Die Delegation durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft [1 ed.] 9783428558551, 9783428158553

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Aufgabenwahrnehmung und Aufgabenüber

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Die Delegation durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft [1 ed.]
 9783428558551, 9783428158553

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 151

Die Delegation durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft Von

Anja Linnertz

Duncker & Humblot · Berlin

ANJA LINNERTZ

Die Delegation durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 151

Die Delegation durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft Von

Anja Linnertz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15855-3 (Print) ISBN 978-3-428-55855-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Sommersemester 2019 als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 18. Juni 2019 statt. Rechtsprechung und Literatur sind soweit möglich bis Juli 2019 berücksichtigt worden. Für die umfassende Betreuung meiner Arbeit und für die lehrreiche und angenehme Zusammenarbeit am Lehrstuhl danke ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Jens Koch. Die stetige Ermutigung zur Diskussion hat sowohl meine Arbeit als auch meine persönliche Entwicklung maßgeblich gefördert. Herrn Prof. Dr. Daniel Zimmer möchte ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens danken. Herrn Dr. Philipp Maximilian Holle und Herrn Julian Jordan danke ich für die kritische Durchsicht meines Manuskripts und meinem Bürokollegen Herrn Dr. Rafael Harnos für die vielen konstruktiven Diskussionen. Abschließend möchte ich meinem Bruder und ganz besonders meinen Eltern danken, die mich bei jeder meiner Entscheidungen ganz selbstverständlich begleiten und unterstützen. Ihnen widme ich diese Arbeit. Düsseldorf, im Juli 2019

Anja Linnertz

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Problemaufriss 

19

§ 1 Vorstand im Spannungsfeld zwischen Aufgabenwahrnehmung und Aufgabenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 § 2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Teil

Grundzüge der Delegationsproblematik 

§ 3 Aktienrechtliche Leitplanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Spielarten der Aufgabenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Delegation im Spiegel der aktienrechtlichen Grundkonzeption . . . . . . 1. Friktionen im Kompetenzgefüge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortlichkeitsverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 27 31 31 34 37

§ 4 Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Begründung des Delegationsverbots als solches („Ob“)  . . . . . . . . . . . 37 II. Inhaltliche Abgrenzung von delegierbaren und nicht delegierbaren Aufgaben („Wie“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Leitung als herrschendes Identifikationsinstrument des Delega­ tionsverbots  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Nicht delegierbarer Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3. Abgrenzungskriterien im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Leitungsaufgaben kraft gesetzlicher Zuordnung . . . . . . . . . . . . . 44 b) Wechselspiel von § 90 Abs. 1 AktG und § 111 Abs. 4 S. 2 AktG als übertragbare Wertung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . 47 c) Unternehmerische Durchdringung der Vorstandsaufgaben . . . . . 48 d) Erheblichkeit der Maßnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 e) § 93 Abs. 1 AktG als Prüfmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Auslegung der Sorgfaltsnorm mithilfe betriebswirtschaft­ licher Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 bb) Theorie der sorgfältigen unternehmerischen Entscheidung . 53 4. Punktuelle Stellungnahmen der aktienrechtlichen Rechtsprechung . 55 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

8 Inhaltsverzeichnis 3. Teil

Analyse des Delegationsverbots 

59

§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Keine terminologische Abstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II. Systematische Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Begriffliche Zuordnung der §§ 76, 77, 78 AktG   . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Zusammenspiel der §§ 76, 77 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Redaktionelle Einbettung der §§ 76 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) § 76 AktG als Organisationsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Leitungspflicht vs. Geschäftsführungsbefugnis? . . . . . . . . . . . . . 64 d) Inhaltliche Verknüpfung der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 e) Einzelgeschäftsführung unter Berücksichtigung aktienrecht­ licher Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Gesetzlicher Pflichtenstamm des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) „Vorstand“ kein leitungsidentifizierendes Tatbestandsmerkmal . 70 b) Fehlende inhaltliche Klammerwirkung der Pflichten . . . . . . . . . 74 aa) Pflichten im Spiegel ihrer Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Unbestimmbarer Differenzierungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Geschäftsführung als eigentlicher Anknüpfungspunkt des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Kein zerrissener Geschäftsführungsbegriff – Beispielhafte Überprüfung anhand der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Übertragung der Ergebnisse zu § 111 Abs. 1 AktG auf die übrigen Geschäftsführungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5. Ungeschriebene Prinzipien als Teil der Delegationsfrage . . . . . . . . 81 6. Konzernrechtliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 7. Gesellschaftsübergreifender Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Entwicklungslinien von Leitung und Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . 84 1. Kompetenzordnung vor der Aktienrechtsreform von 1937 . . . . . . . 84 2. Historische Deutung des Leitungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Leitungsbegriff der Reform von 1937 als Zeichen der Kompetenzverschiebung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Traditionsgeleitete Übernahme des Leitungsbegriffs 1965  . . . . 90 c) Wertungen der Gemeinwohlklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d) Gesellschafts- und organübergreifende Bedeutung der Leitung . 94 3. Geschäftsführung als selbstverständlich vorausgesetzter Maßstab . 95 4. Offene Gesetzesbegründung zu § 308 AktG 1965  . . . . . . . . . . . . . 97 5. Schleichender Verständniswechsel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Leitung unter Zweckgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Inhaltsverzeichnis9 1. Keine bloß exekutive Funktion der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . 2. Leitung als Funktionszuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

100 104 105 105

§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Delegationsoffene Gesetzesgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Horizontale Delegation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Beschränkte Aussagekraft des § 77 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Vorstand als Kollegialorgan  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Kollegialprinzip und Gleichheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . 110 bb) Gesamtverantwortungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (1) Wurzeln der Gesamtverantwortung  . . . . . . . . . . . . . . . 112 (2) Inhaltliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Eigenverantwortlichkeit nach § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . 119 d) Gesetzliche Vorstandspflichten als untauglicher Ansatzpunkt . . 120 aa) Vorstand als Differenzierungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Abstrakte Betrachtung der gesetzlichen Aufgaben . . . . . . . 122 e) § 90 AktG und § 111 Abs. 4 S. 2 AktG als bloße Kontrollnormen für den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 f) Delegation als Teil der Führungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 g) Exkurs: Gleichlauf des Anstellungsvertrags zur Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 h) Keine organübergreifenden Friktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 i) Kein Haftungsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 j) Delegation durch den Aufsichtsrat als Wertungshilfe . . . . . . . . . 135 k) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Vertikale Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Divergente gesetzliche Regelungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Keine Kompetenzabschneidung innerhalb des Vorstands . . . . . . 139 c) Kein Verstoß gegen das aktienrechtliche Organisationsgefüge aus Sicht von Aufsichtsrat und Hauptversammlung . . . . . . . . . . 140 aa) Störungsfreie Überwachung durch den Aufsichtsrat . . . . . . 140 bb) Wahrung der Hauptversammlungskompetenzen . . . . . . . . . 143 d) Vereinbarkeit mit § 93 AktG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Aufgabenübertragung an gesellschaftsexterne Delegationsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Wahrung der Organfunktion des Vorstands  . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Rechtliche und rechtstatsächliche Anforderungen . . . . . . . . 147 bb) Weitere Formen der Kompetenzveräußerung im Wertungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Keine Beeinträchtigung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

10 Inhaltsverzeichnis c) Vereinbarkeit mit dem Haftungssystem des § 93 AktG . . . . . . . 155 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4. Delegation an Aufsichtsrat und Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . 156 a) Aufsichtsrat als Delegationsadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Hauptversammlung als Delegationsadressat . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5. Exkurs: Außeraktienrechtliche Vorschriften und Leitlinien . . . . . . . 160 6. Delegation durch Verantwortliche weiterer Gesellschaftstypen . . . . 163 a) GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Genese der Aufgabenübertragung anhand der wesentlichen Aktienrechtsreformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Delegationsverbot der Reform von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Delegation nach der Aktienrechtsreform von 1937 . . . . . . . . . . . . . 172 3. Reform von 1965: Vom Alleinentscheidungsrecht zum Kollegialprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4. Geschäftsverteilung nach Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Zweckgeleitete Erwägungen zur Unveräußerlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Keine betriebswirtschaftliche Überlagerung des Aktienrechts . . . . . 176 a) Betriebswirtschaftslehre als Basis für das Delegationsverbot . . 176 b) Betriebswirtschaftslehre als bloße Auslegungshilfe . . . . . . . . . . 180 2. Kosten-Nutzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Verklärte Wirkungen der Gruppenentscheidung  . . . . . . . . . . . . 182 b) Kein Einfluss der Delegation auf gesamtgesellschaftliche Inte­ ressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Effizienzgewinne bei externer Delegation  . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Gefahr des Rückschaufehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Einzelfallanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Überwachungspflicht als verkapptes Delegationsverbot . . . . . . . . . 191 4. Teil

Anforderungen an die zulässige Delegation 

§ 7 Hinreichende Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Satzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geschäftsordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formelle Erlassvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltliche Ausgestaltung und Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 193 193 196 196 199

Inhaltsverzeichnis11 III. Organisationsautonomie als Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelbeschluss auf horizontaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisationsautonomie als notwendige Rechtsgrundlage für vertikale und externe Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200 200 201 203

§ 8 Prüfung der Delegationsfähigkeit der Maßnahme anhand des Einzelfalls – Befugnisüberschreitung als Grenze der Delegation . . . . . . . . . . . . 204 I. Gesetzliche Anknüpfungspunkte für eine Einzelfallbetrachtung . . . . . 204 II. Beleuchtung der bislang entwickelten Differenzierungskriterien . . . . . 206 1. Art und Größe des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Art des Unternehmens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Mangelnde Bestimmtheit des Gesellschaftszwecks  . . . . . . 206 bb) Fehlende Präzisionskraft des Unternehmensgegenstands . . 207 b) Größe des Unternehmens als Indiz für die Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Substanzielle Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Schadenspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Gläubiger-, Aktionärs- und öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . 213 5. Eilbedürftigkeit der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Bewertungsmaßstab: Befugnisüberschreitende Auswirkungen . . . . . . . 216 1. Dogmatische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Inhaltliche Ausformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Spezifische Betroffenheit in der Befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Pflicht zur Rückdelegation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Tauglichkeitsprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Gesetzliche Vorstandspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) § 83 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) § 90 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 cc) §§ 91, 92 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 dd) Weitere Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Ungeschriebene Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 bb) EDV und IT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 cc) Corporate Social Responsibility und Corporate Reputa­ tion Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Auflösung des unternehmerischen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV. Einzelfallanalyse und Business Judgment Rule  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Trennung von Delegationsfähigkeit und Aufgabenerfüllung . . . . . . 232 2. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 V. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

12 Inhaltsverzeichnis § 9 Kontrollelemente vor der Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zweistufige Ausprägung der Kontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswahl des Delegationsempfängers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahlentscheidung als Schlüsselfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Organisationsstruktur des Delegationsempfängers . . . . . . . . . . . . . . 4. Einräumung hinreichender Einflussrechte auf den Delegationsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einflussmöglichkeiten gegenüber Vorstandsmitgliedern . . . . . . b) Steuerungsrechte gegenüber Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gestaltung der Rechtsposition gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . aa) Bestimmung des Rechtsverhältnisses  . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wesentliche Regelungspunkte im Vertragsverhältnis . . . . . (1) Informations- und Weisungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Tatsächliche Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einweisung des Delegationsempfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuschnitt der Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befugnisausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Geeignete Kontrollstruktur in der delegierenden Gesellschaft . . . . . . . V. Prüfintensität: Einzelfallbetrachtung anhand eines grundsätzlichen Wertekanons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Kontrollelemente während der Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kontrollgegenstand: Recht- und zweckmäßiges Verhalten . . . . . . . . . . II. Informationsaustausch als Prämisse der Überwachung . . . . . . . . . . . . III. Steuerungsinstrumente bei unzureichender Aufgabenerfüllung . . . . . . 1. Intervention als Oberbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschlussfassung des Gesamtvorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutungsgehalt des Widerspruchsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formale und inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weisungen gegenüber Mitarbeitern und Dritten  . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zustimmungsvorbehalte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Eskalationsstufen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kontrollintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrauensgrundsatz auf Vorstandsebene  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schicksalsgemeinschaft von Delegation und Vertrauen . . . . . . . b) Einfallstor im Rahmen der Business Judgment Rule . . . . . . . . .

238 238 239 239 240 242 243 243 245 246 246 248 248 250 252 254 254 254 256 256 258 260 260 260 261 265 265 266 266 268 268 272 273 274 275 276 277 277 277 280

Inhaltsverzeichnis13 c) Inhaltliche Reichweite  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzlicher Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Intensivierung durch besondere Umstände . . . . . . . . . . . . . cc) Individuell divergierender Vertrauensmaßstab? . . . . . . . . . . 2. Delegationsformübergreifendes Vertrauensmodell . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Delegation der Überwachungspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kettendelegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berichtsadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragung der Überwachungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bemessung nach den Anforderungen an die Delegation . . . . . . b) Verbleibendes Interventionsrecht der nicht zuständigen Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Konsequenzen einer sorgfaltswidrigen Überwachung  . . . . . . . . . . . . . VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

282 282 285 287 288 290 290 290 292 293 293 295 295 296 297

5. Teil

Delegation de lege ferenda 

§ 11 Diskutierte Regelungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Katalog nicht delegierbarer Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Feingliedrigere Ausgestaltung der Geschäftsführungsregelung . . . . . . 1. Normierung des Vertrauensgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normierung des Gesamtverantwortungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . .

298 298 298 299 299 301

§ 12 Eigener Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 6. Teil Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis a. F. alte Fassung AG Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)/Amtsgericht AktG Aktiengesetz AktienR Aktienrecht Allg. M. allgemeine Meinung AmtlBegr Amtliche Begründung Anm. Anmerkung AR Aufsichtsrat ArbR Arbeitsrecht Art. Artikel Aufl. Auflage Ba. Fin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BAG Bundesarbeitsgericht BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BFH Bundesfinanzhof BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BT-Drs. Drucksache des Deutschen Bundestages BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise CB Compliance Berater (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis15 CCZ

Corporate Compliance Zeitschrift

CEO

Chief Executive Officer

CSR

Corporate Social Responsibility

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DCGK

Deutscher Corporate Governance Kodex

DJT

Deutscher Juristentag

DNotZ

Deutsche Notar-Zeitschrift

DSGVO Datenschutz-Grundverordnung DSRI

Deutsche Stiftung für Recht und Informatik

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

D&O

Directors & Officers (-Versicherung)

Einl. Einleitung etc.

et cetera (und so weiter)

f.

und folgende (Seite)

ff.

und folgende (Seiten)

Fn. Fußnote FS Festschrift GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GesR Gesellschaftsrecht GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau (Zeitschrift)

Großkomm. Großkommentar GS

Gedächtnisschrift/Liber Amicorum

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

Hdb. Handbuch HGB

Handelsgesetzbuch

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

HV

Hauptversammlung

i. H. v.

in Höhe von

insb.

insbesondere

i. S. d.

im Sinne des/der

i. V. m.

in Verbindung mit

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JW

Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

16 Abkürzungsverzeichnis Kap.  Komm. KonTraG KWG LG LMRR MaComp MaGo MaRisk MDR Mio. MitbestG Münch. m. w. N. NJW NJW-RR NK Nr.  NStZ-RR NZA NZG OHG OLG OR OWiG Phi RegBegr RGSt RGZ Rn.  S.  s. sog. StPO str.

Kapitel Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kreditwesengesetz Landgericht Lebensmittelrecht Rechtsprechung (Zeitschrift) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen Mindestanforderungen an das Risikomanagement Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Million(en) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Münchener mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Zeitschrift) Nomos Kommentar Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Das schweizerische Obligationenrecht Ordnungswidrigkeitengesetz Produkthaftpflicht international, Zeitschrift für Produkt- und Umwelthaftung und deren Versicherung Regierungsbegründung Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Satz/Seite siehe sogenannte/-r/-s Strafprozessordnung streitig

Abkürzungsverzeichnis17 u. a. UMAG

und andere/unter anderem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Urt. Urteil v. vom/von VAG Versicherungsaufsichtsgesetz VereinsR Vereinsrecht VersR Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht VG Verwaltungsgericht vgl. vergleiche Vorb. Vorbemerkung VorstandsR Vorstandsrecht vs. versus WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WpHG Wertpapierhandelsgesetz z. B. zum Beispiel ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

1. Teil

Problemaufriss § 1 Vorstand im Spannungsfeld zwischen Aufgabenwahrnehmung und Aufgabenübertragung Über Vorstände von Aktiengesellschaften und die Frage ihrer Verantwortlichkeit sollte eigentlich alles gesagt sein. Zu dieser Aussage neigt man zumindest, wenn man die Vielzahl an Stellungnahmen in Zeitschriften, Kommentaren oder Monografien als einzigen Bewertungsmaßstab zugrunde legt. Gleichwohl ringen Rechtswissenschaft und Rechtspraxis weiterhin darum, wie die verschiedenen Elemente der Vorstandsverantwortlichkeit im Einzelnen ausgestaltet werden sollen – besonders exponiert und breit diskutiert ist etwa die Thematik der Compliance1. Daher überrascht es auch nicht, dass die Frage der Delegation von Aufgaben durch den Vorstand keineswegs abschließend geklärt ist. Überraschend ist hingegen, dass sich der juristische Diskurs diesem Thema jedenfalls in jüngster Zeit nur vereinzelt tiefgreifend gewidmet hat.2 Die nur stiefmütterliche Behandlung der Delegation steht in auffallendem Widerspruch zu ihrer Bedeutung für das praktische Vorstandsleben: Führt man sich vor Augen, welchen Umfang die aktienrechtliche Organisation einnimmt, so ist klar, dass der Vorstand faktisch unmöglich alle Aufgaben selbst erfüllen kann. Er ist also zwingend auf die Delegation als Organisationsmit1  Die der Compliance gewidmete Aufmerksamkeit in Rechtsprechung, Literatur und Öffentlichkeit sucht in der Tat ihresgleichen. Das schlägt sich auch in der kaum noch überschaubaren Diskussion um ihren Pflichteninhalt nieder. Aus der Rechtsprechung hervorzuheben ist das Siemens/Neubürger-Urteil des LG München I ZIP 2014, 570. In Reaktion darauf siehe die Ausführungen von Bachmann, ZIP 2014, 579 ff.; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598 ff. Zur allgemeinen Kritik Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 11 f.: „Nie versiegender Pflichtenquell“. Anschaulich auch Holle, Legalitätskon­ trolle, S.  1 ff.; Unmuth, AG 2017, 249 ff., 255 ff., dessen Beitrag im Übrigen eine Übersicht zu öffentlich diskutierten Skandalfällen und den Reaktionen der Unternehmen enthält. Mit einem detaillierten geschichtlichen Überblick zur Compliance Harbarth/Brechtel, ZIP 2016, 241 ff. Mit einem Überblick zu den Fragen der Organhaftung im Allgemeinen auch Bachmann, BB 2015, 771 ff.; außerdem Fleischer, NJW 2009, 2337 ff. 2  Vgl. etwa Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 100 f.; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S.  1463 ff.

20

1. Teil: Problemaufriss

tel angewiesen.3 In der Praxis wird die Delegation auch ganz selbstverständlich gelebt, indem der Vorstand Aufgaben an einzelne Vorstandsmitglieder, Mitarbeiter oder gesellschaftsexterne Delegationsadressaten (auch Delega­ tionsempfänger oder Delegatare genannt)4 weiterreicht.5 Diese Praxis spiegelt das Aktiengesetz allerdings nicht wider: Einzig § 77 Abs. 1 S. 2 AktG deutet an, dass der Vorstand eine interne Geschäftsverteilung vornehmen darf. Zu ihren Grenzen oder den weiteren Delegationsformen schweigt das Gesetz. Es deutet bei kursorischem Blick sogar in die entgegengesetzte Richtung: Nach dem aktienrechtlichen Organisationsgefüge liegt die Steuerung der Gesellschaft ausschließlich beim Vorstand, da ihm das Gesetz gemäß § 76 Abs. 1 AktG die eigenverantwortliche Leitung überträgt. Somit ist jedes „Rädchen“ in der Aktiengesellschaft, von der Vorstands­ ebene bis hin zur kleinsten Betriebseinheit, seine „Angelegenheit“ und daher „Chefsache“6. Diese Aufgabenbeschreibung begründet durchaus Zweifel an der Zulässigkeit der Delegation – auch wenn sie sich in Anbetracht der Aufgabenfülle zugleich als Fehlermeldung liest. Im Hinblick auf die Rechte von Aufsichtsrat und Hauptversammlung ist ebenfalls fraglich, ob die Delegation mit dem aktienrechtlichen Organisationsgefüge vereinbar ist. Immerhin verleiht das Aktiengesetz diesen Organen zumindest Einwirkungsrechte auf die Geschäftsführung. Überträgt der Vorstand Aufgaben, könnte dies daher sowohl seine Funktion als auch die Rechte von Aufsichtsrat und Hauptversammlung verletzen. Daneben ist auch ein Verstoß gegen das Haftungssystem des § 93 AktG denkbar. Durch die Aufgabenübertragung verschiebt sich nämlich die Verantwortlichkeit des Vorstands und lässt eine Verantwortungsflucht befürchten:7 3  Exemplarisch Boesebeck, JW 1938, 2525, 2527; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 526; Froesch, DB 2009, 722, 723; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 38 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 49; Schiessl, ZGR 1992, 64, 80; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 39, 87 f., 177. 4  Siehe zu diesen Termini Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 528 ff.: Delegationsempfänger oder auch Delegatar; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482: Delegationsempfänger. 5  Vgl. zu den Delegationsformen statt aller Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1472, der eine Typologie der Delegationsfälle vornimmt. 6  Vgl. zu dieser Begrifflichkeit, namentlich im Kontext der Compliance, Fleischer, NZG 2014, 321, 323; Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 15. 7  Rechtstatsächlich besteht ohnehin ein Unbehagen gegenüber Vorständen und ihrer Verantwortung für Fehltritte, das durch verschiedene Skandale der letzten Jahre genährt wurde, vgl. etwa mit Zeittabelle http://www.zeit.de/wirtschaft/diesel-skandalvolkswagen-abgase, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; https://www.sueddeutsche.de/ wirtschaft/libor-skandal-deutsche-bank-soll-milliarden-euro-zahlen-1.2429053, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; http://www.manager-magazin.de/fotostrecke/siemens-daim ler-ferrostaal-die-groessten-korruptions-faelle-fotostrecke-127536.html, zuletzt abge-



§ 1 Spannungsfeld zwischen Aufgabenwahrnehmung und -übertragung21

So rückt an die Stelle der unmittelbaren Handlungspflicht eine Überwachungspflicht. Der Vorstand ist infolgedessen verantwortlich für eine pflichtwidrige Überwachung, nicht aber für eine pflichtwidrige Aufgabenerfüllung durch den Delegationsempfänger.8 Sowohl den Argumenten für als auch gegen die Delegation kann eine gewisse Überzeugungskraft nicht abgesprochen werden. Den Vorstand stellt dieser Befund vor das Dilemma, gleichermaßen zwingend Aufgaben wahrnehmen und übertragen zu müssen, um seinen Pflichten gerecht zu werden. In der Folge herrscht Streit darüber, wie delegierbare und nicht delegierbare Aufgaben voneinander abzugrenzen sind. Ganz überwiegend wird der Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG als ausschlaggebendes Differenzierungskriterium herangezogen: Aus dem Leitungsbegriff sollen nicht delegierbare Leitungsaufgaben ableitbar sein. Dabei ist nicht nur unausgegoren, wie diese im Einzelnen herauszufiltern sind, der Leitungsbegriff erweist sich auch als offene Flanke, um weitere Pflichten zu begründen. So erklären Vertreter des Schrifttums mit schwindelerregender Selbstverständlichkeit unterschiedlichste Bereiche zu Leitungsaufgaben:9 Prominentestes und pflichtenintensivstes Beispiel ist die Compliance. Die Einstufung als Leitungsaufgabe10 macht neben den Unwägbarkeiten des Pflichteninhalts auch die Aufgabenerfüllung zur Unbekannten. Nicht delegierbare Leitungsaufgaben sollen zudem die Bereiche „Elektronische Datenverarbeitung“ (EDV) sowie „Inforrufen am 25.07.2019; http://www.welt.de/wirtschaft/article146382564/ThyssenKruppverlangt-Schadenersatz-von-Ex-Ma-nagern.html, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; http://www.handelsblatt.com/unternehmen/beruf-und-buero/buero-special/compli ance-die-groessten-skandale-in-deutschen-konzernen/6641352.html, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; https://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht/ex-deutsche-boerse-chefbafin-fordert-anklage-gegen-kengeter/20811618.html, zuletzt abgerufen am 25.07. 2019. Vgl. zum Vertrauensverlust gegenüber Vorständen etwa Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.11.2016, S. 26 zum Thema Korruption. Dabei ist die Überwachungspflicht durchaus haftungsträchtig: So beruht das Siemens/Neubürger-Urteil des LG München I ZIP 2014, 570, das dem Vorstandsmitglied Heinz-Joachim Neubürger, eine Schadensersatzpflicht i. H. v. 15 Mio. Euro auferlegte, maßgeblich auf einer Verletzung der Überwachungspflicht nach erfolgter Aufgabenübertragung. Auch der Dieselgate-Vorwurf in der Automobilbranche stützt sich unter anderem auf eine sorgfaltswidrige Überwachung. 8  Statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 46. 9  Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 387 verweist zu Recht darauf, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, Pflichten des Vorstands zu statuieren. 10  Ganz h. M.; siehe etwa LG München I ZIP 2014, 570, 573; Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 175 ff.; Bürkle, BB 2005, 565; Fleischer, NZG 2014, 321, 322 ff.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 3; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 392; Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 370; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 11 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 36; Link, in: Wachter, § 76 Rn. 9; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 10, 18; Seyfarth, VorstandsR, § 8 Rn. 39; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 17; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 28 ff.

22

1. Teil: Problemaufriss

mationstechnologie“ (IT) sein, obwohl dem Vorstand als Plenum anerkanntermaßen zumeist die Expertise fehlt, um die Aufgabe selbst zu erfüllen.11 Die Frauenförderung, inzwischen in § 76 Abs. 4 AktG durch eine Quoten­ regelung gesetzlich verankert,12 wird als Leitungsaufgabe bezeichnet13 und zum Teil auch als Bemühenspflicht kategorisiert.14 Unter dem Schlagwort „Corporate Social Responsibility“ werden in jüngster Zeit besonders intensiv die soziale Verantwortung von Unternehmen und ihre Auswirkung auf den Pflichtenstamm des Vorstands diskutiert. Eng damit verwoben ist auch das „Corporate Reputation Management“, namentlich das „Image“ der Gesellschaft. Beide werden zum Teil zu den Leitungsaufgaben gezählt.15 Wie zer11  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 37 (a. A. hingegen noch Kort, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 76 Rn. 37); siehe auch Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 380 f. Zur IT-Sicherheit, insbesondere zu Cyber-Risiken, Gercke/Laschet/Schweinsberg, Phi 2014, 76, 78 f. (m. w. N.). Spindler, ZGR 2018, 17, 40 f. spricht von der IT-Sicherheit als „Chefsache“, gleichsam verweist er auf die Delegation als zwingend notwendiges Mittel und in der Folge insbesondere auf die Pflicht zur Überwachung der zuständigen Einheiten. Insbesondere zum Bereich Datenschutz Korch/Chatard, AG 2019, 551, 554 ff., wonach dieser Bereich, insbesondere im Hinblick auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), „Chefsache“ sei, der Vorstand dieses Aufgabengebiet dennoch an einzelne Vorstandsmitglieder sowie einzelne Aufgaben vertikal delegieren dürfe; dem Datenschutzbeauftragten wird bei der Überwachung eine maßgebliche Rolle zugewiesen. Auch das weitere Schrifttum geht letztlich davon aus, dass Datenschutz bzw. die einzelnen Aufgaben delegierbar seien, siehe Noack, ZHR 183 (2019), 105, 124 f.; außerdem Löschhorn/Fuhrmann, NZG 2019, 161, 166 f. Zur rechtspraktischen Bedeutung vgl. nur Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. Mai 2018, S. 18. 12  Dazu Seibert, NZG 2016, 16 ff. 13  So Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 45; Weller/Benz, AG 2016, 467, 469. Von einer Pflicht des Vorstands spricht auch die RegBegr BT-Drs. 18/3784, S. 119, wobei die Gesetzesbegründung die Pflicht nicht klassifiziert. 14  So Weller/Benz, AG 2016, 467, 472; für eine weitergehende Haftung offen auch Stüber, DStR 2015, 947, 954. Drygala NZG 2015, 1129, 1133 ff. spricht sich für eine Pflicht aus, die Zielvorgaben zu erreichen; Schadensersatzpflichten bei Nichtfestlegung oder Nichterreichung einer Zielgröße verneint er jedoch. 15  Zur Diskussion um die Corporate Social Responsibility statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 35 ff.; sodann Hommelhoff, NZG 2017, 1361 ff.; Hommelhoff, FS Kübler, 2015, 291 ff.; Mülbert, AG 2009, 766 ff.; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 ff.; Spindler, FS Hommelhoff, 2012, 1133 ff.; Weller/Kaller/Schulz AcP 216 (2016), 387 ff. Zum Corporate Reputation Management Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 9; Seibt, DB 2015, 171, 174. Siehe auch im Zusammenhang mit der Corporate Social Responsibility Seibt, DB 2016, 2707, 2709. Fleischer, AG 2017, 509, 516 bestätigt diese Entwicklung. Außerdem Fleischer, DB 2017, 2015, 2020. Für eine Leitungsaufgabe auch Drygala NZG 2015, 1129, 1134. Laut Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 693 ist dies jedenfalls für große Unternehmen anzunehmen. J. Vetter, ZGR 2018, 338, 343 f. spricht hinsichtlich des Reputationsmanagements von einer „wichtigen Aufgabe“ und konstatiert in diesem Zusammenhang eine faktische Pflicht bzw. einen faktischen Druck zu ethischem Handeln.



§ 1 Spannungsfeld zwischen Aufgabenwahrnehmung und -übertragung23

rissen und gegensätzlich das Pflichtenbild im juristischen Diskurs ausfällt, zeigt sodann die Forderung, der Vorstand müsse ungünstige, nachteilige Rechtswirkungen unter Ausschöpfung aller legalen Mittel verhindern.16 Die Phantasie, Pflichten zu kreieren, scheint somit grenzenlos.17 Sieht sich schon die Wissenschaft kaum in der Lage, die Diskussion noch zu durchblicken und zu ordnen, ist es erst recht kühn, dies von Vorständen zu verlangen. Selbst wenn man im Einzelnen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Delegation zulässig ist, formuliert das Gesetz keinen klaren Handlungsleitfaden für die daran anschließende Überwachungspflicht. Auch hier überbieten sich die Beiträge darin, Anforderungen zu statuieren, die letztlich Sinn und Zweck der Delegation konterkarieren.18 Angesichts der noch weithin ungeklärten Fragen müsste der Vorstand schon Seiltänzerqualitäten aufweisen, um die Aktiengesellschaft unbeschadet zu führen und zu organisieren. Nicht zu Unrecht wird eine Erfolgshaftung durch zunehmende Organisationsanforderungen befürchtet.19 Die vorliegende Arbeit macht es sich daher zur Aufgabe, einer „realitätsnahen Betrachtung dessen, was von einem pflichtgemäß agierenden Geschäftsleiter realistischer- und vernünftigerweise noch persönlich erwartet werden kann“20, Form und Inhalt zu verleihen und das Spannungsfeld zwischen Aufgabenwahrnehmung und Aufgabenübertragung aufzulösen.

16  Zu diesem Themenkomplex Schmitz/U. H. Schneider, NZG 2016, 561  ff. (m. w. N.), die sich im Ergebnis für eine unternehmerische Entscheidung und gegen eine Rechtspflicht aussprechen. Außerdem Gassner, FS Krejci, 2001, S. 605 ff.; Schön, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1085 ff. 17  Anschauliches Beispiel ist das Corporate Resilience Management: Laut Seibt, DB 2016, 1978 ff. unterliegt die Unternehmensführung den sog. VUCA-Rahmen­ bedingungen, namentlich Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Die VUCA-Rahmenbedingungen seien in der Entwicklung der Unternehmensstrategie zu berücksichtigen, die ihrerseits Ausfluss des § 76 Abs. 1 AktG und somit Leitungsaufgabe sei. Das Corporate Resilience Management sei ein mögliches Strategiekonzept, um das Unternehmen angesichts dieser Rahmenbedingungen nachhaltig bestandsfähig zu machen. Seibt gesteht dem Vorstand zwar im Hinblick auf das Strategiekonzept einen weiten Ermessensspielraum zu. Dennoch besteht nach hier vorliegender Auffassung die Gefahr, dass die unmittelbare Verknüpfung mit der Unternehmensleitung ein derartiges Konzept ebenfalls zum (nicht delegierbaren) Pflichtenstandard erwachsen lässt. Zudem ist in höchstem Maße fraglich, ob Rechtswissenschaft und Rechtspraxis überhaupt verordnen können, was gutes Unternehmertum bedeutet. 18  Kritisch auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15. 19  Siehe Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 383. 20  Freund, NZG 2015, 1419, 1423.

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1. Teil: Problemaufriss

§ 2 Gang der Untersuchung Um das Spannungsfeld zwischen Aufgabenwahrnehmung und Aufgabenübertragung aufzulösen, untersucht die Arbeit, unter welchen Umständen eine Delegation mit dem Aktiengesetz vereinbar ist. Der 2. Teil der Arbeit erörtert dazu die Grundzüge der Delegationsproblematik, um die Bedenken gegenüber diesem Organisationsmittel klar auszuformulieren. Die aktienrechtlichen Leitplanken (§ 3) zeigen auf, wie die Aufgabenübertragung im Einzelnen funktioniert. Die Arbeit schildert dazu zunächst, welche Delega­ tionsformen möglich sind. Dies bestimmt sich anhand des Delegationsadressaten: Der Vorstand kann Aufgaben an einzelne Vorstandsmitglieder, Mit­ arbeiter und gesellschaftsexterne Delegationsempfänger übertragen. Die Rechtsfolgen der Delegation werden sodann im Spiegel aktienrechtlicher Grundwertungen betrachtet. Da sich die unmittelbare Handlungspflicht des Vorstands in eine Überwachungspflicht wandelt, drohen einerseits Kompetenzkollisionen zwischen den Organen. Andererseits geht mit der Delegation eine Verantwortlichkeitsverschiebung einher, die an der allgemeinen Anordnung des § 93 AktG zu messen ist. Diese Leitplanken greift auch der juristische Diskurs auf und legt sie seinen Wertungen zur Delegation zugrunde (§ 4). Die Arbeit schildert die einzelnen Verästelungen des Meinungsstands, die sich grob aufteilen lassen in die Begründung des Delegationsverbots als solches sowie die Kriterien zur Abgrenzung von delegierbaren und nicht delegierbaren Pflichten im Einzelnen. Im 3. Teil unterzieht die Arbeit die aktienrechtlichen Leitplanken und den Meinungsstand einer umfassenden Analyse, die ausloten soll, ob die dargestellten Bedenken gerechtfertigt sind. Die Analyse spaltet sich in zwei Prüfungsabschnitte auf: Zunächst wird das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung beleuchtet, da die Unterscheidung der beiden Termini das wesentliche Argument für ein Delegationsverbot ist (§ 5). Im Anschluss daran widmet sich die Arbeit der Frage, inwieweit die Delegation im Übrigen mit dem Aktiengesetz vereinbar ist (§ 6). Beide Abschnitte werden nach den Prinzipien der Methodenlehre, das heißt unter grammatikalischen, systematischen, historischen und teleologischen Gesichtspunkten betrachtet. Zunächst liegt der Fokus auf Wortlaut und allgemeinem Sprachgebrauch. Sodann sind die Kompetenzvorschriften, aber auch das gesamte Aktiengesetz sowie Vorschriften jenseits des aktienrechtlichen Normentatbestands systematisch zu bewerten. Im Rahmen der historischen Betrachtung gilt es, die verschiedenen Aktienrechtsreformen im Hinblick auf die Delegation einzuordnen. Teleo­ logisch stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit sich betriebswirtschaftliche Einflüsse auf die Delegationsproblematik auswirken.



§ 2 Gang der Untersuchung25

Ausgehend von den Analyseergebnissen formt der 4. Teil die Voraussetzungen einer zulässigen Delegation aus. Zunächst stellt sich die Frage der Rechtsgrundlage (§ 7). Das Aktiengesetz wird hinsichtlich der Aufgabenübertragung nur beschränkt regelnd tätig, da sich § 77 AktG auf die Organisation innerhalb des Vorstands konzentriert. Als Regelwerke für die vorstandsinterne Aufgabenverteilung kommen Satzung und Geschäftsordnung in Betracht. Im Hinblick auf die weiteren Delegationsformen ist zu prüfen, inwieweit die Organisationsautonomie des Vorstands als hinreichende Legitimation für eine Aufgabenübertragung dienen kann. Sodann wird ein Bewertungsmaßstab ausgebildet, nach dem die Delega­ tionsfähigkeit der einzelnen Maßnahmen zu bemessen ist (§ 8). Dazu untersucht die vorliegende Arbeit, welche Einzelfallkriterien tragfähig sind, um delegierbare von nicht delegierbaren Maßnahmen zu scheiden. Ein tauglicher Lösungsansatz soll aus der Frage gewonnen werden, inwieweit die Befugnisse der einzelnen Akteure, also das rechtliche Dürfen, eine Aufgabenübertragung beschränken können. Außerdem gilt es, die Intensität zu bestimmen, mit der die Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist. Namentlich die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist zu beurteilen. Hat die vorstehende Prüfung ergeben, dass die Maßnahme als solche delegierbar ist, ist der Blick auf das Delegationsverhältnis zu richten. Als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung der Delegation muss die Kontrolle des Delega­ tionsempfängers sichergestellt sein. Die Ausdeutung der Kontrollanforderungen lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen: die Kontrolle vor der Delegation (§ 9) und die Kontrolle nach der Delegation (§ 10). Die Arbeit untersucht dazu, wann ein Delegationsempfänger fachlich wie persönlich geeignet ist. Hier gilt es, den Grundstein für die weitere Kontrolle zu legen und die Bedingungen an das Delegationsverhältnis zu formulieren. Des Weiteren wird beleuchtet, welchen Anforderungen die ordnungsgemäße Einweisung des Delegationsempfängers unterliegt. Nicht zuletzt muss auch die delegierende Gesellschaft über hinreichende Kontrollstrukturen verfügen. Für die Kon­ trolle vor der Delegation muss sodann die Prüfintensität bestimmt werden. Im Anschluss daran beschäftigt sich die Arbeit mit den Anforderungen an die Kontrolle während der Delegation. Dazu wird auf die Bedeutung des Informationsaustauschs eingegangen. Außerdem beleuchtet die Arbeit die verschiedenen Steuerungsinstrumente, die dem überwachenden Vorstand zur Verfügung stehen, um seine Kontrollaufgabe wahrnehmen zu können. Einen weiteren Schwerpunkt bildet zudem die Kontrollintensität. Hier wird der sogenannte Vertrauensgrundsatz ausführlich beschrieben und untersucht, auf welche Delegationsverhältnisse der Grundsatz anwendbar ist. Angesichts der umfänglichen Anforderungen an die Kontrolle stellt sich die Frage, ob auch

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1. Teil: Problemaufriss

die Überwachungsaufgabe der Delegation zugänglich ist. Nicht zuletzt sind die Auswirkungen einer sorgfaltswidrigen Kontrolle in den Blick zu nehmen, insbesondere die Auswirkungen auf die Delegation der Maßnahme. Abschließend widmet sich die Arbeit im 5. Teil der Delegation de lege ferenda: Dazu werden zunächst bereits diskutierte Regelungsvorschläge analysiert (§ 11). Sodann wird ein eigener Reformvorschlag unterbreitet, der die gewonnenen Ergebnisse in Gesetzesform gießt, soweit dies möglich ist. Zum einen setzt der Reformvorschlag bei § 77 AktG an, zum anderen ergänzt er die Vorschrift um weitere Normen, die ausschließlich die Delegation regeln (§ 12). Die Untersuchungsergebnisse werden im 6. Teil der Arbeit zusammengefasst.

2. Teil

Grundzüge der Delegationsproblematik § 3 Aktienrechtliche Leitplanken I. Spielarten der Aufgabenübertragung Da die Aufgabenübertragung gleichermaßen zwingendes wie umstrittenes Organisationsmittel des Vorstands ist, soll im Folgenden ein Blick auf die Grundzüge der Delegationsproblematik geworfen werden, um sich den mit ihr verbundenen Konfliktfeldern anzunähern. Dazu beleuchtet der nachfolgende Abschnitt die Leitplanken der Delegation und widmet sich sodann dem Meinungsstand, der die Rechtswirkungen der Delegation aufgreift, um daraus ihre Schranken abzuleiten. Die Delegation oder auch Aufgabenübertragung ist ein Organisationsmittel, das auf zwei Ebenen Rechtswirkung entfaltet: Sie entlastet den Vorstand einerseits in der Aufgabenerfüllung, da der Delegationsadressat, namentlich Vorstandsmitglieder, Mitarbeiter oder Dritte, für die Maßnahme zuständig wird, andererseits dient sie dem Vorstand aber auch als Instrument, um auf der nachgelagerten Ebene seine Verantwortlichkeit zu streuen, indem eine Überwachungspflicht die ursprüngliche Handlungspflicht substituiert.1 Die Änderung des Pflichtenstamms ist zunächst selbstverständliche Folge der Aufgabenübertragung, da sie andernfalls kein wirkungsvolles Organisa­ tionsinstrument darstellen würde. Für den Vorstand in der Aktiengesellschaft bedeutet das: Er überträgt konkret Aufgaben, Kompetenzen und Verantwor1  Allg. M.; aus der Rechtsprechung LG München I NZG 2014, 570, 574 f.; zur GmbH BGH NJW 1995, 2850, 2851; BGHZ 133, 370, 377 f. = BGH NJW 1997, 130, 132; aus dem Schrifttum Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 180, 182; Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 57 f., 122; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 535; Fleischer, NZG 2014, 321, 323 f.; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 163; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15, der allerdings hinsichtlich des Umfangs der Überwachungspflicht Zurückhaltung anmahnt; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 35; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 74; Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 579; Simon, Der Konzern, 2015, 205, 207; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 58. Sehr restriktiv Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 51 ff., 58. Zur Delegation als Organisationsmittel vgl. auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 182: Die Delegation „kennzeichnet zugleich eine rechtlich geordnete Organisationsstruktur“.

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

tung.2 Stellvertretend für Pflichten, aber auch Maßnahmen, die der Vorstand ergreift, ohne dass ihn eine spezifische Pflicht trifft, kann schlicht von Aufgaben gesprochen werden.3 Jede Aufgabe durchläuft des Weiteren verschiedene Stadien, die sich in Vorbereitung, Entscheidung und Ausführung aufteilen lassen.4 Dem Vorstand stehen verschiedene Delegationsarten zur Verfügung, die sich nach dem Adressaten bestimmen: Die horizontale inner-organschaftliche Delegation, die horizontale inter-organschaftliche Delegation, die interne vertikale Delegation und die externe vertikale Delegation.5 2  Teilweise wird der Definition noch das Merkmal „dauerhaft“ hinzugefügt. Dazu Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 79. Die dort vorgenommene Einschränkung auf nachgeordnete Führungsebenen ist jedoch überflüssig, da die Definition ebenso auf eine Delegation an andere Adressaten zutrifft. Siehe auch Hüffer, in: Ak­ tienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap Rn. 37. Zur Unbestimmtheit des Delegationsbegriffs siehe auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517 f., wonach nicht jede Unterstützungshandlung bereits unter den Delegationsbegriff falle. Es komme richtigerweise auf die Übertragung von Zuständigkeiten an. Siehe auch Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 104 f. Die Definition deckt sich mit dem allgemeinen Sprachgebrauch: Demnach heißt Delegation nichts anderes als die Übertragung von Zuständigkeiten, siehe Bedeutungsübersicht von Duden online, http://www.duden.de/rechtschreibung/Delegation, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. Zuständigkeit meint Befugnis oder Kompetenz, Bedeutungsübersicht von Duden online, https://www.duden.de/rechtschreibung/Zustaendig keit, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. Laut Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 182 erhält der Delegationsempfänger einen Handlungsspielraum. Gleichzeitig verbleibt eine Steuerungskompetenz und -pflicht beim Vorstand. 3  Urban, GWR 2013, 106 ff. trennt hingegen ausdrücklich Aufgaben und Pflichten. 4  Vgl. Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 8; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 527; Fleischer, AG 2003, 291, 292; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 8; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 49; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 18; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 12. Kleinteiliger hingegen Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S.  1463, 1474 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 8. 5  Dazu Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1472, der die aufgeführten Delega­ tionsarten auch als Typologie der Delegationsfälle klassifiziert. Zu den verschiedenen Delegationsarten vgl. auch im Überblick statt aller Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn.  20 f.; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 528 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn.  62 ff.; Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap Rn. 37; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 49 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 8. Von einem Teil des Schrifttums wird die Aufgabenübertragung abhängig vom Adressaten begrifflich auseinanderdividiert. Das gilt insbesondere für Geschäftsverteilung und Delegation. Siehe Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 79; Rehm, Einzel- und Gesamt­ verantwortung, S.  108 f.; U. H. Schneider/Brouwer, FS Priester, 2007, S. 713, 717; E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.71; zur GmbH U. H. Schneider, FS GmbHG, 1992, S. 473, 480 ff.; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 36. Das überzeugt nicht: Überträgt der Vorstand an einzelne Vorstandsmitglieder, liegt nach der oben vorgenommenen Begriffsanalyse eine Delegation vor, da auch die einzelnen Vorstandsmitglieder für den ihnen zugewiesenen Bereich mit Kompetenzen ausgestattet werden. Die begriffliche Spaltung wirkt überdies künstlich. Die Delegation ist mithin als allumfassender Oberbegriff zu verstehen, so auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517 f.; siehe auch Hüffer, FS Happ, 2006, 93, 104 f. Die sich rasant entwickelnde



§ 3 Aktienrechtliche Leitplanken29

Die Delegation erfolgt horizontal und inner-organschaftlich, wenn der Gesamtvorstand Aufgaben an ein einzelnes Vorstandsmitglied weiterreicht. Die Geschäftsverteilung innerhalb des Vorstands ist die einzige Delegationsvariante, die aktienrechtlich geregelt oder zumindest angedeutet ist, namentlich in § 77 Abs. 1 S. 2 AktG. Danach können Satzung oder Geschäftsordnung von der Gesamtgeschäftsführung Abweichendes bestimmen. Gemäß § 77 Abs. 2 S. 1 AktG kann sich der Vorstand eine Geschäftsordnung geben, wenn nicht die Satzung den Erlass der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat übertragen hat oder der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlässt. Laut § 77 Abs. 2 S. 2 AktG kann die Satzung Einzelfragen der Geschäftsordnung verbindlich regeln. Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung können also die Geschäftsverteilung auf Vorstandsebene regeln oder zumindest beeinflussen.6 Die Ausgestaltung der Geschäftsverteilung gibt das Gesetz nicht vor. Das gilt in Bezug auf die inhaltliche, aber auch die personelle Organisation. Für die inhaltliche Aufteilung haben sich allgemein anerkannte Organisationsstandards herausgebildet, die in der Praxis regelmäßig umgesetzt werden, insbesondere funktionale (Ressorts) oder divisionale (Sparten) Organisationsstrukturen.7 Ein Unternehmen ist funktional organisiert, wenn die Aufgaben Digitalisierung ermöglicht eine weitere Delegationsform: Der Vorstand kann Aufgaben unter Heranziehung von Technologien wie Algorithmen, Künstlicher Intelligenz und Big Data übertragen. Die Delegation von Aufgaben an diese Technologien oder auch Beratung (zu der vorliegend vorgenommenen Unterscheidung siehe § 6 I. 3. a) bb)) durch diese Technologien wird im Grundsatz als zulässig erachtet. Der Vorstand unterliegt dabei dem gewöhnlichen Pflichtenregime. Die Anforderungen an eine sorgfältige Überwachung müssen konkret anhand der Ausgestaltung der eingesetzten Technologien sowie der Risiken solcher Technologien formuliert werden. Zum Vorstehenden ausführlich Möslein ZIP 2018, 204, 208 ff.; Noack, ZHR 183 (2019), 105 ff.; Spindler, ZGR 2018, 17 ff.; Wagner, BB 2018, 1097 ff.; Weber/Kiefner/Jobst, NZG 2018, 1131 ff.; Zetzsche AG 2019, 1 ff. 6  Dazu noch § 7. 7  Verhältnis und Zulässigkeit von Ressort- und insbesondere Spartenbildung wurden bereits umfassend im Schrifttum beleuchtet, sodass auf eine genaue Betrachtung verzichtet wird. Ausführlich Fleischer, BB 2017, 2499 ff.; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S.  12 ff.; Schiessl, ZGR 1992, 64 ff.; Schwark, ZHR 142 (1978), 203 ff.; mit Schemata Wendeling-Schröder, Divisionalisierung, S.  10 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 14 ff., 88 ff. Dabei handelt es sich um die beiden wesentlichen Organisationsformen. Praktisch begegnet man einer Vielzahl an Gestaltungen, die jedoch im Einzelnen den aktienrechtlichen Anforderungen genügen müssen. In der sogenannten Matrixorganisation werden die oben genannten Modelle kombiniert, vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 24; Schiessl, ZGR 1992, 64, 65; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 65; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 26 f. Die Gesellschaft kann zudem einen Markenvorstand einsetzen, der in dem jeweiligen Marken-Bereich funktionsübergreifend zuständig ist, siehe etwa Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 24a. Bei der sog. „Virtuellen Holding“ sind strategisches und operatives Geschäft

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

nach Sachbereichen gegliedert sind, beispielsweise die Ressorts Produktion, Forschung und Entwicklung oder etwa Verwaltung gebildet werden. Eine divisionale Organisation liegt dagegen vor, wenn Unternehmensteile in objektbezogene Einheiten, sprich Sparten oder Geschäftsbereiche, aufgeteilt werden; solche Sparten können sich nach Produktgruppen, Kundengruppen oder auch Region bestimmen.8 Personell können einzelne oder mehrere Vorstandsmitglieder für die eingerichteten Ressorts oder Sparten zuständig sein oder aber Vorstandsausschüsse gebildet werden.9 Denkbar wäre auch eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis für alle Bereiche, wobei diese Variante schon aufgrund der Aufgabenfülle rechtspraktisch nicht überzeugt. Rechtlich könnte eine derart weitreichende Befugnis mit dem Gleichheitsgrundsatz konfligieren.10 Delegation findet aber nicht nur innerhalb des Vorstands statt. Der Gesamtvorstand kann seine Aufgaben auch an Aufsichtsrat und Hauptversammlung delegieren (horizontale inter-organschaftliche Delegation). Inwieweit hier insbesondere Kompetenzen der verschiedenen Organe kollidieren, soll im Rahmen dieser hypothetischen Aufzählung dahinstehen. Kein Fall der Delegation in dem hier beschriebenen Sinne liegt allerdings vor, wenn das Aktienrecht Aufsichtsrat oder Hauptversammlung in die Geschäftsführung involviert.11 Nicht mehr horizontal, sondern vertikal erfolgt die Delegation, wenn der Vorstand die Aufgabe an Mitarbeiter oder Externe überträgt.12 Die interne im Sinne des Holding-Modells getrennt, aber rechtlich einem Unternehmensträger unterstellt. Vgl. zu diesem Modell Fleischer, BB 2017, 2499, 2502 ff.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 24b; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 188 ff.; außerdem Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 68. Letztlich hängt die Gestaltung von den Bedürfnissen der Gesellschaft ab, so auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 14. Gesellschaften, die dem Mitbestimmungsrecht unterliegen, müssen zudem einen Arbeitsdirektor vorsehen. § 76 Abs. 2 S. 3 AktG stellt daher fest, dass die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors von den aktienrechtlichen Vorgaben zur Organbesetzung unberührt bleiben. Vgl. zum Arbeitsdirektor statt aller Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 246 ff. 8  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 12  ff.; Schiessl, ZGR 1992, 64 f.; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 206; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  14 ff. 9  Dazu Schiessl, ZGR 1992, 64, 77 ff.; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  126 ff. Abseits der vorstehend genannten, regelmäßig vorzufindenden Formen der Geschäftsverteilung stehen dem Gesamtvorstand weitere Gestaltungsvarianten offen. So kann die Befugnis von Vorstandsmitgliedern in den verschiedenen Bereichen auch auf die Vorbereitung von Maßnahmen begrenzt sein, entscheidungsbefugt ist dann allein der Gesamtvorstand, vgl. Wettich, Vorstandsorganisation, S. 84. 10  Dazu noch § 6 I. 1. b) aa). 11  Siehe noch II. 1.; § 6 I. 2. c), 3. b), 4. 12  Nachgeordnete Führungskräfte werden auch regelmäßig als „Bereichsvorstände“ bezeichnet. Kritik findet dieser untechnische Begriff bei Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 510. Weitere Formen der Einflussnahme Dritter, insbesondere die Bera-



§ 3 Aktienrechtliche Leitplanken31

vertikale Delegation schließt sich regelmäßig an die Geschäftsverteilung an.13 Der Vorstand oder die nachgeordneten Delegationsempfänger können überdies unternehmensexternen Dritten Aufgaben übertragen (externe vertikale Delegation; Outsourcing).14 Eine Fallgruppe des Outsourcing ist auch der Abschluss von Betriebsführungsverträgen: Dabei übernimmt ein Dritter die Führung des Unternehmens im Namen der Gesellschaft (echter Betriebsführungsvertrag) oder im eigenen Namen (unechter Betriebsführungsvertrag) für Rechnung des anderen.15

II. Delegation im Spiegel der aktienrechtlichen Grundkonzeption 1. Friktionen im Kompetenzgefüge Betrachtet man die Delegation im Spiegel der aktienrechtlichen Grundkonzeption, lassen sich im Wesentlichen zwei Konfliktfelder identifizieren: Zum einen könnte die Delegation der Kompetenzverteilung zuwiderlaufen. Die Organkompetenzen sind jeweils abschließend ausgestaltet und miteinander eng verzahnt, sodass der Vorstand, wenn er Aufgaben delegiert, erstens seine eigenen Kompetenzen, zweitens aber auch die Kompetenzen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung verletzen könnte. Zum anderen besteht die ­Gefahr, dass das Haftungssystem unterlaufen wird. Überträgt der Vorstand Aufgaben, verschiebt sich seine Verantwortung, indem die ursprüngliche Handlungspflicht durch eine Überwachungspflicht ersetzt wird. Im Folgentung durch Dritte oder die schuldrechtliche Selbstbindung des Vorstands gegenüber Dritten, sind verwandte, aber keinesfalls gleichzusetzende Fragestellungen, die parallele Wertungen erlauben, dazu noch § 6 I. 3. a) bb). 13  Siehe zu verlängerter funktionaler wie divisionaler Organisation Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 581 f. Außerdem Merkelbach/Herb, Der Konzern 2016, 425, 427 zur Compliance. 14  Die Übertragung an Dritte kann nach Outsourcing und Co-Sourcing unterschieden werden. Beim Co-Sourcing handelt es sich um eine teilweise Auslagerung der Aufgabe. Vgl. Laue/Brandt, BB 2016, 1002, 1003 zur Compliance. 15  Außerdem werden konzerninterne und konzernfreie Betriebsführungsverträge unterschieden. Vgl zu diesem Komplex Fleischer, ZIP 2003, 1, 9; außerdem Fleischer, FS Schwark, 2009, S. 137, 150; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206, wonach sich das Outsourcing vom konzernfreien Betriebsführungsvertrag deshalb unterscheide, weil das Outsourcing einen größeren Zeitraum erfasse. Diese Differenzierung überzeugt nach der hier vertretenen Auffassung nicht. Derartige begriffliche Spaltungen tragen immer die Gefahr in sich, die sachliche Debatte noch komplexer zu machen, ohne dass ein Mehrwert erkennbar ist. Die Grenze kann sachlich kaum gezogen werden; vielmehr wäre das Kriterium der Übertragungsdauer willkürlich. Die Dauer kann höchstens für die Zulässigkeit der Delegation erheblich sein (dazu unter § 8 II. 5.). Im Ergebnis unterscheiden sich Betriebsführungsvertrag und Outsourcing nicht. Daher versteht die vorliegende Untersuchung das Outsourcing allumfassend.

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

den sollen daher die Grundprinzipien des aktienrechtlichen Organisationsgefüges umrissen werden. Die Kompetenzverteilung ist klar ausgestaltet: Der Vorstand (§ 76 ff. AktG) leitet die Aktiengesellschaft. Der Aufsichtsrat (§ 95 ff. AktG) überwacht den Vorstand. Die Hauptversammlung (§ 118 ff. AktG) fasst Beschlüsse. Dem Vorstand kommt in diesem Organdreiklang die Funktion des Handlungsorgans zu: Jegliches Handeln und Wissen des Vorstands wird der Gesellschaft als ihr eigenes zugerechnet.16 Das Aktiengesetz verleiht diesem Handlungsauftrag Konturen, indem der Vorstand die Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz erhält (§§ 77, 78 AktG), und dabei weisungsunabhängig ausgestaltet ist.17 Bemessen wird die Steuerung der Gesellschaft an § 93 AktG: Den Vorstand trifft eine umfängliche Verantwortlichkeit für die Belange der Aktiengesellschaft. Unter dieser Maßgabe sind Kollisionen innerhalb der klaren Kompetenzzuweisung daher durchaus denkbar, wenn das alleinige Handlungsorgan Aufgaben aus der Hand gibt. Auch das Zusammenspiel zwischen den Organen bleibt von der Delegation nicht unberührt: Für den Aufsichtsrat gilt dies hinsichtlich seiner Überwachungsaufgabe. Der Aufsichtsrat wirkt im aktienrechtlichen Organisa­ tionsgefüge komplementär zum Vorstand.18 Er überwacht gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung. Es handelt sich zunächst um eine an der Vergangenheit orientierte Kontrolle.19 Dazu stehen ihm vor allem Informations- und Einsichtsrechte zu.20 Bei einem Fehlverhalten verfolgt der Aufsichtsrat überdies die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand.21 Reicht der Vorstand Aufgaben weiter, so betrifft dies möglicherweise den Überwachungs­ 16  Sogenannte Organtheorie, allg. M.; siehe statt aller Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 78 Rn. 4; Habersack/Foerster, in: Großkomm. AktG, § 78 Rn. 14; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 78 Rn. 3; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 78 Rn. 5; Weber, in: Hölters, § 78 Rn. 3; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 23 Rn. 1. 17  Allg. M.; BGH AG 2008, 541, 542; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 18; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 25; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 42; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 44; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 21; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 22. 18  Man spricht auch von einem „dualistischen System“, vgl. statt vieler Grigoleit/ Tomasic, in: Grigoleit, § 111 Rn. 2; Habersack, in: Münch. Komm. AktG, Vorb. zu §§ 95 ff. Rn. 1; Hoffmann-Becking, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 29 Rn. 11; Schütz, in: Semler/v. Schenk, § 111 Rn. 8; 161 ff. 19  Etwa Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 111 Rn. 4; Israel in Bürgers/Körber, § 111 Rn. 5; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 5; Schütz, in: Semler/v. Schenk, § 111 Rn. 169; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 10. 20  Mit einer detaillierten Übersicht Feddersen, AG 2000, 385, 388; Habersack, in: Münch. Komm. AktG, Vorb. zu §§ 95 ff. Rn. 2 f.; Hüffer, NZG 2007, 47, 48 ff.; Schütz, in: Semler/v. Schenk, § 111 Rn. 386 ff. 21  BGHZ 135, 244 = BGH NJW 1997, 1926 („ARAG/Garmenbeck“); ausführlich zur Rechtsprechung Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 7 ff.; Koch, NZG 2014, 934 ff.



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inhalt, insbesondere wenn die Aufgabe die Vorstandsebene verlässt. Das gilt vor allem für die Berichterstattung gemäß § 90 AktG. Darüber hinaus kann sein Einwirkungsrecht auf die künftige Geschäftsführung beeinträchtigt sein. Die Geschäftsführung selbst ist ihm zwar nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG untersagt. Seine Überwachungskompetenz verleiht ihm aber auch eine aktive, auf Prävention gerichtete Rolle im Organisationsgefüge, mittels derer er auf die Geschäftsführung Einfluss nimmt.22 Wesentliche Instrumente sind der Zustimmungsvorbehalt gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG sowie die Beratung.23 Die Hauptversammlung kann ebenfalls auf die Geschäftsführung einwirken: Zunächst ist sie das Forum, in dem Aktionäre gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 AktG ihre individuellen Rechte ausüben sowie nach § 119 Abs. 1 AktG in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen Beschlüsse fassen.24 Die Hauptversammlung ist von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Sie darf aber nach § 119 Abs. 2 AktG über Fragen der Geschäftsführung entscheiden, wenn der Vorstand die konkrete Frage vorlegt.25 Sogenannte ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten zwingen den Vorstand zwar zur Vorlage, fügen sich aber im Übrigen in das System des § 119 AktG ein.26

Mit weiteren Pflichten hinsichtlich einer vergangenheitsbezogenen Kontrolle Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 5; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 18 ff. 22  Eingängig Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 111 Rn. 4, 18 f.; so auch Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 111 Rn. 50; Israel in Bürgers/Körber, § 111 Rn. 4; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 13; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 14; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 10; Schütz, in: Semler/v. Schenk, § 111 Rn.  169; m. w. N. Hüffer, NZG 2007, 47. 23  Beide Instrumente gelten schwerpunktmäßig als solche der Kontrolle: Zum Zustimmungsvorbehalt Schütz, in: Semler/v. Schenk, § 111 Rn. 524; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 227 ff. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 43 weist zutreffend darauf hin, dass auch ein Zustimmungserfordernis keine imperative Wirkung auf den Vorstand habe und somit lediglich ein Blockademittel darstelle. Zur Beratung Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 14; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 10 f. 24  Grundlegend Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118–147 Rn. 9 f., 15; siehe auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 118 Rn. 6; Kubis, in: Münch. Komm. AktG, § 118 Rn. 1; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 118 Rn. 6. 25  Vgl. dazu Drinhausen, in: Hölters, § 119 Rn. 11 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 11, 13. Rechtspraktisch wird die Hauptversammlung aufgrund des organisatorischen Aufwands nur restriktiv hinzugezogen. Vgl. dazu Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 294; Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 13; außerdem Dietz-Vellmer, NZG 2014, 721. Insbesondere zur rationalen Apathie der Aktionäre Koch, in: Hüffer/Koch, § 118 Rn. 5. 26  Anschaulicher Überblick bei Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 16  ff., 26 ff. Siehe auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 124 ff.

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

2. Verantwortlichkeitsverschiebung Delegiert der Gesamtvorstand seine Aufgaben sodann an einzelne Vorstandsmitglieder, Aufsichtsrat oder Hauptversammlung, nachgeordnete Führungsebenen oder externe Dritte, dann liegt die Aufgabenerfüllung nicht mehr bei ihm, sondern beim Delegationsempfänger. Das wirkt sich auch auf der nachgelagerten Ebene aus: Der Vorstand kann durch Aufgabenübertragung die Verantwortlichkeit für etwaiges Fehlverhalten weiterreichen und die Delegation als Mittel zur Haftungssegmentierung einsetzen.27 Das folgt aus der Konzeption des § 93 AktG, der den Pflichten- und Haftungsmaßstab für den Vorstand regelt. Aus § 93 AktG geht zunächst hervor, dass der Vorstand als Handlungsorgan die Verantwortung für sämtliche Belange der Gesellschaft trägt. Delegiert der Vorstand nun eine Aufgabe und erfüllt der Delegationsempfänger diese nicht sorgfaltsgemäß, liegt darin keine eigene Pflichtverletzung des Vorstands, da er dem Zweck der Delegation entsprechend an der unmittelbaren Aufgabenerfüllung nicht mehr beteiligt ist. Das Verhalten des Delegationsempfängers wird ihm nach ganz überwiegender Auffassung auch nicht zugerechnet: Der Vorstand haftet gemäß § 93 Abs. 2 S. 1 AktG nur für eigenes Verschulden.28 § 278 S. 1 BGB29 ist nicht anwendbar, da der Delegationsempfänger eine Person sein müsste, derer sich der Schuldner, also der Vorstand, zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient. Die Anwendung des § 278 BGB scheitert jedoch daran, dass der Delegationsempfänger letztlich im Pflichtenkreis der Gesellschaft tätig wird und nicht für das einzelne Vorstandsmitglied: Das gilt nicht nur für den unstreitigen Fall, dass die Delegation an eigene Mitarbeiter erfolgt.30 Richtigerweise müssen sich die 27  Siehe zur Delegation als Managementstrategie Krause BB 2009, 1370, 1372 f. Für die GmbH Lohr, NZG 2000, 1204, 1210. 28  H. M.; aus der Rechtsprechung siehe etwa BGH ZIP 2011, 2097, 2099 („ISION“) zur Zurechnung einer Beratung durch Dritte; aus dem Schrifttum Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 183; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 535; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 207; Fleischer, AG 2003, 291, 292; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 160, 384; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 35; Mertens/ Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 48; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 202. 29  Ausführlich zu dieser Vorschrift Grundmann, in: Münch. Komm. BGB, § 278 Rn. 1 ff. Das Handeln des Vorstands als Organ der Aktiengesellschaft fällt nicht unter § 278 S. 1 BGB, da es selbst Gesellschaftshandeln darstellt, sodass die Norm dogmatisch nicht passt; vielmehr gilt § 31 BGB. Statt aller BGH NJW 1973, 456, 457; Grundmann, in: Münch. Komm. BGB, § 278 Rn. 10. 30  Die Mitarbeiter erfüllen ihre Pflichten aus dem Dienst- bzw. Arbeitsvertrag, dazu unter § 9 II. 4. b); Vertragspartner ist hier die Aktiengesellschaft. Dazu Cahn, Der Konzern 2015, 105, 106; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 535; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 207; Fleischer, AG 2003, 291, 292; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 384; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 46; Mertens/Cahn, in:



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Vorstandsmitgliedsmitglieder auch nicht das Verhalten des handelnden Vorstandsmitglieds31 oder das Handeln externer Personen32 zurechnen lassen. Das Vorstandsmitglied wird zum einen aufgrund seiner organschaftlichen Pflicht für die Gesellschaft tätig, zum anderen würde dies die zulässige Geschäftsverteilung nach § 77 Abs. 1 S. 2 AktG konterkarieren, deren Wirkungen sogleich zunichte gemacht würden. Der gesellschaftsfremde Delega­ tionsempfänger übernimmt Aufgaben, die der Vorstand im Pflichtenkreis der Gesellschaft ausübt, sodass er ebenfalls für die Gesellschaft tätig wird. Dementsprechend ist die Gesellschaft Vertragspartnerin des externen Delegationsempfängers. § 278 BGB kann allenfalls dann anwendbar sein, wenn Dritte außerhalb der Geschäftsführungstätigkeit eigene Verbindlichkeiten des Vorstands erfüllen.33 Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 48; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 115 f.; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 202. So auch Harnos, Geschäftsleiterhaftung, S. 308. Zur GmbH BGHZ 127, 336, 347 = BGH ZIP 1994, 1934, 1939; für den in unechter Gesamtvertretung handelnden Prokuristen in der GmbH, sofern keine eigenen Pflichten des Geschäftsführers wahrgenommen werden, BGHZ 13, 61, 64 f. = BGH NJW 1954, 1158. Dagegen wendet Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AR, S. 182, 187 f. die Zurechnungsnorm dann an, wenn die laufende Geschäftsführung ganzer Geschäftsteile übertragen wird, weil damit die ureigene Aufgabe des Vorstands berührt sei. Die Differenzierung überzeugt nicht, da es sich weiterhin um Aufgaben des Vorstands handelt, die den Pflichtenkreis der Gesellschaft betreffen. Eine derart umfängliche Aufgabenübertragung als solche kann aber unzulässig sein. Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 219 f. will bei Spartenorganisation augenscheinlich eine Zurechnung vornehmen. Lutter/Krieger, DB 1995, 257, 260 statuieren eine Zurechnung nach § 278 BGB, wenn sich ein Aufsichtsratsmitglied der Hilfe seiner Mitarbeiter bedient. Das überzeugt nicht, da der Aufsichtsrat die Mitarbeiter einsetzt, um für die Gesellschaft und deren Pflichtenkreis zu handeln. Eine Übertragung auf den Vorstand scheitert somit ebenfalls. 31  Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 207; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 384; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 49; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 202. Für die GmbH-Geschäftsführer Lohr, NZG 2000, 1204, 1210. 32  Gegen die Zurechnung des Verschuldens von Rechtsanwälten BGH ZIP 2011, 2097, 2099 („ISION“); dazu auch Harnos, Geschäftsleiterhaftung, S.  308 (m. w. N.); Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 46; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 219; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142 f.; im Ergebnis auch Binder, ZGR 2012, 757, 767 ff.; zweifelnd Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 384 (Fn. 1472). Cahn, Der Konzern 2015, 105, 106 f. spricht sich ebenfalls gegen eine Zurechnung aus, begründet dies aber nicht mit dem Pflichtenkreis der Gesellschaft, sondern mit der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Vorstands, die ein Hinzuziehen von Sachverständigen je nach Fallkonstellation erforderlich mache. Daraus dürfe dem Vorstand aber kein Nachteil entstehen. 33  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 48. Außerdem Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 385. Für die GmbH, aber dennoch übertragbar BGHZ 13, 61, 64 f. = BGH NJW 1954, 1158.

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

Auch die unzulässige Delegation führt nicht zu einer Haftung des Vorstands wegen Fremdverschuldens, da die Anwendbarkeit des § 278 BGB dadurch nicht wieder auflebt. Der Vorstand haftet aber für die pflichtwidrige Delegation als solche.34 Ein Anspruch gegen den Delegationsempfänger folgt auch nicht aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB: Nach dieser Vorschrift haftet der Geschäftsherr für seinen Verrichtungsgehilfen. Geschäftsherr des Delegationsempfängers kann jedoch nach den obigen Ausführungen nur die Gesellschaft sein, nicht der Vorstand.35 Aus den gleichen Gründen scheitert auch ein Anspruch aus § 831 Abs. 2 BGB.36 Für eine pflichtwidrige Aufgabenerfüllung haftet somit nur der Delegationsempfänger.37 Dabei ist jedoch zwingend zu beachten, dass der Vorstand sich nicht gänzlich von der Haftung befreien kann. Ihn trifft eine Überwachungspflicht und somit die Überwachungsverantwortung.38 Folglich wandelt sich bloß der Anknüpfungspunkt der Verantwortlichkeit;39 eine Verantwortungsflucht in 34  Fleischer, AG 2003, 291, 292; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 384; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 46; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 48; nicht ganz eindeutig hinsichtlich der GmbH Fleck, GmbHR 1974, 224, 225. 35  Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 535 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 207; Fleischer, AG 2003, 291, 292; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 386; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 46; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 48; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 202. Für die GmbH BGH NJW 1974, 1371 f.; BGHZ 109, 297, 304 = BGH DNotZ 1991, 809, 811 f. mit bestätigender Anm. von Westermann, DNotZ 1991, 813, 816; BGHZ 125, 366, 375 = BGH DNotZ 1994, 638, 643; Lohr, NZG 2000, 1204, 1210. 36  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 48 (m. w. N.); Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 202. Siehe auch Hegnon, CCZ 2009, 57, 58, der zwar eine direkte Anwendung des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB ablehnt, dennoch aber den Rechtsgedanken der Norm für die Begründung von Aufsichtspflichten heranzieht, die aus der Delegation folgen. 37  Je nach Delegationsumfang gehen die Entscheidungs- und/oder die Handlungsverantwortung auf den Delegationsempfänger über. Vgl. Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 180, der davon spricht, dass horizontal die Handlungsverantwortung übergehe, die aus den jeweiligen vom Gesamtvorstand getroffenen Entscheidungen folge. Außerdem Arnold, ZGR 2014, 76, 80; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 31. Hier fehlt die letzte Konsequenz: Liegt eine vollumfängliche Delegation vor, würde die Entscheidungsverantwortung ebenfalls übergehen. Das Vorstehende gilt auch für die übrigen Delegationsarten, vgl. Meyer, 2014, 1063, 1066. Vgl. zur Verschiebung der Verantwortlichkeiten auf Vorstandsebene Dreher, ZGR 1992, 22, 60; für den Ressortinhaber in der GmbH Lohr, NZG 2000, 1204, 1210. Richtigerweise gilt dies für sämtliche Delegationsempfänger, da Mitarbeiter eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis und Dritte eine Pflicht aus dem zugrunde liegenden Vertrag verletzen. Für Mitarbeiter gelten arbeitsrechtliche Besonderheiten, da die Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit Arbeitnehmer privilegieren, dazu ausführlich Preis, in: Erfurter Komm. ArbR, § 619a BGB Rn. 9 ff. 38  Siehe §§ 3 I., 9, 10. 39  Fleischer, AG 2003, 291, 292 (m. w. N.); Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600; U. H. Schneider/Brouwer, FS Priester, 2007, S. 713, 717 ff., die in der Delegation



§ 4 Meinungsstand37

dem Sinne, dass der Vorstand sich gänzlich von der Haftung befreien kann, ermöglicht die Delegation rechtlich jedenfalls nicht. Die Verantwortlichkeit verschiebt sich dennoch maßgeblich.

III. Fazit Ein Blick auf die aktienrechtlichen Leitplanken offenbart verschiedene Konfliktfelder, die eine Delegation auslösen kann. Das Organisationsmittel könnte zum einen das Kompetenzgefüge berühren: Da das Aktiengesetz die Geschäftsführung ausschließlich dem Vorstand überträgt, könnte die Delegation dieser Anordnung zuwiderlaufen. Auch Aufsichtsrat und Hauptversammlung sind möglicherweise in ihren organspezifischen Kompetenzen verletzt. Zum anderen droht die Delegation die Haftungsanordnung des § 93 AktG auszuhebeln: Aus der zulässigen Delegation folgt lediglich eine Überwachungspflicht, hingegen wird die Aufgabenerfüllung durch den Delegationsempfänger dem Vorstand nicht zugerechnet.

§ 4 Meinungsstand I. Begründung des Delegationsverbots als solches („Ob“) Angesichts der vorstehend beschriebenen Rechtswirkungen will der juristische Diskurs die Aufgabenübertragung einschränken. Der Meinungsstand setzt sich dazu mit der Begründung des Delegationsverbots als solches („Ob“) und der daran anknüpfenden Abgrenzung von delegierbaren und nicht delegierbaren Aufgaben („Wie“) auseinander. Als dogmatische Grundlage des Delegationsverbots führt die ganz überwiegende Auffassung die Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht oder auch das sogenannte „Unveräußerlichkeitsprinzip“ an.40 Das Unveräußerlichkeitsprinzip beruht bei erster Betracheine „Verantwortlichkeitsmodifikation“ sehen. Das gelte rechtsgebietsübergreifend, S. 731 ff. Siehe auch Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 16 für die GmbH. 40  „Unabdingbares Recht“: So zu § 70 AktG 1959 Würdinger, AktG 1937, 1. Aufl. 1959, S. 130 f.; zu § 76 AktG 1965 dann auch Würdinger, AktG 1965, 2. Aufl. 1966, S. 118; bereits in der Erstauflage Mertens, in: Kölner Komm. AktG, 1. Aufl. 1985, § 76 Rn. 4, 9 ff.; aus dem jüngeren Schrifttum Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 518 ff.; ähnlich Fleischer, ZIP 2003, 1, 2; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 9; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 262; Kuntz, AG 2016, 101, 103; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 45 ff.; ähnlich Semler, Leitung und Überwachung, Rn.  2, 22 f.; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 19 Rn. 28 ff. BGH ZIP 2017, 1902, 1905 lässt offen, ob aus § 76 Abs. 1 AktG ein Unveräußerlichkeitsprinzip folgt. Kritisch im Hinblick auf das Unveräußerlichkeitsprinzip äußern sich Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 8 f.; Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 92 ff., 97, 101 (Fn. 182), der

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

tung auf verschiedensten Verästelungen, die sich im Ergebnis aber nicht sinnvoll auseinanderdividieren lassen: Zum Teil wird auf die Vorstandsautonomie abgestellt, zum Teil auf die Gesellschaftsautonomie, zum Teil auf Überwachungs- oder Haftungsdefizite. Sie eint jedoch ein Grundgedanke, namentlich die Integrität des aktienrechtlichen Organisationsgefüges. Das verdeutlichen die Stellungnahmen anschaulich, indem sie selbst Verbindungslinien zueinander ziehen. Die tragenden Gedanken des Unveräußerlichkeitsprinzips werden daher vorliegend nicht als streitige, sondern als sich ergänzende Positionen eingeordnet. Die Vorstandsautonomie respektive Eigenverantwortlichkeit nach § 76 Abs. 1 AktG soll der Delegation eine Grenze setzen, da sich der Vorstand der gesetzgeberischen Grundentscheidung, das Handlungsorgan weisungsfrei auszugestalten, nicht durch Entäußerung seiner Kompetenzen entziehen dürfe.41 Aus der Perspektive der weiteren Akteure soll die Delegation sowohl ein Überwachungs- als auch ein Haftungsdefizit verursachen: Die zentralen Überwachungsinstrumente des Aufsichtsrats, namentlich die Berichtspflicht nach § 90 AktG und der Zustimmungsvorbehalt gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, soll die Delegation unzulässig beschränken. Das Haftungsdefizit wird daran festgemacht, dass die Gesellschaft den Vorstand nicht für eine pflichtwidrige Aufgabenerfüllung in Anspruch nehmen kann.42 Zum Teil wird das Haftungsdefizit auch aus Sicht der Gläubiger formuliert.43 Das Schicksal der konstatiert, dass eine Lösung der Problematik erfordere, entweder den Leitungsbegriff oder – wie von Koch favorisiert – die Unveräußerlichkeit aufzubrechen; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 8. Unschädlich ist dabei, dass die Ausführungen im Schrifttum zum Teil zur Selbstbindung des Vorstands erfolgen. Im Kern geht es hier wie dort um eine mögliche Kompetenzentäußerung, sodass die Wertungen übergreifend herangezogen werden können. Inwieweit eine individuelle Lösung der Delegationsproblematik erforderlich ist (dafür Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 100 f.) kann erst die Analyse beantworten. 41  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 42, 45, 47. Ähnlich Lutter, FS Fleck, 1988, S. 169, 184 f., der auf die Autonomie der Verwaltung rekurriert. Vgl. ebenso Fleischer, FS Schwark, 2009, S. 137 f., 149 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 9 sowie Rn. 59, wonach aus der Eigenverantwortlichkeit zwar ein Leitungsermessen entspringe. Dieses dürfe der Vorstand jedoch nicht verkürzen. Laut Schae­ fer/Missling, NZG 1998, 441, 442 darf der Vorstand die Eigenverantwortlichkeit nicht delegieren. BGH ZIP 2017, 1902, 1905 lässt offen, ob aus § 76 Abs. 1 AktG der Grundsatz der Unveräußerlichkeit folgt und welche Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind. 42  Vgl. Veil, Unternehmensverträge, S. 85 f. Wobei sich diese Kritik vor allem auf die Delegation an Dritte bezieht. Veil erachtet in der Eigenverantwortlichkeit eine Freiheit des Vorstands, die durch das Überwachungs- und Haftungssystem wieder einzufangen ist. 43  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 64 f. Siehe auch für die Spartenorganisation Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 219 f.



§ 4 Meinungsstand39

Gesellschaftsautonomie wird sodann ganz überwiegend mit den vorstehenden Gesichtspunkten verknüpft.44 Nur vereinzelt wird sie als selbständige Schranke der Delegation eingestuft.45 Die Begründung des Delegationsverbots als solches wird vom Meinungsbild sodann wieder relativiert, um den nur beschränkten Kapazitäten des Vorstands Rechnung zu tragen. Daher soll nur ein Ausschnitt an Aufgaben einer Übertragung unzugänglich sein. Gegen den herrschenden Begründungsweg spricht sich Wettich aus: Nach seiner Auffassung soll das Delegationsverbot dem Gesamtverantwortungsprinzip entspringen.46 Dieses Sondervotum ist für den weiteren Diskurs allerdings nur von geringer Innovationskraft, da der Ansatz nicht etwa auch das „Wie“ anders beurteilt, sondern die weitere Abgrenzung der Aufgaben nach den gleichen Kriterien vornimmt wie die Vertreter des Unveräußerlichkeitsprinzips.

44  Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 9, der hinsichtlich der Bindung gegenüber Dritten auf die Schicksalsgemeinschaft von Vorstands- und Gesellschafts­ autonomie verweist. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 42, 45, 47 verstehen die Kompetenz des Vorstands als Mittel, um die Autonomie der Gesellschaft zu wahren, die durch eine Veräußerung der unternehmenspolitischen Bereiche beeinträchtigt würde. Auch Veil, Unternehmensverträge, S. 89 sieht in seiner Begründung letztlich einen Ausfluss der Gesellschaftsautonomie. Hinsichtlich schuldrecht­ licher Bindungen siehe Kuntz, AG 2016, 101, 108 f. 45  Auf den Verbandszweck, der die Gesellschaftsautonomie umfasst, abstellend Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 72 ff., 76 ff., 94 ff. Hinter dem Verbandszweck als Begründungsvehikel sollen vor allem die Interessen der Aktionäre stehen, gebündelt im Organ der Hauptversammlung, die Herwig ohnehin als oberstes Organ einstuft (S. 37 ff.), aber auch die Interessen des Aufsichtsrats. Die Veräußerung von Autonomie durch den Vorstand hingegen sei ebenfalls eine Form des autonomen Handelns. Daher könne auch nicht pauschal behauptet werden, dass dem Vorstand die Kompetenz dazu fehle. Gegen das befürchtete Haftungsdefizit wendet Herwig ein, dass § 278 BGB doch anwendbar sei, jedenfalls bei Dritten. 46  Das Gesamtverantwortungsprinzip soll dabei nicht zwingend § 76 Abs. 1 AktG entspringen, sondern vielmehr aus der Organisation des Vorstands als Kollegialorgan, namentlich aus dem sogenannten Kollegialprinzip, folgen, dazu noch § 6 I. 1. b). Siehe ausführlich Wettich, Vorstandsorganisation, S. 28 ff., 40. Außerdem Seyfarth, VorstandsR, § 2 Rn. 10. Zum Teil wird eine Kette aus Gesamtverantwortung, Gesamtleitung und Kernbereich geschnürt, um das Delegationsverbot zu begründen. Vgl. Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2579. Ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 44: zwei Einzelausprägungen des Gesamtverantwortungsprinzips, namentlich Gesamtleitung und gegenseitige Überwachung.

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

II. Inhaltliche Abgrenzung von delegierbaren und nicht delegierbaren Aufgaben („Wie“) 1. Leitung als herrschendes Identifikationsinstrument des Delegationsverbots Während die dogmatische Grundlage des Delegationsverbots somit im juristischen Diskurs nur von untergeordneter Bedeutung ist, steht die Reichweite des Delegationsverbots („Wie“) ungleich stärker im Fokus. Da die Delegation unstreitig ein notwendiges Organisationsmittel des Vorstands ist, suchen die kritischen Stimmen den Aufgabenausschnitt zu bestimmen, der einer Aufgabenübertragung nicht zugänglich ist. Einfallstor ist nach herrschender Auffassung der Leitungsbegriff nach § 76 Abs. 1 AktG. Begründet wird dies mit einer Sonderstellung gegenüber der Geschäftsführung, die das Aktiengesetz in § 77 AktG regelt. Die herrschende Meinung definiert die Leitung als gegenüber der Geschäftsführung herausgehobenen Teilbereich.47 Daneben findet sich eine Vielzahl weiterer Umschreibungen, die inhaltlich aber keine divergierende Aussage enthalten:48 Das gilt etwa für die terminologisch nahezu gleichen Ausdrücke der „Teilmenge“49 oder des „Teilaus­ 47  Vgl. statt aller Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 5; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 299 ff. (auch „Teilmenge“); Henze, BB 2000, 209; Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 49 f.; Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 7. Kap. Rn. 20, 27; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 98; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 29 f.; Link, in: Wachter, § 76 Rn. 4; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 9; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 17; Veil, Unternehmensverträge, S. 89; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 8; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  6 f.; Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 67. Wendeling-Schröder, Divisionalisierung, S.  37 ff. stuft die Begriffe einerseits als identisch ein, gesteht der Leitung jedoch eine höhere Bedeutung zu, da sie die Strategie umfasse, während die Geschäftsführung „handlungsbezogen“ sei. Dennoch sei auch die Geschäftsführung nur insoweit übertragbar, wie es die Leitung zulasse. Die Rechtsprechung hat sich bisher nur vereinzelt zur Delegationsdebatte geäußert, wobei auch sie augenscheinlich auf den Leitungsbegriff abstellt. Eine detaillierte Darstellung erfolgt unter II. 4. 48  Offen lassend daher Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 519; Fleischer, ZIP 2003, 1, 3; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 14. Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1464 sieht die Lösung der Delegationsproblematik nicht in einer begriffsjuristischen Differenzierung, will den Leitungsbegriff aber nicht gänzlich aufgeben. Zu den Schwierigkeiten, die Begriffe Leitung, Geschäftsführung und Vertretung richtig zu fassen, Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 37 ff. (mit weiteren Defini­ tionsansätzen, die sich aber auf den inhaltlichen Grundsatz nicht auswirken): Demnach könne Leitung nicht herausragen, da schlicht alle Maßnahmen Geschäftsführung seien, wenn man den weiten Geschäftsführungsbegriff zugrunde lege. Wobei auch der Geschäftsführungsbegriff zu präzisieren sei. Im Ergebnis folgt Dose jedoch der herrschenden Meinung. Siehe zudem kritisch Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 8 f.; Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 92 ff.



§ 4 Meinungsstand41

schnitts“50. Selbst sprachlich klar divergierende Definitionsversuche fügen sich inhaltlich in die herrschende Definition ein.51 Da der Leitungsbegriff zu unbestimmt ist, um Leitungsaufgaben zu klassifizieren, zieht der juristische Diskurs verschiedene Differenzierungskriterien heran, um die nicht delegierbaren Leitungsaufgaben von delegierbaren Geschäftsführungsaufgaben zu scheiden. Jedenfalls ist aber die Delegation von „einfachen“ Geschäftsführungsmaßnahmen sowohl an Vorstandsmitglieder als auch an Mitarbeiter und Dritte zulässig.52 Eine Gegenauffassung stellt sich diesem Verständnis des Leitungsbegriffs entgegen und unterscheidet Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben nicht.53 Das bleibt im Ergebnis aber ohne Konsequenzen für das Delega­ 49  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 29 f.; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 19 Rn. 16. 50  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 4. 51  Das zeigt auch die daran anschließende gleichlaufende Prüfung der Abgrenzungskriterien. Vgl. hierzu Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 7: „integraler Bestandteil“; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 214 ff.: „Geschäftsführung als unterer Teil“; Merkelbach/Herb, Der Konzern 2016, 425, 427: „Leitung und allgemeine Geschäftsführung“; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 193 f.: „Leitung als Kernbereich“; Hegnon, CCZ 2009, 57, 58: „Geschäftsführung als unwesentlicher Detailbereich“. Grabolle, Leitungsfunktion, S. 78 schließt sich zwar den vorstehenden Umschreibungen nicht an, sondern setzt Leitung und Geschäftsführung in eine Mittel-Zweck-Relation: Die Leitung beziehe sich auf die im Rahmen der Leitungsaufgaben zu treffenden Entscheidungen. Die Geschäftsführung setze die Leitung, besser gesagt die Entscheidungen, um. Im Ergebnis nimmt sie aber eine mit der herrschenden Meinung gleichlaufende Trennung vor. 52  Siehe noch einmal statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 8. Anders wohl nur Veelken, Betriebsführungsvertrag, S. 125 f., 210 ff., 265, wonach auch die laufende Geschäftsführung, jedenfalls im Zusammenhang mit Betriebsführungsverträgen, nicht delegierbar sei. Dieses Verständnis kommt einem pauschalen Delegationsverbot an Dritte sehr nahe, bleibt doch gänzlich unklar, welche Maßnahmen der ­Delegation dann überhaupt noch zugänglich sein sollen. Hinzu kommt, dass Betriebsführungsverträge nur eine Variante des Outsourcing sind (siehe bereits § 3 I.). 53  Dass die Leitung von der Geschäftsführung nicht divergiert, wird zum Teil damit begründet, dass die Leitung bloßer Oberbegriff für Geschäftsführung und Vertretung sei. Siehe zur Leitung als Oberbegriff Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 5 (zum Streitstand Rn. 3 [Fn. 8]). Wohl auch Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 442: „Die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft umfaßt sowohl die Geschäftsführung (§ 77 AktG) als auch die Vertretung gegenüber Dritten (§ 78 AktG).“ Zum Teil sollen Leitung und Geschäftsführung deckungsgleich sein. So spricht etwa Lutter, AG 1991, 249, 251 von Deckungsgleichheit, schließt sich aber Semler an. So auch Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 139 (Fn. 7). Lippert, Überwachungspflicht, S. 27 f. nimmt dies bei weiter Auslegung der Geschäftsführung an. Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 33 ff., 37 stuft beide als deckungsgleich ein, sofern die Leitung das Innenverhältnis betreffe. Im Übrigen variieren auch hier die Umschreibungen, obwohl sie inhaltlich gleichlaufen: Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl, § 76 Rn. 10 sieht die Begriffe als deckungsgleich an, wenn man die Geschäftsführung über

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

tionsverbot: Zur Abgrenzung von delegierbaren und nicht delegierbaren Aufgaben zieht die Auffassung die Kriterien heran, auf die auch die herrschende Meinung abstellt.54 Die Delegationsproblematik verlagert sich schlicht auf den Geschäftsführungsbegriff. 2. Nicht delegierbarer Kernbereich Auch hinsichtlich der Leitungsaufgaben soll kein vollständiges Delega­ tionsverbot vorherrschen, da der Vorstand selbst diesen Ausschnitt nicht allein wahrnehmen könnte. Das Delegationsverbot reduziert sich daher auf den Kernbereich der jeweiligen Pflichten.55 Stets delegierbar sollen außerdem die verwaltende Tätigkeit hinaus ausdehne. Laut Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 81 findet durch den Gesetzgeber ein beliebiger Austausch der Begriffe statt, der eine inhaltliche Differenzierung somit nicht stütze. Noack, ZHR 183 (2019), 105, 124 f. spricht sich ebenfalls dagegen aus, die Delegationsfähigkeit anhand von Leitung und Geschäftsführung zu bestimmen und begründet dies mit einer mangelnden gesetzlichen Grundlage. Gleichsam verweist er darauf, dass die herrschende Meinung bei sogenannten Leitungsaufgaben nicht konsequent ein Delegationsverbot annehme. Entscheidend sei im Ergebnis die Bedeutung der Aufgabe. 54  Etwa Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 51 ff., 79 ff., der im Anschluss an seine Feststellung ebenfalls die Zulässigkeit der Delegation prüft; Semler, Leitung und Überwachung, Rn 10 ff.; außerdem Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 574 ff., insb. S. 576; Semler, ZGR 1983, 1, 11 ff. Siehe auch Lutter, AG 1991, 249, 251, wonach Leitung und Geschäftsführung sich nicht unterscheiden, die Geschäftsführung aber betriebswirtschaftlich auszulegen sei. 55  Aus der Rechtsprechung andeutungsweise LG München I ZIP 2014, 570, 575, das zwar nicht explizit auf einen Kernbereich abstellt, aber immerhin eine Delegation zentraler Aufgaben an nachgeordnete Führungskräfte ablehnt. Aus dem Schrifttum vgl. etwa Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 178 ff.; Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn.  7 f.; Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 58 ff.; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 518; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 300; Endres, ZHR 163 (1999), 441, 446 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn.  8 f.; Froesch, DB 2009, 722, 724; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 168 f.; Heller, Unternehmensführung, S.  24 ff.; Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 380; Henze, BB 2000, 209, 210; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 507 ff.; Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 405 ff.; Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap. Rn. 38 f.; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 99, 105 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 32a, 49 ff.; Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2579; Laue/Brandt, BB 2016, 1002, 1006; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 193 ff.; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 4, 45 ff.; § 77 Rn. 23; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 64, 67, 94; Oltmanns, in: NK-AktG, § 76 Rn. 4 f.; Schiessl, ZGR 1992, 64, 66 ff.; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 214 ff.; Schmidt-Housson, in: Hauschka/ Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 16 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 2, 22 f.; Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 574 ff.; Semler, ZGR 1983, 1, 11 ff.; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 14 ff.; Stein, ZGR 1988, 163, 168; Vedder, in: Grigoleit, § 76 Rn. 4; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 8; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  28 f., 49 ff., 87 f., 177 f.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756; Wiegand, Investorenver-



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sogenannte Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen sein, die der eigentlichen Entscheidung vor- und nachgelagert sind, sodass lediglich die Entscheidung zwingend beim Gesamtvorstand liegt.56 Fleischer differenziert dazu klanghaft „decision shaping“ und „decision taking“: Abseits der Enteinbarungen, S. 67; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 19 Rn. 30 f. Kritisch Freund, NZG 2015, 1419, 1422 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 8 f.; Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 100 f. Nicht ganz konsequent in der Argumentation Nietsch, der einerseits die Gesamtgeschäftsführung zumindest für die Aktiengesellschaft als hinderliche Organisationsform einstuft, siehe im Einzelnen ZIP 2013, 1449, 1451, andererseits ebenfalls von einem Delegationsverbot anhand der Leitung ausgeht, siehe ZHR 180 (2016), 733, 736 ff. Laut Grabolle Leitungsfunktion, S. 172 ff. ist die Leitung nicht unveräußerlich, vielmehr gibt es einen unveräußerlichen Kernbereich. Diesen unterteilt Grabolle in zwei Stufen: Auf der ersten Stufe sollen aus dem Bereich der Leitungsaufgaben Willensbildung und Entscheidung, Selbstkontrolle, Informationsversorgung und Verantwortung unveräußerlich sein. Auf der zweiten Stufe stehen die Aufgabenteile, die trotz Veräußerlichkeit der Aufgabe als solcher vom Gesamtvorstand wahrzunehmen seien. Inhaltlich ist der Ansatz jedoch weitestgehend gleichlaufend zur herrschenden Meinung. 56  Aus der Rechtsprechung etwa LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1391 f. zu Fragen der Datenverarbeitung; aus dem Schrifttum Arnold, ZGR 2014, 76, 80; Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 8, 21 („Hilfsaufgaben“); Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 527 f.; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 303 f., wobei den Vorstand dennoch eine Befassungsverantwortung treffe, die aber angesichts des Zwecks der Geschäftsverteilung restriktiv zu lesen sei; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6 mit Verweis auf § 91 Abs. 1 AktG, wobei hier der Wortlaut der Norm („Sorge tragen“) eine Delegation impliziere; ebenso Fleischer, WM 2007, 2021, 2023; Hegnon, CCZ 2009, 57, 58; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 508; Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2579; Link, in: Wachter, § 76 Rn. 21; Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1450; Pietzke, CCZ 2010, 45, 49, 52; Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 38, 168 ff., wozu auch bloß technische Ausführungen gehören sollen, wobei die Entscheidung nicht vorweggenommen werden dürfe; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 24; Simon, Der Konzern 2015, 205, 206 f.; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 14 ff.; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2204; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 12; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  66 f., 177 f.; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 19 Rn. 31. Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 105 kategorisiert diese Phasen als bloße Zuarbeit und nicht als Aufgabenübertragung. Diese begriffliche Aufspaltung wirkt nicht nur künstlich, sondern ist im Übrigen auch unzutreffend. Stuft man die Delegation für diese Phasen als zulässig ein, so muss man konsequenterweise auch von einer – wenn auch auf einzelne Maßnahmen beschränkten – Aufgabenübertragung sprechen. Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1474 f., 1476 ff. sieht diese Trennung kritisch, da auch in den übrigen Phasen Entscheidungen zu treffen seien. Gleichsam erkennt er an, dass die Praxis diese Einteilung durchaus stütze. Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 77 Rn. 19 und Oltmanns, in: NK-AktG, § 76 Rn. 5 stufen nur die Vorbereitung als delegierbar ein. Zu dem Hintergrund der Arbeitsbelastung noch einmal Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 65 („Gebot praktischer Vernunft“); Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 526; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 87, 177. Kauer, Informationsbeschaffungspflicht, S. 63 ff. diskutiert die Delegation der Informationsbeschaffungspflicht. Es soll sich um eine Leitungsaufgabe handeln, wenn diese im Rahmen einer Leitungsaufgabe aufkomme. Dennoch stuft sie die Beschaffung als delegierbar ein, da diese Aufgabe im Kontext

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

scheidung könne alles auf einzelne Vorstandsmitglieder oder Mitarbeiter übertragen werden („decision shaping“), während der Gesamtvorstand die finale Entscheidung zu treffen habe („decision taking“).57 Das Meinungsbild denkt die Problematik ganz überwiegend nur von der Aufgabe aus und bezieht den Adressaten nicht mit ein.58 3. Abgrenzungskriterien im Einzelnen a) Leitungsaufgaben kraft gesetzlicher Zuordnung Um die nicht delegierbaren von den delegierbaren Aufgaben im Einzelnen abzugrenzen, wurden verschiedene Kriterien vom Meinungsstand entwickelt, die im Ergebnis einander ergänzend angewandt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Bewertungsmaßstab für die Delegation entsprechend der herrschenden Meinung nach § 76 Abs. 1 AktG oder einer Mindermeinung folgend nach § 93 Abs. 1 AktG richtet.59 Erster Anknüpfungspunkt für etwader jeweils zu erfüllenden Pflicht, ob Leitungsaufgabe oder Geschäftsführungsaufgabe, in deren Vorbereitungsstadium anzusiedeln sei. 57  Zum Vorstehenden Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. 58  Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AR, S. 164 ff. schließt eine Differenzierung sogar explizit aus. Wettich, Vorstandsorganisation, S. 177 f. stellt zumindest horizontale und die Delegation an Mitarbeiter gleich. Außerdem Martens, FS Fleck, 1988, 191, 205 ff. mit Verweis auf sodann erforderliche Steuerungsinstrumente der gesamtverantwortlichen Vorstandsmitglieder. Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 68 (Fn. 57) unterstellt einigen Schrifttumsvertretern, dass sie sich gegen die Zulässigkeit der vertikalen Delegation aussprechen würden. Das trifft nicht zu. Die benannten Beiträge verwehren sich bloß dagegen, dass nicht allen Vorstandsmitgliedern die gleichen Rechte zukommen, vgl. Mertens, in: Kölner Komm. AktG, 1. Aufl., § 77 Rn. 9; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 22 ff.; Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 581. Siehe auch Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn.  6 ff.; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 30 (m. w. N.). Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 217 f. zieht die Grenzen für die Delegation an Mitarbeiter auch für Geschäftsführungsmaßnahmen enger als bei der Geschäftsverteilung, da nach seiner Auffassung auch die wesent­lichen Teile der Geschäftsführung die Vorstandsebene nicht verlassen sollen. Lediglich das Urteil des LG München I ZIP 2014, 570, 575 differenziert, da es jedenfalls im Rahmen der Compliance eine Delegation zentraler Aufgaben an nachgeordnete Führungskräfte ablehnt. In jedem Fall erlangt die Adressatenfrage besondere Relevanz, wenn es um die Anforderungen an eine sorgfaltsgemäße Überwachung geht, da die Überwachungspflicht hinreichende Einflussrechte auf den Delegationsempfänger voraussetzt und sich diese nach dem jeweiligen Delegationsverhältnis richten. Siehe Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1479 ff.; außerdem Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 528 ff. Ausführlich noch unter § 9 II. 4. 59  Seibt löst sich von dieser herrschenden Ansicht nicht vollständig, obwohl sich die Zulässigkeit der Delegation nach § 93 Abs. 1 AktG richten soll. So gibt er den Leitungsbegriff nicht völlig auf und verweist auf die gesetzlichen wie unternehmerischen Leitungsaufgaben. Im Rahmen der Bewertung der Delegationsfähigkeit zieht er



§ 4 Meinungsstand45

ige organschaftliche Mindestzuständigkeiten, genauer zwingende Entschei­ dungszuständigkeiten,60 ist das Gesetz. Das überwiegende Schrifttum stuft alle Vorschriften des Aktiengesetzes, die namentlich „den Vorstand“ adressieren, als nicht delegierbar ein.61 Gleiches gilt laut Wettich, wenn das Gesetz letztlich die Kriterien der Erheblichkeit (siehe unter d)) heran, um die Sorgfalt auszumessen. Siehe zum Vorstehenden Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463 ff. sowie Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 8 f. Wobei zu betonen ist, dass diese Kriterien selbst beim Schrifttum Unbehagen hervorrufen, da sie so schwammig sind. So äußern sich kritisch Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 168 f.; Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 100 f.; Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 734 ff., 744 f. 60  Beide Begriffe bei Wettich, Vorstandsorganisation, S. 49. Namentlich die organschaftlichen Mindestzuständigkeiten werden unterschiedlich weit ausgedeutet: Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 577 sieht darin einerseits die gesetzlich geregelten Vorstandsaufgaben, während er andererseits den Terminus ganzheitlich für die nicht delegierbaren Pflichten verwendet, siehe Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 23. Frels, ZHR 122 (1959), 8, 27 setzt die Mindestzuständigkeiten mit den öffentlichrechtlichen Pflichten des Vorstands gleich. Dies ist jedoch irreführend, da derartige Pflichten nicht trennscharf bestimmbar sind (siehe noch § 6 I. 1. d) bb)). Inwieweit Wettich Entscheidungs- und organschaftliche Mindestzuständigkeit differenziert, wird nicht ganz klar. Die zwingende Entscheidungszuständigkeit ist jedoch der präziseste Ausdruck, da das Delegationsverbot unbestritten lediglich für Entscheidungen gelten soll. Dieser ist sodann ganzheitlich zu verstehen. 61  So Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 9; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 520 f.; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 299 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6, wobei das gesetzlich verordnete Delegationsverbot sogar hinter die betriebswirtschaftliche Begründung (dazu noch c)) gestellt wird; Fleischer, NZG 2003, 449, 450; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 19; Froesch, DB 2009, 722, 724; Heller, Unternehmensführung, S.  25 f.; Henze, BB 2009, 209, 210; Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap. Rn. 17, 38; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 99 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9; Kocher/Schneider, ZIP 2013, 1607, 1609; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 35; Link, in: Wachter, § 76 Rn. 6; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 194; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 24; Oltmanns, in: NK-AktG, § 76 Rn. 5; Schiessl, ZGR 1992, 64, 67 f.; Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AR, S. 169; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 215, wobei dieser Katalog nicht abschließend sei, da es sich „nicht um Verpflichtungen handelt, die die substantielle unternehmerische, gewinngerichtete Tätigkeit der AG betreffen“; Seyfarth, VorstandsR, § 8 Rn. 4; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 15; § 77 Rn. 64, wobei Spindler an dieser Stelle von Geschäftsführungsmaßnahmen der Ausübung nach spricht; WendelingSchröder, Divisionalisierung, S. 36; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  50 f., 87 f., 177 f.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. Siehe auch Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S.  1463, 1470 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 9. Ausdrücklich ablehnend Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 59 f. Differenzierend hingegen Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 156 f., 161 ff. Die begriffliche Trennung von Leitungsaufgaben i. S. d. § 76 Abs. 1 AktG und gesetzlichen Pflichten, wie von Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap. Rn. 17, 38 f. und Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 100 vorgenommen, wirkt künstlich. Jedenfalls bleibt sie folgenlos, da beide nicht delegierbar sein sollen. Im Sinne des herrschenden Leitungsbegriffs kann daher ohne weiteres von gesetzlichen Leitungsaufgaben gesprochen werden. Ergänzt wird dieser aktienrechtliche Katalog noch durch spezial-gesetzliche Vorschriften, na-

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

wie etwa in § 121 Abs. 2 S. 1 AktG einen Beschluss des Vorstands verlange.62 Nach jetzigem Stand des Aktiengesetzes wären mithin folgende Vorstandspflichten einzustufen als solche, die kraft Gesetzes dem Delegationsverbot unterliegen:63 – Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen sowie Vorbereitung und Abschluss von Verträgen, die nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden, § 83 AktG. – Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat, § 90 AktG. – Buchführung und Früherkennung von bestandsgefährdenden Risiken inklusive Einrichtung eines Überwachungssystems, § 91 AktG. – Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, § 92 AktG. – Bekanntmachungspflicht zur Aufsichtsrats-Zusammensetzung, § 97 Abs. 1 AktG. – Antrag auf gerichtliche Entscheidung über Zusammensetzung des Aufsichtsrats, § 98 AktG. – Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats, § 104 Abs. 1 AktG. – Einberufung des Aufsichtsrats, § 110 Abs. 1 AktG. – Teilnahme an Hauptversammlungen, § 118 Abs. 2 AktG. – Vorlagerecht an Hauptversammlung, § 119 Abs. 2 AktG. – Einberufung der Hauptversammlung, § 121 Abs. 2 AktG. – Vorschläge zur Beschlussvorlage in der Tagesordnung der Hauptversammlung, § 124 Abs. 3 S. 1 AktG. – Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts mit Vorlage an Aufsichtsrat, § 170 AktG. – Feststellung des Jahresabschlusses, §§ 172 f. AktG.

mentlich aus dem KWG, VAG oder WpHG, vgl. statt aller Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 523 („nicht rechtsformspezifische Pflichten“); Fleischer, AG 2017, 509 ff.; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 100. Grabolle, Leitungsfunktion, S. 118 ff., 129 f. sondert hingegen Vertreteraufgaben aus und differenziert im Übrigen danach, ob die Aufgaben der unternehmerischen Funktion dienen. Außerdem soll die Eigenverantwortlichkeit als Unterscheidungsmerkmal dienen, die nur für die Leitung gelte (siehe auch S. 80 f.). Letztlich stellt Grabolle auch auf den Grad der Determination ab (S.  81 f.). 62  So noch einmal explizit Wettich, Vorstandsorganisation, S. 50. 63  Mit aktueller Auflistung etwa Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 9; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 35.



§ 4 Meinungsstand47

– Ermächtigung der Hauptversammlung zum Bezugsrechtsausschluss, § 203 Abs. 2 AktG. – Anfechtungsbefugnis, § 245 Nr. 4 AktG. – Berichtspflicht zu verbundenen Unternehmen, § 314 Abs. 1 AktG. Anerkannt ist auch die Führung des Aktienregisters gemäß § 67 AktG, wobei der Norm jedenfalls explizit kein Adressat zu entnehmen ist, sie dennoch aber als Leitungspflicht eingestuft wird und daher die Aufzählung ergänzt.64 b) Wechselspiel von § 90 Abs. 1 AktG und § 111 Abs. 4 S. 2 AktG als übertragbare Wertung des Gesetzgebers Der oben aufgeführte Gesetzeskatalog soll jedoch nicht abschließend sein.65 Ergänzend leitet Martens die gemeinsame Entscheidungszuständigkeit des Vorstands aus dem Zweck der Gesamtzuständigkeit ab: Dieser Zweck richte sich auf die gegenseitige Überwachung innerhalb des Vorstands. Da auch die Organbeziehung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat von der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats geprägt sei, will Martens die Wertungen aus diesem Verhältnis auf die Delegationsproblematik übertragen: Steht die Entscheidung in Zusammenhang mit dem Berichtsinhalt des § 90 AktG oder dem Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, soll der Vorstand gesamtzuständig sein.66

64  OLG München NZG 2005, 756, 757; aus dem Schrifttum statt aller Bayer, GS M. Winter, 2011, S. 9, 14 (Fn. 35); Bayer, in: Münch. Komm. AktG, § 67 Rn. 15; Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 9; Grigoleit/Rachlitz in Grigoleit, § 67 Rn. 2; Koch, in: Hüffer/Koch, § 67 Rn. 5; Kort, NZG 2005, 963 f.; Lutter/Drygala, in: Kölner Komm. AktG, § 67 Rn. 9; Spindler, in: Münch. Komm., § 76 Rn. 16; a. A. ausdrücklich Harnos, in: DSRI-Tagungsband 2015, S. 265, 267 ff., wonach eine bloße Geschäftsführungsmaßnahme vorliege. So wohl auch Merkt, in: Großkomm. AktG, § 67 Rn. 36, der von einer Maßnahme der Geschäftsführung spricht. 65  Statt aller Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 195 (m. w. N.). 66  Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 195 f., 197 ff., der allerdings die mangelnde Präzisionskraft des Kriteriums erkennt. Zu § 90 AktG auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 39 ff., der über diese Norm letztlich auch die unternehmerische Durchdringung sowie die Erheblichkeit (siehe unter c), d)) in die Abgrenzung einbezieht. Letztlich könnte die Gesamtzuständigkeit im Rahmen des § 90 AktG auch unmittelbar aus dem Organverhältnis Vorstand-Aufsichtsrat abgeleitet werden. Dass sich die Ausgestaltung des § 90 AktG seit dem Beitrag aus dem Jahre 1988 wesentlich verändert hat, schmälert die Aussage nicht, da die Vorschrift lediglich präziser ausgeformt wurde.

