Die Synoden im trinitarischen Streit: Über die Etablierung eines synodalen Verfahrens und die Probleme seiner Anwendung im 4. und 5. Jahrhundert 9783110420258, 9783110419597

This compendium includes papers by the working group “Athanasius” as presented at the 16th International Conference on P

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Die Synoden im trinitarischen Streit: Über die Etablierung eines synodalen Verfahrens und die Probleme seiner Anwendung im 4. und 5. Jahrhundert
 9783110420258, 9783110419597

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Conciliar Theology: Resources and Limitations
Synode als Institution zwischen Kaiser und Kirche in der Spätantike. Überlegungen zur Synodalgeschichte des 4. Jahrhunderts
Theologische Diskussion und Entscheidung auf Synoden. Verfahrensformen und -erwartungen
Der Prozess gegen Dioscorus auf dem Konzil von Chalcedon. Legitimiert durch Verfahren?
Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen
Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)
Was wir glauben und was wir wissen. Zur Bilanz des trinitarischen Streits durch die Homöer
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Die Synoden im trinitarischen Streit

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur (TU) Archiv für die Ausgabe der Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Begründet von O. von Gebhardt und A. von Harnack Herausgegeben von Christoph Markschies

Band 177

Die Synoden im trinitarischen Streit Über die Etablierung eines synodalen Verfahrens und die Probleme seiner Anwendung im 4. und 5. Jahrhundert Herausgegeben von Uta Heil und Annette von Stockhausen

Herausgegeben durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften von Christoph Markschies

ISBN 978-3-11-041959-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042025-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042032-6 ISSN 0082-3589 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Synoden markieren entscheidende Etappen in den dogmatischen Auseinandersetzungen des 4. und 5. Jahrhunderts: die Synode von Nizäa 325 die Verurteilung des Arius, die Synode von Serdica 343 das Drama des Schismas zwischen Ost und West sowie die Verschiebung der Debatte von der Frage der Entstehung des Sohnes aus dem Vater (Arius) auf die Frage nach Ein- oder Dreihypostasen, die Doppelsynode von Rimini-Seleucia 359 den Beginn der offiziellen homöischen »Lösung«, die Synode von Alexandrien 362 die Fortschritte der Begriffsdefinition sowie erste Klärungen zum Heiligen Geist, und die Synoden von Aquileia und Konstantinopel 381 den Durchbruch des »Neunizänismus«, Daher stehen die Synoden und die mit ihnen verbundene Texte auch im Mittelpunkt der Edition der »Dokumente zur Geschichte des arianischen Streits«. Diese Texte sind mehr als die Privateinschätzung eines Autors und haben aufgrund der Veranstaltung der Synode einen offiziellen Charakter. Das setzt sich im 5. Jahrhundert fort, so dass die Dokumentation des Geschehens auf den Synoden und damit die Deutungshoheit über die Rezeption der Synoden selbst zum Streitpunkt wird. Einzelne Synoden habe in der Rezeption darüber hinaus noch eine größere Bedeutung erfahren; sie werden zu einem identitätsstiftenden Bezugspunkt für das Christentum bzw. für die verschiedenen Christentümer: Die Synode von Nizäa 325 (zusammen mit Konstantinopel 381) für die nizänische Kirche im Gegensatz zur homöischen, die sich auf die Synode von Rimini 359 (Westen) und Konstantinopel 360 (Osten) beruft. Seit dem fünften Jahrhundert sind die Synode von Ephesus 431 zum Bezugspunkt der Miaphysiten, die Synode von Chalcedon 451 zu dem der »kaiserliche« Kirche geworden. Neben dem Kanon der biblischen Schriften und dem Zeugnis der Apostel waren es also vor allem Synoden, eine neue Instanz mit Autorität, die die eigene Tradition und Identität abbilden. Was aber waren diese Synoden? Was waren das für Veranstaltungen an sich? Wie hat das System »kirchliche Synode« zu dieser Zeit funktioniert – oder gab es hier kein System? Damit beschäftigen sich die Beiträge in diesem Band. Es geht also nicht um die Frage der Genese und Herleitung der Synode als kirchliche Einrichtung, es geht auch weniger um dogmatische Details der Diskussionen und Ergebnisse der Synoden, auch wenn diese natürlich nicht übergangen werden können. Im Vordergrund stehen jedoch Verfahrensfragen und formale Aspekte der Institution »Synode« an sich. Beschäftigt man sich intensiv mit den Synoden, werden selbstverständliche Annahmen unklar und vieles wird fragwürdig. Wie erreichte man die Einberufung einer Synode? Genauer gefragt: Wie erreichte die Kirche oder ein Bischof die Einberufung einer reichsweiten Synode, wenn seit Konstantin der Kaiser dafür zuständig war? Das war zum Beispiel das Problem des Liberius von Rom, als er nach der Synode von Arles 353 den Fall des Athanasius noch einmal auf einer Synode verhandelt sehen wollte (s. den Beitrag von Christian Müller); DOI 10.1515/9783110420258-202

