondere in Rechnung gestellt werden, dass in dieser Arbeit keine neue Konzeption auf die folgenden Gedanken gestützt werden soll, sondern die Erkenntnisse lediglich im Sinne der Vermeidung einer Argumentationsreduktion helfen sollen, den Untersuchungsgegenstand von allen Seiten zu beleuchten.4 Insgesamt muss bei der Übernahme interdisziplinärer Erkenntnisse Verwerfungen Rechnung getragen werden, die, anders als bei verschiedenen Rechtsgebieten, die vorrangig – wenn überhaupt – lediglich terminologische Unterschiede aufweisen sollten, ganz grundlegender Natur sind. Seit Eucken ist die „Interdependenz der Ordnungen“ geläufig, die besagt, dass sich Wirtschafts-, Gesellschafts- und staatliche Rechts- und Verfassungsordnung gegenseitig beeinflussen und nicht ohne Berührungspunkte nebeneinander stehen.5 Ähnlich spricht Schumpeter von dem gestaltenden Einfluss, den rechtlicher Rahmen und Wirtschaftsprozess aufeinander ausüben.6 Nach Julius von Gierke bildet die Volkswirtschaftslehre mit ihren Begrifflichkeiten die realen Gegebenheiten ab, während die Rechtswissenschaft an die Sprache der Gesetze gebunden sei.7 Der Gesetzgeber habe Großmann zufolge stets die Einordnung der Aktiengesellschaft in die marktwirtschaftliche Ordnung im Auge gehabt.8 Nach Hauss-

theoretischen Erwägungen auseinander; nach Theisen, RWZ 2001, 157, 164, wird die Betriebswirtschaftslehre zur Konkretisierung der Leitungspflicht von der Rechtswissenschaft nachhaltig ignoriert. Nach Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 61, lockert sich hingegen die als „Rechtsquellenproblematik“ beschriebene Krise einer interdisziplinären Zusammenarbeit insbesondere der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften zunehmend. 4 So lehnt sich beispielsweise auch Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 164, an die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre an, um das „Wesen“ des Risikogeschäfts zu ergründen. 5 Nach Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 14, bedeutet die „Interdependenz der Ordnungen“, dass „die Wirtschaftsordnung als Ganzes wie in ihren Teilordnungen, die sie umfaßt, in gegenseitiger Abhängigkeit mit allen übrigen menschlichen Ordnungen“ steht; auch Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 57, spricht von einer „wechselseitigen Abhängigkeit“. 6 Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse I, S. 58 Fn. 2. 7 Dass die Übernahme eines volkswirtschaftlichen Begriffes in die Rechtsordnung nichts Ungewöhnliches sei, untermauert Julius v. Gierke, ZHR 111 (1948) 1, 4, 10, mit den ebenfalls volkwirtschaftlich vorgeprägten Begriffen der „Kartelle“ und des „Konzerns“; a. A. Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 118 ff., der die „Übernahme“ einer wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungsweise diskutiert, sie jedoch im Ergebnis ablehnt – zwar finde die Rechtsordnung das Unternehmen als Gebilde der Wirklichkeit vor und viele rechtliche Bestimmungen hätten an den wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch angeknüpft, Hauptgebiet der Wirtschaftswissenschaften sei aber die Analyse, während das Recht die Gebilde auch zu gestalten habe. 8 Großmann, Unternehmensziele, S. 182 f.: „Die Selbstbehauptung am Markt, die Einordnung der AG in einer marktwirtschaftliche Ordnung hat für die AG eine hervorragende Bedeutung [. . .]. [D]ie AG [muss] so strukturiert sein, daß sie leistungsfähig am Markt handeln, am Wettbewerb teilnehmen und damit ihren Beitrag zu gesamtwirt-

A. Zulässigkeit der Übernahme interdisziplinärer Erkenntnisse

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mann greifen insbesondere die grundlegenden Fragen des Aktienrechts auf das allgemeine wirtschaftliche Gebiet über und gründen sich auf die allgemeine Wirtschaftstheorie.9 Nelles stellt die Verbindung zwischen Recht und Wirtschaft her, indem sie rechtliche Institutionen als Handlungsorientierung der Akteure im wirtschaftlichen System erkennt.10 Auch Raiser zieht einzelne Erkenntnisse heran, da sich die Arbeitsgebiete der Ökonomen und Juristen zunehmend überschnitten.11 Vogt spricht sich daher für ein interdisziplinäres Organisationsmodell des Unternehmens aus.12 Selbst das Reichsgericht rechtfertigte die Zulässigkeit von Bezugsrechtsausschluss und Mehrstimmaktien damit, dass diese „im Fluß der wirtschaftlichen Entwicklung“ lägen.13 Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Aktienrecht „Wirklichkeit“ regelt, gleichzeitig aber von sozialer und wirtschaftlicher „Wirklichkeit“ maßgeblich beeinflusst wird. Eine Unternehmenskonzeption muss sich in die geltende Wirtschaftsordnung einpassen;14 der Unternehmensbegriff lässt sich nur in Verbindung mit dieser bestimmen.15 Dies gilt in besonderem Maße für die Aktiengesellschaft.16 schaftlich optimalen Bedarfsdeckung erbringen kann, ohne dabei die Wettbewerbsordnung zu stören.“ 9 Haussmann, vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 5. 10 Dies sind bei der Marktwirtschaft die Handlungsorientierungen „Tausch, Wettbewerb, [wirtschaftliche] Macht, und die wirtschaftlichen Kommunikationsformen“, vgl. Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 434 f. 11 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 132, der eine Übernahme – wenn auch nicht die Verwertung einzelner Erkenntnisse – an den betriebswirtschaftlichen Organisationsbegriff ablehnt, da dieser sich auf die Tätigkeit des Organisierens beziehe (S. 103). 12 Vogt, Sozialverband, S. 15 ff. favorisiert eine multifunktionelle Betrachtung des Unternehmens als wirtschaftliche, rechtliche und finanzielle Einheit. 13 RGZ 119, 248, 257. 14 Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 548; Oppikofer, Unternehmensrecht, S. 1; Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 11; „Sechser Bericht“, 1968, S. 83; Vogt, Sozialverband, S. 6. Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 46, gehen davon aus, ein begründeter Vorschlag zur Reform der Unternehmensverfassung sei nie ohne argumentativen Bezug auf die Wirtschaftsordnung möglich; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 76; auch bereits Raiser, ZRP 1981, 30, 33, der aber entscheidend darauf hinweist, dass das Grundgesetz keine kapitalistische Ordnung garantiere, S. 34, wobei „kapitalistisch“ den ökonomischen und rechtlichen Vorrang der Produktionsmitteleigentümer meine, S. 33. 15 Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 113, der von einer engen Durchdringung vom Unternehmensrecht und dem Recht der Gesamtwirtschaft spricht; auch Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 511, hebt die Verknüpfung insbesondere des Aktienrechts mit der Wirtschaft hervor; nach dem „Sechser Bericht“, 1968, S. 54 f., gehört der Markt zu den „Grundinstituten“ der Wirtschaftsverfassung, daher sei die Marktfreiheit auch das Fundament des wirtschaftsverfassungsrechtlichen Unternehmensrechts; insbesondere auch Ballerstedt, JZ 1951, 486, 488. 16 Eine Wechselwirkung mit der Wirtschaftsordnung gilt nach Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 3 f., für die Aktiengesellschaft im Besonderen; nach Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 529, 532, ist dies darauf zurückzuführen, dass die Ak-

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

Die Verzahnung von wirtschaftlichen Gegebenheiten und legislatorischer Entscheidung zeigt sich schon an der Geschichte: Die Anfänge des Handelsrechts hatten die Handelskompanien zum Gegenstand. Sie fallen in die Zeit des Merkantilismus, der durch die Vorstellung geprägt war, Wirtschaft müsse Gegenstand staatlicher Regelungen sein. Die Handelskompanien waren demgemäß sowohl sachlich – ihre Entstehung war beispielsweise durch das sog. Octroisystem geregelt – als auch personell vom Staat durchdrungen.17 Mit dem Normativsystem wurde ein entscheidender Schritt in die privatrechtliche Freiheit vom Staat gemacht.18 Es ist von eminenter Bedeutung, diese gesetzlichen Veränderungen vor dem Hintergrund der damaligen wirtschaftlichen Ordnungsvorstellungen zu sehen: Sie fallen in eine Zeit, die von liberaldemokratischem Gedankengut, des „Laissez-faire“ und des souveränen Individuums, geprägt ist.19 Die Wirtschaft sollte „Privatsache“ sein und es herrschte die Vorstellung einer machtfreien Sphäre vor, in der sich die Mechanismen des Marktes frei und zugleich zur Erreichung der allgemeinen Wohlfahrt entwickeln konnten und sollten.20 Daraus folgte – nach damaliger Vorstellung denklogisch und für diese Untersuchung besonders aufschlussreich – insbesondere die Einsicht, dass die treibenden Kräfte des Marktes (Unternehmer) gewinnorientiert agieren sollten. Die Aktiengesellschaft wurde als Instrument der liberalen, kapitalistischen Wirtschaft angesehen, deren Triebfeder das Streben nach Gewinn war und sein sollte.21 Der „Eigentümer“ 22 durfte (und sollte) seine Geschäfte im eigenen Interesse führen und so viel Gewinn wie möglich daraus ziehen. Dies wurde dann als besonders wahrscheinlich angesehen, sofern die Einheit von Risiko, Kontrolle und Gewinn – festgemacht am Eigentum an den Produktionsmitteln – gewahrt würde.23 Der Eigentumsbegriff beinhaltete zu dieser Zeit dementsprechend wenige Bindungen tiengesellschaft als Kapitalgesellschaft „eine der gesellschaftlichen Organisationsformen ist, deren sich der Kapitalismus zur Durchsetzung des von ihm gebildeten Wirtschaftssystems bedient“. Die Aktiengesellschaft müsse zu allen Zeiten von der jeweiligen Struktur des kapitalistischen Systems durchdrungen sein. 17 Steinmann, Großunternehmen, S. 12 ff. 18 Großmann, Unternehmensziele, S. 134. 19 Vgl. Steinitzer, Ökonomische Theorie der Aktiengesellschaft, S. 59; Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31 f.; Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 161. 20 Die Zurückhaltung gegenüber Eingriffen in das Marktgeschehen dürfte sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse des 18. Jahrhunderts gegründet haben, nach der eine naturgegebene Harmonie vorherrschen sollte, der der Mensch nur Freiraum lassen musste. 21 Großmann, Unternehmensziele, S. 137. 22 Zu dem Begriff des „Eigentümers“ in den Wirtschaftswissenschaften vgl. unten, Kapitel 3 B. 23 Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 33; Steinmann, Großunternehmen, S. 10; Vogt, Sozialverband, S. 43.

A. Zulässigkeit der Übernahme interdisziplinärer Erkenntnisse

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zugunsten anderer.24 Der Gesetzgeber sollte nur dort eingreifen, wo es unbedingt notwendig erschien, insbesondere zur Verhinderung unlauterer Methoden. Die gesetzlichen Vorschriften waren jedoch kein Eingeständnis eines Marktversagens, sondern sollten die Unternehmen besser in die liberale Wirtschaft einfügen.25 Dass diese Wirtschaftstheorie bekanntermaßen einen „gewaltigen Bruch“ in der Zeit des Nationalsozialismus erlitt, spiegelt sich in der Konzeption des AktG 1937, insbesondere der Vorschrift des § 70 AktG 1937, wider: Der Gesetzgeber sah die Aktiengesellschaft nicht länger als Privatangelegenheit an und vertraute nicht mehr auf die Steuerungsfunktion des Marktes. Er wandte sich von der liberalen Vorstellung ab26 und setzte an die liberalen Ideen des Individualismus die des Kollektivismus. Auch die materiellen Theorien des Unternehmensinteresses öffneten sich dem geltenden Wirtschaftssystem, indem sie eine rentable Unternehmensführung zur Sicherung des Fortbestandes als erforderlich erachten. Sie stellen auf diese Weise auf „faktische“ Erfordernisse ab,27 die das Wirtschaftssystem an die Unternehmen stellt (und verzichten so zugleich implizit auf eine Kritik an der vorherrschenden Wirtschaftstheorie).28 Einen Einbruch von betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen in das moderne Aktienrecht hat die Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG n. F. bewirkt. Sie basiert zu weiten Teilen auf der betriebswirtschaftlichen Entscheidungs- und Investi-

24 Steinmann, Großunternehmen, S. 8., spricht insofern von einer vermittelten „Allmacht“. 25 Vgl. Großmann, Unternehmensziele, S. 133, 155, der annimmt: „Der Gesetzgeber hat seine Vorstellungen von der richtigen Struktur der AG im Inneren und ihrem richtigen Verhalten nach außen im Rahmen der Gesamtwirtschaft dadurch zu verwirklichen versucht, daß er die Organe der AG einrichtete, ihre Besetzung regelte und den materiellen Spielraum ihrer Entscheidungen durch strikte Gebote und Verbote begrenzte [. . .]; dabei ging er von der Annahme über das typische Verhalten von Personen und Personengruppen aus und sah die AG als Teil eines Wirtschaftssystems, das von außen durch Sachzwänge das Verhalten der AG steuernd beeinflußt“; Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 33; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 468 ff., 488 ff., konstatiert, dass bürgerlich-liberale Ordnungsvorstellungen das normative Fundament der klassischen Privatrechtsgesetzbücher ist; Raiser, ZRP 1981, 30, hebt hervor, dass unter dem Einfluss der liberal-kapitalistischen Wirtschaftsordnung des 19. Jahrhunderts auch weite Teile des sonstigen Handels- und Gesellschaftsrecht kodifiziert wurden. 26 Großmann, Unternehmensziele, S. 156 f. 27 Zu der Frage, ob diese tatsächlich unbesehen angenommen werden dürfen, vgl. unten, Kapitel 3 C. II. 28 Nach Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 17 f., weist etwa die Konzeption Raisers von dem Unternehmen als Sozialverband eine Parallelität zu den interessenpluralistischen Ansätzen der Betriebswirtschaftslehre auf; diese Ähnlichkeit führt Laske, ZGR 1979, 173 f., auf die Dominanz der juristischen Denkansätze gegenüber der betriebswirtschaftlichen Theorienbildung der 1970er Jahre zurück.

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

tionstheorie.29 Auch im Hinblick auf § 91 Abs. 2 AktG wird diskutiert, ob eine Regel besteht, nach der die Einrichtung eines betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen genügenden Risikofrüherkennungssystems generell auch den rechtlichen Erfordernissen genüge.30 In der Gesetzesbegründung wird auf die volkswirtschaftliche Bedeutung des Kerns der Vorschrift, des Fortbestandes, hingewiesen.31 Auch der Begriff der „Leitung“ im Sinne des § 76 AktG32 bzw. die Figur des „ordentlichen Geschäftsmanns“ 33 werden anhand von wirtschaftswissenschaftlichen Kategorien zu konkretisieren versucht; im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse wird nur der Rahmen gesehen, der den Geschäftsleitungsmaßnahmen, die an wirtschaftswissenschaftlichen und praktischen Anforderungen auszurichten seien, vorgegeben ist.34 Die Annahme einer Interpendenz der Ordnungen bestätigt sich also. Es ist nunmehr näher zu beleuchten, ob die Wirtschaftsordnung bzw. die Gesellschaft, die sich Aktiengesellschaften als wesentliche Bestandteile der Wirtschaft bedient, eine monistische Ausrichtung des Unternehmens bzw. der Aktiengesellschaft im Besonderen fordert. Die Untersuchung ist zweistufig aufgebaut: Zunächst wird die Frage erörtert, ob wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse zu einer Legitimation der monistischen Konzeption taugen. An dieser Stelle muss der Blick auf diejenigen wirtschaftswissenschaftlichen Lehren gerichtet werden, die im Sinne der hiesigen Untersuchung als monistisch bezeichnet werden können, insbesondere also von dem Erfordernis einer Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value ausgehen. Dies soll nicht bedeuten, dass neuere Ansätze, die in den Wirtschaftswissenschaften existieren und Voraussetzungen einer monistischen Sichtweise über Bord werfen, nicht gewürdigt würden. Sie kommen an dieser Stelle aber nur mittelbar zum Tragen.

29 Nach RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 12, sei das Merkmal der „angemessen Information“ im Lichte anerkannter betriebswirtschaftlicher Verhaltensmaßstäbe und Schwerpunkte sowie betriebswirtschaftlicher Trends und der Marktstimmung auszulegen; vgl. auch MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 37; Fleischer, NZG 2008, 371; Weiss/ Buchner, WM 2005, 162, 164, die eine Interpretation anhand betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse akzeptieren, nicht hingegen den Schluss von der Betriebswirtschaftslehre auf Rechtspflichten. 30 Vgl. MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn. 29. 31 BT-Drucks. 13/9712 zu Nr. 7 – § 91 Abs. 2 AktG. 32 Vgl. KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 5; Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 163, macht auch für seine Definition des Risikogeschäfts betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorien fruchtbar. 33 Nach Ischebeck, wistra 2009, 95, 99, dürfe vom Leitungsorgan nichts betriebswirtschaftlich Unmögliches verlangt werden. 34 OLG Düsseldorf AG 1996, 373, 375.

B. Transformation der Begriffe

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Auf zweiter Stufe soll diskutiert werden, ob das Recht mit der „Lehre über die Wirtschaft“, den Wirtschaftswissenschaften, dergestalt gekoppelt ist, dass sie an einem wirtschaftswissenschaftlichen Paradigma teilhaben könnten und es dementsprechend nur mittelbar auf eine Legitimation ankäme. Dieser Gedanke liegt in gewisser Weise auch der ökonomischen Analyse des Rechts zugrunde, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut.35 Bedenken gegen diesen Forschungsansatz ergeben sich aus der Instrumentalisierung des Rechts und der daraus folgenden Gefahr einer utilitaristischen Überformung von rechtlichen Wertungen. Die Inkorporierung der Leitunterscheidung Wert/Kosten in ein System, dem die Leitunterscheidung Recht/Unrecht zugrunde liegt, ist problematisch.

Die übergeordnete Frage dürfte wohl sein: Ist die Wirtschaft/die Aktiengesellschaft eine quantitative gesellschaftliche Veranstaltung oder eine den qualitativen Gehalt einer Gesellschaft ausmachende?

B. Transformation der Begriffe In den Wirtschaftswissenschaften werden andere Begrifflichkeiten als in den Rechtswissenschaften verwendet. Der Begriff der „Unternehmung“ etwa, der in den Rechtswissenschaften nur wenig gebräuchlich ist, ist in den Wirtschaftswissenschaften grundlegend. Er weist nach Kosiol die konstituierenden Merkmale „Fremdbedarfsdeckung, wirtschaftliche Selbständigkeit und als Folge die besondere Art des wirtschaftlichen Risikos“ auf.36 Mehr als im rechtswissenschaftlichen Bereich wird die „Unternehmung“ als Objekt der Leitung verstanden, der funktionale Instrumente an die Hand gegeben werden sollen. Gerade die Frage, wie die „Unternehmung“ zu führen ist, deckt sich mit der hiesigen Fragestellung nach den Vorstandspflichten; in dieser Hinsicht ist der Begriff der „Unternehmung“ mit dem des „Unternehmens“ in seinem objektiven Bedeutungsgehalt deckungsgleich.37 Daneben tritt die Unternehmung als Forschungsobjekt bezüglich der Frage, warum sich Personen zu einer „Unternehmung“ zusammenfinden und wie sie sich dabei verhalten – dies impliziert eine makroökonomische Betrachtungsweise, die ihr rechtswissenschaftliches Pendant eher in den materiellen Theorien des Unternehmens (ggf. auch als Subjekt) findet. 35 Vgl. beispielsweise Wieland FS Lampe, 2003, S. 371 ff.; Fleischer, ZIP 2005, 141, 149; Leyens, JZ 2007, 1061 ff., zu ökonomischen Aspekten der Corporate Governance; Ott/Schäfer, JZ 1988, 213 f.; Spindler, AG 2006, 677 ff.; Grundlagenkritik kommt hingegen von Fezer, JZ 1986, 817, 823: „Ökonomische Rechtsanalyse und freiheitliches Rechtsdenken sind unvereinbar“. 36 Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, S. 28. 37 Auch Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 15, gehen von einer synonymen Verwendung der Begriffe aus, verwenden selbst aber in Anlehnung an die Rechtswissenschaften den Begriff des Unternehmens.

306

Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

Das Verhältnis von Unternehmung und Betrieb im Hinblick auf Ober- und Unterbegriff wird, anders als in den Rechtswissenschaften, in denen sich eine ganz herrschende Meinung herauskristallisiert hat,38 kontrovers diskutiert.39 Dies ist für die hiesige Untersuchung jedoch nur von geringer Bedeutung, da der „Betrieb“ in weiten Teilen ausgeklammert bleibt. Eine Binnenperspektive ist in den Wirtschaftswissenschaften wesentlich seltener als in den Rechtswissenschaften anzutreffen. Nicht umsonst zeichnet sich die aus den Wirtschaftswissenschaften stammende Shareholder Value-Doktrin durch ein Hervortreten der Aktionäre aus.40 Die Ebene der juristischen Person wird auf diese Weise vernachlässigt, sodass sich in den Wirtschaftswissenschaften öfter als in den Rechtswissenschaften die Bezeichnung der Aktionäre als „Eigentümer“ findet41 und die Handlungsweisen des Vorstands an den Interessen der Gesellschafter, nicht an der Gesellschaft auszurichten seien. Auch dies ist indes unschädlich: Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften werden die Akteure als Modellelemente mit einem Selbstinteresse ausgestattet, das bei den Eigentümern als Bestrebung zur Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value zutage tritt (sog. „homo oeconomicus“ 42). Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften stimmen in dieser Hinsicht in einem monistischen Verständnis überein:43

wirtschaftswissenschaftlich: Orientierung an „Eigentümern“

rechtswissenschaftlich: Orientierung an Gesellschaft(ern)

monistisches Element

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Vgl. oben, Kapitel 2 C. III. 1. d). Vgl. Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 17 f. 40 s. o., Kapitel 2 B. IV. 41 Verbreitet ist dies etwa bei der Prinzipal-Agent-Theorie, die die „Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht“ problematisiert, vgl. etwa Staehle, Management, S. 423 f.; Steinmann/Schreyögg, Management, S. 100 ff. 42 Darunter ist ein ausschließlich nach dem ökonomischen Prinzip der Nutzenmaximierung handelnder Mensch zu verstehen, der über eine lückenlose Information über sämtliche Entscheidungsalternativen und deren Konsequenzen verfügt und dessen Verhaltensweisen zur Vereinfachung in ökonomischen Modellen angenommen werden – der „homo oeconomicus“ geht zurück auf die „Chicagoer Schule“, vgl. Grüske/Schneider, Wörterbuch der Wirtschaft, „Homo Oeconomicus“; vgl. zur Kritik Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 26, 153. 43 Dazu, dass der Umstand einer vorliegenden oder fehlenden Binnenperspektive das gemeinsame monistische Element nicht verhindert, vgl. oben, Kapitel 2 B. IV. 39

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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C. Legitimation anhand monistischer wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze I. Einheit von Risiko und Macht, Wohlfahrtsprinzip, Harmonieprämisse und Zwangshypothese Die Einheit von Risiko und Macht ist Grundprinzip der (neo-)liberalen und (neo-)klassischen Wirtschaftstheorie44 (und damit der „Unternehmensordnung“ 45). Sowohl Macht als auch Risiko werden im Rahmen der Unternehmen bei den Kapitaleignern, die im klassischen Unternehmensmodell dementsprechend einziges Willensbildungszentrum waren, lokalisiert: „Das Unternehmen ist ein Instrument der Aktionäre, die es besitzen.“ 46 Die Legitimationsgrundlage der Einheit ist das sog. „Wohlfahrtsprinzip“ bzw. die sog. „Harmonieprämisse“: Diese enthält die Aussage, der Markt sei das Mittel zur Wohlfahrt aller und ein „Gleichgewichts-“ bzw. „Harmoniezustand“ zwischen gesamtwirtschaftlichen und unternehmerischen Interessen ergebe sich automatisch durch die optimale Güterallokation, wenn der Staat nur die „allgemeinen Spielregeln“ festlege, insbesondere den Unternehmen genug Freiraum verschaffe und Unternehmen sich als wirtschaftliche Akteure rein eigennützig (Maximierung des Unternehmensgewinnes) verhielten.47 Nach Schumpeter wa44 Die klassische Wirtschaftstheorie gründet auf dem Axiom des ökonomischen Selbstinteresses. Das auf Eigenliebe beruhende Streben des Einzelnen, seine wirtschaftliche Lage und soziale Stellung in der Gemeinschaft zu verbessern, soll der Antrieb sein, der die produktiven Kräfte eines Landes zu entwickeln hilft und dem öffentlichen Wohl dient. Eine „unsichtbare Hand“ soll dafür sorgen, dass der Wirtschaftsablauf über den Mechanismus des Marktes kurzfristig und langfristig zu einem Gleichgewicht kommt. Die neoklassische Theorie stellt das Verhalten der Wirtschaftssubjekte am Markt und damit die Determinanten von Angebot und Nachfrage in den Mittelpunkt. Die Allokation der Produktionsfaktoren und die des Haushalseinkommens bei konkurrierender Verwendung werden derart in einem mikroökonomischen Konzept verbunden, dass jeder Marktteilnehmer sein Gewinn- oder Nutzenmaximum verwirklicht. Wettbewerb und Beweglichkeit der Preise, Güter und Faktoren sorgen demnach für eine effiziente Allokation bei Vollbeschäftigung und stellen ein Gleichgewicht her, das zu Basis der Wohlfahrtsökonomie wird. Der Liberalismus erklärt das Zusammenleben der Menschen anhand des sog. „Individualprinzips“, wobei das Selbstinteresse oder Erwerbsstreben des Einzelnen dem Gemeinwohl dienen soll. Der Neoliberalismus strebt eine Wettbewerbsordnung an, die durch staatliche Maßnahme gestützt ist und garantiert, dass die Kräfte der Konkurrenz voll zur Entfaltung kommen; vgl. zu alldem Grüske/Schneider, Wörterbuch der Wirtschaft. 45 Vgl. Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 33; Steinmann, Großunternehmen, S. 10. 46 Friedman, Kapitalismus und Freiheit, S. 167. 47 Die Harmonie-Prämisse geht insbesondere auf Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre I, S. 347 f., zurück: Volkswirtschaftlich werde beste Versorgung mit Gütern und Diensten erreicht, wenn jedes einzelne Unternehmen versuche, auf Dauer einen möglichst großen Gewinn auf das eingesetzte Kapital zu erzielen; vgl. dazu auch Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 26; Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 167 f.; Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis,

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

ren die klassischen Nationalökonomen „völlig überzeugt, daß innerhalb des institutionellen Rahmens des Kapitalismus das Selbstinteresse der Fabrikanten und der Kaufleute die maximalen Leistungen im Interesse aller fördere“.48 Moralischer und ethischer Verantwortung der Unternehmen war bereits damit Genüge getan, einer weitergehenden Reflexion bedurfte es nicht (mehr). Das Kapitalinteresse konnte auf die Weise – nämlich zur Wohlfahrt aller – mit ruhigem Gewissen einem Vorrang zugeführt werden.49 Exemplarisch sei hier nur auf Friedmann verwiesen, der konstatierte, es sei die Verantwortung aller, eine Gesetzesstruktur zu schaffen, die sicherstelle, dass ein Individuum seine persönlichen Interessen wahrnehme, um den Interessen der Gesellschaft zu dienen. In einem freien Wirtschaftssystem gebe es nur eine einzige Verantwortung für die Beteiligten: „Sie besagt, dass die verfügbaren Mittel möglichst Gewinn bringend eingeS. 15, 17 f., die kapitalistische Wirtschaftsordnung habe die in sie gesetzten Erwartungen der Güterproduktion weit übertroffen, die der Güterverteilung hingegen verfehlt – insbesondere Fehlentwicklungen in der Gesellschaftsordnung waren die Folge (z. B. Kinderarbeit); Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 162, bezeichnet die Harmoniethese als eine tragende Säule der AG. 48 Insbesondere Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 124 ff., der auch auf den Umstand hinweist, dass es vorher durchaus nicht allgemeine Ansicht war, dass das Gewinnmotiv mit den Konsumenteninteressen vereinbar sein könne; ebenso stellt Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 151, fest, dass die Legitimation der Unternehmensführung, die auf Beschlüsse der Eigentümerversammlung zurückgehe, in dem Gedanken wurzele, dass „das Risiko der Vermögenseinbuße, welches der Kapitaleigentümer infolge der Widmung seines Vermögens an das Unternehmen [trage], die beste Gewähr für die Richtigkeit unternehmerischer Führungsentscheidungen“ biete; Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 64, konstatieren: „Die Auszeichnung der Kapitalinteressen als Unternehmensinteressen in der Unternehmensverfassung legitimiert sich in diesem Gedankengebäude [. . .] also letztlich dadurch, daß ohne die Durchsetzung des Kapitalinteresses in der Unternehmung eine über das Preissystem vermittelte optimale Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen als nicht erreichbar angesehen wird.“ 49 Insbesondere Keynes, Das Ende des Laissez-faire, S. 9, 24, wies darauf hin, dass mit dem Harmoniegedanken alle „philosophischen Schwierigkeiten“ gelöst und Individualismus und Sozialismus versöhnt waren und ein Erklärungsansatz für die Beliebtheit sicher auch „Schönheit und Einfachheit“ dieser Theorie sei.; vgl. dazu auch Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre I, S. 347 ff., nach dem die Überantwortung der Leistungserstellung an das erwerbswirtschaftliche Prinzip nicht wegen höchstmöglicher Gewinnerzielung, sondern der Steuerungsfunktion wegen geschehe – dennoch soll die Systematisierung in monistisch und dualistisch/pluralistisch unter Ausblendung der „Motive“ beibehalten werden; nach Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 32, wurde ein sozialer Gehalt des Wirtschaftens der Eigentümer, insbesondere eine optimale Güterallokation für die Allgemeinheit, als positiver Reflex des Gewinnstrebens eingestuft, der aber weder einer rechtlichen Regelung bedurfte, noch einer solchen zugeführt werden durfte; nach Steinitzer, Ökonomische Theorie der Aktiengesellschaft, S. 59, bedeutet die völlige Freiheit, seine Angelegenheiten selbst – ohne staatliche oder sonstige Bevormundung zu leiten, den Schlüssel zum allgemeinen Besten; der Verweis auf die Wohlfahrt aller zeigt, dass die Bezeichnung als Grundlage eines monistischen Prinzips sprachlich nicht ganz korrekt ist, vgl. Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 162.

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setzt und Unternehmungen unter dem Gesichtspunkt größtmöglicher Profitabilität geführt werden müssen [. . .].“ 50 Die Motivation der Nutzenmaximierung (sog. „Axiom des ökonomischen Selbstinteresses“) sollte über das „Eigentum“ an den Produktionsmitteln und einem Risiko insbesondere beim Residualeinkommen vermittelt werden, durch welches das erwerbswirtschaftliche Prinzip zum Tragen kommt:51 Denklogisch sind diejenigen Kräfte, deren Belange erst nachrangig nach Befriedigung der Festansprüche Berücksichtigung finden können, am stärksten an einem möglichst hohen Gewinn interessiert. Dies führt bei der Unternehmensführung im Umkehrschluss zu einem Vorrang des Kapitalinteresses vor den Interessen sonstiger Stakeholder, die, wenn berücksichtigt, dann instrumentell zugunsten des Kapitalinteresses eingesetzt werden.52 Auch hier seien wiederum die klaren Worte Friedmanns zitiert: „In letzter Zeit gewann die Meinung immer mehr Raum, dass Unternehmer [. . .] eine ,soziale‘ Verantwortung hätten, die über die Vertretung der Interessen ihrer Aktionäre oder Mitglieder hinausginge. Diese Ansicht erweist sich als grundlegende Fehleinschätzung des Charakters und der Natur eines freien Wirtschaftswesens. [. . .] Es gibt wenige Entwicklungstendenzen, die so gründlich das Fundament unserer freien Gesellschaft untergraben können, wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die, für die Aktionäre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie möglich zu erwirtschaften. Das andere ist eine zutiefst subversive Doktrin. Wenn die Unternehmer eine andere soziale Verantwortung haben, als für ihre Aktionäre möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften, wie sollten die genau bestimmen, was für eine? [. . .] Wenn die Aktiengesellschaft Zuwendungen macht, hindert sie den einzelnen Aktionär daran, selbst zu entscheiden, wie er seine Mittel verwenden möchte.“ 53 Während mit dem Wohlfahrtsprinzip weitere ethische Untermauerungen obsolet wurden, führte die – zumindest modellhaft unterstellte – Orientierung aller wirtschaftlichen Akteure an ihrem wirtschaftlichen Selbstinteresse zur Entstehung einer sog. „Zwangshypothese“, nach der nur diejenigen Unternehmen, die sich strikt an das „Gewinnprinzip“ 54 hielten, überhaupt überlebensfähig seien; 50 Friedman, Kapitalismus und Freiheit, S. 164 f.; ihm ist auch die Phrase „The social responsibility of business is to increase its profits“ – dies ist Titel seines Beitrags von Milton Friedman in The New York Times Magazine, September 13, 1970 – zuzuschreiben. 51 Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 6. 52 Vgl. Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 5. 53 Friedman, Kapitalismus und Freiheit, S. 164 ff. 54 Auch: „Ökonomisches Prinzip“ bzw. „Wirtschaftlichkeitsprinzip“ bzw. „Erwerbswirtschaftliches Prinzip“ oder eben „Gewinnmaximierung“: Handele so, dass mit bestimmtem Aufwand maximaler Erlös erwirtschaftet wird oder so, dass bestimmter Erlös mit minimalem Aufwand erwirtschaftet wird, vgl. dazu Großmann, Unternehmensziele, S. 43; Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 291; Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre I, S. 347, konstatiert jedoch, das Prinzip sei

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das Gewinnstreben sei den Systemzwängen der freien Marktwirtschaft geschuldet.55 Während man sich bisher am Selbstinteresse orientieren durfte, musste man es nunmehr sogar, und aufgebaute Barrieren der Organisationsstruktur56 und der Organisationskultur57 begünstigten demnach unethisches Handeln. Die Zwangshypothese scheint auch im rechtlichen Bereich ihren festen Platz gefunden zu haben: Nach Koch sind die Unternehmen in der wettbewerbsorientierten Wirtschaftsordnung gezwungen, Gewinn zu erwirtschaften und diesen zu optimieren – nur so könnten auch „soziale Aufgaben“ verwirklicht werden.58 Kochs dennoch erwähnte Abwägung von Interessen59 fügt sich in diese Argumentation ausschließlich deswegen nahtlos ein, weil die Interessen von vornherein auf solche reduziert werden, die mit dem Zweck des Unternehmens, Gewinn zu optimieren, konform gehen: Die Interessen „werden ihrerseits wieder durch die Voraussetzungen für eine erfolgreich wirtschaftende Tätigkeit der Gesellschaft bestimmt.“ Dementsprechend stellt Koch auch pauschal fest: „Ein Verhaltensmaßstab für Aufsichtsratsmitglieder, der die Erhaltung von Arbeitsplätzen zum Inhalt hat, hat betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich negative Auswirkungen“; das gleiche habe für den Erhalt von Unternehmen oder Betrieben zu gelten, die „keinen Gewinn“ oder „einen nicht ausreichenden Gewinn erwirtschaften“.60

Auf diese Weise konnte das Gewinnprinzip auch gegen seine praktischen Insuffizienzen abgesichert werden. Flankierend wird die Betriebswirtschaftslehre im Speziellen als bloße Umsetzung der nationalökonomischen Rahmenbedingungen in unternehmerisches Handeln betitelt61 und die Gewährleistung von ethischem Handeln an Recht und Gerichte verwiesen.62 Die geschilderten Hypothesen, Prämissen und Grundsätze sehen sich sowohl tatsächlich als auch normativ tief greifenden Bedenken ausgesetzt. Die folgenden Überlegungen können nur einen verhältnismäßig knappen Abriss des Meinungsstandes darstellen.

II. Kritik Tatsächliche Bedenken werden zum einen von dem empirisch feststellbaren Scheitern des Wohlfahrtsprinzips getragen: „Marktbeziehungen und administramit der Gewinnmaximierung nicht vollständig identisch, erfahre in ihr aber die letzte Steigerung. 55 Vgl. Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15, 18. 56 Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 28 ff. 57 Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 37 ff. 58 Koch, Unternehmensinteresse, S. 160 ff.; ähnlich auch Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 25, wenn er schreibt, eine Aktiengesellschaft müsse so rentabel arbeiten „wie nur möglich“, da sie ansonsten im Konkurrenzkampf unterliegen werde. 59 Koch, Unternehmensinteresse, S. 203. 60 Koch, Unternehmensinteresse, S. 147. 61 Vgl. Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 26. 62 Vgl. Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 167.

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tive Strukturen, die angeblich im Interesse des größeren Glücks der größeren Zahl entwickelt und eingeführt worden waren, führten im Ergebnis zu einer Gesellschaft, die sich zwischen ihre Mitglieder und die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse stellte.“ 63 Negative externe Effekte konnten nicht vermieden werden, da es durchaus betriebswirtschaftlicher Rationalität entspricht, soziale Kosten zu verursachen. So wäre beispielsweise die private Nutzenmaximierung durch Abwälzung der Umweltkosten auf die Allgemeinheit geboten, wollte man sich auf den Zweck der Gewinnmaximierung zurückziehen.64 Zwar wird versucht, auf rechtlichem Wege die öffentlichen Kosten anhand des Verursacherprinzips zu internalisieren. Dies zieht aber nur dann eine Vermeidung nach sich, wenn die privaten und internalisierten Kosten (die zudem etwa auf Kunden abgewälzt werden können) den eigenen Nutzen übersteigen.65 Zum anderen sind Zweifel angebracht, ob das Modell der (neo-)liberalen und (neo-)klassischen Wirtschaftstheorie die Wirklichkeit in angemessener Form abzubilden vermag.66 Die Annahmen unbegrenzter Rationalität und umfassender Information des Marktteilnehmers wurden ebenso scharf angegriffen wie die Vollkommenheit des Marktes,67 was sich insbesondere in den verschiedenen Zweigen der Institutionenökonomik widerspiegelt68 und die Zwangshypothese destabilisiert: Die Kapitaleignerherrschaft wird durch die Indolenz der Aktionäre, Oligarchisierungstendenzen,69 des Informationsvorsprungs des Manage63

Etzioni, Aktive Gesellschaft, S. 625. Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 98; vgl. auch Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15, 18: „Längst ist doch für alle Menschen mit offenen Augen und wachen Sinnen klar, dass mehr Markt und der damit entfesselte ökonomische Rationalisierungsprozess niemals nur Sieger, sondern immer auch Verlierer kennt.“ 65 Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 98 ff., der auf die bedeutende Rolle des Zielkonflikts des Staates zwischen Vermeidungsziel und Steuerertragsziel und die Existenzbedingung „Umweltverschmutzung“ für die Umweltschutz-Industrie hinweist. 66 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 198 ff., gibt zu bedenken: „Es ist nun offensichtlich, daß die heutige Wirklichkeit in weiten Bereichen diesem Modell nicht mehr entspricht“. 67 Vgl. Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 8 ff.; Keynes, Das Ende des Laissez-faire, S. 24 f.; insbesondere zur großen Ausnahme einer vollkommenen Konkurrenz bereits Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 130 ff.: „[. . .] noch die Klassiker sahen, daß vollkommene Konkurrenz die Ausnahme bildet, und daß selbst wenn sie die Regel wäre, sehr viel weniger Grund sich zu beglückwünschen bestünde, als man vielleicht annimmt“. 68 Vgl. dazu unten, Kapitel 3 C. IV. 3. 69 Die überwiegende Meinung geht etwa bei oligopolistischen Marktstrukturen von einer Ausweitung der Entscheidungsmöglichkeiten aus; Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 69, leugnet eine derartig eindimensionale Beziehung, wie sie die Zwangshypothese annimmt; Steinmann, Großunternehmen, S. 158 ff., 165, geht davon aus, dass zumindest jedes Großunternehmen einen wesentlichen Entscheidungsspielraum hat: „Weniger denn je entspricht das Bild des Großunternehmens dem der volkswirtschaft64

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

ments, der immer breiteren Streuung des Aktieneigentums und des Depotstimmrechts der Banken in Frage gestellt.70 Bei der Erörterung der tatsächlichen Bedenken soll nicht übersehen werden, dass grundsätzlich die fehlende faktische Handhabbarkeit nicht zu einer Widerlegung einer These taugt. Hier transportiert die These jedoch selbst faktische Gegebenheiten, sobald sie die theoretischen Überlegungen innerhalb des Modells verlässt und die Erkenntnisse auf die Wirklichkeit zu übertragen versucht.71 Kann das Modell seine Funktion nicht erfüllen (sog. Funktionskrise), so kann dies eine Legitimationskrise nach sich ziehen.72 Im Folgenden soll zunächst der Aspekt der Risikoverteilung, der – wie gesehen – von elementarer Wichtigkeit für das Modell ist, herausgegriffen und kritisch beleuchtet werden. Es soll nicht geleugnet werden, dass, insbesondere zu früheren Zeiten, die „Unternehmer-Eigentümer“ einem großen Risiko sowohl in Bezug auf ihr Residualeinkommen, als auch auf ihre Kapitaleinlage ausgesetzt waren.73 Die Umstände haben sich indes in den Publikumsaktiengesellschaften stark gewandelt:74 Die Verbindungen der Anteilseigner zu der Publikumsgesellschaft sind typischerweise in hohem Maße unpersönlich. Nicht umsonst wird dieser Umstand schon früh plastisch dahingehend ausgedrückt, bei der Aktiengesellschaft handele es sich um den „originellen Versuch“, Geld zum Unternehmer zu machen.75 Die fehlende persönliche Bindung rührt von den für Publikumsgesellschaften typischen minimalen Anteilen, welche ihrerseits auf den meist bedeutenden Vermögensmassen der Gesellschaften und einer Diversifikation der Anteile durch den „modernen Aktionär“ beruht. Diese Bindungslosigkeit ist der marktspezifisch bedeutende Teil der Aktiengesellschaft und wird der Gesamtwirtschaft dienstbar gemacht: Aufgrund der Unpersönlichkeit und Bindungslosigkeit und damit der hohen Mobilität der Aktie soll sich der „homo oeconomicus“ in der Gesamtwirtschaft entfalten können.76 lichen Theorie der Unternehmung, in der die Unternehmungen willenlos den Kräften des Marktes unterworfen sind.“ 70 Vgl. Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 8 ff. 71 Die empirische Kritik des Harmoniegedankens und des zugrunde liegenden Ziels der Gewinnmaximierung klingt auch bei Großmann, Unternehmensziele, S. 2, an. 72 Vgl. Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 82. 73 Noch Duden FS Schilling, 1973, S. 328, konstatierte: „Schärfer an das Unternehmen gebundenen Kapitalgebern gebührt ein höherer Einfluss auf die Leitung und die Geschicke des Unternehmens, als solchen, die in der Lage sind, sich jederzeit vom Unternehmen zu lösen und andere an ihre Stelle treten zu lassen.“ 74 Erhellend zu den Entwicklungen innerhalb der Unternehmen insbesondere Berle/ Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 112 ff. 75 Klein, Entwicklungen, S. 5, der zudem hervorhebt, dass bis dato die Person das Rückgrat aller Unternehmungen gewesen sei; Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 164, spricht von einer Investoren angenäherten Rolle.

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Demgegenüber zieht die Bindungslosigkeit typischerweise weniger Engagement der Anteilseigner nach sich. Ob damit außerdem ein geringeres Maß an Risiko einhergeht, soll Gegenstand der folgenden Überlegungen sein. Es soll dabei zwischen dem Risiko einer Vermögensminderung des Anteilseigners durch tatsächlichen Vermögensverlust und dem Risiko eines geringeren Residualeinkommens unterschieden werden. Das Risiko eines Vermögensverlusts beschränkt sich auf den Verlust der begrenzten Kapitaleinlage.77 Der Aktionär haftet grundsätzlich nicht persönlich, die Haftung ist vielmehr auf die juristische Person beschränkt, vgl. § 13 AktG. Die Fallgruppen der Durchgriffshaftung78 erlangen für den „phänotypischen“ Publikumsaktionär keinerlei Bedeutung. Auch im Falle der Insolvenz des Unternehmens müssen die Anteilseigner nicht für den Restbetrag zwischen vertraglich abgesicherten Ansprüchen und dem Wert des Unternehmens aufkommen, eine sog. „Nachschusspflicht“ existiert nicht.79 Die Haftungsbeschränkung ist wirtschaftswissenschaftlich rezipiert, werden ihr doch vielfältige ökonomische Zwecke beigelegt, die insbesondere in der hier betrachteten Publikumsgesellschaft eine bedeutende Rolle spielen dürften: Sie zieht zwar auf der einen Seite verschiedene Prinzipal-Agent-Probleme nach sich, sichert aber auf der anderen Seite Spezialisierungsvorteile. Die Haftungsbeschränkung führt zudem zu geringeren Kontrollkosten; den nur minimal beteiligten Anteilseignern fehlt es am Kontrollinteresse. Ein Interesse an den Vermögensverhältnissen der sonstigen Anteilseigner fehlt mangels Relevanz ebenso, sodass eine Beobachtung entbehrlich ist. Die Haftungsbeschränkung fördert zudem die freie Übertragbarkeit, die Diversifizierung und die Kapitalsammelfunktion, da sie das Risiko der Anteilseigner beschränkt. Außerdem können auf diese Weise Fortschrittsrisiken sozialisiert werden.80 Selbst dieses Verlustrisiko wird in der Aktiengesellschaft als gering angesehen, da sich der Aktionär jederzeit von seiner Aktie lösen kann und so eine hohe Mobilität aufweist.81 76 Düringer/Hachenburg-Flechtheim, HGB, 3. Aufl., Vorbem. I vor § 178; dass die Aktiengesellschaft ein nach den Anforderungen des Kapitalismus geschaffener Körper ist, stellt auch Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd 3, 2. Hlbbd., S. 739, fest. 77 Dies stellte bereits Raiser, ZRP 1981, 30, 33, fest. 78 Vgl. dazu etwa Hüffer, AktG, § 1 Rn. 15 ff. 79 Vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244, 259. 80 Zusammenfassend Fleischer, ZGR 2001, 1, 17, der daher einer Durchgriffshaftung der Anteilseigner bei Publikumsgesellschaften kritisch gegenübersteht. 81 Schilling FS Duden, 1977, S. 537, 544; dies gilt in besonderem Maße für die börsennotierten Aktiengesellschaften; vom „Sechser Bericht“, 1968, S. 23, wird dieses „Veräußerungsrecht“ offenbar nicht mit der Kündigungsmöglichkeit eines Gläubigers gleichwertig und daher das wirtschaftliche Risiko des Eigentümers als „unmittelbarer als das der meisten anderen Interessengruppen“ angesehen; Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 164.