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

c) Unternehmerische Durchdringung der Vorstandsaufgaben Nach ganz überwiegender Auffassung soll die Disziplin der Betriebswirtschaftslehre die weiteren nicht delegierbaren Pflichten typologisch herausfiltern. Demnach soll ein Delegationsverbot bestehen, wenn die Maßnahme die Unternehmensplanung, die Unternehmenskoordination, die Unternehmenskontrolle oder die Führungspostenbesetzung betreffe.67 67  Vgl. zu den „originären unternehmerischen Führungsfunktionen“ zunächst grundlegend und von Geschäftsführungsmaßnahmen ausgehend Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 11 ff., 22 ff. mit betriebswirtschaftlichen Nachweisen; außerdem Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 577 f.; Semler, ZGR 1983, 1, 12 ff. Siehe im Übrigen zur herrschenden Meinung die folgenden, wenn auch teilweise in Nuancen unterschiedlichen, Nachweise: Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 10; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 5, 7 („strategische Ausrichtung“); Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 35 ff., 39 f. (Fn. 24), 62 f. mit historischer Auslegung; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 521 f.; Froesch, DB 2009, 722, 724; Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 125 f.; Hegnon, CCZ 2009, 57 f.; Henze, BB 2000, 209, 210; Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 57 ff.; Hüffer, FS Happ, 2006, S.  93, 100 f.; Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap. Rn. 20 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9 (aber „normativ orientierte Typologie“ erforderlich); Kocher/ Schneider, ZIP 2013, 1607, 1609; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 36 f., 49, 50, der zusammenfassend die Unternehmenspolitik dem Gesamtvorstand zuordnet; Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2579 aus der Sicht des Aufsichtsrats, wenn dieser die Geschäftsverteilung durch die Geschäftsordnung entsprechend § 77 Abs. 2 S. 1 AktG regelt; Laue/Brandt, BB 2016, 1002, 1006; Link, in: Wachter, § 76 Rn. 7; Lutter, AG 1991, 249, 250 f. (zur Unternehmensplanung); Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 4 f., 45; § 77 Rn. 16, 22 f.; Oltmanns, in: NK-AktG, § 76 Rn. 5; Schiessl, ZGR 1992, 64, 68; Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AR, S. 158 f., der von „obersten Führungsaufgaben“ spricht, inhaltlich aber mit Semler, übereinstimmt; Seyfarth, VorstandsR, § 8 Rn. 3, 6 ff., wobei diese Kategorisierung nicht rechtlich zwingend sei, aber auf die nicht delegierbaren Pflichten hinweise; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 15 f.; Vedder, in: Grigoleit, § 76 Rn. 4; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 10; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  51 ff., 54 ff.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756; Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 66 f. Wohl auch Feddersen, ZGR 1993, 114 ff. zur Unternehmensplanung, der zwar eine pauschale Überlagerung ablehnt, letztlich aber Lutter und Semler inhaltlich folgt. Siehe Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 300, der zur Konkretisierung auf § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG verweist. Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 216 ff. äußert sich insgesamt zurückhaltender zum Delegationsverbot. Fleischer formuliert scheinbar einen Sonderweg, indem er Planungs- und Steuerungsverantwortung, Organisationsverantwortung, Finanzverantwortung und Informationsverantwortung als nicht delegierbar einstuft. Gleichsam erkennt er den Lösungsansatz der herrschenden Meinung als zielführend an, siehe Fleischer, ZIP 2003, 1, 5; bestätigend noch einmal Fleischer, NZG 2003, 449, 450 sowie Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 18. Im Ergebnis bestehen auch keine inhaltlichen Divergenzen zum obigen Ansatz. So auch besonders kritisch Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 59 f.; außerdem Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 522; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 100 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9 („variierend“); Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 5; Spindler,



§ 4 Meinungsstand49

Semler definiert sodann den Inhalt der Führungsfunktionen:68 Unternehmensplanung bestehe daraus, die Ziele und die Strategie der Gesellschaft sowie mittel- und langfristig die Unternehmenspolitik festzulegen. Das weitere Schrifttum präzisiert diese Aufzählung noch und verweist auf die Bereiche Finanz-, Investitions- und Personalplanung und Produkt-, Absatz-, Finanz- und Liquiditäts-, Investitions- und Ertragsplanung.69 Die Ziele des Unternehmens sollen sich aus Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand ergeben.70 Die Unternehmenskoordinierung soll den Vorstand verpflichten, Prinzipien der Aufgabenverteilung und Kontrolle zu statuieren. Die verschiedenen organisatorischen Einheiten seien so einzustellen, dass sie den übergeordneten Zielen dienen. Die Unternehmenskontrolle stellt laut Semler sodann sicher, dass die Unternehmensbereiche ordnungsgemäß wirken, ihre Ziele erreichen und neue Entwicklungen aufgedeckt würden. Die Unternehmenskontrolle obliege gerade nicht allein dem Aufsichtsrat.71 Die Unternehmenskontrolle verpflichte den Vorstand dazu, auch die übrigen Vorstandsmitglieder zu überwachen. Unter Führungspostenbesetzung ist laut Semler zu verstehen, dass der Vorstand die nachgeordneten Führungsstellen im Unternehmen geeignet besetze. Nach der Auswahl müsse das Personal ausgebildet, gefördert, befördert oder aber bei Fehlverhalten ausgetauscht werden. Die benannten Führungsfunktionen kann der Vorstand nicht gänzlich im Plenum wahrnehmen. Daher müssen sie auf ihren Kern zurückgeführt werden. Der Gesamtvorstand soll daher zuständig sein, wenn das Unternehmenswohl als solches72, das heißt die wesentlichen und grundsätzlichen Fragen der unternehmerischen Ausrichtung betroffen seien.73 Für den Bereich der in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 15; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  61 f. Grabolle, Leitungsfunktion, S. 120, 130 ff., 136 ff. stellt sich einer Überlagerung durch die Betriebswirtschaftslehre entgegen und leitet die unternehmerische Funktion aus Normen des Aktiengesetzes ab. Leitungsaufgaben sollen solche sein, die die unternehmerische Funktion betreffen und somit die wirtschaftliche Steuerung der Aktiengesellschaft. 68  Zum Nachstehenden Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 22 ff.; zudem Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 577; Semler, ZGR 1983, 1, 12 f. 69  Feddersen, ZGR 1993, 114, 115 ff.; Lutter, AG 1991, 249, 251; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 55. Siehe auch Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 216, wonach erhebliche Investitionen die Gesellschaft, aber auch Gläubiger, Aktionäre und Arbeitnehmer betreffen würden. 70  Wettich, Vorstandsorganisation, S. 54. Zugleich handelt es sich um Schranken, denen der Vorstand unterliegt. 71  Dagegen Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 39 (Fn. 24), der seinem Dissens jedoch die Schärfe sogleich wieder entzieht. 72  Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 13 f. mit Bezug auf das betriebswirtschaftliche Schrifttum. Siehe auch Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 578 f. 73  Vgl. etwa Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 179 ff.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6 („immanente Pflichtenreduzierung“); Fleischer, NZG 2014, 321, 323; Dreher, FS

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

Unternehmensplanung sollen etwa Richtlinien genügen.74 Die Wahrnehmung der Organisationsverantwortung erfordere, die wesentlichen Grundstrukturen zu benennen. Für Finanz- und Informationsfragen müsse der Vorstand entsprechende Systeme installieren.75 Auch das weitere Personal müsse der Vorstand nicht selbst einstellen, er habe jedoch Standards festzusetzen, nach denen Mitarbeiter einzustellen seien.76 Weiteres Datum für die Frage, welche Intensität den Kriterien zukommt, soll sodann der Einzelfall sein. Der Einzelfall richte sich dabei nach den Umständen des einzelnen Unternehmens, etwa Art und Größe, Organisationstruktur, Programmstruktur oder auch Stand­ orte.77 d) Erheblichkeit der Maßnahmen Um dem Einzelfall noch stärker gerecht werden zu können, soll die Erheblichkeit der Maßnahmen die gesetzlich geregelten sowie typologisch bestimmten Fälle ergänzen. Maßnahmen, die durch das Raster der unternehmerischen Durchdringung fallen, können unter Umständen dennoch so gewichtig sein, dass der Vorstand sie nicht delegieren darf. Aber auch nicht alle Maßnahmen, die vom unternehmerischen Ansatz umfasst werden, sind zwangsläufig delegationsfeindlich.78 Daher gelten solche Aufgaben als nicht delegierbar, die eine erhebliche Bedeutung aufweisen.79 Weitere sprachliche Hopt, 2010, S. 517, 527 („Pflichten bereits immanent reduziert“); Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 169. Siehe auch Henze, BB 2000, 209, 210; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  54 ff. 74  Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 527. Wettich, Vorstandsorganisation, S. 55 spricht in diesem Zusammenhang von „Rahmenplanung“ (m. w. N.). 75  Vgl. Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 527, der sich an Fleischers Begrifflichkeiten orientiert. 76  Zu den Einstellungsstandards Wettich, Vorstandsorganisation, S. 61. Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 52 f. fordert eine gemeinsame Entscheidung bis einschließlich zur zweiten Führungsebene, da diesen Personen erheblicher Einfluss zukomme, wobei letztlich wieder die konkreten Umstände zu berücksichtigen seien. Inwieweit sich die Position von Semler abhebt, wird nicht ganz klar, da Semler von nachgeordneten Führungsstellen spricht und nicht auf Rangfolgen eingeht. 77  Siehe Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S.  51 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 31; Lutter, AG 1991, 249, 253 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 5; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 55. 78  Zum Vorstehenden Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 62  f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 62. Die Abgrenzungskriterien wie ein natürliches Prüfungsschema behandelnd Kocher/Schneider, ZIP 2013, 1607, 1609 f. Vgl. auch Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 11. 79  Diese Formulierung mit Verweis auf § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG ausdrücklich verwendend Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63. Siehe auch Herwig, Leitungsautono-



§ 4 Meinungsstand51

Umschreibungen, etwa „besondere“80, „grundlegende“81 oder „außergewöhn­ liche“82 Bedeutung, oder aber „außergewöhnliches“83 oder „ungewöhnlich hohes“84 Risiko, divergieren inhaltlich nicht.85 Die Herleitung dieses Kriteriums wird unterschiedlichen Anknüpfungspunkten entnommen, die aber zum gleichen Ergebnis führen: Zum Teil wird auf das Personengesellschaftsrecht abgestellt, namentlich die Geschäftsführungsbefugnis: Der Gesetzgeber stützt sich dort auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb, § 116 HGB. Diese Wertung soll auf den Vorstand übertragen werden.86 Andere verweisen dagegen auf § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG: Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat über Geschäfte, die für die Rentabilität oder ­Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können, zu berichten.87 Das Kriterium der erheblichen Bedeutung ist ohne weiteren Zuschnitt zu unbestimmt und muss daher ausgefüllt werden. Daher sind auch hier die einzelnen Umstände zu berücksichtigen.88 So wird auf Gläubiger- und Aktio­ mie und Fremdeinfluss, S. 61 ff., der sich im Übrigen stark an Seibt (siehe unter e) bb)) orientiert. Henze, BB 2000, 209, 210 setzt dagegen bei der Entscheidung an. Das ist insofern kein Widerspruch, da lediglich die Entscheidung als nicht delegierbar eingestuft wird (siehe bereits II. 2.); siehe auch Veil, Unternehmensverträge, S. 91. Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 25 sieht darin kein Delegationshindernis, verwendet diesen Filter aber letztlich bei der nicht delegierbaren Führungsfunktion, worunter er grundlegende Maßnahmen fasst, Rn. 11. Siehe schließlich auch Link, in: Wachter, § 76 Rn. 8. 80  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 64; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; außerdem Fleischer, NZG 2003, 449, 450. 81  Hegnon, CCZ 2010, 57 f. stellt sowohl auf die „grundlegende“ als auch auf die „wesentliche“ Bedeutung ab. Siehe auch Grabolle, Leitungsfunktion, S.  151 f. 82  Kocher/Schneider, ZIP 2013, 1607, 1609; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 36; Martens, FS Fleck, 1988, S. 207; Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AR, S. 172. 83  Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Fleischer, NZG 2003, 449, 450; Martens, FS Fleck, 1988, S. 207. 84  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 36. 85  So zutreffend Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63. 86  Zum Vorstehenden Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S.  41 (m. w. N.). 87  Martens, FS Fleck, 1988, S. 197 f. Siehe auch Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 61; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2204; Veil, Unternehmensverträge, S. 91; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63. Lawall, Virtuelle Holding, S. 154 ff. stuft beide Ansätze als dienlich ein, um sich der Erheblichkeit anzunähern, verweist aber gleichsam auf das Erfordernis der Einzelfallbetrachtung, das die Ansätze nicht schmälern könnten. 88  Vgl. Henze, BB 2000, 209, 210, der dieses Kriterium neben der Erheblichkeit nennt. Siehe auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 5; hinsichtlich

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

närsinteressen verwiesen, die betroffen seien, wenn Maßnahmen sich auf die Finanz-, Ertrags- oder Beschäftigungslage und somit die mittel- oder langfristige Unternehmensentwicklung in gewissem Umfang auswirkten.89 Außerdem soll der Vorstand gesamtzuständig sein, wenn die Maßnahme so bedeutend sei, dass sie über ein Ressort hinausgehe, mithin unternehmensweite Bedeutung habe, da die Konsequenzen für die Gesellschaft sowie die Gläubiger und Aktionäre besonders scharf sein könnten.90 Ein weiterer Ansatz bemisst die erhebliche Bedeutung qualitativ sowie quantitativ: Diese liege demnach vor, wenn die einzelne Maßnahme hinsichtlich des Risikos, also qualitativ, außergewöhnlich sei oder eine bestimmte Frage sich quantitativ so oder in ähnlicher Form häufe und dabei ein gewisses Risiko in sich trage, sodass eine Leitungsentscheidung im Sinne einer Grundentscheidung erforderlich sei.91 e) § 93 Abs. 1 AktG als Prüfmaßstab aa) Auslegung der Sorgfaltsnorm mithilfe betriebswirtschaftlicher Grundsätze Die wenigen Stimmen, die von dem geschilderten Meinungsstand abweichen, streben nur punktuelle Korrekturen an. Namentlich der anzulegende Bewertungsmaßstab ist ein anderer: So unterwirft Mielke die Frage der Deleder Führungsentscheidungen Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 578 f.; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 11; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 64. 89  Dazu Henze, BB 2000, 209, 210; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63 f., der den Zweck von Kollegialprinzip und Gesamtverantwortung heranzieht. Sinngemäß auch Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 64. Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 13 bestimmt damit den Begriff der Führungsentscheidungen, während er den Filter der Erheblichkeit ohne Anbindung an die Führungsfunktion ablehnt, Rn. 11, 25; siehe auch Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 578 f., wobei er hier augenscheinlich von einer Ergänzung der Führungsfunktion ausgeht, somit also doch eine Art Erheblichkeitsprüfung vornimmt. Siehe auch zur Erheblichkeit Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 5; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 11. Ähnlich Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 524, der auf einen Dreiklang aus verbandsinterner Funktionsfähigkeit, öffentlichem Interesse und Gläubigerschutz abstellt. Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 168 f. bemisst die Delegationsfrage von Compliance-Maßnahmen nach dem drohenden Schadenspotential. 90  Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63 f., der auch Krisen noch einmal besonders hervorhebt. Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, § 77 Rn. 16 relativiert die ressortübergreifende These auf das Szenario, dass die Frage nicht zwischen den betroffenen Ressorts geklärt werden kann. Siehe auch BGHSt 37, 106, 123 f. = BGH NJW 1990, 2560, 2565 („Lederspray“). 91  So zu steuerrechtlichen Leitungsentscheidungen Schrage, Aktienrechtliche Pflichten und Haftung, S. 219 f.



§ 4 Meinungsstand53

gation § 93 Abs. 1 S. 1 AktG und entscheidet über ihre Zulässigkeit anhand des aktienrechtlichen Sorgfaltsbegriffs. Von der herrschenden Meinung divergierende Ergebnisse produziert dieser Bewertungsmaßstab aber zunächst nicht, da die Kriterien der betriebswirtschaftlichen Typologie dennoch herangezogen werden sollen, um den Sorgfaltsbegriff auszufüllen. Deren Vorgaben seien das, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu beachten habe.92 Dieses Konzept soll über die inner-organschaftliche Delegation hinausreichen.93 Der Ansatz löst sich allerdings an einer Stelle entscheidend von der herrschenden Meinung: Die Bewertung der Delegation nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG verleiht dem Vorstand einen weiten Ermessensspielraum.94 Indem sich Mielke auf § 93 Abs. 1 S. 1 AktG stützt, verwirft er jedoch nicht die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule: Die heute in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG geregelte Privilegierung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Gesetz implementiert.95 Sie war ihrem Inhalt nach aber bereits vor ihrer gesetzlichen Fixierung anerkannt.96 Daher ist die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule bei konsequenter Lesart nicht ausgeschlossen. bb) Theorie der sorgfältigen unternehmerischen Entscheidung Seibt rekurriert ebenfalls auf die Sorgfaltsnorm des § 93 Abs. 1 AktG. Er erklärt die Delegation angesichts der Aufgabenfülle des Vorstands als Bedingung für sorgfältiges Handeln und darüber hinaus als unternehmerische Entscheidung nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG: Maßgebliches Einfallstor sei das Tatbestandsmerkmal „auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft“. Ein absolutes Delegationsverbot soll daher für keine Pflicht gelten, allenfalls der Umfang der Delegationsfähigkeit divergiere. Unter dieser Maßgabe nimmt Seibt die Delegation deutlich kleinteiliger in Augenschein als die übrigen Stellungnahmen. Qualitativ gelangt er dadurch jedoch nicht über eine Konkretisierung hinaus: Die Entscheidung im Sinne einer allumfassenden Überschrift soll aus sechs Phasen bestehen (Situationsanalyse und Zielvorgabe, Vorgaben zur Strukturierung des Entscheidungsprozesses, Entscheidungsvorbereitung, Entscheidung, Entscheidungsdurchführung, Zielerreichungskontrolle). In jeder Phase müsse der Vorstand Entscheidungen treffen. Die herrschende Dreiteilung der Aufgabe in VorbeVorstehenden Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 64 ff., 87 ff. Leitung der unverbundenen AG, S. 93 f. 94  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 72 ff. 95  Die gesetzliche Normierung erfolgte durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005, BGBl. I, S. 2802. 96  Statt aller BGHZ 135, 244, 253 = NJW 1997, 1926, 1927 f. („ARAG/Garmenbeck“). 92  Zum

93  Mielke,

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

reitung, Entscheidung und Ausführung lasse sich aber als Gewichtungsinstrument fruchtbar machen.97 Das gilt auch für die Einzelfallkriterien, mit denen Seibt die sachgerechte Entscheidungsebene zu bestimmen sucht. Inhaltlich können diese Kriterien als weitere Konkretisierung der Erheblichkeit eingestuft werden:98 Inhalt oder Sachgegenstand der Entscheidung, Bedeutung der Entscheidung, Komplexität der von der Entscheidungsfrage betroffenen Interessen, Umfang der Prognosespielräume und Zahl der Handlungsoptionen, fachlich-technische Kompliziertheit der Entscheidungsfrage, Geheimhaltungsbedürfnis bezüglich des Entscheidungsprozesses, verfügbarer Zeitraum für Entscheidungsfindung, Verfügbarkeit personeller und sachlicher Ressourcen für Willensbildung, Vermeidung von Interessenkonflikten, Unternehmenskultur.99 Seibt entwirft auch eine Hierarchie der Delegationsempfänger:100 An erster Stelle stehe die Wahrnehmung durch den Gesamtvorstand. Darauf sollen Vorstandsausschüsse, Vorstandsmitglieder oder Gremien folgen. Zuletzt nennt er nachgeordnete Führungsebenen und gesellschaftsexterne Delegationsempfänger. Bei der horizontalen Delegation bestehe bereits organschaftlich ein Berichts- und Kontrollsystem, zudem sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Entscheidungen einzelner Vorstandsmitglieder der allgemeinen Gesellschaftsausrichtung folgen. Gesellschaftsexterne Delegationsempfänger könnten aus Neutralitätsgesichtspunkten oder Gründen der Spezialisierung geeigneter sein. Nachgeordnete Führungskräfte seien Externen nur vorzuziehen, wenn nicht im Wege schuldrechtlicher Verträge ein Weisungsrecht entsprechend dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht vereinbart werden könne. Die 97  Dazu Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463 f., 1470 ff., 1473 ff., der die Differenzierung von Leitung und Geschäftsführung einerseits ablehnt und die Delegationsfrage mithilfe der Sorgfaltsnorm aufzulösen sucht, dem andererseits aber die letzte Konsequenz fehlt, da die Unterscheidung von Leitung und Geschäftsführung relevant sei hinsichtlich der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats. Außerdem Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 8. Dabei soll die Theorie auf alle Fragen des Vorstandshandelns anwendbar sein, auch auf die Unternehmensfinanzierung, vgl. Seibt, ZIP 2013, 1597, 1600. Mit einer relativen Bestimmung arbeiten auch Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600 im Rahmen der Compliance-Pflicht. Die Ausführungen (vgl. S. 1470 f.) machen überdies nicht ganz deutlich, ob die Kriterien für sämtliche Pflichten gelten sollen oder ob die gesetzlichen Pflichten ausgenommen sind. Das merkt auch Grabolle, Leitungsfunktion, S. 97 an. 98  So auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 519 f., der bemängelt, dass die Kriterien Seibts der herrschenden Meinung immanent seien. Siehe auch Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 18. Grabolle, Leitungsfunktion, S. 97 sieht den Vorstand durch die Kriterien eher in der Prüfung der Delegationsfähigkeit beschwert. 99  Siehe Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1476 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 8. 100  Zum Folgenden Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1479 f.



§ 4 Meinungsstand55

genaue Reichweite der Delegation an Dritte bleibt unklar: Einerseits soll der Gesamtvorstand einen Kernbereich wahrnehmen, andererseits soll die vertraglich hinreichende Absicherung einem aktiven Geschäftsleiterhandeln gleichstehen, wenn die Übertragung bewusst und auf einer angemessenen Informationsbasis erfolge.101 4. Punktuelle Stellungnahmen der aktienrechtlichen Rechtsprechung Die Rechtsprechungslandschaft ist im Vergleich zum breiten, wenn auch nicht in diesem Umfang kontroversen, Meinungsbild im Schrifttum recht karg.102 Die Entscheidungen, die einen Bezug zur Delegation aufweisen, geben überdies ein uneinheitliches Bild ab. Viel stärker als die Frage der Delegationsfähigkeit steht die Überwachungspflicht im Zentrum der Prüfung. So kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auf die Verletzung der Residualpflicht abgestellt wird, um einer Beurteilung der Delegationsfrage zu entfliehen. Dennoch lassen sich der Rechtsprechung einige inhaltliche Orientierungspunkte entnehmen, die in der Analyse auf den Prüfstand zu stellen sind: Der BGH stuft § 124 Abs. 3 S. 1 AktG als Leitungsaufgabe ein, die vom Gesamtvorstand wahrzunehmen sei. Selbst an ein einzelnes Vorstandsmitglied dürfe nicht delegiert werden. Das Gericht stellt einerseits auf die gesetzliche An101  Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1481. Wörtlich heißt es: „Dabei reicht das bewusste und auf einem angemessenen Informationsstand beruhende Gewährenlassen des unternehmensexternen Dritten aus. Denn ein solches bewusstes und auf einer angemessenen Informationsbasis beruhendes Gewährenlassen steht bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung einem aktiven Geschäftsleiterhandeln gleich; es ist gerade kein Verlust oder eine exklusive Übertragung der Leitungsaufgabe.“ Legte man seine Aussagen auf die Goldwaage, genügte schlicht die sorgfältige Überwachung und eines Übertragungsverbots oder einer Einschränkung bedürfte es nicht mehr. Da der unternehmensexterne Dritte auf der dritten Hierarchiestufe steht, muss diese Wertung erst recht für die übrigen Delegationsformen gelten. Inwieweit Seibt hier wirklich das Delegationsverbot aufbrechen will, bleibt aber fraglich, insbesondere deshalb, weil er letztlich am Leitungsbegriff festhält. Inhaltlich überzeugt die Einlassung Seibts ebenfalls nicht: Dort, wo Gesamtzuständigkeit besteht, soll auch der Gesamtvorstand tätig werden. Im Übrigen muss man Farbe bekennen und ein Delegationsverbot schlicht verneinen, bei gleichzeitiger Annahme einer Überwachungspflicht. 102  Im Rahmen der Analyse des Delegationsverbots wird auf die Problematik der Rechtsberatung zurückzukommen sein, die in der Rechtsprechung schon ausführlich behandelt wurde, aber keine Delegation in dem hier verstandenen Sinn darstellt (siehe § 6 I. 3. a) bb)). Siehe BGH ZIP 2011, 2097 ff. („ISION“); BGH NZG 2015, 792 ff. Siehe auch BGH NJW 2007, 2118, 2119 ff. zur Beratung, ob eine GmbH insolvenzreif ist. Gleichsam hat sich die Rechtsprechung zur Selbstbindung des Vorstands geäußert, siehe OLG München NZG 2013, 459 ff.; LG München I NZG 2012, 1152 ff.

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

ordnung ab und verweist auf § 121 Abs. 2 AktG, andererseits aber auch auf die Bedeutung der Regelung für die Aktionäre aufgrund ihres Informationscharakters.103 Das OLG München konstatiert ohne nähere Begründung, dass die Einrichtung des Aktienregisters nach § 67 AktG Aufgabe des Gesamtvorstands als Leitungsorgan sei.104 Ein klares Begründungsmuster fehlt.105 Die reichsgerichtliche Rechtsprechung erkannte die Delegationsproblematik auch ohne Leitungsbegriff und stufte in einem strafrechtlichen Sachverhalt die Pflicht zur Buchführung und Bilanzziehung als „öffentlich-rechtlich“ ein, da sie die Belange des Rechtsverkehrs, insbesondere des Kreditwesens, betroffen sah. Nach Auffassung des Gerichts konnte die Arbeitsteilung die Pflicht nicht beseitigen oder abschwächen.106 Die Anforderungen an eine sorgfaltsgemäße Überwachung umreißt die Rechtsprechung hingegen ungleich schärfer: Besonders prominent ist das Siemens/Neubürger-Urteil des Landgerichts München I, das in der Organhaftung aufgrund der Anforderungen, die das Gericht an das Vorstandsmitglied gestellt hat, einen beispiellosen Höhepunkt markiert. Das Urteil nimmt auch die Delegation in den Blick, schwerpunktmäßig statuiert es jedoch Anforderungen an die Überwachung. Grundsätzlich ist die Einrichtung eines Vorstandsausschusses („Zentralvorstand“) nach Auffassung des Gerichts unbedenklich, sofern die Zuständigkeiten klar geregelt seien. Die Delegation speziell von Compliance-Aufgaben stellt es nur insofern in Frage, als dass ein geeignetes Compliance-System vom Gesamtvorstand einzurichten sei und die Durchsetzung nicht auf Mitarbeiter delegiert werden dürfe. Im Übrigen prüft das Gericht eine Verletzung der Überwachungspflicht. Die sorgfaltsgemäße Überwachung soll Einflussrechte, insbesondere Weisungsrechte, 103  Siehe BGHZ 149, 158 ff. = BGH BB 2002, 165 ff. Während der BGH mit der Berufungsinstanz übereinstimme, siehe OLG Dresden NZG 1999, 1004, ging das LG Dresden in NZG 1999, 171, 172 von einer Geschäftsführungsmaßnahme aus, zog ­jedoch aus der Unterbesetzung Konsequenzen. BGH NZG 2002, 817 f. ließ dagegen zu, dass ein einzelnes Vorstandsmitglied wirksam Beschlussvorschläge unterbreitet, da der Vorstand in diesem konkreten Fall mit einem Mitglied ordnungsgemäß besetzt war. Gleichsam stellte der BGH auch hier fest, dass § 124 Abs. 3 S. 1 AktG vom Gesamtvorstand wahrzunehmen sei. So auch die Berufungsinstanz OLG Dresden NZG 2000, 426 ff. 104  OLG München NZG 2005, 756 ff. 105  OLG Hamm ZIP 1992, 1263 ff. musste in einer Entscheidung die ressortübergreifende Bedeutung der Darlehensgewährung prüfen, wobei das Gericht aber auf die konkrete Geschäftsordnung abstellen konnte, die detaillierte Regelungen zu dieser Frage enthalten hat. 106  RGSt 13, 235 ff. In einem früheren Urteil des Reichsgerichts zur Genossenschaft findet sich die Aussage, dass die Buchführung einem einzelnen Vorstandsmitglied aufgetragen werden könne. Auch die Bilanzerstellung sei übertragbar, der Vorstand sei bloß zur Veröffentlichung verpflichtet, siehe RGSt 12, 78 ff.



§ 4 Meinungsstand57

gegenüber den Mitarbeitern voraussetzen. Das Landgericht fordert diese Rechte sogar abteilungsübergreifend. Das Gericht hebt dabei die Informa­ tionspflicht des Vorstands hervor. Der Vorstand müsse auch darauf hinwirken, dass die Delegationsempfänger ihrerseits Eingriffsbefugnisse haben, um auf Fehlverhalten zu reagieren. Bei Unregelmäßigkeiten habe der Vorstand Maßnahmen zu ergreifen. Notfalls sei der Aufsichtsrat einzuschalten.107 Das LG Darmstadt, das die Delegation insbesondere im Hinblick auf die spezielle Datenverarbeitung als Ausdruck einer sorgfältigen Organisation anerkennt, obwohl es die Aufgabe gleichsam als einen wesentlichen Bereich identifiziert, sieht die Organfunktion hinreichend gewahrt, wenn der Vorstand die Aufgabenstellung vorgebe sowie vertraglich die Entscheidungskompetenz bewahre. Ob die Geschäftsführung faktisch beeinträchtigt ist, ist für das Landgericht dann unerheblich.108 Das LG Berlin stellt sich im Rahmen des § 91 Abs. 2 AktG einer Delegation ebenfalls nicht entgegen und sieht den Zweck des mehrgliedrigen Vorstands in der gegenseitigen Kontrolle.109 Das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. folgert zunächst aus § 77 AktG die Gesamtverantwortung für die Leitung der Gesellschaft. Das Gericht sieht den Zweck des mehrgliedrigen Vorstands sodann ebenfalls in der gegenseitigen Kontrolle. Die Überwachungspflicht soll sich danach richten, wie nah der Zuständigkeitsbereich des überwachenden Vorstandsmitglieds mit dem Bereich verbunden ist, der überwacht wird. Außerdem soll die Risikogeneigtheit relevant sein.110

III. Fazit Die Delegationsproblematik fußt auf einem breiten Meinungsstand. Dessen tatsächliches Streitpotential ist aber äußerst gering. So herrscht Einigkeit darüber, dass sich angesichts der Aufgabenfülle des Vorstands ein Delega­ tionsverbot nur auf Aufgabenausschnitte beziehen darf. Nach dem Delega­ tionsadressaten unterscheidet der juristische Diskurs dabei nur vereinzelt. Beleuchtet man sodann die einzelnen Positionen zum Delegationsverbot näher, lässt sich konstatieren, dass die Annäherung an die nicht delegierbaren Aufgabenausschnitte ebenfalls weitgehend einträchtig erfolgt: Zwar finden 107  LG

München I ZIP 2014, 570 ff. Nachstehenden LG Darmstadt ZIP 1986, 1389 ff. Die weiteren Instanzen, OLG Frankfurt a. M. AG 1988, 109 ff. und BGHZ 106, 54 ff. = BGH AG 1989, 89 ff., beschäftigten sich ausschließlich mit der Klagebefugnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder. Da beide Instanzen dies ablehnten, kam es nicht mehr zu einer Würdigung der Delegationsfrage. 109  LG Berlin AG 2002, 682 ff. 110  VG Frankfurt a. M. AG 2005, 264 ff. 108  Zum

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2. Teil: Grundzüge der Delegationsproblematik

sich durchaus unterschiedliche dogmatische Begründungen für das Delega­ tionsverbot. Außerdem wird die Anknüpfung an den Leitungsbegriff vereinzelt angefochten. Diese Streitpunkte bleiben aber ohne Auswirkungen, da die weiteren Abgrenzungskriterien zur Vermessung des Delegationsverbots die gleichen sind. Hinzu kommt, dass der juristische Diskurs keinen Meinungsstreit um diese Kriterien eröffnet, sondern sie ganz überwiegend einander ergänzend anwendet. Eine echte Weggabelung stellt im Ergebnis lediglich der anzulegende Bewertungsmaßstab dar: Bemisst man die Delegation nicht an § 76 Abs. 1 AktG, sondern an § 93 Abs. 1 AktG, dann gesteht man dem Vorstand damit auch eine Privilegierung durch die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu.

3. Teil

Analyse des Delegationsverbots § 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung I. Keine terminologische Abstufung Der vorstehend dargestellte Meinungsstand hat gezeigt, dass sich zur Delegationsproblematik eine nahezu einhellige Lösung entwickelt hat, die nur vereinzelt Widerspruch erfährt. Im Detail sind jedoch noch viele Fragen ungeklärt, die den Vorstand vor erhebliche Rechtsunsicherheiten stellen und der Diskussion bedürfen. Daher werden im Folgenden die nach hier vorliegender Einschätzung neuralgischen Punkte mit den Mitteln der juristischen Methodenlehre beleuchtet. Zu diesen neuralgischen Punkten zählt insbesondere die Verknüpfung der Delegation mit dem Leitungsbegriff. Sie stellt den Vorstand vor die diffizile Aufgabe, Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben voneinander abzugrenzen, um die Delegationsfähigkeit zu beurteilen. Zugleich führt diese Abgrenzung zu einer (Neu-)Begründung von sogenannten Leitungspflichten.1 Die Bedeutung von Leitung und Geschäftsführung und ihr Verhältnis zueinander sind somit aus Sicht des Vorstands essenziell. Der nachfolgende Abschnitt analysiert daher Leitung und Geschäftsführung im Pendelblick, um ihren Einfluss auf die Zulässigkeit der Delegation zu überprüfen. Ausgangspunkt der Analyse ist dabei das terminologische Verständnis von Leitung und Geschäftsführung. Vereinzelt findet sich die Deutung, dass sich die Begriffe bereits aufgrund ihres Wortlauts2 unterscheiden: Laut Kort ist Leitung verwandt mit dem Begriff Führung, aber während Geschäftsführung viel allgemeiner anmute, umfasse Leitung die Ausrichtung der Gesellschaft.3 Auch Wettich verweist auf den allgemeinen Sprachgebrauch und konstatiert, 1  Zum

Vorstehenden bereits § 1. zu den Kriterien der Auslegung, die in den §§ 5, 6 der vorliegenden Arbeit herangezogen werden, Larenz, Methodenlehre, S.  320 ff. 3  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 29; so auch ohne belastbare Begründung Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 98; Rohde/Geschwandtner, NZG 2005, 996. Siehe auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 37, wonach die Leitung im allgemeinen Sprachgebrauch als Richtungsweisung zu verstehen sei. Im vorliegenden Kontext soll darin die unternehmerische Zielsetzung zu sehen sein. 2  Siehe

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

dass die Leitung herausrage und von der Geschäftsführung divergiere.4 Eine derartige Bedeutungszuschreibung überzeugt jedoch nicht: Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch definiert sich Leitung als „Führung“5 und Geschäftsführung als „Leitung des Unternehmens“6. Unter dieser Maßgabe sind die Begriffe bedeutungsgleich.7 Die obigen Wortlautinterpretationen überschreiten somit das allgemeine Sprachverständnis. Eine rein terminologische Abstufung von Leitung und Geschäftsführung lässt sich also nicht begründen.

II. Systematische Annäherung 1. Begriffliche Zuordnung der §§ 76, 77, 78 AktG Aufgrund der limitierten Aussagekraft des Wortlauts untersucht der nachfolgende Abschnitt, ob sich aus dem Gesetz Hinweise entnehmen lassen, die das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung aufklären können. Will man sich diesem Verhältnis systematisch annähern, bedarf es zunächst einer begrifflichen Zuordnung. Das Aktiengesetz führt mit Leitung, Geschäftsführung und Vertretung drei unterschiedliche Begriffe auf, die bei kursorischem Blick allesamt die Führungsaufgabe des Vorstands beschreiben. Die Kompetenzen des Vorstands ergeben sich mithin aus einem Normendreiklang (§§ 76, 77, 78 AktG). Trotz dieser drei Führungsbegriffe ist für die Delegationsproblematik allenfalls das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung maßgeblich. Das ergibt sich aus der allgemeingültigen Definition des Geschäftsführungsbegriffs: Danach umfassen Geschäftsführungsmaßnahmen nämlich jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln des Vorstands.8 Das bezieht sich zunächst auf interne Maßnahmen: Der Vorstand fasst Beschlüsse, berichtet an den Aufsichtsrat, führt die Handelsbücher, legt nach § 119 Abs. 2 AktG der Hauptversammlung Fragen der Geschäftsführung zur Ent4  Wettich,

Vorstandsorganisation, S. 7. nach der Bedeutungsübersicht von Duden online, https://www.duden.de/ rechtschreibung/Leitung, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. 6  Bedeutungsübersicht von Duden online, https://www.duden.de/rechtschreibung/ Geschaeftsfuehrung, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. 7  Siehe etwa Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 737 f., der dem Wortlaut eine klärende Funktion zutreffend abspricht und die Differenzierung zwischen Leitung und Geschäftsführung nicht dem Gesetz entnimmt, sondern als Wertungsfrage einstuft. Außerdem Böttcher/Blasche, NZG 2006, 569. 8  Allg. M.; siehe etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 3; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 77 Rn. 3; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 2; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 6; Vedder, in: Grigoleit, § 77 Rn. 2; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 3; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 22 Rn. 1. 5  So



§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung61

scheidung vor oder gibt gemäß § 131 AktG Auskunft an die Hauptversammlung.9 Da die Geschäftsführung jegliches Handeln des Vorstands umfasst, gehört aber auch das Handeln mit Außenwirkung dazu.10 Geschäftsführung und Vertretung bedürfen somit keiner inhaltlichen Abgrenzung, da jede Vertretungshandlung immer auch eine Geschäftsführungsmaßnahme ist. Das Aktiengesetz in Form der §§ 77, 78 AktG differenziert lediglich die Wirksamkeitsanforderungen: Während § 77 AktG prüft, ob die Maßnahme im Innenverhältnis, also gegenüber der Gesellschaft, rechtmäßig oder rechts­ widrig ist (rechtliches Dürfen), stellt § 78 AktG sicher, dass das Handeln nach außen auch wirksam ist, der Vorstand also entsprechend handeln kann (rechtliches Können).11 Die weitere Analyse widmet sich daher ausschließlich Leitung und Geschäftsführung. 2. Zusammenspiel der §§ 76, 77 AktG a) Redaktionelle Einbettung der §§ 76 ff. AktG Dementsprechend sind die Regelungsgrundlagen von Leitung und Geschäftsführung, namentlich die §§ 76, 77 AktG, im Zusammenspiel zu betrachten. Auf rein formaler Ebene könnte die redaktionelle Einbettung der Kompetenzvorschriften erste Rückschlüsse erlauben: Der Abschnitt der §§ 76 ff. AktG ist mit „Vierter Teil. Verfassung der Aktiengesellschaft“ und „Erster Abschnitt. Vorstand“ überschrieben. § 76 AktG steht unter der Überschrift „Leitung der Aktiengesellschaft“. Die Vorschrift bildet somit die Spitze des Vorstandsorganisationsrechts. Aus den Überschriften und der „geografischen“ Verortung der Norm könnte daher ohne weiteres eine systematische Wertung dahingehend folgen, dass die Leitung gegenüber der Geschäftsführung herausragt.12 Dafür spricht zum einen, dass die Überschriften nicht nur „inoffizielle“ Bezeichnungen darstellen: Auch der Ge9  Mit einer Auflistung interner Maßnahmen Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 2, 4; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 3. 10  So etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 3; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 3; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 2; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 3; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 22 Rn. 1. Für das AktG von 1937 schon v. Godin/Wilhelmi, AktG 1937, S. 303; Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 71 Ziff. 4. 11  Statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 3: „keine unterschiedliche Zuordnung der jeweiligen Maßnahme“; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 6. Siehe auch bereits W. Schmidt, in: Großkomm. AktG, 1939, § 70 Anm. 3. 12  Davon geht ohne weitere Begründung Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 98 aus. Siehe auch Rohde/Geschwandtner, NZG 2005, 996 f.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

setzgeber hat mit den aus Textfassungen bekannten Überschriften gearbeitet.13 Zum anderen ist anerkannt, dass die räumliche Position einer Norm eine gesetzgeberische Wertung enthalten kann.14 Um sich auf die redak­ tionelle Einbettung stützen zu können, müsste diese jedoch eine eindeutige Interpretation zulassen. Das ist hier gerade nicht der Fall: Die Leitung an der Spitze der Kompetenzvorschriften kann mit gleicher Überzeugungskraft als gegenüber der Geschäftsführung herausragend und als Obergriff für Geschäftsführung und Vertretung eingestuft werden.15 Wäre die Leitung ein Oberbegriff, stellten Geschäftsführung und Vertretung jeweils ihre recht­ lichen Ausprägungen dar. Die redaktionelle Einbettung streitet somit weder eindeutig für die herausgehobene Stellung der Leitung noch die Theorie vom Oberbegriff. b) § 76 AktG als Organisationsnorm Richtet man nun den Blick von der formalen Konzeption der §§ 76, 77 AktG auf die inhaltliche Ausgestaltung der Vorschriften, dann zeigt die isolierte Betrachtung des § 76 AktG, dass die Norm absatzübergreifend lediglich organisationsrechtliche Anordnungen trifft: So definiert § 76 Abs. 1 AktG den Leitungsbegriff nicht.16 Der erste Absatz regelt vielmehr, dass der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten hat und beschreibt somit die Art und Weise, wie der Vorstand die Aktiengesellschaft lenken soll. Dabei sichert die Anordnung der Eigenverantwortlichkeit dem Vorstand eine von inneren und äußeren Einflüssen unabhängige Position gegenüber Hauptversammlung, Aufsichtsrat, Aktionären und Dritten zu. Er unterliegt keinen Weisungen und steuert die Gesellschaft mit Ermessen.17 Eine Differenzierung von Leitung und Geschäftsführung ist darin nicht zu sehen. Dieser Einschätzung könnte aber zu entgegnen sein, dass eine entsprechende Anordnung für die Geschäftsführung gänzlich fehlt. Nach der herrschenden Lesart würde die RegBegr in Kropff, AktG, S.  96 ff. JuS 2009, 289, 293. 15  Siehe dazu auch Lawall, Virtuelle Holding, S. 92. 16  Die Leitung daher als Generalklausel bezeichnend etwa Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 36 f., der zugleich darauf hinweist, dass ein Katalog von Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben nicht aufgestellt werden könne und lediglich eine Annäherung über Kriterien bleibe. 17  Vgl. zur Eigenverantwortlichkeit Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 25  ff., 28; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 41 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 9, 42 ff.; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 22. Vgl. etwa aus der Rechtsprechung LG München I NZG 2012, 1152, 1153 zur Selbstbindung des Vorstands. Der juristische Diskurs stellt sodann darauf ab, dass die übrigen Organe die Geschäftsführung nicht übernehmen dürfen. Insofern ist die Trennung von Leitung und Geschäftsführung durch die herrschende Ansicht nicht überzeugend. 13  Vgl.

14  Bitter/Rauhut,



§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung63

Eigenverantwortlichkeit für die Geschäftsführung somit nicht gelten.18 Unter dieser Maßgabe läge ein wesentlicher Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten vor. Das widerspricht jedoch dem aktienrechtlichen Organisationsgefüge: Der Aufsichtsrat ist gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG von der Geschäftsführung ausgeschlossen, für die Hauptversammlung folgt dies aus einem Umkehrschluss aus § 119 Abs. 2 AktG.19 Ist die Geschäftsführung also nur dem Vorstand zugewiesen, muss die Anordnung der Eigenverantwortlichkeit auch für die Geschäftsführung gelten, da schlicht kein anderes Organ handlungs- oder weisungsbefugt ist. Der Pendelblick zu § 77 AktG zeigt somit, dass die Eigenverantwortlichkeit nach § 76 Abs. 1 AktG ebenfalls zwingende Voraussetzung für die Geschäftsführung ist. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn man dem Tatbestandsmerkmal „Eigenverantwortlichkeit“ im Kontext des § 76 Abs. 1 AktG einen weitergehenden Regelungsinhalt als die (bloße) Weisungsfreiheit zuweist: Die Eigenverantwortlichkeit könnte die Leitung etwa dahingehend konturieren, dass sie nicht delegierbar ist. Somit wäre Eigenverantwortlichkeit mit Eigenhändigkeit gleichzusetzen. Dagegen spricht aber bereits der Wortlaut, der eine Verantwortlichkeit formuliert und keine Handlungsanweisung. Diese Verantwortlichkeit wird hinreichend durch die Überwachung gewahrt.20 Darüber hinaus fehlt der Eigenverantwortlichkeit das Differenzierungspotential. Das Delegationsverbot bezieht sich nach konsentierter Meinung nur auf Teilausschnitte. Diese Verengung kann der Eigenverantwortlichkeit nicht entnommen werden. Nicht zuletzt ist das Organisationsermessen, das auch durch Delegation ausgeübt werden kann, Ausdruck unabhängiger, eigenverantwortlicher Führung.21 Die Eigenverantwortlichkeit verleiht der Leitung somit keine herausgehobene Stellung.22 Anders als die Eigenverantwortlichkeit könnte aber das Tatbestandsmerkmal „Vorstand“ auf die zwingende Gesamtzuständigkeit hindeuten. Der Adres­ sat der Leitung wird in § 76 Abs. 2 S. 1 AktG näher konkretisiert: Demnach besteht der Vorstand aus einer oder mehreren Personen, mithin aus der Gesamtheit der bestellten Mitglieder. Der „Vorstand“ lässt sich unter dieser Maßgabe durchaus als Synonym für alle Vorstandsmitglieder verstehen. Der Seitenblick zu § 77 AktG zeigt jedoch, dass die Geschäftsführung 18  So Grabolle, Leitungsfunktion, S. 81, wobei die Leitung die Geschäftsführung sodann beschränke. Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 35 f. leitet die Geltung daraus ab, dass die Geschäftsführung die Leitung umsetze. Zur Geschäftsführung als Umsetzungsmittel noch IV. 1. 19  Siehe schon § 3 II. 1. 20  Dazu noch unter § 10. 21  Vgl. auch Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 69 f. 22  Siehe zur Eigenverantwortlichkeit noch einmal unter § 6 I. 1. c).

64

3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

dazu jedenfalls im Ausgangspunkt parallel läuft: Das Aktiengesetz ordnet gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich Gesamtgeschäftsführung an, sofern die Satzung nicht nach § 77 Abs. 1 S. 2 AktG davon abweicht. Der Gesamtvorstand als Regelungsadressat ist somit zunächst kein Spezifikum der Leitung, sondern findet in der Geschäftsführungsregelung Fortsetzung. Auch dieses Tatbestandsmerkmal scheidet Leitung und Geschäftsführung nicht. Nicht zuletzt verkörpern der Adressat wie auch die Anordnung der Eigenverantwortlichkeit dogmatisch das „Wie“ der Aufgabenerfüllung, nicht aber das „Ob“, also ob eine Leitungspflicht vorliegt. Die Frage, wer die Leitungspflicht erfüllt, darf sich erst dann stellen, wenn die Pflicht ermittelt ist.23 Eine Definition der Leitung über die weiteren Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 AktG überzeugt auch aus diesem Grund nicht. Ferner belegt der systematische Blick auf die Folgeabsätze des § 76 Abs. 1 AktG die organisationsrechtliche Funktion der Vorschrift. Die Folgeabsätze regeln, wie sich das Vorstandsorgan zusammensetzt, namentlich die Anzahl der Vorstandsmitglieder, spezielle Anforderungen an die Person sowie die Frauenquote. Daraus erwächst die berechtigte Frage, warum § 76 Abs. 1 AktG eine überragende Stellung haben sollte, wenn die Vorschrift im Übrigen lediglich Ordnungsvorschriften normiert. Das denkbare Argument, § 76 Abs. 1 AktG sei deshalb so wesentlich, weil die Folgeabsätze bloß Strukturregelungen beinhalten, verfängt nicht, da mit gleicher Überzeugungskraft in die andere Richtung argumentiert werden kann. § 76 AktG setzt somit organisationsrechtliche Standards. Eine inhaltliche Pflichtenbeschreibung derart, dass Leitungsaufgaben existieren und eine besondere Qualität aufweisen, folgt daraus nicht. c) Leitungspflicht vs. Geschäftsführungsbefugnis? Da die Regelungsinhalte der §§ 76, 77 AktG keine Differenzierung erlauben, soll die sprachliche Ausgestaltung der Vorschriften noch einmal näher betrachtet werden. Dabei fällt auf, dass die §§ 76, 77 AktG unterschiedlich ausformuliert sind. Nach § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand die Aktiengesellschaft zu leiten. Gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 AktG ist der Vorstand zur gemeinschaftlichen Geschäftsführung (nur) befugt. Aus dieser sprachlichen Divergenz leitet ein Teil des Schrifttums auch eine inhaltliche Divergenz 23  Abstrakte Begrifflichkeiten lassen sich auch über eine Rechtsfolgenbetrachtung konkretisieren, vgl. dazu Rack, CB 2015, 22 ff. und CB 2015, 61 ff. Diese Herangehensweise erweist sich für die vorliegende Problematik als untauglich: Die hier vorgenommene Bewertung von Leitung und Geschäftsführung ergibt, dass die Abgrenzung für die Delegationsfrage nicht ausschlaggebend ist. Siehe außerdem zur Definition des Leitungsbegriffs über die Rechtsfolgenseite noch § 5 II. 3.; § 6 I. d).



§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung65

zwischen Leitung und Geschäftsführung ab: Laut Wettich soll der Vorstand demzufolge zur eigenhändigen Leitung verpflichtet sein, die Geschäftsführung dürfe hingegen verteilt und delegiert werden.24 Hüffer konstatiert, dass der Vorstand eine Befugnis nicht ausüben müsse und sie daher auch delegieren könne.25 Da die Geschäftsführung nach dieser Lesart lediglich eine Befugnis wäre, die der Vorstand nicht ausüben müsste, könnte sie ohne weiteres auf Delegationsempfänger übertragen werden. Dieser Ansatz Hüffers, zwischen Befugnisausübung und Delegation zu unterscheiden, überzeugt schon deshalb nicht, da die Delegation eine Geschäftsführungsmaßnahme darstellt und der Vorstand demnach auch dann von seiner Befugnis Gebrauch macht, wenn er Aufgaben überträgt. Eine Trennung von Leitung und Geschäftsführung nach Pflicht und Befugnis geht überdies fehl, da der Vorstand aufgrund der Organisationsverfassung auch zur Geschäftsführung verpflichtet ist: Dieser These stehen zunächst Wortlaut und Regelungszweck des § 77 AktG entgegen, der die Ausübung der Geschäftsführungsbefugnis für den Fall regelt, dass der Vorstand aus mehreren Mitgliedern besteht. Die Vorschrift sichert die Stellung des einzelnen Vorstandsmitglieds im Gefüge des Gesamtvorstands, indem die Geschäftsführung grundsätzlich gemeinschaftlich erfolgt. Das einzelne Mitglied erhält somit ein Recht auf Mitwirkung.26 § 77 AktG übernimmt also im Ausgangspunkt eine reine Schutzfunktion. Bei strenger Lesart lässt sich aus der Gesetzesformulierung nicht einmal die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands als solche ableiten. Erst recht scheint dann keine Pflicht vorzuliegen. Die Geschäftsführungskompetenz ist aber allgemein anerkannt.27 Und auch eine Pflicht zur Geschäftsführung folgt aus der Organisationsverfassung: Verpflichtete das Gesetz nicht den Vorstand zur Geschäftsführung, so wäre formal kein anderes Organ dazu aufgefordert. Sowohl Aufsichtsrat als auch Hauptversammlung ist es – von wenigen Modifikationen abgesehen – nach der Organisationsverfassung untersagt, Geschäftsführungsmaßnahmen wahrzunehmen.28 Faktisch legte die vermeintliche „Gesetzeslücke“ die Aktiengesellschaft still. Das gilt nicht „nur“ für das alltägliche Tagesgeschäft der Aktiengesellschaft, sondern definitionsgemäß für jedes rechtliche und tatsächliche Handeln.29 24  Wettich,

Vorstandsorganisation, S. 7. in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap. Rn. 27. 26  Siehe noch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung § 6 I. 1. b) aa). 27  Statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 1; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 1. 28  Siehe bereits § 3 II. 1. Außerdem § 6 I. 4. 29  In diese Richtung aber Wettich, Vorstandsorganisation, S. 7, wonach das Tagesgeschäft nicht der Delegationsschranke unterliege; vgl. auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 29, 36a; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 98, der von „Alltagstätigkeiten 25  Hüffer,

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Dem stellt sich Kort entgegen: Zwar gesteht er zu, dass allein der Vorstand die Geschäfte führe, sodass der Geschäftsführungsbegriff ausreichend abgrenze; er beharrt aber dennoch auf dem Leitungsbegriff, da dieser ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen und Vorstandszuständigkeit trenne. Die Kompetenz der Hauptversammlung, über wesentliche Richtungsfragen zu entscheiden, finde dort ihre Grenze, wo wirtschaftliche Belange zur Debatte stünden; hier sei der Leitungsbereich betroffen, nicht der „mitgliedschaftliche Bereich der Gesellschafter“, sodass der Vorstand zuständig sei.30 Das Kriterium der wirtschaftlichen Belange überzeugt schon deshalb nicht, weil Geschäftsführungsmaßnahmen, die Aufsichtsrat oder Hauptversammlung beteiligen, wohl immer wirtschaftliche Prägung haben. Darüber hinaus handelt es sich um ein äußerst unbestimmtes Kriterium. Eine sinnvolle Abgrenzung erscheint nur schwer möglich. Die Feststellung, dass die übrigen Organe von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, gilt zudem auch für die Sonderfälle, die ihnen gesteigerten Einfluss auf Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands zusichern. Das Gesetz sowie ungeschriebene Zuständigkeiten verleihen den Organen keine originäre Geschäftsführungs­ befugnis. Diese verbleibt beim Vorstand. Aufsichtsrat und Hauptversammlung können lediglich die Ausführung beschränken oder verhindern.31 Somit bleibt die Geschäftsführung trotz verschiedener Einflussrechte der Organe die alleinige Kompetenz des Vorstands. Daher muss die Geschäftsführung auch eine Pflicht des Vorstands sein. Dass die Ausübung der Geschäftsführung mehr als nur eine Befugnis verkörpert, belegt das Aktiengesetz im Übrigen auch mit den Vorschriften, die bei sorgfaltswidrigem Verhalten des Vorstands einschlägig sind: Sowohl die Abberufung gemäß § 84 Abs. 3 S. 1 AktG als auch die Pflichtverletzung und daraus folgend die Schadensersatzpflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG rekurrieren auf die Geschäftsführung. Das sorgfaltsgemäße Verhalten des Vorstands wird somit anhand des Geschäftsführungsbegriffs bemessen, nicht anhand des Leitungsbegriffs. Im Ergebnis dividieren die sprachlichen Unterschiede der §§ 76, 77 AktG Leitung und Geschäftsführung daher nicht auseinander.32 im Sinne umfassender Geschäftsbesorgung (Geschäftsführung)“ spricht. Zur Definition § 5 II. 1. 30  Zum Vorstehenden Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 30 f. 31  Siehe bereits § 3 II. 1. 32  Ausgehend von der Leitung als Oberbegriff für Geschäftsführung und Vertretung soll nach teilweiser Auffassung die Berechtigung zur Geschäftsführung § 77 AktG und die Pflicht zur Geschäftsführung § 76 AktG zu entnehmen sein. So Semler, ZGR 1983, 1, 11 f. Das überzeugt nicht: Diese Spaltung von Pflicht und Befugnis lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten und wirkt überdies künstlich. Diese Auffassung zieht letztlich aber keine weiteren Konsequenzen nach sich. Rohde/Geschwandt-



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d) Inhaltliche Verknüpfung der Normen Ist die Geschäftsführung somit ebenfalls eine Pflicht des Vorstands, sollte neben § 76 Abs. 1 AktG auch die Regelung des § 77 AktG in den Fokus der Analyse rücken. Dabei wird erkennbar, dass die Funktion des § 77 Abs. 1 S. 1 AktG regelmäßig falsch bewertet wird. Das Gesetz zieht keinen Schutzwall um die Leitungsnorm. Im Gegenteil: Die Geschäftsführung knüpft unmittelbar daran an. Besonders aufschlussreich ist es, § 76 Abs. 1 AktG und § 77 Abs. 1 S. 1 AktG zusammen zu lesen: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten (§ 76 Abs. 1 AktG). Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt (§ 77 Abs. 1 S. 1 AktG).“33 Liest man die beiden Vorschriften als zusammengehörigen Text, so bilden sie auch inhaltlich eine Einheit.34 Während § 76 AktG die Kompetenzordnung jedoch symbolisch vermittelt, beinhaltet erst § 77 AktG eine rechtlich fassbare Aussage. Die Geschäftsführung konkretisiert somit die Zuweisung der Steuerungsverantwortung. Dagegen wird vereinzelt vorgebracht, dass der Gesetzgeber die Vorschrift anders formuliert hätte, wenn Geschäftsführung und Leitung deckungsgleich wären.35 Gerade die Formulierungen des Gesetzgebers streiten aber nicht für die herrschende Meinung.36 Die Regelungssituation lässt überdies den gegenteiligen Schluss zu: Der Gesetzgeber hätte die Leitung stärker hervorgehoben, wenn er sie von der Geschäftsführung hätte abgrenzen wollen. Im Ergebnis schreibt § 77 AktG die organisa­ tionsrechtlichen Anordnungen des § 76 AktG fort und stellt somit eine gleichwertige Regelung dar.

ner, NZG 2005, 996, 997 folgern aus den §§ 76 ff. AktG, dass die Befugnis zur Geschäftsführung nicht aus § 77 AktG entspringe, sondern aus § 76 Abs. 1 AktG. § 77 AktG regele nur das „Wie“. Die Konsequenzen, die sie daraus ziehen, bleiben jedoch unklar. 33  Die Kombination der Normen ähnelt der Fassung des § 70 AktG 1937, wonach die Leitungsanordnung in Abs. 1 erfolgt, in Abs. 2 sodann die Zusammensetzung geregelt ist. Lediglich der Geschäftsführungsbegriff taucht in der Fassung von 1937 überhaupt nicht auf, wird aber von Gesetzgeber und Schrifttum impliziert, und schließlich in § 95 Abs. 1 AktG 1937 explizit genannt (dazu noch in den Entwicklungslinien von Leitung und Geschäftsführung unter III.). 34  Vgl. auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 81, die von „Ergänzung“ spricht. 35  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 36; so auch Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 28. 36  Siehe auch noch III.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

e) Einzelgeschäftsführung unter Berücksichtigung aktienrechtlicher Schutzmechanismen Leitung und Geschäftsführung könnten trotz ihrer gleichwertigen Regelungsgrundlagen auseinanderfallen, da § 77 Abs. 1 S. 1 AktG eine dispositive Norm ist. Gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 AktG bestehen verschiedene Möglichkeiten, von der Gesamtgeschäftsführung abzuweichen.37 Unterstellt man dem Gesetzgeber einmal, dass die Gesamtgeschäftsführung nicht die von ihm gewollte Organisationsform ist und er durch die dispositive Regelung den „Ausnahmefall“ zum Regelfall macht, dann würde der Leitungsbegriff den Ausschnitt markieren, der einer Delegation nicht zugänglich ist, und somit seine herausgehobene Stellung begründen.38 Dieses Verständnis ignoriert jedoch die vom Aktiengesetz installierten Schutzmechanismen, die verhindern, dass mit der Delegation keine unkontrollierbaren Folgewirkungen einhergehen:39 Die gemeinschaftliche Geschäftsführung ist zunächst gesetz37  Zur Möglichkeit, von der Gesamtgeschäftsführung abzuweichen, ausführlich Heller, Unternehmensführung, S.  8 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 10 ff. Mit einer Aufzählung, wie die Aufgabenwahrnehmung gestaltet werden kann, Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 10; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 24 ff. 38  Unklar äußert sich Lawall, Virtuelle Holding, S. 92 f., wonach § 77 Abs. 1 S. 1 AktG für die Theorie vom Oberbegriff streiten könnte: Die Leitung könne kein Teil der Geschäftsführung sein, da sie anders als die Geschäftsführung nicht delegierbar sei. Letztlich schließt er sich aufgrund der Weite des Geschäftsführungsbegriffs aber dem herausgehobenen Leitungsbegriff an. Die Ausführungen zum Oberbegriff verfangen jedenfalls nicht, da die Theorie vom Oberbegriff Leitung und Geschäftsführung nicht derart auseinanderdividiert. 39  Das gilt auch für das Mehrheitsprinzip, da nach § 77 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 AktG nicht gegen die Mehrheit entschieden werden darf. Ein Alleinentscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzenden gegen die Mehrheit, wie es § 70 Abs. 2 S. 1 AktG 1937 normierte, wäre nach heutiger Rechtslage nicht möglich; der Vorsitzende kann lediglich einen Stichentscheid herbeiführen, dazu RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 746; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 4, 15 f. Das Gesetz schützt das einzelne Vorstandsmitglied hinreichend dadurch, dass jeder an der Entscheidung beteiligt wird, dazu Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 508; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 66. Die Einstimmigkeit würde im Übrigen die Entscheidungsfindung lähmen, da bereits ein Vorstandsmitglied die Entscheidungsfindung blockieren könnte und ihm letztlich die Deutungsmacht übertragen wäre. Dies würde das Vorstandsermessen konterkarieren. Zu den Vorteilen des Mehrheitsprinzips siehe auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 20; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 12. Das Vorstandsmitglied bleibt nicht ohne Schutz: Sollte es die Entscheidung des Gesamtvorstands als rechtswidrig oder inhaltlich falsch erachten, kann es diesen Bedenken Gehör verschaffen und letztlich den Aufsichtsrat einschalten, Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 22; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 173 ff.; siehe noch § 10 III. Das Mehrheitsprinzip ist zudem üblich im gesamten Gesellschaftsrecht (vgl. § 709 Abs. 2 BGB; § 119 Abs. 2 HGB; § 47 Abs. 1 GmbHG). Ob aufgrund der aktienrechtlichen Organisationsstruktur ein Unterschied



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liche Ausgangslage. § 77 Abs. 1 S. 2 AktG verleiht dem Vorstand die Befugnis, davon abzuweichen. Schon aus Kapazitätsgründen wird der Vorstand davon Gebrauch machen.40 Die einzelnen Vorstandsmitglieder sind dabei hinreichend geschützt: Die Geschäftsordnungsregelung muss einstimmig erfolgen (§ 77 Abs. 2 S. 3 AktG). Änderungen oder eine Aufhebung bedürfen ebenfalls wieder der Zustimmung aller Vorstandsmitglieder.41 Solche Entscheidungen ergehen also nicht willkürlich über den Willen des einzelnen Vorstandsmitglieds hinaus. Das Gesetz hat zudem Aufsichtsrat und Hauptversammlung mit Regelungskompetenzen ausgestattet, sodass der Delegation weitere Kontrollebenen zugrunde liegen: Der Aufsichtsrat kann eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen und darin Regelungen zur Aufgabenverteilung aufstellen. Diese Geschäftsordnung hat gegenüber derjenigen des Vorstands Vorrang (§ 77 Abs. 2 S. 1 AktG). Die Hauptversammlung kann im Rahmen einer Satzungsregelung tätig werden (§ 77 Abs. 2 S. 2 AktG). Wird die gemeinschaftliche Geschäftsführung durch eine Satzungsregelung abbedungen, geht dieser ein Hauptversammlungsbeschluss voraus, der gemäß § 179 Abs. 1, 2 AktG einer Dreiviertelmehrheit bedarf. Es handelt sich mithin nicht um eine leichtfertige „Kompetenzabschneidung“. Die Dreiviertelmehrheit ist eine außerordentlich hohe Hürde. Die Regelungsgrundlagen der Delegation entfalten also hinreichende Schutzwirkungen.42 Neben dem Schutz durch die Regelungsgrundlagen der Delegation gelten außerdem ungeschriebene Prinzipien, die den Vorstandsmitgliedern hinreichende Rechte zusichern, namentlich das Kollegialprinzip und der Gleichberechtigungsgrundsatz.43 Hinzu kommt die Überwachungspflicht, die den zu anderen Gesellschaftsformen – hier in Form des exklusiven Leitungsbegriffs – angebracht ist, erscheint zweifelhaft. Zwar fallen Vorstands- und Aktionärsstellung auseinander, während die Gesellschafter der übrigen Gesellschaftsformen regelmäßig, aber nicht zwingend, Geschäftsführer sind. Zum Ausgleich wirkt jedoch der Aufsichtsrat kontrollierend; diesen bestellt die Hauptversammlung. Die Organisationsstruktur schützt also die Aktiengesellschaft durch eine Kontrollkette. 40  Dabei scheint das Gesetz bei strenger Lesart nur auf die Einstimmigkeit abzustellen, da auch nur diesbezüglich Schranken gesetzt werden. In der Tat ist die gesetzliche Ausgestaltung ungenau. Dass der Vorstand darauf rekurrierend eine Einzelgeschäftsführung statuieren kann, ist jedoch allgemein anerkannt und wie bereits festgestellt zwingend erforderlich. Hier sollte aber de lege ferenda Klarheit geschaffen werden. Das gilt auch für die weiteren Delegationsformen (siehe noch § 12). 41  Das neu eintretende Vorstandsmitglied ist jedoch an die bestehende Geschäftsführung gebunden, siehe etwa Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 73, 75, 77. Zur Geschäftsordnung siehe noch § 7 II. 42  Zu den Regelungsgrundlagen noch ausführlich § 7. 43  Zu diesem Zusammenspiel etwa Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 746; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 514 f. Faktisch wird die Gleichstellung aller Vorstandsmitglieder allerdings bezweifelt, statt aller Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497,

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Vorstand im Anschluss an die Delegation trifft.44 Das Gesetz hat also verschiedene Sicherheitsnetze ausgeworfen. Die Abweichungsmöglichkeit des § 77 Abs. 1 S. 2 AktG rechtfertigt das Verlangen der herrschenden Meinung nach einem rechtlich selbständigen Leitungsbegriff daher nicht. 3. Gesetzlicher Pflichtenstamm des Vorstands a) „Vorstand“ kein leitungsidentifizierendes Tatbestandsmerkmal Da das im vorstehenden Abschnitt beleuchtete Zusammenspiel der §§ 76, 77 AktG die Bedeutung des Geschäftsführungsbegriffs stärkt und somit dem herrschenden Verständnis zuwider läuft, weitet der nachfolgende Abschnitt die Analyse auf den gesamten gesetzlichen Pflichtenstamm des Vorstands45 aus, der ein noch dichteres Bild der Vorstandstätigkeit zeichnet. Im Rahmen dessen wird sodann der Gedanke wiederbelebt, dem Normadressaten eine eigene Identifikationskraft zukommen zu lassen,46 sodass sämtliche Pflichten, die sich an „den Vorstand“ richten, Leitungspflichten sein sollen.47 Dieser Ansatz scheitert jedoch an seinen inkonsistenten Ergebnissen.48 Zunächst streitet die Adressierung einzelner Vorstandsmitglieder nicht dafür, dass die übrigen Pflichten vom Gesamtvorstand wahrzunehmen sind. Die Normen regeln teilweise höchstpersönliche Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder, die nicht in den Bereich der Geschäftsführung (oder Leitung) fallen. So haftet das Vorstandsmitglied nach § 93 AktG individuell und nicht im Sinne einer Gruppenhaftung; es kann auch nur individuell gegen das Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG verstoßen. Gleiches gilt für die Anordnung des § 401 AktG, der die Strafbarkeit bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit regelt.49 Die aufgezählten Normen fallen somit nicht unter die Kompetenznormen und sind daher ungeeignet, um einen Umkehrschluss zu tragen. 514 f. Die genauen Hintergründe sollen im Rahmen des Delegationsverbots analysiert werden, § 6 I. 1. b) aa). 44  Ausführlich noch unter § 10. 45  Siehe dazu die Aufzählung im Meinungsstand unter § 4 II. 3. a). 46  Dieser Ansatz wurde schon unter 2. b) erläutert. 47  Siehe dazu § 4 II. 3. a). 48  So auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 156 f., 158 f. 49  Beispiel bei Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 57, der die Unbeständigkeit des Gesetzes im Wechselspiel sieht von § 92 Abs. 1 AktG, der den „Vorstand“ adressiert, und § 401 AktG, der die Strafbarkeit des einzelnen Vorstandsmitglieds bei Verstoß gegen § 92 Abs. 1 AktG regelt. Hier handelt es sich jedoch inhaltlich um eine Vorschrift, die nur das einzelne Vorstandsmitglied ganz individuell zur Verantwortung ziehen kann.



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Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Präzisierung, dass der Gesamtvorstand zuständig sein soll, unmissverständlich vorgenommen, wenn er sie für nötig gehalten hat. § 36 Abs. 1 AktG verlangt ausdrücklich, dass neben allen Gründern auch „alle Mitglieder des Vorstands“ (und alle Mitglieder des Aufsichtsrats) die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden haben. Hingegen soll der „Vorstand“ Satzungsänderungen sowie Kapitalmaßnahmen anmelden.50 Will man das Schicksal von Leitung und Delegation verknüpfen, so muss auch die herrschende Meinung zugeben, dass der ausdrückliche Verweis auf alle Mitglieder ein Delegationsverbot impliziert, nicht aber das Tatbestandsmerkmal „Vorstand“. Zum Teil verpflichten Vorschriften, beispielhaft etwa die §§ 98 Abs. 2, 195 Abs. 1, 223 AktG, „den Vorstand“ und „den Aufsichtsratsvorsitzenden“. Einerseits könnte dies darauf hindeuten, dass der Gesamtvorstand handeln muss, da für den Aufsichtsrat die Eingrenzung explizit vorgenommen wird. Andererseits stützt das Argument auch die Feststellung, dass das Gesetz keine verlässlichen Regelungen trifft.51 Nicht zuletzt handelt es sich bei der Eingrenzung auf den Aufsichtsratsvorsitzenden um eine aufsichtsratsspezifische Einlassung, wie etwa auch in den §§ 90 Abs. 1 S. 3, Abs. 5, 107 Abs. 2, 109 Abs. 2, 110 Abs. 1 AktG, die mit der teils rechtlich, teils faktisch exponierten Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden zusammenhängt.52 § 80 Abs. 1 AktG als Publizitätsvorschrift rekurriert sodann einerseits auf alle Vorstandsmitglieder und andererseits auf den Aufsichtsratsvorsitzenden.53 Der Gesetzgeber zeigt auch auf, wann in jedem Fall nur ein Vorstandsmitglied handeln muss: § 85 Abs. 1 AktG bezieht sich auf die Situation, dass ein erforderliches Vorstandsmitglied fehlt. Die Bestellung kann auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht erfolgen. Laut Dose soll auch hier eine Mindestzuständigkeit angenommen werden, da es um die Zusammensetzung eines Organs gehe.54 Das deckt sich nicht mit dem Wortlaut. Es würde auch dem Dringlichkeitserfordernis widersprechen, das die Vorschrift impliziert.55

50  Zum Vorstehenden Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 57. Siehe auch Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 58 (Fn. 79) noch zu § 44 Abs. 1 S. 1 AktG a. F., der explizit alle Vorstandsmitglieder adressiert. 51  Zum Vorstehenden Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 56 f. mit weiteren Beispielen. Siehe auch Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 58 f., der im Adressaten ebenfalls kein zwingendes Kriterium sieht, das über die Delegationsfrage entscheidet. 52  Vgl. dazu Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 39 f. Zum neuralgischen Punkt der Kapitalmarktkommunikation siehe noch § 6 I. 4 a). 53  Siehe dazu Koch, in: Hüffer/Koch, § 80 Rn. 1 ff. 54  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 61 (Fn. 98). 55  Zu den Voraussetzungen siehe Koch, in: Hüffer/Koch, § 85 Rn. 2 ff.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Der juristische Diskurs zieht darüber hinaus weitere Kriterien in die Überlegung ein, ob eine Leitungsaufgabe vorliegt und bemisst dies nicht allein am Adressaten. Beispielhaft zu nennen ist die Pflicht des § 124 Abs. 3 AktG, zu jedem Gegenstand der Tagesordnung Beschlussvorschläge zu machen. Darin liegt laut BGH eine Leitungsaufgabe, da ihre Bedeutung hoch sei und die Norm den Gesamtvorstand adressiere.56 Der BGH bezieht sich explizit auf die Bedeutung der Norm, sodass der Adressat als Definitionsmerkmal der Leitungspflichten zweifelhaft ist. Ferner mangelt es dem Ansatz an Konsequenz. Die Führung des Aktienregisters nach § 67 AktG soll nach überwiegender Ansicht eine Leitungspflicht sein.57 Diese Auslegung ist nicht selbstverständlich, wenn man auf die vorangegangenen Ausführungen blickt. Die Vorschrift adressiert weder den Gesamtvorstand noch befindet sie sich überhaupt in seinem Kompetenzkatalog. Laut Kort legt sich die Kommentarliteratur auch mitnichten auf eine Leitungsaufgabe fest, sie verweise nur auf den Vorstand und zitiere gleichsam § 76 AktG. Den Verweis habe das OLG München58 aber schlicht so gedeutet, dass § 67 AktG auch unter den Leitungsbegriff falle. Dennoch sei § 67 AktG wesentlicher Bestandteil der Unternehmensführung und daher Leitungspflicht.59 Wiederum spielt zumindest im Schrifttum die Bedeutung der Aufgabe eine Rolle. Das Beispiel zeigt, dass der Gesamtvorstand als Adressat höchstens ein erstes Indiz sein kann, darüber hinaus aber nicht als definierendes Tatbestandsmerkmal fungiert. Entscheidend sind andere Kriterien, etwa die Bedeutung der betroffenen Aufgabe.60 Auch die §§ 131 Abs. 1 S. 1, 170 AktG belegen die Inkonsistenz des Ansatzes: § 131 Abs. 1 S. 1 AktG erlegt dem Vorstand eine Auskunftspflicht auf. Die Auskunft wird als Geschäftsführungsmaßnahme eingestuft und darf delegiert werden,61 obwohl die Norm ebenfalls den Vorstand adressiert. 56  Siehe

BGHZ 149, 158 ff. = BGH BB 2002, 165 ff. München NZG 2005, 756, 757; statt aller Bayer, GS M. Winter, 2011, S. 9, 14 (Fn. 35); Bayer, in: Münch. Komm. AktG, § 67 Rn. 15; Bürgers, in: Bürgers/ Körber, § 76 Rn. 9; Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, § 67 Rn. 2; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 67 Rn. 5; Kort, NZG 2005, 963 f.; Lutter/Drygala, in: Kölner Komm. AktG, § 67 Rn. 9; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 16; a. A. ausdrücklich Harnos, in: DSRI-Tagungsband 2015, S. 265, 267 ff., wonach eine bloße Geschäftsführungsmaßnahme vorliege. So wohl auch Merkt, in: Großkomm. AktG, § 67 Rn. 36, der von einer Maßnahme der Geschäftsführung spricht. 58  OLG München NZG 2005, 756, 757. 59  Zum Vorstehenden Kort, NZG 2005, 963 f. 60  Dazu noch § 8. 61  Siehe zur Einstufung als Geschäftsführungsmaßnahme Koch, in: Hüffer/Koch, § 131 Rn. 8. Zur Delegation ausführlich Moser, NZG 2017, 1419, 1421 f.: Die Auskunfterteilung richte sich regelmäßig nach der Geschäftsverteilung, sodass das jeweils zuständige Vorstandsmitglied und der Vorstandsvorsitzende der Frage des Aktionärs 57  OLG



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Gleiches gilt für § 170 AktG: Gemäß § 170 Abs. 1 S. 1 AktG hat der Vorstand den Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach ihrer Aufstellung dem Aufsichtsrat vorzulegen. Nach § 170 Abs. 2 S. 1 AktG hat der Vorstand dem Aufsichtsrat den Vorschlag vorzulegen, den er der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns machen will. Beide Pflichten treffen den „Vorstand“. Dennoch geht das Schrifttum davon aus, dass diese Aufgaben Geschäftsführungsmaßnahmen darstellen und mithin delegiert werden dürfen.62 Der Einwand, es handle sich gerade nicht um eine Leitungspflicht, verfängt nicht. Das Schrifttum argumentiert insofern inhaltlich. Vorliegend ist jedoch zu klären, ob das Tatbestandsmerkmal „Vorstand“ bereits eine eigenständige Aussage trifft. Die Pflicht zur Aufstellung gemäß § 264 Abs. 1 HGB, § 170 Abs. 1 AktG ist ebenfalls eine Geschäftsführungsmaßnahme.63 Eine klare Zuständigkeitsanweisung findet sich hingegen in § 172 Abs. 1 AktG: Hier verlangt das Gesetz einen Beschluss des Vorstands. Vorstandsbeschlüsse fasst das Plenum. Die Norm ordnet somit unmissverständlich eine Gesamtzuständigkeit an,64 die nicht aus dem Tatbestandsmerkmal „Vorstand“, sondern aus dem weiteren Norminhalt folgt. Im Ergebnis kommt dem Tatbestandsmerkmal „Vorstand“ somit keine Identifikationskraft zu.

antworten würden. Die überwachungspflichtigen Vorstandsmitglieder seien auch hier angehalten, die Antwort zu überwachen und gegebenenfalls zu intervenieren. Die Auskunftverweigerung könne aufgrund ihrer Folgewirkungen einen Beschluss des Gesamtvorstands erfordern. Nach Auffassung Mosers soll der legitimierende Dele­ gationsbeschluss vor der Hauptversammlung erfolgen. Andere sehen im konkludenten Verhalten in der Hauptversammlung, namentlich in dem Nichteingreifen der übrigen Vorstandsmitglieder, einen hinreichenden Beschluss, siehe etwa Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 131 Rn. 17 (m. w. N.). Der zweiten Ansicht ist zu folgen. Die Situation der Hauptversammlung ist hinsichtlich der einzelnen Fragen nicht berechenbar. Daher sollten Auskünfte möglichst flexibel erteilt werden können. 62  Koch, in: Hüffer/Koch, § 170 Rn. 3: Selbst bei Gesamtgeschäftsführung sei die Vorlage durch den Vorstandsvorsitzenden oder das zuständige Vorstandsmitglied zulässig. Laut Hennrichs/Pöschke, in: Münch. Komm. AktG, § 170 Rn. 30 f. sind die Vorlage und auch der Vorlagevorgang zu beschließen, wobei der Vorlagevorgang regelmäßig in der Vorlage enthalten sei. Die Zuleitung müsse nicht durch den Gesamtvorstand erfolgen. Allerdings normiert die Vorschrift gerade die Zuleitung, sodass dieser Standpunkt nicht überzeugt. Eine andere Ansicht vertritt Grabolle, Leitungsfunktion, S. 127, wonach die Feststellung den Bestand der Gesellschaft betreffe und die Vorlage eben dieser Feststellung diene. 63  Hennrichs/Pöschke, in: Münch. Komm. AktG, § 172 Rn. 13. 64  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 59 ff.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 50.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

b) Fehlende inhaltliche Klammerwirkung der Pflichten aa) Pflichten im Spiegel ihrer Schutzzwecke Eine weitere Ansicht entnimmt hingegen den Regelungszwecken und -inhalten der Vorstandspflichten übergeordnete Kriterien, die eine Klammerwirkung entfalten und in der Folge Leitungsaufgaben herausfiltern sollen: Namentlich seien Leitungsaufgaben solche, die der verbandsinternen Funktionsfähigkeit dienten, dem Vorstand im öffentlichen Interesse aufgegeben seien oder vornehmlich Gläubigerinteressen sichern würden.65 In der Tat stellt ein wesentlicher Teil der Pflichten, die den Vorstand treffen, sicher, dass das Organisationsgefüge gewahrt und letztlich die Gesellschaft funktionsfähig bleibt. Der Gesetzgeber implementiert letztlich ein System der „checks and balances“. Zur Organisation gehören unmittelbar die Kompetenzen der verschiedenen Organe: Der Vorstand ist beispielsweise verpflichtet, Hauptversammlungsbeschlüsse vorzubereiten und durchzuführen sowie Verträge vorzubereiten und abzuschließen, denen die Hauptversammlung zustimmen muss. § 83 AktG ist also die Norm, die die Kompetenzen der Hauptversammlung – insbesondere § 119 AktG – schützt.66 Dadurch, dass der Gesetzgeber die Geschicke der Gesellschaft fast ausschließlich in die Hände des Vorstands legt, bedarf es zudem einer Kontrollinstanz, die Maß hält und das Interesse der Gesellschaft wahrt. Der Aufsichtsrat ist dazu berufenes Organ und gleichsam geeigneter als die Vielzahl an anonymen Aktionären. Das Gesetz gesteht ihm daher wirksame Handlungsinstrumente zu: Die Berichte, die der Vorstand gemäß § 90 AktG zu erbringen hat, ermöglichen dem Aufsichtsrat eine effiziente Überwachung.67 Der Überwachungsfunktion dient auch der Zustimmungsvorbehalt gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG.68 Ohne Kenntnis über die einzelnen 65  Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 19; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 508; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 9. Siehe auch Link, in: Wachter, § 76 Rn. 6; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 50. Alle weiteren Versuche stellen bereits eine teleologische Abgrenzung von der Geschäftsführung dar und werden an späterer Stelle erörtert, beispielhaft Henze, BB 2000, 209, 210; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 508 f.; Schiessl, ZGR 1992, 64, 67 f.; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 10. Beachtlich sind nach herrschender Auffassung sowohl Stake- als auch Shareholderinteressen, statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 28 f.; Stellungnahme Rn. 30 ff. Siehe noch III. 2. c). 66  Habersack/Foerster, in: Großkomm. AktG, § 83 Rn. 2; Koch, in: Hüffer/Koch, § 83 Rn. 1; Weber, in: Hölters, § 83 Rn. 1. 67  Zunächst RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 116; außerdem Koch, in: Hüffer/ Koch, § 90 Rn. 1; Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 1; Säcker/Rehm, DB 2008, 2814, 2815; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 90 Rn. 1. 68  § 3 II. 1.



§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung75

Vorgänge wäre der Aufsichtsrat in seiner Kontrolle beschnitten. Das Gesagte gilt auch für die Vorlagepflicht von Jahresabschluss und Lagebericht nach § 170 AktG, die dem Aufsichtsrat gleichsam Kontrollmittel an die Hand geben.69 Ebenso leisten die Buchführungspflicht (§ 91 Abs. 1 AktG) sowie die Bestandssicherung (§ 91 Abs. 2 AktG) einen Beitrag zur Funktionsfähigkeit. Sie decken sowohl gegenwärtige als auch zukünftige bedrohliche Szenarien finanzieller oder sonstiger Art auf.70 Die Buchführung schützt aber gleichsam die Gläubiger und befriedigt das öffentliche Interesse.71 Während sie eher den Ist-Zustand beschreibt, legt der Gesetzgeber auch Wert auf präventive Maßnahmen: Die Bestandssicherung beinhaltet ein Früherkennungssystem, um entsprechende Verstöße frühzeitig zu unterbinden oder besser noch zu verhindern.72 Was gesetzlich Methode hat, kann auch auf ungeschriebene Pflichten erweitert werden. So berühren Compliance und EDV die Funk­ tionsfähigkeit der Gesellschaft. Öffentliches Interesse und Gläubigerinteresse spiegeln sich in Frauenquote, dem Corporate Reputation Management und der Corporate Social Responsibility wider. bb) Unbestimmbarer Differenzierungsansatz Verbandsinterne Funktionsfähigkeit, öffentliches Interesse und Gläubigerinteressen erzielen jedoch nur auf den ersten Blick eine konkretisierende Klammerwirkung, die geeignet wäre, Leitungspflichten herauszufiltern. Die Termini sind abstrakt kaum bestimmbar, sodass der Leitungsbegriff als Generalklausel lediglich durch weitere Generalklauseln ersetzt wird. Es scheint insbesondere unmöglich, ein einheitliches öffentliches Interesse oder ein einheitliches Gläubigerinteresse auszudeuten. Vielmehr sind die Interessen innerhalb und zwischen den Gruppierungen gegenläufig: Gläubiger wie auch Aktionäre sind unterschiedlich strukturiert und verfolgen dementsprechend eine eigene Agenda. Gerade im Hinblick auf die komplexen Aktionärsstrukturen ist kaum anzunehmen, dass sich institutionelle Anleger und Kleinaktio69  Statt aller Euler/Klein, in: Spindler/Stilz, § 170 Rn. 1; Hennrichs/Pöschke, in: Münch. Komm. AktG, § 170 Rn. 1; Koch, in: Hüffer/Koch, § 170 Rn. 1; Waclawik, in: Hölters, § 170 Rn. 2. 70  Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 4, 29; Koch, in: Hüffer/Koch, § 91 Rn. 1; Kort, in: Großkomm. AktG, § 91 Rn. 2; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 91 Rn. 1. 71  Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 4; Koch, in: Hüffer/Koch, § 91 Rn. 2; Müller-Michaels in Hölters, § 91 Rn. 2; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 91 Rn. 4. 72  Siehe nur Koch, in: Hüffer/Koch, § 91 Rn. 1, 4 ff., mit Ablehnung eines allgemeinen und umfassenden Risikomanagements.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

näre einer gemeinsamen Strategie unterwerfen. Das gilt auch in Bezug auf öffentliche Interessen, die derart vielschichtig sind, dass sie sich kaum in eine gemeinsame Richtung kanalisieren lassen dürften. Hinzu kommt, dass hier eine faktische Gesetzgebungskompetenz der Öffentlichkeit droht, die das Vorstandshandeln zum Spielball gesellschaftspolitischer Stimmungen macht. Die genannten Strömungen müssten miteinander in Einklang gebracht werden. Diese Abwägung kann vom Vorstand nicht verlangt werden. Selbst wenn diese diffizile Interessenbündelung gelingen würde, hätten die Kriterien kein hinreichendes Differenzierungspotenzial: Der vorstehende Abschnitt hat bereits gezeigt, dass sich unter diese Fallgruppen unzählige Pflichten subsumieren lassen,73 da sie die Eigenschaft einer Generalklausel aufweisen. Dieser Befund steht in Widerspruch zum unstreitigen Standpunkt, das Delegationsverbot auf die jeweiligen Kernbereiche zu beschränken. Die Kriterien müssten daher schon stark zugeschnitten werden, um überhaupt dem Minimalkonsens gerecht zu werden. Denkbar ist noch eine weitere Konkretisierung über § 90 Abs. 1 AktG, die im Ergebnis aber ebenfalls zu undifferenziert bleibt: Kort betrachtet insbesondere § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG als Quelle für Leitungspflichten, sprich die Finanz-, Investitions- und Personalplanung.74 Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die genannten Bereiche hervorheben wollte, indem er dem Vorstand eine Berichtspflicht auferlegt hat. Die Norm sichert aber in erster Linie die Kontrolle durch den Aufsichtsrat.75 Dennoch setzt der Gesetzgeber offensichtlich einen Schwerpunkt: Finanz-, Investitions- und Personalbelange stellen wesentliche Anker im Gesellschaftsgefüge dar. Es bleibt jedoch unklar, wie die Kriterien einen abstrakten Kernbereich herausfiltern sollen. Selbst wenn man die oben benannten Kriterien anerkennen würde, fehlte ein Argument dafür, die Leitung der Geschäftsführung überzuordnen. All die genannten Kriterien ließen sich ohne weiteres auf die Geschäftsführung anwenden. Die genannten Belange können aber möglicherweise im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung fruchtbar gemacht werden.76 73  Siehe

aa). in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 36. Siehe auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S.  40 ff. 75  RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 116; Koch, in: Hüffer/Koch, § 90 Rn. 1; Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 1; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 90 Rn. 1; Säcker/Rehm, DB 2008, 2814, 2815. 76  Eine abstrakte Definition lehnen mit Blick auf die Einzelfallabhängigkeit auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 45 (Fn. 97) ab. Zu den Definitionsschwierigkeiten auch Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 6; ganz allgemein Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 15, wonach das gesamte Aktiengesetz lediglich vereinzelt Rückschlüsse auf die nicht delegierbaren Aufgaben zulasse. Siehe zu den Kriterien der Einzelfallprüfung § 8. 74  Kort,



§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung77

Nicht zuletzt ist der hier beschriebene Ansatz dogmatisch fragwürdig: Aus der Schnittmenge mehr oder weniger anerkannter Leitungspflichten Kriterien herauszufiltern, die wiederum der Abgrenzung von Leitung und Geschäftsführung dienen sollen, ist ein zirkelschlussartiges Vorgehen, das nicht überzeugt.77 Somit entfalten die Vorstandspflichten keine Klammerwirkung, die sich für die Konkretisierung des Leitungsbegriffs fruchtbar machen lässt. 4. Geschäftsführung als eigentlicher Anknüpfungspunkt des Gesetzgebers a) Kein zerrissener Geschäftsführungsbegriff – Beispielhafte Überprüfung anhand der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats Die Konzeption des Aktiengesetzes streitet bislang dafür, dass die Geschäftsführung alleiniger Anknüpfungspunkt ist, um das Handeln des Vorstands zu bewerten. Das belegt das Aktiengesetz auch dadurch, dass es abseits des § 76 Abs. 1 AktG ausschließlich und somit in den wesentlichen Vorschriften auf die Geschäftsführung rekurriert. Namentlich die §§ 77 Abs. 1 S. 1, 84 Abs. 3 S. 2, 93 Abs. 1 S. 1, 111 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG ­stellen auf die Geschäftsführung ab. Der Leitungsbegriff findet im Gesetz wenn überhaupt nur stiefmütterliche Beachtung. Die Geschäftsführung ist daher kein „unwesentlicher Detailbereich“78. Ausgehend von diesem Befund kommt es zum einen auf eine Unterscheidung von Leitung und Geschäftsführung nicht an, zum anderen bedarf es insgesamt keines Leitungsbegriffs, der als zusätzlicher Bewertungsmaßstab fungiert. Diesem Standpunkt könnte allerdings entgegenstehen, dass die Geschäftsführung in thematisch unterschiedlichsten Vorschriften aufgegriffen wird. Das Schrifttum geht angesichts seiner weiten Definition von einem zerrissenen Geschäftsführungsbegriff aus, der durch die Leitung determiniert wird. Daher wird sein Bedeutungs­ inhalt je nach Normkontext, insbesondere im Rahmen der §§ 111, 93 AktG, vom Schrifttum auch verengt oder erweitert. Da der scheinbar zerrissene Geschäftsführungsbegriff dazu dient, einen herausgehobenen Leitungsbegriff zu rechtfertigen, muss sein Bedeutungsinhalt genau bestimmt werden. Blickt man zunächst auf § 111 Abs. 1 AktG, dann hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen. Dem Wortlaut nach beschränkt sich die Handhabe des Aufsichtsrats auf Geschäftsführungsmaßnahmen. Legt man das herrschende Verständnis vom Leitungsbegriff zugrunde, dazu schon 2. b). Siehe auch Grabolle, Leitungsfunktion, S.  111 f. aber Hegnon, CCZ 2009, 57, 58. Außerdem Böttcher/Blasche, NZG 2006, 569, 570, die allerdings auch systematische Schwächen einräumen. 77  Vgl. 78  So

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

dann wäre der Aufsichtsrat nicht befugt, Leitungsmaßnahmen zu kontrollieren.79 Dies erkennen auch die Vertreter der herrschenden Meinung an und betreiben eine sehr weite Lesart, die bei konsequenter Handhabung den eigenen Maßstäben widerspricht: Der Aufsichtsrat könne demnach auch die Leitung kontrollieren.80 Die Geschäftsführung soll dagegen nur in eingeschränktem Maße Überwachungsgegenstand sein. Legt man die allgemein gültige Definition zugrunde, namentlich dass Geschäftsführung jedes rechtliche und tatsächliche Handeln umfasst, eröffnet sich ein Kontrollfeld von erheblichem Ausmaß für den Aufsichtsrat. Vor diesem Hintergrund sollen die Geschäftsführungsbegriffe nach § 77 AktG und § 111 AktG divergieren: Der Aufsichtsrat könne nicht jede Bagatelle, also jede noch so profane Einzelmaßnahme, überwachen. § 77 AktG und § 111 AktG sollen sich folglich auf unterschiedliche Geschäftsführungsbegriffe beziehen. Sogar innerhalb des § 111 AktG selbst, konkret in Abs. 1 und 4, divergiere die Reichweite der Geschäftsführung. Das soll die Regierungsbegründung von 1965 stützen, wonach nur wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen von der Überwachungspflicht betroffen sein sollen.81 79  Mit diesem Dilemma argumentieren auch Lippert, Überwachungspflicht, S.  27 f.; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 35 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 3 ff. (insb. Fn. 8); Steinbeck, Überwachungspflicht, S.  80 f. 80  Statt aller Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 14 (Fn. 48); Henze, BB 2000, 209; Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 50; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 2; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 32; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  7 f. 81  Vgl. zu § 111 AktG Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 14 (Fn. 48); § 77 Rn. 3 (Fn. 6); Henze, BB 2000, 209, der dies noch einmal präzise ausformuliert: Die Leitung rage ohne Einschränkung aus dem Pflichtenkonvolut heraus, der Geschäftsführungsbegriff sei dagegen unbeständig, er decke je nach konkreter Fallkonstellation mal weniger wichtige Einzelmaßnahmen, mal Leitungsaufgaben, aber auch Einzelmaßnahmen und Leitungsaufgaben ab. Des Weiteren Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 50; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 32; Spindler, in: Spindler/ Stilz, § 111 Rn. 7 f. sieht eine Nähe zur Leitung, wenngleich damit keine absolute Beschränkung einhergehe. Da aber die Aufgabe noch erfüllbar sein müsse, sei § 111 AktG zu reduzieren auf Leitung und wesentliche Einzelmaßnahmen; ansonsten leitete der Aufsichtsrat die Gesellschaft. Hinsichtlich der Überwachung stuft Schütz, in: Semler/v. Schenk, § 111 Rn. 174 die Leitung sowie die Geschäftsführung als deckungsgleich ein. Auch laut Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 2 konzentriert sich die Überwachung auf die Leitung, um den Aufsichtsrat nicht zu überfordern. Siehe auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 7 f. Ähnlich Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 111 Rn. 19, der bedeutende Geschäftsführungsmaßnahmen als Überwachungsinhalt benennt. Nicht klar ist die Argumentation von Rohde/Geschwandtner, NZG 2005, 996, 997, wonach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG dem Aufsichtsrat zwar verbiete, sich an der Geschäftsführung zu beteiligen, § 111 Abs. 4 S. 2 AktG ihm aber auferlege, an der Leitungsaufgabe des Vorstands teilzunehmen. Das verfängt schon deshalb nicht, weil der Gesetzestext auf die Geschäftsführung (S. 1) und auf Geschäfte (S. 2) rekurriert. Sie wenden mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) überdies ein



§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung79

Dem Anliegen, namentlich den Aufsichtsrat nicht vor eine unmögliche Aufgabe zu stellen, ihn aber auch nicht zu machtvoll auszustatten, ist zuzustimmen. Dieses Anliegen wahrt aber auch ein weiter Geschäftsführungsbegriff. Betrachtet man seine Normstruktur tiefergehend, dann bestätigt § 111 AktG diese These: Die Vertreter der obigen Auffassung verkennen, dass die allgemein gültige Definition der Geschäftsführung einer engen Auslegung der Pflicht nicht entgegensteht. Das signalisiert schon die Regierungsbegründung, die den weiten Geschäftsführungsbegriff gerade nicht in Frage stellt: Der Aufsichtsrat soll die Geschäftspolitik sowie wichtige Geschäftsführungshandlungen beratend und überwachend begleiten.82 Der Leitungsbegriff fällt hingegen ausschließlich im Zusammenhang mit Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit. Trotz des fehlenden Bezugs auf die Leitung macht die Regierungsbegründung ganz selbstverständlich klar, dass der Aufsichtsrat nicht jede einzelne Bagatellmaßnahme überwachen soll. Die Aufsichtsratspflicht kann nämlich nur so weit reichen, wie es der Gesamttatbestand zugesteht. Erweitert man das Blickfeld demzufolge auf den Gesamttatbestand, kristallisiert sich der eigentliche Ankerpunkt der Vorschrift heraus: das Tatbestandsmerkmal „überwachen“ und die daraus folgende Überwachungsaufgabe. Die gesetzgeberischen Motive sowie Sinn und Zweck der Überwachungsaufgabe setzen zwingend voraus, dass der Aufsichtsrat nicht jede „unwichtige“ Einzelmaßnahme kontrollieren muss, da der Aufsichtsrat ansonsten überfordert wäre. Das Tatbestandsmerkmal und die darin enthaltene Aufgabe verhindern somit eine unverhältnismäßig weite Auslegung, indem sie sich korrigierend auf den weiten Geschäftsführungsbegriff auswirken. Etwaige Stellschrauben, die den Geschäftsführungsbegriff enger oder weiter drehen, speisen sich letztlich ausschließlich aus dem normspezifischen Tatbestand, sodass der Rechtsanwender den Geschäftsführungsbegriff des § 111 Abs. 1 AktG nicht anpassen muss. Letztlich wiegt zudem der Gedanke schwer, der Gesetzgeber hätte, obwohl er um die Bedeutung der Leitungsaufgaben wusste, in § 111 Abs. 1 AktG eine Anordnung getroffen, die die Leitung von der Überwachung ausschließt. Die hier vertretene Auslegung muss hingegen keinen besonderen Begründungsaufwand betreiben.83

Begründungsvehikel an, dem die rechtliche Legitimation fehlt (siehe dazu Koch, in: Hüffer/Koch, § 161 Rn. 3). Siehe auch Grabolle, Leitungsfunktion, S.  60 ff. 82  Dazu RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 96. 83  Vgl. auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 81, die der Theorie von der Deckungsgleichheit folgt.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

b) Übertragung der Ergebnisse zu § 111 Abs. 1 AktG auf die übrigen Geschäftsführungsvorschriften Diese Überlegungen gelten nicht ausschließlich für § 111 Abs. 1 AktG. Eine Bestätigung finden sie in weiteren Vorschriften des Aktiengesetzes:84 Der wichtige Grund, der zu einem Widerruf der Bestellung führen kann, knüpft gemäß § 84 Abs. 3 S. 2 AktG an die Geschäftsführung an. § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG ordnet Berichtspflichten über die Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung an. Entgegen der Auffassung des Schrifttums weist der Gesetzgeber nicht auf den Leitungsbegriff hin. Sogar die Haftungsnorm des § 93 AktG stellt darauf ab, dass die Vorstandsmitglieder die Geschäftsführung sorgfaltswidrig ausüben (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG). Entspräche die Leitung nicht der Geschäftsführung, könnte der Vorstand durch eine etwaige Delegation von sogenannten Leitungsaufgaben oder sonstigen sorgfaltswidrigen Handlungen im Rahmen dieser Aufgaben nicht gegen seine Pflichten verstoßen.85 Mit der herrschenden Meinung auch diese Vorschrift wieder auf Leitungspflichten zu erstrecken,86 erscheint dagegen künstlich. Hinzu kommt, dass es kein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers sein kann, den Leitungsbegriff in wesentlichen Vorschriften konsequent auszusparen. Das bereits verworfene Argument, der Gesetzgeber hätte § 76 AktG anders ausgestalten müssen,87 hält den gewonnenen Erkenntnissen auch hier nicht Stand. Vielmehr muss die herrschende Auffassung zugeben, dass der Gesetzgeber dann auch die oben genannten Vorschriften hätte abweichend formulieren müssen. Eine Trennung von Leitung und Geschäftsführung folgt im Kontext des § 93 AktG auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber in den § 93 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 AktG den Begriff „Geschäftsleiter“ verwendet. Geschäftsleitung ist mit Führung des Unternehmens zu übersetzen.88 Schon die Betrachtung des Wortlauts hat gezeigt, dass die Begriffe synonym zu verstehen sind.89 Nicht nur findet das Schrifttum im Aktiengesetz keine überzeugende Stütze für die eigene These. Die genannten Vertreter verfechten ihre Position selbst nicht konsequent und argumentieren letztlich kontradiktorisch. Wenn die Leitung ein (wenn auch) herausgehobener Teil der Geschäftsführung ist, dann müsste gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 AktG auch die Delegation von solchen 84  Auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 81 sieht in der Gesetzgebung eine gewisse Gleichgültigkeit. 85  Vgl. zu Beispielen Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 36. 86  So zu § 93 AktG statt aller Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 3 (Fn. 6); Wettich, Vorstandsorganisation, S. 8. 87  So Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 36. 88  Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 19 Rn. 14. 89  Siehe § 5 I.



§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung81

Leitungsaufgaben möglich sein. Dies lehnen die Vertreter der herrschenden Meinung aber gleichsam ab, in diesem Fall müsse der Umfang des Geschäftsführungsbegriffs anders definiert werden.90 Die Widersprüchlichkeit belegt auch die Aussage, Leitung und Geschäftsführung könnten nicht übereinstimmen, da Leitungsaufgaben nicht übertragbar seien; erst dann habe der Streit im Übrigen auch Relevanz.91 Somit zeigt die bisherige Analyse, dass die Abgrenzung von Leitung und Geschäftsführung nicht das richtige Differenzierungskriterium ist, um delegierbare und nicht delegierbare Aufgaben zu bestimmen.92 5. Ungeschriebene Prinzipien als Teil der Delegationsfrage Der systematische Blick auf die geschriebenen Regelungen zum Vorstand bescheidet dem Leitungsbegriff somit keine herausragende Bedeutung. Etwas anderes könnte aber für die ungeschriebenen Prinzipien des Aktienrechts gelten, die vom juristischen Diskurs angeführt werden, namentlich Gesamtleitungs-, Kollegial-, Gesamtverantwortungs- und Unveräußerlichkeitsprinzip.93 Eine inhaltliche Prüfung soll aber vorliegend unterbleiben, da diesen Begründungswegen von vornherein dogmatische Bedenken entgegenstehen.94 Folgert man etwa aus dem Gesamtleitungsprinzip einen unveräußer­ lichen Kernbereich und verknüpft dies mit dem Leitungsbegriff,95 begibt man sich in eine Zirkelschluss-Argumentation: Das Gesamtleitungsprinzip soll dem90  Siehe etwa Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 50 (Fn. 71); Wettich, Vorstandsorganisation, S. 8. Dennoch konstatieren beide die Probleme, die mit dieser Auffassung einhergehen. 91  Henze, BB 2000, 209. 92  So auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S.  1463 f. Zustimmend Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 738 (Fn. 27). Anders explizit Veil, Unternehmensverträge, S. 89 f. (Fn. 76), da sonst ein generelles Delegationsverbot von Geschäftsführungsmaßnahmen gelte oder andere Abgrenzungskriterien entwickelt werden müssten. Veil verkennt dabei einerseits, dass die Delegation von Geschäftsführungsmaßnahmen durch das Gesetz gerade zugelassen wird, andererseits, dass die angesprochenen Abgrenzungskriterien erst die Delegationsfrage betreffen. 93  Dazu § 4. 94  Siehe schon 2. b), 3. 95  Fleischer, ZIP 2003, 1, 2 sowie Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 44 hinsichtlich der Begrifflichkeit jeweils mit Verweis auf Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, 3. Aufl., § 70 Rn. 1. Der Terminus fällt auch bereits in der ersten Auflage, Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 70 Rn. 1. Siehe zudem Mertens/ Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 22, die sodann von einer Gesamtleitungsverantwortung sprechen. Die Bedeutung dieses Begriffs bleibt offen, siehe aber zu einer Einordnung der verschiedenen Begrifflichkeiten noch § 6 I. 1. b) bb). Siehe im Übrigen auch Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2579; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 77 Rn. 19.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

nach für eine zwingende Gesamtzuständigkeit stehen. Die Zuständigkeitsfrage betrifft jedoch ausschließlich die Rechtsfolgenebene. Vorliegend wird hingegen untersucht, ob aus dem Leitungsbegriff besondere Pflichten folgen. Gleiches gilt für das Gesamtverantwortungsprinzip:96 Die Gesamtverantwortung stellt zunächst sicher, dass aus der Delegation eine Überwachungsaufgabe resultiert.97 Weitere Ausformung der Gesamtverantwortung soll die Leitung sein, mit der Folge, dass Kernaufgaben durch den Gesamtvorstand wahrzunehmen sind. Auch hier stimmt die argumentative Reihenfolge nicht: Die Existenz des Leitungsbegriffs kann nicht über die Rechtsfolge begründet werden.98 Zum Teil sollen sodann parallele Wertungen zum Kollegialprinzip99 das Leitungsverständnis rechtfertigen: Das gemeinsame Handeln diene dem Gläubiger- und Aktionärsschutz, gleichermaßen umfasse die Leitung Gläubiger- und Aktionärsbelange.100 Das überzeugt aber nicht: Diese Belange sind auch unabhängig von der Leitung in das Handeln des Vorstands eingeflochten. Zum Teil soll die Leitung für die Aufgaben stehen, die zwingend kollegial zu entscheiden seien.101 Da dieser Ausschnitt erst ermittelt werden muss, handelt es sich wiederum um einen Zirkelschluss. Nicht zuletzt unterliegt auch die Verbindung des Unveräußerlichkeitsprinzips mit dem Leitungsbegriff diesen Bedenken: Zwar soll die sogenannte Leitungsmacht unveräußerlich sein, dennoch steht eigentlich die Frage im Vordergrund, wann ein Delegationsverbot vorliegt.102 Im Ergebnis ist daher zu konstatieren, dass die ungeschriebenen Prinzipien das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung nicht berühren.103 6. Konzernrechtliche Wertungen Außerhalb des § 76 Abs. 1 AktG findet der Leitungsbegriff lediglich im Konzernrecht Erwähnung, etwa in den §§ 18, 291, 308 AktG. Diese Rege96  Ausführlich

zu Herkunft und Reichweite § 6 I. 1. b) bb). Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 25; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. 98  Siehe auch Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 738 (Fn. 22), wonach der reine Wortlaut selbst dann keine Leitungsaufgabe nahe lege, wenn die Vorschrift ausdrücklich das Gesamtverantwortungsprinzip anordne. 99  Dazu noch § 6 I. 1. b) aa). 100  Dazu Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 215. 101  Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 37 f. 102  Siehe auch Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 97 ff., 101 (Fn. 182), der die Fallgruppe der Selbstbindung ebenfalls auf der Rechtsfolgenebene und somit nicht beim Leitungsbegriff verortet. 103  Auf diese Prinzipien wird aber zurückzukommen sein, wenn die Delegation unabhängig von Leitung und Geschäftsführung beleuchtet wird (§ 6). 97  Dazu



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lungen bestätigen, dass § 76 Abs. 1 AktG allenfalls eine organisationsrechtliche Bedeutung hat, ohne aber den Pflichtenmaßstab des Vorstands im Einzelnen zu bestimmen. So verlagert sich in einem konzernrechtlichen Sachverhalt der Steuerungsschwerpunkt auf die herrschende Gesellschaft, da diese nun Einfluss auf die Leitung der abhängigen Gesellschaft nehmen kann. Sie ist insbesondere gemäß § 308 Abs. 1 AktG berechtigt, dem Vorstand der (abhängigen) Gesellschaft hinsichtlich der „Leitung“ (auch nachteilige) Weisungen zu erteilen, wenn ein Beherrschungsvertrag besteht.104 Das Konzernrecht regelt somit die Ausnahme zur Eigenverantwortlichkeit des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG.105 Die Leitung steht also auch hier im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit des Führungsorgans, vorliegend nicht gegenüber den übrigen Organen, sondern gegenüber einer weiteren Gesellschaft. Die Formulierung des § 308 Abs. 1 S. 1 AktG lässt sich zudem für die Theorie vom Oberbegriff fruchtbar machen: Das Weisungsrecht gilt allumfassend, also für sämtliche Handlungen des Vorstands, namentlich Geschäftsführung und Vertretung.106 Daher ist es nicht überzeugend, dem Leitungsbegriff eine herausgehobene Bedeutung zuzusprechen, den Anwendungsbereich des Weisungsrechts sodann aber künstlich erweitern zu müssen, da die Leitung nach herrschender Auffassung nur einen Ausschnitt markieren würde.107 7. Gesellschaftsübergreifender Vergleich Dass der Leitungsbegriff aus systematischer Sicht nicht mit der Delegationsfrage verknüpft ist, zeigt letztlich auch ein Blick auf die weiteren Gesellschaftsformen. Dort streitet der juristische Diskurs – wenn auch nicht so prominent – ebenfalls darüber, welche Aufgaben delegiert werden dürfen. Dass in diesen Debatten teilweise auf die Begriffe Leitung und Leitungsaufgaben rekurriert wird, obwohl der Leitungsbegriff in den einschlägigen Gesetzen zu den weiteren Gesellschaftsformen fehlt108, ist unerheblich. Es ist 104  Zum Vorstehenden Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 103; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 51; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 179; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 38; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 56. 105  Dazu bereits unter 2. b). 106  Statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 308 Rn. 12. 107  Zur historischen Betrachtung noch III. 4. 108  Vgl. z. B. zur GmbH die Überschrift bei Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 41: „Der Geschäftsführer als Leitungsorgan der Gesellschaft“. Zum Verein etwa Brouwer, NZG 2017, 481, der auf Leitungsaufgaben abstellt. K. Schmidt, GesR, § 24 III 2 spricht vom Vereinsvorstand als Leitungsorgan und verwendet die Leitung als Oberbegriff für Geschäftsführung und Vertretung. Auch insoweit fehlt es an inhaltlicher Stringenz, um aus dem Leitungsbegriff weitergehende Rechtsfolgen abzuleiten. Siehe mit einem Überblick zum Meinungsstand auch E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.78.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

davon auszugehen, dass die einzelnen Beiträge die im Aktienrecht deutlich umfassendere Diskussion auf die übrigen Gesellschaftsformen übertragen haben. Nimmt man also einen gesellschaftsübergreifenden Vergleich vor, bedarf es keines Leitungsbegriffs, um das Delegationsverbot zu begründen. 8. Zwischenergebnis Nähert man sich also systematisch dem Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung an, so kristallisiert sich heraus, dass die Geschäftsführung jedenfalls systematisch den alleinigen Bewertungsmaßstab für jegliches Vorstandshandeln darstellt. Das belegt schon das Zusammenspiel der §§ 76, 77 AktG. Aber auch die weiteren Vorschriften zum Vorstand stützen diese These. Erweitert man das Blickfeld sodann auf die weiteren Gesellschaftsformen, zeigt sich, dass dieses Ergebnis auf einem systematisch geschlossenen Fundament beruht.

III. Entwicklungslinien von Leitung und Geschäftsführung 1. Kompetenzordnung vor der Aktienrechtsreform von 1937 Der systematische Befund soll nun anhand der historischen Entwicklungslinien von Leitung und Geschäftsführung überprüft werden. Um einen Überblick über die durchaus wechselhafte Gesetzgebung zu erhalten, bilden die vergangenen Aktienrechtsreformen die Grundlage der Untersuchung. Der nachfolgende Abschnitt greift insbesondere die Regelungen zur Kompetenzordnung heraus. Als die ersten aktienrechtlichen Normen kodifiziert wurden,109 gestaltete sich die Kompetenzordnung noch gänzlich anders: So stellte der Gesetzgeber von 1861 die heutige Hauptversammlung in das Zentrum der Macht, als er gemäß Art. 227, 231 ADHGB von 1861110 dem Vorstand die Funktion als 109  Ein Überblick zu den Entwicklungen insbesondere ab 1843 bei Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 5 ff.; Fleckner, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 19. Kap. Rn. 16. Speziell zur Aktienrechtsreform von 1884 Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884. Außerdem auch v. Rechenberg, Hauptversammlung, S. 17 ff., 24 ff. Ein Gesamtüberblick erfolgt auch bei Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S.  23 ff. 110  Fassung vom 11. Juni 1870 abgebildet bei Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 114 ff. Ausführlich zu Quellen und Literatur Bergfeld, in: Hdb. Europäische Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, S. 2948 ff. Im preußischen Aktiengesetz von 1843 drängte sich eine klare Machtverteilung nicht auf: So konnten die Mitglieder gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 3 die Gesellschaft durch Beschluss auflösen. Der Vorstand verwaltete aber die Gesellschaft gemäß § 19. Siehe dazu die Fassung vom 9. Novem-



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Vertretungsorgan und somit eine eher repräsentative Aufgabe zuwies,111 die Generalversammlung aber mit weitreichenden Befugnissen ausstattete: Die wichtigste Befugnis stellte das Weisungsrecht im Innenverhältnis dar. Zu den Aufgaben der Generalversammlung zählten aber auch die Bestellung und Abberufung des Vorstands, die Führung von Prozessen gegen den Vorstand, die Auflösung der Gesellschaft, die Änderung des Gesellschaftsvertrags sowie weitere umfassende Prüf- und Kontrollrechte.112 Sie übernahm insofern also die Aufgaben des heutigen Aufsichtsrats. Die Generalversammlung wahrte zudem gemäß Art. 237 ADHGB das Gesellschaftsinteresse und galt daher als oberstes Organ.113 Diese Machtstruktur änderte sich auch nach der Aktienrechtsreform von 1884114 nicht grundsätzlich, auch wenn sich einzelne Befugnisse verschoben, etwa dass die Hauptversammlung nun lediglich den Aufsichtsrat bestellen und abberufen durfte und der Aufsichtsrat diese Rechte gegenüber dem Vorstand hatte.115 In der amtlichen Begründung wurde dazu ausgeführt, dass der Vorstand Ausführungsorgan sei, während die Generalversammlung die Rolle des Willensorgans ausübe.116 Zwar ist auch die Hauptversammlung dieser Tage Willensbildungsorgan. Gemessen an den umfangreichen Kontrollbefugnissen in den ersten aktienrechtlichen Kodifizierungen ist ihre jetzige kompetenzrechtliche Reichweite aber deutlich gemindert. Der Vorstand ist hingegen spätestens seit den Reformen von 1937 und 1965 mehr als nur bloßes Ausführungsorgan in der Aktiengesellschaft.117 Die Gesetzesbegründung von 1884 war aber auch nicht gänzlich widerspruchsfrei: Der Gesetzgeber verfolgte einerseits das Ziel, dass alle Organe gleich nebeneinanderstehen, andererseits führte er aus, dass Vorstand und ber 1843 abgebildet bei Baums, Gesetz über die Aktiengesellschaften von 1843, S. 213. Ein Entwurf von 1848/49 ist unvollendet geblieben. Gesetzestext und Motive abgedruckt bei Baums, Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), S. 60 ff. Außerdem dazu Pahlow, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 8. Kap. Rn. 6 ff. 111  Dazu Kießling, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 7. Kap. Rn. 56. 112  Zu den einzelnen Rechten Pahlow, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 8. Kap. Rn. 62, wobei der Vorstand seine Stellung durchaus stärken konnte, vgl. Rn. 64 f. Zu den rechtstatsächlichen Schwierigkeiten des Systems auch v. Rechenberg, Hauptversammlung, S.  21 ff. 113  Ausführlich Pahlow, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 8. Kap. Rn. 62; v. Rechenberg, Hauptversammlung, S. 18. Der Autor verweist u. a. auf die Reichsgerichtsrechtsprechung, die das Weisungsrecht noch einmal hervorhob, sowie Stimmen aus dem Schrifttum, S.  20 f. 114  Siehe Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 582 ff. 115  Dazu im Einzelnen Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S.  85 ff. 116  AmtlBegr in Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 457. 117  Siehe dazu im Folgenden.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Aufsichtsrat eine entscheidende Funktion einnehmen.118 Gleichsam betonte der Gesetzgeber, dass die Entscheidungskraft bei der Generalversammlung liege.119 Die Stärkung ihrer Kompetenzen war auch Zweck der Reform: Nach Auffassung des Gesetzgebers erforderte die Tatsache, dass sich schleichend eine gesteigerte Machtübernahme und -fülle durch Vorstand und Aufsichtsrat entwickelt hatte, eine Reaktion.120 Daher wurden die Kompetenzen der Generalversammlung gestärkt. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass ein gänzlich anderes Machtregime die ursprüngliche aktienrechtliche Kompetenzordnung prägte: Die Generalversammlung stellte das steuernde Organ dar. Das heißt aber auch, dass die spätere Verschiebung des Machtgefälles hin zum Vorstand bei der weiteren Analyse besonders zu berücksichtigen ist und somit auch die text­ lichen Änderungen und Ergänzungen bestimmt. 2. Historische Deutung des Leitungsbegriffs a) Leitungsbegriff der Reform von 1937 als Zeichen der Kompetenzverschiebung Die vorstehend angerissene Verlagerung der Macht von der Generalversammlung, jetzige Hauptversammlung, auf den Vorstand, die im Wesent­ lichen heute noch gilt, resultiert aus der Aktienrechtsreform von 1937121. Gemäß § 70 Abs. 1 AktG 1937 leitete der Vorstand die Aktiengesellschaft nun unter eigener Verantwortung. Die Generalversammlung verlor somit ihren exklusiven Status und durfte nur noch beschränkt Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen, da der Vorstand weisungsfrei, also unabhängig von Aktionären und Aufsichtsrat, agierte.122 Außerdem war die Hauptversammlung wie bereits nach der Reform von 1884123 lediglich dazu berechtigt, den in Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 457. in Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 464. 120  Vgl. dazu sowohl die AmtlBegr in Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 464 als auch die weiteren Ausführungen von Hommelhoff, in: Schubert/ Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 86, 87 ff., 91 ff., der im Übrigen darlegt, dass insbesondere der Aufsichtsrat vermehrt Einfluss auf die Geschäftsführung genommen habe; ein Geschäftsführungsverbot i. S. d. § 111 Abs. 4 S. 1 AktG gab es noch nicht. Vgl. auch Bayer/Engelke, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 15. Kap. Rn. 79 ff. 121  Dazu AmtlBegr in Klausing, AktG 1937. 122  Vgl. aus der Zeit Ritter, AktG 1937, § 70 Rn. 4; Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 70 Ziff. 2. Zu den Kompetenzverschiebungen im Einzelnen Bayer/Engelke, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 15. Kap. Rn. 17 ff., 63 ff., 79 ff. 123  Erläuternd Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S.  87 f. 118  AmtlBegr 119  AmtlBegr



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Aufsichtsrat zu bestellen und abzuberufen, während der Aufsichtsrat wiederum für Bestellung und Abberufung des Vorstands zuständig war.124 Diese einschneidenden Veränderungen sind zunächst im Hinblick auf den historischen Kontext, namentlich das nationalsozialistische Regime, einzuordnen. Der Entscheidung des Gesetzgebers, die Kompetenzordnung zu verändern, lagen tatsächlich die rationalen Erwägungen zugrunde, die die damalige Gesetzesbegründung aus der Zeit aufführte: So habe der Vorstand das Wohl der Gesellschaft besser im Blick als die nach Gewinn strebenden Aktionäre; außerdem weise der Vorstand meist die größere Fachkompetenz auf.125 Den organisationsrechtlichen Anforderungen, die aus der Führung einer Aktiengesellschaft erwachsen, konnte die Hauptversammlung aufgrund ihrer Struktur schlicht nicht entsprechen. Die Gesetzesänderung war daher konsequent und im Ergebnis sachlich gerechtfertigt. Das zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die Reform von 1965 diese Kompetenzverteilung beibehielt.126 Ausgehend von diesem Reformhintergrund soll der Leitungsbegriff, der durch die Reform von 1937 im Gesetz verankert wurde, historisch ausgedeutet werden. In der Gesetzesbegründung formulierte der Gesetzgeber: „Die Leitung der Gesellschaft und damit die Geschäftsführung liegt nunmehr beim Vorstand.“127 Weitere Ausführungen zu der Begrifflichkeit machte der Gesetzgeber nicht. Zutreffend bewertet das überwiegende Schrifttum damals wie heute die Einführung des Leitungsbegriffs aber als Zeichen der Kompetenzverschiebung: So gehe die Einführung des Leitungsbegriffs mit der neuen Kompetenzordnung einher und grenze die Befugnisse des Vorstands insbesondere von denen der Hauptversammlung, aber auch des Aufsichtsrats, ab.128 Dem Leitungsbegriff kommt unter dieser Maßgabe historisch eine 124  Bayer/Engelke,

in: AktienR im Wandel, Bd. I, 15. Kap. Rn. 81. in Klausing, AktG 1937, S. 56 f. Vgl. insbesondere zu den oben genannten sachlichen Erwägungen sodann A. Hueck/G. Hueck, in: Baumbach/Hueck, AktG 1937, S. 229  f. Außerdem Bayer/Engelke, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 15.  Kap. Rn. 16 ff., 79; A. Hueck, Reform, S. 16 ff. Mit einer trefflichen Analyse des vorigen Systems und der damit verbundenen rechtstatsächlichen Schwierigkeiten v. Rechenberg, Hauptversammlung, S. 21 ff., 25. Siehe mit einem historischen Überblick zur Entwicklung und Funktion des Vorstandsvorsitzenden v. Hein, ZHR 166 (2002), 464, 472 ff. 126  Siehe noch im nächsten Abschnitt unter b). 127  AmtlBegr in Klausing, AktG 1937, S. 56. 128  Statt vieler Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506  ff.; Lippert, Überwachungspflicht, S. 27, wonach Leitung die Kompetenz gegenüber Aufsichtsrat und Hauptversammlung ausdrücke und Geschäftsführung rechtlicher Maßstab für die Vorstandshandlungen sei; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1469 f.; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 8; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 32. Zugestehend auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 13; Böttcher/Blasche, NZG 2006, 569, 570. WendelingSchröder, Divisionalisierung, S. 38 f. nimmt dies für den Leitungsbegriff der Reform 125  AmtlBegr

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Symbolfunktion zu. Zum Teil wird dem damaligen Leitungsbegriff aber eine weitere Funktion zugewiesen: Namentlich das heutige Schrifttum leitet aus dem Leitungsbegriff und der Formulierung des Gesetzgebers ab, dass die Geschäftsführung der Unternehmensleitung untergeordnet sei.129 Außerdem soll die Leitung ein Mehr an Kompetenzen repräsentieren: Wäre auf die Geschäftsführung abzustellen, hätte der Vorstand lediglich die Kompetenzen, die ihm auch vor der Reform als Geschäftsführungsorgan zustanden. Nach der Reform sollen dem Vorstand jedoch die Unternehmerfunktion und die grundlegende Entscheidungsmacht zustehen.130 Diese Ausdeutung des Leitungsbegriffs überzeugt nicht: In der Tat war dem Vorstand auch vor der Reform die Geschäftsführung zugewiesen. Das Mehr an Kompetenzen, das bis heute gilt, ergibt sich rechtlich aber nicht wie vom Schrifttum behauptet aus der Leitungsanordnung, sondern daraus, dass der Gesetzgeber das Weisungsrecht der Hauptversammlung gestrichen hat. Der Vorstand trifft seine Entscheidungen seither unabhängig, trägt also die „alleinige“ Verantwortung.131 Das unscheinbare Wort „nunmehr“ in der oben zitierten Passage gibt dabei klar zu erkennen, dass die Leitung von der Hauptversammlung auf den Vorstand verschoben worden ist. Der Begriff symbolisiert also den Steuerungsschwerpunkt in der Aktiengesellschaft. Hätte der Gesetzgeber von 1937 bloß das Weisungsrecht gestrichen, wäre daraus rechtlich das gleiche Ergebnis erwachsen. Dass der Gesetzgeber so nicht vorgegangen ist, rechtfertigt nicht, den Leitungsbegriff über die Geschäftsführung zu stellen. Wie auch in den Reformen zuvor hat der Gesetzgeber daher keinen von der Geschäftsführung abzugrenzenden Bereich in­ stalliert.132 Entsprechend dieser Interpretation kommentierte auch das übervon 1937 an. Für die Reform von 1965 gelte dies nicht: Hier stehe der Leitungsbegriff für die unternehmerische Funktion. Diese Spaltung ist nicht überzeugend (unter Zweckgesichtspunkten siehe noch IV.). 129  Rohde/Geschwandtner, NZG 2005, 996 (m. w. N.). Außerdem Rehm, Einzelund Gesamtverantwortung, S. 37, wonach die Reform den Vorstand als Unternehmer installiert habe. 130  Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 32 f. Siehe auch Grabolle, Leitungsfunktion, S. 56, wonach der Vorstand vor 1937 nicht über Kompetenz für die wirtschaftliche Steuerung verfügt habe, sodass die Zuweisung der Leitung durch den Gesetzgeber erforderlich gewesen sei. 131  v. Godin/Wilhelmi, AktG 1937, S. 286; Ritter, AktG 1937, § 70 Rn. 4; Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 70 Ziff. 2. 132  Das zeigt sich in der Umbruchszeit vor und nach der Reform von 1965. Noch vor der Reform 1965 A. Hueck/G. Hueck, in: Baumbach/Hueck, AktG 1937, S. 232 ff., wonach die Position des Vorstands über diejenige des Geschäftsführers hinausreiche. Dies wird aus der Stellung des Leiters abgeleitet. Damit ist aber eben die eigenverantwortliche Führung gegenüber den übrigen Organen gemeint. Konsequenzen für die Aufgabenwahrnehmung werden daraus nicht gezogen. Nach der Reform siehe A. Hueck/G. Hueck, in: Baumbach/Hueck, § 76 Rn. 6 ff. Auch die parallelen Kompe-



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wiegende Schrifttum in dieser Zeit, ohne der Leitung eine hervorgehobene Stellung zuzuordnen, die über die Stellung als Oberbegriff hinausgeht.133 Aus der Perspektive der Hauptversammlung wurde hier zwar der Einfluss auf die Geschäftsführung gestrichen und zu einem Beschlussrecht für ausgewählte Fragen verkürzt (§ 103 AktG 1937). Diese Streichung erweiterte aber nicht die Kompetenzen des Vorstands im Sinne eines Mehrs, sondern änderte die Qualität der Geschäftsführung. Die Essenz der Reform liegt also in der Streichung des Weisungsrechts, nicht im Leitungsbegriff. Etwas anderes könnte zuletzt daraus folgen, dass die Geschäftsführung intern beschränkbar war (§ 74 Abs. 1 AktG 1937), eine vergleichbare Einlassung des Gesetzgebers für die Leitung aber fehlte.134 Daraus ließe sich eine herausgehobene Stellung der Leitung ableiten. Das trifft im Ergebnis nicht zu: Diese Anordnung ist zusammen mit dem zweiten Normabsatz zu lesen, wonach solche Beschränkungen Dritten gegenüber unwirksam waren (§ 74 Abs. 2 AktG 1937). § 74 AktG 1937 traf spezielle Regelungen für das Innensowie Außenverhältnis und schützte namentlich außenstehende Gläubiger. Die interne Aufgabenwahrnehmung wurde dagegen nicht mitgeregelt. Die Vorschrift erhob die Leitung somit nicht über die Geschäftsführung. Im Ergebnis symbolisiert der Leitungsbegriff daher, dass der Gesetzgeber die ursprüngliche Kompetenzordnung aufgebrochen hat, indem er den Einfluss der Hauptversammlung zurückgeschraubt und den Vorstand als unabhängiges Führungsorgan gestaltet hat.

tenztitel im GmbHG bestätigen dies. Schließlich erteilt die Gesellschafterversammlung Weisungen gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG, so wie es vor der Aktienrechtsreform 1937 auch im Aktienrecht der Fall war. Wenig überraschend erscheint es mithin, dass eine § 76 Abs. 1 AktG entsprechende Vorschrift im GmbHG fehlt. 133  Klausing, AktG 1937, Einl. Rn. 72 f.; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, §  70 Rn.  1 ff., 10 ff.; W. Schmidt, in: Großkomm. AktG, 1939, § 70 Anm. 3, 7, 15, der zwar Leitung als Oberbegriff verwendet, dann aber wieder Leitung und Geschäfts­ führung aufzählt und somit scheinbar begrifflich trennt; inhaltliche Konsequenzen werden daraus nicht gezogen; insbesondere diskutiert er zwingend vom Gesamtvorstand wahrzunehmende Aufgaben anhand der Geschäftsführung; W. Schmidt/MeyerLandrut, in: Großkomm. AktG, 2. Aufl., § 70 Anm. 3, 7, 10 gehen in der Folgeauflage einerseits ebenso vor, andererseits setzen sie Leitung mit der Geschäftsführung gleich; Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 70 Ziff. 2. Lippert, Überwachungspflicht, S. 26 stellt ebenfalls fest, dass die Auffassungen zu § 70 AktG 1937 nicht erheblich divergiert hätten. Wettich, Vorstandsorganisation, S 33 f. interpretiert die damaligen Literaturstimmen hingegen im Sinne der herrschenden Meinung. 134  Vgl. mit einer derartigen Differenzierung von Leitung und Geschäftsführung v. Godin/Wilhelmi, AktG 1937, S. 286.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

b) Traditionsgeleitete Übernahme des Leitungsbegriffs 1965 Dagegen könnte der Gesetzgeber von 1965135 dem Leitungsbegriff die nunmehr herrschende Bedeutung beigemessen haben, indem er den Terminus bewusst in das neue, heute noch geltende Aktiengesetz, namentlich in § 76 Abs. 1 AktG 1965, übernommen hat. Eben dies folgert Dose aus der Übernahme und führt aus, dass der Leitungsbegriff nicht nur eine politische Floskel aus dem Jahre 1937 sei, sondern eine eigenständige Bedeutung habe.136 Gegen die Auffassung, der Gesetzgeber habe den Leitungsbegriff in die Anordnung des § 76 Abs. 1 AktG integriert, um ihm eine herausgehobene Stellung zu verleihen, ist zunächst anzuführen, dass die Kompetenzverteilung aus den bereits beschriebenen sachlichen Gründen beibehalten worden ist.137 Die Gesetzesbegründungen von 1960138 und 1962139 belegen den Transfer des Leitungsbegriffs in das heutige Aktiengesetz als Symbol der Kompetenzordnung: Für den Gesetzgeber war zunächst zentraler Regelungspunkt, wer in der Gesellschaft Verantwortung trägt. Das schlägt sich im dualistischen System nieder, namentlich in der Trennung von Leitung und Überwachung. Sodann betonen die gleichlautenden Fassungen, dass der Hauptversammlung kein stärkerer Einfluss zukommen solle, da sich die demokratische Idee wenig für die erwerbswirtschaftliche Leitung eigne, es komme auf fachlichsachliche Fähigkeiten an. Die Leitung ist also Teil einer grundsätzlichen Aufgaben- und Kompetenzverteilung und zeigt an, dass der Vorstand die Aktiengesellschaft steuert. Der Gesetzgeber konkretisierte die Steuerung sogleich: Sowohl die Geschäftsführungs- als auch die Vertretungsbefugnis ergeben sich ausweislich der Regierungsbegründung aus § 70 Abs. 1 AktG.140 Auch dies streitet für eine bloße Übernahme des Organisationssystems von 1937. Darüber hinaus deklarierte der Gesetzgeber von 1965 den LeitungsbeGesetzestext und RegBegr in Kropff, AktG 1965. Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 36. 137  Siehe schon A. Hueck/G. Hueck, in: Baumbach/Hueck, AktG 1937, S. 229 f. Diese Einschätzung wird auch 1965 und heute ganz allgemein geteilt, dazu mit einer differenzierten Analyse Kropff, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 16. Kap. Rn. 55 ff.; so auch Habersack, in: Münch. Komm. AktG, Einl. Rn. 21; Kort, in: Großkomm. AktG, Vorb. § 76 Rn. 8. 138  RegBegr BT-Drs. 1915. 139  RegBegr in Kropff, AktG 1965. 140  Zum Vorstehenden RegBegr BT-Drs. 1915, S.  120  f.; RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 95 ff. Die scharfe Trennung von Geschäftsführung und Vertretung bezieht sich nach richtigem Verständnis lediglich auf die unterschiedlichen Anforderungen, die der Gesetzgeber an ihre Wirksamkeit stellt (siehe schon oben II. 1.). Inhaltlich stellt auch die Vertretung eine Geschäftsführungsmaßnahme dar. 135  Dazu 136  Vgl.