VI | Vorwort Kaiser Constantius II. aber hatte das Thema eigentlich schon abgeschlossen. Liberius versuchte, den Kaiser umzustimmen, indem er eine hochgradig besetzte Delegation losschickte – Constantius ließ sich tatsächlich darauf ein, lud aber eine solch ausgesuchte kleine Schar Bischöfe zu einer Synode in Mailand 355 ein, zu der einer der bedeutendsten Bischöfe der Liberius-Delegation gerade nicht gehörte, Euseb von Vercelli. So war das Ergebnis der Synode auch nicht im Sinne des Liberius ausgefallen: Athanasius wurde erneut verurteilt und Liberius musste ein Jahr später selbst in Exil gehen. Die Delegation des Liberius hatte also sein Ziel eigentlich erreicht, nicht aber das gewünschte Ergebnis. Das hängt mit weiteres Aspekten zusammen: Wer verschickte überhaupt die Einladungen zu einer Synode und entschied darüber, wer eingeladen wird? Wurde mit der Einladung auch schon eine Tagesordnung verschickt? Konnte diese dann noch geändert werden? Wie verbindlich war eine Einladung? Konnte man sich dieser entziehen und nicht erscheinen? Was geschieht also, wenn Eingeladene nicht kommen? Athanasius beispielsweise wurde in Tyrus 335 auch verurteilt wegen »Nicht-Erscheinens« auf einer vorherigen Synode. Er war jedoch kein normaler Synodaler, da seine Personalie auf der Tagesordnung stand. Wie schnell Probleme auftreten können, wenn alleine eine Gruppe Eingeladener etwas später als erwartet eintrifft, kann man in Serdica 343 betrachten: Es wurde ein Tagesordnungspunkt schon einmal abgehandelt, die Personalie des Athanasius, wogegen die Synodalen aus dem Osten dann sofort protestierten. So brach die Synode auseinander und man exkommunizierte sich gegenseitig. Was war jedoch vorgesehen, wenn Nicht-Eingeladene doch erscheinen? Eben dieses machte Euseb von Vercelli in Mailand 355, aber es wurde ihm offenbar verwehrt, einfach als Synodaler teilzunehmen. War das immer der Fall oder nur eine Ausnahme? An diesen Beispielen wird auch offensichtlich, dass im vierten Jahrhundert die Synode als eine selbstverständliche Institution galt, die zwischen der Kirche und dem Kaiser stand (s. den Beitrag von Hanns Christof Brennecke). Der Kaiser beruft eine Synode ein, um kirchliche Angelegenheiten verhandeln zu lassen; die Kirche bzw. die Bischöfe fassen auf einer Synode Beschlüsse, um sie vom Kaiser umsetzen zu lassen (Exilierung). Probleme treten daher auf, wenn Kaiser ohne Synode Bischöfe rehabilitieren (s. den Protest gegen die Rückkehr des Athanasius 337) oder wenn synodale Beschlüsse ohne reichsrechtliche Umsetzung bleiben (s. die mehrfachen Verurteilungen des Paul von Samosata oder Photin von Sirmium). Dass dieses System sowohl fehleranfällig war als auch missbraucht werden konnte, ist offensichtlich. Wie erreicht man beispielsweise die Einberufung einer Synode, wenn zwei Kaiser herrschten? Die langwierigen Vorbereitungen, die im Vorfeld der Synode von Serdica 343 offenbar nötig waren, zeigen die komplizierten reichsrechtlichen und kirchenrechtlichen Umstände, ohne dass überlieferte Dokumente darüber genauere Auskünfte geben können. Welchen Geltungsbereich hat ferner solch eine vom Kaiser einberufene Synode, wenn zwei Kaiser herrschten?