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

Aufgefangen, wenn nicht gar – denn dies ist das erklärte Ziel der „PortfolioAnlagestrategie“ – fast gänzlich aufgehoben, wird ein Teil des verbleibenden Risikos meist mit einer Diversifizierung der Aktien. Diese führt dazu, dass die diversifizierten Anteilseigner ausschließlich das sog. „systematische“ Risiko zu tragen haben, von dem der gesamte Kapitalmarkt betroffen ist und von dem selbst eine noch so breite Streuung definitionsgemäß nicht befreien kann. Das sog. „unsystematische“ Risiko, das das Risiko des jeweiligen Unternehmens betrifft, wird hingegen durch die Strategie der Diversifikation nach dem Gesetz der großen Zahl weitgehend eliminiert.82 Aus der Vorgehensweise der Diversifikation hat sich sowohl das tatsächliche Risiko der Anteilseigner als auch ihre Risikoneigung grundlegend verändert: Da sie imstande sind, Risiken wesentlich kostengünstiger über eine breite Streuung der Aktien vorzunehmen als über eine risikoaverse Vorgehensweise der jeweiligen Unternehmensführung, sind sie wesentlich weniger risikoanfällig und damit weniger risikoavers als sonstige Anspruchsgruppen, deren Schicksal mit dem jeweiligen Unternehmen verknüpft ist. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass sog. „Quersubventionierungen“ einzelner Bereiche „verpönt“ sind und gefordert wird, liquide Mittel zwingend an Anteilseigner auszuschütten, sofern sie in dem Unternehmen nicht mindestens die Eigenkapitalkosten erwirtschaften.83

In ihrer extremen – aber alltäglichen – Form führt die Risikoneigung der Aktionäre dazu, dass sie nicht mehr den Bestand des einzelnen Unternehmens im Blick haben, sondern die positive Entwicklung des gesamten, globalen Marktes. Hier zeigt sich die Folge einer Vernachlässigung der Binnenperspektive bei einer Verpflichtung des Vorstands auf die Interessen der Gesellschafter: Der Vorstand würde zu einem Garanten für die Gesamtwirtschaft werden und müsste die Bindung zum Unternehmen lockern. Ruft man sich die Umstände ins Gedächtnis, die herrschten, als die Prämisse „Einheit von Risiko und Macht“ zu einer Legitimation der vorrangigen Berücksichtigung der Anteilseignerinteressen taugte, so lassen sich radikale Umbrüche nicht leugnen: Der damalige Aktionär kannte die Strategie der Diversifikation nicht, sodass das Interesse des Aktionärs eng(er) mit dem Schicksal des einzelnen Unternehmens verknüpft war; ein vertretbarer Handlungsmaßstab für den Vorstand konnte daraus (noch) abgeleitet werden. Das Risiko des Verlusts der Kapitaleinlage kann mithin als gering angesehen werden, solange sich nicht das sog. „systematische Risiko“ in Gestalt einer übergreifenden Wirtschafts- und Finanzkrise verwirklicht; dieses – praktisch nicht geringe – Risiko betrifft jedoch die Anteilseigner nicht mehr als alle Stakeholder und kann daher einen Vorrang der Kapitalinteressen nicht begründen.

82 83

Kuhner, ZGR 2004, 244, 263. Kuhner, ZGR 2004, 244, 265, 268.

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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Eines der wichtigsten Argumente für eine bevorzugte Beachtung der Interessen der Anteilseigner stellt die Einheit von Residualanspruch und Verfügungsrecht dar und ist in dieser Gestalt auch noch Teil der „neueren“ „Theorie der Verfügungsrechte“ 84: Für denjenigen, der auf das Residuum angewiesen ist, ist es von eminenter Bedeutung, ob ein Betrag erwirtschaftet wird, der über die summierten Kontraktansprüche hinausgeht. Der Residualanspruchsberechtigte soll also, da er derjenige ist, der am ehesten „leer ausgehen“ kann,85 sein finanzielles Schicksal denkbar eng mit dem des Unternehmens verflochten ist86 und er an einem möglichst hohen Gewinn interessiert ist, die Verfügungsmacht besitzen. Der Residualberechtigte ist nach klassischem Verständnis des Unternehmens der Anteilseigner. Dass die Anteilseigner auf das Residualeinkommen verwiesen sind, lässt sich anhand der Transaktionskostentheorie erklären: Einen Vertrag zu schließen, der jegliche Eventualitäten im Voraus regelt, ist mit zu hohen Kosten verbunden; es bleibt daher bei einem „unvollständigen“ Vertrag. Diese Unvollständigkeit verlangt gemäß den Erkenntnissen der neuen Institutionsökonomik auch nach einer Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern.87

Dem stünden als weniger gefährdete Festbetragsbeteiligte die sonstigen Anspruchsgruppen, insbesondere also auch die Arbeitnehmer gegenüber.88 In den meisten der deutschen Aktiengesellschaften haben die Arbeitnehmer einen Anspruch auf sog. „Kontrakteinkommen“. Das bedeutet, dass sie ihre Ansprüche vertraglich festgelegt haben und ggf. auch durchzusetzen vermögen. Schon das Bild vom reinen Kontrakteinkommen des Arbeitnehmers gerät indes zunehmend ins Wanken: Die Trennung zwischen Residualanspruch aus „impliziten Verträgen“ und vertraglichem Festanspruch kann als „grobe Vereinfachung der Realität“ bezeichnet werden.89 Die Kritik lässt sich auf der einen Seite an dem Umstand des angeblichen Festanspruchs festmachen: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Arbeitnehmern wegen „schlechter Konjunkturlage“ immer wieder Lohnkürzungen abverlangt

84 Vgl. dazu Staehle, Management, S. 422 f.: Der Eigentümer erhalte für die Übernahme des Risikos des Ausbleibens mindestens kostendeckender Erlöse verschiedene „Verfügungsrechte“ (etwa: Nutzungsrecht an einem Gut, Recht auf Veränderung von Form und Substanz eines Gutes, Recht auf Aneignung des Erfolgs, Recht auf Veräußerung des Gutes). 85 Zu dem Zusammenhang von Verfügungsmacht und Residualeinkommen vgl. Vanberg, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 1, 1982, 276, 288 f.; ähnlich auch Bosch/ Lange, JZ 2009, 225, 229. 86 Kuhner, ZGR 2004, 244, 259; davon scheint i. Ü. auch im DCGK ausgegangen worden zu sein, vgl. Präambel DCGK. 87 Fleischer, ZGR 2001, 1, 4 f. 88 Kuhner, ZGR 2004, 244, 259; zu Gesellschaftern als den Risikotragenden Spindler, AG 2006, 677, 678. 89 Kuhner, ZGR 2004, 244, 259.

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

werden. Dass Arbeitnehmer selbst bei guter finanzieller Lage des Unternehmens ihren Arbeitsplatz verlieren,90 während sich Aktionäre und Führungsorgane schadlos halten,91 spricht gegen eine stabilere Stellung der Anspruchsinhaber des Kontrakteinkommens. Sicherlich sind bei noch vorhandenen Arbeitsplätzen die Ansprüche der Arbeitnehmer, wenn auch nur gekürzt, vorab zu bedienen (sog. „Interesse aus dem Arbeitsvertrag“), der Arbeitsplatzerhalt (sog. „Interesse an dem Arbeitsvertrag“) scheint gegenüber den Ansprüchen der Anteilseigner hingegen keinen grundsätzlichen Vorrang zu genießen. Auf der anderen Seite muss der angebliche Charakter des Arbeitsvertrages als nicht impliziter Vertrag in Frage gestellt werden. Bereits Otto von Gierke hat in seiner Kritik am BGB-Entwurf der Einordnung des Arbeitsvertrages als schuldrechtlichen Austauschvertrag vorgeworfen, dieser sei wesensverschieden von Tausch und Kauf (wohl unstreitig nicht implizite Verträge), da die Qualität „des die Persönlichkeit einem größeren oder kleineren wirtschaftlichen Herrschaftsverbande eingliedernden Anstellungs- oder Arbeitsvertrages“ übergehe.92 Die Arbeitnehmer vertrauen in Parallelität zur Kapitalgewährung der Anteilseigner dem Unternehmen „Arbeitskraft als Vermögenssubstrat und Statusgrundlage“ an.93 Eben die Einbringung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die in den Arbeitsvertrag gerade eine typisch implizite Komponente einführt, gilt es zu berücksichtigen. Der ein Arbeitsverhältnis eingehende Arbeitnehmer ist sich von vornherein bewusst, dass eine „Spezialisierung“ seiner Fähigkeit im Normalfall gewünscht wird, und eignet sich sog. unternehmensspezifische Fähigkeiten an,

90 Zu diesem Aspekt insbesondere Raiser, ZRP 1981, 30, 33; vgl. auch Mertens, ZGR 1998, 386, 390; „Sechser Bericht“, 1968, S. 127, in dem das Arbeitsplatzrisiko als größer als das Kapitalrisiko eingeschätzt wird; Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 508 f., die das Risiko der persönlichen Haftung als schwerwiegender als das des Arbeitsplatzverlusts einstuft, „da dem Unternehmer im Haftungsfall die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz drohe, während der Arbeitnehmer seinen verlorenen Arbeitsplatz durch einen neuen ersetzen könne“; auch Windolph, NStZ 2000, 522, weist auf die mannigfaltigen sozialen Folgen von verfehlten Vorstandsentscheidungen hin: Arbeitslosigkeit, Verlust von Kapital, Steuereinnahmen, Subventionen, Einnahmen für die Sozialversicherung, Liquidation des Unternehmens. 91 Vgl. bereits Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 164. 92 O. v. Gierke, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 191; Nikisch, Arbeitsrecht I, S. 162 f., spricht von einem Gemeinschaftsverhältnis, das durch den Eintritt des Arbeitnehmers in den Betrieb entstehe (sog. „Eingliederungstheorie“); Potthoff, Arbeitsrecht, S. 37, hat diese Unstimmigkeit auf die Formel „Vom Tauschverhältnis zum Organisationsverhältnis“ gebracht; der „Sechser Bericht“ 1968, S. 24, machte sich die Ansicht vom Arbeitsverhältnis als personenbezogenes Gemeinschaftsverhältnis zu eigen; erst jüngst haben Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 899, Arbeitnehmer jedoch wieder mit „außenstehenden Gläubigern“ gleichgesetzt. 93 Bernsmann, GA 2007, 219, 224.

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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indem er Wissen anhäuft, das außerhalb seines Tätigkeitsfeldes in gerade diesem Unternehmen kaum nutzbar ist.94 Betriebswirtschaftlich ist hier die Rede von der Ausbildung sog. „unternehmensspezifischen Humankapitals“ im Gegensatz zum „allgemeinen Humankapital“.95 Aus diesen gegenseitigen Erwartungen entsteht eine vertragsähnliche Bindung, die im eigentlichen Arbeitsvertrag nicht festgelegt wurde und daher als „implizit“ bezeichnet werden kann.96 Eine derartige Spezialisierung wird meist ai Fällen hochqualifizierter Arbeitnehmer virulent, kann aber nicht auf diese beschränkt werden. Vielmehr zeichnen sich insbesondere Arbeitsschritte in einer arbeitsteiligen Produktion durch eine hohe Spezialisierung aus. Hinzu kommt der Zeitfaktor: Durch zunehmende Immobilität kann selbst „allgemeines Humankapital“ in spezialisiertes umgewandelt werden.97 Vergleicht man die Situation des phänotypischen Anteilseigners mit der dargestellten des Arbeitnehmers, so stellt sich seine Ausgangsposition aufgrund der Mobilität des Kapitals und der Diversifizierung der Aktien als wenig spezialisiert und damit in diesem Hinblick als vorteilhafter, weil weniger risikoanfällig, dar.98 Die Rollen der Unternehmensbeteiligten haben sich derart gewandelt, dass ein größeres Risiko des Anteilseigners im Gegensatz zum Arbeitnehmer nicht mehr per se angenommen werden kann.99 Neben den tatsächlichen Bedenken bestehen tiefgreifende normative Bedenken bezüglich des (neo-)liberalen bzw. (neo-)klassischen Unternehmensmodells.100 Es fehlt an den theoretischen Voraussetzungen, das Kapitalinteresse durch die Marktfunktion auszuzeichnen, will man nicht einem naturalistischen Fehlschluss

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Kuhner, ZGR 2004, 244, 260. Vgl. zu diesen Begriffen Dilger FS Matschke, 2008, S. 133, 137. 96 Dies scheint Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 627, als nicht stichhaltig anzusehen, wenn er ausführt, dem Arbeitnehmerschutz sei durch das individuelle und kollektive Arbeitsrecht Genüge getan, wohingegen die Kapitaleigner nur durch das Gesellschaftsrecht geschützt seien. 97 Vgl. Dilger FS Matschke, 2008, S. 133, 140 f. 98 Nach Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 164 f., führt dies dazu, dass das Risiko in erster Linie der Arbeitnehmer, in zweiter die Allgemeinheit und in dritter der Eigentümer trägt. 99 Nach Staehle, Management, S. 436, handelt es sich bei der Gruppe der Mitarbeiter um diejenige mit der engsten Verbindung zum Unternehmen und der größten Abhängigkeit; darauf beruht auch die Aussage von Peter Ulrich, Großunternehmung als quasiöffentliche Institution, S. 164: „Der Arbeitnehmer entspricht heute eher dem Bild des ,Gesellschafters‘, der unmittelbar an der Entwicklung der Firma Anteil nimmt, weil er von ihr – je nach Arbeitslage mehr oder weniger – abhängt“; dass der Einfluss der Unternehmung auf Arbeitnehmer ein anderer ist als etwa auf den Anlagegesellschafter, erkennt auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 310, an. 100 Die normativen Bedenken decken sich nicht mit der Einteilung der Kritik von Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 8 ff. 95

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

unterliegen. Im Rahmen des liberalen Interessenausgleichs ist es nicht möglich, Faktizitäten, insbesondere der geäußerten Interessen und der Kaufkraft, zu hinterfragen:101 Zwar gewinnt das Kapitalinteresse im liberalen Ordnungsprinzip offensichtlich faktisch an Bedeutung,102 die normative Genese kann aber die These, dass eine kapitalorientierte Unternehmensverfassung notwendige Bedingung für eine optimale Güterallokation sei, nicht stützen:103 Bereits das normative Fundament liberaler Wirtschafts- und Gesellschaftsvorstellungen, insbesondere Gleichheit und Freiheit, ist nicht tragfähig.104 Weder werden bei der Interessengenese alle Interessenträger zugelassen, noch besitzt die Marktselektion eine sonstige gerechtigkeitsethische Verwurzelung.105 Die Annahme des ZweckMittel-Zusammenhangs zwischen Unternehmensverfassung und liberalem Sozialmodell ist verfehlt: Die Vorstellung der sog. „vikarischen Funktion des Unternehmers“ 106 wird insbesondere unter Hinweis auf den Einfluss externer Effekte verworfen.107 Weiterer Kritikpunkt ist die Unmöglichkeit – mag diese nun auf einem Staats- oder Marktversagen beruhen – der Internalisierung aller ökonomischen Kosten und Nutzen bei den Entscheidungsträgern, was einen fehlerhaften Informationsfluss des Preissystems zur Folge hat. Externe Effekte (Interdependenzen zwischen individuellen Produktions- und Konsumfunktionen) unterlaufen so die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt und berühren damit die Legitimationsgrundlage des neoklassischen Preissystems. Dies ist unbestritten; umstritten ist lediglich das Ausmaß externer Effekte.108 Die Problematik externer Effekte ist eng mit der Prämisse machtfreier Entscheidungsprozesse im Rahmen des neoklassischen Preissystems gekoppelt: Wenn Macht ausgeübt werden kann, mithin eigene Interessen gegenüber anderen Marktteilnehmern durchgesetzt werden können, ohne diese dafür ökonomisch zu entschädigen, gewährleistet das Preissystem keinen korrekten Informationsfluss. Während auch dieser theoretische Zusammenhang allgemein anerkannt ist, ist ungeklärt, inwieweit die Funktions101

Vgl. Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 65 ff. Vgl. Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 60 ff. 103 Nach Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 62, ist die These, dass „ohne die Auszeichnung der Kapitalinteressen als (alleinige bzw. dominierende) Unternehmensinteressen die Abstimmung der am wirtschaftlichen Handlungszusammenhang beteiligten Interessen über das Preissystem des Marktes nicht bewerkstelligt werden kann“, widerlegt. 104 Vgl. Staehle, Management, S. 424 f.; Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 8, 13 ff. 105 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 440. 106 Gemäß dieser Funktion soll davon ausgegangen werden, dass bei entsprechender Organisation des Wettbewerbs der Unternehmer die Bedürfnisse des Konsumenten aufgrund des Rentabilitätszieles genau so umsetzt, als hätte der Konsument selbst über die Produktion entschieden, vgl. Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 12. 107 Vgl. Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 8, 12 f. 108 Vgl. dazu Steinmann/Schreyögg, Management, S. 96 f., nach denen externe Effekte nicht lediglich als marginal bezeichnet werden können. 102

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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fähigkeit des Marktes in dieser Hinsicht – und insbesondere im Falle von Großunternehmen – tatsächlich noch angenommen werden kann.109 Indem die Legitimation der Gewinnmaximierung auf eine Bezugnahme auf Ergebnisse der neoklassischen Wohlfahrtstheorie verkürzt wird,110 der zufolge gewinnmaximierendes Marktverhalten der Einzelunternehmen im Marktvergleich zu einem gesamtwirtschaftlichen Optimum führe, wird der mangelnde Begründungszusammenhang111 verschleiert und das empirische Scheitern der Wohlfahrtstheorie mündet in eine Legitimitätskrise des Modells.

III. Zwischenergebnis Die Wohlfahrtsprämisse, das Harmoniemodell, die Zwangshypothese usw. sind derart massiven tatsächlichen und normativen Bedenken ausgesetzt, dass das (neo-)liberale und (neo-)klassische Gedankengut als ernstgemeinte Legitimationsbasis nicht mehr herhalten kann. Dennoch scheinen weite Teile der Wirtschaftswissenschaften – und der Rechtswissenschaften – gerade diese Prämissen als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen zu betrachten.112 Dass das Harmoniemodell auch im rechtlichen Bereich Anerkennung findet,113 wird besonders deutlich, wenn behauptet wird, die „langfristige Gewinn109

Vgl. Steinmann/Schreyögg, Management, S. 98 f. So wohl Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 42; Junge FS v. Caemmerer, S. 548, 554 f.; Vogt, Sozialverband, S. 348; Hölters, BB 1978, 640, 642. 111 Ähnlich Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 19, nach dem die Annahme, „ordnungspolitisch sei allein oder vorzugsweise der Kapitalgeber die zur Beobachtung und Befolgung der Marktsignale berufene Person, [. . .] eine rechtssystematisch unerlaubte Vereinfachung in sich schließen“ würde. 112 Vgl. Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 183. 113 Dies schwebt wohl auch Böhm FG Kronstein, 1967, S. 11, 42, vor, der die Inthronisation von Privatvermögen in eine hervorgehobene gesellschaftliche Funktion als von dem marktwirtschaftlichen System gerechtfertigt ansieht; auch Junge FS v. Caemmerer, S. 548, 554 f., nimmt an, das formale Rentabilitätsziel sei Lenkungsinstrument im wirtschaftlichen Systemzusammenhang der marktwirtschaftlichen Ordnung unter Wettbewerbsbedingungen. Ein ausreichender Gewinn sei in der Wirtschaftsordnung ein Indiz dafür, dass das Unternehmen seine volkswirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen vermöge. Er geht in seiner Richtigkeitsvermutung der marktlichen Lenkungsinstrumente sogar so weit, dass volkswirtschaftlicher Effizienz der Vorrang vor der Unternehmenserhaltung zukomme, aufgrund der Harmonievorstellung geht er dennoch davon aus, dass Rentabilität kein Ausdruck für den Vorrang einer bestimmten Gruppe sei. Vogt, Sozialverband, S. 348, konstatiert: „Wenn die These gilt, daß der über den Gewinn dezentral gesteuerte Wirtschaftsprozeß die höchste Produktivität erzeugt, deren Größe an der Gewinnhöhe ablesbar sei, muß im Umkehrschluss auch gelten, daß ein Unternehmen, das aufgrund neuer systemkonformer Maßnahmen einen höheren Gewinn erzielt, auch optimal die Güterversorgung gewährleistet“; Hölters, BB 1978, 640, 642, stellt fest: „Solange diese (unsere private Wettbewerbswirtschaft) das ordoliberale wirtschaftspolitische Leitbild abgibt, werden die Interessen der Allgemeinheit am besten durch das egoistische Gewinnstreben des Einzelnen verwirklicht.“ 110

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

maximierung“ sei das „überindividuelle Verbandsinteresse“,114 die verschiedenen Verantwortungsrichtungen, denen der Vorstand bei der Ausübung seines unternehmerischen Ermessens verpflichtet sei, stünden bei langfristiger Betrachtung in praktischer Konkordanz,115 das Interesse des Unternehmens sei mit den langfristigen Interessen des Aktionärs identisch,116 auf lange Sicht seien die Interessen der Shareholder und Stakeholder komplementär.117 Es wird die Hypothese aufgestellt, dass diese Konstanz trotz überbordender Bedenken Teil eines Paradigmas ist, das das ökonomische Denken noch immer prägt, dessen Unzulänglichkeiten aber auf der Hand liegen.

IV. Monistische Ausrichtung der Wirtschaftswissenschaften als paradigmatisches Phänomen 1. Begriff des Paradigmas und Übertragung auf die Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftstheoretisch wird ein bestimmtes Bild des Menschen entworfen, um Zusammenhänge in der Ökonomie zu erklären: Diesem Bild zufolge ist der Mensch kühl kalkulierend, ein Nutzenmaximierer, ein „homo oeconomicus“. Dabei soll er in der Verfolgung seiner Privatinteressen das Gemeinwohl fördern. Diese Sichtweise prägt – ausgesprochen oder unausgesprochen – die Wirtschaftswissenschaften seit ihrer Gründung bis heute, von Adam Smith bis hin zu (neo-) liberalen und (neo-)klassischen Ansichten des 21. Jahrhunderts. Dabei ist diese Sichtweise ökonomischer Zusammenhänge eng gefasst und es scheint jede noch so berechtigte Kritik an ihr abzuprallen; innerhalb der Wirtschaftswissenschaften hält sie sich hartnäckig, obwohl sie längst als falsifiziert gelten muss. Bereits Keynes äußerte sich 1926 zu der Annahme, man müsse dem marktlichen Geschehen lediglich freien Lauf lassen, um eine optimale Güterallokation zu gewährleisten („laissez-faire“), kritisch118: „Über hundert Jahre lang wurden wir von 114

Kuhner, ZGR 2004, 244, 267. KK-Mertens, § 76 Rn. 19. 116 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 601. 117 Albach, ZfB 2001, 643 ff.; Busse v. Colbe, ZGR 1997, 271, 289; Pape, BB 2000, 712; Schilling, BB 1997, 374, 379; a. A. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-v. Werder, DCGK, Rn. 353. 118 Keynes, Das Ende des Laissez-faire, S. 30: „Es ist nicht wahr, daß jedes Individuum eine vorgeschriebene ,natürliche Freiheit‘ seiner wirtschaftlichen Tätigkeit besitzt. Es gibt keinen ,Vertrag‘, der denen die schon besitzen oder die noch erwerben, ewige Rechte überträgt. Die Welt wird von oben her nicht so regiert, daß private und allgemeine Interessen immer zusammenfallen. Sie wird von unten her nicht so verwaltet, daß diese beiden Interessen in praxi zusammenfallen. Aus den Prinzipien der Nationalökonomie folgt nicht, daß der aufgeklärte Egoismus immer zum allgemeinen Besten wirkt. Es ist auch nicht wahr, daß der Egoismus im allgemeinen immer aufgeklärt ist; 115

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unseren Philosophen regiert, die in diesem einen Punkte wie durch ein Wunder fast sämtlich einer Meinung waren [. . .]. Die Stimmen, die einst am vernehmlichsten und am deutlichsten die politische Mehrheit belehrt haben, hören wir heute nur noch undeutlich.“ 119 Und Schumpeter weist darauf hin, dass es verwunderlich sei, wie lange es den klassischen Nationalökonomen möglich war, sich mit ihren tragenden Argumenten zufriedenzugeben bzw. sie gar als bewiesen anzusehen.120 Es ist verwunderlich, dass sich ein veraltetes Denkmuster so hartnäckig in den Köpfen der Wissenschaftler halten kann und es stellt sich die Frage nach dem Grund. Ein Hinweis könnte sich bei dem Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn finden. Für Kuhn zeichnet sich eine Wissenschaft durch einen Grundkonsens innerhalb ihrer Wissenschaftsgemeinschaft aus. Dieser Grundkonsens (oder in der Kuhn’schen Terminologie: dieses „Paradigma“) umfasst die Problemstellungen und Methoden der Wissenschaft, die das wissenschaftliche Arbeiten prägen. Das Paradigma wird in dem normalen Wissenschaftsbetrieb als Grundlage akzeptiert, es ist nicht selbst Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung, sondern ermöglicht diese erst. Was passiert aber, wenn ein solches Paradigma selbst sich als unzulänglich erweist, wenn die Arbeitsweisen der Wissenschaft ihrem Gegenstand nicht mehr gerecht werden? Werden sie als falsifiziert zurückgewiesen? Nach Kuhn können aus solchen Krisen der Wissenschaft tatsächlich Paradigmenwechsel resultieren; dies setzt jedoch voraus, dass ein anderes Paradigma bereit steht. Würde das alte Paradigma aufgegeben, ohne durch ein neues ersetzt zu werden, käme dies der Aufgabe des wissenschaftlichen Arbeitens an sich gleich.121 Es ist offensichtlich, dass mit der Frage der Paradigmenentwicklung auch die „Geschichtlichkeit“ der Wirtschaftswissenschaften angesprochen ist.122 Obwohl Kuhn in seinen wissenschaftstheoretischen Ausführungen den Paradigmenbegriff vornehmlich für die Naturwissenschaften entfaltet, können seine Überlegungen auch Aufschluss über den Zustand der Wirtschaftswissenschaften gewähren:123 Die Annahme, der Mensch würde (im staatlich festgelegten Rahmeistenteils sind die Individuen, die einzeln ihre egoistischen Interessen verfolgen, zu unwissend oder zu schwach, um auch nur diese zu erreichen. Die Erfahrung lehrt nicht, daß Individuen, die sich zu einer gesellschaftlichen Gruppe zusammenschließen, immer weniger klarsichtig sind, als wenn sie einzeln handeln.“ 119 Keynes, Das Ende des Laissez-faire, S. 5. 120 Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 127. 121 Vgl. zu alldem Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolution, passim. 122 Auf die besondere Bedeutung, auch die „Geschichte“ der Wirtschaftswissenschaften zu beachten, weist insbesondere Schumpeter eindrücklich hin, vgl. etwa Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse I, S. 32 ff. 123 Ausdrücklich weist Peter Ulrich auf eine paradigmatische Denkweise hin, die eine ethische Sichtweise aus ihrem Gedankengebäude verbannt hat und die er versucht zu überwinden, etwa Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 12 f., 162, 215; indi-

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

men) durch die Verfolgung seiner Privatinteressen das Gemeinwohl fördern, hat sich als unzureichend erwiesen, wird von der Wissenschaftsgemeinschaft jedoch (noch) nicht preisgegeben. Dieser paradigmatische Rahmen, in dem sich die Wirtschaftwissenschaften bewegen, wird in aller Regel durch sie selbst nicht hinterfragt.124 Die Langlebigkeit der wirklichkeitsfernen Theorie wird etwa bei Cyert und March besonders deutlich: „Manchen Wirtschaftswissenschaftlern erschien es nicht plausibel, daß eine Theorie über eine Organisation die Tatsache ignorieren kann, daß es sich um eine Organisation handelt.“ 125 Obwohl den meisten die Schwächen des Ansatzes bekannt gewesen seien, habe es weiterhin eine Theorie der unbegrenzten, konfliktfreien Rationalität und effizienter Anpassung gegeben.126 Augenscheinlich werden die Bedeutung und zugleich die Schwierigkeit einer Eliminierung, sofern die Gewinnmaximierung bereits in die Definition der Unternehmung mit einbezogen wird: Sofern eine Maximierung nicht verfolgt wird, soll entweder schon gar kein Unternehmen vorliegen (das Untersuchungsobjekt wird so aus der Betriebswirtschaftslehre ausgesondert) oder es mangele an einer rationalen Handlung (und mit irrationalen habe sich die Betriebswirtschaftslehre nicht zu befassen).127 Es wurde entweder angenommen, die Unternehmung müsse nach Gewinnmaximierung streben oder der Unternehmer verfolge aus eigenen Motiven dieses Ziel.128 Anhand der Modellvorstellungen, denen die klassische Nationalökonomie mit ihrem rationalen, individualistischen und materialistischen Denken anhaftet,129 werden nicht-gewinnmaximierende Bestrebungen diskreditiert. Die Gewinnmaximierung bot ein operationales Ziel, an das anhand von Modellen angeknüpft werden konnte.130 Die deutschsprachige

rekt sprechen Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 208 f., das Paradigmaphänomen an, wenn sie feststellen: „Durch die geheimnisvollen Wege der intellektuellen Entwicklung und Mode wurden abweichende Konzepte stärker präzisiert, in den Hauptfundus des wirtschaftswissenschaftlichen Gedankenguts integriert und zum Kern der zeitgenössischen Mikroökonomie ausgebaut“; nach Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse I, S. 35, ist das Studium der Dogmengeschichte i.R. der Wirtschaftswissenschaften noch wichtiger als bei den Naturwissenschaften – dabei hätten „ökonomische Gesetze“ aber weit weniger Bestand als „naturwissenschaftliche Gesetze“ (Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse I, S. 68). 124 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 5 f., postulieren etwa, dass die „allgemein anerkannte Theorie“ das Ziel von Unternehmen darin sehe, das Nettoeinkommen zu maximieren, obwohl eine zunehmende Unzufriedenheit mit den Prämissen bestehe. 125 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 8; die Verteidigung der Theorie bedient sich entweder des Arguments, der Realitätsbezug der Postulate sei nebensächlich, oder die Theorie sage das Verhalten lebensfähiger Unternehmen voraus, vgl. dazu Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 15 f. 126 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 208. 127 Vgl. Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 161, 189 f. 128 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 188. 129 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 167. 130 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 190.

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Betriebswirtschaftslehre hat das Oberziel der Gewinnmaximierung einfach als gegeben angenommen.131 Führt ein Wissenschaftler ein alternatives Modell ins Feld, stellt er also das Paradigma in Frage, wird er zuerst von den übrigen Wissenschaftlern folgerichtig ausgegrenzt, denn sein Modell platziert sich außerhalb der Grenzen der regulären (Kuhn: „normalen“) Wissenschaft. Erst durch eine wissenschaftliche Revolution wird das alte Paradigma verbannt und durch das neue ersetzt. 2. Teilhabe des Rechts am wirtschaftswissenschaftlichen Paradigma? Eine Teilhabe des Rechts an dem wirtschaftswissenschaftlichen Paradigma könnte durchaus erwogen werden: Die juristische Person ist ein rechtliches Konstrukt, das aus sich heraus keinen eigenen Willen und keinen natürlichen Antrieb bilden kann. Dieser Wille wird durch Menschen vermittelt. Für Leitungsangelegenheiten ist der Vorstand zuständig, der jedoch – alle juristischen Zurechnungsfragen an dieser Stelle außen vor gelassen – kein „eigenes Geschäft“ betreiben soll, sondern das Geschäft der Gesellschaft. Insofern ist die Entkoppelung von „Eigentum und Verfügungsmacht“ im Sinne der Prinzipal-Agent-Theorie von großer Bedeutung.132 Es ist ihm gerade verboten, seine eigenen Vorteile zu suchen, sodass der natürliche Antrieb, sich nutzenmaximierend zu verhalten, weder durch die juristische Person selbst gebildet werden kann, noch durch den Vorstand in natürlicher Weise forciert wird. Selbst wenn man zugrunde legt, dass sich das Recht passiv zu verhalten habe, lediglich Freiräume schaffen müsse, um dem natürlichen Antrieb der Akteure freien Lauf zu lassen, versagt die Strategie an dieser Stelle denklogisch. Es könnte daraus der Schluss gezogen werden, das Recht habe insofern die Wirtschaft zu „unterstützen“, indem es der juristischen Person diesen Antrieb „einpflanzt“, etwa indem es dem Vorstand eine dahingehende Pflicht auferlegt133 bzw. mit Optionen der Vorstände den – unterstellten – natürlichen Antrieb der Vorstandsmitglieder, den eigenen Nutzen zu maximieren, mit dem „Nutzen“ des Unternehmens, dann dem Gewinnprinzip, koppelt. Eine Teilhabe des Rechts an wirtschaftswissenschaftlichen Paradigmen scheint vorausgesetzt zu werden, wenn ausgeführt wird, dem Gesellschaftsrecht komme in einer „freien“ Verkehrswirtschaft die Aufgabe zu, die „selbstordnenden“ Kräfte zu erhalten.134 Im juristischen Schrifttum scheint die Prinzipal-Agent131

Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 187 f. Steinmann/Schreyögg, Management, S. 101 f., sehen die Gefahr einer Entkoppelung des unternehmerischen Handelns von gewinnmaximaler Motivation. 133 Ähnliches klingt an, wenn Steinmann/Schreyögg, Management, S. 95, konstatieren, das Gesellschaftsrecht sei als Versuch zu verstehen, die Funktionsfähigkeit des neoklassischen Preissystems in der ökonomischen Wirklichkeit herzustellen und unter den sich ändernden historischen Bedingungen laufend aufrechtzuerhalten. 134 Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 57. 132

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

Theorie der „Code“ für die Vorstandspflicht, das Gewinnprinzip zu verfolgen, geworden zu sein.135 So wird behauptet, das gesellschaftsrechtliche Haftungssystem habe u. a. die Aufgabe sicherzustellen, dass der Agent „Vorstand“ seine Aufgaben getreulich – zugunsten der Aktionäre – erfüllt.136 Der Anreiz zu opportunistischem Verhalten sei in Publikumsgesellschaften dadurch verstärkt, dass eine wirksame Kontrolle durch die Anteilseigner kaum möglich sei.137 Die PrinzipalAgenten-Theorie wird auch herangezogen, um einer Verpflichtung des Vorstands auf sonstige Zwecke neben den Gesellschafterinteressen entgegenzutreten.138 Wird etwa angenommen, das Prinzipal-Agent-Problem sei dem Aktienrecht immanent,139 da beispielsweise gemäß § 119 Abs. 2 AktG die Hauptversammlung nur dann entscheiden dürfe, wenn der Vorstand dies als erforderlich erachtet bzw. eine Ermessenreduzierung auf Null vorliegt,140 die Prinzipal-Agent-Theorie sei das betriebswirtschaftliche Fundament des KontraG,141 Aktienoptionsprogramme seien Instrumente, um dem Agieren des Agenten gegen den Willen des Prinzipals aus eigenen Motiven oder aufgrund eines Informationsvorsprungs entgegen zu wirken,142 so wird auf diese Weise das „Gewinnprinzip“ in seinem monistischen Gewand in das Recht transferiert. Eine „unterstützende Funktion“ des Rechts klingt auch an, wenn die Rechtsprechung des BGH dergestalt interpretiert wird, dass eine rechtliche Bewertung von Risikoentscheidungen nur zurückhaltend vorgenommen werden dürfe, da „eine Poenalisierung dieser unternehmerischen Handlungen im Widerspruch zu den wirtschaftlich akzeptierten und in der Praxis angewandten Entscheidungsmustern“ stünde.143 Demgegenüber wird dem Recht zunehmend eine Steuerungsfähigkeit abgesprochen.144 Der Staat habe für viele Bereiche darauf verzichtet, sie durch Ver135

Ob dies zu Recht geschieht, soll unten geklärt werden, Kapitel 3 C. IV. 3. c). Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 229. 137 Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 229. 138 Nach Kuhner, ZGR 2004, 244, 253, bewirtschafte der Vorstand die ihm anvertrauten Ressourcen im Auftrag des Ressourcengebers – kurz: Er habe die Zielfunktion seines Auftraggebers zu maximieren; Zöllner, AG 2003, 2, 10, konstatiert, die Anleger riefen das Unternehmen ins Leben und bedienten sich eines Agenten (Vorstand) zur Führung der Geschäfte; vgl. auch: Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 117; Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 898. 139 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 30; aus dem strafrechtlichen Schrifttum weist NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 3 auf die zunehmende Bedeutung der Trennung von Kapital und Management für den § 266 StGB hin. 140 Vgl. oben, Kapitel 2 D. III. 2. b). 141 Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 33. 142 Vgl. Fleischer, ZGR 2001, 1, 8 f.; als Regelungsmechanismen, die den PrinzipalAgent-Konflikt regulieren, können zudem der Arbeitsmarkt für Spitzenmanager und das Risiko einer Übernahme genannt werden, vgl. dazu Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 6. 143 Rose, wistra 2005, 281, 284. 136

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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oder Gebote zu regeln; vielmehr lasse er den Markt und andere Selbstorganisationen gewähren, indem er ihnen lediglich einen rechtlichen Rahmen gebe. Das interventionistische Recht befinde sich auf dem Rückzug.145 Auch das erinnert stark, wenn dies zunächst auch nur deskriptive Feststellungen sind, an die (neo-) liberale bzw. (neo-)klassische Funktionszuweisung des Rechts. Eine Teilhabe des Rechts am wirtschaftswissenschaftlichen Paradigma kann allerdings nur dann erwogen werden, wenn das Paradigma (noch) stabil ist. Neuere wirtschaftswissenschaftliche Ansätze weisen jedoch eher auf eine Krise des Paradigmas hin. Dies soll im Folgenden beleuchtet werden. Wie oben erörtert,146 ist ein Paradigma ein historisches Gebilde, sodass auch die Entstehung des Paradigmas von großer Bedeutung ist.

3. Instabilität des Paradigmas a) Entstehung des Paradigmas Die Ursprünge des Gewinnprinzips, insbesondere der Pflicht zur Gewinnmaximierung, werden bereits im Protestantismus in seiner calvinistischen Ausprägung gesehen.147 Es existierte eine religiöse Pflicht zu einer zielstrebigen und disziplinierten Lebensweise, bei der der weltliche Erfolg als Zeichen der Erwählung interpretiert wurde; eine weitergehende ethische Rechtfertigung wurde auf dieser Grundlage freilich obsolet. Die klassische Wirtschaftstheorie ist zudem eng verknüpft mit Adam Smith und dessen klassischem Werk „Wohlstand der Nationen“, in dem auf das Bild der „unsichtbaren Hand“ verwiesen wird, die über den Marktmechanismus gewährleiste, dass der Wirtschaftsablauf kurz- und langfristig ein Gleichgewicht erreiche.148 Der Anfang des 19. Jahrhunderts aufkommende Wirtschaftsliberalismus überführte die protestantische Lebensanschauung mithilfe der Selektionsfunktion des Marktes in einen anonymen Zwangszusammenhang, nach dem das Überleben am Markt davon abhing, sich „marktkonform“, also in Orientierung an das Gewinnprinzip, zu verhalten – Berücksichtigung „betriebsfremder“ Interessen sollten die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens schwächen und letztlich zum Marktaus144 Hier sei nur auf die Aufsatzsammlung Grimm, Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, verwiesen; vgl. auch Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 91, die von einer „systematischen Grenze in der Steuerungskapazität des Rechts“ ausgehen. 145 Vgl. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 252. 146 Vgl. oben, Kapitel 3 C. IV. 1. 147 Vgl. zum Ganzen insbesondere Weber, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, insbesondere S. 34 ff., 39 ff., 66 ff.; auch: Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 142 ff.; Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15 ff. 148 Smith, Wohlstand der Nationen, S. 368 ff.

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

scheiden führen.149 Dies zog eine „subjektlose Systemrationalität“ nach sich, die von der menschlichen Vernunft abgelöst und trotzdem den Markt in „sinn- und zweckvoller Weise“ zu bestimmen schien. Die angenommene ökonomische Sinnhaftigkeit führt Peter Ulrich auf den Glauben an evolutionäre Fortschrittsträchtigkeit und des von der „unsichtbaren Hand“ wohlgeordneten ökonomischen Kosmos („Naturteleologie“) zurück.150 Eine weitere ethische Reflexion wird auf diese Weise zum einen als unmöglich, zum anderen aber auch als unnötig ausgeschlossen. Das Sachzwangdenken bringt den homo oeconomicus hervor, der nur die (möglichen und notwendigen) Motive der Nutzenmaximierung kennt. Dass eine weitere ethische Reflexion unnötig ist, wird in der klassischen Ökonomie insbesondere mit der Harmoniethese gestützt, nach der die eigene Nutzenmaximierung über die Steuerung durch die „unsichtbare Hand“ das Gemeinwohl fördere.151 Diese Anschauung lebt auch heute weiter, wenn behauptet wird: „Langfristige Gewinnmaximierung ist [. . .] nicht ein Privileg der Unternehmen [. . .], es ist vielmehr ihre moralische Pflicht, weil genau dieses Verhalten – unter Voraussetzung einer geeigneten Rahmenordnung sc. – den Interessen der Konsumenten, der Allgemeinheit, am besten dient. Gewinnmaximierung steht so unter einer ethischen ,Richtigkeitsvermutung‘.“ 152 Als die naturrechtlichen Annahmen ihre Legitimationskraft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einbüßten, sollte die „Politische Ökonomie“ in eine „reine Ökonomik“ transformiert werden. Dies sollte insbesondere dem zeitgemäßen Ziel einer mathematischen Formalisierung und einer Anschlussmöglichkeit an die utilitaristische Ethik Rechnung tragen; zugrunde gelegt wurde das damals vorherrschende hedonistische Menschenbild, das zugleich normativ überhöht wurde.153 Die naturrechtliche Rechtfertigung einer Ausblendung ethischer Maßstäbe wurde nun durch utilitaristische Erwägungen ersetzt. Diese sind so Grundlage zum einen der Wohlfahrtstheorie, zum anderen der allgemeinen Gleichgewichtstheorie geworden, nach der ein freier und vollkommener Markt zu einem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage tendiere und so das volkswirtschaftliche Optimum garantiere, geworden.154 149 Vgl. dazu Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 147 ff., 159 ff., der dies als „Parteilichkeit der Sachzwänge“ bezeichnet: Fehlverhalten sei stets nur möglich seitens der Gewerkschaften (zu hohe Lohnforderungen) und seitens der Regierung (zu hohe Besteuerung); Weber, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, S. 17: „Der heutige, zur Herrschaft im Wirtschaftsleben gelangte Kapitalismus also erzieht und schafft sich im Wege der ,ökonomischen Auslese‘ die Wirtschaftssubjekte – Unternehmer und Arbeiter – derer er bedarf.“ 150 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 154; Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15, 17 f. 151 Vgl. zum Ganzen Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 178 ff. 152 Homann/Blome-Drees, Wirtschafts- und Unternehmensethik, 38 f. 153 Vgl. Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 189, 199. 154 Vgl. Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 194.