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griff nicht als herausragend.141 Als weiterer Beleg kann § 90 Abs. 1 AktG herangezogen werden: Der Gesetzgeber nimmt in seiner Gesetzesbegründung Bezug auf eine wichtige Geschäftsführungsmaßnahme.142 Die heute herrschende Meinung stützt sich hingegen zum Teil auf § 90 AktG, um die nicht delegierbaren Leitungspflichten zu ermitteln. Der Gesetzgeber unterschied aber anscheinend nur mehr und weniger wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen. Für eine besondere Bedeutung des Leitungsbegriffs könnte allerdings sprechen, dass der Gesetzgeber in den Bundestagsdebatten zum Aktiengesetz von 1965 auf die Leitung des Unternehmens abstellte. Er könnte dem Leitungsbegriff von 1937 somit durch die Übernahme in den Gesetzestext von 1965 einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund verliehen haben. In einer Sitzung des Bundestags rekurrierte Wilhelmi nämlich auf die verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Hüllen, die je nach dessen Größe mehr oder weniger geeignet seien, ein Unternehmen zu kleiden; die Organe übernähmen dabei das unternehmerische Denken, wobei der Vorstand gewisse Kompetenzen gegenüber Hauptversammlung und Aufsichtsrat haben müsse, um die Gesellschaft zu führen; so erkläre sich auch der Begriff des Managertums, da Leitung und Eigentum geteilt seien. Des Weiteren sei eine gute unternehmerische Leitung Voraussetzung für eine gute wirtschaftliche Situation. So eröffnete der Bundestag scheinbar die Debatte, wann Vorstände gute, qualifizierte Manager sind.143 Im eigentlichen Fokus stand aber die Frage, inwieweit Rechte bei den Aktionären verbleiben, ihnen also Schutz, aber auch „eigentumsrechtliche“ Kompetenzen zukommen. Die Diskussion im Bundestag rankte sich also um die Beziehungen der einzelnen Organe zueinander und nicht um das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung. Nach vereinzelter Auffassung speist sich die Unternehmerfunktion jedoch aus der Erwägung, dass die Leitung nach der Reform von 1937 beschrieben habe, wer im Wesentlichen die Gesellschaft steuere, namentlich der Vorstand. Nach der Reform von 1965 sei jedoch wiederum die Hauptversammlung gestärkt worden, sodass für den Vorstand die unternehmerische Funktion 141  RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 97. Das bestätigt auch Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1470, wonach nichts darauf hindeute, dass der Leitungsbegriff näher definiert werden solle, erst Recht habe der Gesetzgeber kein Delegationsverbot damit verknüpft. Auch das Schrifttum von damals suggeriert keine herausgehobene Stellung des Leitungsbegriffs, siehe etwa Flume, Referentenentwurf, 1958, S. 8, der lediglich auf das Kollegialprinzip und die kollegiale Verantwortung eingeht. Die kollegiale Verantwortlichkeit, namentlich das Gesamtverantwortungsprinzip, wird von der Delegation jedoch nicht berührt, siehe noch § 6 I. 1. b), II. 3. 142  RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 96. 143  Vgl. Wilhelmi, in: Dt. Bundestag, 17. Sitzung am 23. Februar 1962, S. 595 ff. Außerdem Atzenroth, in: Dt. Bundestag, 17. Sitzung am 23. Februar 1962, S. 601.

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bleibe, während die Wesensentscheidungen von der Hauptversammlung zu fassen seien.144 Ein nach den jeweiligen Reformen gespaltener Leitungsbegriff findet in den Gesetzesbegründungen jedoch keine Grundlage. Außerdem stellt der Vorstand nach der Reform von 1965 weiterhin das Organ dar, das die Aktiengesellschaft im Wesentlichen steuert, indem er die Geschäfte führt und die Hauptversammlung davon ausgeschlossen ist. Die Einflüsse, die das Gesetz der Hauptversammlung zugesteht, reduzieren die Funktion des Vorstands nicht auf das Unternehmertum. Vielmehr handelt es sich um ausgewählte, besonders grundlegende Entscheidungen, über die die Hauptversammlung zu befinden hat.145 Der Leitungsbegriff repräsentiert somit auch in der Reform von 1965 die Kompetenzabgrenzung, sodass seine Übernahme in die neue Textfassung als traditionsgeleitet einzuordnen ist. c) Wertungen der Gemeinwohlklausel Der symbolische Leitungsbegriff könnte aber deshalb gegenüber der Geschäftsführung herausragen, da der Gesetzgeber von 1937 ihn nicht isoliert im Gesetz verankerte, sondern um einen Zusatz ergänzte. In der Fassung von 1937 lautete § 70 Abs. 1 AktG noch: „Der Vorstand hat die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern.“ Der Gesetzgeber erlegte dem Führungsorgan eine Zielvorgabe auf. Neben dem vor allem materiellen Interesse der Gesellschaft sollte der Vorstand, ganz im Sinne nationalsozialistischer Doktrin, (vorrangig) das Allgemeininteresse, also das sogenannte Gemeinwohl, im Blick haben.146 Der Leitungsbegriff könnte daher zum damaligen Zeitpunkt Wertungen enthalten haben, die über die aktienrechtlichen Belange hinausgingen. Auch im Rahmen der Reform von 1965 und darüber hinaus wurden und wird über solche, wenn auch selbstverständlich vom ­nationalsozialistischen Gedankengut befreite, überaktienrechtliche Einflüsse diskutiert. Aber selbst die Gemeinwohlklausel von 1937 bedurfte keines Leitungsbegriffs als Einfallstor: Laut Teichmann/Koehler hatte der Aufsichtsrat gemäß § 95 AktG 1937 sicherzustellen, dass sich die Geschäftsführung innerhalb von Gesetz und Satzung halte und die Gemeinwohlklausel einhalte. Die Autoren verknüpften sogar explizit Geschäftsführung und wirtschaftlichen Erfolg.147 Dass die Geschäftsführung und auch die Gemeinwohlklausel Wendeling-Schröder, Divisionalisierung, S.  38 f. schon § 3 II. 1. 146  Dazu Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 70 Ziff. 3. Umfängliche Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Gemeinwohlbindung bei Fleischer, AG 2017, 509 ff. 147  Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 95 Ziff. 2 a). 144  So

145  Dazu



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vom Aufsichtsrat zu überwachen waren, könnte so interpretiert werden, dass die Gemeinwohlklausel stellvertretend für Aufgaben steht, die den Bereich der Geschäftsführung übersteigen. Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich aber lediglich um eine Klarstellung. Die Gemeinwohlklausel war somit rechtlich eigenständig und bezog sich auf den Bewertungsmaßstab für das Vorstandshandeln, die Geschäftsführung. Es ist zudem unerklärlich, warum die Beiträge aus der damaligen Reformzeit die Leitung konsequent aussparten, wenn mit ihr doch nach der herrschenden Auffassung der Kern der Vorstandsaufgaben normiert werden soll. Der Leitungsbegriff ist somit nicht die dogmatische Begründung für eine Interessenbindung des Vorstands. Etwas anderes ist auch nicht nach der Reform von 1965 anzunehmen: Der Gesetzgeber hat die Gemeinwohlklausel ganz bewusst gestrichen. Grund dafür war nicht die nationalsozialistische Ausprägung, die der Gesetzgeber ohnehin nicht übernommen hätte.148 Der finale Ausschussbericht bemängelte letztlich die rechtliche Relevanz der Beigabe, da die Berücksichtigung von Arbeitnehmer-, Aktionärs- und öffentlichen Interessen, so sinngemäß die vorgeschlagene Formulierung, selbstverständlich sei sowie ein falsches Verständnis drohe, welche Aussagekraft der Reihenfolge der Interessen zu entnehmen sei.149 Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber von 1965 den Einfluss in Kropff, AktG 1965, S. 97. in Kropff, AktG 1965, S. 97 f. Hierzu ausführlich v. Godin/ Wilhelmi, in: AktG 1965, 3. Aufl., § 76 Anm. 5–7; Rittner, FS Gessler, 1971, S. 139 ff. Welche Interessen der Vorstand seinem Handeln zugrunde zu legen hat, ist weiterhin umstritten. Bei der Interessenpluralität geht es namentlich um die Frage, welchen Interessen der Vorstand bei Erfüllung seiner Pflichten zu dienen hat, genauer ob er ausschließlich die Interessen der Aktionäre (Shareholder) oder auch die der Arbeitnehmer sowie der Allgemeinheit (Stakeholder) beachten muss. Teilweise wird vertreten, dass der Vorstand sein Handeln ausschließlich nach dem Aktionärsinteresse zu richten hat. Anknüpfungspunkt dafür ist das Gesellschaftsinteresse: Das Gesellschaftsinteresse ist das gebündelte Interesse aller Aktionäre, die zwar individuell unterschiedliche Ziele haben mögen, dennoch aber die dauerhafte Rentabilität und den Bestand ihrer Gesellschaft anstreben (Shareholderinteresse). Gesellschafts- und abstraktes Gesellschafterinteresse stimmen nach diesem Ansatz überein. Dazu monographisch Brock, Legalitätspflicht, S.  86 ff., 96 f. (m. w. N.); Vedder, in: Grigoleit, § 76 Rn. 14 ff. Zum Bedeutungsinhalt des Gesellschaftsinteresses Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 19 ff. (m. w. N.). Herrschend ist die interessenplurale Zielkonzeption: Die Interessen, die der Vorstand zu vertreten hat, sind demnach vielschichtig. Seine Ermessensentscheidung sollen Aktionärs-, Arbeitnehmer- und öffentliche Interessen, also Stakeund Shareholderinteressen, beeinflussen können. Diese Interessen sind im Sinne des Gebots praktischer Konkordanz in Ausgleich zu bringen. Ein Vorrang einzelner Interessen besteht nicht. Ermessensschranke ist jedoch der Bestand der Gesellschaft und ihre dauerhafte Rentabilität. Der Vorstand unterliegt jedoch gerade nicht den Zwängen kurzfristiger Gewinnmaximierung. Dazu ausführlich Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 73 ff. sowie Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 28 f., 30 ff. (m. w. N.). Fendt, AG 2017, 99, 100 ff. ist insgesamt kritisch und sieht die Gefahr der Fremdbestimmung: 148  Ausschussbericht 149  Ausschussbericht

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pluralistischer Interessen auf den Vorstand als selbstverständlich anerkannt hat, könnte nun die herausragende Bedeutung der Leitung folgen. Dieses Anerkenntnis spricht aber gerade gegen eine derartige Auslegung des Leitungsbegriffs: Wenn die Beachtung dieser Interessen selbstverständlich ist, kann der Leitungsbegriff nicht das dogmatische Begründungsvehikel sein, da die Historie des Aktienrechts nicht immer einen Leitungsbegriff kannte. Dabei ist es schwer vorstellbar, dass Arbeitnehmer-, Aktionärs- und öffentliche Interessen vor der Einführung des Leitungsbegriffs gänzlich unbeachtet blieben, auch wenn sie gewiss in unterschiedlicher Intensität eine Rolle spielten. Die Verknüpfung von Leitung und Interessenwahrung überzeugt somit nicht. Indem er Leitung und Gemeinwohlklausel entflechtet und die Gemeinwohlklausel abgeschafft hat, zeigt der Gesetzgeber von 1965, dass 1937 einerseits ideologische Rechtsetzung betrieben wurde, andererseits eine demokratisch verfasste Gemeinwohlklausel selbstverständlich ist. Der Gesetzgeber hat es bei der Reform von 1965 jedoch verpasst, auch den Leitungsbegriff zu streichen, obwohl die Steuerungsfunktion des Vorstands unangefochten ist. d) Gesellschafts- und organübergreifende Bedeutung der Leitung Die vorstehenden Ausführungen kommen zu dem Ergebnis, dass der Leitungsbegriff 1937 schlicht den Umbruch in der gesetzlichen Ausgestaltung verkörperte, 1965 sodann lediglich eine traditionsgeprägte Übertragung stattgefunden hat. Der Leitung könnte aber auch ein weiterer Bedeutungsinhalt zukommen, der Organ- wie Gesellschaftsgrenzen übersteigt: So blickte Klausing in seiner Einleitung zum Aktiengesetz von 1937 auch auf die weiteren Gesellschaftsformen. Insbesondere im Hinblick auf die GmbH sprach er gleichfalls von der Leitung des Unternehmens.150 Das Aktienrecht okkupierte den Leitungsbegriff demnach schon zu dieser Zeit nicht. Aber auch Da das Gesetz eine nähere Bestimmung nicht erfordere, sei der Gesellschaftszweck häufig nicht in der Satzung verankert, was dazu führe, dass sich die Aktionäre der Vermutung und die Gesellschaft Gesetzgebung, Rechtsprechung und Rechtsfortbildung unterwürfen, da die verschiedenen Ansätze, die Leitungsmaxime des Vorstands zu definieren, zu unbestimmt und letztlich nicht operabel seien. Er plädiert für individuelle Satzungsregelungen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dem interessenpluralen Ansatz zu folgen: Er stimmt mit den vorliegend beschriebenen Vorstellungen des Gesetzgebers überein. Außerdem spiegelt er auch die Rechtslage wieder: Der Gesetzgeber hat die verschiedenen Interessen zum Teil schon in Gesetzesform gegossen, etwa in Arbeitnehmer-Schutzgesetzen wie dem Kündigungsschutzgesetz, sodass der Vorstand aufgrund seiner Pflicht, sich gesetzestreu zu verhalten (Legalitätspflicht), ohnehin gebunden ist. So auch RegBegr in Kropff, AktG, S. 98. Denkbar ist es hingegen, Stake- und Shareholderinteressen in die Abwägung einzubringen, wann der Vorstand die Aufgabe nicht delegieren darf, siehe dazu unter § 6 I. 1. d) bb). 150  Klausing, AktG 1937, Einl. Rn. 109.



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innerhalb der Aktiengesellschaft reduzierte Klausing den Leitungsbegriff nicht nur auf den Vorstand: Einerseits sollte der Vorstand zwar „Leiter“ des Unternehmens sein. Andererseits seien mehrere Organe für die Leitung notwendig. Der Vorstandsvorsitzende könne intern und extern zum Leiter des Unternehmens erklärt werden, ihm stehe jedoch nicht die Position des Alleinvertretungsberechtigten zu.151 Klausing bezog sich auf die Vertretung, dies gilt aber auch für die Geschäftsführung, die ebenfalls nach außen gerichtete Maßnahmen umfasst.152 Diese Ausführungen deuten darauf hin, dass die Leitung eine Funktionszuweisung verkörpert, im Falle des Vorstands also die Steuerungsverantwortung, rechtliche Konsequenzen aber aus den Handlungsvorschriften folgen. Dass die Begrifflichkeit ausschließlich im Vorstandsrecht des Aktiengesetzes Verwendung findet, hat die historische Analyse bereits hinreichend mit der Kompetenzverlagerung begründet. 3. Geschäftsführung als selbstverständlich vorausgesetzter Maßstab Ausgehend von dieser isolierten Betrachtung des Leitungsbegriffs soll nun die Entwicklung der Regelungen zur Geschäftsführung beleuchtet werden. In der Fassung des Aktiengesetzes von 1937 wurde die Geschäftsführung augenscheinlich nicht geregelt. Die Vertretung fand sich hingegen schon 1937 ausdrücklich in § 71 AktG 1937. Die Nichtregelung der Geschäftsführung könnte daher zu dem Umkehrschluss verleiten, dass der Gesetzgeber von 1937 der Leitung eine herausragende Bedeutung beimessen wollte. Dagegen spricht aber bereits, dass der Wortlaut des § 70 Abs. 2 AktG 1937 dem jetzigen § 77 AktG stark ähnelt. Ein Blick auf die Ausführungen des Gesetzgebers zeigt zudem, dass die Geschäftsführung vorausgesetzt wurde.153 Das Aktiengesetz von 1937 tritt aber darüber hinaus auch ausdrücklich den Nachweis an, dass der Geschäftsführung eine bedeutende Rolle zukommt: § 95 Abs. 1 AktG 1937 stellte auf die Geschäftsführung ab. Danach hatte der Aufsichtsrat auch damals schon die Geschäftsführung durch den Vorstand zu überwachen. Die Tätigkeit des Kontrollorgans gehört zu den wesentlichen Ankerpunkten der aktienrechtlichen Organisationsverfassung. Wäre die Leitung damals schon die herausragende Pflicht des Vorstands gewesen, hätte 151  Zum Vorstehenden Klausing, AktG 1937, Einl. Rn. 72 f., 77. Dennoch bleiben seine Ausführungen nicht widerspruchsfrei. Er verweist auch darauf, dass dem Vorstand Geschäftsführung und Vertretung zustünden, erst dann kommt er auf die Leitung zu sprechen, die der Vorstand aber vollkommen selbständig ausübe. Eine klare Zuordnung gelingt so nicht. Die Art und Weise, wie Klausing mit den Begriffen umgeht, zeigt aber erneut, dass die damaligen Literaturstimmen den Leitungsbegriff nicht als herausragend wahrgenommen haben. 152  Siehe zur Definition der Geschäftsführung bereits II. 1. 153  AmtlBegr in Klausing, AktG 1937, S. 56.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

der Gesetzgeber die Überwachungspflicht auf die Leitung erstreckt. Obwohl die Geschäftsführung durch den Vorstand also nicht eigens in einer Vorschrift geregelt wurde, war sie selbstverständlich. Ein analoges Bild zeichnet die Literatur: Sämtliche Kommentare äußerten sich schon 1937 zur Geschäftsführung und fassten sie überwiegend unter § 70 AktG 1937, das Schrifttum spaltete sodann Geschäftsführung und Vertretung unter der Überschrift Leitung auf.154 Frels ergänzte die Stellungnahmen der Literatur noch um eine praktische Erwägung: Nach seiner Auffassung hing die fehlende Regelung damit zusammen, dass die Vertretung im Vergleich zur Geschäftsführung finanziell stärker belaste, da es hier um Verbindlichkeiten gegenüber Dritten gehe, und auch der Gesetzgeber aus diesem Grunde eine Geschäftsführungsregelung nicht für notwendig befunden habe.155 Während es daher dringend angezeigt war, durch die Reform von 1965 die Geschäftsführung ihrer Bedeutung entsprechend positiv zu normieren, da sie doch jede für die Gesellschaft relevante Entscheidung berührt, hat der Gesetzgeber bezüglich der Leitung nicht hinreichend deutlich machen können, welchen Eigenwert sie noch besitzt.156 154  Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 70 Rn 2, 10; § 71 Rn. 2; W. Schmidt, in: Großkomm. AktG, 1939, § 70 Anm. 3, 14, wonach die Vorschriften zur Vertretung selbstverständlich die Geschäftsführung beschränken würden; Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 70 Ziff. 2, 4, wonach das Gesetz die Geschäftsführung eher nebenbei regle. Boesebeck, JW 1938, 2525 ff., insb. 2527 thematisiert den Leitungsbegriff in seinem Beitrag ebenfalls nicht im Sinne eines rechtlich selbständigen Terminus, sondern stellt ausschließlich auf die Geschäftsführung ab. Der Leitungsbegriff wird im Kontext der Aufgabenbereiche verwendet, etwa Leitung der technischen Abteilung. Daraus lässt sich aber keine besondere Stellung ableiten. Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1469 f. teilt die Annahme, dass der Leitungsbegriff zu dieser Zeit so eingestuft wurde. 155  Frels, ZHR 122 (1959), 9, 10. 156  Dem steht auch nicht der – letztlich folgenlose – Begründungsversuch von Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 5 entgegen: Die Übernahme des Leitungsbegriffs soll auf der Neuordnung von 1965 beruhen: Vor der Reform habe das Aktiengesetz keine eigene Vorschrift zur Geschäftsführung enthalten. Mit der Reform von 1965 gehe auch die Normierung der Geschäftsführung gemäß § 77 AktG einher. Der Vorstand nehme als Gesamtaufgabe jetzt aber Geschäftsführungs- und Vertretungsaufgaben wahr, sodass die Geschäftsführung nicht mehr universell Verwendung finden könne. Daher diene die Leitung als Oberbegriff für das Handeln nach innen und außen. Dieser Begründungsweg verfängt jedoch nicht. Die Geschäftsführung erfasst sowohl nach innen als auch nach außen gerichtete Maßnahmen, somit auch Vertretungshandlungen. Die Vorschriften der §§ 77, 78 AktG regeln schlicht Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Maßnahmen, die im Innen- oder Außenverhältnis erfolgen. Hier legt das Gesetz, zum Beispiel aus Gläubigerschutzgründen, unterschiedliche Maßstäbe an. Keineswegs sind Geschäftsführung und Vertretung strikt zu trennen, dazu schon II. 1. Semler ignoriert zudem, dass sowohl Gesetzesmaterialien als auch



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4. Offene Gesetzesbegründung zu § 308 AktG 1965 Möglicherweise ergibt sich der vorstehend geforderte Hinweis des Gesetzgebers auf einen herausgehobenen Leitungsbegriff aber aus der Gesetzesbegründung zu § 308 AktG: Das Weisungsrecht aus dem konzernrechtlichen Beherrschungsvertrag erstrecke sich nicht nur auf Geschäftsführungsmaßnahmen, sondern auf den gesamten Bereich des § 76 Abs. 1 AktG.157 Dieser „gesamte Bereich“ könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Leitung gegenüber der Geschäftsführung herausragt, da die Formulierung ein Mehr gegenüber der Geschäftsführung impliziert. Der gegenwärtige juristische Diskurs erweitert den Anwendungsbereich sogar explizit auf die bloße Geschäftsführung.158 Auch dies spräche für eine Differenzierung von Leitung und Geschäftsführung. Diese Erweiterung ist aber letztlich nur eine Folge der gewandelten Interpretation von Leitung und Geschäftsführung.159 Außerdem lässt die Gesetzesbegründung andere Lesarten zu, die die These vom herausgehobenen Leitungsbegriff entkräften: Zum Teil wird der Formulierung entnommen, dass die Weisung nicht auf einen Kernbereich beschränkt sei, sondern für die Geschäftsführung im Gesamten gelte.160 Zum Teil soll sich das Weisungsrecht auf die Leitung im Sinne eines Oberbegriffs für Geschäftsführung und Vertretung beziehen.161 In dieser zweiten Auslegungs­ variante hätte die Gesetzesbegründung somit klargestellt, dass auch die Vertretung und somit Handlungen gegenüber Dritten der Weisung unterliegen. Dazu musste der Gesetzgeber auf den gesamten Bereich verweisen. Das überzeugt tatsächlich nur als Klarstellung, da jede Vertretungsmaßnahme Kommentierungen zur Reform von 1937 trotz fehlender ausdrücklicher Regelung bereits auf die Geschäftsführung rekurrierten. 157  RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 403. 158  Da die herrschende Auffassung von einem einheitlichen Leitungsbegriff ausgeht, vgl. RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 403; Altmeppen, in: Münch. Komm. AktG, § 291 Rn. 78; Koch, in: Hüffer/Koch, § 308 Rn. 12; Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 69 ff. (m. w. N.), müssen die Schrifttumsvertreter gesondert begründen, warum entgegen ihrem Verständnis die bloße Geschäftsführung von der Weisung erfasst ist. 159  Diesen Umschwung, der das ursprüngliche Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung nicht mehr wiedergebe, betont auch Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 291 Rn. 60. Die konzernrechtlichen Leitungsbegriffe der §§ 291, 308 AktG sollen daher identisch sein mit der Geschäftsführung i. S. d. § 77 AktG. Siehe auch Hirte, in: Großkomm. AktG, § 308 Rn. 29 („Leitung im Ganzen“); Schütz, in: Semler/v. Schenk, § 111 Rn. 174. Offen lässt Mülbert jedoch, wie er das Verhältnis genau bewertet. Sofern er den Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG wie die vorliegende Auffassung versteht, ist eine Spaltung der Begriffe überflüssig. 160  Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 291 Rn. 60. Siehe auch Lippert, Überwachungspflicht, S.  26 ff.; Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 71. 161  Hirte, in: Großkomm. AktG, § 308 Rn. 29.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

ohnehin eine Geschäftsführungsmaßnahme darstellt.162 Nach der hier vertretenen Auffassung wollte der Gesetzgeber insbesondere hervorheben, dass die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands, die in § 76 Abs. 1 AktG geregelt ist, ausgehebelt wird, wenn ein Beherrschungsvertrag geschlossen wird. Die Leitung steht daher letztlich auch hier im Zeichen der Kompetenzfrage:163 In der Aktiengesellschaft steuert der Vorstand die Gesellschaft weisungsfrei. Besteht ein Beherrschungsvertrag, steht der herrschenden Gesellschaft ein Weisungsrecht zu. Der Steuerungsschwerpunkt wird also verlagert. Diese Situation lässt sich mit der Stellung des Vorstands vor der Reform von 1937 vergleichen.164 Gegen einen herausgehobenen Leitungsbegriff spricht letztlich auch, dass sich die Regierungsbegründung außer im Rahmen des § 308 AktG zur Leitung ausschweigt.165 Führt man sich vor Augen, welche Rechtsfolgen die herrschende Meinung an den Leitungsbegriff knüpft, hätte der Gesetzgeber im Rahmen des § 76 Abs. 1 AktG in der Tat einen präziseren Hinweis geben müssen. 5. Schleichender Verständniswechsel Betrachtet man also die Reformen von 1937 und 1965, ist eine besondere Bedeutung des Leitungsbegriffs nicht erkennbar. Diese kann sich aber durchaus erst im Anschluss an die beiden Reformen entwickelt haben. Aus Sicht des Gesetzgebers ist dazu insbesondere das KonTraG von 1998166 zu beleuchten. Im Regierungsentwurf findet sich ein Hinweis auf die Existenz von Leitungspflichten: Danach sei die Verpflichtung, nach § 91 Abs. 2 AktG ein Überwachungssystem einzurichten, eine gesetzliche Ausprägung der allgemeinen Leitungsaufgabe nach § 76 AktG. Weitere Ausführungen des Gesetzgebers zur „allgemeinen Leitungsaufgabe“ erfolgen nicht, es komme auf das jeweilige Unternehmen an.167 Angesichts dieser Ausführungen könnte man in Betracht ziehen, dass sich der Gesetzgeber der herrschenden Meinung anschließen wollte. Das überzeugt aber nicht: Der Gesetzgeber von 1998 war mit Sicherheit nicht unbeeinflusst von den Strömungen und Stimmungen der beschriebenen Debatte. Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung sind aber nicht hinreichend eindeutig, um sie als inhaltliche Übereinstimmung zu 162  Dazu

bereits II. 1. Eindruck vermittelt letztlich auch Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 65 ff., der ebenfalls auf die Kompetenzfrage abstellt. 164  Dazu III. 1. 165  So findet der Leitungsbegriff außerhalb des Konzernrechts wenig Betonung, siehe RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 97 ff. 166  Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998, BGBl. I, S. 786. 167  Zum Vorstehenden RegBegr ZIP 1997, 2059, 2061. 163  Diesen



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werten. Letztlich hätte der Gesetzgeber eine Korrektur des Normtextes vorgenommen oder die Gesetzesbegründung deutlicher formuliert, wenn er sich dem herrschenden Verständnis des Leitungsbegriffs angeschlossen hätte. Der Gesetzgeber könnte aber durch seine Gestaltung des § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG ein Votum für die herrschende Meinung abgegeben haben: In der Fassung vom 6. September 1965 hieß es noch, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat zu berichten hat über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftsführung. Nach dem KonTraG muss der Vorstand nun über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung) berichten. Der Gesetzgeber hat also betriebswirtschaftliche Begrifflichkeiten im Gesetz implementiert. Das könnte die These vom herausgehobenen Leitungsbegriff stützen, die ebenfalls maßgeblich auf einer unternehmerischen Durchdringung beruht.168 Eine derartige Auslegung würde aber missachten, dass weder die Norm noch die Gesetzesbegründung auf den Leitungsbegriff rekurrieren oder eine Abgrenzung der Pflicht zur Geschäftsführung andeuten. Der Gesetzgeber begründete die Ergänzung vielmehr damit, dass sie klarstellende Funktion habe und die Unternehmensplanung als Teil der Überwachung noch einmal hervorhebe, gleichsam bestimme die Ergänzung auch den Aufgabenkreis des Vorstands.169 Im Ergebnis findet nur bei kursorischer Betrachtung ein gesetzgeberischer Verständniswechsel statt, der einer inhaltlichen Überprüfung nicht standhält.170 Die Kommentierungen im Schrifttum belegen hingegen auch inhaltlich einen schleichenden Verständniswechsel zur herrschenden Meinung. Besonders anschaulich ist hier die Kommentierung von Würdinger: Dieser definierte in den ersten beiden Auflagen seines Werks die Geschäftsführung als „alle Maßnahmen, in welchen die Leitung des Unternehmens auf der Grundlage der Satzung zum Ausdruck kommt“. Außerdem bezeichnete er die ­Geschäftsführung als „alleinige Zuständigkeit und Aufgabe des Vorstandes“ und betonte „die ihm damit zugewiesene selbständige Leitung des Unter­ nehmens“.171 In den weiteren Auflagen hat sich die Leitung zum Teilbereich der Geschäftsführung entwickelt.172 Im Ausgangspunkt deckt sich die Kommentierung demnach mit den bisherigen Auslegungsergebnissen, indem 168  Siehe

dazu den Meinungsstand unter § 4 II. 3. c). Regierungsentwurf zum KonTraG, RegBegr ZIP 1997, 2059, 2061. 170  Die Gesetzesänderungen nach 1965 hatten insgesamt keine namhaften Auswirkungen auf das Kompetenzgefüge. Dazu Habersack/Schürnbrand, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 17 Kap. Rn. 4 ff. 171  Zum Vorstehenden Würdinger, AktG 1937, 1. Aufl. 1959, S. 131; Würdinger, AktG 1965, 2. Aufl. 1966, S. 118. 172  Würdinger, AktG, 3.  Aufl. 1973, S. 108; Würdinger, AktG, 4. Aufl. 1981, S.  119 f. 169  Siehe

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

maßgeblich auf die Geschäftsführung abgestellt wird. Erst schleichend und ohne weitere Begründung nimmt sie das herrschende Verständnis vom Leitungsbegriff an. Ein ähnliches Bild zeichnet die Kommentierung von Mertens: Die Leitung wurde in der ersten Auflage zunächst als „ausschließliche Zuständigkeit für die Führung der Geschäfte“ beschrieben. Zur Bestimmung des Geschäftsbegriffs verwies er auf § 77 AktG.173 Mit der zweiten Auflage soll die Leitung mehr als Geschäftsführung sein, da der Vorstand die Unternehmerfunktion wahrnehme.174 Auch hier erfolgt ein plötzlicher Meinungsumschwung. Somit vollziehen sowohl Gesetzgebung – wenn auch nur terminologisch und nicht inhaltlich – als auch Schrifttum einen Kurswechsel, ohne dies überzeugend zu begründen. 6. Zwischenergebnis Blickt man also auf die Entwicklungslinien von Leitung und Geschäftsführung, so untermauert auch diese historische Betrachtung, dass das Vorstandshandeln ausschließlich anhand des Geschäftsführungsbegriffs zu bewerten ist. Führt man sich vor Augen, welchen Sinngehalt der Gesetzgeber von 1937 dem Leitungsbegriff zuwies, dann haben die Rechtsgestalter von 1965 bewusst einen Begriff erhalten, der die Kompetenzverlagerung bloß symbolisch verdeutlichte. Eine rechtlich selbständige Bedeutung kommt dem Leitungsbegriff somit nicht zu.

IV. Leitung unter Zweckgesichtspunkten 1. Keine bloß exekutive Funktion der Geschäftsführung Weder bei systematischer noch bei historischer Betrachtung konnte der Leitungsbegriff bislang im Sinne der herrschenden Auffassung ausgedeutet werden. Abschließend durchleuchtet der nachfolgende Abschnitt den Leitungsbegriff daher teleologisch. Anders als bei der historischen Betrachtung stellt sich die Frage, ob der Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG, namentlich dem dort normierten Leitungsbegriff, aus heutiger objektiver Perspektive ein bestimmter Zweck innewohnt, der eine Abgrenzung von der Geschäftsführung rechtfertigen könnte. So werden der Leitung im Sinne eines „juristischen Zweckbegriffs“ verschiedene Funktionen zugewiesen.175 Eine dieser Funk­ 173  Mertens,

in: Kölner Komm. AktG, 1. Aufl., § 76 Rn. 4. in: Kölner Komm. AktG, 2. Aufl., § 76 Rn. 4. 175  Siehe dazu statt aller Fleischer, ZIP 2003, 1 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 6 ff., wonach der Leitungsanordnung die Kompetenzzuordnung, die Kollegialverantwortung, der unveräußerliche Kernbereich, das Pflichtrecht sowie die Unter174  Mertens,



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tionen soll die Unternehmerfunktion sein. Demnach leite der Vorstand nicht nur die Gesellschaft, sondern vor allem ein Unternehmen. Daraus ergebe sich dann auch der Unterschied zwischen Leitung und Geschäftsführung.176 Die Umschreibungen dieser Funktion variieren im Einzelnen, enthalten im Ergebnis aber die gleiche Wertung:177 Die Leitung repräsentiere die grundsätzliche Steuerung der Gesellschaft, während die Geschäftsführung nur das einzelne (Umsetzungs-)Geschäft abbilde. So findet sich bei v. Godin/Wilhelm die Aussage, Geschäftsführung sei „die Entscheidung in den gewerblichen Angelegenheiten im engeren Sinn oder die Entscheidung über das einzelne Geschäft“178, während Leitung „die Richtungsweisung und die Aufstellung der Geschäftsgrundsätze“179 darstelle. Dose nimmt dies als Ausgangspunkt

nehmerfunktion zu entnehmen seien. Die hier vorgenommene Analyse hat bereits zum Teil herausgestellt, dass diese Prinzipien nicht aus dem Leitungsbegriff folgen. Siehe insbesondere unter historischem Blickwinkel III. 2; außerdem noch unter § 6. 176  So Fleischer, ZIP 2003, 1; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 11; Henze, BB 2000, 209; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 6 ff.; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1466; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 9. Vgl. auch Nietsch, ZGR 2015, 631, 635, der feststellt, dass dem Vorstand mit der Leitung die „unternehmerische Initiative überlassen ist“. Letztlich auch Rohde/Geschwandtner, NZG 2005, 996, 997, der Unternehmensleitung und laufende Geschäftsführung einander gegenüberstellt. Siehe im Übrigen bereits im Meinungsstand unter § 4 II. 3. c). 177  Laut Rohde/Geschwandtner, NZG 2005, 996, 997 soll die Leitung unternehmerisches wie strategisches Handeln umfassen, während § 77 AktG bloß die laufende Geschäftsführung sei; Leitung sei sogar im Gegensatz zur Geschäftsführung ein notwendiger Teil der Vorstandsfunktion. Nicht eindeutig zuzuordnen sind die Ausführungen von Wendeling-Schröder, Divisionalisierung, S. 37 ff.: Die Begriffe seien einerseits identisch, andererseits sei die Leitung jedoch strategisch, die Geschäftsführung „handlungsbezogen“. Dennoch soll auch die Geschäftsführung nur insoweit übertragbar sein, wie es die Leitung zulasse. Relativierend stellt Wendeling-Schröder aber ebenfalls fest, dass die Geschäftsführung keine bloße Ausführung sein könne, weil dann Aufsichtsrat und Hauptversammlung nicht davon ausgeschlossen werden müssten. Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 737 f. bleibt abstrakter und sieht die Abgrenzung als Wertungsfrage. Vgl. auch die Argumentation von Veelken, Betriebsführungsvertrag, S. 211 f. zur Zulässigkeit von Betriebsführungsverträgen, also zur Delegationsebene: So sollen Geschäftsführung und Unternehmenspolitik unter die Leitung fallen. Diese Wertung entspringt der Befürchtung, der Vorstand könnte die gesamte laufende Geschäftsführung übertragen. Das ist jedoch unabhängig vom Leitungsbegriff unzulässig. Richtigerweise sieht er auch Abgrenzungsschwierigkeiten, dazu unten. Unklar Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl, § 77 Rn. 22, wonach die Aufgaben lediglich der Ausübung nach übertragen würden, aber fraglich sei, ob dies immer zulässig sei. Anhand dieser Ausführungen kann nicht eindeutig beurteilt werden, ob die Delegation an der Geschäftsführung festgemacht wird oder aber bei den genannten Pflichten mehr als nur der Kernbereich nicht delegierbar sein soll. Siehe auch Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 64. 178  v. Godin/Wilhelmi, AktG 1937, S 285. 179  v. Godin/Wilhelmi, AktG 1937, S 285.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

und konkretisiert die Leitung mithilfe der Betriebswirtschaftslehre:180 Leitung sei demnach stark vereinfacht Entscheidung, Überwachung und Verantwortung. Diese Funktionen übernehmen aber auch zum Teil Aufsichtsrat und Hauptversammlung.181 Der Vorstand plane, koordiniere, organisiere, vertrete und repräsentiere. Entsprechend diene die Geschäftsführung dazu, die Leitungsaufgaben im Einzelnen durchzuführen. Geschäftsführung als Maßnahmenkatalog exekutiver Art setze unternehmerische Entscheidungen um. Leitung definiere sich somit als „die Durchführung der unternehmerischen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft“182. Eher kryptisch formuliert Kort, Leitung sei die „Anführung, Anleitung oder Lenkung“183 und Führung der Gesellschaft im Sinne einer grundsätzlichen Ausrichtung, die sich wiederum auf den Gesellschaftszweck stützt; Geschäftsführung sei dagegen allgemeines Handeln, vergleichbar mit dem zivilrechtlichen Begriff der Geschäftsbesorgung.184 Dem kann nicht gefolgt werden. Das Aktiengesetz zeigt eindeutig auf, dass die Geschäftsführung (mitsamt der Vertretung) nicht nur exekutiver Art ist: Zunächst trägt § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand nicht auf, das Unternehmen zu leiten, sondern die Gesellschaft. Dass die Gesellschaft gleichsam Rechtsträgerin eines Unternehmens ist185 und der Vorstand somit ein Unternehmen führt, wird damit auch nicht bestritten. Das Gesetz ordnet die unternehmerischen Einflüsse jedoch nicht in der vom Schrifttum behaupteten Art und Weise an. Die Leitung des Unternehmens muss vielmehr im Gesamtkontext des § 76 Abs. 1 AktG gesehen werden: Dort findet sich die Anordnung, dass der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich steuert. In der Tat umfasst dies auch die unternehmerischen Belange, sodass der Vorstand über die Ausrichtung des Unternehmens von Aufsichtsrat und Hauptversammlung unabhängig entscheidet.186 Daraus ergibt sich aber kein Unterschied von Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben. Vielmehr geht es auch hier bloß um eine kompetenzrechtliche Zuweisung. § 77 AktG statuiert sodann den rechtlichen Maßstab, an dem sich die Handlungen des Vorstands orientieren Nachstehenden Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 38 ff. schon III. 2. d). Außerdem § 3 II. 1. 182  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 40. 183  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 29. 184  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 29, 36a. So auch Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 98, der von „Alltagstätigkeiten im Sinne umfassender Geschäftsbesorgung (Geschäftsführung)“ spricht. Kort begründet die Unternehmenspolitik als Leitungsaufgabe mit dem DCGK. Da es sich um einen rechtlich nicht verbindlichen Leitfaden handelt (dazu Koch, in: Hüffer/Koch, § 161 Rn. 3), überzeugt dies nicht. 185  Siehe dazu etwa Fleischer, ZIP 2003, 1. 186  Siehe auch die teleologische Betrachtung durch Böttcher/Blasche, NZG 2006, 569, 570. 180  Zum

181  Siehe



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müssen. Nur in diesem rechtlichen Rahmen kann der Vorstand unternehmerisch tätig werden. Die Geschäftsführung ist mithin der einzige Anknüpfungspunkt für das Handeln des Vorstands. Der Ansatz verfängt auch deshalb nicht, da der Vorstand vor große Abgrenzungsschwierigkeiten gestellt wäre: Es ist zu erwarten, dass Strategie und Ausführung nicht trennscharf zu beurteilen sind.187 Nicht zuletzt ist das Modell der herrschenden Meinung widersprüchlich: Demnach soll sich die Leitung bloß auf einen Kernbereich konzentrieren.188 Würde man daher davon ausgehen, dass die Geschäftsführung eine bloße Umsetzungsfunktion hat, dann wäre außerhalb dieses Kernbereichs keine Entscheidungsebene vorhanden, die der „bloß“ umsetzenden Geschäftsführung vorgelagert ist. Um über eine Entscheidungsebene verfügen zu können, müsste dann doch jede Entscheidung unter die Leitung fallen. Diese Aufspaltung ist daher inhaltlich nicht überzeugend. Wendeling-Schröder argumentiert sodann, dass die Geschäftsführung keine bloße Ausführung sein könne, weil dann Aufsichtsrat und Hauptversammlung nicht davon ausgeschlossen werden müssten.189 Das überzeugt ebenfalls: Wiederum hätte der Gesetzgeber eine andere Anordnung treffen müssen, um eine Unterscheidung von Leitung und Geschäftsführung zu begründen. Schmidt-Housson bringt noch ein weiteres Argument vor, dass gegen die herausragende Bedeutung der Leitung spricht: Demnach sollen Krisensituationen die Unterscheidung überflüssig machen und je nach Situation auch Geschäftsführungsmaßnahmen nicht delegierbar sein.190 Auch wenn dies als Ausnahme formuliert ist, benennt die Aussage doch den entscheidenden Punkt: Die Firmierung als Leitungs- oder Geschäftsführungsaufgabe ist irrelevant, da es auf den Aufgabeninhalt und die Umstände ankommt.191 Somit ist eine Abgrenzung von Leitung und Geschäftsführung auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man dem Vorstand eine Unternehmerfunktion zuweist.192

187  Vgl.  Veelken, Betriebsführungsvertrag, S. 211 f. zur Zulässigkeit von Betriebsführungsverträgen. 188  Siehe § 4 II. 2. 189  Wendeling-Schröder, Divisionalisierung, S. 37. 190  Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 25. 191  Dazu noch § 6. 192  Im Ergebnis wohl auch Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl, § 76 Rn. 9 f., 18, der ebenfalls von der Leitung des Unternehmens ausgeht, jedoch hinsichtlich Leitung und Geschäftsführung Deckungsgleichheit annimmt, wenn die Geschäftsführung weit verstanden wird. Außerdem W. Schmidt, in: Großkomm. AktG, 1939, Vorb. § 70, der sowohl von Leitung des Unternehmens als auch von Leitung der Gesellschaft spricht, daran aber offensichtlich keine Rechtsfolgen knüpft, da die Unterscheidung nicht weiter thematisiert wird.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

2. Leitung als Funktionszuweisung Will man der Leitung dennoch eine Bedeutung verleihen, dann repräsentiert sie unter Berücksichtigung der bisherigen Analyseergebnisse eine Funktionszuweisung, die letztlich aber aus den jeweiligen spezifischen Kompetenzen resultiert. So taucht der Leitungsbegriff organübergreifend auf. Im Hinblick auf den Aufsichtsrat wird etwa diskutiert, ob dieser Co-Leitungsorgan ist.193 Selbst für die Hauptversammlung gibt es derartige Aussagen aufgrund ihrer Beteiligung an Grundlagengeschäften nach § 119 AktG.194 Mielke geht sogar so weit, auch Angestellte, denen Aufgaben übertragen werden, als Teil der Leitung einzustufen.195 Zumindest findet sich in den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften der Ausdruck des „leitenden Angestellten“.196 Kompetenzen und Pflichten folgen dabei nicht aus dem Leitungsbegriff selbst, sondern aus der Organisation der Gesellschaft. Es handelt sich um eine Vokabel, die dem betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch zugeordnet werden kann und als Funktionszuweisung zu lesen ist, ohne rechtliche Konsequenzen herbeizuführen.197 Das belegt auch ein gesellschaftsübergreifender Blick: So trifft die Geschäftsführer einer GmbH eine Unternehmerfunktion; gleichsam wird auch im Zusammenhang mit der GmbH von Leitung gesprochen.198 Das zeigt: Es bedarf augenscheinlich keines gesetzlich verankerten Transmissionsriemens in Form des Leitungsbegriffs, um mögliche unternehmerische Einflüsse zu begründen. Die unternehmerische Tätigkeit von Führungspersonen in Gesellschaften folgt daraus, dass alle Gesellschaften regelmäßig Rechtsträger von Unternehmen sind. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Leitungsbegriff 193  Zur Diskussion aus heutiger Sicht, ob zumindest der Aufsichtsrat auch Leitungsorgan ist, vgl. Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 77 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 2, der zugleich darauf verweist, dass die Debatte nicht zielführend sei; § 111 Rn. 13, wonach der Aufsichtsrat zumindest an der Leitung teilhabe. Klar dagegen Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 2. Zum grenzübergreifenden Leitungsbegriff unter historischem Blickwinkel siehe III. 2. d). 194  Zur Pluralität der Leitungsfrage schon III. 2. d). Sodann noch einmal Klausing, AktG 1937, Einl. Rn. 72 f., 77; nicht ganz eindeutig Endres, ZHR 163 (1999), 441, 443 f. Dagegen Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 2; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 2. 195  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 79. 196  Siehe dazu noch § 6 I. 5. 197  Zum Einfluss der Betriebswirtschaftslehre auf das Recht siehe noch unter § 6 III. 1. 198  Vgl. Klausing, AktG 1937, Einl. Rn. 109. Auch Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 125 beschreibt dies ganz ähnlich: Abseits der Weisungsfrage seien die Leitung von Aktiengesellschaft und GmbH und die daraus folgenden Aufgaben aus unternehmerischer Perspektive weitgehend gleichlaufend.



§ 5 Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung105

im juristischen Diskurs Verwendung findet. Der faktische Gebrauch der Leitung repräsentiert eine Funktionszuweisung, hier die Zuweisung der Steuerung an die Geschäftsführer. Diese Feststellungen gelten gleichermaßen für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Offene Handelsgesellschaft sowie die Kommanditgesellschaft.199 Im Ergebnis läuft daher auch der unternehmerisch interpretierte Leitungsbegriff leer. Leitung und Geschäftsführung stimmen trotz der unternehmerischen Prägung auch nicht überein,200 die Geschäftsführung ist bei zweckorientierter Auslegung der alleinige Maßstab für das Vorstandshandeln. 3. Zwischenergebnis Die teleologische Betrachtung hat gezeigt, dass Leitung und Geschäftsführung sich auch unter Zweckgesichtspunkten nicht im Sinne der herrschenden Meinung auseinanderdividieren lassen. Der alleinige Bewertungsmaßstab für das Vorstandshandeln ist die Geschäftsführung. Insbesondere kommt der Geschäftsführung nicht nur eine bloß exekutive Funktion zu. Gleichsam lassen sich mögliche betriebswirtschaftliche Einflüsse auf den Pflichteninhalt des Vorstands auch mithilfe des Geschäftsführungsbegriffs abbilden. Die Leitung steht somit für eine Funktionszuweisung, die rechtlich sodann über die normierten Kompetenzen und Pflichten ausgefüllt wird.

V. Fazit Die methodische Bewertung von Leitung und Geschäftsführung weist dem Leitungsbegriff im Ergebnis eine bloß symbolische Funktion zu. Der Leitungsbegriff zeigt an, dass der Vorstand die Aktiengesellschaft steuert. Die Geschäftsführung nach § 77 AktG bildet sodann den rechtlichen Bewertungsmaßstab für jegliches Vorstandshandeln. Dabei kann das Verhältnis der beiden Begriffe aus dem Wortlaut nicht treffsicher bestimmt werden. Unter systematischen Gesichtspunkten kristallisiert sich dann aber klar heraus, dass das gesamte Aktiengesetz auf den Geschäftsführungsbegriff abstellt. Dieses Ergebnis stützt auch eine historische Analyse. Demnach ist der Leitungsbegriff Symbol für die Neuordnung der Kompetenzen, die durch die Reform von 1937 vorgenommen wurde. Der Vorstand leitet die Gesellschaft nun eigenverantwortlich. Diese rechtliche Stellung resultiert aber nicht aus dem Leitungsbegriff, sondern daraus, dass der Gesetzgeber das ursprüngliche 199  Laut Brouwer, NZG 2017, 481 f. ist der Verein ab einer bestimmten Größe mit mittelständischen Unternehmen vergleichbar. Gleichsam spricht er von Leitungsorganen. 200  So bei weiter Auslegung Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl, § 76 Rn. 10.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Weisungsrecht der Generalversammlung gestrichen hat. Des Leitungsbegriffs bedurfte es somit nicht; er symbolisiert lediglich diesen Kompetenzwechsel. Nicht zuletzt kann auch die unter teleologischem Blickwinkel vorgenommene Zuweisung der Unternehmerfunktion keinen rechtlich selbständigen Leitungsbegriff rechtfertigen. Die Geschäftsführung deckt diese Funktion hinreichend ab. Die Zweckbetrachtung zeigt sogar noch einmal deutlich auf, dass der Leitungsbegriff keine Eigentümlichkeit des aktienrechtlichen Vorstands ist, sondern die Leitung faktisch organ- und gesellschaftsübergreifend Verwendung findet. Im Ergebnis ist daher ausschließlich auf die Geschäftsführung abzustellen, wenn das Vorstandshandeln bewertet wird. Ausgehend von diesem Ergebnis ist auch die Verknüpfung von Leitung und Delegation abzulehnen. Verortet man die Delegation dogmatisch richtig auf der Rechtsfolgenebene, kann der Streit über Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben nicht über die Delegationsfähigkeit bestimmen. Das vorstehend ermittelte Analyseergebnis ist aus Sicht des Vorstands dennoch von großer Bedeutung, da der Leitungsbegriff stets dazu diente, Pflichten, die als solche nicht einmal klar definiert sind, (beinahe willkürlich) als Leitungspflichten zu deklarieren. Diese Praxis hat demnach keine aktienrechtliche Grundlage. Angesichts dessen müsste der Leitungsbegriff de lege ferenda gestrichen werden. Da vorliegend jedoch Zweifel bestehen, dass eine Streichung rechtspolitisch durchsetzbar wäre, muss der Begriff daher zumindest in seiner bisherigen Interpretation aufgegeben werden. Für den Pflichtenkatalog des Vorstands ist somit ausschließlich die Geschäftsführung entscheidend.

§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz I. Delegationsoffene Gesetzesgestaltung 1. Horizontale Delegation a) Beschränkte Aussagekraft des § 77 AktG Die vorstehende Analyse hat gezeigt, dass die Abgrenzung von Leitung und Geschäftsführung ein untauglicher Ansatz ist, um nicht delegierbare von delegierbaren Aufgaben zu unterscheiden. Vielmehr ist jegliches Vorstandshandeln anhand des Geschäftsführungsbegriffs zu bewerten. Die Delegationsfrage hat sich dadurch nicht gleichsam erledigt und muss nun ­losgelöst von diesen beiden Kategorien beantwortet werden. Wie auch im vorigen Abschnitt wird dazu die Auslegungsmethodik herangezogen. Im Rahmen dieser methodischen Betrachtung sollen die dogmatischen Begrün-



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz107

dungswege des Delegationsverbots sowie die Differenzierungskriterien überprüft werden, die auch unabhängig vom Leitungsbegriff Anwendung finden können.201 Der Analyse ist dabei folgende Prüfüberlegung zugrunde zu legen: Zwar soll nach dem Minimalkonsens kein absolutes Delegationsverbot in dem Sinne, dass das Organisationsmittel als solches nicht zulässig sein soll, vorherrschen. Sowohl die dogmatische Begründung über § 76 Abs. 1 AktG als auch die Differenzierungskriterien haben aber eine derartige Tendenz, da sie im Ergebnis Pflichten pauschal von der Delegation ausnehmen.202 Die vorliegende Arbeit untersucht das Aktiengesetz daher grundlegend im Hinblick darauf, ob dort eine (pauschale) Beschränkung der Delegation angelegt ist bzw. welche Zulässigkeitsvoraussetzungen das Aktiengesetz formuliert. Diese Untersuchung wird auch maßgeblich davon beeinflusst, dass der Vorstand auf verschiedene Delegationsformen zurückgreifen kann, namentlich horizontale, vertikale und externe Delegation.203 Die Aufgaben werden somit in ganz unterschiedliche Ebenen übertragen. Hier ist insbesondere zu prüfen, inwieweit diese Delegationsformen unterschiedlichen Anforderungen unterliegen. Zunächst soll die horizontale Delegation beleuchtet werden, also die Delegation von Aufgaben durch den Gesamtvorstand an einzelne oder mehrere Vorstandsmitglieder oder Vorstandsausschüsse. Da die Aufgabe auf der Ebene des Vorstands verbleibt und die Vorstandsmitglieder, denen nach herrschender Meinung Organqualität zukommt,204 somit dem Gesamtvorstand sphärisch am nächsten stehen, stellt diese Form der Aufgabenwahrnehmung den geringsten Eingriff in die ursprüngliche Gesamtgeschäftsführung dar. Sollte bereits die horizontale Delegation Einschränkungen unterliegen, wirkt sich dies auch auf die weiteren Delegationsformen aus. Der Gesetzeswortlaut, der zumeist erster Anhaltspunkt für eine Analyse ist, hilft im Rahmen der Delegationsproblematik nicht, da die Delegation nur vereinzelt im Aktiengesetz geregelt ist und als Begrifflichkeit gänzlich fehlt. Namentlich § 77 Abs. 1 S. 2 AktG und § 107 Abs. 3 AktG widmen sich der Aufgabenübertra201  Dieses Vorgehen stimmt mit der Mindermeinung überein, die ausgehend vom Geschäftsführungsbegriff die Kriterien auf die Delegationsfähigkeit bezieht. Siehe zum Meinungsstand § 4. Insofern ist auch die Aussage von Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 92 ff., 97, 101 (Fn. 182), dass im Rahmen der Selbstbindung des Vorstands entweder der Leitungsbegriff oder die Unveräußerlichkeit aufzubrechen sei, auf den Prüfstand zu stellen. Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S 1463 ff. hingegen strebt eine völlige Dekonstruktion an, die sich inhaltlich aber wiederum nahe an der herrschenden Meinung orientiert (siehe schon § 4 II. 3. e) bb); außerdem noch § 8 II.). 202  Dazu bereits im Rahmen des Problemaufrisses unter § 1. 203  Ein Überblick zu den Spielarten der Aufgabenübertragung bereits unter § 3 I. 204  Statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 7.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

gung, ohne diese explizit zu benennen, wobei die letztgenannte Vorschrift den Aufsichtsrat betrifft.205 Dementsprechend lassen sich dem Wortlaut auch keine Einschränkungen entnehmen.206 Da die Aufgabenübertragung jedoch unter der Überschrift „Delegation“ anerkannt ist,207 kann zumindest diese Begrifflichkeit heranzogen werden. Die Delegation wird nach allgemeinem Sprachgebrauch als Übertragung von Zuständigkeiten verstanden.208 Zuständigkeit wird mit Befugnis und Kompetenz beschrieben.209 Diese Definition gibt somit eine erste Orientierung für die weitere Prüfung vor: Die Delegation ist eine Frage der Zuständigkeiten. Ausgehend von diesem ersten Aufschlag soll im Folgenden das gesetzliche Gesamtbild in den Blick genommen werden. Dabei ist die vorstehend angerissene Regelungssituation im Aktiengesetz zunächst auch die einzige Grundlage, um sich der Delegation systematisch anzunähern. § 77 Abs. 1 S. 2 AktG betrifft lediglich die Vorstandsebene. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift ist bei strenger Lesart äußerst beschränkt, da die Aufgabenübertragung und ihre möglichen Varianten gänzlich unerwähnt bleiben: § 77 Abs. 1 S. 1 AktG ordnet im Ausgangspunkt eine gemeinschaftliche Geschäftsführung durch den Vorstand an. Nach § 77 Abs. 1 S. 2 AktG können Satzung oder Geschäftsordnung des Vorstands etwas Abweichendes bestimmen. Eine Regelung, die es zulässt, dass ein oder mehrere Vorstandsmitglieder sich gegen die Mehrheit durchsetzen, ist überdies nach § 77 Abs. 1 S. 2 AktG unwirksam. Das Gesetz formuliert also lediglich Schranken, die sich auf das Einstimmigkeitsprinzip beziehen. Dass der Vorstand darauf rekurrierend die Gesamt- durch eine Einzelgeschäftsführung ersetzen kann, ist jedoch allgemein anerkannt und wie bereits festgestellt zwingend erforderlich. Daher wird als Abweichung von der Gesamtgeschäftsführung auch die Geschäftsverteilung auf Vorstands­ ebene abgeleitet, sodass die weiteren Anordnungen des § 77 AktG für die horizontale Aufgabenorganisation gleichermaßen Geltung haben:210 Befugt, 205  Blickt man auf internationale Regelungen, fällt hingegen auf, dass zumindest das Schweizer Obligationenrecht in den Art. 716, 716a, 716b, 717, 754 Abs. 2 OR die Delegation durch den Vorstand vertieft regelt. 206  So auch Frels, ZHR 122 (1959), 8, 24 f. Außerdem auch Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 106, der letztlich zugesteht, dass der bloße Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG kein Delegationsverbot begründe; die gesetzlichen Vorstandsaufgaben seien dagegen vorgeprägt. 207  Siehe schon § 3 I. 208  Bedeutungsübersicht von Duden online, http://www.duden.de/rechtschreibung/ Delegation, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. Zur rechtlichen Definition siehe schon § 3 I. 209  Bedeutungsübersicht von Duden online, https://www.duden.de/rechtschreibung/ Zustaendigkeit, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. 210  Zu den Schutzmechanismen siehe nur die RegBegr in Kropff, AktG 1965, S.  98 ff.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz109

eine Geschäftsordnung zu erlassen, sind sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat, wobei ein Tätigwerden des Aufsichtsrats die Geschäftsordnung des Vorstands ersetzt.211 Beschließt der Vorstand eine Geschäftsordnung, so muss der Beschluss gemäß § 77 Abs. 2 S. 3 AktG einstimmig erfolgen. Im Übrigen kann die Satzung gemäß § 77 Abs. 2 S. 2 AktG weitere Fragen der Geschäftsführung regeln. Die Geschäftsverteilung innerhalb des Vorstands ist somit im Aktiengesetz angelegt. Dem Vorstand kommt dabei ein umfäng­ liches Selbstorganisationsrecht zu,212 dessen inhaltliche Durchschlagskraft es noch auszuleuchten gilt. § 77 AktG setzt jedenfalls explizit keine inhaltlichen Schranken, sondern stellt lediglich organisatorische Anforderungen auf. Betrachtet man den Regelungsgehalt des § 77 AktG, dann lässt sich für eine Zulässigkeit der Delegation noch anführen, dass die Geschäftsführungsbefugnis intern ohne weiteres beschränkbar ist. Lediglich im Außenverhältnis müssen sich Dritte diese Schranken nicht entgegenhalten lassen. Das folgt aus § 82 AktG und gilt gemäß § 82 Abs. 2 AktG für Schranken, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen aufstellen.213 Aus diesen Schranken resultiert auch die Delegation, da unter anderem Satzung und Geschäftsordnung ihre Regelungsgrundlagen darstellen.214 Ruft man sich sodann die Definition der Delegation ins Gedächtnis, dann überträgt der Vorstand mit der Aufgabe Zuständigkeiten. Dementsprechend erhalten die einzelnen Vorstandsmitglieder Befugnisse hinsichtlich der ihnen zugewiesenen Aufgabenbereiche.215 Die übrigen Vorstandsmitglieder dürfen in diesen Bereichen nicht tätig werden,216 sodass ihre Befugnisse insoweit zurückgeschnitten werden. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die Vorstandsmitglieder diese Beschränkung selbst herbeiführen, indem sie die Kompetenzen weggeben. Sie nehmen sich gleichsam die Befugnisse weg. Außerdem können die Regelungen zur Delegation auch von Aufsichtsrat und Hauptversammlung getroffen werden, sodass die Befugnisse auch hier weggenommen werden.217 Nicht zuletzt gilt auch für die anderen Fälle des § 82 Abs. 2 AktG, dass Einschränkungen, die aus einer Geschäftsordnung resultieren, vom Vorstand vorgenommen werden können. Die Delegation stellt also eine einfache 211  Dazu

§ 7 II. 1. Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 107; außerdem Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap. Rn. 28. 213  Die gleiche Anordnung findet sich bereits im Aktiengesetz von 1937 in § 74 Abs. 2 AktG 1937. Siehe dazu v. Godin/Wilhelmi, AktG 1937, S. 286. 214  Siehe ausführlich unter § 7. 215  Zur Befugnisausstattung noch § 9 III. 2. 216  Unter dem Aspekt der Überwachung noch § 10. 217  § 7. 212  Vgl.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis dar und ist damit nach den Wertungen des § 82 AktG jedenfalls auf Vorstandsebene zulässig. b) Vorstand als Kollegialorgan aa) Kollegialprinzip und Gleichheitsgrundsatz Die beschriebene beschränkte Aussagekraft des § 77 AktG ruft vielfach ein juristisches Störgefühl hervor, da ein Ausverkauf der Vorstandspflichten befürchtet wird, wenn er Aufgaben überträgt. Das Aktiengesetz setzt der Delegation aber durchaus ungeschriebene Grenzen: Als solche zu nennen sind das Kollegialprinzip mitsamt seinen Ausprägungen in Form des Gleichheitsgrundsatzes und des Gesamtverantwortungsprinzips. Das Kollegialprinzip selbst besagt zunächst lediglich, dass ein mehrgliedriges Organ vorliegt.218 Der Vorstand ist ein solches Kollegialorgan. Dies ergibt sich aus den Regelungen der §§ 76, 77 AktG: Nach § 76 Abs. 2 S. 1 AktG kann der Vorstand aus mehreren Personen bestehen. Bei einer gewissen Größe setzt § 76 Abs. 2 S. 2 AktG die Mindestanzahl auf zwei Personen fest, sofern die Satzung nicht etwas anderes bestimmt. Für das mehrgliedrige Vorstandsorgan ordnet das Gesetz Gesamtgeschäftsführung an (§ 77 Abs. 1 S. 1 AktG), sodann das Verbot, gegen die Mehrheit entscheiden zu dürfen (§ 77 Abs. 1 S. 2 AktG), und letztlich das Erfordernis, Geschäftsordnungsregelungen einstimmig zu erlassen (§ 77 Abs. 2 S. 3 AktG). Diese Anordnungen zeigen, dass die Vorstandsmitglieder zum Zusammenwirken angehalten sind.219 Aus dem Kollegialprinzip leitet man sodann weitere spezielle Subprinzipien ab, die An­ forderungen an die inhaltliche Organisation des Organs aufstellen. So ist eine Ausprägung des Kollegialprinzips der allgemein anerkannte Gleichheits­ grundsatz:220 Dieser stattet alle Vorstandsmitglieder mit gleichen Rechten und Pflichten aus. Es darf keine Vorstandsmitglieder minderen Gewichts geben. Das drückt sich etwa dadurch aus, dass allen Vorstandsmitgliedern bei 218  Zu den historischen Hintergründen Wettich, Vorstandsorganisation, S.  36 f. Außerdem noch II. 3. 219  Siehe auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 41. 220  Der Gleichheitsgrundsatz findet außerdem Bestätigung in einem Umkehrschluss aus den §§ 77 Abs. 1 S. 2, 84 Abs. 2 AktG, die Ausnahmen zum gemeinsamen Handeln statuieren, sowie aus § 33 Abs. 1 S. 1 MitbestG, wonach der Arbeitsdirektor gegenüber den übrigen Vorstandsmitgliedern gleichberechtigt sein soll, siehe Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 514; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 41. Nach Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 77 Rn. 19 folgt der Grundsatz hingegen aus dem Prinzip der Gesamtleitung. Das überzeugt nicht, vielmehr ist die Gleichberechtigung Ausdruck eines gemeinsamen Zusammenwirkens, das sich aus der Gestaltung als Kollegialorgan speist. Hinzu kommt, dass dem Leitungsbegriff keine herausgehobene Bedeutung zukommt.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz111

Beschlüssen das gleiche Stimmgewicht zusteht. Dementsprechend hat der Gesetzgeber von 1965 auch das Alleinentscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzenden aufgehoben, lediglich bei Stichentscheiden darf einem dazu bestimmten Vorstandsmitglied die entscheidende Stimme verliehen werden. Außerdem darf kein Informationsgefälle zwischen einzelnen Vorstandsmitgliedern bestehen.221 Die Aufgabenübertragung könnte die vorstehend genannten Wirkungen des Kollegialprinzips aushöhlen: Delegiert der Gesamtvorstand auf einzelne Vorstandsmitglieder, verlieren die übrigen Vorstandsmitglieder ihre unmittelbare Handlungszuständigkeit. Einem allumfassenden gleichberechtigten Zusammenwirken werden somit Grenzen gesetzt. Das ist jedoch zum einen die vom Gesetzgeber in Kauf genommene Rechtsfolge. Zum anderen ist die Delegation organisatorisch zwingend. Außerdem muss immer das Sicherheitsnetz der Gesamtverantwortung und damit der Überwachung mitbedacht werden, aus dem verschiedene Einflussrechte der übrigen Vorstandsmitgliedsmitglieder folgen.222 Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder wird auch durch eine klare Aufgabenzuweisung gestärkt, da sie jedem Vorstandsmitglied ein Aufgabenfeld zusichert.223 Anlass für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bietet somit höchstens die inhaltliche Verteilung der Zuständigkeiten. An einen derartigen Verstoß sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen: Die Stellung des einzelnen Vorstandsmitglieds könnte etwa dadurch entwertet werden, dass ihm eine unbedeutende Aufgabe übertragen wird. Eine gewisse inhaltliche Ungleichheit wird allerdings nicht zu vermeiden sein: Nicht jedes Vorstandsmitglied kann das Finanzressort übernehmen. Richtigerweise ist der Grundsatz auf schwerwiegende Beeinträchtigungen einzuschränken.224 Damit beschränkt der Gleichheitsgrundsatz nicht die Delegation von Aufgaben als solche, sondern statuiert Anforderungen an ihre inhaltliche Ausgestaltung.

221  Dazu Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 514 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 11; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 205 ff.; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S.  67 ff.; Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 118 ff.; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 30; Wicke, NJW 2007, 3755, 3757; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 41. 222  Dazu noch ausführlich bb); § 10 III. 223  Vgl. dazu nur Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 205 f. 224  Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 514 f.; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S.  68 f.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

bb) Gesamtverantwortungsprinzip (1) Wurzeln der Gesamtverantwortung Neben dem Gleichheitsgrundsatz ist eine weitere Ausprägung des Kolle­ gialprinzips das Gesamtverantwortungsprinzip. Die aktienrechtlichen Kompetenzvorschriften enthalten auch das Gesamtverantwortungsprinzip nicht ausdrücklich225, es ist jedoch allgemein anerkannt.226 Lediglich der Umfang der Gesamtverantwortung ist unklar. Unbestritten folgt aus dem Gesamtverantwortungsprinzip die gegenseitige Kontrolle innerhalb des Vorstands, die ein rechtmäßiges Handeln sicherstellen soll.227 Darüber hinaus leitet ein Teil des Schrifttums aus der Gesamtverantwortung auch das Delegationsverbot her.228 Um diese Wirkung des Gesamtverantwortungsprinzips überprüfen zu können, soll zunächst dessen dogmatische Grundlage bestimmt werden: Wohl herrschend ist die Herleitung aus § 76 Abs. 1 AktG.229 Zum Teil wird 225  Wobei insbesondere unionsrechtliche Vorschriften dieses Prinzip nun auch ausdrücklich aufgreifen, dazu Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 282. 226  Allg.  M.; ausdrücklich erwähnt vom Gesetzgeber beispielsweise im Regierungsentwurf zum KonTraG, RegBegr ZIP 1997, 2059, 2061, 2063 f.; aus der Rechtsprechung vgl. LG München I NZG 2014, 570; aus dem Schrifttum Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 7; § 77 Rn. 12; Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S.  57 f.; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 300; Fleischer, ZIP 2003, 1, 2; Fleischer, NZG 2003, 449 f.; Harbarth, ZGR 2017, 211, 214; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 746 f.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506 ff.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 193 ff., insb. 195; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 24; Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 736 f.; Nietsch, ZIP 2013, 1349, 1350 f.; Schiessl, ZGR 1992, 64, 66 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 77 Rn. 18; Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 583 f.; Turiaux/ Knigge, DB 2004, 2199, 2203 f.; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 31; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  28 ff.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. 227  Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 25, der jedoch von Kontrollverantwortung spricht (zu der terminologischen Konfusion noch unten); Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. 228  Dreher, ZGR 1992, 22, 60; zwei Ausprägungen, namentlich Prinzip der Gesamtleitung und Prinzip der gegenseitigen Überwachung laut Fleischer, NZG 2003, 449 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 7; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 62; § 77 Rn. 44; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 507 f.; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 195; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 22, 24; Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2579; Schiessl, ZGR 1992, 64, 66 f., wonach der Grundsatz der Gesamtverantwortung für die Leitung die Delegation beschränke; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  28 f., 38 ff.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. Siehe auch ähnlich Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 7, 20. 229  Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 193 ff.; Schiessl, ZGR 1992, 64, 67. Fleischer, NZG 2003, 449, 450 verweist hinsichtlich der Gesamtleitung auf § 76 Abs. 1 AktG, hinsichtlich der Pflicht zur Selbstkontrolle auf



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz113

auch auf § 77 AktG abgestellt.230 Vereinzelt rekurriert das Schrifttum auf die gegenseitige Kontrollpflicht innerhalb des Vorstands.231 Richtigerweise ist die dogmatische Begründung jedoch das Kollegialprinzip als rechtsformübergreifender Grundsatz, der für jedes Kollegialorgan gilt.232 § 76 Abs. 1 AktG eignet sich deshalb nicht als Herleitungsgrundlage, da die Vorschrift vor allem die Neuordnung der Kompetenzen nach der Reform von 1937 widerspiegelt.233 Hinzu kommt, dass die Regelung aktienrechtsspezifisch ist. Das Gesamtverantwortungsprinzip gilt hingegen auch in anderen Gesellschaftsformen, namentlich dort, wo Kollegialorgane handeln. Zwar könnte man im Rahmen dieser Gesellschaftsformen jeweils auf die spezifischen Geschäftsführungsregelungen rekurrieren. Das überzeugt jedoch nicht, da diese Parallelen klar ein übergeordnetes Prinzip erkennen lassen. Die Herleitung aus der gegenseitigen Kontrollpflicht läuft erst recht leer, weil sie wie oben beschrieben Ausprägung der Gesamtverantwortung ist.234 Die Grundlage in § 77 AktG zu suchen scheitert daran, dass die Gesamtgeschäftsführung nach § 77 Abs. 1 S. 2 AktG dispositiv ist und in der Folge auch die Gesamtverantwortung dispositiv sein müsste. Das würde aber der oben beschriebenen Funktion widersprechen, dem Vorstand im Falle der Delegation Überwachungspflichten aufzuerlegen. Die Gesamtzuständigkeit könnte dann erst recht nicht aus der Gesamtverantwortung folgen.235 Dass das Aktiengesetz von 1937 kein Kollegialprinzip kannte, sondern vielmehr das Alleinentscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzenden die übrigen Vordie Organstellung als solche. Der Verweis auf die Organstellung wird zum Teil als Beleg für die Herleitung aus der Kontrollpflicht gedeutet. Die Organstellung, namentlich das Kollegialorgan, weist aber nach der vorliegenden Beurteilung eher auf das Kollegialprinzip hin. Unter dieser Maßgabe lehnt auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 31 diesen Begründungsweg ab. Im Übrigen stuft Wettich § 76 Abs. 1 AktG als taugliche dogmatische Grundlage ein. Er begründet dies damit, dass die Norm nicht nur organinterne Wirkung habe, sondern auch die Pflicht zur Gesamtleitung regele, womit auch die Verantwortlichkeit einhergehe. Dennoch sei das Kollegialprinzip die richtige dogmatische Grundlage, vgl. S. 32 ff. 230  Hanau, ZGR 1983, 346, 369 f.; Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657, 661; Rottnauer, NZG 2000, 414, 416 mit Verweis darauf, dass § 76 Abs. 1 AktG die Organkompetenzen abgrenze. 231  Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35. 232  Allgemeiner Grundsatz für Kollegialorgane Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506 f.; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 746 f. Dem letztlich folgend Wettich, Vorstandsorganisation, S.  32 ff. Außerdem Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S.  114 f. 233  Siehe schon § 5 III. 2. 234  Siehe auch Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 747: „Zirkelschluss“; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 31. 235  Wettich, Vorstandsorganisation, S 31.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

standsmitglieder beschränkte, stützt die hier vertretene Herleitung umso mehr. Der heutige § 76 Abs. 1 AktG war in abgewandelter Form, namentlich in § 70 AktG 1937, schon im Gesetz verankert, das Kollegialprinzip hingegen nicht.236 Somit ist das Gesamtverantwortungsprinzip ein Ausdruck des Kollegial­organs. (2) Inhaltliche Reichweite Ausgehend von dieser Herleitung ist nun die inhaltliche Reichweite des Gesamtverantwortungsprinzips auszudeuten. Nach teilweiser Auffassung soll aus dem Gesamtverantwortungsprinzip auch die Gesamtleitung beziehungsweise das Delegationsverbot folgen, da die Gesamtleitung als Synonym für die zwingende Gesamtzuständigkeit verstanden wird.237 Dieser Schluss überzeugt nicht: Zum einen spricht schon die Herleitungsgrundlage dagegen. Zum anderen wird die inhaltliche Reichweite des Gesamtverantwortungsprinzips von dieser Auffassung überdehnt. Diese Überdehnung folgt aus einer Flut an Begrifflichkeiten, die kaum noch überschaubar sind und der Debatte die inhaltliche Schärfe nehmen, da sie selbst nicht definitionsgemäß verwendet werden. Im Wesentlichen sind die Begriffe „Zuständigkeit“ und „Verantwortlichkeit“ zu trennen. Unterscheidet man sie sorgsam, besteht zwischen Gesamtzuständigkeit und Gesamtverantwortung kein Zusammenhang. Der Vorstand ist zuständig, wenn er die Aufgabe selbst wahrnehmen muss. Bei Gesamtzuständigkeit ist das Plenum gefragt.238 Delegiert der Vorstand, wird 236  Vgl. zum Vorstehenden auch Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506 f.; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 746 f. Siehe auch Wettich, Vorstandsorganisation, S.  36 ff. 237  Vgl. Fleischer, NZG 2003, 449, 450 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 7; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 62; Froesch, DB 2009, 722, 724; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 18; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 31; Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2579; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 22; Schiessl, ZGR 1992, 64, 80; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1466, wonach aus der Gesamtverantwortung das Prinzip der Gesamtgeschäftsführung und das Prinzip der Gesamtvertretungsbefugnis folgen sollen. Ähnlich Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 108 f.: „gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung“. 238  Eine Gesamtzuständigkeit regelt zumindest im Ausgangspunkt § 77 Abs. 1 S. 1 AktG durch die Gesamtgeschäftsführung. Darin ist jedoch kein „Prinzip der Gesamtgeschäftsführung“ zu sehen, so etwa Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 10, da die Gesamtgeschäftsführung dispositiv ist. Der Begriff der Allzuständigkeit hat keine eigenständige Bedeutung: Er ist eine Umschreibung der grundsätzlichen Geschäftsführungskompetenz, wirkt sich jedoch nicht auf die Delegationsfrage aus. Die Allzuständigkeit lässt sich vielmehr mit der Gesamtverantwortung gleichsetzen. Darauf rekurrierend etwa BGHZ 133, 370, 376 f. = BGH NJW 1997, 130, 132 zur GmbH, wonach die Allzuständigkeit augenscheinlich ebenfalls als Gesamtverantwortung verstanden wird; so auch Fleischer, NZG 2003, 449 f.; in diese Richtung



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der Delegationsempfänger handlungs- und je nach Umfang entscheidungszuständig.239 Eine Definition der Verantwortlichkeit fehlt zwar, ihre Funktion beschreibt aber zugleich ihre Bedeutung. Der Vorstand ist verantwortlich, wenn er für eine Handlung oder Entscheidung einzustehen hat.240 Dies ist ohne weiteres bei einer eigenen Zuständigkeit gegeben.241 Ist ein Dritter zuständig, trifft den Vorstand nur dann eine Verantwortlichkeit für seine Handlungen, wenn sie ihm zurechenbar sind. Eine Zurechnung erfolgt nach zutref-

wohl auch Froesch, DB 2009, 722, 723 f.; Hegnon, CCZ 2009, 57 (m. w. N. zur GmbH); Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 4. BGHSt 37, 106, 124 = BGH NJW 1990, 2560, 2565 („Lederspray“) hingegen verwendet den Terminus eher im Sinne einer Gesamtzuständigkeit. 239  Auch Ressortzuständigkeit oder Einzelzuständigkeit, siehe Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 377. Der Delegationsempfänger soll nur handlungszuständig sein, wenn er Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen übernimmt. Ganz sauber ist eine derartige Trennung nicht: Schon Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1474 f. hat zutreffend festgestellt, dass auch Vorbereitung und Ausführung Elemente der Entscheidung in sich trügen. Unter Letztverantwortung wird wohl ebenfalls die Entscheidungszuständigkeit verstanden, vgl. nicht ganz eindeutig Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 756. Auch dieser Terminus erweist sich nicht als inhaltlich weiterführend. Daher sollte er ebenfalls nicht verwendet werden. Im Schrifttum fallen ferner die Begriffe Leitungsverantwortung sowie Kontrollverantwortung. Laut Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 25 soll in der Leitungs- die Kontrollverantwortung enthalten sein. Nach vorliegender Auffassung kann die Leitungsverantwortung höchstens Synonym für die Gesamtverantwortung des Vorstands sein, die Kontroll- und Überwachungselemente enthält. Die Leitungsverantwortung kann außerdem in Abgrenzung zu Aufsichtsrat und Hauptversammlung fruchtbar gemacht werden. Eine weitergehende Bedeutung der Leitung deckte sich nicht mit den Ergebnissen zum Leitungsbegriff. Für die Delegation ist dieser Terminus somit außer Acht zu lassen. Kontrolle meint letztlich die Überwachung. Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 7 f. leitet unzutreffend aus der Gesamtverantwortung die Leitungsverantwortung und daraus die Entscheidungsverantwortung ab. 240  Vgl. zum Begriff der Verantwortung in ihren verschiedenen Ausdeutungen, namentlich Entscheidungskompetenz, Rechenschaftspflicht und Haftung, Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 298. 241  Etwa von Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 24 wird der Vorstand als erfüllungsverantwortlich bezeichnet. Liegt eine Zuständigkeit vor, sollte diese auch so benannt werden, um Missverständnisse auszuschließen. Ist die Maßnahme delegationsfähig, dann ist der Vorstand nicht erfüllungsverantwortlich, da eine Zurechnung nicht stattfindet. Wobei die Überwachung sodann darauf gerichtet ist, dass der Delegationsempfänger seinen Pflichten nachkommt und die Aufgabe erfüllt. Dies stellt auch das LG Berlin AG 2002, 682, 684 zum Risikomanagement zutreffend fest. Dazu auch Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657, 661. Zuzugeben ist auch, dass je nach Konstellation eine Schnittmenge mit der Handlungsverantwortung besteht. Dennoch sind die Begriffe ob ihrer verschiedenen Ansatzpunkte strikt zu trennen. Zutreffend etwa auch Arnold, ZGR 2014, 76, 80. Nach hier vertretener Auffassung ist es daher nicht zutreffend, Ressortzuständigkeit und Gesamtverantwortung voneinander abzugrenzen, so aber Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 377.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

fender Auffassung bei Delegation nicht.242 Daher ist es auch unschädlich für die Delegation, wenn die Verantwortlichkeit als nicht delegierbar eingestuft wird. Darin ist keine Aussage über die Zuständigkeitsverteilung zu erachten.243 Die Geschäftsverteilung berührt die Gesamtverantwortung nicht, da die Pflicht nicht wegfällt, sondern neu zugeschnitten wird. Die ursprüngliche Pflicht des Vorstands, die Aufgabe wahrzunehmen, wandelt sich in eine Residualpflicht, namentlich die Überwachungspflicht.244 Würde Gesamtverantwortung Gesamtzuständigkeit meinen, wäre die Geschäftsverteilung nach § 77 Abs. 1 S. 2 AktG nicht zulässig. Angesichts dieser klaren Aussage ist es auch nicht überzeugend, nur einen nicht delegierbaren Kernbereich aus der Gesamtverantwortung zu entnehmen. Überdies wäre es widersprüchlich, einerseits davon auszugehen, dass die Gesamtverantwortung durch die Delegation nicht berührt wird, andererseits daraus aber eine Gesamtzuständigkeit zu entnehmen. Kort trennt die Gesamtverantwortung von den nicht delegierbaren Aufgaben gänzlich ab: Das Gesamtleitungsprinzip untersage die Delegation. Die Gesamtverantwortung soll für die Aufgaben bestehen, die von der Gesamtleitung nicht erfasst sind.245 Diese Differenzierung überzeugt ebenfalls nicht: Das Gesamtverantwortungsprinzip bindet die Vorstandsmitglieder unabhängig von der Delegationsfrage und steht somit über der Aufgabenverteilung; es gilt sogar bei Gesamtgeschäftsführung.246 Das zeigt auch die Pflicht des 242  Dazu

schon § 3 II. 2. etwa RGSt 13, 235 ff.: Aus „Sorge tragen“ zog das Gericht den Schluss, dass der Vorstand sich seiner Verantwortlichkeit nicht entledigen könne. Damit ist nicht die unmittelbare Aufgabenerfüllung gemeint. Die Verantwortlichkeit wird auch in Spezialgesetzen wie KWG und VAG verwendet. Dort gelten die vorstehenden Wertungen (siehe außerdem unter 5.). 244  RegBegr ZIP 1997, 2059, 2063 f. Aus dem Schrifttum Arnold, ZGR 2014, 76, 80 für die Compliance (m. w. N.); auch Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963, 965; Harbarth, ZGR 2017, 211, 214; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15 f.; Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 737, 742, wobei anders, als von Nietsch behauptet, im Falle der Aufgabenübertragung die Gesamtzuständigkeit insofern aufgehoben wird, als dass unzuständige Vorstandsmitglieder nicht einfach selbst tätig werden dürfen (siehe noch § 10 III. 5.); Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 583 f.; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2203 f.; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 31, 34 ff. 245  Zum Vorstehenden Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 31, 35. In Großkomm. AktG, § 76 Rn. 195 versteht Kort die Gesamtverantwortung wiederum allumfassend. 246  So auch Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2203. Siehe auch Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 737, 742. Daher ist es auch nicht zutreffend, die Gesamtverantwortung auch als Gesamtleitungsverantwortung zu bezeichnen, einerseits aufgrund des Leitungsbegriffs, andererseits, da die wahre Aussage der Gesamtverantwortung allzu schnell verwischt wird und Ausgangspunkt eines Delegationsverbots wird. So aber Schiessl, ZGR 1992, 64, 66 f. Siehe aber auch Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 243  Vgl.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz117

einzelnen Vorstandsmitglieds, bei nach seiner Auffassung rechtswidrigen, also gesetzes- oder satzungswidrigen, aber auch sonstigen schädigenden oder nicht hinreichend geprüften Entscheidungen, die übrigen Vorstandsmitglieder umzustimmen oder den Aufsichtsrat anzurufen.247 Das Vorstandsmitglied wurde zwar entsprechend der Gesamtzuständigkeit an der Entscheidung beteiligt, die gegenseitige Kontrolle, die aus dem Gesamtverantwortungsprinzip folgt, verpflichtet das Vorstandsmitglied aber dazu, zu handeln. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Aufgabenbereichen kann es ebenfalls geboten sein, den Gesamtvorstand einzuschalten.248 Somit steht das Gesamtverantwortungsprinzip nicht in Zusammenhang mit der Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung. Das Gesamtverantwortungsprinzip gilt im Ergebnis bei Gesamtzuständigkeit und Delegation gleichermaßen.249 Inhaltlich geht es um die Ausübung von Kontrolle. Diese formt sich unterschiedlich aus. Bei Entscheidungen im Plenum muss sich das Vorstandsmitglied Gehör verschaffen und zur Not den Aufsichtsrat einschalten, sofern es mit dem Beschlussergebnis nicht übereinstimmt. Wenn Aufgaben übertragen werden, trifft die übrigen Vorstandsmitglieder eine Überwachungspflicht, die ihnen Informations- und weitere Einflussrechte verleiht. Im Zweifel muss die Aufgabe wieder vom Gesamtvorstand wahrgenommen werden.250 Die Gesamtverantwortung äußert sich also 747; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. Laut Wettich, Vorstandsorganisation, S. 66 folgt aus dem Prinzip auch, dass bei Gesamtzuständigkeit aller Mitglieder eine Mehrheitsentscheidung möglich sei, also Gesamtgeschäftsführung nicht mit Gesamtverantwortung deckungsgleich sei. Die Gesamtverantwortung soll die Teilhabe aller Vorstandsmitglieder abbilden. Im Ergebnis auch Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 304 f., der vor allem mit praktischen Erwägungen argumentiert. Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich vielmehr um eine Frage des Gleichbehandlungsprinzips, das einfordert, alle Vorstandsmitglieder an der Entscheidung zu beteiligen. Einstimmigkeit erfordert der Gleichbehandlungsgrundsatz daher nicht. Die Gesamtverantwortung würde dann eher bei der gegenseitigen Kontrolle ansetzen. Letztlich entstammen beide Grundsätze aber dem Kollegialprinzip, sodass die Grenzen hier fließend sind. Die bloße Abstimmung kann auch als Ausübung der Kontrolle gewertet werden, nur dass in der Regel noch weitere Maßnahmen erforderlich sind. 247  Statt aller Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 22; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 173 ff. Siehe noch § 10 III. 3., 7. 248  Schiessl, ZGR 1992, 64, 71 f. 249  So wohl auch Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 10. 250  Findet eine Aufteilung von Aufgaben statt, knüpfen daran einerseits Kontrollpflichten durch die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder an, die letztlich die Aufgabe zum Gesamtvorstand ziehen können, andererseits kann sich für das zuständige Vorstandsmitglied eine Vorlagepflicht ergeben, wenn besonders erhebliche Entscheidungen zu treffen sind (zur Bestimmung der Erheblichkeit § 8). Hier statt aller Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 37 ff.; siehe auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 373 ff. Insofern besteht bei Delegation ein umfassendes und vor allem beiderseitiges Kontrollsystem.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

durch verschiedene Facetten der Kontrolle. Das lässt sich auch der Befürchtung, der Vorstand könnte durch Delegation seiner Verantwortung entfliehen, entgegenhalten. Die Delegation mit anschließender Überwachung ist vielmehr eine mögliche Art der Pflichtenerfüllung.251 Hier wird man allerdings im Einzelfall zu prüfen haben, ob rechtliche wie rechtstatsächliche Aspekte einer Überwachung und damit der Delegation entgegenstehen.252 Fraglich ist, ob der Vorstand die Gesamtverantwortung als solche auf ein Vorstandsmitglied delegieren darf. Diese Debatte kann sich zunächst auf die Überwachungspflicht beziehen und soll daher an späterer Stelle diskutiert werden.253 Die Delegation führt jedoch zwangsläufig zu einer Überwachungspflicht, um sicherzustellen, dass sich der Vorstand recht- und ordnungsmäßig verhält.254 Der Vorstand kann sich seiner Gesamtverantwortung demnach nicht entledigen. Im Ergebnis besagt die Gesamtverantwortung also, dass jedes Vorstandsmitglied in irgendeiner Form seiner Führungsaufgabe gerecht werden muss. Dies kann gleichermaßen durch Aufgabenwahrnehmung oder Delegation mit anschließender Überwachung erfolgen.

251  Zutreffend Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 58, wonach der Vorstand seiner Verantwortung auch durch Überwachung nachkommen könne; Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 766 f. Außerdem Gößwein BB 2017, I für einen Ausgleich zwischen zentraler und dezentraler Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Compliance. „Gebot praktischer Vernunft“, so: Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 65. Siehe außerdem Fleischer, NZG 2014, 321, 323; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1315 („Delegation als Gegengewicht zur Overcompliance“); Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 526, 528 und Hegnon, CCZ 2009, 57 sind der Auffassung, dass die Rechtsordnung auf eine Delegation ausgerichtet sei. Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 52 geht sogar davon aus, dass es Aufgaben gebe, die schon der Natur nach der Beschlussfassung nicht zugänglich seien, und führt beispielhaft technische Anweisungen an Mitarbeiter an. Je nach Komplexität der Aufgabe soll sogar eine Delegationspflicht bestehen. Siehe Harbarth, ZGR 2017, 211, 213, 221 f.; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 162 f. mit Verweis auf Urban, GWR 2013, 106 („haftungsrelevante Delegationspflicht“): Organisation als Ermessensentscheidung, die sich sogar auf eine Delegationspflicht reduzieren könne. Siehe auch Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 8, wonach die Umstände eine Delegation verlangen könnten. Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 87 f. beschreibt dies als „faktischen Zwang“. Außerdem Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 8. Für außer- sowie konzernrechtliche Sachverhalte Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 179 ff.: „Pflicht zur Delegation aller delegierbaren Aufgaben“. Zum Zusammenhang von Komplexität und Delegation auch Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1478. Gegen eine Pflicht ausdrücklich E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.73. 252  Dazu noch § 9 II. 4. 253  Dazu § 10 V. 254  „Funktionsfähigkeit“; siehe Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 77 Rn. 12; Mertens/ Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 26.



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c) Eigenverantwortlichkeit nach § 76 Abs. 1 AktG Die Ausgestaltung des Vorstands als Kollegialorgan steht somit nicht in Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung. Daher soll der Blick auf die Art und Weise der Aufgabenerfüllung gerichtet werden. Der Vorstand steuert die Aktiengesellschaft eigenverantwortlich und somit weisungsfrei und von den übrigen Organen wie auch Dritten unabhängig.255 Die Veräußerung von Kompetenzen wird sodann nach teilweiser Auffassung als Angriff auf diese Unabhängigkeit gewertet und soll die Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht begründen.256 Für diese Ansicht könnte man in der Tat anführen, dass der Vorstand durch die Delegation eine Lage schafft, die in ihrer Wirkung einem Weisungsrecht ähnelt. Schließlich gewährt der Vorstand dem Delegationsempfänger maßgeblichen Einfluss auf die jeweilige Aufgabe und somit auch auf das Vorstandsorgan selbst. Mit der wohl überwiegenden Mehrheit ist eine Verbindung von Eigenverantwortung und Delegationsverbot aber richtigerweise abzulehnen: Danach grenze das Tatbestandsmerkmal die Kompetenzen des Vorstands zu denen der übrigen Organe ab und normiere das freie Ermessen des Vorstands.257 Eine darüber hinausgehende Aussage lässt sich der Eigenverantwortlichkeit somit nicht entnehmen. Auch die gesetzlich angeordnete Unabhängigkeit wird durch die Delegation nicht berührt: Die Delegation unterliegt Mindestanforderungen, die dem Vorstand hinreichende Einflussrechte verleihen, etwa in Form eines Rechts zur Rückdelegation der Aufgabe und eines Weisungsrechts gegenüber dem Delegationsempfänger.258 Diese Mindestanforderungen verhindern, dass die Anordnung der Eigenverantwortlichkeit ausgehöhlt wird. Dem Vorstand steht überdies ein Entscheidungsspielraum zur Verfügung, der ihn nicht einengt, sondern seine Möglichkeiten erweitert. Indem der Vorstand sein Organisationsermessen zugunsten der Delegation ausübt, entscheidet er ebenfalls unabhängig. Die Unveräußerlichkeit würde die Autonomie des Vorstands stärker beeinträchtigen als die Veräußerung.259 Da das Gesetz 255  Dazu

256  § 4 I.

bereits § 5 II. 2. b).

257  Siehe Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 18, 22; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 9, 42 ff.; Nietsch, ZGR 2015, 631, 634 f.; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1470; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 21. Ohnehin kritisch gegenüber der Unveräußerlichkeit Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 8 f., 27; Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 92 ff., 101 f. Außerdem Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 115, 151. 258  § 9 II. 4. Die Problematik schuldrechtlicher Selbstbindungen wird vorliegend bewusst ausgeklammert. Inwiefern solche Vereinbarungen die Eigenverantwortlichkeit berühren, ist getrennt von der Delegation zu berurteilen. 259  Das befürchten richtigerweise Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S.  69 f.; Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 96.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

den Vorstand im aktienrechtlichen Organisationsgefüge weisungsfrei ausgestaltet hat, muss diese Autonomie bei konsequenter Auslegung auch so weit gehen, dass er sich dieser begeben kann. Eine Grenze ist insofern zu setzen, als dass die Aufgabenübertragung niemals unwiderruflich sein darf.260 Unter dieser Prämisse büßt der Vorstand seine Autonomie nicht ein. Letztlich ist die Eigenverantwortlichkeit als Maßstab auch zu grobschlächtig: Das Kriterium greift nur, wenn die Autonomie des Vorstands ernsthaft angegriffen ist. Wird etwa gegen das Organisationsgefüge verstoßen, ist die Delegation auch nach der hier vorliegenden Auffassung unzulässig. Die Eigenverantwortlichkeit wirkte nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Die feineren Zwischenebenen ließen sich mit diesem Kriterium nicht abbilden. Die Unabhängigkeit des Vorstands schränkt die Delegation somit nicht ein. d) Gesetzliche Vorstandspflichten als untauglicher Ansatzpunkt aa) Vorstand als Differenzierungsmerkmal Nach den vorstehenden Erkenntnissen sind die §§ 76, 77 AktG im Grundsatz offen für eine Delegation, wenn nicht gegen das Organisationsgefüge verstoßen wird. Dieses Ergebnis soll im Spiegel der weiteren gesetzlichen Vorstandspflichten überprüft werden. Dazu ist zunächst der „Vorstand“ als Adressat der gesetzlichen Vorschriften in den Blick zu nehmen. Nach der herrschenden Auffassung ist eine Aufgabe nicht delegierbar, wenn der „Vorstand“ adressiert wird.261 Sie setzt „Vorstand“ also mit Gesamtvorstand gleich. Im Rahmen der Leitungsdebatte wurde dem Tatbestandsmerkmal vorliegend keine Aussagekraft zugesprochen, da dogmatisch nicht von der Aufgabenerfüllung auf Pflichten geschlossen werden kann.262 Geht man nun vom Geschäftsführungsbegriff als alleinigem Maßstab für jegliches Vorstandshandeln aus, stehen einer Verbindung von Adressat und Aufgabenerfüllung jedenfalls keine dogmatischen Bedenken entgegen. Die These der herrschenden Meinung könnte man mit dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 S. 1 AktG stützen: Dieser besagt, dass die Gesamtgeschäftsführung gilt, wenn der Vorstand aus mehreren Personen besteht. Dementsprechend könnte man annehmen, dass „Vorstand“ stets alle Vorstandsmitglieder umfasst. Diese Annahme wäre sodann auf alle gleichlautenden gesetzlichen Vorschriften zu übertragen, sodass „Vorstand“ auch dort mit Gesamtvorstand gleichzusetzen wäre.263 Die Verknüpfung der herrschenden Ansicht steht aber 260  Siehe

zu den Rückdelegationsrechten § 9 II. 4. § 4 II. 3. a). 262  Dazu bereits § 5 II. 3 a). 261  Dazu



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz121

in Widerspruch zum Regelungsgehalt des § 77 Abs. 1 S. 2 AktG: Dort wird die Abweichungsmöglichkeit von der Gesamtzuständigkeit explizit geregelt.264 Diese Anordnung kann daher als eine Art allgemeiner Teil für die weiteren gesetzlichen Pflichten eingestuft werden, sodass die Abweichungsmöglichkeit im Grundsatz pflichtenunabhängig gilt. Der Begründung der herrschenden Meinung steht außerdem entgegen, dass der Gesetzgeber dort eine unmissverständliche Anordnung getroffen hat, wo er es für erforderlich hielt:265 Nach zutreffender Auffassung herrscht ein eindeutiges Delegationsverbot dann vor, wenn die Norm explizit alle Vorstandsmitglieder adressiert, wie es in den §§ 77 Abs. 2 S. 3, 121 Abs. 2 S. 1, 172 AktG der Fall ist, die jeweils einen Vorstandsbeschluss erfordern und somit einen Willensakt des Plenums regeln.266 Anders als in den Vorschriften, die „bloß“ den Vorstand adressieren, statuiert der Gesetzgeber hier ein ausdrückliches Beschlusserfordernis und weicht somit deutlich von den weiteren Kompetenzvorschriften ab. Zwar muss der Vorstand bei Gesamtgeschäftsführung seine Entscheidungen ebenfalls durch einen Beschluss fassen. Davon darf er aber gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 AktG abweichen. Daher ist richtigerweise davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in den Normen, die ein solches ausdrückliches Beschlusserfordernis enthalten, eine zwingende Gesamtzuständigkeit normiert hat. Die Differenzierung durch den Gesetzgeber ist so klar, dass es sich auch nicht um ein redaktionelles Versehen handeln kann. Überdies kommt die herrschende Ansicht nicht ohne Korrekturen aus: Folgte man konsequent dem eingeschlagenen Pfad, das Tatbestandsmerkmal „Vorstand“ als Differenzierungsmerkmal anzuwenden, so dürften vorbereitende und ausführende Maßnahmen ebenfalls nicht delegiert werden. Das Tatbestandsmerkmal „Vorstand“ markierte die Aufgabe pauschal als delega­ tionsfeindlich. Ein derart weites Verständnis widerspricht dem Minimalkonsens und ließe sich praktisch auch nicht durch den Vorstand leisten.267 Dieser 263  Gegen diese Herleitung auch Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 59 ff. Er argumentiert hingegen inhaltlich: § 90 AktG könne durch ein Vorstandsmitglied wahrgenommen werden, sofern der Aufsichtsrat mit der Informationsqualität zufrieden sei. Andernfalls könnte sich der Aufsichtsrat aber auch an die übrigen Vorstandsmitglieder sowie den Gesamtvorstand richten. Lediglich die Pflichten nach § 92 AktG seien Aufgabe des Gesamtvorstands. Dies gelte der Natur nach. Auf diese Einzelfallbetrachtung wird unter § 8 noch einmal zurückzukommen sein. 264  Siehe auch Frels, ZHR 122 (1959), 8, 24 f.; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 56. 265  Zu den nachfolgenden Beispielen insbesondere Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 57. Außerdem schon im Rahmen des Leitungsbegriffs § 5 II. 3 a). 266  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 59 ff.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 50. 267  Siehe auch Grabolle, Leitungsfunktion, S. 111 ff., die zudem auf die dogmatischen Friktionen dieses Ansatzes verweist.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Zwang zur Korrektur zeigt, dass der Ansatz widersprüchlich und im Ergebnis daher abzulehnen ist. bb) Abstrakte Betrachtung der gesetzlichen Aufgaben Möglicherweise lassen sich die gesetzlichen Vorstandspflichten aber ihrem Regelungsinhalt nach heranziehen. Schon im Rahmen der Leitungsdebatte wurde ausgeführt, dass sich die Regelungsinhalte abstrahieren lassen, namentlich als den Aktionärs-, Gläubiger- sowie öffentlichen Interessen dienend. Im Hinblick auf den Leitungsbegriff wurden diese abstrakten Überschriften aber als zu unbestimmt eingeordnet, um einen Rückschluss auf das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung zuzulassen.268 Für die Delegationsproblematik ist indes noch einmal gesondert zu prüfen, ob sich eine abstrakte Betrachtung fruchtbar machen lässt. Insbesondere für öffentliche Interessen finden sich dann auch einige Stimmen, die ein Delegationsverbot statuieren wollen: So sollen öffentliche Interessen in Gestalt von öffentlichrechtlichen Vorstandspflichten nach Auffassung des Reichsgerichts sowie einem Teil des Schrifttums nicht delegierbar sein.269 Als öffentlich-rechtliche Vorstandspflichten gelten dabei etwa die §§ 91, 92, 170 AktG. Bei entsprechender Begründung lassen sich jedoch weitere Pflichten darunter fassen. Insbesondere Frauenquote oder Corporate Social Responsibility verfolgen ein öffentliches Interesse und müssten delegationsfeindlich sein.270 Aus dogmatischer Sicht kann das Kollegialprinzip als Schutzpatron dieser Interessen verstanden werden, da dessen Einführung eine Abkehr von zentralisierter Macht darstellt und durch die Gleichstellung aller Vorstandsmitglieder sowie durch das Gesamtverantwortungsprinzip eine vorstandsinterne Kontrolle geschaffen wurde,271 die auch den Interessen der Stake- und Shareholder dient.272 Diese Verknüpfung könnte daher als Begründung dafür herangezo268  § 5 II. 3.

269  RGSt 13, 235 ff., wobei das Gericht auf die Verantwortlichkeit abstellte, die durch Delegation nicht angefochten wird; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 70 Rn. 11. Aus dem jüngeren Schrifttum Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 215; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 64 („öffentlich-rechtliche Funktion“). U. H. Schneider/Brouwer, FS Priester, 2007, S. 713, 719 f. nehmen hingegen keine Zuständigkeitsübertragung an, wenn öffentlich-rechtliche Pflichten übertragen werden, da kein Wechsel des Aufgabenträgers stattfinde. Die Differenzierung ist aber Wortklauberei: Es erfolgt ein Zuständigkeitswechsel, da der Vorstand nicht mehr handlungs- sondern überwachungszuständig ist. 270  Zu Frauenquote und Corporate Social Responsibility § 1. 271  Siehe zu den Wirkungen des Kollegialprinzips Wettich, Vorstandsorganisation, S.  35 ff. 272  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 63 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz123

gen werden, dass eine gemeinschaftliche Geschäftsführung erforderlich ist, wenn die genannten Interessen betroffen sind. Pflichten nach ihrer öffentlich-rechtlichen Funktion zu charakterisieren, überzeugt aber schon deshalb nicht, da im Gesetz eine Differenzierung von „öffentlich-rechtlichen“ und „privatrechtlichen“ Pflichten des Vorstands nicht angelegt ist. Nicht nur der Gesetzgeber impliziert eine derartige Trennung nicht, auch inhaltlich fehlt ihr die Überzeugungskraft. Die öffentlich-recht­ lichen Pflichten sind ebenfalls Geschäftsführungsmaßnahmen.273 Davon abgesehen, dass es sich um einen offenen Wertungsbegriff handelt, der konkretisiert werden muss, kann ein Rangverhältnis nicht festgemacht werden.274 Das Kriterium der öffentlich-rechtlichen Pflichten bildet zudem nicht ab, dass auch andere Vorschriften der Gesamtzuständigkeit unterliegen können, ohne dass ein spezifisch öffentlich-rechtlicher Kontext vorliegt.275 Auch die Anknüpfung an das Kollegialprinzip verfängt nicht: Dass das Prinzip den genannten Interessengruppen dient, wird hier nicht in Frage gestellt. Daher können ihre Belange in die Einzelfallabwägung einbezogen werden. Als abstrakte Kriterien sind die Interessen jedoch untereinander sowie innerhalb der Gruppen zu divers und haben daher nur eine begrenzte Konkretisierungskompetenz.276 Außerdem hat bereits die Analyse des Kollegialprinzips gezeigt, dass dieses Prinzip die Grundlage für eine wirksame Aufgabenübertragung ist, indem es die gegenseitige Überwachung innerhalb des Vorstands sicherstellt. Die Delegation kann den Interessen von Öffentlichkeit, Gläubigern und Aktionären somit nicht zuwiderlaufen. Das gilt ohnehin schon deshalb, da die Organisation der Aktiengesellschaft, die auch die effektive Aufgabenwahrnehmung erfasst, den Interessen der Stake- und Shareholder dient. Der juristische Diskurs unternimmt abseits dieses Ansatzes weitere abstrakte Annäherungsversuche: So soll etwa laut Frels der Vorstand, sofern es vergangene Geschäftsführungsmaßnahmen zu rechtfertigen gilt, im Plenum handeln. Vergangene Maßnahmen in diesem Sinne sollen etwa Buch- und 273  Boesebeck, JW 1938, 2525, 2527, der darauf hinweist, dass Beschlüsse nicht gegen öffentlich-rechtliche Pflichten verstoßen dürften. Dies ergibt sich aber bereits aus der Legalitätspflicht und berührt die Delegationsfrage nicht. 274  So überzeugend Frels, ZHR 122 (1959), 8, 24 ff.; ausführlich Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 57 ff., der überdies darauf verweist, dass das Gericht nur eine Gesamtverantwortlichkeit fordere, die jedoch auch durch Überwachung erfüllt werden könne. Siehe auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 158 f.; U. H. Schneider/Brouwer, FS Priester, 2007, S. 713, 717 ff. Diese Einstufung ablehnend auch Fleischer, WM 2006, 2021 ff., der sich im Übrigen für eine Delegierbarkeit dieser Pflicht ausspricht. 275  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 59 f. 276  Vgl. dazu § 5 II. 3. b).