Vorwort

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VII

Wie ernst sind die Beschlüsse solcher Synoden also zu nehmen bzw. welche Autorität können sie haben, wenn das System Synode so fehleranfällig und manipulativ war? Warum veranstaltete man dann überhaupt diese auch logistisch höchst aufwendige Veranstaltung? Thomas Graumann deutet in seinem Beitrag unter Rückgriff auf Niklas Luhmann die Veranstaltung radikal von seiner Verfahrensdimension her: Eine Synode diene nicht dazu, eine Einigkeit zu erreichen, sondern dazu, sie darzustellen. Es sei eine inszenierte Einigkeit, eher dem symbolischen Handeln vergleichbar. Kirchengemeinschaft werde zelebriert, demonstriert und auf diese Weise ein schon vorbereiteter Konsens mit Legitimität und Autorität versehen. Auch Nina Lubomierski greift auf Luhmann zurück und erklärt, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren an sich das Ergebnis legitimiere bzw. Verfahrensbrücke wie im Prozess gegen Dioskur gerade die Akzeptanzprobleme erklären. Diese Überlegungen lassen weiter fragen, was eigentlich als Synode zu bezeichnen ist. In der Regel handelte es sich um längere, mehrtägige Veranstaltungen mit Plenarsitzungen, Kommissionsarbeit und Ausschusssitzungen. Es war sicher ein komplexes Geschehen, über das wir aus dem vierten Jahrhundert nur teilweise informiert werden. Wenn man eine Art konsensuale Abschlussversammlung und -erklärung vor Augen hat, war es sicher das vorrangige Ziel, die erreichte Einigung darzustellen durch eine einstimmige Akklamation oder einen ähnlichen Akt. Nimmt man jedoch die vorbereitenden Sitzungen und Treffen hinzu, ging es auch darum, den Konsens erst einmal zu erreichen. Gibt es hier eine Übereinkunft für das Vorgehen? Legitimiert auch hier ein ordnungsgemäßes Verfahren das Ergebnis? Darüber lässt sich nur spekulieren, da die Informationslage mangelhaft ist. Das Material, das Auskunft über die Vorbereitung, den Ablauf und die Resultate einer Synode geben kann, ist lückenhaft. Erschwerend kommt hinzu, dass keine zeitgenössische theoretische Abhandlung über das Synodalwesen bekannt ist. Die Schriften De synodis von Athanasius von Alexandrien und von Hilarius von Poitiers bieten beispielsweise eine »anti-arianische« bzw. »anti-homöische« Synodalgeschichte, aber keine Theorie des Verfahrens. Hinzu kommen Probleme der Überlieferung. Annette von Stockhausen weist in ihrer Analyse des Synodalbriefs von Ankyra (358) darauf hin, dass der Text offenbar aus mehreren ursprünglich selbständigen Teilen besteht und gar nicht das Synodalschreiben an sich wiedergibt. Derartige Probleme erschweren also die Bemühungen, die Veranstaltung »Synode« an sich mit ihren formalen Strukturen und Abläufen nachzuvollziehen. Leerstellen sollten zur Vorsicht mahnen. Die Synoden waren eine erfolgreiche Institution, die seit Kaiser Konstantin reichsweit wirkten und eine Eigendynamik entwickelten. Verfahren konnten aber auch geändert oder adaptiert werden. Das geschah offenbar auf der homöischen Doppelsynode von Rimini-Seleucia mit geplanter Abschlussveranstaltung in Konstantinopel (359/360). Diese Synoden waren sicher die bis dato aufwendigste Veranstaltung, sorgfältig vorbereitet und von Konstantius mit allen Mitteln in die Wege geleitet. Hier trifft sicher zu, dass die Veranstaltung vor allem dazu diente, einen schon vorher vorbereiteten Konsens darzustellen (Graumann). Athanasius wiederum echauffiert sich, neben seiner