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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Nach dem Bedeutungsaufschwung der sozialen Marktwirtschaft nach den Zeiten der Depression und des Zweiten Weltkriegs kam es in den 60er bis 80er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer neoliberalen Wende.155 Unter Anleihen bei Rawls wurde mittels des Gedankenexperiments des „Schleiers des Nichtwissens“ und einer vertragstheoretischen Grundlage ein methodologischer Individualismus forciert, der es legitimierte, dass die Marktteilnehmer sich nur am eigenen Nutzen orientierten, sich mithin „ökonomisch rational“ verhalten. So entwickelten sich Modellannahmen von einer regulativen Idee zum vorgegebenen Rahmen der Wirtschaftswissenschaften. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Modellannahmen des homo oeconomicus normativiert wurden, indem die Voraussetzungen eruiert wurden, unter denen sich die Marktteilnehmer streng eigennützig verhalten dürften.156 In der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre hat insbesondere Gutenberg großen Anteil an dieser Entwicklung: Die Betriebswirtschaftslehre, die sich um das Gutenberg’sche „Identitätsprinzip“ als Paradigma rankte, das insbesondere auf das Menschenbild des „homo oeconomicus“, der Unternehmung als privater Veranstaltung eines Unternehmers, die Harmonievorstellung zwischen privatwirtschaftlichem Nutzen und dem gemeinwirtschaftlichen Wohl verweist, wurde als wertfrei und unpolitisch verstanden.157 Der parallele Übergang vom Utilitarismus zum „Pareto Kriterium“ 158 bewirkte eine Zementierung des „status quo“, da an diesem nur die Vorteil- bzw. Nachteilhaftigkeit einer Veränderung gemessen werden kann, während die Ausgangslage – fast naturrechtlich anmutend – nicht zum Gegenstand einer Bewertung werden konnte.159 Das Gewinnprinzip wurde auf diese Weise immunisiert. Die – vordergründig – gegenläufigen Ansichten sollen nun darauf untersucht, ob sie dieses Paradigma übernehmen.

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Vgl. zum Ganzen Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 196 ff. Vgl. Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 201. 157 Die Funktion der Betriebswirtschaftslehre ist verschiedensten Verständnissen und Strömungen ausgesetzt gewesen: Nicklisch begründete die sog. „normative Betriebswirtschaftslehre“, Schmalenbach ging von der Betriebswirtschaftslehre als Kunstlehre, Rieger als wertfreie Wissenschaft aus. Gutenberg forderte ausschließlich erfahrungswissenschaftlich fundierte betriebswirtschaftliche Theorien; vgl. zu der Entwicklung Clemens, Unternehmungsinteresse, 1984, S. 1 f.; Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 163 ff.; zum „industriellen Paradigma“, das zu einem technisch-instrumentellen Bild der Führung unter Ausblendung normativer Aspekte geführt hat, vgl. Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 375 ff. 158 Anhand des „Pareto Kriteriums“ soll sich das Optimum in der Wohlfahrt einer Gesellschaft ausdrücken lassen, das dann erreicht sein soll, wenn die Wohlfahrt oder der Nutzen eines Einzelnen nur noch auf Kosten eines anderen erhöht werden kann. 159 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 206, bezeichnet dies als „status-quokonservativ“. 156

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

b) Verhaltenswissenschaftliche Perspektive Ein herausragendes, das Paradigma – ggf. – erschütterndes Werk zu einer verhaltenswissenschaftlichen Theorie der Unternehmung stammt von Cyert und March.160 Sie erkannten, dass die überkommene Theorie der Unternehmung die Tatsache ignoriert, dass Entscheidungen in einer großen Organisation bzw. Koalition unter Unsicherheit, begrenzter Rationalität und auf unvollkommenen Märkten getroffen werden.161 Durch diese „Klarstellungen“ machen Cyert und March den Weg frei für eine Analyse des Prozesses der Zielformulierung (insbesondere für die Entwicklung und Änderung von Zielen), die nicht notwendigerweise in die Gewinnmaximierung münden müsse. Den Prozess einer Entscheidung erläutern sie anhand verschiedener prägender Umstände: Individuen in Koalitionen seien stark motiviert, in Orientierung an Präzedenzfällen162 und standardisierten Verfahren, die auf Vermeidung von Unsicherheit, Beibehaltung von Regeln und Verwendung einfacher Regeln zielten,163 zu entscheiden; Veränderungen fänden nur allmählich statt.164 Ziele seien multipel, durch Konflikte geprägt und bewegten sich auf einem „akzeptablen“ Niveau im Gegensatz zu einem maximierenden; Alternativen würden beschränkt, sequentiell betrachtet – auch hier gelte es, eine zufriedenstellende Alternative zu finden, die dann akzeptiert würde.165 Insbesondere Staehle knüpft an diese verhaltenswissenschaftliche Basis an: Er eruiert die Ziele, die das Management eines Unternehmens zu verfolgen habe, anhand einer Analyse des Verhaltens von Individuen,166 wobei u. a. etwa die Bedürfnis- bzw. Motivhierarchie von Maslow Eingang findet,167 von Gruppen,168 von Organisationen,169 und entfernt sich so sowohl von der Annahme eines homo oeconomicus als auch einer notwendigen Gewinnmaximierung. Eine Verankerung im methodologischen Individualismus, der sich auf die Prämisse einer subjektiven Nutzenmaximierung zurückziehe, sei eine Schwäche der mikroökonomischen Theorie.170 160

Cyert/March, Theorie der Unternehmung. Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 11, S. 29 f., auch zur Organisation als Koalition. 162 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 37, 116. 163 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 117 ff. 164 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 48, 119. 165 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 130, 167 f. 166 Staehle, Management, S. 161 ff. 167 Staehle, Management, S. 169 ff.; die Bedürfnispyramide von Maslow erhält die Ebenen der physiologischen Bedürfnisse, der Sicherheitsbedürfnisse, der sozialen Bedürfnisse, der Wertschätzung/Ich-Bedürfnisse und der Selbstverwirklichung und beruht auf der Annahme, dass die nächsthöhere Ebene nur bei wenigstens teilweiser Befriedigung der untergeordneten Ebenen erreicht werden kann. 168 Staehle, Management, S. 265 ff. 169 Staehle, Management, S. 414 ff. 170 Staehle, Management, S. 414. 161

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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c) Neue Institutionenökonomik Im Gegensatz zur neoklassischen Mikroökonomie werden in der „Neuen Institutionenökonomik“ den Bedenken, die den Modellannahmen der Neoklassik zugrunde lagen, durch eine wirklichkeitsnähere Ausgestaltung Rechnung getragen; sie wird darum auch als „Weiterentwicklung der neoklassischen Theorie“ begriffen.171 Insbesondere im Hinblick auf die Rationalität der Akteure sind modifizierte Annahmen erkennbar; Entscheidungssubjekte würden opportunistisch mannigfaltige Ziele verfolgen.172 Die Zweige der Prinzipal-Agent-Theorie, der Transaktionskostenökonomik und des Verfügungsrechtsansatzes gehören dieser Theoriefamilie ebenso an wie die ökonomische Analyse des Rechts173 und sind insbesondere auf Coase174 und Berle und Means175 zurückzuführen. Die Prinzipal-Agent-Theorie wird vorrangig auf die Beziehung zwischen Anteilseigner und „Manager“ angewendet176 (wenn auch nicht ausschließlich177). Sie kreist um das Problem einer Trennung der Verfügungsberechtigung und der tatsächlichen Verfügungsmacht, sowie einer Abweichung des Managements von den Gewinnmaximierungsinteressen der Eigentümer.178 Sie thematisiert auf diese Weise mehr den Interessenkonflikt als die begrenzte Rationalität.179 Deutlich später als die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaft hat die deutschsprachige auf die Erkenntnisse dieser Theorie reagiert.180 Dass sich der Vorstand von den Eigentümern emanzipiert, hat unterschiedliche Gründe: die breite Streuung des Aktienbesitzes, der Übergang durch Erbfolge, das Avancieren der Unternehmensführung zum Beruf („Professionalisierung des Manage171

Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 56. Fleischer, ZGR 2001, 1, 3. 173 Fleischer, ZGR 2001, 1, 14; Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 57, 129. 174 Insbesondere: Coase, Economica 1937, 386 ff. 175 Insbesondere: Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property. 176 Nach Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 490, werde so die strikte Ausrichtung des Managements auf die Eigentümerinteressen vorausgesetzt; zur Rezeption im rechtlichen Bereich vgl. etwa Brauer, NZG 2004, 502, 503, der versucht, Erkenntnisse aus der „Agency-Theorie“ fruchtbar zu machen, diesen Ansatz mangels Einheitlichkeit der Ansichten jedoch wieder verwirft; Fleischer, DStR 2005, 1279, 1281; Fleischer, ZGR 2001, 1, 7 f.; Große/Boos, WM 2006, 1177, 1181; Spindler, AG 2006, 677 ff. 177 Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rn. 11, bezeichnet den Vorstand als Prinzipal; Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 216, und Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 62, verweisen u. a. auf das Verhältnis zwischen Management und Arbeitnehmer; eine erweiternde Sichtweise klingt auch bei Bitter, WM 2001, 2133, 2137, an; Spindler, AG 2006, 677, 679, weist auch auf das Verhältnis der Manager und Gläubiger als Prinzipal-Agent-Verhältnis hin. 178 Bereits Keynes, Das Ende des Laissez-faire, S. 33; vgl. auch Staehle, Management, S. 423 f. 179 Vgl. Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 216. 180 Vgl. Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 144. 172

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

ments“). Wie bereits mehrfach angesprochen, stellt eines der größten Probleme bei den Publikumsgesellschaftendie Inaktivität und Inkompetenz der Kleinaktionäre dar:181 Der Grundgedanke der Einheit von Risiko und Macht ist nur dann stichhaltig, sofern diejenigen, denen Macht zugeschrieben werden soll, auch bereit sind, diese auszuüben. Bereits im „Sechser Bericht“ und in der Unternehmensrechtskommission wird hervorgehoben, dass die überwiegende Mehrheit der Aktionäre nicht an einer aktiven Ausübung ihrer Rechte interessiert sei,182 nur ein Bruchteil der Aktionäre der großen Publikumsgesellschaften die Hauptversammlung besuche und ein Großteil die Stimmrechtsmacht den Depotbanken überließe.183 Auch diese Tendenz dürfte heute, 40 Jahre später, durch die weite Diversifikation und die eingeschränkte Dispositionsmöglichkeit bezüglich des Ertrages begünstigt werden:184 Die Anteilseigner können lediglich über den festgestellten Gewinn entscheiden; vorher hat die Unternehmensführung die Gelegenheit, für einen bestimmten Teil die Einstellung in Rücklagen zu beschließen. Auch der um sich greifende Shareholder Value-Gedanke konnte hier noch keine klaren Leitlinien für das Management schaffen.185

Die Prinzipal-Agent-Theorie hat gezeigt, dass neben den Anteilseignern zumindest das Management als zweite Interessengruppe maßgeblich am Schicksal des Unternehmens beteiligt ist.186 Das Leitungsorgan kann sich von den Interessen des Prinzipals emanzipieren, seine eigenen Interessen verfolgen (sog. „moral hazard“) bzw. verborgene Handlungen zum Nachteil des Prinzipals (sog. „hidden action“) vornehmen. Während dem Prinzipal daher Überwachungskosten (sog. „monitoring costs“) entstehen, werden auf Seiten des Agenten Kosten verursacht werden, sofern er auf den Prinzipal schädigende Handlungen verzichtet oder bei Vornahme den Prinzipal entschädigt (sog. „bonding costs“). Eine weitere hier interessierende Erkenntnis hat die Prinzipal-Agent-Theorie im Hinblick auf mehrere Prinzipale hervorgebracht: Die Unterstellung unter mehrere Prinzipale erweitert den Spielraum des Agenten und erschwert gleichzeitig die Kontrolle durch die Prinzipale („too-many-masters-Argument“ 187). Dies ist 181 Dies stellte bereits Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd 3, 2. Hlbbd., S. 735 ff.; vgl. auch Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 202; zum Ganzen Steinmann/Schreyögg, Management, S. 100 ff. 182 Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 642. 183 „Sechser Bericht“, 1968, S. 23; auch Peter Ulrich, Großunternehmung als quasiöffentliche Institution, S. 164. 184 Dauner-Lieb FS Röhricht, 2005, S. 83, 87, spricht von der „Ohnmacht der Hauptversammlung“ und der „rationalen Apathie der Kleinaktionäre“; Raiser, ZRP 1981, 30, 34: „Ein großer Teil des Ertrages ist der Disposition der Eigentümer de facto und de iure entzogen.“ 185 Nach der Shareholder Value-Doktrin soll in die Bestimmung dessen, was ausgeschüttet werden soll, eingestellt werden, was der Aktionär an Dividende mindestens erwarten kann, indem eine Risiko-Prämie hinzugerechnet wird; hat das Unternehmen keine anderweitige Anlagemöglichkeiten, die die Eigenkapitalkosten übersteigen, soll der Betrag in jedem Fall an die Aktionäre fließen. 186 Vgl. dazu Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 9. 187 Vgl. Hüffer AktG § 76 Rn. 15; KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 11; es wird jedoch immer wieder die Frage aufgeworfen, ob sich ein an den Anteilseignerinteressen orien-

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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die Parallele zu der rechtlichen Wertung, der Spielraum des Vorstands erweitere sich, ersetzt man eine monistische durch eine pluralistische Konzeption.188 Dass vorgeschlagen wird, die Berücksichtigung mehrerer Interessen entweder in der Spielart der „Maximierung unter Nebenbedingungen“ zuzulassen, was so viel bedeutet, wie eine Verpflichtung auf das Interesse einer Gruppe unter Einhaltung eines Mindestniveaus aller anderen Gruppen,189 oder den Vorstand auf die Maximierung des Shareholder Values zu verpflichten, zeugt wiederum von der paradigmatischen Vorprägung der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse: Sie spielen sich im Rahmen einer monistischen Konzeption ab, können diese aber nicht begründen. Die Behauptung, eine Verpflichtung des Vorstands auf zu viele Interessen führe zu „schlechten“, weil inkonsequenten Entscheidungen, versinnbildlicht sich in der Situation des pluralistisch besetzten Aufsichtsrats. Dementsprechend wurde im „Sechser Bericht“ die Frage aufgeworfen, „ob ein Unternehmen besser geführt wird, wenn die Unternehmensleitung durch interessenmonistische oder wenn sie durch interessenpluralistische Organe gebunden wird“ 190. Dies könne nur dann zugunsten einer interessenmonistischen Bindung entschieden werden, wenn man davon ausginge, die Eigentümer seien klüger als ein „selbstverständlich gehörig qualifiziertes – interessenpluralistisches Organ“. Dies verneint der „Sechser Bericht“.191 Nicht umsonst ist der „Diskursethik“ nachhaltiger Erfolg beschert. Können auch die strengen Voraussetzungen in einem Unternehmensorgan nicht erfüllt werden, so ist doch zumindest eine kritische Diskussion nur dann ernsthaft möglich, wenn unterschiedliche Ansichten einfließen.192

Die Transaktionskostentheorie zeigt die Praxisferne der (neo-)liberalen und (neo-)klassischen Theorie: Der Gewinnmaximierung hafteten zu hohe Transaktionskosten an:193 Kahnemann hat gemeinsam mit Tversky herausgearbeitet, dass Entscheidungen im Wirtschaftsleben keinesfalls als rein rational bezeichnet werden können. Diese Tendenzen werden als sog. „biases“ bezeichnet. Dazu gehören Vorkommnisse wie „disposition effect“ 194, „overconfidence bias“ 195, „hindsight tiertes Verhalten des Vorstands ohnehin von selbst daraus ergebe, dass die Managerschicht soziologisch so eng mit der Schicht der Anteilseigner verflochten ist, dass beide Gruppen ohnehin die gleichen Interessen verfolgten, vgl. Nell-Breuning, Referat, Fünftes Europäisches Gespräch, 1956, S. 188, 194 ff.; „Sechser Bericht“, 1968, S. 37. 188 Vgl. oben, Kapitel 2 F. 189 Kuhner, ZGR 2004, 244, 254. 190 „Sechser Bericht“, 1968, S. 100. 191 „Sechser Bericht“, 1968, S. 100 f.; ebenso Vogt, Sozialverband, S. 347. 192 Ähnlich Köhler, JZ 1956, 137, 140, der durch ein System der „Checks and Balances“ Machtkonzentration und damit Willkür vermeiden will; empirisch ist belegt worden, dass die Arbeitsweise des Aufsichtsrats unter einer paritätischen Besetzung nicht leidet, vgl. „Sechser Bericht“, 1968, S. 128. 193 Vgl. aus dem juristischen Bereich dazu Brinkmann, AG 1982, 122, 124. 194 Danach halten Investoren an Verlierern länger fest als an Gewinnern. 195 Danach überschätzen Entscheidungsträger ihre Einsichts- und Problemlösungsfähigkeiten.

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

bias“ 196, „anchoring and adjustment“ 197, „self serving bias“ 198, „overoptimism bias“ 199 und „availability bias“ 200.201 Zudem könne die klassische Wirtschaftstheorie das Zustandekommen von Institutionen, mithin von Unternehmen, nicht erklären; verhielte sich jeder Teilnehmer vollkommen rational, so könnte jegliche ökonomische Aktivität über den Markt vollzogen werden. Die Erklärung der Transaktionskostentheorie für das Ent- und Bestehen von Institutionen greift insbesondere die Annahme des Rationalprinzips an:202 Den wirtschaftlichen Akteuren entstehen Transaktions- und Koordinationskosten, gerade weil sie sich nicht vollständig rational verhalten. Fähigkeiten, Wissen, Informationen sind ungleich verteilt und die Beschaffung verursacht Kosten. Diese Kosten können in bestimmten Fällen (etwa: häufige Interaktion, hohe Spezifität) in Institutionen gesenkt werden.203 Eingang in den rechtlichen Kontext hielten die betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorien insbesondere über den Risikobegriff, der sowohl im Strafrecht als auch im Gesellschaftsrecht Bedeutung erlangt hat; bisher wurde jedoch nicht so weit gegangen, dass die Einhaltung der Entscheidungsregeln zu einem rechtlich nicht zu beanstandenden Handeln führen;204 dies könnte sich mit Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG allerdings ändern.205 Die Theorien der „rationalen Wahl“, die einen zweckrationalen, d. h. nach Nutzenmaximierung strebenden Entscheider zugrunde legen, sind überholt. Insbesondere die Prämissen, dass Ziele, Entscheidungspräferenzen, Entscheidungsprobleme, Alternativen, Konsequenzen und Wert der Konsequenzen bekannt und operabel formuliert sind und sämtliche Alternativen vom Entscheider erwogen werden, der letztlich unbeeinflusst von persönlichen Werten und Gruppennormen entscheidet, werden heftig kritisiert. Theorien „begrenzt-rationaler Wahl“ („bounded rationality“) werden bevorzugt. Neben der Annahme begrenzter Rationalität sind die Eckpfeiler der Kritik insbesondere unvollständige Information, Komplexität des Entscheidungsprozesses und eine bestimmte Anspruchsniveaufixierung, die den Entscheider dazu bringen, ggf. bereits die erste „zufrieden196

Dazu bereits oben, Kapitel 2 C. I. 2. a) aa) (1). Danach findet eine Verzerrung der Urteilsbildung statt, da auf selbst vorgegebene Richtwerte eher als auf neue Informationen reagiert wird. 198 Dazu bereits oben, Kapitel 2 D. IV. 2. b) ff). 199 Danach wird der gegenwärtige Nutzen systematisch über-, die zukünftigen Kosten werden unterschätzt.; vgl. hierzu Fleischer, ZGR 2001, 1, 3. 200 Danach werden frische Eindrücke stärker gewichtet als ältere. 201 Vgl. dazu Fleischer FS Immenga, 2004, S. 575, 577. 202 Vgl. zu dieser Stoßrichtung Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 213. 203 Vgl. zum Ganzen Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 56 f., 59 ff. 204 Etwa Rose, wistra 2005, 281, 283. 205 In BT-Drucks. 15/5092, S. 12, ist davon die Rede, dass die Entscheidung anhand von anerkannten betriebswirtschaftlichen Verhaltensmaßstäben getroffen werden müsse. 197

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stellende“ Alternative zu wählen.206 Dabei wird nicht länger vernachlässigt, dass bereits die Informationsbeschaffung nicht entscheidungsfrei abläuft.207 Die Reihenfolge, in der die Umwelt durchsucht wird, bestimmt in hohem Maße die letztlich getroffene Entscheidung.208 Entscheidungen seien auf jeder Ebene und an jedem Punkt mit strategischen Handlungen und politischer Orientierungen vermischt, spiegelten in hohem Maße die Erwartungshaltung der Umwelt wider und seien durch standardisierte Verfahren, Berufsstandards, kulturelle Normen und institutionalisierte Strukturen geprägt.209 Plastisch wird der Ablauf der Entscheidung in den Beiträgen von Lindblom, der dafür die Begrifflichkeit des „Muddling Through“ (frei übersetzt: „Durchwursteln“) geprägt hat.210 Danach gibt es immer nur eine begrenzte Zahl von Alternativen, die berücksichtigungsfähig sind; der Entscheider unterliegt zudem stark seinen bereits gemachten Erfahrungen.211 Dass in der Wissenschaft dennoch häufig von anderen Umständen, insbesondere unbegrenzter Rationalität ausgegangen wird, führt er auf die menschliche Vorliebe für mathematische Genauigkeit zurück.212 Seine Methode, die von praxisnäheren Prämissen ausgeht, nennt er auch „method of successive limited comparisons“; diese beinhaltet, dass bei komplexen sozialen Entscheidungen eine Bewertung der Alternativen nicht zuletzt deshalb unmöglich ist, weil nicht von vornherein eindeutig ist, an welchen Werten sich der Entscheider zu orientieren hat. Ob eine Entscheidung korrekt, gut oder rational ist, kann dann daran gemessen werden, ob sie anhand einer Verfahrensweise erzielt wurde bzw. der Geschäftspolitik entspricht, über die eine Einigung erzielt werden konnte.213 d) Zwischenergebnis Die dargestellten Theorien kritisieren vorrangig die Modellannahmen, insbesondere die der unbegrenzten Rationalität der Akteure und des vollkommenen Marktes. Dennoch wird deutlich, dass sie das Paradigma des Gewinnprinzips auf weiten Strecken voraussetzen. Offenbar wird dies vor allem bei der PrinzipalAgent-Theorie, deren erklärtes Ziel es ist, den Agenten (Vorstand) wieder enger 206 Vgl. zum Ganzen Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 130, 167 f., 222; Staehle, Management, S. 519 ff. 207 Nach Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 106, kann eine Information erst durch die Interpretation Sinn oder Bedeutung erlangen; vgl. auch Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 38. 208 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 11. 209 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 225 f. 210 Etwa Lindblom, Public Administration Review, 1959, S. 79 ff. 211 Lindblom, Public Administration Review, 1959, S. 79, 86. 212 Lindblom, Public Administration Review, 1959, S. 79 f. 213 Lindblom, Public Administration Review, 1959, S. 79, 83 f.

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an die Interessen der Prinzipale (vor allem der Anteilseigner) zu koppeln. Die Transaktionskostentheorie lockert zwar die Forderung nach einer – zu kostenintensiven – Gewinnmaximierung, ist aber dennoch stark dem Gewinnprinzip verhaftet: Ebenso wie bei den Entscheidungstheorien ist es ihr erklärtes Ziel, die Kosten einer Entscheidung so gering wie möglich, wenn auch unter Aufgabe einer modellhaften Optimierung, zu halten. Anders ist dies beim Werk von Cyert und March: Gewinnmaximierung sei entweder nur eines von vielen oder gar kein Ziel.214 Zunehmend wird die Maximierung von Gewinnen so durch die Erreichung zufriedenstellender Gewinne ersetzt.215 Da sich ihre Untersuchung jedoch mehr deskriptiv als präskriptiv versteht, kann darin nicht ohne Weiteres eine das Paradigma in Frage stellende Konzeption gesehen werden. e) Wirtschaftsethik, Unternehmensethik und St. Galler Management-Modell Das Paradigma der Gewinnmaximierung gerät ins Wanken, wenn man die Theorien „integrer Unternehmensführung“ und solche, die ethische Werte in die unternehmerischen Entscheidungen einfließen lassen wollen,216 nicht lediglich als Mittel zum Zweck der Gewinnmaximierung („Instrumentalismusfalle“ 217) versteht. Dass eine ethische Ausrichtung der Unternehmen einer gesteigerten Anerkennung auf dem Markt und damit der Gewinnmaximierung dienen kann, wird deutlich, wenn man „Moral“ als Entscheidungskriterium des Marktes anerkennt218 und aus diesem Grund etwa Unternehmensrichtlinien daher als „Public-Relations-Maßnahme“ bzw. als „Ausweg aus einer Legitimationskrise“ einordnet219.

Insbesondere Nicklisch und Schmalenbach bereiteten den Weg der Betriebswirtschaftslehre als ethisch-normative Wissenschaft, die nicht mehr auf Gewinnmaximierung, sondern auf die effiziente Versorgung der Volkswirtschaft mit Gütern und Dienstleistungen ausgerichtet sein sollte.220 Noch Steinmann und Löhr stellen Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts „massive“ Vorbehalte in der Betriebswirtschaftslehre gegen die Unternehmens214

Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 8. Vgl. Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 10. 216 Staehle, Management, S. 171 ff. 217 Vgl. zur Verwendung des Begriffs in diesem Zusammenhang Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 57. 218 Mit dieser Frage hat sich insbesondere Stehr, Die Moralisierung der Märkte, auseinandergesetzt. 219 Vgl. Theile, ZIS 2008, 406, 418. 220 Vgl. Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 38 f. 215

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ethik fest,221 was jedoch „natürlicher“ Teil eines Paradigmenwechsels sein kann222. Steinmann und Löhr vertreten ein Konzept der Unternehmensethik, dessen Ausgangpunkt das „Friedensziel“ darstellt;223 dementsprechend stellt sich die Unternehmensethik als Lehre von denjenigen idealen Normen dar, die in der Marktwirtschaft zu einem friedensstiftenden Gebrauch der unternehmerischen Handlungsfreiheit anleiten sollen.224 Das Ziel der Friedensstiftung soll insbesondere anhand des Diskurses erreicht werden,225 was eine Abkehr vom ansonsten überwiegend zugrunde gelegten methodologischen Individualismus bedeutet.226 Das Gewinnprinzip wird indes nicht aufgegeben: Dies sei Teil einer Entscheidung auf der Ebene der Wirtschaftsordnung, die für die Unternehmensethik nicht beliebig zur Disposition stehe.227 Insbesondere im letzten Punkt unterscheidet sich der integrative Ansatz Peter Ulrichs, der nach Brink einen „Paradigmenwechsel“ ankündigt228 und dies auch sprachlich – nicht nur durch Verwendung des Begriffes „integer“ – zum Ausdruck bringt: „Von [der] paradigmatischen Vorentschiedenheit für die normative Logik des Marktes verabschieden wir uns nun [. . .].“ 229 Ganz entscheidend kommt es darauf an, dass ethische Kategorien nicht lediglich Korrektiv des Gewinnprinzips sein sollen und damit einen Reflexionsabbruch und eine „Zwei-Welten-Konzeption“ rechtfertigen, sondern im ökonomischen Denken verwurzelt werden.230 Das so genannte „Gewinnprinzip“, das in der Betriebswirtschaftslehre sein „Unwesen treibt“, sei nicht begründbar; metaphysisch-naturrechtlich unterbaute Klassik, ältere, utilitaristische Neoklassik und reine Ökonomik seien gescheitert und die These, ethische Reflexion sei in der Wirtschaft nicht nötig, sei widerlegt.231 Dementsprechend versteht sich die inte221

Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 163. s. o., Kapitel 3 C. IV. 1. 223 Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 65. 224 Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 95. 225 Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 67 ff., die auch darauf hinweisen, dass etwa die Mitbestimmungsregelungen Instrumente sind, um von Dialogverpflichtungen zu entlasten; kritisch bez. der „idealisierenden“ Diskursvorstellungen Brink, Ethisches Management, S. 53, 57 f. 226 Vgl. dazu Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 172 f. 227 Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 164; kritisch dazu Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 429, nach dem so unter der Hand aus einer faktischen eine normative Vorgabe werde. 228 Brink, Ethisches Management, S. 53, 65. 229 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 215; von einem „tiefgreifenden Paradigmenwechsel“ sprechen auch Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 177. 230 Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 10; Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 13 ff.; Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15, 20 ff. 231 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 19, 214. 222

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grative Unternehmensethik Peter Ulrichs als „permanenter Prozess der vorbehaltlosen kritischen Reflexion und Gestaltung tragfähiger normativer Bedingung der Möglichkeit lebensdienlichen unternehmerischen Wirtschaftens“, der sich insbesondere durch Kommitment, Kohärenz, Konsistenz und Kontinuität auszeichne.232 Ethik und ökonomische Rationalität werden durch Peter Ulrich mithilfe der „Idee eines unternehmenspolitischen Diskurses“ versöhnt – Unternehmenspolitik sei als Politik der Unternehmung zu begreifen, die sich in ethischer Absicht an der regulativen Idee eines unternehmensethischen Legitimitäts- und Zumutbarkeitsdiskurses orientiere. Dieser Diskurs kann auch als sog. „Stakeholder-Dialog“ bezeichnet werden, der Berechtigung und Legitimität von Stakeholder-Ansprüchen thematisiert, oder aus der Perspektive der Unternehmensleitung als Zumutbarkeitsdiskurs über die Berechtigung und Angemessenheit verschiedenster Ansprüche.233 Dazu seien die Stakeholder in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und durch das bessere Argument, nicht durch Machtdrohungen, soll versucht werden, einen Konsens herbeizuführen.234 Das schließe nicht aus, dass unternehmerische Einkommens- und Gewinninteressen nicht auch „chancenreiche Kandidaten“ auf legitime Ansprüche sein könnten.235 Im Diskurs dürfe jedoch weder – wie die ökonomistische Position dies tue – von vornherein Partei für unternehmerische Erfolgsrationalität ergriffen werden, noch – wie dies die moralistische Position vertrete – das Zumutbarkeitsproblem ausgeblendet werden.236 Zumutbar sei dabei etwa stets der Verzicht auf die strikte Eigennutzenmaximierung – diese sei kein möglicher legitimer Zweck, da alle Wertgesichtspunkte diesem untergeordnet würden, obwohl das Gewinnstreben nur ein Wert und eine Dimension betrieblicher Wertschöpfung neben anderen sei.237 Der Unternehmer habe den

232 Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 12 ff.; Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 463. 233 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 430, 475; Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 205, sprechen insofern von einer Synchronisation des ethisch Gebotenen und des ökonomisch Geforderten. 234 Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 17, 172, 182 ff., 188, auch zu den an die Diskursethik von Apel und Habermas angelehnten Voraussetzungen des Diskurses, insbesondere Inklusivität, argumentative Gleichberechtigung, Aufrichtigkeit und Zwanglosigkeit als Leitidee; Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15, 25. 235 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 475. 236 Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 317; Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 169 ff.; die Frage der Zumutbarkeit geht einher mit der zweiten Stufe der Verantwortung, der sog. „republikanischen Unternehmensethik“, die darauf abzielt, auf eine politische Änderung der Rahmenbedingungen hinzuwirken und so auch die Frage der Zumutbarkeit zu beeinflussen. 237 Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 317; Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 171, 444, 450; Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15, 19.

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Grundsatz zu beachten, dass nur ethisch legitime und verantwortbare Ziele verfolgt werden dürften. Der Unterbau der integrativen Unternehmensethik ist systemtheoretisch, sodass Peter Ulrich auf die Errungenschaften des St. Galler Management-Modells zurückgreifen kann, die insbesondere mit Erkenntnissen Hans Ulrichs verbunden sind: Das ökonomische System müsse als politisch einholbares Subsystem begriffen werden, das in die Gesellschaftsordnung eingebettet ist.238 Die Forderung nach Gewinnmaximierung als vom wirtschaftlichen System ausgehend, ist nach dieser Konzeption umso weniger haltbar als auch andere Systeme Erwartungen hegen,239 die Märkte nicht mehr rein wirtschaftlich funktionieren240 und der Mensch als unteilbares Wesen nicht von außer-wirtschaftlichen Aspekten absieht.241 Ein ökonomischer Systemdeterminismus bestehe daher immer so weit, wie er gesellschaftspolitisch zugelassen werde; absolute Sachzwänge des Marktes existierten daher nicht und seien nur Ausdruck eines Reflexionsstopps.242 Kennzeichen des St. Galler Management-Modells ist es, dass bei der Erörterung von Unternehmenszwecken und -zielen im Gegensatz zu klassischen betriebswirtschaftlichen Auffassungen ein pluralistisches Ziel- bzw. Zwecksystem anerkannt wird:243 Die Wirtschaft wird nicht länger als geschlossenes System angesehen,244 die Umweltbezogenheit des Unternehmens nicht länger unter Verengung „ihres“ Forschungsbereichs auf wirtschaftliche Aspekte und pekuniäres Denken reduziert.245 Das Zielsystem wird nicht mit ex ante feststehenden materiellen Zielbestimmungen und damit Interessen – etwa der Gewinnmaximierung, die nicht aus dem Wirtschaftssystem abgeleitet werden könne246 – gefüllt, sondern stellt Verfahren zur Verfügung, die die Erfassung ermöglichen sollen.247 Diese Verfahrensvorgaben sollen, insbesondere da es kein eindeutiges Optimierungskriterium gebe, kein mathematisches Optimierungsverfahren abbilden, sondern nur 238

Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 156. Vgl. Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 188. 240 Vgl. Stehr, Moralisierung der Märkte. 241 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 272. 242 Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 57, 313; Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 158, 442, 428, der den Reflexionsstopp auf die gewohnte disziplinäre Grenzziehung zwischen Betriebs- und Volkswirtschaftslehre bzw. auf die Trennung von Sach- und Formalziel zurückführt, wobei das Gewinnprinzip als „wert- und interesseneutrales Formalziel“ der Unternehmung gehandhabt und so einer ethischen Bewertbarkeit entzogen werde. 243 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 162; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 19, 101. 244 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 167. 245 Vgl. Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 163 f., S. 291. 246 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 189. 247 Vgl. Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 162; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 102. 239

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

das Rationalprinzip befördern, nach dem das gesetzte Ziel mit möglichst wenig Aufwand an Einsatzgütern erreicht werden soll. Dieses Gebot der Vernunft gelte immer, wenn es sich um knappe Güter handle und ihre Verwendung zu einem Wertverzehr führe.248 Die dargestellten Konzeptionen Hans und Peter Ulrichs entfernen sich in weitest möglichem Umfang von dem Gewinnprinzip, ohne den Realitätsbezug zu verlieren. Die Konzeptionen verstehen sich nicht lediglich als Regulativ des Gewinnprinzips, sondern stellen dieses vollumfänglich durch Akzeptanz weiterer Werte und Verfahrensweisen zur Disposition. Sie stellen daher konkurrierende Theoriegebäude zum herrschenden Paradigma dar. Auch die zunehmenden werteorientierten Unternehmensaktivitäten könnten ein Anzeichen dafür sein, dass das Paradigma des Gewinnprinzips auch in der Praxis zunehmend in Frage gestellt wird: Unternehmen richten Resorts für „Corporate Social Responsibility (CSR)“ und „Compliance“ ein, verfassen „Sustainability- und Responsibility-Berichte“ und achten auf eine integre „Supply Chain“.249 Flankiert wird die Sichtweise, die das traditionelle, ausschließlich an finanziellen Größen orientierte System der Unternehmensführung ablösen könnte, durch sog. „Berichtsbögen“, wie etwa die „Scorecard Corporate Governance“ von der DVFA oder die „Balanced Scorecard“ von Kaplan und Norton, die eine Balance zwischen kurz- und langfristigen Zielen, finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsmaßen, vor- und nachgelagerten Indikatoren sowie Leistungsvorstellung von Externen und Internen anstrebt:250 Zu diesem Zwecke werden vier verschiedene Perspektiven nebeneinander gestellt: die finanzielle Perspektive, die Lern- und Entwicklungsperspektive und die Kunden- und Marktperspektive. Diese Entwicklungen sind jedoch zurückhaltend zu bewerten, könnten sie doch auch lediglich Frucht der Erkenntnis sein, dass sich Moral „lohnt“. Die Berücksichtigung von Werten in der Managementlehre folgt aber einem allgemeinen Trend in allen wissenschaftlichen Zusammenhängen,251 die die Orientierungskrisen einer pluralistischen und postindustriellen Gesellschaft widerspiegeln, sodass es – jedenfalls aus der Perspektive juristischer Adaption – 248

Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 159. Vgl. zu dieser Entwicklung insbesondere Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 2, 272 ff. 250 Vgl. Ossadnik FS Matschke, 2008, S. 301, 305. 251 Jüngst werden ethische Veränderungen im Unternehmensbereich auch (wieder) in juristischen Beiträgen reflektiert: Im Gesellschaftsrecht unterscheidet etwa Steding, NJ 2007, 10 f., zwischen rechtsethischen Prinzipien des Binnenrechts (Individualschutz, Minderheitenschutz, Arbeitnehmerschutz) und solchen im Außenrecht der Gesellschaft; Theile, ZIS 2008, 406 f., thematisiert eine ethische Ausrichtung bei den Unternehmensrichtlinien: Auch diese seien Ausdruck davon, dass Unternehmenstätigkeit nicht mehr nur an wirtschaftlichen, sondern auch an ethischen Maßstäben ausgerichtet werde und dem Gewinnziel Beschränkungen auferlegt würden. 249

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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gerechtfertigt erscheint, ein für die hiesige Untersuchung ausreichend stabiles Paradigma zu bezweifeln bzw. zumindest eine Krise des Paradigmas zu diskutieren. Dennoch ist die momentane Situation äquivalent: Deutet die Entwicklung von Wirtschaftsethik auf die Orientierung an Werten im nicht „materiellen“ Sinne hin, so scheint der Shareholder Value-Gedanke in eine ganz andere, eher hedonistische Richtung zu weisen.252 f) Shareholder Value-Konzept In der Vergangenheit wurde moniert, dass Kennzahlen wie Gewinn pro Aktie oder Ähnliches keine verlässlichen Aussagen über den Unternehmenswert zuließen.253 Stattdessen sollte der Unternehmenswert anhand zukünftiger diskontierter Cashflow-Ströme bewertet werden. So könnten Unternehmen Mehr-Wert für die Aktionäre erwirtschaften; daher der Begriff „Shareholder Value“. „Shareholder Value“ ist dabei der Unternehmenswert abzüglich des Fremdkapitals, wobei sich der Unternehmenswert wiederum aus den Komponenten „Gegenwartswert des betrieblichen Cash-flows während der Prognoseperiode“ und „Gegenwartswert eines Geschäfts für den Zeitraum nach der Prognoseperiode“ (Residualwert) zusammensetzt. Der betriebliche Cash-flow als Differenz zwischen Ein- und Auszahlungen muss dabei auf die Gegenwart abgezinst werden, indem zunächst die Cash-flows eines Jahres geschätzt und dann mittels eines – ebenfalls geschätzten – Kapitalkostensatzes diskontiert werden. Die Kapitalkosten sind das gewichtete Mittel der Kosten für Fremd- und Eigenkapital, legen das Minimum der Rendite fest, die neue Investitionsvorhaben erwirtschaften sollten254 und geben den Entscheidungsorganen auf diese Weise einen engen Rahmen vor. Die Fremdkapitalkosten sind die Kosten neuen Fremdkapitals. Die sog. „Eigenkapitalkosten“ ergeben sich aus der Summe der Rendite bei Bundesanleihen (quasi risikolose Kapitalanlagen) und einer Risikoprämie. Beides muss zu einer Rendite führen, die hoch genug ist, um neue Anteilseigner zu gewinnen und alte zu halten.255 Zur Schätzung des Residualwerts eignet sich die Methode der ewigen Rente.256 Dieses Konzept führt zu großen Übernahme-Anreizen insbesondere für sog. „Raider“: Unternehmen sollen gekauft, auf Shareholder Value umstrukturiert und wieder verkauft werden. Dies setzt wiederum die Unternehmensleitung unter Druck, von sich aus den Wert für die Anteilseigner so hoch wie möglich zu steigern, wollen sie nicht Opfer einer Übernahme (die häufig mit dem Verlust des 252 Vgl. zu dieser Entwicklung auch Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 113 f. 253 Vgl. dazu insbesondere Rappaport, Shareholder Value, S. 20 ff. 254 Rappaport, Shareholder Value, S. 58 f. 255 Rappaport, Shareholder Value, S. 60. 256 Vgl. zum Ganzen Rappaport, Shareholder Value, S. 53 ff.

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Kap. 3: Legitimation aus der wirtschaftlichen Umwelt

Arbeitsplatzes einhergeht) werden. Verlässlichstes Mittel zur Steigerung des Aktienkurses ist die Kostenreduktion, insbesondere im Personalwesen, anhand von „Downsizing“ oder „Out-Sourcing“, die zum Vorteil der Shareholder auf dem Rücken der Stakeholder ausgetragen werden.257 In den USA wird angenommen, die Shareholder Value-Maximierung habe bei Traditionsunternehmen teils zu einer Börsenbewertung geführt, die doppelt so hoch ist wie Bewertung auf der Grundlage konservativer Finanzanalyse.258 Rechtfertigungsversuche lassen sich grob unterteilen in: Wettbewerbsfähigkeit, Leistungssteigerung, Änderungen von Geschäftsmustern durch „New Economy“ und Operationalität.259 Tiefere Gründe werden auch in der Sozialisation der Manager-Generation und in den parallelen Anreizen für Anteilseigner und Vorstände durch entsprechend erfolgsorientierte Vergütung gesehen.260

Das Shareholder Value-Konzept knüpft – obwohl es durch Brink ebenfalls als neues Managementparadigma bezeichnet wird261 – insbesondere bezüglich der Prämissen unbeschränkter Rationalität, Konstanz der Gesamtmarktdaten (etwa Zinsen, Inflation und Wechselkursentwicklung) und Vollkommenheit des Marktes262 an die (neo-)liberalen bzw. (neo-)klassischen Annahmen an. Der Entscheidungsspielraum des Managements wird so auf eine kapitalverwertungsorientierte Verantwortung reduziert. Die Entscheidung über die Verwendung des Kapitals wird einzig den Kapitaleignern zugesprochen, deren Erwartungen allen sonstigen Interessen vorgezogen werden.263 Da auf diese Weise die Konzentration auf den Wert für die Aktionäre kurzfristig orientierter Unternehmensleitung Vorschub leistet,264 stellt die Shareholder Value-Maximierung sogar eine Radikalisierung des Gewinnprinzips dar.265 257 Vgl. Kennedy, Das Ende des Shareholder-Value, S. 11 f., 68, 110, 113 ff.; zur Bedeutung des Shareholder Value bei Übernahmen auch Rappaport, Shareholder Value, S. 3 ff. 258 Kennedy, Das Ende des Shareholder-Value, S. 85. 259 Vgl. Kennedy, Das Ende des Shareholder-Value, S. 87, 190. 260 Kennedy, Das Ende des Shareholder-Value, S. 208. 261 Brink, Ethisches Management, S. 53, 69. 262 Zu diesen Voraussetzungen beim Shareholder Value-Konzept Brink, Ethisches Management, S. 53, 70. 263 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 444 f., unter Nennung des bekannten Zitats eines anonymen Aktionärs: „What are you doing with my money? I didn’t invest in your company for philanthropic, humanitarian, or social objectives. I invested for profits. I’ll make my own decision about other uses of my money“. 264 Vgl. Kennedy, Das Ende des Shareholder-Value, S. 67, 192, 207, der eine langfristige und nachhaltige Wohlstandssteigerung daher als Alternative zum Shareholder Value-Gedanken darstellt. 265 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 444; Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15, 19.

C. Legitimation anhand wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze

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4. Zwischenergebnis Die Erkenntnismethode, die Wirklichkeit anhand von Modellen abzubilden, dürfte die Insuffizienzen des Paradigmas „Gewinnprinzip“ lange verschleiert haben.266 Zwar wird es durch die Shareholder Value-Konzeption weiter gestützt. Die momentanen Entwicklungen im Wirtschafts(wissenschafts)bereich führen aber zu einer zunehmenden Instabilität. Die (neo-)liberalen und (neo-)klassischen Ideen befinden sich nicht nur auf dem Wirtschafts- und Finanzsektor in einer Krise, sondern in den verschiedensten Lebensbereichen, die die Gestalt einer Legitimationskrise annimmt. Eine Teilhabe des Rechts an dem – nunmehr instabilen – Paradigma kommt daher in heutigen Tagen noch weniger in Frage als in vergangenen.

V. Ergebnis Die herausgearbeitete monistische strafrechtliche Konzeption ergibt sich somit nicht zwingend aus der wirtschaftswissenschaftlichen Umwelt.