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Berichtspflichten sein.277 Dagegen wird zutreffend vorgebracht, dass ein solcher Filter nicht alle wesentlichen Pflichten, bei denen über ein Delegationsverbot nachzudenken wäre, abdecke.278 Das gilt insbesondere deshalb, weil dieser Vorstoß am Gesetz nicht festgemacht werden kann. Eine Begründung, warum vergangene Maßnahmen nun gegenüber gegenwärtigen hervorzuheben sind, fehlt. Frels klassifiziert Pflichten außerdem als „organschaftliche Mindestzuständigkeit“. Er verweist dazu auf eine reichsgerichtliche Entscheidung279, in der das Gericht von „handelsgesetzlichen Mindestbefugnissen“ des Aufsichtsrats spricht. Darunter sollen solche Aufgaben fallen, die, wenn sie der Aufsichtsrat nicht ausübte, dem Organ seine Rechtsposition entziehen würden. Organschaftliche Mindestzuständigkeiten hat laut Frels auch der Vorstand, die sich darin ausdrücken, dass er sie nicht delegieren dürfe.280 Zu Recht wird diese These als vom Gesetz nicht belegbar eingestuft.281 Hinzu kommt, dass die Delegation die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder nicht unüberwindbar daran hindert, auf die Aufgabenerfüllung Einfluss zu nehmen. Über ihre Überwachungspflicht üben die Vorstandsmitglieder weiterhin ihre Organfunktion aus. Nicht zuletzt handelt es sich um einen Zirkelschluss, wenn man auf die Mindestzuständigkeit abstellt: Maßnahmen, die nicht delegierbar sein sollen, werden dem Etikett der Mindestzuständigkeit unterworfen. Dieses Etikett wird gleichsam herangezogen, um nicht delegierbare Aufgaben zu identifizieren. Im Ergebnis sind die gesetzlichen Vorstandspflichten weder einer Delegation unzugänglich noch eine tragfähige Grundlage, um eine Beschränkung der Delegation herzuleiten. e) § 90 AktG und § 111 Abs. 4 S. 2 AktG als bloße Kontrollnormen für den Aufsichtsrat Die bisherigen Nachforschungen haben keine Norm im Aktiengesetz festmachen können, die eine Beschränkung der Delegation begründen könnte. Nach vereinzelter Auffassung soll aber das Rechtsverhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat, also die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat, eine entsprechende Wertung zulassen: Ein Wertungstransfer auf die Delegationsproblematik wird damit begründet, dass die Gesamtzuständigkeit des Vorstands der gegenseitigen Kontrolle diene und damit eine hinreichende Vergleichbarkeit mit der Beziehung von Vorstand und Aufsichtsrat bestehe. Frels, ZHR 122 (1959), 8, 26 f. Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 60. 279  RGZ JW 1924, 1144 f. 280  Dazu Frels, ZHR 122 (1959), 8, 26 f. 281  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 58 f. 277  Siehe

278  Dose,



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz125

Ausgehend davon sollen Aufgaben, die den Berichtsinhalt des § 90 AktG betreffen oder aber der Zustimmung nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG unterliegen, delegationsfeindlich sein.282 Nach der hier vertretenen Auffassung sind das Kontrollverhältnis innerhalb des Vorstands und die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat systematisch jedoch nicht vergleichbar: Wenn man die Wertungen der §§ 90, 111 Abs. 4 S. 2 AktG übertragen würde, würde man der horizontalen Delegationsform eine Schablone zugrunde legen, die vor allem kontrollrechtlichen Hintergrund hat und nicht unmittelbar auf die geschäftsführende Tätigkeit des Vorstands passt. Zwar besteht innerhalb des Vorstands eine gegenseitige Kontrollpflicht.283 Die gegenseitige Kontrolle entfaltet ihre Wirkungen aber je nach den Umständen sehr unterschiedlich. So ist die Kontrolle mitsamt ihren Instrumenten zunächst nur eingeschränkt erforderlich, wenn alle Vorstandsmitglieder im Plenum entscheiden, da diese an der internen Besprechung des Sachverhalts unmittelbar beteiligt sind. Ganz praktisch wird der Vorstand zu einer Sitzung zusammenkommen und nach Offenlegung der Fakten und einer Besprechung über die Maßnahme abstimmen. Das einzelne Vorstandsmitglied kann in der Sitzung seine Bedenken äußern und inter­ venieren, wenn eine geplante Geschäftsführungsmaßnahme aus seiner Sicht nicht den gebotenen Sorgfaltsanforderungen entspricht. Die Vorschriften zur Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat stellen hingegen auf eine Situation ab, in der ein Außenstehender, konkret der Aufsichtsrat, naturgemäß keinen unmittelbaren Einblick in die internen Abläufe des Vorstands hat. Die Berichtspflicht gewährleistet, dass er Einblick erhält.284 Der Zustimmungsvorbehalt als weiteres Kontrollinstrument sichert dem Aufsichtsrat die Kontrolle über wesentliche Geschäftsführungsmaßnahmen.285 Somit unterscheiden sich die jeweiligen Informationsgefälle deutlich. Etwas anderes könnte höchstens gelten, wenn Vorbereitung und Ausführung delegiert werden, aber nicht die Entscheidung. Die Entscheidung setzt sodann eine umfassende Informationsgrundlage voraus. Letztlich sind die Vorstandsmitglieder aber in der Lage, sich vor der Entscheidungsfindung umfassend zu informieren. Es besteht kein Zwang zum Beschluss. Entscheidet der Vorstand also wie im vorstehenden Szenario im Plenum, lässt sich eine Wertungsparallele zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats nicht ziehen.

282  Siehe

dazu bereits im Meinungsstand § 4 II. 3. b). schon b) bb) (1). 284  Zum Regelungszweck statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 90 Rn. 1 f. Der Katalog des § 90 AktG ist dabei nicht abschließend zu betrachten. 285  Zum Regelungszweck ebenfalls Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 1, 33. Zum Zusammenspiel der Organe außerdem schon § 3 II. 1. 283  Siehe

126

3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Der Einfluss des Plenums auf die Aufgabenerfüllung nimmt jedoch mit der horizontalen Delegation ab, da die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder ihre Rolle als primär Handelnde verlieren und eine Überwachungsfunktion übernehmen. Ihnen fehlt mithin die unmittelbare Einsicht in die Entscheidungen des zuständigen Vorstandsmitglieds. Sie werden überspitzt formuliert zu Außenstehenden. Damit nähert sich auch die Informationsasymmetrie derjenigen des Aufsichtsrats an. Hier den Kontrollmaßstab anzulegen, der auch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat besteht, ist somit zunächst nicht fernliegend. Aber auch bei einer horizontalen Delegation ist die Rechtsstellung der überwachenden Vorstandsmitglieder nicht mit dem Überwachungsorgan Aufsichtsrat vergleichbar: Die Vorstandsmitglieder müssen jede einzelne Aufgabenübertragung überwachen, da die jeweiligen Aufgaben Teil ihrer originären Geschäftsführungskompetenz sind. Hier ist dementsprechend ein hoher Maßstab anzulegen.286 Dagegen soll und kann der Aufsichtsrat nicht jede einfache Geschäftsführungsmaßnahme überwachen.287 Die §§ 90, 111 Abs. 4 S. 2 AktG beschränken sich daher auf Ausschnitte der Geschäftsführung. Somit handelt es sich um qualitativ wie quantitativ divergierende Überwachungsaufgaben. Außerdem sind die Kontrollrichtungen nicht vergleichbar: Der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand einseitig. Innerhalb des Vorstands findet hingegen eine gegenseitige Überwachung statt. Daher liegen gänzlich andere Rechtsverhältnisse vor. Ein Wertungstransfer ist im Ergebnis daher abzulehnen.288 f) Delegation als Teil der Führungsaufgabe Die gesetzlichen Vorschriften und ungeschriebenen Prinzipien zum Vorstand, die bisher in den Blick genommen wurden, sprechen nicht gegen eine Delegation, da weder die Rechtsstellung des Vorstands eine Beschränkung erfordert noch die Systematik eine solche statuiert. Daher soll der Blick allgemeiner ausgerichtet werden: Das Aktiengesetz spricht dem Vorstand die Führungsaufgabe als solche zu. Dieser allgemeinen Organisationsanordnung könnte unabhängig von den bereits beleuchteten aktienrechtlichen Einzelvorschriften jedwede Entäußerung von Kompetenzen entgegenstehen.289 Die Debatte entzündet sich maßgeblich an Selbstbindungen des Vorstands gegenüber Dritten, da er sich durch derartige Verpflichtungen fremden Einflüssen 286  Zu

den Anforderungen an die Überwachung im Einzelnen § 10. bereits § 5 II. 4. a). 288  Im Rahmen der Einzelfallabwägung ist allerdings noch einmal auf die §§ 90, 111 AktG zurückzukommen. Siehe noch § 8. 289  Siehe dazu auch die dogmatische Begründung des Delegationsverbots unter § 4 I. 287  Siehe



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz127

zwingend unterwirft.290 Aber auch die Delegation ist definitionsgemäß291 eine Form der Kompetenzveräußerung und somit dahingehend zu prüfen, ob dieses Organisationsmittel die Führungsaufgabe aushöhlt. Zunächst ist noch einmal auf die Schutzmechanismen zu verweisen, die das Aktienrecht für die Geschäftsverteilung statuiert: Sowohl § 76 AktG als auch § 77 AktG sind Ausdruck der Organfunktion.292 Somit fällt auch die Abweichungsmöglichkeit des § 77 Abs. 1 S. 2 AktG in diesen Bereich. Flankiert wird die gesetzliche Öffnung, dispositive Regelungen zu erlassen, allerdings von verschiedenen Anforderungen. Der Gesamtvorstand entscheidet einstimmig über die Geschäftsordnung, ihre Änderung oder Aufhebung. In der Geschäftsordnung wird auch die Geschäftsverteilung festgelegt.293 Somit werden die einzelnen Vorstandsmitglieder hinreichend an der Ausgestaltung der Geschäftsverteilung beteiligt, sodass auch ihre Organfunktion unberührt bleibt. Das gilt auch für den Fall, dass Aufsichtsrat oder Hauptversammlung Einfluss auf die Geschäftsverteilung nehmen (§ 77 Abs. 2 AktG),294 da der Gesetzgeber insofern eine weitere Kontrollebene geschaffen hat.295 Dennoch kann man sich fragen, was aus Sicht der Beteiligten, insbesondere aus Sicht der Aktionäre, gewollt ist. Aufgrund ihrer komplexen Struktur ist die Hauptversammlung auf die Funktionsfähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat angewiesen. Auf der einen Seite steuert der Vorstand die Gesellschaft und soll dementsprechend die Zügel in der Hand halten. Damit ist auch klar, dass er nicht jede Aufgabe delegieren kann. Würde der Vorstand die Geschäftsführung vollständig übertragen, würde sich der Vorstand zu einem zweiten Überwachungsorgan entwickeln.296 Das ist nicht im Sinne des Aktiengesetzes und auch nicht im Sinne der Aktionäre, die vom Vorstand die Steuerung der Gesellschaft erwarten. Das Führungsorgan ist auf der anderen Seite aber auch dazu verpflichtet, das Erforderliche zu tun, um den Erfolg der Gesellschaft sicherzustellen.297 Gerade die Aktionäre wollen eine erfolgreiche Aktiengesellschaft. Dazu gehört die effektive Organisation der Gesellschaft, die eine Aufgabenverteilung zwingend voraussetzt. Somit steht die Delegation den Interessen der Aktionäre nicht entgegen, so lange sich der Vorstand seiner Führungsfunktion nicht entledigt.

290  Siehe

zu dieser Fallgruppe noch 3. a) bb). § 6 I. 1. a). 292  Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 33. 293  Siehe noch § 7 II. 294  § 7 I., II. 295  So schon unter § 5 II. 2. e). 296  Siehe auch zutreffend Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 86. 297  Vgl. Holle, Legalitätskontrolle, S. 37 (m. w. N.). 291  § 3 I.;

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Auf horizontaler Ebene wird dies schon dadurch sichergestellt, dass jedes Vorstandsmitglied eine Aufgabe zugewiesen bekommt und in der Gesamtheit alle Vorstandsmitglieder in einem Bereich handlungszuständig sind.298 Ein vollständiger Wechsel vom Führungs- zum Überwachungsorgan findet nicht statt. Hinzu kommt, dass die überwachenden Vorstandsmitglieder hinreichende Einflussrechte erhalten.299 Letztlich unterliegen auch die einzelnen Befugnisse der Vorstandsmitglieder Grenzen: Zunächst steht es dem Gesamtvorstand frei, gewisse Leitlinien zu fixieren, denen die einzelnen Vorstandsmitglieder sodann folgen müssen.300 Die grundsätzliche Ausrichtung der Gesellschaft zu definieren, wird man sogar als zwingend vom Gesamtvorstand wahrzunehmende Aufgabe verstehen müssen.301 Daher erweist sich auch die Befürchtung als unbegründet, dass die Delegation die Vorstandskompetenzen ausverkaufe und somit die Gesellschaftsautonomie beeinträchtige. Friktionen zwischen Delegation und Führungsaufgabe sowie Gesellschaftsautonomie können aufkommen, wenn Aufgaben an Mitarbeiter oder Dritte übertragen werden. Daher müssen die Auswirkungen dieser Delega­ tionsformen vertieft beleuchtet werden. Als Gegenargument könnte noch vorgebracht werden, dass sich der Vorstand, der auf die Delegation rechtstatsächlich angewiesen ist, faktisch bindet, weil er sich auf den Delegationsempfänger verlässt und von einer eigenen Meinungsbildung absieht. Diese Bedenken gelten für alle Delegationsformen. Eine derartige Bindung entstünde aber nur, wenn der Vorstand seine Überwachungspflicht nicht ordnungsgemäß ausüben würde. Diese Pflichtverletzung wäre aktienrechtlich zu bewerten und sähe sich möglicherweise den Konsequenzen der §§ 93 Abs. 2 S. 1, 84 Abs. 3 S. 1 AktG ausgesetzt. Es handelt sich jedoch um einen Verstoß im Einzelfall. An die Verletzung der Organfunktion müssen jedoch höhere Anforderungen gestellt werden: Es bedarf grundsätzlicher Funktionsstörungen. Bloße Pflichtverletzungen erfüllen diese Anforderungen nicht. Diese muss das Aktienrecht aushalten können. Hinzu kommt, dass die Grenze zum Delegationsverbot äußerst schnell überschritten wäre. Da kein Verlust der Vorstandsautonomie zu befürchten ist, kann auch keine Verletzung der Gesellschaftsautonomie und mit ihr des Gesellschaftszwecks angenommen werden, die aus dem Verlust der Leitungsautonomie folgen soll.302 Daher ergibt sich auch aus diesem allgemein ausge298  In diese Richtung auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 157 f. zu den Mindestzuständigkeiten. 299  § 9 II. 4. 300  Vgl. Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 580. 301  Dazu noch im Rahmen der Einzelfallbetrachtung unter § 8. 302  Im Ergebnis auch Grabolle, Leitungsfunktion, S. 163 ff. Schon im Rechtsprechungsüberblick (§ 4 II. 4.) wurde das Problem des Rumpfvorstands erörtert. Dieses Problem lässt sich jedoch nicht mit der Delegation vergleichen, da es sich nicht um



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz129

richteten Blick auf die Führungsaufgabe des Vorstands kein aktienrechtliches Bedürfnis, die horizontale Delegation einzuschränken. g) Exkurs: Gleichlauf des Anstellungsvertrags zur Geschäftsordnung Unter organschaftlichen Gesichtspunkten sind mithin keine Konflikte ersichtlich. Fraglich ist aber, wie sich die Delegation auf den Anstellungsvertrag auswirkt. Der Anstellungsvertrag ist zwar keine gesetzliche Vorschrift. Er ist aber im Aktiengesetz angelegt303 und seine Ausgestaltung lässt daher durchaus Wertungen zu. Der Vorstand verpflichtet sich nicht nur organschaftlich, sondern auch vertraglich zur Führung der Geschäfte. Eine weitgehende Kompetenzveräußerung könnte mithin die vertragliche Pflicht, die Aktiengesellschaft zu steuern, verletzen. Spiegelbildlich dazu könnte die Delegation auch die Rechte der übrigen Vorstandsmitglieder verletzen, da deren vertraglich zugesicherter Wirkbereich möglicherweise verkürzt wird. Betrachtet man zunächst den Regelungsinhalt eines Anstellungsvertrags, so handelt es sich um einen Dienstvertrag gemäß §§ 611, 675 BGB und ein von der Bestellung getrenntes Rechtsgeschäft. Die Vorstandsmitglieder sind keine Arbeitnehmer, sondern fungieren als Arbeitgeber.304 Das Gesetz gibt keine spezifischen anstellungsvertraglichen Regelungen vor, sodass die Parteien den Vertrag entsprechend gestalten können. Insbesondere die Vergütung wird dort geregelt.305 Außerdem können die Pflichten des Vorstands präzisiert werden.306 Möglich sind genaue Regelungen zur Dienstzeit; fehlen diese, ist der Vorstand frei, sofern er seine organschaftlichen Pflichten wahreine Delegation handelt, wenn der Vorstand unterbesetzt ist. Vielmehr ist die Funk­ tionsfähigkeit des Organs eingeschränkt, da ein Aufgabenträger in gesetzeswidriger Weise wegfällt. Daher soll auf diese spezielle Debatte vorliegend nicht grundlegend eingegangen werden. Vgl. zu diesem Problem BGHZ 149, 158 ff. = BGH BB 2002, 165 ff.; aus dem Schrifttum etwa Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 534; Fleischer, NZG 2003, 449, 450 f.; Götz, ZIP 2002, 1745; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 56. In seiner Entscheidung zum Rumpfvorstand rekurriert der BGH überdies vor allem auch auf die besondere Bedeutung der Aufgabe. Dieses Kriterium ist auch im herrschenden Schrifttum weithin anerkannt, um delegierbare von nicht delegierbaren Aufgaben zu unterscheiden (siehe bereits den Meinungsstand dazu unter § 4 II 3. d), 4.). Es handelt sich aber um ein Kriterium, das im Rahmen der Einzelfallbetrachtung relevant ist. Insofern soll in diesem Rahmen eine nähere Konkretisierung des Kriteriums vorgenommen werden (dazu unter § 8). 303  Vgl. etwa § 84 Abs. 1 S. 5 AktG. 304  Dazu Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 14 (m. w. N.); Seyfarth, VorstandsR, § 8 Rn. 1; Thüsing, in: Hdb. VorstandsR, § 4 Rn. 53 f.; Wiesner, in: Hdb. GesR, Bd. IV, § 21 Rn. 1. 305  Zum Vorstehenden Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 21 f. 306  Thüsing, in: Hdb. VorstandsR, § 4 Rn. 82.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

nimmt.307 Häufig werden die Verträge auch Ressort- oder ähnliche Aufgabenzuweisungen enthalten.308 Da der Anstellungsvertrag somit Regelungen zur Aufgabenwahrnehmung enthält, bedarf es auch einer Einordnung der Delegationsproblematik in diesen Kontext. Der Anstellungsvertrag ist aktienrechtlichen Schranken unterworfen.309 Auch Satzungs- und Geschäftsordnungsregelungen strahlen daher in den Anstellungsvertrag hinein. Das gilt vornehmlich für die Aufgabenzuweisung: Änderungen, die anstellungsvertraglichen Regelungen entgegenstehen, sind korporationsrechtlich bindend, führen jedoch zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht.310 Anstellungsvertragliche Regelungen können das Aktiengesetz somit nicht überlagern. Der Anstellungsvertrag kann für den Vorstand ebenfalls keine weitergehenden Regelungen aufstellen: Zwar ist der Aufsichtsrat ohnehin befugt, eine Geschäftsordnung zu bestimmen. Wird er jedoch nicht tätig, das heißt, fehlt eine Geschäftsordnung gänzlich oder hat sich der Vorstand eine Geschäftsordnung gegeben, dann darf der Anstellungsvertrag diesbezüglich keine Regelungen enthalten. Der Aufsichtsrat muss die aktienrechtlichen Instrumente nutzen, andernfalls verstößt er gegen die Geschäftsordnungskompetenz des Vorstands. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Vorstand einstimmig zustimmt.311 Verstöße gegen den Vertrag unterliegen somit einem eigenen Rechtsfolgenregime. Die Delegationsfähigkeit der jeweiligen Maßnahmen richtet sich ausschließlich nach dem Aktienrecht. h) Keine organübergreifenden Friktionen Nach den vorstehenden Ergebnissen beeinträchtigt die horizontale Delegation die Rechte des Vorstands, insbesondere aber der einzelnen Vorstandsmitglieder, nicht. Lenkt man den Blick vom Vorstand auf die übrigen Organe der Aktiengesellschaft, könnte die Delegation aber die Kompetenzen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung verletzen. Das wäre unstreitig der Fall, 307  Vgl. dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 79; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 84 Rn. 109. 308  Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 22; Weber, in: Hölters, § 84 Rn. 52. Siehe auch Thüsing, in: Hdb. VorstandsR, § 4 Rn. 134. 309  BGH NJW 1989, 2683 f. („Vorrang“); Wiesner, in: Hdb. GesR, Bd. IV, § 21 Rn. 2, wonach konfligierende Regelungen des Anstellungsvertrags nach § 134 BGB nichtig seien („Vorrang des Organverhältnisses“; m. w. N.). 310  Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 93 f.; § 84 Rn. 284. Dazu auch Mertens/ Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 42, 44; Weber, in: Hölters, § 84 Rn. 52. Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 68 f. sieht darin eine Änderungskündigung durch die Gesellschaft. 311  Dazu Kort, in: Großkomm. AktG, § 84 Rn. 285.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz131

wenn der Vorstand Maßnahmen delegieren würde, die im Kompetenzbereich der Mitorgane liegen und von diesen wahrzunehmen sind. Ein derartiges Vorgehen wäre ein Verstoß gegen das Organisationsgefüge.312 Abseits dieser Fälle ist zu untersuchen, ob sich die Delegation von Geschäftsführungsmaßnahmen innerhalb des Vorstands kompetenzverletzend auswirkt. Dies ist denkbar, wenn der Aufsichtsrat dem Vorstand gemäß § 77 Abs. 2 S. 1 AktG eine Geschäftsordnung gibt und darin Anordnungen zur Aufgabenverteilung trifft,313 die vom Vorstand gelebte Aufgabenwahrnehmung aber nicht mit diesen Anordnungen übereinstimmt. In der Tat erfolgt schon die Bestellung der Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat regelmäßig im Hinblick auf eine bestimmte Aufgabe.314 Die Kompetenz, Vorstandsmitglieder zu bestellen sowie dem Vorstand eine Geschäftsordnung zu geben, wird durch die Delegation aber nicht beschränkt.315 Sollte die Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand nicht der Geschäftsordnung entsprechen, handelt es sich um einen gewöhnlichen Pflichtverstoß. Daraus folgt jedoch keine allgemeine Beschränkung der Delegationsfähigkeit. Aus Sicht des Aufsichtsrats könnte die Delegation aber ein Überwachungsdefizit bewirken: Das wäre anzunehmen, wenn die Aufgabenübertragung dazu führte, dass der Aufsichtsrat seiner Überwachungsaufgabe nicht mehr hinreichend nachkommen könnte, etwa, weil der Informationsaustausch beeinträchtigt ist.316 Gegen diese Befürchtung spricht, dass die Aufgabe auf Vorstandsebene verbleibt und sich der Inhalt der Überwachungsaufgabe nicht ändert. Anstelle des Plenums handelt ein einzelnes Vorstandsmitglied, sodass sich die Wertigkeit des Überwachungssubjekts nicht verschiebt. Diese Einschätzung stützt sich insbesondere darauf, dass der Informationsaustausch weiterhin ungefiltert zwischen dem Vorstand, wenn auch nur durch ein Mitglied abgebildet, und dem Aufsichtsrat stattfindet. Eine Einschränkung droht 312  Vgl. zur Kompetenz der Hauptversammlung im Rahmen von Business Combination Agreements Kuntz, AG 2016, 101, 104. Allgemein statt vieler Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 21. Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 94 schlägt den Bogen zu § 23 Abs. 5 AktG. Die Vorschrift betrifft jedoch lediglich Satzungsvorschriften, die bei Delegationsanordnungen regelmäßig nicht vorliegen. Der Verbindung bedarf es auch überhaupt nicht, da etwaige Geschäftsordnungen dem Aktiengesetz genügen müssen und auch im Übrigen sämtliche Maßnahmen des Vorstands der Legalitätspflicht unterliegen (zur Geschäftsordnung § 7 II.; zur Legalitätspflicht im Allgemeinen Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 6 m. w. N.). 313  Zur Geschäftsordnungskompetenz des Aufsichtsrats im Einzelnen noch unter § 7 II. 314  Siehe nur RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99. Er schließt auch die Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern. 315  Schiessl, ZGR 1992, 64, 81 f. 316  Siehe schon in Ansätzen § 3 II. 1.; außerdem § 4 I. So im Ergebnis Grabolle, Leitungsfunktion, S. 164 ff. Siehe dazu auch noch 2. c) aa), 3. b).

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

hingegen, wenn die Delegation die Vorstandsebene verlässt, namentlich durch Übertragung der Aufgaben an nachgeordnete Führungsebenen oder gesellschaftsfremde Dritte. Eine weitere Handlungsperson tritt hinzu und mit ihr die Frage, ob insbesondere der Aufsichtsrat hinreichende Einflussrechte auf diese Person hat. Dadurch, dass sich eine weitere Ebene hinzuschaltet, erfolgt der Informationsaustausch möglicherweise nicht mehr ungefiltert. Die Überwachungskompetenz könnte dadurch verletzt sein. Daher gilt es im Rahmen dieser Delegationsarten zu prüfen, ob die Informationsgewinnung gesichert ist. Für die Hauptversammlung ist der Befund gleichlautend: Die Delegation innerhalb des Vorstands wirkt sich nicht kompetenzverletzend aus. Die Hauptversammlung kann gemäß § 77 Abs. 2 AktG weiterhin durch eine Satzungsregelung Einfluss auf die Geschäftsordnung nehmen. Verstößt der Vorstand gegen derartige Regelungen, sieht das Aktiengesetz mit §§ 93, 84 AktG hinreichende Reaktionsmöglichkeiten vor. Diese Einzelfälle erlauben aber keinen Rückschluss auf die Delegation als solche. Etwas anderes könnte höchstens dann gelten, wenn eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit vorliegt:317 Legt der Vorstand die Maßnahme nicht der Hauptversammlung vor, verstößt er gegen diese Kompetenz. Nun könnte man argumentieren, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Verstöße höher ist, wenn die Aufgaben verteilt werden und die Kontrollwirkung der Gesamtzuständigkeit fehlt. Diese Kontrolle erfolgt aber durch die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder. Letztlich ist der Kompetenzverstoß auch unabhängig davon gegeben, ob der Gesamtvorstand oder ein einzelnes Vorstandsmitglied handelt. Wiederum kann ein einzelner Pflichtverstoß nicht über die Delegationsfähigkeit entscheiden. Die Rechte der Hauptversammlung werden allerdings in den Fällen noch einmal zu problematisieren sein, in denen die Delegation über die Vorstandsebene hinausreicht.318 Das Organisationsgefüge, namentlich das Zusammenspiel der Organe, bleibt von der horizontalen Delegation im Ergebnis unberührt.319 i) Kein Haftungsdefizit Will man die Delegation im Spiegel aller Interessen bewerten, so darf nicht nur die vorstehend dargelegte Perspektive von Aufsichtsrat und Hauptversammlung betrachtet werden. Auch die Belange der Gesellschaft und ihrer Gläubiger sind zu berücksichtigen. Diese könnten insbesondere durch die Rechtswirkungen der Delegation beeinträchtigt werden: Die Delegation ver317  Dazu

unter § 3 II. 1. 2. c) bb), 3. b). 319  So auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 4. 318  Dazu



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz133

schiebt die Verantwortlichkeit des Vorstands und wirkt sich auf das Haftungsregime des § 93 AktG aus, da die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder nur für eine Verletzung ihrer Überwachungspflicht einstehen müssen, nicht aber für die pflichtwidrige Aufgabenerfüllung.320 Stuft man diese Verantwortlichkeitsverschiebung als Haftungsdefizit ein, dann wäre dies unvereinbar mit § 93 AktG.321 In der Folge müsste die Delegation zumindest beschränkt werden. Dementsprechend argumentiert auch der juristische Diskurs: Insbesondere die Gläubiger seien benachteiligt, da ihnen nur das zuständige Vorstandsmitglied für Pflichtverstöße aus der unmittelbaren Aufgabenerfüllung hafte, während die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder nur eine Überwachungspflicht treffe.322 Bei genauer Betrachtung ist ein Haftungsdefizit bei horizontaler Delegation jedoch eine unbegründete Befürchtung. Das gilt insbesondere aus Sicht der Gläubiger: § 93 Abs. 2 AktG ist als reine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet. Allenfalls deliktische Ansprüche können direkt gegenüber den einzelnen Vorstandsmitgliedern geltend gemacht werden.323 Die Gläubiger können sich also ohnehin lediglich an die Gesellschaft wenden, sodass ihre Interessen auch im Falle der Delegation hinreichend gewahrt bleiben. Allenfalls mittelbar wirkt sich die Delegation aus: Der Gesellschaft fallen mögliche Schuldner weg, da sie wegen der Handlungspflichtverletzung nur beim zuständigen Vorstandsmitglied Regress nehmen kann; dessen Verhalten wird den übrigen Vorstandsmitgliedern nach herrschender Meinung nicht nach § 278 S. 1 BGB zugerechnet.324 Die Verschiebung der Haftung 320  Siehe

dazu bereits § 3 II. 2. Frage der Haftungsbeschränkungen außerhalb des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist hochumstritten: Zur Regressreduzierung Koch, AG 2012, 429 ff.; Koch, AG 2014, 513 ff. Reformüberlegungen zur Organhaftung außerdem von Bachmann, 70. DJT, Bd. I, E 9 ff. Dazu auch Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 ff.; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221 ff. Außerdem Fleischer, ZIP 2014, 1305 ff.; Hasselbach, NZG 2016, 890 ff.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 ff. 322  § 3 II. 2.; § 4 I. 323  Zur Haftung des Vorstands nach außen siehe statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 65 ff. Aufsehen erregt hat die „Baustoff“-Entscheidung, in der ein deliktischer Anspruch gegen den Geschäftsführer einer GmbH aufgrund von Organisationsmängeln anerkannt wurde, BGHZ 109, 297, 302 ff. = NJW 1990, 976. Dieser Entscheidung steht jedoch die neuere Rechtsprechung entgegen: Bei Organisationspflichten handelt es sich um Pflichten des Vorstands gegenüber der AG, während diese gegenüber Dritten haftet. Auch die Legalitätspflicht schlägt nicht nach außen durch. Fälle, in denen der Vorstand persönlich nach außen haftet, sind somit nur begrenzt anerkannt. Vgl. zum Vorstehenden auch BGHZ 194, 26, 33 ff. = BGH NJW 2012, 3439, 3441 f.; BGHZ 201, 344, 350 f. = BGH NZG 2014, 991, 993 sowie aus dem Schrifttum Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 316 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 66. 324  § 3 II. 2. 321  Die

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

könnte wiederum die Gläubiger und ihre Chancen auf Schadensersatz beeinträchtigen, da die Gesellschaft auf weniger Haftungsmasse zugreifen kann. Dies könnte letztlich auch zur Insolvenz führen. Die Annahme eines Haftungsdefizits überzeugt dennoch nicht. Aktiengesellschaften sind im Vergleich zu anderen Gesellschaften deutlich insolvenzresistenter.325 Außerdem schließt die Gesellschaft für ihre Vorstandsmitglieder eine D&O-Versicherung ab (vgl. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG),326 sodass die Versicherung in Anspruch genommen werden kann. Außer Acht bleibt in der Diskussion vor allem, dass sich der Vorstand durch die Delegation nicht von der Haftung befreit: Mit der Entäußerung gibt der Vorstand seine Verantwortung gerade nicht ab, da das Gesamtverantwortungsprinzip eine Residualpflicht in Form der Überwachung vorsieht. Daher ist zu prüfen, ob die überwachenden Vorstandsmitglieder nicht auch ihre Überwachungspflicht verletzt haben. In diesem Fall ergibt sich eine weitere Regressmöglichkeit. Über diese Residualpflicht kann die Delegation so gelenkt werden, dass sie keine Rechtsbeeinträchtigungen herbeiführt. Das Kontrollsystem innerhalb des Vorstands wird zudem ergänzt durch die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats. Neben gewöhnlichen Überwachungsmaßnahmen kann dieses Organ durch seine Geschäftsordnungskompetenz nach § 77 Abs. 2 S. 1 AktG steuernd eingreifen. Somit steht der ursprünglichen Pflicht ein vollwertiges Äquivalent gegenüber. Die Delegation auf horizontaler Ebene führt also mitnichten zu einer Verantwortungsflucht. Nicht zuletzt hat der Weg über § 93 AktG kein Differenzierungspotential: Ist man der Überzeugung, dass die Delegation ein Haftungsdefizit herbeiführt, müsste man ein absolutes Delegationsverbot formulieren, da ein derart strukturelles Defizit nicht mit dem Aktiengesetz vereinbar wäre. Diese Konsequenz wollen die oben aufgeführten Stimmen jedoch nicht ziehen, insbesondere wollen sie kein absolutes Delegationsverbot installieren. Da eine Differenzierung also nicht möglich ist, müsste dieser Ansatz weiterhin eine Abgrenzung zwischen delegierbaren und nicht delegierbaren Aufgaben und Aufgabenbereichen vornehmen. Auch deshalb fehlt dem Weg über das Haftungsdefizit die Überzeugungskraft. Nach der hier vertretenen Auffassung zieht die horizontale Delegation im Ergebnis kein Haftungsdefizit nach sich. 325  Siehe dazu Koch, GesR, § 34 Rn. 16 (m. w. N.). Für den Fall, dass die Gläubiger von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können, diese aber noch nicht insolvent ist, steht Gläubigern der Weg des § 93 Abs. 5 S. 1 AktG offen, wonach sie den Ersatzanspruch der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG geltend machen können. In der Insolvenz übt der Insolvenzverwalter dieses Recht aus, § 93 Abs. 5 S. 4 AktG. Allerdings handelt es sich nicht um einen Außenhaftungsanspruch in dem oben beschriebenen Sinne. Siehe zu § 93 Abs. 5 AktG Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn.  80 ff. 326  Dazu statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 58 ff.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz135

Die Gefahr eines Haftungsdefizits ist hingegen noch einmal vertieft zu beleuchten, wenn Aufgaben vertikal oder extern übertragen werden. j) Delegation durch den Aufsichtsrat als Wertungshilfe Die bisher gewonnenen Ergebnisse lassen sich zuletzt auch durch eine Wertungshilfe aus dem Recht des Aufsichtsrats stützen. Dem Aufsichtsrat steht ebenfalls ein Delegationsrecht zu, das im Vergleich zu § 77 AktG deutlich detaillierter ausgeformt ist. Namentlich gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 AktG darf er einen oder mehrere Ausschüsse bilden, um seine Verhandlungen und Beschlüsse vorzubereiten oder die Ausführung seiner Beschlüsse zu überwachen.327 Im Umkehrschluss aus § 107 Abs. 3 S. 4 AktG, wonach der Ausschuss nur über bestimmte Aufgaben nicht Beschluss fassen darf, darf der Ausschuss grundsätzlich auch Entscheidungen treffen.328 Von der schwierigen Abgrenzung zwischen delegierbaren und nicht delegierbaren Aufgaben bleibt auch der Aufsichtsrat nicht unberührt: So wird diskutiert, ob § 107 Abs. 3 S. 4 AktG abschließend ist oder weitere un­ geschriebene delegationsfeindliche Pflichten bestehen. Die klare Mehrheit spricht sich für einen nicht abschließenden Katalog aus, wobei die Ränder des Delegationsverbots unscharf bleiben.329 Es kristallisieren sich zwei Aufgabenkreise heraus, die wohl übereinstimmend als delegationsfeindlich eingeordnet werden: Das Plenum soll die Überwachungsaufgabe gemäß § 111 Abs. 1 AktG wahrnehmen. Ebenso in seiner Entscheidungsmacht müssen die Fragen liegen, die die eigene Organisation betreffen.330 Die Hoheit über die 327  Zu

§ 111 Abs. 6 AktG siehe noch 2. a). Koch, in: Hüffer/Koch, § 107 Rn. 18; Wendeling-Schröder, Divisionalisierung, S. 40. Die Möglichkeit, zu delegieren, soll unter bestimmten Umständen sogar zu einer Pflicht erwachsen können, dazu Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 114; Mutter, in: Semler/v. Schenk, § 107 AktG Rn. 285; bestätigend v. Buse­ kist/Keuten, CCZ 2016, 119, 121. Das Plenum kann die delegierte Aufgabe sodann auch wieder an sich ziehen, siehe dazu OLG Hamburg ZIP 1995, 1673, 1675; Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 107 Rn. 146, 159. 329  v. Falkenhausen, ZIP 2015, 956, 959, der explizit die Kriterien zur Delegation durch den Vorstand anwendet; Koch, in: Hüffer/Koch, § 107 Rn. 27. Die Uneinigkeit zeigt sich beispielsweise im Rahmen der CSR-Berichterstattung und ihrer Prüfung: Während Nietsch, NZG 2016, 1330, 1335 mangels Aufzählung in § 107 Abs. 3 S. 4 AktG von der Delegationsfähigkeit ausgeht, legen Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 127 deutlich strengere Maßstäbe an. Mit einem Überblick zum Katalog Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 107 Rn. 149 ff. 330  Ausschließlich zur Überwachungsaufgabe RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 149; Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 191; in diese Richtung auch Cahn, WM 2013, 1293, 1300; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 394, dessen Begründung, der Prüfungsausschuss sei im Sinne des Gesetzgebers nicht als beschlussfähig einzustufen, nicht überzeugt, da das Gesetz abseits der klar benannten delegationsfeindlichen Aufgaben 328  Dazu

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Organisation ist durch § 77 AktG und das dort normierte Einstimmigkeits­ erfordernis für die Geschäftsordnung auch für den Vorstand gesichert. Welche Führungsaufgaben zum Kernbereich gehören, und ob dieser überhaupt absolut existiert, kann der Seitenblick zu § 107 AktG nicht klären. Zur Reichweite äußert Habersack hinsichtlich der Überwachungsaufgabe, sie sei an sich nicht übertragbar, einzelne, hinreichend bestimmte Maßnahmen könne der Aufsichtsrat jedoch auf den Ausschuss auslagern.331 Auch das OLG Hamburg differenziert: Zunächst konstatiert das Gericht, dass Hinweise auf ein ungeschriebenes Delegationsverbot fehlen würden. Es nimmt jedoch mit einem Großteil des Schrifttums an, dass der viel zitierte § 90 Abs. 1 AktG den Überwachungsumfang maßgeblich forme,332 was sich wiederum auf die Delegation auswirken soll. Vor allem aber setzt das Gericht Leitplanken für die zulässige Delegation: Diese reichen von Informationspflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder sowie Ausschussmitglieder bis zu einem garantierten Recht zur Rückdelegation des Aufsichtsrats. Das Gericht gesteht dem Aufsichtsrat ein umfängliches Selbstorganisationsrecht zu.333 Zusammenfassend sieht es in der Delegation kein dem Aktienrecht widersprechendes Organisationsmittel, sofern es um einzelne Maßnahmen gehe, und nicht um eine identitätsbegründende Pflicht im Ganzen.334 Außerdem setzt es einen Schwerpunkt bei der Rechtsfolgenseite. In diesem Zusammenhang zeigt insbesondere das Recht zur Rückdelegation, dass mit der Delegation keine Zuständigkeit unwiderruflich übertragen wird, die den Delegationsempfänger verselbständigen könnte.335 Das gilt auch für Delegationsmaßnahmen des Vorstands: Er bleibt trotz Aufgabenübertragung Herr der Lage. beschließende Ausschüsse zulässt. Im Übrigen siehe auch Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 107 Rn. 147 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 107 Rn. 27; WendelingSchröder, Divisionalisierung, S. 40. 331  Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 107 Rn. 147. 332  Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 111 Rn. 12; Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 111 Rn. 22; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 114 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 18; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 13. 333  So auch schon BGHZ 83, 106 = BGH NJW 1982, 1525. 334  Zu den vorstehenden Ausführungen OLG Hamburg ZIP 1995, 1673, 1674 ff. 335  Zum Rückdelegationsrecht OLG Hamburg ZIP 1995, 1673, 1675; Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 107 Rn. 146. Siehe auch Wendeling-Schröder, Divisionalisierung, S. 41. Wenig überzeugend ist der Hinweis, dass eine Regelung für den Vorstand deshalb fehle, weil der Gesetzgeber die Schwierigkeiten der Delegation damals nicht gesehen habe. Warum dem Gesetzgeber aber dann klar war, dass eine Einschränkung für den Aufsichtsrat notwendig war, wird nicht weiter begründet. Die fehlende Regelung im Vorstandsrecht ist daher als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers auszulegen. Zutreffend ist aber, dass Wertungen übertragen werden können. Die Debatte zum Aufsichtsrat zeigt nämlich, dass die Probleme parallel bestehen.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz137

Darüber hinaus zeigt sich, dass den nach herrschender Auffassung delegierbaren Vorbereitungsmaßnahmen ein nicht unwesentlicher Einfluss auf die Entscheidung zukommt.336 Das führt Habersack anschaulich, wenn auch nicht mit diesem Ziel, vor: So stellt er fest, dass der Personalausschuss, wenn ein oder mehrere neue Vorstandsmitglieder zu bestellen seien, eine Vorauswahl unter den Kandidaten treffe und sogar wertende Vorschläge unterbreite. Ferner übertrage der Aufsichtsrat dem Ausschuss auch regelmäßig, die Vergütungsbedingungen auszuhandeln. So entstehe eine Entscheidungsgrundlage, über die das Plenum schließlich Beschluss fasse.337 Unter dieser Maßgabe ist es nicht überzeugend, die Entscheidungsdelegation maximal einzuschränken, jedoch vorbereitende, wegweisende Maßnahmen auszulagern. Insofern zeigt sich, dass die Delegation durch den Aufsichtsrat zwar gesetzlich geregelt ist, die Fragestellungen jedoch übereinstimmen.338 Daher fehlt dem Delegationsrecht des Aufsichtsrats die Wegweiserqualität für die hier zu beurteilende Aufgabenübertragung durch den Vorstand. k) Zwischenergebnis Die horizontale Delegation unterliegt somit keinen pauschalen aktienrechtlichen Schranken. Zwar hat § 77 AktG als maßgebliche Bewertungsvorschrift nur eine beschränkte Aussagekraft. Der Blick auf die Regelungen zum Vorstand, insbesondere die ungeschriebenen Prinzipien, zeigt aber, dass die Delegation von der Organisation des Vorstands als Kollegialorgan zwingend mitumfasst ist. Hervorzuheben ist auch, dass die Führungsaufgabe des Vorstands nicht beeinträchtigt wird. In ihren Kompetenzen unberührt bleiben auch Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Ferner führt die horizontale Aufgabenübertragung nicht zu einem Haftungsdefizit. Daher kann lediglich der Einzelfall die Aufgabenübertragung an ein Vorstandsmitglied verbieten. Die Einzelfallkriterien gilt es noch zu bestimmen. 2. Vertikale Delegation a) Divergente gesetzliche Regelungslage Legt man sodann den Fokus von der horizontalen auf die vertikale Delegation, stellt sich umso dringlicher die Frage nach der Zulässigkeit, da die Aufgabe die Vorstandsebene verlässt und nun von Mitarbeitern wahrgenom336  Dazu

noch einmal unter III. 2. a). zu diesem Komplex Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 107 Rn. 150. 338  Siehe auch noch einmal v. Falkenhausen, ZIP 2015, 956, 959, der explizit die Kriterien zur Delegation durch den Vorstand anwendet. 337  Vgl.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

men wird. Die gesetzliche Regelungslage kann diese Frage nicht zufriedenstellend beantworten. So fehlt eine mit § 77 Abs. 1 S. 2 AktG vergleichbare Anordnung gänzlich. Als Rechtfertigungsgrundlage ist aber die Organisa­ tionsautonomie des Vorstands zu nennen.339 Im Übrigen setzt auch das Ak­ tiengesetz Zeichen, die auf die Zulässigkeit der vertikalen Delegation hindeuten. Als ein solches Zeichen kann etwa das Vertretungsrecht gewertet werden: Gemäß § 78 Abs. 3 AktG können die Satzung selbst oder der durch Satzung legitimierte Aufsichtsrat bestimmen, dass einzelne Vorstandsmitglieder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Die aktive Rolle von organexternen Personen sieht das Aktiengesetz also explizit vor. Da Vertretungshandlungen gleichsam Geschäftsführungsmaßnahmen darstellen, kann die Geschäftsführungsbefugnis aus § 78 Abs. 3 AktG abgeleitet werden.340 Selbst ohne dieses Hilfsmittel wird man sagen können, dass es in einem Unternehmen mit Mitarbeitern selbstverständlich ist, diese einzubeziehen. Je umfangreicher die Struktur der Gesellschaft ausfällt, desto zwingender wird die Delegation. Dass die vertikale Delegation zulässig ist, stützt auch eine Norm, die den Vorstand und seine Kompetenz zunächst überhaupt nicht berührt: § 111 Abs. 6 AktG. Danach dürfen Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen oder sich Weisungen erteilen lassen.341 Das Ak­ tiengesetz schließt die vertikale Aufgabenverteilung mithin für den Aufsichtsrat aus. Eine solche Regelung fehlt jedoch in den Kompetenzvorschriften des Vorstands. Grund hierfür ist, dass die Aufgabendichte des Vorstands diejenige des Aufsichtsrats deutlich überragt. Die Tätigkeit des Aufsichtsrats ist darauf ausgelegt, sie nebenberuflich auszuüben (wobei dieses Verständnis durch die schleichende Ausdehnung der Pflichtendichte berechtigten Zweifeln ausgesetzt ist).342 Für dieses Organ hat die Delegation also eine vergleichsweise geringe organisatorische Bedeutung. Somit lässt sich auch erklären, warum der Aufsichtsrat seine Pflichten selbst wahrzunehmen hat. Die Tatsache, dass ein Pendant zu § 111 Abs. 6 AktG im Vorstandsrecht fehlt, kann nicht damit begründet werden, dass der Gesetzgeber die Problematik dort übersehen hat. Sie erlaubt vielmehr den Rückschluss, dass die vertikale Delegation an sich zulässig ist. Somit findet die vertikale Delegation durchaus stützen im Aktiengesetz. Lediglich die Grenzverläufe sind unklar. 339  Dazu

noch § 7 III. auch Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AR, S. 161 f.; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 217 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  177 f. 341  Dazu statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 59 f., wobei der Aufsichtsrat sowohl Hilfspersonal als auch Berater in eingeschränktem Umfang hinzuziehen dürfe. 342  Vgl. Cahn, WM 2013, 1293, 1301; Koch, in: Hüffer/Koch, § 100 Rn. 9; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, Vor § 95 Rn. 10; Säcker/Rehm, DB 2008, 2814, 2816. Zur stetigen Professionalisierung auch Rubner/Fischer, NZG 2015, 782 ff. 340  Vgl.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz139

b) Keine Kompetenzabschneidung innerhalb des Vorstands Um diese Grenzverläufe auszuloten, sollen die Auswirkungen der Delegation auf den Vorstand beleuchtet werden. Durch die Delegation an Mitarbeiter verlässt die Aufgabe die Ebene des Vorstands. Das könnte einerseits die Rechte der einzelnen Vorstandsmitglieder und andererseits die Organfunktion des Vorstands im Gesellschaftsgefüge beeinträchtigen. Unstreitig ist die Grenze des Zulässigen überschritten, wenn der Vorstand seine Geschäftsführungsaufgabe vollumfänglich auf Angestellte übertrüge.343 Unterhalb dieser Schwelle lassen sich dem Gesetz aber keine Einschränkungen entnehmen. Im Gegenteil: Indem das Gesetz keine Anforderungen an die Größe des Organs aufstellt, streitet es für die Aufgabenübertragung. Der Vorstand muss bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro aus mindestens zwei Personen bestehen, diese Anordnung kann in der Satzung jedoch abbedungen werden (§ 76 Abs. 2 S. 2 AktG). Der Vorstand ist also gesetzlich nicht verpflichtet, sich zu vergrößern.344 Unter dieser Maßgabe müsste der Vorstand zwingend und umfänglich delegieren, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Die Delegation ist demnach kein Mittel, das Kompetenzen abschneidet, sondern vielmehr ein Instrument, Kompetenzen wahrzunehmen. Anders urteilt augenscheinlich das Siemens/Neubürger-Urteil: Das Landgericht differenziert bei der Frage, wann eine Aufgabenübertragung zulässig ist, zwischen Vorstandsmitgliedern und nachgeordneten Führungsebenen, indem es ausführt, dass die zentrale Aufgabe der Compliance-Durchsetzung nicht an Mitarbeiter delegiert werden dürfe.345 Aus diesem Standpunkt könnte ein absolutes vertikales Delegationsverbot herausgelesen werden. Dieser Rückschluss würde aber missachten, dass das Gericht auf der Grundlage des Einzelfalls argumentiert. Nur in Bezug auf einen Ausschnitt stellt sich das Gericht gegen die Delegation, sodass grundsätzlich von der Zulässigkeit der vertikalen Delegation auszugehen ist.346 343  Siehe schon 1. f). Zutreffend Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 86. Nach teilweiser Auffassung sollen aber auch unterhalb dieser Schwelle die dem Vorstand zugewiesenen Aufgaben bei ihm oder den einzelnen Vorstandsmitgliedern verbleiben. Vgl. Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 86 f. zu den gesetzlich normierten Aufgaben. Für unternehmerisch begründete Pflichten gelten die Grenzen der horizontalen Delegation, die eine Delegation ohnehin untersagen würden. 344  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 92. 345  Dazu bereits unter § 4 II. 4. 346  Auch Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 183 f. spricht sich gegen ein pauschales Verbot der vertikalen Delegation, etwa auf Bereichsvorstände, aus und möchte dieses auf die wesentlichen Entscheidungen begrenzen, die vom Gesamtvorstand zu treffen sind; Meyer, DB 2014, 1063, 1066 sieht in den Ausführungen des Gerichts kein allgemeines Verbot vertikaler Delegation, sondern eher die Verneinung im Einzelfall

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Eine Beschränkung der Delegationsfähigkeit lässt sich aber damit begründen, dass die Kontrolle durch den Vorstand qualitativ unzureichend ist, da die Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung einer höheren Hürde unterliegt als bei der horizontalen Aufgabenverteilung. Dieser Standpunkt vernachlässigt aber, dass dem Vorstand kautelarjuristische Mittel zustehen, um seinen Einfluss rechtlich sicherzustellen: Zwar gilt zwischen Vorstand und Mitarbeitern kein Kollegialprinzip, mit dem ganz selbstverständlich Einwirkungsrechte in Bezug auf den Delegationsempfänger einhergehen würden. Der Vorstand kann und muss sich aber entsprechende Einflussrechte vertraglich einräumen.347 Insbesondere ein Weisungsrecht ist zwingend erforderlich. Dieses folgt jedoch typischerweise schon aus dem Arbeitsvertrag.348 Unter dieser Maßgabe bestehen keine Bedenken, dass die Delegation an Mitarbeiter der Aufgabenerfüllung schaden könnte. Die Überwachung von Mitarbeitern ist auch ohne weiteres rechtstatsächlich durchsetzbar, da die Mitarbeiter naturgemäß eng mit der Aktiengesellschaft verbunden sind. Aus rechtstatsächlicher Perspektive ist außerdem anzuführen, dass der Vorstand und damit die Gesellschaft von der Spezialisierung ihrer Mitarbeiter profitieren und diese für eine bestimmte Aufgabenstellung sogar deutlich qualifizierter sein können als die Führungsebene.349 Somit bedarf es keiner Beschränkung der vertikalen Delegation, um die Kompetenzen des Vorstands zu schützen. c) Kein Verstoß gegen das aktienrechtliche Organisationsgefüge aus Sicht von Aufsichtsrat und Hauptversammlung aa) Störungsfreie Überwachung durch den Aufsichtsrat Anders als die Geschäftsverteilung unter Vorstandsmitgliedern birgt die Übertragung von Aufgaben an Mitarbeiter die Gefahr, dass die Organrechte von Aufsichtsrat und Hauptversammlung beeinträchtigt werden. Aus Sicht des Aufsichtsrats gilt es insbesondere zu überprüfen, ob durch die vertikale Delegation ein Überwachungsdefizit entsteht. Zunächst ist Teil dieser Überwasowie den klaren Auftrag an den Vorstand, bei einer derartigen Delegation entsprechend streng zu überwachen; dies reiche bis zu einem Weisungsrecht auch der nicht primär zuständigen Vorstandsmitglieder; Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 740 ff. deutet das Urteil ebenfalls so aus, dass die vertikale Delegation zulässig sei. Der Vorstand müsse in irgendeiner Weise verantwortlich bleiben. Im Übrigen konstatiert Nietsch, dass der Aussagegehalt des Urteils nicht gänzlich frei von Widerspruch sei. 347  BGHZ 133, 370, 378 = BGH NJW 1997, 130, 132 (zur deliktischen Verantwortlichkeit in der GmbH) fordert, dass die Geschäftsführer innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche Aufgaben nur übertragen dürften, wenn sie sicherstellten, dass diese tatsächlich erfüllt würden. Siehe auch Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963, 965. 348  Siehe § 9 II. 4 b). 349  Dazu noch III. 2.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz141

chungsaufgabe, dass der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen kann. Diese Kompetenz bleibt bei vertikaler Delegation gewahrt: Da die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats gegenüber der Geschäftsordnung des Vorstands Vorrang hat (§ 77 Abs. 2 S. 1 AktG), kann sich der Aufsichtsrat ­federführend an der Ausgestaltung der Geschäftsverteilung innerhalb des Vorstands beteiligen, die sich naturgemäß auch auf die weiteren Ebenen auswirkt.350 Darüber hinaus fehlt dem Aufsichtsrat aber die Kompetenz, Regelungen für die der Vorstandsebene nachfolgenden Strukturen zu treffen.351 Daher greift die vertikale Delegation nicht in seine Organisationsrechte ein. Die Überwachungspflicht könnte aber im Hinblick auf den Informationsfluss beeinträchtigt sein. So hängt die ordnungsgemäße Überwachung maßgeblich davon ab, dass der Aufsichtsrat auf das Überwachungssubjekt zugreifen kann und die nötigen Informationen über die Geschäftsführung erhält.352 Gesetzlich gesichert ist das Informationsrecht durch die §§ 90, 111 Abs. 1 AktG. Diese Normen haben jedoch die Situation vor Augen, dass der Vorstand die Geschäftsführung wahrnimmt, da ihm die Geschäftsführungsaufgabe gesetzlich zugewiesen ist. Die vertikale Delegation wirft also die Frage auf, ob der Aufsichtsrat Informationen beim Mitarbeiter einholen darf und wenn nicht, ob dies seine Überwachungskompetenz verletzt.353 Aus § 90 AktG lässt sich ein Informationsrecht gegenüber Mitarbeitern nicht herleiten: Die Berichtspflicht trifft ausschließlich den Vorstand. Diese Pflicht auch auf Mitarbeiter auszudehnen, stünde nicht in Einklang mit der Kompetenzver­ teilung: Gestattete man dem Aufsichtsrat umfängliche Informationsrechte gegenüber Mitarbeitern, so gerierten sich seine Überwachungsmaßnahmen plötzlich als Ersatzgeschäftsführung. Diese Art der Übergriffigkeit will das Aktiengesetz jedoch gerade verhindern, indem es den Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG von der Geschäftsführung ausschließt. Davon abgesehen wäre der Überwachungsaufwand deutlich gesteigert.354 Der Aufsichtsrat kann Informationen also nicht direkt von den Mitarbeitern einholen.355 350  Schiessl,

ZGR 1992, 64, 81 f. Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 131 ff. Siehe auch Heller, Unternehmensführung, S. 20. 352  Statt aller Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 122. 353  So etwa Endres, ZHR 163 (1999), 441, 449, der das Vorstandsorgan als verkapptes Aufsichtsorgan verkümmern sieht, wenn der Vorstand nur noch allgemeine Leitlinien bestimme und im Übrigen lediglich die nachgeordneten „Leitungsgremien“ kontrolliere. 354  Vgl. Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 100, der ebenso Zweifel anmeldet, ob der Aufsichtsrat die Überwachung der Mitarbeiter überhaupt leisten könnte. 355  So auch Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 94 ff.; Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 542 f. Dagegen etwa Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 480 ff. 351  Vgl.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Aus dieser Informationssperre könnte sich nun der Verstoß gegen das Organisationsgefüge ergeben: Dem Aufsichtsrat ist es nicht möglich, eine ungefilterte Information der für die jeweilige Geschäftsführungsmaßnahme zuständigen Handlungsperson zu erhalten, obwohl er die Geschäftsführung zu überwachen hat. Eine solche Wertung unterschätzte jedoch die Kontrollmechanismen des Aktienrechts. Auch wenn der Vorstand Aufgaben überträgt, bleibt er überwachungsverantwortlich und verfügt weiterhin über Rückholund Weisungsrechte.356 Aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses sind die Mitarbeiter verpflichtet, den Vorstand zu informieren. Der Vorstand unterliegt seinerseits der Pflicht, Informationen einzufordern.357 Die Angestellten werden mithin umfassend kontrolliert, sodass die Überwachung die Wirkungen der Delegation auffängt. Unberührt bleibt ebenso die Pflicht des Vorstands, dem Aufsichtsrat gemäß § 90 AktG Bericht zu erstatten. Diese Berichterstattung enthält selbstverständlich auch Angaben zur Aufgabenverteilung und Struktur in den einzelnen Aufgabenbereichen. Der aktienrechtliche Kontrollmechanismus verhilft dem Aufsichtsrat zur Wahrnehmung seiner ureigenen Kontrollfunktion.358 Somit wird der Informationsfluss durch die vertikale Delegation nicht beeinträchtigt. Indem der Vorstand die Aufgabe weiterreicht, könnte allerdings die Beratungsaufgabe des Aufsichtsrats unzulässig eingeschränkt werden: Die Beratungsaufgabe ist Teil der Überwachung.359 Sie soll demnach eine ordnungsgemäße Geschäftsführung sicherstellen. Liegt die Aufgabenerfüllung nicht mehr beim Vorstand, reduziert sich auch der Einfluss des Aufsichtsrats da­ rauf, da dieser, wie bereits oben festgestellt wurde, nicht auf die Mitarbeiter einwirken kann. Dagegen ist aber einzuwenden, dass die Überwachungskette vom Mitarbeiter über den Vorstand hin zum Aufsichtsrat dessen Einfluss gewährleistet: Der Vorstand ist dem Aufsichtsrat wie vorstehend beschrieben informationspflichtig. Aufgrund der erhaltenen Informationen kann der Aufsichtsrat den Vorstand beraten. Über die verbleibende Überwachungspflicht des Vorstands kann dieser wiederum jederzeit den Delegationsempfänger entsprechend instruieren.360 Somit kann der Aufsichtsrat seiner Beratungsfunktion ausreichend nachkommen. Der Aufsichtsrat muss überdies auch sein Zustimmungsrecht gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG ungehindert ausüben können. Mielke nimmt dies schon 356  Siehe

noch ausführlich § 9 II. 4.; § 10. Informationsaustausch noch § 10 II. 358  Zum Vorstehenden vgl. etwa die Argumentation von Heller, Unternehmensführung, S. 20, der daran jedoch nicht automatisch eine Überwachungsbeschränkung hinsichtlich der Mitarbeiter knüpft. 359  Zu dieser Aufgabe bereits § 3 II. 1. 360  Siehe auch Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 102. 357  Zum



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz143

deshalb an, weil die Zustimmung nur bedeutsame Geschäfte betreffe, die der Vorstand ohnehin nicht weiterreichen dürfe. Ebenso dürfe der Aufsichtsrat nicht einfache Geschäfte von seiner Zustimmung abhängig machen, da dies § 111 Abs. 4 S. 1 AktG verletze.361 In der Tat ist die Hinzuziehung des Aufsichtsrats auf wesentliche Geschäfte limitiert.362 Mielke nimmt jedoch die falsche Perspektive ein. Hier steht in Frage, ob die Delegation Rechte des Aufsichtsrats berührt. Für den Aufsichtsrat ist nur erheblich, ob er sein Zustimmungsrecht, soweit es vorgesehen ist, ausüben kann. Ist dies auch der Fall, wenn im Übrigen Mitarbeiter oder Dritte die Maßnahme vornehmen, ist eine Beeinträchtigung des Zustimmungsrechts nicht zu beklagen. Diese Voraussetzung ist ohne weiteres geben, denn der Vorstand kann jederzeit Weisungen erteilen oder die Aufgabe an sich ziehen. Verstöße gegen das Zustimmungsrecht sind kein rechtlicher Mangel der Delegation, sondern individuelle Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder. Somit bleibt das Zustimmungsrecht nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG von der vertikalen Delegation unberührt. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat durch seine Zustimmung keine originäre Geschäftsführungsbefugnis erhält oder ausübt, sondern bloß daran beteiligt wird.363 bb) Wahrung der Hauptversammlungskompetenzen Neben der Rechtsstellung des Aufsichtsrats ist auch diejenige der Hauptversammlung in den Blick zu nehmen. Die Kompetenz der Hauptversammlung, durch Satzung Einfluss auf die Geschäftsordnung zu nehmen (§ 77 Abs. 2 AktG), wird nicht berührt. Die vertikale Delegation könnte jedoch das Zustimmungsrecht der Hauptversammlung zu bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen verletzen. § 119 Abs. 1 AktG listet diese Maßnahmen auf,

Vorstehenden Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 103 f. aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 42. 363  Statt aller Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 4; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 227 f. Auch weitere Bedenken, dass die vertikale Delegation die Rechte des Aufsichtsrats beschneide, verfangen nicht: Die vertikale Delegation berührt nicht das Recht des Aufsichtsrats, den Vorstand zu bestellen. Ferner kann der Aufsichtsrat weiterhin gemäß § 111 Abs. 3 S. 1 AktG die Hauptversammlung einberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert. Aufgrund der Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 AktG ist der Aufsichtsrat auch in der Lage, das Wohl der Gesellschaft zu bemessen. Die Billigung des Jahresabschlusses könnte daran leiden, dass der Vorstand bei einer Delegation nicht selbst handelt. Wiederum berührt das den Aufsichtsrat nicht. Er kann seinen Prüfungs- und Feststellungsauftrag unbefangen wahrnehmen. Vgl. zum Vorstehenden ausführlich Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 104 ff. Siehe auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 4, wonach die Delegation für die Mitorgane nicht entscheidend sei. 361  Zum 362  Statt

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

über die die Hauptversammlung Beschluss fasst.364 Mielke greift sodann diese einzelnen Beschlussgegenstände heraus und überprüft, ob sie durch die Verlagerung auf Dritte beeinträchtigt werden:365 Viele Entscheidungen der Hauptversammlung legen den Grundstein für den Vorstand, Geschäftsführungsmaßnahmen vorzunehmen, so etwa die Bestimmung des Unternehmens­ gegenstands, die Verwendung des Bilanzgewinns sowie Kapitalbeschaffung und -herabsetzung. Die Hauptversammlung hat die ihr zustehenden Rechte also bereits ausgeübt, bevor der Vorstand die jeweilige Maßnahme ergreift. Die nachgeschaltete Delegation dieser Geschäftsführungsmaßnahme durch den Vorstand wirkt sich demnach nicht mehr auf das Beschlussrecht der Hauptversammlung aus. Wird der Beschluss nicht richtig umgesetzt, handelt es sich um eine Pflichtverletzung, an die das Aktiengesetz hinreichende Konsequenzen knüpft. Der Hauptversammlung bleibt zudem das Mittel des Nichtentlastungsbeschlusses nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 3, 120 AktG, um ihren Unmut über die Geschäftsführung des Vorstands zum Ausdruck zu bringen.366 Das Zustimmungsrecht der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 1 AktG bleibt von der vertikalen Delegation also unberührt. Für die Fallgruppe der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen ergeben sich keine Wertungsunterschiede. Diese Kompetenzen wurden in den Entscheidungen „Holzmüller“ und „Gelatine“ durch den BGH begründet: Demnach trifft den Vorstand die Pflicht, die Zustimmung der Hauptversammlung (3/4-Mehrheit) einzuholen, wenn erhebliche Strukturänderungen zur Disposition stehen, die wenigstens 80 % der Unternehmensaktiva betreffen.367 Mithin gewährt die Rechtsprechung des BGH der Hauptversammlung unter gewissen, wenn auch sehr restriktiven Umständen, einen ungeschriebenen Einfluss auf die Geschäftsführung. Dieser Einfluss könnte von einer 364  Wie schon beim Aufsichtsrat stellt dieser Einfluss keine originäre Geschäftsführungsbefugnis dar. 365  Vgl. zum Nachstehenden Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 107 ff. mit einer weitergehenden Diskussion einzelner Hauptversammlungsrechte. 366  Zu den Voraussetzungen und der Rechtswirkung der Entlastung Koch, in: Hüffer/Koch, § 120 Rn. 2 ff. 367  Siehe zum Vorstehenden BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703 („Holzmüller“); BGHZ 159, 30 = NJW 2004, 1860 und nachfolgend BGH NZG 2004, 575 („Gelatine“). Der BGH hat in der Gelatine-Entscheidung die Zustimmungspflicht auf den Boden der offenen Rechtsfortbildung aufgebaut. Er bedient sich dabei sowohl einer Gesamtanalogie zu den Strukturentscheidungen als auch des § 119 Abs. 2 AktG. Zu den Einzelheiten statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 16 ff. Zu den möglichen Fallkonstellationen Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 20 ff. Das Delisting sollte nach BGHZ 153, 47, 53 ff. = NJW 2003, 1032 („Macroton“) ebenfalls der Zustimmung der Hauptversammlung unterliegen. Diese Rechtsprechung verwarf BGH NJW 2014, 146 („Frosta“) jedoch wieder. Die Zulässigkeit des Delisting regelt nun § 39 BörsG ­abschließend. Zur Entwicklung des Delisting vgl. statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 30 ff.



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Handlungszuständigkeit der Mitarbeiter untergraben werden.368 Diese Bedenken überzeugen jedoch wie schon beim Aufsichtsrat nicht: Die Hauptversammlung kann nur dann eine Beeinträchtigung ihrer Rechte beklagen, wenn sie ihr Zustimmungsrecht nicht ausüben darf. Dies ist aber nicht systematisch dann der Fall, wenn der Vorstand vertikal delegiert. Erkennt der Vorstand die Umstände einer derartigen Hauptversammlungszuständigkeit, dann kann er aufgrund seiner vertraglichen Einflussrechte eine entsprechende Weisung erteilen oder die Maßnahme wieder an sich ziehen.369 Denkbarer Einwand hiergegen ist, dass der Vorstand aufgrund der Aufgabenübertragung Zustimmungssachverhalte verkennen könnte, da er nicht mehr unmittelbar an der Aufgabenerfüllung beteiligt ist. Dann würde die Delegationsproblematik aber am Maßstab rechtswidrigen Verhaltens bewertet. Das überzeugt nicht, da mit diesem Argumentationsmuster zum einen jeglicher Einwand pauschal entkräftet werden kann, zum anderen das aktienrechtliche „Sanktionsregime“ umgangen werden würde. Daher kann nur rechtstreues Verhalten der Maßstab sein, um die Delegation zu bewerten. Zu prüfen ist daher, ob der Vorstand seine Einflussrechte rechtlich wie faktisch370 ausüben kann. Das ist durch die Überwachungspflicht mitsamt ihren Einflussrechten hinreichend sichergestellt, wobei die Rechtsbeziehungen zu den Mitarbeitern entsprechend ausgestaltet werden müssen.371 Verletzt der Vorstand sodann seine Pflicht, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen, muss er mit aktienrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Pflichtverletzung im Einzelfall darf jedoch nicht die Delegation als solche einschränken. Letztlich bildet das ungeschriebene Zustimmungsrecht der Hauptversammlung eine Sonderkonstellation, die kaum geeignet ist, grundlegend über die Zulässigkeit der Delegation zu entscheiden. Im Ergebnis beeinträchtigt die vertikale Delegation die Hauptversammlungskompetenzen somit nicht. d) Vereinbarkeit mit § 93 AktG Wie auch bei der horizontalen Delegation stellt sich aus Sicht der Gesellschaft und ihrer Gläubiger die Frage, ob die Delegation ein Haftungsdefizit hervorruft. In der Tat verschiebt sich das Haftungssystem bei vertikaler Aufgabenübertragung ungleich deutlicher als bei horizontaler Delegation: Da unmittelbar Handelnder nun eine nachgeordnete Führungskraft oder ein sonstiger Mitarbeiter ist, müssen die Grundsätze der betrieblich veranlassten 368  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 107 f. löst dies dadurch auf, dass er auf die Zuständigkeit des Gesamtvorstands verweist. 369  Siehe noch §§ 9 II. 4. b); 10 III. 370  Dazu noch 3. 371  Dazu noch § 9 II. 4. b).

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Tätigkeit berücksichtigt werden, wenn die Gesellschaft Regress nehmen will.372 Dabei ist unter rein wirtschaftlichen Gründen davon auszugehen, dass die Haftungsmasse mit der Hierarchieebene im Unternehmen abnimmt. Die Zurechnung nach § 278 S. 1 BGB funktioniert nach herrschender Meinung nicht: Alle Geschäftsführungsmaßnahmen erfolgen im Pflichtenkreis der Gesellschaft, nicht aber im Pflichtenkreis des Vorstands. Der Vorstand kann nur für Überwachungspflichtverletzungen in Anspruch genommen werden.373 Unter dieser Maßgabe könnte ein Haftungsdefizit durchaus angenommen werden, da der Anwendungsbereich des § 93 AktG deutlich kleiner wird, indem arbeitsrechtliche Grundsätze die Delegationsfrage beeinflussen. Hier gelten jedoch die gleichen Argumente, die bereits im Rahmen der horizontalen Delegation vorgebracht wurden.374 Auch die Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit begründen daher kein Haftungsdefizit: Nähme man ein solches Haftungsdefizit an, dann wäre dies wiederum strukturell und stünde der vertikalen Delegation ganz generell entgegen. Diesem Ansatz fehlt daher schlicht das Differenzierungspotential. Außerdem wird das Haftungssystem durch die Überwachungspflicht des Vorstands gewahrt. Daher ist die vertikale Delegation vereinbar mit dem Haftungssystem des § 93 AktG. e) Zwischenergebnis Die vertikale Delegation lässt sich aus dem Aktiengesetz durchaus ableiten, obwohl eine explizite Regelung fehlt. Sie erweist sich darüber hinaus auch inhaltlich als zulässiges Organisationsmittel. So wird die Führungsaufgabe des Vorstands nicht beeinträchtigt. Das gilt gleichermaßen für die Funktionen der übrigen Organe. Trotz der arbeitsrechtlichen Grundsätze lässt sich auch ein Haftungsdefizit nicht begründen. Dieses Ergebnis wird insbesondere von der Überwachungspflicht als gleichwertiges Substitut für eine unmittelbare Handlungszuständigkeit getragen. Im Einzelnen erfordert die Rechtsbeziehung von Vorstand und Mitarbeitern aber auch hinreichende Einfluss372  Dazu ausführlich Preis, in: Erfurter Komm. ArbR, § 619a BGB Rn. 9 ff. Die Anwendbarkeit der Grundsätze auf leitende Angestellte ist nicht ohne weiteres zu bejahen: Sie sind jedenfalls Arbeitnehmer, auch wenn § 5 Abs. 3 S. 1 BetrVG auf den ersten Blick etwas anderes suggeriert, vgl. dazu Koch, in: Erfurter Komm. ArbR, § 5 BetrVG Rn. 17. Dennoch verfügen die nachgeordneten Führungskräfte über eine große Eigenständigkeit, wobei sie dem Vorstand gegenüber aber regelmäßig weisungsgebunden sind. Die Rechtsprechung hat dazu noch keine einheitliche Linie statuiert. Aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten ist eine Anwendbarkeit aber zu befürworten. Vgl. zur Diskussion statt aller Preis, in: Erfurter Komm. ArbR, § 619a BGB Rn. 19 m. w. N. aus Rechtsprechung und Schrifttum. 373  Siehe schon § 3 II. 2. 374  Siehe dazu die Argumente unter 1. i).



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rechte. Im Ergebnis führt die vertikale Delegation somit nicht zu einem strukturellen Defizit, das eine Beschränkung rechtfertigen würde. 3. Aufgabenübertragung an gesellschaftsexterne Delegationsempfänger a) Wahrung der Organfunktion des Vorstands aa) Rechtliche und rechtstatsächliche Anforderungen Nach dem vorstehend Gesagten ist also sowohl die Delegation an Vorstandsmitglieder als auch an Mitarbeiter zulässig und ohne konkreten Anlass nicht zu beschränken, da im Gesellschaftsgefüge hinreichende Mechanismen vorherrschen, die eine sorgfältige Aufgabenerfüllung sicherstellen. Bei Mitarbeitern kann der Vorstand zudem umfangreiche vertragliche Regelungen vornehmen. Die im Folgenden näher zu beleuchtende externe Delegation soll ebenfalls im Hinblick auf die Bedenken überprüft werden, die bereits gegenüber horizontaler und vertikaler Delegation geäußert wurden. Konnte ein Autonomieverlust des Vorstands bisher nicht festgestellt werden, ist diese Gefahr deutlich größer, wenn Geschäftsführungsmaßnahmen von vollkommen fremden Personen wahrgenommen werden. Rechtlich setzt die vertikale Delegation daher voraus, dass der Vorstand Herr der Lage bleibt. Die vorstehende Untersuchung hat bereits gezeigt, dass es maßgeblich auf die Überwachungspflicht ankommt, da sie die Handlungspflicht hinreichend substituieren muss.375 Die Überwachung setzt voraus, dass der Vorstand jederzeit auf den Delegationsempfänger zugreifen kann. Innerhalb des Vorstands stellt dies die organschaftliche Verbindung sicher, zwischen Vorstand und Mitarbeitern besteht ohnehin ein Arbeitsverhältnis mit weitreichenden Pflichten der Mitarbeiter. Zwischen Vorstand und Dritten besteht im Ausgangspunkt keine vergleichbare Rechtsbeziehung. Zu regeln sind daher umfassende Einflussrechte, im Einzelnen die Informationsversorgung, ein umfängliches Weisungsrecht, ein jederzeitiges Kündigungsrecht sowie eine Verschwiegenheitsklausel.376 Die Zulässigkeit der externen Delegation entscheidet sich insofern auf der kautelarjuristischen Ebene. 375  Die Überwachung als stetiges Argument für die Delegation wurde bereits unter 1., 2. erörtert. 376  Ausführlich noch § 9 II. 4. c), wo weitere Regelungsinhalte angesprochen werden. Siehe dazu auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 530; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 18; Stein, ZGR 1988, 163, 171. Siehe zur Fallgruppe der Betriebsführungsverträge Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206 für die Übertragung der laufenden Geschäfte. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 57 fordern in außerkonzernrechtlichen Konstella­ tionen, dass hinreichende Einflussrechte bestehen und die §§ 293 ff. AktG analog he-

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Bei der externen Delegation droht jedoch eine Hürde, die sich so dringlich bei horizontaler und vertikaler Delegation nicht stellt und daher nur für diese Delegationsform eine Beschränkung begründen könnte: Namentlich die faktische Durchsetzbarkeit der Überwachung. Eine ausführliche Beleuchtung möglicher rechtstatsächlicher Konflikte wurde bislang nur vereinzelt vor­ genommen. Grundlegend ist ein Urteil des LG Darmstadt, das zu beurteilen hatte, ob die Auslagerung der EDV zulässig ist. Für den konkreten Fall hat das Gericht dies angenommen und festgestellt, dass rechtlich eine Letztentscheidungsbefugnis des Vorstands vorliege und faktische Schranken daher unerheblich seien.377 Das Landgericht geht also offensichtlich auch dann von der Zulässigkeit der vertikalen Delegation aus, wenn die Einflussrechte rechtstatsächlich nicht durchsetzbar sind. Das Schrifttum sieht die faktische Durchsetzbarkeit dagegen deutlich kritischer. Ausführliche Rezeption hat das Urteil in einem Beitrag von Stein gefunden:378 Um zulässig zu sein, müsse die Delegation „funktionsneutral“ rangezogen werden, wenn ein umfassender Betriebsführungsvertrag geschlossen werden soll. Unterhalb dieser Grenze verweisen sie auf die übliche Lösung der herrschenden Meinung. Diese Ansicht ist insofern widersprüchlich aufgezogen, als dass sie einerseits die Zulässigkeit umfänglicher außerkonzernrechtlicher Betriebsführungsverträge postuliert, andererseits aber die Schranken des Konzernrechts teilweise analog überträgt, damit der Vertrag der Anordnung des § 76 Abs. 1 AktG entspricht. Innerhalb eines Konzerns hält das Schrifttum einen umfassenden Betriebsführungsvertrag für zulässig, wenn die Übertragung auf die laufende Geschäftsführung beschränkt ist, da der Vorstand gemäß § 76 Abs. 1 AktG die wesentlichen Entscheidungen treffen soll. Siehe Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 57 f. Siehe auch Fleischer, ZIP 2003, 1, 9. Dagegen jedoch Veelken, Betriebsführungsvertrag, S. 265, der die laufende Geschäftsführung nicht für übertragbar hält. Außerdem Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AR, S. 161 ff. Veil, Unternehmensverträge, S. 92 ff. sucht den Wertungstransfer zu BGH NJW 1982, 1817 ff. („HolidayInn“), zeigt sich jedoch kritisch, ob die Rechte die Organfunktion des Vorstands wahren. Dem lässt sich entgegenhalten, dass es stets auf eine Einzelfallbetrachtung ankommt, siehe noch § 9 II. 4. Hat der Vorstand umfassende Einflussrechte, ist die Zulässigkeit jedoch erst einmal indiziert. 377  LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1391 f. Die konkrete Konstellation sicherte dem Vorstand auch hinreichende Einflussrechte zu. Die Daten blieben Eigentum der Gesellschaft und durften vom Delegationsempfänger nicht verwertet werden. Außerdem war der Delegationsempfänger verpflichtet, sein Handeln in Einklang mit dem damals geltenden BDSG zu bringen. Letztlich war auch eine Überwachung vereinbart, vgl. dazu die Sachverhaltsangaben, S. 1390. 378  Zum Nachfolgenden Stein, ZGR 1988, 163, 165 ff. Laut Stein, ZGR 1988, 163, 174 ff. kann jedoch die Delegation in Konzernstrukturen problematisch sein, da hier ohne Zweifel fremde Interessen einfließen würden. Die unabhängige Entscheidungsfindung des Vorstands sei somit ernsthaft gefährdet. Das Gericht habe diesen Unterschied nicht problematisiert. In Konzernstrukturen bestehe außerdem das Problem, dass sich die gebündelten Daten kaum klar voneinander abtrennen lassen würden. Somit stoße auch der Vertrag an seine Grenzen. Der Vorstand könne nicht mehr auf die nur am



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz149

ausfallen. Maßstab sei die Organfunktion des Vorstands, derer sich der Vorstand nicht entledigen könne („organisationsrechtlich unzulässige Selbstentmachtung“). Entspreche die Organisationsmaßnahme sowohl der Kompetenz­ ordnung als auch dem Unternehmensgegenstand, sei zunächst nichts gegen sie einzuwenden. Zunächst soll der Gesamtvorstand entsprechend der herrschenden Auffassung zwingend die wesentlichen Systementscheidungen im EDV-Bereich treffen. Um eine unabhängige Entscheidung treffen zu können, bedürfe es einer entsprechenden Entscheidungsgrundlage. Die Zulässigkeit dieser Delegation soll sich entscheidend an ihrer Ausgestaltung bemessen: Bei außenstehenden Dritten sei die Kontrolle beeinträchtigt, da die Einflussnahme auf das Unternehmen und seine Mitarbeiter Grenzen unterliege. Der Vorstand müsse aber weiterhin autonom entscheiden können. An die Auswahl des Delegationsempfängers sollen daher höhere Maßstäbe gestellt werden. Laut Stein kommt es entscheidend auf den Vertrag und die tatsächliche Durchsetzbarkeit an. Dazu werden verschiedene Anforderungen formuliert: Stein sieht die Organfunktion dann beeinträchtigt, wenn auf Seiten der Gesellschaft kein eigener EDV-Bereich verbleibe. Problematisch könne die tatsächliche Umsetzung der Kontrolle sein, wenn der Vorstand selbst keine Kenntnisse über die Thematik aufweise und alle Spezialisten dem externen Delegationsempfänger angehörten. Stein schätzt die Gefahren, die daraus resultieren, aber als geringfügig ein, da der Delegationsempfänger ein Interesse an der ordnungsgemäßen Ausführung habe. Außerdem sei speziell im EDVBereich die technologische Abhängigkeit ausgeprägt. Muss der Vorstand die Aufgabe wieder an sich ziehen, bedürfte es entsprechender Grundstrukturen in der eigenen Gesellschaft, um die Aufgabe überhaupt erfüllen zu können.379 Letztlich müssten auch Interessenkollisionen ausgeschlossen sein. Kort sieht ebenfalls Konflikte rechtstatsächlicher Art: So müsse die Überwachung faktisch möglich sein, ansonsten sei die Delegation nicht vorzunehmen.380 Der vorstehenden Kritik, dass die rechtstatsächliche Durchsetzbarkeit eine erforderliche Voraussetzung der Delegation ist, ist zuzustimmen. Würde man hingegen der Auffassung des Landgerichts folgen, würde man die zwingenden Schutzmechanismen der Delegation konterkarieren: Zwar verbliebe die Entscheidungsbefugnis beim Vorstand, diese wäre aber völlig wertlos, da die Vorbereitungen oder Ausführungen des Delegationsempfängers nicht kontrollierbar wären und der Entscheidung somit sowohl die sorgfältige Grundlage Gesellschaftswohl orientierte Ausführung vertrauen. Ohne eigene Spezialkenntnisse fehle auch die Kontrollfähigkeit. Somit sei die Entscheidungsgewalt bloße Makulatur. 379  Im Gegensatz dazu sieht Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 66; Fleischer, ZIP 2003, 1, 10 in der Abhängigkeit keinen delegationshindernden Faktor. 380  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 50. Die Aussage lässt sich ohne weiteres für die hier vertretene Auffassung fruchtbar machen, dass die Kontrolle eine Zulässigkeitsvoraussetzung ist.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

als auch die sorgfältige Umsetzung fehlen würde. Die Ausführungen des Landgerichts signalisieren aber gleichsam, dass der Entscheidung selbst nicht zwingend die Bedeutung zukommt, die man ihr unterstellt. Bereiten Experten, insbesondere im EDV-Bereich, eine Entscheidung vor, so wird sich der Vorstand im Zweifel nach deren Rat richten. Die Qualität der Entscheidung ist also in höchstem Maße fraglich.381 Aber auch von der Entscheidung losgelöst muss der Vorstand im Anschluss an die Delegation fachlich weiterhin eine gewisse Grundkenntnis aufweisen, um die Handlungen des Delegationsempfängers kritisch bewerten zu können. Hier spielt die von Stein zutreffend befürchtete Abhängigkeit eine Rolle: Trotz der Auslagerung muss die Gesellschaft so ausgestaltet sein, dass sie der Kontrollaufgabe nachkommen kann und bei Rückabwicklung auch selbst wieder ausüben kann. Diese vorstehend aufgestellten Anforderungen unterstreichen, was bereits vielfach dadurch angedeutet wurde, dass die Überwachung als Argument für die grundsätzliche Zulässigkeit der Delegation herangezogen wurde: Die Kontrolle des Delegationsempfängers ist Teil der Zulässigkeitsprüfung. Ergibt sich vor der Delegation, dass die Überwachung rechtlich und/oder faktisch nicht gewährleistet ist, dann darf der Vorstand nicht delegieren. Insofern ist auf den von Stein in den Diskurs eingebrachten Terminus der Funktionsneutralität zu verweisen: Nimmt der Vorstand seine ihm zugewiesenen Aufgaben nicht selbst wahr, muss er diese anderweitig ausgleichen. Der Ausgleich ist in der Überwachung, bei Dritten insbesondere in einer sorgfältigen Ausgestaltung des Delegationsverhältnisses, zu suchen.382 Im Ergebnis ist die rechtstatsächliche Durchsetzbarkeit zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung der Delegation. Somit ist die Zulässigkeit der Delegation davon abhängig, ob die Kontrolle sichergestellt ist. bb) Weitere Formen der Kompetenzveräußerung im Wertungsvergleich Für die Zulässigkeit der externen Delegation streiten auch weitere Fallgruppen der Kompetenzveräußerung, namentlich die Beratung, etwa durch Rechtsberater oder Wirtschaftsprüfer, sowie die schuldrechtliche Selbstbindung gegenüber Dritten. Die Beratung durch Dritte ist wie auch die Delegation zwingend erforderlich, da den Gesellschaften insbesondere für spezifische Rechtsfragen oder Bewertungsfragen regelmäßig die Ressourcen und 381  Siehe

unter teleologischem Blickwinkel III. 2. a). diese Richtung weist auch Paschos, NZG 2012, 1142, 1144, indem er im Rahmen schuldrechtlicher Selbstbindung die „Rückholkompetenz“ des Vorstands als Ausgleich der Kompetenzveräußerung versteht. Vgl. auch Veil, Unternehmensverträge, S. 92 ff. für „leitungsstrukturelle“ Verträge mit Dritten, der die Zulässigkeit von der Durchsetzbarkeit der Kontrolle abhängig macht, jedoch kein abschließendes Urteil fällt. 382  In



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Fachkenntnisse fehlen.383 Dem Inhalt nach handelt es sich bei der Beratung aber nicht um eine Delegation im hier verstandenen Sinne:384 Bei der Delegation überträgt der Vorstand Aufgaben mitsamt Kompetenzen, damit der Delegationsempfänger die Aufgaben erfüllen kann.385 Der Berater erhält hingegen keine Befugnisse, um Geschäftsführungsaufgaben wahrzunehmen. Er wird lediglich punktuell zu einem Sachverhalt befragt. Dem Vorstand steht keine Machtstellung, insbesondere kein Weisungsrecht, gegenüber dem unabhängigen Berater zu. Gerade die Unabhängigkeit des Beraters ist zwingende Voraussetzung für eine sorgfältige Beratung.386 Die Trennung von Delegation und Beratung gilt erst recht, wenn man die Definition der Delegation um ein Element der Dauer ergänzt, da die Beratung lediglich punk­ tuellen Charakter aufweist.387 Beratung durch Dritte ist im Ergebnis daher eine gewöhnliche Dienstleistung, aber keine Kompetenzübertragung nach dem hier vorliegenden Verständnis der Delegation. Dennoch sind Beratung durch Dritte und Delegation an Dritte hinsichtlich des Bewertungsmaßstabs vergleichbar: Sowohl bei der Rechtsberatung als auch bei der Delegation, jedenfalls im Rahmen der Überwachung, muss der Vorstand Informationen (in Form einer Rechtsauskunft oder einer Bericht­ erstattung über die Aufgabenerfüllung) verwerten. Für die Rechtsberatung hat der BGH eine Plausibilitätsprüfung installiert, die auf die Informations­ erteilung anzuwenden ist. Auch für die Überwachung gilt zumindest auf ­horizontaler Ebene ein Vertrauensgrundsatz, der eine Plausibilitätskontrolle ausreichen lässt. Im Hinblick auf die Delegation an Mitarbeiter und Dritte lassen sich sodann die Wertungen des BGH fruchtbar machen, der eine Plausibilitätskontrolle eben auch bei Dritten ausreichen lässt. Auf diese Wertungsparallele wird noch zurückzukommen sein.388 Neben der Beratung ist eine weitere Fallgruppe der Kompetenzveräußerung die Selbstbindung gegenüber Dritten: Dabei unterwirft der Vorstand sich und sein Handeln nicht unerheblich fremden Einflüssen. Er begibt sich also in ein Abhängigkeitsverhältnis. Aber auch dies ist keine Delegation im hier verstandenen Sinne: Bei der Aufgabenübertragung ist der Delegationsempfänger abhängig, da dem Vorstand umfassende Einflussrechte zustehen 383  Vgl. zu dieser Thematik im Übrigen BGH ZIP 2011, 2097 ff. („ISION“); BGH NZG 2015, 792 ff.; BGH NJW 2007, 2118, 2119 ff. zur Beratung, ob eine GmbH insolvenzreif ist; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; § 93 Rn. 44 ff. 384  Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; § 93 Rn. 44 ff. will jedoch ebenfalls Wertungsparallelen ziehen. Reuter, ZIP 2016, 597, 599 spricht hingegen von Delegation. 385  Siehe dazu § 3 I. 386  BGH ZIP 2011, 2097, 2099 f. („ISION“); BGH NZG 2015, 792, 795. Siehe auch BGH NJW 2007, 2118, 2119 ff. 387  So Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 79. 388  Dazu unter § 10 IV. 2.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

und er die Geschäftsführungsmaßnahme somit nie ganz aus der Hand gibt. Bei der Selbstbindung rückt hingegen der Vorstand in die abhängige Posi­ tion.389 Dies wirkt sich in der Folge gleichsam auf die übrigen Organe und die gesamte Gesellschaft aus.390 Selbstbindung und Delegation werden zwar beide unter der Überschrift der Kompetenzveräußerung diskutiert, der Wer389  Der Vorstand öffnet die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG für fremde Einflüsse und unterwirft sein Handeln einem Dritten, sodass die Fremdbestimmung hier im Vordergrund steht. Die Delegation verleiht dem Dritten hingegen die Befugnis, im „Auftrag“ des Vorstands tätig zu werden, der gleichsam die Zügel in der Hand hält und somit bestimmend bleibt. Vgl. dazu Hippeli/Diesing, AG 2015, 185, 192, der beiden Fallgruppen gemeinsame Wertungen zugrunde legt; außerdem Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 92 ff. mit einer Übersicht zu den Diskussionsständen. Außerdem Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 68. Stein, ZGR 1998, 163, 165 und Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 13 sprechen im Kontext der Delegation dennoch von einer Selbstentmachtung. Siehe auch Veil, Unternehmensverträge, S. 78 ff., der beide Maßnahmen unter die Delegation fasst. Mit einer Übersicht zu den Fallkonstellationen und den im Einzelnen noch unausgegorenen rechtlichen Grenzen stellvertretend aus der Rechtsprechung LG München I NZG 2012, 1152 ff. Aus dem Schrifttum Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 68 ff. Siehe auch Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 92 ff.; Kuntz, AG 2016, 101 ff.; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 16 ff. Monographisch Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss; Wiegand, Investorenvereinbarungen. Zum rechtstatsächlichen Hintergrund solcher Vereinbarungen Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841; Hippeli/Diesing, AG 2015, 185 ff.; Paschos, NZG 2012, 1142, der überdies auch das Urteil des LG München I NZG 2012, 1152 bewertet; Reichert, ZGR 2015, 1, 6 ff. 390  Vgl. etwa LG München I NZG 2012, 1152, 1153 f., wonach die Vorstandsautonomie und daraus folgend die Kompetenzordnung betroffen sei; bestätigend OLG München NZG 2013, 459, 462; dazu auch Bungert/Wansleben, NZG 2013, 1841, 1843 ff., der eine Prüfung des § 76 Abs. 1 AktG vornimmt; Paschos, NZG 2012, 1142 ff., der ebenfalls eine Verletzung des § 76 Abs. 1 AktG sowie der Kompetenzordnung prüft; außerdem Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 65 f., der durch den in § 76 Abs. 1 AktG statuierten unabhängigen Vorstand vor allem die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft geschützt sieht. Außerdem Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 76 ff., 83 ff., 94 ff., der allerdings einen Bogen vom Verbandszweck über die von diesem geschützte Gesellschaftsautonomie zur Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensorgan schlägt, die wiederum beeinträchtigt sei, wenn der Vorstand seine Kompetenzen veräußere, da dies auf den Aufsichtsrat und gleichsam die Hauptversammlung durchschlage. Wobei Herwig auf S. 97 die Übertragung (von Leitungsaufgaben) als grundsätzlich unzulässig einordnet, während er den Einfluss Externer, wenn auch abhängig von der Gestaltung, als zulässig ansieht. Die Delegation bewertet er also als schärfere Maßnahme. Laut Kuntz, AG 2016, 101, 103 f., 108 f. schützt § 76 Abs. 1 AktG vor allem die Hauptversammlung, aber auch die Verbandsautonomie, die Rechte des Aufsichtsrats sieht er hingegen nicht berührt. Insbesondere verweist er darauf, dass die Hauptversammlung schließlich den einzigen Fall der Weisungsbindung, namentlich den Beherrschungsvertrag, beschließe. Hippeli/Diesing, AG 2015, 185, 191 f. sehen zwei mögliche Friktionen: Die Zuständigkeit der übrigen Organe sowie die Kompetenzveräußerung an Dritte, wobei § 76 Abs. 1 AktG Ausgangspunkt der Prüfung sei. Siehe auch Reichert, ZGR 2015, 1 ff.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz153

tungstransfer beschränkt sich aber auf grundlegende Bedenken, namentlich die Fragen der Führungsfunktion des Vorstands, der Organrechte sowie des Haftungssystems, die aber individuell zu prüfen und aufzulösen sind.391 Im Ergebnis liegen der Delegation sowie der Beratung und der Selbstbindung gemeinsame Wertungen zugrunde, es bedarf aber individueller Lösungsmechanismen. b) Keine Beeinträchtigung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung Blickt man sodann vom Vorstand auf Aufsichtsrat und Hauptversammlung, so sind aus deren Perspektive keine Unterschiede zwischen der bereits beleuchteten vertikalen Delegation und der externen Delegation ersichtlich. Der Aufsichtsrat übt seine Kontrolle ausschließlich gegenüber dem Vorstand aus. Insbesondere das Informationsrecht darf nicht auf den Delegationsempfänger erweitert werden.392 Seine Rechtsposition wird aufgrund des Informationsflusses, der zwischen Vorstand und Delegationsempfänger erforderlich ist,393 und letztlich im Rahmen des § 90 AktG auch den Aufsichtsrat erreicht, aber hinreichend gewahrt.394 Hier unterscheiden sich die Delegation an Mitarbeiter und die Delegation an Dritte nicht. Der Vorstand entwickelt sich durch die Öffnung für eine Delegation auch nicht zum verkappten Überwachungs­ organ:395 Auch wenn seine Handlungspflicht durch eine Kontrollpflicht substituiert wird, erfolgt dies auf der Ebene der Geschäftsführung. Der Kontrollinhalt divergiert sodann: Dieser ist anders als beim Aufsichtsrat darauf ausgerichtet, im Zweifel die Geschäftsführungsmaßnahme selbst auszuführen oder aber unmittelbar auf die Aufgabenerfüllung einzuwirken. Der Vorstand trennt sich mithin nicht von seiner Geschäftsführungsaufgabe. Daher werden die Kompetenzen des Aufsichtsrats auch bei externer Delegation gewahrt. Aus Sicht der Hauptversammlung ist hingegen ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung denkbar, wenn, wie es auch bei der Fallgruppe der 391  Siehe auch Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 100 f., wonach für beide Fälle jeweils eine individuelle Lösung gefunden werden müsse. 392  Siehe dazu 2. b). Außerdem Veelken, Betriebsführungsvertrag, S. 211 f., wonach der Aufsichtsrat aufgrund des § 78 Abs. 1 AktG den Betriebsführer nicht überwachen dürfe. Unklar Veil, Unternehmensverträge, S.  92 f. 393  Dazu noch § 10 II. Andere Ansicht Veelken, Betriebsführungsvertrag, S.  211 f.: Wenn der Aufsichtsrat die laufende Geschäftsführung nicht überwachen könne, verletze dies seine Rechte. 394  Siehe auch LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1393. Im Rahmen von schuldrechtlichen Bindungen Kuntz, AG 2016, 101, 109. 395  Diese Gefahr sieht jedoch Veelken, Betriebsführungsvertrag, S. 211 f., zumindest für den Fall, dass beim Betriebsführungsvertrag die laufende Geschäftsführung übertragen wird.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

schuldrechtlichen Selbstbindung des Vorstands befürchtet wird, durch die Delegation das Konzernrecht umgangen wird: So ist die Hauptversammlung an der Konzernierung zu beteiligen und muss einem Beherrschungsvertrag gemäß § 293 AktG zustimmen. Die durch eine Selbstbindung des Vorstands herbeigeführte Einflussnahme Dritter berührt diese Kompetenz, wenn qualitativ ein Konzernsachverhalt vorliegt.396 Das Konzernrecht stellt somit einen Gradmesser dar, der vom Vorstand zu beachten ist. Ob der Aufgabenübertragung eine mit Konzernsachverhalten vergleichbare Qualität zukommt, ist zweifelhaft: Das Konzernrecht regelt Fälle der Beteiligung und den daraus folgenden Einfluss auf die Gesellschaft. Die Aufgabenwahrnehmung aufgrund schuldrechtlicher Übereinkunft (auch aufgrund eines Betriebsführungsvertrags), ohne dass der Dritte zugleich Aktionär ist, trägt diese Gefahr zunächst nicht in sich. Dagegen ließe sich einwenden, dass faktisch ein Konzernsachverhalt geschaffen und somit die Rechte der Hauptversammlung verletzt werden. Aber selbst im faktischen Konzern hat die Hauptversammlung keine Zustimmungsrechte. Der Gesellschaft steht allenfalls ein Ausgleichsanspruch gemäß § 311 Abs. 1 AktG zu.397 Eine Umgehung des K­ onzernrechts durch Delegation anzunehmen, wäre daher verfehlt.398 Für ­schuldrechtliche Selbstbindungen wird auch diskutiert, ob es sich nicht um Maßnahmen handeln kann, die ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung begründen könnten.399 Der Gedanke kann für die Delegation zumindest erwogen werden. Allerdings kann es sich aufgrund der strengen Anforderungen der Rechtsprechung allenfalls um einen Einzelfall handeln.400 Generelle Bedenken bestehen bei der Delegation an Dritte daher nicht. Somit sind auch keine Konflikte mit Hauptversammlungskompetenzen ersichtlich.

396  So für die schuldrechtliche Selbstbindung Kuntz, AG 2016, 103 f. Außerdem Hippeli/Diesing, AG 2015, 185, 191 f., die allerdings darauf hinweisen, dass eine derartige Umgehung aufgrund der hohen Anforderungen die Ausnahme darstelle (m. w. N.); Reichert, ZGR 2015, 1, 9 ff. 397  Siehe dazu statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 311 Rn. 37 ff. 398  Zur Delegation der Weisungsbefugnis und der Weisungsausübung Koch, in: Hüffer/Koch, § 308 Rn. 4 ff. Zur Delegation zwischen konzertierten Unternehmen wenn auch mit Schwerpunkt auf der GmbH, U. H. Schneider, FS GmbHG, 1992, S. 473, 491. 399  Siehe dazu die Ausführungen von Reichert, ZGR 2015, 1, 14 ff., der eine solche Zuständigkeit aber für den Regelfall verneint, es sei denn, dass ohnehin eine zustimmungsbedürftige Maßnahme vorliegt. Zur ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit siehe schon 2. c) bb); § 3 II. 1. 400  Dazu bereits unter 2. c) bb); § 3 II. 1.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz155

c) Vereinbarkeit mit dem Haftungssystem des § 93 AktG Die Aufgabenübertragung an externe Dritte könnte hingegen mit dem Haftungssystem des § 93 AktG konfligieren. Dafür spricht zunächst, dass auch hier keine Zurechnung gemäß § 278 BGB erfolgt, wenn der Delegationsempfänger pflichtwidrig handelt, da der Vorstand an den Externen eine Aufgabe aus dem Pflichtenkreis der Gesellschaft überträgt. Der externe Delegationsempfänger wird daher gleichsam im Pflichtenkreis der Gesellschaft tätig.401 Somit sehen sich die Gesellschaft und ihre Gläubiger der gleichen Ausgangslage ausgesetzt wie auch bei den anderen Delegationsformen: Der nicht zuständige Vorstand muss lediglich für eine Verletzung der Überwachungspflicht einstehen. Aufgrund dieser gleichwertigen Ausgangslage überzeugt es nicht, nur die externe Delegation als unvereinbar mit § 93 AktG einzustufen. Vielmehr steht der Gesellschaft im Falle einer pflichtwidrigen Aufgabenerfüllung durch einen externen Delegationsempfänger ein Schuldner gegenüber, den sie uneingeschränkt in Anspruch nehmen kann, da keine arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen greifen: Delegiert der Vorstand an Mitarbeiter und handeln diese pflichtwidrig, so gelten die Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit.402 Der Externe kann sich hingegen nicht auf eine Haftungsprivilegierung berufen. Im Gegenteil: Die Haftung lässt sich ohne weiteres verschärfen, da der Vertragsschluss uneingeschränkt der Privatautonomie unterliegt. Daher sind Garantien oder auch Vertragsstrafen möglich.403 Durch diese privatautonomen Regelungsmöglichkeiten kann sich die delegierende Gesellschaft also hinreichend gegenüber dem Dritten absichern. Aus haftungsrechtlicher Perspektive ist die Delegation an Dritte somit gegenüber der vertikalen Delegation vorzugswürdig. Im Ergebnis verstößt die externe Delegation daher nicht gegen das aktienrechtliche Haftungssystem. d) Zwischenergebnis Die Delegation an außenstehende Dritte erweist sich in der systematischen Gesamtschau als uneingeschränkt zulässig. Weder Vorstand noch Aufsichtsrat oder Hauptversammlung sehen sich Beschränkungen ausgesetzt. Auch die Wertungen des § 93 AktG werden gewahrt. Die externe Delegation unter401  Siehe

zu § 278 BGB schon § 3 II. 2. 2. d). 403  Vgl. zur Frage, inwieweit eine Business Partner Compliance erforderlich ist und welche Reichweite sie hat, Bicker/Stoklasa, BB 2018, 519 ff., namentlich zu ­Garantien 523 f. Die Einräumung von Garantien könnte insofern ausgebaut werden. Allerdings darf daraus kein Standard erwachsen, wie es in Fragen der Compliance unverhältnismäßig oft vorkommt. Vielmehr sind solche Garantien einzelfallabhängig in Betracht zu ziehen. 402  Siehe

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

scheidet sich aber hinsichtlich des Regelungsaufwands von den übrigen Delegationsformen: Um die sorgfältige Überwachung sicherzustellen, muss der Vorstand kautelarjuristisch hinreichende Einflussrechte mit dem Delegationsempfänger vereinbaren. Problematisch kann die rechtstatsächliche Durchsetzbarkeit dieser Einflussrechte sein. 4. Delegation an Aufsichtsrat und Hauptversammlung a) Aufsichtsrat als Delegationsadressat Neben den oben aufgeführten Delegationsarten kommt (theoretisch) die Übertragung von Aufgaben an Aufsichtsrat und Hauptversammlung in Betracht, die Seibt auch als horizontale interorganschaftliche Delegation bezeichnet.404 Prüfungsmaßstab für die Frage, ob eine solche Aufgabenübertragung überhaupt zulässig ist, ist einmal mehr das Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft: Der Vorstand führt die Geschäfte eigenverantwortlich. Aufsichtsrat und Hauptversammlung steht hingegen gemäß § 111 Abs. 4 S. 1, 119 Abs. 2 AktG keine Geschäftsführungsbefugnis zu.405 Insbesondere stellen die Einflussrechte, die ihnen kompetenzrechtlich zugewiesen sind, weder eine originäre Geschäftsführungsbefugnis noch eine Delegation durch den Vorstand dar. Im Ergebnis entsteht daher ein Konflikt mit dem Organisa­ tionsgefüge, wenn Aufsichtsrat und Hauptversammlung über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus geschäftsführend tätig werden, wenn auch „im Auftrag“ des Vorstands. Dieser Konflikt ist mit der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, die Kompetenzen strikt zu trennen, unvereinbar. Der strikten Ablehnung dieser Delegationsform lässt sich entgegenhalten, dass jedenfalls der Aufsichtsrat auch als Leitungsorgan bezeichnet wird.406 Anknüpfungspunkte dafür sind die §§ 90 Abs. 1 Nr. 1, 111 Abs. 4 S. 2 AktG.407 Diese Aufgaben werden durch eine Beratungsfunktion gegenüber dem Vorstand ergänzt.408 Und auch mittels der Zustimmungsvorbehalte könnte der Aufsichtsrat die Geschäftsführung stark lenken.409 Insofern bieten 404  Seibt,

FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1472. schon § 3 II. 1. 406  Dazu schon § 5 IV. 2. 407  Vgl. zur Leitung durch den Aufsichtsrat bereits § 5 III. 2. d). Im Übrigen statt aller Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 77 ff. mit Übersicht zum Meinungsstand; außerdem Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 13. Weitere Auflistung bei Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1485. 408  RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 96. Aus der Rechtsprechung BGHZ 114, 127, 130 = NJW 1991, 1830; aus dem Schrifttum statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 13. 405  Siehe



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz157

sich durchaus Einfallstore, das starre Organisationsgefüge weniger streng zu fassen. Dagegen lässt sich jedoch vorbringen, dass die benannten Rechte nur eingeschränkt, das heißt in den Grenzen der Überwachungsaufgabe, zulässig sind.410 Es handelt sich schlicht um die Ausübung der Überwachungspflicht durch Beteiligung an der Geschäftsführung. Das Etikett der Leitung ist also nur gültig, wenn man es auf die gesetzlich vorgesehene Überwachungspflicht bezieht. Die Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat bleibt unzulässig.411 Anders könnte dies zu beurteilen sein, wenn die strikte Kompetenztrennung offen für eine Aufweichung wäre. In diese Richtung steuert bereits die Debatte um die Kapitalmarktkommunikation durch den Aufsichtsrat, namentlich um die Frage, ob der Aufsichtsratsvorsitzende Investorengespräche führen darf. Die herrschende Meinung orientierte sich bisher am Gesetz und beantwortete diese Frage mit einem klaren „Nein“.412 Die Kodex-Kommission sieht neuerdings darin kein Problem und hat folgende Empfehlung in 5.2 DCGK formuliert: „Der Aufsichtsratsvorsitzende sollte in angemessenem Rahmen bereit sein, mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen 409  Das befürchten Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2579 f., wonach es nur einer klugen Ausgestaltung bedürfe, um die Geschäftsführung zu beeinflussen. Der Aufsichtsrat dürfe die Zustimmungsvorbehalte aber nicht missbrauchen. 410  Speziell zu den Zustimmungsvorbehalten Goette, FS Baums, 2017, S. 475, 480 ff. („Teil der Überwachungsaufgabe“); Habersack, FS Hüffer, 2010, S. 259, 262, 264 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 40 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 227. 411  Dazu RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 96, wonach die Überwachung gestärkt werde; aus dem Schrifttum statt aller Frels, ZHR 122 (1959), 8, 18 f.; Habersack, in: Münch. Komm. AktG, § 111 Rn. 110 ff.; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, § 111 Rn. 70; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 33; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 61, der aber darauf verweist, dass der Aufsichtsrat Hilfsgeschäfte wahrnehmen dürfe, die thematisch zu seinen Kompetenzen gehörten; zur Aufklärungspflicht bei Compliance-Verstößen Arnold, ZGR 2014, 76, 100 ff.: Der Vorstand dürfe die eigene Aufklärungspflicht nicht auf den Aufsichtsrat übertragen, allenfalls denkbar sei eine organisatorische Abstimmung bei paralleler Untersuchung; kritisch gegenüber einer Verwischung der Zuständigkeiten durch ein Zusammenwirken Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 510 f.; zur Finanzplanung Rotering/Mohamed, Der Konzern, 433, 436. Eine Befugnis folgt auch nicht aus der Passivvertretung gemäß § 78 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 AktG bei Führungslosigkeit, siehe dazu Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 7. Mit einem kurzen Überblick über die „Ausnahmen“ vom Geschäftsführungsverbot Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, § 111 Rn. 71 (m. w. N.). Beleg für die strikte Trennung ist außerdem, dass neben der überwachungsrechtlichen Beratung Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern nur wirksam geschlossen werden können, wenn sie die Organfunktion nicht berühren, was bisher insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vergütung gemäß §§ 113, 114 AktG diskutiert wurde. Dazu statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 114 Rn. 1 ff. 412  Statt aller Koch, AG 2017, 129, 130 (m. w. N.).

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Gespräche zu führen.“413 Dieser Vorstoß hat durchaus Zustimmung erfahren.414 Stuft man Investorengespräche als Geschäftsführung ein, so bricht diese Auffassung mit dem bisher gelebten Organisationsgefüge und der vermeintlich klaren Regelung des § 111 Abs. 4 S. 1 AktG. Der Schritt hin zu einer Öffnung auch für andere Geschäftsführungsmaßnahmen wäre nicht mehr undenkbar. Grunewald beurteilt Investorengespräche durch den Aufsichtsrat daher zumindest differenziert: Der Wortlaut der Norm schließe den Aufsichtsrat als Organ von der Geschäftsführung aus. Das betreffe nicht zwingend den Aufsichtsratsvorsitzenden, der laut Kodex-Empfehlung für die Kapitalmarktkommunikation vorgesehen ist, als Person. Anders sei dies, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende in seiner Organfunktion tätig werde, was bei Investorengesprächen letztlich der Fall sei. Dann dürfe der Aufsichtsratsvorsitzende nur über die Bereiche sprechen, die nicht im Kompetenzbereich des Vorstands liegen. Andernfalls sei die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, die sich auf die Geschäftsführung bezieht, gestört. Eine Delegation (der Kapitalmarktkommunikation) unterliege somit den genannten Grenzen.415 Koch tritt der Kapitalmarktkommunikation noch entschiedener entgegen: Er verweist zunächst auf das klare Kompetenzgefüge. Die Kapitalmarktkommunikation falle ohne Zweifel unter die Geschäftsführung. Der Ansatz, den Geschäftsführungsbereich aus der Kapitalmarktkommunikation auszuklammern, ziehe gewichtige Abgrenzungsschwierigkeiten nach sich, da § 111 Abs. 1 AktG die gesamte Geschäftsführung umfasse. Im Übrigen problematisch erschienen die Bindung des Vorstands (one-voice-policy), die Gleichbehandlung der Aktionäre sowie die Kompetenzverteilung innerhalb des Aufsichtsrats bis hin zum Ausschluss der Arbeitnehmerseite. Jedenfalls nach geltendem Recht sei die Kapitalmarktkommunikation in dem angestrebten Umfang dem Aufsichtsrat verwehrt.416

413  Stellungnahme der Kodex-Kommission unter https://www.dcgk.de/de/kommis sion/die-kommission-im-dialog/deteilansicht/vorschlaege-fuer-kodexaenderungen2017.html, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. 414  Aus dem jüngeren Schrifttum etwa Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 107 Rn. 25, der allerdings verlangt, dass der Aufsichtsrat nicht in Widerspruch zum Vorstand handeln solle und sich zurückhalte; siehe auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 Rn. 155 ff.; § 111 Rn. 577 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 61. Die Initiative „Developing Shareholder Communication“, AG 2016, R300 ff. hat entsprechende Leitsätze formuliert. 415  Ausführlich Grunewald, ZIP 2016, 2009 ff. 416  Zum Nachstehenden Koch, AG 2017, 129, 131 ff., insbesondere auch kritisch im Hinblick auf den Vorstoß im rechtlich unverbindlichen DCGK. Siehe auch Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 77 ff., 87 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 34a.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz159

Dieser Auffassung ist beizupflichten. Zunächst ist die Gesetzeslage eindeutig. Der Aufsichtsrat ist von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Weder Beratung noch Zustimmung sind damit gleichzusetzen. Die vermittelnde Ansicht, wonach der Aufsichtsratsvorsitzende speziell die Bereiche, die die Geschäftsführung berühren, aussparen müsse, bewegt sich zwar innerhalb der organisatorischen Schranken. Sie überzeugt aber deshalb nicht, da es für den Aufsichtsratsvorsitzenden rechtspraktisch kaum möglich ist, diese Schranken zu wahren, da der Grat zwischen Geschäftsführung und bloßer Überwachung äußerst schmal ist. Die Bewertung ändert sich auch nicht dadurch, dass der Vorstand den Aufsichtsrat oder den Aufsichtsratsvorsitzenden beauftragt. Dieser kann seine Funktion nicht einfach abstreifen, ohne nicht auch seinen Überwachungsauftrag zu gefährden. Das Beispiel der Investorengespräche lässt sich auch ohne weiteres abstrahieren. Für den Aufsichtsrat oder seine Mitglieder ist eine Übernahme von Geschäftsführungsmaßnahmen mithin nicht denkbar, da die Delegation immer mit der Überwachungspflicht kollidiert. b) Hauptversammlung als Delegationsadressat Auch die Hauptversammlung schließt das Aktiengesetz von der Geschäftsführung aus,417 sodass eine Delegation an dieses Aktionärsforum unzulässig ist. Seibt diskutiert dennoch die Möglichkeit der Delegation und stützt sich auf § 119 Abs. 2 AktG. Die Kompetenz soll sich auch auf wesentliche Geschäftsführungsfragen erstrecken, sodass der Vorstand sie vorlegen dürfe. Die Entscheidung der Hauptversammlung ersetze sodann die zwingende Gesamtzuständigkeit.418 Nach der vorliegenden Auffassung stellt § 119 Abs. 2 AktG keine Delegation dar, da die Hauptversammlung durch ihre Zustimmung keine originäre Geschäftsführungsbefugnis ausübt. Sie ist lediglich Voraussetzung dafür, dass die Geschäftsführungsmaßnahme vorgenommen werden darf und stellt eine bloße Beteiligung dar.419 Seibt betreibt vielmehr eine Untersuchung, wann die Vorschrift des § 119 Abs. 2 AktG anwendbar ist. Daraus erwächst aber dennoch kein Delegationsszenario. Angesichts der Tatsache, dass die Hinzuziehung der Hauptversammlung wenig praktikabel ist, käme dieser Delegationsvariante ohnehin keine Relevanz zu.420 Im Ergebnis ist die inter­ 417  Dazu RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 95 f.; aus dem Schrifttum statt aller Frels, ZHR 122 (1959), 8, 18 f.; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 1, 13; Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 1; Kubis, in: Münch. Komm. AktG, § 119 Rn. 1, 18. 418  Zum Vorstehenden Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483 f. 419  Auch wenn etwa von derivativer Zuständigkeit, so Drinhausen, in: Hölters, § 119 Rn. 12, gesprochen wird. 420  Denkbar wäre letztlich noch die Delegation an einzelne Aktionäre. Hier kann dann aber bereits ein Konzernsachverhalt vorliegen. Im Übrigen wäre der Aktionär

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

organschaftliche Delegation somit nicht vereinbar mit dem aktienrechtlichen Organisationsgefüge. 5. Exkurs: Außeraktienrechtliche Vorschriften und Leitlinien Außerhalb des Aktienrechts gibt es eine Reihe rechtsverbindlicher Spezialgesetze und rechtsunverbindlicher Leitlinien, die sich auf das Vorstandshandeln auswirken können. Solche Spezialgesetze stellen das KWG und das VAG dar, die eingreifen, wenn die Aktiengesellschaft Kredit- oder Finanzdienstleistungen oder Versicherungsdienstleistungen wahrnimmt.421 Die genannten Gesetze enthalten Regelungen zur Geschäftsorganisation, die auch die Delegation von Aufgaben betreffen. Inwieweit Wertungen auf den aktienrechtlichen Kontext übertagen werden können, hängt davon ab, ob das Aufsichtsrecht in den Pflichtenkatalog des Vorstands hineinstrahlt. Daran bestehen deshalb begründete Zweifel, da das Aufsichtsrecht als öffentliches Recht und das Gesellschaftsrecht als privates Recht unterschiedliche Regelungszwecke verfolgen.422 Dennoch sprechen sich einige Vertreter des Schrifttums für eine Überlagerung des Aktienrechts durch die Spezialvorschriften aus und übertragen Wertungen auch außerhalb des speziellen Regelungsrahmens.423 Die Gegenansicht verweist hingegen darauf, dass den Spezialregelungen besondere Schutzgedanken zugrunde lägen, und erteilt einem Wertungstransfer eine klare Absage.424 Letztlich kann diese Frage offengelassen regelmäßig wie ein externer Dritter zu behandeln, da er nicht in der Funktion der Hauptversammlung auftreten kann. 421  Die Geschäftsorganisation nimmt in den Spezialgesetzen einen deutlich breiteren Raum ein als im Aktiengesetz. Das lässt sich zum einen auf internationale und europäische Regelungswerke zurückführen, die etwa in Reaktion auf die Finanzmarktkrise eine Rechtsvereinheitlichung initiiert haben. Siehe zur rechtshistorischen Entwicklung von Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht Binder, ZGR 2015, 667 ff. Hinzu treten Leitlinien der Ba. Fin. Allgemein auch Schneider/Brouwer, FS Priester, 2007, S. 713, 722, wonach öffentlich-rechtliche Vorschriften spezielle Organisationsanforderungen normieren könnten. 422  Vgl. zu den Regelungszwecken von Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht U. H. Schneider/S. H. Schneider, NZG 2016, 41 ff. Siehe auch Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a KWG Rn. 33 f.; Preußner, NZG 2004, 57, 58. 423  Fleischer, ZIP 2003, 1, 10 („Schrittmacherrolle“); Preußner, NZG 2004, 57, 60. Aktueller auch Fleischer, NZG 2014, 321, 325; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 67. Siehe auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533 ff., die einen gegenseitigen Einfluss annehmen. Aus Sicht des Aufsichtsrats faktische Verkürzung des Ermessensspielraums, so U. H. Schneider/S. H. Schneider, NZG 2016, 41, 46, wobei diese Feststellung auf den Vorstand übertragbar ist. Kritisch und für eine Einzelfallprüfung Bürkle, BB 2005, 565, 567. Zurückhaltend auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 80. 424  Zum Vorstehenden, speziell zum KWG, Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 50a f. Das soll auch für die Leitlinien gelten, Louven/Raapke, VersR 2012, 257,



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz161

werden: Die bisherigen Erkenntnisse zur Delegation ficht das Spezialrecht nicht an, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Vorschriften in das Ak­ tienrecht hineinstrahlen. Das KWG, namentlich die §§ 25a ff. KWG, sowie das VAG, namentlich die §§ 23 ff. VAG, normieren nach hier vorliegender Bewertung im Wesentlichen die Gesamtverantwortung der Geschäftsleiter für die Abläufe in der Gesellschaft, insbesondere also Kontroll- und Überwachungspflichten, das heißt Anforderungen an die Eignung sowie Weisungsund Kündigungsrechte. Die Verantwortung als solche ist nicht delegierbar, über die Aufgabenerfüllung treffen die Vorschriften hingegen keine derartige Anordnung.425 Insoweit norminterpretierende Verwaltungsvorschriften der Ba.  Fin vorliegen, die den Vorstand zwar nicht rechtlich, aber faktisch binden,426 ergibt sich kein divergentes Bild. Es bleibt unklar, ob und inwieweit sich die Behörde einer Delegation entgegenstellt.427 269. Ähnlich auch Spindler, WM 2008, 905, 908 f. Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 19 entnimmt den Vorschriften, insbesondere § 25b KWG, zumindest Indikatoren für die Delegation an Dritte. 425  Aus der Rechtsprechung vgl. LG Berlin AG 2002, 682, 683 f. Das vielzitierte Urteil des VG Frankfurt a. M. AG 2005, 264 ff. stellt sich insbesondere einer horizontalen Delegation nicht entgegen, sondern formuliert Anforderungen an die Überwachung. Vgl. des Weiteren Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 537 f., 546; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 269; Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 747 (m. w. N.). Siehe außerdem Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1298 ff., wobei die Einschränkung abseits der horizontalen Delegation nicht überzeugt. Auch Dreher, ZGR 2010, 496, 526 ff. entnimmt einer Überlagerung keine negativen Konsequenzen für die Delegation, vielmehr sieht er die Delegation in Aktiengesellschaften, die spezialgesetzlich nicht gebunden sind, erst recht als zulässig an, da auch die Spezialgesetze die Delegation nicht untersagen. Das zeigt anschaulich § 25b KWG: Delegiert das Institut Aufgaben an ein anderes Unternehmen, so muss es nach § 25b Abs. 1 S. 1 KWG Vorkehrungen treffen, damit übermäßige zusätzliche Risiken vermieden werden. Satz 2 verlangt lediglich, dass keine Beeinträchtigungen insbesondere der Geschäftsorganisation erfolgen. Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 19 sieht in der Regelung des § 25b KWG daher eine Wertung, die sich fruchtbar machen lässt: Der Gesetzgeber lasse die Delegation an Dritte zu, sofern gewisse Bedingungen, die das Gesetz selbst festgelegt hat, erfüllt seien. Zur Delegation der Verantwortung siehe § 25b Abs. 1 KWG; § 23 Abs. 2 VAG sowie dazu RegBegr BT-Drs. 18/2956, S. 239. Zum Verantwortlichkeitsbegriff im Übrigen schon I. 1. b) bb) (2). 426  Zu nennen sind hier insbesondere MaRisk, MaComp und MaGo. Zur Bindungskraft siehe Bürkle, VersR 2016, 2 ff.; Krimphove, VersR 2017, 326, 329 ff.; Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 535. 427  Vgl. Nietsch, ZHR 180 (2016). 733, 748 ff., 755 f., wonach die Ba. Fin kein pauschales Delegationsverbot ausspreche, die Delegation aber restriktiven Grenzen unterwerfen wolle, zumindest aber strenge Anforderungen an die Überwachung implementieren wolle. Siehe auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 537 f. Unstetig in der Analyse Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a KWG Rn. 56  f. Louven/ Raapke, VersR 2012, 257, 269 verweisen schlicht darauf, dass die Verwaltungsvorschriften unbeachtlich seien. Kocher/Schneider, ZIP 2013, 1607 ff. stellen sich der

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Neben KWG und VAG treffen auch andere außeraktienrechtliche Vorschriften Anordnungen zur Organisation im Unternehmen.428 Zu nennen ist zunächst § 130 OWiG: Diese Vorschrift behandelt die Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen. Sie formuliert keine Pflicht des Vorstands, sie bewertet jedoch eine Verletzung der Aufsichtspflicht als ordnungswidrig.429 Da § 130 OWiG die Überwachungsebene betrifft,430 können ihr keine Wertungen entnommen werden, wann die Delegation als solche unzulässig ist. Demgegenüber weist das Mitbestimmungsrecht auf die Zulässigkeit nicht nur der horizontalen, sondern auch der vertikalen Delegation hin: § 5 Abs. 3 BetrVG und § 3 Abs. 1 MitbestG treffen Regelungen zur Person des leitenden Angestellten. § 5 Abs. 3 BetrVG konkretisiert die Person des leitenden Angestellten als solche, die alternativ selbständig Arbeitnehmer einstellen oder entlassen kann (Nr. 1), über eine Generalvollmacht oder nicht unbedeutende Prokura verfügt (Nr. 2) oder sonstige Aufgaben wahrnimmt, im Wesentlichen weisungsfrei oder mit maßgeblichem Einfluss (Nr. 3). Im Organisationsgefüge der von den mitbestimmungsrechtlichen Normen erfassten Unternehmen kann demnach eine Position unterhalb des gesetzlichen Vertreters bekleidet werden, die in weitem Umfang selbständig ist und unternehmerische Aufgaben wahrnimmt.431 Leitende Angestellte einzusetzen ist jedoch kein Spezifikum der Mitbestimmung unterfallender Gesellschaften. Hier wird lediglich die spezielle Frage der Arbeitnehmereigenschaft geregelt. Die Funktion ist vielmehr ein gewöhnlicher Bestandteil der Organisation. Daher bestätigen die Vorschriften die bisherigen Ergebnisse zur Zulässigkeit der Delegation, darüber hinaus fehlt ihnen aber die Wegweiserqualität.432 Somit stehen die außeraktienrechtlichen Vorschriften den hier ermittelten Ergebnissen nicht entgegen.