VIII | Vorwort Kritik an der Teilung einer Synode, gerade über diese Vorbereitungen – »denn was drängte so sehr, dass der Erdkreis in Verwirrung geriet, und dass die, welche damals Kleriker genannt wurden, hin und her liefen und fragten, wie sie denn an unsern Herrn Jesus Christus glauben lernen sollten?« (syn. 2) – und setzt als Spitze der Kritik hinzu, dass diese Kleriker sich irrten, wenn sie meinten, der christliche Glaube könne oder müsse auf diese Weise erst sondiert werden. Der Beitrag von Uta Heil weist darauf hin, dass die homöische Bilanz dieser Vorbereitungen und der Doppelsynode offenbar gar nicht darin bestand, einen (neuen) Glauben per Bekenntnis detailliert festzulegen, sondern umgekehrt einen Rahmen oder eine Richtschnur vorzulegen, an die man sich in trinitätstheologischen Fragen halten sollte bzw. was zu vermeiden war, um künftige Streitigkeiten zu vermeiden. Es wurde zwischen Bereichen, die wir wissen (biblisches Zeugnis über die Inkarnation Christi) und Bereichen, die wir glauben (Trinität), unterschieden; der Mensch sei nur begrenzt dazu fähig, Gottes Dasein zu erkennen. Dieser Kompromiss über einen nur teilweise möglichen Konsens hielt aber bekanntlich nicht lange an. Manche Synoden hatten nur kurzfristig eine Bedeutung, andere wiederum erfuhren ein besonderes Ansehen (Nizäa 325), manche Synoden hoben sogar Urteile von vorhergehenden Synoden wieder auf. Wie kann man dann (damals und heute) annehmen, dass ihre Urteile gerechtfertigt waren? Dass sie vom Heiligen Geist geleitet eine Wahrheit formulieren? Richard Price verweist auf Aspekte einer Art Konzilstheologie hin, die sich im fünften Jahrhundert ausgebildet hatte. Überragend wurde damals die Bedeutung der Synode von Nizäa bzw. des Nizänums; hinzu kam aber die Berufung auf die Väter, insbesondere auf Cyrill von Alexandrien. Diese wurden zu Autoritäten, die eine Wahrheit bzw. die Rechtgläubigkeit verbürgen. Bedeutet Orthodoxie die mit Autorität verbürgte Tradition, wird Häresie zur einer Innovation. Es ist also ein Spagat zwischen Tradition und Innovation. Eine imaginäre Beglaubingungskette entstand von Cyrill, der authentisch das Nizänum auslege, über das Nizänum, in dem die Väter den Glauben der Apostel zusammenfassten, zur apostolischen Zeit, was als Wahrheitskriterium in der fortschreitenden Zeit mit neuen Diskussionen und Synoden diente. Die Beiträge dieses Bandes beruhen auf Vorträgen, die auf der International Conference for Patristic Studies in Oxford im Jahr 2011 gehalten wurden. Wir entschuldigen uns für die verzögerte Publikation! An der endgültigen Fertigstellung der Beiträge haben Michaela Durst und Hannes Hofmann mitgewirkt - dafür möchten wir ein herzliches Dankeschön aussprechen. Auch bedanken wir uns bei dem Herausgeber der Reihe »Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur«, Christoph Markschies, für die freundliche Aufnahme der Sammelbandes und dem Verlag Walter de Gruyter für die Geduld bei der Drucklegung. Wien und Erlangen, im März 2017 Uta Heil und Annette von Stockhausen