266 Vgl. Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 11 ff.: „Das betrifft [. . .] die zunehmende Irrelevanz all jener modellmäßigen Überlegungen zur Optimierung des betrieblichen Personen- oder Mitteleinsatzes, die entweder zu falschen Lösungen realer Probleme oder zu ,richtigen‘ Lösungen falsch gestellter Probleme, d. h. zu praktisch nicht verwendbaren Lösungen kommen.“

Kapitel 4

Ergebnisse der Untersuchung – Teil I Aus der bisherigen Untersuchung ergeben sich u. a. folgende „Teilerkenntnisse“: Die Interessengenese einer Aktiengesellschaft als juristischer Person ist vielschichtig. Man hat es bei der Konstellation „Untreue gegenüber einer Gesellschaft“ nicht mit einem Interessenträger zu tun, dem man „natürliche“ Interessen zuschreiben kann. Die Frage der Interessengenese bei der juristischen Person muss daher als Frage der Kompetenzabgrenzung angesehen werden. Diese Sichtweise ist als Erklärungsmodell einer (negativ gerichteten) Betrachtung der Interessengenese als Beschränkung der Dispositionsmacht überlegen: Anders als diese kann die Untreuekonzeption nicht vorschnell mit dem Verweis auf eine Rechtsgutvertauschung widerlegt werden. Die Kompetenzabgrenzung betraf einerseits Vorstand, Hauptversammlung und Gesetzgeber als interessengenerierende Instanzen, andererseits das Verhältnis von Straf- und Gesellschaftsrecht und Recht und Rechtsprechung. Der Interessebegriff wurde in der Untreuekonzeption so zum entscheidenden Punkt, an dem die Gesellschaftsrechtsakzessorietät plastisch wird; ein Einverständnis „beseitigt“ die Pflichtwidrigkeit deshalb, weil auf diese Weise das Interesse definiert wird. Streng genommen bedürfte es der Technik eines „Einverständnisses“ nicht mehr, wenn man das generierte „Interesse“ ernst nimmt und die Pflichtverletzung damit koppelt. Konnte das Erklärungsmodell zwar einer Rechtsgutvertauschung durch Verweis auf die Eigenständigkeit der juristischen Person zunächst entgegentreten, so blieben dennoch Fragen offen: Diese betrafen insbesondere die Herkunft der Annahme eines Interesses an einer Nicht-Schädigung sowie einer Bestandserhaltung der Gesellschaft und einer monistischen Ausrichtung der Pflichtenstellung des Vorstands. Im Folgenden wurde versucht, Anknüpfungspunkte für diese Interessenbestandteile sowohl im gesellschafts- und strafrechtlichen als auch im wirtschaftlichen Umfeld der Gesellschaft zu finden. Das Ergebnis war ernüchternd: Ein Anknüpfungspunkt konnte lediglich für ein Interesse an einer Bestandserhaltung gefunden werden; für den Bereich der monistischen Ausrichtung, dessen augenscheinlichste Ausprägung das Schädigungsverbot ist, erwiesen sich das Strafrecht und das Wirtschaftssystem als nicht legitimationsfähig. Das Gesell-

Kap. 4: Ergebnisse der Untersuchung – Teil I

343

schaftsrecht ist insofern neutral bzw. relativiert sich mit dem jeweiligen Verständnis. Für die Pflichtenstellung des Vorstands bedeutet dies, dass es bezüglich der Interessengenese verschiedene Anknüpfungspunkte gibt, namentlich Satzung, Beschluss, Gesetz und Bestandsschutz.1 Eine Pflicht zur monistischen Wahrnehmung des Interesses – insbesondere auch einer „Nicht-Schädigung“ – kann hingegen nicht verankert werden. Satzung, Beschluss (ggf. in Form eines Einverständnisses)

Gesetz

Schädigungsverbot

ungefährdeter Bestand

Anknüpfungspunkt Ziel/Zweck

(+)

(+)

(–)

(+)

Ausrichtung: monistisch

(+/–)

(+/–)

(+/–)

(+/–)

Das Vorstandsermessen ist nicht Ausdruck begrenzter richterlicher Überprüfbarkeit: Dem Vorstand ist durch das Gesetz kein Zielpunkt vorgegeben, sodass das Gericht die Einhaltung eines solchen auch nicht überprüfen kann und erst recht keinen eigenen formulieren kann. Das Aktienrecht begnügt sich damit, das Zusammenwirken verschiedener Organe zu regeln und Verfahren zur Selbstregulierung vorzusehen, statt materielle Vorgaben zu machen. Insgesamt ist eine Divergenz zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht zutage getreten: 1. Das Strafrecht beschränkt das Ermessen auf eine Mittelwahl zur Erreichung eines bestimmten Zwecks: Schädigungsverbot und Maximierung des Gewinns/Shareholder Value. Nach dem Gesellschaftsrecht muss dem Vorstand hingegen auch ein Ermessen bezüglich der Zielvorgabe zugestanden werden (Rentabilität bis hin zur Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value). 2. Während das Strafrecht den Schaden betont, legt das Gesellschaftsrecht den Schwerpunkt auf die Pflichtverletzung. So ist im Strafrecht die Tendenz zu beobachten, aus einem Vermögensnachteil die Pflichtverletzung abzuleiten, während im Gesellschaftsrecht der entgegengesetzte Weg eingeschlagen wird: Indem der Schadensbegriff mit einer Zweckkomponente versehen wird, be1 Inwieweit die Instrumente, die unter den Sammelbezeichnungen „Codes“ und „Richtlinien“ geführt werden, die Interessengenese beeinflussen, kommt auf die Form ihres Zustandekommens an.

344

Kap. 4: Ergebnisse der Untersuchung – Teil I

stimmen die Aspekte, die zu einer Pflichtwidrigkeit führen, auch den Schaden.2 Dieser zweckgeleitete Schadensbegriff spiegelt sich nicht zuletzt in § 93 Abs. 3 AktG wider: Hier sind die Tatbestandsmerkmale genannt (und insofern gibt es etwa bei Verletzung der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätze eine Entsprechung im Strafrecht), bei denen die Verwendung per se nicht im Interesse der Gesellschaft steht. 3. Das Strafrecht legt bei der Interessengenese eine andere Kompetenzordnung als das Aktienrecht zugrunde, betont insbesondere die Gesellschafter(-versammlung) über und legt eine individualistischere Sicht auf die Aktiengesellschaft zugrunde als das Gesellschaftsrecht. 4. Während das Strafrecht die Beurteilung des Unternehmensinteresses der Entscheidung, ob überhaupt ein Entscheidungsspielraum gegeben ist, vorlagert,3 wird im Gesellschaftsrecht das Unternehmensinteresse innerhalb des Entscheidungsspielraums geprüft. Was bleibt, sind Ursachenforschung und Erklärungsansätze: Der Vorstand wird als fremdnütziger Verwalter fremden Vermögens bzw. Treuhänder behandelt. Dieses sog. „Treuhandmodell“ stammt aus dem Gesellschaftsrecht und erinnert stark an die strafrechtliche Konzeption.4 Noch mehr Ähnlichkeit mit dem Strafrecht ist zu verzeichnen, zieht man die Begründung hinzu: Die besondere organschaftliche Vertrauens- und Treuebindung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft resultiere aus der herausgehobenen Rechtsstellung eines Vorstandsmitglieds und den ihm zugeordneten Geschäftsführungsund Vertretungsbefugnissen und der mit diesen Handlungsmöglichkeiten zusammenhängenden Risikoexposition der AG.5 2 So etwa KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 23: „Nicht jede Vermögensminderung ist ein Vermögensschaden; dieser ist vielmehr als eine den Zwecken des Vermögenssubjekts nicht entsprechende Vermögensminderung zu verstehen. [. . .] auch Aufwand für soziale, politische und kulturelle Zwecke ist kein Vermögensschaden, soweit er sich im Rahmen des pflichtgemäßen Leitungsermessens bewegt. [. . .] Insofern kann es von der Aktualisierung der Unternehmensziele der Gesellschaft durch die Verwaltung abhängen, ob eine Ausgabe der Gesellschaft als Vermögensschaden zu qualifizieren ist oder nicht. Im Rahmen ihres Ermessensbereichs [. . .] hat die Verwaltung einen auch schadensrechtlich zu respektierenden Spielraum. Erst wenn und soweit die Zweckverfolgung – sei es nach Art des Zwecks, sei es nach dem Umfang der dafür eingesetzten Mittel – pflichtwidrig ist oder wenn es an der gebotenen Optimierung des Mitteleinsatzes für den erstrebten Zweck fehlt, ist ein Vermögensschaden gegeben“; ablehnend HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rn. 22. 3 BGH NJW 2006, 522 ff., nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331– Mannesmann. 4 Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4; Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 155, der auf die starken Friktionen mit dem „Unternehmensinteresse“ und der Selbständigkeit des Vorstands hinweist; von einer Treuhandfunktion spricht auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 298; ebenso Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 228. 5 Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rn. 7.

Kap. 4: Ergebnisse der Untersuchung – Teil I

345

Das US-amerikanische Äquivalent ist das Modell des „trust“, nach dem die „directors“ einer weitgehend verschuldensunabhängigen, fast schon Garantiehaftung unterlagen, das aber insbesondere mit dem Instrument der BJR (längst) als überwunden gilt.6

Das Treuhandmodell dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass die Treuepflichten des Vorstands anhand eines Auftragsverhältnisses entwickelt wurden:7 Die Ausgestaltung der Geschäftsführerstellung wurde derart an das Auftragsverhältnis im BGB angelehnt, dass zu berücksichtigende Interessen ausschließlich die der Aktionäre waren.8 So hafteten die Vorstandsmitglieder nach Art. 241 Abs. 2 ADHGB 1870, wenn sie „ausser den Grenzen ihres Auftrages“ handelten, und den Aktionären kam die Leitungsbefugnis zu (Art. 224 ADHGB 1870). Das Auftragsverhältnis war und ist insbesondere auf Vermögenserhaltung abgestimmt, die einen Entscheidungsspielraum des Vorstands vernachlässigt.9 Das führt zu der naheliegenden Vermutung, dass die Begriffe der „Treuhand“ und des „Auftragsverhältnisses“ monistische Ideen gefördert haben und im Strafrecht zu einer verengten Sichtweise führten. Die Pflicht der Vorteilswahrung und Nachteilsabwendung erhält in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion eine andere Prägung als in der strafrechtlichen, bezieht man die Schadensbestimmung mit ein: Ist ein „Nachteil“ von der Zwecksetzung durch die Gesellschaft abhängig10 – wem auch immer die Zuständigkeit zukommen mag – so werden Aspekte eingebracht, die dem Bereich der Pflichtwidrigkeit zuzuordnen sind, im Strafrecht aber aufgrund des objektivierten Schadensbegriffs unter den Tisch fallen.

Das allgemeine Schädigungsverbot könnte Ausprägung der aktienrechtlichen Beweislastumkehrung des § 93 Abs. 2 AktG sein: Bei Vorliegen eines Schadens wird ein pflichtwidriges Handeln des Vorstands vermutet. Dass eine Beweislastumkehr keine materielle Wertung beinhaltet und nicht in das von der Unschuldsvermutung dominierte Strafrecht transferiert werden darf, bedarf keiner weiteren Ausführung. Das Schädigungsverbot dürfte auch von einer neoklassischen Wirtschaftsvorstellung transportiert worden sein,11 dessen legitimierendes „Wohlfahrtsprinzip“, gekoppelt mit einer Nutzenmaximierung durch die Akteure, zwar an Bedeutung eingebüßt hat, als Paradigma innerhalb des wirtschaftswissenschaftlichen Modells aber am Leben erhalten wird (und vielleicht sogar durch die monistische 6

Keßler FS Baumann, 1999, S. 153, 155 164 f. Vgl. Hopt FS Mestmäcker 1996, S. 909, 921. 8 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 24. 9 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 94 f. 10 Vgl. etwa KK-Mertens, AktG, § 93 Rn. 23. 11 Zu diesem Zusammenhang zwischen gesellschaftsrechtlich monistischer Anschauung und Erkenntnissen der Wirtschaftswissenschaften auch Kessler, AG 1993, 252 ff. 7

346

Kap. 4: Ergebnisse der Untersuchung – Teil I

strafrechtliche Konzeption gestärkt wird). Auch eine asymmetrische Beschreibung des Unternehmens unter Überbetonung der Anteilseigner kann Ursache eines unausgeglichenen Zielsystems sein.12 Aus systemtheoretischer Sicht lässt sich darauf aufbauend das monistische Prinzip und das Schädigungsverbot als Überbetonung der Beziehung des Teilsystems Unternehmen zum Teilsystem Wirtschaft („Leistung“) gegenüber der Beziehung des Teilsystems Unternehmen zum Gesamtsystem Gesellschaft („Funktion“) bezeichnen.13 Demgegenüber hat sich das Strafrecht weniger als das Gesellschaftsrecht mit weiterführenden wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen – etwa der Entscheidungstheorie – geöffnet. Dies ist wenig erstaunlich: Im Gesellschaftsrecht wird mangels eines ähnlich strengen Gesetzlichkeits- und Bestimmtheitsgebotes (Art. 103 Abs. 2 GG) ein derartiger Transfer nicht mit ähnlicher Besorgnis gesehen wird wie im Strafrecht. Dass insgesamt bis zum ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH und bis zur Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG n. F. der Entscheidungsspielraum des Vorstands generell unterbewertet wurde, dürfte auch auf den Einfluss des neoklassischen Marktmodells zurückzuführen sein, das bei vollkommener Konkurrenz und bei daraus resultierender Machtlosigkeit des einzelnen Unternehmens einen Handlungsspielraum negierte.14 Noch näher dürfte aber eine originär strafrechtliche Erklärung liegen: Der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt wird überbetont. Dass nur vermögensmäßig erfassbare Umstände berücksichtigungsfähig sind, wird nicht nur im Rahmen des Schadens virulent, sondern auch in die Pflichtverletzung projiziert. Da dies zu einer Verengung des Entscheidungsspielraums des Vorstands in strafrechtlicher Hinsicht führt, kann es nicht Ausdruck negativer Zivilrechtsakzessorietät sein. Durchaus kann es zudem zu unzulässigen bzw. zu markante Unterschiede verwischenden Transfers gekommen sein: Zum einen könnte das natürliche Interesse an einer Nichtschädigung auf die juristische Person unter Vernachlässigung ihres Charakters als rechtliche Schöpfung übertragen worden sein; dies ginge einher mit der Überbetonung der Gesellschafter (als natürliche Personen) unter Vernachlässigung der Ebene der juristischen Person. Dass das „Unternehmensinteresse“ auf die typischen Interessen der Gesellschafter zusammengekürzt wurde, obwohl die herrschende Meinung im Gesellschaftsrecht eine pluralistische Interpretation favorisiert, könnte auf ein falsch verstandenes Verbot der Rechtsgutvertauschung zurückzuführen sein: Arbeitnehmer-, Gläubigerinteressen und Interes-

12

Dazu bereits Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 33. Vgl. dazu Teubner, ZGR 1983, 34, 52 ff. 14 Vgl. zum Zusammenhang von vollkommener Konkurrenz und fehlendem Entscheidungsspielraum Steinmann/Schreyögg, Management, S. 99. 13

Kap. 4: Ergebnisse der Untersuchung – Teil I

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sen der Allgemeinheit seien im Rahmen des Untreuetatbestandes nicht berücksichtigungsfähig.15 Zum anderen könnte aber auch die – wesentlich breiter und besser erforschte – Untreue-Konzeption gegenüber der GmbH auf die Aktiengesellschaft übertragen worden sein. Nicht selten erschöpft sich beispielsweise die Erörterung der Grenzen eines Einverständnisses in einem relativ kurzen Verweis auf die Rechtslage bei der GmbH.16 Ohne in die Tiefen der rechtlichen Eigenheiten der GmbH einzutauchen, ist doch ein Umstand unstreitig: Der Geschäftsführer ist wesentlich enger an die Interessen der Gesellschafter gebunden als der Vorstand. Allein dieser Umstand verdeutlicht, dass eine Interessengenese als Kompetenzabgrenzungsfrage bei den unterschiedlichen Rechtsformen nicht lediglich eine Marginalie ist. Sowohl das monistische Prinzip als auch das Schädigungsverbot als deutlichste Ausprägung werden vom Strafrecht mithin in die Untreuekonzeption hineingetragen, ohne dass sie sich auf dahingehende Anknüpfungspunkte berufen könnten.

15

Vgl. dazu schon oben, Kapitel 1 B. I. 1. BGH NJW 2006, 522, 525, nur teilweise abgedruckt in BGHSt 50, 331 – Mannesmann; ebenfalls auf die Parallelität bei GmbH und AG hinweisend ehemals Fischer, StGB, 58. Aufl., § 266 Rn. 54 (nunmehr aufgegeben: Fischer, StGB, § 266 Rn. 102); MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 140; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 21c; vgl. auch Fleischer-Spindler, Handbuch des Vorstandsrechts, § 15 Rn. 18. 16

Kapitel 5

Vorschlag einer alternativen Konzeption Die bisherige Untreuekonzeption ist – wie dargestellt – wenig befriedigend. Es soll nunmehr auf der Grundlage des bisher Erarbeiteten versucht werden, eine konsistentere, alternative Konzeption zu erarbeiten, die insbesondere berücksichtigen sollte, dass Interessen rechtlicher Konstrukte nicht im „luftleeren Raum“ entstehen können und Kompetenzverschiebungen bei der Interessengenese einen Verstoß gegen die negative Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts begründen können.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands gegenüber dem Unternehmen Es erscheint adäquat, die Pflichtenstellung des Vorstands in dem Passus „Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen“ zusammenzufassen.1 1 Auf diese Weise, soweit ersichtlich, noch nicht thematisiert (lediglich MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 108, ist für eine Vermögensbetreuungspflicht des Unternehmenssanierers gegenüber dem Unternehmen, wobei der Begriff „Unternehmen“ lediglich aus sprachlicher Parallelität zum Treunehmer gewählt worden sein dürfte); abgelehnt wird zumeist nur eine Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands gegenüber den Gläubigern (vgl. dazu oben, Kapitel 1 B. I. 1.) und eine solche des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern, etwa LK-Hübner, 10. Aufl., § 266 Rn. 40; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 64; NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 57; Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 26; Kohlmann FS Werner, 1984, S. 387, 398; Schramm, Untreue und Konsens, S. 115 f., 123; a. A. Ewald, Verbundene Unternehmen, S. 238, nach dem das Rechtsgut Gesellschaftsvermögen neben den Interessen der Anteilseigner auch die rechtlich geschützten Interessen der Gläubiger und Arbeitnehmer der Gesellschaft umfasse; dass durchaus auch Arbeitnehmerinteressen in die Verhaltensmaxime von Aufsichtsräten einfließen können, hat jüngst Bernsmann, GA 2007, 219 ff., hergeleitet: Das Unternehmensinteresse ziele nicht nur auf die Interessen der Anteilseigner, sondern – zumindest in mitbestimmten Gesellschaften – auch auf die der Arbeitnehmer. Daraus ergebe sich eine ggf. sogar paritätische Verpflichtung auf Arbeitnehmerinteressen; Bernsmann, GA 2009, 1, 4, spricht von die Eigentümerinteressen relativierenden Belangen der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit; auch in der Kommentierung Hachenburg-Kohlmann, GmbHG, 7. Aufl., Vor § 82 Rn. 7, findet sich ein Verweis auf Interessen der Gesellschafter, der Gläubiger und der Arbeitnehmer; diese Ansicht hält Kohlmann FS Werner, 1984, S. 387, 396, nicht aufrecht; nach Flum, Schutz der GmbH, S. 86, lässt sich die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber Arbeitnehmern oder Gläubiger treffe, „unschwer verneinen“; auch Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse, S. 236, 261 ff., kommt nur zu einem „mittelbaren“ Schutz der Arbeitnehmer. Im Hinblick auf Gläubigerinteressen findet eine Auseinandersetzung

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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Die Konsistenz einer derartigen Konzeption gilt es im Folgenden zu überprüfen. Schlüssel zu einem neuen Verständnis ist zum einen das „Unternehmen“, zum anderen dessen „Interesse“ 2.

I. Rechtlicher Komplexitätsfilter I: Interessen des Unternehmens und Interesseverletzung Eine Pflicht des Vorstands, monistisch zu agieren, gibt es – wie sich aus den vorstehenden Erörterungen ergibt – nicht. Dementsprechend soll die Verwendung des „Unternehmensbegriffs“ auch ein pluralistisches Verständnis transportieren. Pluralistisch bedeutet dabei kein generelles Verbot des Vorstands, typisch monistische Ziele zu verfolgen, wie etwa eine Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value. Im Gegenzug zu einer fehlenden Verpflichtung des Vorstands, monistisch zu agieren, mangelt es auch an einem „monistischen“ Interesse des – sofern sich dieser Bezugspunkt als operabel herausstellen sollte – Unternehmens an einer monistisch agierenden Leitung. Es bedarf mithin anderer Bezugspunkte des Interessegehalts. Im Folgenden ist das „Unternehmen“ zu untersuchen, das in seinem Sinngehalt offen ist für verschiedenste Zugänge;3 es kann sowohl einer Interpretation als soziale Erscheinung als auch als ökonomischer Faktor und rechtliche Schöpfung zugänglich gemacht werden. 1. Das Unternehmen als soziale Realität Die Abbildung von realen gesellschaftlichen Strukturen ist ureigene Aufgabe der Soziologie. In der Diskussion um Mitbestimmung und Unternehmensverfassung wurden immer wieder rechtssoziologische Erkenntnisse herangezogen, so insbesondere zur Klärung des Verhaltens von Klein- und Gelegenheitsaktionären, deren begrenzten Interessen4 und der Machtverteilung von und in Großunternehmen.5 über den § 81a GmbHG a. F. statt, vgl. etwa Schönke/Schröder-Lenckner, StGB, 21. Aufl., § 266 Rn. 21. 2 Die Bedeutung des Interessebegriffs für die Untreuestrafbarkeit wurde bereits oben, Kapitel 1 A. II., hervorgehoben. 3 Einen wesentlich restriktiveren Ansatz wählt Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse. Deutlich wird dies etwa auf S. 207 ff., wo die Bezugnahme auf die Gesellschaft als Treugeberin die weiteren Ergebnisse determiniert. 4 Vgl. z. B. Ballerstedt, Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des 39. Deutschen Juristentags 1955, Teil I, S. 13, 20 f. 5 Dass das Recht das Unternehmen als Gebilde der Wirklichkeit vorfindet, räumt auch Gieseke FS Heymann, Band II, 1940, S. 112, 118 ff., ein, der eine Übernahme der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zwar diskutiert, letztendlich aber ablehnt.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Raiser hat wohl am eindrücklichsten bei der Erforschung des Unternehmens einen interdisziplinären Weg gewählt, indem er das Recht an Strukturen ausrichten wollte, die er soziologisch ergründete.6 Er stützte sich dabei insbesondere auf Ergebnisse der Organisationssoziologie. Nach Raiser hat das Recht die Aufgabe, „vorgefundene Realität und normative Elemente miteinander zu verknüpfen“ 7, und der „Jurist als Sozialwissenschaftler“ habe zur sozialen Wirklichkeit vorzustoßen.8 Hierbei habe die Rechtswissenschaft der Sozialwissenschaft den Vortritt zu lassen, da letztere als empirische Wissenschaft zur Abbildung der sozialen Wirklichkeit berufen sei.9 Die Brücke von der Organisationssoziologie zum Recht schlägt Raiser, indem er Recht, das den empirisch fassbaren Grundstrukturen der Organisation zuwiderläuft, als „falsch“ bezeichnet.10 Im Übrigen weist er darauf hin, dass auch im Handels- und Gesellschaftsrecht Anleihen bei der Soziologie gemacht werden, wenn der Begriff der „Organisation“ in einem tatsächlichen Sinne für die Beschreibung des Unternehmens gebraucht wird11 und man anführt, die Organisation sei Teil der „ontologisch vorgegebene[n] Ordnung“ der menschlichen Sozialbeziehungen.12 Soziologische Anleihen finden sich in ähnlicher Weise in weiten Teilen der Unternehmensdiskussion;13 einen besonderen Bezug zur Wirklichkeit bzw. den 6

Scharf kritisiert von Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 157. Raiser, ZHR 144 (1980), 219. 8 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 11. 9 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 96. 10 Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 99. 11 So beispielsweise von Pisko, Oppikofer, Schönfeld, Schultze-v. Lasaulx, vgl. Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 95. 12 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 200. 13 Auch die Studienkommission wählte die Realität des Unternehmensverbandes zum Ausgangspunkt rechtlicher Regelungen. Dieser Ansatz wurde in der Folgezeit zwar aufgegriffen, insbesondere zur Ausweitung der Mitbestimmung, aber – wie Raiser, Unternehmen als Organisation, S. 10, treffend feststellt – meist rechtspolitisch und weniger rechtsdogmatisch, was zu einer gewissen Vernachlässigung der Festigung dieses Fundaments führte. Dennoch befruchtete der Gedanke eines soziologisch begründeten „Sozialverbands“ die folgende Diskussion, sodass das Unternehmen nicht länger als reine Vermögensgemeinschaft gedeutet wird. Auch Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 55, wählt einen fächerübergreifenden Ansatz. Er belegt die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise mit dem „Doppelstatus“ des Unternehmensinteressebegriffs: Die Genese der Begriffsverwendung zeige, dass eine eindeutige Zuordnung zur Ebene rechtlich dogmatischer Sätze einerseits oder der realen, sozio-ökonomischen Deskription und Analyse andererseits nicht möglich sei. Auf der einen Seite besitze die Maxime des Unternehmensinteresses rechtliche Relevanz, auf der anderen Seite würden mit dem Begriff die realen Interessen- und Zielstrukturen der Unternehmen bezeichnet. Indem er das Unternehmensinteresse als Verhaltensmaxime beschreibt, deren normative Grundlage auf die realen Strukturen der tatsächlich im Unternehmen existierenden Interessen abgestimmt sein müsse, rechtfertigt er eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Unternehmensinteressebegriff (Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 70). Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 548, merkt an, Organisationssoziologie und Organisa7

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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gesteigerten Versuch, die Wirklichkeit besser abzubilden, weist die Diskussion um das „Unternehmen an sich“ auf.14 Tatsächlich war die Blütezeit des „Unternehmens an sich“ durch eine Gesetzeslage gekennzeichnet, die ihren „Wirklichkeitswert“ zu verlieren drohte,15 und nicht umsonst lässt sich ein zeitliches Überschneiden mit der sog. „wirtschaftsrechtlichen Methode“ 16 feststellen. Aber: Kann man soziologische Erkenntnisse in das Recht übertragen? Selbst der Untreuetatbestand wird dann einer deskriptiven Komponente zugänglich gemacht, wenn angenommen wird, eine Vermögensbetreuungspflicht hätte in der Ausübung von Macht, die parallel auch im Rahmen des Unternehmens diskutiert wird,17 ihren tieferen Grund: So stellte insbesondere Binding fest, dass Charakteristikum der Untreue die Verletzung des Vermögens von innen heraus ist.18 tionswissenschaft könnten herangezogen werden, um Beiträge zu liefern. Auch im Gutachten des Deutschen Anwaltvereins zu den Fragebögen des Reichsjustizministeriums (Druckschriften des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 22, S. 16), die auch in den ersten Entwurf des Aktiengesetzes einflossen, ist von dem Unternehmen als selbständigem Rechtsgut mit der Funktion als sozialem Organismus die Rede. Fechner, Treubindungen, S. 67, beschreibt das Verhältnis von Unternehmenswirklichkeit und Unternehmensrecht als zwei sich wechselseitig beeinflussende Einheiten: Das Unternehmen erzeuge als sozialer Organismus eine Ordnung, die die positivrechtliche Regelung unterbaut. Diese lebendige und gewachsene Ordnung werde wiederum in positives Recht überführt usw.; ebenfalls von „lebendem Organismus der Aktiengesellschaft“ spricht Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 47. 14 So ist beispielsweise für Albach, Die Bedeutung gesellschaftlicher Veränderungen, S. 747, das „,Unternehmen an sich‘ [. . .] soziale Realität“; nach Landsberger, ZBH 1932, 79, 86, will die Theorie vom „Unternehmen an sich“ Wirtschaftsdynamik in Rechtsdynamik umformen. Er betont die Zweiteilung seiner Theorie, wenn er aufzeigt, am Anfang hätte die Herausarbeitung der Wirtschaftstatbestands durch die Lehre vom „Unternehmen an sich“ zu stehen und erst in einem zweiten Schritt sei dann aus dieser Wirtschaftsauslegung das neue rechtliche Postulat zu folgern (Landsberger, ZBH 1932, 79, 80). 15 Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 49. 16 Die „wirtschaftsrechtliche Methode“ sollte als Rechtstatsachenforschung die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen des Handels- und Gesellschaftsrecht beleuchten und war insbesondere geprägt durch Karl Geiler, Gruchots Beiträge, Bd. 68 (1927), S. 593, 595 f., der betont: „Sie (die Rechtswissenschaft) muß das zeitliche Recht erfassen als eine Stufe eines in stetem Fluß befindlichen lebendigen sozialen Werdeprozesses. Sie muß sich insbesondere darüber klar sein, daß gerade das jeweilige Privatrecht als die Ordnung der privaten Beziehungen der Staatsbürger zueinander stets den Geist der jeweiligen sozialen und wirtschaftlichen Seinslage darstellt, und erst aus diesem Geist heraus seinen vollen Inhalt erhält“; für Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 50, bedeutet die Arbeit Geilers eine Öffnung der Aktiengesellschaft für die wirtschaftliche und sozialen Entwicklungstendenzen, damals der Weimarer Republik. 17 Vgl. etwa oben, Kapitel C. III. 1. n). 18 Binding, Lehrbuch des Strafrechts, Besonderer Teil I, S. 397; so auch MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 2; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 358; vgl. dazu auch BVerfGE 126, 170, 201; auch auf das Machtelement abstellend Saliger, HRRS 2006, 10, 17; auch Sax, JZ 1977, 663, 666, stellt die Bedeutung der Macht für den Untreuetatbestand heraus.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Dem schließt sich Schünemann an, der die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, als Garantenstellung auffasst, die aus der tatsächlichen Ausübung fremdnützig anvertrauter Herrschaft über das Vermögen eines anderen herrührt. Dementsprechend kann er die häufig verwendeten Kriterien der Selbständigkeit und des Entscheidungsspielraums in der Herrschaftsposition auflösen.19 Herrschaft sei dabei die Abwesenheit von Kontrolle.20 Versteht man mit Max Weber Macht als die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen,21 oder folgt man Seraphim, der auf das Kriterium des „Durchsetzens“ verzichtet, und wirtschaftliche Macht als das mit spezifisch ökonomischen Mitteln realisierbare Bestreben, andere zur Befolgung des eigenen Willens zu veranlassen, definiert,22 so scheinen auf diese Weise tatsächliche Verhältnisse Einfluss auf den Straftatbestand der Untreue erlangen zu können. Bereits im strafrechtlichen Bereich kann die rein tatsächliche Stellung häufig nicht durchgehend entscheidend sein: Versteht man rechtliche Normen auch in ihrer Dimension rechtlich garantierter Freiheit, so müsste die Möglichkeit der Machtausübung an sich mit einer rechtlich gestärkten Stellung des Gegenübers abnehmen – wird diese Stellung doch aus dem Grunde der Übermacht rechtlich gestärkt. Dann ginge die rechtlich gefestigte Stellung des Treugebers mit einer Abnahme der Vermögensbetreuungspflicht einher. Diese Folgerung wäre offensichtlich widersprüchlich, sodass etwa Schünemann auf ein Nebeneinander der Vermögensbetreuungspflichten erzeugenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zurückgreift.23 Betrachtet man zudem diejenigen Beiträge, die sich für eine Heranziehung soziologischer Erkenntnisse aussprechen, genauer, so wird deutlich, dass – entgegen mancher Kritiker – die auf soziologischer, meist empirischer Basis gewonnenen Erkenntnisse nie direkt in das Recht transferiert werden sollen. Vielmehr 19 LK-Schünemann, § 266 Rn. 57 ff., 83, der zudem als „Paradebeispiel“ für die Selbständigkeit gerade den Geschäftsführer von Unternehmen nennt. 20 LK-Schünemann, § 266 Rn. 85 f. 21 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Kapital 1, § 16. 22 Seraphim, Theorie der Allgemeinen Volkswirtschaftspolitik, S. 71 ff.; ähnlich insofern Krüger FS Potthoff, 1989, S. 119, 121, nach dem Macht als ein Steuerungsmedium der Unternehmungsprozesse und als Möglichkeit, Einfluss auf Handlungsfelder von Personen, Gruppen oder Institutionen auszuüben, zu begreifen sein soll. Steinmann, Großunternehmen, S. 157, definiert Macht als die Möglichkeit, wirtschaftliche Prozesse im Sinne eigener Zielsetzungen zu beeinflussen. Vogt, Sozialverband, S. 71, 76, geht davon aus, dass Herrschaft, verstanden als eine „institutionalisierte, dauerhafte und auf Befehlsbereiche abgestimmte Macht“, in jeder Organisation und daher auch in einem Unternehmen ausgeübt wird. Als Quellen der Macht kämen Besitz, Arbeit, technisches, organisatorisches Wissen oder Ähnliches in Betracht. Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4, 9, verstehen Macht als Fähigkeit, gesellschaftlich verbindliche Entscheidungen zu treffen. 23 LK-Schünemann, § 266 Rn. 60 ff.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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findet eine strikte Trennung statt, die sich insbesondere in der sprachlichen Verwendung von Begriffspaaren wie „Form und Stoff“ oder „Sein und Sollen“ niederschlägt: Bei der Bestimmung einer „aktienrechtlichen Theorie“ unterscheidet etwa Netter zwei methodische Typen, den konstruktiven und den gestaltenden Typus.24 Beide Typen enthalten zwar ebenso konstruktive wie gestaltende Elemente, differieren jedoch hinsichtlich ihres Schwerpunkts und ihrer Bestimmung von „Stoff“ und „Begriff“. Netter favorisiert den gestaltenden Typus, der sich des „materialen Lebens“ als Stoff bediene, während die begriffliche Formung nur Mittel zum Zweck sei.25 Es könne „eine nur im Wege der begrifflichen Formulierung gewonnene Einsicht nicht zur Erkenntnis führen [. . .]. Dieser Weg geht nur durch die Wirklichkeit und ihre Gestaltung“.26 Man müsse zunächst in das Leben der Gesellschaft, in die Form der Organisation eindringen, bevor man rechtliche Schlussfolgerungen ziehen könne;27 seien Wandlungen der Wirklichkeit des Rechtslebens erkennbar, so bedingten sie „Beachtung für die rechtliche Gestaltung“ 28. Auch nach Schilling bilden die tatsächlichen Gegebenheiten, die mittels sozialer Begriffe aus den Sozialwissenschaften vorgeformt sind, den Stoff, der durch das Recht seine Form erhalte.29 Klein prophezeit: „Es wird das Los der Aktiengesetzgebung, unaufhörlich um die Wahrheit der Form zu kämpfen.“ 30

Nach Julius von Gierke soll ein soziologisch gewonnener „Seinsbegriff“ in einen juristischen „Sollensbegriff“ transformiert werden; so sei für jedes Gesetz das Passende aus dem Unternehmensbegriff herausgeholt worden.31 Selbst wenn angenommen wird, das Unternehmen weise den Status einer realen Institution auf,32 und man versucht, die jeweilige Institution in ihrem konkreten Bedeutungszusammenhang zu erfassen und die rechtliche Ordnung auf ihr aufzubauen,33 so sind diese Ansichten doch immer weit von der Annahme entfernt, Institutionen würden die Rechtnormen schaffen und nicht umgekehrt.34 24

Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 512 ff. Für den konstruktiven Typus sei „Stoff“ das Gesetz. Der „Begriff“ sei Selbstzweck, der Stoff lediglich Mittel zum Zweck der begrifflichen Formung. Hier werde der Einfluss der Windscheid’schen Schule offenbar. Die konstruktive Betrachtungsweise leide daran, dass das Handelsgesetzbuch nicht einer geschlossenen, einheitlichen Auffassung entsprungen sei (Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 512). 26 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 518. 27 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 520. 28 Netter FS Pinner, 1932, S. 507, 528. 29 Vgl. Schilling FS Duden, 1972, 537, 542. 30 Klein, Entwicklungen in Verfassung und Recht der Aktiengesellschaft, S. 55. 31 Julius v. Gierke, ZHR 111 (1948) 1, 1f, 4. 32 Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, S. 8. 33 Larenz, Methodenlehre, S. 328. 34 So die Institutionentheorie von Hauriou, Theorie, S. 35 f., der die Institution anhand von drei Merkmalen definiert: 1. die Idee des in einer sozialen Gruppe zu schaf25

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Fachfremde Erkenntnisse können damit lediglich den Grundstock bilden, der der juristischen Ausformung bedarf.35 Dies gilt für das Gesellschaftsrecht und – in noch weiterem Maße – für das Strafrecht. 2. Das Unternehmen als ökonomischer Faktor und rechtliche Schöpfung Wie bereits oben ausführlich dargestellt wurde,36 ist die Erfassung des Unternehmens in beiden Ausformungen mit großen Unsicherheiten behaftet.37 Um Wiederholungen vorzubeugen, soll an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Es dürfte einsichtig geworden sein, dass das Unternehmen in seiner Ganzheit nur dann erfasst werden kann, wenn es sowohl als soziale Realität als auch als ökonomischer Faktor und rechtliche Schöpfung erfasst wird.38 Dementsprechend wäre es nur folgerichtig, wenn sich die Leitung des Vorstands im Sinne des § 76 AktG sowohl auf die rechtliche und wirtschaftliche als auch auf die soziale Organisations- und Wirkungseinheit beziehen würde.39 Um das Unternehmen und seine Interessen in all seinen – für diese Untersuchung relevanten – Facetten greifbar zu machen, soll versucht werden, das Unternehmen – genauer: das Aktienunternehmen – in seiner Dimension als komplexes System zu erfassen, das den verschiedenen Einflüssen ausgesetzt ist.

fenden Werks, 2. die im Dienst dieser Idee stehende Macht, um die Idee zu verwirklichen, 3. die Gemeinsamkeitsbekundungen, die innerhalb der sozialen Gruppe mit Bezug auf die Idee und ihre Verwirklichung erfolgen. 35 Akzentuiert Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie, S. 23: „Die Natur der Sache dient dazu, den schroffen Dualismus zwischen Wert und Wirklichkeit, zwischen Sollen und Sein in etwas zu entspannen, aber nicht, ihn aufzuheben. Auch gegenüber der Natur der Sache, die sich als Sinn der Gegebenheit auf der Seinsseite bewegt, hat die Idee des Rechts das letzte Wort zu sprechen. Die Natur der Sache tritt zwar der Idee des Rechts mit der Forderung sinnhafter Gestaltung des gegebenen Rechtsstoffes entgegen, jedoch gebührt die letzte Entscheidung der Rechtsidee.“ 36 s. o., Kapitel 2 C. III. 1. 37 Dies gilt i. Ü. auch für den Bereich der Wirtschaftswissenschaften, so stellen Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 11, fest, dass es keinen Konsens bezüglich einer Theorie der Unternehmung gibt. 38 Die sozialen und ökonomischen, gesamtwirtschaftlichen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge des Unternehmens hervorhebend auch v. Nell-Breuning, Streit um Mitbestimmung, S. 38 f.; vor einer zu einseitigen – in diesem Fall ökonomischen – Wahrnehmung und Bewertung des Unternehmens wurde i. Ü. auch in den Wirtschaftswissenschaften gewarnt, vgl. dazu etwa Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 235; Staehle, Management, S. 414; Steinmann/Schreyögg, Management, S. 136, 138. 39 So auch KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 6.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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3. Das Unternehmen als komplexes System Die Systemtheorie eignet sich in besonderem Maße dazu, die Interessengenese zu erfassen.40 Ihren Universalitätsanspruch leitet sie daraus ab, dass sehr heterogene Funktionsbereiche wie Wissenschaft, Recht, Wirtschaft usw. vergleichbare Strukturen aufweisen und Prinzipien existieren, die sich auf alle „Ganzheiten“ oder Systeme anwenden lassen.41 Diese „ganzheitliche“ Betrachtung beugt der Kriterienreduktion bei Betrachtung – und dies ist für die hiesige Untersuchung, die sich in weiten Teilen mit einem bestehenden „Vorverständnis“ konfrontiert sieht, von besonderer Bedeutung – des Systems vor. So ist es etwa im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich Verdienst der Systemtheorie, die Konzentration auf das Internum des Unternehmens aufgegeben42 und den Blick für verschiedene (beeinflussbare)43 Umsysteme geschärft zu haben.44 Nachteile, wie etwa die „Geschichtslosigkeit“ des analytischen Denkens, können eliminiert werden,45 und die Sprache, die die Systemtheorie bereitstellt, eignet sich zur Verdeutlichung der hier interessierenden Zusammenhänge. Das Denken in Systemen vermeidet zudem das Voraussetzen von Hierarchien zwischen einzelnen (Teil-) Systemen, wie etwa eine nicht hinterfragte Bevorzugung einzelner Anspruchsgruppen, insbesondere der Anteilseigner,46 oder die Isolation und Präferenz einer Umwelt, insbesondere der ökonomischen47.