Ansicht der Ba. Fin entgegen, im Rahmen der Ad-hoc-Publizität liege ein Delega­ tionsverbot vor. 428  Zu weiteren, zum Teil veralteten, Spezialvorschriften Dreher, FS Hopt, 2010, S.  517, 525 f., 531 ff.; König, AG 2017, 262, 268 f.; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 648 f., die aber keine weiterführenden Wertungen zulassen. 429  Siehe U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 649. 430  Siehe Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 537; Fleischer, AG 2003, 291, 294. Siehe auch Koch, AG 2009, 564, 568 f. 431  Koch, in: Erfurter Komm. ArbR, § 5 BetrVG Rn. 17. Siehe auch Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 91. 432  Dem WpHG lässt sich im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizität ebenfalls kein Delegationsverbot entnehmen, dazu Kocher/Schneider, ZIP 2013, 1607, 1609. Der rechtlich nicht bindende (dazu Koch, in: Hüffer/Koch, § 161 Rn. 3) Deutsche Corporate Governance Kodex enthält sich jeglicher Aussage zur Delegation.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz163

6. Delegation durch Verantwortliche weiterer Gesellschaftstypen a) GmbH Die Delegation als Organisationsmaßnahme betrifft jedes Rechtsgebilde. Daher taucht die Frage der Delegationsfähigkeit auch gesellschaftsüber­ greifend auf. Je nach Struktur ist diese Frage jedoch unterschiedlich virulent. Als Kapitalgesellschaften weisen Aktiengesellschaft und GmbH die größte Schnittmenge auf,433 sodass ein Vergleich der beiden Gesellschaftstypen besonders nahe liegt. Im GmbHG fehlt eine mit § 76 Abs. 1 AktG vergleichbare Vorschrift. Die Geschäftsführer unterliegen vielmehr gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG Weisungen, die die Gesellschafter durch Beschluss ausüben. Eine unterschiedliche Behandlung der Gesellschaftsformen könnte gerade deshalb gerechtfertigt sein.434 Durch das Weisungsrecht kann die Gesellschafterversammlung im Vergleich zur aktienrechtlichen Hauptversammlung ungleich größeren Einfluss auf die Geschäftsführung und die Aufgabenerfüllung nehmen. Daher könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass in der GmbH das Schutzbedürfnis nicht gleichermaßen ausgeprägt ist wie in der Aktien­ gesellschaft. Für die Delegationsfrage könnte man daraus ableiten, dass die Delegation in der Aktiengesellschaft stärker einzuschränken ist. Ebenso mangelt es an einer Geschäftsführungsregelung im Sinne des § 77 AktG. Damit fehlt zwar auch eine Delegationsgrundlage im Sinne des § 77 Abs. 1 S. 2 AktG, die GmbH zeichnet sich aber gerade durch ihre privatautonome Regelungsflexibilität aus.435 Diese Flexibilität greift auch Wicke in seinem Gedankenspiel auf, wie eine Aktiengesellschaft das CEO-Modell umsetzen könnte: Die Aktiengesellschaft könnte in die Rechtsform der GmbH umgewandelt werden, um den Zwängen des Kollegialprinzips zu entfliehen.436 Dieser Gedankengang ließe sich mühelos auch auf die Delegationsfrage übertragen, da es sich ebenfalls um eine organisatorische Maßnahme handelt. Gegen eine unterschiedliche Behandlung spricht aber zunächst die zum Aktienrecht parallel verlaufende Delegationsdebatte im GmbH-Recht: So geht die ganz herrschende Auffassung von einer gemeinschaftlichen Gezu den Einzelheiten Koch, GesR, § 29 Rn. 3 ff., § 33 Rn. 3 ff. Zusammenspiel der Zuständigkeiten im Bereich der Grundlagenentscheidungen, Unternehmenspolitik und außergewöhnlichen Maßnahmen, siehe ausführlich Stephan/Tieves, in: Münch. Komm. GmbHG, § 37 Rn. 61 ff. 435  Insbesondere fehlt es in der GmbH am Grundsatz der Satzungsstrenge im Sinne des § 23 Abs. 5 AktG. Vgl. zur Regelungsflexibilität statt aller Koch, GesR, § 33 Rn. 4. 436  Wicke, NJW 2007, 3755, 3758 (m. w. N. zum Alleinentscheidungsrecht in der GmbH), der die GmbH im Ergebnis aber auch den Schranken des Gesamtverantwortungsprinzips unterwirft. 433  Vgl.

434  Zum

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

schäftsführungsbefugnis aus, die der Geschäftsverteilung zugänglich ist.437 Aus der Geschäftsverteilung folgt für die übrigen Geschäftsführer ebenfalls eine Überwachungspflicht.438 Obwohl also die Gesetzesgrundlagen organisationsrechtliche Differenzen aufweisen, handhaben Aktiengesellschaft und GmbH Geschäftsführung und Geschäftsverteilung gleich. Parallel zur aktienrechtlichen Diskussion geht der juristische Diskurs auch in der GmbH davon aus, dass gewisse Zuständigkeiten Gesamtzuständigkeiten sind.439 Die herrschende Ansicht rekurriert auf die Kriterien, die auch im Aktienrecht herangezogen werden, namentlich gesetzliche Aufgaben sowie Bereiche von wesentlicher Bedeutung, etwa die Planung der Unternehmenspolitik, die Organisationsstruktur oder außergewöhnliche Maßnahmen.440 Auch der Begriff

437  Aus der Rechtsprechung jüngst BGH NZG 2019, 225, 226 („Weltruf“), wonach eine Geschäftsverteilung zulässig und unter Umständen erforderlich sei. Dazu auch Buck-Heeb, BB 2019, 584, 585 f. mit einer Besprechung des Urteils im Übrigen. Dabei variiert die Analogievorschrift: Zum Teil zieht das Schrifttum § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG heran, der die gemeinschaftliche Vertretung als Grundfall normiert, so etwa Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 28; Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13. Andere bevorzugen eine Analogie zu § 77 Abs. 1 S. 1 AktG, siehe Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 44 Rn. 78. Vgl. auch U. H. Schneider, FS Mühl, 1981, S. 633, 640; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 37 Rn. 29. 438  BGHZ 133, 370, 377 f. = BGH NJW 1997, 130, 131 f.; jüngst BGH NZG 2019, 225, 226 („Weltruf“). Außerdem Buck-Heeb, BB 2019, 584, 588 f. 439  Aus der Rechtsprechung BGH NZG 2019, 225, 226 („Weltruf“): In diesem Fall war fraglich, ob ein nicht für die Kassen- und Buchführung zuständiger Geschäftsführer seine persönliche Pflicht aus § 64 GmbHG a. F. schuldhaft verletzt hatte. Eine Geschäftsverteilung laufe dieser Pflicht jedenfalls nicht zuwider, vielmehr treffe den nicht zuständigen Geschäftsführer eine Kontrollpflicht, an die ein strenger Maßstab anzulegen sei, da vorliegend die Legalitätspflicht in Form der Insolvenzantragspflicht berührt sei. Außerdem BGH NJW 2001, 969, 970 f. zur deliktischen Haftung; aus strafrechtlicher Perspektive BGHSt 37, 106, 123 f. = in BGH NJW 1990, 2560, 2565 („Lederspray“); BFH ZIP 1984, 1345, 1346 f., der die Steuerpflicht als delegierbar einstuft und im Wesentlichen die Überwachungspflicht konturiert, gleichsam aber andeutet, dass Delegationshindernisse bestehen könnten („existenzielle Bedeutung“). Aus dem Schrifttum Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 44 Rn. 80; Haas, Geschäftsführerhaftung, S.  281 ff.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 29 ff.; Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 14; U. H. Schneider, FS GmbHG, 1992, S. 473, 484; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 36 ff., 42 ff.; vgl. auch Dreher, ZGR 1992, 22, 50 ff., 56 ff., 60 ff. zum Zusammenspiel von Geschäftsverteilung und Außenhaftung (m. N. zur reichsgerichtlichen Rechtsprechung); Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 522. Siehe auch Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 4 ff., der die Problematik sogleich auf beide Gesellschaften bezieht. 440  Vgl. statt aller noch einmal Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 44 Rn. 80; Dreher, ZGR 1992, 22, 60; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 522, wo zumindest die Frage nach einem weisungsfesten Kernbereich von Leitungsentscheidungen aufgeworfen wird, der den Geschäftsleitern zustehen muss; Haas, Geschäftsführerhaftung, S.  281 ff.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 31; Leuering/Dorn-



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz165

der Gesamtverantwortung wird hier angeführt.441 Außerdem sind Satzungsregelungen möglich, die zwingende Gesamtzuständigkeiten begründen können.442 Die Frage, wie sich der Kernbereich der Führungsorgane gestaltet, ist eine universelle, auch wenn laut U. H. Schneider der nicht delegierbare Pflichtenkreis des GmbH-Geschäftsführers einen kleineren Radius aufweist.443 Die vorstehende Debatte lässt sich rechtlich damit begründen, dass das Geschäftsführungsorgan der GmbH als Kollegialorgan organisiert ist und somit unabhängig davon, wie man die delegierbaren von den nicht delegierbaren Pflichten im Einzelnen abgrenzt, die Frage aufkommt, wie die Arbeit innerhalb des Organs zu verteilen ist. In den unteren Organisationsebenen setzt sich dies fort. Auch das Weisungsrecht rechtfertigt keine andere Lesart: Das Weisungsrecht wird im Zweifel nicht ständig ausgeübt. Vor allem unterliegt auch das Weisungsrecht verschiedenen Schranken, im Rahmen derer über einen weisungsfesten Bereich diskutiert wird.444 Außerdem enthält die Weisung auch nicht zwingend Vorgaben zur Aufgabenerfüllung. So galt vor der Aktienrechtsreform von 1937 auch im Aktienrecht ein Weisungsrecht, dennoch war innerhalb des Vorstands und über diese Organisationsebene hinaus die Aufgabenverteilung zu klären.445 Gegen einen Rechtsformwechsel als Lösungsvorschlag, wie ihn Wicke vorgeschlagen hat, ist daher zum einen vorzubringen, dass das Kollegialprinzip in der GmbH auch gilt. Zum anderen wäre dieser aus Sicht der Aktiengesellschaft rechtspraktisch wie rechtspolitisch verfehlt, da trotz aller Gemeinsamkeiten von Aktiengesellschaft und GmbH auch entscheidende Unterschiede bestehen und die GmbH keine gleichwertige Alternative darstellen würde.446 Der vergleichende Blick zur GmbH zeigt somit, dass die Aufgabenübertragungen in Aktiengesellschaft und GmbH parallel verlaufen.

hegge, NZG 2010, 13, 15; Lohr, NZG 2000, 1204, 1210; U. H. Schneider, FS GmbHG, 1992, S. 473, 484; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 42 ff. 441  Siehe zur universellen Geltung des Gesamtverantwortungsprinzips schon § 6 I. 1. b) bb). Siehe Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 30; U. H. Schneider, FS GmbHG, 1992, S. 473, 478 f.; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 35 ff.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3758. 442  U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 44. 443  U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 42. 444  Siehe zur Diskussion etwa Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 37 Rn. 21; zu den verschiedenen Schranken Rn. 20  ff.; außerdem Schauf, BB 2017, 2883, 2884 ff.; Stephan/Tieves, in: Münch. Komm. GmbHG, § 37 Rn. 115 ff. 445  Zur historischen Entwicklung noch ausführlich II. 446  Vgl. zu den Einzelheiten Koch, GesR, § 29 Rn. 3 ff., § 33 Rn. 3 ff.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

b) Verein Der Seitenblick zum Vereinsrecht zeigt sodann, dass die Delegations­ problematik über die AG und die GmbH hinaus Relevanz hat und die Diskussionen nahe beieinander liegen. Der Verein gilt als Blaupause für die Körperschaft, zu der auch Aktiengesellschaft und GmbH zählen.447 Die Geschäftsführungsbefugnis im Verein liegt gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 BGB beim gesetzlichen Vorstand. Möglich ist jedoch auch, Aufgaben wie in der Aktiengesellschaft zu übertragen. Die Delegation wirkt sich gleichermaßen auf die Pflichten des Vorstands aus: An die Stelle der Handlungspflicht tritt nach herrschender Auffassung eine Überwachungspflicht.448 Eine Besonderheit des Vereinsrechts liegt darin, dass der Verein ein anderes geschäftsführendes Organ, namentlich den „echten Verbandsgeschäftsführer“ einrichten kann, der die Funktion eines „besonderen Vertreters“ im Sinne des § 30 BGB übernimmt.449 Ist eine Delegation im Verein damit grundsätzlich zulässig, stellt sich auch hier die Frage nach ihren Grenzen. Dabei ergibt sich ein ähnlich zerrissenes Bild wie bei Aktiengesellschaft und GmbH: So stuft ein Teil des Schrifttums die Übertragung pauschal aller laufenden Geschäfte des Vereins an den besonderen Vertreter als unzulässig ein.450 Überdies sollen die sogenannten Leitungsaufgaben des Vorstands nicht delegierbar sein.451 Das OLG München vertritt hingegen die Auffassung, dass das laufende Geschäft gänzlich an den besonderen Vertreter delegierbar sei, solange der Aufgabenkreis als solches bestimmt sei. Das gelte jedenfalls dann, wenn die Bestellung nicht die gesamte Vorstandstätigkeit umfasse.452 Brouwer schließt sich der Rechtsprechung an:453 Die Zulässigkeit einer solchen Ausgestaltung entspringe zunächst § 40 BGB, wonach für § 27 Abs. 3 S. 1 BGB „anderes“ in der Satzung bestimmt werden kann. Die Norm sei also offen für eine derartige Gestaltung. Gleichzeitig bleibe der gesetzliche Vorstand nicht rechtlos, statt aller Koch, GesR, § 26 Rn. 1 („Prototyp“). NZG 2017, 481, 487 f.; Heermann, NJW 2016, 1687, 1688 f., der ein abgestuftes Kontrollsystem vorschlägt, dass inhaltlich an die aktienrechtlichen Anforderungen angelehnt ist; Larisch/v. Hesberg, CCZ 2017, 17, 23. 449  Vgl. zu den verschiedenen Handlungspersonen im Verein Brouwer, NZG 2017, 481, 482 ff., 488. Außerdem Leuschner, in: Münch. Komm. BGB, § 30 Rn. 6. 450  Stöber/Otto in Hdb. VereinsR, Rn. 574 („nähere Eingrenzung“); nicht ganz eindeutig Waldner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. V, § 26 Rn. 9, der augenscheinlich eine konkretere Bezeichnung ausreichen lässt. 451  Burgard, Hdb. Managerhaftung, Rn. 6.11, 6.18. Für den besonderen Vertreter Brouwer, NZG 2017, 481, 487 f., es sei denn, das Gesetz adressiere lediglich den gesetzlichen Vertreter im Allgemeinen. 452  Siehe OLG München NZG 2013, 32. 453  Vgl. zum Nachstehenden Brouwer, NZG 2017, 481, 486 f. Siehe auch Leuschner, in: Münch. Komm. BGB, § 30 Rn. 7. 447  Vgl.

448  Brouwer,



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz167

da der besondere Vertreter nur neben ihm stehe. Außerdem sei vereinsrechtlich klar, welche Aufgaben den Bereich des Tagesgeschäfts überschreiten. Brouwer macht sodann gerade an § 40 BGB den wesentlichen Unterschied zur Aktiengesellschaft fest, da im Aktiengesetz eine vergleichbare Vorschrift fehle. Mithin sollen aktienrechtliche Leitungsaufgaben jedenfalls nicht an nachgeordnete Führungskräfte delegierbar sein. Blickt man auch auf die oben genannten Mindestanforderungen an eine Delegation, sind „Leitungsaufgaben“ aber auch im Verein nicht übertragbar. Eine tiefergehende Untersuchung soll hier ausbleiben. Unabhängig von der Organisationsform ist es jedenfalls nicht überzeugend, auf die Leitung abzustellen oder gesetzliche Pflichten pauschal und ohne nähere Begründung als delegationsfeindlich einzustufen. In welchem Umfang die Geschäftsleiter Geschäftsführungsmaßnahmen weiterreichen dürfen, gilt es noch auszuloten. Für die Aktiengesellschaft lässt sich sagen, dass eine völlige Aufgabe der Geschäftsführung mit der zwingenden Kompetenzverteilung jedenfalls nicht mehr im Einklang stehen kann. Dabei ist die vorliegende Auffassung nicht weit entfernt vom OLG München: Alles jenseits der völligen Veräußerung ist eine Frage des Einzelfalls. Dass § 40 BGB letztlich den entscheidenden Unterschied ausmacht, ist nicht überzeugend. Die Nichtregelung im Aktien­ gesetz spricht ob der detaillierten Vorschriften zum Aufsichtsrat für eine weitgehende Delegationsfreiheit des Vorstands. c) Personengesellschaften Auch aus dem Personengesellschaftsrecht lassen sich parallele Wertungen ziehen. Personengesellschaften, namentlich GbR, OHG und KG, weisen im Gegensatz zu AG und GmbH, ihres Zeichens Körperschaften, grundlegend andere Strukturen auf.454 Die Geschäftsführung üben die Gesellschafter zwingend selbst aus (Selbstorganschaft). Der Zusammenschluss ist nicht anonym und auf Massenbeteiligung ausgelegt wie in der Aktiengesellschaft. Daher fehlt es auch an einer mit der Satzungsstrenge vergleichbaren Regelung. Entsprechend frei sind die Gesellschafter in der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags. Zwar ordnet § 709 Abs. 1 BGB für die GbR im Grundsatz die gemeinschaftliche Geschäftsführung an, diese kann jedoch abbedungen werden.455 Aufgrund der Selbstorganschaft darf die Geschäftsführung zwar nicht organschaftlich, aber vertraglich auf Dritte übertragen werden, sogar in beachtlichem Umfang, je nach Gesellschaftsstruktur.456 OHG und KG sind aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit professioneller ausgerichtet. § 114 Abs. 1 Nachfolgenden Koch, GesR, § 2 Rn. 2 ff. § 710 BGB. 456  Dazu Schäfer, in: Münch. Komm. BGB, § 709 Rn. 5 f. 454  Zum 455  Vgl.

168

3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

HGB i. V. m. § 115 Abs. 1 HGB (i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) normieren die Einzelgeschäftsführung als Regelfall.457 Auch hier ist die vertragliche Übertragung der Geschäftsführung auf Dritte zulässig.458 Offen bleibt, ob gewisse Bereiche zwingend von allen Gesellschaftern wahrzunehmen sind. Da auch die geschäftsführenden Gesellschafter von GbR, OHG und KG, sofern mehrere dazu berufen sind, in Kollegialorganen organisiert sind, trifft sie eine Gesamtverantwortung, die sich bei einer Geschäftsverteilung in Form der Überwachungspflicht manifestiert.459 Insofern unterscheiden sich die Kollegialorgane von Personengesellschaften nicht von solchen der Körperschaften. Gleichsam wird darüber diskutiert, welche Aufgaben vom Plenum wahrzunehmen sind: Namentlich Grundlagengeschäfte verlangen, dass alle Gesellschafter über sie befinden. Grundlagengeschäfte sind solche, die Struktur und Organisation betreffen und damit den Gesellschaftszweck.460 § 116 Abs. 2 HGB verlangt bei Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehen, einen Beschluss sämtlicher Gesellschafter. Die Vorschrift ist allerdings dispositiv.461 Möglich sind immer auch individuell festgelegte Beschränkungen im Gesellschaftsvertrag.462 Dennoch wird auf die Vorschrift noch einmal zurückzukommen sein, da sie im Aktienrecht zum Teil analog herangezogen wird, um nicht delegierbare Aufgaben dem Einzelfall nach herauszufiltern.463 Darüber hinaus sind jedoch keine Einschränkungen ersichtlich, wenn die Anforderungen an die Delegation erfüllt sind: So hat der BGH zur Frage des Betriebsführungsvertrags einer Personengesellschaft mit einem Dritten entschieden. Dem Gericht kam es bei seiner Beurteilung im Wesentlichen darauf an, dass der Betriebsführer Leitlinien und somit klaren Grenzen unterworfen war und der Gesellschaft weitreichende Einflussrechte, namentlich Infor­ mations-, Kontroll- und Eingriffsrechte, zustanden, sodass ihr weiterhin die Vorstehenden Rawert, in: Münch. Komm. HGB, § 114 Rn. 17. in: Münch. Komm. HGB, § 114 Rn. 24 ff. 459  Drescher, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 114 Rn. 30; Rawert, in: Münch. Komm. HGB, § 114 Rn. 18. 460  Zum Vorstehenden Schäfer, in: Münch. Komm. BGB, § 709 Rn. 10 f., 23 ff. mit Beispielen, wobei eine Ermächtigung der Geschäftsführer möglich scheint. Für die Personenhandelsgesellschaften übereinstimmend Rawert, in: Münch. Komm. HGB, § 114 Rn. 9 ff., 14. Im Aktiengesetz fällt der Begriff des Grundlagengeschäfts, wenn es um Rechte der Hauptversammlung geht, die durch § 119 AktG genau vorgegeben sind. Die Abgrenzung hat vor allem dann Relevanz, wenn ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten zur Debatte stehen, siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 7; Link, in: Wachter, § 77 Rn. 2. 461  Jickeli, in: Münch. Komm. HGB, § 116 Rn. 60. 462  Vgl. Koch, GesR, § 6 Rn. 13, wobei die Aussage für alle Formen der Personengesellschaft Gültigkeit hat. 463  Dazu unter § 8 I. 457  Zum

458  Rawert,



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz169

Steuerung zukam.464 Die Wertungen lassen sich ohne weiteres auf die Ak­ tiengesellschaft übertragen.465 Diese Rechtsprechung kann als Bestätigung des hier vertretenen Ansatzes gesehen werden, die Delegation auch an den Einflussrechten, bei der Aufgabenübertragung an Dritte an der kautelarjuristischen Ausgestaltung, zu bemessen. Im Ergebnis zeigt der Blick auf die weiteren Gesellschaftsformen, dass die Delegation ein rechtsformübergreifendes Organisationsmittel ist, das in jedem Kollegialorgan Relevanz hat. Die spezifischen Regelungen verdeutlichen auch, dass eine grundsätzliche Einschränkung der Delegation nicht geboten ist. 7. Zwischenergebnis Beleuchtet man horizontale, vertikale und externe Delegation also systematisch, so ist zu konstatieren, dass die verschiedenen Delegationsformen nicht strukturell mit dem Aktiengesetz konfligieren. Im Einzelnen sind weder die Führungsaufgabe des Vorstands noch die Kompetenzen der übrigen Organe berührt. Auch mit dem Haftungssystem des § 93 AktG sind diese Delegationsformen vereinbar. Allerdings muss der Vorstand rechtlich wie rechtstatsächlich eine sorgfältige Überwachung sicherstellen. Der rechtstatsäch­ lichen Durchsetzbarkeit der Überwachung gilt insbesondere bei der externen Delegation ein besonderes Augenmerk. In der Konsequenz verfangen die dogmatischen Begründungswege der herrschenden Auffassung jedenfalls systematisch nicht. Dieses erste Analyseergebnis streitet daher für eine Einzelfallbetrachtung in der Delegationsfrage, die nur in Ausnahmefällen zu einem Delegationsverbot führen darf. Die Parameter der Einzelfallbetrachtung sind sodann noch zu bestimmen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass nach der bisherigen Untersuchung aktienrechtlich keine Einwände gegen die Delegation bestehen.

II. Genese der Aufgabenübertragung anhand der wesentlichen Aktienrechtsreformen 1. Delegationsverbot der Reform von 1884 Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen ist eine systematische Beschränkung der Delegation somit nicht angezeigt. Dieses Ergebnis soll im Folgenden im Spiegel der wesentlichen Aktienrechtsreformen überprüft werden. Hier liegt der Fokus nicht mehr auf den Begrifflichkeiten Leitung und 464  BGH

NJW 1982, 1817 ff. („Holiday-Inn“). nur Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 21 sowie Veil, Unternehmensverträge, S.  92 f. 465  Vgl.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

Geschäftsführung,466 sondern die Aktienrechtsreformen sollen speziell im Hinblick auf die Delegation untersucht werden. Die Gesetzesmaterialien beziehen sich dabei vor allem auf die horizontale Delegation. Das ist auch konsequent, wenn man bedenkt, dass lediglich die Aufgabenverteilung innerhalb des Vorstands gesetzlich fixiert wurde. Vom Gesetzgeber sind daher keine vertieften Ausführungen zu den anderen Delegationsarten zu erwarten. Dennoch lassen sich den Reformen delegationsformübergreifende Wertungen entnehmen. Ausgangspunkt ist die Reform von 1884. In der amtlichen Begründung findet sich ein Delegationsverbot, das nicht den Vorstand adressiert, sondern die Generalversammlung.467 Die Generalversammlung als willensbildendes und gemäß § 231 Abs. 1 HGB 1884 gegenüber dem geschäftsführenden Vorstand weisungsbefugtes Organ sollte demnach zwingend entscheiden, wenn das Wesen der Gesellschaft betroffen war. Die Entwurfsverfasser beriefen sich auf die Bedeutung dieses Rechts, aber auch auf öffentliche Interessen.468 Sie waren sich gleichsam bewusst, dass ein generelles Delegationsverbot zu weit greifen würde: So hatte die Generalversammlung dann zu entscheiden, wenn die Grundverfassung der Aktiengesellschaft angetastet wurde. Darunter fielen zum Beispiel die Änderung der Statuten sowie des Grundkapitals, die Aufsichtsratswahl und -abberufung, Dispositionen über Ansprüche aus der Gründungsphase oder die Genehmigung der Bilanz. Im Übrigen lehnte der Gesetzgeber eine allgemeine Unveräußerlichkeit ab und verwies auf Zweckmäßigkeitsrücksichten. Er reduzierte das Delegationsverbot somit auf Einzelfragen von besonderer Bedeutung. Weitere dieser Einzelfragen sollten sich aus dem Gesellschaftsvertrag, insbesondere dem Gesellschaftszweck, ergeben können. Damit stellte das Delegationsverbot die Ausnahme und nicht den Regelfall dar.469 Im Pendelblick zur heutigen Ausgestaltung verfügt die heutige Hauptversammlung nicht mehr über ein Weisungsrecht. § 119 Abs. 1 AktG sichert ihr aber weiterhin ein Zustimmungsrecht zu besonders wesentlichen Fragen zu. Insofern hat sich das Delegationsverbot in ein Zustimmungsrecht gewandelt. Eine mit den damaligen Regelungen vergleichbare Schranke existiert demnach weiterhin. Somit bedarf es keines weiteren Delegationsverbots. Durch die Zuweisung zum Vorstand ist auch die Unterschei466  Dazu

bereits § 5 III. zum Folgenden AmtlBegr in Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 464. 468  Vgl. dazu Hofer, in: AktienR im Wandel, Bd. I, 11. Kap Rn. 2 ff. Dabei handelt es sich dabei vor allem um Nachwehen der Gründerkrise. 469  Diesem Ergebnis steht die spätere Auslegung durch die Rechtsprechung, namentlich RGSt 13, 235 ff., nicht entgegen, die ebenfalls den Einzelfall vor Augen hatte und im Übrigen die Verantwortlichkeit als nicht delegierbar deklarierte, siehe schon I. 1. b) bb) (2), d) bb). 467  Vgl.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz171

dung zwischen Geschäftsführung und Grundlagengeschäft obsolet.470 Die Regelungen zur Generalversammlung können deshalb aus heutiger Sicht kein Delegationsverbot oder eine Beschränkung der Delegation begründen. Die Regelungen zum Vorstand als immerhin ausführendes Organ waren im Gesetz von 1884 äußerst spärlich ausgestaltet. Art. 227 Abs. 2 HGB 1884 bestimmte lediglich, dass der Vorstand aus einer oder mehreren Personen zusammengesetzt sein konnte. Weitere organisationsrechtliche Anordnungen fehlten an dieser Stelle. Zulässig war die Bestellung eines Prokuristen gemäß Art. 234 S. 1 HGB 1884, wenn auch nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats, sofern nicht Gesellschaftsvertrag oder Generalversammlungsbeschluss etwas anderes bestimmten. Hier deutet sich also eine Arbeitsteilung nach außen hin an. Das Gesetz reichte allerdings noch weiter: Gemäß Art. 235 S. 1 HGB 1884 konnten Geschäftsführung und Vertretung auf sonstige Bevollmächtigte oder Beamte der Gesellschaft übertragen werden. Nach dieser Vorschrift war die Delegation also ausdrücklich zulässig, insbesondere an nachgeordnete Führungskräfte, aber auch an Dritte. Die Delegation innerhalb des Vorstands musste dann erst recht zulässig sein, wenn schon außerhalb des Organs Aufgaben übertragen werden durften. Relativierend muss man jedoch zugestehen, dass diese sehr freimütige Regelung wahrscheinlich auch durch das Weisungsrecht der Generalversammlung begünstigt wurde. Allgemein ließ das Gesetz von damals in deutlich größerem Umfang als heute abweichende Satzungsregelungen und Beschlüsse zu, sodass die Struktur damals dem heutigen GmbH-Recht ähnelte. Dennoch ist zu konstatieren, dass die herrschende Meinung historisch keine Stütze findet. Alle weiteren zwischen 1884 und 1937 vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen zur Aktiengesellschaft wirkten sich nicht wesentlich auf die Organisationsordnung aus.471 Diese Aussage gilt auch, obwohl Art. 235 HGB im Jahr 1897 gestrichen wurde. Der Gesetzgeber schuf jedoch im Handelsgesetzbuch Ersatzvorschriften, die die Bevollmächtigung regelten, namentlich §§ 6, 54 HGB 1897.472 Auch heute noch regelt das Handelsgesetzbuch durch die §§ 6, 48 ff. HGB umfangreich die Vertretungsmacht Dritter. Erst die Reform von 1937, die ein eigenständiges Aktiengesetz hervorbrachte, änderte die Organisationsordnung, und dies grundlegend.

470  Dazu schon Mertens, in: Kölner Komm. AktG, 1. Aufl., § 77 Rn. 3. Siehe in aktueller Auflage Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 5. 471  Siehe etwa Fleischer, NZG 2003, 449, 457, wonach der Organisation des Vorstands nur wenig Beachtung geschenkt wurde. Rechtspraktisch wurde in größeren Aktiengesellschaften durchaus eine Art „Generaldirektor“ installiert, der je nach Ausgestaltung bei Dissens über ein Alleinentscheidungsrecht verfügte. 472  Dazu Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 88.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

2. Delegation nach der Aktienrechtsreform von 1937 Mit der Aktienrechtsreform von 1937 errichtete der Gesetzgeber nämlich im Wesentlichen die Strukturen, nach denen die Aktiengesellschaft heute noch geregelt ist. Er wies dem Vorstand die eigenverantwortliche Leitung zu, während er die Rechte der Hauptversammlung zurückschnitt, indem insbesondere das Weisungsrecht gestrichen wurde. Obwohl die Reform die Stellung des Vorstands im Organisationsgefüge neu regelte, sparte sie die Delegationsfrage und damit etwaige ausdrückliche Beschränkungen aus.473 Dass in dieser Reformzeit augenscheinlich keine Bedenken gegenüber der Delegation bestanden, zeigt insbesondere auch die Rezeption der Reform im Schrifttum. Überwiegend wurde die Delegationsfrage nicht oder nur vereinzelt aufgegriffen. Lediglich bei öffentlich-rechtlichen Vorstandspflichten474 sowie – ohne nähere Beschreibung – bei solchen Pflichten, die vom Gesamtvorstand wahrgenommen werden sollten, sollte ein Delegationsverbot vorliegen. Darüber hinaus wurde die Geschäftsverteilung nicht eingeschränkt. Vielmehr sollte die Geschäftsverteilung nur eine Aufteilung in verwaltende und beaufsichtigende Tätigkeiten darstellen.475 Dem pauschalen Verweis auf Aufgaben, die vom Gesamtvorstand wahrzunehmen seien, fehlt jegliche Substanz, da weder eine Begründung noch eine Spezifizierung erfolgt. Dass hingegen im Einzelfall ein Delegationsverbot vorliegen kann, wird vorliegend auch nicht bestritten. Die Beschreibung der Delegationsfolgen zeigt sodann, dass auch das damalige Schrifttum davon ausging, dass sich durch die Delegation nur der Schwerpunkt der Geschäftsführung verschiebt. Frik­ tionen mit dem Aktiengesetz wurden darin offenbar nicht gesehen. Aufschlussreich ist auch, dass die Verknüpfung von Leitung und Delegation, auf die heute Rechtsprechung und herrschendes Schrifttum abstellen, vom damaligen Schrifttum nicht vorgenommen wurde.476 Letztlich wird man auch sagen können, dass der Gesetzgeber von 1937 die Delegation nicht im Sinne eines Redaktionsversehens ungeregelt gelassen hat. Dazu ist er auf andere Aspekte der Geschäftsführung zu detailliert eingegangen. Das stützen Aussagen im Schrifttum, die schon damals, auch auf473  Siehe

bereits § 5 III. 2. schon I. 1. d) bb). 475  Dazu und zum Nachfolgenden Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 70 Rn. 10 f. Siehe auch W. Schmidt, in: Großkomm. AktG, 1939, § 70 Anm. 14, 15, der ohne Begründung ein Delegationsverbot für die §§ 125 Abs. 1, 82, 81 und 128 annimmt, gleichsam aber die Notwendigkeit der Geschäftsverteilung erkennt. Diese soll den Grundsatz der Kollektivgeschäftsführung sogar bestätigen. 476  Wettich, Vorstandsorganisation, S 33  f. interpretiert die damaligen Literaturstimmen hingegen im Sinne der herrschenden Meinung. 474  Dazu



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz173

grund der Tatsache, dass der Vorstand als Unternehmer fungiert, das Bedürfnis nach Organisationsflexibilität klar prononcierten.477 3. Reform von 1965: Vom Alleinentscheidungsrecht zum Kollegialprinzip 1965 reformierte der Gesetzgeber das Aktiengesetz erneut umfänglich. An der grundsätzlichen Ausrichtung sowie der Organisationsstruktur änderte sich gerade im Hinblick auf die Delegation wenig. Besonders beachtlich ist, dass er das Alleinentscheidungsrecht zu einem Kollegialprinzip gewandelt hat, das bis heute gilt: Noch 1937 legte der Gesetzgeber die Führung der Geschäfte in die Hände einer einzelnen Person, indem gemäß § 70 Abs. 2 S. 2 AktG der Vorstandsvorsitzende ein Alleinentscheidungsrecht erhielt, das er ausüben konnte, sobald Meinungsverschiedenheiten im Plenum vorherrschten. Damit verlieh das Aktiengesetz von 1937 dem Vorstand eine starke Machtstellung.478 Diese gesetzliche „Delegation“ auf den Vorstandsvorsitzenden hat der Gesetzgeber von 1965 aber ausdrücklich durch das Kollegialprinzip abgelöst.479 § 77 Abs. 1 S. 2 AktG regelt seitdem, dass einzelne Vorstandsmitglieder Meinungsverschiedenheiten nicht gegen die Mehrheit entscheiden können. Fraglich ist, ob der Gesetzgeber auch die Geschäftsverteilung damit beschränken wollte. Dose zieht aus der Reaktion des Gesetzgebers genau diesen Schluss und unterstellt dem Gesetz, dass es die Mindestzuständigkeiten eindeutig dem Gesamtvorstand zuweise.480 Aber weder die Gesetzesbegrün477  Vgl. Boesebeck, JW 1938, 2525, 2526, der für den Mehrheitsbeschluss darauf verweist, dass dem Vorstand als Unternehmer wenigstens in der kaufmännischen Aktiengesellschaft die Möglichkeiten zustehen müssten, die parallel für den Verein gälten. Boesebeck statuiert aber keinen Freibrief, sondern sieht durchaus Beschränkungen, ohne dies näher auszuführen. Außerdem unterstellt er den Verfechtern der Gesamtgeschäftsführung, dass diese auch nach deren Ansicht nur dann anzunehmen sei, wenn erstens grundlegende Fragen betroffen seien und darüber hinaus zweitens das Vorstandsmitglied selbst nicht entscheiden wolle oder ein anderes Vorstandsmitglied widerspreche. Siehe außerdem schon Brodmann, AktienR, § 231 HGB Rn. 2 a), der bereits im Jahre 1928 den Zweck der Geschäftsverteilung erkennt, indem er etwa das Lesen von Briefen als delegierbar einstuft und die Kollektivgeschäftsführung als „Unding“ bezeichnet. Angesichts dieser frühen Stellungnahmen zur effektiven Arbeitsaufteilung sind die Ausführungen von Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 289, wonach das Bedürfnis zur Delegation eine jüngere Entwicklung sei, nicht zutreffend. 478  Ausführlich dazu Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 62 f. 479  Vgl. RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99. Siehe auch Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 73. Zu den Vorteilen des Kollegialprinzips ausführlich unter III. 2. 480  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 63. Siehe auch Wettich, Vorstandsorganisation, S.  33 f.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

dung noch die ersten Kommentierungen nach der Reform deuten dies an.481 Im Gegenteil: Gerade die Verankerung des Kollegialprinzips spricht für die Delegation. So stellt die Regierungsbegründung zu § 76 AktG, den die herrschende Meinung als dogmatische Grundlage für das Delegationsverbot he­ ranzieht, einen direkten Zusammenhang zwischen Kollegialorgan und Verteilung der Arbeitsbelastung her. Der Gesetzgeber wollte, dass die Vorstandsmitglieder sich die Verantwortung teilen und sich gegenseitig überwachen.482 Dies setzt aber eine Aufgabenübertragung voraus. Die Mehrgliedrigkeit des Vorstands gemäß § 76 Abs. 2 S. 1 AktG, wonach der Vorstand bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro aus mindestens zwei Personen zu bestehen hat, es sei denn, die Satzung bestimmt etwas anderes, schützt laut Regierungsbegründung auch die Aktionäre. Der Schutz liegt zunächst darin, dass nicht eine Person alle Aufgaben bewältigen muss, sondern Unterstützung erhält, indem mehrere die Verantwortung tragen.483 Denkt man dies konsequent weiter, zahlt sich das Kollegialorgan auch aus Sicht der Aktionäre nur dann aus, wenn zugleich eine Arbeitsteilung möglich ist. Ansonsten unterläge jede Maßnahme der Abstimmung, sodass wieder nur eine Handlungseinheit gegeben wäre. Ein unbeweglicher Gesamtvorstand kann dem Schutz der Aktionäre aber nicht in dem bezweckten Maße dienen. Vielmehr ist der Reiz eines mehrgliedrigen Vorstands doch darin zu sehen, dass verschiedene Handlungseinheiten geschaffen werden und gleichzeitig eine gegenseitige Überwachung gesichert ist. Auch Würdinger sieht deshalb in einer solchen Arbeitsteilung rechtlich keinen Nachteil: Die Geschäftsverteilung stelle bloß eine faktische Beschneidung der Geschäftsführungsbefugnis anderer, nicht primär zuständiger Vorstandsmitglieder, dar; die Verantwortlichkeit bleibe aber bestehen und mit ihr ein Widerspruchsrecht.484 Unabhängig davon, wie man die verbleibenden Rechte der überwachungspflichtigen Vorstandsmitglieder benennt, zeigt die Kommentierung klar auf, dass durch die Delegation den Vorstandsmitgliedern kein Nachteil entsteht und der Begriff der Verantwortlichkeit in vielfältiger Weise ausgefüllt werden kann. Aufgrund der Ge481  Vgl. RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 97 ff. Aus der Kommentarliteratur etwa v. Godin/Wilhelmi, AktG 1965, 3. Aufl., S. 377 ff.; v. Godin/Wilhelmi, AktG 1965, 4. Aufl., S.  401 ff.; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl, § 77 Rn. 3. Siehe auch aus heutiger Sicht Lawall, Virtuelle Holding, S. 159 f., wonach der Gesetzgeber von 1965 die Aufgabenerledigung nicht vorgebe. 482  Zum Vorstehenden RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 97. 483  Vgl. RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 97. Siehe auch Flume, Referentenentwurf, 1958, S. 8. 484  Würdiger, AktG 1965, 2. Aufl. 1966, S. 121 f. nach der Reform von 1965; vorher auch schon in diesem Sinne Würdinger, AktG 1937, 1. Aufl. 1959, S. 134 f. Erst in den Folgeauflagen verschwimmt diese eindeutige Position.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz175

samtverantwortung kann durch die Delegation auch keine Machtverlagerung herbeigeführt werden, die mit der Rechtslage von 1937 vergleichbar wäre. Wendeling-Schröder nimmt den Standpunkt ein, dass der Gesetzgeber die Problematik verkannt habe.485 Ein Redaktionsversehen konnte schon für die Reform von 1937 nicht begründet werden.486 Das gilt auch für die Reform von 1965, da einige Vorschriften im Aktiengesetz belegen, dass das Bewusstsein des Gesetzgebers für die Delegation geschärft war: Wie bereits beschrieben öffnet § 77 Abs. 1 S. 2 AktG die Gesamtgeschäftsführung für Abweichungen.487 Noch konkreter fallen die Vorschriften zum Aufsichtsrat aus: Sowohl in § 111 Abs. 6 AktG als auch in § 107 AktG finden sich Regelungen zur Delegation.488 Daher ist die Ausflucht des Redaktionsversehens abzulehnen. Im Ergebnis hatte die Reform von 1965 also den Zweck, die Rechte jedes einzelnen Vorstandsmitglieds zu stärken. Diese Stärkung ist in Form des Kollegialprinzips erfolgt. Daraus ist jedoch keine Beschränkung der Delegation herauszulesen. 4. Geschäftsverteilung nach Zweckmäßigkeit Angesichts des vorstehenden Befunds kann man dem Gesetzgeber von 1965 vorhalten, dass er keine detaillierten Regelungen dazu getroffen hat, wie die Zuständigkeitsverteilung im Einzelnen auszusehen hat. Abseits des § 77 Abs. 1 S. 2 AktG enthält er sich jeder Aussage. Dass Geschäftsverteilung und Delegationsfähigkeit vom Einzelfall abhängen, zeigt sich aber daran, dass der Antrag, ein Vorstandsmitglied zwingend mit Personalangelegenheiten zu betrauen, sich nicht durchgesetzt hat; laut Gesetzgeber sollte dies von der einzelnen Gesellschaft zu bestimmen sein. Entscheidend sei dabei nicht nur die Zahl der Beschäftigten, sondern auch der Zweck des Unternehmens.489 Diese Aussage lässt sich dahingehend deuten, dass über die Frage des Personalvorstands hinaus auch hinsichtlich der übrigen Geschäftsverteilung kein starres Organisationskorsett vorgeben werden soll, sondern vielmehr Zweckmäßigkeitserwägungen490 vorzunehmen sind. Die Gesetzesbegründung will die Zuständigkeiten also der Gesellschaft überlassen und trägt somit den Umständen des jeweiligen Unternehmens Rechnung. Das bestätigt 485  Wendeling-Schröder,

Divisionalisierung, S. 41. 2. 487  I. 1. a). 488  Dazu schon I. 1. j), 2. a). 489  Siehe dazu und zum Nachfolgenden RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 98. Schon die AmtlBegr in Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 464 hat auf Zweckbetrachtungen verwiesen. 490  So Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 52. 486  Siehe

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

wiederum die Kommentarliteratur, wonach die Aufgaben, die weiterhin vom Plenum wahrzunehmen sind, durch Satzung oder Geschäftsordnung festgelegt werden sollen.491 Somit lässt sich auch der Reform von 1965 keine grundsätzliche Beschränkung der Delegation entnehmen. 5. Zwischenergebnis Der hier ermittelte historische Befund deckt sich mit den systematischen Analyseergebnissen: Der Gesetzgeber hat den Vorstand zwar im Rahmen der Reformen von 1937 und 1965 als eigenverantwortlich handelndes Führungsorgan ausgestaltet. Damit geht jedoch keine Einschränkung der Delegationsfähigkeit von Aufgaben einher. Vielmehr darf der Vorstand die Gesellschaft autonom organisieren. Die Zulässigkeit der Delegation verkörpert dabei insbesondere das Kollegialprinzip von 1965, das letztlich alle Rahmenbedingungen für eine Aufgabenübertragung schafft.

III. Zweckgeleitete Erwägungen zur Unveräußerlichkeit 1. Keine betriebswirtschaftliche Überlagerung des Aktienrechts a) Betriebswirtschaftslehre als Basis für das Delegationsverbot Der vorstehende Abschnitt hat somit gezeigt, dass unter historischen Gesichtspunkten eine grundsätzliche Beschränkung der Delegation nicht gerechtfertigt ist. Im Folgenden ist zu untersuchen, wie sich dieses Ergebnis zu einer zweckgeleiteten Betrachtung verhält. Die herrschende Meinung stützt sich überwiegend auf eine betriebswirtschaftliche Überlagerung des Aktiengesetzes, indem sie delegierbare und nicht delegierbare Aufgaben danach unterscheidet, ob die Maßnahme die Unternehmensplanung, die Unternehmenskoordination, die Unternehmenskontrolle oder die Führungspostenbesetzung betrifft.492 Der gedankliche Ausgangspunkt wurde bereits angerissen: Die Aktiengesellschaft ist Rechtsträgerin eines Unternehmens.493 § 76 Abs. 1 491  Mertens, in: Kölner Komm. AktG, 1. Aufl., § 77 Rn. 12. Erst alternativ kommt Mertens auf die Unternehmenspolitik zu sprechen. 492  Siehe dazu § 4 II. 3. c). 493  Das ist kein Spezifikum der Aktiengesellschaft, sondern gilt für die übrigen Gesellschaftsformen gleichermaßen. Da auch das Delegationsverbot gesellschaftsübergreifend diskutiert wird, könnte aber die Unternehmenseigenschaft als verbindende Eigenschaft aller Gesellschaften als Begründungsvehikel herangezogen werden. Für die Aktiengesellschaft ist es aufgrund ihrer strengen Ausgestaltung nicht undenkbar, dass hier auch strengere Anforderungen an die Delegation gelten.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz177

AktG soll sodann die Unternehmerfunktion des Vorstands normieren, die sich rechtlich wie betriebswirtschaftlich auswirkt.494 Semler etwa verzahnt Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre ebenfalls so eng, dass er der Betriebswirtschaftslehre eine definierende Wirkung einräumt: Die Betriebswirtschaftslehre bestimme die rechtlich bindenden Verpflichtungen. Es liege ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht vor, wenn der Vorstand nicht so handle, wie es entweder rechtlich oder betriebswirtschaftlich erforderlich sei, um die Gesellschaft vor Schäden zu bewahren.495 Auch Mielke prüft im Rahmen des § 93 AktG die unternehmerischen Kriterien der herrschenden Meinung.496 Die Betriebswirtschaft soll ins Aktienrecht hineinstrahlen.497 Dieser Einfluss betriebswirtschaftlicher Grundsätze auf das Führungs­ organ ruft vorliegend ein starkes juristisches Störgefühl hervor, da er oftmals lapidar hingenommen wird,498 ohne einen konkreten rechtlichen Anknüpfungspunkt zu benennen. Dies ist aber zwingend erforderlich, da die systemfremden Überlegungen nicht unerhebliche Folgen für den Pflichtenstamm des Vorstands herbeiführen.499 Sucht man also einen aktienrecht­ lichen Anknüpfungspunkt für die betriebswirtschaftliche Überlagerung, könnte dieser zunächst aus dem Gesellschaftszweck zu entnehmen sein: Der Gesellschaftszweck besteht zumeist darin, Gewinn zu erzielen und Gewinn zu maximieren (oder im Gegensatz dazu karitative Zwecke zu verfolgen) und wird synonym auch als Unternehmensziel500 oder Verbandszweck501 494  Statt aller Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 40; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 521 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 4 f.; Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 125 f.; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 100 f.; Lutter, AG 1991, 249, 250 f. (zur Unternehmensplanung); Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 11 ff.; Semler, ZGR 1983, 1, 12 ff.; Seyfarth, VorstandsR, § 8 Rn. 1. Wohl auch Feddersen, ZGR 1993, 114 ff. zur Unternehmensplanung, der zwar eine pauschale Überlagerung ablehnt, letztlich aber Lutter und Semler inhaltlich folgt. Kallmeyer, ZGR 1993, 104, 106 ff. betrachtet die Einstufung der Unternehmensplanung als Rechtspflicht zunächst kritisch, zählt aber die Unternehmenspolitik zu den Rechtspflichten. Differenzen mit den obigen Auffassungen bestehen somit letztlich nicht, da Unternehmenspolitik und betriebswirtschaftliche Unternehmensplanung übereinstimmen (so Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap. Rn. 21). Grabolle, Leitungsfunktion, S. 120, 130 ff., 136 ff. stellt sich einer Überlagerung durch die Betriebswirtschaftslehre entgegen und leitet die unternehmerische Funktion aus Normen des Aktiengesetzes ab. Leitungsaufgaben sollen solche sein, die die unternehmerische Funktion betreffen und somit die wirtschaftliche Steuerung der Aktiengesellschaft. 495  Semler, ZGR 1983, 1, 13. 496  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 64 ff., 87 ff. 497  Vgl. Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 100 f. Außerdem Fleischer, ZIP 2003, 1, 4, 5. 498  Vgl. etwa Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 54 (m. w. N.). 499  Dazu schon einleitend unter § 1. 500  Henze, BB 2000, 209, 212. 501  Etwa Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 72 ff.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

bezeichnet.502 Dem Gesellschaftszweck dient sodann der Unternehmensgegenstand, der gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG in der Satzung festzuschreiben ist.503 Laut Gesetz sind bei Industrie- und Handelsunternehmen die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, näher anzugeben. Letztlich handelt es sich bei dem Unternehmensgegenstand also um eine Tätigkeitsbeschreibung.504 Damit ist noch keine Brücke zu den Vorstandspflichten geschlagen. Zunächst handelt der Vorstand nach freiem Ermessen. Der Vorstand ist dabei jedoch dem Gesellschaftszweck unterworfen und gleichsam an den Unternehmensgegenstand gebunden.505 Abstrakt lässt sich daraus jedoch keine Einschränkung der Delegation herleiten. Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand könnten aber in der Einzelfallbetrachtung relevant werden.506 Im Zusammenhang mit der Interessenbindung des Vorstands rekurrieren sodann einige auf das sogenannte Unternehmensinteresse. Mithin liegt der Gedanke nahe, dass die betriebswirtschaftlichen Einflüsse auf das Vorstandshandeln ausstrahlen können. Das Unternehmensinteresse wird jedoch überwiegend als schlichtes Synonym für die Stake- und Shareholder-Interessen verwendet.507 Eine abstrakte Konkretisierungskompetenz der pluralen Inte­ ressen hat die vorliegende Arbeit bereits verneint.508 Neben der synonymen Verwendung des Unternehmensinteresses hat sich die Idee eines eigenständigen Unternehmensrechts richtigerweise nicht durchsetzen können.509 Somit

502  Siehe etwa auch Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 125, wonach der Verbandszweck die Unternehmerfunktion bestimme. 503  Vgl. statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 22 („Mittel-Zweck-Relation“); Mülbert, ZGR 1997, 129, 157 (Fn. 104), der die Vermutung begründet, dass dann von der normtypischen Aktiengesellschaft auszugehen sei, die Gewinne erzielen wolle. Fendt, AG 2017, 99, 100 verwendet die Begrifflichkeiten „Formalziel“ und „Sachziel“. 504  Vgl. Fendt, AG 2017, 99, 100. 505  Die Kompetenzen des Vorstands sind durch Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand begrenzt, vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1, 2; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 60; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 36a, 45. 506  Siehe § 8 II. 1. 507  Die Rechtsprechung belegt den sorglosen Umgang mit den Begrifflichkeiten, die gleichsam synonym verstanden werden: Vgl. etwa zum Unternehmensinteresse BGHZ 64, 325, 329 = NJW 1975, 1412, 1413; BGHZ 125, 239 ff. = NJW 1994, 1410 ff. rekurriert auf beide Begrifflichkeiten; BGHZ 136, 133 = NJW 1997, 2815 wiederum bezieht sich ausschließlich auf das Gesellschaftsinteresse. Aus dem Schrifttum Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 36 (m. w. N.); Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 67 ff., der die Begrifflichkeit aber hinsichtlich ihrer Tauglichkeit anzweifelt. 508  § 5 II. 3. b); außerdem I. 1. d) bb). 509  Dazu Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 10, 36 (m. w. N.); Seibt, in: K. Schmidt/ Lutter, § 76 Rn. 23. Siehe auch Rittner, FS Gessler, 1971, S. 139, 150 f.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz179

begründet auch das sogenannte Unternehmensinteresse keine Überlagerung im Sinne der herrschenden Meinung. Allenfalls die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG könnte noch ein Einfallstor für betriebswirtschaftliche Grundsätze statuieren. Der Gesetzgeber privilegiert durch die Business Judgment Rule unternehmerische Entscheidungen, indem eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG dann nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Das unternehmerische Risiko sollen die Aktionäre tragen und nicht der Vorstand.510 Dies trägt dem Gedanken Rechnung, dass der Vorstand nicht nur gute unternehmerische Entscheidungen treffen kann, das Unternehmertum dennoch eine gewisse Beinfreiheit erfordert.511 Das unternehmerische Handeln des Vorstands findet über diese Einlassung einen expliziten Platz im Aktiengesetz. Entscheidend ist jedoch, was das Gesetz regelt: Der Gesetzgeber zieht in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Trennlinie zwischen rechtlich gebundenen und unternehmerischen Entscheidungen.512 Würde man nun die unternehmerische Entscheidung als Einfallstor heranziehen, um dem Vorstand eine zwingende Gesamtzuständigkeit aufzuerlegen, würde man diese Trennlinie verwischen. Damit statuierte man nämlich eine Handlungspflicht aller Vorstandsmitglieder mittels einer Norm, die ausschließlich nicht gebundenes Handeln erfasst. Einen möglichen betriebswirtschaftlichen Einfluss über § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu begründen, ist somit völlig systemwidrig. Daher bleibt es im Ergebnis unerheblich, dass der Vorstand für die Gesellschaft eine Unternehmerfunktion ausübt. Der Gesetzgeber hat deutlich gemacht, dass anhand dieser Funktion keine Rechtspflichten begründet werden sollen. dazu Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 444. BT-Drs. 15/5092, S. 11 f.; vorher bereits vom BGH im Rahmen der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung anerkannt, BGHZ 135, 244, 253 = BGH NJW 1997, 1926, 1927 f. Im Schrifttum etwa andeutend Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl, § 93 Rn. 10, wonach der Vorstand auch Risiken eingehen können müsse, ohne sich pflichtwidrig oder schuldhaft zu verhalten, und daher über Ermessen verfüge. 512  Einige wollen bei unsicherer Rechtslage auch eine sogenannte Legal Judgment Rule anwenden. So Bachmann, 70. DJT, Bd. I, E 43 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 29 ff., der ebenfalls schon bei der Pflichtverletzung ansetzt; Krieger/SailerCoceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 16 (m. w. N.); Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 90 optiert andeutungsweise für eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Nach wohl herrschender und zutreffender Meinung handelt es sich allenfalls um eine Frage der Schuld. Siehe zunächst die klare Formulierung in RegBegr BT-Drs. 15/5092 (UMAG), S. 11; bestätigt durch BGH NZG 2015, 792, 794; so auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 19 (m. w. N.); Koch, NZG 2014, 934, 938 f.; des Weiteren Harnos, Geschäftsleiterhaftung, S. 149 ff., 253 ff. Dem ist zu folgen, da die gesetzliche Ausgestaltung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eindeutig ist. 510  Siehe

511  RegBegr

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

b) Betriebswirtschaftslehre als bloße Auslegungshilfe Insbesondere das Schrifttum gesteht der Betriebswirtschaftslehre dennoch in unterschiedlichem Umfang eine Ausstrahlungswirkung zu. Die einzelnen Formulierungen variieren, letztlich wollen aber alle Beiträge die Betriebswirtschaftslehre als Auslegungshilfe statuieren. Zum Teil wird eine stärkere Verzahnung mit betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gefordert,513 zum Teil eine „normative Orientierung“514 der betriebswirtschaftlichen Kriterien. Restriktivere Stimmen lassen der Betriebswirtschaftslehre eine beschränkte Hilfsfunktion zukommen.515 Kort erteilt betriebswirtschaftlichen Einflüssen zwar keine Absage, er zweifelt jedoch ebenfalls an, dass die Kriterien rechtlich bindend seien. Immerhin habe der Vorstand Ermessen. Dass das Aktiengesetz nicht frei von unternehmerischen Einflüssen sei, zeige sich aber durch den Deutschen Corporate Governance Kodex, der über § 161 Abs. 1 AktG das Vorstandshandeln beeinflusse und eindeutig betriebswirtschaftlich geprägt sei. Kort warnt dennoch vor einer ungefilterten Übernahme betriebswirtschaftlicher Ansätze. Zwar stuft er die Leitung der Aktiengesellschaft auch als Leitung eines Unternehmens ein. Daraus folge aber kein Unternehmensrecht. Hinzu komme, dass das Gesetz das Unternehmen oder Unternehmensinteresse nicht erwähne. Das Aktienrecht müsse schlicht Unternehmensrecht im Sinne von spezialgesetzlichen Vorschriften inkludieren, so wie es etwa beim Mitbestimmungsrecht der Fall sei.516 Nach dem hier vertretenen Verständnis sind betriebswirtschaftliche Grundsätze nicht als geeignete Auslegungshilfe einzustufen. Problematisch erscheint namentlich die gesetzgeberische Legitimationskette.517 Während die aktienrechtlichen Vorschriften das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen haben, beruhen die betriebswirtschaftlichen Grundsätze auf wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen. Das bedeutet nicht automatisch, dass die Kriterien inhaltlich falsch sind. Ihre Legitimation bleibt jedoch zweifelhaft, 513  Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 381 in Bezug auf das Risikomanagement, das letztlich auch die Organisation betrifft. 514  Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9. Fleischer, ZIP 2003, 1, 8 beschränkt die betriebswirtschaftliche Überlagerung insofern, als dass das Kongruenzprinzip, das Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung in eine Hand legt, nicht gelten soll. Nach diesem Prinzip wäre eine Delegation nach der hier vertretenen Auffassung nicht möglich. Das trifft vermutlich sogar auf die Geschäftsverteilung unter den Vorstandsmitgliedern zu, da das Gesamtverantwortungsprinzip herrscht. Anders wohl Fleischer, ZIP 2003, 1, 8, der aber augenscheinlich nur die vertikale Delegation im Blick hat. 515  Dazu Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, 7. Kap. Rn. 21, der ihr eine Rechtsbindung abspricht. Ähnlich Wettich, Vorstandsorganisation, S. 52, wonach eine ergänzende Wirkung bestehe. 516  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 38 ff. 517  Das deutet schon Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 38 ff. an.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz181

insbesondere dann, wenn sie unmittelbar den Handlungsspielraum des Vorstands verengen. Indem die herrschende Auffassung anhand von betriebswirtschaftlichen Kriterien das Organisationsmittel der Delegation als unzulässig einstuft, wirken sie auf die eigenverantwortliche Führung der Gesellschaft durch den Vorstand ein. Der mögliche Einwand, der Gesetzgeber habe diese Tür bereits durch den DCGK geöffnet, ist zurückzuweisen, da der Kodex rechtlich nicht bindend ist und der Vorstand nicht verpflichtet ist, die Empfehlungen umzusetzen.518 Ein Delegationsverbot würde hingegen Rechtswirkungen entfalten. Die genannten Ansätze sind überdies hinsichtlich der weiteren Konsequenzen zu unbestimmt: Der Versuch, die Betriebswirtschaftslehre als Auslegungshilfe zu installieren, führt durch die Hintertür dazu, dass Handlungspflichten des Vorstands entwickelt werden.519 Es bleibt dabei aber völlig unklar, in welcher Intensität sie zur Auslegung hinzugezogen werden soll und welchem Blickwinkel im Konfliktfall der Vorzug zu geben ist. Wie auch in der Rechtswissenschaft herrschen in der Betriebswirtschaftslehre zudem unterschiedliche Auffassungen über einzelne Sachfragen, sodass hinsichtlich der Rechts­ sicherheit große Bedenken bestehen.520 Hinzu kommt, dass die unternehmerische Funktion nicht nur dem Vorstand vorbehalten ist. So hat bereits die systematische Analyse ergeben, dass auch Mitarbeiter und in der Konsequenz Dritte unternehmerisch tätig werden.521 Die betriebswirtschaftlichen Kriterien filtern somit nicht ausschließlich Aufgaben des Gesamtvorstands heraus. Bedenkenswert ist zudem, dass der Vorstand gerade als Unternehmer auf die Delegation als Organisationsmittel angewiesen ist.522 Neben inhaltlichen Deutungsschwierigkeiten besteht die Gefahr, dass den Vorständen faktisch keine Unterscheidung zwischen rechtsverbindlichen und unverbindlichen Normen gelingt. Dies belegt anschaulich der bereits angesprochene DCGK, der rechtlich zwar nicht bindend ist, dessen Vorgaben die Vorstände aber überwiegend strikt folgen, um sich nicht angreifbar zu machen. Hinzu kommt, dass der Kodex zunehmend erweitert wird.523 Ein vergleichbarer Zustand droht auch bei der Delegation. So ist bereits zu beobachten, dass Pflichten zunehmend übertragungsfeindlich sein

Koch, in: Hüffer/Koch, § 161 Rn. 3. diese Richtung auch Herwig, Vorstandsorganisation, S. 54. 520  Zunächst Herwig, Vorstandsorganisation, S. 54. Außerdem Heller, Unternehmensführung, S. 26 ff., insb. 28, der zutreffend feststellt, dass die betriebswirtschaft­ lichen Kriterien zu schwammig sind, und sich stattdessen auf aktienrechtliche Prin­ zipien, namentlich Gesamtverantwortung und Gesamtzuständigkeit, und ihre Konkretisierung konzentriert. 521  Siehe die Ausführungen zu § 5 Abs. 3 BetrVG unter I. 5. 522  Vgl. dazu Boesebeck, JW 1938, 2525, 2526. 523  Vgl. zum Vorstehenden auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 161 Rn. 3, 5a. 518  Dazu 519  In

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

sollen.524 Schon aus diesem Grund sollten ausschließlich rechtliche Gesichtspunkte über die Delegationsfähigkeit entscheiden. Letztlich ist hier noch einmal auf einen allgemeinen Kritikpunkt zurück­ zukommen: Unternehmerische Fortune lässt sich nur ganz beschränkt in Rechtsform gießen.525 Rechtspflichten sind wichtig, um einen mit der Gesamtrechtsordnung konformen Standard der Geschäftsführung zu sichern. Darüber hinaus sollte der Vorstand aber keinen Zwängen unterliegen, damit er in der Lage ist, unternehmerische Ideen entwickeln zu können. Unternehmertum setzt sich daher zusammen aus Fachkenntnissen, aber auch Intuition, Mut und Risikobereitschaft. Auch das Risiko des Scheiterns gehört dazu. Eine Über-Verpflichtung würde die unternehmerische Fantasie hingegen hemmen. Das Aktienrecht schafft mit der Schadensabwendungspflicht526 auf der einen Seite und der Privilegierung durch die Business Judgment Rule auf der anderen Seite einen ausbalancierten Schutzmechanismus. Fällt das unternehmerische Handeln nicht unter § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, hält das Aktiengesetz mit § 93 Abs. 2 S. 1 AktG und § 84 Abs. 3 S. 1 AktG hinreichende Maßnahmen bereit. Angesichts der vorstehenden Bedenken ist die Betriebswirtschaftslehre selbst als bloße Auslegungshilfe abzulehnen. 2. Kosten-Nutzen-Analyse a) Verklärte Wirkungen der Gruppenentscheidung Gegen eine pauschale Beschränkung der Delegation spricht auch eine Kosten-Nutzen-Analyse. Die Kritik an der Delegation entzündet sich vor allem daran, dass der Gesetzgeber von 1965 ein gleichberechtigtes Kollegialorgan geschaffen und somit ein Vier- oder Mehraugenprinzip installiert hat. Die Delegation scheint dazu in Widerspruch zu stehen. Ausgehend von dieser Feststellung lassen sich verschiedene Bedenken, die letztlich alle miteinander in Verbindung stehen, gruppieren: Die Plenumsentscheidung soll innerhalb des Vorstands die Kontrolle stärken, Gläubigern wie Aktionären dienen und die Interessen der gesamten Gesellschaft repräsentieren. So wird unter der Überschrift Kontrolle vorgebracht, dass die Beratung im Plenum Fehler vermeide.527 Zugleich wird der Entscheidung eine höhere 524  Siehe

bereits unter § 1. Gedanke wurde bereits unter § 1 (Fn. 17) erörtert. 526  Siehe nur BGHZ 21, 354, 357 = WM 1956, 1352; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 6 ff., insb. Rn. 6b. 527  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 52  f. („Gruppendynamik“); Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 195 f., wonach der Schwerpunkt der gemeinschaftlichen Geschäftsführung auf der gegenseitigen Kontrolle liege. Vgl. auch Wettich, 525  Dieser



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz183

Qualität attestiert, die sowohl auf einer besseren Abstimmung als auch auf einer sachlicheren Entscheidungsgrundlage basiere; den Vorstandsmitgliedern wird unterstellt, dass sie sich stärker um eine sachgerechte Entscheidung bemühten, wenn sie gesamtzuständig seien.528 Die gemeinschaftliche Entscheidung schütze zudem vor übereilten Entscheidungen.529 Dies ist noch zu ergänzen um den Gedanken, dass sämtliches Know-how der anderen Vorstandsmitglieder einfließe; das könne durchaus auch ein „fachfremder“, aber gerade deshalb konstruktiver Einfluss sein.530 Die Plenumsentscheidung soll sogar der Vermutung der Richtigkeit unterliegen, die im Delegationsfall widerlegt wird.531 Letztlich wird eine Verantwortungsflucht befürchtet, wenn die Aufgaben verteilt werden.532 Mit dieser KontrollüberVorstandsorganisation, S. 37 f., 63 (m. w. N.), der zudem darauf hinweist, dass ein möglicherweise vorherrschender externer Einfluss leichter zu neutralisieren sei. Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1467 beleuchtet die Konzentration der Führungsaufgabe auf den Vorstand in Abgrenzung zu den übrigen Organen sowie Außenstehenden und sieht dies als Ausdruck der „Einheitlichkeit und Konsistenz“ („effet utile“), die einer Delegation von zumindest bedeutenden Maßnahmen entgegenstehen kann. Auch diese allgemeine Einlassung erfolgt letztlich unter der Prämisse, dass die Plenumsentscheidung effektiver ist. 528  Vgl. detailliert Fleischer, NZG 2003, 449, 458 f. zur Frage, ob de lege ferenda Korrekturen des Kollegialprinzips erforderlich sind (m. w. N. aus der Betriebswirtschaft). Das Argument, die Gesamtzuständigkeit könne den Ausfall eines Vorstandsmitglieds kompensieren, überzeugt nicht, da die Aufgaben regelmäßig nachgeordneten Führungskräften und weiteren Mitarbeitern übertragen werden. Der Gesamtvorstand kann die Aufgabe aber ohnehin jederzeit an sich ziehen. Letztlich könnte mit diesem Argument die Delegation als solches ausgehebelt werden. Das widerspricht aber den beschriebenen Organisationszwängen. Außerdem Fleischer, ZIP 2003, 1, 7. Ähnlich auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 159. Siehe auch Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 304, wonach bloße Umlaufbeschlüsse dem nicht Rechnung tragen. Siehe auch Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1467 ff. für bedeutende Maßnahmen, wenngleich er unpräzise auf das Kollegialprinzip und die Gesamtverantwortung abstellt, daraus aber gerade kein Delegationsverbot zu folgern ist, siehe dazu bereits I. 1. b). 529  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 66 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63. 530  Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1468 f.; siehe auch Fleischer, NZG 2003, 449, 459. Auch den vorstehenden Ausführungen zustimmend Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 736 mit Verweis auf die RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99, die sich in ihren Ausführungen allerdings auf die Wirkungen des Alleinentscheidungsrechts des Vorstandsvorsitzenden aus dem Aktiengesetz von 1937 bezieht. Diese Situation ist nicht vergleichbar mit der Geschäftsverteilung, da den übrigen Vorstandsmitgliedern Kontrollinstrumente zustehen, das Alleinentscheidungsrecht hingegen jegliche Intervention unterbunden hat. Siehe auch Wettich, Vorstandsorganisation, S.  37 f. 531  Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 135. 532  Zum Aktiengesetz von 1965 Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 195 f.: „Kultur der Verantwortungsflucht“. Bereits zum AktG von 1937 Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 70 Rn. 1, die sich auf das sogenannte Generaldirektorenprinzip bezie-

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

legung einher geht das Argument, die Gesamtzuständigkeit schütze Gläubiger und Aktionäre.533 Die bisherige Analyse hat zunächst gezeigt, dass hinreichende rechtliche Schutzmechanismen bestehen, um die Kontrolle sicherzustellen. Darüber hinaus ist der pauschalen Annahme, mit der Plenumsentscheidung gehe eine höhere Kontroll- und Entscheidungsqualität einher, entschieden zu widersprechen. Abseits der Tatsache, dass die Delegation zwingend erforderliches Delegationsmittel ist,534 bringen Kollegialentscheidungen eine gewisse Trägheit mit sich, da sich mehrere Personen einigen müssen.535 Der nachvollziehbare Wunsch, die Organharmonie nicht zu stark zu beeinträchtigen, kann weiterhin dazu führen, dass einstimmige Lösungen gesucht werden, auch wenn das Mehrheitsprinzip gelten sollte. Das kann zu erheblichen Verzögerungen führen.536 Die Delegation verleiht der Vorstandsarbeit hingegen Flexibilität.537 Kontroll- und Bemühensargument lassen sich zudem umdrehen: Die Delegation kann sogar dazu führen, dass aufgrund der nunmehr fein hen: Anders als die gemeinschaftliche Geschäftsführung trage das Generaldirektorenprinzip die Gefahr der Verantwortungslosigkeit in sich. Diese Kritik lässt sich ohne weiteres auf die heutige Konstellation übertragen. Schlegelberger/Quassowski verklären diese Aussage, die für die konkreten zeitlichen Umstände zunächst überrascht, jedoch sogleich wieder im Sinne der nationalsozialistischen Doktrin, indem sie eine Delegation auf eine Person dann zulassen, wenn es sich um eine nach der Ideologie geeignete Persönlichkeit handelt. 533  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 63 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63. 534  Exemplarisch Boesebeck, JW 1938, 2525, 2527; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 526; Froesch, DB 2009, 722, 723; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn.  38 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 49; Schiessl, ZGR 1992, 64, 80; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 39, 87 f., 177. 535  Siehe Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 766 f. Daher offen für eine Geschäftsverteilung im Rahmen der EDV Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 68 f., 117; Frels, ZHR 122 (1959), 8, 12; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1468 f., der dies mit dem Unternehmenswohl begründet. Siehe auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15, der die Effizienzgewinne als Argument dafür anführt, keine zu großen Anforderungen an die Überwachung zu stellen, um den Gewinn nicht sogleich wieder zu mindern. Siehe auch Brodmann, AktienR, § 231 HGB Rn. 2 a): „Kollektivgeschäftsführung als Unding“. Dies jedenfalls für besondere Umstände wie Krisen annehmend Fleischer, NZG 2003, 449, 458. Laut Fleischer kann die Entscheidungsfindung auch durch Konkurrenzgerangel erschwert werden. 536  Hinzu kommt, dass das überstimmte Vorstandsmitglied, wenn es an der Entscheidung zweifelt, Gegenmaßnahmen ergreifen muss, siehe noch § 10 III. 7. 537  Dazu Frels, ZHR 122 (1959), 8 f., 12 ff. Die dort geäußerte Befürchtung, dass eine Geschäftsverteilung die übrigen Vorstandsmitglieder schwäche, läuft leer, da die Vorschrift des § 77 AktG, die zum Zeitpunkt des Beitrags noch nicht normiert war, Mindestanforderungen regelt. Ebenfalls auf die Flexibilität sowie Praktikabilität rekurrierend Wicke, NJW 2007, 3755. In diese Richtung auch Langer/Peters, BB 2012, 2575.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz185

ausziselierten Struktur Fehler identifiziert und transparent werden.538 Hinsichtlich der gegenseitigen Kontrolle ist fraglich, ob das Kollegialorgan wirklich kontrollierend wirkt. Die Motivation des einzelnen Vorstandsmitglieds zur (Mit-)Arbeit und sorgfaltsgemäßen Pflichtenerfüllung ist eher höher, wenn es sich nicht hinter den Kollegen verstecken kann.539 Im Plenum verlässt sich das Vorstandsmitglied möglicherweise auf die anderen und entflieht dadurch der Verantwortung.540 So könnten die Vorstandsmitglieder eine Entscheidung auch einfach nur durch reines „Abnicken“ treffen.541 Selbst wenn man unterstellt, dass sich alle Vorstandsmitglieder an der Entscheidung beteiligen, ist deren Qualität dennoch fraglich. Mehrere Entscheidungsträger erhöhen die Entscheidungsqualität nur dann, wenn sie gleichermaßen ausgebildet sind. Das heißt: Sind mehr Vorstandsmitglieder an der Entscheidungsfindung beteiligt, mindert das nur dann die Fehlerquote, wenn die Vorstandsmitglieder alle über ein einheitliches Entscheidungsniveau verfügen. Die Geschäftsverteilung erfolgt jedoch vor dem Hintergrund, dass gewisse Bereiche eine Spezialisierung voraussetzen und die Vorstandsmitglieder nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund durch den Aufsichtsrat bestellt werden.542 Ganz praktisch gesehen bestehen erhebliche Zweifel daran, dass etwa im EDV-Bereich weniger sorgfaltswidrige Beschlüsse gefasst werden, wenn alle Vorstandsmitglieder an der Beschlussfassung mitwirken. Die Bereiche müssen aber nicht unbedingt besonders komplex sein. Den Vorstandsmitgliedern fehlen schlicht die zeitlichen Kapazitäten, um sich bis zur Entscheidungsreife in alle Bereiche einzuarbeiten. Eine Verbesserung der Entscheidungsqualität kann sich laut Hemeling auch daraus ergeben, dass sich die Entscheidungen an den Kriterien der Business Judgment Rule orientieren und somit mit einer stärkeren Sensibilität gefasst werden.543 Sofern man zutreffend die Business Judgment Rule auf die Bewertung der Delega­ tionsfähigkeit für anwendbar erklärt,544 dürfte dies jedoch selbstverständlich sein. zum Risikomanagement Weidemann/Wieben, DB 2001, 1789, 1791. Fleischer, NZG 2003, 449, 458 zur Frage, ob de lege ferenda Korrekturen des Kollegialprinzips erforderlich sind (m. w. N. aus der Betriebswirtschaft). Denkbar ist auch, dass sich die Vorstandsmitglieder nicht gegenseitig angreifen wollen. 540  Dazu Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 766 f. mit betriebswirtschaftlichen Nachweisen zu der Feststellung, dass die Zahl der Entscheidenden keinen positiven Einfluss auf die Entscheidungsqualität hat. Siehe auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S.  117 f. 541  Auch wenn darin ein pflichtwidriges Verhalten zu sehen ist, siehe Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 118; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1473, wonach bei einem bloßen „Abnicken“ keine sorgfältige Entscheidung bestehe. 542  Dazu bereits I. 1. h). 543  Zum Vorstehenden Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 377 f. 544  Dazu noch § 8 IV. 538  Vgl. 539  Vgl.

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Das Argument der Spezialisierung ist sodann um die Ebene unterhalb des Vorstands zu ergänzen: So können insbesondere spezialisierte Mitarbeiter qualitativ bessere Entscheidungen treffen.545 Daher ist nicht nur die Entscheidungsqualität bei Vorstandsentscheidungen fraglich, sondern auch, inwieweit der Entscheidung überhaupt erhebliches Gewicht zukommt. So werden der Beratung im Plenum vornehmlich positive gruppendynamische Effekte abgewonnen. Schwächen der Gesamtentscheidung sollen durch das Mehrheitsprinzip ausgeglichen werden.546 Entgegen dieser Betrachtung hat die Delegation der Vorbereitung nach der hier vertretenen Auffassung auch (vermeintlich) „negative“ gruppendynamische Effekte: So ist es nicht fernliegend, dass das Plenum der Auffassung des Spezialisten, ob intern oder extern, folgt und auch die delegierenden Vorstandsmitglieder sich nach den Ergebnissen der Vorbereitung richten.547 Diese Erkenntnis ist jedoch letztlich nicht negativ zu werten, sondern selbstverständlich und von der Zulässigkeit der Delegation mitumfasst. Müsste der Vorstand auch die Vorbereitung vertieft hinterfragen, wäre die Delegation sinnlos.548 Für die Entscheidungsqualität drängt sich weiterhin der Gedanke auf, dass die Vorauswahl der Argumente und möglicherweise auch ihre Darstellung das Plenum lenken.549 Daher soll die Grenze überschritten sein, wenn die Entscheidung durch die Vorbereitung vorgefasst wird.550 Hier bestehen jedoch kaum aufzulösende Abgrenzungsschwierigkeiten: Es wird kaum auszumachen sein, wann der Delegationsempfänger den Vorstand so entscheidend beeinflusst, dass er keine eigene Entscheidung mehr trifft. Das kann ohne weiteres auch unterbewusst erfolgen. Damit legt die Entscheidungsvorbereitung je nach den konkreten Umständen mehr als nur den Grundstein für die Entscheidung, sie bildet vielmehr den Schwerpunkt. In der Einzelfallbetrachtung könnte ein Delegationsverbot daher auch die Vorbereitung betreffen. 545  Für außer- sowie konzernrechtliche Sachverhalte Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 180 f. Siehe dazu außerdem die Parallele bei gesellschaftsfremden Spezialisten. 546  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 52 f., 117 ff., 124 f. 547  Daher überzeugt der Hinweis nicht, dass mit der Gesamtzuständigkeit vorgefasste Beschlüsse vermieden würden, so aber Fleischer, NZG 2003, 449, 458 f.; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1469. 548  Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 378 schlägt bei Entscheidungen, die vom Plenum zu treffen sind, vor, dass das ressortzuständige Vorstandsmitglied eine Entscheidungsvorlage erstellen soll, die den Vorstandsmitgliedern zugeleitet werde und etwa eine Übersicht über Argumente und Gegenargumente enthalte. Zur Prüfintensität siehe noch § 10 IV. 549  Ähnlich sind die psychologischen Wirkungen der Rechtsberatung einzustufen: Der Vorstand wird sich auch hier maßgeblich auf die Einschätzung der Experten stützen. Schranken ergeben sich parallel zur Überwachung aus einer Plausibilitätskon­ trolle. Dazu noch § 10 IV. 2. 550  Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 169 ff.



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz187

b) Kein Einfluss der Delegation auf gesamtgesellschaftliche Interessen Die Plenumsentscheidung wird darüber hinaus als Hüterin der gesamtgesellschaftlichen Interessen verstanden. Auch das überzeugt in der Pauschalität nicht, da diese Interessen auch bei einer Aufgabenverteilung gewahrt bleiben. Gleichsam zeigt die Kritik, unter welchen Umständen das Plenum handeln sollte. Nach der genannten Auffassung soll die Delegation dazu führen, dass jedes Vorstandsmitglied sich ausschließlich auf die eigenen Zuständigkeitsbereiche konzentriere, während die Gesamtzuständigkeit die gesamte Gesellschaft in der Entscheidung widerspiegele.551 Die gesamtgesellschaftlichen Interessen ergeben sich schon aus Unternehmensgegenstand und Satzung, die das Handeln des Organs stets leiten. Unter rechtspraktischem Blickwinkel ist es zudem fernliegend, zu glauben, der Vorstand spräche sich nicht ab, wenn er Aufgaben verteilt und überträgt. Das gilt auch hinsichtlich der Delegation an Mitarbeiter oder an Dritte: Im Rahmen der Einweisungssorgfalt muss der Vorstand ihnen einen klaren Referenzrahmen vorgeben, innerhalb dessen sie sich bewegen dürfen. Legt der Vorstand allerdings einen Gesamtplan oder einen Referenzrahmen für die gesamte Gesellschaft fest, spricht schon das juristische Bauchgefühl dafür, dass dies nicht nur ein Vorstandsmitglied entscheiden darf.552 Hier handelt es sich aber tatsächlich nur um einen Ausschnitt, der im Einzelfall zu bestimmen ist. c) Effizienzgewinne bei externer Delegation Speziell bei externen Delegationsempfängern wird die Gefahr gesehen, dass der für die Überwachung zwingend erforderliche Informationsfluss nicht möglich sei und die Delegationsempfänger die Gesellschaft nicht kennen würden.553 In der Tat würde die Aufgabenerfüllung dann nicht mehr den Anforderungen an die Sorgfalt entsprechen. Die Kritik ist allerdings zu absolut formuliert: Delegiert der Vorstand an Delegationsempfänger außerhalb der Gesellschaft, dann muss er die erforderlichen Informationskanäle sicherstellen. Dabei handelt es sich letztlich um eine bloße Organisationsfrage.554 Grundsätzliche Bedenken am Informationsaustausch bestehen jedenfalls nicht. Dass speziell unternehmensfremde Dritte die Unternehmensabläufe nicht so nachvollziehen können wie Mitglieder des Führungsorgans oder Mitarbeiter, ist ebenfalls nicht anzunehmen. So kann es sich als überaus 551  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 66 f. Außerdem Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1467: Der Vorstand als Plenum folge einem „Gesamtplan“. 552  Siehe dazu noch unter § 8 III. 553  Zur Compliance Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 160. 554  Zu den Anforderungen siehe noch §§ 9, 10.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

wertvoll erweisen, externe Einschätzungen zu erhalten. Sie können sogar hilfreicher sein, weil sie freier und neutraler ausfallen.555 Im Übrigen muss der Vorstand wie in der eigenen Gesellschaft die Maßstäbe der Aufgaben­ erfüllung festsetzen, das heißt, er muss dem Delegationsempfänger einen Handlungsrahmen setzen. Dazu gehören auch die Prinzipien der Gesellschaft. Letztlich liegt der Delegation aber immer eine Einzelfallentscheidung zugrunde: So kann ein Delegationsverbot im Einzelfall erforderlich sein, wenn der Informationsaustausch im konkreten Fall Schwierigkeiten bereitet. Erkennt der Vorstand dies vor der Delegation, ist sie zu unterlassen. Hier setzt die Kontrolle vor der Delegation an, die somit Teil der Prüfung ist, ob der Vorstand die Maßnahme delegieren darf. Während der laufenden Kontrolle muss er Gegenmaßnahmen ergreifen.556 Hinzu kommt, dass ein wesentlicher Teil der Entscheidung, nämlich die Entscheidungsfindung, ohnehin auf Dritte verlagert wird.557 Die Delegation kann überdies Kosten senken, indem die Gesellschaft eigene Strukturen einspart, wenn auch nicht gänzlich, um die Überwachung leisten zu können.558 Außerdem ist die interne Installation ohne Hilfe Dritter häufig unverhältnismäßig hinsichtlich Aufwand und Kosten.559 Die Gesellschaften wollen sich auf ihren Unternehmensgegenstand konzentrieren und nicht die wesentlichen Ressourcen in Nebenbereiche investieren. Daher ist die Entscheidung, an Dritte zu delegieren, besonders begründet in Bereichen, in denen die Gesellschaft selbst nicht über die erforderlichen Ressourcen verfügt. Der Vorstand muss dennoch abwägen, ob die Gesellschaft die Strukturen nicht auch selbst aufweist oder die Strukturen geschaffen werden können. Kollegialprinzip und Delegation sind also auch unter Zweckgesichtspunkten keine Gegensätze. Vielmehr ist das Kollegialprinzip die Zulässigkeits­ garantie der Delegation. Delegation und Gesamtzuständigkeit sind daher als gleichwertige Wege der Aufgabenerfüllung anzusehen.560 Wenn der Vorstand delegiert, wird durch die substituierende Überwachungspflicht ein Sicher555  Die vorstehenden Argumente lässt auch Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 160 gelten. Laut Laue/Brandt, BB 2016, 1002, 1003 bringt die Auslagerung an Externe bei der Compliance den Vorteil der Unabhängigkeit mit sich. Der Vorteil, dass Dritte unabhängig auf die Gesellschaft blicken, lässt sich aber verallgemeinern. 556  Dazu § 10. 557  Vgl. dazu Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 47a, der mit Verweis auf die ISION-Entscheidung des BGH (ZIP 2011, 2097) unter bestimmten Umständen sogar eine Pflicht, internen oder externen Rat einzuholen, statuieren will. 558  § 9 IV. 559  Laue/Brandt, BB 2016, 1002, 1003. In diese Richtung auch LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1392. 560  Siehe dazu bereits mit ausführlichen Nachweisen I. 1. b) bb) (2).



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz189

heitsnetz ausgeworfen, sodass die Kontrolle der Entscheidungen weiterhin gewährleistet ist. Die Wirkungen des Kollegialprinzips lassen sich daher auch und gerade durch die Überwachung erzielen. 3. Gefahr des Rückschaufehlers Zuletzt spricht auch die Gefahr des Rückschaufehlers für eine Einzelfallanalyse und mahnt gleichsam die richtige Bewertungsperspektive an. Grenze des Vorstandshandelns ist stets die Schädigung der Gesellschaft. Daher trifft den Vorstand auch eine Schadensabwendungspflicht.561 Diese Pflicht muss jedoch richtig eingeordnet werden, da sie sonst zu Fehlentwicklungen führt: So speist sich die Delegationsproblematik einerseits daraus, dass Einzel­ fälle verabsolutiert werden.562 Andererseits beurteilen Rechtsprechung und Schrifttum das Vorstandshandeln oftmals aus falscher Perspektive: Der sogenannte „hindsight bias“ führt regelmäßig dazu, dass ein Handeln in der Vergangenheit mit dem Wissen aus der Gegenwart beurteilt wird. Das Siemens/ Neubürger-Urteil ist beispielsweise dieser Kritik ausgesetzt.563 Dieser nachträgliche Bewertungsmaßstab verzerrt jedoch die Beurteilung zu Lasten des Handelnden. Insbesondere die Rechtsprechung muss daher zwingend eine ex-ante Perspektive einnehmen.564 Nicht umsonst wird eine Erfolgshaftung aufgrund zu anspruchsvoller Organisationsanforderungen befürchtet.565 Auch die Business Judgment Rule vermeidet Rückschaufehler und dient dazu, die Gerichte zu sensibilisieren.566 Also sollte der Einzelfall mitsamt seinen spezifischen Begleitumständen ausschlaggebend sein.

561  Siehe nur BGHZ 21, 354, 357 = WM 1956, 1352; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 6 ff., insb. Rn. 6b. 562  Zu dieser Kritik bereits unter § 1. 563  Bachmann, ZIP 2014, 579, 580 f. (m. w. N.); Harbarth/Brechtel, ZIP 2016, 241, 248 f.; Unmuth, AG 2017, 249, 258. 564  Siehe Bachmann, ZIP 2014, 579, 580; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60; Harbarth/Brechtel, ZIP 2016, 241, 248 f., wonach gerade bei der Compliance die Gefahr des Rückschaufehlers drohe; Koch, ZGR 2006, 769, 782; Nietsch, ZGR 2015, 631, 638 zur Bewertung der Ermessenausübung durch den Vorstand; Rack, CB 2015, 61, 62, wonach dieser Bias in der Entscheidung Berücksichtigung finden müsse, indem alle möglichen Folge-Szenarien und bisherigen Erkenntnisse zu dokumentieren seien; Reuter, ZIP 2016, 597 f.; Unmuth, AG 2017, 249, 250, 258. Ausführlich zum Rückschaufehler bei Compliance-Verstößen auch Ott/Klein, AG 2017, 209 ff. 565  So Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 383. 566  Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60; Koch, ZGR 2006, 769, 782. Außerdem Cahn, WM 2013, 1293.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

4. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Delegation auch unter teleologischen Gesichtspunkten keiner Einschränkungen bedarf. Dies gilt für horizontale, vertikale und externe Delegation gleichermaßen. Insbesondere erweist sich der unternehmerische Begründungsansatz der herrschenden Auffassung als verfehlt: So kann die Betriebswirtschaftslehre das Aktiengesetz weder überlagern noch auslegen. Eine Gegenüberstellung der Delegationskosten und der Delegationsnutzen ergibt zudem, dass die Aufgabenverteilung nicht nur zu Effizienzgewinnen führt, sondern auch die Entscheidungsqualität anhebt.

IV. Fazit 1. Einzelfallanalyse Die vorstehende Analyse hat daher im Ergebnis gezeigt, dass die Delegation nicht nur ein zwingend notwendiges Organisationswerkzeug des Vorstands ist, sondern auch, dass alle Delegationsformen, namentlich horizontale, vertikale und externe Delegation, über den gesetzlichen Fingerzeig des § 77 Abs. 1 S. 2 AktG hinaus in Einklang mit dem Aktienrecht stehen. Es bedarf daher keiner grundsätzlichen Einschränkung der Delegation. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Delegation zwingende Vorgaben des Aktienrechts, insbesondere das Organisationsgefüge, verletzt. Danach ist es dem Vorstand auch nicht möglich, Maßnahmen an Aufsichtsrat oder Hauptversammlung zu übertragen. Dieses Analyseergebnis zeigt aber auch, dass die herrschende Meinung mit ihren Begründungsansätzen in die Nähe eines absoluten Delegationsverbots rückt, indem sie die Art der Aufgabenwahrnehmung bei bestimmten Pflichten pauschal einschränken will. Eine systematische Beschränkung ist aber gerade nicht gerechtfertigt. Vielmehr bedarf es, abseits einer sehr eng verlaufenden absoluten Grenze, einer Einzelfallbetrachtung. Die vorstehende Analyse hat dazu bereits zwei wesentliche Säulen herausgestellt, nach denen sich die Delegationsfähigkeit bestimmt: Die Einzelfallanalyse und die Überwachungspflicht. Die Einzelfallanalyse, deren maßgebliche Kriterien noch genau zu bestimmen sind, ermittelt, ob die Aufgabe ihrem Sachinhalt nach delegierbar ist, während die Kontrolle vor der Delegation darauf gerichtet ist, die Überwachung des Delegationsempfängers sicherzustellen. Der große Vorteil der Einzelfallbetrachtung liegt darin, die Umstände der jeweiligen Gesellschaft punktgenau abzubilden und eine flexible Lösung zu schaffen. Hier wird auf einige Ansätze des Meinungsstands, insbesondere die Bedeutung der Aufgabe, zurückzukommen sein. Das eingangs aufgeworfene Unveräußerlichkeitsprinzip reiht



§ 6 Vereinbarkeit der Delegation mit dem Aktiengesetz191

sich hingegen ein in die inhaltlich weitgehend leerlaufenden Begrifflichkeiten. Selbst wenn man diesen Terminus wirklich auf absolute Delegationsverbote begrenzt, schadet er mehr, als dass er nützt, da doch die Gefahr besteht, dass unter dem Deckmantel der absoluten Unveräußerlichkeit die Autonomie des Vorstands in Form des Organisationsermessens zu stark beschränkt wird. Die Unveräußerlichkeit ist also dekonstruiert.567 Damit ist auch der Vorschlag Fleischers abzulehnen, neben einem Kernbereich, der unveräußerlich bleiben soll, ein „zweites, engmaschigeres Kontrollnetz“ über § 93 AktG zu installieren, das als Maßstab für alle Fälle außerhalb des Kernbereichs dienen soll.568 Nach der hier vorgenommen Analyse ist es zwingend, § 93 AktG anzuwenden, um den Einzelfall bewerten zu können. Gleichsam lässt sich mit dieser Vorschrift auch das absolute Delegationsverbot abbilden. § 76 Abs. 1 AktG ist mithin nicht der richtige Prüfmaßstab. 2. Überwachungspflicht als verkapptes Delegationsverbot Die Delegation hängt neben der Einzelfallanalyse vor allem auch von der Ausgestaltung der Überwachungspflicht ab. Die Überwachungspflicht ist gesetzlich nicht geregelt. Sie ergibt sich jedoch aus der Gesamtverantwortung. Wie wesentlich die Überwachungspflicht ist, zeigt sich in der Rechtsprechung, namentlich vor allem im Siemens/Neubürger-Urteil, das vornehmlich Anforderungen an die Überwachung statuiert und deren Verletzung prüft. Die Überwachungspflicht übernimmt damit die Funktion eines Auffangbeckens: Da sie den Vorstand bei jeder Delegation unweigerlich trifft, muss das Gericht nicht abschließend klären, ob die Delegation als solche zulässig war. Insbesondere entgeht das Gericht der müßigen Abgrenzung von delegierbaren und nicht delegierbaren Pflichten, wie sie von der herrschenden Meinung vorgenommen wird. Das Gericht kann die Unwägbarkeiten des Delegationsverbots also umschiffen. Die Überwachungspflicht ist somit in 567  So die Überschrift bei Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463. Dieses Ergebnis passt auch zum parallel verlaufenden Problem der schuldrechtlichen Selbstbindung, deren praktischer Wert längst anerkannt ist. Entsprechend betreiben die Verfechter des Unveräußerlichkeitsprinzips selbst einen Ausverkauf, indem sie die absolute Schranke so lange verbiegen, bis die Selbstbindung zulässig ist. Letztlich sollte auch hier Farbe bekannt werden und eine konsequente Lösung über den Weg des § 93 AktG entwickelt werden. Siehe auch kritisch dazu Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 98 f., der akrobatisches Geschick für erforderlich hält, um noch am Unveräußerlichkeitsprinzip festhalten zu können. Gleichsam hat die Analyse gezeigt, dass die Aussage von Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 92 ff., 97, 101 (Fn. 182), dass im Rahmen der Selbstbindung des Vorstands entweder der Leitungsbegriff oder die Unveräußerlichkeit aufzubrechen sei, auf die Delegation nicht zutrifft, da hier sowohl der Leitungsbegriff als auch das Unveräußerlichkeitsprinzip aufgebrochen wurden. 568  Fleischer, FS Schwark, 2009, S. 137, 149 ff., insb.151 f.

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3. Teil: Analyse des Delegationsverbots

der Rechtsprechung zu einem verkappten Delegationsverbot herangewachsen. Was zunächst als Resignation vor der Delegationsproblematik anmutet, erweist sich jedoch als Beleg dafür, dass die Überwachungsebene und insbesondere die Durchsetzung der Überwachungspflicht wesentlich die Zulässigkeit der Delegation beeinflussen. Dieser Einfluss auf die Delegation ist nicht nur mittelbarer Art.569 Kann der Vorstand die Kontrolle des Delegationsempfängers nicht rechtlich wie rechtstatsächlich durchführen, beeinträchtigt die Aufgabenübertragung seine Organfunktion, da er bildlich gesprochen die Zügel nicht mehr in der Hand hält. Das gilt für alle Delegationsempfänger, erscheint aber aufgrund der Art des Rechtsverhältnisses vor allem problematisch bei Externen. Diese neuralgischen Punkte müssen sich daher in den Anforderungen an die zulässige Delegation widerspiegeln.

569  So

Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1450 f.

4. Teil

Anforderungen an die zulässige Delegation § 7 Hinreichende Rechtsgrundlage I. Satzung Die vorstehende Analyse hat aufgezeigt, dass horizontale, vertikale und externe Delegation mit dem Aktiengesetz vereinbar sind, wenn sie nicht absolute Schranken in Form des Organisationsgefüges verletzen oder der Einzelfall eine Einschränkung gebietet. Ausgehend von diesem Ergebnis muss nun austariert werden, unter welchen Voraussetzungen die Delegation im Einzelnen zulässig ist. Die Analyse hat dazu bereits mehrere Eckpunkte he­ rauskristallisiert, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen. Die Untersuchung erfolgt dabei in der Weise, wie auch der Vorstand rechtspraktisch vorgehen sollte. Zunächst soll daher ein ausführlicher Blick auf den Ausgangspunkt der Delegation geworfen werden: die Rechtsgrundlagen. Die Suche nach einer Rechtsgrundlage im Aktiengesetz bleibt weitgehend ohne Ertrag. Lediglich § 77 Abs. 1 S. 2 AktG bestimmt für die horizontale Delegation, dass Satzung und Geschäftsordnung von der Gesamtgeschäftsführung Abweichendes regeln können. Darunter subsumiert man auch die Aufgabenverteilung innerhalb des Vorstands. Wie diese Verteilung im Einzelnen aussieht, also ob der Vorstand Ausschüsse einrichtet oder an einzelne Vorstandsmitglieder Befugnisse verleiht, dies durch Sparten oder Ressorts umsetzt, lässt der Gesetzgeber offen und verschafft dem Vorstand eine hinreichende Organisationsflexibilität. Das Gesetz weist jedoch insofern eine zunächst unvorteilhafte Lücke auf, als es weder den Einzelbeschluss als Delegationsmittel aufführt noch eine Regelung zur Aufgabenübertragung an Mitarbeiter und Dritte trifft. Das zwingend notwendige Organisationsmittel der Delegation ist mithin bei kursorischem Überblick nur unzureichend gesetzlich fixiert. Legitimation kann die horizontale Delegation also dadurch erfahren, dass die Hauptversammlung gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 AktG eine Satzungsregelung trifft. Daneben steht der Hauptversammlung gemäß § 77 Abs. 2 S. 2 AktG die Befugnis zu, in der Satzung Einzelfragen der Geschäftsordnung verbindlich zu regeln. Von der Satzungsregelung dürfen die ansonsten zur Geschäfts-

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

ordnung befugten Organe, namentlich Vorstand und Aufsichtsrat, nicht abweichen.1 Die Regelungskompetenz der Hauptversammlung unterliegt jedoch Grenzen: Für Satzungsregelungen jeglicher Art gilt zunächst die Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG. Dazu zählt etwa, dass die Regelungen das aktienrechtliche Organisationsgefüge nicht aushebeln dürfen. Darüber hinaus ergibt sich speziell für die Kompetenz nach § 77 Abs. 2 S. 2 AktG eine weitere Grenze aus den Geschäftsordnungskompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat: So steht es Vorstand und Aufsichtsrat zu, eine Geschäftsordnung für den Vorstand zu erlassen.2 Dieser Geschäftsordnung könnten Regelungen durch die Hauptversammlung zuwiderlaufen. Daher müssen die einzelnen Kompetenzen in Einklang gebracht werden. Die Gesetzesbegründung enthält dazu keine Anordnungen.3 Richtigerweise muss Vorstand und Aufsichtsrat ein satzungsfester Regelungsbereich zugestanden werden. Das ergibt schon der Wortlaut des § 77 Abs. 2 S. 2 AktG, der die Kompetenz der Hauptversammlung auf Einzelregelungen beschränkt. Außerdem würde ein umfassendes Tätigwerden der Hauptversammlung die Rechte von Vorstand und ­Aufsichtsrat aushöhlen.4 Letztlich kann auch auf das aktienrechtliche Organisationssystem als solches abgestellt werden: Dieses spricht der Hauptversammlung ab, Geschäftsführungsfragen wahrzunehmen oder so stark zu beeinflussen, dass Vorstand oder Aufsichtsrat ihre Befugnisse nur noch auf dem Papier ausüben. Zulässig ist es daher im Ergebnis, dass die Hauptversammlung die Ressorts, die sie als notwendig erachtet, festlegt.5 Die Verteilung an 1  Statt aller OLG Hamm ZIP 1995, 1263 ff., 1267 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 72; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 129. Auf der nächsten Organisationsebene ist der Vorstand jedoch nicht gebunden, vgl. dazu Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 131 ff. Die Hauptversammlung muss bei der Satzungsregelung nicht die Zustimmung des Vorstands einholen. Die Debatte darüber knüpft an die Frage an, ob es sich bei diesen Regelungen um Organisations- oder Geschäftsführungsmaßnahmen handelt. Geschäftsführungsmaßnahmen sind Aufsichtsrat und Hauptversammlung versagt. Die Diskussion läuft jedoch leer, da § 77 AktG den beiden Organen eindeutig eine Kompetenz zuweist, vgl. hierzu Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 129 ff. Zum Aktiengesetz von 1937, vgl. Frels, ZHR 122 (1959), 16 ff. 2  Siehe noch II., III. 3  Dazu RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 100. 4  Zutreffend daher Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 355; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 77 Rn. 67; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 505; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 20; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 72; Krieger, Personalentscheidungen des AR, S. 195 ff.; 201 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 61; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 51. Dagegen wollen v. Godin/Wilhelmi, AktG 1965, 4. Aufl., § 77 Anm. 10 der Hauptversammlung ein umfassendes Regelungsrecht zugestehen. Immenga, ZGR 1977, 249, 268 f. geht von einem weiten Umfang aus. 5  Vgl. dazu statt aller Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 355; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 505; Krieger, Personalentscheidungen des AR, S. 195 ff., 201 f. („Trennung von Ressorteinrichtung und Ressortzuweisung“).



§ 7 Hinreichende Rechtsgrundlage195

konkrete Vorstandsmitglieder beschneidet hingegen bereits die Rechte des Aufsichtsrats.6 Somit darf die Hauptversammlung lediglich Satzungsregelungen in dem Umfang treffen, der die Rechte von Vorstand und Aufsichtsrat wahrt. Ein Blick in die Praxis lässt erahnen, dass abseits dieser rechtlichen Schranken vor allem rechtspraktische Bedenken einem Tätigwerden des Satzungsgebers entgegenstehen. So treffen etwa die Satzungen der Daimler AG, der adidas AG, der Volkswagen AG sowie der Deutsche Post AG allesamt keine direkten Regelungen zur Geschäftsverteilung.7 Grund hierfür ist der organisatorische Zuschnitt der Hauptversammlung: Die Hauptversammlung müsste im Voraus einschätzen, wie die Geschäftsverteilung effektiv und an der Gesellschaft orientiert einzurichten ist. Hier kommt es auf die individuelle Beschaffenheit des Organs, der Gesellschaft und der äußeren Umstände an. Dies zu überblicken ist schon aufgrund der Struktur des Organs und seines limitierten Informationshaushalts komplex. Dem Satzungsgeber fehlt es letztlich auch an Beweglichkeit und Fachwissen.8 Es ist daher zu erwarten, dass die Geschäftsverteilung nachträglich angepasst werden müsste. Eine Satzungsänderung bedarf jedoch eines erneuten Hauptversammlungsbeschlusses.9 Führt man sich vor Augen, dass der Aufwand für eine Hauptversammlung ausgesprochen hoch ist und in kürzester Zeit wieder eine Änderung der Satzung notwendig sein kann, spricht auch rechtspraktisch alles dafür, Satzungsregelungen nur restriktiv anzuwenden. Das Instrument der Satzung als Rechtsgrundlage ist mithin unflexibel und organisatorisch schwer umsetzbar. Diese Bedenken gelten auch für die Delegation an Mitarbeiter und Dritte: Hier fehlt es bereits an einer gesetzlichen Satzungsöffnung, da § 77 AktG lediglich die horizontale Delegation normiert. Für diese Delegationsarten ist 6  Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 355; ausführlich Krieger, Personalentscheidungen des AR, S. 195 ff.; 201 f. 7  Satzung der Daimler AG, Stuttgart, Stand Juli 2018, abrufbar unter https://www. daimler.com/dokumente/konzern/corporate-governance/sonstiges/daimler-sat zung-07-2019.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; Satzung der adidas AG, Herzogenaurach, Stand 13. Juni 2019, abrufbar unter https://www.adidas-group.com/media/ filer_public/ca/7e/ca7e7486-a704-4054-b6c4-de4554b5d1fa/satzung_hv2019_d_print. pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; Satzung der Volkswagen AG, Wolfsburg, Stand Mai 2017, abrufbar unter https://www.volkswagenag.com/presence/investorrelation/ publications/corporate-governance/2017/articles-of-association/Satzung %20Mai %20 2017.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; Satzung der Deutsche Post AG, Bonn, Stand 7. Mai 2018, abrufbar unter https://www.dpdhl.com/content/dam/dpdhl/de/in vestors/governance/satzung/DPDHL_Satzung_2018-05-07.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. 8  Krieger, Personalentscheidungen des AR, S. 195, 201 f. 9  Zum Vorstehenden Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2576 f.; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 39; Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 27.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

es auch ungleich schwieriger, im Vorhinein das Bedürfnis der Aufgabenübertragung auszumessen. Letztlich sind selbst relativ allgemeine Vorgaben nur schwerlich denkbar: Wichtige Ressorts können nur auf Vorstandsebene festgelegt werden. Daran orientiert sich zwar automatisch auch die Mitarbeiterstruktur. Dass die Hauptversammlung sodann eingreift in die Organisation des Ressorts, geht zu weit und ist unzulässig. Auch kann die Hauptversammlung schwerlich in die Vertragsverhandlungen mit Dritten eintreten. Eine allgemeine Satzungsklausel, dass die Delegation an Mitarbeiter und Dritte zulässig ist, wäre theoretisch möglich, aber gänzlich überflüssig, da sie längst Anerkanntes wiedergeben würde. Somit ist zu konstatieren, dass die Delegation an Mitarbeiter und Dritte ein gesteigertes Maß an Flexibilität erfordert und eine Satzungsregelung noch ungeeigneter ist als bei der Geschäftsverteilung auf Vorstandsebene. Zwar nicht unmittelbar die Geschäftsverteilung beeinflussend, doch aber lenkend, kann der Satzungsgeber insofern eingreifen, als er gemäß § 77 Abs. 2 S. 1 AktG dem Aufsichtsrat den Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand auferlegt. Rechtsgrundlage für eine Delegation wäre dann aber die Geschäftsordnung selbst. Im Ergebnis ist daher zu konstatieren, dass das Aktiengesetz der Hauptversammlung zwar einen gewissen Einfluss auf die Geschäftsverteilung zuweist, dieser ist jedoch rechtlich wie rechtspraktisch beschränkt.

II. Geschäftsordnung 1. Formelle Erlassvoraussetzungen Die Geschäftsordnung hat dagegen anders als die Satzung überragende Bedeutung für die Regelung der Vorstandsorganisation. Die Befugnis, dem Vorstand eine Geschäftsordnung zu geben, weist § 77 Abs. 2 S. 1 AktG sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat zu.10 Die Geschäftsordnung ist auch der Regelungsstandort, an dem die Geschäftsverteilung im Einzelnen festgelegt ist.11 Der Vorstand ist zunächst Adressat der Vorschrift. Das geht laut Gesetzesbegründung einher mit dem Prinzip, dass jedem Gremium ein Selbstverwaltungsrecht zukommt.12 Der Vorstand entscheidet durch Beschluss, wenn er mehrgliedrig ist.13 Die Beschlussfassung unterliegt gemäß § 77 Abs. 2 S. 3 10  Eine Pflicht besteht nicht, auch nicht für Aktiengesellschaften, die der Mitbestimmung unterliegen, vgl. statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 23. 11  Vgl. Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 499, der darauf verweist, dass der Gesetzgeber dies im Gesetz entsprechend angelegt habe. Siehe dazu RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99. 12  RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99. 13  Dazu Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 33. Siehe auch Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 77 Rn. 21.