Inhalt Vorwort | V Richard Price Conciliar Theology: Resources and Limitations | 1 Hanns Christof Brennecke Synode als Institution zwischen Kaiser und Kirche in der Spätantike. Überlegungen zur Synodalgeschichte des 4. Jahrhunderts | 19 Thomas Graumann Theologische Diskussion und Entscheidung auf Synoden. Verfahrensformen und -erwartungen | 51 Nina Lubomierski Der Prozess gegen Dioscorus auf dem Konzil von Chalcedon. Legitimiert durch Verfahren? | 83 Christian Müller Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen | 95 Annette von Stockhausen Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55) | 191 Uta Heil Was wir glauben und was wir wissen. Zur Bilanz des trinitarischen Streits durch die Homöer | 207 Register | 223

Richard Price

Conciliar Theology: Resources and Limitations An English Jesuit of an earlier generation, Fr John Coventry, was once asked, ‘Are you a progressive theologian?’ and replied, ‘Anyone who devotes his life to a subject hopes to make progress.’ Did the Fathers of the Church progress beyond the teachings of the Apostles? Piety is shocked at the question. But an acceptable substitute has been found in the notion, bland and vague, of development. Histories of patristic theology, accordingly, generally adopt the model of ‘the development of doctrine’. The role of the ecumenical councils within this process is to provide clear markers of development achieved. So, after the muddle of third-century thought, Nicaea defined the full divinity of Christ, and continuing doubts were silenced by Constantinople I. Debate moved on to the implications of Nicene orthodoxy for the doctrine of the incarnation: Ephesus I and Chalcedon condemned the heresies at both extremes of the Christological spectrum and defined unity and duality in Christ in terms of ‘person’ and ‘nature’. A degree of unclarity in these terms stimulated further debate, leading to developments canonized at Constantinople II. Debate proceeded to the functioning of the human nature of Christ, where the fog of monoenergism and monotheletism was exposed by the Lateran Synod of 649 and swept away by Constantinople III. But what did the councils themselves think they were doing? The historians of development concentrate on the theological debates that preceded them, and interpret the conciliar decrees in the light of these debates. They do not, by and large, read the conciliar acts; did not Eduard Schwartz, their greatest editor, lament that ‘acta conciliorum non leguntur’?1 Even those historians who have combed the acts have shown more interest in conciliar politics than in conciliar theology. The latter is the topic of this paper, with reference to the selection of criteria and the application of these criteria to determining doctrinal truth. This may surely count as theology, even if it is not the theology that is explored in the standard histories of Christian doctrine, which concentrate on theological speculation and the strengths and weaknesses of various positions according to the rational criteria that appeal to a professional theologian.

1 The appeal to the Fathers The main theme of this paper will be the use by councils of the appeal to the witness of the ‘Fathers’ as the decisive criterion of orthodoxy. It took time for this criterion to