40 Vgl. zum Einfluss der Systemtheorie Amelung FS Lüderssen, 2002, S. 7; insgesamt eher kritisch bez. der Systemtheorie hingegen Lüderssen FS Amelung, 2009, S. 67 ff.; Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 181 ff. 41 Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 12; für Luhmann, Soziale Systeme, S. 30, steht fest, dass Systeme real in der Wirklichkeit existieren; dies gilt unabhängig davon, dass er nicht ontologisch vorgeht, sondern Konstruktivist ist; vgl. insbesondere auch Hans Ulrich, Unternehmung als produktives und soziales System, S. 102. 42 Dazu, dass die Innenbeziehungen im Unternehmen stark überbetont wurden, vgl. Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 9. 43 Dazu, dass die Umwelt zunehmend nicht mehr als feststehendes Datum angesehen wird, insbesondere Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 12, 29 f.; bereits Cyert/ March, Theorie der Unternehmung, S. 161, sprechen davon, die Umwelt „kontrollierbar“ zu machen. 44 Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 19, 74. 45 Vgl. dazu v. Bülow, Systemgrenzen, S. 7 f.; die Geschichtslosigkeit der Ökonomie wird bekanntlich vor allem von Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 136 ff., 139, kritisiert, der den evolutionären und organischen Charakter der kapitalistischen Prozesse hervorhebt und moniert, Ökonomen „akzeptieren die Daten der momentanen Situation, als ob diese keine Vergangenheit oder Zukunft hätte, und glauben, sie hätten verstanden, was es zu verstehen gibt, wenn sie das Verhalten dieser Unternehmungen aus dem Prinzip des Strebens nach möglichst großen Profiten auf der Basis dieser Daten interpretieren“. 46 Deshalb liegt auch dem Stakeholderkonzept ein systemtheoretischer Ausgangspunkt zugrunde – vgl. Steinmann/Schreyögg, Management, S. 83. 47 Dazu insbesondere Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 156, der ein ökonomisches System fordert, das auch als politisch beeinflussbar behandelt wird.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Es soll daher nunmehr eine Erörterung des Aktienunternehmens und damit einhergehend, seiner Interessen unter systemtheoretischen Vorzeichen erfolgen. Das „Unternehmen“ wird durchgängig als soziales System anerkannt und den sog. „formalen Systemen“ zugeordnet.48 Insbesondere das St. Galler Management-Modell, das im Folgenden herangezogen werden soll, vereint systemtheoretische und kybernetische Elemente und Erkenntnisse und überträgt diese auf Wirtschaft und Unternehmen.49 Das Unternehmen wird als ein „produktives soziales System“ angesehen, wobei ein System „eine geordnete Gesamtheit von Elementen [ist], zwischen denen irgendwelche Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können“ 50. Bedeutsam für das Erfassen eines Systems sind insbesondere die Charakteristika der „Geschlossenheit“ und der „Offenheit“, die nun erörtert werden sollen. a) Geschlossenheit des Systems (Rechtlicher Komplexitätsfilter II) Als entscheidend für die Charakterisierung eines Unternehmens als System ist die „System/Umwelt-Differenz“.51 Da die Umwelt mit ihren unendlichen Sinnverweisungen zu komplex ist, um in all ihren Verknüpfungen vom System erfasst zu werden, geht die Differenzierung immer mit einem Komplexitätsgefälle einher: Die Welt ist stets komplexer als das System, das Komplexität reduziert und daher eine höhere Ordnung mit weniger Möglichkeiten aufweist.52 Bei einem Unternehmen wächst die Außenkomplexität mit der Zahl der Beziehungen zu Umweltelementen und deren Heterogenität. Die Wechselwirkungen in der Unternehmensumwelt und zwischen Unternehmen und Umwelt werden zunehmend undurchschaubar, sodass aufgrund der beschränkten Verknüpfungskapazitäten selektive Verknüpfungen gebildet werden müssen.53 48 v. Bülow, Systemgrenzen, S. 1; Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 114; Heijl/Stahl, Management und Wirklichkeit, S. 100; Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 71 ff.; Nischalke, Organisation wachsender Unternehmen, S. 26; Raiser, Rechtssoziologie, S. 121; Steinmann/Schreyögg, Management, S. 139 ff.; Willke, Systemtheorie I, S. 74, 157, 171; Theile, ZIS 2008, 406, 412. 49 Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 12. 50 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 105; nach Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, 214, ist die Unternehmung selbst wiederum aufgeteilt in Subsysteme, die möglichst selbsttätig funktionieren sollen. 51 Die Bedeutung dieses Prinzips hebt Luhmann, Soziale Systeme, S. 249, hervor, wenn er konstatiert, alle Entwicklungen zur Systemtheorie seien Variationen zum Thema „System und Umwelt“ – Umwelt sei einfach „alles andere“; erst die System/ Umwelt-Differenz ermöglicht i. Ü. auch die Evolution, indem die Umwelt stets anders variiert als das System – vgl. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 433; vgl. auch Wimmer, Management und Wirklichkeit, S. 265, 282; Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4, 24 f. 52 Luhmann, Zweckbegriff, S. 121. 53 Nischalke, Organisation wachsender Unternehmen, S. 49, 51.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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Die Abgrenzung erfolgt bei sozialen Systemen durch Kommunikation als Operation,54 die wiederum die Leitdifferenz von System und Umwelt in sich aufnimmt, und durch Sinnselektion.55 Kommunikation ist dabei eine Synthese aus drei Selektionen: Information (erst durch diesen selektiven Akt wird etwas zur Information gemacht), Mitteilung (Sinnreduktion oder Sinnvorschlag) und Verstehen; sie greift aus dem Verweisungshorizont, den sie selbst erst konstituiert, etwas heraus und lässt anderes beiseite.56 Das bedeutet zugleich, dass nur die Kommunikation kommuniziert, nicht der Mensch. Kommunikation ist als Operation des Systems immer sinngeleitet. Die Verweisung von „Aktualität“ auf „Potentialität“ ist konstitutiv für Sinn.57 Auf diese Weise kommt dem Sinn auch die Funktion zu, trotz der notwendigen Reduktion von Komplexität, die Verweisungszusammenhänge, die in der Komplexität angelegt sind, der Welt zugänglich zu halten, also ihrer Vernichtung entgegenzuwirken.58 Die System/Umwelt-Differenz ist auch entscheidend für das Beobachten, das in sozialen Systemen neben die Kommunikation tritt. „Beobachten“ bedeutet für Luhmann nämlich differenzieren und Unterscheidungen treffen.59 Die Abgrenzung von System und Umwelt wird zur Grundkategorie des Unterscheidens und damit des Beobachtens (Unterschied zwischen Selbst- und Fremdreferenz). Damit kommt die System/Umwelt-Differenz zweimal vor: Einmal als durch das System produzierter Unterschied durch das Operieren und einmal als im System beobachteter Unterschied.60 Die System/Umwelt-Differenz wird auch kommunikativ reproduziert: So zeugt die „corporate identity“ von einer kommunikativen Selbstthematisierung.61

Die Abgrenzung zur Umwelt erfolgt auch nach dem St. Galler Modell anhand von Komplexität, jedoch anders akzentuiert als etwa bei Luhmann: Das System zeichnet sich danach durch ein Übergewicht der „inneren Bindungen“ und der inneren Interaktionen aus.62 Insbesondere das Komplexitätsgefälle ist bedeutsam für die Bildung von Unternehmen: Da der Markt nicht so viel Komplexität absorbiert, wie angenommen, müssen Entscheidungsprozesse eingreifen, die gemeinsam ein Systeminternum ausmachen.63

54 Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 81; Willke, Systemtheorie I, S. 61; Theile, ZIS 2008, 406, 411. 55 Teubner, KritV 1987, 61, 67. 56 Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 190 f. 57 Schützeichel, Sinn, S. 34 f. 58 Schützeichel, Sinn, S. 36. 59 Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, S. 138 f.; daher stellt auch jedes Beobachten einen Eingriff dar, der die „Welt“ zur „Umwelt“ des Beobachters mache. 60 Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 45. 61 Hohm, Soziale Systeme, S. 39. 62 Insbesondere Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 108; vgl. auch v. Bülow, Systemgrenzen, S. 97, nach der diese Zeichen von Autonomie sind. 63 Luhmann, Zweckbegriff, S. 123.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Dieser Gedanke liegt auch bei der Begründung der Unternehmensbildung anhand von niedrigeren Transaktionskosten zugrunde: Der Aufbau einer stabilen inneren Struktur von Unternehmen, die sich durch langfristige Beziehungen auszeichnet, zieht geringere Transaktionskosten nach sich als Tauschvorgänge über den Markt („Marktversagen“).64 Damit ist die Systemgrenze des Untersuchungsgegenstandes „Unternehmen“ jedoch noch nicht hinreichend umrissen. Zur Eruierung der Systemgrenze ist insbesondere auf den Sinnzusammenhang65 der hiesigen Arbeit abzustellen: Untersucht wird das Unternehmen nicht in seinem „realen“ Dasein in allen Ausprägungen – dies wäre auch gar nicht möglich –, sondern nur in seiner Bedeutung für das Recht66; das Unternehmen wird mithin aus einer bestimmten Perspektive betrachtet.67. Dabei weist das System „Recht“ ebenso wie das System „Unternehmen“ einige prägnante Besonderheiten auf: Bereits das „Recht“ selbst ist von Selbstreferenz geprägt.68 Dies beginnt, wie Teubner hervorhebt, schon damit, dass Rechtsgeltung nicht von außen importiert werden, sondern nur innerhalb des Rechts hergestellt werden kann.69 Die Selbstreferenz ist ein Instrument, anhand dessen Systeme Einheit und Identität gewinnen können, gerade weil sie in dieser Hinsicht geschlossen sind. Systeme finden ihre Fixpunkte dann nicht (ausschließlich) in der Umwelt, sondern in einer selbst erschaffenen Selbstbeschreibung, anhand derer die Organisationsprozesse ausgerichtet werden,70 wobei sich eine Parallele zum ausgearbeiteten Modell der Interessengenese findet. Es erfolgt mithin

64 Vgl. dazu Heijl/Stahl, Management und Wirklichkeit, S. 100, 109; Staehle, Management, S. 421 ff., nach dem dazu Anbahnungskosten, Vereinbarungskosten, Kontrollkosten und Anpassungskosten zählen; Teubner, KritV 1987, 61, 74. 65 Zu der Bedeutung des Sinnzusammenhangs für die Systemgrenze v. Bülow, Systemgrenzen, S. 71. 66 Auch das St. Galler Management-Modell deutet Systeme bzw. Institutionen als künstliche, zur Erfüllung bestimmter Zwecke geschaffene Gebilde, vgl. v. Bülow, Systemgrenzen, S. 1. 67 Vgl. zu dieser Bestimmung der Systemgrenze insbesondere Ashby, Kybernetik, S. 68: „Jedes materielle Objekt enthält nicht weniger als eine Unendlichkeit von Variablen [. . .]. Das Unterfangen, ,alle‘ Daten zu untersuchen, wäre unrealistisch [. . .]. Nötig ist stattdessen, die Daten herauszugreifen und zu erforschen, die für ein bereits festgelegtes Forschungsziel von Bedeutung sein könnten.“ 68 Etwa Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 11: „Selbstreferenz – Paradox – Unbestimmtheit überall!“ 69 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 8; der Begriff der „Selbstreferenz“ ist dabei der allgemeinste und umfasst Begriffe wie Selbstbeobachtung, Selbstorganisation, Selbststeuerung, Selbstreflexion, Selbstproduktion, Autopoiese; diese Selbstreferenz will Teubner in ein Modell des Rechts als autopoietisches System einbauen. Dabei stellt eine Theorie autopoietischer Systeme keinen Rückschritt zu der Auffassung dar, die den Umweltbezug der Systeme vernachlässigt und sie als geschlossen behandelt. 70 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 23.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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nicht eine Anpassung an die Umwelt, sondern an die Selbstbeschreibung. Dies eröffnet nicht nur die Möglichkeit, die Suche nach Anknüpfungspunkten auf nicht-umweltgegebene Aspekte auszuweiten, sondern auch, das Recht in seiner Dimension als „Handlungssystem“ 71 zu erfassen. Der Prozess der Selbstproduktion des Rechts ist nicht auf die Betrachtung kommunikativer Rechtsakte beschränkt, sondern vermag es, sämtliche Systemkomponenten – „Strukturen, Prozesse, Grenzen, Identitäten, Funktionen, Leistungen des Rechtssystems“ 72 zu vereinen. Auf diese Weise kann auch eine Erklärung des Rückzugs des Rechts aus anderen Teilsystemen der Gesellschaft – u. a. aus der Wirtschaft, die von außen betrachtet nicht gesetzmäßig abläuft73 – gegeben werden: Aufgrund ihrer starken Ausdifferenzierung, hohen Komplexität und gesteigerten Autonomie werden auch diese zu autopoietischen Systemen, die unabhängig von äußeren Ereignissen werden.74 Daraus folgt, dass sich gesellschaftliche Teilsysteme einer zentralen politische Steuerung durch traditionelle Formen des Rechts immer mehr verweigerten.75

Das System „Recht“ ist mithin lediglich teilweise umweltoffen. Daraus ergibt sich für die hiesige Untersuchung, dass es die Funktion des Rechts ist, „die Grenzen und Selektionsweisen des Gesellschaftssystems“ festzulegen,76 und zwar nicht nur für das Rechtssystem selbst, sondern auch für das System „Aktienunternehmen“, das aus der hiesigen Perspektive vorrangig eine rechtliche Konstruktion ist. Alle Umsysteme beeinflussen das „Aktienunternehmen“. Um diese Komplexität operabel zu machen, muss sie reduziert werden. Für eine rechtliche Untersuchung können nur diejenigen Umwelteinflüsse Bedeutung erlangen, die rechtlich internalisiert wurden, denn Impulse von außen (insbesondere der politischen und wirtschaftlichen Umwelt) setzt das Recht von vornherein nur in dem Maße um, wie diese rechtsspezifisch adaptiert werden können.77 Steht eine rechtliche Betrachtung in Rede, so legt sich ein gedanklicher, rechtlicher „Filter“ um das Aktienunternehmen, das Umwelteinflüsse in relevante und irrelevante Daten filtert.78

71

Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 27. Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 37. 73 Vgl. Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 78. 74 Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4, 30 f. 75 Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4 f., 8 f., 31. 76 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 134. 77 Vgl. dazu insbesondere Raiser, Rechtssoziologie, S. 123; nach Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 21, stellt das politische System der Gesamtgesellschaft eine der wichtigsten strukturellen Einflüsse dar. 78 Mit Teubner, KritV 1987, 61, 71, könnte man dies als „Fremdbeobachtung einer Selbstbeobachtung“ bezeichnen: Das Recht „modelliert die Rechtskonstruktion nach rechtseigenen dogmatischen und rechtspolitischen Kriterien“. 72

360

Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Dies mag auf den ersten Blick zirkulär erscheinen, da die rechtliche Bewertung als rechtliche Umwelt auf das Unternehmen einwirkt und sie daneben auch zum Gegenstand ihrer Bewertung macht. Dies ist jedoch – ausnahmsweise – hinzunehmen; die Aufnahme von Zirkularitäten ist gerade eine der positiven Eigenschaften der Systemtheorie.79 Daraus ergibt sich für die Abgrenzung des Unternehmens von seiner Umwelt eine Grenze in doppelter Hinsicht: Relevant sind nur Daten mit rechtlicher Relevanz. Von diesen Daten ist wiederum nur die Kommunikation entscheidend, die sich auf das Gebilde Unternehmen bezieht. Um die Selbstbezogenheit dieser Abgrenzung zu durchbrechen, müssen auch die Unterteilungen des Unternehmens herangezogen werden. Das System Aktienunternehmen weist Subsysteme80 auf, die rechtlich konstituiert sind – etwa Gesellschaft und Betrieb. Auch die Unternehmensführung kann als Sub- bzw. Teilsystem angesehen werden.81 Es sind mithin (zunächst) alle rechtlichen Normen relevant, die sich an die Aktiengesellschaft (inklusive deren Organe), den Betrieb und das Aktienunternehmen als Rechtssubjekte bzw. -objekte wenden. Fragen, wie etwa die, was „gute“ Unternehmensführung ausmacht,82 können ausgegrenzt werden, sofern sie nicht durch das Recht selbst in das System Unternehmen eingeführt werden. b) Offenheit des Systems Die geschilderte Selbstreferenz darf freilich nicht zu der Annahme verleiten, das Unternehmen sei ein geschlossenes System; dies wäre mit der Erkenntnis, dass das Unternehmen sowohl sozialen, ökonomischen als auch rechtlichen Einflüssen ausgesetzt ist, unvereinbar. Systeme sind vielmehr nach der Theorie der 79 So v. Bülow, Systemgrenzen, S. 9, 33, nach der lineare Kausalitäten zu zirkulären werden und zirkuläre Verknüpfungen in den Systemmethodiken in den Mittelpunkt gestellt werden; vgl. auch Teubner, KritV 1987, 61, 78. 80 Die Begriffe „Subsystem“, „Supersystem“ und „Element“ werden von Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 107, bez. des Unternehmens verwendet; auch nach Hohm, Soziale Systeme, S. 34, lässt sich die „Mitgliedschaft“ bei formalen Organisationen nach „Statusgruppen“ unterscheiden, die sich wiederum vertikal oder horizontal in Subsysteme einteilen lassen; auf die Bedeutung von Untersystemen zur Reduktion von Komplexität weist insbesondere Luhmann, Zweckbegriff, S. 186 ff., hin: Die Untersysteme können sich auf ihre Unterzwecke konzentrieren, da sie davon ausgehen können, dass ihr Bestand – solange sie die Unterzwecke erfüllen – gesichert ist. Dabei sei aber die Zweck-Mittel-Umkehrung zu beachten; die verschiedenen Zweck-Mittel-Perspektiven markierten die Grenzen der Untersysteme. Auch die Komplexitätsreduktion erfolge durch Programmierung von Verhaltensweisen, die in Subsystemen zusammengefasst würden; zur Bedeutung von Subsystemen für die Komplexitätsreduktion auch Steinmann/Schreyögg, Management, S. 144 f. 81 Heijl/Stahl, Management und Wirklichkeit, S. 100, 125; Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 72. 82 Zu diesem Problem in den Wirtschaftswissenschaften etwa v. Bülow, Systemgrenzen, S. 38.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

361

„strukturellen Kopplung der Systeme“ untereinander in unterschiedlicher Art und Weise verbunden.83 Insbesondere zwischen der Rechtsordnung und den sozialen Systemen besteht ein nicht zu durchbrechender Wechselwirkungsprozess; dies gilt vor allem auch mit Blick auf das Aktienrecht.84 Operativ geschlossen sind die Systeme nur insofern, als sie sich durch Operationen von der Umwelt abgrenzen, die nur an die vorherigen, vom System vorgenommenen anknüpfen können.85 Die Verbindung zur Umwelt86 wird durch die Beschreibung der Unternehmung als offene, gesellschaftsbezogene Institution hergestellt.87 Das Unternehmen als System ist Einflüssen verschiedenster „Umsysteme“ ausgesetzt: Es empfängt Impulse nicht nur von der bereits angesprochenen rechtlichen und ökonomischen, sondern auch etwa von der ökologischen, politischen und sozialen Umwelt. Die Abhängigkeit von der Umwelt zeigt sich insbesondere im Hinblick auf den (im Falle von Leistungen der Mitarbeiter wenig glücklich so bezeichneten) Ressourceninput und -output,88 der es notwendig werden lässt, die Umwelt zu beobachten.89 Dies wird umso nachvollziehbarer, als im Rahmen dieser Untersuchung angenommen wird, dass auch die einzelnen Menschen der Umwelt angehören sollen, um einer Interessengenese des Unternehmens Rechnung zu tragen, die nicht von natürlichen, nicht hinterfragten Interessen dominiert wird.90 83

Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 440 ff. Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 20. 85 Luhmann, Soziale Systeme, S. 57 ff., 61 ff.; Willke, Systemtheorie I, S. 59. 86 Als Umweltelement muss auch die Rechtsordnung angesehen werden, sodass sich die Überlegungen nicht in allen Einzelheiten auf deutsche Unternehmen übertragen lassen; einer Übertragbarkeit der systemtheoretischen Erkenntnisse in Bezug auf die Existenzsicherung stehen aber keine Bedenken gegenüber (vgl. Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 93). 87 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 112; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 13. 88 Der Begriff der „Ressource“ soll hier als Vermögenswerte, Fähigkeiten, Informationen usw. umfassend verwendet werden. 89 Dies gilt insbesondere dann, wenn das System mit anderen im Wettbewerb um knappe Ressourcen steht, vgl. Hohm, Soziale Systeme, S. 38. 90 Der bisher herrschenden Meinung ist damit insoweit zuzustimmen, als der Vorstand tatsächlich weder eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gläubigern, noch gegenüber den Arbeitnehmern, jeweils verstanden als natürliche Personen, innehat; auch Luhmann, Das Erziehungssystem der Gesellschaft, S. 82, verbannt das natürliche Individuum ganz aus seinem Theoriegebäude, betrachtet es als ein „Konglomerat autopoietischer, eigendynamischer, nichttrivialer Systeme“, das in die Umwelt der sozialen Systemen gehöre. Auch nach dem St. Galler Management-Modell gehören etwa die Eigentümer zur Umwelt, vgl. Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 92 f., wobei die Gewinnansprüche als eine besondere Kategorie von Umweltanforderungen und der auszuschüttende Gewinn als finanzieller Output des Systems aufzufassen ist; anders jedoch Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 195, wo die Eigenkapitalgeber als zum System gehörend angesehen werden; nach Heijl/Stahl, Management und Wirklichkeit, S. 100, 123, stellen die jeweiligen Mitglieder als Individuen 84

362

Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Dieses Verständnis wurde kritisiert; der personale Bezug werde zu sehr vernachlässigt.91 Dass die Individuen in die Umwelt verwiesen werden, bedeutet nicht, dass sie nicht Einfluss auf das soziale System haben könnten: Die Koppelung von sozialem und psychischem System konstituiert sich insbesondere über die Kommunikation. Soziale Systeme existieren nur, weil sie operieren, genauer: kommunizieren, denn dadurch grenzen sie sich von ihrer jeweiligen Umwelt ab.92 Zwar lässt sich die Kommunikation im Sinne Luhmanns, da sie Letztelement der sozialen Systeme ist, nicht weiter unterteilen, etwa in Handlungen oder Ähnliches. Die Person kommt aber in doppelter Hinsicht wieder in den Blick: Luhmann selbst nimmt an, dass die Kommunikation, werde sie beobachtet, sich nachträglich in die Handlungen von Personen „dekomponieren“ lasse.93 Zudem hänge das menschliche Bewusstsein unauflöslich mit dem sozialen System zusammen: Psychische und soziale Systeme haben sich „wechselseitig koevolutiv“ entwickelt.94 Das folgende Schaubild soll dieses systemtheoretische Unternehmensverständnis verdeutlichen. Es soll dabei keinen Beweis für eine bestimmte Unternehmenstheorie antreten, sondern ausschließlich als Anschauungsmodell dienen; es hat nicht den Anspruch, Wirklichkeit abzubilden, sondern ausschließlich, die rechtliche Ausprägung dieses Lebensbereichs zu verdeutlichen. Es kann sich auch nur auf die hier interessierende Phase eines „werbenden“ Unternehmens beziehen. Bei Gründung und Auflösung des Unternehmens verschieben sich sowohl die Gewichtung und Bedeutung der Umsysteme als auch der rechtliche Filter.95 eine besonders wichtige Umwelt für das soziale System dar; anders etwa v. Bülow, Systemgrenzen, S. 1. 91 Vgl. etwa Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, S. 431; nach Mayntz, Soziale Dynamik, S. 199 f., ist eine Systemtheorie, die von der Handlung abstrahiere, wie eine Dame ohne Unterleib; Raiser, Rechtssoziologie, S. 143, bezweifelt aufgrund der Loslösung vom Menschen die Tauglichkeit für die Jurisprudenz; aus dem strafrechtlichen Blickwinkel Lüderssen FS Amelung, 2009, S. 67, 70 f. 92 Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 81. 93 „Auf die Frage, woraus soziale Systeme bestehen, geben wir mithin die Doppelantwort: aus Kommunikation und aus deren Zurechnung als Handlung“, Luhmann, Soziale Systeme, S. 240. 94 Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 108, bezeichnet dies auch als „Interpenetration“: Alle Kommunikation sei gekoppelt an Bewusstsein und ohne Bewusstsein unmöglich (Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 103); so würden Bewusstseinssysteme und Kommunikationssysteme vorweg aufeinander abgestimmt, um dann koordiniert zu funktionieren (Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, S. 106); alle Kommunikation könne daher nur „psychisch Vorgekautes“ prozessieren (Luhmann, Soziale Systeme, S. 238). 95 Eine interessante Feststellung machte insofern Raiser in Anlehnung an die Entscheidungstheorie: Während sich die sog. „policy decisions“, die sich auf die Verwirklichung der Organisationsziele beziehen, die sog. „allocative decisions“, anhand derer die Verwendung der Arbeitsmittel entschieden wird, und die sog. „coordination decisions“, die auf die Integration abzielen, innerhalb der Organisation Platz greifen und sich daher auch der Maßstab der geforderten Rationalität an systeminternen Umständen festma-

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

363

Umwelt n

Gesellschaft

Unternehmen Umwelt 2

Betrieb

Recht als Filter Umwelt 1

rechtl. Umwelt

Deutlich wird, dass sich das System „Aktienunternehmen“ verschiedenen Umsystemen ausgesetzt sieht96 und dass das Recht für die hiesige Untersuchung eine doppelte Funktion aufweist: Es filtert die – für den hier eingenommen Analyseblickwinkel – relevanten Aspekte heraus und konstituiert auf diese Weise den Untersuchungsgegenstand „Aktienunternehmen“. Gleichzeitig ist es rechtliche Umwelt. Daraus ergibt sich, dass der so konstituierte Untersuchungsgegenstand relativ ist: Das Unternehmensverständnis für eine wirtschaftswissenschaftliche Abhandlung etwa ist ganz anderer Art.

Das Verhältnis des Systems Aktienunternehmen zur rechtlichen Umwelt ist von unterschiedlicher Intensität und Qualität und lehnt sich an die Überlegungen chen muss, wurzeln Entscheidungen zur Gründung oder Aufhebung der Organisation in systemexternem Kontext. Daraus lässt sich ein entscheidender Gesichtspunkt herausfiltern: Entscheidungen lassen sich in systeminterne und systemexterne einteilen, und für die jeweilige Gruppe gelten unterschiedliche Maßstäbe. Die Kapitalgeber müssten allein darüber entscheiden können, ob, wieviel und wie lange sie einem Unternehmen Geld widmen wollten. Gleichzeitig wird aber auf die fehlende praktische Relevanz bei Großunternehmen hingewiesen: Es werde meist durch Ausgliederung der rentablen Bereiche still liquidiert, vgl. dazu auch Unternehmensrechtskommission, 1980, S. 214. 96 Die im Schaubild aufgezeigten Umsysteme sind nicht abschließend, spiegeln aber die gängigen Betrachtungen der verschiedenen Unternehmensfacetten wider. Die Umsysteme können sich auch im zeitlichen Ablauf durchaus verändern: In den vormodernen Gesellschaften etwa dürften soziale und wirtschaftliche Umwelt in einem wesentlich engeren Zusammenhang gestanden haben als heute, vgl. Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 142 f.

364

Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

zur Selbstreferenz an: Das Unternehmen hat auf der einen Seite von der Umwelt gesetzte Zwecke zu erfüllen, kann sich aber auf der anderen Seite innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens bei Ermessensspielraum auch selbst Ziele setzen.97 Die Beziehungen des Systems „Aktienunternehmen“ zur Umwelt im Hinblick auf Zwecke und Ziele können abgestuft beschrieben werden als:98 1. Steuerung: Zwecke und Mittel werden von der Umwelt bestimmt. 2. Regelung: Zwecke werden von der Umwelt bestimmt; Mittel werden vom System bestimmt. 3. Anpassung: Ziel und Mittel werden vom System bestimmt. Dies soll im Folgenden diskutiert werden. Bereits an dieser Stelle sei aber hervorgehoben, dass eine komplette Steuerung des Unternehmens durch die rechtliche Umwelt nicht vorliegen kann – diese würde den festgestellten Ermessensspielraum des Vorstands negieren.99 4. Zwischenergebnis Das Unternehmen ist nach hiesiger Auffassung als gedankliches und systemtheoretisches Konstrukt in dem Sinne zu verstehen, dass es sich aufgrund seiner Offenheit und Flexibilität den verschiedensten Einflüsse ausgesetzt sieht, ohne dabei aber dem Nachteil zu unterliegen, sich gemäß einem „Vorverständnis“ auf bestimmte Interessengruppen zu beschränken und ggf. einer Rechtsgutvertauschung Vorschub zu leisten. Mit diesem Verständnis soll keine generelle Subjektrolle100 bzw. Verselbständigung des Unternehmens einher gehen.101 Das Unternehmen wird zwar zu ei97 Vgl. dazu insbesondere Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 25, der auch davon spricht, dass der einzelnen Unternehmung durch die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ein Spielraum für autonomes Handeln gelassen wird; Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 114. 98 In Anlehnung an Flechtner, Grundbegriffe der Kybernetik, S. 44 ff.; Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 121; eine andere Terminologie legt Luhmann, Zweckbegriff, S. 132, 145 ff., 177, 132, zugrunde, nach dem die Zwecke durch Entscheidungsprozesse im System selbst zustande kommen – sie seien daher zu unterscheiden von Erwartungen durch die Umwelt (bei Wirtschaftsunternehmen u. a. die Rechtsordnung und der Geldmechanismus) an das System; nach Raiser, Rechtssoziologie, S. 145, kann das Recht hingegen soziale, wirtschaftliche und kulturelle Sachverhalte nicht steuern – eine Beeinflussungsmöglichkeit, indem es die einzelnen Systeme mit einer neuen Umwelt konfrontiere und sie so zur Veränderung anrege, erkennt er aber an. 99 Zur Korrelation zwischen Genauigkeit der Zielvorgabe und Spielraum der führenden Person auch Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 70, 82. 100 Das Fehlen eines Interessensubjekts wird teils allerdings außerordentlich kritisch gesehen, so Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 124. 101 Dies geschieht bei ähnlichem Verständnis der Relationen etwa in dem aufschlussreichen Beitrag von Semler FS Raisch, 1995, S. 291, 302 ff., nach dem die Arbeitneh-

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

365

nem „Schmelztiegel“ für unterschiedliche (rechtlich internalisierte) Interessen, Zwecke und Ziele, die in harmonischem, neutralem oder antinomischem Verhältnis zueinander stehen können.102 Ein Abheben des „Unternehmens“ ist damit aber nicht in einem größeren Umfang verbunden, als es bei generalisierenden Begrifflichkeiten im Hinblick auf ihre Teile gemeinhin der Fall ist. Es wird nicht übersehen, dass auf diese Weise ein „atypischer“ Fall des Vermögensbetreuungsverhältnisses konzipiert wird, das normalerweise keine divergierenden Interessen zum Gegenstand hat.103 Dies ist der besonderen Situation des Unternehmens geschuldet. Aus diesem Verständnis ergibt sich zwanglos, dass Rechte und Pflichten weiterhin an die juristische Person gebunden sein können, denn sie ist Subsystem des Unternehmens und weiterhin aus rechtlicher Perspektive Inhaberin des Vermögens, dem, sollen Handlungen des Vorstands einer Untreuestrafbarkeit zugeführt werden, ein Nachteil zugefügt werden muss. Im Hinblick auf den Untreuetatbestand ist anerkannt, dass Vermögensinteressen nicht an die Person des Vermögensinhabers gebunden sind, mithin das wahrzunehmende und das geschädigte Interesse ebenso wenig identisch sein müssen wie Treugeber und Vermögensinhaber.104 Lediglich die zu betreuenden und die verletzten Vermögensinteressen müssen übereinstimmen.105 Dieses Verständnis scheint nur auf den ersten Blick mit der Annahme zu kollidieren, die Vermögensbetreuungspflicht auf die Gesellschaft zu fokussieren sei mer als Leistungsträger zusammengefasst sind, der als nicht rechtsfähiger Verein anzusehen sei. Neben dem Leistungsträger sei die Gesellschaft (Werte- und Haftungsträger) „Mitglied“ des Unternehmens. Das Unternehmen, das im Vorstand, im Aufsichtsrat (die beide zugleich sowohl Gesellschafts- als auch Unternehmensorgan seien) und im Betriebsrat seine Organe fände und eigener Interessenträger sei, wird als anstandsähnliches Subjekt angesehen, denn nur so könnten auch weiche Faktoren wie Image, Betriebsklima, Motivation, Einsatzbereitschaft, Wertvorstellung und Qualitätsbewusstsein berücksichtigt werden (Semler FS Raisch, 1995, S. 305 ff.). Der Vorstand als Führungsträger habe sich am Unternehmensinteresse zu orientieren, dürfe sich also weder allein den Interessen des Werte- und Haftungsträgers, noch denen des Leistungsträgers unterwerfen. Gegen die Vorstellung, er wolle so die Idee des „Unternehmens an sich“ wiederbeleben, verwehrt er sich (Semler FS Raisch, 1995, S. 291, Fn. 54, 56). 102 Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 74 ff., unterscheidet die Konflikte über Ziel und Mittel; Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 191; vgl. auch Luhmann, Zweckbegriff, S. 39, 234. 103 So stellt LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 29, fest: „Wer die eine Seite zu betreuen hat, wird regelmäßig nicht auch der Gegenseite zur Vermögensbetreuung verpflichtet sein“; nach Englisch, NJW 2005, 2974, ist die Untreue die strafrechtliche Umsetzung der Volksweisheit „Niemand kann zwei Herren dienen!“; Tiedemann FS Tröndle, 1989, S. 319, 324, weist jedoch auf die „Typizität von Interessenkollisionen“ bei Aufsichtsratsmitgliedern hin, Kramer, WM 2004, 305, 309, auf solche zwischen Konzernmutter und -tochter. 104 LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 21, 89; LK-Schünemann, StGB, § 266 Rn. 140; MüKo-Dierlamm, StGB, § 266 Rn. 177. 105 LK-Hübner, 10. Aufl., StGB, § 266 Rn. 89.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

kein Ausdruck der negativen Akzessorietät: Das Unternehmen ist zwar die größere Einheit. Damit geht aber – wie oben ausgeführt – auch ein weiterer Handlungsspielraum des Vorstands einher. Die genaue Funktion des Vorstands soll nunmehr umrissen werden. 5. Funktion des Vorstands – Schlüsselvorschriften: §§ 76, 93 AktG Der Vorstand ist „Koordinator“ des Systems.106 Die Unternehmensführung umfasst dementsprechend alle Handlungen107 der Gestaltung und Lenkung eines solchen produktiven sozialen Systems und kann sich abstrakt gesehen auf Entscheidungen bezüglich der Zwecke, Ziele, Mittel und Verfahren beziehen.108 Die Funktion des Vorstands ist charakterisiert durch die kommunikative109 Vernetzung von Entscheidungen, die sich an bestimmten Erwartungen orientieren und die innerhalb von Entscheidungsprogrammen verlaufen.110 Diese Entscheidungsprogramme führen dazu, dass unterschiedliche Veränderungen innerhalb des Systems vorgenommen werden können, ohne dass das System seine Identität verliert,111 denn die Entscheidungsprogramme stabilisieren Verhaltenserwartungen,112 reduzieren „den semantischen Überschuß von Werten und Zwecken“ und erzeugen so Geschlossenheit und Differenz.113 Als derartiges „Entscheidungsprogramm“ kann auch die Vorstandspflicht zur eigenverantwortlichen Leitung des Unternehmens gemäß §§ 76, 93 AktG angesehen werden. Danach hat der Vorstand das Unternehmen114 eigenverantwortlich zu leiten und dabei das „Wohl des Unternehmens“ zu achten und zu fördern. 106 Vgl. Staehle, Management, S. 416, 557; oder auch „Regler“ nach Heijl/Stahl, Management und Wirklichkeit, S. 100, 102; oder „Kreator“ nach Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 127. 107 Bereits durch die Verwendung des Terminus „Handlung“ wird deutlich, dass das St. Galler Management Modell eindeutiger als Luhmann den personalen Bezug erhält, obwohl es die Unternehmung den einzelnen Mitgliedern überordnet und diese in die Umwelt verweist: Natürliche Personen müssten für die Unternehmung denken und handeln, die Unternehmung sei auch ein soziales System, das von Menschen getragen wird, vgl. Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 43, 93. 108 Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 13 ff., 99 f.; diese Differenzierung erinnert an die immer wiederkehrende Unterscheidung zwischen Pflichtethik und Utilitarismus, die auch in den Rechtswissenschaften im Rahmen der Untreue und bei der Business Judgement Rule Einzug hält. 109 Der Vorstand bedient sich im Unternehmen neben der Sprache insbesondere der sog. „Erfolgsmedien“ Macht, Information und Geld, vgl. Hohm, Soziale Systeme, S. 37, 76 ff., nach dem jedes Erfolgsmedium aus einem Code mit zwei entgegengesetzten Werten besteht. 110 Hohm, Soziale Systeme, S. 31. 111 Vgl. Hohm, Soziale Systeme, S. 39, 62. 112 So Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 76 ff., 131 ff. 113 Hohm, Soziale Systeme, S. 37. 114 Hier wird der Ansicht gefolgt, die „Gesellschaft“ als „Unternehmen“ liest.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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Bei den Verhaltensanforderungen an den Vorstand nach §§ 76, 93 AktG handelt es sich nach den gewonnenen Erkenntnissen um „weiche Normen“, die auf die Anforderung an eine Abwägung bzw. Ermessensentscheidung zugeschnitten sind.115 § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist eine Mischform aus Zweckprogramm116 und Anordnung einer bestimmten Verhaltensweise:117 Indem auf das „Wohl des Unternehmens“ verwiesen wird, gelangt eine materielle Komponente in die Regelung: Zweck des Vorstandsagierens soll die Förderung dieses Unternehmenswohls sein. Durch diese Anforderung wird Komplexität stark reduziert.118 Demgegenüber sind mit den Merkmalen einer „vernünftigen“ Entscheidung auf der „Grundlage angemessener Information“ Verhaltensanforderungen angesprochen, sodass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG einer verfahrensmäßigen Interpretation zugänglich gemacht wird; hier kommt dem Vorstand die Aufgabe der Komplexitätsreduktion zu.119 Dem Vorstand eine derartige Pflichtenstellung einzuräumen, passt sich der Erkenntnis an, Absorption von Komplexität könne nur durch Zweckprogramm und Entscheidungstätigkeit erreicht werden.120 Nimmt man an, reflexives Recht sei durch die weitgehende Abwesenheit materieller Vorgaben und die Konzentration auf Verfahrensvorgaben geprägt,121 so lässt sich die Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als reflexives Recht einordnen: Insbesondere Teubner ist es zu verdanken, dass die Frage der gesellschaftlichen Steuerung durch reflexives Recht ins Bewusstsein gelangt ist. Das Bedürfnis nach einer solchen Steuerung durch reflexives Recht wurde durch die Erkenntnis genährt, dass gesellschaftliche Teilsysteme aufgrund ihrer Ausdifferenzierung und ihrer Autonomie den Interventionen durch traditionelle Formen des Rechts immer weniger zugänglich sind. Es sei daher „Reflexion“ als adäquates Steuerungsprinzip zu entwickeln, wobei Reflexion „die Fähigkeit der Teilsysteme, Mechanismen zu institutionalisieren, durch welche sie ihre eigene Iden-

115

Vgl. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 241. Dazu, dass diese im Wirtschaftsleben gegenüber der Konditionaltechnik überwiegen, Luhmann, Zweckbegriff, S. 174, 178. 117 Zu diesen unterschiedlichen Rechtsinstrumenten Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 243; zur Verbreitung der Zweckprogramme gegenüber den Konditionalprogrammen im Recht auch Amelung FS Lüderssen, 2002, S. 7, 15; diese Unterscheidung in „inhaltlich“ und „methodologisch“ ist auch Teil der Managementlehre, vgl. v. Bülow, Systemgrenzen, S. 27. 118 v. Bülow, Systemgrenzen, S. 27, weist daher zu Recht auf die starke Entlastungsfunktion von inhaltlichen Handlungsanweisungen hin. 119 Die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG stammt aus einer Zeit, in der der Staat auf direkte Ver- oder Gebote verzichtet hat und den Markt und andere Selbstorganisationen gewähren lassen wollte, indem er sich auf Prozeduralisierung zurückzieht, vgl. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 252. 120 Luhmann, Zweckbegriff, S. 183. 121 So Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 254. 116

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

tität thematisieren können und genau darauf einstellen, daß in ihrer relevanten Umwelt andere Teilsysteme in Interdependenzbeziehungen agieren“, meine.122 Reflexives Recht müsse daher auf regulierte Autonomie zielen, indem integrative Mechanismen für Verfahren und Organisation bereitgestellt und den Teilsystemen eine Sozialverfassung gegeben werde. Das reflexive Recht müsse sich dabei zwischen den polaren Anforderungen aufspannen, dass zum einen die Eigendynamik des Teilsystems respektiert werden müsse, zum anderen aber gesellschaftliche Restriktionen auferlegt würden.123 Es komme vielmehr darauf an, eine Rahmensteuerung zu betreiben, die sich nicht durch inhaltliche Verhaltenssteuerung, sondern durch Strukturvorgaben, Verfahrensweisen und Kompetenzabgrenzungen auszeichne, die die Teilbereiche zur Selbststeuerung veranlassten.124 Dies hat i. Ü. auch Habermas erkannt, wenn er fordert, dass das Recht als äußere Verfassung Verfahren der Konfliktregulierung – diskursive Willensbildungsprozesse und konsensorientierte Verhandlungs- und Entscheidungsverfahren – bereitstellen solle.125

Darin zeigt sich zum einen die Abgrenzung zu den „klassischen“ Instrumenten des Rechts, die unter Perzeption einfacher Zusammenhänge als Ge- und Verbote unmittelbar interventionistisch in die Teilbereiche einzugreifen suchten. Zum anderen ist mit dem reflexiven Recht durch den Verweis auf Regularien mehr vorausgesetzt als ein liberalistisches Konzept, das sich darauf beschränken konnte, Freiräume für die Entfaltung „natürlicher“ Mechanismen zu schaffen. Durch Schaffung einer verfahrensmäßigen Ausgestaltung der Vorstandsstellung unter Vernachlässigung materieller Zwecke und der gleichzeitigen Garantie einer Eigenständigkeit des Vorstands hat der Gesetzgeber Raum für situationsadäquate Entscheidungen sowohl im Hinblick auf das System „Unternehmen“ als auch der Umwelt(en) gelassen. Indem er dennoch verfahrensmäßige Anforderungen an die Entscheidungsfindung des Vorstands stellt, hat er diese zugleich reguliert. Die Vorstellung einer vorrangig verfahrensmäßigen Steuerung spiegelt sich sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Rechtsprechung momentan verstärkt wider: Neben der Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG durch den Gesetzgeber geht auch der BGH in bestimmten Fällen, wie etwa bei Korruptionsstraftaten, eben diesen Weg.126

122

Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4. 6. Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4, 7. 124 Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4, 14, 23 f., 28 f. 125 Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns II, S. 530 ff. 126 Brammsen, wistra 2009, 85, 89, weist darauf hin, dass der BGH in jüngerer Zeit das Augenmerk auf Verfahrensregeln gerichtet hat; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 674 ff., attestiert der neueren Rechtsprechung des BGH eine tendenziell eher verfahrensmäßige als materielle Ausgestaltung – er selbst sieht den Vorrang von Verfahrensregeln als begrüßenswerte Entwicklung an, hält aber eine Prüfung hinsichtlich eines evidenten Missbrauchs nicht für entbehrlich. 123

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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Auf diese verfahrensmäßigen Regularien konnte sich der Gesetzgeber nicht zuletzt aus dem Grunde zurückziehen, als dass im Aktienunternehmen bereits eine „Eigenkontrolle“ des Unternehmens durch das Organ Aufsichtsrat geschaffen und so eine weitgehende Autonomie möglich wurde. Der Eindruck der Eigenkontrolle und Autonomie verstärkt sich noch, wenn man die neuartigen Selbststeuerungsinstrumente der Unternehmen – etwa „Corporate Codes“, „Ethic Codes“, „Codes of Conduct“, die gängige Einrichtung der „Corporate Compliance“ und die Betonung von „Corporate Social Responsiblity“ (CSR) – betrachtet.127 Die Pflichtenstellung des Vorstands nach den §§ 76, 93 AktG als Schlüsselvorschriften für die weitere Betrachtung ist im Folgenden zu konkretisieren. a) Verfahren Die verfahrensmäßigen Anforderungen ergeben sich aus dem Passus, der Vorstand müsse vernünftigerweise annehmen dürfen, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Dabei ist erster Bezugspunkt der Vorschrift die „angemessene Information“. Bezugspunkt der Anforderungen an die Angemessenheit der Information ist das Wohl der Gesellschaft. Die Angemessenheit der Information ist ein offener Passus, der sowohl von rechtlichen als auch von tatsächlichen Umständen bestimmt werden kann. Der Passus „auf der Grundlage“ stellt auf die Beziehung von Verfahren und Entscheidung ab – es ist offensichtlich, dass die Einhaltung des Verfahrens nicht ausreicht, wenn der Vorstand danach unabhängig davon entscheidet. Das „vernünftigerweise Annehmen-Dürfen“ ist zweiter Bezugspunkt, der die Anforderungen auf der einen Seite versubjektiviert, auf der anderen Seite aber durch die Bezugnahme auf die Vernunft auch ein objektives Kriterium hineinträgt: Dies stellt einen Verweis auf das Rationalitätsprinzip dar. Dies passt sich problemlos in das Verständnis eines Unternehmens als System (bzw. Organisation) ein: Nach Talcott Parsons etwa stellt sich eine Organisation als ein abgrenzbares, spezielles System von Handlungen dar, die auf ein Ziel ausgerichtet sind, das mit rationalen Mitteln verwirklicht werden soll.128

127 Lüderssen FS Amelung, 2009, S. 67, 79, erkennt die Richtlinien als Teil einer Selbstregulierung an; Teubner, Globalisierende Arbeitswelt, S. 109, nennt dies „neuartige Ordnungsstrukturen“; als Selbstregulierungselemente ansehend auch Theile, ZIS 2008, 406; kritisch zur Corporate Social Responsibility als nicht weitreichend genug hingegen das sog. „Stewardship Principle“ und Ethik-Kodizes als sinnvoll ansehend Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 458. 128 Vgl. Parsons, Structure and Process, S. 16 ff.; auch nach Nischalke, Organisation wachsender Unternehmen, S. 64, versuchten Unternehmen, möglichst rationale Entscheidungen zu treffen.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Es stellt sich die Frage, zu welchen Aspekten Informationen eingeholt werden sollen, was rational ist. Bezugspunkt ist – und dies ist zunächst sowohl simpel als auch wenig weiterführend – immer das Interesse des Unternehmens. Dies beinhaltet wiederum zwei streng zu trennende Begrenzungen der Vorstandspflichtenstellung. Auf der einen Seite: Zu welchen Aspekten muss der Vorstand zwingend Informationen einholen und diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen? Auf der anderen Seite: Zu welchen Aspekten darf er Informationen einholen und auf deren Grundlage seine Entscheidung treffen? Diese Fragen haben ihre Parallele in der systemtheoretischen System-UmweltRelation: Das „Müssen“ betrifft das Interesse des Unternehmens, das durch die rechtliche Umwelt bestimmt wird. Dies betrifft insbesondere die Interessengenese anhand von Gesetzen (die auch den Bestand voraussetzen), der Satzung, von Beschlüssen und Richtlinien, auch wenn innerhalb dieser interessengenerierenden Elemente große Unterschiede bestehen, auf die noch eingegangen wird. Das „Dürfen“ betrifft die Interessengenese durch den Vorstand, mithin den Bereich, der in seinem Ermessen liegt und der noch nicht durch den Minimalstandard determiniert ist. Bei der Beantwortung dieser Fragen ist stets auf die rechtliche Vorprägung zu achten, es soll daher im Folgenden eine Antwort gegeben werden, die sich aus dem rechtlichen System ergibt. b) Bestand Im Zweiten Teil ist erarbeitet worden, dass es zwar keine monistisch ausgerichtete Pflicht des Vorstands und daher auch kein diesbezügliches Interesse des Unternehmens gibt, aber verschiedene Anknüpfungspunkte für die „Bestandssicherung“ in der gesetzlichen Regelung vorhanden sind. Die Bestandssicherung ist auch in der Systemtheorie ein viel beachtetes Thema: Anfangs wurde insbesondere diskutiert, welche funktionalen Leistungen vom System erbracht werden müssen, damit es mit seinen gegebenen Strukturen erhalten bleibt.129 In der weiteren Entwicklung wurde die Frage dahingehend modifiziert, welche strukturellen Anpassungsleistungen soziale Systeme unter sich verändernden Umweltbedingungen erbringen müssen, um ihre Systemfunktionen weiterhin erfüllen zu können.130 Die Frage der Erhaltung des Systems nimmt damit einen bedeutenden Rang ein. Wichtig ist, dass „Bestand“ ein beweglicher, flexibler Begriff ist: Systeme bestehen etwa laut Luhmann nicht aus Dingen, sondern aus „Operationen“ als Letztelementen. Deshalb könne ein System nur so lange existieren, wie es auch 129 130

Willke, Systemtheorie I, S. 5. Willke, Systemtheorie I, S. 5 f.