§ 7 Hinreichende Rechtsgrundlage197

AktG dem Quorum der Einstimmigkeit. Dieses Quorum gilt für jeden Beschluss über die Geschäftsordnung, das heißt Verabschiedung, Änderung und Aufhebung.14 Die Geschäftsordnungskompetenz des Vorstands ist jedoch nicht vollumfänglich: Beschließt der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand, ist diese vorrangig gegenüber einer zuvor vom Vorstand statuierten Geschäftsordnung und bleibt es bis zum Ende ihrer Geltung. Das ergibt sich schon aus § 77 Abs. 2 S. 1 AktG, aber auch die Regierungsbegründung betont den Vorrang noch einmal ausdrücklich.15 § 77 Abs. 2 S. 1 AktG sieht außerdem die Möglichkeit vor, dem Vorstand schon im Voraus die Geschäftsordnungsbefugnis zu entziehen, indem die Hauptversammlung per Satzungsregelung die alleinige Geschäftsordnungsbefugnis dem Aufsichtsrat zuweist.16 Anders als bei eigenen Regelungen zur Geschäftsordnung wird der Satzungsgeber hier regelmäßig tätig.17 So lautet beispielhaft die Satzung der thyssenkrupp AG wie folgt: „§ 6 Zusammensetzung, Geschäftsordnung, Beschlussfassung […] (2) Der Aufsichtsrat erlässt eine Geschäftsordnung für den Vorstand.“18

Die Satzung der Deutsche Post AG beschränkt die Geschäftsordnungsbefugnis des Vorstands:

14  Das Quorum soll das einzelne Vorstandsmitglied davor schützen, dass seine Befugnisse nicht über seine Stimme hinweg beschränkt werden. Dies würde auch das Bestellrecht des Aufsichtsrats berühren, der mit der Bestellung meist ein bestimmtes Aufgabenfeld verbindet. Außerdem ist die Geschäftsordnung wesentliche Grundlage für die Tätigkeit des Führungsorgans. Dazu RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99. Siehe außerdem zu den Gründen für diese Gestaltung Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 501 ff. 15  Der Aufsichtsrat muss stets eine neue Geschäftsordnung beschließen, das heißt, er darf nicht das eventuell durch den Vorstand geschaffene Regelungskorsett oder einzelne Bestandteile formal übernehmen, selbstverständlich darf er inhaltlich gleiche Regelungen treffen. Selbst wenn die Geschäftsordnung nicht umfassend ist oder sich Lücken ergeben, darf der Vorstand nicht tätig werden. Siehe RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99 f.; außerdem Ihrig/Schäfer, Rn.  364 ff. Siehe mit weiteren Details zum Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 503 f. Siehe auch Ihrig/Schäfer, Rn. 373. 16  Dazu RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 100. 17  Vgl. Ihrig/Schäfer, Rn. 364. Allerdings fehlen empirische Erhebungen aus der Praxis darüber, ob nun Vorstand oder Aufsichtsrat häufiger Geschäftsordnungen erlassen, so Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 503. 18  Satzung der thyssenkrupp AG, Duisburg und Essen, Stand 26. September 2017, abrufbar unter https://www.thyssenkrupp.com/media/unternehmen/management/cor porate_governance/satzung_und_geschaeftsordnung/170202_satzung_tk_ag_d.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

„§ 6 Zusammensetzung und Geschäftsordnung […] (3) Der Vorstand gibt sich durch einstimmigen Beschluss aller Vorstandsmitglieder eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf.“19

Hinsichtlich ihrer Rechtsqualität fungiert die Geschäftsordnung sodann als Verfahrensordnung und hat Normcharakter.20 Sie bindet daher auch neue Vorstandsmitglieder mit Ausnahme des ihnen individuell zugewiesenen Bereichs, sofern hier nicht der Aufsichtsrat eine abschließende Regelung getroffen hat.21 Die Geschäftsordnung unterliegt neben dem Einstimmigkeitserfordernis für den Vorstand weiteren Anforderungen: Sie bedarf nach zutreffender, ganz überwiegender Ansicht der schriftlichen Niederlegung, eine tatsächliche Praxis genügt zur Geschäftsverteilung nicht.22 Überzeugend ist dabei der Verweis der herrschenden Auffassung auf § 77 Abs. 2 AktG. Außerdem stellt die schriftliche Fixierung klar, wer zuständig ist, und zeigt da19  Satzung der Deutsche Post AG, Bonn, Stand 7. Mai 2018, abrufbar unter https://www.dpdhl.com/content/dam/dpdhl/de/investors/governance/satzung/DPDHL_ Satzung_2018-05-07.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. Nach RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 100 ist diese Variante zulässig, da dem Vorstand die Befugnis auch gänzlich genommen werden kann. 20  Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 353 f. (m. w. N.); Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 499 f. Die Auslegung erfolgt objektiv, dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 61; Ihrig/Schäfer; Rn. 373; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 55. 21  So zutreffend Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 353 f.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 499 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 22; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 75; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 65; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 50. 22  Ausschussbericht in Kropff, AktG 1965, S. 100; aus dem Schrifttum Dreher, ZGR 1992, 22, 58 ff.; Fleischer, NZG 2003, 449, 452 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 21; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 78; Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2577; Wicke, NJW 2007, 3755; empfehlenswert laut Froesch, DB 2009, 722, 725. Ein einheitliches Dokument ist nicht erforderlich, statt aller Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 56; außerdem Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 78. Auch Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 76 f. nimmt bei einer faktischen Geschäftsverteilung weiterhin Gesamtgeschäftsführung an. Allerdings könne sie die Haftung ausschließen. Mielke wendet den Vertrauensgrundsatz an; in der faktischen Geschäftsverteilung selbst sieht er keinen Sorgfaltsverstoß. Nur vereinzelt wird eine faktische Geschäftsverteilung anerkannt: Boesebeck, JW 1938, 2525, 2527; Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AR, S. 180 ff., der eine faktische Geschäftsverteilung zulässt, sofern dies dem Willen aller Vorstandsmitglieder entspreche. Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 59 verlangt eine förmliche Geschäftsverteilung, allerdings sieht er dennoch die Möglichkeit, dass sich das Vorstandsmitglied von seiner Verantwortung freimache, wenn es sich auf die sorgfältige Aufgabenerfüllung durch das andere Vorstandsmitglied verlassen könne (m. w. N. zu reichsgericht­ lichen Entscheidungen). Ist die Geschäftsverteilung jedoch aufgrund der fehlenden Förmlichkeit nicht wirksam, ist es nach dem hier vertretenen Standpunkt nicht konsequent, wenn sich das Vorstandsmitglied dennoch entlasten kann.



§ 7 Hinreichende Rechtsgrundlage199

bei noch nicht zugewiesene Aufgaben auf. Bei sorgfaltswidrigem Handeln sind zudem die Verantwortlichkeiten transparent.23 Eine eigenhändige Unterschrift gemäß § 126 BGB ist nicht erforderlich.24 Eine Regelung im Anstellungsvertrag ist ebenfalls hinreichend.25 Beschließt der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand, gilt § 107 Abs. 2 AktG, wonach die Sitzungsniederschrift alle Beschlüsse aufführen muss, wobei die Formwahrung nach § 107 Abs. 2 S. 3 AktG die Wirksamkeit nicht berührt. 2. Inhaltliche Ausgestaltung und Wirkungen In der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung ist der Geschäftsordnungsgeber grundsätzlich frei.26 Er ist jedoch den absoluten Schranken unterworfen, die sich aus dem Aktienrecht, insbesondere aus dem aktienrechtlichen Organisationsgefüge, ergeben.27 Das folgt schon aus der Legalitätspflicht.28 Verstoßen die Regelungen der Geschäftsordnung gegen diese Schranken, sind sie nichtig.29 Auch die unzulässige Geschäftsverteilung kollidiert daher mit dem Aktiengesetz. Überdies wird man verlangen müssen, dass die Geschäftsordnung widerspruchsfrei ausgestaltet ist. Die Bereiche müssen klar abgesteckt sein, kein Bereich darf ohne Zuständigkeit verbleiben und die Bereiche den Argumenten Fleischer, NZG 2003, 449, 452 f. (m. w. N.). vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 21. 25  Dreher, ZGR 1992, 22, 58 (Fn. 163 m. w. N.); Fleischer, NZG 2003, 449, 452 f. 26  Sodass die Geschäftsordnung der richterlichen Inhaltskontrolle nicht zugänglich ist, dazu Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 80 (m. w. N.). 27  Vgl. zunächst Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 60; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 35. Sodann Ihrig/Schäfer, Rn. 376, wonach sowohl zwingende Vorschriften als auch die Satzung eine abweichende Geschäftsordnung verdrängen, ebenso sei die Kompetenzverteilung zu wahren; zudem dürfe die Geschäftsordnung keine Bestimmungen enthalten, die schon die Satzung nicht regeln dürfe; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 51, wonach die Verfassung der Aktiengesellschaft durch die formalen Regeln zu wahren sei; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 21, der die §§ 76 ff. AktG als Schranken benennt. Laut Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 80 sowie Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 51 darf die Geschäftsordnungsregelung die der Satzung vorbehaltenen Inhalte nicht regeln, ebenso nicht das Organisationsgefüge verschieben oder Kompetenzen erweitern. Die Verfahrensordnung soll auch nur das Verfahren innerhalb des Vorstands regeln und keine materiellen Vorgaben machen, so Ihrig/Schäfer, Rn. 375; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 80; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 51. Langer/ Peters, BB 2012, 2575, 2577 f. führen das Beispiel an, dass die Geschäftsordnung, die der Aufsichtsrat erlassen hat, gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung verstößt. Besteht ein Geschäftsverteilungsplan, unterliegt er den gleichen Anforderungen wie die Geschäftsordnung, dazu Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 81 f. 28  Zur Legalitätspflicht im Allgemeinen Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 6 m. w. N. 29  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 51; außerdem Ihrig/Schäfer, Rn. 376. 23  Zu

24  Unstreitig,

200

4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

dürfen nicht überlappen, da die Delegation ansonsten sorgfaltswidrig ist.30 Ist dies nicht der Fall, kann die Geschäftsordnung nicht wirksam sein, da ihr keine hinreichende Aussage zu entnehmen ist. Da sich die Geschäftsordnung als Verfahrungsregelung des Vorstands auf die Aufgabenverteilung innerhalb des Vorstands beschränkt, würde es ihrem Regelungsauftrag widersprechen, die Delegation an Mitarbeiter und Dritte ebenfalls dort zu statuieren. Nehmen Aufsichtsrat oder Hauptversammlung Regelungen durch die Geschäftsordnung vor, ist der Vorstand daran gebunden. Die Bindung bewahrt den Vorstand auch vor einer Pflichtwidrigkeit, die sich aus einer unzweckmäßigen Geschäftsverteilung ergibt. Hat der Gesamtvorstand hingegen die Geschäftsverteilung beschlossen, liegt die Pflichtwidrigkeit bei ihm.31 Ist dem einzelnen Vorstandsmitglied im Anstellungsvertrag eine spezifische Aufgabe zugewiesen und stimmt deren Inhalt mit der organisationsrechtlichen Anordnung nicht überein, so steht ihm ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Die Geschäftsordnung bleibt davon aber unberührt.32 Somit ist die Geschäftsordnung wesentliche Regelungsgrundlage für die horizontale Aufgabenverteilung. Formelle wie materielle Anforderungen stellen dabei einen hohen Schutzstandard auf.

III. Organisationsautonomie als Rechtsgrundlage 1. Einzelbeschluss auf horizontaler Ebene Satzung und Geschäftsordnung können nicht jeden Einzelfall im Sinne eines abschließenden Katalogs regeln. Darüber hinaus erweisen sie sich als untauglich, wenn es um die Delegation an Mitarbeiter und Dritte geht. Dem Vorstand muss daher auch ein Delegationsbeschluss im Einzelfall möglich sein.33

30  Aus der Rechtsprechung ausdrücklich LG München I NZG 2014, 570, 574; BGH NZG 2019, 225, 226 („Weltruf“) zur GmbH; ferner OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 151 f. zu § 130 OWiG. Aus dem Schrifttum Fleischer, NZG 2014, 321, 323 f.; Krause BB 2009, 1370, 137; außerdem Froesch, DB 2009, 722, 725; Pietzke, CCZ 2010, 45, 47. Unklar E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.20, wonach die Verantwortlichkeit unter diesen Umständen nicht modifiziert werde. Sei die Geschäftsverteilung widersprüchlich, führe dies nicht zu einer Verantwortlichkeit für die Handlungen des Delegationsempfängers, sondern zu einer Verantwortlichkeit für die sorgfaltswidrige Delegation. Zur klaren Aufgabenverteilung noch einmal im Rahmen der Kontrollpflicht unter § 9 IV. 31  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 125 f.; Frels, ZHR 122 (1958), 1, 30 f.; Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 61 f. 32  Siehe dazu bereits § 6 I. 1. g). 33  Zum Beschlussverfahren Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 33 ff.



§ 7 Hinreichende Rechtsgrundlage201

Für die horizontale Delegation ist dies anerkannt.34 Rechtsgrundlage ist dabei nach hier vertretenem Verständnis schlicht die Organisationsautonomie des Vorstands, die es ihm ermöglicht und die ihn als einziges Geschäftsführungsorgan auch dazu verpflichtet, ein effektives Unternehmen zu organisieren.35 Allerdings müssen derartige Einzelbeschlüsse die Anforderungen des § 77 AktG wahren, um nicht zu einer Umgehung zu führen: Betreffen sie das Verfahren im Vorstand und haben somit den Charakter einer Geschäftsordnung, dann sind diese Beschlüsse der Geschäftsordnung zuzurechnen. Daher gelten die gleichen formellen Anforderungen, die auch an die Geschäftsordnung zu stellen sind. Außerdem verdrängt ein Tätigwerden des Aufsichtsrats sämtliche Regelungen des Vorstands in dem schon beschriebenen Umfang.36 Die in § 77 Abs. 1 S. 2 AktG geregelte Geschäftsordnung ist demnach auf horizontaler Ebene die bestimmende Rechtsgrundlage, auch wenn die Delegation auf einem Einzelbeschluss basiert. 2. Organisationsautonomie als notwendige Rechtsgrundlage für vertikale und externe Delegation Ein vergleichbares Regelungssystem fehlt für vertikale und externe Delegation. Einleitend wurde dementsprechend auch von einer möglichen Lücke im Gesetz gesprochen.37 Gegen diese Befürchtung lässt sich aber vorbringen, dass dem Vorstand als organisationsverantwortliches Organ ganz selbstverständlich eine umfassende Organisationsautonomie zukommt.38 Das gilt unabhängig von der Delegationsebene. Es bedarf somit keiner ausdrücklichen Ermächtigung im Aktiengesetz. Ausgehend von der Organisationsautonomie als Rechtsgrundlage ist sodann zu klären, ob diese weiteren Anforderungen unterliegt. Materiell gelten die Schranken, die bereits für die Geschäftsordnung benannt wurden. Formell könnten wie bei der Geschäftsordnung Schriftform und Einstimmigkeit gelten. Für die vertikale Delegation ist dies abzulehnen, da es an der Vergleichbarkeit fehlt: Die vertikale Delegation findet regelmäßig innerhalb der vom Gesamtvorstand geschaffenen Geschäftsverteilung statt. Das jeweils zuständige Vorstandsmitglied steuert den Bereich und damit auch 34  Vgl. zu dieser Möglichkeit auf horizontaler Ebene etwa OLG Koblenz NZG 1998, 953, 954 zur GmbH; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 57 f.; Fleischer, NZG 2014, 321, 323. Zu § 131 AktG Moser, NZG 2017, 1419 1421. 35  Zum Selbstorganisationsrecht des Vorstands RegBegr in Kropff, AktG 1965, S. 99; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 107; Hüffer, in: AktienR im Wandel, Bd. II, Kap. 7 Rn. 28. 36  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 56; außerdem Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 78. 37  Siehe dazu I. 1. 38  Dazu schon 1.

202

4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

die Aufgabenwahrnehmung selbständig. Daher wird auch nicht wie auf horizontaler Ebene über die übrigen Vorstandsmitglieder mitbestimmt. Sie bedürfen daher auch nicht der Schutzmechanismen, die § 77 AktG aufstellt. Bei einem allein zuständigen Vorstandsmitglied würde die Entscheidung ohnehin nicht als Beschluss ergehen.39 Aus Sicht der übrigen Vorstandsmitglieder ist zu ergänzen, dass diese durch ihre Überwachungspflicht hinreichend beteiligt werden.40 Somit unterliegt die vertikale Delegation keinen besonderen formalen Anforderungen. Etwas anderes gilt nur, wenn in der Geschäftsordnung formale Anforderungen aufgestellt werden41 oder aber die Anforderungen auf horizontaler Ebene umgangen werden. Ein juristisches Störgefühl kommt dagegen auf, wenn Aufgaben an Dritte weitergereicht werden. Hier stellt sich die Frage, ob der Gesamtvorstand einen Delegationsbeschluss fassen und dieser einstimmig erfolgen muss. Hier ist zu differenzieren: Sieht ein Vorstandsmitglied im Rahmen seines ihm bereits durch den Vorstand zugewiesenen Aufgabenbereichs die Notwendigkeit, einen Dritten hinzuziehen, gehört auch dies zur Organisationsautonomie des Vorstands, die sich bei einer Geschäftsverteilung innerhalb des Vorstands auf der nachfolgenden Ebene fortsetzt, allerdings beschränkt auf den jeweiligen Aufgabenbereich. Soll hingegen ein Bereich gänzlich ausgelagert werden, kann schon die Kompetenz des einzelnen Vorstandsmitglieds in Frage stehen, sodass in der Folge ein Beschluss des Vorstands erforderlich sein kann, der den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Geschäftsordnung unterliegt.42 Wie vorstehend ist auch im Hinblick auf die Rechte des Aufsichtsrats zu differenzieren: Innerhalb der Geschäftsbereiche der einzelnen Vorstandsmitglieder konfligiert die Entscheidung über eine vertikale oder externe Delegation nicht mit den Rechten des Aufsichtsrats: Zwar kann der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen und bereits mit der Bestellung ein bestimmtes Aufgabenfeld verbinden.43 Der Aufsichtsrat verfügt demnach aber ausschließlich bei der Bestellung der Vorstandsmitglieder über 39  Siehe im Ergebnis auch Froesch, DB 2009, 722, 725; Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 27; E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.75. 40  Siehe noch § 9 II. 4. 41  So beispielhaft VIII. der Geschäftsordnung für den Vorstand der Daimler AG, Stuttgart, Stand Januar 2018, abrufbar unter https://www.daimler.com/dokumente/ konzern/corporate-governance/vorstand/daimler-geschaeftsordnungfuerdenvorstand. pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. Dieser lautet wie folgt: „Geschäftsordnungen und Satzungen, die die Leitung der Geschäftsfelder, der Organisationseinheiten, der Funktionalressorts oder von Konzernunternehmen regeln, sollen soweit möglich den Abschnitten I bis V dieser Geschäftsordnung entsprechen.“ 42  Zur Kompetenzfrage noch unter § 8 III. Zu den Anforderungen an einen Einzelbeschluss siehe I. 43  Siehe II.



§ 7 Hinreichende Rechtsgrundlage203

eine exponierte Rechtsstellung, die sodann auf die Geschäftsverteilung durchschlägt. Die Mitarbeiter oder externen Dienstleister befinden sich hingegen ausschließlich im Einflussbereich des Vorstands. Damit berührt es die Geschäftsordnungskompetenz des Aufsichtsrats nicht, wenn der Vorstand auf den unteren Ebenen seine Organisationsautonomie ausübt.44 Anders ist dies zu beurteilen, wenn eine Aufgabe gänzlich ausgelagert werden soll, die der Aufsichtsrat auf der Vorstandsebene zuweisen wollte. Dann haben seine Geschäftsordnungsregelungen Vorrang. Im Ergebnis verfügt der Vorstand somit über eine weitreichende Organisationsautonomie, die insbesondere für die vertikale und die externe Delegation die zwingende Rechtsgrundlage darstellt.

IV. Fazit Wirft man also einen Blick auf die möglichen Rechtsgrundlagen der Delegation, so lässt sich konstatieren, dass der Vorstand trotz der augenscheinlich dünnen Gesetzeslage hinreichend legitimiert ist, Aufgaben zu übertragen. Für die horizontale Delegation ergibt sich dies maßgeblich aus § 77 AktG: Die Hauptversammlung kann Satzungsregelungen erlassen. Allerdings dürfen die Geschäftsordnungskompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat nicht beeinträchtigt werden. Die Geschäftsordnung ist daher wesentliche Regelungsgrundlage für die horizontale Delegation. Über diese Regelungsmöglichkeiten hinaus kann der Vorstand jedoch auch kraft seiner Organisationsautonomie eine horizontale Delegation vornehmen. Dieser Beschluss unterliegt dabei aber den Anforderungen, die auch an die Geschäftsordnung zu stellen sind. Vertikale und externe Delegation entspringen mangels einer mit § 77 AktG vergleichbaren Vorschrift ausschließlich der Organisationsautonomie des Vorstands. Besondere Anforderungen sind dabei nicht zu berücksichtigen, wenn diese Aufgabenübertragungen nicht das Verfahren auf horizontaler Ebene umgehen.

44  Siehe dazu die zutreffenden Ausführungen von Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S.  131 ff.

204

4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

§ 8 Prüfung der Delegationsfähigkeit der Maßnahme anhand des Einzelfalls – Befugnisüberschreitung als Grenze der Delegation I. Gesetzliche Anknüpfungspunkte für eine Einzelfallbetrachtung Weist die Delegation eine hinreichende Rechtsgrundlage auf, ist zu überprüfen, ob die Aufgabe oder die jeweilige Einzelmaßnahme delegationsfähig ist. Sofern nicht das Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft verletzt ist, entscheidet sich die Delegationsfähigkeit nach dem Einzelfall.45 Im Folgenden sollen daher die Parameter der Einzelfallbetrachtung bestimmt werden. Insbesondere sind die vom juristischen Diskurs vorgebrachten Einzelfallkriterien auf den Prüfstand zu stellen. Da an deren Differenzierungspotential doch erhebliche Zweifel bestehen, soll letztlich aber ein eigenständiger Bewertungsmaßstab entwickelt werden, der die Delegation vor allem in den Kontext der Befugnisse und Befugnisüberschreitung setzt. Um sich der Frage zunächst dogmatisch anzunähern, finden sich verschiedene gesetzliche Anknüpfungspunkte, die für Maßnahmen, die das Gewöhnliche überschreiten, Regelungen treffen. Im Aktiengesetz installiert § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG eine Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat für Geschäfte, die erhebliche Bedeutung für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft haben. Im Handelsgesetz bezieht sich § 116 Abs. 2 HGB auf Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen, und statuiert für solche einen Beschluss sämtlicher Gesellschafter.46 Die Normen verankern somit gesetzlich den Gedanken, dass mit der Vornahme bedeutsamer Maßnahmen gewisse Anforderungen verknüpft sind, die das Handeln der Geschäftsführungsorgane in unterschiedlicher Art und Weise einschränken können.

45  Siehe

zur ausführlichen Analyse der Delegation §§ 5, 6. zu einem Wertungstransfer der §§ 115, 116 HGB für das Erheblichkeitskriterium Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 47 ff. Im Vereinsrecht gibt es mit § 30 BGB eine korrespondierende Vorschrift für den besonderen Vertreter. Die Begrifflichkeiten decken sich auch mit der Praxis: So enthält etwa die Geschäftsordnung der Daimler AG einen entsprechenden Passus. Nach Ziff. III Nr. 7 sollen Angelegenheiten von grundsätzlicher oder wesentlicher Bedeutung im Vorstand behandelt werden, vgl. Geschäftsordnung für den Vorstand der Daimler AG, Stuttgart, Stand Januar 2018, abrufbar unter https://www.daimler.com/dokumente/konzern/corporategovernance/vorstand/daimler-geschaeftsordnungfuerdenvorstand.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. Im Rahmen des Meinungsstands wurden zudem die verschiedenen Termini aufgeführt, die synonym zur Erheblichkeit Verwendung finden, siehe § 4 II. d). 46  Siehe



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls205

Eine Entscheidung zwischen diesen gesetzlichen Anknüpfungspunkten erweist sich als überflüssig. Da § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG eine aktienrechtliche Vorschrift ist und den Terminus der „Erheblichkeit“ verwendet, liegt es zunächst nahe, sich maßgeblich auf diese Vorschrift zu stützen. Allerdings regelt die Norm lediglich Berichtspflichten. Weitere Konsequenzen, etwa im Rahmen des § 77 AktG, zieht der Gesetzgeber daraus nicht. § 116 Abs. 2 HGB47 hingegen steht für eine universelle Geltung: Während die Personenhandelsgesellschaften ohnehin unter das Gesetz fallen, stellen Aktiengesellschaft und GmbH Handelsgesellschaften im Sinne des § 6 Abs. 1 HGB dar und sind Formkaufmann im Sinne des § 6 Abs. 2 HGB,48 sodass zumindest eine Verbindungslinie zu § 116 Abs. 2 HGB gezogen werden kann. Diese Herleitung funktioniert jedoch nicht für den Verein, obwohl hier ebenfalls eine Delegationsdebatte geführt wird.49 Letztlich ist eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften denkbar. Überzeugender wäre es dann jedoch, sie als Ausdruck einer allgemeinen Wertung zu begreifen. Trotz dieser vermeintlichen Anknüpfungspunkte ist völlig unklar, wann die jeweilige Aufgabe über den normalen Geschäftsgang des einzelnen Delegationsempfängers hinausgeht, mithin von nicht unerheblicher Bedeutung für die weiteren Vorstandsmitglieder ist. Es bedarf jedenfalls eines Einzelfallfilters, der Raum für die nötige Flexibilität lässt: Einerseits können Maßnahmen immer derart erheblich sein, dass sie eine Gesamtzuständigkeit erfordern. Andererseits ist denkbar, dass Maßnahmen durch eine Lageänderung der Gesellschaft erheblich werden oder ihre Erheblichkeit verlieren. Der nachträgliche Bedeutungswandel darf nicht dazu führen, dass die ursprüngliche Entscheidung, zu delegieren, rück47  § 116 Abs. 2 HGB unterscheidet gewöhnliche von außergewöhnlichen Maßnahmen. Davon zu trennen sind Grundlagengeschäfte. Dennoch wird zum Teil angenommen, dass Grundlagengeschäfte ebenfalls außergewöhnliche Geschäfte darstellen. Andere stellen sich dem entgegen und lassen es bereits an einer Geschäftsführungsmaßnahme fehlen. Siehe zu der Diskussion Jickeli, in: Münch. Komm. HGB, § 116 Rn. 6. Für die vorliegende Debatte ist die Diskussion jedoch nicht von Relevanz: In der Aktiengesellschaft sind die Kompetenzen so verteilt, dass Grundlagengeschäfte im Sinne des § 119 Abs. 1 AktG von der Hauptversammlung wahrgenommen werden. Das Gesetz grenzt durch § 119 Abs. 2 AktG Geschäftsführungsmaßnahmen ganz ­explizit davon ab (vgl. dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 7; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 4 ff.; Link, in: Wachter, § 77 Rn. 2). Derartige Maßnahmen des Vorstands würden mithin gegen das Organisationsgefüge verstoßen. Aber auch im HGB hat das Gesetz klare Regelungen getroffen: § 116 Abs. 2 HGB ist dispositv, Grundlagengeschäfte unterliegen jedoch zwingenden Mehrheitsanforderungen. Bei Friktionen sind Grundlagengeschäfte daher nicht wie außergewöhnliche Geschäfte zu behandeln. Dazu ebenfalls Jickeli, in: Münch. Komm. HGB, § 116 Rn. 6. 48  Dazu Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 6 Rn. 1, 6; K. Schmidt, in: Münch. Komm. HGB, § 6 Rn. 4, 9. 49  Laut Koch, GesR, § 6 Rn. 13 bedarf die GbR einer solchen Einschränkung nicht, da das Gesetz von der Gesamtgeschäftsführung ausgehe. Allerdings seien vertragliche Beschränkungen möglich.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

wirkend pflichtwidrig ist.50 Der Vorstand muss aber darauf reagieren: Namentlich die Überwachungspflicht stellt sicher, dass die Delegation einer ständigen Prüfung unterliegt und bei sorgfaltswidriger Aufgabenerfüllung gegensteuert. Ob die vorstehenden Vorschriften tatsächlich die richtige dogmatische Begründung für eine Einzelfallbetrachtung sind, muss sich letztlich anhand des zu entwickelnden Bewertungsmaßstabs entscheiden.

II. Beleuchtung der bislang entwickelten Differenzierungskriterien 1. Art und Größe des Unternehmens a) Art des Unternehmens aa) Mangelnde Bestimmtheit des Gesellschaftszwecks Dieser Bewertungsmaßstab soll im Folgenden ausgebildet werden, um dem Vorstand eine sorgfaltsgemäße Bewertung der Delegationsfähigkeit zu ermöglichen.51 Zunächst sind dazu die vom juristischen Diskurs bereits entwickelten Differenzierungskriterien in den Blick zu nehmen. Aus Vorstands50  Siehe

schon zum sogenannten „hindsight bias“ § 6 III. 3. der Meinungsstand hat gezeigt, dass die Einzelfallbetrachtung von unzähligen Begrifflichkeiten durchzogen ist, die letztlich synonym zur Erheblichkeit zu verstehen sind. Dazu zählen Begrifflichkeiten wie „ungewöhnlich“ und „besonders“, die nicht über Zirkelschlüsse hinausreichen. Das gilt auch für die „Komplexität“ der Aufgabe. Schon begrifflich wäre das Kriterium schwerlich fassbar und für den Vorstand nur handhabbar, wenn weitere konkretisierende Kriterien hinzutreten würden. Auch das Kriterium „Art und Umfang der Maßnahme“ ist als weitere Bezeichnung für die Erheblichkeit zu verstehen. Auch im Übrigen sind die diskutierten Kriterien zum Teil sehr weitgehend und müssen zugeschnitten werden. Kritisch äußert sich insofern auch Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 744 f., wonach lediglich bestandsrelevante Fälle einfangen werden könnten, während die Kriterien im Übrigen zu unbestimmt seien. Inhaltlich kein eigenständiger Ansatz ist letztlich die Theorie der sorgfältigen unternehmerischen Entscheidung von Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463 ff. Er konkretisiert allenfalls die herrschenden Einzelfallkriterien. So auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 519 f., der bemängelt, dass die Kriterien Seibts der herrschenden Meinung immanent seien. Siehe auch Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 18. Dabei verpasst es der Beitrag, den beschriebenen Kriterien-Überschuss von lästigen Synonymen zu befreien und die wesentlichen Kriterien herauszuarbeiten. Wirkungslos bleibt vor allem der Ansatz, die Entscheidung in Teilphasen aufzufächern. Die Teilphasen beschreiben zwar den Weg zur Entscheidung. Sie können aber je nach Maßnahme einen engeren oder breiteren Raum einnehmen, überlappen oder gleich zusammenfallen. Die Theorie spaltet somit einen einheitlichen Vorgang künstlich auf. Das macht den Entscheidungsablauf daher allenfalls transparenter und den Vorstand für die einzelnen Schritte sensibler, sie geht jedoch nicht über eine unverbindliche 51  Bereits



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls207

sicht liegt es nahe, der Bewertung die konkreten Umstände der Gesellschaft und ihre Struktur zugrunde zu legen, namentlich Art und Größenordnung ihrer Tätigkeit, ihres Unternehmens.52 Will man die Art der Gesellschaft bestimmen, bietet sich im Ausgangspunkt der Gesellschaftszweck an. Sofern keine spezifischen Ausführungen in der Satzung enthalten sind, beläuft sich der Gesellschaftszweck für gewöhnlich darauf, Gewinn zu erzielen und Gewinn zu maximieren.53 Ausgehend von dieser Definition eignet sich der Gesellschaftszweck nicht für eine Einzelfallbetrachtung: Dem Kriterium fehlt die hinreichende Bestimmtheit, da der Zweck, Gewinn zu erzielen und zu maximieren, die Überschrift für jegliches Vorstandshandeln darstellt und letztlich jede Maßnahme des Vorstands kausal für diesen Zweck ist. Somit fehlt dieser Annäherung die Sensibilität für den Einzelfall. Hier müsste der Vorstand schon zwingend weitere Kriterien heranziehen, um bedeutsame und weniger bedeutsame Maßnahmen zu trennen. Diese Kriterien müssten ihrerseits erst bestimmt werden. Als Differenzierungskriterium eignet sich der Gesellschaftszweck somit nicht. bb) Fehlende Präzisionskraft des Unternehmensgegenstands Der Gesellschaftszweck steht jedoch in einer Mittel-Zweck-Relation zum Unternehmensgegenstand, der die allgemeine Aussage des Gesellschaftszwecks konkretisiert, indem er die konkrete Tätigkeit der Gesellschaft beschreibt.54 Der Vorstand ist in seiner Geschäftsführung den Schranken des Unternehmensgegenstands unterworfen,55 sodass dieser durchaus in die Einzelfallbetrachtung einfließen könnte. Eine Anlehnung an den Unternehmensgegenstand erweist sich aber als untauglich, da auch die Tätigkeitsbeschreibung zu allgemein ausformuliert ist und somit keine einzelfallgerechten Ergebnisse hervorbringt. Das belegen beispielhaft Satzungen der Daimler AG und der adidas AG. Der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand der Daimler AG lautet: betriebswirtschaftliche Durchleuchtung hinaus. Überdies würde die Delegationsproblematik nur an Komplexität gewinnen. 52  Vgl. dazu Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S.  51 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 31; Lutter, AG 1991, 249, 253 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 5; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 55, die im Rahmen der unternehmerischen Durchdringung (§ 4 II. 3. c)) auch eine Einzelfallbetrachtung vornehmen wollen. 53  Dazu schon § 6 III. 1. a). 54  § 6 III. 1. a). 55  Änderungen sind gemäß § 179 Abs. 1 S. 1 AktG der Hauptversammlung vorbehalten. Dazu Pentz in Münch. Komm. AktG, § 23 Rn. 78, 85 f. Im Übrigen dient er auch zur Information Dritter.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

„§ 2 Gegenstand (1) Gegenstand des Unternehmens ist die unmittelbare oder mittelbare Tätigkeit auf dem Gebiet der Entwicklung, der Herstellung und des Vertriebs von Erzeugnissen und der Erbringung von Dienstleistungen, insbesondere in folgenden Geschäftszweigen: • Fahrzeuge, Motoren und technische Antriebe aller Art einschließlich deren Teile, Baugruppen und Zubehör, • sonstige Erzeugnisse der Verkehrstechnik, • elektronische Geräte, Anlagen und Systeme, • Kommunikations- und Informationstechnik, • Mobilitäts- und Transportdienstleistungen und -konzepte, • Bank- und Versicherungsgeschäfte, Finanzund Zahlungsdienstleistungen sowie Versicherungsvermittlungen und • Verwaltung und Entwicklung von Immobilien. […].“56

Die adidas AG beschreibt ihren Unternehmensgegenstand in der Satzung folgendermaßen: „§ 2 Gegenstand des Unternehmens 1. Gegenstand des Unternehmens sind die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Textilien, Schuhen, Geräten und sonstigen Produkten sowie von IT-basierten Anwendungen und Erzeugnissen und die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Sport und Freizeit sowie in den angrenzenden Bereichen. […].“57

Greift man beispielhaft den Unternehmensgegenstand der adidas AG he­ raus, namentlich die „Herstellung von Textilien“, so kann dieser aus Sicht des Vorstands der adidas AG nicht für eine Einzelfallbetrachtung fruchtbar gemacht werden, da sämtliche Geschäftsführungsmaßnahmen kausal diesem übergeordneten Ziel, konkret der Textilherstellung, dienen. An die Kausalität müssten schon höhere Anforderungen gestellt werden, um delegationsfähige von nicht delegationsfähigen Maßnahmen zu unterscheiden. Anders als beim Gesellschaftszweck wäre eine Trennung nach unmittelbar und mittelbar dem Unternehmensgegenstand dienenden Maßnahmen denkbar. Dann fielen einige Pflichten – sofern man sie als Pflichten anerkennt – durch das Raster: Beispielsweise beeinflussen die Corporate Social Responsibility oder die Frauenförderung allenfalls die Gewinnmaximierung, den Unternehmensge56  Auszug aus der Satzung der Daimler AG, Stuttgart, Stand Juli 2019, abrufbar unter https://www.daimler.com/dokumente/konzern/corporate-governance/sonstiges/ daimler-satzung-07-2019.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. 57  Auszug aus der Satzung der adidas AG, Herzogenaurach, Stand 13. Juni 2019, abrufbar unter https://www.adidas-group.com/media/filer_public/ca/7e/ca7e7486-a 704-4054-b6c4-de4554b5d1fa/satzung_hv2019_d_print.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019.



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls209

genstand, vorliegend die „Herstellung von Textilien“, aber höchstens mittelbar. Auch für den EDV-Bereich, der nicht die oben beschriebenen IT-basierten Anwendungen betrifft, ließe sich begründen, dass die dort vorgenommenen Maßnahmen lediglich mittelbar dem Unternehmensgegenstand dienen. Auch die Compliance-Pflicht steht zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang zur Produktion. Sie strahlt aber in alle Aufgabenbereiche der Gesellschaft hinein. Das Kriterium kann diesen Gedankengang nicht abbilden, sodass zwingend weitere Differenzierungskriterien herangezogen werden müssten. Aber auch die Aufgaben, die unmittelbar dem Unternehmensgegenstand dienen, vermag das Kriterium nicht hinreichend zu differenzieren. Unmittelbar von Bedeutung wären nach dem hier gewählten Beispiel alle Maßnahmen, die in der Produktion vorzunehmen sind. Zum einen dürften die Einzelfragen dieses Bereichs nur eingeschränkte Wirkung auf die übrigen Aufgabenbereiche des Vorstands haben. Zum anderen kann der Vorstand unmöglich alle Maßnahmen in der Produktion selbst wahrnehmen. Wiederum wäre er auf weitere Differenzierungskriterien angewiesen. Die Kategorie der Unmittelbarkeit löst somit nicht den Kern der Problematik auf, da erheblich ist, wie sich Maßnahmen auf die Gesellschaft auswirken, nicht auf den Unternehmensgegenstand. Dieser ist gleichzeitig zu eng und zu weit gefasst: Zu eng, da die Gesellschaftsorganisation so vielfältig ist, dass sie nicht nur auf eine unmittelbare Tätigkeitsbeschreibung reduziert werden kann. Zu weit, da der Vorstand bei den unmittelbar den Unternehmensgegenstand erfüllenden Maßnahmen wie auch im Rahmen des Gesellschaftszwecks eine weitere Priorisierung vornehmen müsste. Die Betrachtung des Unternehmensgegenstands müsste somit zwingend um weitere Kriterien ergänzt werden. In der Konsequenz kann der Vorstand direkt auf diese Kriterien abstellen. Die obigen Beispiele zeigen ganz plastisch auf, welch limitierte Funktion der Unternehmensgegenstand hat: Er benennt die Branche, in der die Aktiengesellschaften tätig sind, enthält darüber hinaus aber keine detaillierteren Angaben. Das ist rechtlich auch nicht geboten.58 Der Unternehmensgegenstand hat somit zwar die Funktion einer verbindlichen Überschrift. Deren Aussage hat jedoch keine Präzisionskraft für die Delegationsfrage. b) Größe des Unternehmens als Indiz für die Organisationsstruktur Die Größe des Unternehmens lässt sich hingegen fruchtbar machen, da sie offenbart, in welcher Größenordnung sich die Gesellschaft bewegt, und so Rückschlüsse auf die Organisationsstruktur zulässt. Konkretisierend kann man auf die Finanz-, Ertrags- oder Beschäftigungslage sowie die mittel- oder 58  Zu den Anforderungen an die Ausgestaltung ausführlich Pentz in Münch. Komm. AktG, § 23 Rn. 79 ff.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

langfristige Unternehmensentwicklung abstellen. Bestimmt man die Struktur der Gesellschaft anhand dieser Kriterien, so lässt sich ermitteln, über welche Sach- und Personalressourcen die Gesellschaft verfügt. Das entscheidet darüber, ob es dem Vorstand überhaupt möglich ist, verschiedene Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter als Delegationsempfänger einzusetzen. Bei kleinen Gesellschaften besteht das Vorstandsorgan zumeist aus weniger Mitgliedern, sodass der Vorstand einerseits schneller an seine Grenzen geraten kann, andererseits weniger Ressort- oder Spartenmöglichkeiten auf Vorstandsebene zur Verfügung stehen, die Gesamtwahrnehmung also näher liegt. Gleichsam sollte der Vorstand prüfen, ob die Aufgabe an Stelle einer möglichen externen Delegation nicht in der Gesellschaft verbleiben kann. Zur Organisationspflicht gehört auch, die notwendigen Organisationsstrukturen zu schaffen und an die zu erfüllenden Aufgaben anzupassen. Dabei sind nicht nur die finanziellen Auswirkungen ausschlaggebend. Die Gesellschaft sollte aus sich heraus handlungsfähig sein und nicht ohne Grund Abhängigkeiten begründen.59 Im Ergebnis muss sich der Vorstand also klar machen, welche Delegationsmöglichkeiten ihm überhaupt zustehen. Damit ist die Größe des Unternehmens ein Kriterium, das nicht in die Abwägung der Delegationsfähigkeit der einzelnen Maßnahme einfließt, sondern vor allem nachgelagert in die Auswahl des Adressaten. 2. Substanzielle Maßnahmen Wenn es darum geht, eine Gesamtzuständigkeit des Vorstands zu begründen, entspräche es dem juristischen Bauchgefühl, solche Maßnahmen darunter zu fassen, die existenzielle Fragen, also den Bestand der Gesellschaft, oder unterhalb dieser Demarkationslinie zumindest grundlegende Gesellschaftsstrukturen betreffen.60 In diese Fallgruppe fällt etwa die Entscheidung, die Gesellschaft von der Börse zurückzuziehen (Delisting).61 Spiegel59  Siehe dazu § 6 III. 2. c), aber auch die allgemeinen Bedenken gegenüber der externen Delegation unter I. 3.; außerdem noch zum Regelungsaufwand gegenüber Dritten § 9 II. 4. c). 60  Vgl. zur existenziellen Bedeutung auch Seibt, FS K. Schmidt, S. 1463, 1477; außerdem Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 63, der zusätzlich von Maßnahmen mit Grundsatzcharakter spricht. Von vornherein keine Kompetenz des Vorstands stellen Maßnahmen dar, die den anderen Organen zugewiesen sind. 61  Das Delisting richtet sich nun nach § 39 Abs. 2 BörsG und erfolgt auf Antrag des Emittenten, vertreten durch den Vorstand. Lange wurde diskutiert, ob das Delisting eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit darstellt. Während der BGH dies in der Entscheidung BGHZ 153, 47, 53 ff. = NJW 2003, 1032 („Macroton“) noch annahm, korrigierte er seine Rechtsprechung im Beschluss BGH NJW 2014, 146 („Frosta“), nachdem das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 132, 99 = BVerfG NJW 2012, 3081 ff. urteilte, dass ein Delisting Art. 14 GG nicht verletze.



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls211

bildlich dazu hat auch der Antrag auf Börsenzulassung substanziellen ­Charakter, sofern man ihn entsprechend dem Antrag auf Delisting als Vorstandskompetenz einordnet.62 Sowohl Börsenzulassung als auch Delisting verändern die Gesellschaftsstruktur ganz erheblich. Es würde daher schon dem juristischen Instinkt widersprechen, wenn beispielsweise der Personalvorstand über derartige Fragen allein entscheiden könnte. Rechtlich einkleiden lässt sich diese Intuition in die Überlegung, welche Maßnahmen das einzelne Vorstandsmitglied, der Mitarbeiter oder der Externe rechtlich vornehmen dürfen. Das bestimmt sich nach dem Umfang ihrer Befugnisse, die ihre Grenze regelmäßig dort finden, wo andere Befugnisträger betroffen sind. Substanzielle Maßnahmen im hier verstandenen Sinne würden die Befugnisse des einzelnen Vorstandsmitglieds überschreiten. Denkt man dies konsequent weiter, dann muss auch die Delegation dieser Maßnahme unzulässig sein, da die Delegation nichts anderes als eine Zuständigkeitsübertragung ist.63 Je nach Begriffsverständnis handelt es sich auch um eine substanzielle Maßnahme, wenn sie die verbandsinterne Funktionsfähigkeit der Gesellschaft betrifft, jedenfalls dann, wenn man unter ihr nicht nur die weitgehende Störungsfreiheit des Betriebsablaufs oder eine effektive Organisation versteht, sondern dass die Gesellschaft ihren Unternehmensgegenstand noch erfüllen kann. Mit anderen Worten darf die Delegation nicht dazu führen, dass die Gesellschaft handlungsunfähig wird. Allerdings fällt es schwer, dieses Kri­ terium anhand konkreter Beispiele zu verifizieren. Delegierte der Vorstand seine Geschäftsführungskompetenz als solche vollständig, beeinträchtigte dies die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft. Ein derartiges Vorgehen verletzte aber ohnehin schon das Organisationsgefüge, das an anderer Stelle als absolute Delegationsgrenze identifiziert wurde. Das gilt wohl auch, wenn der Vorstand nicht die gesamte Geschäftsführung, aber einen vergleichbaren Umfang delegiert. Die Funktionsfähigkeit sollte daher in der absoluten Schranke des Organisationsgefüges aufgehen.

Letztlich reagierte der Gesetzgeber und normierte das Delisting der Entscheidung des BGH entsprechend in § 39 Abs. 2 BörsG, ohne der Hauptversammlung eine Zuständigkeit zuzuweisen. Zur Rechtsprechung und zur Neuregelung ausführlich und statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 31 ff. 62  Str.; für eine Vorstandskompetenz spricht sich mit diesem Argument etwa Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 23 aus (m. w. N.); für eine Zustimmungspflicht hingegen etwa Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 119 Rn. 38 (m. w. N.). Das Beispiel hat aber praktisch nur geringe Relevanz, da regelmäßig eine Kapitalerhöhung erforderlich ist, die von der Hauptversammlung zu beschließen ist, vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 23. 63  Dazu noch III.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

3. Schadenspotential In der Einzelfallbetrachtung könnte hingegen das Schadenspotential einer Geschäftsführungsmaßnahme berücksichtigt werden.64 Begründen lässt sich dies mit der allgemeinen Schadensabwendungspflicht65, die den Vorstand trifft: Wettbewerbsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Verstöße ziehen empfindliche Bußgelder nach sich.66 Daher könnte man sich auf den Standpunkt stellen, besonders schadensgeneigte Felder schon aufgrund der Schadensabwendungspflicht im Befugnisbereich des Gesamtvorstands oder jedenfalls eines Vorstandsmitglieds zu belassen. Das hätte den nicht zu negierenden Vorteil, dass der Vorstand als Führungsorgan unmittelbar an den Entscheidungen beteiligt ist, die ein großes finanzielles Risiko bergen. Eben jenes Risiko soll durch den Erheblichkeitsfilter abgebildet werden.67 Ratsam kann es daher sein, die Maßnahmen, die derartige Schäden verhindern sollen, namentlich die Compliance, vom Gesamtvorstand vornehmen zu lassen. In diesen Kontext lässt sich auch der Ansatz einordnen, die materiellen und immateriellen Werte der Maßnahme zu beleuchten.68 Diese Werte umfassen sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Inhaltlich handelt es sich allenfalls um feinere Konturen des Schadenspotentials, da nicht nur mate­ rielle Posten wie Investitionen zu berücksichtigen sind, sondern eben auch immaterielle Auswirkungen, etwa die Öffentlichkeitswahrnehmung. Es bedarf daher keiner Abgrenzung. Gegen das Kriterium des Schadenspotentials ist allerdings anzuführen, dass es zu unbestimmt ist, um eine Differenzierung zu ermöglichen. Der Vorstand müsste festlegen, ab welcher potentiellen Schadenshöhe eine Delegation ausgeschlossen ist. Ansonsten wäre die Delegation unmöglich, da jede Pflichtverletzung potentiell einen Schaden herbeiführen kann. Das Kriterium birgt eine große Rechtsunsicherheit in sich, da die Höhe allenfalls prognostiziert werden kann, zumal auch vermeintlich unerhebliche Pflichtverletzungen hohe Schäden hervorrufen können. Nicht zuletzt ist der Vorstand ohnehin der dazu Seibt, FS K. Schmidt, S. 1463, 1477. nur BGHZ 21, 354, 357 = WM 1956, 1352; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 6 ff., insb. Rn. 6b. 66  Beispielhaft etwa http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/400millionen-euro-gericht-bestaetigt-bussgeld-gegen-siemens-1609968.html, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/illegale-preisabspra chen-von-thyssen-krupp-teure-schienen-teure-strafe-1.1728975, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/verbotene-preisabsprachen-brauereien-muessen-millionen-strafe-zahlen-1.1927743, zuletzt abgerufen am 25.07.2019; http://www.wiwo.de/wegen-ad-hoc-verstoessen-bafin-verdonnert-deutsche-bank-zu550-000-euro-strafe/19794110.html, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. 67  Siehe dazu § 4 II. 3. d). 68  Dazu etwa Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 63. 64  Vgl.

65  Dazu



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls213

Legalitätspflicht unterworfen und muss sich rechtmäßig verhalten.69 Das Schadenspotential als Kriterium veranlasste ihn aber dazu, von einem Fehlverhalten auszugehen, dessen Folgen sodann zu bemessen und diese der Delegation zugrunde zu legen. Das widerspricht seiner Handlungsmaxime. Dagegen spricht auch nicht die Privilegierung durch die Business Judgment Rule, die lediglich eine Reaktion darauf ist, dass der Vorstand im Rahmen der Geschäftsführung unmöglich nur wirtschaftlich richtige Entscheidungen treffen kann. Bei den oben genannten Beispielen handelt es sich um rechtsgebundene Entscheidungen, sodass die Privilegierung entfällt. Das Schadens­ potential als solches ist daher ein ungeeignetes Kriterium. Das gilt auch für die vermeintlich feingliedrigere Betrachtung der wirtschaftlichen, finanziellen, strategischen und wettbewerblichen Auswirkungen einer Maßnahme. Die Kriterien benennen zwar wesentliche Belange einer Aktiengesellschaft. Inhaltlich ist ihnen aber ein hinreichendes Konkretisierungspotential abzusprechen. Die Kriterien würden aufgrund ihrer Weite schon „einfache“ Geschäftsführungsmaßnahmen erfassen, sodass der Vorstand erneut weitere Kriterien heranziehen müsste. Wenig Konkretisierungspotential weist auch die qualitative wie quantitative Unterteilung auf.70 Der Vorstand müsste zum einen eine Risikobewertung vornehmen, der jeglicher Bewertungsmaßstab fehlt. Zum anderen müsste er bestimmen, wann eine Summe risikobehafteter Entscheidungen vorliegt, die einer Grundentscheidung bedürfen. Es handelt sich um Prognosen ohne hinreichend gesicherte Anknüpfungspunkte. Daher stellt auch die feingliedrigere Betrachtung kein geeignetes Lösungsmittel dar. 4. Gläubiger-, Aktionärs- und öffentliche Interessen Gläubiger-, Aktionärs- und öffentliche Interessen sind zwar nicht geeignet, eine grundsätzliche Beschränkung der Delegation zu begründen.71 Möglicherweise können sie aber für die Einzelabwägung fruchtbar gemacht werden. Beispielhaft kann eine Entscheidung des BGH zu § 124 Abs. 3 S. 1 AktG herangezogen werden: Der BGH nahm ein Delegationsverbot an und begründete dies mit den Interessen der Aktionäre, namentlich ihres Informationsbedürfnisses.72 Dies kann richtigerweise nur den Beschluss betreffen, der die Vorschläge fixiert, nicht aber die Bekanntmachung.73 Die Pflicht als Legalitätspflicht im Allgemeinen Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 6 m. w. N. dazu § 4 II. 3. d). 71  Dazu insbesondere schon unter § 6 I. 1. d) bb). 72  Siehe BGHZ 149, 158 ff. = BGH BB 2002, 165 ff. Zum Aktionärsinteresse siehe auch Grabolle, Leitungsfunktion, S. 125. 73  So zutreffend Koch, in: Hüffer/Koch, § 124 Rn. 16. 69  Zur

70  Siehe

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

solche betrifft die zentrale Plattform, auf der die Aktionäre ihre Rechte ausüben können. Die Information über den Inhalt der Hauptversammlung ermöglicht den Aktionären vor allem, sich mit den Tagesordnungspunkten zu befassen.74 Der Vorstand wird durch die späteren Hauptversammlungsbeschlüsse gebunden. § 124 Abs. 3 S. 1 AktG gibt ihm jedoch die Möglichkeit, durch Vorschläge Stellung zu nehmen und die Hauptversammlung zu lenken. Daher ist die Pflicht des § 124 Abs. 3 S. 1 AktG nicht nur für die Hauptversammlung, sondern auch für den Vorstand bedeutsam. Das gilt für alle Vorstandsmitglieder, da die Beschlüsse der Hauptversammlung sich auf die gesamte Organisation auswirken können.75 Diese konkrete Pflicht sollte tatsächlich vom Gesamtvorstand wahrgenommen werden. Rechtlich einkleiden lässt sich dies wiederum in die Frage der Befugniserteilung: Der Delega­ tionsempfänger kann nur insoweit entscheiden, wie seine Befugnisse reichen. Daher können Maßnahmen auch nur innerhalb dieses Rahmens delegiert werden. Ist das Vorstandsplenum wie vorliegend betroffen, fehlt die Befugnis des einzelnen Vorstandsmitglieds. Gleichsam darf das Plenum die Aufgabe nicht an ein einzelnes Vorstandsmitglied übertragen.76 Das zeigt aber auch, dass die Frage nach den betroffenen Interessen nur insoweit Relevanz hat, wie sich die Interessen auf die Gesellschaft und den Vorstand als Geschäftsführungsorgan auswirken. Die entscheidende Perspektive ist also die des Vorstands. Diese Perspektive gilt es in einen rechtlichen Maßstab zu formen. 5. Eilbedürftigkeit der Entscheidung Die vorstehenden Kriterien, die sich vornehmlich auf den Inhalt der Maßnahme stützen, erweisen sich in der Lesart der herrschenden Meinung nicht als geeignet für die Einzelfallbetrachtung. Bislang unbeachtet geblieben ist der zeitliche Aspekt der Entscheidungsfindung. So könnten zeitliche Zwänge eine Entscheidung etwa im Plenum erfordern.77 Der organisatorische Aufwand, das Plenum einzuberufen, steht dem nicht entgegen. Der Gesamtvorstand tagt in der Praxis ohnehin regelmäßig78, sodass problematische Entscheidungen in diesen Sitzungen getroffen werden können. Selbst außerhalb dieser turnusmäßigen Sitzungen können die Vorstandsmitglieder mündlich 74  Koch,

in: Hüffer/Koch, § 124 Rn. 1. auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 164 f. 76  Bereits in Ansätzen unter 2. Ausführlich noch unter III. 77  So Seibt, FS K. Schmidt, S. 1463, 1478; außerdem Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 63 f. 78  Beschlussfassungen erfolgen gewöhnlich in den Vorstandsitzungen; letztlich hängen Vorstandssitzungen sowie Umstände der Beschlussfassung von der Geschäftsordnung ab. Vgl. zum Vorstehenden Kort, in: Hdb. VorstandsR, § 3 Rn. 60 ff. Mit einer praktischen Beschreibung Kremer, 70. DJT, Bd. II/1, N 29, N 30 f. 75  Siehe



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls215

oder in Textform benachrichtigt79 und Entscheidungen in Telefonkonferenzen oder E-Mails getroffen werden.80 Unter organisatorischen Gesichtspunkten ist das Plenum daher in der Lage, der Eilbedürftigkeit einer Aufgabe gerecht zu werden. Die zeitliche Betrachtung überzeugt jedoch aus einem anderen Grund nicht: Die Eilbedürftigkeit darf eine organisatorische Zuweisung nicht einfach aushebeln. Der Vorstand müsste zum einen die schwierige Abgrenzung vornehmen, wann die entsprechende Dringlichkeitsstufe erreicht ist. Zum anderen würde ein solches Vorgehen den Delegationszweck missachten: Die Delegation soll eine effektive Aufgabenerledigung ermöglichen, da der Gesamtvorstand als zu behäbig angesehen wird. Unter dieser Maßgabe muss man den angestoßenen Weg auch konsequent zu Ende gehen und den Delegationsempfängern die Kompetenz zugestehen, auch dringliche Entscheidungen zu treffen. Dieses Delegationskriterium würde daher die Delegation als Organisationsmittel konterkarieren. Rechtstatsächlich ist zu ergänzen, dass dringliche Situationen unternehmerischer Alltag sein dürften und von sämt­ lichen Delegationsempfängern erwartet werden kann, dass sie unter diesen Umständen Entscheidungen treffen. Ist dies nicht der Fall, müssen im Rahmen der Kontrolle Konsequenzen gezogen werden. Die vorstehenden Ausführungen lassen sich dadurch stützen, dass gerade bei eilbedürftigen Maßnahmen eine Zuständigkeit des einzelnen Vorstandsmitglieds anerkannt ist, wenn der Gesellschaft empfindliche Nachteile drohen.81 Das muss auch für die weiteren Delegationsformen gelten: Handelt es sich um eine eilbedürftige Maßnahme, die keine Rücksprache erlaubt, müssen Mitarbeiter wie Dritte die Maßnahme dennoch vornehmen dürfen. Der Eilkompetenz liefe es entgegen, für die beschriebenen Maßnahmen eine Gesamtzuständigkeit zu begründen. Zuletzt kann man die Überwachungspflicht heranziehen: Dem Gesamtvorstand steht die Möglichkeit zu, die Aufgabe an sich zu ziehen, wenn einzelne 79  Vgl. Wettich,

Vorstandsorganisation, S. 241. dazu Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 33, wonach Vorstandsbeschlüsse auch telefonisch, per E-Mail oder via Internet gefasst werden dürften, wenn keine Formzwänge vorlägen. Zur Zulässigkeit der virtuellen Vorstands­ sitzung und -abstimmung siehe auch Spindler, ZGR 2018, 17, 30 (m. w. N.). 81  Vgl. Wettich, Vorstandsorganisation, S. 64. Zu widersprechen ist aber der Forderung, der Handelnde müsste den Beschluss des Gesamtvorstands im Anschluss einholen. Zwar kann der Gesamtvorstand von der Einzelentscheidung wieder abweichen. Hat das Plenum aber keine Einwände gegen die Einzelmaßnahme, ist es doch recht künstlich, dies noch einmal zu beschließen. Der Handelnde sollte den Gesamtvorstand allerdings über die Ereignisse unterrichten, um diesem die Gelegenheit zu geben, weitere oder abweichende Maßnahmen zu ergreifen. Dieses Vorgehen ist jedoch Ausfluss der üblichen Informationspflicht, dazu noch § 10 II. Denkbar ist im Übrigen, dass der Handelnde eine Bestätigung wünscht und den Gesamtvorstand daher auffordert, einen Beschluss zu fassen. 80  Vgl.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Vorstandsmitglieder dies für erforderlich halten. Die Delegation ist mithin nicht unwiderruflich. Wurde eine Geschäftsverteilung noch nicht vorgenommen, kann sich der Gesamtvorstand hinsichtlich der eiligen Maßnahme auch einfach gegen eine Delegation entscheiden, weil ihm nicht genügend Zeit zur Verfügung steht, um die Voraussetzungen der Delegation zu beurteilen. Das Zeitargument lässt sich auch nicht durch einen Wertungstransfer aus der Fallgruppe der schuldrechtlichen Selbstbindung fruchtbar machen. Dort wird zum Teil auf die Dauer der Bindung abgestellt.82 Das Argument passt aufgrund der umfassenden Einflussrechte nicht, die Voraussetzung für eine zulässige Delegation sind: Durch diese Einflussrechte steuert der Vorstand weiterhin die Geschicke der Gesellschaft und bindet sich nicht gegenüber dem Delegationsempfänger.83 Im Ergebnis ist die Delegationsfähigkeit daher nach dem Inhalt der Aufgabe zu beurteilen. Darunter fallen in der Regel nicht die zeitlichen Umstände. 6. Zwischenergebnis Die vorstehend untersuchten Kriterien, die bislang vom juristischen Diskurs herangezogen werden, um die Delegationsfähigkeit im Einzelfall zu vermessen, erweisen sich ganz überwiegend als nicht geeignet, um delegierbare und nicht delegierbare Aufgaben zu differenzieren. Die Beleuchtung möglicher Differenzierungskriterien hat jedoch gezeigt, dass die Delegation in den Kontext des rechtlichen Dürfens zu rücken ist.

III. Bewertungsmaßstab: Befugnisüberschreitende Auswirkungen 1. Dogmatische Legitimation Im Folgenden soll diese Erkenntnis, dass die Delegation in den Kontext des rechtlichen Dürfens zu stellen ist, in einen tauglichen Bewertungsmaßstab gegossen werden, der die von der herrschenden Meinung vorgenommene Einzelfallprüfung ersetzt. Bislang hat die vorliegende Arbeit die Frage des rechtlichen Dürfens (oder auch der Kompetenzen bzw. Befugnisse) insbesondere im Hinblick darauf diskutiert, ob die Delegation als solche das aktien82  So etwa Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 78; Reichert, ZGR 2015, 1, 23. Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 216 f. rekurriert zwar im Rahmen der Delegation auf das Element der Dauer, allerdings unter der Maßgabe, dass keine Interventions- oder Informationsmöglichkeit bestehe. Dies verletzte aber die Organfunktion des Vorstands und stünde mithin nicht im Einklang mit dem aktienrechtlichen Organisationsgefüge. 83  Im Ergebnis auch Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 101.



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rechtliche Organisationsgefüge berührt: Maßnahmen, die gegen die zwingenden Organkompetenzen verstoßen, sind unzulässig. Die Vorstandskompetenzen oder -befugnisse reichen daher nur so weit, wie die Rechte von Aufsichtsrat und Hauptversammlung nicht betroffen sind.84 Das Zusammenspiel von Befugnissen setzt sich allerdings fort, wenn der Vorstand die Geschäftsführung organisiert: Delegation wurde bereits definiert als die Übertragung einer Aufgabe mitsamt Kompetenzen. Die Aufgabenwahrnehmung kann einem Delegationsempfänger daher nicht übertragen werden, ohne dass dieser auch die erforderlichen Befugnisse erhält. Das gilt für Vorstandsmitglieder, Mitarbeiter oder Dritte gleichermaßen. Nimmt der Delegationsempfänger seine ihm zugewiesene Aufgabe wahr, so unterliegt die Ausübung seiner Befugnisse Grenzen. Diese Grenzen folgen schon daraus, dass der Delegationsempfänger keine Generalbefugnis erhält, sondern lediglich einen bestimmten Ausschnitt wahrnehmen darf, der vom Vorstand genau zu umreißen ist. Das soll einerseits sicherstellen, dass alle Aufgaben wahrgenommen werden, andererseits formuliert die Befugnisausstattung für den Delegationsempfänger einen präzisen Handlungsauftrag und schränkt so seinen Handlungsradius ein. Die genaue Zuweisung der Aufgabe verhindert auch, dass der Delegationsempfänger in die Befugnisse eines anderen eingreift. Ansonsten läge faktisch eine allumfassende Einzelgeschäftsführungsbefugnis vor. Die Befugnisse des einzelnen Vorstandsmitglieds sind somit entsprechend „gekürzt“ um die Kompetenzbereiche der anderen Vorstandsmitglieder.85 Auf vertikaler und externer Ebene gilt dies ebenfalls: Mitarbeiter und Dritte müssen die Kompetenzen des bereichszuständigen Vorstandsmitglieds und des Gesamtvorstands wahren. Überschreitet der Delegationsempfänger bei seiner Aufgabenwahrnehmung dieses rechtliche Dürfen, spielt dies zwar in einem etwaigen Außenverhältnis keine Rolle,86 im Innenverhältnis handelt der Delegationsempfänger allerdings pflichtwidrig. Diese Schranken der Befugnisausübung lassen sich bereits für die vorgelagerte Befugnisausstattung und damit die Delegation heranziehen: Die Delegation darf nur so weit reichen, wie keine Befugnisse verletzt werden. Berührt sie die Kompetenzen anderer Vorstandsmitglieder oder, wenn die Aufgabe auf untere Ebenen übertragen werden soll, Kompetenzen des einzelnen Vorstandsmitglieds, ist sie unzulässig. Die Delegation unterliegt also den sachlogischen Grenzen der einzelnen Befugnisse. Hat die Aufgabenübertra84  Siehe

schon § 6 I. 1. h), 2. c), 3. b). aller Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 36; E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.21, wonach es häufig zu Überschneidungen komme, die sodann ein Zusammenwirken erfordern würden. 86  Siehe für den Vorstand § 82 AktG. Im Übrigen ist auf die allgemeinen Regelungen zur Stellvertretung zu verweisen. 85  Statt

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

gung befugnisüberschreitende Auswirkungen, ist sie unzulässig. Im Gegensatz zu Kompetenzfriktionen zwischen den Organen kann diese Delegationsschranke lediglich im Einzelfall bestimmt werden, da es entscheidend auf die Gesellschaft, ihre Organisation und die konkrete Aufgabe inklusive der sie erfüllenden Einzelmaßnahmen ankommt. Der Gedanke, dass die Maßnahme die Befugnisse mehrerer berührt und daher eine Gesamtzuständigkeit einfordert, sodass schon die Delegation diesen Schranken unterliegt, ist auch dem juristischen Diskurs nicht gänzlich fremd, wird aber allenfalls beiläufig angerissen und nicht rechtlich eingekleidet. So stellte der BGH in einem strafrechtlichen Urteil auf die ressortübergreifende Bedeutung und somit einen das Unternehmens- oder Gesellschaftsganze betreffenden Sachverhalt ab, um die Gesamtzuständigkeit zu begründen und nahm dies zum Beispiel bei Krisen- und Ausnahmesituationen an.87 Das OLG Hamm hatte über eine Konstellation zu entscheiden, in der die Geschäftsordnung den Gesamtvorstand für zuständig erklärte, wenn sich der Sachverhalt wesentlich auf andere Vorstandsbereiche auswirkte; für den konkreten Fall einer Darlehensgewährung nahm das Gericht eine wesentliche Auswirkung zumindest als naheliegend an.88 Im Schrifttum soll zum Teil entsprechend dem Kernbereichsgedanken mehr als nur ein Teilbereich betroffen sein, um eine Gesamtzuständigkeit zu begründen.89 Zum Teil wird eine Gesamtzuständigkeit aber auch gefordert, wenn zwei betroffene Ressorts über eine streitige Frage keine Klärung herbeiführen könnten und daher eine ressortübergreifende Bedeutung vorliege.90 Diese Vorstöße erfahren aber hinsichtlich ihrer Bestimmtheit Kritik.91 Das ist insofern zutreffend, als die rechtliche Grundlage fehlt und der im Grundsatz überzeugende Gedanke somit versandet. Verknüpft man das Gesellschaftsganze mit den Befugnissen der Vorstandsmitglieder, dann wäre es kontraintuitiv, die Delegation einer Maßnahme als zulässig zu erachten, die die Belange der ganzen Gesellschaft derart betrifft, dass auch die Kompetenzen aller Vorstandsmitglieder berührt sind. Vielmehr ist unter dieser Maßgabe ein Delegationsverbot für die einzelne Maßnahme zu statuieren. 87  BGHSt 37, 106, 123 f. = BGH NJW 1990, 2560, 2565 („Lederspray“). Wettich, Vorstandsorganisation, S. 64 spricht von der „unternehmensweiten Bedeutung“ und stimmt damit der Lederspray-Entscheidung zu. 88  OLG Hamm ZIP 1995, 1263, 1266. 89  Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 14. 90  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 16; weitergehender augenscheinlich noch Mertens, in: Kölner Komm. AktG, 2. Aufl., der in § 77 Rn. 16 ebenfalls Friktionen innerhalb des Organs für erforderlich hält, in § 77 Rn. 18 hingegen nur auf die übergreifende Bedeutung verweist. Ähnlich Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 195. 91  Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 745.



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls219

Ausgehend von diesem Bewertungsmaßstab ist der Herleitung über § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG, § 116 Abs. 2 HGB92 somit eine Absage zu erteilen: Es kommt nicht auf die Beurteilung der Erheblichkeit an, sondern auf das rechtliche Dürfen der Handelnden. 2. Inhaltliche Ausformung a) Spezifische Betroffenheit in der Befugnis Ist das Befugnisgefüge somit als dogmatischer Ausgangspunkt identifiziert, gilt es, die einzelnen Parameter des Bewertungsmaßstabs präzise auszuformen. Dabei muss jede Einzelmaßnahme einer Aufgabe individuell betrachtet werden, da Aufgaben pauschal keinem Delegationsverbot unterliegen. Befugnisschranken ergeben sich aus den Organisationsregelungen, die im Rahmen des § 77 AktG statuiert werden. Konkret können Satzungs-, Geschäftsordnungs- und Einzelbeschlüsse die Delegation durch den Vorstand eingrenzen. Die Regelungsfreiheit nach § 77 AktG unterliegt aber auch Schranken, die an den Gedanken des Gesellschaftsganzen anknüpfen: Gewisse Geschäftsführungsmaßnahmen lassen sich nicht durch die beschriebenen Regelungen zuweisen, sondern unterliegen naturgemäß der Delegationsschranke. Anschauliches Beispiel ist die Entscheidung über ein Delisting der Gesellschaft. Diese Entscheidung betrifft das Gesellschaftsganze und kann daher auch nicht durch Satzung oder Geschäftsordnung einem Vorstandsmitglied auferlegt werden. Rechtlich begründen lässt sich dies wiederum mit dem Befugnisgefüge: Eine derartige Entscheidung kann nicht als Kompetenz eines einzelnen Vorstandsmitglieds verfasst werden, da jedes Vorstandsmitglied in seinen Kompetenzen betroffen ist. Das heißt aber auch, dass es für diese Arten von Maßnahmen keiner Regelung im Sinne des § 77 AktG bedarf. Der Bewertungsmaßstab setzt mithin unmittelbar aktienrechtliche Wertungen um. Das Delisting ist ein eindeutiges Beispiel für eine befugnisüberschreitende Auswirkung und wirft daher keine Schwierigkeiten auf. Um dem Anspruch gerecht zu werden, dass der Vorstand seine Gesellschaft möglichst effektiv organisieren kann, darf allerdings nur ein Ausschnitt an Maßnahmen nicht delegierbar sein. Dieser Anspruch erscheint gefährdet, wenn bereits jede Auswirkung auf weitere Befugnisträger ausreichen würde, um ein Delega­ tionsverbot im Einzelfall zu begründen. Plastisch darstellen lässt sich dies anhand des Finanzbereichs: Dieser Aufgabenbereich ließe sich keinem Vorstandsmitglied zuweisen, da beinahe jede Maßnahme in der Gesellschaft finanzielle Fragen aufwirft und daher das finanzzuständige Vorstandsmitglied 92  Dazu

I.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

durch Maßnahmen anderer Vorstandsmitglieder in seinen Kompetenzen berührt ist oder durch seine Entscheidungen die übrigen Aufgabenbereiche beeinflusst.93 Ohne weitere inhaltliche Einschränkung wäre dieser Bewertungsmaßstab mithin nicht sachgerecht. Das Delegationsverbot muss sich also auf solche Maßnahmen beschränken, die eine qualifizierte Beeinträchtigung der Kompetenzen nach sich ziehen: Es kommt entscheidend darauf an, dass die jeweilige Maßnahme nicht nur reflexartig, sondern ganz spezifisch in andere Aufgabenbereiche eingreift und damit einen Sachverhalt schafft, der sich auf die dem Delegationsempfänger übergeordnete Ebene erstreckt und in der Art bindet, dass die zuständigen Vorstandsmitglieder oder bei nachgelagerten Strukturen das zuständige Vorstandsmitglied ihre Aufgabe und die darin enthaltenen spezifischen Entscheidungen nicht mehr nach freiem Ermessen treffen können. Schränkt die Maßnahme das Ermessen der übrigen Aufgabenbereiche hinsichtlich ihrer spezifischen Tätigkeit also ein, muss die Maßnahme von der höheren Entscheidungsebene getroffen werden. Die möglichst effektive Aufgabenwahrnehmung gebietet es zudem, insbesondere auf horizontaler Ebene die Aufgabe nicht zwingend beim Gesamtvorstand zu belassen, wenn eine befugnisüberschreitende Auswirkung festgestellt wird. Das sollte nur dann der Fall sein, wenn eine Maßnahme alle Vorstandsmitglieder in dem vorstehend beschriebenen Maße betrifft. Erstreckt sie sich auf einige Aufgabenbereiche, sollte nicht pauschal der Gesamtvorstand als maximale Form der Aufgabenwahrnehmung zuständig sein. Richtigerweise sollten lediglich die betroffenen Aufgabenbereiche zusammenwirken.94 Dazu bedarf es aber keiner Unstimmigkeiten hinsichtlich der Erfüllung, wie es teilweise gefordert wird, um eine Gesamtzuständigkeit zu begründen.95 Dieses Szenario wäre keine Frage der Befugnisüberschreitung, sondern der sorgfältigen Aufgabenwahrnehmung und somit über die Überwachungspflicht aufzulösen.96 auch Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 218. in diese Richtung auch Schönbrod, Organstellung von Vorstand und AG, S. 86 f., der ebenfalls eine Abstufung der Entscheidungszuständigkeiten annimmt. Der beschriebene Bewertungsmaßstab findet auch in der Praxis Umsetzung: So enthält die Geschäftsordnung der Daimler AG in Ziff. III Nr. 7 den Passus, dass Angelegenheiten, die die Verantwortungsbereiche mehrerer Vorstandsmitglieder betreffen, im Vorstand behandelt werden, Geschäftsordnung für den Vorstand der Daimler AG, Stuttgart, Stand Januar 2018, abrufbar unter https://www.daimler.com/dokumente/konzern/ corporate-governance/vorstand/daimler-geschaeftsordnungfuerdenvorstand.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2019. 95  So aber Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 16; weitergehender augenscheinlich noch Mertens, in: Kölner Komm. AktG, 2. Aufl., der in § 77 Rn. 16 ebenfalls Friktionen innerhalb des Organs für erforderlich hält, in § 77 Rn. 18 hingegen nur auf die übergreifende Bedeutung verweist. Ähnlich Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 195. 93  Vgl. 94  Vgl.



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls221

Der Bewertungsmaßstab der befugnisüberschreitenden Auswirkungen gilt nicht nur für die horizontale Delegation, sondern delegationsformübergreifend: Das Vorstandsmitglied kann in seinem Aufgabenbereich nur solche Aufgaben oder Maßnahmen an Mitarbeiter oder Dritte delegieren, die nicht spezifisch seine Kompetenzen betreffen. b) Pflicht zur Rückdelegation Die befugnisüberschreitenden Auswirkungen lassen sich nicht immer im Voraus erkennen, sondern können sich erst nachträglich offenbaren oder überhaupt erst zu einem späteren Zeitpunkt aus den Umständen erwachsen. Zwar hat der Vorstand die Aufgabe dann bereits delegiert. Die Aufgabenerfüllung durch den Delegationsempfänger verletzt aber die Befugnisverteilung im Innenverhältnis. Erkennt der Delegationsempfänger oder aber der Vorstand im Rahmen seiner Überwachungspflicht, dass die Maßnahme Befugnisse überschreitet, besteht eine Pflicht zur Rückdelegation.97 Diese Rückdelegation ist zwingender Ausdruck des Befugnisgefüges. Davon zu unterscheiden ist die erneute Aufgabenwahrnehmung durch den Gesamtvorstand, wenn der Delegationsempfänger die Aufgabe sorgfaltswidrig erfüllt hat. Der Rückdelegation steht auch nicht entgegen, dass Delegation und Aufgabenerfüllung rechtlich eigenständig zu bewerten sind. Die Überwachungspflicht verknüpft beide zu einer Schicksalsgemeinschaft. Der vorliegende Bewertungsmaßstab gilt also für die gesamte Delegationsphase bis hin zur erneuten Wahrnehmung durch den Gesamtvorstand. Die befugnisüberschreitenden Auswirkungen lassen sich im Ergebnis wie folgt veranschaulichen: Der Gesamtvorstand ist zuständig für Maßnahmen mit gesellschaftsweitem Einfluss. Einzelne Vorstandsmitglieder müssen zusammenwirken, wenn ein aufgabenbereichsüberschreitender Sachverhalt vorliegt, der die Kompetenzen des Gesamtvorstands noch nicht berührt. Innerhalb eines Aufgabenbereichs ist das Vorstandsmitglied anstelle von Mit­ arbeitern oder Dritten zuständig, wenn die Maßnahme bereichsweite Wirkung entfaltet. All diese Maßnahmen müssen spezifisch in andere Kompetenzen eingreifen.

96  Siehe

noch § 10 VI. auch Schrage, Aktienrechtliche Pflichten und Haftung, S. 222, der eine sofortige Vorlagepflicht annimmt, allerdings von Leitungsaufgaben ausgeht. 97  Vgl.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

3. Tauglichkeitsprüfung a) Gesetzliche Vorstandspflichten aa) § 83 AktG Ist der Bewertungsmaßstab der befugnisüberschreitenden Auswirkungen somit inhaltlich ausgeformt, soll im Folgenden eine Tauglichkeitsprüfung vorgenommen werden, die gesetzliche und ungeschriebene Pflichten beleuchtet.98 Als erste dieser Pflichten ist § 83 AktG in den Blick zu nehmen. Danach unterliegt der Vorstand der Pflicht zur Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen sowie zur Vorbereitung und zum Abschluss von Verträgen, die nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden. Der Vorstand soll durch Vorbereitungsmaßnahmen die weitgehend handlungsunfähige Hauptversammlung unterstützen, durch die Ausführung von Beschlüssen erfüllt er seine Geschäftsführungsaufgabe.99 Das Verlangen im Sinne des § 83 Abs. 1 S. 1 AktG, namentlich die Vorbereitung von Maßnahmen der Hauptversammlung, wird regelmäßig an den Gesamtvorstand adressiert sein. Gleiches gilt für Vorbereitungsmaßnahmen, die gemäß § 83 Abs. 1 S. 2 AktG anfallen, wenn Verträge der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen. Der Gesamtvorstand könnte die Aufgabe der Vorbereitung sodann horizontal an ein einzelnes Vorstandsmitglied weiterreichen. Prüft man diese Delegation nun im Hinblick auf ihre befugnisüberschreitenden Auswirkungen, betreffen die Maßnahmen, die von der Hauptversammlung beschlossen werden, zwar ohne weiteres das Plenum. Dazu gehören etwa die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG, die Verwendung des Bilanzgewinns gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 AktG oder Satzungsänderungen nach § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG. Die Aufgabe des Vorstands beschränkt sich aber auf die organisatorische Begleitung der Maßnahme. Ihm kommt keine Entscheidungsgewalt zu, mittels derer er auf die Hauptversammlung Einfluss nehmen könnte. Daher fehlt es an einem spezifischen Eingriff des Delegationsempfängers in die Kompetenzen der übrigen Vorstandsmitglieder. Der spezifische Eingriff erfolgt durch die Entscheidung der Hauptversammlung. Auch die weiteren Delegationsformen wirken sich nicht befugnisüberschreitend aus. Delegationsfähig ist im Ausgangspunkt auch die Ausführung gemäß § 83 Abs. 2 AktG, die Ausdruck der gewöhnlichen Geschäftsführung ist. Hier ist sodann indivi­

98  Zu §§ 124 Abs. 3 S. 1, 170, 172 AktG schon hinreichend unter § 5 II. 3. a). Die Führung des Aktienregisters gemäß § 67 AktG hat keine spezifisch gesellschaftsweite Bedeutung und ist somit zweifellos delegierbar, siehe ebenfalls § 5 II. 3. a). 99  Dazu Habersack/Foerster, in: Großkomm. AktG, § 83 Rn. 2.



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls223

duell zu prüfen, ob die Ausführungsmaßnahmen befugnisüberschreitende Wirkung haben.100 bb) § 90 AktG Auch die Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat gemäß § 90 AktG sind dahingehend zu untersuchen, ob sich die Delegation befugnisüberschreitend auswirken könnte. Dazu ist der Prozess der Berichterstattung differenziert zu betrachten. Die rechtstatsächliche Vorlage des bereits erstellten Berichts kann horizontal, vertikal oder extern delegiert werden, da es sich um einen rein organisatorischen Akt handelt. Die externe Delegation dürfte praktisch aber irrelevant sein. Fraglich ist hingegen, ob sich die vorher zu treffende Entscheidung, den Bericht zuzuleiten, befugnisüberschreitend auswirkt. Auf horizontaler Ebene ist dies nicht ersichtlich. Selbst wenn man forderte, dass vor Zuleitung des Berichts der Gesamtvorstand entscheidet,101 ist davon auszugehen, dass die einzelnen Vorstandsmitglieder die Berichte über ihren Aufgabenbereich erstellen und diese beim Gesamtvorstand lediglich gesammelt und nach den Maßstäben der Überwachungspflicht kontrolliert werden. Die Entscheidung des Gesamtvorstands wäre somit bloße Makulatur. Der Schwerpunkt der Pflicht liegt also in der Vorbereitung. Diesem Pflichtenschwerpunkt wird der Vorstand aber auch nicht gerecht, indem das Plenum den Bericht erstellt: Diesem fehlen bereits die Kenntnisse, um über sämtliche Aufgabenbereiche einen Gesamtbericht zu verfassen. Es fehlen auch die Kapazitäten, da die Vorstandsmitglieder in ihren individuellen Aufgabengebieten zu eingebunden sind. Nicht zuletzt bedeutete die Berichtskette von Einzelvorstand über den Gesamtvorstand an den Aufsichtsrat eine nicht unerhebliche zeitliche Verzögerung in der Berichterstattung.102 Das bereichszuständige Vorstandsmitglied hat hingegen 100  Vgl. zum Vorstehenden auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 167, der die Maßnahmen zur Erfüllung der Pflicht als technische einstuft. Im Ergebnis auch Grabolle, Leitungsfunktion, S.  120 f. 101  Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 5 f. Einzelne Berichte gegenüber dem Aufsichtsrat sollen daher nicht unter § 90 AktG fallen, auch wenn der Aufsichtsrat diese verlangt. 102  Zum Vorstehenden vgl. Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 98. Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 60 f. hält es für zulässig, einem Vorstandsmitglied per Satzung oder Geschäftsordnung die Berichtspflicht aufzuerlegen, da der Aufsichtsrat jederzeit den Gesamtvorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder zum Bericht auffordern könne. Unklar ist, ob damit lediglich die Vorlagepflicht gemeint ist oder tatsächlich auch die Erstellung des Berichts. Die Erstellung des Berichts einem Vorstandsmitglied aufzutragen, das lediglich über seine Überwachungspflicht Einblick in die nicht ihm zugewiesenen Aufgaben erhält, überzeugt nicht.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

naturgemäß den ersten Informationszugriff und sollte deshalb für die Berichterstattung über den eigenen Aufgabenbereich zuständig sein. Anders ist die Situation zu bewerten, wenn der Berichtsinhalt die Aufgabenbereiche mehrerer Vorstandsmitglieder betrifft. Das gemeinsame Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder folgt dann bereits aus dem hier vertretenen Befugnismodell: Demnach kann die Berichtspflicht von jedem Vorstandsmitglied erbracht werden, sofern sich die Informationen lediglich auf seinen Aufgabenbereich beziehen. Spezifisch in ihren Kompetenzen betroffen sind die Vorstandsmitglieder hingegen dann, wenn eine bereichsfremde Person den Bericht über ihre Aufgabenbereiche verfasst. Die übrigen Vorstandsmitglieder sind sodann durch die Kontrolle geschützt: Der Gesamtvorstand weiß schon deshalb um die Lage des jeweiligen Bereichs, weil die Delegation eine Überwachungspflicht inklusive Informa­ tionsaustausch nach sich zieht.103 Der Gesamtvorstand hat bei ordnungsgemäßer Überwachung bereits einen hinreichenden Überblick. Der Vollständigkeit halber sollte der Bericht an den Aufsichtsrat zusätzlich dem Gesamtvorstand vorgelegt werden, um Transparenz zu schaffen und der Informationspflicht nachzukommen. Auch der formale Ablauf streitet nicht für eine gemeinsame Weiterleitung. § 90 Abs. 2 AktG gibt die Frequenz vor, mit der Berichte gemäß § 90 Abs. 1 AktG zu erfolgen haben; punktgenaue Zeitangaben fehlen. Nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG kann der Aufsichtsrat vom Vorstand überdies jederzeit Bericht verlangen. Schließlich können besondere Umstände die gesonderte Information des Aufsichtsrats erforderlich machen.104 Neben dem „Sonderbericht“, der naturgemäß keinen zeitlichen Vorgaben folgt, sind auch die Regelberichte nicht an eine bestimmte Frist gebunden. Die Form gesteht dem berichtspflichtigen Vorstand somit eine gewisse Flexibilität zu. Das sollte auch für die einzelnen Vorstandsmitglieder gelten. Hat ein Vorstandsmitglied den Bericht erstellt, ist wiederum nicht einzusehen, warum es mit der Weiterleitung warten sollte. Eine verpflichtende gemeinsame Berichterstattung ist daher abzulehnen. Der Gesamtvorstand könnte letztlich über jeden Einzelbericht Beschluss fassen. Ein inhaltlicher Mehrwert liegt darin aber nicht. Lediglich der bürokratische Mehraufwand würde steigen. Der hier vorgeschlagene Bewertungsmaßstab ermöglicht zudem flexible Lösungen: Betrifft der Berichtsinhalt mehrere Vorstandsmitglieder, müssen diese zusammenwirken. Betrifft die Thematik den Gesamtvorstand, muss er Bericht erstatten. Hier greift die Pflicht zur Rückdelegation, wenn sich dies erst nachträglich ergibt. Im Übri103  Dazu 104  Kort,

§ 10 II. in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 4.



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls225

gen ist die Berichterstattung nach § 90 AktG von vornherein eine geteilte Aufgabe. Die horizontale Delegation ist somit im Rahmen des § 90 AktG zulässig. Die Berichterstellung im jeweiligen Aufgabenbereich der einzelnen Vorstandsmitglieder kann sodann ohne weiteres auch vertikal oder extern delegiert werden. Hier gilt ebenfalls der Maßstab der befugnisüberschreitenden Auswirkungen: Die Entscheidung, dass der Bericht dem Aufsichtsrat zugeleitet werden kann, muss daher vom Vorstandsmitglied getroffen werden, da das Vorstandsmitglied spezifisch betroffen ist. cc) §§ 91, 92 AktG Beleuchtet man sodann die Pflicht der Buchführung gemäß § 91 Abs. 1 AktG, so führt die Delegation ebenfalls nicht zu einer Befugnisüberschreitung: Die Aufgabe kann daher einem Vorstandsmitglied zugewiesen werden.105 Aber auch die weiteren Delegationsformen sind nach dem hier aufgestellten Bewertungsmaßstab zulässig. Das zeigt schon der Wortlaut, wonach der Vorstand „Sorge zu tragen hat“, dass die Pflicht erfüllt wird. Die Einzelfallbetrachtung bestätigt dies: Die Buchführung hat keine Auswirkungen auf die Vorstandsmitglieder sowie das einzelne Vorstandsmitglied in dem hier geforderten Maße. § 91 Abs. 2 AktG betrifft sodann das Risikomanagement. Die Norm stellt auf bestandsgefährdende Entwicklungen ab,106 die nach der hier vorgeschlagenen Lösung eine Einbeziehung des Gesamtvorstands erfordern. Ein pauschales Delegationsverbot der gesamten Pflicht ist aber nicht anzunehmen. Vielmehr ist die Aufgabenerfüllung abzustufen. Das gilt insbesondere für die Entwicklung und Installierung eines Risikomanagementsystems. Insofern besteht eine Parallele zur Compliance-Pflicht.107 Daher wird auf diese Ausführungen verwiesen. Die Pflichten nach § 92 Abs. 1 AktG bestehen vor dem Hintergrund, dass sich die Gesellschaft in einer finanziellen Krise befindet. Da sich eine finanzielle Krise im Sinne des § 92 Abs. 1 AktG auf alle Vorstandsmitglieder auswirkt und sie in ihrer Geschäftsführung spezifisch betrifft, ist von einer Zuständigkeit des Gesamtvorstands auszugehen.108 105  Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 91 Rn. 3; etwas missverständlich Kort, in: Großkomm. AktG, § 91 Rn. 11 f.; im Ergebnis auch Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 65 f. Siehe auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 167 f., wonach es sich um eine bloß technische Aufgabe handele. Außerdem Fleischer, WM 2006, 2021, 2023 ff. 106  Vgl. zum Normzweck Koch, in: Hüffer/Koch, § 91 Rn. 4. 107  Dazu unter b) aa). 108  Siehe Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 59  ff. Siehe auch Thümmel, BB 2002, 1105 ff. Das Zahlungsverbot nach § 92 Abs. 2 AktG richtet sich – wie etwa auch das Wettbewerbsverbot gemäß § 88 AktG – individuell an jedes

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

dd) Weitere Vorschriften Dass der Bewertungsmaßstab der befugnisüberschreitenden Auswirkungen auf Maßnahmen mit unterschiedlichsten Regelungsschwerpunkten anwendbar ist, zeigen auch die Pflichten mit Aufsichtsratsbezug, etwa die §§ 97 Abs. 1, 98, 104 Abs. 1, 110, 111 Abs. 4 S. 2 AktG. Diese müssen ebenfalls vom Gesamtvorstand vorgenommen werden, da hier das Organverhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat in einem Ausmaß betroffen ist, dass schon auf horizontaler Ebene ein einzelnes Vorstandsmitglied die Entscheidung nicht für die übrigen Vorstandsmitglieder treffen kann, ohne spezifisch in deren Kompetenzen einzugreifen.109 Die Vorlage an die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG hat mit der gleichen Argumentation der Gesamtvorstand zu entscheiden: Die Zustimmung der Hauptversammlung wirkt sich auf die eigenverantwortliche Geschäftsführung als solche und damit die Organstellung des Vorstands aus.110 Wird der Vorstand gemäß § 118 Abs. 1, 2 AktG durch die Satzung ermächtigt, eine Online-Teilnahme oder eine Briefwahl vorzusehen, so ist das Gesamtorgan für diese Entscheidung zuständig, da sie ebenfalls die gesamte Gesellschaft betrifft. Die Einberufung der Hauptversammlung gemäß § 121 Abs. 2 S. 1 AktG erfolgt explizit durch Beschluss des Gesamtvorstands. Dass der Gesamtvorstand tätig werden muss, bestätigt auch der hier herausgearbeitete Bewertungsmaßstab der befugnisüberschreitenden Auswirkungen, da die Hauptversammlung alle Vorstandsmitglieder gleichermaßen in die Pflicht nimmt. Auch § 203 Abs. 2 AktG erfordert eine Entscheidung, die sich auf die Rechte der Hauptversammlung auswirkt. § 245 Nr. 4 AktG regelt die Anfechtungsbefugnis: Da ein Hauptversammlungsbeschluss angegriffen wird, muss ebenfalls das Plenum handeln, wenn nicht ein Fall des § 245 Nr. 5 AktG vorliegt, der den einzelnen Vorstandsmitgliedern die Anfechtungsbefugnis verleiht. Die Vorlage gemäß § 314 Abs. 1 AktG ist vergleichbar mit § 170 AktG111 und kann durch ein Vorstandsmitglied erfolgen. Vorstandsmitglied, da nicht jede Zahlung oder vielmehr der Großteil ohnehin nicht durch den Gesamtvorstand beschlossen werden. Vgl. zum Zahlungsverbot Habersack/ Foerster, in: Großkomm. AktG, § 92 Rn. 122 ff. Zur Auswirkung finanzieller Krisen auf die laufende Kontrolle, namentlich auf die Prüfintensität, siehe § 10 IV. 1. c) bb). 109  Im Ergebnis auch Grabolle, Leitungsfunktion, S. 122 f. Im Rahmen des § 110 AktG differenziert sie allerdings nach dem Anlass der Einberufung und im Rahmen des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG nach der Maßnahme, die der Zustimmung unterworfen werden soll. 110  Vgl. auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 164, wonach der Vorstand sein Interventionsrecht einbüße. Andere Ansicht Grabolle, Leitungsfunktion, S. 126, da hiernach nur delegationsfähige Maßnahmen überhaupt vorgelegt werden könnten. 111  Siehe dazu § 5 II. 3. a).



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls227

Zuletzt soll noch die Frauenförderung in den Blick genommen werden, die inzwischen in § 76 Abs. 4 S. 1 AktG gesetzlich verankert ist. Danach legt der Vorstand von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen fest. Diese Zielgrößen binden alle Vorstandsmitglieder. Daher müssen sie auch vom Gesamtvorstand beschlossen werden. Eine Bemühenspflicht existiert nach der hier vorliegenden Auffassung nicht.112 Sofern hier ein Posten geschaffen werden sollte, der mit der Förderung bestimmter Personengruppen beauftragt wird, muss dieser mit den jeweils anderen Vorstandsmitgliedern zusammenwirken, wenn er in deren Aufgabenbereiche eingreift. Der Gesamtvorstand sollte abseits der allgemeinen Zielgrößen aber nicht handeln müssen. Auf nachgelagerten Ebenen kann die Aufgabe dann auch parallel zur Personalabteilung weiter nach unten gereicht werden.113 b) Ungeschriebene Pflichten aa) Compliance Auch die Delegation ungeschriebener Pflichten lässt sich anhand des Befugnismodells bewerten. Der Schwerpunkt der Debatte liegt auf der Compliance-Pflicht, die für den Vorstand rechtspraktisch von überragender Bedeutung ist. Das Siemens/Neubürger-Urteil hat zur Erfüllung der Pflicht bereits Anforderungen aufgestellt und nimmt für die Einrichtung eines geeigneten Compliance-Systems als solches eine Gesamtzuständigkeit an. Dann erfolgt eine Abstufung der Adressaten: Bei der Ausführung sei eine Delegation wiederum möglich. Die Compliance-Durchsetzung dürfe aber nicht an Mitarbeiter delegiert werden.114 Das Gericht installiert keineswegs ein pauschales Delegationsverbot, weder horizontal noch vertikal.115 Auch der weitere juristische Diskurs bleibt ohne klaren Befund.116 Wendet man den hier entwickel112  Siehe

dazu § 1. unter c). 114  Vgl. LG München I NZG 2014, 570, 574 f. 115  Siehe auch Meyer, DB 2014, 1063, 1065 f. Siehe auch Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 157 ff., der Mindestanforderungen aufstellt, die nach seiner Auffassung mit denen des Landgerichts übereinstimmen. Hier steht weniger der Delegationsempfänger im Vordergrund, sondern die sorgfältige Organisation, namentlich durch eine genaue Zuordnung der Aufgaben. 116  Das Schrifttum vermag keine verlässliche Linie zu finden, vgl. Fleischer, NZG 2014, 321, 323 f. Außerdem Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 91 Rn. 64 ff.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 3. Zur datenschutzrechtlichen Compliance Behling, ZIP 2017, 697, 699, 113  Dazu

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

ten Bewertungsmaßstab auf die Compliance an, gelingt es, die rechtsunsichere Lage zu entschärfen, da ein einheitlicher Maßstab gilt: Das Compliance-System, das sich die Gesellschaft auferlegt, wirkt tatsächlich in alle Aufgabenbereiche hinein. Dabei handelt es sich aber nicht um einen Reflex, sondern um einen spezifischen Handlungsleitfaden für alle. So lässt sich etwa die Korruptionsbekämpfung nicht kanalisieren, sie betrifft vielmehr jeden Aufgabenbereich. Die Einrichtung der Compliance mitsamt den wesentlichen Überschriften, namentlich der grundsätzlichen Strategie, ist also vom Gesamtvorstand zu beschließen.117 Im Übrigen ist die Aufgabenwahrnehmung der Delegation zugänglich: Abseits der allgemeinen Einrichtung kann ein Vorstandsmitglied federführend mit der Compliance betraut werden. Ihm obliegt dann die weitere Organisation einschließlich der Hinzuziehung von Mitarbeitern. Sofern innerhalb dieses Bereichs bereichsweite Maßnahmen vorzunehmen sind, muss das zuständige Vorstandsmitglied tätig werden. Als Anschauungsbeispiel kann der Abschluss von Verträgen der Gesellschaft mit Dritten, etwa Lieferantenverträgen, herangezogen werden: Der Gesamtvorstand muss nicht intern darüber entscheiden, wie diese Verträge in den einzelnen Aufgabenbereichen zu formulieren sind. Hier wird man jedoch prüfen müssen, ob nicht das Vorstandsmitglied, in dessen Zuständigkeit der jeweilige Vertragsschluss fällt, und das für die Compliance zuständige Vorstandsmitglied zusammenwirken sollten. Dass aber beispielsweise der Per­ sonalvorstand nicht einzubinden ist, liegt klar auf der Hand. Eine Zusamder den betrieblichen Datenschutzbeauftragten aufgrund seiner rechtlichen Aufgabenzuweisung als ungeeigneten Delegationsempfänger einstuft; Löschhorn/Fuhrmann, NZG 2019, 161, 167 f. Außerdem zum Datenschutz Korch/Chatard, AG 2019, 551, 554 ff.; Noack, ZHR 183 (2019), 105, 124 f.; Spindler, ZGR 2018, 17, 40 f.; außerdem Löschhorn/Fuhrmann, NZG 2019, 161, 166 f. Siehe auch Hauschka/Moosmayer/Lösler, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 1 Rn. 30 ff. mit einem Überblick zu der Diskussion, ob eine Rechtspflicht zur Compliance-Organisation besteht. Laut Pietzke, CCZ 2010, 45, 51 soll eine Klausel in Lieferantenverträgen, die sich gegen Kinder- oder Zwangsarbeit verwahrt, keine Gesamtzuständigkeit erfordern. Ebenso seien Inhalte von Beratungsverträgen nicht vom Gesamtvorstand zu beschließen. Etwas anderes gelte für die Grenzen von Geschenken oder Einladungen: Hier müsse der Gesamtvorstand entscheiden, ob derartige Grenzen festzusetzen seien oder aber dies individuell zu bestimmen sei. Derartige Grenzen festzusetzen, ist durchaus bedenkenswert, da alle Vorstandsmitglieder gebunden werden. Laue/Brandt, BB 2016, 1002, 1003, 1006 verlangen, dass bei einem Outsourcing Strategie, Ausgestaltung und Koordination zwischen den Unternehmensbereichen in der Gesellschaft verbleiben müssten, während die Durchführung Externen überlassen werden könne. Fuhrmann, NZG 2016, 881, 889 hält auch die Einleitung einer Internal Investigation für delegierbar, wobei er dieser Delegation praktisch nur wenig Relevanz einräumt. Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1455 hingegen konstatiert ganz offen, dass die Delegation notwendig sei, und stellt lediglich die Existenz der Compliance in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands. 117  § 91 Abs. 2 AktG dürfte ob seiner Systemwirkung gleich zu bewerten sein.



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls229

menarbeit ist deshalb denkbar, da diese Klauseln möglicherweise einmal standardmäßig festgelegt werden und in der Folge immer wieder durch das Vorstandsmitglied Verwendung finden. Ein spezifischer Eingriff in die Kompetenzen des Compliance-Vorstands ist aber nicht anzunehmen, wenn sich das vertragszuständige Vorstandsmitglied nicht abstimmt. Der ComplianceVorstand kann aber im Rahmen der Überwachungspflicht intervenieren. Ist der Vertragsschluss also nicht von besonderen Umständen geprägt, ist die Delegation zulässig. Gleiches gilt für die Beratungsverträge: Sofern nicht ein gesellschaftsweiter Inhalt erforderlich ist, bedarf es keiner Entscheidung aller. Auch die sogenannten Internal Investigations lassen sich individuell beurteilen: So muss der Gesamtvorstand zwingend entscheiden, wenn die gesamte Gesellschaft betroffen ist. Bei derartigen Vorgängen ist regelmäßig davon auszugehen. Denkbar sind aber auch „kleinere“ Investigations, die ein einzelnes Vorstandsmitglied für seinen Aufgabenbereich anordnet, um ein Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Dritten aufzuklären. Soweit diese Untersuchung ein größeres Fehlverhalten aufdeckt, das bis zur Vorstandsebene reicht, muss sich der Gesamtvorstand einschalten. Internal Investigations sind mithin wenig konfliktträchtig, jedenfalls aber durch die Überwachungspflicht ohnehin im Agitationsfeld des Gesamtvorstands angesiedelt. bb) EDV und IT Die EDV-Organisation ist hingegen ohne weiteres delegierbar. Prüft man, inwieweit die gesamte Gesellschaft betroffen ist, so könnte man auf den ersten Blick annehmen, dass EDV und IT jeden Aufgabenbereich berühren.118 Dazu müssten die anderen Aufgabenbereiche aber mehr als nur reflexartig, namentlich spezifisch, betroffen sein. Eine derartige spezifische Betroffenheit liegt aber im Hinblick auf EDV- und IT-Maßnahmen nicht vor. Der zuständige Delegationsempfänger entwickelt das passgenaue Konzept und arbeitet es entsprechend aus. Die übrigen Unternehmensbereiche arbeiten mit der vorhandenen Struktur. Das ist auch rechtspraktisch zwingend erforderlich: Innerhalb des Vorstands werden nicht alle Vorstandsmitglieder über Fachkenntnisse im EDV- und IT-Bereich verfügen. Würde man eine Gesamtzuständigkeit für diesen Bereich statuieren, würde man ein bloßes „Abnicken“ der Maßnahme durch das Plenum provozieren. Diese Gefahr wurde bereits im Hinblick auf die Qualität gemeinschaftlicher Entscheidungen beleuchtet.119 Darüber hinaus ist aber schon zweifelhaft, dass in jeder Aktiengesellschaft zumindest eines der Vorstandsmitglieder seine Kernkompetenz 118  So

etwa Stein, ZGR 1988, 163, 166 f.

119  § 6 III. 2. a).

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

im EDV- und IT-Bereich hat, auch wenn sich die Digitalisierung immer stärker zur Unternehmensräson entwickeln dürfte. Selbst wenn die Gesellschaft einen derartigen Aufgabenbereich schafft und ein fachkundiges Vorstandsmitglied bestellt wird, bedarf das Vorstandsmitglied weiterer Expertise, da kaum ein anderes Aufgabenfeld stärker auf Spezialisten angewiesen sein dürfte. Entsprechend nahe liegt es, (zusätzlich) externe Unternehmen zu beauftragen. Hinzu kommt, dass die EDV- sowie IT-Infrastruktur nicht unerhebliche Kapazitäten bindet. Daher ist in diesem Bereich regelmäßig auch die Einschaltung Dritter erforderlich.120 Somit ist eine Beschränkung der Delegation nach dem Befugnismodell nicht erforderlich. Dieses Ergebnis stützen auch die vorstehenden Praktikabilitätserwägungen. cc) Corporate Social Responsibility und Corporate Reputation Management Corporate Social Responsibility und Corporate Reputation Management ordnet das Schrifttum oftmals dem Gesamtvorstand zu.121 Hier ist schon die Annahme einer Pflicht höchst zweifelhaft. Dennoch kann der Vorstand entsprechende Maßnahmen ergreifen, die möglicherweise abstimmungsbedürftig sind. Soziale Maßnahmen sollten im Ausgangspunkt jedem Vorstandsmitglied möglich sein, ohne dass der Gesamtvorstand entscheidet. Die Entscheidung des Plenums kann aber dann relevant werden, wenn die Maßnahme alle Aufgabenbereiche betrifft. So ist etwa ein allgemeingültiges Umweltkonzept, das in jeden Aufgabenbereich hineinwirkt und Strukturänderungen erfordert, im Plenum zu beschließen. Auch Maßnahmen des Reputation Managements hängen davon ab, ob das Ermessen der übrigen Vorstandsmitglieder derart betroffen ist, dass ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Dann muss ebenfalls der Gesamtvorstand tätig werden. Ob für die Pflicht zur „Rechtsfolgenvermeidung“ das Plenum zuständig ist, hängt gleichfalls davon ab, ob sie alle Bereiche binden sollen. c) Auflösung des unternehmerischen Ansatzes Über das Kriterium der befugnisüberschreitenden Auswirkungen lässt sich auch der unternehmerische Ansatz der herrschenden Auffassung auflösen:122 120  Das wird in der Praxis längst in anderen Bereichen vorgelebt, indem die Gesellschaften über eine Rechtsabteilung verfügen, bei speziellen Rechtsproblemen dennoch externe Rechtsberatung in Anspruch nehmen. 121  Dazu bereits unter § 1. 122  Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1479 sieht auch die Unternehmenskultur als nicht delegierbar an. Das lässt sich mit dem Befugnismodell einzelfallgerecht auflösen: Will der Vorstand der Gesellschaft eine gewisse Unternehmenskultur auferlegen, die alle Vorstandsmitglieder in ihrem Handeln bindet und damit in das Selbst­



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Beispielhaft lässt sich dies an der Forderung demonstrieren, der Gesamtvorstand müsse die Unternehmensstrategie festlegen. Darunter fallen nach der herrschenden Meinung auch die langfristigen Unternehmensziele, die wesentlichen Geschäftsfelder, aber auch die wichtigsten Investitionen.123 Die Bemessung nach dem Befugnismodell ordnet dies rechtlich ein: Langfristige Unternehmensziele, wenn sie die gesamte Ausrichtung der Gesellschaft betreffen, gelten für alle Vorstandsmitglieder. Auch die Festlegung der Geschäftsfelder hat Einfluss auf die gesamte Organisation. Hinsichtlich der Investitionen sollten Einsatzgebiet und die Größenordnung noch betrachtet werden. Die Strategie der Gesellschaft betrifft also den Gesamtvorstand. Handelt es sich hingegen bloß um die Strategie des jeweiligen Aufgabenbereichs, muss nicht der Gesamtvorstand tätig werden. Sofern Verträge geschlossen werden, ist der Vertragsinhalt zu untersuchen und dahingehend zu überprüfen, ob und welche Befugnisebenen betroffen sind. Typischerweise überschneiden sich auch die Zuständigkeit für Personalfragen und die weiteren Aufgabenbereiche der Gesellschaft, namentlich dann, wenn Mitarbeiter eingestellt und in den verschiedenen Bereichen eingesetzt werden sollen. Gewöhnliche Einstellungen sind dabei weder im Personalbereich noch im Fachbereich wahrzunehmende Aufgabe des jeweiligen Vorstands. Vielmehr sind diese den nachgeordneten Ebenen überlassen. Inwieweit hier eine Abstimmung erforderlich ist, hängt von der Maßnahme ab. So würde die Personalabteilung die Kompetenzen des fachzuständigen Vorstandsmitglieds verletzen, wenn sie Personal einstellte, ohne die jeweilige Fachabteilung hinzuziehen. Fraglich ist aber, ob die Personalabteilung hinzugezogen werden muss. Die Abwicklung wird regelmäßig über diese Abteilung führen. Die Entscheidungskompetenz liegt aber im Fachbereich. Erwägenswert ist ein Tätigwerden der Vorstandsmitglieder, wenn nachgeordnete Führungskräfte eingestellt werden, die ihrerseits mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden. Der Gesamtvorstand muss gemeinsam entscheiden, wenn allgemeingültige Einstellungsstandards verabschiedet werden, die alle Bereiche betreffen.124 Im Übrigen ist eine Entscheidung des Plenums nicht erforderlich. Bei nachgeordneten Führungskräften müssen allenfalls Vorstandsmitglied und Personalvorstand zusammenwirken und die übrigen Vorstandsmitglieder unterrichten. Letztlich wird die Abwicklung der Verträge über die Personalabteilung stattfinden, die Entscheidungskompetenz sollte organisationsrecht der Vorstandsmitglieder eingreift, muss darüber das Plenum entscheiden. Es kann auch geboten sein, je nach Bereich unterschiedliche Leitmaximen einzuführen. Hinzu kommt, dass dies einhergeht mit dem Führungsstil des jeweiligen Vorstandsmitglieds. Hier sollte Raum für individuelle Lösungen gelassen werden. 123  Siehe dazu statt aller Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. 124  Die Verabschiedung von Einstellungsstandards als Pflicht formulierend Wettich, Vorstandsorganisation, S.  61 (m. w. N.).

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

aber beim Fachvorstand liegen. Das heißt, dass der Personalvorstand keine nachgeordnete Führungskraft für einen anderen Aufgabenbereich einstellen darf. Ihm darf diese Kompetenz also auch nicht übertragen werden. 4. Zwischenergebnis Die Delegationsfrage ist im Ergebnis danach zu entscheiden, ob sich die Delegation befugnisüberschreitend auswirkt. Dazu muss der Vorstand prüfen, ob die jeweilige Maßnahme nicht nur reflexartig, sondern ganz spezifisch in andere Aufgabenbereiche eingreift und damit einen Sachverhalt schafft, der sich auf die dem Delegationsempfänger übergeordnete Ebene erstreckt und in der Art bindet, dass die zuständigen Vorstandsmitglieder oder bei nachgelagerten Strukturen das zuständige Vorstandsmitglied ihre Aufgabe und die darin enthaltenen spezifischen Entscheidungen nicht mehr nach freiem Ermessen treffen können. Der Einzelfallbetrachtung wird dieser Bewertungsmaßstab dadurch gerecht, dass jede Delegationsebene individuell überprüft werden kann.

IV. Einzelfallanalyse und Business Judgment Rule 1. Trennung von Delegationsfähigkeit und Aufgabenerfüllung Ist somit der Maßstab, nach dem die Delegationsfähigkeit der einzelnen Maßnahme zu bewerten ist, ausgebildet, ist in einem nächsten Schritt zu klären, wie sich die Bewertung zum Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 AktG verhält. Namentlich die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG hängt davon ab, ob es sich um eine unternehmerische Entscheidung handelt. Blickt man allgemein auf die Delegation, so handelt es sich um eine Organisationsmaßnahme. Da die Art und Weise der Organisation in der Aktiengesellschaft im Ermessen des Vorstands liegt, muss dies auch für die Delegation gelten.125 Das lässt sich abseits der pauschalen Ein125  Siehe dazu Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1464, 1473 ff.; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 66 f. prüft ebenfalls anhand des § 93 AktG, nimmt aber die betriebswirtschaftlichen Kriterien der herrschenden Meinung als Maßstab; Ott, ZGR 2017, 149, 162 ff., 166 f. Außerdem E. Vetter, Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.18, 22.75. Die Anwendung der Business Judgment Rule nähert die Delegationsfrage auch an die Business Combination Agreements an: Hier wird zum Teil ebenfalls für eine Lösung über § 93 AktG optiert. Vgl. zu den Business Combination Agreements Herwig, Leitungsautonomie und Fremdeinfluss, S. 107 ff.; Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 95 ff. Die herrschende Meinung (dazu § 4) kann naturgemäß nicht zu diesem Ergebnis kommen, da die Abgrenzung von Leitung und Geschäftsführung eine Rechtsfrage darstellt. Fleischer, ZIP 2003, 1, 8; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 65 unterstellt die Auf-



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls233

teilung in „Ob“ und „Wie“ der Maßnahme126 veranschaulichen, wenn man die einzelnen Entscheidungen, die der Aufgabe zugrunde liegen, auseinanderdividiert. Dass ein derartiges Auseinanderdividieren sogar zwingend notwendig ist, zeigt die bisherige Praxis: Regelmäßig werden die einzelnen Entscheidungen im gesamten Delegationsprozess, ausgehend von der Bewertung der Delegationsfähigkeit über die Kontrolle vor und nach der Delegation, nicht getrennt, sodass von einer Delegationsentscheidung als solcher ausgegangen wird. In der Folge werden auch pflichtwidrige Delegation und pflichtwidrige Überwachung vermischt. Dies führt zu dem bereits konstatierten Problem, dass das Delegationsverbot ausgeweitet wird, anstatt den betroffenen Abschnitt im Delegationsprozess zu bewerten.127 Daher ist es geboten, die Entscheidungen strikt zu trennen. Individuell in den Blick zu nehmen sind vorliegend daher einerseits die Bewertung der Delegationsfähigkeit und andererseits die Entscheidungen, die im Rahmen der Aufgabenerfüllung zu treffen sind. Differenziert man diese beiden Entscheidungsgruppen konsequent, gelangt man auch zu widerspruchsfreien Ergebnissen bei Aufgaben, die in der Sache rechtlich gebungabenübertragung dem Ermessen, wobei er Leitungsentscheidungen nicht dazu zählt. Außerdem Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 107, wonach das Organisationsermessen lediglich für die „Zuarbeit“ gelten soll, während die nicht delegierbaren Pflichten, sprich die gesetzlichen sowie die ungeschriebenen, vom Ermessen ausgeschlossen seien. Hüffer bezieht sich zwar auf einen Konzernsachverhalt, die Gedanken sind jedoch auch auf die nicht konzernierte Aktiengesellschaft übertragbar. Lutter, AG 1991, 249, 251 stuft die Unternehmensplanung als Rechtspflicht und damit nicht der Business Judgment Rule unterfallend ein. Diese Feststellung lässt sich auf die von der herrschenden Meinung als nicht delegierbar eingestuften Bereiche übertragen, sodass die Business Judgment Rule nicht anwendbar ist. Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 520, 524 geht ebenfalls von einer Rechtsfrage aus, allerdings bezogen auf die Abgrenzung von Leitung und Geschäftsführung; zur Frage der Delegation stellt er fest, dass die Ermessensausübung rechtlichen Zwängen unterliege und eine Aufgabenübertragung trotz Verbots die Ermessensgrenzen überschreite. Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 127 sieht Gesetz und Satzung als Schranken des Leitungsermessens. U. H. Schneider, FS GmbH, 1992, S. 473, 479 unterwirft die Unternehmensorganisation durch den GmbHGeschäftsführer dem Ermessen, nimmt davon jedoch rechtlich verbindliche Grund­ regeln aus. Siehe zudem Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 165 für die externe Delegation; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 177 für die vertikale Delegation. 126  Während das „Ob“ der Organisationspflicht keine Ermessensfrage darstellt, soll das „Wie“ sodann der Business Judgment Rule unterfallen. Vgl. zu dieser klassischen Zweiteilung Ott, ZGR 2017, 166 f. Außerdem Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 151 ff. speziell zur Compliance. Diese Einteilung bietet eine gute erste Orientierung. Sie reicht jedoch nicht über einen Überschriftscharakter hinaus, da jede Entscheidung individuell in den Blick zu nehmen ist, um klar abgrenzbare Ergebnisse zu ermöglichen. 127  Dazu § 1; siehe außerdem die kritische Bewertung des Siemens/NeubürgerUrteils unter § 6 IV. 2.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

dene Entscheidungen verlangen. Beispielhaft lässt sich dies anhand der Berichtspflicht gemäß § 90 AktG aufzeigen: Die Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat ist rechtlich zwingend, sodass auch die Entscheidung eine rechtlich gebundene und keine unternehmerische Entscheidung ist.128 Davon losgelöst ist allerdings zu entscheiden, wer die Pflicht wahrnehmen soll. Das hat ganz allgemein schon die Analyse des Aktiengesetzes herausgearbeitet, wonach aus den Pflichten des Vorstands kein Delegationsverbot abgeleitet werden kann.129 Die Bewertung nach dem Befugnismodell hat sodann ergeben, dass die Berichtspflichten auf die einzelnen Vorstandsmitglieder übertragen werden können, sofern nicht die anderen Aufgabenbereiche spezifisch von der Berichterstattung in ihren Befugnissen berührt sind.130 Diese Ergebnisse bestätigen sich noch einmal, wenn man die individuell zu treffenden Entscheidungen strikt voneinander trennt: Die rechtlich vorgezeichnete Entscheidung betrifft den Inhalt der Maßnahme, also wie die Pflicht inhaltlich zu erfüllen ist, nicht aber, ob diese Pflicht durch Delegationsempfänger erfüllt werden soll.131 Das deckt sich mit dem Konsens, dass auch der überwiegende Aufgabenteil von Pflichten der Delegation zugänglich ist. Eine Verbindung von inhaltlicher Aufgabenerfüllung und Aufgabenwahrnehmung würde diesem Konsens zuwiderlaufen. Nimmt man sodann nur die Bewertungsentscheidung im Rahmen des Befugnismodells in den Blick, handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, sofern kein Delegationsverbot nach den genannten Maßstäben vorherrscht. Dass die Aufgabenerfüllung ihrem Inhalt nach rechtlichen Zwängen unterliegt, ist unschädlich, da die rechtliche Bindung für den Delegationsempfänger gleichermaßen gilt. Die Vermischung der Entscheidungsebenen wäre hingegen widersprüchlich. Für die Bewertung der Delegationsfähigkeit ist es daher unerheblich, ob es sich bei der Aufgabe um eine Pflicht oder eine sonstige Maßnahme handelt. Dass die individuelle Betrachtung der einzelnen Vorstandsentscheidungen sachgerechte Ergebnisse im Einzelfall hervorbringt, zeigt sich, wenn man die einzelnen Entscheidungen im Rahmen des Delisting ausziseliert: Die Entscheidung, sich von der Börse zurückzuziehen, ist eine unternehmerische Entscheidung.132 Die Delegation dieser Entscheidung verstößt jedoch gegen die zwingenden Befugnisse des Gesamtvorstands und ist somit keine unternehmerische Entscheidung.133 128  Dem Vorstand kann zwar ein gesetzlicher Entscheidungsspielraum zustehen, aber eine unternehmerische Entscheidung liegt darin nicht. Dazu Koch, in: Hüffer/ Koch, § 93 Rn. 16. 129  Siehe § 6 I. 1. d). 130  Siehe III 3. a) bb). 131  Vgl. dazu auch Ott, ZGR 2017, 149, 159 ff. 132  Dazu Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 Rn. 30 (m. w. N.). 133  Zur befugnisüberschreitenden Auswirkung des Delistings schon III. 2. a).