1 Schwartz, Die Kaiserin Pulcheria, 212. DOI 10.1515/9783110420258-001

2 | Price establish itself. The florilegium at the end of St. Basil the Great’s De Spiritu sancto2 is not a real example, since Basil cites his predecessors not as authorities on questions of dogma but simply as witnesses to liturgical practice; and as late as the 380s Gregory of Nyssa responded to a claim by Eunomius to have ‘the saints’ (τῶν ἁγίων) on his side by insisting on the unique authority of the biblical writers.3 As Marcel Richard observed, it was only after the heroic generation of the fourth-century champions of Nicene orthodoxy, Athanasius and the Cappadocian Fathers, had completed their contribution that there was a patristic tradition, reliable and weighty, to appeal to.4 Cyril of Alexandria may be claimed as the first controversialist to attach real importance to the appeal to the Fathers, and to buttress this appeal by producing florilegia of suitable extracts. The florilegium he sent to Pope Celestine in 4305 does not survive; the earliest one we have from his pen is the one in his address (of around the same date) to the two younger sisters of Theodosius II, Arcadia and Marina. There indeed we find three pages (in Schwartz’s edition) of patristic citations. However, later in the same document we find no fewer than 48 pages of citations from the New Testament.6 The appeal to the Fathers is still in second place. The first document that requires our close attention are the acts of the first session of the First Council of Ephesus, on 22 June 431, at which, famously, Nestorius was condemned and deposed. Immediately afterwards, the emperor’s representative at the council, Count Candidianus, complained that Nestorius had been condemned ‘without any hearing, examination or investigation’.7 Modern historians comment that the council fathers condemned him without any attempt to understand his position or to treat the theological problems he had raised. But they certainly addressed the key issue of the criteria of orthodoxy. Highly significant for the future was the discussion at the beginning of the session over the authority of Cyril of Alexandria’s most effective contribution to the controversy, his Second Letter to Nestorius. The sequence of debate was a reading of the Nicene Creed, then a reading of this Second Letter, followed by an interrogatio8 in which all the bishops present, individually and in turn, declared that these two texts were in agreement, then a reading of Nestorius’ reply to Cyril, followed by a briefer interrogatio, which condemned Nestorius’ letter as contrary to Nicaea, and finally acclamations by the assembled bishops which anathematized Nestorius and whoever shared his teaching or remained in commu-

2 Bas., spir. 29 (Pruche, Basile de Césarée, Sur le Saint-Esprit, 500–518). 3 Greg.Nyss., Eun. III 1.7–21 (Jaeger, GNO II, 6–10). 4 Richard, Les florilèges diphysites, 721 f. The difficulty in finding Nicene orthodoxy before Nicaea has been a familiar theme since Petavius. 5 Cyril mentions this florilegium in his letter to Celestine, Coll.Vat. 144 (ACO I 1,5, 12,19–21). 6 Coll.Vat. 150 (ACO I 1,5, 65–68.70–118). 7 Coll.Vat. 151 (ACO I 1,5, 120,30–32). 8 For the significance of this procedure at councils and the varied uses to which it was put, see Price, Presidency and Procedure at the Early Ecumenical Councils, 255–274.

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nion with him.9 Historians have noted the artful contrivance that assured the worst possible reception for Nestorius’ letter, after the bishops had committed themselves to an approval of Cyril’s interpretation of Nicaea; and a few have noted that the bishops’ commendations of Cyril’s letter were effusive beyond the call of courtesy. But no one apart from Thomas Graumann in his important book ‘Die Kirche der Väter’ has pointed out the full implications of how the bishops expressed their approval of the letter.10 It is his analysis that I shall follow here. A helpful comparison is with the similar interrogatio at the fourth session of Chalcedon, where 161 bishops in turn testify to the orthodoxy of the Tome of Leo. Their declarations follow in the main a single form, that may be illustrated (to choose one at random) from the sententia of Bishop Caiumas of Marcopolis in Osrhoene: ‘The letter of the most sacred archbishop Leo accords with the definitions of the 318 and the 150 holy fathers [the fathers of Nicaea and Constantinople I] and with the affirmations of the blessed Cyril earlier at Ephesus, and I have signed it.’11 We would expect to find much the same formula in the sententiae of the bishops at Ephesus; but the very first one, that of Juvenal of Jerusalem, strikes an unexpected note, appearing to compliment the Nicene Creed on agreeing with Cyril’s letter (1).12 It soon emerges that the bishops accord the same respect to the letter as to the creed: they laud both as perfect expressions of the orthodox faith, the letter having the advantage of ‘expounding more fully what is there [in the creed] said in summary’ (4). As the interrogatio proceeds, it becomes clear that what the bishops are concerned to express is not simply a favourable judgement of Cyril’s letter, but their own adhesion to the doctrine expressed in creed and letter alike, as if they themselves, rather than Cyril, were on trial.13 Take the sententia of Spudasius of Ceramus in Caria: ‘In the faith expounded by the holy fathers assembled at Nicaea I have lived and vow to live. Likewise, seeing that the letter written by our father the most holy archbishop Cyril to the most religious bishop Nestorius is homonymous, I accept it and find it in no way differing from the creed. Therefore I too believe and confirm both of them’ (77). Delightful is the episcopal malapropism by which he calls the letter ‘homonymous’ with the creed, when he means ‘synonymous’. Equally representative is the sententia of Domninus of Opus in Achaea: ‘We recognize what has been defined by the most holy archbishop Cyril and now rightly put on a par (ἐξισωθέντα) with the holy council at Nicaea of the 318 fathers, and we rightly