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operiere.131 v. Bülow zufolge werden Prozesse wichtiger als Strukturen132 und Mayntz plädiert dafür, die Forderung einer „maximalen Zielverwirklichung“ durch ein „genügend gutes“ Ergebnis zu ersetzen oder mit anderen Worten: Die Modellvorstellung von einem maximierenden System wird durch die Modellvorstellung eines sich ständig anpassenden Systems ersetzt.133 Nach Wimmer kommt es bei der Frage der Zukunftssicherung von Unternehmen vorrangig auf deren Wandlungsfähigkeit und die Fähigkeit, eine sich ständig erhöhende Komplexität angemessen zu verarbeiten, an.134 Welches Verhältnis der Bestand zu sonstigen Zwecken oder Zielen hat, wird nicht einheitlich beurteilt: Die Zweckfunktion ist bei den meisten Systemtheoretikern dem Bestandsgedanken untergeordnet.135 Wundt geht so weit, keinen weiteren Nachweis dafür erforderlich zu halten, dass „der Gedanke der Erhaltung notwendig den des Zwecks in sich schließt“ 136. Mayntz erkennt an, dass die Bestandsformel eine Charakterisierung der zu erhaltenden Zustände als Zielzustände impliziert.137 Der Bestand sei Voraussetzung für die Zweck- und Zielerfüllung.138 Nach Luhmann können hingegen weder die Bestandsformel noch die Zweckkonzeption alleine stehen; vielmehr müsse ein Verfahren zur Reduktion von Komplexität entwickelt werden, das als Ausgangspunkt die Bestandsformel habe. Das Zweckmodell könne erst dann zum Einsatz kommen, wenn die Komplexität durch die Bestandsformel bereits reduziert sei.139 Zwecke gäben dem Problem der Bestandserhaltung erst eine systemintern bearbeitbare Fassung, da sie einen operablen Entscheidungsmaßstab abgäben.140 Ohnehin sei die Problemverlagerung von außen nach innen ein gängiges Vorgehen.141 Auch im Rahmen des St. Galler Modells wird als einzig feststehendes Ziel der Unternehmung die Existenzsicherung anerkannt.142

131

Luhmann, Soziale Systeme, S. 46 ff. v. Bülow, Systemgrenzen, S. 9. 133 Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 142. 134 Wimmer, Management und Wirklichkeit, S. 265, 271. 135 So auch Luhmann, Zweckbegriff, S. 101; nach Nischalke, Organisation wachsender Unternehmen, S. 68, ist das „Überleben“ die übergeordnete Zielsetzung. 136 Wundt, Logik II, S. 330. 137 Mayntz, Funktionale Schichtungstheorie, S. 10, 14 ff. 138 Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 46. 139 Luhmann, Zweckbegriff, S. 106. 140 Luhmann, Zweckbegriff, S. 131. 141 Luhmann, Zweckbegriff, S. 162. 142 Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 20, 26, 101, 113, 174 f., wobei er zu bedenken gibt, dass mit einem derartig abstrakten Unternehmensziel nicht viel gewonnen ist; vgl. auch Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 463, nach dem die Unternehmung ihre „Existenzsicherung“ ausschließlich mit gesellschaftlich legitimen Instrumenten gewährleisten dürfe; vgl. zum St. Galler Management-Modell auch oben, Kapitel 3 C. IV. 3. e). 132

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Der Bestandsbegriff sieht sich in der systemtheoretischen Diskussion auch Bedenken ausgesetzt; so habe er sich als „Zweck“ nicht bewährt, da er sich als unbegrenzbar herausstellt habe und jede beliebige Handlung rechtfertigen könne,143 die „Bestandsformel“ werde durch eine „Problemformel“ ersetzt;144 anzuerkennen sei lediglich die Variante, das Bestandsprinzip als Grundbedingung einer Entscheidung anzunehmen und mit Nebenbedingungen zu versehen.145 Es ist offensichtlich, dass sich hier eine Parallele zur aktienrechtlichen Diskussion findet, die entweder den Bestand als Mittel zum Zweck der Rentabilität bis hin zur Gewinnmaximierung oder ihn als letztlichen Zweck ansieht.146 Anders als in sonstigen Fachdisziplinen ist es im Rahmen dieser juristischen Untersuchung nicht notwendig, den Wert einer Bestandssicherung zu hinterfragen: Die Bestandssicherung während der Phase des Unternehmens als „werbendes“ ist gesetzlich legitimiert und wird daher in das Unternehmensverständnis, in dessen Interesse und damit in die Pflichtenstellung des Vorstands hineingelegt.147 Die entscheidende Frage lautet, was den Bestand ausmacht, was der Vorstand mithin zu sichern und zu fördern hat. Der Bestand des Unternehmens zeichnet sich durch eine Differenz zur Umwelt aus, die sowohl die Geschlossenheit als auch die Offenheit des Systems inkludiert. Hauptaufgabe des Vorstands muss es daher sein, die System/Umwelt-Differenz aufrechtzuerhalten bzw. die Innen/Außen-Differenz zu stabilisieren.148 Zur Existenzsicherung hat somit eine geistige Auseinandersetzung des Vorstands mit der Umwelt (Reflexion)149 zu erfolgen, die auch als Anpassung bzw. Herstellung eines Fließgleichgewichts150 (oder Reduktion von Komplexität151) interpretiert 143

Luhmann, Zweckbegriff, S. 41, 60 f. Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 33. 145 Luhmann, Zweckbegriff, S. 84. 146 Vgl. oben, Kapitel 2 C. III. 2. a) cc). 147 Vgl. dazu oben, Kapitel 2 D. II., III. 3. f., V. 1.; man könnte insofern mit Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 90, von einem „Begründungsabbruch“ durch Verweis auf das Recht sprechen; a. A. insofern aber Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 554 ff., nach dem der Rentabilität als Inhalt des „Unternehmensinteresses“ Vorrang vor dem Erhalt der Unternehmung zukomme. 148 Dementsprechend beginnt die Identität des Systems nach Willke, Systemtheorie I, S. 175, auch mit der Setzung einer Differenz zwischen Operationen, die dem System zugehören, und solchen, die nicht dazugehören. 149 Die besondere Bedeutung der Reflexion stellt insbesondere v. Bülow, Systemgrenzen, S. 14 ff., heraus. 150 Dieser Terminus (auch: „steady state equilibrium“) geht auf v. Bertalanffy, Systems Thinking, S. 70 ff., zurück und bedeutet, dass ein offenes System in seiner Ganzheit konstant bleiben kann, obwohl sich die Elemente in einem ständigen Fluss befinden. 151 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 113; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 40. 144

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werden kann.152 Der Vorstand unterliegt damit den polaren Tätigkeiten der Stabilisierung und der Flexibilisierung des Unternehmens im Hinblick auf die Umwelt(en).153 Dabei kommen die verschiedenen Umsysteme in den Blick: Rechtlich wird etwa bestimmt, wann die Gesellschaft aufzulösen ist (§ 262 Abs. 1 AktG) – besondere Bedeutung erlangen dabei für die Pflichtenstellung des Vorstands die Gründe der Eröffnung des Insolvenzverfahrens,154 der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, und der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a FGG. Dies sind die Gründe, die der Vorstand zu verhindern vermag. Dass er auf den Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit keinen bestimmenden Einfluss nehmen kann, ist offensichtlich. Einen Beschluss der Hauptversammlung kann der Vorstand lediglich insoweit mittelbar beeinflussen, als er durch genügende Anreize an die Anteilseigner Auflösungswünschen entgegenwirkt – darauf ist noch zurückzukommen. Ansonsten markiert der Beschluss – und dies wurde oben bereits dargestellt – den Übergang des Unternehmens in eine andere Phase, für die andere Maßstäbe gelten als für das „werbende“ Unternehmen.

Die Rechtsordnung billigt der „Gesellschaft“ – und nach der hiesigen Konzeption damit auch dem Unternehmen155 – nur dann eine Existenz zu, wenn weder (drohende) Zahlungsunfähigkeit156 noch Überschuldung157 vorliegt. Zahlungsfähigkeit und fehlende Überschuldung sind daher die „Minimal-Anforderungen“ der Selbsterhaltung des Unternehmens.158 Wird das Bestandsinteresse des Unternehmens auf derartige Weise durch die rechtliche Umwelt über die Insolvenzordnung beeinflusst, wird offenbar, dass die

152 Nischalke, Organisation wachsender Unternehmen, S. 27; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 108. 153 Vgl. dazu Heijl/Stahl, Management und Wirklichkeit, S. 100, 102. 154 So insbesondere auch jüngst BGH NJW 2009, 2225, 2227, der die Existenzgefährdung u. a. in der Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder der Gefährdung der Liquidität sieht. 155 Die gesetzlichen Regelungen machen keinen Unterschied zwischen diesen Begriffen, vgl. etwa die Verwendung des Begriffs „Unternehmen“ in § 19 Abs. 2 S. 1 InsO. 156 Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, § 17 Abs. 2 InsO; der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen, § 18 Abs. 2 InsO; zu der Frage der akzessorischen Auslegung des Strafrechts vgl. MüKo-Radtke, StGB, § 283 Rn. 3; Schönke/Schröder-Heine, StGB, § 283 Rn. 50a. 157 Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich, § 19 Abs. 2 S. 1 InsO. 158 Vgl. Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 270.

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zumindest früher159 von der Rechtsprechung vertretene Interessentheorie160 und die hiesige Konzeption ineinander greifen: Handelt der Vorstand etwa im eigenen Interesse, ist dies ein Umweltaspekt, den er beim unternehmerischen Handeln nicht beachten darf, da es sich dabei um einen Loyalitätsverstoß handelt, und der folgerichtig das Interesse des Unternehmens nicht zu generieren vermag. Der Vorstand handelt pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB, Bankrott kommt nach der Interesseformel dann nicht in Betracht. Die Interesseformel der Rechtsprechung ist jedoch insoweit zu modifizieren und fügt sich so in die weitergehend gesellschaftsrechtsakzessorische „Geschäftskreistheorie“ 161 ein, als in ihr das „allgemeine Schädigungsverbot“ der Untreue insoweit „weiterlebt“, als dass das Interesse des Treugebers nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu bestimmen sei.162 Insbesondere die Trennung zwischen „Eigennutz“ und „im Interesse der Treugeberin“ ist zu starr; vielmehr geht es um eine Abgrenzung zwischen Handlungen, die dem vielschichtig generierten Vermögensinteresse des Unternehmens entsprechen, oder nicht. Ein Widerspruch zum Interesse des Unternehmens kann nicht damit begründet werden, dass der Vorstand gegen ein wie auch immer geartetes Schädigungsverbot verstoßen habe; zudem liegt eine Interesseverletzung aber auch nicht nur dann vor, wenn der Vorstand aus Eigennutz gehandelt hat. Vielmehr ist zu unterscheiden: Nimmt der Vorstand eine der in § 283 Abs. 1 StGB genannten Handlungen vor, so muss untersucht werden, ob die verletzte Norm Vermögensinteressen des Unternehmens generiert – ist dies der Fall, kommt eine Untreuestrafbarkeit des Vorstands in Betracht; im gegenteiligen Fall kommt ggf. § 283 StGB zum Zuge. Welche gesetzlichen Vorschriften untreuerelevant das Vermögensinteresse des Unternehmens generieren können, hängt von verschiedenen Aspekten ab, die noch näher erörtert werden sollen. Bereits an dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass es insbesondere auf die unmittelbare Vermögensrelevanz der gegen das Ge- oder Verbot verstoßenden Handlung ankommt, während für den Bankrott auch „vermögensneutrale Handlungen“ genügen,163 solange sie nur kausal zu der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung führen164. 159 Der 3. Strafsenat der BGH will von der Interessentheorie abweichen (BGH NZG 2011, 1311, 1313) und hat deshalb bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten. Dies führt den Kurs fort, der in BGH NJW 2009, 2225, 2227 f., BGH NZG 2011, 1238 f., eingeschlagen wurde. 160 Vgl. etwa BGHSt 30, 127 ff.; 34, 221, 223; BGH wistra 1987, 100; BGH NStZ 2000, 206, 207; BGH NJW 2009, 2225. 161 Dazu BGH NJW 2009, 2225, 2227 f.; BGH NZG 2011, 1311, 1313. 162 Vgl. BGHSt 30, 127 f.; BGH NJW 2009, 2225 f.: „Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann in der Überweisung [. . .] zur Bezahlung der materiell unberechtigten Rechnungen daher nur ein Handeln auf Grund eigennütziger Motive gesehen werden, das der Gesellschaft schadete.“ 163 Ausdrücklich MüKo-Radtke, § 283 Rn. 70; Krause, NStZ 1999, 161, 164. 164 Lackner/Kühl, StGB, § 283 Rn. 22; MüKo-Radtke, StGB, § 283 Rn. 70; Schönke/Schröder-Heine, StGB, § 283 Rn. 54.

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Die o. g. Gründe öffnen das System Unternehmen und dessen Interessen für Aspekte der wirtschaftlichen Umwelt (Mangel an Zahlungsmitteln) durch einen „rechtlichen Hebel“; man kann insofern auch von einer strukturellen Kopplung165 der sozialen Systeme Recht und Wirtschaft sprechen. Dies wurde i. Ü. auch durch die materiellen Theorien des Unternehmensinteresses bewirkt: Mit ihrer Hilfe wird das Unternehmen gegenüber der wirtschaftlichen Umwelt geöffnet, die das Erfordernis der Rentabilität in das Unternehmen hineinträgt. Besonders deutlich wird dies, wenn etwa Mertens feststellt: Bestandserhaltung bedeute in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung die Erwirtschaftung ausreichender Rentabilität.166 Vogt sieht die Bereitstellung von Leistung (Sachziel) unter Wahrung der Wirtschaftlichkeit oder Rentabilität (Formalziel) als „Zielbündel“ des Unternehmens.167 Zustimmend zitiert er Kosiol, nach dem der „Geldgewinn unerläßliche Voraussetzung für die Erreichung der höheren Ziele“ ist, da „die marktwirtschaftliche Ordnung die Existenz der Unternehmung vom Geldgewinn abhängig macht“ und als Untergrenze des Rentabilitätsziels die Kapitalerhaltung fungiere: „In Verbindung mit dem Liquiditätsziel wird dadurch die Erhaltung der Unternehmung angestrebt.“ 168 Die Aktiengesellschaft habe sich in die Interessen der Gesamtwirtschaft einzufügen169 und auf den Markt auszurichten.170

In der systemtheoretischen Diskussion wird darauf hingewiesen, dass der Bestand des Systems nur dann ausreichend gesichert werde, wenn „Mitglieder“ gewonnen würden, die zum Bleiben und zur Erfüllung ihrer Aufgaben bewegt werden können; dies muss insbesondere durch Anreize (Bilanz der Leistung und Gegenleistung) an die Mitglieder erreicht werden.171 165 Theile, ZIS 2008, 406, 412, versteht darunter eine Institutionalisierung intersystemischer Kontakte. 166 KK-Mertens, AktG, § 76 Rn. 17, 22. 167 Vogt, Sozialverband, S. 101. 168 Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, S. 214 ff.; vgl. Vogt, Sozialverband, 1981, S. 102 Fn. 1, 4. 169 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12, 15; ähnliche Äußerungen finden sich bei Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, S. 205; Raiser/Veil, KapGesR § 14 Rn. 13; nicht ganz eindeutig insofern, HeidelbergerKomm-Bürgers/Israel, AktG, § 76 Rn. 11 ff., nach dem der Vorstand „zunächst“ die erwerbswirtschaftlichen Interessen der Aktionäre beachten soll. 170 Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 108. 171 Vgl. dazu insbesondere Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 112 f., 127; Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 40, sprechen von „Zahlungen an Koalitionsmitglieder, die ausreichen müssten, um sie zum Verbleib zu veranlassen“, wolle man die Lebensfähigkeit der Organisation gewährleisten; nach Heijl/Stahl, Management und Wirklichkeit, S. 100, 104, ist es Aufgabe des Managements, Beziehungen zu sämtlichen Stakeholdern aufzubauen und zu erhalten; man kann insofern auch von einer „dauerhaft fließenden Rente“ sprechen, die eine Rückzahlung an den Ressourceninhaber impliziert, die dieser für die ihm entstandenen Opportunitätskosten erhält, vgl. Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 8, 181, 202; ebenso Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 67; nach Staehle, Management, S. 433, stellt sich das an das Unternehmen bindende Gefühl von Zufriedenheit bei den Organisationsteilnehmern dann ein, wenn der Nutzen der Anreize höher oder mindestens gleich dem Opfer der Beiträge ist; nach Stahl, Management und Wirklichkeit, S. 387, 391, muss es für die

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Diese Überlegungen lassen sich auf die hiesige Untersuchung übertragen: Wie oben bereits ausgeführt wurde, kann der Bestand des Unternehmens nur gesichert werden, wenn eine Differenzierung zur Umwelt, mithin auch zum Markt stattfindet. Eine solche Differenzierung geht insbesondere einher mit einer Verfestigung der Beziehungen zu Stakeholdern durch Anreize172; gerade durch diese Umstände unterscheidet sich das Gefüge „Unternehmen“ von sonstigen Markttransaktionen. Der Begriff der „Mitglieder“ ist indes im hiesigen Zusammenhang problematisch. Er legt nahe, dass menschliche Individuen in ihrer Gesamtheit dem System Unternehmen angehören. Daraus folgt unweigerlich die Gefahr, dass natürliche Interessen das Interesse des Unternehmens dominieren, ohne dass dies rechtlich hinterfragt würde. Eine Sichtweise, die versucht, die Interessenträger dem System zuzuordnen, ist im Rahmen der Diskussion über das Wesen des Unternehmens häufig anzutreffen. Barnard teilt etwa die Interessenträger in „interne“ und „externe“ ein. Zu den Internen zählt er „stockholders, creditors, directors, officers, and employees“ 173. Cyert und March verweisen auf die der Organisation gewidmete Zeit als AbgrenzungskriteMitglieder vorteilhaft sein, die Differenz des Systems zur Umwelt zu erhalten; nicht zuletzt deswegen hebt auch Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, S. 477, die enge Verbindung zwischen Anreiz-Beitrags-Theorie und Stakeholder-Konzept hervor; aus dem juristischen Bereich deutete bereits Fechner, Treubindungen, S. 65, einen ebenfalls mit dem Bestand an ausreichenden Anreizen argumentierenden Ansatz an: Funktion des Unternehmens sei es, allen in ihm Tätigen das wirtschaftliche Dasein zu ermöglichen und zu sichern; auch Junge FS Caemmerer, 1978, S. 547, 554 ff., weist auf die vorrangige Aufgabe des Unternehmens zur Bedürfnisbefriedigung an Gütern und Dienstleistungen hin; aus dem Gesellschaftsrecht auch auf die besondere Bedeutung der Beziehungen zu Gläubigern, Lieferanten und Kunden hinweisend Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 301 ff.; die besondere Bedeutung der Bedürfnisbefriedigung hervorhebend Raiser FS Potthoff, 1989, S. 31, 38; nach Vogt, Sozialverband, S. 10 ff., ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens proportional zu seiner sozialen Fähigkeit, Bedürfnisse und Interessen unter den Mitgliedern zu berücksichtigen und Konflikte zu regeln; vgl. auch Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 480; Raiser, ZHR 144 (1980), 206; auch der Deutschen Corporate Governance Kodex, 2002, Abschnitt 4.1.1., geht davon aus, dass die langfristige Unterstützung der sog. „Stakeholder“ existenznotwendig ist und nur durch die Bereitschaft gesichert werden könne, „die Ansprüche der verschiedenen Stakeholder auf Dauer zu erfüllen“, vgl. dazu auch Ringleb/Kramer/Lutter/v. Werder-v. Werder, DCGK, 2003, Rn. 354 f. 172 Ein Synonym für die Bereitstellung von Anreizen ist der Terminus des Verfügens über „Kaufkraft“. Dieser Begriff soll für das Potential stehen, Arbeitnehmer und Gläubiger zu befriedigen, aber auch für die Fähigkeit der Gewinnausschüttung, die ebenfalls zur Existenzsicherung notwendig ist, denn Kreditwürdigkeit bei Fremdkapitalgebern und die Bereitschaft zur Kapitalerhöhung bei Eigenkapitalgebern erfordern angemessene Gewinnausschüttungen, vgl. Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 141. Die Kaufkraft des Unternehmens wird folgerichtig als Existenzbedingung und nicht als Selbstzweck, somit als Mittel zum Zweck bezeichnet, vgl. Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 271; Hans Ulrich, Unternehmungspolitik, S. 123, 136. Synonym für „Beiträge“ sind „Ressourcen“, die das System der Umwelt entnimmt, um das Fließgleichgewicht zu erhalten, so v. Bülow, Systemgrenzen, S. 63.

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rium von „intern“ und „extern“.174 Dill differenziert zwischen einem äußeren und inneren Kreis von Beteiligten. Zum äußeren Kreis sollen gehören Abnehmer, Lieferanten, Interessenverbände, Staatsbehörden. Zu den Lieferanten („suppliers“) zählen nach Dill auch die Kapitalgeber und insbesondere die Eigenkapitalgeber, sodass die außergewöhliche Konsequenz eintritt, dass die „Eigentümer“ dem Unternehmenskern nicht so nah stehen wie die Aufsichtspersonen und Arbeitnehmer, die dem inneren Kreis angehören.175 Nach Mayntz ist Organisationsmitgliedschaft immer Mitgliedschaft um spezifischer Zwecke willen.176 Um Mitglieder von Nicht-Mitgliedern zu trennen, könne man sich verschiedener Kriterien bedienen: der formellen Mitgliedschaft, des subjektiven Zugehörigkeitsgefühls, der Selbstidentifizierung als Mitglied, der Häufigkeit der Interaktion mit anderen Mitgliedern, des Grades der Abhängigkeit von der Organisation, des Maß der persönlichen Bindung an die Organisation, des Umfangs der Tätigkeit für die Organisation.177 Koch unterstellt, die Rangfolge der Berücksichtigung der Interessen richte sich nach der „Nähe zum Unternehmen“. Die Interessen der Anteilseigner und Arbeitnehmer seien daher hauptsächlich zu beachten.178 Eells verfolgt eine Einteilung in direkte und indirekte Interessengruppen.179 Die direkten bestehen für ihn aus „the corporation’s security holders, its customers, its employees, and its suppliers“. Die indirekten sind „competitors and others in the business community, local communities in which a corporation conducts substantial operations, the general public, and governments“ 180.Auch nach v. Bülow bestehen Systeme bzw. Institutionen „– auch – aus Menschen“.181 Dachler zufolge sind Vernetzungen mit Stakeholdern zu unterscheiden, die entweder innerhalb des Systems zu verorten sind oder in das Umfeld des Systems verweisen; die Vernetzungen mit den Stakeholdern seien mithin verschiedenartig eng oder lose gekoppelt.182 I. Ü. wurde auch bei der Untersuchung der Theorien zum materiellen Unternehmensinteresse herausgearbeitet, dass sie sich von einem „personalen“ Substrat kaum jemals lösen; besonders deutlich wird dies bei dem Terminus des „Sozialverbands“.

Hier soll jedoch eine Sichtweise zugrunde gelegt werden, die die natürlichen Personen in die Umwelt des Systems verweist.183 Dies hat den Erkenntnisvorteil, 173 Barnard, Elementary Conditions of Business Moral, S. 1 ff.; ähnlich Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 175. 174 Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 33. 175 Dill, Handbook of Organizations, S. 1077 ff. 176 Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 37. 177 Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 46. 178 Koch, Unternehmensinteresse, S. 203. 179 Vgl. zur Einteilung in Interessengruppen, die direkt oder mittelbar betroffen sind, auch Clemens, Unternehmungsinteresse, S. 221 f., 242; Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 24. 180 Eells, The Meaning of Modern Business, S. 211, 214. 181 v. Bülow, Systemgrenzen, S. 1. 182 Dachler, Integriertes Management, S. 351, 356. 183 So auch Steinmann/Schreyögg, Management, S. 140; auch Teubner, KritV 1987, 61, 65 f., 76, weist auf die besondere Bedeutung der Verweisung natürlicher Personen

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dass das System Unternehmen als rechtliches Gebilde konstituiert werden kann, bei dem die Berücksichtigung von „natürlichen Gegebenheiten“ oder empirischen Erkenntnissen, insbesondere von natürlichen Interessen, einer Rechtfertigung bedürfen (diese Rolle soll dem hier so genannten „rechtlichen Filter“ zukommen). Eine rechtliche Betrachtung der Pflichtenstellung des Vorstands darf nur das berücksichtigen, was ihm auch rechtlich aufgegeben wird. Auf diese Weise soll insbesondere dem Automatismus vorgebeugt werden, dass das „Interesse“ im Rahmen des Untreuetatbestandes eine „strukturelle Koppelung“ direkt und ohne rechtlichen Filter zu natürlichen Personen bildet, die dann nur noch abhängig etwa von der „Nähe zum Unternehmen“ oder der „Aussetzung von Macht“ in ihrer Berücksichtigungsfähigkeit zu „sortieren“ sind. Bis hierhin ist mithin festzustellen: Der Vorstand hat zur Existenzsicherung für ein Fließgleichgewicht („Anreiz-Beitrags-Ausgleich“ oder „Input-Output-Gleichgewicht“ 184) zu sorgen;185 dies resultiert unmittelbar aus dem Interesse des Unternehmens an seinem Bestand und betrifft insbesondere die Bezugsgruppen der Eigenkapitalgeber, Fremdkapitalgeber (jeweils Beitrag „Kapital“), Arbeitnehmer (Beitrag „Arbeitskraft“), der Öffentlichkeit (Beitrag „Akzeptanz“), der Abnehmer (Beitrag „Kaufkraft“), der Gläubiger (Beitrag „Sach- Dienst- oder Werkleistung“) und der Wettbewerber, die zunächst mit ihren natürlichen Interessen der Umwelt des Unternehmens angehören, deren Ressourcen aber für den Bestand des Unternehmens notwendig sind. Inwieweit Anreize zur Herstellung eines Fließgleichgewichts gewährt werden müssen, ist nicht zuletzt von der tatsächlichen Situation des Unternehmens abhängig. An dieser Stelle tritt die bereits oben angesprochene verfahrensmäßige Ausprägung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zutage, die aufgrund des flexibilisierten

in die Umwelt der juristischen Person hin – im grellen Licht der Systemtheorie müssten Mitglieder und Organe zu bloßen Rollenbündeln „verdampfen“. 184 Insoweit ist auch einsichtig, dass der „Hauptzweck“ der Unternehmung nach einigen Beiträgen in der Abgabe von Output-Leistungen, also Leistungserstellung für Dritte, liegen soll und etwa Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 166, daraus ableitet, dass die Unternehmung aufhören müsse zu „funktionieren“, wenn niemand diesen Output benötige. Der Output wird definiert als „Marktleistungen bestimmter Qualität, die in bestimmter Menge zu bestimmten Zeitpunkten an bestimmten Orten für Kunden bereitstehen sollen“ (Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 228). Die Leistung (Output) eines Systems wird nach Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 136 ff., vor allem von den drei Einheiten beeinflusst: Mittel (Input), Umwandlungsprozess und Umwelt. Der Umwandlungsprozess erfordere ein gewisses Maß an Integration und Spannungs- und Konfliktvermeidung. 185 Zum Anreiz-Beitrags-Theorem vgl. Simon, Models of Man; Vogt, Sozialverband, 1981, S. 10, weist in eine ähnliche Richtung, wenn er von der Befriedigung der Bedürfnisse aller Organisationsmitglieder als einem Ziel des Unternehmens ausgeht; auch nach Kessler, AG 1993, 252, 255, hat der Vorstand darauf hinzuwirken, dass ein Unternehmen genügend Beiträge erhalte, im Gegenzug müsse er ausreichend Anreize schaffen.

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Bestandsbegriffs hier ihr Hauptanwendungsfeld (wenn auch nicht das einzige) findet: Vom Vorstand wird nicht die Herstellung eines ex-post zu beurteilenden optimalen Anreiz-Beitrags-Verhältnisses verlangt,186 sondern nur eine geistige Auseinandersetzung mit System und Umwelt zur Herstellung eines Interessenausgleichs, an die verfahrensmäßige Anforderungen gestellt werden. Zur Ausgestaltung des Verfahrens bieten sich insbesondere ein Rückgriff auf die zu § 91 Abs. 2 AktG aufgestellten Regeln187 und Anleihen bei dem Wissenschaftszweig des „normativen Stakeholder-Managements“ an, die sich in Stakeholder-Wahrnehmung, Stakeholder-Durchleuchtung, Ausmachen der Stakeholder-Anliegen und Stakeholder-Bewertung unterteilt und auf deren Erkenntnisse hier lediglich verwiesen werden soll.188 Dass Anforderungen lediglich an das Verfahren gestellt werden, trägt sowohl der notwendigen Flexibilität bei Herstellung des Bestandes Rechnung,189 als auch der Erkenntnis, dass Entscheidungen unter Unsicherheit und Komplexität – gerade die notwendige Reduktion der Komplexität führt aufgrund ausgesonderter Informationen zu Unsicherheit190 – zu treffen sind,191 die eine allgemeingültige Regelung unmöglich machen192 und erst Selbststeuerung Detailreichtum, Dynamik, Vielfalt und Variabilität erzeugen können.193 Besonders plastisch stellt Ackoff die komplizierte Entscheidungslage der Leitungsorgane dar: „Manager sind nicht mit Problemen konfrontiert, die unabhängig voneinander sind, sondern mit dynamischen Situationen, die aus komplexen Systemen von sich verändernden und miteinander interagierenden Problemen bestehen. Ich nenne diese Situation ,Durcheinander‘ “.194 Eine Entscheidung wird auch in der Manage186

Dies würde im Modell die Herbeiführung eines Pareto-Optimums bedeuten. So auch Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 98 f. 188 Vgl. dazu etwa Brink, Ethisches Management, S. 53, 74 ff.: Die StakeholderWahrnehmung bedeute eine noch unsystematische Durchsuchung der Umwelt entweder induktiv oder deduktiv; bei der Stakeholder-Durchleuchtung gehe es um eine gezielte Informationssuche; das Ausmachen der Stakeholder-Anliegen soll eine Prognose über das Verhalten und die Interessen der Stakeholder ermöglichen; bei der Stakeholder-Bewertung sollen die einzelnen Anliegen bewertet werden. 189 s. o., Kapitel 5 A. I. 5. b). 190 Vgl. dazu Steinmann/Schreyögg, Management, S. 141. 191 Die „prozedurale Rationalität“, nach der der Entscheider mangels Möglichkeit einer optimalen Entscheidung zumindest versuchen soll, Verfahren und Techniken einzusetzen, die eine „möglichst gute“ Entscheidung versprechen, ist Kernstück der neueren Entscheidungstheorien, die eine begrenzte Rationalität anerkennen, vgl. Staehle, Management, S. 520; v. Bülow, Systemgrenzen, S. 2 f., führt für den „prozessualen Charakter“ des Managements zudem die menschliche Wahrnehmungs- und Handlungsfreiheit an; auch Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 115, weisen auf die Instabilität der Unternehmung insofern hin. 192 Vgl. v. Bülow, Systemgrenzen, S. 28. 193 Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4, 15. 194 Ackhoff, Journal of the Operational Research Society, Vol. 30 Nr. 2 (1979), S. 93, 99. 187

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

mentlehre durchgehend als Prozess in einem Zeitraum und nicht als Handlung zu einem bestimmten Zeitpunkt angesehen.195

Dass sich diese Unsicherheit im Hinblick auf die verschiedenen Umsysteme seit den 1990er Jahren stark verstärkt hat, kommt noch erschwerend hinzu: Ein Blick auf die Entwicklungsdynamik etwa des Wirtschaftssystems zeigt, dass eine Reihe von Einflussfaktoren zusammen gekommen sind, die in ihrer wechselseitigen Verstärkung zu einer Beschleunigung von Veränderung196 und einer Verkomplizierung der Interaktionen zwischen den Teilbereichen der Gesellschaft aufgrund steigender interner und externer Komplexität197 geführt haben. Das Ausmaß der Ungewissheit ist dadurch erhöht worden, dass überkommene Muster zur Absorption der Unsicherheit versagten.198 Nicht zuletzt deshalb werden mechanistische, an das Bürokratiemodell Webers erinnernde Unternehmenstypen zunehmend kritisch gesehen, anpassungsfähige organische Systemtypen mit flachen Hierarchien (auch: „Netzwerkmodelle“ bzw. „nexus of contracts“ oder „Zeltorganisationen“) präferiert199 und Optimierungsprämissen aufgegeben.200 Bei der Einholung von Informationen darf auch der Zeitfaktor201 nicht unterschätzt werden: Die Relation von System und Umwelt zeigt sich bei den formalen Systemen, und dies dürfte für Unternehmen in besonderem Maße gelten, eben auch in zeitlicher Hinsicht: Die Systeme können zwar ihre eigenen Temporalstrukturen aufbauen, die jeweilige Umwelt kann aber in unterschiedlichem Maße auf ihre spezifische Zeit drängen. So kann die Umwelt dem System nur eine geringe Eigenzeit zugestehen, damit dieses seinen Funktionen nachkommen kann. In diesen Fällen muss das Entscheidungstempo zunehmen.202

195 Vgl. Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 1; Staehle, Management, S. 533; Steinmann/Schreyögg, Management, S. 142; Lindblom, Public Administration Review, 1959, S. 79, 86. 196 Vgl. auch Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 14; Wimmer, Management und Wirklichkeit, S. 265 ff., der dazu u. a. den gesellschaftlichen Trend der Individualisierung und den wachsenden Einfluss des Kapitalmarkts zählt. 197 Vgl. Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4 ff. 198 Vgl. Wimmer, Management und Wirklichkeit, S. 265, 270. 199 Vgl. dazu Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 86, 90; Staehle, Management, S. 466, 471 ff.; nach Steinmann/Schreyögg, Management, S. 86, kann auch dem Stakeholderkonzept der Netzwerkgedanke implementiert werden. 200 Zu den systemtheoretischen Problemen des Optimierungsprinzips auch Luhmann, Zweckbegriff, S. 73 f.; Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 140 f., nach der jedes soziale System, gemessen an entscheidungstheoretischen und kybernetischen Anforderungen, erhebliche Mängel aufweist. 201 Auch die Möglichkeit der Einbeziehung des Faktors Zeit ist ein Vorteil der Systemtheorie gegenüber der klassischen Managementtheorie, vgl. Steinmann/Schreyögg, Management, S. 142. 202 Vgl. Hohm, Soziale Systeme, S. 31; zur Relevanz des Zeitfaktors für die Entscheidung auch RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 12.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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Die Auseinandersetzung mit der Umwelt hat anhand des Rationalprinzips zu erfolgen: Nimmt man an, dass die Verfahrensanforderungen an den Vorstand vorrangig Reflexion begünstigen sollen, so ist das Erfordernis der vernünftigen Entscheidung ein Verweis auf eine gedankliche Suche nach nachvollziehbaren Argumenten und deren kritischer Prüfung.203 Der Vorstand hat anhand ausreichender Information zu eruieren, wie er dem Interesse des Unternehmens nachkommen kann. Die eingeholten Informationen hat er zu gewichten und anhand dieser nach dem Rationalitätsprinzip zu entscheiden. Bei der Verteilung von Anreizen muss der Vorstand ausgleichend und konfliktregulierend wirken.204 Dabei besitzt der Vorstand einen Ermessensspielraum, den er insbesondere dann überschreitet, wenn er es versäumt, überhaupt Informationen einzuholen, bestimmte Aspekte – unzulässigerweise205 – von vornherein außer Acht lässt oder bevorzugt206 oder Umweltaspekte berücksichtigt, die nicht einbezogen werden dürfen (etwa seine eigenen Interessen). Dabei darf nicht vernachlässigt werden, dass dem Vorstand zugestanden wird, die unternehmerische Entscheidung auch auf der Grundlage von Instinkt, Erfahrung, Phantasie und Gespür für künftige Entwicklungen und einem Gefühl für die Märkte und die Reaktion der Abnehmer und Konkurrenten zu treffen.207 Dass daneben auch auf „betriebswirtschaftliche Schwerpunkte“ und „anerkannte betriebswirtschaftliche Verhaltensmaßstäbe“ verwiesen und eine Verbindung zu den Wirtschaftswissenschaften hergestellt wird, ist kein Widerspruch: In den Wirtschaftswissenschaften ist es Allgemeingut, dass auch Entscheidungen, die nicht allein nach rationalen Maßstäben getroffen werden, effizient sein können.208 Die Umwelt-System-Relation wird beim Bestandsschutz anhand einer „Regelung“ konstituiert: Zwecke werden von der Umwelt, Mittel werden vom System, in diesem Fall vom Vorstand, wenn auch anhand von Verfahrensvorgaben, bestimmt. Die Bestandserhaltung determiniert auf diese Weise das gesamte Vorstandshandeln; auch bei fehlender Bestandsgefährdung muss es sein Ziel sein, die Anpassungsfähigkeit des Systems zu gewährleisten und insbesondere für eine Krisensicherheit zu sorgen: Der Vorstand muss sich darüber im Klaren sein, dass 203

Vgl. in anderem Zusammenhang v. Bülow, Systemgrenzen, S. 17. Dazu, dass diese Zielrichtung dem gesamten Recht immanent ist, v. der Pfordten, JZ 2008, 641, 648; Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4, 28. 205 Zu einer Stufenfolge der verschiedenen Aspekte sogleich. 206 Auch nach Teubner, KritV 1987, 61, 84, hat keine der beteiligten Gruppen der juristischen Person einen Anspruch auf Verbandssouveränität; die Privilegierung einer der Gruppen wäre nur suboptimal und würde den „organisationellen Mehrwert“ zerstören. 207 RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 208 Die Theorien der „rationalen Wahl“ wurden durch Theorien der „begrenzt rationalen Wahl“ abgelöst, s. o., Kapitel 3 C. IV. 3. 204

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

zum einen die Bevorzugung einer bestimmten Umwelt das Gleichgewicht des Systems Unternehmen – auch existenzgefährdend – stören kann, wenn es zu einer Krise kommt. Für einen aufschlussreichen Krisenbegriff sie hier eine Anleihe außerhalb der Systemtheorie gemacht. Krisen entstehen nach Habermas, wenn die Struktur eines (Gesellschafts-)Systems weniger Möglichkeiten der Problemlösung zulässt als zur Bestandserhaltung notwendig sind.209 Krisen sind dabei zu definieren als strukturelle Veränderung zwischen gesellschaftlichen Subsystemen. Lässt der Vorstand von vornherein eine starke Dominanz etwa des ökonomischen Systems über die anderen Systeme zu, so kann eine Krise dieser Umwelt das Unternehmen in existenzgefährdende Mitleidenschaft ziehen – dies gilt sowohl in materieller Hinsicht als auch bezüglich der Legitimationsbasis und insbesondere dann, wenn eine Instrumentalisierung der anderen Systeme auch zur Legitimation des ökonomischen Systems nicht mehr funktioniert.210 Die Annahme, die Beziehungen zwischen Unternehmen, zu Abnehmern, Lieferanten, Arbeitnehmern, Fremdkapitalgebern usw. könnten auf rein formale Vertragsbeziehungen reduziert werden, da sich der Interessenausgleich ohnehin am Markt vollziehe,211 ist symptomatisch für eine zugelassene Dominanz des ökonomischen Systems. Auch die Bevorzugung einer bestimmten Gruppe bei Auswahl der Bedürfnisbefriedigung, etwa der Anteilseigner, kann zu einer existenzgefährdenden Krise führen, wenn die in Hochkonjunkturperioden überschüssig bezogenen Ressourcen nicht als „Puffer“ für Notzeiten in ausreichendem Maße zurückgehalten werden.212 209

Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, S. 11. Vgl. dazu insbesondere Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 72 f., der zusätzlich fordert, dass Mitglieder die Strukturwandlungen als bestandskritisch erführen; zu einer gefährlichen Dominanz von betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fakten beim Management vgl. auch Brink, Ethisches Management, S. 53; Offe, Herrschaft und Krise, S. 197, spricht von der „Krise des Krisenmanagements“; vgl. generell zu einem Übergriff einer Legitimationskrise eines Systems in andere insbesondere Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 81 ff.: Mit der Funktionskrise des ökonomischen Systems gehe zum einen eine bereits begonnene Krise der Unternehmungs- und Wirtschaftsphilosophie einher. Zum anderen bewirke die Funktionskrise des ökonomischen Bereichs auch eine Funktionskrise im politischen Bereich: Das politische System stütze sich auf demokratische Legitimation und funktionale Legitimation („Output“). Kann die Leistungserwartung des Bürgers nicht erfüllt werden, insbesondere auch, da das sozio-kulturelle System nicht mehr genug Legitimation für das politische hervorbringt, so gerät das politische System erst ebenfalls in eine Funktionskrise und dann, da die Funktion Bestandteil der Gesamtlegitimation ist, in eine Legitimationskrise. Mit Schaffung einer pluralistischen Legitimationsbasis der Unternehmung könnte die Legitimationskrise aber wieder ins ökonomische System zurückverschoben werden. 211 Steinmann, Großunternehmen, S. 9; nach Raiser, ZRP 1981, 30, 31, soll die Zuweisung größerer Entscheidungsmacht auch schlicht damit zusammenhängen, dass im 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung das Kapital knapper als Arbeitskräfte war. 212 Nach Cyert/March, Theorie der Unternehmung, S. 42, spielt dieser organisationale „Slack“ eine hervorragende stabilisierende und überlebenswichtige Rolle. 210

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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Zum anderen kann das System Unternehmen durch „Rücksichtslosigkeit“ zu einer bedrohlichen Umwelt für sonstige Teilsysteme werden,213 die auf Bedrohung ggf. existenzgefährdende Reaktionen zeigen könnten. Stets hat der Vorstand also auf ein krisensicheres Fließgleichgewicht an allen Umweltgrenzen zu sorgen, wobei der Begriff „Fließgleichgewicht“ nach dem Gesagten als Synonym für einen Interessenausgleich214 verwendet werden soll, der rein verfahrensmäßig ausgestaltet ist und auf einer ex-ante-Sicht basiert. Kernstück des Ganzen ist, dass der Vorstand sich mit allen Umwelten des Unternehmens auseinandersetzen muss und nicht eines von vornherein überbewerten darf; dies könnte – aus der ex-ante Sicht – zu einem Ungleichgewicht des Unternehmens führen (insbesondere, da die Krise einer Umwelt andere nach sich ziehen kann). Die herausgearbeiteten Anforderungen an Bestandsschutz und Krisensicherheit durch Herstellung eines Fließgleichgewichts lassen dem Vorstand bereits einen Ermessensspielraum, zur Gewährleistung der notwendigen Beiträge auch die natürlichen Interessen verschiedener Bezugsgruppen zu berücksichtigen, um daran die Anreize auszurichten. Die Berücksichtigung natürlicher Interessen findet jedoch dort eine Grenze, wo sie durch Gesetz, Satzung, Beschluss und Richtlinien mediatisiert werden. c) Gesetze, Satzung, Beschluss und Richtlinien Die „klassische“ Form der Aufgabe einer Berücksichtigung von bestimmten Aspekten ist das gesetzliche Gebot bzw. Verbot. So gibt es verschiedenste Anforderungen durch Gesetz, etwa bezüglich der Kapitalerhaltung, der Buchführung, der Mitbestimmung, des Wettbewerbs etc. Um einer Kriterienreduktion vorzubeugen, sind hiermit zunächst alle rechtlichen Normen gemeint, die sich an die Aktiengesellschaft (inklusive deren Organe), den Betrieb und das Aktienunternehmen als Rechtssubjekte oder -objekte wenden. Durch gesetzliche Ge- und Verbote werden mithin Umweltaspekte auf der einen Seite zwingend in das System Unternehmen implementiert, wenn auch natürliche Interessen stark mediatisiert sind. Auf der anderen Seite ist es dem Vorstand nicht gestattet, bestimmte natürliche Interessen zu berücksichtigen, so etwa die eigenen: § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kommt dem Vorstand nicht zugute, wenn er das Loyalitätsprinzip verletzt, indem er aus persönlichen Interessen handelt. Dieses Prinzip wird nur dann aufgehoben, wenn das Eigeninteresse ausnahmsweise mit berücksichtigungsfähigen Interessen konform geht. Davon zeugen u. a. die Vorschriften, die Aktienoptionen zulassen. 213

Dazu Teubner/Willke, ZfRSoz 1984, 4, 14. Dies wäre ein eher ungünstiger Begriff, da er die Selbständigkeit der Interessen m. E. zu stark betont. 214

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Die zweite Stufe sind Satzungen und Beschlüsse, deren Beachtung gesetzlich angeordnet ist. Eine Berücksichtigung der mediatisierten Interessen ist nur dann zulässig, wenn die Interessen mit dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren in das Unternehmen eingebracht werden, etwa durch Satzungsbestandteile oder Beschlüsse, die sowohl formell als auch materiell rechtmäßig sind. Die Aktionäre unterliegen bei ihrer Abstimmung strengen Schranken, insbesondere den Erfordernissen, die § 241 Abs. 1 Nr. 3 AktG aufstellt, die wiederum der Interessenberücksichtigung anderer Interessengruppen dienen. Die dritte Stufe besteht in Entscheidungen durch Kollegialorgane – insbesondere durch Vorstand und Aufsichtsrat. Die gesetzliche Korsage wird bei jeder Stufe weiter, die Autonomie des Systems bei jeder größer215 und die Mediatisierung von natürlichen Interessen bei jeder Stufe geringer: Gesetzliche Ver- und Gebote sind starr und als „Steuerung“ des Systems durch die Umwelt anzusehen. Satzung und Beschlüsse sind noch an strenge Regeln gebunden, die das Eindringen von Interessen in das System Unternehmen reglementieren; dies bedeutet nur noch eine „Regelung“ des Systems durch die Umwelt. Im Aufsichtsrat sind die Voraussetzungen von persönlicher Diskussion und Konfrontation, das Einbringen natürlicher Interessen gegeben, insbesondere sofern man das „Konfliktmodell“ zugrundelegt. Wenn auch die Voraussetzungen des Diskursmodells nicht annähernd erreicht sind – diese sind eher „ideale Messlatte“ 216 –, so kommt doch der Aufsichtsrat dem am nächsten, sodass insoweit bereits von einer „Anpassung“ des Systems gesprochen werden kann. Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe der Kontrolle – dies ist Gegenstück zu der dem Aktienunternehmen und auch dem Vorstand eingeräumten Autonomie. Er wird jedoch zunehmend auch als beratendes Organ tätig; dies ermöglicht ihm eine institutionalisierte Interaktion mit dem Vorstand – auch bei Selektion und Komplexitätsreduktion der Umwelt – und hebt ihn damit von sonstigen Bezugsgruppen, die auf eine Reaktion (etwa: Boykott durch Kunden, Kündigung von Verträgen durch Gläubiger usw.) verwiesen sind, ab.217 Der Wille des Gesetzgebers geht dahin, die (natürlichen) Interessen von Anteilseignern und Arbeitnehmern zusätzlich berücksichtigungsfähig zu machen, 215 Nach Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 29, ist daher Ermessen auch Ausdruck der Verbandsautonomie. 216 Zu dieser Funktion der Diskursethik auch Steinmann/Löhr, Unternehmensethik, S. 71. 217 Dass der Aufsichtsrat unternehmerische Entscheidungen zu treffen hat, ist seit BGHZ 135, 244 ff. – ARAG/Garmenbeck deutlich; vgl. auch Mutter, Unternehmerische Entscheidungen; auch in den Wirtschaftswissenschaften werden Vorstand und Aufsichtsrat als Träger von Unternehmenführungsentscheidungen angesehen, vgl. etwa Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 39.