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls235

Gegen die Anwendbarkeit der Business Judgment lässt sich letztlich auch nicht anführen, dass sie den Vorstand übermäßig privilegiert. Damit argumentierte man gegen das Gesetz, das dem Vorstand bewusst eine sichere Organisationsgrundlage verschafft. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit darf man nicht außer Acht lassen, dass der Delegation eine Überwachungspflicht entspringt. Einer Erfolgshaftung, wie sie nach dem bisherigen Lösungsmodell droht,134 wird durch die Anwendung der Business Judgment Rule der Nährboden entzogen. Gleichsam ist die Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder nicht aufgehoben. Im Ergebnis ist die Business Judgment Rule gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG also auf die Bewertung der Delegationsfähigkeit anwendbar. 2. Einzelfragen Wendet man die Business Judgment Rule an, stellt sich die Frage, wie sich die Privilegierung zur Prüfung der Delegationsfähigkeit im Einzelnen verhält. Seibt rekurriert sowohl auf die angemessene Informationsgrundlage als auch auf das Wohl der Gesellschaft, um zu bewerten, ob die Bewertungsentscheidung eine unternehmerische ist.135 Die Frage der Delegation ist tatsächlich nicht an einem Merkmal festzumachen. Das Handeln auf der Grundlage angemessener Information setzt voraus, dass der Vorstand alle verfügbaren Informationsquellen auswertet, Vorteile und Nachteile aller Möglichkeiten ausmisst, die den Möglichkeiten zugrunde liegenden Risiken berücksichtigt und sich letztlich so eine ordnungsgemäße Entscheidungsgrundlage schafft.136 Die Entscheidungsgrundlage ist auch essenziell bei der Delegation: Der Vorstand muss die Umstände der Aufgabe und des Delegationsempfängers kennen.137 Ferner muss er prüfen, ob daneben die Delegation auch dem Gesellschaftswohl entspricht. Hier kommt es auf das Gesellschaftsinteresse an: Das Handeln erfolgt zum Wohle der Gesellschaft, wenn der Ertrag und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig gestärkt werden. Das Merkmal „vernünftigerweise“ führt dazu, dass der Vorstand dies ex ante und nach subjektiver Einschätzung zu bewerten hat.138 Die Informationsgrundlage ist Basis für eine ordnungsgemäße Abwägung der Delegation mit dem Gesellschaftswohl, die Voraussetzungen sind also unmittelbar miteinander verzahnt. Das Gesellschaftswohl ist nach den benannten Kriterien zu bewerten. befürchtend Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 383. FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1473 f. 136  Vgl. BGH NJW 2008, 3361, 3362  f. (GmbH-Geschäftsführer). Aus dem Schrifttum statt aller und ausführlich Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 20 ff. 137  Zu den Anforderungen im Einzelnen noch § 9. 138  Zum Vorstehenden RegBegr BT-Drs. 15/5092, S. 11. 134  Dies

135  Seibt,

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Sind somit die Anknüpfungspunkte im Ermessenstatbestand klar, stellt sich die Frage, welchen Grenzen das Ermessen unterliegt. Solche Grenzen ziehen gegenläufige zwingende Vorschriften, die aus dem Aktiengesetz entstammen können, aber auch aus sonstigen Gesetzen, der Satzung, der Geschäftsordnung, Beschlüssen des Vorstands oder Beschlüssen der Hauptversammlung.139 Zwingend sind daher auch die Befugnisse der Beteiligten, sodass sich der Vorstand bei befugnisüberschreitenden Auswirkungen nicht auf § 93 Abs. 1 S. 2 AktG berufen kann. Der Vorstand hat also seine Pflichten durch eine unzulässige Aufgabenübertragung verletzt. Damit geht jedoch nicht zwingend eine Schadensersatzpflicht gemäß § 93 Abs. 2 AktG einher, da weiterhin ein Verschulden erforderlich ist. Sind Kompetenzfriktionen für den Vorstand vor der Delegation nicht erkennbar oder erwachsen sie erst nachträglich aus den Umständen, gilt zwar nicht die Business Judgment Rule, doch kann dem Dilemma des Vorstands über das Verschuldenselement Rechnung getragen werden.140 Vergleichbar mit den vorstehend aufgezählten Ermessensgrenzen ist die Fallgruppe der Ermessensreduzierung auf Null: So befürworten einige Stimmen im Schrifttum unter bestimmten Umständen eine Delegationspflicht, sodass sich für diese konkreten Fälle das Organisationsermessen des Vorstands auf Null reduzieren würde.141 Dementsprechend wäre das Ermessen des Vorstands beschränkt, wie es auch infolge einer gesetzlichen Norm oder Satzung der Fall ist. Gegen diese Ansicht ist jedoch vorzubringen, dass dem Vorstand ein weites Organisationsermessen zusteht und eine Pflicht daher nicht leichtfertig angenommen werden darf. Hinzu kommt, dass die Aufgabe 139  Aufzählung auch bei Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2200. Außerdem Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 162. 140  Allerdings sind die Anforderungen an das Vorliegen eines Verschuldens entsprechend streng zu formulieren. Vgl. zum Verschuldenselement und zum Rechtsirrtum Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 19, 43. ff. (m. w. N.). Zur Fallgruppe der Beratung siehe außerdem BGH ZIP 2011, 2097 ff. („ISION“); BGH NZG 2015, 792 ff.; BGH NJW 2007, 2118, 2119 ff. zur Beratung hinsichtlich der Frage, ob die GmbH insolvenzreif ist. 141  So Harbarth, ZGR 2017, 211, 213, 221 f.; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 162 f. mit Verweis auf Urban, GWR 2013, 106 („haftungsrelevante Delegationspflicht“). Siehe auch Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 8, wonach die Umstände eine Delegation verlangen könnten. Für außer- sowie konzernrechtliche Sachverhalte Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 179 ff., wobei im Sinne der Leitungsverantwortung dann die Kontrollmechanismen einsetzen, S. 182. Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 87 f. beschreibt dies als „faktischen Zwang“. Siehe auch Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 766 f., der darauf verweist, dass die Pflicht beim Aufsichtsrat schon anerkannt sei. Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 59 ff. stuft abseits des § 92 AktG alle gesetzlichen Pflichten als der Geschäftsverteilung zugänglich ein. Gegen eine Pflicht ausdrücklich E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.73.



§ 8 Prüfung der Maßnahme anhand des Einzelfalls237

ursprünglich vom Vorstand wahrzunehmen ist und dieser sich daher um die Aufgabenerfüllung bemühen sollte. Insbesondere bei der externen Delegation, die einen erhöhten Regelungsaufwand nach sich zieht, ist zunächst zu prüfen, ob die Gesellschaft die erforderlichen Strukturen selbst bereitstellen kann. Ist dies nicht der Fall, dann kann sich die Delegation auch zur Pflicht verdichten. In der Praxis wird ein derartiges Zögern kaum relevant sein, vielmehr sind die Vorstände als delegationsoffen einzustufen. Hinsichtlich der Bewertung der Delegationsfähigkeit kann sich der Vorstand also auf die Business Judgment Rule berufen. Im Gesamtkomplex Delegation ist damit aber lediglich der Sorgfaltsmaßstab einer Entscheidung in der Prüfungskette bestimmt. Im Anschluss an die Bewertungsentscheidung muss der Vorstand eine Kontrolle vor der Delegation vornehmen. Delegiert der Vorstand sodann, ist er zu einer laufenden Kontrolle verpflichtet. Entscheidungen, die der Vorstand in diesem Rahmen trifft, sind noch einmal gesondert im Hinblick auf die Business Judgment Rule zu überprüfen, auch wenn sie in der Praxis häufig mit der Bewertungsentscheidung zusammenfallen werden.

V. Fazit Kann der Vorstand die Aufgabenübertragung auf eine hinreichende Rechtsgrundlage stützen, muss er im nächsten Schritt die Delegationsfähigkeit der Maßnahme prüfen. Diese bemisst sich nach dem Einzelfall, konkret nach dem Bewertungsmaßstab der befugnisüberschreitenden Auswirkungen: Der Vorstand muss die Maßnahme danach bewerten, ob ihre Delegation nicht nur reflexartig, sondern spezifisch Befugnisse überschreitet. Ist dies im Hinblick auf die gesamte Gesellschaft und somit alle Vorstandsmitglieder zu bejahen, muss der Gesamtvorstand tätig werden. Dazu ist es erforderlich, dass die Delegation der Maßnahme die Vorstandsmitglieder derart in ihrem Kompetenzbereich einschränkt, dass ihr aufgabenspezifisches Ermessen beschnitten wird. Sind lediglich einzelne Vorstandsmitglieder betroffen, ist ein Zusammenwirken dieser gefragt. Der Bewertungsmaßstab ist auch auf die vertikale und externe Delegation anwendbar. Wird die Befugnisüberschreitung erst im Anschluss an die Delegation erkennbar, besteht die Pflicht zur Rückdelegation. Die Bewertung der Delegationsfähigkeit unterliegt der Business Judgment Rule gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, da es sich um eine unternehmerische Entscheidung handelt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich die Delegation befugnisüberschreitend auswirkt. Diese Fälle können aber über das Verschuldenselement aufgelöst werden, wenn die Sachlage für den Vorstand nicht erkennbar war. Eine Pflicht zur Delegation besteht nur unter restriktiven Voraussetzungen.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Die Bewertung der Delegationsfähigkeit ist nur eine Entscheidung im Rahmen des Delegationsprozesses. Daher ist es zwingend geboten, die jeweils zu treffenden Entscheidungen individuell zu betrachten, um auch etwaiges Fehlverhalten des Vorstands richtig bewerten zu können.

§ 9 Kontrollelemente vor der Delegation I. Zweistufige Ausprägung der Kontrolle Sind die Parameter der Einzelfallprüfung ausgebildet, stellt sich aus Vorstandssicht die Frage, welche Anforderungen an die sorgfältige Kontrolle des Delegationsempfängers zu stellen sind und wie sich die Kontrolle zur Delegation verhält. Die Überwachungspflicht substituiert als Residualpflicht die unmittelbare Erfüllungspflicht des Gesamtvorstands.142 Dabei handelt es sich nicht nur um eine Pflicht der nachgelagerten Ebene. Die Analyse des Delegationsverbots hat vielmehr gezeigt, dass sich der Vorstand auch vor der Delegation mit der Überwachung auseinandersetzen muss, indem er sicherzustellen hat, dass der Delegationsempfänger sorgfaltsgemäß kontrolliert werden kann. Die Kontrolle spaltet sich daher in zwei Phasen auf, namentlich vor und nach der Delegation. Es wurde schon herausgearbeitet, dass die ­Zulässigkeitsprüfung vor der Delegation sich erstens danach richtet, ob die Maßnahme überhaupt übertragbar ist. Zweitens fließen schon Kontroll­ 142  Allg. M.; aus der Rechtsprechung LG München I NZG 2014, 570, 574 f.; zur GmbH BGH NJW 1995, 2850, 2851; BGHZ 133, 370, 377 f. = BGH NJW 1997, 130, 132; aus dem Schrifttum schon Boesebeck, JW 1938, 2525, 2527; Schlegelberger/ Quassowski, AktG 1937, § 70 Rn. 11; W. Schmidt, in: Großkomm. AktG, 1939, § 70 Anm. 15; siehe sodann Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 180, 182; Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 57 f., 122; Fleischer, NZG 2014, 321, 323 f. („Organisations-, System- und Überwachungsverantwortung“); Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 163; hinsichtlich des Umfangs zurückhaltender Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 35; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 74; Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 579; Simon, Der Konzern, 2015, 205, 207; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 58. Sehr restriktiv Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 51 ff., 58, wonach die Vorstandsmitglieder zunächst nur für ihre Zuständigkeitsbereiche haften sollen. Bei bekanntem Fehlverhalten sollen jedoch auch die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder intervenieren. Eine Verantwortlichkeit bestehe auch, wenn die Vorstandsmitglieder an der Entscheidung beteiligt gewesen seien. Grundlage für die nachfolgenden Überwachungsstandards sind die §§ 831, 823 BGB, die im Grundsatz auch für das aktienrechtliche Konzept gelten. Die zum Teil vorgenommene Einschränkung auf einzelne Delega­ tionsformen, siehe etwa E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.74, der die Geltung für die unternehmensinterne Delegation anordnet, sowie Bachmann, 70. DJT, Bd. I, E 42, der sich auf die vertikale Delegation stützt, überzeugt nicht, da alle Delega­ tionsformen im Grundsatz gleichlaufen, lediglich hinsichtlich der Überwachungs­ intensität können Unterschiede erforderlich sein, dazu noch im Folgenden.



§ 9 Kontrollelemente vor der Delegation239

elemente in diese Prädelegationsprüfung ein: Der Vorstand muss einen geeigneten Delegationsempfänger auswählen, einweisen und mit Befugnissen ausstatten und gleichsam eine hinreichende Kontrollstruktur in der eigenen Gesellschaft einrichten.143

II. Auswahl des Delegationsempfängers 1. Auswahlentscheidung als Schlüsselfunktion Im Folgenden sollen die Anforderungen an die Kontrolle vor der Delegation beleuchtet werden. Dabei kommt der Auswahl des Delegationsempfängers eine Schlüsselfunktion zu, da mit den jeweiligen Adressaten verschiedene Kontrollanforderungen verknüpft sind, insbesondere an die zwingend erforderlichen Einflussrechte. Die sorgfältige Auswahl wird regelmäßig in einem Atemzug mit der sorgfältigen Einweisung und der sorgfältigen Überwachung genannt.144 Inhaltlich setzen die Pflichten der sogenannten Pflichtentrias145 jedoch an unterschiedlichen Stellschrauben an: Die Einweisung setzt voraus, dass überhaupt eine Auswahl stattgefunden hat. Im Anschluss an Auswahl und Einweisung setzt sodann die laufende Überwachung ein. Die Auswahl beeinflusst dabei maßgeblich den weiteren Kontrollinhalt: Von ihr abhängig ist der Aufwand, mit dem der Delegationsempfänger in sein Aufgabenfeld einzuweisen ist. Die Auswahl schlägt darüber hinaus möglicherweise auf die Überwachung und ihre Intensität durch: Intuitiv liegt es nahe, dass ein Vorstandsmitglied anders zu kontrollieren ist als ein Unternehmensfremder.146 Ferner bleibt die Pflichtentrias zu oberflächlich: Zur Kon­ trolle vor der Delegation gehört auch die Befugnisausstattung, die für die Zulässigkeit der Delegation entscheidend ist, letztlich aber auch unter die Einweisung gefasst werden kann, und die Einrichtung einer eigenen Kon­ trollstruktur, sodass die einzelnen Anforderungen an die Kontrolle vor der Delegation feiner auszuziselieren sind, als dies bislang erfolgt ist.147 143  Diese Zweistufigkeit findet sich im Schrifttum nicht derart klar ausformuliert: Vgl. etwa Fleischer, AG 2003, 291, 292 f., der unter der Überschrift „Pflichtengefüge bei statthafter Delegation“ auf Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungssorgfalt eingeht, obwohl gleichsam die Auswahlsorgfalt bei erstmaliger Delegation angemahnt wird. Laut Fleischer, WM 2006, 2021, 2025 verhindern sie zumindest einen Kompetenzverlust. 144  Statt aller Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 536 f. 145  Begriff etwa bei Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 536. Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1481 spricht von „drei Pflichtenbündeln“. 146  Diese Wechselwirkungen feststellend auch Fleischer, AG 2003, 291, 293, 294. 147  Die nachstehenden Ausführungen betrachten die Begrifflichkeit nicht als starres Korsett, sondern als Orientierungsmarke. Damit werden jedoch keine neuartigen

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

2. Qualifikation Ist die Bedeutung der Auswahlentscheidung somit klar, müssen ihre einzelnen Parameter bestimmt werden. Welche Fähigkeiten der Delegationsempfänger aufweisen muss, richtet sich nach dem Einzelfall.148 Der Vorstand muss demnach sicherstellen, dass der Delegationsempfänger für die konkrete Aufgabe über die notwendige persönliche wie fachliche Qualifikation verfügt.149 Der Vorstand sollte bei Bedarf sämtliche Qualifikationsnachweise anfordern, die der Delegationsempfänger vorweisen kann. Fachlich können Eignungstests geboten sein.150 Im Rahmen der persönlichen Qualifikation151 ist der Delegationsempfänger insbesondere hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte zu überprüfen: An den Vorstand dürfen jedoch keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, wenn es um die Ermittlung von Interessenkonflikten geht. Vielmehr liegt die Offenlegungspflicht beim Delegationsempfänger. Der Vorstand darf auf das Fehlen von Interessenkonflikten vertrauen.152 Folge eines Interessenkonflikts ist der Ausschluss bei der Entscheidungsfindung bis hin zur Rückübertragung der Aufgabe.153 Im Übrigen kann ein Führungszeugnis verlangt werden.154 Kontrollpflichten statuiert. Dagegen spricht sich auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 537 f. aus. Dennoch differenzieren sie die Trias feiner aus. Insbesondere findet eine Trennung der Kontrolle vor und nach der Delegation statt, da erstere vorliegend als Zulässigkeitsvoraussetzung eingestuft wird. 148  Fleischer, AG 2003, 291, 293. 149  Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 536; Fleischer, AG 2003, 291, 293; Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1403 zur Beratung; Freund, NZG 2015, 1419, 1423; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 395: „kompetent, loyal, unabhängig“; Harbarth, ZGR 2017, 211, 227 f.; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 164 ff. zum Compliance-Officer; Laue/ Brandt, BB 2016, 1002, 1006 zur Compliance, die den Effektivitätsgedanken betonen; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711 f.; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2205; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  232 f. 150  Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 536. 151  Häufig wird auch der Begriff der persönlichen Zuverlässigkeit genannt. Dieser ist bereits bekannt aus spezialgesetzlichen Vorschriften, etwa § 25c KWG oder § 35 GewO. Demnach liegt die persönliche Zuverlässigkeit vor, wenn der Betreffende nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß, das heißt entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und unter Beachtung der guten Sitten, ausüben wird. Vgl. zu dem Terminus Brüning, in: BeckOK GewO, 46. Edition, Stand 01.06.2019, § 35 Rn. 19 (m. w. N.). Dies kann vorliegend fruchtbar gemacht werden: Geht der Vorstand nicht davon aus, dass der Delegationsempfänger seine Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen wird, darf er nicht delegieren. 152  Zum Vorstehenden Harbarth, ZGR 2017, 211, 228, der überzeugend den andernfalls entstehenden Überprüfungsaufwand anmahnt. Bei einem Verdacht soll der Aufsichtsrat eingeschaltet werden. Siehe außerdem Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1479.



§ 9 Kontrollelemente vor der Delegation241

Schwierigkeiten bereiten subjektiv gefärbte Kriterien: Vereinzelt fällt der Begriff der Integrität.155 Sofern man darunter rechtskonformes Verhalten versteht, ist das Kriterium handhabbar, allerdings ist rechtskonformes Verhalten als selbstverständlich vorauszusetzen. Integrität steht jedoch häufig für Vertrauenswürdigkeit und enthält somit eine subjektive Note, die sich schwerlich objektivieren und bewerten lässt. Gleiches gilt für die Etiketten „unseriös“ sowie „käuflich“,156 sofern sich diese nicht belegen lassen. Daher sollten vor allem objektivierbare Kriterien herangezogen werden, um die Qualifikation zu beurteilen. Will man die Qualifikation der Delegationsempfänger beurteilen, so wäre es verfehlt, Vorstandsmitglieder als qualifizierter zu betrachten und dementsprechend eine pauschale Abstufung der Delegationsempfänger vorzunehmen.157 Diese stark verengte Sichtweise scheitert bereits an der Entscheidungsqualität, die nicht steigt, wenn der Gesamtvorstand einen Beschluss fasst.158 Allerdings ist eine gewisse Abstufung der Qualifikationsüberprüfung indiziert: So kann man bei Vorstandsmitgliedern regelmäßig von ihrer Qualifikation ausgehen, da eine vertiefte Prüfung bereits auf zwei Wegen erfolgt ist: Das Aktiengesetz stellt in § 76 Abs. 3 AktG Eignungskriterien für das Führungsorgan auf, sodass ein gewisser Standard sichergestellt ist. Außerdem erfolgt die Bestellung durch den Aufsichtsrat, der als Kontrollgremium eine Qualifikationssicherung betreibt und das jeweilige Vorstandsmitglied regelmäßig im Hinblick auf einen bestimmten Aufgabenbereich bestellt.159 Die vorstehenden Ausführungen gelten unter der Prämisse, dass nicht der Einzelfall eine vertiefte Prüfung erforderlich macht. Vor allem sind die Anforderungen zugrunde zu legen, die aus der konkreten Aufgabe folgen. Aber auch zwischen Mitarbeitern und Dritten ist eine Abstufung indiziert, da die Mitarbeiter in der Regel schon bei der Einstellung einer persönlichen 153  Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1479, der außerdem darauf hinweist, dass der Aufsichtsrat sodann verstärkt überwachen müsse. 154  Vgl. Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 536. 155  Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711 f.; zustimmend Freund, NZG 2015, 1419, 1423. 156  Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1403 zur Beratung. 157  Siehe etwa Bachmann, 70. DJT, Bd. I, E 42, der Auswahl, Einweisung und Überwachung lediglich in den Kontext der vertikalen Delegation setzt. Außerdem ähnlich Pietzke, CCZ 2010, 45, 47. Vgl. dagegen aber Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 186 f., wonach auch bei Vorstandsmitgliedern ein Fehlverhalten möglich sei, zumal diese immer wieder mit neuen Themen konfrontiert würden. 158  Dazu schon § 6 III. 2. a). Siehe aber auch U. H. Schneider/Brouwer, FS Priester, 2007, S. 713, 718, wonach unter die Kontrolle auch die fortwährende Eignung falle. 159  Dazu bereits § 6 I. 1. h). Zum Gesamten Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S.  208 f.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

wie fachlichen Bewertung standgehalten haben. Diese Abstufung gilt jedoch ebenfalls nur, wenn und soweit dem Vorstand keine anderen Informationen vorliegen. Diese grundsätzlichen Wertungen werden flankiert und möglicherweise korrigiert durch die Einzelfallbetrachtung: Es soll kein starres, sondern ein bewegliches Bewertungssystem herrschen, das auf die konkreten Umstände blickt. So kann die Abwägung zugunsten des Dritten ausfallen, wenn etwa Spezialwissen gefordert ist und die Gesellschaft die erforderlichen Strukturen nicht selbst schaffen kann. Die Qualifikation ist somit zwingend eine Frage des Einzelfalls, auch wenn Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter bereits einer Kontrolle standgehalten haben. Bei Dritten ist der Prüfungsaufwand ungleich höher als bei Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern, da diese bereits eine Qualifikationskontrolle durchlaufen haben. 3. Organisationsstruktur des Delegationsempfängers Um wirksam delegieren zu können, ist nicht nur die Qualifikation des Delegationsempfängers erforderlich, sondern es bedarf auch einer geeigneten Organisationsstruktur, damit der Delegationsempfänger seine Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen kann.160 Der Delegationsempfänger muss also die Kapazitäten aufweisen, die für die Aufgabenwahrnehmung erforderlich sind. Namentlich Sachmittel und Personal müssen gleichermaßen ausreichend vorhanden sein.161 Welche Sach- und Personalressourcen im Einzelnen notwendig sind, unterliegt der Einzelfallbetrachtung. Der Vorstand muss also im Voraus den Aufwand für jede Aufgabe individuell bewerten. Erweist sich die Organisationsstruktur erst im Nachhinein als unzureichend, kann der Vorstand jedenfalls dann ohne weiteres nachjustieren, wenn er die Aufgabe innerhalb der eigenen Gesellschaft delegiert hat. Im Rahmen seiner Organisationsautonomie steht es ihm frei, weiteres Personal einzustellen oder die nötigen Sachmittel zu beschaffen. Somit sieht sich die anschließende Überwachung sowohl auf horizontaler als auch auf vertikaler Ebene keinen relevanten Einschränkungen ausgesetzt. Der Vorstand hat die Zügel in der Hand. Anders gelagert ist die Konstellation der externen Aufgabenübertragung. Der Vorstand hat keinen Einblick in die Interna des Dritten, da es sich um einen rechtlich wie wirtschaftlich selbständigen Delegationsempfänger handelt. Daher kann der Vorstand nicht ohne weiteres Anweisungen erteilen, ganze Strukturen aufbauen oder weiteres Personal einstellen. Die Analyse des Ak­ 160  Siehe Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 163, der hier schon auf die klare Aufgabenverteilung verweist. 161  Vgl. hierzu und zum Nachstehenden Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482; detailliert auch Hegnon, CCZ 2009, 57, 60 f. (m. w. N.). Außerdem Stein, ZGR 1988, 163, 171 anhand der EDV-Auslagerung.



§ 9 Kontrollelemente vor der Delegation243

tiengesetzes hat bereits herausgestellt, dass die Delegation an Externe einen Schwerpunkt in der kautelarjuristischen Ausgestaltung aufweist.162 Der Vorstand muss sich daher vor der Delegation gewisse Einflussrechte einräumen lassen. Zur Unternehmensstruktur und zur finanziellen Ausstattung kann er sich Informationen verschaffen und Garantien einräumen lassen.163 Hinsichtlich der Garantien soll vorliegend kein Standard implementiert werden. Hier kommt es auf die konkreten Umstände, namentlich die Aufgabe und den Delegationsempfänger an. Je abhängiger die Gesellschaft von der Delegation ist, etwa weil eigene Strukturen zu aufwändig sind, desto umfangreicher sollte der Vorstand die Aufgabenübertragung absichern, um eine Rückdelegation zu vermeiden. Garantien können auch dann erforderlich sein, wenn mit der Aufgabe hohe Risiken oder Kosten einhergehen. Jedenfalls ist eine Delegation auch bei umfangreichen Garantien nicht zulässig, wenn erkennbar ist, dass der Delegationsempfänger die Aufgabe nicht sorgfaltsgemäß erfüllt.164 4. Einräumung hinreichender Einflussrechte auf den Delegationsempfänger a) Einflussmöglichkeiten gegenüber Vorstandsmitgliedern Es wurde bereits aufgezeigt, dass der Vorstand auf den Delegationsempfänger zugreifen können muss, um ihn sorgfältig überwachen zu können. Hat der Vorstand keine Einflussrechte, sind steuernde Eingriffe nicht umsetzbar. Das Delegationsverhältnis165 muss daher entsprechende Regelungen enthalten. Wiederum erweist sich die Auswahlentscheidung als wegweisend für die Beurteilung der Zulässigkeit: Ob die Kontrollpflicht faktisch durchsetzbar ist, hängt vom jeweiligen Rechtsverhältnis ab, das dem Vorstand verschiedene Werkzeuge an die Hand gibt. Im Fokus steht besonders die Delegation an Dritte, weil sie umfangreicher vertraglicher Regelung bedarf. Stehen dem Vorstand hinreichende und tatsächlich durchsetzbare Einflussrechte nicht zu, substituiert die Kontrollpflicht die Handlungspflicht nicht vollumfänglich und die Delegation ist unzulässig. Im Folgenden gilt es daher, die für das jeweilige Delegationsverhältnis erforderlichen Regelungsschwerpunkte zu benennen und insbesondere die Anforderungen an ihre Durchsetzbarkeit zu statuieren. 162  Siehe

§ 6 I. 3. a). zur Frage, inwieweit eine Business Partner Compliance erforderlich ist und welche Reichweite sie hat Bicker/Stoklasa, BB 2018, 519 ff., namentlich zu Garantien 523 f. 164  Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963, 965. 165  Zu dieser Begrifflichkeit Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 162. 163  Vgl.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Delegiert der Vorstand Aufgaben an ein einzelnes Vorstandsmitglied oder einen Ausschuss bestehend aus Vorstandsmitgliedern, wählt er die Delega­ tionsart, die dem Gesamtvorstand sphärisch am nächsten steht, da auch dem einzelnen Vorstandsmitglied nach herrschender Meinung Organqualität zukommt.166 An die Organstellung knüpfen außerdem umfangreiche aktienrechtliche Folgepflichten an, die die einzelnen Vorstandsmitglieder an die Gesellschaft binden. Prominenteste Vorschrift ist die Sorgfaltspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, die hohe Anforderungen an die einzelnen Vorstandsmitglieder aufstellt. Nach § 88 AktG unterliegt der Vorstand einem Wettbewerbsverbot. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG verpflichtet den Vorstand zur Verschwiegenheit. Die Vorstandsmitglieder trifft auch eine organschaftliche Treupflicht.167 Hinzu kommt, dass die Vorstandsmitglieder als Teil des Führungsorgans für die Geschäftsführung eine Gesamtverantwortung tragen, die eine gegenseitige Kontrolle innerhalb des Vorstands implementiert. Mit der Gesamtverantwortung einher geht das mehrfach angesprochene Interventionsrecht jedes einzelnen Vorstandsmitglieds. Die sorgfältige Wahrnehmung der Pflichten stellt das scharfe Haftungsregime des § 93 AktG sicher. Für das Delegationsverhältnis des Gesamtvorstands zu einzelnen Vorstandsmitgliedern bedeutet dies: Bei der Delegation an Vorstandsmitglieder greifen automatisch aktienrechtliche organschaftliche Mechanismen; es bedarf keiner besonderen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses, um die Einflussnahme zu ermöglichen. Die Delegation an ein einzelnes Vorstandsmitglied belässt die Aufgabe daher fast nahtlos in der Sphäre des Gesamtvorstands. Das System verschiebt sich nicht, wenn die Bestellung des Vorstands an einem Fehler leidet oder das Vorstandsmitglied abberufen wird. Für die erste Konstellation gilt nach allgemeiner Meinung die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis, wonach eine vorläufig wirksame Organstellung vorliegt. Das Vorstandsmitglied unterliegt mit In-Vollzug-Setzung sämtlichen Organpflichten.168 Für den die Organstellung flankierenden Anstellungsvertrag gemäß §§ 611, 675 BGB gilt die Lehre des fehlerhaften Anstellungsvertrags gleichlaufend zum oben Gesagten.169 Auch über die Bestellung hinaus sind negative Auswirkungen der Geschäftsverteilung nicht zu befürchten: Nach Abberufung gilt etwa die Verschwiegenheitspflicht bezüglich in der Amtszeit erhaltener Informationen und Kenntnisse weiter.170 Außerdem bleibt der Anstellungsvertrag davon unberührt und mit ihm die dort geregelaller Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 7. statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 10. 168  Zu den Voraussetzungen im Einzelnen Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 12 f. (m. w. N.). 169  Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 14, 27 (m. w. N.). 170  Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 31. 166  Statt

167  Dazu



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ten Pflichten, § 84 Abs. 3 S. 5 AktG. Daher sollte auch der Anstellungsvertrag sorgsam gestaltet sein. Auch an der faktischen Durchsetzbarkeit bestehen keine Zweifel: Vorbringen könnte man allenfalls, dass eine gewisse Beißhemmung der übrigen Vorstandsmitglieder zu befürchten ist, ihre Kontrollpflicht auszuüben. Ohne Anhaltspunkte im Einzelfall kann man dies jedoch nicht pauschal annehmen. Hinzu kommt, dass die Untätigkeit der kontrollierenden Vorstandsmitglieder eine Verletzung der Überwachungspflicht darstellt, die Vorstandsmitglieder also angesichts einer drohenden Haftung gemäß § 93 Abs. 2 AktG Grund zur Intervention haben. Aber selbst wenn die übrigen Vorstandsmitglieder nur zögerlich überwachen sollten, ist dies kein Fall der faktisch fehlenden Durchsetzbarkeit. Diese wäre gegeben, wenn das Überwachungssystem wirkungslos wäre. Dass einzelne Vorstandsmitglieder ihrer Pflicht nicht nachkommen, ist daher kein Fehler des Systems.171 Zieht der Vorstand die Maßnahme wieder an sich, so sind hinsichtlich der Rückdelegation keine Probleme zu erwarten. Die Auswahl von Vorstandsmitgliedern als Delegationsempfänger unterliegt somit keinen besonderen Anforderungen. Die erforderlichen Einflussrechte folgen bereits aus der Organstellung, sodass kautelarjuristisch kein Bedürfnis nach weiteren Regelungen ersichtlich ist. Die horizontale Delegation ist daher uneingeschränkt zulässig, wenn nicht ausnahmsweise anderweitige Umstände dagegen sprechen. b) Steuerungsrechte gegenüber Mitarbeitern Im Gegensatz zur vorstehend beleuchteten horizontalen Ebene verbindet Gesamtvorstand und Mitarbeiter keine organschaftliche, sondern eine vertragsrechtliche Beziehung, so dass die Steuerungsrechte dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 611a BGB entspringen oder dort geregelt werden können. Namentlich folgt daraus ein Weisungs- oder auch Direktionsrecht des Arbeitgebers, § 611a Abs. 1 S. 1, 3 BGB.172 Das Weisungsrecht kann gemäß § 611a 171  Vgl. dazu Wettich, Vorstandsorganisation, S. 154 ff. (m. w. N.) mit entsprechender Argumentation zur Frage, ob zentrale Vorstandsausschüsse zulässig sind, da Bedenken aufkommen, dass die außenstehenden Vorstandsmitglieder faktisch gelähmt seien. Dieses Szenario lässt sich durchaus fruchtbar machen, da Vorstandsmitglieder auch ohne Ausschuss eine Beißhemmung zeigen können. 172  Die Norm wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21.02.2017, BGBl. I, S. 258. Zuvor war das Weisungsrecht aber als Ausfluss des Arbeitsverhältnisses ebenfalls anerkannt. Gestützt wurde dies durch § 106 GewO, wonach Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmt werden können, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Der Norm wird allgemeingültige Wirkung für Arbeitsverhältnisse unterstellt. Vgl. dazu

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Abs. 1 S. 2 BGB Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Der Vorstand als Geschäftsführungsorgan übt das arbeitsrechtliche Direk­ tionsrecht für die Gesellschaft gegenüber den Mitarbeitern aus.173 Findet die Delegation, wie in der Praxis üblich, innerhalb eines schon eingerichteten Aufgabenbereichs statt, so steht den zuständigen Vorstandsmitgliedern das Weisungsrecht zu, da sie kraft ihrer Stellung als Arbeitgeber gegenüber den Mitarbeitern fungieren.174 Der Arbeitsvertrag bietet dem Vorstand die Möglichkeit, zusätzliche Detailfragen der Delegation über das allgemeine Direktionsrecht hinaus zu regeln. Dazu gehören etwa Verschwiegenheitspflichten. Diese sollten im Arbeitsvertrag statuiert werden und zwar über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus, soweit sie nicht bereits aus dem Arbeitsvertrag folgen.175 Aber schon das Weisungsrecht an sich gibt dem Vorstand hinreichende rechtliche Möglichkeit, auf den Mitarbeiter Einfluss zu nehmen: Er kann dem Mitarbeiter Rahmenbedingungen für die Geschäftsführungsmaßnahme vorgeben und so seiner Überwachungspflicht nachkommen. Unproblematisch ist auch die Rückabwicklung der Delegation, da die Aufgaben innerhalb der Gesellschaft verbleiben. Der Vorstand kann jederzeit Umstrukturierungen vornehmen oder die übertragenen Aufgaben an sich ziehen. Faktische Bedenken gegenüber der Durchsetzung sind ohne anderweitige Anhaltspunkte nicht ersichtlich.176 Rechtlich wie rechtstatsächlich ist die Übertragung von Aufgaben an Mitarbeiter daher unbedenklich. c) Gestaltung der Rechtsposition gegenüber Dritten aa) Bestimmung des Rechtsverhältnisses Delegiert der Vorstand an externe Delegationsempfänger, liegt dem weder eine organschaftliche Verbindung noch ein Arbeitsverhältnis zugrunde. Für BAG NZA 2005, 359 ff.; Preis, in: Erfurter Komm. ArbR, § 106 GewO Rn. 1. Siehe auch Müller-Glöge, in: Münch. Komm. BGB, § 611 Rn. 1016. 173  Statt aller Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 528 f., 537; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 48; Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 11. 174  Statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 14 (m. w. N.). 175  Preis, in: Erfurter Komm. ArbR, § 611a BGB Rn. 710 ff., 749, wonach die Pflicht über die Dauer des Vertrags hinaus aus § 242 BGB folge. 176  So fordert etwa BGHZ 133, 370, 378 = BGH NJW 1997, 130, 132 (zur deliktischen Verantwortlichkeit in der GmbH) lediglich, dass die Geschäftsführer innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche Aufgaben nur übertragen dürften, wenn sie sicherstellten, dass diese tatsächlich erfüllt würden. Siehe auch Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963, 965.



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das Delegationsverhältnis kommen regelmäßig bestimmte Vertragstypen in Betracht, namentlich ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB177, ein Dienstvertrag nach § 611 BGB oder auch ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB.178 Vertragspartner ist die Gesellschaft, daher wirkt der Delegationsempfänger in deren Pflichtenkreis.179 Beispielhaft wurde im bereits besprochenen Fall der Auslagerung von EDV-Aufgaben ein Rahmendienstleistungsvertrag geschlossen.180 Ferner kann ein sogenannter Betriebsführungs- oder Managementvertrag geschlossen werden.181 Nimmt man nun die gesetzlichen Regelungen zur Hand, fehlen vergleichbare Einflussrechte, wie sie dem Vorstand gegenüber einzelnen Mitgliedern und Mitarbeitern zur Verfügung stehen. Organisiert der Dritte an Bedürfnissen der Gesellschaft vorbei, widerspricht die Art der Aufgabenerfüllung den Ansprüchen der Gesellschaft oder ist die Aufgabenerfüllung gar rechtlich unzureichend, kann der delegierende Vorstand vertragliche Rechte, etwa Gewährleistungsrechte, geltend machen, kündigen oder Schadensersatz verlangen. Anders als bei der Delegation innerhalb der Gesellschaft ist der externe Dritte rechtlich wie wirtschaftlich selbständig, sodass unmittelbare Zwangsmittel im Ausgangspunkt fehlen. Der Vorstand könnte ohne weitere vertragliche Regelungen allenfalls versuchen, faktisch auf den Delegationsempfänger einzuwirken, um die Aufgabenerfüllung zu lenken. Unter diesen Umständen wäre die Überwachung kein geeignetes Substitut für die unmittelbare Handlungspflicht und die Delegation unzulässig. Daher gilt: Will der Vorstand Aufgaben an Dritte delegieren, muss er die notwendigen Einflussrechte vertraglich festschreiben.

etwa bei Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 106. Geschäftsbesorgungsvertrag zeichnet sich nach h. M. dadurch aus, dass der Geschäftsbesorger selbständig und wirtschaftlich tätig wird, um fremde Vermögens­ interessen zu wahren. Insofern ist eine Abgrenzung zum Dienstvertrag vorzunehmen. Vgl. dazu Heermann, in: Münch. Komm. BGB, § 675 Rn. 3 ff.; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483 spricht von einem Outsourcing-Vertrag bei Einzelaufgaben, konkretisiert dies jedoch nicht näher. Letztlich handelt es sich aber kaum um eine eigene Vertragsart, sondern fällt unter die oben benannten Vertragstypen. 179  Siehe schon § 3 II. 2. 180  Siehe LG Darmstadt ZIP 1986, 1398 f. Konkretere Ausführungen zum Vertragstyp erfolgen nicht durch das Landgericht. Da die Dienstleistung mit Blick auf die normierten Vertragstypen kein feststehender, eigenständiger Begriff ist, der einen Vertragstyp impliziert, kommt ihr eher der Charakter eines Obergriffs über die zuvor aufgeführten Vertragstypen zu. Um den Vertragstyp in dem konkreten Fall zu bestimmen, müsste der vereinbarte Vertragsinhalt bekannt sein. 181  Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483. 177  Siehe 178  Der

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

bb) Wesentliche Regelungspunkte im Vertragsverhältnis (1) Informations- und Weisungsrechte Welche Werkzeuge hier besonders wesentlich sind und wo rechtliche oder faktische Unsicherheiten drohen, soll im Folgenden erörtert werden. Damit die Überwachungspflicht die ursprüngliche Handlungspflicht ordnungsgemäß ersetzen kann, bedarf es zunächst Informations- und Weisungsrechten. Vorstand und Delegationsempfänger müssen ein umfängliches Informationsrecht vereinbaren,182 da die Überwachung ohne Informationen leerliefe.183 Außerdem muss der Vorstand über ein Zwangsmittel verfügen, das es ihm ermöglicht, die Aufgabenerfüllung zu steuern, sofern er im Rahmen seiner Überwachung Anhaltspunkte dafür gewinnt, dass der Delegationsempfänger nicht ordnungsgemäß oder den Zielsetzungen der Gesellschaft entsprechend handelt. Nach dem gesetzlichen Status quo der Vertragstypen steht dem Vorstand gegenüber dem Externen kein Weisungsrecht zu. Daher muss der Vorstand zwingend ein dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht entsprechendes schuldrechtliches Weisungsrecht vereinbaren.184 Der Umfang des Weisungsrechts richtet sich nach den Umständen.185 Die Beauftragung von Reinigungs- oder Security-Unternehmen sieht sich beispielweise nicht so strengen Maßstäben ausgesetzt.186 Problematisch könnte diese zwingende Form der Intervention sein, da es sich immerhin um einen rechtlich wie wirtschaftlich unabhängigen Delegationsempfänger handelt. Die Privatautonomie gibt den Vertragspartnern jedoch auch das Recht, ein Weisungsrecht zu installieren.

182  Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 530; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483; U. H. Schneider/Brouwer, FS Priester 2007, S. 713, 721; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 18; Stein, ZGR 1988, 163, 171; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206. 183  § 10 II. 184  Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 66; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 529 f.; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483; Turiaux/ Knigge, DB 2004, 2199, 2206; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 12. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 50 spricht von „intensiven schuldrechtlichen Bindungen“. Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 18 fordert alle „nötigen Rechte“, „Einräumung von Informations-, Kontroll- und Prüfungsrechten“. Siehe ebenfalls Stein, ZGR 1988, 163, 170 ff. U. H. Schneider/Brouwer, FS Priester 2007, S. 713, 721 sprechen von einem „Einwirkungsrecht“. 185  Laut Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 530 soll sich das Weisungsrecht nach dem Bedeutungsgehalt der Aufgabe richten. Auf den Bedeutungsgehalt abzustellen ist jedoch rechtsunsicher und muss bei der Bewertung des Vorstandsverhaltens berücksichtigt werden. 186  So Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 66.



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Stärkere Bedenken bestehen hingegen dann, wenn der externe Dritte als Aktiengesellschaft organisiert ist. Dort diskutieren Rechtsprechung und Schrifttum parallel zum Delegationsverbot, ob und in welchem Umfang die schuldrechtliche Selbstbindung des Vorstands gegenüber Dritten zulässig ist. Unterwirft sich der Vorstand vertraglich Weisungen Dritter, kann dies gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßen. Grenzen und Rechtsfolgen solcher Bindungen sind allerdings hochumstritten; im äußersten Fall droht eine Unwirksamkeit nach §§ 134, 138 BGB.187 Nimmt man die Unwirksamkeit einmal an, dann verhält sich nicht nur der Vorstand pflichtwidrig, der seine Gesellschaft und damit sich selbst den Weisungen unterwirft. Auch der delegierende Vorstand kann pflichtwidrig handeln, indem er den Vertrag schließt: Ist der Vertrag unwirksam, müssen etwa bereits ausgetauschte Informationen, Daten etc. wieder rückabgewickelt werden. Daraus könnte der Gesellschaft ein Nachteil entstehen. Aus Sicht des Vorstands liegt ein Verstoß gegen die Legalitätspflicht vor. Ohne diesen Konflikt im Detail aufzubrechen wird man für den Fall der Delegation doch differenzieren müssen: Schließt der Vorstand für die Gesellschaft einen Vertrag, bindet er sich als deren Geschäftsführungsorgan naturgemäß auch selbst.188 Dennoch darf der Vorstand für die Aktiengesellschaft selbstverständlich Verträge schließen, ohne dadurch seine Organfunktion zu verletzen. Die Aktiengesellschaft ist somit gewöhnliche Vertragspartei wie jede andere Gesellschaft auch. Entsprechend gilt auch die Vertragsfreiheit, wenn der Vorstand für die Gesellschaft Verträge schließt. In Anbetracht dessen muss es zulässig sein, dass die delegierende Gesellschaft auch gegenüber einer Aktiengesellschaft gewisse Standards vertraglich einfordert oder festlegt. Fraglich ist dennoch, welchen Umfang das Weisungsrecht haben darf. Die Grenze des Zulässigen ist spätestens dort erreicht, wo die Gesellschaftsautonomie oder aber das Organisationsgefüge betroffen sind. Überträgt der Vorstand beispielsweise den EDV-Bereich an Dritte, kann er nicht verlangen, dass die Gesellschaft ihr Nachhaltigkeitskonzept ändert, jedenfalls sofern es nicht direkt in Zusammenhang mit der Datenverarbeitung steht. Eine Grenze ist mithin dort zu ziehen, wo die Organisationsautonomie des Vorstands zu stark eingeschränkt wird. Im Übrigen könnte das Weisungsrecht so bemessen sein, dass es sich nur auf Bereiche bezieht, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufgabe stehen, die der Delegationsempfänger zu erfüllen hat. Die Weisung darf nicht die Organrechte von Aufsichtsrat und Hauptversammlung berühren.189 Das Weisungsrecht darf ebenfalls nicht dazu dienen, konzernrechtliche Vorgaben zu umgehen. einem Überblick zum Streitstand Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 92 ff. auch Kuntz, AG 2016, 101. 189  Siehe dazu Koch, in: 50 Jahre AktG, S. 65, 100. 187  Mit 188  So

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

(2) Vertragsbeendigung Neben Informations- und Weisungsrechten kommt der Vertragsbeendigung eine wesentliche Bedeutung zu. Die Vertragsdauer steht dabei nicht im Vordergrund. Entscheidend ist, dass dem delegierenden Vorstand hinreichende Kündigungsrechte zustehen und die Rückabwicklung rechtlich wie faktisch gesichert ist. Die gesetzlichen Vorschriften zu den in Frage kommenden Vertragstypen lassen sich in den Grenzen der §§ 138, 242 BGB privatautonom abbedingen.190 Die vertragliche Klausel muss dem Vorstand umfassende sowie zeitlich flexible Kündigungsrechte vorbehalten, um sich bei einem Fehlverhalten des Delegationsempfängers möglichst schnell vom Vertrag lösen zu können.191 Der Delegationsempfänger hingegen muss in seinen Kündigungsrechten so beschnitten sein, dass die Gesellschaft die Aufgabenwahrnehmung anderweitig organisieren kann. Gerade bei der Aufgabenübertragung an Externe ergeben sich im Anschluss an die Vertragsbeendigung Folgefragen, die bisher gänzlich unbehandelt bleiben. Die Effizienz bemisst sich nicht so sehr an der Frist, sondern an der Rückabwicklung.192 Stellt die Gesellschaft dem Delegationsempfänger etwa Unterlagen zur Verfügung, muss sie in der Lage sein, diese herauszuverlangen. Das gilt schon während der Delegation.193 Ein Herausforderungsanspruch könnte vertraglich an die Kündigung geknüpft werden. Einen Heraus190  Für den Dienstvertrag siehe Hesse, in: Münch. Komm. BGB, § 621 Rn. 29 f. Für den Geschäftsbesorgungsvertrag gelten die Vorschriften über den Dienstvertrag im Umkehrschluss aus § 675 Abs. 1 BGB, vgl. auch Heermann, in: Münch. Komm. BGB, § 675 Rn. 25. Daher ist die Dispositivität auch hier anzunehmen. Im Werkvertragsrecht steht dem Besteller bis zur Vollendung des Werks ohnehin ein jederzeitiges Kündigungsrecht gemäß § 648 S. 1 BGB zu. Kündigungen aus wichtigem Grund sind dagegen nur ganz restriktiv individuell abwandelbar. Im Kern muss es den Vertragsparteien stets zustehen. Allenfalls können bestimmte Umstände als wichtiger Grund ausgeschlossen werden. Möglich ist je nach Umständen auch ein Ausschluss für eine bestimmte Zeit. Vgl. dazu die Ausführungen zu § 314 BGB von Gaier, in: Münch. Komm. BGB, § 314 Rn. 4; außerdem Henssler, in: Münch. Komm. BGB, § 626 Rn. 48. Für § 648a BGB muss dies entsprechend gelten. Zu dieser Vorschrift als Anlehnung an § 314 BGB vgl. Busche, in: Münch. Komm. BGB, § 648a Rn. 1. 191  Siehe dazu auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 530; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483, der auch die effiziente Rückdelegation im Blick hat; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 76 Rn. 18; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206. Siehe auch Stein, ZGR 1988, 163, 171: „Rückgängigmachung der Übertragung“. BGH NJW 1982, 1817 ff. („Holiday-Inn“) fordert für das Personengesellschaftsrecht ebenfalls weitreichende Eingriffs- und Gestaltungsrechte, insbesondere ein Kündigungsrecht. 192  In diese Richtung auch E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.85, der auch auf den Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten verweist. 193  Fleischer, WM 2006, 2021, 2025 zur Buchführung und den entsprechenden Unterlagen dazu.



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gabeanspruch bietet aber auch das Auftragsrecht: Gemäß § 667 BGB ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Im Rahmen von Geschäftsbesorgungsverträgen ist diese Norm gemäß § 675 Abs. 1 BGB auch anwendbar. Auf das Arbeitsverhältnis wird § 667 BGB über § 675 Abs. 1 BGB direkt oder im Wege der Analogie angewandt.194 § 667 BGB ist überdies eine geeignete Anspruchsgrundlage, da die dispositive Norm von den Parteien entsprechend ausgestaltet werden kann.195 Insbesondere die Fälligkeit der Herausgabepflicht sollte daher vertraglich bestimmt werden.196 Da davon auszugehen ist, dass die Gesellschaft das Eigentum an den Unterlagen behält und dem Externen nur ein Besitzrecht einräumt, das aus dem Delegationsverhältnis stammt, kann sie auch Herausgabe aus § 985 BGB verlangen, da mit Vertragsbeendigung das Besitzrecht erlischt. Zuletzt ist auch § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB einschlägig: Der Delegationsempfänger hat zumindest Besitz als vermögenswertes Recht durch Leistung erlangt.197 Durch die Kündigung fällt der Rechtsgrund weg.198 Besondere Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn digitale Unterlagen betroffen sind.199 Hier kommt es darauf an, in welcher Art und Weise die Informationen zur Verfügung gestellt werden: Richtet die delegierende Gesellschaft einen virtuellen Datenraum ein, mit dem der Delegationsempfänger arbeiten soll, können technische Einstellungen zumindest verhindern, dass die Daten heruntergeladen werden oder durch Screenshots vervielfältigt werden. Fotografische oder handschriftliche Kopien sind zwar weiterhin möglich, dennoch lässt sich das Risiko eines Datenmissbrauchs auf ein Minimum reduzieren. Herausgabe- und Löschungsansprüche sollten zwar vertraglich geregelt werden, in der Praxis wären sie jedoch auf die genannten Kopien reduziert. Hat der Externe die Möglichkeit, Dokumente herunterzuladen, so müssen diese herausgegeben und auf den Servern des Externen gelöscht werden. Ohne Anspruch auf Löschung wäre die Herausgabe sinnlos. Die Gesellschaft kann auch einen Arbeitsplatz in ihrem Verfügungsbereich schaffen, sodass die Unterlagen die gesellschaftseigenen Räume nicht verlassen. Das ist jedoch unter dem Aspekt der Digitalisierung äußerst umständlich und

194  Schäfer,

in: Münch. Komm. BGB, § 667 Rn. 6 (m. w. N.). aller Schäfer, in: Münch. Komm. BGB, § 667 Rn. 4. 196  Vgl. Schäfer, in: Münch. Komm. BGB, § 667 Rn. 19 zu den Konstellationen auch ohne individuelle Regelung. Daraus ergeben sich verschiedene Unsicherheiten, die der Vorstand durch eine ausführliche Regelung vermeiden kann. 197  Zum Tatbestandsmerkmal „Etwas erlangt“ vgl. Stadler, in: Jauernig, § 812 Rn.  8 ff. 198  Dazu Schwab in Münch. Komm. BGB, § 812 Rn. 418. 199  Auch dazu in Ansätzen E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.85. 195  Statt

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

daher nicht sinnvoll. Um rechtmäßiges Verhalten sicherzustellen, sollten zusätzlich Vertragsstrafen in den Vertrag aufgenommen werden.200 Neben der Rückabwicklung gilt es, umfassende Verschwiegenheitspflichten zu vereinbaren, die fortgelten, wenn das Delegationsverhältnis bereits beendet ist. Andernfalls ginge der Vorstand das Risiko ein, dass Gesellschaftsinterna nach außen dringen. Dann wäre die Delegation unzulässig. Bedenkenswert könnte auch hier die Installation eines speziellen Kontrollund Sanktionsregimes sein, das bei Zuwiderhandeln Vertragsstrafen vorsieht. Derartige Regime, die über den Mindeststandard hinausgehen, sollen jedoch keinesfalls zu zwingenden Voraussetzungen der Delegation erhoben werden. Dies verkomplizierte die Delegation, obwohl angesichts weitreichender Einflussrechte keine pauschale Notwendigkeit besteht. Hier ist der Einzelfall entscheidend.201 Sofern der Vorstand Aufgaben unverzüglich wieder an sich ziehen kann, ist die Einflussnahme zunächst hinreichend gewahrt. Verletzt der Delegationsempfänger seine vertraglichen Pflichten, kann die Gesellschaft schließlich Schadensersatz verlangen. Letztlich ist die Rechtsordnung mitsamt den genannten Konsequenzen in der Lage, Rechtsverstöße auszuhalten, sofern sie nicht von vornherein indiziert sind.202 cc) Tatsächliche Durchsetzbarkeit Trotz dieser weitreichenden vertraglichen Regelungsmöglichkeiten gibt es gegenüber der Delegation an Dritte starke faktische Bedenken, ob der Vorstand die vertraglichen Einflussrechte auch tatsächlich durchsetzen kann:203 Da den Vorstand nach der Delegation eine Überwachungspflicht trifft, muss er sich vor allem die erforderlichen Informationen vom Delegationsempfänger beschaffen können.204 Gerade hier erscheint aber die faktische Durchsetzbarkeit problematisch: Der Vorstand überwacht keine Gesellschaftsange200  Vgl. Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206. Die konkrete Konstellation des LG Darmstadt ZIP 1986, 1389 sicherte dem Vorstand hinreichende Einflussrechte zu. Die Daten blieben Eigentum der Gesellschaft und durften vom Delegationsempfänger nicht verwertet werden. Außerdem war der Delegationsempfänger verpflichtet, sein Handeln in Einklang mit dem damals geltenden BDSG zu bringen. Letztlich war auch eine Überwachung vereinbart, vgl. dazu die Sachverhaltsangaben, S. 1390. 201  Dennoch hat insbesondere die Compliance-Debatte gezeigt, dass sich einmal vorgenommene Maßnahmen zu Standards entwickeln. Anders als bei der Compliance sind diese vertraglichen Regelungen aber ungleich unaufwändiger umzusetzen. 202  Der Vorstand kann pflichtwidriges Verhalten des Delegationsempfängers auch hier nicht verhindern, er kann sich aber auch hinsichtlich des Verhaltensmaßstabs Garantien einräumen lassen. 203  Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 50 schätzt die faktische Durchsetzbarkeit als gefährdet ein. Kritisch äußert sich auch Stein, ZGR 1988, 163, 171. 204  Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 201 zum Betriebsführungsvertrag.



§ 9 Kontrollelemente vor der Delegation253

hörigen, sodass der Vorstand etwa nur schwer einschätzen kann, ob die Informationen wirklich vollständig sind. Dabei muss der Vorstand sogar über den Delegationsempfänger hinaus die ihn umgebende Sphäre beleuchten: Hat der Externe beispielsweise seinen Sitz in einem Land, das politisch instabil ist, dessen Führung Einfluss auf die Wirtschaft nimmt oder in dem korrupte Strukturen herrschen, muss sich der Vorstand ebenfalls die Frage stellen, ob er sich auf die Informationen verlassen kann, auch wenn der Delegationsempfänger auf dem Papier persönlich und fachlich geeignet ist.205 Da der Delegationsempfänger eine ureigene Aufgabe des Führungsorgans übernimmt und Einblick in das Unternehmen erhält, muss die Abwägung diese Umstände entsprechend berücksichtigen. Hier kommt es auch auf den Bedeutungsgehalt der Aufgabe an. Will der Vorstand etwa seine EDV- und IT-Abteilung auslagern, so würde der Delegationsempfänger Zugang zu besonders sensiblen Daten erhalten. An die faktische Durchsetzbarkeit sind in diesem konkreten Fall daher hohe Anforderungen zu stellen. Der Vorstand muss nicht zuletzt auch selbst in der Lage sein, die Kontrolle auszuüben. Faktische Probleme könnten sich daher daraus speisen, dass sich die Gesellschaft in eine gewisse Abhängigkeit begibt: Indem sie eigene Strukturen zurückfährt und die Aufgabe überträgt, fehlen ihr bei Kündigung die erforderlichen Organisationsstrukturen, um die Aufgabe von nun an selbst wahrzunehmen. Die Delegation muss also auch faktisch rückabgewickelt werden können.206 Im Rahmen der Organisationsstruktur wurde bereits gefordert, dass ausreichende Sachmittel zur Verfügung stehen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Rückabwicklung. Der Vorstand befindet sich gleichwohl in dem Dilemma, dass die Gesellschaft nicht in gleichem Umfang Strukturen erhalten kann, für die sie ein externes Unternehmen hinzuzieht. Das würde Sinn und Zweck der Delegation konterkarieren.207 Daher muss sich die Kontrolle möglichst eng am Delegationsempfänger ausrichten, um sogleich reagieren zu können. Insbesondere ist auch hier der Einzelfall genau in den Blick zu nehmen. Der Argumentation hinzufügen lässt sich außerdem, dass die ordnungsmäße Aufgabenerfüllung nicht ausschließlich im Interesse des delegierenden Vorstands liegt. Der externe Delegationsempfänger dürfte angesichts des jederzeitigen Kündigungsrechts stark daran interessiert sein, seine Aufgaben sorgfältig wahrzunehmen, um den Auftrag nicht zu verlieren. Diese wirtschaftliche Komponente ist noch um Reputationsgesichtspunkte zu ergänzen: Der Delegationsempfänger ist nicht in die Gesellschaft eingegliedert, sondern selbständig tätig und somit davon abhängig, dass sein Ruf in der Branche 205  Zum

Prüfmaßstab noch § 10 IV. 2. Stein, ZGR 1988, 163, 173 f. 207  Vgl. ähnlich Stein, ZGR 1988, 163, 173 f. 206  Dazu

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

keinen Schaden nimmt. Insofern ist von beiden Vertragsparteien die größtmögliche Sorgfalt zu erwarten.208 Dennoch ist das Risiko bei externen Delegationsempfängern höher. Daher ist zwar weiterhin die Einzelfallprüfung entscheidend. Diese sollte aber strenger ausfallen als bei den übrigen Delegationsformen.209 5. Zwischenergebnis Die Auswahl des Delegationsempfängers wirkt sich maßgeblich auf die Zulässigkeit der Delegation aus: So muss der Vorstand sicherstellen, dass der Delegationsempfänger qualifiziert ist. Die Prüfintensität wird bei einzelnen Vorstandsmitgliedern regelmäßig geringer sein als bei Mitarbeitern oder Dritten. Auch bei den zwingend erforderlichen Einflussrechten nimmt der Regelungsaufwand zu, wenn die Aufgabe die Vorstandebene verlässt. Gegenüber Mitarbeitern und Dritten sind insbesondere umfangreiche Weisungs- und Rückdelegationsrechte erforderlich. Außerdem muss insbesondere bei Externen die tatsächliche Durchsetzbarkeit der Überwachungspflicht sichergestellt sein. Der Auswahl des Delegationsempfängers muss jedoch immer eine Betrachtung der Einzelumstände vorausgehen.

III. Einweisung des Delegationsempfängers 1. Zuschnitt der Aufgabe Orientiert man sich an der Pflichtentrias, muss der Vorstand den Delega­ tionsempfänger regelmäßig in die Aufgabe einweisen.210 Zur Einweisung gehört insbesondere, Ziele und Handlungsleitfäden zu formulieren, an denen sich der Delegationsempfänger orientieren kann.211 Der Vorstand muss selbst eine Vorstellung davon haben, wie die Geschäftsführung in den Grundzügen zu erfolgen hat. Der Delegationsempfänger hingegen, jedenfalls wenn es sich um Mitarbeiter oder Dritte handelt, kann das nicht eigenständig bewerten. Dem externen Delegationsempfänger sind die Gesellschaft und ihre Ausrich208  Vgl. Stein, ZGR 1988, 163, 173; siehe auch Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483. 209  Dazu noch V. 210  Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 536; Fleischer, AG 2003, 291, 293 (m. w. N.); Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; Hegnon, CCZ 2009, 57, 60 f.; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2205. 211  Vgl. Schiessl, ZGR 1992, 64, 81 zur Spartenorganisation; bestätigend Heller, Unternehmensführung, S. 19. Dem Delegationsempfänger Ziele und Handlungsleit­ fäden vorzugeben, gehört jedoch universell zur Einweisung, um die sorgfältige Aufgabenerfüllung sicherzustellen.



§ 9 Kontrollelemente vor der Delegation255

tung sogar völlig fremd. Der Vorstand muss daher eine detaillierte Tätigkeitsbeschreibung vornehmen und Ansprechpartner bleiben. Zur Aufgabenbeschreibung gehört die Bedeutung der Aufgabe, eine Zielvorgabe, aber auch die Aufklärung über mögliche Risiken. Ferner muss der Delegationsempfänger wissen, welche Anforderungen an die Aufgabenerfüllung, etwa die Form, gestellt werden. Wichtig ist eine Aufklärung über Berichtspflichten, Verschwiegenheitspflichten sowie die Frage, wann der Delegationsempfänger Rücksprache halten sollte oder die Aufgabe wieder an den Gesamtvorstand delegieren sollte.212 Klar muss auch sein, wer Adressat der Berichte ist. Ferner müssen interne Regelungen kommuniziert werden.213 Der Vorstand kann die Aufgabenerfüllung also durch seine Vorgaben punktgenau justieren und den Handlungsspielraum des Delegationsempfängers beliebig enger oder weiter ziehen. Zur Einweisung gehört auch die Ausstattung mit Befugnissen sowie Sach- und Personalmitteln. Es kann auch erforderlich sein, den Delegationsempfänger vor der Aufgabenübertragung oder währenddessen fortzubilden.214 Die Einweisung oder auch Instruktion hat den Charakter einer Dauerpflicht und sollte je nach Umständen wiederholt oder aktualisiert werden.215 Wann dies notwendig ist, ergibt sich für den Vorstand aus der laufenden Überwachungspflicht, die regelmäßige Wasserstandsmeldungen ermöglicht. Welche Detailschärfe die Einweisung erfordert, muss der Vorstand nach dem Einzelfall einschätzen. Blickt man auf den Delegationsempfänger, so haben Vorstandsmitglieder regelmäßig den besseren Überblick über die Gesellschaft als Mitarbeiter und Dritte, vor allem da sie an der Gesamtzielsetzung und Ausrichtung der Gesellschaft unmittelbar beteiligt sind. Entscheidend ist letztlich, welche Aufgabe konkret übertragen wird. Sie bestimmt über den Detailgrad an Informationen, die dem Delegationsempfänger zu übermitteln sind. Bei besonderen Risiken ist die Einweisung entsprechend anzupassen.216 Der Vorstand muss sich bewusst sein, dass seine Vorgaben die 212  Daher besteht eine Vorlagepflicht, wenn wesentliche Entscheidungen zu treffen sind. Wesentliche Entscheidungen sind nach dem hier ermittelten Bewertungsmaßstab zu bestimmen (siehe § 8 III.). Vgl. zur Vorlagepflicht etwa Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 77 Rn. 13; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 42. Weist das Vorstandsmitglied nicht die erforderliche Qualifikation auf, darf es die Aufgaben schon nicht annehmen, vgl. dazu Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 59. 213  Vgl. zu diesen beiden Punkten Fleischer, AG 2003, 291, 293, zum Teil mit Verweis auf das schweizerische Obligationenrecht. 214  Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 162. 215  Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 536; Fleischer, AG 2003, 291, 293: „ständige Schulungs- und Fortbildungspflicht“; siehe auch Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482. Außerdem für Vorstandsmitglieder Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 59. 216  Vgl. Hegnon, CCZ 2009, 57, 60.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Delegationsempfänger binden und er sich insofern für die Vorgaben verantworten muss.217 2. Befugnisausstattung Der Delegationsempfänger muss sodann mit Befugnissen ausgestattet werden, um die Aufgabe zu erfüllen.218 Vorstandsmitglieder verfügen gewöhnlich über hinreichende Befugnisse innerhalb der Gesellschaft. Mitarbeiter, insbesondere nachgeordnete Führungskräfte, bedürfen jedoch eines Arsenals an Werkzeugen, um sich gegenüber anderen Mitarbeitern durchzusetzen. Hier ist der Vorstand gefordert, die Gesellschaft entsprechend zu organisieren. So kann es erforderlich sein, den Mitarbeitern, insbesondere den nachgeordneten Führungskräften, Vollmachten einzuräumen, die allerdings nicht unwiderruflich sein dürfen.219 Die Umstände können verlangen, dass gerade Mitarbeitern ein Weisungsrecht gegenüber den weiteren Mitarbeitern eingeräumt wird.220 Weiterhin muss der Delegationsempfänger Zugang zu den erforderlichen Informationen erhalten. Für gesellschaftsexterne Delegationsempfänger stellt sich die Frage der Befugnisausstattung im Ausgangspunkt nicht so dringlich, da diese für ihre Organisationsstruktur selbst zuständig sind. Der Vorstand sollte zwar überprüfen, ob die notwendigen Strukturen grundsätzlich vorhanden sind, die Umsetzung und interne Organisation liegen aber beim Delegationsempfänger. Dennoch bedarf der Externe je nach Aufgabe und Umständen Vollmachten, um seine ihm zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. Diese dürfen auch hier nicht unwiderruflich sein.221 Somit ist die Befugnisausstattung zwingend, um eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sicherzustellen.

IV. Geeignete Kontrollstruktur in der delegierenden Gesellschaft Um seiner Überwachungspflicht nachkommen zu können, muss der Vorstand nach Weitergabe der Pflichten in der Lage sein, die Aufgabenerfüllung zu bewerten. Dazu ist eine geeignete Kontrollstruktur erforderlich, die nicht nur auf Ebene des Delegationsempfängers zu installieren ist, sondern auch 217  Hegnon, 218  Merkt,

2206.

CCZ 2009, 57, 60. ZIP 2014, 1705, 1712; außerdem Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199,

219  Zum Erfordernis, Vollmachten an Unternehmensfremde auszustellen, Turiaux/ Knigge, DB 2004, 2199, 2206. Erst recht müssen Mitarbeiter mit entsprechenden Rechten ausgestattet werden. 220  Merkt, ZIP 2014, 1705, 1712. 221  Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206.



§ 9 Kontrollelemente vor der Delegation257

auf Ebene des delegierenden Vorstands. Der Informationsfluss zwischen Delegationsempfänger und Vorstand muss gewährleistet sein.222 Zu dieser Organisationsstruktur gehört etwa, dass der überwachende Vorstand das fachliche Vermögen aufweist, die delegierte Aufgabe inhaltlich zu erfassen. Nur dann ist er in der Lage, zu beurteilen, ob die Aufgabenerfüllung sorgfältig erfolgt. Die eigene Kontrollstruktur muss der Abhängigkeit vom Delegationsempfänger entgegentreten, indem der Vorstand sich eine hinreichende Überwachungskompetenz verschafft. Das deckt sich auch mit der Feststellung, dass die Gesellschaft im Falle der Rückabwicklung so aufgestellt sein muss, dass der Vorstand die Aufgabe wieder selbst wahrnehmen kann.223 Das Erfordernis, eine geeignete Kontrollstruktur zu errichten, kann sich nicht zuletzt auf die Personalpolitik in der Gesellschaft auswirken: Um den nicht zu unterschätzenden Kontrollaufgaben nachkommen zu können, müssen der Vorstand sowie die nachgelagerten Ebenen personell hinreichend ausgestattet sein. Die Delegation ist also nicht geeignet, um Personal einzusparen. Sie kann den Vorstand sogar dazu veranlassen, weitere Mitarbeiter einzustellen. Die Kontrolle kann überdies Umstrukturierungen innerhalb der Gesellschaft und der einzelnen Bereiche bedingen. Hinzu kommt, dass der Vorstand eine sachgerechte, klare sowie umfängliche Aufgabenverteilung vornehmen muss, die nicht nur den Delegationsempfängern dient, sondern auch der Kontrolltätigkeit des Vorstands. Nur wenn die Aufgaben genau zugeordnet sind, kann der Vorstand sich auf die Überwachung und die jeweiligen Delegationsempfänger konzentrieren.224 Neben der inhaltlichen Aufgabenverteilung muss er die Gesellschaft so organisieren, dass die Bereiche miteinander verbunden sind und effektiv zusammenarbeiten. Im Ergebnis führt die Delegation also nicht dazu, dass mit der Übertragung einer Aufgabe zugleich die dazugehörige Infrastruktur wegfällt. Vielmehr muss sich der Vorstand weiterhin mit der Thematik auseinandersetzen, um den Delegationsempfänger überwachen und insbesondere für eine ord222  Siehe

noch § 10 II. Vorstehenden Stein, ZGR 1988, 163, 169 ff., 172 f.; zum Erfordernis von Grundkenntnissen auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 250. Siehe auch E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.85. Daher ist der Einwand zur EDV von Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 66; Fleischer, ZIP 2003, 1, 10 dahingehend, dass eine Abhängigkeit technologischer oder systembedingter Art ohne Einfluss sei, nicht überzeugend. 224  Vgl. zu einer sachgerechten Organisationsstruktur Fleischer, AG 2003, 291, 294; Harbarth, ZGR 2017, 211, 215; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 163: klare „Zuständigkeiten, Aufgaben und Berichtswege“; Hegnon, CCZ 2009, 57, 60; Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 406; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 206; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1712; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2205; Urban, GWR 2013, 106: „sachgerechte Delegationsstruktur“. Zur GmbH BGH NZG 2019, 225, 226 („Weltruf“). 223  Zum

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

nungsgemäße Aufgabenerfüllung sorgen zu können. Außerdem muss er in der Gesellschaft Kontrollstrukturen schaffen.

V. Prüfintensität: Einzelfallbetrachtung anhand eines grundsätzlichen Wertekanons Ist somit der Anforderungskanon an die Kontrolle vor der Delegation formuliert, gilt es in einem letzten Schritt, die Prüfintensität zu bestimmen, die der Vorstand der Kontrolle zugrunde zu legen hat. Die Prüfintensität richtet sich wie bereits betont nach den jeweiligen Umständen, namentlich etwa Art, Größe, Organisationsstruktur, Geschäftsgegenstand. Ferner formuliert auch die Maßnahme als solche, insbesondere ihre Bedeutung, den Überwachungsaufwand. Zuletzt sind diese Kriterien mit dem Adressaten abzustimmen.225 Bei dieser Einzelfallbetrachtung deuten sich nicht unerhebliche Schwierigkeiten an: So erscheint es aus Sicht des Vorstands nicht möglich, den Bedeutungsgehalt der jeweiligen Aufgaben rechtssicher bestimmen zu können, da derartige Abstufungen im Aktiengesetz nicht angelegt sind. Das Aktiengesetz behandelt jede Pflicht gleich. Gleiches gilt für eine Abstufung der Adressaten: Vorauszuschicken ist, dass der Vorstand nur dann für die Auswahl einstehen muss, wenn er an der Entscheidung beteiligt war. Auf horizontaler Ebene fehlt die Beteiligung etwa, wenn der Aufsichtsrat das Vorstandsmitglied im Hinblick auf ein bestimmtes Ressort bestellt.226 Im Ausgangspunkt 225  Schon Boesebeck, JW 1938, 2525, 2527; siehe sodann Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 182: „allgemeine Grundsätze“. Zur Einzelfallbetrachtung Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 180; Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 122; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 537; Fleischer, AG 2003, 291, 293 f.; Fleischer, NZG 2003, 449, 453 f.; Frels, ZHR 122 (1959), 8, 31 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 161; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35a: „relative Überwachungspflicht“; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 720; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482 ergänzt die Kriterien, die er schon auf die Delegationsfähigkeit angewandt hat, insbesondere die Frage nach Interessenkonflikten. Siehe auch Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600: Der Umfang richte sich nach der Wahrscheinlichkeit von Verstößen und intensiviere sich bei Anhaltspunkten. Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 22 Rn. 26. Siehe auch anschaulich Larisch/v. Hesberg, CCZ 2017, 17, 23 für den Verein, wobei auf die Ebenen Pflichtverletzung und Verschulden noch vertieft einzugehen ist. Zur Kombination mit grundlegenden Anforderungen Wettich, Vorstandsorganisation, S. 243. Die Grundsätze der aktienrechtlichen Überwachungspflicht, insbesondere der Vertrauensgrundsatz (siehe noch § 10 IV.), sind dabei anderen überwachungsrecht­ lichen Vorschriften entlehnt, insbesondere § 130 OWiG, woraus ein eigenständiges aktienrechtliches Überwachungsregime erwachsen ist, siehe dazu Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 537; Fleischer, AG 2003, 291, 294; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2205. 226  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 125 f.; Frels, ZHR 122 (1958), 1, 30 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 232.



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begründet keine der Delegationsformen Zweifel, die der Delegation entgegenstehen, sofern nicht im konkreten Fall anderweitige Informationen vorliegen. Aufgrund der Prüfungsmechanismen, die Vorstandsmitglieder bei der Bestellung und Mitarbeiter bei der Einstellung durchlaufen, wird man bei diesen Delegationsempfängern keine gesteigerte Prüfintensität anzunehmen haben.227 Bei der Delegation an Dritte sind die Anforderungen wie dargestellt höher. Vor allem muss der Vorstand intensiv prüfen, ob er die Kontrolle faktisch bewerkstelligen kann. Dennoch unterliegt die Prüfintensität auch hier Grenzen: Vom Vorstand können keine Hellseherfähigkeiten erwartet werden. Bewertet man also die konkrete Entscheidung nach den Maßstäben des § 93 Abs. 1 AktG, gilt es, die Entscheidungslage des Vorstands zu berücksichtigen. Im Rahmen des § 93 Abs. 1 AktG stellt sich sodann die Frage, ob die Business Judgment Rule gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG anwendbar ist: Dazu müssen die Entscheidungen, die der Vorstand trifft, unternehmerisch sein. Die Kontrolle vor der Delegation besteht aus verschiedenen Einzelentscheidungen, die letztlich individuell danach zu prüfen sind, ob sie unternehmerische oder rechtsgebundene Entscheidungen darstellen. Die Auswahl des Delegationsempfängers ist dabei besonders diffizil, da ganz unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen sind. So ist die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Qualifikation eine unternehmerische Entscheidung. Der Vorstand hat also sorgfaltsgemäß gehandelt, wenn er vernünftigerweise davon ausgehen durfte, dass der Delegationsempfänger persönlich wie fachlich qualifiziert ist für die Aufgabe.228 Die für eine Kontrolle erforderlichen Einflussrechte, namentlich Informations-, Weisungs- und Kündigungsrechte als solche, muss der Vorstand, soweit sie sich nicht schon aus der jeweiligen Rechtsbeziehung ergeben, hingegen zwingend kautelarjuristisch sicherstellen. Ihre genaue Reichweite sowie die weitere Ausgestaltung des Delegationsverhältnisses richten sich sodann wieder nach den Umständen, sodass hier von unternehmerischen Entscheidungen auszugehen ist. Faktische Probleme, die bei der Kontrolle aufkommen, sind ebenfalls über die Voraussetzungen der Business Judgment Rule abbildbar. Für die laufende Kontrolle wird als Prüfungsmaßstab der sogenannte Vertrauensgrundsatz diskutiert, wonach ohne Anhaltspunkte von einer sorgfaltsgemäßen Aufgabenerfüllung auszugehen ist.229 Letztlich trägt auch die Kontrolle vor der Delegation ein Vertrauenselement in sich: Würde der Vorstand 227  Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 22 Rn. 26 will dagegen Mitarbeiter einer strengeren Kontrolle unterwerfen. 228  Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1403 ff. zur Beratung. Vgl. auch Paefgen, WM 2016, 433, 438 ff. zur Compliance-Überwachung. 229  Dazu noch § 10 IV.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

schon bei der Auswahl des Delegationsempfängers davon ausgehen, dass der Delegationsempfänger sorgfaltswidrig handelt, wäre die Delegation unzulässig. Bei der Auswahlentscheidung schwingt also ein Vertrauen hinsichtlich künftiger Handlungen mit. Während der Schwerpunkt vor der Delegation aber auf der fachlichen wie persönlichen Eignung liegt, die sich ohne weiteres anhand von Fakten erschließen lässt, ist der Vorstand nach der Delegation stärker auf das Vertrauen zurückgeworfen, da er eine umfänglichere Überwachung nicht zu leisten vermag. Der Vertrauensgrundsatz wirkt sich daher schwerpunktmäßig auf den Zeitpunkt nach der Delegation aus.

VI. Fazit Die Zulässigkeit der Delegation geht mit weitreichenden Prüfpflichten des delegierenden Vorstands einher: Vor der Aufgabenübertragung hat der Vorstand nicht nur zu prüfen, ob die konkrete Maßnahme delegationsfähig ist. Ihn trifft bereits eine vorgeschaltete Kontrollpflicht, die sicherstellt, dass die laufende Kontrolle überhaupt sorgfaltsgemäß erfolgen kann. Schwerpunkt der vorgeschalteten Kontrollpflicht ist die Auswahl des Delegationsempfängers, die neben der fachlichen wie persönlichen Eignung insbesondere feinausgestaltete Einflussrechte erfordert. Dazu gehören zwingend Informations-, Weisungs- und Kündigungsrechte. Die Einflussrechte müssen schließlich faktisch durchsetzbar sein oder aber der Vorstand muss von deren Durchsetzbarkeit zulässigerweise ausgehen dürfen. Der Vorstand sieht sich sodann in der Bringschuld, den Delegationsempfänger in die Aufgabe einzuweisen und ihn dabei mit hinreichenden Befugnissen auszustatten. Vor allem muss der Vorstand in seiner Gesellschaft die Strukturen schaffen, die eine sorgfaltsgemäße Überwachung gewährleisten. Der Vorstand muss diesbezüglich eine Einzelfallbetrachtung vornehmen, da alle Delegationsformen im Ausgangspunkt unbedenklich zulässig sind. Bei der Bewertung der jeweiligen Umstände privilegiert ihn die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.

§ 10 Kontrollelemente während der Delegation I. Kontrollgegenstand: Recht- und zweckmäßiges Verhalten Ist die Maßnahme delegationsfähig und die Kontrolle vor der Delegation ohne negativen Befund, darf der Vorstand die Maßnahme delegieren. Die unmittelbare Handlungspflicht wird substituiert durch eine Überwachungspflicht: Der Vorstand muss die sorgfaltsgemäße Aufgabenerfüllung durch den Delegationsempfänger überwachen. Erfolgt diese sorgfaltswidrig, muss der



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation261

Vorstand einschreiten. Die Sorgfaltsprüfung bezieht sich dabei sowohl auf die Recht- als auch die Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung.230 Im Ausgangspunkt reichen schon einfache Zweifel, um steuernde Eingriffe vorzunehmen.231 Das gilt schon deshalb, da die dem Vorstand zur Verfügung stehenden Steuerungsinstrumente verschiedene Eskalationsstufen zulassen und es dem Vorstand so ermöglichen, den steuernden Eingriff an die Intensität der Zweifel anzupassen.232 Würde man hingegen eine weitere Differenzierungsebene einziehen und die Zweifel zusätzlich nach ihrer Qualität bemessen, würde dies die Pflicht einerseits noch komplexer machen, andererseits wären Aufgabenübertragung und Aufgabenwahrnehmung aus dem Gleichgewicht gebracht: Die Überwachung muss so ausgestaltet sein, dass sie die ursprüngliche Handlungspflicht angemessen ersetzen kann. Hierzu gehört es auch, zu reagieren, wenn Zweifel daran bestehen, dass der Delegationsempfänger seine Aufgabe sorgfaltsgemäß erfüllt. Das gebietet letztlich auch die Gesamtverantwortung, die dem Vorstand einen umfassenden Einfluss zusichert. Rein praktisch liefe die Differenzierung ohnehin leer, da die Vorstandsmitglieder lieber einmal zu viel nachfragen als einmal zu wenig, um eine Pflichtverletzung zu verhindern.

II. Informationsaustausch als Prämisse der Überwachung Steht der Kontrollgegenstand fest, gilt es, die einzelnen Kontrollelemente während der Delegation genauer auszuformen. Besonders im Fokus steht dabei, welche Steuerungsinstrumente dem Vorstand zustehen, wann er diese einsetzen kann und welche Intensität der Kontrolle zugrunde liegt. Zunächst ist aber die Prämisse jeder Überwachung zu beleuchten: Der Informationsaustausch. Ohne Informationen kann auf der einen Seite der Vorstand nicht beurteilen, ob die Aufgabenerfüllung seinen Vorstellungen entspricht. Der 230  Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 180; Fleischer, NZG 2003, 449, 453; HoffmanBecking, ZGR 1998, 497, 512; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 242; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. Siehe auch Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1455, wonach bei der Compliance ein pflichtwidriges Verhalten des zuständigen Vorstandsmitglieds nicht erforderlich sei, da die Compliance einen präventiven Zweck habe. 231  Siehe Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 8 Rn. 24; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512: „Schwerwiegende Bedenken“, wobei er die Beschlussfassung als erforderlich ansieht, wenn die Aussprache versandet; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  259 ff., wonach schon jedes unwirtschaftliche Handeln Anlass sein könne, um den Delega­ tionsempfänger stärker zu überwachen. Nicht überzeugend ist es hingegen, gewichtige Zweifel vorauszusetzen, damit die Beeinträchtigung der Bereichszuständigkeit gerechtfertigt sei, so aber Haas, Geschäftsführerhaftung, S. 287. Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1453 verweist auf das Ermessen des Delegationsempfängers und stellt auf ein deutliches Verfehlen von Planzahlen ab. 232  Siehe dazu noch III.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Delegationsempfänger bedarf auf der anderen Seite hinreichender Informa­ tionen, um die Aufgabe wahrnehmen zu können.233 Dies leistet in gewissem Maße schon die Einweisung vor der Delegation.234 Während vor der Delegation die Angaben zu Zielen und Rahmenbedingungen, den konkreten Abläufen in dem Aufgabenbereich oder aber wichtigen rechtlichen Anforderungen im Fokus stehen, hat die Informationsweitergabe während der Delegation insbesondere den Zweck, über neue Entwicklungen aufzuklären oder die Nachjustierung zu ermöglichen. Der Schwerpunkt der Informationspflicht liegt dennoch beim Delegationsempfänger, da ihm die Aufgabe zur selbständigen Erfüllung überlassen wird. In welchem Umfang die Informationen zu erteilen sind, richtet sich nach dem Einzelfall. Klar ist, dass der Delegationsempfänger nicht über jedes gewöhnliche Ereignis zu berichten hat, da der Vorstand mit Informationen überschwemmt und der Delegationszweck konterkariert würde.235 Die Informationserteilung soll aber gewährleisten, dass der Vorstand eingreifen kann, bevor einschneidende Entscheidungen getroffen werden.236 Schon die Kon­ trollintensität, namentlich die Plausibilitätskontrolle,237 lässt keine umfangreichere Kontrolle zu. Kommt der Delegationsempfänger seiner Informa­ tionspflicht nicht nach, kann sich der Vorstand nicht auf mangelnde Informa233  Die Bedeutung des Informationsaustauschs ebenfalls betonend Simon, Der Konzern, 2015, 205, 207. Vgl. außerdem Harbarth, ZGR 2017, 211, 215; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 512; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 196 f.; Pietzke, CCZ 2010, 45, 47; Schiessl, ZGR 1992, 64, 69; Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 579 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  240 ff.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. Der Informationsaustausch, insbesondere aber die Pflicht, Informationen einzufordern, wenn diese nicht vollständig erbracht werden, gilt für alle Delegationsformen. Siehe etwa zur Berichtspflicht zwischen Vorstand und Compliance-Officer Arnold, ZGR 2014, 76, 80. Auf die gleichen Voraussetzungen bei externer Delegation hinweisend Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1483. 234  Siehe § 9 III. 235  Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 121 f.; Löbbe/Fischbach, AG 2017, 717, 723. Die verschiedenen Delegationsarten bestimmen ebenfalls nicht automatisch den Umfang. So zu Ressort- vs. Spartenorganisation Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1452. Wettich, Vorstandsorganisation, S. 243 fordert hingegen höhere Anforderungen. Laut Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 174 soll sich der Berichtsumfang jedenfalls für Ressortberichte an § 90 AktG orientieren. 236  Vgl. dazu Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 216 f. zu einem vorstandsinternen Berichtssystem bei Spartenorganisation. Der Gedanke, dass sorgfaltswidrige Entscheidungen des Delegationsempfängers verhindert werden sollen, ist aber grundsätzlicher Natur und von der Delegationsform unabhängig. Siehe auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 176 f., wonach ein Bericht erfolgen müsse, bevor schwerwiegende Maßnahmen zu ergreifen seien, es sei denn, die Rückabwicklung sei ohne weitere Einbußen möglich. Außerdem könne der vorgeschaltete Bericht entfallen, wenn die Maßnahme erforderlich sei, um Einbußen zu verhindern. 237  Ausführlich unter IV.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation263

tionserteilung berufen, sondern muss die Informationen einfordern. Der Vorstand hat also nicht nur ein Recht auf Information, sondern spiegelbildlich eine Pflicht, sich zu informieren.238 Dieses Informationsrecht steht dem Vorstand auch vollumfänglich zu, sodass er bei lückenhaften Angaben nachhaken kann.239 Der Delegationsempfänger kann seinerseits seine Aufgabe nur dann sorgfaltsgemäß erfüllen, wenn er den nötigen Über- und Einblick erhält: Während Vorstandsmitglieder aufgrund ihrer Nähe zum Organ das geringste Informationsgefälle aufweisen, ist der Informationsaufwand gegenüber Mitarbeitern schon ungleich höher. Externe müssen sodann einen besonders umfassenden Einblick in die Gesellschaft als solche sowie regelmäßige Informationsupdates erhalten. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Dritte anders als Gesellschaftsinterne Änderungen nicht ohne weiteres „aufschnappen“ können. Daher muss bei der Informationserteilung gegenüber Dritten eine besondere Sensibilität aufgebracht werden. Ort der Berichterstattung ist auf horizontaler Ebene in der Regel die Vorstandssitzung, aber auch außerhalb einer derartigen Zusammenkunft ist die Informationsweitergabe selbstverständlich möglich, etwa durch Telefonkonferenzen oder E-Mails.240 Jedes Vorstandsmitglied ist dazu verpflichtet, auf der Basis der erhaltenen Informationen den Delegationsempfänger zu kon­ trollieren.241 Die Berichte müssen daher so aufbereitet sein, dass die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder ihren Inhalt auch bewerten können.242 Beide Seiten müssen einschätzen, ob die Berichte ausreichen oder tiefergehende Ausführungen erfordern.243 238  Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 406: Der Vorstand soll sich „zeitnah, regelmäßig und anlassbezogen“ informieren lassen. Siehe auch Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 180; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35; Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1452; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 58 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 241. Das gilt umso mehr, wenn man die Überwachungspflicht der Privilegierung nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG unterstellen will: Für das Eingreifen der Business Judgment Rule ist die Informationsgrundlage Tatbestandsvoraussetzung, sodass dem Informationsaustausch unter diesem Gesichtspunkt wesentliche Bedeutung zukommt. Vgl. zu diesem Gedanken Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 406. Ausführlich noch im Rahmen der Kontrollintensität unter IV 1. b). 239  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 26; Schiessl, ZGR 1992, 64, 69. 240  Siehe dazu schon § 8 II. 5. 241  Vgl. Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 723. 242  Zum Vorstehenden Wettich, Vorstandsorganisation, S. 241. 243  Vgl. Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1452. Laut Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 378 soll bei Entscheidungen, die vom Plenum zu treffen sind, das ressortzuständige Vorstandsmitglied eine Entscheidungsvorlage erstellen, die den Vorstandsmitgliedern zugeleitet werde und etwa eine Übersicht über Argumente und Gegenargumente enthalte. Dieser Vorschlag lässt sich jedoch auch fruchtbar machen für die Aufgaben, die mitsamt Entscheidungsbefugnis delegiert werden: Das Vorstandsmitglied kann ähn­

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Delegiert der Vorstand vertikal oder extern, kann zunächst davon ausgegangen werden, dass der Informationsaustausch wie auch auf Vorstandsebene erfolgt. Der Delegationsempfänger erstellt also Berichte und lässt diese dem Vorstand oder dem bereichszuständigen Vorstandsmitglied zukommen. Außerdem sollte ein Forum geschaffen werden, das sich an die Sitzungen des Vorstands anlehnt: Das bereichszuständige Vorstandsmitglied sollte mit seinen Mitarbeitern oder mit Dritten turnusmäßig tagen und den mündlichen Austausch ermöglichen. Eine Telefonkonferenz wäre dazu ausreichend. Ein bloßer Austausch über Berichte erscheint zu wenig, da die rein schriftliche Fassung zu Missverständnissen oder Ungenauigkeiten führen könnte. Die Frequenz sollte sich nach den jeweiligen Umständen bestimmen. Aus Beweislastgründen ist es für die Kontrolleure zudem ratsam, die zugrundeliegenden Informationen umfangreich zu dokumentieren.244 Letztlich sollten die Grundzüge der Informationserteilung, namentlich Adressaten, Form und Frequenz, unabhängig von der Delegationsform für alle verbindlich geregelt werden, um einen Mindeststandard zu schaffen, der dennoch offen für individuelle Absprachen ist.245 Um den Informationsaustausch zu gewährleisten kommt überdies ein professionalisiertes Informations- und Berichtssystem in Betracht. Pauschal ein derartiges System zu fordern geht an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der einzelnen Gesellschaften vorbei.246 Selbst von einer Empfehlung247 ist nur zurückhaltend Gebrauch zu machen, da das Ausmaß der CompliancePflicht gezeigt hat, dass Empfehlungen aus Sicht des Vorstands rechtsprakliche Vorlagen als Informationspapier erstellen. Die Aufstellung der Argumente wäre sodann um die begründete Entscheidung zu ergänzen. 244  Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 41 (m. w. N.). Außerdem ganz allgemein für den Kontrollbereich, wenn auch auf die GmbH bezogen, Buck-Heeb, BB 2019, 584, 589, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen, die BGH NZG 2019, 225 ff. („Weltruf“) an die Überwachung in der GmbH aufstellt. Für die Compliance-Organisation Goette, ZHR 175, 388, 397 f. 245  Siehe Krause BB 2009, 1370, 1373. 246  Für die Einzelfallbetrachtung auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35b; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 181; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. Wettich, Vorstandsorganisation, S. 241 f. geht bei größeren Gesellschaften von einer Notwendigkeit aus. Für eine Pflicht hingegen Schiessl, ZGR 1992, 64, 69, 81; Schwark, in: ZHR 142 (1978), 203, 216 f. jedenfalls für die Spartenorganisation. Dem folgend Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 513; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 27. Siehe auch Heller, Unternehmensführung, S. 40; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 196 f.; Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1451 f. 247  Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 405 f. Siehe auch Dreher, ZGR 1992, 22, 62; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35b, 40, der sich aber für gemäßigte Anforderungen ausspricht; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 59, wonach es jedenfalls einer „hinreichenden Informationsbasis“ bedürfe.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation265

tisch zu Standards erwachsen, um sich vor möglichen Pflichtverletzungen zu schützen. Die Umsetzung des Berichtssystems ist einzelfallabhängig und liegt im unternehmerischen Ermessen.248 Der Informationsaustausch ist im Ergebnis sowohl für den überwachenden Vorstand als auch für den Delegationsempfänger unerlässlich, damit die Delegation auch weiterhin den Anforderungen entspricht. Die Intensität der Informationserteilung ist abhängig von der jeweiligen Delegationsform.

III. Steuerungsinstrumente bei unzureichender Aufgabenerfüllung 1. Intervention als Oberbegriff Erhält der Vorstand im Rahmen des Informationsaustauschs Anhaltspunkte dafür, dass der Delegationsempfänger die Aufgaben nur unzureichend erfüllt, ist er verpflichtet, auf die sorgfaltsgemäße Aufgabenwahrnehmung hinzuwirken. Dazu sind verschiedene Steuerungsinstrumente denkbar, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen. Die Steuerungsinstrumente sollen auch dahingehend bewertet werden, unter welchen Umständen sie sachgerecht ­erscheinen. Diese Abstufung ist insbesondere vor dem Hintergrund erforderlich, dass der Vorstand die Balance zwischen Kontrolle und Delegation wahren sollte, da die Effekte der Delegation bei unverhältnismäßiger Überwachung leerlaufen würden. Außerdem muss differenziert werden, ob die Maßnahme gegenüber dem jeweiligen Delegationsempfänger möglich ist. Zunächst sollen jedoch zwei Begrifflichkeiten eingeordnet werden, namentlich Intervention und Widerspruch, deren Bedeutungsgehalt in der Debatte variiert. Den Gesamtvorstand einzuschalten wird vielfach als Intervention bezeichnet.249 Das Widerspruchsrecht soll nach teilweiser Auffassung dem Interventionsrecht ähneln,250 andere folgern das Widerspruchsrecht aus dem Interventionsrecht als stärkeres Mittel.251 Nach der hier vorliegenden 248  Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 513 will die genaue Ausgestaltung der Betriebswirtschaftslehre überlassen. Dies wäre einmal mehr Einfallstor für rechtlich nicht begründete Kriterien, die wie die Compliance-Kriterien letztlich undurchdringbar wären; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  241 f. 249  Etwa Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 77 Rn. 13; Hoffmann-Becking spricht im aktienrechtlichen Zusammenhang von einem Interventionsrecht, meint jedoch die Beschlussfassung im Gesamtvorstand, vgl. Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 38; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 28. 250  Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 77 Rn. 13. 251  Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 39; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 29. Siehe auch Heller, Unternehmensführung, S. 39 (Fn. 176), der

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Auffassung soll die Intervention jedoch als Oberbegriff verstanden werden, die das Einschreiten des Vorstands jedweder Art umfasst, also vom bloßen Nachhaken bis hin zur Rückdelegation reicht. Das beugt nicht nur terminologischen Missverständnissen vor, sondern verleiht den Gegenmaßnahmen, die der Vorstand ergreifen kann, eine Überschrift. 2. Nachforschung Erhält der Vorstand Kenntnis von Anomalien oder Fehlentwicklungen bei der Aufgabenerfüllung, muss er zunächst den Sachverhalt aufklären, da in den seltensten Fällen klar ausgeforscht ist, ob überhaupt eine unzureichende Aufgabenwahrnehmung vorliegt oder welches Ausmaß diese hat. Daher sollte der Vorstand beim Delegationsempfänger nachhaken. Darunter ist die intensivere Nachfrage zu fassen, die regelmäßig auf weitere Informationen oder Nachweise gerichtet ist.252 Die Nachfrage wird hier als unkompliziertes und unaufgeregtes Interventionsmittel verstanden, das in vielen Fällen völlig ausreicht, um auf eine sorgfältige Aufgabenerfüllung hinzuwirken. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um leicht korrigierbare Anomalien handelt. Die Nachforschung kann letztlich auch unter den Informationsaustausch im weiteren Sinne subsumiert werden: Gerade im Ausgangspunkt der Delegation ist es nicht fernliegend, dass die Aufgabenerfüllung dialogisch optimiert wird, wenn nicht schwerwiegende Mängel feststellbar sind. Nachfrage und Aussprache sind allgemeingültige Interventionsmittel, die gegenüber allen Delegationsempfängern einsetzbar sind. 3. Beschlussfassung des Gesamtvorstands Will der Gesamtvorstand oder aber ein einzelnes Vorstandsmitglied gegen das bereichszuständige Vorstandsmitglied vorgehen, ist allgemein anerkannt, dass auf Basis der Gesamtverantwortung der Gesamtvorstand angerufen werden kann, um einen Beschluss des Plenums zu erwirken. Das Beschluss­ ergebnis hat dabei verschiedene Gesichter: Der Gesamtvorstand kann beschließen, die Maßnahme an sich zu ziehen oder weitere Nachforschungen anzustellen.253 Der Vorstand kann etwa auch eine Aufklärungseinheit gründen Interventions- und Widerspruchsrecht daher synonym verwendet. Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 196 setzt Intervention und Widerspruch augenscheinlich gleich. Ähnlich Schiessl, ZGR 1992, 64, 68. 252  E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.27. Siehe auch Götz, AG 1995, 337, 339: „Aussprache“. Bei Anhaltspunkten für ein sorgfaltswidriges Verhalten soll die bloße Aussage der zuständigen Person ohne Nachweis nicht mehr ausreichen, vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 289, 290 zur GmbH. 



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation267

und einsetzen oder aber Dritte engagieren, die unabhängig von den üblichen Verantwortungsträgern tätig werden. Der Vorstand muss diese Aufklärung sodann begleiten.254 Oder aber er entscheidet, dass die Maßnahme beim Delegationsempfänger verbleibt. Die Beschlussfassung des Gesamtvorstands einzufordern, ist das weitreichendste Interventionsmittel, da es im äußersten Fall zur Rückdelegation führt.255 Tritt der Gesamtvorstand in die unmittelbare Handlungspflicht ein, darf das zuständige Vorstandsmitglied keine Maßnahmen mehr ergreifen; die Entscheidung des Gesamtvorstands ist zu akzeptieren.256 Eine objektive Kon­ trolle der Vorwürfe findet dabei nicht statt, die Zweifel eines Vorstandsmitglieds reichen aus.257 Hält eines der Vorstandsmitglieder, im Zweifel das zuständige oder das intervenierende Vorstandsmitglied, die Mehrheitsentscheidung für falsch, muss es den Aufsichtsrat einschalten, sofern der Protest ungehört bleibt. Der Aufsichtsrat kann die Geschäftsordnung justieren oder das Vorstandsmitglied abberufen.258 Jedenfalls darf das Vorstandsmitglied nicht untätig bleiben.259 Den Missbrauch der Intervention durch ein Vorstandsmitglied wird man kaum belegen können, da sich aus Sicht der überwachenden Vorstandsmitglieder immer Risiken konstruieren lassen, die an253  Vgl. zu diesen Instrumenten Frels, ZHR 122 (1959), 8, 28 f.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15a; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 28; Semler, FS Döllerer, 1988, S. 571, 579. Zum Beschluss bei Compliance-Verstößen Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 405. Diese Reaktion gilt jedoch allgemein. 254  So Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 406, die zudem eine umfangreiche Dokumentation sowie Maßnahmen empfehlen, die mögliche (weitere) Verstöße verhindern sollen. 255  Diese Rückdelegation ist von der Rückübertragung bei Befugnisüberschreitung zu unterscheiden: Die Befugnisüberschreitung führt schon dazu, dass die Delegationsfähigkeit nicht gegeben ist und daher eine Rückübertragung zwingend ist, während die vorliegende Rückdelegation lediglich eine Reaktion darauf ist, dass die delegationsfähige Aufgabe nicht sorgfaltsgemäß wahrgenommen wird. Gleiches gilt für die Vorlagepflicht: Nach Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 77 Rn. 13; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 42 besteht eine Vorlagepflicht, wenn der Delegationsempfänger erkenne, dass die Maßnahme nicht delegationsfähig sei. Dies ergibt sich jedoch schon aus der Delegation an sich. Die Überwachungspflicht stellt vielmehr auf die Art der Aufgabenerfüllung ab. Zuzugeben ist allerdings, dass es hier zu Überschneidungen kommen kann. Daher kann diese Vorlagepflicht auch als Teil der Überwachung eingestuft werden. 256  Wettich, Vorstandsorganisation, S. 258. Zu Notfallmaßnahmen siehe bereits § 8 II. 5. 257  Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 28. Siehe dazu auch unter I. 258  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 53, 75. Siehe auch Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 182. 259  Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 405: „kein Verstecken“. Das kritische Vorstandsmitglied sollte die Vorgänge aus Haftungsgründen dann auch dokumentieren.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

greifbar sind. Der Beschluss des Gesamtvorstands ist ein probates, wenn auch restriktiv einzusetzendes Mittel, um die Maßnahme abschließend zu bewerten. Mit dem Recht, die Aufgabe zum Gesamtvorstand zu ziehen, korrespondiert die Pflicht des zuständigen Vorstandsmitglieds (beziehungsweise der weiteren Delegationsempfänger), die Maßnahme vorzulegen, wenn er hinsichtlich der Aufgabenerfüllung unsicher ist.260 Wird die Entscheidung zum Gesamtvorstand gezogen, so stellt sich wiederum die Frage nach der Einstimmigkeit. Da das Gesetz aber bloß für die Geschäftsordnung zwingend eine derartige Formvorschrift aufstellt und überdies bei Entscheidungen des Gesamtvorstands das Mehrheitsprinzip zulässig ist, reicht nach der hier vertretenen Auffassung eine Mehrheitsentscheidung in jedem Falle aus, sofern sie vom Vorstand gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 AktG beschlossen wurde. Richtigerweise gilt das Mehrheitsprinzip sogar unabhängig von einer Regelung, da die Entscheidung für eine Geschäftsverteilung, auch wenn ein Beschluss des Gesamtvorstands erforderlich ist, gleichsam als Indiz für die Mehrheitsentscheidung interpretiert werden kann.261 Dem Vorstand verbleibt die Möglichkeit, die Einstimmigkeit in Satzung oder Geschäftsordnung festzulegen. 4. Widerspruch a) Bedeutungsgehalt des Widerspruchsrechts Der Widerspruch schneidet ebenfalls tief in den Wirkbereich des Delega­ tionsempfängers ein. Es handelt sich um ein Interventionsmittel, das wie die Beschlussfassung nur auf horizontaler Ebene ausgeübt werden kann, also gegenüber den bereichszuständigen Vorstandsmitgliedern. Weisungen durch den Gesamtvorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder verbieten sich nach § 76 Abs. 1 AktG, der bei Delegation auch auf die einzelnen Organteile anzuwenden ist.262 Die Erteilung von Weisungen ist hingegen essenziell gegenüber Mitarbeitern und Dritten. Der Bedeutungsgehalt des Widerspruchsrechts wird unterschiedlich beschrieben: Zunächst darf das zuständige Vorstandsmitglied die Maßnahme nicht vornehmen, wenn ein Widerspruch erfolgt.263 Das Handlungsverbot für auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35. auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 47, jedenfalls im Zweifel. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 16. 262  Siehe zur Weisungsfreiheit innerhalb des Organs aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 662 f. 263  Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 39 (m. w. N.); Wettich, Vorstandsorganisation, S. 107. Siehe auch Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 53 f. Dose, 260  Vgl. 261  So



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation269

die vorgesehene Maßnahme ist unstreitig. Lediglich die weiteren Abläufe beurteilt das Schrifttum unterschiedlich: Zum Teil wird vertreten, dass der Gesamtvorstand bei einem Widerspruch zwingend anstelle des Delegationsempfängers entscheiden müsse.264 Das Widerspruchsrecht wäre dann ein Synonym für das bereits bestehende Recht, den Gesamtvorstand einzuschalten. Diese Form des Widerspruchs würde also nur die ohnehin schon geltende Rechtslage wiedergeben.265 Nach anderer Auffassung soll es zwei verschiedene Regelungsmöglichkeiten geben: So könne der Widerspruch einerseits so ausgestaltet werden, dass er aufschiebende Wirkung habe und der Gesamtvorstand zuständig werde. Satzung oder Geschäftsordnung könnten andererseits vorsehen, dass der Widerspruch endgültige Rechtswirkung habe.266 Gegen ein Widerspruchsrecht mit aufschiebender Wirkung267 sind keine Einwände ersichtlich. Vielmehr geht diese Form des Widerspruchs nicht über die Intervention durch Beschlussfassung hinaus. Ein Widerspruch mit endgültiger Rechtswirkung unterliegt dagegen größeren Zweifeln: Hier wird der Gesamtvorstand nicht automatisch tätig, das heißt, die Streifrage wird ihm nicht vorgelegt, sofern Geschäftsordnung und Satzung nichts anderes verlautbaren. Damit darf die Maßnahme nicht durchgeführt werden. Es stellt sich aber die Frage, ob und wann der Gesamtvorstand dennoch entscheiden darf. Den Vorstandsmitgliedern soll nach teilweise vertretener Auffassung ohne weiteres die Möglichkeit verbleiben, den Gesamtvorstand einzuschalten.268 Die Gegenauffassung argumentiert mit § 77 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach nur positiv nicht gegen die Mehrheit entschieden werden dürfe; die Weigerung sei hingegen eine negative Entscheidung.269 Das Widerspruchsrecht wäre somit endgültig. Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 125 geht hingegen davon aus, dass das zuständige Vorstandsmitglied bei einem Widerspruch die Maßnahme dennoch vornehmen dürfe, allerdings könne der Widerspruch so ausgestaltet sein, dass der Gesamtvorstand zuständig werde. Begründung ist die Eigenverantwortlichkeit des zuständigen Mitglieds. Dieses Verständnis verkennt jedoch, dass eine Einschaltung des Gesamtvorstands immer möglich ist, während der Widerspruch geregelt werden muss. Ihm dann jedoch eine Wirkung zu verleihen, die dem Vorstand ohnehin zusteht, ist sinnlos. Daher hat der Widerspruch die Funktion, dass die Maßnahme zu unterbleiben hat. 264  So etwa Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 196; Schiessl, ZGR 1992, 64, 68. 265  Unter dieser Maßgabe als überflüssig bezeichnend Wettich, Vorstandsorganisation, S.  108 f. 266  Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 39, der auf das Vetorecht bei mehrheit­ licher Beschlussfassung verweist; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 29. 267  So etwa Wettich, Vorstandsorganisation, S. 108. 268  Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 665  ff., 668; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  110 f. 269  Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 22 Rn. 9.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Die Debatte verläuft parallel zum sogenannten Vetorecht bei mehrheit­ licher Beschlussfassung: Während beim Widerspruchsrecht die Entscheidung eines einzelnen Vorstandsmitglieds unterbunden wird, soll beim Vetorecht ein Vorstandsmitglied, sofern es Satzung oder Geschäftsordnung bestimmen, das Recht haben, gegen die Mehrheitsentscheidung ein Veto einzulegen.270 Gleichsam wird diskutiert, ob dieses Vetorecht tatsächlich endgültig ausgestaltet sein darf. Dies wird überwiegend bejaht. Die Argumente laufen ebenfalls parallel: Das Veto sei kein Fall des verbotenen Alleinentscheidungsrechts, da nicht positiv gegen die Mehrheit entschieden werde. Schon das Gesamtgeschäftsführungsprinzip gebe dem einzelnen Vorstandsmitglied das Vetorecht.271 Das Gesagte gelte dabei nur, wenn keine anderweitige Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung vorhanden sei.272 Diese Auffassung überzeugt jedoch weder für das Vetorecht noch für das hier relevante Widerspruchsrecht: Richtigerweise wird vorgebracht, dass eine Trennung von positiven und negativen Entscheidungen nicht realisierbar sei. Das Veto könne schließlich auch gegen weitere Varianten der Maßnahme ausgesprochen werden.273 Auch die Gesamtgeschäftsführung verleiht kein endgültiges Vetorecht: Vielmehr lässt § 77 Abs. 1 S. 2 AktG Mehrheitsentscheidungen zu.274 Außerdem wäre die Gleichbehandlung verletzt, wenn sich ein Vorstandsmitglied derart durchsetzen könnte.275 Für den Widerspruch lässt sich ebenso argumentieren: Die Mehrheit hat den Vorrang, also muss sie auch einen Widerspruch aufheben dürfen. Zutreffend ist auch der Einwand, dass ein zwingendes Recht der Vorstandsmitglieder bestehe, jederzeit den Gesamtvorstand einzuschalten. Dies sei Ausdruck der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder, die über der Delegation stehe.276 Hinzu kommt, dass ansonsten ein Wettstreit aufkommen könnte zwischen Widerspruch und Einschaltung des Gesamtvorstands. Denn nach einer Entscheidung des Gesamtvorstands wäre ein Widerspruch in jedem Fall wirkungslos. Käme der Widerspruch dieser Entscheidung zuvor, wäre der Gesamtvorstand machtlos. 270  Diese Brücke schlägt ganz ausdrücklich Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 39. 271  Vgl. zu dieser Auffassung Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 27; Mertens/ Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 13; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 77 Rn. 14; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 17 f. Siehe auch Langer/Peters, BB 2012, 2575, 2580 f. 272  Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 18. 273  Zum Vetorecht Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 665  ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 518 f.; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 748; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 77 Rn. 12. 274  Siehe auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 12. 275  Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 665 f. 276  Vgl. Wettich, Vorstandsorganisation, S.  110 f.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation271

Der Vorstand schaffte damit ein Querulantenrecht, das die Funktionsfähigkeit behinderte. Daher muss der Gesamtvorstand aufgrund seiner Gesamtverantwortung jederzeit angerufen werden können. Nicht zuletzt bestehen Zweifel an der praktischen Durchführbarkeit des endgültigen Widerspruchsrechts. So ist es nur schwer vorstellbar, dass eine Maßnahme inhaltlich endgültig gesperrt ist. Das handlungszuständige Vorstandsmitglied könnte etwa gewisse Parameter ändern und die Maßnahme neu durchführen. Ginge das kritische Vorstandsmitglied hiergegen erneut durch Widerspruch vor, wäre die Funktionsfähigkeit des Vorstands gefährdet. Außerdem können sich Umstände ergeben, die auch das widersprechende Vorstandmitglied anerkennt, sodass die Maßnahme doch noch durchgeführt werden soll. Dann müsste das Vorstandsmitglied den zwingenden Widerspruch zurückziehen (dürfen). Das endgültige Widerspruchsrecht ist demnach auch rechtspraktisch abzulehnen. Der Gesamtvorstand muss immer in der Lage sein, abzustimmen, wenn dies eingefordert wird. Somit kann der Gesamtvorstand die angestrebte Maßnahme oder den Widerspruch bestätigen. Dies ist nicht zwingend, aber praktisch wahrscheinlich, da das zuständige Vorstandsmitglied den Widerspruch regelmäßig aufheben lassen will. Der Unterschied zum Recht, den Gesamtvorstand anzurufen, der dann auch zwingend Beschluss fassen muss, besteht also darin, dass bei Untätigkeit nach dem Widerspruch keine Automatismen greifen.277 Kann der Gesamtvorstand also weiterhin angerufen werden, stellt sich die nicht unberechtigte Frage, warum Satzung oder Geschäftsordnung ein Widerspruchsrecht implementieren sollten. Das kritische Vorstandsmitglied könnte auch sofort den Gesamtvorstand einschalten. Erstens gesteht der Vorstand das Widerspruchsrecht regelmäßig nur dem Vorstandsvorsitzenden zu.278 Zweitens liegt der Reiz nach dem hier vertretenen Standpunkt darin, dass der Widerspruch schnell und unbürokratisch erfolgen kann, während die Einschaltung des Gesamtvorstands zwar auch dem handelnden Vorstandsmitglied mitzuteilen ist, woraufhin die Maßnahme zu unterbleiben hat, zuerst aber eben allen Vorstandsmitgliedern eine Mitteilung zu machen ist. Bestehen im Anschluss daran weiterhin Zweifel, gilt das zur Beschlussfassung Gesagte: Folgt auf den Widerspruch ein Beschluss und hat das „unterlegene“ Vorstandsmitglied Zweifel an dem Beschlussinhalt, dann muss es den Aufsichtsrat einschalten, wenn es die übrigen Organmitglieder nicht zu überzeugen vermag und weiterhin von der Richtigkeit des eigenen Standpunkts ausgeht.

auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 111. zur Parallele beim Vetorecht statt aller Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 12.

277  Dazu

278  Vgl.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

b) Formale und inhaltliche Anforderungen Das Widerspruchsrecht muss in Satzung oder Geschäftsordnung verankert sein.279 Dort lässt sich auch bestimmen, welches Vorstandsmitglied den Widerspruch erheben kann. Das Recht steht häufig nicht allen Vorstandsmitgliedern, sondern nur dem Vorstandsvorsitzenden zu.280 Weitere Anforderungen bestehen zunächst nicht. Der Widerspruch ist nur bei entsprechender Forderung zu begründen, um dem Vorstand eine Prüfung zu ermöglichen. Ob weitere inhaltliche Parameter aufzustellen sind, ist streitig: Der Widerspruch darf als Geschäftsführungsmaßnahme nicht sorgfaltswidrig erfolgen.281 Das ist selbstverständlich zutreffend und bereits nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG geboten. Streitig ist, ob das Widerspruchsrecht darüber hinaus zu beschränken ist. Unter Maßgabe der weitreichenden Folgen für die Delegation soll von diesem Interventionswerkzeug nach teilweiser Auffassung nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden: Begründet wird dies damit, dass es die Delegation konterkarieren würde, wenn bei jeglichem Widerspruch das zuständige Vorstandsmitglied entmachtet und die Aufgabe dem Gesamtvorstand zurückübertragen würde. Insbesondere drohen sachlich gehaltlose Widersprüche, die dennoch in einem Eingriff durch den Gesamtvorstand resultieren. Daher soll der Gesamtvorstand nicht auf jeden Widerspruch reagieren müssen.282 In der Tat ist die Delegation als Organisationsmittel zu schützen. Daher muss auch der Widerspruch Schranken unterliegen. Allerdings ist zuzugeben, dass in der Praxis ein sorgfaltswidriger Widerspruch nur schwer zu belegen ist.283 Da das grundlos widersprechende Vorstandsmitglied pflichtwidrig handelt, greifen sodann die aktienrechtlichen Mechanismen, die an eine Pflichtverletzung anknüpfen. Im Ergebnis führen auch sorgfaltswidrige Widersprüche regelmäßig dazu, dass die Maßnahme unterbleibt. Da der Gesamtvorstand die Maßnahme bestätigen kann, ist die Blockade jedenfalls zeitlich begrenzt. 279  Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 39; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 29; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 33. Siehe auch Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 77 Rn. 13. Für die GmbH soll nach viel vertretener Ansicht § 115 Abs. 1 HGB entsprechend angewandt werden, Stephan/Tieves, in: Münch. Komm. GmbHG, § 37 Rn. 88 (m. w. N.). 280  Vgl. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 29 (m. w. N.). 281  Zum Vorstehenden Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 39 („nicht ins Blaue hinein“); Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 30. Wobei laut Heller, Unternehmensführung, S. 40 (m. w. N.) der „unzweckmäßige, unpraktische oder verfehlte“ Widerspruch nicht sorgfaltswidrig ist. Dem kann so pauschal nicht gefolgt werden. Wenn das Vorstandsmitglied offensichtlich oder bewusst ohne Gehalt widerspricht, übt er seine Überwachungspflicht selbst nicht sorgfältig aus. 282  Frels, ZHR 122 (1959), 8, 28 f. 283  So Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 196, der daher jeden Widerspruch als wirksam betrachtet. Zustimmend Heller, Unternehmensführung, S. 40 (Fn. 181).