9 Coll.Vat. 42–49 (ACO I 1,2, 12–36). 10 Graumann, Die Kirche der Väter, 372–382. 11 CChalc. IV 9 (ACO II 1, 296,25–28), trans. Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 135, § 57. 12 The verdicts, with the numeration I cite here, come in Coll.Vat. 43–47 (ACO I 1,2, 13–31). 13 The purpose to getting all the bishops present to express approval of Cyril’s letter was doubtless to make each one commit himself personally to the pro-Cyrillian cause, whatever the reaction of the emperor and his representatives, predictably indignant at Cyril’s hijacking of the conciliar agenda.

4 | Price acknowledge that it is to be fully upheld together with them. I believe in the Father and Son and the Holy Spirit, and I vow to remain in it till the end of my life and to die in it’ (23). The bishop is vowing lifelong fidelity to the faith defined in the letter and the creed, two texts he places ‘on a par’. The creed and the letter are said by several speakers to inspire faith ‘through the grace of the Holy Trinity’ (92–105); and some of them assert that the letter, no less than the creed, had been inspired by the Holy Spirit (16, 18, 19, 89, 117). One sententia hails Cyril as ‘the common father’ (80), according him the same status as that enjoyed by the great Fathers of the fourth century. The acts of this session include in addition, at a later stage of the proceedings, when Nestorius had already been anathematized, a florilegium of excerpts from the orthodox Fathers, condemnatory of Nestorius avant la lettre.14 The role played by this florilegium in the debates of 22 June is unclear, but cannot have been an important one.15 The same florilegium reappears, however, in the acts of the session of 22 July, which appear to be not the record of a genuine session but a collection of documents to supplement the acts of 22 June.16 Here it follows the Nicene Creed immediately, after a brief introduction that runs as follows:17 But because certain people pretend to profess and accept it [the creed], but in fact misinterpret the force of the ideas according to their own opinions and distort the truth, being sons of error and children of perdition, it has become absolutely necessary to set out passages from the holy and orthodox Fathers that can show convincingly in what way they understood the creed and had the confidence to proclaim it, so that, evidently, all who hold the correct and irreproachable faith may also understand, interpret and proclaim it accordingly.

Here, finally, the appeal to the Fathers moves to centre stage. Taking together the acts of 22 June and this supplement of 22 July, we may conclude that the First Council of Ephesus achieved its main work, the condemnation of Nestorius, not by theological ratiocination, but by establishing the criterion of orthodoxy, namely the Nicene Creed as interpreted by the great Fathers of the fourth century and definitively by Cyril of Alexandria. The priority given to a bishop who was still alive was distinct, of course, from an appeal to past patristic tradition, but the passage of time soon annulled the 14 Coll.Vat. 54–60 (ACO I 1,2, 39–45). 15 By this stage in the acts of this session documents are included without an indication of the role, if any, they played in the actual debate. And as Graumann, Die Kirche der Väter, 398 points out, the lack of reference to this florilegium in the letters sent by Cyril describing the work of the session removes certainty as to whether it formed part of the original edition of the acts of this session, sent to Constantinople by the end of June. 16 Coll.Ath. 72–78 (ACO I 1,7, 84–111), with the florilegium at 89–95. For the suspect character of the session and acts of 22 July see Graumann, Protokollierung, Aktenerstellung und Dokumentation. Note how at the beginning of this session the famous Canon 7, which it approved, is said to have been already issued at a previous session, which can only be that of 22 June (88, § 74.1). This amounts to a claim that the canon did no more than spell out what had already been decided on 22 June. 17 Coll.Ath. 74 (ACO I 1,7, 89,15–20).