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indem er ihnen eine Plattform zur Verfügung stellt,218 deren Beachtung durch den Vorstand er nicht zuletzt dadurch garantiert, dass der Aufsichtsrat den Vorstand bestellen und abberufen kann.219 Dabei lässt der Gesetzgeber zu, dass die Anteilseigner auch Vertreter sonstiger Interessengruppen in den Aufsichtsrat entsenden; auf diese Weise beeinflussen auch deren natürliche Interessen das System Unternehmen. Diese können Kreditinstitute220 oder wichtige Geschäftspartner vertreten.221 Umstritten ist dabei, ob auch das „öffentliche Interesse“ im Aufsichtsrat vertreten sein kann. Es besteht die Möglichkeit, unabhängige Persönlichkeiten in den Aufsichtsrat zu entsenden, von denen von vornherein die Vertretung der „Öffentlichkeit“ zu erwarten ist.222 In Betracht kommt zudem, Banken, Gewerkschaften oder die öffentliche Hand als Repräsentanten der Öffentlichkeit anzusehen –223 bei den Banken kommt dieser Gedanke aufgrund ihrer mannigfaltigen Stellung als Eigentümerin, Depotstimmrechtshalterin und Gläubigerin auf. Die Gewerkschaften sind nicht nur Vertreter der Beschäftigten des konkreten Unternehmens, sondern der ganzen Arbeitnehmerschaft; auch über diese Funktion sind sie bereits weit hinausgewachsen, wenn ihr Engagement im wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben gewürdigt wird.224 Zu erwägen wäre es, ob das „neutrale“ Mitglied des Aufsichtsrats, der aus einer ungeraden Anzahl besteht, als Interessenwahrender in Betracht käme.225 Die Beantwortung dieser Frage 218 Auch Steinmann/Gerum, Unternehmensverfassung, S. 73, 83, 85 ff., heben die Bedeutung des Aufsichtsrates hervor: Sie gehen davon aus, dass eine Rationalität des Wirtschaftens nur pluralistisch und prozessual hergestellt werden könne – sie verweise gar auf Interaktion zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. 219 Zu dem entscheidenden Recht für die Trägerschaft eines politischen Systems, die Kernorgane dieses politischen Systems zu bestellen auch Kirsch, Entscheidungsprozesse III, S. 123; zur Übertragung auf die Rolle von Kapitaleignern und Arbeitnehmern Kessler, AG 1993, 252, 257. 220 Bereits früher waren Vertreter von Banken häufig Aufsichtsratsmitglieder, vgl. dazu bereits Rathenau, Vom Aktienwesen, 1918, S. 16; vgl. auch „Sechser Bericht“, S. 45; Steinmann, Großunternehmen, S. 182. 221 Dazu „Sechser Bericht“, S. 43; Steinmann, Großunternehmen, S. 182. 222 Im „Sechser Bericht“, S. 48, wird als Beispiel der Nobelpreisträger Prof. Werner Heisenberg genannt, der dem Aufsichtsrat der Telefunken Aktiengesellschaft angehörte; vgl. auch Steinmann, Großunternehmen, 1969, S. 229. 223 „Sechser Bericht“, 1968, S. 50 ff. 224 Davon, dass die Gewerkschaften weder zur Anteilseigner- noch zur Arbeitnehmerseite gehören, scheint auch Ballerstedt FS Duden, 1977, S. 15, 33, auszugehen, wenn er eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats durch Vertreter der Kapitaleigner und der Arbeitnehmer, zuzüglich zwei oder drei Gewerkschaftsvertreter vorschlägt – Ballerstedt ist in seiner Formulierung jedoch nicht eindeutig; zu berücksichtigen ist zudem, dass es sich um einen Aufsichtsrat im Sinne des von ihm definierten „Unternehmensrechts“ handelt; dennoch dürften die Überlegungen ihrem Grunde nach übertragbar sein; vgl. zum Ganzen „Sechser Bericht“, 1968, S. 173 ff. 225 Vgl. zu dieser Erwägung „Sechser Bericht“, S. 49.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

dürfte jedoch vorrangig von der tatsächlichen Situation im Aufsichtsrat, dem Agieren des Aufsichtsratsmitglieds und ggf. dessen Selbstverständnis abhängen. Dabei ist zu beachten, dass die zusätzliche Legitimation durch den Gesetzgeber, der die Vertretung von Anteilseignern und Arbeitnehmern, nicht jedoch die sonstiger Dritter vorsieht, fehlt. Eine Sonderstellung nimmt die Selbstbindung der Unternehmen in Form von Richtlinien („Codes“) ein. Diese Richtlinien betreffen nicht zuletzt die Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit an den verschiedenen „Stakeholdern“ und der Verfolgung von ethischen Maßstäben. Hier konstituiert sich eine neue Form der Internalisierung von Umweltaspekten durch autonome Regelungsmechanismen des Unternehmens; Unternehmen sind dabei nicht auf Satzung und Beschlüsse beschränkt. Welche Organe an dem Zustandekommen des jeweiligen Codes zu beteiligen sind, ergibt sich aus dem Inhalt des Codes und richtet sich nach den jeweils gesetzlichen Verfahrens- und Formvorschriften. Der Erlass derartiger Codes kann mithin je nach Inhalt strengeren oder weniger strengen Reglementierungen unterworfen sein. Verfahrensmäßige Anforderungen stehen bei diesem Teil des „Wohls der Gesellschaft“ eher im Hintergrund – grundsätzlich kann der Vorstand „vernünftigerweise“ nur dann annehmen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, wenn er Gesetze, Satzung und Beschlüsse einhält. Anderes gilt jedoch zum einen bei unklarer Gesetzeslage: Hier kann der Vorstand jeder „vertretbaren“ Auslegung folgen. Die „angemessene Information“ kann beispielsweise anhand von Gutachten eingeholt werden. Zum anderen greift ein verfahrensmäßiger Ausgleich ggf. bei Pflichtenkollisionen. d) Gewinnmaximierung/Schädigungsverbot? Die Pflicht, den Gewinn zu maximieren, ließ sich ebenso wenig dem gesetzlichen System entnehmen wie ein Schädigungsverbot. Es kann lediglich festgehalten werden, dass zum einen die Erzielung eines angemessenen Gewinns ein Basis-Ziel der Unternehmung darstellt, um ihren Bestand durch die Möglichkeit von Anreizen zu erhalten.226 Zum anderen ist das Interesse an einer Nicht-Schädigung bzw. einer Gewinnmaximierung natürlichen Interessen der Bezugsgruppen immanent, die bei der Herstellung des Fließgleichgewichts durch den Vorstand berücksichtigt werden können. Eine Ausrichtung an diesem Interesse darf jedoch nur dann stattfinden, wenn die verfahrensmäßigen Anforderungen eingehalten werden, insbesondere also das Ziel einer Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Value nicht ohne weitere Prüfung vom Vorstand angenommen wird. 226

Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 210.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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6. Zwischenergebnis Den Vorstand trifft die Pflicht, den Bestand des Unternehmens zu sichern. Das bedeutet auch die Herstellung eines Fließgleichgewichts. Begrenzt ist das ihm dabei zukommende Ermessen zum einen durch inhaltlich bestimmte Ge- und Verbote (etwa durch Gesetz, Satzung usw.), zum anderen durch Verfahrensanforderungen. Die gesellschaftsrechtliche Pflichtenstellung bezüglich natürlicher Interessen lässt sich wie folgt darstellen:

Arbeitnehmer

Gläubiger

Unternehmenn & Vorstand als Organ Anteilseigner

Vorstand als natürliche Person

Anreiz ↔ Beitrag

Es wird deutlich, dass natürliche Interessen grundsätzlich zur Umwelt des Unternehmens gehören. An manchen Stellen ist der rechtliche Filter durchlässig und lässt natürliche Interessen zu – dies jedoch nicht „ungefiltert“, sondern nur bei Einhaltung bestimmter Vorgaben. Anders ist dies lediglich bei denjenigen Interessen, die im Rahmen der bestandserhaltenden Anreiz-Beitrags-Strategie vom Vorstand in das Unternehmen „hinein geholt“ werden. Viele der natürlichen Interessen werden ausschließlich durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber direkt berücksichtigt und in gesetzliche Ge- und Verbote überführt. Die Interessen mancher Gruppen dürfen durch gesetzlich vorgesehene Mechanismen in den vorgesehenen Organen agieren und reglementiert ihre natürlichen Interessen einbringen. Letztlich ist es dem Vorstand gestattet, unter verfahrensmäßigen Vorgaben natürliche Interessen berücksichtigungsfähig zu machen.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Zur Verdeutlichung: Spendet etwa der Vorstand eines Aktienunternehmens aus dem Unternehmensvermögen (ohne Verletzung der Kapitalerhaltung) an die Deutsche Krebshilfe, gibt er Prämien an verdiente ausscheidende Mitarbeiter aus, schafft er besonders umweltfreundliche Produktionsgeräte an, die teurer sind als solche, die den gesetzlichen Standard gerade noch entsprechen, kauft er teurere Textilien, da die billigeren von Herstellern stammen, die früher mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht wurden, macht aber keine dieser Ausgaben „medienwirksam“, „schädigt“ rein vermögensmäßig also das Unternehmen, so kann ihm unter folgenden Voraussetzungen trotzdem keine untreuerelevante, weil interessewidrige Handlung unterstellt werden. Er hat aus der ex-ante-Sicht ein Fließgleichgewicht hergestellt, sich insbesondere mit allen relevanten Umwelten rational auseinandergesetzt. Der Vorstand schließt aus der ex-ante-Sicht unternehmensbezogene Krisen der Umwelten aus. Dies bedeutet im konkreten Fall vor allem, dass er durch die überobligatorischen Ausgaben keine der notwendigen Umwelten derart vernachlässigt, dass sie den Ressourcen-Input einstellt. Eine andere Beurteilung ist dann geboten, wenn der Vorstand die Spenden etwa aus Eitelkeit tätigt: Die eigenen, persönlichen Interessen des Vorstands werden rechtlich „ausgefiltert“ und dürfen von dem Vorstand nicht berücksichtigt werden. Schenkt der Vorstand anderen Umwelten neben der ökonomischen von vornherein keine Beachtung, etwa mit der Schutzbehauptung, nur ein gewinnmaximierendes Unternehmens könne auf Dauer bestehen (und sei insbesondere vor den sog. „Raidern“ sicher), so ist er den Anforderungen an die verfahrensmäßige Herstellung eines Fließgleichgewichts nicht nachgekommen und kann daher auf diese Weise das Interesse des Unternehmens nicht definieren. Muss das Unternehmen nach einer – tatsächlich unvorhersehbaren – Finanzkrise abgewickelt werden und wäre dies bei einem rein gewinnmaximierenden Handeln des Vorstands in den vorhergehenden zehn Jahren nicht der Fall gewesen, so hat der Vorstand dennoch interessekonform gehandelt, wenn er aus der ex-ante-Sicht ein Fließgleichgewicht hergestellt hat.

II. Rechtlicher Komplexitätsfilter III: Verhältnis der Interessen zueinander Der Vorstand sieht sich also verschiedensten Verhaltensanforderungen bzw. Interessen, die durch materielle Vorgaben bzw. Verfahren generiert werden, ausgesetzt. Kommt etwa den sonstigen Gesetzesvorschriften die Funktion zu, dem Vorstand generell aufzugeben, welche (Umwelt-)Aspekte er in derartigen Fallgestaltungen zu berücksichtigen hat bzw. nicht berücksichtigen darf, so muss es Instrumente geben, um die im konkreten Fall insoweit nicht ausreichende Komplexitätsreduktion zu ergänzen.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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Diese Instrumente sind im strafrechtlichen Bereich insbesondere § 34 StGB und die sog. „Pflichtenkollision“, die entweder als besonderer Fall des Notstandes gesehen227 oder direkt aus dem verfassungsrechtlichen Übermaßgebot abgeleitet wird. Beides wird im Rahmen der Vermögensdelikte nur zurückhaltend angewendet.228 Die Instrumente unterscheiden sich in maßgeblicher Hinsicht: Während der Notstand voraussetzt, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen (namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren) das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt, ist Voraussetzung einer „echten“ Pflichtenkollision, dass gleichwertige Pflichten aufeinandertreffen. Anhand von § 34 StGB entscheidet der Gesetzgeber abstrakt, welches Interesse straflos einem anderen vorgezogen werden darf, während es im Falle einer Pflichtenkollision etwa dem Vorstand obliegen würde, zu entscheiden, welcher Pflicht er unter Vernachlässigung der anderen nachkommen will.229 Im systemtheoretischen Modell bedeutet dies, dass anhand von § 34 StGB die rechtliche Komplexität weiter reduziert wird, während die Pflichtenkollision die Reduktion dem Vorstand auferlegt. Obwohl Sachverhalte, die Vermögensdelikte betreffen, nur selten über die Instrumente des Notstands und der Pflichtenkollision einer Lösung zugeführt werden, gibt es doch praktische Anwendungsfälle. Über Notstandsgesichtspunkte wurden insbesondere in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts Fallgestaltungen gelöst, in denen eine Kollision von Gesetzesvorschriften und der Bestandserhaltung des Unternehmens in Rede stand: Der Geschäftsleiter verstieß gegen die damaligen Preisvorschriften (etwa: Überschreitung der Höchstpreise für Gussbruch, Getreide und Steinkohle), um den Bestand des Unternehmens zu retten. Zur Abwägung gelangten Interessen der Allgemeinheit und Interessen der Arbeitnehmer. Das OLG Hamm führte dazu aus, dass, handelte es sich im konkreten Fall um eine größere Anzahl von Arbeitsplätzen, deren Erhaltung das höherwertige Gut sei.230 Hinge227 Für das weitgehende Aufgehen der Pflichtenkollision in § 34 StGB, vgl. Lackner/ Kühl, StGB, § 34 Rn. 15; a. A. MüKo-Erb, StGB, § 34 Rn. 36, 39; Schönke/SchröderLenckner/Sternberg-Lieben, StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 71/72. 228 So bereits Kienapfel, JR 1977, 27; auf die Bedeutung der Notstandsregeln im Bereich der Untreue hinweisend insbesondere Bernsmann, GA 2009, 1, 7; § 34 StGB als Teil der Rechtswidrigkeit anführend LK-Hübner, 10. Aufl., § 266 Rn. 101; ebenso Schönke/Schröder-Perron, StGB, § 266 Rn. 48. 229 Deshalb zeichnen sich nach MüKo-Erb, StGB, § 34 Rn. 39, „echte“ Kollisionen durch zwei kollidierende Handlungspflichten aus, von denen keine im Vergleich zu der anderen eine so überragende Bedeutung hat, dass man die Nichterfüllung einer der beiden nach § 34 StGB rechtfertigen könnte – der Vorstand habe „wahlweise“ der einen oder anderen Pflicht nachzukommen; nach Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 145, gibt es bei gleichem Bestrafungsanreiz keine Präferenzrelation; auch nach Joerden, Dyadische Fallsysteme, S. 90, ist der maximale Rechtsgüterschutz erreicht, gleichgültig welche Pflicht erfüllt werde; für eine mögliche Wahl Scheid, Pflichtenkollision, S. 157. 230 OLG Hamm NJW 1952, 838 f.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

gen soll nach dem BayObLG dem Bedürfnis der Allgemeinheit an einem gefestigten Preisgefüge in der Regel der Vorzug zu geben sein vor den Belangen eines einzelnen Betriebes und seiner Arbeitnehmer.231 Das OLG Köln hob die Bedeutung des Einzelfalls hervor, führte aber allgemein aus: „In Übereinstimmung mit der h. Rspr. und Lehre ist davon auszugehen, daß die Berufung auf übergesetzlichen Notstand im Wirtschaftsstrafrecht möglich ist [. . .].“ 232 Auch der BGH erkannte an, dass eine beiderseitige Gefährdung von geldlichen Mitteln nicht schon wegen der Gleichartigkeit bezüglich des Rechtsgutes eine Höherwertigkeit des einen Verlustes ausschließe. Vielmehr sei eine Notstandslage denkbar, wenn sich Verluste sehr verschiedener Größenordnung entgegenstünden.233 Überhaupt bestehe kein Anlass, den § 34 StGB bei Vermögensstraftaten unangewendet zu lassen;234 dem Ziel der Bestandserhaltung stünden auch nicht die im Insolvenzfall verfügbaren Insolvenzregeln entgegen.235 Die Frage eines Widerstreits gesetzlicher Pflichten wird insbesondere in Fallgestaltungen virulent, in denen auf der einen Seite die Abführung von Verbindlichkeiten im Sinne des § 266a StGB, auf der anderen Seite die Massesicherungspflicht (§ 64 Abs. 1 GmbHG; § 92 AktG) aufgegeben werden. Dabei wurde zunächst ein Vorrang der in § 266a StGB genannten Ansprüche angenommen, der aus dem strafrechtlichen Schutz resultiere236; dieser Vorrang begründe eine Höherwertigkeit, sodass eine Pflichtenkollision einerseits deswe231 Das BayObLG NJW 1953, 1602 f., kommt zu diesem Ergebnis aber insbesondere anhand der Umstände im konkreten Fall und hebt zudem hervor, dass die Erhaltung von Arbeitsplätzen auch ein Interesse der Allgemeinheit darstelle. 232 OLG Köln NJW 1953, 1844. 233 BGHSt 12, 299, 304 – Musikakademie-Entscheidung: In diesem Fall ging es um den drohenden Verlust von Reisevorbereitungskosten für eine Konzertreise der „D SAkademie e.V.“ in Höhe von 80.000 DM gegenüber einem Verlust von 5.000 DM der M-Akademie; dieser Grundsatz wurde allerdings eingeschränkt durch BGH JR 1977, 26 f., wonach eine Notstandslage zumindest dann ausgeschlossen ist, wenn die Nachteile in den eigenen Risikobereich fallen (hier: Verwendung von Mandantengeldern zur Rettung einer Anwaltskanzlei) – eine Notstandslage bei quantitativ unterschiedlich großen drohenden Verlusten erscheine zwar nicht als ausgeschlossen, aber „nur bei ganz außergewöhnlichen Umständen wird das durch die Tat wahrgenommene Vermögensinteresse in der konkreten Lebenssituation [. . .] als schutzwürdiger angesehen werden können“; zustimmend Kienapfel, JR 1977, 27, nach dem durch die Entscheidung die „Dinge endlich ins rechte Lot gerückt worden sind“; vgl. zur Kollision von Vermögenswerten auch Schönke/Schröder-Perron, § 34 Rn. 26. 234 Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 168, führt in dem Zusammenhang aus, eine Rechtfertigung werde zwar nicht häufig gelingen, sei aber nicht ausgeschlossen – denkbar sei etwa das Außerachtlassen von Risikonormen bei Vergabe von Sanierungskrediten, um etwa Arbeitsplätze dieses Unternehmens zu retten. 235 Kritisch NK-Kindhäuser, StGB, § 266 Rn. 124, nach dem es bei Pflichtverletzungen zur Abwendung eines drohenden Vermögensverfalls an der Angemessenheit fehlen könne, da bei finanzieller Leistungsunfähigkeit die Vollstreckungs- und Insolvenzregeln vorrangig zu beachten seien. 236 BGHSt 47, 318, 321.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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gen schon nicht in Betracht komme, andererseits die Zahlung der Verbindlichkeiten im Sinne des § 266a StGB aber auch mit den Pflichten eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sei.237 Genau genommen handelt es sich bei dieser Lösung des Problems um eine Anwendung der Notstandsregeln, die aber bereits eine tatbestandliche Wirkung durch den Einfluss auf die Figur des „ordentlichen Geschäftsmannes“ entfalten. Eingeschränkt wird dieser Vorrang lediglich in der 3-Wochen-Frist bis zur Antragstellung (§ 64 Abs. 1 GmbHG). In dieser Zwischenphase rechtfertige der § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG die Nichtabführung der Arbeitnehmerbeiträge. 238 Dabei geht der 5. Strafsenat des BGH ersichtlich nicht von einer Rechtfertigung durch Pflichtenkollision aus: Da bereits eine Strafbarkeit gemäß § 266a StGB entfiele (und daher auch eine zivilrechtliche Schadensersatzforderung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266aStGB, könne sich der Geschäftsführer im gegenteiligen Fall der Abführung der Sozialbeiträge nicht ohne Weiteres darauf berufen, er habe mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns im Sinne des § 63 Abs. 2 S. 2 GmbHG gehandelt.239 Der Senat nimmt in diesem Fall an, dass die Massesicherungspflicht höherwertig sei und nimmt dem Geschäftsführer auf diese Art und Weise die Möglichkeit, wahlweise die eine oder andere Verpflichtung zu erfüllen. Lässt der Geschäftsführer die 3-Wochen-Frist verstreichen, so kommt es wieder zum Vorrang der Verpflichtung, die Arbeitnehmerbeiträge zu begleichen; wieder beruft sich der Senat zur Begründung des Vorrangs auf die Strafbewehrung.240 Der II. Zivilsenat des BGH hielt die Vorstellung, der Anspruch auf Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherungsleistung sei privilegiert, zunächst für verfehlt.241 Einen Vorrang aus § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) KO a. F. abzuleiten, war nach seiner Auffassung zwar gerechtfertigt. Nachdem die Konkursordnung nicht mehr gelte, könne aber kein Vorrang mehr angenommen werden (die Argumentation, den Vorrang aus der Strafbewehrung abzuleiten, hielt er nicht für erwähnenswert).242 Diesem angeblichen Paradigmenwechsel tritt der 5. Strafsenat unter Hinweis auf den Vorrang aus § 266a StGB selbst und nicht aus der Konkursordnung entgegen und hält an seiner bisherigen Differenzierung zwischen der Pflichtenstellung innerhalb und außerhalb der 3-Wochen-Frist fest.243 Dem folgt in seiner nächsten Entscheidung auch der II. Zivilsenat des BGH: Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung sei der Vorrang der strafbewehrten 237

BGHZ 134, 304 ff.; OLG Hamm ZInsO 2003, 35 f. BGHSt 48, 307. 239 BGHSt 48, 307, 310. 240 BGHSt 48, 307, 310 f. 241 BGH DStR 2005, 978, 980. 242 BGH DStR 2005, 978. 243 BGH DStR 2005, 1867 ff.; dem schließt sich das Hanseatisches OLG ZIP 2007, 725 ff., an. 238

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Abführungspflichten nach § 266a StGB gegenüber der Massesicherungspflicht nach Ablauf der 3-Wochen-Frist anzunehmen. Komme der Vorstand oder Geschäftsführer dieser Pflicht nach, so könne darin kein Verstoß gegen die Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers gesehen werden;244 dies schließe auch eine Pflichtenkollision von vornherein aus.245 Diese Grundsätze übertrug der II. Zivilsenat auf die Kollision der Massesicherungspflicht mit der mit Untreuestrafbarkeit bedrohten Pflicht zur Verwendung von Geldern auf Weisung der Konzernmutter.246 Auf die hier interessierenden Fallgestaltungen übertragen lassen sich verschiedene Konstellationen von Kollisionen ausmachen, von denen jedoch nur einige einer Lösung über § 34 StGB oder der „Pflichtenkollision“ überhaupt bedürfen: Gesetze, Satzung, Beschlüsse und Richtlinien stehen in unterschiedlichen hierarchischen, zeitlichen und sachlichen Verhältnissen, sodass bei Kollisionen zunächst die gängigen rechtlichen Instrumente zum Einsatz kommen,247 die die bestehende Komplexität bereits weitgehend reduzieren. Die ausgeblendeten Vorschriften können keine Interessen des Unternehmens mehr generieren. Nimmt man etwa die Pflicht des Vorstands, ein Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht herzustellen, ist offensichtlich, dass hier konfligierende Interessen aufeinanderprallen. Pflicht des Vorstands ist jedoch bereits der Ausgleich an sich, nicht die Berücksichtigung der einzelnen Interessen, sodass es insofern zu einem Fall des § 34 StGB oder der Pflichtenkollision kaum je kommen dürfte. Die Problematik des Ausgleichs von Anreizen und Beiträgen wird zumeist unter dem Aspekt des „Arbeitsplatzerhalts“ diskutiert und kann vor allem in zwei Konstellationen problematisch werden: Zum einen können Arbeitsplätze vernichtet werden, um den Unternehmensbestand zu retten und damit andere Arbeitsplätze zu erhalten. So kommt etwa Koch zu dem Ergebnis, dass die Stilllegung von Abteilungen oder Standorten im Arbeitnehmerinteresse liege, wenn die Mehrheit der Arbeitsplätze dadurch gesichert wird.248 Durch die Stilllegung würden lediglich die Arbeitnehmer benachteiligt werden, deren Arbeitsplätze wegfallen.249 Zum anderen kann der Erhalt

244 BGH NJW 2007, 2118 ff.; BGH DStR 2008, 1492; dem schließt sich der BFH in BFHE 222, 228, an; BGH NJW 2009, 295, wonach der Rechtfertigungsgrund innerhalb der 3-Woche-Frist bei Unterlassen der fristgemäßen Stellung des Insolvenzantrags rückwirkend entfallen soll. 245 BGH DStR 2008, 1492. 246 BGH NZI 2008, 509. 247 Etwa: „lex superior derogat legi inferior“, „lex posterior derogat legi priori“, „lex specialis derogat legi generali“, mit den rechtlich angeordneten Folgen der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, Unwirksamkeit. 248 Koch, Unternehmensinteresse, S. 206. 249 Koch, Unternehmensinteresse, S. 140, 145. Zu dieser Argumentation kommt noch folgende Erwägung: „Gerade in Stilllegungsfällen ist eine ebenso objektive wie schnelle Entscheidung erforderlich, ohne daß schwerfällige Verfahrensregeln oder Gruppeninteressen dies behindern.“

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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von Arbeitsplätzen mit anderen Aspekten, etwa dem finanziellen Interesse der Aktionäre kollidieren. Die Frage ist dann, ob selbst ein noch so großer Vorteil für die Aktionäre nicht die Beeinträchtigung der Existenz und der Entwicklung des Unternehmens bzw. des Bestandes von Arbeitsplätzen zu legitimieren vermag.250

Erst Kollisionen, die nicht bereits auf diesen Wegen aufgelöst werden konnten, können einer Lösung über § 34 StGB oder der Pflichtenkollision zugeführt werden. Dabei ist zunächst zu entscheiden, ob sich das rechtliche Rangverhältnis, das bei den o. g. rechtlichen Instrumenten Bedeutung erlangt und dort bereits von vornherein die Interessengenese durch die jeweilige Vorschrift ausschließt, bei den bereits generierten Interessen fortzuführen ist. Dies ist zu bejahen. Es handelt sich hier um eine rechtliche Untersuchung, die sich, würde sie das Rangverhältnis ignorieren und beispielsweise „ökonomisch lohnenswerte“ Gesetzesverletzungen anerkennen, in Widerspruch zu ihren eigenen Prämissen setzen würde, dass die generierten Interessen des Unternehmens rechtlich legitimiert sein müssen. Es handelt sich bei den Fallgestaltungen nicht etwa um kollidierende Vermögenswerte, sondern zunächst um kollidierende Interessen. Bereits ihre Genese stattet die einzelnen Interessenbestandteile mit einem Rang aus, den es durch den Vorstand zu beachten gilt. Dies ist im Rahmen der Untreue eine insoweit ungewöhnliche Konstellation, als der Treunehmer in den „Normalfällen“ weder kollidierende noch rein rechtstechnisch generierte Interessen des Treugebers auszugleichen hat.251 Eine Rangfolge existiert mithin im Hinblick auf Gesetz, Satzung und Beschluss in dieser Reihenfolge. Welchen Rang die Richtlinie einnimmt, hängt vom Verfahren ihrer Einführung in das System Unternehmen, mithin von ihrem inhaltlichen Regelungsgehalt, ab. Besteht eine Kollision innerhalb eines Ranges, handelt es sich grundsätzlich – die Fülle der möglichen Kollisionen ist so unüberschaubar und der „konkrete Grad“ des Rechtsgutbeeinträchtigung252 fallabhängig, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass es im Einzelfall anders sein kann – um gleichwertige Interessen, deren Konflikt anhand des Instrumentes der Pflichtenkollision zu lösen ist. Bei einer Kollision über die verschiedenen Ränge hinweg kann dem Vorstand die Vernachlässigung des niederrangigen Interesses durch § 34 StGB erlaubt sein. 250 Bejahend Semler FS Raisch, S. 291, 296 ff., unter erfolgsorientiertem Aspekt: Der Vorstand sei verpflichtet, Schaden und Risiken vom Unternehmen abzuwenden; unter verfahrensmäßigem Aspekt: Die Erfüllung dieser Pflicht werde versäumt, wenn der Vorstand unter Voranstellung der Aktionärsinteressen Arbeitsplätze von Mitarbeitern des Unternehmens gefährdet; vgl. dazu auch Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 27; Groh, DB 2000, 2153, 2158. 251 Vgl. oben, Kapitel 5 A. I. 4. 252 Zu dessen Bedeutung Joerden, Dyadische Fallsysteme, S. 89.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Problematisch ist die Einordnung des Bestandes; auch hier ist den rechtlichen Grundlagen Rechnung zu tragen. Die Bestandswahrung zerfällt in einen materiellen Teil und in eine verfahrensmäßige Wahrung des Fließgleichgewichts. Die materielle Seite des Bestandes wurde ebenfalls aus gesetzlichen Vorschriften abgeleitet,253 sodass insofern von einer Gleichrangigkeit mit sonstigen Gesetzesvorschriften auszugehen ist. Das Bestandswahrungsinteresse kann sich so gegen das Interesse an der sonstigen Gesetzesbefolgung durchsetzen. Die Gesetzesverletzung durch den Vorstand wäre aufgrund der Pflichtenkollision gerechtfertigt.254 Gegenüber der Satzung, den Beschlüssen oder Richtlinien ist der Bestand das höherwertige Interesse des Unternehmens, sodass die Verletzung der erstgenannten nach § 34 StGB gerechtfertigt sein kann. Die Herstellung des Fließgleichgewichts ist stets niederrangig, weil das Interesse des Unternehmens zunächst durch Gesetz, Beschluss usw. und erst im verbleibenden Freiraum durch Verfahren konstituiert wird. Hier bedarf es einer Heranziehung von § 34 StGB genau genommen nicht. Bei einer Fallgestaltung, die anhand der Pflichtenkollision gelöst werden soll, unterliegt der Vorstand im Gegenzug wiederum Verfahrensvorgaben. Auch hier ist ihm wieder ein Ermessensspielraum einzuräumen. Parallel zu der Herstellung des Anreiz-Beitrags-Gleichgewichts hat er eine rationale Entscheidung zu treffen. Er hat Informationen zu sammeln, zu bewerten und dann zu entscheiden. An dieser Stelle kann die Höhe des drohenden Verlusts Bedeutung erlangen;255 dem pluralistischen Verständnis der Interessen des Vermögens muss jedoch Rechnung getragen werden, indem der Vorstand auch Aspekte berücksichtigen darf, die aus anderen Umsystemen als dem ökonomischen stammen. Letztlich handelt es sich wiederum um die Herstellung des Fließgleichgewichts auf anderer Ebene. § 34 StGB spricht bereits selbst von Interessen, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei der Feststellung des Überwiegens eines der beiden Rechtsgüter wird in der Regel das Rangverhältnis darüber entscheiden, welchem Interesse Vorrang einzuräumen ist.256 Zu beachten ist, dass eine Argumentation anhand eines Selbstverschuldens der Notstandslage durch den Vorstand bzw. einer Abschichtung von Risikobereichen wie in BGH JR 1977, 26 f. nicht erfolgen darf: Der Vorstand nimmt nicht seine eigenen Interessen wahr, sondern die des

253

s. o., Kapitel 2 D. II., III. 3. f., V. 1. Das gleiche gilt dann auch für den umgekehrten Fall. 255 So auch BGHSt 12, 299 – Musikakademie-Entscheidung; ebenso Scheid, Pflichtenkollision, S. 34 f. 256 Ganz ähnlich ist dem die Argumentation in BGHSt 48, 307, 311; BGH DStR 2005, 1867; BGH NJW 2007, 2118, zur Begründung des Vorrangs einer strafbewehrten Pflicht; Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 145, stellt auf den „Bestrafungsanreiz“, Joerden, Dyadische Fallsysteme, S. 88, auf die jeweilige Sanktion ab. 254

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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Unternehmens – ein Vorrang des einen oder anderen Interesses kann dadurch nicht präjudiziert werden.257 Sowohl § 34 StGB als auch die rechtfertigende Pflichtenkollision können in dieser komplexitätsreduzierenden bzw. -reduktionsermöglichenden Funktion wie die sonstigen Gesetzesvorschriften als interessekonstituierend angesehen werden und beeinflussen so den Tatbestand des § 266 StGB.258 Dass die Pflichtenkollision und die Notstandsregeln auf die Interessenlage des Unternehmens angewendet werden, bevor die Vermögensinteressen herausgefiltert wurden, trägt dem Umstand Rechnung, dass der Handlungsspielraum des Vorstands durch die Berücksichtigung möglichst vieler, pluralistischer Interessen erweitert wird. NichtVermögensinteressen die Rechtfertigungsfähigkeit abzusprechen, würde den Spielraum künstlich verkleinern und wäre ein Verstoß gegen die negative Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts.

III. Pflichtverletzung Die Pflichtverletzung kann nach dieser Konzeption generell in einer Missachtung der rechtlich vorgegebenen Komplexitätsreduktion oder in einer eigenen fehlerhaften Komplexitätsreduktion bestehen. Dies lässt sich – unter Rückgriff auf die bisherigen Ergebnisse – in vier Stufen unterteilen: 1. Pflichtverletzung durch ein selbständiges Internalisieren von rechtlich nicht zu beachtenden Umweltaspekten (insbesondere Interessen, etwa: eigenen Interessen des Vorstands oder Internalisierung von ausgeschalteten Interessen nach § 34 StGB). 2. Pflichtverletzung durch Nicht- bzw. Missachtung rechtlich internalisierter Aspekte (insbesondere Interessen, etwa: durch Gesetz (auch: § 34 StGB), Satzung, Beschluss, Richtlinien). 3. Pflichtverletzung durch Verfahrensverletzung bei Herstellung des bestandserhaltenden und krisensicheren Fließgleichgewichts. 4. Pflichtverletzung durch Verfahrensverletzung bei Auflösung einer Pflichtenkollision. Die Figur des Einverständnisses ist gegenstandslos. 257 Vgl. zu dem Unterschied bei eigenen Interessen und der Wahrnehmung fremder Interessen im Rahmen des § 34 StGB Küper, JZ 1976, 515, 518 f. 258 Die Pflichtenkollision als Problem der Pflichtbegrenzung und daher als Teil des Tatbestandes ansehend Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, Vorbemerkung zu den §§ 32 ff. Rn. 73; nach Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 145, bleiben beide zur Wahl stehenden Verhaltensweisen relativ zueinander tatbestandslos; Joerden, Dyadische Fallsysteme, S. 85 ff., löst die Fälle der Pflichtenkollision auf Tatbestandsebene, auch um sich nicht in Widerspruch zum Ergebnis zu setzen, wenn keine der Pflichten erfüllt wird; ebenfalls einen Tatbestandsausschluss annehmend Scheid, Pflichtenkollision, S. 157.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

IV. Rechtlicher Komplexitätsfilter IV: Vermögensinteressen und objektive Zurechenbarkeit Untreuestrafrechtlich relevant von den so generierten Interessen des Unternehmens sind nur diejenigen, die als Vermögensinteressen bezeichnet werden können. Es gilt also, eine Trennung vorzunehmen. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass aus dem systemtheoretischen Unternehmensmodell keine Folgerungen dafür abgeleitet werden können, welche Interessen als Vermögensinteresse zu bezeichnen sind; es kann aber helfen, die Argumentation zu verdeutlichen. Rein begrifflich zeichnen sich Vermögensinteressen dadurch aus, dass sie sich auf den Gegenstand „Vermögen“ beziehen. Sie können mithin nur dann tangiert sein, wenn ihre Verletzung zu einer Vermögenseinbuße führen kann. Oben wurde herausgearbeitet, dass das Interesse des Unternehmens durch die Determinanten „Bestand“, „verfahrensmäßige Herstellung des Fließgleichgewichts“, „Gesetz“, „Satzung“, „Beschluss“ und „Richtlinien“ konstituiert wird. Am leichtesten fällt die Trennung der Interessen in vermögensrelevante und -irrelevante Interessen beim Bestand und der korrelierenden verfahrensmäßigen Herstellung des bestandsichernden und krisensicheren Fließgleichgewichts: Der „Bestand“ ist Voraussetzung dafür, dass eine Vermögensmasse zum Zwecke eines „werbenden“ Unternehmens existiert, sodass es sich bei dem Bestandsinteresse zugleich um ein Vermögensinteresse handelt. Gleiches muss für die flankierende verfahrensmäßige Herstellung des Fließgleichgewichts gelten. Die sonstigen Determinanten sind weniger deutlich einteilbar: Wenn ein Verstoß gegen ein interessengenerierendes Element etwa von der Rechtsordnung durch Zahlungspflichten sanktioniert wird, so kann jede der zugrundeliegenden Determinanten vermögensrelevant werden. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 266 StGB setzt eine Strafbarkeit wegen Untreue indes voraus, dass „Jemand“ ein Vermögensinteresse verletzt und „Jemand“ dadurch dem zu Betreuenden einen Vermögensnachteil zufügt. Aus dem Wortlaut lässt sich eine Unmittelbarkeitsbeziehung259 zwischen Täter, Verletzung der Vermögensinteressen und Vermögensnachteil in doppelter Hinsicht herauslesen: Zum einen muss durch die Verletzung des interessengenerierenden Elements der Vermögensnachteil entstehen; zum anderen muss der Vermögensnachteil durch den Täter zugefügt werden. Aus diesem Blickwinkel können die Verletzungen der interessekonstituierenden Elemente in zwei Gruppen geschieden werden: Die erste Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass ein Agieren des Vorstand ausreicht, um dem Unternehmen einen Vermögensnachteil zuzufügen: Als Beispiel kann eine Rückgewähr von 259 So auch Adick, Organuntreue und Business Judgment, S. 28; Rönnau FS Rissingvan Saan, 2011, S. 520.

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Einlagen an die Aktionäre unter Verstoß gegen § 57 AktG fungieren: Durch die Rückgewähr werden die Vermögensbestandteile unmittelbar betroffen und gemindert. Durch derartige Vorschriften wird das Vermögensinteresse des Unternehmens bestimmt. Die zweite Gruppe betreffen Vorschriften, deren Verletzung erst nach dem Zwischenschritt einer Reaktion der Umwelt zu einem Vermögensschaden führt: Hat der Vorstand die nicht ordnungsgemäße Müllentsorgung zu verantworten, so wird durch die Müllentsorgung (sofern es sich nicht um „wertvollen“ Müll handelt) das Vermögen (noch) nicht betroffen. Eine Vermögenseinbuße wird erst dann virulent, wenn sich das Unternehmen einer Geldbuße ausgesetzt sieht. Der „Vermögensschaden“ im untechnischen Sinne setzt mithin ein Reagieren der Umwelt voraus. In diesen Fällen wird ein Konditionalprogramm in Gang gesetzt, das in eine Sanktionierung des Unternehmens mündet. Derartige Vorschriften spiegeln Interessen der Unternehmensumwelt, etwa der Gesellschaft usw., wider, deren Verletzung sanktioniert wird. Eine Untreuestrafbarkeit kann die Verletzung derartiger Vorschriften nicht begründen.260 Dies gilt i. Ü. analog für den sog. „Imageschaden“, der durch nicht notwendigerweise gesetzeswidrige Müllentsorgung entstehen kann.261 Auch dieser setzt ein Reagieren der Umwelt (der Öffentlichkeit/der Kunden) voraus, was die Unmittelbarkeit des Vermögensnachteils entfallen lässt.