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation273

5. Weisungen gegenüber Mitarbeitern und Dritten Anders als innerhalb des Vorstands kann der Vorstand Mitarbeiter wie auch Dritte steuern und ihnen seine Vorstellungen auferlegen, indem er ihnen Weisungen erteilt. Im Detail ist zu klären, wer das Weisungsrecht ausüben darf. Gegenüber Mitarbeitern muss zumindest das bereichszuständige Vorstandsmitglied weisungsbefugt sein.284 Daran anschließend stellt sich die Frage, ob die Vorstandsmitglieder bei einer Aufgabenverteilung in die Bereiche, für die sie nicht zuständig sind, „Hineinregieren“ dürfen. Die Ansichten hierzu divergieren. Teilweise wird vertreten, dass nicht zuständige Vorstandsmitglieder nicht in einem fremden Ressort oder einer fremden Sparte tätig werden dürften.285 Nach der Auffassung des LG München I sollen hingegen alle Vorstandsmitglieder eine Weisungsbefugnis erhalten.286 Fraglich ist, ob das Gericht eine allgemeine Anforderung statuieren wollte. Würde man dies dem Gericht unterstellen, würde daraus folgen, dass trotz Geschäftsverteilung jedes Vorstandsmitglied andere Aufgabenbereiche dirigieren dürfte und müsste. Das würde der Geschäftsorganisation wohl den Reiz nehmen. Das Hineinregieren in andere Aufgabenbereiche ist nach hier vorliegender Auffassung abzulehnen, da ein umfassendes Weisungsrecht das System der Geschäftsverteilung unterminieren würde. Außerdem würde der direkte Eingriff mit dem Organisationsermessen und der Weisungsfreiheit des zuständigen Vorstandsmitglieds konfligieren: Dürften die überwachenden Vorstandsmitglieder in fremden Aufgabenbereichen Weisungen erteilen, führte man das Weisungsrecht gegenüber dem zuständigen Vorstandsmitglied durch die Hintertür ein. Rechtspraktisch käme das Problem auf, dass die Vorstandsmitglieder möglicherweise divergierende Ansichten vertreten und die Weisungen sich widersprechen. Dann müsste der Gesamtvorstand tätig werden. Würde man wiederum das Weisungsrecht der überwachenden Vorstandsmitglieder dem Mehrheitsbeschluss unterwerfen, ist nicht einzusehen, warum das Recht, den Gesamtvorstand anzurufen, nicht hinreichend ist. Eines Weisungsrechts der nicht zuständigen Vorstandsmitglieder bedarf es also nicht. Für die überwachenden Vorstandsmitglieder heißt das: Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Delegationsempfänger in den unteren Ebenen pflichtwid284  Seibt/Cziupka,

DB 2014, 1598, 1600 (Fn. 28). in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 38. Zustimmend Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15a; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600 (Fn. 28); Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 57. Siehe auch Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 53 f.: Kein Initiativ-, aber ein Interventionsrecht; außerdem ähnlich S. 75. Zudem Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 166. Vgl. auch Habersack, WM 2005, 2360, 2362 f.; E. Vetter, in: Hdb. Managerhaftung, Rn. 22.19. 286  LG München I NZG 2014, 570, 574. Zustimmend augenscheinlich Meyer, DB 2014, 1063, 1066. 285  Kort,

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

rig verhält, sind dem Gesamtvorstand von vornherein die Hände gebunden. Er empfängt die Berichte der jeweils zuständigen Kollegen; darüber hinaus darf er aber nicht tätig werden. Haben ein oder mehrere Vorstandsmitglieder Zweifel daran, dass die Mitarbeiter des zuständigen Organmitglieds ihre Aufgaben sorgfaltsgemäß erfüllen, stehen ihnen die beschriebenen horizontalen Steuerungsinstrumente zu. 6. Zustimmungsvorbehalte? Neben diesen standardmäßigen Steuerungsinstrumenten ist es zudem denkbar, aus dem Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand das Instrument des Zustimmungsvorbehalts zu übertragen, über das der Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG verfügt. Gleichlaufende Vorschläge finden sich auch für die Überwachung durch den Vorstand: Demnach könne gerade im Falle vertikaler Delegation gegenüber der nachgeordneten Führungsebene ein Abstimmungsvorbehalt bei bestimmten, bedeutenden Maßnahmen implementiert werden. Für gewöhnliche Maßnahmen würde ein Abstimmungsvorbehalt aber zu weit gehen.287 Im Ergebnis ist der Abstimmungsvorbehalt nichts anderes als ein Zustimmungsvorbehalt, da gegen die Auffassung des Vorstandsmitglieds die Maßnahme nicht umgesetzt werden dürfte. Für die horizontale Ebene ist dieses Mittel denkbar. Letztlich läge fast eine Gesamtgeschäftsführung vor. Hier sind aber zwei Punkte zu beachten: Zum einen dient die Delegation gerade dazu, den Gesamtvorstand zu entlasten. Zum anderen haben die Vorstandsmitglieder in ihren Bereichen auch ein Ermessen. Derartige Vorbehalte sollten daher nur restriktiv festgesetzt werden. Weisen die Maßnahmen gesellschaftsweite Bedeutung auf, liegt ohnehin Gesamtzuständigkeit vor. Für die vertikale wie die externe Delegation handelt es sich um eine sinnvolle Ergänzung zum Weisungsrecht und macht deutlich, dass bestimmte Geschäfte besondere Bedeutung haben. Es ist jedoch fraglich, welche Anforderungen an das weitere Verfahren zu stellen sind. So könnte dem Vorbehalt bereits dadurch Genüge getan werden, dass der Delegationsempfänger das Vorstandsmitglied gesondert informiert. Das Vorstandsmitglied nimmt die Information entgegen, es kann jedoch passiv bleiben, wenn ein konkreter Maßnahmenvorschlag vorliegt und es einverstanden ist. Die Abstimmung könnte jedoch auch verlangen, dass das Vorstandsmitglied aktiv eingreift und seine Zustimmung erteilt oder verweigert. Das wäre spätestens dann erforderlich, wenn der Delegationsempfänger eine Weisung oder einen Maß­ nahmenvorschlag einfordert. Um für alle Beteiligten klare Verhältnisse zu 287  Zumindest bei einer Spartenorganisation, Schiessl, ZGR 1992, 64, 81; bestätigend Heller, Unternehmensführung, S. 19.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation275

schaffen, sollte in den betroffenen Bereichen also wenigstens eine formlose Kommunikation und Verständigung stattfinden. Eine ausdrückliche Ausgestaltung des Vorbehalts bezüglich des Verfahrens schafft endgültige Rechts­ sicherheit und ist daher vorzugswürdig. Dem Vorstandsmitglied ist zudem zu raten, sein Verhalten zu dokumentieren. 7. Eskalationsstufen Die verschiedenen genannten Steuerungsinstrumente erlauben es dem Vorstand, einzelfallgeeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Auf­ gabenerfüllung durch den Delegationsempfänger pflichtwidrig ist oder schlicht nicht den Ansprüchen des Vorstands genügt. Entsprechend sollte er die vorstehenden Steuerungsinstrumente abstufen. Nachforschungen durch den Vorstand, namentlich durch Nachhaken und gegebenenfalls dialogische Optimierung, sollten regelmäßig die ersten Maßnahmen sein.288 Das gilt schon deshalb, weil sie jedenfalls im weiteren Sinne dem Informationsaustausch angehören.289 Der Vorstand muss jedoch im Anschluss sicherstellen, dass die Aufgabe nun ordnungsgemäß ausgeführt wird; ist dies nicht der Fall, muss er andere Gegenmaßnahmen ergreifen.290 Während das Nachforschen durch den Vorstand die geringste Belastung für die Aufgabenerfüllung ist, ist die Einschaltung des Aufsichtsrats die größte. Dieses Mittel darf daher nicht die erste Wahl sein,291 sie kommt vor allem dann in Betracht, wenn ein Vorstandsmitglied Einwände hat, die ungehört bleiben oder durch den Gesamtvorstand überstimmt werden.292 Dienlich kann er als Vermittler sein.293 Das Nachforschen ist auch bei vertikaler und externer Delegation die vorzugswürdige erste Interventionsmaßnahme. Je nach Ausgestaltung der Satzung oder Geschäftsordnung sollte das kritische Vorstandsmitglied widersprechen oder den Gesamtvorstand anrufen, wenn die Aussprache die Situation nicht bereinigt. An die Bedenken sind keine erhöhten Anforderungen zu knüpfen, einfache Zweifel genügen.294 Hat 288  So etwa Hoffman-Becking, ZGR 1998, 497, 512; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 173 ff., insb. Rn. 180; zustimmend Wettich, Vorstandsorganisation, S. 257 f. Eine Abstufung vornehmend auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 180. Außerdem Götz, AG 1995, 337, 339. 289  Siehe II. 290  Wettich, Vorstandsorganisation, S. 258. 291  Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15a („notfalls“). 292  Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 405. Gleichsam dürfen Amtsniederlegung oder die Verständigung von Behörden nur absolute Ausnahmefälle darstellen, siehe Fleischer, NZG 2003, 449, 457; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15a. 293  Wettich, Vorstandsorganisation, S. 111. 294  Siehe dazu bereits I.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

das Vorstandsmitglied Zweifel und zeigt sich das zuständige Vorstandsmitglied nicht einsichtig oder überzeugt seinerseits den Bedenkenträger, erfordert die Überwachungspflicht weitere Maßnahmen. Der Gesamtvorstand muss keinesfalls selbst entscheiden: Er kann das Vorstandsmitglied befragen oder ihm ein anderes Vorstandsmitglied zur Seite stellen.295 Selbstverständlich kann der Vorstand die Maßnahme auch an sich ziehen. Denkbar wäre letztlich auch die Einschaltung eines Dritten, etwa einer Unternehmensberatung, um einen neutralen Rat zu erhalten. Bei der Auswahl sind auch weiche Faktoren zu berücksichtigen wie das kollegiale Verhalten innerhalb des Führungsorgans.296 Weiche Faktoren sind zwar kein Argument für sorgfaltswidriges Verhalten. Die Vorstandsmitglieder sollten sich bei einer Intervention allerdings vergegenwärtigen, dass es mehrere Eskalationsstufen gibt und das schärfste Schwert nicht gleichsam das richtige und effektive Mittel ist. Gerade die Einbeziehung des Gesamtvorstands bindet Kapazitäten, die eigentlich eingespart werden sollen. Einen Beschluss des Gesamtvorstands zu fordern, wenn es sich bloß um einen Bagatellverstoß handelt, wäre nicht sachgerecht. Die Wahl des Mittels liegt aber letztlich im Ermessen des Vorstands, sofern nicht die Situation eine bestimmte Handlung erfordert, die das Ermessen auf Null reduziert. 8. Zwischenergebnis Der Vorstand kann mithilfe verschiedener Steuerungsinstrumente intervenieren. Unabhängig von der Delegationsform steht ihm ein Nachforschungsrecht zu. Auf der Vorstandsebene kann ein einzelnes Vorstandsmitglied einen Beschluss des Gesamtvorstands einfordern. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein Widerspruchsrecht in Satzung oder Geschäftsordnung zu verankern. Gegenüber Mitarbeitern und Dritten kann er Weisungen aussprechen oder sich Zustimmungsvorbehalte zusichern. Im Zweifel ist der Aufsichtsrat einzuschalten. Die genannten Steuerungsinstrumente haben dabei ein unterschiedliches Eskalationspotential. Welches Mittel wann einzusetzen ist, kann nicht abschließend vorgegeben werden. Der Vorstand sollte die Steuerungs­ instrumente je nach den Einzelumständen ausschöpfen.

295  Zu den vorstehenden Reaktionsmöglichkeiten Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 173 ff., insb. Rn. 180. 296  Zu Auswirkungen dieser Art Götz, AG 1995, 337, 339, der allerdings davon ausgeht, dass diese Auswirkungen hingenommen werden müssten.



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IV. Kontrollintensität 1. Vertrauensgrundsatz auf Vorstandsebene a) Schicksalsgemeinschaft von Delegation und Vertrauen Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Kontrolle maßgeblich auf einem Informationsaustausch beruht. Bei Anhaltspunkten für ein sorgfaltswidriges Verhalten des Delegationsempfängers steht dem Vorstand ein Arsenal an Steuerungsinstrumenten zu, um auf den Delegationsempfänger einzuwirken. Ist die Kontrolle somit inhaltlich umrissen, stellt sich die Frage, mit welcher Intensität der Vorstand die Delegationsempfänger zu überwachen hat und nach welchem Maßstab die einzelnen Überwachungsmaßnahmen zu bewerten sind. Außerdem gilt es zu prüfen, ob die Kon­ trollintensität im Hinblick auf die verschiedenen Delegationsformen gleichermaßen ausgeprägt ist. Will man den Bewertungsmaßstab für die Überwachung festsetzen, ist die erste richtungsweisende Entscheidung, ob die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG anwendbar ist. Dies wurde für die der Überwachung vorgelagerten Entscheidungen des Vorstands bereits bejaht. So stellt die Entscheidung, dass die jeweilige Aufgabe ihrem Inhalt nach delegationsfähig ist, eine unternehmerische Entscheidung dar.297 Gleiches gilt für die Entscheidung, dass die Kontrollstrukturen vor der Delegation den aufgestellten Anforderungen genügen.298 Daher sind auch die Entscheidungen, die im Anschluss an die Delegation im Rahmen der nachgelagerten Kontrolle getroffen werden, individuell zu betrachten und der für diese Entscheidungen erforderlichen Prüfintensität zu unterziehen. Die Überwachung als solche ist eine zwingende Rechtspflicht des Vorstands. Die Art und Weise der Überwachung fällt richtigerweise unter die unternehmerische Entscheidung, sodass die Business Judgment Rule wie auch bei der Kontrolle vor der Delegation privilegierend eingreift.299 Somit wird der hier beschrittene Weg fortgeführt, den gesamten Delegationsprozess als Frage der ermessensprivilegierten Organisationsautonomie des Vorstands zu verstehen. Damit ist jedoch noch unklar, welche Anforderungen im Einzelnen an die Intensität der Überwachung zu stellen sind, da die Delegation nur dann effektiv ist, wenn die Überwachung einen angemessenen Umfang einnimmt, also weder zu umfangreich noch zu oberflächlich erfolgt. Die Überwachung 297  Siehe

298  § 9 V.

dazu § 8 IV.

299  Goette, ZHR 175 (2011), 388, 395 zur Delegation im Rahmen der Compliance. Siehe auch Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 59 zum Berichtssystem. Außerdem Paefgen, WM 2016, 433, 438 ff. zur Compliance-Überwachung (m. w. N.).

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

bindet selbst bei sachgerechtem Umfang erhebliche Kapazitäten im Vorstand.300 Müsste der Vorstand alle Informationen, die letztlich die Maßnahmen des Delegationsempfängers zusammenfassen, umfassend prüfen, käme dies einer eigenen Aufgabenerfüllung gleich. Gerade die der Delegation nachgelagerte Kontrolle stellt den Vorstand vor das Dilemma, zu viel oder zu wenig zu überwachen. Dieser spezifischen Besonderheit muss die Prüfintensität Rechnung tragen. Daher soll nach überwiegender Auffassung zumindest auf horizontaler Ebene der sogenannte Vertrauensgrundsatz eingreifen:301 Nach der allgemeinen Definition des Vertrauensgrundsatzes darf man darauf vertrauen, dass Dritte sorgfältig handeln, solange keine anderen Anhaltspunkte bekannt sind oder bekannt sein müssen.302 Der Vertrauensgrundsatz ist ein rechtsgebietsübergreifendes,303 aber auch speziell im Aktienrecht anerkanntes Institut.304 Da es sich um ein rechtsübergreifendes Prinzip handelt, lassen sich verschiedene dogmatische Anknüpfungspunkte fruchtbar machen, um den Vertrauensgrundsatz herzuleiten: Zum Teil wird speziell für das Aktienrecht auf das Unternehmensinteresse abgestellt.305 Zum Teil sollen einerseits das Kollegialprinzip, andererseits die Eigenverantwortung bei der Aufgabenverteilung Grundlage sein.306 Das Unternehmensinteresse ist nicht nur inhaltlich schwer zu bestimmen, es ist auch dogmatisch nicht der richtige Anknüpfungspunkt. Das Kollegialprinzip erscheint naheliegender, da innerhalb des Organs ein Grundvertrauen vorauszusetzen ist. Diese Herleitung verengt die Perspektive jedoch auf die horizontale Ebene. Eine mögliche Übertragung auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15. dieser Begründung siehe auch Wettich, Vorstandsorganisation, S.  243 ff. 302  Zu dieser allgemeingültigen Definition Harbarth, ZGR 2017, 211, 216; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 174. 303  Vgl. zur rechtsgebietsübergreifenden Wirkung Harbarth, ZGR 2017, 211, 217 f.; Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 195 ff.; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 174. Rechtsvergleichend siehe Fleischer, NZG 2003, 455 f.; Harbarth, ZGR 2017, 211, 219 ff. 304  Siehe Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1399 f.; Harbarth, ZGR 2017, 211 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15, wonach der ungeschriebene Grundsatz geltendes Recht sei (m. w. N.); Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35a, 37; Kremer, 70. DJT, Bd. II/1, N 29, N 36 ff., N 45 mit einem Reformvorschlag (dazu noch § 11 II. 1.); Löbbe/Fischbach, AG 2017, 717, 719; Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S.  74 f.; Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 13 f.; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 58; § 93 Rn. 174. Außerdem Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 163, 375; Wettich, Vorstandsorganisation, S.  243 ff.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. 305  Ausführlich Harbarth, ZGR 2017, 211, 212 f., 224 ff. Er bezieht seine Ausführungen dabei nur auf das Verhältnis von Vorstand und Vorstandsmitgliedern. 306  Wettich, Vorstandsorganisation, S.  243 ff. Auch Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1402 f. stellt auf das Kollegialprinzip ab. 300  Kritisch 301  Zu



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des Prinzips auf die anderen Delegationsarten307 wäre somit abgeschnitten oder nur mit deutlich größerem Aufwand begründbar. Überzeugend ist es daher, die Delegation selbst als Ansatzpunkt zu nehmen:308 Erkennt man die Delegation als zulässiges Organisationsmittel an, bedarf es zwingend des Vertrauensgrundsatzes. Müsste der Gesamtvorstand zwingend davon ausgehen, dass der Delegationsempfänger die Aufgabe sorgfaltswidrig erfüllt, wäre die Aufgabenübertragung unter den bisher herausgearbeiteten Grundsätzen unzulässig. Ginge man dennoch von einem geeigneten Delegationsempfänger aus, würde dieses Misstrauen auf der Überwachungsebene wieder aufkeimen, da der Vorstand aufgrund seiner Kontrollpflicht die Überwachung intensivieren oder die delegierte Maßnahme wieder an sich ziehen müsste. Dies würde den bereits mehrfach beschriebenen Zweck der Delegation konterkarieren, dem es zuwiderläuft, wenn der Vorstand durch die Überwachung zu einem „Zweitsachbearbeiter“309 verpflichtet wird. Vielmehr ist auch die Überwachung im Lichte effektiver Arbeits­teilung auszuformen.310 Unter rechtstatsächlichem Blickwinkel ist schlicht zu kon­ statieren, dass der Vorstand eine derartige Überwachung mangels zeitlicher Kapazitäten sowie fachlicher Expertise ohnehin nicht leisten könnte. Letztlich erscheint es widersprüchlich, dem Vorstand ein weites, die Delegation umfassendes Organisationsermessen zuzugestehen, ihm sodann dieses Privileg durch eine überzogene Überwachung aber wieder zu entziehen. Das Organisationsermessen schränkt die Überwachung daher ein.311 Das Wechselspiel zeigt sich demnach daran, dass der Vertrauensgrundsatz einerseits die Prüfintensität reduziert,312 andererseits die Kontrollpflicht den Vertrauens307  Dazu 308  Vgl.

202 ff.

noch 2. dazu auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 200 ff. (m. w. N.),

309  So Bachmann, 70. DJT, Bd. I, E 42 f., der konstatiert, dass selbst bei zulässiger Delegation die Überwachungspflicht nicht klar umrissen sei. Zuvor schon Emde, FS U. H. Schneider, 2011, 295, 219 f. 310  Dazu Harbarth, ZGR 2017, 211, 221 f. Diese Feststellung steht weder in Konflikt mit der Compliance noch dem Unternehmensinteresse, vgl. S. 223, 225. Außerdem Hegnon, CCZ 2009, 57, 61: Eine überzogene Überwachung konterkariere den Zweck der Delegation, beeinträchtige die Atmosphäre in der Gesellschaft und sei zu kostenträchtig. Daher bedürfe es einer angemessenen Intensität. Kritisch hinsichtlich zu strenger Anforderungen an die Überwachung auch Fleischer, DB 2014, 1971, 1974, der allerdings auf die Einsicht der Rechtsprechung setzt; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 77 Rn. 15a; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 719 f. 311  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 74 f. Sehr restriktiv hinsichtlich der Überwachungsintensität und mit Blick für rechtspraktische Probleme Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, S. 51 ff. Vgl. zum Organisationsermessen auch Fleischer, AG 2003, 291, 294 f.; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206. 312  Löbbe/Fischbach, AG 2017, 717, 719; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 174; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

grundsatz einschränkt.313 Somit ist der Vertrauensgrundsatz zwingende ­Voraussetzung für die Überwachung und damit für die Delegation. Herzuleiten ist der Kontrollmaßstab daher aus der Tatsache, dass die Delegation als Organisationsmittel anerkannt ist. Die Schicksalsgemeinschaft von Delegation und Vertrauensgrundsatz entzieht auch den Stimmen die Argumenta­ tionsgrundlage, die eine sogenannte Misstrauensorganisation in der Gesellschaft implementieren wollen.314 Eine pauschale Misstrauensorganisation ist daher abzulehnen.315 b) Einfallstor im Rahmen der Business Judgment Rule Stuft man den Vertrauensgrundsatz als Grundlage der Delegation ein, stellt sich die Frage, wie sich das Institut zur Business Judgment Rule verhält, die für die Art und Weise der Überwachung privilegierend wirkt. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Vertrauensgrundsatz in das Wertesystem der Business Judgment Rule zu integrieren: Sowohl die Entscheidung des Vorstands, keine Überwachungsmaßnahmen zu ergreifen, als auch die Entschei313  Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 37; vgl. auch Löbbe/Fischbach, AG 2017, 717, 719 f. („Spannungsverhältnis“). 314  Die Ausmaße einer derartigen Misstrauensorganisation variieren: Nach teilweiser Auffassung soll sich der Vorstand nicht auf die Vorstandsmitglieder verlassen dürfen: Rieger FS Peltzer, 2001, S. 339, 347 fordert auch ohne Anhaltspunkte, dass der Vorstand nicht passiv bleiben soll. Letztlich wird jedoch die Durchführung der Plausibilitätskontrolle im hier beschriebenen Ausmaß ausreichen. Ferner augenscheinlich Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 92, die ein Vertrauen nicht ausreichen lassen wollen, inhaltlich aber letztlich nicht darüber hinausgehen, wenn sie etwa fordern, dass die kontrollierenden Vorstandsmitglieder die Informationen beachten sollen. Zum Teil soll ein ständiges Nachfragen erforderlich sein, so die Interpretation des Siemens/Neubürger-Urteils, LG München I NZG 2014, 570 ff., durch Meyer, DB 2014, 1063, 1066. Dieser Interpretation kann nicht gefolgt werden. Das Urteil weist auf die vielzähligen Anhaltspunkte hin, die das Vorstandsmitglied zu einem Eingreifen hätten veranlassen müssen, um die Überwachungspflichtverletzung zu begründen. Auch der hier vertretene Vertrauensgrundsatz gilt nur, sofern die Umstände nicht ein Tätigwerden einfordern. Das Landgericht statuiert jedoch keine Misstrauensorganisation. 315  Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1399 f.; Harbarth, ZGR 2017, 211, 222 ff.; Hoffman-Schieffer NZG 2017, 401, 405; Löbbe/Fischbach, AG 2017, 717, 719. Froesch, DB 2009, 722, 725 spricht zwar von einer Misstrauensorganisation. Inhaltlich decken sich seine Aussagen jedoch mit der hier vertretenen Auffassung. Letztlich wird man zugeben müssen, dass eine Abgrenzung der Begrifflichkeiten Probleme aufwirft, da auch der Vertrauensgrundsatz Elemente des Misstrauens beinhaltet, namentlich die kritische Auseinandersetzung mit der Aufgabenerfüllung des zuständigen Vorstandsmitglieds, vgl. zum Verhältnis der beiden Begrifflichkeiten die bereits aufgeführten Ansichten; siehe auch Druey, FS Koppensteiner, 2001, S. 3 ff. In der Sache liegt der Schwerpunkt aber klar auf der Vertrauenskomponente, sodass es überzeugend ist, einen Vertrauensgrundsatz zu formulieren.



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dung, konkrete Maßnahmen vorzunehmen, sind unternehmerisch und können sich an § 93 Abs. 1 S. 2 AktG messen lassen. Den Vertrauensgrundsatz, der in zwingender Schicksalsgemeinschaft mit der Delegation steht, davon auszunehmen, überzeugt nicht:316 § 93 Abs. 1 S. 1 AktG schafft durch seinen Tatbestand ein Einfallstor, indem die Anwendung der Business Judgment Rule voraussetzt, dass der Vorstand vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Das objektiv-subjektive Kriterium der vernünftigen Annahme füllt der Vertrauensgrundsatz aus. Die Vorstandsmitglieder dürfen ihre Kontrollpflicht auf eine Plausibilitätskontrolle reduzieren, wenn kein Anlass zu intensiveren Maßnahmen vorliegt. Konnten sie aufgrund der Plausibilitätskontrolle also davon ausgehen, dass das zuständige Vorstandsmitglied sorgfaltsgemäß seine Aufgabe erfüllt, ist es unerheblich, dass objektiv ein Eingreifen geboten war.317 Hinsichtlich des Bezugspunkts wird man differenzieren können: Geht es um das „Ob“ des Eingreifens, ist regelmäßig die Informationsgrundlage relevanter Prüfungspunkt, da der Informationsaustausch bereits als wesentliches Element der Kontrolle identifiziert wurde und basierend auf dem Informa­ tionsaustausch überhaupt erst Mängel der Aufgabenerfüllung bekannt werden. Aufgrund der Informationen wird der Vorstand zumeist tätig. Das „Wie“ des Eingreifens, also die unternommenen Maßnahmen, sind dann vor allem danach zu bewerten, ob sie dem Wohle der Gesellschaft dienen. Wirklich trennbar sind die beiden Voraussetzungen letztlich aber nicht: Das Eingreifen als solches wirkt sich auch auf das Wohl der Gesellschaft aus, während die Gegenmaßnahmen auch davon abhängig sind, von welcher Informationsgrundlage der Vorstand ausgegangen ist. Letztlich können daher nur Schwerpunkte festgestellt werden. 316  Zum Teil wird der Vertrauensgrundsatz als parallel funktionierendes Institut eingestuft und den gleichen Maßstäben unterworfen: Harbarth, ZGR 2017, 211, 234 f. hält § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht für einschlägig, sondern will den Vertrauensgrundsatz lediglich wie die Business Judgment Rule auf die Pflichtverletzung anwenden. Für Informationen durch Dritte verortet Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1404 f. (m. w. N., die ebenfalls pauschal die Pflichtverletzung ablehnen, obwohl die Business Judgment Rule zwar zum Teil noch nicht normiert, aber bereits anerkannt war) sowie Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 209 den Vertrauensgrundsatz entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf der Ebene der Pflichtverletzung und will im Sinne der Business Judgment Rule einen kombiniert objektiv/subjektiven Maßstab anlegen. Er schlägt sodann einen Bogen zur Überwachung bei Delegation. Hier gelte der Vertrauensgrundsatz auch auf der Ebene der Pflichtverletzung. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule problematisiert Fleischer hingegen nicht. Die Spaltung erscheint angesichts der auch von diesen Stimmen vorgenommenen parallelen Wertungen künstlich. 317  Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 724 f., 727 (m. w. N.). Siehe auch Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1404 f.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

c) Inhaltliche Reichweite aa) Grundsätzlicher Bewertungsmaßstab Im Folgenden sollen die inhaltlichen Umrisse des Vertrauensgrundsatzes ausgedeutet werden. Zwischen ständigem Nachforschen und bloßem Zuschauen liegt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie der Vertrauensgrundsatz auszufüllen ist. Aus Sicht des Vorstands geht es daher darum, den Ausgleich zwischen effektiver Aufgabenverteilung und pflichtenwahrender Aufgabenerfüllung zu suchen. Die Grenze bildet auf beiden Seiten die objektive Zumutbarkeit.318 Nicht überzeugend ist eine Verengung derart, dass die Überwachungspflicht nur auf Auswirkungen bedeutender Pflichtverletzungen reagieren könne,319 oder dass die Intensität bei gesetzlichen Pflichten steige, da der Delegationsempfänger dort kein Ermessen habe, die Erfüllung für die Überwachenden daher nachvollziehbarer sei und letztlich insbesondere gesetzliche Pflichten sorgfältig zu überwachen seien.320 Die Überwachung muss sensibel für alle Fehltritte sein, da auch vermeintlich unbedeutendere Pflichtverletzungen schwerwiegende Rechtsfolgen nach sich ziehen können. Ob der Verstoß antizipiert werden konnte oder ob im Nachgang keine sachgerechte Reaktion erfolgt ist, gilt es individuell zu bewerten. Gerade kleinere Verstöße lassen sich so einfangen. Auch die Konzentration auf gesetzliche Pflichten überzeugt nicht, wenn man sich insbesondere die Bedeutung der Compliance-Pflicht vor Augen hält. Der Vertrauensgrundsatz ersetzt die Überwachung damit nicht.321 Für die konkrete Überwachung bedeutet der Vertrauensgrundsatz, dass die überwachenden Vorstandsmitglieder zunächst die vom Delegationsempfänger erhaltenen Informationen auf ihre Plausibilität sowie Vollständigkeit hin kontrollieren.322 Der Vertrauensgrundsatz gilt dabei richtigerweise nicht nur für Informationen, sondern für die gesamte Aufgabenerfüllung. Allerdings sollte die Prüfungsintensität doch von der ­Informationsprüfung variieren, um dem Zweck der Delegation Rechnung zu tragen. Die Plausibilitätskontrolle ist daher hinsichtlich der Aufgabenerfül318  Vgl. Fleischer, AG 2003, 291, 294; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206. Ähnlich argumentierend Wettich, Vorstandsorganisation, S.  245 f. 319  Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 537. 320  Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S. 75 f. 321  Simon, Der Konzern, 2015, 205, 207. 322  Harbarth, ZGR 2017, 211, 230; Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1451 f., wobei eine Ressortstruktur erforderlich sei. Diesem Einwand kann so nicht gefolgt werden. Der Vertrauensgrundsatz ist auf jede Delegationsform anwendbar. Unzweifelhaft müssen die notwendigen Strukturen geschaffen werden, um eine ordnungsgemäße Überwachung sicherzustellen. Siehe außerdem Wettich, Vorstandsorganisation, S. 247 ff. Gleiches gilt bei Informationen durch Dritte, siehe Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1404.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation283

lung ungleich stärker auf offensichtliches Fehlverhalten reduziert als dass der Fall ist, wenn Informationen geprüft werden. Von der Plausibilitätskontrolle ist zu erwarten, dass sich der Vorstand kritisch zeigt, insbesondere indem er etwaige Handlungsbegründungen auf den Prüfstand stellt und mögliche Widersprüche identifiziert. Dazu sollte er auch auf seinen eigenen Erfahrungshaushalt zurückgreifen. Bei Auffälligkeiten muss er darauf hinwirken, dass diese aufgelöst werden.323 Die Umschreibungen der Plausibilitätskontrolle variieren, indem von einer „aktiven Nachforschungs- und Eingriffspflicht“324 oder auch „Pflicht zur Neugier“ und „Pflicht zur Nachfrage“325 gesprochen wird. Letztlich soll schlicht sichergestellt sein, dass sich der Vorstand der Überwachung nicht entledigt, sondern wachsam bleibt. Eine aktive Kontrolle bedeutet nach dem hier vertretenen Verständnis, dass die überwachenden Vorstandsmitglieder das jeweils zuständige Vorstandsmitglied turnusmäßig326 und dabei kritisch, aber eben nicht misstrauisch, beobachten. Festzumachen ist dies an den Vorstandssitzungen inklusive der Berichterstattung. Eine unverhältnismäßige Belastung liegt damit nicht vor. Der Vorstand wird auch nicht zum Zweitsachbearbeiter. Die Überwachung erfolgt daher „laufend“, um nicht nur Pflichtverletzungen aufzuarbeiten, sondern auch zu vermeiden.327 Diskussionswürdig ist hingegen, ob die laufende Kontrolle überraschende Stichproben enthalten 323  Zum Vorstehenden Fleischer, NZG 2003, 449, 455; Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1404. Dessen Ausführungen beziehen sich auf Informationen durch Dritte, sie sind aber zweifelsohne übertragbar, da auf Vorstandsebene naturgemäß nicht so strenge Anforderungen gelten können. Siehe den Ausführungen Fleischers zustimmend Wettich, Vorstandsorganisation, S. 247 f. Siehe auch Mielke, Leitung der unverbundenen AG, S.  74 f. Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142 versucht sich in seinen Ausführungen zur ISION-Entscheidung an einer Definition der Plausibilität, die über ein Ausschlussverfahren hinaus aber kaum möglich ist. Rieger FS Peltzer, 2001, S. 339, 347 fordert auch ohne Anhaltspunkte, dass der Vorstand nicht passiv bleibe. Letztlich wird jedoch die Durchführung der Plausibilitätskontrolle im hier beschriebenen Ausmaß ausreichen. Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 214 f. mit einer Abstufung des Vertrauensverlustes, die verschiedene Reaktionen erfordert. 324  Wettich, Vorstandsorganisation, S.  248 f. 325  Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1452. In diese Richtung wohl auch BGH NZG 2019, 225, 228 („Weltruf“) hinsichtlich der Kontrolle des für die Kassen- und Buchführung zuständigen Geschäftsführers einer GmbH. 326  Insoweit mit strengen Maßstäben BGH NZG 2019, 225, 228 („Weltruf“) hinsichtlich der Kontrolle des für die Kassen- und Buchführung zuständigen Geschäftsführers einer GmbH, wonach wöchentliche oder auch 14-tätige Besprechungen für sich gesehen nicht ausreichten. Letztlich kommt es dem BGH dabei wohl eher auf die Qualtität der Plausibilitätsprüfung an als auf die Frequenz. Eine jährliche Kontrolle der Geschäftszahlen soll ebenfalls nicht genügen. 327  Vgl. dazu Arnold, ZGR 2014, 76, 80; Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S.  122 f.; Fleischer, AG 2003, 291, 294; Fleischer, NZG 2003, 449, 455;

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

muss. Dies wird überwiegend als Teil der laufenden Kontrolle bejaht.328 Stichproben sollen die Delegationsempfänger dazu anhalten, ihre Aufgaben stets ordnungsgemäß zu erfüllen.329 Ob Stichproben tatsächlich zur laufenden Kontrolle gehören, ist aber nach der hier vertretenen Auffassung zweifelhaft. Zwar ist die disziplinierende Wirkung nicht abzustreiten. Diese Form der Überprüfung ginge aber über das bloße Empfangen von Berichten und Betrachten von Ergebnissen und damit über die Maßstäbe des Vertrauensgrundsatzes hinaus, sodass darin die Anfänge einer Misstrauensorganisation mitschwingen würden.330 Die Pflicht, Stichproben zu erheben, ist daher abzulehnen. Letztlich sollte der Vorstand auch hier den Gang der Entscheidung umfangreich festhalten, um diese nachvollziehbar machen zu können und Rückschaufehler zu vermeiden.331 Der Vertrauensgrundsatz setzt überdies voraus, dass die übrigen Kriterien einer zulässigen Delegation vorliegen.332 Das ist so zu interpretieren, dass sich die überwachenden Vorstandsmitglieder nur auf den Vertrauensgrundsatz berufen dürfen, wenn die Kontrolle des Delegationsempfängers vor der Aufgabenübertragung sorgfaltsgemäß war. Die kontrollierenden Vorstandsmitglieder müssen außerdem davon ausgehen dürfen, dass der Delegationsempfänger mit den erforderlichen Informationen ausgestattet ist, um sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen zu könHarbarth, ZGR 2017, 211, 214; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1712; Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1450, 1455. 328  Siehe Fleischer, AG 2003, 291, 294, der zwar zumindest andeutet, dass diese Kontrolle die allgemeine Überwachung überschreite, dennoch von einer zwingenden Maßnahme ausgeht, wenn auch unter dem Eindruck der kartellrechtlichen Rechtsprechung; sodann Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 122; Hegnon, CCZ 2009, 57, 61; Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 406; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 59; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2205 f. 329  Hegnon, CCZ 2009, 57, 61: „permanente Abschreckung“. 330  Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 213: keine Pflicht. Siehe auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15, wonach ohne entsprechende Anhaltspunkte kein Grund für eine laufende Kontrolle bestehe. Stattdessen soll der Vorstand das Geschehen um sich herum kontinuierlich beobachten. Das ist zutreffend, da eine ausufernde Überwachung das Schicksal der Compliance-Pflicht, die mittlerweile alle Grenzen sprengt, teilen könnte. Siehe auch die Kritik bei Koch. Für Stichproben nur bei entsprechenden Anhaltspunkten auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 248. Siehe auch Haas, Geschäftsführerhaftung, S. 287. 331  Vgl. Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142 zur ISION-Entscheidung. Der Gedanke ist aber auch auf die vorliegende Plausibilitätskontrolle übertragbar. Siehe auch BuckHeeb, BB 2019, 584, 589 zur GmbH. 332  Dazu Harbarth, ZGR 2017, 211, 226 ff. Vgl. auch Fleischer, NZG 2003, 449, 453 ff.; Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 209; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 246.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation285

nen.333 Der Vertrauensgrundsatz kann andere Kontrollmängel also nicht verdecken. Die vorstehenden Ausführungen sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Vorstand seine Überwachungsintensität immer anhand des Einzelfalls ausrichten muss.334 bb) Intensivierung durch besondere Umstände Bei dem grundsätzlichen Bewertungsmaßstab bleibt der Vertrauensgrundsatz jedoch nicht stehen. Er erweist sich vielmehr ebenfalls als flexibles Instrument, da sich die Prüfintensität erhöht, wenn bereits Verstöße registriert wurden oder andere Umstände dies gebieten.335 Solche Umstände sind nach überwiegender Ansicht insbesondere Krisen: Gerät die Gesellschaft etwa in finanzielle Schwierigkeiten, soll der Vorstand zumindest verstärkt überwachen.336 Über die zu treffenden Gegenmaßnahmen wird unterschiedlich befunden: Die Rechtsprechung geht zum Teil sehr weit und konstatiert, dass weder Auskünfte der bereichszuständigen Person noch der Mitarbeiter verlässlich seien, und dehnt die Überwachungspflicht bis hin zu einem „Hineinregieren“ aus.337 Das wird überwiegend kritisiert und abgeschwächt. Letztlich sollten 333  Zum Vorstehenden Harbarth, ZGR 2017, 211, 226, 229 ff. Siehe auch Löbbe/ Fischbach, AG 2014, 717, 720, die generalisierend von einer Plausibilitätskontrolle der Entscheidungen sprechen. 334  Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 719 f. mit Abwägungskriterien, etwa ob sich das Vorstandsmitglied zuvor schon pflichtwidrig verhalten hat oder Interessenkonflikten unterliegt. So begründete das LG Düsseldorf ZIP 1995, 1985, 1992 f. das Vertrauen-Dürfen durch die kontrollierenden Vorstandsmitglieder auch damit, dass das zuständige Vorstandsmitglied sich seit Jahren bewährt habe. Siehe auch Harbarth, ZGR 2017, 211, 231 ff. 335  Zum Vorstehenden vgl. aus der Rechtsprechung etwa BGHZ 133, 370, 378 f. = BGH NJW 1997, 130, 131 f. zur deliktischen Verantwortlichkeit in der GmbH; BGH NJW 2001, 969, 970 f. zur GmbH, namentlich zur deliktischen Verantwortlichkeit; aus dem Schrifttum Dreher, FS Hopt, 2010, S. 537; Fleischer, AG 2003, 291, 295; Hegnon, CCZ 2009, 57, 61 f.; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1712. 336  Aus der Rechtsprechung vgl. BGHZ 133, 370, 378 f. = BGH NJW 1997, 130, 132 zur deliktischen Verantwortlichkeit in der GmbH; siehe auch BGH NJW 2001, 969, 970 f. zur deliktischen Verantwortlichkeit in der GmbH; aus dem Schrifttum Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 180; Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1399 f. (m. N. aus der Rechtsprechung); Fleischer, AG 2003, 291, 295; Seibt, ZIP 2013, 1597, 1599; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2206. Vgl. auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35a, der die Überwachungspflicht in Zusammenhang mit der Risikoüberwachung nach § 91 Abs. 2 AktG bringt. Siehe außerdem mit verschiedenen Beispielen Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 177 ff. Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 319 fordert sogleich ein Tätigwerden des Gesamtvorstands. 337  So BGH NJW 2001, 969, 970 f. zur GmbH, wonach in dem konkreten Fall, in dem fällige Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht pünktlich gezahlt wurden, der Geschäftsführer die Zahlung hätte anweisen müssen und etwa durch telefo-

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

die Vorschläge nicht als Gegenpositionen behandelt werden, sondern als Auswahl zwischen verschiedenen Handlungsalternativen, die sich anhand des Einzelfalls entscheidet: Zunächst muss der Vorstand eine zwingende Rückdelegation ausschließen, die erforderlich wäre, wenn die Existenz der Gesellschaft bedroht wäre und somit ein befugnisüberschreitender Sachverhalt vorliegen würde.338 Sodann wird der Vorstand seinen Blick für die Plausibilität sowie den Umfang der Berichte schärfen müssen.339 Ferner kann es ratsam sein, die Anzahl der Vorstandssitzungen zu steigern und gleichsam die Informationserteilung durch die bereichszuständigen Vorstandsmitglieder anzupassen. Eine Beschlussfassung des Gesamtvorstands kann ebenfalls geboten sein. Im Übrigen gelten die üblichen Steuerungsinstrumente,340 deren Abstufungen dem konturenlosen Begriff der Krise, der aus Sicht des Vorstands nur schwer skalierbar ist, hinreichend Rechnung tragen. Daher muss das Vertrauensprinzip weitergelten.341 Ein „Hineinregieren“ hat hingegen auch hier zu unterbleiben. Eine intensivere Überwachung ist außerdem erforderlich, wenn der Verdacht aufkommt, dass der Delegationsempfänger sich in irgendeiner Weise rechtswidrig verhält:342 Dazu wird letztlich auf den strafrechtlichen Anfangsverdacht343 abgestellt, sodass tatsächliche Anhaltspunkte für das rechtswidrige Verhalten vorliegen müssen. Aufgrund des Gesamtverantwortungsprinzips sollten jedoch keine überzogenen Anforderungen aufgestellt werden. Es nische Nachfrage bei der Bank die Zahlung hätte prüfen müssen. Siehe auch BGH NJW 1994, 2149, 2150 zur GmbH, wonach in der Krise, hier im Falle eines Konkurses, an die Kontrollpflicht besonders strenge Anforderungen zu stellen seien. 338  Dazu schon § 8 III. Vgl. ähnlich Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1453, der den Begriff der Krise, hier bezogen auf die finanzielle Krise, zutreffend sehr eng auslegt. 339  Habersack, WM 2005, 2360, 2362 f., der zudem betont, dass auch unter diesen Umständen ein „Hineinregieren“ nicht begründbar sei. 340  Dazu III. 341  Zum Vorstehenden auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 249 ff., der ebenfalls auf die Einzelfallumstände verweist. Zum Teil sind die Grenzen zur üblichen Überwachung fließend, wenn Wettich etwa fordert, dass die Vorstandsmitglieder sich eine Meinung bilden sollen, sicherstellen sollen, dass die erforderlichen Maßnahmen erfolgen, und den Fortgang verfolgen sollen. Nicht überzeugend ist es hingegen, mit Verweis auf Effektivitätsgesichtspunkte eine Kurskorrektur gänzlich abzulehnen oder allenfalls im eigenen Ressort einen höheren Pflichtenmaßstab anzulegen. In diese Richtung aber Wolf, VersR 2005, 1042, 1044 f. Zurückhaltung mahnt auch Harbarth, ZGR 2017, 211, 233 f. an. 342  Arnold, ZGR 2014, 76, 80; Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 180; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 537; Fleischer, AG 2003, 291, 294; Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 720; Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1454; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 175; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2205; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. Auch Wolf, VersR 2005, 1042, 1044 f. sieht hier, anders als bei Krisensituationen, ein Misstrauen als geboten an. 343  § 152 Abs. 2 StPO: „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation287

bedarf nicht zwingend eines Anfangsverdachts. Hat das Vorstandsmitglied ein Gefühl, dass ein anderes Vorstandsmitglied sich rechtswidrig verhält, sollte es intervenieren.344 Die Auswahl der Steuerungsinstrumente bestimmt sich letztlich wiederum nach dem Einzelfall.345 Dieses flexible System erlaubt es dem Vorstand, effektiv, aber pflichtenwahrend zu delegieren.346 Dieses Ergebnis stimmt auch überein mit den Grundsätzen, die das Siemens/ Neubürger-Urteil aufstellt: Das Vorstandsmitglied hat seine Pflichten verletzt, da es nicht auf Anhaltspunkte reagiert hat, die auf sorgfaltswidriges Verhalten hingedeutet haben. Damit bringt das Gericht gleichsam zum Ausdruck, dass ohne Anzeichen ein besonderes Nachfassen nicht erforderlich wäre. Dies stimmt mit dem Vertrauensgrundsatz und der Intensivierung je nach Umständen überein.347 Der Vertrauensgrundsatz bietet im Ergebnis somit die nötige Flexibilität, um auf Krisen oder eine rechtswidrige Aufgabenerfüllung rea­gieren zu können. Er gilt also im Grundsatz weiterhin, der Vorstand muss allerdings Überwachungsmaßnahmen ergreifen. cc) Individuell divergierender Vertrauensmaßstab? Die bisherigen Ausführungen sind davon ausgegangen, dass alle nicht zuständigen Vorstandsmitglieder in gleicher Weise überwachungspflichtig sind. Dagegen wird jedoch vorgebracht, dass die Überwachungsintensität auch maßgeblich davon abhänge, wie nahe sich die Sachbereiche des zuständigen und des für diesen Bereich nicht zuständigen Vorstandsmitglieds seien. So führt das VG Frankfurt a. M. aus, dass das nicht zuständige Vorstandsmitglied, das zugleich ein sachfernes Ressort begleite, lediglich eine Plausibilitätskontrolle vornehmen müsse. Für sachnähere Ressorts nimmt das Gericht hingegen an, dass die Vorstandsmitglieder darüber hinaus „aktiv nachfassen“ müssten, sprich eine intensive laufende Kontrolle vornehmen müssten. Dazu gehöre etwa auch das Anfordern von Unterlagen. Bleibe die Lage unverändert, müssten sie den Gesamtvorstand oder Aufsichtsrat einschalten.348 Diese Rechtsprechung hat im Schrifttum kaum Befürworter gefunden.349 344  Dazu

schon I. Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1454. Differenzierend etwa auch Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 180. 346  So können zunächst nur die betroffenen Vorstandsmitglieder unmittelbar handlungspflichtig werden. Führt auch dies nicht zu einer sorgfältigen Aufgabenerfüllung, ist der Gesamtvorstand gefragt. Vgl. Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1454. 347  Anders Meyer, DB 2014, 1063, 1066, der davon ausgeht, dass das Gericht ein Misstrauensprinzip installiere. 348  VG Frankfurt a. M. AG 2005, 264 ff. 349  Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1455 stellt sich dieser Rechtsprechung augenscheinlich nicht entgegen. Außerdem Pietzke, CCZ 2010, 45, 47. 345  Ausführlich

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Die vorstehend dargestellte Auffassung, je nach Sachnähe des Vorstands den Inhalt der Überwachungspflicht zu bestimmen, überzeugt aus mehreren Gründen nicht: Zunächst liegt die Geschäftsführung im Ausgangspunkt beim Gesamtvorstand, sodass diese auch durch eine Überwachungspflicht aller Vorstandsmitglieder substituiert wird. Darüber hinaus kreiert dieser Ansatz nicht unerhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Zunächst müsste der Vorstand bestimmen, wann Ressorts eine derartige Sachnähe aufweisen. Den Vorstand einer solchen Prüfung auszusetzen, ist vollkommen ungerechtfertigt und praktisch fernliegend. Je nach Definition kann dieser Ansatz bestimmte Vorstandsmitglieder ungleich stärker belasten als andere, namentlich diejenigen Vorstandsmitglieder, deren Aufgabenbereiche die gesamte Gesellschaft durchziehen. So könnte man dem Vorstandsmitglied, das mit dem Finanzoder Compliancebereich betraut ist, attestieren, dass es in viele Bereiche einen verstärkten Einblick hat. Dabei handelt es sich aber um eine recht willkürliche Einschätzung, die ein starkes juristisches Störgefühl hervorruft. Außerdem gilt selbst in diesem Fall die Aufgabenverteilung, die nicht einfach umgangen werden darf.350 Insofern verfehlt das Gericht die Ebene: Es wurde bereits klargestellt, dass die Vorstandsmitglieder zusammenarbeiten sollen und müssen, wenn ihre Aufgabenbereiche betroffen sind. Das ergibt sich schon nach dem Befugnismodell. Liegt eine derartige Betroffenheit hingegen nicht vor, ist angesichts der klaren Aufgabenverteilung keine gesteigerte Überwachungspflicht zu statuieren. Spezialwissen kann daher allenfalls im Verschulden zu berücksichtigen sein.351 Daher muss sich jedes Vorstandsmitglied zumindest insoweit fortbilden, dass es der allgemeinen Überwachung nachkommen kann.352 Somit divergiert der Vertrauensmaßstab nicht je nach Sachnähe. 2. Delegationsformübergreifendes Vertrauensmodell Das Konstrukt der horizontalen Delegation setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen Gesamtvorstand und den einzelnen Vorstandsmitgliedern zwingend voraus. Der folgende Abschnitt widmet sich der Frage, ob der Vertrauensgrundsatz auch für die weiteren Delegationsformen gilt. Zum Teil wird für diese Konstellationen eine Misstrauensorganisation befürwortet.353 Zum Teil 350  Vgl. Wolf, VersR 2005, 1042, 1044 f. Auch Habersack, WM 2005, 2360, 2363 bemängelt, dass die Aufgabenübertragung damit wertlos werde. Zustimmend Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 377. Siehe auch Schmidt-Housson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 6 Rn. 13. 351  So Wettich, Vorstandsorganisation, S. 252 ff., 255 ff. Siehe auch Rehm, Einzelund Gesamtverantwortung, S. 190 f. 352  Wettich, Vorstandsorganisation, S. 248.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation289

wird der Vertrauensgrundsatz auf vertikaler wie externer Ebene fortgeschrieben.354 Zunächst spricht für ein delegationsformübergreifendes Vertrauensmodell, dass die Delegationsformen hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen gleichlaufen und lediglich die Einzelfallbetrachtung unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen kann. Daher wäre es inkonsequent, den Vertrauensgrundsatz auf diese Fälle nicht anzuwenden. Das gilt überdies schon deshalb, da das Vertrauen gegenüber dem Delegationsempfänger nach dem hier vertretenen Verständnis eine Voraussetzung für die zulässige Delegation ist. Geht man also davon aus, dass vertikale wie externe Delegation zulässig sind, muss der Vertrauensgrundsatz ganz selbstverständlich auch bei einer Aufgabenübertragung an Mitarbeiter und Dritte gelten. Einen Wertungstransfer erlaubt auch die ISION-Entscheidung des BGH355, die für die Fälle, in denen der Vorstand Rechtsberatung in Anspruch nimmt, eine Plausibilitätskontrolle anordnet.356 Der Vertrauensgrundsatz implementiert ebenfalls einen solchen Bewertungsmaßstab. Es ist dem Aktienrecht also nicht fremd, das Verhalten Dritter nach Plausibilitätsmaßstäben zu bewerten. Beide eint der Gedanke, dass die Einbindung von Mitarbeitern und Dritten für den Vorstand zwingend notwendig ist. Sowohl Beratung als auch Aufgaben353  Dem für die vertikale Ebene nicht widersprechend Froesch, DB 2009, 722, 725, wobei sich sein Pflichtenmaßstab aber nicht von dem des Vertrauensgrundsatzes unterscheidet; Pietzke, CCZ 2010, 45, 47 (m. w. N.). 354  Das vertritt bereits BGHZ 133, 370, 378 = BGH NJW 1997, 130, 132 zur GmbH, wonach sich der bereichszuständige Geschäftsführer bei Delegation an Mitarbeiter auf die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung verlassen könne, wenn keine anderweitigen Anhaltspunkte vorlägen. Vgl. auch Harbarth, ZGR 2017, 211, 221 f., 224, der den Vertrauensgrundsatz aber aus dem Unternehmensinteresse ableitet. Sodann jeweils für die vertikale Delegation Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 163; Schrage, Aktienrechtliche Pflichten und Haftung, S. 226; Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 61. Außerdem U. H. Schneider/Brouwer, FS Priester, 2007, S. 713, 721. BGH LMRR 1981, 17 prüft die Voraussetzungen des § 130 OWiG und stellt hinsichtlich der Überwachung von Betriebsangehörigen keine Anforderungen im Sinne einer Miss­ trauensorganisation auf. Vgl. so auch die Einschätzung von Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1402 f. Siehe zudem Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 61. 355  BGH ZIP 2011, 2097 („ISION“); sodann BGH NZG 2015, 792. Siehe auch BGH NJW 2007, 2118, 2119 ff. zur GmbH. 356  Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1402 ff., der einen kapitalgesellschaftsrechtlichen Vertrauensgrundsatz formuliert, der bei Informationen bereichsübergreifend eingreifen und sich neben der horizontalen Delegation auf die Beratung durch Dritte beziehen soll. Auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 47a geht von einem Vertrauensgrundsatz bei Beratung durch Mitarbeiter oder Dritte aus. Schrage, Aktienrechtliche Pflichten und Haftung, S. 226 f. schließt sogar von der ISION-Entscheidung auf die vertikale Delegation. Rechtsrat oder die Hinzuziehung von sonstigen Sachverständigen und Delegation sind nicht gleiche, aber vergleichbare Sachverhalte. Dazu schon § 6 I. 3. a) bb). So auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 77 Rn. 15; § 93 Rn. 44 ff.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

übertragung können nur effektiv erfolgen, wenn der Vorstand den erhaltenen Input nicht aufgrund eines Misstrauensregimes so intensiv prüfen muss, dass er faktisch selbst handelt. Führt man sich letztlich auch den Einfluss der Beratung auf die Entscheidungsqualität vor Augen, wäre es widersprüchlich, Beratung und Delegation anders zu behandeln. Rechtstatsächlich würde der Vorstand vermutlich die Beratung intensivieren und faktisch eine Delegationslage schaffen. Somit gilt der Vertrauensgrundsatz delegationsformübergreifend. Der delegationsformübergreifende Vertrauensgrundsatz muss allerdings im Hinblick auf seine inhaltliche Reichweite je nach Delegationsempfänger angepasst werden: Im Rahmen der Plausibilitätskontrolle, die das Verhalten von Mitarbeitern und Dritten überprüft, wird man je nach Umständen schneller ein Nachfassen einfordern müssen als dies gegenüber Vorstandsmitgliedern der Fall ist. Das gilt vor allem für die Wahrnehmung durch gesellschaftsfremde Delegationsempfänger. Hier ist der Einblick ohnehin größeren Unwägbarkeiten ausgesetzt.357 Daher muss der Vorstand Berichte mit einem kritischeren Blick versehen. Daraus lässt sich ein abgestuftes Vertrauensmodell entwickeln: Auf Vorstandsebene sind die geringsten, bei Dritten hingegen die strengsten Anforderungen aufzustellen. Dennoch liegt allen Delega­ tionsformen ein Vertrauensverhältnis zugrunde. 3. Zwischenergebnis Im Ergebnis wird die Kontrollintensität durch den Vertrauensgrundsatz geprägt. Dabei ist das Vertrauen in den Handelnden eine zwingende Voraussetzung dafür, dass die Aufgabenübertragung weiterhin zulässig ist. Der Vorstand kann seine Überwachungsaufgabe nur dann wahrnehmen, wenn er davon ausgehen darf, dass die Aufgabenerfüllung sorgfaltsgemäß erfolgt. Andernfalls müsste er die Aufgabe selbst erfüllen. Daher gilt der Vertrauensgrundsatz auch für jede Delegationsform. Lediglich der Maßstab, der an das Vertrauen anzulegen ist, divergiert. Es gilt daher ein abgestuftes Vertrauensmodell.

V. Delegation der Überwachungspflicht 1. Kettendelegation Auch wenn die Überwachung anhand eines delegationsformübergreifenden Vertrauensgrundsatzes zu bemessen ist, bindet sie die Kapazitäten des über357  Hinsichtlich einer differenzierten Betrachtung vgl. auch Schrage, Aktienrechtliche Pflichten und Haftung, S. 226 f. sowie Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 93 Rn. 61.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation291

wachenden Vorstands nicht unerheblich. Führt man sich zudem vor Augen, dass bei einer Verletzung der Überwachungspflicht gleichwertige Konsequenzen wie bei einer Handlungspflichtverletzung drohen, kommen Zweifel an der Entlastungsfunktion der Delegation auf. Umso naheliegender erscheint es für den Vorstand, auch die Überwachungspflicht zu delegieren. Eine solche Delegation der Überwachungspflicht könnte bereits damit einhergehen, dass Aufgaben regelmäßig durch Kettendelegationen358 wahrgenommen werden: Haben die Vorstandsmitglieder eine Geschäftsverteilung vereinbart und bestimmte Aufgaben an die einzelnen Vorstandsmitglieder übertragen, müssen diese ihre Bereiche ebenfalls organisieren. Das zuständige Vorstandsmitglied kann die zu bewältigenden Aufgaben nicht allein erfüllen. Daher reicht es die Aufgaben an Mitarbeiter und Dritte weiter. Auf Mitarbeiterebene sind je nach Umständen ein oder mehrere nachgeordnete Führungskräfte angesiedelt, die wiederum Aufgaben delegieren. Die Organisation der Gesellschaft beruht also auf einer mehrfachen Aufgabendelegation, die horizontale, vertikale und externe Aufgabenübertragung miteinander kombiniert. Für jede Delegationsebene ist die hier aufgestellte Zulässigkeitsprüfung vorzunehmen. Die Kettendelegation wirkt sich auch auf den Überwachungsinhalt aus: Delegiert der Gesamtvorstand an ein Vorstandsmitglied, überwacht er die Aufgabenerfüllung durch das Vorstandsmitglied. Überträgt das Vorstandsmitglied Aufgaben sodann an Mitarbeiter, überwacht es seinerseits die Mitarbeiter. Bei enger Sichtweise würde der Gesamtvorstand weiterhin lediglich das Vorstandsmitglied kontrollieren. Inhalt seiner Überwachungspflicht wäre allenfalls noch die Delegation durch das zuständige Vorstandsmitglied an eine nachgeordnete Führungskraft. Wenn die nachgeordnete Führungskraft etwa ungeeignete Mitarbeiter oder Externe auswählt, wäre das unmittelbare Delegationsverhältnis zwischen Gesamtvorstand und Vorstandsmitglied nicht mehr betroffen. Die Überwachungspflicht würde sich auf den jeweiligen Delegationsempfänger beschränken. Mit der Kettendelegation fiele also auch eine Delegation der Überwachungspflicht zusammen. Eine vollständige Delegation der Überwachungspflicht findet aber letztlich nicht statt: Der Vorstand und die Vorstandsmitglieder können und müssen mit der Kontrolle des unmittelbaren Delegationsempfängers auch die weiteren Aufgabenübertragungen kontrollieren. Das lässt sich durch eine Informa­ tionskette sicherstellen, die parallel zur Delegation verläuft. Die Berichte an den Vorstand müssen daher auch Informationen über die organisatorischen Maßnahmen in den jeweiligen Aufgabenbereichen enthalten. Das gilt für Überwachungsmaßnahmen und operative Tätigkeiten gleichermaßen. Das 358  Siehe

zur GmbH Fleischer, in: Münch. Komm. GmbHG, § 43 Rn. 141.

292

4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

Überwachungssystem setzt sich auch auf den unteren Handlungsebenen fort, die ihrerseits Berichte erstellen. Kettendelegationen wirken sich somit zwar auf die Überwachung aus, eine Delegation der Überwachungspflicht liegt aber nicht vor. 2. Berichtsadressat Eine Delegation liegt hingegen vor, wenn die bereits bestehende Überwachungspflicht einer Person übertragen wird. Die Delegation kann unterschiedlich ausgeprägt sein: Der Gesamtvorstand könnte, um sich hinsichtlich der Überwachung zu entlasten, ein Vorstandsmitglied als bloßen Berichts­ adressaten installieren, das die Berichte sämtlicher Vorstandsmitglieder empfängt und sodann den übrigen Vorstandsmitgliedern zuleitet.359 Nach dem hier vertretenen Standpunkt kann der Gesamtvorstand bedenkenlos die Informationskoordination auf ein Vorstandsmitglied konzentrieren. Zwar trägt jede Zwischenschaltung einer Person die Gefahr in sich, dass die Informatio­ nen sich in ihrem Bedeutungsgehalt verändern. Dieses Risiko erscheint ange359  So Schiessl, ZGR 1992, 64, 69 f., wonach die Überwachungspflicht zu den nicht übertragbaren Aufgaben gehören soll und die Delegation daher auf das „Sammeln und Aufbereiten“ von Informationen, etwa durch ein betroffenes Vorstandsmitglied oder einen Ausschuss, beschränkt sei. Voraussetzung soll sein, dass die Informationen alle erreichen. Dies bewahre die Vorstandmitglieder jedoch nicht davor, eigene Ermittlungen anzustellen, wenn sich Lücken ergäben. Zustimmend Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 86. Auf Schiessl verweisend, aber ohne inhaltliche Stellungnahme zu der dort vorgenommenen Einschränkung Weber, in: Hölters, § 77 Rn. 34. In dieser Diskussion spiegelt sich letztlich die herrschende Meinung zur Delegationsproblematik und somit die Frage des Kernbereichs wieder: Laut Hegnon, CCZ 2009, 57, 59, 61 (in einer allgemeinen Schrift zu Geschäftsleitern) ist die Kontrollpflicht sowohl an Interne als auch an Externe übertragbar. Schranke sei die Kernfunktion der Überwachungspflicht. Die Oberaufsicht, also die Aufsicht über den mit der Kontrollaufgabe betrauten Delegationsempfänger, sei sodann nicht mehr delegierbar. Wettich, Vorstandsorganisation, S. 241, 266 f. stuft das Kontrollressort als bloße Stütze ein, die den Vorstand entlaste, aber auch zu einer besseren Koordination verhelfe; primärer Adressat soll der Vorstandsvorsitzende sein. Laut Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 77 Rn. 18 darf die Überwachung „nicht gänzlich“ an Ausschüsse übertragen werden. Vgl. auch Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1451 f., der bemängelt, dass die teilweise Übertragung der Überwachungsaufgabe Abgrenzungsschwierigkeiten hervorrufe und sogar zu einer zurückhaltenden Überwachung der übrigen Vorstandsmitglieder führen könne. Im Übrigen führt er das Kollegialprinzip an. Außerdem sieht er die Effizienz bedroht, weil die Delegation zu einer Mediatisierung führe. Wesentlich für die Überwachung sei, dass jedes Vorstandsmitglied einen Einblick in sämtliche Ressorts bekomme. Allenfalls die Organisation des Berichtssystems könne auf den Vorstandsvorsitzenden verlagert werden, da es sich um eine Koordinationsaufgabe handle; sie sei sogar grundsätzlich seine Pflicht. Siehe auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35. Zu den Pflichten des Berichterstatters siehe auch Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 722 f.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation293

sichts der Tatsache, dass die Berichte bereits eine Zusammenfassung darstellen und sich die Aufgabe des Vorstandsmitglieds daher im Wesentlichen auf die Weiterleitung beschränken wird, gering. Hinzu kommt, dass die übrigen Vorstandsmitglieder weiterhin ihrer Überwachungsaufgabe nachkommen müssen. Ein Vorstandsmitglied mit dem Empfang der Berichte zu betrauen ist nicht zuletzt effektiver, da eine Person alle Informationen sammelt und gebündelt weiterreicht. Klar ist aber auch, dass das Vorstandsmitglied, das mit dieser Aufgabe betraut wird, entsprechende Kapazitäten aufweisen muss, insbesondere dann, wenn es auch weitere Aufgaben wahrnimmt. Entscheidend sind daher letztlich die einzelnen Umstände. Im Ergebnis darf der Vorstand einen Berichtsadressaten einschalten. 3. Übertragung der Überwachungsaufgabe a) Bemessung nach den Anforderungen an die Delegation Denkbar ist außerdem eine vollumfängliche Übertragung der Überwachungspflicht auf ein Vorstandsmitglied, auf das sich die Kontrolle der übrigen Vorstandsmitglieder konzentriert.360 Die Oberaufsicht, das heißt die Überwachung des mit der Kontrollaufgabe betrauten Vorstandsmitglieds, wäre jedoch nicht mehr delegierbar.361 Ein eigenes Kontrollressort zu implementieren, bedarf einer ungleich kritischeren Prüfung, da hier auch die Überwachungsaufgabe als solche jedenfalls in Teilen übergeht. Der Vorstand kann seiner Aufgabe als Führungsorgan von vornherein nicht vollständig entfliehen, da dies nicht vereinbar mit dem aktienrechtlichen Organisationsgefüge wäre. Das gilt konsequenterweise auch für die Überwachungspflicht, die die Aufgabenerfüllung lediglich substituiert. Da die übrigen Vorstandsmitglieder den Kontrolleur überwachen müssen und sie somit weiterhin überwachungspflichtig bleiben, liegt ein Verstoß gegen die absoluten Delegationsgrenzen aber nicht vor. Die Zulässigkeit eines eigenständigen Kontrollbereichs bestimmt sich nach einer Einzelfallbetrachtung, also danach, ob der Kontrollaufgabe befugnisüberschreitende Auswirkung zukommt. Hier ist zu differenzieren: So erscheint es unbedenklich, einem Vorstandsmitglied die Koordinierung der Überwa360  So Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 200, der auf die Entlastungswirkung verweist. Zustimmend Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 25. Siehe auch Heller, Unternehmensführung, S. 74, wonach mit Übermittlung der Informationen an die übrigen Vorstandsmitglieder der Gesamtverantwortung Genüge getan sei. Gegen die Delegierbarkeit bringt Spindler, in: Münch. Komm. AktG, § 77 Rn. 63 den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. 361  Zum Vorstehenden Hegnon, CCZ 2009, 57, 59.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

chung zu übertragen, die über das bloße Empfangen und Weiterleiten von ­Berichten hinausgeht. Das kontrollierende Vorstandsmitglied kann insbesondere auch die Plausibilitätskontrolle vornehmen. Über die Kontrolle muss das Vorstandsmitglied dem Gesamtvorstand Bericht erstatten. So wird einem ­Informationsgefälle entgegengewirkt. Da die Berichterstattung durch ein Vorstandsmitglied erfolgt, bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der sorgfaltsgemäßen Informationserteilung. Ergreift das Vorstandsmitglied Überwachungsmaßnahmen, hängt deren Zulässigkeit von den jeweiligen Anforderungen an die Maßnahme ab. Wird der Gesamtvorstand eingeschaltet, müssen sich alle Vorstandsmitglieder an dem Beschluss beteiligen, sodass ihre Befugnisse gewahrt werden. Fordert das Vorstandsmitglied lediglich weitere Informationen ein, berührt dies die Rechte der übrigen Vorstandsmitglieder nicht. Der Delegationsfähigkeit steht auch nicht entgegen, dass dem Aufsichtsrat die Funktion des Überwachungsorgans zugewiesen ist, während dem Vorstand eine operative Funktion zukommt. Anders als die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats substituiert die Kontrolle durch den Vorstand die Aufgabenerfüllung, sodass es sich ebenfalls um eine operative Aufgabe handelt. Rechtspraktisch ließe sich einwenden, dass es sich negativ auf das Kollegialverhältnis auswirkt, wenn ein Vorstandsmitglied die übrigen Vorstandsmitglieder kontrolliert. Diese Bedenken verfangen nicht. Die gegenseitige Kontrolle im Vorstand ist Ausdruck des Kollegialprinzips und aktienrechtlich zwingend wie selbstverständlich. Zuletzt stützt ein Wertungstransfer das vorliegende Ergebnis: Die Compliance stellt ihrem Inhalt nach eine verkappte Überwachungspflicht dar. Die Pflicht kann dennoch im Rahmen der hier entworfenen Lösung delegiert werden. Friktionen zwischen den Vorstandsmitgliedern sind dabei aber nicht zu befürchten, obwohl ähnlich der Überwachung die Sorgfalt der Aufgabenerfüllung geprüft wird. Wie auch bei der Compliance sind Grundzüge der Kontrolle, die für die gesamte Gesellschaft gelten sollen, durch das Plenum festzusetzen. Das gebietet schon das Befugnismodell. Im Ergebnis ist die Übertragung der Überwachungsaufgabe daher in dem hier festgesteckten Rahmen unbedenklich. Auf vertikaler Ebene kann das Vorstandmitglied die Überwachung der Mitarbeiter an eine nachgeordnete Führungskraft übertragen. Das Vorstandsmitglied beschränkt sich darauf, die Führungskraft zu beaufsichtigen. Dieses Modell ist im Rahmen des Ordnungswidrigkeitengesetzes niedergeschrieben in § 130 Abs. 1 S. 2 OWiG. Auch das Deliktsrecht lässt diese Art der Organisation zu.362 Entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen ist die 362  Fleischer, AG 2003, 291, 295. Zu § 130 OWiG auch Hegnon, CCZ 2009, 57, 59, der darauf hinweist, dass die Norm eine vollumfängliche Überwachung beinhalte.



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation295

Übertragung daher auch auf der untergeordneten Ebene zulässig. Hier gilt ebenfalls das Befugnismodell. Für externe Delegationsempfänger stellt sich die Frage nicht, da diese die Aufgabenwahrnehmung eigenständig organisieren. b) Verbleibendes Interventionsrecht der nicht zuständigen Vorstandsmitglieder Fraglich ist aber, ob den übrigen Vorstandsmitgliedern ebenfalls ein Interventionsrecht verbleibt. Dagegen spricht, dass mit der Geschäftsverteilung ein individuelles Organisationsermessen einhergeht, das die übrigen Vorstandsmitglieder nicht einfach durch ein „Hineinregieren“ unterminieren dürfen.363 Die Vorstandsmitglieder müssten also zunächst auf den Kontrolleur einwirken, um auf die Delegationsempfänger zugreifen zu können. Konsequenterweise könnte dabei allenfalls hinsichtlich der Art und Weise der Überwachung interveniert werden. Das widerspricht aber dem vorliegend herausgearbeiteten Recht der Vorstandsmitglieder, jederzeit intervenieren zu dürfen, um dem Gesamtverantwortungsprinzip hinreichend nachkommen zu können. Dieser Konflikt ist dadurch aufzulösen, dass die übrigen Vorstandsmitglieder nicht von ihrer Kontrollpflicht befreit sind.364 Der eingerichtete Kontrollbereich wird dadurch auch nicht überflüssig: Entsprechend seiner Koordinationsaufgabe kann das Vorstandsmitglied etwa die Umsetzung der Steuerungsinstrumente und die sich daran anschließende Nachkontrolle übernehmen.365 Das den übrigen Vorstandsmitgliedern verbleibende Interven­ tionsrecht beugt auch den Bedenken vor einer nachlässigen Kontrolle durch die übrigen Vorstandsmitglieder vor. 4. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist es ohne weiteres zulässig, einen Berichtsadressaten zu installieren. Die Delegation der Überwachungspflicht als solcher ist sodann zulässig, wenn sie in Einklang mit dem hier entwickelten Befugnismodell steht. Den nicht zuständigen Vorstandsmitgliedern muss allerdings ein Inter363  Dazu 364  So

bereits III. 5. Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 217 ff.; Schiessl, ZGR 1992,

64, 69 f. 365  Siehe auch Rehm, Einzel- und Gesamtverantwortung, S. 217 ff.: Sammeln und Zusammenfassen von Informationen; Beauftragung durch die übrigen Vorstandsmitglieder, weitere Informationen zu sammeln. Die Vorstandsmitglieder könnten allerdings nicht darauf vertrauen, dass der Kontrollbereich ihre Überwachungspflicht erfülle.

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4. Teil: Anforderungen an die zulässige Delegation

ventionsrecht verbleiben. Bei der Kettendelegation handelt es sich hingegen nicht um eine Delegation der Überwachungspflicht.

VI. Konsequenzen einer sorgfaltswidrigen Überwachung Verletzen die überwachenden Vorstandsmitglieder die hier ausgeformte Überwachungspflicht, sehen sie sich Rechtsfolgen verschiedener Art ausgesetzt. Im Fokus steht dabei zumeist die Schadenersatzhaftung gemäß § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Die Verletzung der Überwachungspflicht kann jedoch auch die Abberufung nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG sowie die Kündigung des Anstellungsvertrags nach sich ziehen. Außerdem können sich nach spezialgesetz­ lichen Vorschriften (zum Beispiel VAG, KWG) Zweifel an der Eignung des Vorstandsmitglieds ergeben.366 Dies kann sich auch auf künftige Tätigkeiten des Vorstandsmitglieds auswirken. Möglich sind auch strafrechtliche Konsequenzen aufgrund Unterlassens.367 Die Überwachungspflicht füllt demnach die Lücke der unmittelbaren Handlungspflicht, insbesondere dann, wenn man wie oben aufgezeigt hohe Anforderungen an den Inhalt der Überwachungspflicht stellt, die die Vorstandsmitglieder zu einer sorgfaltsgemäßen Überwachung anhalten. Die sorgfaltswidrige Überwachung wirkt sich überdies auf die Delegation als solche aus. Schon eingangs wurde festgestellt, dass die zulässige Delegation nicht nur eine übertragbare Aufgabe voraussetzt, sondern auch die sorgfältige Überwachung des Delegationsempfängers. Ist die Überwachung nicht sichergestellt, muss die Aufgabe im Zweifel wieder vom Gesamtvorstand übernommen werden. Dies ist Ausdruck seiner Gesamtverantwortung. Auch hier kommt es auf die Umstände an: Zunächst sollte das bereichszuständige Vorstandsmitglied Gegenmaßnahmen ergreifen, die auf eine sorgfaltsgemäße Aufgabenerfüllung hinwirken. Das gilt vor allem dann, wenn das Fehlverhalten auch durch eine sorgfaltsgemäße Überwachung nicht verhindert werden konnte. Der Gesamtvorstand kann ebenfalls auf bestimmte Maßnahmen hinwirken. Bleiben Maßnahmen aus oder erweisen sie sich nicht als geeignet, ist eine Rückdelegation unumgänglich. Die Rückdelegation ist also nicht nur bei Befugnisüberschreitungen erforderlich, sondern kann auch Teil der Überwachung sein.368 Zieht der Vorstand die Aufgabe nicht wieder an sich, verletzt er seine Kontrollpflichten. Die Rückdelegation ist keine endgültige, unwiderrufliche Maßnahme. Im Gegenteil: Der Gesamtvorstand kann eine neue Delegationsstruktur aufbauen und die Aufgabe wieder übertragen, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen. 366  Vgl.

dazu VG Frankfurt a. M. AG 2005, 264 ff. gesamten Rechtsfolgenkomplex Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1455. 368  Zur Rückdelegation bei Befugnisüberschreitung § 8 III. 2. b). 367  Zum



§ 10 Kontrollelemente während der Delegation297

VII. Fazit Die Überwachungspflicht, so wie sie hier ausgelegt wird, erweist sich als hinreichendes Substitut der unmittelbaren Handlungspflicht. Außerdem erlaubt die Einzelfallbetrachtung mitsamt den verschiedenen Steuerungsinstrumenten eine hinreichend flexible Gestaltung der Residualpflicht: Unter dem Obergriff Intervention können die Vorstandsmitglieder gegenüber dem zuständigen Vorstandsmitglied nachforschen, der Maßnahme widersprechen und einen Beschluss im Plenum fassen. Gegenüber Mitarbeitern und Dritten besteht ebenfalls ein Nachforschungsrecht. Der Vorstand kann Weisungen erteilen und letztlich die Maßnahme wieder an sich ziehen. Die Pflicht erweist sich dennoch als scharfes Schwert, da die Kontrolle laufend erfolgt und sich den jeweiligen Umständen stets anpassen muss. Der Kontrolle liegt ein delegationsformübergreifender Vertrauensgrundsatz zugrunde. Der Vorstand darf die Überwachungsaufgabe als solche delegieren. Den einzelnen Vorstandsmitgliedern stehen weiterhin eigene Interventionsrechte zu. Die Delegationsfähigkeit gilt auch für die nachgelagerte Ebene. Erfolgt die Überwachung sorgfaltswidrig, knüpfen daran die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung an. Im äußersten Fall ist eine Rückdelegation erforderlich. Das gilt auch, wenn die Überwachungsmaßnahmen wirkungslos bleiben, da der Vorstand ansonsten ebenfalls seine Pflichten verletzt.

5. Teil

Delegation de lege ferenda § 11 Diskutierte Regelungsvorschläge I. Katalog nicht delegierbarer Pflichten Die Delegationsproblematik lässt sich de lege lata auflösen. Dennoch hat insbesondere die Analyse des § 77 AktG gezeigt, dass die Vorschrift trotz ihrer Bedeutung für die Geschäftsführungsorganisation wenig Rechtssicherheit bietet. Eine Neuschreibung der Norm ist daher empfehlenswert. Lösungsansätze de lege ferenda stecken jedoch allenfalls in den Kinderschuhen. Im Schrifttum finden sich einige wenige Aufschläge, die vor allem darauf abzielen, die nicht delegierbaren Pflichten festzuschreiben. In diese Richtung optiert etwa Fleischer, der sich eine aktienrechtliche Kernbereichslehre wünscht, die dem Vorstand genau vorgebe, welche Aufgaben er an wen delegieren dürfe. Einen konkreten Katalog bleibt er schuldig.1 Darin liegt nicht notwendigerweise ein Vorschlag de lege ferenda. Einen Katalog könnten ebenfalls Satzung oder Geschäftsordnung statuieren. Kompetenzkataloge sind dem Aktiengesetz aber nicht fremd: Der Vorstoß ließe sich durchaus im Sinne des § 119 Abs. 1 AktG, der katalogartig die Rechte der Hauptversammlung normiert, umsetzen. Für den Aufsichtsrat legt § 107 Abs. 3 S. 4 AktG die nicht delegierbaren Aufgaben durch eine Aufzählung fest. Gegen derartige Regelungen spricht jedoch, dass sie zunächst niemals abschließend sein können. Das zeigt die, auch in der herrschenden Meinung verankerte, Notwendigkeit, die konkreten Umstände der Aktiengesellschaft einzubeziehen. Gegen diesen Einwand ließe sich noch vorbringen, dass etwa auch § 119 Abs. 1 AktG die Rechte der Hauptversammlung nicht abschließend regelt. Das Aktiengesetz stützt demnach Katalogvorschriften, die ergänzungsoffen sind. Kataloge sind dennoch zu statisch und widersprechen dem Anspruch, ein flexibles Delegationssystem zu schaffen. Bildete man die wenigen, regelmäßig nicht delegierbaren Aufgaben im Katalog ab und nähme hin, dass eine Fixierung im Übrigen ganz überwiegend fehlgeht, wäre der Katalog bloße Makulatur. Hinzu kommt, dass das Gesetz eine bloße Tendenz normieren würde, da nach der hier vertretenen Auffassung eine Einzelfallprü1  Fleischer,

ZIP 2003, 1, 2.



§ 11 Diskutierte Regelungsvorschläge299

fung vorzunehmen ist. Tendenzen wiederum sollten nicht gesetzlich geregelt werden. Daher lässt sich konstatieren, dass Satzung und Geschäftsordnung Einschränkungen vornehmen können. Ein gesetzlicher Katalog überzeugt im Ergebnis aber nicht. Wettich arbeitet sodann den Ansatz, einen Katalog nicht delegierbarer Pflichten in der Geschäftsordnung zu formulieren, präziser aus: Die Gesellschaften sollen die wesentlichen nicht delegierbaren Aufgaben in ihre Geschäftsordnungen integrieren.2 Der Katalog fasst kurz und prägnant die bisherige herrschende Meinung zusammen. Abseits der schon dargestellten inhaltlichen Bedenken entzündet sich an dieser Regelungsmöglichkeit auch ein starkes rechtspraktisches Störgefühl: Es ist nicht vorstellbar, dass sich der Vorstand, sofern er die Geschäftsordnung selbst beschließt, abseits der allgemeinen Geschäftsverteilung selbst zu weitgehende Fesseln anlegt. Diese beschränkten sein Ermessen, sodass eine umfangreiche Auflistung kaum zu erwarten ist. Auch der Aufsichtsrat hat an einer derart kurzen Leine augenscheinlich kein Interesse, wenn man rechtspraktische Stichproben nimmt. Die Geschäftsordnungen werden sich also auf Aufgaben beschränken, die sehr wahrscheinlich durch das Plenum zu erfüllen sind, oder lediglich allgemein gefasst sein. Gestaltete man die Delegationsklauseln als bloße SollEmpfehlungen, wären sie rein rechtlich unverbindlich, mit Sicherheit fühlte sich der Vorstand aber faktisch gebunden. Das zeigt besonders anschaulich der Deutsche Corporate Governance Kodex. Der Ansatz, einen Katalog mit nicht delegierbaren Pflichten zu erstellen, erweist sich also nicht als einträglich.

II. Feingliedrigere Ausgestaltung der Geschäftsführungsregelung 1. Normierung des Vertrauensgrundsatzes Neben Vorstößen, einen Katalog zu installieren, finden sich im Schrifttum einige Stimmen, die allgemeinere Korrekturen befürworten: Namentlich der Vertrauensgrundsatz soll im Gesetz verankert werden, um überzogenen Anforderungen an die Überwachung Einhalt zu gebieten sowie seine Wirkungen ins Gedächtnis zu rufen.3 Einen konkreten Formulierungsvorschlag zum Vertrauensgrundsatz unterbreitet Kremer: „Ein Vorstandsmitglied darf grund2  Zum Katalog sowie zum Nachstehenden Wettich, Vorstandsorganisation, S.  64 ff. So auch schon Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 509, allerdings ohne konkreten Formulierungsvorschlag. 3  So in Anlehnung an das US-amerikanische Gesellschaftsrecht Bachmann, 70. DJT, Bd. I, E 42 f. Siehe auch DAI, Stellungnahme zum UMAG-Referentenentwurf v. 31.3.2004, S. 3; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1602.

300

5. Teil: Delegation de lege ferenda

sätzlich auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Ressortverantwortlichkeit eines anderen Vorstandsmitglieds vertrauen, es sei denn, es liegen konkrete Anhaltspunkte für Fehlentwicklungen vor.“4 Eine Normierung des Vertrauensgrundsatzes stößt jedoch auch auf Kritik. Argumentiert wird zum Teil mit der grenzübergreifenden Bedeutung des Vertrauensgrundsatzes: Dieser müsse etwa auch im GmbH-Recht Niederschlag finden. Außerdem sei auch die Übertragung des Vertrauensgrundsatzes auf das Aufsichtsrat-Vorstand-Verhältnis sowie Aufsichtsrat-Ausschuss-Verhältnis zu überdenken. Ob der Allgemeingültigkeit sei auch zu hinterfragen, ob gesetzgeberisches Tätigwerden geboten sei. Zweifel bestehen überdies daran, dass der Vertrauensgrundsatz kodifizierbar wäre, da es sich letztlich um eine Einzelfallentscheidung handle. Fehlentwicklungen seien regelmäßig erst in der Nachbetrachtung erkennbar, gleichsam müssten Ausnahmen wie Krisen oder Verdachtsmomente abgebildet werden. Eine Normierung soll dieser Weitsichtigkeit nicht gerecht werden können.5 Die Zweifel an einer Kodifizierung sind nur zum Teil nachvollziehbar: So überzeugt es nicht, auf den allgemeingültigen Charakter des Vertrauensgrundsatzes hinzuweisen. Eine allgemeine Regelungsmöglichkeit bietet zwar das Bürgerliche Gesetzbuch, das über einen allgemeinen Teil verfügt. Ob daraus aber ein Transfer namentlich ins Aktienrecht erfolgt, ist fraglich und aus Sicht des Vorstands daher zu unsicher. Eine plurale Regelungsoffensive, die den Vertrauensgrundsatz in den jeweiligen Gesetzen festschreibt, ist daher vorzugswürdig. Dass der Vertrauensgrundsatz noch unausgegoren ist, stellt kein hinreichendes Gegenargument dar, insbesondere der Verweis auf das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat überzeugt nicht. Der Vertrauensgrundsatz ist, so wie er hier verstanden wird, ein Spezifikum der Delegation. Die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat hat einen völlig anderen Hintergrund. Normierte man den Grundsatz für den Vorstand, wäre das Verhältnis zum Aufsichtsrat davon unberührt. Auf der Ebene Aufsichtsrat-Ausschuss kann der Vertrauensgrundsatz aber ebenfalls implementiert werden. Dass die Fixierung von den anderen Gesellschaftsformen sowie weiteren Anwendungsbereichen im Zivilrecht abhängig gemacht wird, überzeugt auch deshalb nicht, weil sich das Problem jedenfalls gesellschaftsrechtlich, wenn auch nicht nur, aber doch am drängendsten im Aktienrecht stellt. Das belegen die Stellungnahmen von Rechtsprechung und Schrifttum. Ob 4  Kremer, 70. DJT, Bd. II/1, N 29, N 36 ff., N 45. Die Abteilung Wirtschaftsrecht hat diesem Vorschlag in ihrem Beschluss I Nr. 5 zugestimmt, siehe 70. DJT, Bd. II/1, N 62. 5  Zum Vorstehenden Fleischer, DB 2014, 1971, 1974. Siehe auch Harbarth, ZGR 2017, 211, 235 f., der einen „Dogmatisierungsschub“ für andere Wirkbereiche nicht annimmt. Zu statutarischen Fixierungsmöglichkeiten, 236 f.



§ 11 Diskutierte Regelungsvorschläge301

ein Regelungsschub auch in den anderen Bereichen einsetzt, kann nicht ausschlaggebend sein. Letztlich können auch gesetzliche Differenzierungen geboten sein, die mit einer allgemeingültigen Regelung nicht abbildbar sind. Dies streitet für eine individuelle gesetzliche Fixierung. Diese gesetzliche Fixierung muss allerdings so ausgestaltet werden, dass sie genügend Raum für eine Einzelfallbetrachtung lässt. Fasst man den Vertrauensgrundsatz allerdings zu allgemein, etwa in der Art, dass ohne Anhaltspunkte keine Intervention erforderlich ist,6 verhilft die Normierung aus Sicht des Vorstands nicht zu mehr Rechtssicherheit. Die Abwägung des Einzelfalls lässt sich ebenfalls nicht vorgeben. Daher sieht auch die hier vorliegende Auffassung keinen Mehrwert, wenn der Vertrauensgrundsatz isoliert kodifiziert würde. Die Fixierung des Vertrauensgrundsatzes ist dagegen sinnvoll, wenn die Überwachungspflicht als solche umfassend im Aktien­ gesetz geregelt wird und sich der Grundsatz darin einbetten kann. Daher integriert der hier unterbreitete Reformvorschlag7 den Vertrauensgrundsatz als Teil der Kontrolle, die an die Delegation anknüpft. Demnach kann der Vorstand auf eine sorgfaltsgemäße Aufgabenerfüllung vertrauen, wenn nicht die konkreten Umstände etwas anderes erfordern. Unter dieser Maßgabe wird man den kritischen Stimmen entgegenhalten können, dass eine Normierung zu einem Mehrwert führt, da die Überwachung in ihren Grundzügen gesetzlich fixiert wird. 2. Normierung des Gesamtverantwortungsprinzips Diskutabel ist in diesem Zusammenhang, das Gesamtverantwortungsprinzip zu fixieren.8 Dies könnte deshalb angezeigt sein, da dem Prinzip beständig Aussagen entnommen werden, die schlicht nicht daraus ableitbar sind. Diesen Auswüchsen könnte man mit einer Regelung Einhalt gebieten. Das Gesamtverantwortungsprinzip hat zudem eine überragende Bedeutung für die Begründung der Residualpflicht. Auch hiergegen lässt sich vorbringen, dass das Gesamtverantwortungsprinzip über die Aktiengesellschaft hi­ naus jedes Kollegialorgan betrifft. Das ist jedoch mit den gleichen Argumenten zurückzuweisen, die schon beim Vertrauensgrundsatz vorgebracht wurden. Das Gesamtverantwortungsprinzip ließe sich auch inhaltlich ungleich besser gesetzlich fassen.

6  Siehe

oben. § 12. 8  So etwa Fleischer, DB 2014, 1971, 1972; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 35. 7  Siehe

302

5. Teil: Delegation de lege ferenda

In dem hier unterbreiteten Reformvorschlag9 beschränkt sich die Normierung allerdings auf die Aussage, dass die Kontrolle des Delegationsempfängers aus der Gesamtverantwortung folgt. Aufgrund der Neugestaltung des § 77 AktG und einer ausführlichen Regelung der Delegation bringt das Gesetz im Übrigen klar zum Ausdruck, dass das Gesamtverantwortungsprinzip keine Gesamtzuständigkeit begründet.

§ 12 Eigener Reformvorschlag Die diskutierten Regelungsvorschläge orientieren sich an der herrschenden Meinung und haben angesichts der hier herausgearbeiteten Analyseergebnisse keine Innovationskraft.10 Will man die Delegation im vorliegend verstandenen Sinne im Gesetz verankern, bedarf es verschiedener Korrekturpunkte: Die Delegation als solche muss unmissverständlich geregelt werden. Außerdem sind die verschiedenen Delegationsformen zu ergänzen. Sodann ist klarzustellen, dass abseits zwingender aktienrechtlicher Vorschriften ausschließlich die befugnisüberschreitende Delegation unzulässig ist. Schließlich sollte die Überwachungspflicht ausdrücklich im Gesetz implementiert und konkretisiert werden. Ausgangspunkt des Gesetzesvorschlags ist allerdings § 77 AktG: Es wurde bereits konstatiert, dass § 77 Abs. 1 AktG bei strenger Lesart ausdrücklich nur die Beschlussfassung regelt. Die Zulässigkeit der Delegation sollte daher klargestellt werden, indem die Delegation in einer eigenen Vorschrift normiert wird. § 77 AktG wäre wie folgt zu ergänzen: „§ 77 AktG Geschäftsführung (1) 1Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. 2Beschlüsse fasst der Vorstand einstimmig. 3Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands kann Abweichendes bestimmen; es kann jedoch nicht bestimmt werden, daß ein oder mehrere Vorstandsmitglieder Meinungsverschiedenheiten im Vorstand gegen die Mehrheit seiner Mitglieder entscheiden. (2) 1Der Vorstand kann sich eine Geschäftsordnung geben, wenn nicht die Satzung den Erlaß der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat übertragen hat oder der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erläßt. 2Die Satzung kann Einzel9  Siehe

§ 12.

10  Orientierung

bietet hingegen das schweizerische Obligationenrecht, das in Art. 716, 716a, 716b, 717, 754 Abs. 2 OR Regelungen zur Delegation des Verwaltungsrats in der Aktiengesellschaft enthält. Vgl. zu den systematischen Unterschieden und zu den Schwierigkeiten der Rechtsvergleichung im Allgemeinen Fleischer, ZIP 2003, 1, 4 f. Außerdem zu Parallelen der Überwachungspflicht mit Art. 754 Abs. 2 OR Fleischer, AG 2003, 291, 294 (Fn. 24); Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 Rn. 98.



§ 12 Eigener Reformvorschlag303 fragen der Geschäftsordnung bindend regeln. 3Beschlüsse des Vorstands über die Geschäftsordnung müssen einstimmig gefaßt werden.“

Die neu zu fassenden §§ 77a, 77b, 77c AktG lauteten sodann: „§ 77a AktG Übertragung von Geschäftsführungsmaßnahmen 1

Der Vorstand kann nach Maßgabe des § 77 Abs. 2 AktG Geschäftsführungsmaßnahmen an einzelne Vorstandsmitglieder oder sogenannte Ausschüsse übertragen. 2 Darüber hinaus kann der Vorstand solche Maßnahmen an Mitarbeiter oder Dritte übertragen. 3Die Gesamtverantwortung verpflichtet den Vorstand zur Kontrolle gegenüber den Delegationsempfängern.“ „§ 77b AktG Kontrolle vor der Delegation (1) 1Die Delegation ist zulässig, wenn sie nicht gegen zwingende aktienrechtliche Bestimmungen verstößt. 2Beschränkungen können sich außerdem ergeben, wenn sich die Maßnahme befugnisüberschreitend auswirkt. (2) Der Vorstand hat den Delegationsempfänger sorgfältig auszuwählen und einzuweisen; ihm sind die erforderlichen Befugnisse einzuräumen. (3) 1Der Vorstand hat sicherzustellen, dass er seiner Gesamtverantwortung entsprechend auf den Delegationsempfänger einwirken kann. 2Insbesondere muss er über jederzeitige Informations-, Weisungs- und Kündigungsrechte verfügen. 3Die weitere inhaltliche Ausgestaltung bestimmt sich nach dem Einzelfall.“ „§ 77c AktG Kontrolle nach der Delegation (1) 1Der Vorstand hat den Delegationsempfänger im Anschluss an die Delegation zu überwachen. 2Die sorgfaltsgemäße Überwachung erfordert insbesondere einen Informationsaustausch zwischen Vorstand und Delegationsempfänger. (2) 1Der Vorstand kann auf eine sorgfaltsgemäße Aufgabenerfüllung vertrauen, wenn nicht die konkreten Umstände etwas anderes erfordern. 2Liegen Anhaltspunkte für ein sorgfaltswidriges Handeln vor, muss der Vorstand geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. 3Im Zweifel ist die Maßnahme vom Gesamtvorstand wahrzunehmen.“ „§ 77d AktG Kettendelegation Überträgt der Delegationsempfänger die Geschäftsführungsmaßnahme, gelten die Anforderungen nach §§ 77a, 77b, 77c AktG.“

6. Teil

Untersuchungsergebnisse 1. Ein Blick auf die aktienrechtlichen Leitplanken der Delegation zeigt, dass die Aufgabenübertragung insbesondere mit der Kompetenzverteilung sowie mit dem Haftungsregime des § 93 AktG in Einklang zu bringen ist. 2.  Das Meinungsbild ist trotz seines Umfangs in den wesentlichen Fragen homogen. Dogmatisch wird das Delegationsverbot überwiegend aus § 76 Abs. 1 AktG hergeleitet. Die Abgrenzung zwischen delegierbaren und nicht delegierbaren Pflichten wird sodann anhand der Differenzierung von Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben vorgenommen. Die dazu bemühten Differenzierungskriterien ergänzen einander. Ein Delegationsverbot soll aufgrund der Aufgabenfülle des Vorstands nur für Aufgabenausschnitte sowie die Entscheidung gelten. Nach dem Delegationsadressaten unterscheidet der juristische Diskurs nur vereinzelt. Eine echte Weggabelung im Meinungsstand stellt lediglich der Bewertungsmaßstab dar: Bemisst man die Delegation nicht an § 76 Abs. 1 AktG, sondern an § 93 Abs. 1 AktG, öffnet sich nach diesem Ansatz für den Vorstand der sichere Hafen der Business Judgment Rule. 3. Untersucht man das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung als Grundlage des Delegationsverbots, so kommt dem Leitungsbegriff allenfalls eine symbolische Funktion zu. Die Geschäftsführung ist der alleinige Bewertungsmaßstab für jegliches Vorstandshandeln. Daher sind auch sogenannte Leitungspflichten abzulehnen. a)  Nach dem Wortlaut lassen sich zwischen Leitung und Geschäftsführung keine Unterschiede festmachen. Nähert man sich dem Verhältnis der beiden Führungsbegriffe systematisch an, so setzt der Gesetzgeber den Schwerpunkt eindeutig bei der Geschäftsführung. Der Leitungsbegriff findet sich lediglich in § 76 Abs. 1 AktG sowie im konzernrechtlichen Kontext. Im Übrigen stellen die wesentlichen Normen, namentlich die §§ 77, 84 Abs. 3 S. 2, 93 I, 111 I, IV AktG, auf die Geschäftsführung ab. Gesellschaftsübergreifend lässt sich konstatieren, dass die Delegationsdebatte in den übrigen Gesellschaften auch unabhängig vom Leitungsbegriff geführt wird. b) Untersucht man die Entwicklung der Termini historisch, so steht die Implementierung der eigenverantwortlichen Leitung in § 70 Abs. 1 AktG 1937, heute in § 76 Abs. 1 AktG, stellvertretend für einen Bedeutungswandel



6. Teil: Untersuchungsergebnisse305

des Vorstandsorgans im aktiengesetzlichen Organisationsgefüge. Der Vorstand hat die Generalversammlung als Steuerungsorgan abgelöst. Insbesondere wurde das Weisungsrecht gestrichen. Der Leitung kommt dabei nur eine symbolische Funktion zu, da sich bereits durch den Wegfall des Weisungsrechts die Stellung des Vorstands zu einem eigenverantwortlichen Führungsorgan verändert hat. Gestützt wird diese Einschätzung durch die Gesetzesbegründungen sowie Kommentare aus dieser Zeit, die den Leitungsbegriff nicht im Sinne der herrschenden Auffassung auslegen. c) Letztlich verleihen auch Zweckgesichtspunkte, insbesondere betriebswirtschaftliche Überlegungen, der Leitung keine rechtlich eigenständige Bedeutung. Die Geschäftsführung kann diese Einflüsse hinreichend abbilden, sofern man sie anerkennt. Außerdem werden die unternehmerischen Kriterien gesellschafts- und organübergreifend diskutiert, obwohl in den Gesetzestexten ein Leitungsbegriff fehlt. Die Leitung kann insofern als Funktionszuweisung verstanden werden. Rechtliche Konsequenzen folgen jedoch ausschließlich aus den jeweiligen Kompetenzen und Pflichten. 4.  Da die Unterscheidung von Leitung und Geschäftsführung kein geeignetes Abgrenzungskriterium für die Delegationsproblematik ist, muss die Delegation an den Prinzipien des Aktienrechts gemessen werden. Im Ergebnis stehen horizontale, vertikale und externe Delegation im Einklang mit dem Aktiengesetz. Die Zulässigkeit der Delegation ist somit der Regelfall. Daher dürfen auch bestimmte Aufgaben nicht pauschal von der Delegation ausgenommen werden. Absolut unzulässig ist die Delegation nur dann, wenn sie zwingende Vorgaben des Organisationsgefüges verletzt, etwa wenn der Vorstand die gesamte Geschäftsführung oder Aufgaben an Aufsichtsrat oder Hauptversammlung delegiert. Im Übrigen ist eine Verletzung der Organrechte oder des Haftungsregimes nach § 93 AktG nicht zu befürchten, da die Handlungspflicht durch eine Überwachungspflicht hinreichend substituiert wird. Allerdings ist die sorgfaltsgemäße Kontrolle Teil der Zulässigkeitsvoraussetzungen. a)  Die horizontale Geschäftsverteilung wird in § 77 AktG angedeutet, aber nicht explizit geregelt. Aus der Konzeption des Vorstands als Kollegialorgan folgt neben dem Gleichheitsgrundsatz das Gesamtverantwortungsprinzip. Das Gesamtverantwortungsprinzip schränkt die Delegation nicht ein, sondern ermöglicht sie erst. Aus der Aufgabenverteilung innerhalb des Vorstands resultieren keine Kompetenzfriktionen. Auch ein Haftungsdefizit ist nicht ersichtlich. Zuletzt führt die Geschäftsverteilung auch nicht zu einer Aushöhlung der Organfunktion. Das ergibt sich auch aus der Tatsache, dass durch das Gesamtverantwortungsprinzip hinreichende Einflussrechte bestehen, um das zuständige Vorstandsmitglied zu überwachen. Im Übrigen ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen.

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6. Teil: Untersuchungsergebnisse

b)  Die vertikale Delegation ist gesetzlich nicht geregelt. Gegenüber ihrer Zulässigkeit bestehen entgegen anderer Stimmen dennoch keine Bedenken, da sowohl die Organkompetenzen als auch die Haftungsgrundsätze unberührt bleiben. Allerdings muss der Vorstand die Überwachung mittels vertraglicher Regelungen sicherstellen, soweit das Arbeitsverhältnis nicht bereits umfassende Kontrollrechte beinhaltet. Auch hier ist im Ergebnis eine Einzelfallbetrachtung maßgeblich. c) Die Delegation an Externe sieht sich im Ergebnis keinen grundsätz­ lichen Bedenken ausgesetzt, auch wenn die Aufgabe die Gesellschaftssphäre verlässt. Externe können je nach Inhalt sogar geeigneter für die Aufgabenerfüllung sein. Da dem Vorstand jedenfalls im Ausgangspunkt keine besonderen Einflussrechte zustehen, bedarf es einer umfassenden kautelarjuristischen Gestaltung, um die Überwachung sicherzustellen. Im Unterschied zu den weiteren Delegationsformen ist die faktische Durchsetzbarkeit der Überwachung ein neuralgischer Punkt. Der Vorstand muss also schon im Voraus prüfen, ob hier Friktionen drohen. d) Die Genese des Delegationsverbots zeigt einmal mehr, dass ein pauschales Delegationsverbot nicht anzunehmen ist. Der Gesetzgeber hat durch seine Reformen keine Einschränkungen in dem heute von der herrschenden Auffassung geforderten Umfang vorgenommen oder auch nur indiziert. Gerade der Schritt hin zum Kollegialprinzip ist als Öffnung für die Aufgabenverteilung zu werten. e) Nicht zuletzt stützt auch die zweckgerichtete Analyse die hier vertretene Auffassung, dass ein absolut nicht delegierbarer Kernbereich als solcher nicht besteht, sondern eine Einzelfallanalyse erforderlich ist. Der betriebswirtschaftliche Ansatz der herrschenden Meinung lässt sich mit dem Aktiengesetz nicht begründen. Er ist überdies in seinen Einzelheiten mehr als ­unausgegoren. Der Blick auf die Kosten und Nutzen der Delegation zeigt sodann, dass Gesamtzuständigkeit und Delegation gleichwertige Formen der Aufgabenwahrnehmung darstellen. 5. Die Zulässigkeit der Aufgabenübertragung richtet sich also nach dem Einzelfall. Ausgehend von einer hinreichenden Rechtsgrundlage muss der Vorstand die Delegationsfähigkeit der einzelnen Maßnahme prüfen. Sodann muss der Vorstand eine Kontrolle vor und eine Kontrolle nach der Delegation vornehmen. a)  Die Rechtsgrundlage der Delegation ist für die horizontale Aufgabenverteilung maßgeblich in der Geschäftsordnung des Vorstands zu suchen. Vertikale und externe Delegation beruhen auf der Organisationsautonomie des Vorstands.



6. Teil: Untersuchungsergebnisse307

b)  Die Delegationsfähigkeit der einzelnen Maßnahme bestimmt sich nach dem Befugnismodell: Eine Delegation ist dann unzulässig, wenn sie sich befugnisüberschreitend auswirkt und dabei spezifisch in die Befugnisse anderer eingreift. Der Gesamtvorstand ist somit zuständig für Maßnahmen mit gesellschaftsweiter Reichweite. Einzelne Vorstandsmitglieder müssen zusammenwirken, wenn ein aufgabenbereichsüberschreitender Sachverhalt vorliegt, der den Gesamtvorstand noch nicht beeinflusst. Innerhalb eines Aufgabenbereichs ist das Vorstandsmitglied anstelle von Mitarbeitern oder Dritten zuständig, wenn die Maßnahme bereichsweite Wirkung entfaltet. Der Vorstand kann sich auf die Business Judgment Rule gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG berufen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Pflichten oder sonstige Maßnahmen handelt, da die Entscheidungen, die in der Aufgaben­erfüllung getroffen werden, von der Entscheidung, dass die Maßnahme delegations­ fähig ist, zu trennen sind. c) Der Vorstand muss anschließend eine Kontrolle vor der Delegation vornehmen. Schwerpunkt der vorgeschalteten Kontrollpflicht ist die Auswahl des Delegationsempfängers, die neben der fachlichen wie persönlichen Eignung insbesondere umfangreiche Einflussrechte erfordert. Dazu gehören zwingend Informations-, Weisungs- und Kündigungsrechte. Die Einflussrechte müssen schließlich faktisch durchsetzbar sein oder aber der Vorstand muss von deren Durchsetzbarkeit zulässigerweise ausgehen dürfen. Der Vorstand muss den Delegationsempfänger in die Aufgabe einweisen und ihn dabei mit hinreichenden Befugnissen ausstatten. Vor allem muss der Vorstand in seiner Gesellschaft die Strukturen schaffen, die eine sorgfaltsgemäße Überwachung gewährleisten. Bei der Bewertung der jeweiligen Umstände privilegiert ihn die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. d) Die laufende Kontrolle bedarf eines Informationsaustauschs zwischen Vorstand und Delegationsempfänger. Bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung stehen dem Vorstand unter dem Oberbegriff Intervention verschiedene Steuerungsinstrumente zu. Die Vorstandsmitglieder können gegenüber dem zuständigen Vorstandsmitglied nachforschen, der Maßnahme widersprechen und einen Beschluss im Plenum fassen. Gegenüber Mitarbeitern und Dritten besteht ebenfalls ein Nachforschungsrecht. Der Vorstand kann Weisungen erteilen und letztlich die Maßnahme wieder an sich ziehen. Der Kontrolle liegt ein delegationsformübergreifender Vertrauensgrundsatz zugrunde. e)  Der Vorstand darf die Überwachungsaufgabe delegieren. Den einzelnen Vorstandsmitgliedern stehen dabei weiterhin eigene Interventionsrechte zu, da sie zur Überwachung verpflichtet bleiben. Die Delegationsfähigkeit gilt auch für die nachgelagerte Ebene.

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6. Teil: Untersuchungsergebnisse

f) Erfolgt die Überwachung sorgfaltswidrig, knüpfen daran die üblichen Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung an. Im äußersten Fall ist eine Rückdelegation erforderlich. Das gilt auch, wenn die Überwachungsmaßnahmen wirkungslos bleiben, da der Vorstand ansonsten ebenfalls seine Pflichten verletzt. 6. De lege ferenda ist es geboten, die Delegation umfassend zu regeln. Die Neuregelung sollte den Übertragungstatbestand, die Kontrolle vor sowie nach der Delegation und schließlich auch die Kettendelegation enthalten.

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Stichwortverzeichnis Aktienrechtsreformen  84, 169 Aktienregister  47, 56, 72 Aktionäre, Aktionärsinteresse  74, 82, 93, 122, 127, 170, 182, 213 Alleinentscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzenden  68, 111, 173 Arbeitsdirektor  30, 110 Arbeitsverhältnis –– Allgemeines  245 –– Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit  145, 155 –– Weisungsrecht gegenüber Mitarbeitern  245 Aufsichtsrat –– Beratungsfunktion  33, 142, 156 –– Berichtspflicht des Vorstands siehe Berichtspflicht –– Delegation an den Aufsichtsrat  28, 156 –– Delegation durch den Aufsichtsrat  135 –– Investorengespräche  157 –– Zustimmungsvorbehalt  33, 38, 124, 156 Auskunftspflicht des Vorstands  72 Bedeutung der Maßnahme siehe Erheblichkeit Befugnisüberschreitung  204, 216 Beratung durch Dritte  150, 289 Berichtspflicht des Vorstands  46, 47, 124, 141, 153, 223 Bestandssicherung  46, 57, 75, 98, 225 Betriebsführungsvertrag  31, 41, 147, 168 Betriebswirtschaftslehre  48, 52, 91, 99, 102, 176

Börsenzulassung  211 Buchführung  46, 56, 75, 225 Business Combination Agreement  150, 249 Business Judgment Rule  53, 179, 232, 259, 277 Compliance  19, 21, 56, 139, 227 Corporate Reputation Management  22, 230 Corporate Resilience Management  23 Corporate Social Responsibility  22, 230 Delegation –– Betriebswirtschaftslehre siehe Betriebswirtschaftslehre –– De lege ferenda  298, 302 –– Definition  28, 108 –– Delegationsadressat, -empfänger  20 –– Delegationsarten  20, 28 –– Delegationspflicht  118, 236 –– Effizienz  182 –– Erheblichkeit siehe Erheblichkeit –– extern  28, 147 –– Geschäftsverteilung siehe horizontal –– gesetzliche Vorstandspflichten  44, 120, 222 –– Historie  169 –– horizontal  28, 106 –– Rechtsgrundlagen  193 –– Rückdelegation  136, 221, 245, 253, 267, 286, 296 –– Spezialgesetze  160 –– Systematik  106 –– Teleologie  176 –– Überwachungspflicht  290

Stichwortverzeichnis329 –– vertikal  28, 137 –– Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen  28, 43, 121, 137, 149, 186 –– weitere Gesellschaftstypen  163 Delisting  144, 210, 219, 234 Deutscher Corporate Governance Kodex  78, 102, 157, 181, 299 EDV/IT  21, 148, 185, 209, 229, 253 Eigenverantwortlichkeit  38, 62, 83, 86, 98, 119, 172 Einfluss-, Einwirkungsrechte –– Einräumung  243 –– Herausgabe von Unterlagen  251 –– Kündigungsrechte  147, 250 –– tatsächliche Durchsetzbarkeit  148, 252 –– Verschwiegenheit  147, 244, 246, 252 –– Weisungsrecht  147, 245, 248, 256, 273 Einstimmigkeitsprinzip  68, 108, 117, 197, 201, 268 Erheblichkeit der Maßnahme  50, 54, 72, 129, 204, 206, 218, 253 Ermessen siehe Business Judgement Rule Ermessensreduzierung auf Null  236, 276 Frauenförderung  22, 227 Funktionsfähigkeit der Gesellschaft  74, 211 Gemeinwohlklausel  92 Gesamtleitung, Gesamtleitungsprinzip  81, 114 Gesamtverantwortung, Gesamtverantwortungsprinzip –– Herleitung  112 –– Inhalt  39, 82, 112, 134 –– Normierung  301 Geschäftsführung –– Definition –– Einzelgeschäftsführung  68, 108

–– Gesamtgeschäftsführung  29, 64, 68, 107, 114, 120, 175, 270 –– Terminologie  60 –– Verwendung im AktG 77 Geschäftsordnung  129, 196 Geschäftsverteilung siehe Delegation Gesellschaftsautonomie  38, 128, 249 Gesellschaftszweck  49, 102, 128, 168, 177, 206 Gläubiger, Gläubigerinteressen  51, 74, 82, 133, 145, 155, 178, 122, 213 Gleichbehandlungs-, Gleichberechtigung-, Gleichheitsgrundsatz  30, 69, 110 GmbH  94, 104, 163, 205 Grundlagengeschäft  104, 168, 205 Gruppenentscheidungen  182 Haftung –– Außenhaftung  133 –– Haftungsdefizit  38, 132, 145 –– Verantwortlichkeitsverschiebung, Zurechnung  34, 133, 146, 155 Hauptversammlung –– Delegation an die Hauptversammlung  28, 159 –– ungeschriebene HV-Kompetenzen, -Zuständigkeiten  33, 66, 132, 144, 154 Herausgabe von Unterlagen siehe Einflussrechte Hindsight Bias  189 Interessenpluralität  93 Jahresabschluss  46, 73, 226 Kernbereich  42, 76, 81, 103, 116, 191 Kernbereichslehre  298 Kollegialorgan, Kollegialprinzip  69, 82, 110, 122, 163, 173, 182, 188, 278 Kontrolle des Delegationsadressaten –– Auswahl  239 –– Delegation der Kontrolle  290

330 Stichwortverzeichnis –– Einflussrechte siehe Einfluss-, Einwirkungsrechte –– Einweisung  187, 254 –– Informationsaustausch  132, 187, 224, 261 –– Intervention  125, 229, 244, 265, 278, 295 –– Kontrollstruktur  256 –– Residualpflicht, Überwachungspflicht  36, 55, 69, 82, 116, 118, 134, 147, 191, 221, 238, 260, 301 –– sorgfaltswidrige Kontrolle  296 –– Vertrauensgrundsatz siehe Vertrauensgrundsatz Konzern  31, 82, 97, 148, 154, 249 Krise  103, 218, 225, 285 Kündigungsrechte siehe Einflussrechte Legal Judgment Rule  179 Legalitätspflicht  94, 123, 131, 164, 199, 213 Leitende Angestellte  104, 146, 162 Leitung, Leitungsaufgaben, Leitungspflichten –– Bedeutung siehe Erheblichkeit –– Betriebswirtschaftslehre siehe Betriebswirtschaftslehre –– gesellschafts-, organübergreifend  83, 94, 104 –– gesetzliche Leitungsaufgaben  44 –– Historie  84 –– Leitende Angestellte siehe Leitende Angestellte –– Systematik  60 –– Theorie der sorgfältigen unternehmerischen Entscheidung  53, 206 –– Verwendung im AktG  61, 77 –– Zweckgesichtspunkte  100 Mehrheitsprinzip  68, 184, 268 Nachgeordnete Führungsebene  30, 42, 44, 54, 132, 145, 167, 171, 231, 256, 291, 294

Obligationenrecht  108, 255, 302 Öffentliche Interessen  75, 94, 122, 170, 213 Organfunktion des Vorstands  57, 124, 139, 147, 192, 249 Organisation des Vorstands –– Ressorts (funktional)  29, 52, 111, 130, 193, 196, 218, 258, 273, 287, 293 –– Sparten (divisional)  29, 193 –– weitere Organisationsformen 29 Organisationsautonomie  139, 200, 242, 249, 277 Organisationsgefüge  20, 31, 63, 120, 131, 140, 156, 162, 172, 190, 199, 211 Personen(handels)gesellschaften  51, 167 Rechtsberatung  siehe Beratung Rechtsfolgenvermeidung  23, 230 Risikomanagement siehe Bestandssicherung Rückschaufehler siehe Hindsight Bias Rumpfvorstand  56, 128 Satzung  29, 130, 132, 143, 187, 193, 207, 236, 298 Schadensabwendungspflicht  182, 189, 212 Schuldrechtliche Selbstbindung siehe Business Combination Agreement Selbstorganisationsrecht  109, 136 Siemens/Neubürger-Urteil  21, 56, 139, 189, 191, 227, 287 Spezialgesetze  160 Stake- und Shareholderinteressen siehe Interessenpluralität Überschuldung siehe Zahlungsunfähigkeit Überwachung, Überwachungspflicht siehe Kontrolle Unabhängigkeit des Vorstands siehe Eigenverantwortlichkeit

Stichwortverzeichnis331 Unternehmensgegenstand  49, 178, 187, 207 Unternehmensinteresse  178, 278 Unternehmerfunktion  48, 88, 91, 101, 104, 177, 230 Unveräußerlichkeit, Unveräußerlichkeitsprinzip  37, 119, 170, 191 Verein  166 Verschwiegenheitspflicht siehe Einflussrechte Vertrauensgrundsatz –– delegationsformübergreifendes Vertrauensmodell  288 –– Herleitung  277 –– Inhalt  259, 282 –– Normierung  299 Vertretung  60 Vorbereitung und Ausführung Hauptversammlungsbeschlüsse  46, 74, 222 Vorlagepflicht nach Delegation  117, 255, 267 Vorschlag zur Beschlussvorlage  46, 55, 72, 213 Vorstand –– Anstellungsvertrag  129 –– Besetzung  64, 110, 174

–– Bestellung  71, 80, 85, 129, 202, 241 –– fehlerhafte Anstellung, Bestellung  244 –– Frauenquote siehe Frauenförderung –– gesetzliche Pflichten  44, 120, 222 –– Haftung siehe Haftung –– öffentlich-rechtliche Pflichten  56, 122, 172 –– Organisation siehe Organisation des Vorstands –– Organqualität  107, 244 –– Rumpfvorstand siehe Rumpfvorstand –– Sitzungen  125, 214, 263, 283, 286 –– ungeschriebene Pflichten  21, 75, 227 –– Vorstandsautonomie siehe Eigenverantwortlichkeit Weisungsfreiheit siehe Eigenverantwortlichkeit Weisungsrechte siehe Einflussrechte Zahlungsunfähigkeit  46, 70, 225 Zustimmungsvorbehalt –– des Aufsichtsrats siehe Aufsichtsrat –– gegenüber dem Delegationsempfänger  274