Ungeachtet dessen, dass eine Verletzung der Vermögensinteressen in diesen Fällen nicht schlicht aus der Verletzung des interessengenierenden Elements selbst abgeleitet werden kann, gibt es dringende Hinweise darauf, dass der Vorstand die verfahrensmäßigen Anforderungen an die Herstellung des Fließgleichgewichts verletzt und eines der Umsysteme – in diesem Fall das wirtschaftliche – unzulässigerweise von vornherein überbewertet hat. Dies darf jedoch nicht aus der Geldbuße oder dem Imageschaden selbst abgeleitet werden. Ein allgemeines Schädigungsverbot gibt es – wie oben herausgearbeitet – gerade nicht. Die Ergebnisse decken sich zumeist mit der Frage des Schutzgutes bzw. Schutzzweckzusammenhanges der jeweilig verletzten Vorschrift, die im Schrifttum bereits diskutiert wurde.262 Das BVerfG hat nunmehr auch der Rechtsprechung aufgegeben,

260 Ähnlich im Hinblick darauf, dass das bloße Auslösen von Schadensersatzverpflichtungen nicht ausreicht: BGHSt 55, 288, 301 – AUB (der Senat lässt allerdings ausdrücklich offen, ob etwas anderes gilt, wenn an die Verletzung einer Rechtsnorm eine spezifische, sich vermögensmindernd auswirkende Sanktion anknüpft). 261 Verwiesen sei hier nur auf die dramatischen Folgen für Shell hinsichtlich der Bohrinsel „Brent Spar“. 262 Auf die Schutzrichtung als maßgeblich auch bei der Untreue abstellend Rönnau, StV 2009, 246 f.; vgl. zu Verstößen gegen Vorschriften der Parteienfinanzierung und des GBW sowie gegen Steuergesetze, die nicht die Vermögensinteressen des Unternehmens schützen, zutreffend Günther FS Weber, 2004, S. 311, 316; a. A. Gaede/Saliger, HRRS 2008, 57, 69, nach denen ein Schutzzweckzusammenhang für die Untreue nicht notwendig ist.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

auf den vermögensschützenden Charakter der verletzten Norm zu achten.263 Dies wurde vom BGH aufgenommen.264 Im hiesigen Zusammenhang dürfte etwa interessieren, dass der BGH dem § 119 BetrVG einen – auch nur mittelbaren – Vermögensschutz abgesprochen hat.265

Problematisch sind Fallgruppen, die sog. „Schwarze Kassen“ betreffen. Hier kommt es entscheidend darauf an, ob derjenige, der die „Kriegskasse“ einrichtet, innerhalb seiner Kompetenzen handelt und daher die „Interessen des Unternehmens“ insofern generieren kann: Erreichen die Einzahlungen nicht die Schwelle der Holzmüller-Entscheidung266 (und wird auch nicht etwa der § 57 AktG verletzt), so handelt es sich grundsätzlich um Maßnahmen der laufenden Geschäftsführung, die in den originären Zuständigkeitsbereich (auch zur Formulierung des Interessen des Unternehmens) des Vorstands fallen.267 Daran kann auch eine unscharfe „Loyalitätspflicht“ des Vorstands gegenüber den anderen Organen nichts ändern, will man den Entscheidungsfreiraum des Vorstands, der gesetzlich garantiert ist, nicht unterlaufen. Allein das Herauslösen der Mittel kann in diesem Fall – ein allgemeines Schädigungsverbot existiert nicht – nicht zu einem Untreuevorwurf führen. Die Zuständigkeit des Vorstands entbindet ihn aber nicht von einer ordentlichen Buchführung. Die §§ 238 ff. HGB generieren als gesetzliche Vorschriften das Interesse des Unternehmens. Vermögensinteressen sind dies jedoch nur, wenn ihre Verletzung unmittelbar zu einem Vermögensschaden führen kann. Dies ist indes nicht der Fall: Eine ordnungsgemäße Buchführung soll das Handeln „im Vermögensinteresse des Unternehmens“ nur flankieren und kontrollierbar machen (vgl. § 111 Abs. 2 S. 2 AktG); Informationsinteressen von Gläubigern oder Gesellschaftern haben ohnehin außen vor zu bleiben. Die Verletzung der Pflicht einer ordnungsgemäßen Buchführung ist für sich gesehen vermögensneutral.268

263

BVerfGE 126, 170, 210. Vgl. etwa BGHSt 56, 203; BGH NStZ 2011, 520. 265 BGH NJW 2011, 88, 91 – AUB. 266 BGHZ 83, 122. 267 Anders lag dies in der Siemens-Entscheidung (BGHSt 52, 323). 268 A.A. Fischer, StGB, § 266 Rn. 82, und der 2. Strafsenat des BGH in BGHSt 55, 266, 276 ff. – Trienekens: Dort wird die Verletzung der Buchführungsvorschriften über die Legalitätspflicht des Vorstands (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) eingeführt. Sodann wir den Buchführungsvorschriften ein Vermögensschutz implementiert, indem konstatiert wird, sie dienten auch dazu, die „Gesellschafter als materielle Inhaber des Gesellschaftsvermögens und die mit der Wahrung ihrer Interessen betrauten Kontrollorgane der Gesellschaft über deren Vermögensstand und finanzielle Lage zu informieren“. Gegen eine Vermögensrelevanz der Buchführungsvorschriften etwa Bernsmann, GA 2009, 1, 12; Brammsen, wistra, 2009, 85, 87; Krause, NStZ 1999, 161, 164; hingegen die Verletzung von Buchführungsvorschriften als auch die Vermögensinteressen des Treugebers dienend ansehend Gaede/Saliger, HRRS 2008, 57, 69; Knauer, NStZ 2009, 151 f. (jedoch unter Warnung vor einer „Superverbotsnorm“); Rönnau, StV 2009, 246 f. 264

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V. Rechtlicher Komplexitätsfilter V: Vermögensnachteil Im Rahmen des Untreuetatbestandes sind im Übrigen nur solche Handlungen des Vorstands relevant, die einen Vermögensnachteil nach sich ziehen. Der Vermögensnachteil ist – vorrangig269 – wirtschaftlich geprägt. Er stellt mithin eine strukturelle Koppelung zur wirtschaftlichen Umwelt dar, was dazu führt, dass der binäre Code „Recht/Unrecht“ von dem wirtschaftlichen Begriffspaar „Wert/Unwert“ beeinflusst wird. Im Rahmen der Untreue wird zumeist beim Vermögensnachteil auf den Vermögensschadensbegriff des § 263 StGB verwiesen.270 Danach ist ein Vermögensschaden ein negativer Saldo zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der irrtumsbedingten Vermögensverfügung.271 Diese Schadensdefinition ist für die Situation, in der sich der Vorstand befindet, unzureichend, sofern sie es nicht vermag, die Langfristigkeit der meisten wirtschaftlichen Investitionen zu berücksichtigen. Dies wiegt umso schwerer, als sich ein begrüßenswerter Trend abzeichnet, nachhaltige Unternehmensführung zu verfolgen. Diese Forderung hat sich nicht zuletzt im DCGK und in der Neufassung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG niedergeschlagen, der eine langfristige und nachhaltige Planung insbesondere auch in die Anreizstruktur des Vorstandshandelns durch Aktienoptionen überführen will.272 Die Notwendigkeit einer derartigen Integration in den Vermögensnachteilsbegriff lässt sich an Fällen wie etwa der Einrichtung einer Forschungseinrichtung oder Compliance-Abteilung exemplifizieren, die kurzfristig Kapital aufzehrt, während bis zu einer Gewinnsteigerung durch Forschungsergebnisse oft Jahre vergehen. In derartigen Fällen wäre es widersinnig, zukünftige finanzielle Vorteile unter Fokussierung auf die kurzfristigen Vermögenseinbußen bei der Beurteilung eines Vermögensnachteils auszublenden. Das Strafrecht würde sich so für eine Sicht instrumentalisieren lassen, die kurzfristige Erträge belohnt und lang269 Vgl. dazu insbesondere Rönnau FS Rissing-van Saan, 2011, S. 517 f., 533 ff., der eine „(Ver-)Normativierung des Schadensbegriffs“ in der Rechtsprechung beklagt, die zu einer Korrektur und mitunter gar zu einer Ausweitung des Tatbestandes führe und kaum mehr als „Spurenelemente“ wirtschaftlicher Erwägungen bei der Schadensfeststellung übrig lasse. 270 Etwa Fischer, StGB, § 266 Rn. 110. 271 Vgl. BVerfG NStZ 1998, 506; BGHSt 16, 221; 30, 388; BGH wistra 1988, 188; BGH NStZ 1997, 32. 272 Insbesondere Ziff. 4.1.1. DCGK; vgl. zur Forderung nach Langfristigkeit auch Europäisches Parlament, Entwurf einer Stellungnahme des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt für den Ausschuss für Wirtschaft und Währung am 11. September 2003 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, S. 4.

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

fristige bestraft. Auch ohne an dieser Stelle näher darauf einzugehen, welche Funktionen dem Strafrecht in Bezug auf die gesellschaftliche Steuerung zukommt, kann doch konstatiert werden, dass es den Vorstand in einen Anreiz-Konflikt bringen würde, würde das Strafrecht mit – durch den DCGK empfohlene – langfristigen Aktienoptionen in Widerspruch treten. In den Vermögensnachteilsbegriff muss mithin eine langfristige Bewertung einfließen können. Der BGH löst diese Fälle, indem er sie bei „einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan [. . .], der auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist und bei dem erst nach einem Durchgangsstadium – hier der Sanierung – ein Erfolg erzielt wird“ 273 oder bei „[w]irtschaftlich vernünftige[n] Ausgaben im Rahmen kaufmännischen Unternehmergeistes“ 274 keiner Strafbarkeit zuführt. Verweist der BGH auf den „angelegten Erfolg“ oder den „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan“, so leitet Langfristigkeit unmittelbar über zu dem Problem der Prognose im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen. Das Strafrecht hat sich insbesondere im Rahmen der sog. „Risikogeschäfte“ nicht davor gescheut, wirtschaftliche Werte zu prognostizieren: Dies geschieht etwa dann, wenn die Untreuestrafbarkeit davon abhängig gemacht wird, ob der Täter eine gesteigerte Verlustgefahr auf sich nimmt, um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erlangen.275 Die Bewertung von Kreditforderungen bezüglich ihrer Werthaltigkeit ist „Alltagsgeschäft“.276 Die Höhe der Belastung eines Vermögens mit einer Bürgschaft wird danach beurteilt, wie wahrscheinlich die Inanspruchnahme ist: Eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit wird dann angenommen, wenn das Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen ist oder es sich um ein hochspekulatives Risikoprojekt gehandelt hat.277 Notfalls nimmt die Rechtsprechung eine Bewertung im Wege der Schätzung vor.278 Zu beachten ist aber, dass nach neuer Rechtsprechung des BVerfG der Vermögensschaden beziffert werden muss.279 Bei Unsicherheiten könne ein Mindestschaden anhand einer tragfähigen Schätzung ermittelt werden.280 Das Strafrecht

273 BGHSt 47, 148, 153; fast wortgleich OLG Karlsruhe wistra 2005, 72, 75; dies soll jedoch offenbar nicht bei Schmiergeldzahlungen gelten; a. A. insofern OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 244 f., wonach auch der vom Täter ins Auge gefasste „Gesamtoder Schlussgewinn des Unternehmens“ zu berücksichtigen sei. 274 BGH StV 2004, 424 f. 275 BGH wistra 1982, 148 ff. 276 Etwa BGH NStZ 1999, 353, 356; BGH wistra 2000, 60 f.; BGH NJW 2008, 2451 f.; BGHSt 53, 199; BGH wistra 2009, 189. 277 BGH NStZ-RR 2006, 378 f. 278 BGH NJW 2008, 2451 f.; LG Düsseldorf, Urteil v. 19.06.2008, Az. 14 KLs 9/07 Rn. 258. 279 BVerfG, Beschluss v. 07.12.2011, Az. 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 Rn. 177 ff.; BVerfGE 126, 170, 211 f. 280 BVerfG, Beschluss v. 07.12.2011, Az. 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 Rn. 176.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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kann sich aufgrund der strukturellen Kopplung durch den wirtschaftlichen Schadensbegriff die wirtschaftswissenschaftlichen Unternehmensbewertungsmethoden, wenn auch nur als „Hilfestellung“ 281, zunutze machen.282 Dort wird seit langem die Frage der wirtschaftlichen Bewertung von unternehmerischen Entscheidungen unter „Ungewissheit“ (oder gleichbedeutend: unter „Unsicherheit“ oder „Risiko“) diskutiert und anhand von Wahrscheinlichkeitsverteilungen283 oder Szenarienentwicklungen284 einer mathematischen Handhabbarkeit zugeführt. Dabei wird zugrundegelegt, dass die Unsicherheit in verschiedenen Hinsichten – in der Zeit-, Zustands- und Wahrscheinlichkeitsdimension – besteht.285 Es kann mithin bewertet werden, ob die Einrichtung einer Forschungseinrichtung oder Compliance-Abteilung oder – als Gegenstück – die Auflösung einer bestimmten Abteilung bzw. eines Standortes wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht. Die Schadensfeststellung ist mithin vor allem ein Erkenntnisproblem, das aber – wie bei sonstigen Prognoseentscheidungen im Strafrecht – einer prozessualen Lösung etwa durch die Hinzuziehung eines Sachverständigen286 zugeführt werden könnte. Ob sich das Gericht zu der Frage eines Vermögensnachteils eine Überzeugung bilden kann, liegt auf anderer Ebene. Wenn eine genaue Feststellung der Schadenshöhe nicht möglich ist, hat der Tatrichter „im Hinblick auf die Besonderheiten des Strafrechts“ Mindestfeststellungen zu treffen.287 Zu beachten 281

So LK-Tiedemann, StGB, § 263 Rn. 174. So deutlich BVerfGE 126, 170, 211 f.; in diese Richtung auch BGH, Beschluss v. 11.9.2003, Az. 5 StR 524/02 Rn. 57, nur teilweise abgedruckt in wistra 2003, 457; BGH NJW 2006, 453, 455 – Kinowelt, zieht eine durchgeführte Risikoanalyse durch den Täter heran; ausdrücklich auf Bewertungsinstrumente rekurrierend BGHSt 53, 199; LK-Tiedemann, StGB, § 263 Rn. 158, 168, 172 f.; MüKo-Hefendehl, StGB, § 263 Rn. 569; kritisch zur Heranziehung von bank- und bilanzrechtlichen Regeln Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 20; Fischer, StV 2010, 95, 100 f. 283 Es werden Wahrscheinlichkeitsverteilungen geschätzt, die zu aggregieren sind. Dazu werden Sicherheitsäquivalente verwendet, die mit sicheren Zinsfüßen diskontiert werden. Diese Verfahren nennen sich „Sicherheitsäquivalentmethode“, „Erfolgsabschlagsmethode“ und „Risikoabschlagsmethode“. Umgekehrt kann man auch Ertragswerte mit risikoangepassten Zinsfüßen diskontieren – „Risikozuschlagsmethode“; vgl. zu alldem Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 66 ff.; dazu, dass die Unternehmensbewertung auch bei Bewertungssituationen und -anlässen Platz greift, die nicht primär auf Änderung der Eigentumsverhältnisse ausgerichtet sind und damit gerade typische unternehmerische Entscheidungen erfassen (etwa: Zuführung von Fremdkapital, wertorientierte Vergütung des Personals, wertorientierte Unternehmensführung, Verpfändung von Anteilen, wertorientiertes Controlling, Kreditwürdigkeitsprüfung, Sanierungsprüfung, Insolvenzprüfung, Bewertungen im Rahmen der Bilanzierung, Bewertungen nach gesetzlichen Regelungen, die nicht den sog. „Hauptfunktionen“ zuzuordnen sind), vgl. Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung, S. 59 ff., 104 ff. 284 Dafür werden mehrere Szenarien jeweils mit sicheren Erträgen über die Zeit hinweg geplant, anschließend ist für den Eintritt der Szenarien die Wahrscheinlichkeit zu schätzen; vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 66. 285 Vgl. dazu etwa Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 50 ff. 286 So BVerfGE 126, 170, 212. 287 BGHSt 53, 199. 282

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ist aber, dass die Bestimmung des Wertes eines Unternehmens nach den anerkannten Bewertungsmaßstäben zu erfolgen hat, die für den Beschuldigten im konkreten Fall am günstigsten sind.288 Dies wäre bereits von einem heranzuziehenden Sachverständigen zu beachten.289 Soweit Unsicherheiten verbleiben, ist unter Beachtung des Zweifelssatzes freizusprechen. Etwa die Aussagekraft der Aktienkurse dürfte heute wohl als gering angesehen werden.290

Dass nur die Gesellschaft als juristische Person Inhaberin von Vermögen sein kann, ist unproblematisch, da nach hier entworfener Konzeption die Gesellschaft Subsystem des Unternehmens ist.291 Ein Problem des Untreuetatbestandes stellt aber die Einbeziehung sog. „soft facts“ dar: Bereits im Berliner Corporate Governance Kodex wurde der Wert eines Unternehmens danach bemessen, in welchem Ausmaß es fähig ist, die Ansprüche seiner Bezugsgruppen (Stakeholder: Anteilseigner, Arbeitnehmer, Kunden, Kreditgeber, Lieferanten und Allgemeinheit) zu befriedigen und das Vertrauen der Stakeholder in das Unternehmen dauerhaft zu festigen. Aufgabe der Unternehmensführung sei es, die „Wertschöpfungsaktivitäten des Unternehmens im Sinne einer ,multiplen Exzellenz‘ für sämtliche Bezugsgruppen so attraktiv zu gestalten, dass diese jeweils möglichst weitgehend zur Prosperität des Unternehmens beitragen“.292 Nach Hans Ulrich besteht das Unternehmungsvermögen aus der Gesamtheit der in Geld bewerteten Güter, Kräfte und Rechte, über welche die Unternehmung verfügen kann,293 und Teubner spricht von einem organisationellen Mehrwert.294 Auch Semler weist auf die Dringlichkeit hin, weiche Faktoren wie Image, Betriebsklima, Motivierung, Einsatzbereitschaft, Wertvorstellungen und Qualitätsbewusstsein zu berücksichtigen.295 Auch nach dem BGH besteht der Wert des Unternehmens nicht lediglich aus der Summe seiner vermögenswerten Sachen und Rechte. Es gebe sogar Unter288 BGH, Beschluss v. 11.9.2003 Az. 5 StR 524/02 Rn. 57, nur teilweise abgedruckt in wistra 2003, 457 – der BGH bewertet einen Stellenabbau im konkreten Fall lediglich als nicht vermögensrelevante Zweckverfehlung. 289 Es stellt sich sodann aber die Frage, ob das Kriterium der „anerkannten Bewertungsmethoden“ von dem erkennende Gericht oder dem Sachverständigen auszufüllen ist. 290 So auch LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3279; eher optimistisch hingegen wohl Spindler, AG 2006, 677, 679. 291 Selbst Wiedemann FS Barz, S. 561, 569, stellt – im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten der Gesellschafter untereinander – heraus, dass die juristische Person lediglich eine Form der Vermögenszuordnung ist, eine Aussage über die Rechtsfolgen bez. der Verbandsphäre ergebe sich daraus nicht. 292 I., 2., 3., 9. GCCG des Berliner Initiativkreises, DB 2000, 1573 f. 293 Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, S. 273. 294 Teubner, KritV 1987, 61, 84. 295 Semler FS Raisch, 1995, S. 291, 305 ff.

A. Prämisse: Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen

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nehmen, bei welchen dieser Substanzwert nur einen geringen Bruchteil ihres Gesamtwertes ausmache. Dieser reine Substanzwert werde lediglich in der Liquidation maßgeblich. Ein „lebendes“ Unternehmen zeichnet sich darüber hinaus durch seinen Firmenwert, Know-How, innere Organisation, Bekanntheitsgrad und Mitarbeiter aus.296 Auch der Gesetzgeber hat der Bedeutung „weicher Faktoren“ durch Erörterung im Lagebericht Rechnung getragen.297 Zwar kann der Ertrag aus dem sog. „Humankapital“ aus der Perspektive des Unternehmens anhand der „Mehrwerts“ in Form von Produktivitätsgewinnen abzüglich Arbeitskosten gemessen werden.298 Auf diese Weise kann – auch wenn der Vergleich des sog. „Humankapitals“ mit gemieteten oder geleasten Maschinen sehr technisch und moralisch fragwürdig anmutet299 – dieser Wert in Daten umgemünzt und einer Prognose zugänglich gemacht werden. Insgesamt stellen die Wirtschaftswissenschaften für weiche Faktoren aber aufgrund ihrer spezifisch auf Zahlen ausgerichteten und kapitalorientierten Sprache noch keine fassbaren Begriffe zur Verfügung.300 Die „soft facts“, unter denen auch Fähigkeiten von Mitarbeitern, die Unternehmenskultur und im weitesten Sinne die Wertvorstellungen zu verstehen sind, werden häufig vernachlässigt,301 obwohl Erhebungen gezeigt haben, dass der Unternehmenserfolg bis zu einem Viertel davon abhängig ist, ob das Unternehmen durch Wertvorstellungen geprägt ist.302 Weiche Faktoren sind „objektiv“ nicht messbar, sodass es eines demokratischen Willensprozesses bedürfte, um zu einer vergleichbaren Terminologie zu gelangen.303 Notwendig wäre ein gesellschaftlich-ökonomisches Kalkül, das das bloß monetäre Kalkül ablösen könnte.304 Dies würde aber insbesondere den Anforderungen der 296 297

BGH NJW 1997, 66, 68. § 289 Abs. 3 HGB; vgl. dazu auch Begr. RegE BilReG BT-Drucks. 15/3490,

S. 30. 298

Dilger FS Matschke, 2008, S. 133, 136. Diesen zieht Dilger FS Matschke, 2008, S. 133, 143; äußerst kritisch zum Begriff des Humankapitals daher auch Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 405 ff. 300 Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 205. 301 Koch FS Matschke, 2008, S. 113. 302 Koch FS Matschke, 2008, S. 113, 117; Thommes, Verfügungsrechte über Humanvermögen, S. 1, 3, spricht von einem 50%-igen Anteil immaterieller Vermögenswerte an dem Unternehmenswert, zu denen neben dem Humankapital, dem ein zentraler Stellenwert eingeräumt wird, Marken-, Kunden-, Innovations- und Organisationskapital gezählt werden – 1990 seien nach Schätzungen der OECD 45% der Produktivitätssteigerung in den OECD-Ländern auf den Einfluss von Humankapital zurückgeführt worden; vgl. zur Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor auch Maak/Ulrich, Integre Unternehmensführung, S. 2, 44; Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 114; Staehle, Management, S. 510 ff.; nach Peter Ulrich, Unternehmensethik in der Praxis, S. 15 f., stellt der gute Ruf des Unternehmens eine ebenso wichtige Erfolgsvoraussetzung dar wie die Qualität der Produkte. 303 Vgl. Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 154. 304 Vgl. Peter Ulrich, Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution, S. 151, der dies jedoch als analytisch unlösbar ansieht. 299

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Vergleichbarkeit nicht genügen. Bedauerlicherweise muss daher eine Verkürzung der Sachverhalte auf monetäre Größen (noch) in Kauf genommen werden. Verschiedene Ansatzpunkte in den Wirtschaftswissenschaften lassen auf eine Weiterentwicklung bei der Erfassung der sog. „soft facts“ und damit auch auf einen erweiterten Schadensbegriff hoffen. Die „Scorecard Corporate Governance“ der deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e. V. (DVFA)305 stellt einen Bezug zum DCGK her und beachtet dabei die Unterscheidung zwischen Soll-, Sollte- und Kann-Vorschriften bei der Bewertung.306 Unternehmen, die alle Soll-Empfehlungen des DCG-Kodex erfüllt haben und ein sog. „aktives Governance-Commitment“ aufweisen, sollen ein Gesamtergebnis von 75% erzielen. Durch eine vollständige Erfüllung der Sollte-Anregungen des Kodex sowie weiterer „Best Practice“-Standards könne ein Gesamtscore von 100% erreicht werden. Bei Unternehmen mit anspruchsvollen Governance-Verhältnissen sei ein Erfüllungsgrad von min. 80% zu erwarten.307 Auch die sog. „Balanced Scorecard“ legt zugrunde, dass etwa Mitarbeiterzufriedenheit Mehrwert bedeutet. Dies wird über die Verkettung „Mitarbeiterzufriedenheit – Unternehmenstreue der Mitarbeiter/Mitarbeiterproduktivität“, „Unternehmenstreue der Mitarbeiter/Mitarbeiterproduktivität – Werthaltigkeit externer Serviceleistungen“, „Werthaltigkeit externer Serviceleistungen – Kundenzufriedenheit“, „Kundenzufriedenheit – Kundentreue“, „Kundentreue – Erlöswachstum/Profitabilität“ erreicht.308 Die IAS 38 erlaubt eine Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte, wenn der zukünftige Nutzen wahrscheinlich ist, die Kosten identifizierbar sind und das Unternehmen Verfügungsmacht hat. Die Bilanzierung von sog. „Humankapital“ scheitert zwar bisher an der fehlenden Beherrschbarkeit.309 Auch dazu gibt es aber Ansätze einer 305 Scorecard abrufbar unter http://www.dvfa.de/die_dvfa/standards/corporate_go vernance/dok/35333.php; letzter Zugriff am 11.01.2012. 306 Einschlägige Fragen lauten etwa: Wird im Geschäftsbericht ein Corporate Governance-Bericht vorgelegt? Existieren variable Vergütungsprogramme (Aktienoptionen, etc.) für die Mitglieder des Vorstandes mit einer langfristigen Anreizwirkung von zwei Jahren und länger und anspruchsvollen Erfolgszielen? Existiert eine erfolgsorientierte Vergütung, die auch auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogene Bestandteile für Aufsichtsratsmitglieder enthält? In der alten Fassung waren u. a. die Fragen zu beantworten: Ist dann die wertorientierte Unternehmensführung unter Berücksichtigung der Interessen aller Stakeholder ausdrücklich verankert? Sind diese Grundsätze allen Stakeholdern zugänglich (u. a. Internet)? Gibt es einen Compliance-Beauftragten, der die Einhaltung der Grundsätze regelmäßig überprüft? 307 Erläuterungen abrufbar unter http://www.ecgi.org/codes/documents/scorecard. pdf; letzter Zugriff am 11.01.2012. 308 Vgl. Ossadnik FS Matschke, 2008, S. 301, 307 f. 309 IAS-Fassung (2006) zu IAS 38 Rn. 15, abrufbar unter http://www.ifrs-portal.com/ Texte_deutsch/Standards/Standards_2006/IAS_38/IAS_38_index.htm; letzter Zugriff am 19.02.2011: „Ein Unternehmen kann über ein Team von Fachkräften verfügen und in der Lage sein, zusätzliche Mitarbeiterfähigkeiten zu identifizieren, die auf Grund von Schulungsmaßnahmen zu einem künftigen wirtschaftlichen Nutzen führen. Das Unternehmen kann auch erwarten, dass die Arbeitnehmer ihre Fähigkeiten dem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stellen werden. Für gewöhnlich hat ein Unternehmen jedoch

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Auslegung der Beherrschbarkeit, die auch sog. „Humankapital“ einer Bilanzierungsfähigkeit zugänglich machen würde.310 Etwa bei Profisportlern hat sich eine Bilanzierung der Humanressource bereits durchgesetzt.311 In dieser Hinsicht geht die strafrechtliche Bewertung in gewisser Weise weiter, wenn sie etwa beim Ein- bzw. Anstellungsbetrug die Kompensationsfähigkeit der Arbeitsleistung bejaht oder in Fällen der betrügerisch erlangten Arbeitsleistung eines anderen einen Vermögensschaden annimmt.312 Sie gründet sich jedoch auf der (widerlegbaren)313 Annahme, die Arbeitsleistung sei jeweils das vereinbarte Geld wert. Ginge man bei der wirtschaftswissenschaftlichen Unternehmensbewertung ebenfalls von dieser Prämisse aus, so wäre die Schließung einer Abteilung oder eines Standortes immer neutral – der durch die Mitarbeiter geschaffene „Mehrwert“, der Grundlage des Unternehmensgewinns ist, würde vernachlässigt.

Das bedeutet also: Hat der Vorstand eine bestimmte unternehmerische Entscheidung getroffen und durchgesetzt, so ist mithilfe wirtschaftswissenschaftlicher Bewertungsmethoden festzustellen, ob unter Zugrundelegung der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten die Entscheidung wirtschaftlich nachteilig oder vorteilhaft ist. Ist sie nachteilig, so bedeutet dies keinen Automatismus bezüglich der Pflichtwidrigkeit. Diese ist vom allgemeinen Schädigungsverbot abgekoppelt und richtet sich nach dem Vermögensinteresse des Systems Unternehmen, das durch Gesetz, Satzung, Beschlüsse, Richtlinien, Bestand und Verfahrensanforderung determiniert wird. Die Beurteilung des Vermögensnachteils anhand prognostischer Bewertungsverfahren und der Pflichtwidrigkeit hat von dem Zeitpunkt der Entscheidungsfindung und Entscheidungsdurchsetzung (ex ante314) auszugehen. Nachträgliche keine hinreichende Beherrschung des voraussichtlichen künftigen wirtschaftlichen Nutzens, der ihm durch ein Team von Fachkräften und die Weiterbildung erwächst, damit diese Werte die Definition eines immateriellen Vermögenswertes erfüllen. Aus einem ähnlichen Grund ist es unwahrscheinlich, dass eine bestimmte Management- oder fachliche Begabung die Definition eines immateriellen Vermögenswertes erfüllt, es sei denn, dass deren Nutzung und der Erhalt des von ihr zu erwartenden künftigen wirtschaftlichen Nutzens durch Rechtsansprüche geschützt sind und sie zudem die übrigen Definitionskriterien erfüllt.“ 310 Vgl. etwa Thommes, Verfügungsrechte über Humanvermögen. 311 Vgl. dazu Thommes, Verfügungsrechte über Humanvermögen, S. 18 ff. 312 Vgl. etwa BGHSt 5, 358; 45, 1; BGH NJW 1961, 2027; BGH NStZ 2001, 258; BGH wistra 2003, 232; BVerfGE 92, 140; 96, 189. 313 Etwa in BGH NStZ 2008, 96, 98: Dort wurden dem Täter die Kompetenzen und Fähigkeiten zur Erbringung der geschuldeten Leistung – Verwaltung von zur Anlage anvertrauten Gelder – abgesprochen und daher der darauf gerichtete Anspruch als wertlos betrachtet. 314 Vgl. BGHSt 47, 148; 46, 30: „Auch wenn eine Pflichtverletzung vorliegt und der Kredit später notleidend wird, führt dies allein noch nicht zur Annahme einer Untreue“; BGH NStZ 1999, 353; BGH wistra 2000, 60 f.; BGH NJW 2006, 453, 455 – Kinowelt; BGH NStZ-RR 2006, 378; BGH NJW 2006, 522, nicht komplett abgedruckt in BGHSt 50, 331 – Mannesmann: „Allerdings beinhaltet nicht jede Vergütungsentscheidung des Präsidiums, die im Ergebnis zu einer Schädigung der Aktiengesellschaft führt, eine

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

Aspekte können weder dazu führen, dass die Informationsfindung anders hätte durchgeführt werden müssen, noch dass der Vermögensnachteil nachträglich entfällt315 oder bejaht wird316, sofern die Entwicklungen nicht unmittelbar317 auf der Entscheidung beruhen. Diese Darlegungen ergeben, dass bei der Implementierung von Wahrscheinlichkeiten in die Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen eine Vollendung der Untreuestrafbarkeit vorliegt318 und der Begriff der Vermögensgefährdung nur dann sinnvoll erscheint, wenn der Begriffsbestandteil der „Gefährdung“ auf die Prognose hinweist, die der dynamische Prozess einer Schadensentwicklung notwendig macht,319 nicht jedoch auf eine bloße Gefährdung der Vermögenswerte im Sinne eines Gefährdungsdeliktes oder Versuchs: Ein Prognoseelement wohnt notwendigerweise auch den Gefährdungsdelikten inne. Die Prognose im Rahmen der Untreue unterscheidet sich von jener der „gängigen“ Gefährdungsdelikte jedoch ganz erheblich: Bei den Gefährdungsdelikten lässt sich eine Schädigung des geschützten Rechtsgutes von einer Gefährdung vorrangig aufgrund der Unmöglichkeit einer quantifizierten Abschichtung deutlich abgrenzen. Demgegenüber werden in wirtschaftlichen Zusammenhängen zukünftige Ereignisse für die Gegenwart handhabbar gemacht – dies liegt insbesondere an der Quantifizierbarkeit320 von monetären Werten, die mathematisch Wahrscheinlichkeiten zugänglich gemacht werden können und denen zudem ein Zuordnungsproblem innewohnt; nur deshalb kann auch die Rede davon sein, dass eine „schadensgleiche Pflichtverletzung“; LG Düsseldorf, Urteil v. 19.06.2008, Az. 14 KLs 9/07 Rn. 258; insgesamt zur Notwendigkeit einer ex-ante-Beurteilung der unternehmerischen Entscheidung RegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4b; MüKoSpindler, AktG, § 93 Rn. 24; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, 2007, § 93 Rn. 67; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 100; Fischer, DStR 2007, 1083, 1084; das Gleiche gilt i. Ü. auch für die §§ 311 Abs. 1, 317 Abs. 2 AktG: Der 2. Zivilsenat des BGH betont in terminologischer Parallelität die Notwendigkeit der ex-ante-Sicht bei der nachträglichen richterlichen Beurteilung und den weiten zuzubilligenden Ermessensspielraum, dessen Grenzen bei der Chancen-Risiken-Abwägung zu beachten seien, BGHZ 175, 365 – UMTS. 315 So auch BGH NJW 2008, 2451 f.; BGHSt 52, 323, 337 f. – Siemens; BGHSt 53, 199; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 10. 316 Vgl. BGH NJW 2006, 453, 455 – Kinowelt; LG Düsseldorf, Urteil v. 19.06.2008, Az. 14 KLs 9/07 Rn. 258; zu Irrelevanz nachträglicher Veränderung insgesamt LK-Tiedemann, StGB, § 263 Rn. 162. 317 Darauf abstellend Rönnau FS Rissing-van Saan, 2011, S. 517, 520. 318 So auch BGH NJW 2008, 2451 f.; BGH NStZ 2009, 330; Nack, StraFo 2008, 277 ff. 319 Darauf weist vor allem Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11 ff., hin; die Prozesshaftigkeit hervorhebend Fischer, StV 2010, 95, 99: „Nicht ob Vermögensgefährdungen (,echte‘) Schäden sein können, ist also die Frage, sondern wann sie dies sind“; ebenso BVerfGE 126, 170, 204; weiter spricht Fischer, StV 2010, 95, 101, von „Durchgangsschaden“. 320 Auf den Gegensatz von quantitativ und qualitativ stellt auch LK-Tiedemann, StGB, § 263 Rn. 168, ab.

B. Ergebnisse der Untersuchung – Teil II

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Vermögensgefährdung“ dann vorliegt, wenn der „Zugriff des Vermögensinhabers auf ein Vermögensstück bereits in einer ,konkret‘ gefährlichen Weise [tatsächlich oder rechtlich] gelockert, aber noch nicht ,endgültig‘ aufgeboben ist“.321 Dies ist bei Rechtsgütern wie dem Leben anders, es ist das „Paradebeispiel“ eines absoluten Wertes, der nicht „mehr oder weniger“ verletzt und dessen Zuordnung zum Rechtsgutsinhaber nicht „gelockert“ werden kann.322 Dies unterscheidet den Vermögensnachteil bei Risikogeschäften, wie sie hier erörtert werden, auch von der Versuchskonstellation: Das unmittelbare Ansetzen kann aufgrund fehlender Erkenntnismöglichkeiten und fehlender Begrifflichkeiten nicht als prozentuale Schädigung des Rechtsgutes angesehen werden. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass sich der Vorsatz des Täters auf den Vermögensschadenseintritt und nicht lediglich auf die Vermögensgefährdung beziehen muss,323 eine begriffliche „Vermögensgefährdung“ als Teil der prozesshaften und dynamischen Schadensentwicklung jedoch bereits einen Vermögensschaden im Sinne des § 266 StGB bedeuten kann324.

B. Ergebnisse der Untersuchung – Teil II Anknüpfend an die oben325 dargestellten Ergebnisse der Untersuchung lässt sich Folgendes festhalten: Der Vorschlag einer alternativen Untreuekonzeption beinhaltet eine Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands gegenüber dem System „Unternehmen“. Das Interesse des Unternehmens generiert sich dabei über Bestand, Gesetze, Satzungen, Richtlinien und die verfahrensmäßig reglementierte Herstellung des Fließgleichgewichts durch den Vorstand. Sofern ein Konflikt verschiedener Vorstandspflichten vorliegt, kann dieser über die Instrumente des Notstandes bzw. der Pflichtverletzung aufgelöst werden. Von den interessengenerierenden Elementen sind im Rahmen der Untreuestrafbarkeit nur diejenigen relevant, die unmittelbar zu einem Vermögensnachteil führen. Eine Pflichtverletzung kann nur angenommen werden, sofern der Vorstand die rechtlich vorgegebene Komplexitätsreduktion missachtet oder eine eigene Komplexitätsreduktion fehlerhaft durchführt. Die Figur des Einverständnisses ist gegenstandslos. Ein allge-

321

Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 18. Kritisch gegenüber dem Verweis auf den prozesshaften Verlauf bei einer Schädigung Sickor, JA 2011, 109 f., der pointiert darauf hinweist, dass man ein vollendetes Tötungsdelikt auch nicht mit dem Vorliegen einer „todesgleichen Gesundheitsgefährdung“ begründen könne. 323 So BGHSt 51, 100, 121, wonach die Billigung der Realisierung der Gefahr und nicht nur die Billigung der Gefahr zu fordern sei; Fischer, StraFo 2008, 269 ff. 324 Vgl. LK-Tiedemann, StGB, § 263 Rn. 168; vgl. auch Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11 ff. 325 Kapitel 4. 322

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Kap. 5: Vorschlag einer alternativen Konzeption

meines Schädigungsverbot existiert ebenso wenig wie eine Pflicht des Vorstandes, Gewinn oder Shareholder Value zu maximieren. Dies schließt ein dahingehendes rechtliches „Dürfen“ nicht aus. Bei der Beurteilung eines Vermögensnachteils muss die Langfristigkeit von Investitionen berücksichtigt werden; das dabei entstehende Prognoseproblem kann in Orientierung an wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse gelöst werden. Zur Einbeziehung des sog. „Humankapitals“ bestehen Ansätze. Die erarbeitete Konzeption macht die Untreuestrafbarkeit nicht zu einem Vehikel für eine (kurzfristige) Maximierung des Gewinns bzw. des Shareholder Values. Sie berücksichtigt die pluralistische Ausformung eines jeden Unternehmens, indem sie dem Vorstand erlaubt, die verschiedensten Aspekte zu berücksichtigen, ggf. auch nicht-erwerbswirtschaftliche monetären vorzuziehen oder sich ggf. auf bloße Verfahrensanforderungen zurückzuziehen.

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Sachregister ARAG/Garmenbeck 33, 91, 97, 98, 107– 115, 119, 126, 130, 139, 153, 253, 271, 283, 346, 384 Arbeitnehmer 19, 24, 25, 29, 44, 71, 93, 102, 103, 129, 132, 133, 140, 146, 148, 149, 158, 162, 164, 165, 171–180, 182, 183, 190, 191, 194–200, 203, 204, 207, 209–212, 214, 215, 218, 224, 244, 252, 254–256, 260, 270–273, 275–282, 284, 285, 288–290, 315–317, 329, 346, 348, 365, 376–378, 385, 389, 392, 402, 404 Aufsichtsrat 19, 24, 30–33, 39, 49, 67, 91, 110–113, 125, 128, 140, 153, 155, 157, 158, 161, 164, 174, 198, 205, 208, 209, 212, 213, 217, 246, 255, 269–274, 276, 280–284, 290, 291, 293–296, 365, 369, 384, 385 Bestandsinteresse 104, 106, 199, 203, 213, 224, 228, 249, 250, 296, 373, 396 Betrieb 17, 164, 165, 167, 170, 261, 271, 290, 306, 316, 360, 383 Blinder Fleck 296 Business-Judgement-Rule 30, 37, 80, 81, 108, 109, 112, 115, 116, 119, 120, 130, 132, 138, 140, 142 Compliance 28, 58, 81, 109, 121, 134, 139, 141, 142, 219, 296, 338, 369, 399, 401, 404 Corporate Social Responsibility 149, 338, 369 Deutscher Corporate Governance Kodex 80, 290, 291, 293 Dispositionsbefugnis 45, 55, 56, 71, 81, 219, 225, 267 Eigentum 18, 85, 131, 157, 163, 169, 190, 191, 202, 254, 265, 267–269, 294, 302, 306, 309, 323

Einverständnis 48–51, 53–57, 68, 69, 71, 94, 211, 241–244, 249, 342 Entscheidungsprogramm 366 Entscheidungstheorie 346, 362 Ermessen 31, 35, 38, 56, 58, 67, 80, 81, 93, 94, 99, 101, 103, 106–110, 112– 116, 118–121, 123, 126–129, 132–134, 137, 138, 140–143, 194–196, 198, 199, 203, 211, 217, 232, 238, 240, 245, 256, 284, 286, 287, 289–291, 293, 294, 299, 324, 343, 345, 370, 376, 384, 387, 393, 406 Existenzgefährdung 39, 52–54, 72, 79, 81, 104, 373 Existenzvernichtung 104, 105 Fließgleichgewicht 376, 378, 383, 388 Geschäftsführer 18, 44, 52, 53, 80, 94, 119, 133, 140, 235, 248, 347, 348, 352, 391, 392 Gesellschafter 18, 23, 25, 44–46, 49–59, 61–63, 66, 68, 69, 71–75, 80, 92, 94– 97, 100, 107, 110, 147, 148, 150, 153, 163, 174, 187, 189, 191, 192, 196, 201, 218–225, 227–229, 231, 233, 237, 238, 245, 249, 250, 252–256, 259, 268, 270, 306, 314, 344, 346–348, 398, 402 Gesellschaftsinteresse 16, 76, 79, 84, 93–98, 100, 103, 110, 145–147, 150, 152, 153, 174, 175, 186, 211, 216, 241, 243, 250, 290, 297 Gewinnmaximierung 23, 30, 32, 92, 97, 99–102, 118, 134, 135, 150, 175, 201, 203, 204, 228, 234, 235, 237, 238, 243, 247, 309, 311, 312, 319, 320, 322, 325, 326, 328, 331, 334, 337, 372, 386 Gläubiger 24, 44, 54–56, 71, 75, 102, 133, 149, 171, 177, 180, 190, 194, 195, 197, 200, 203, 210, 218–220, 222,

Sachregister 225–229, 242, 244, 246, 264, 281, 295, 329, 348, 376, 378, 384 GmbH 18, 48, 50–52, 54–56, 58, 71, 74, 80, 81, 104, 110, 141, 143, 144, 147, 154, 157, 219–225, 227–230, 232, 233, 246, 248, 249, 347, 348 gravierende Pflichtverletzung 28, 31, 36, 38, 39, 42, 77 Harmonieprämisse 307 Hauptversammlung 50, 67, 94, 110, 124, 128, 132, 153, 155, 161, 166, 174, 203, 212, 217, 231, 238–243, 246–253, 257, 280, 283, 284, 288, 294, 298, 324, 330, 342, 373 Hauptversammlungsbeschluss 50, 51, 57, 68, 234, 242, 243, 252 Hibernia 95, 96 hindsight biases 121, 122, 137 Humankapital 284, 285, 317, 403, 404 Institutionenökonomik 311, 329 Interdependenz der Ordnungen 300 Interessengenese 16, 46, 47, 59–61, 63, 66–68, 73, 85, 94, 152, 153, 187, 193, 194, 218, 231, 232, 241–243, 318, 342–344, 347, 348, 355, 358, 361, 370, 393 juristische Person 23, 60, 64, 66, 74, 152, 154, 156, 173, 177, 211, 224, 229, 248, 250, 255, 264, 268, 313, 323, 346, 365, 402 Kapitalaufbringung 56, 57, 66, 217–220, 241, 243 Kapitalerhaltung 50, 53, 54, 201, 217– 220, 241, 375, 383, 388 Kinowelt 36, 39, 89, 401, 405, 406 Kommunikation 357, 360, 362 Kompetenzabgrenzung 67–69, 217, 220, 241–243, 342 Komplexität 64, 126, 332, 356, 357, 359, 360, 367, 371, 372, 379, 380, 389, 392

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Kreditvergabe 36, 42, 71, 72, 75–77, 87, 88, 198, 299 Legalitätsprinzip 75, 134 Loyalitätsprinzip 139, 140, 383 Mannesmann 24, 25, 27–29, 31, 42, 48, 55, 56, 76, 77, 80, 88, 91, 92, 282, 344, 347, 405 Mitbestimmung 17, 133, 155, 162, 164, 165, 168, 190, 208, 213, 214, 243, 244, 255, 257, 259, 263, 266, 267, 270–280, 285, 349, 350, 354, 383 monistisch 85 Muddling Through 333 Notstand 389, 390 Nutzenmaximierung 118, 306, 309, 311, 326, 328, 332, 345 Paradigma 100, 305, 321, 323, 325, 327, 328, 333, 334, 338, 339, 341, 345 Pflichtenkollision 389–395 pluralistisch 16, 23, 24, 30, 79, 105, 106, 126, 129, 134, 136, 145, 153, 173, 178, 193, 202, 215, 243, 254, 266, 297, 298, 308, 331, 385 Prinzipal-Agent-Theorie 102, 150, 264, 306, 323, 324, 329, 330, 333 Rechtsgutvertauschung 47, 53, 57, 73, 75, 136, 226, 227, 245, 342, 346, 364 reflexives Recht 367 Risikogeschäft 36, 116 Satzung 47, 56–58, 67, 69, 74, 81, 134, 135, 150, 231, 232, 234–239, 243, 247, 248, 262, 265, 282, 283, 287, 292, 343, 370, 373, 383, 384, 386, 387, 392–396, 405 Schädigungsverbot 16, 26, 34, 48, 56– 59, 66, 69, 73, 76–78, 81, 99, 103, 106, 218, 342, 343, 345, 347, 374, 386, 397, 398, 405, 408 Scorecard 292, 293, 338, 404

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Sachregister

Shareholder Value 16, 40, 91, 100–103, 118, 150, 153, 193, 195, 202–204, 231, 237, 238, 251, 257, 287, 288, 291, 294, 297, 298, 304, 306, 330, 339–341, 343, 349, 386, 408 soft facts 402–404 Spende 41, 128 St. Galler Management-Modell 334, 356, 358, 361, 371 Stakeholder 16, 40, 75, 102, 152, 195, 209, 210, 292, 295, 309, 314, 320, 336, 340, 376, 379, 402, 404 Systemtheorie 64, 65, 181, 212, 355– 357, 360–362, 370, 372, 378, 380, 382

Unternehmensumwelt 181, 356, 397

Transaktionskostenökonomik 329 Treuhandmodell 344, 345

Vermögensinteresse 43–45, 48, 61, 72, 74, 247, 374, 390, 396–398, 405

Unternehmen an sich 83, 94, 95, 97, 151, 159, 161, 163, 183, 184, 186–191, 233, 262, 288, 334, 351 Unternehmensbegriff 152, 154, 155, 159, 165–167, 185, 186, 198, 200, 212, 213, 255, 277, 301, 353 Unternehmensgegenstand 41, 42, 94, 128, 155, 157, 161, 195, 198, 203, 232–237, 240, 242 Unternehmensinteresse 16, 25, 26, 28– 32, 34, 41, 70, 76, 79, 80, 92–94, 97– 99, 111, 117, 120, 125, 131, 144–146, 148–153, 155, 159, 161, 168, 174, 175, 180–182, 184, 186, 190–202, 204–213, 215, 229, 238, 241, 243, 250, 251, 253, 260, 263, 268, 270, 271, 273, 279, 281, 285, 289, 290, 292, 294, 297, 298, 300, 304, 310, 311, 344, 346, 348–350, 364, 365, 377, 392

Unternehmensziel 100, 146, 173, 215, 233, 235, 371 Unternehmenszweck 41, 115, 208 unternehmerische Entscheidung 28, 31, 33, 113–116, 120, 134, 136, 144, 381, 405 Vermögensbetreuungspflicht 16, 22, 24, 43, 44, 46, 48, 53, 56, 59, 66, 73, 74, 76, 78, 79, 82, 86, 89, 92, 99, 105, 205, 245, 279, 348, 351, 352, 361, 365, 407 Vermögensgefährdung 37, 48, 77–79, 99, 406, 407

Vermögensnachteil 36–38, 57, 76–78, 99, 343, 396, 399, 406, 407 Vermögensschaden 76, 344, 397–400, 405, 407 Wirtschaftsethik 178, 234, 318, 319, 321, 325–327, 329, 334–337, 339 340, 355, 363, 369, 371, 376 Wirtschaftsordnung 148, 172, 188, 203, 274, 299–301, 303, 304, 308, 310, 319, 335, 364, 375 Wohlfahrtsprinzip 307, 309, 345 Zivilrechtsakzessorietät 31, 33, 38, 66, 69, 79, 89, 90, 106, 297, 298, 346, 348, 395 Zurechenbarkeit 38, 77, 396 Zwangshypothese 307, 309–311, 319