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difference. When Cyril died in 444, his enemy Theodoret, in a notorious letter, pressed for the undertakers to be instructed ‘to lay a huge and heavy stone upon his grave, lest he come here again, and again show off his fickle mind’.18 But Cyril, now dead, entered automatically into the ranks of the Church Fathers. This laid the foundation for the work, twenty years later, of the Council of Chalcedon (451). What did this council treat as the essential criteria of orthodoxy? Orthodox florilegia played little part in its proceedings. The only one in the acts is that appended to the address to the emperor that follows immediately the minutes of the sessions.19 This is a defence of Leo’s Tome, probably written by Theodoret of Cyrrhus, and concluding with a dyophysite florilegium of 16 short extracts, taken from his Eranistes.20 While no other Father is cited more than twice, Cyril of Alexandria is cited four times. What were the sources of the Chalcedonian Definition itself? It is well known that its Christological formula drew on the Formula of Reunion of 433, the Second Letter of Cyril to Nestorius, and the Tome of Leo; many have concluded that the Definition was a synthesis of the theology of the ‘schools’ (so-called) of Antioch, Alexandria and Rome.21 The implication of such a synthesis is that Cyril’s theology, taken on its own, was felt to be inadequate for a balanced Christology. The Definition is open to this interpretation, but a reading of the acts shows that this was not in the minds of the council fathers. Indeed the primary sources for the whole of the Christological controversy from Nestorius down to Chalcedon betray no sense of the existence of a debate between rival schools:22 instead, what they portray is a common orthodoxy, expressed in the Nicene Creed, and under attack from heresy. The issue at the Council of Ephesus was whether the heresy to be condemned was the teaching of Nestorius or, on the contrary, that contained in Cyril’s Twelve Chapters. By the time of Chalcedon Eutychianism had been added to Nestorianism as a heresy to be condemned, and Cyril’s chapters must still have been controversial, since they were not read out at

18 This letter is preserved in the Acts of Constantinople II, CConst. II V 107 (ACO IV 1, 135), where according to the heading it was written by Theodoret to John of Antioch. But John had died before Cyril, so it is possible that there is also a mistake over the authorship of the letter, although there is nothing in the contents of the letter to cast doubt on it. 19 CChalc. Prosphon. Marc. (ACO II 1, 469–475, with the florilegium at 473–475). For the origin of this curious document, whose ascription to ‘the holy council’ as a whole is not credible, see Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, III 105–107. 20 See Eduard Schwartz in ACO II 1, Pars 3, XIV–XVI. 21 For a classic exposition of Chalcedon as canonizing the key tenets of Christology as expressed more suo by each of these three Christological traditions, see Sellers, The Council of Chalcedon. 22 Several recent writers have argued that talk of contrasted Alexandrian and Antiochene ‘schools’ is misleading. See Gavriljuk, The Suffering of the Impassible God, 137–139, and Louth, Why Did the Syrians Reject the Council of Chalcedon?, 107–116.

6 | Price the council.23 But even if there was dispute over which of his writings had authority, Cyril himself was always referred to, throughout the council, with the greatest respect. Even the survivors of the old ‘Antiochene school’, meaning the disciples of Theodore of Mopsuestia, had to acknowledge the fact. When at the second24 session of the council uproar interrupted the reading of Leo’s Tome at the words ‘The outrage common in both is one thing and that because of which the glory is common is another’, Theodoret of Cyrrhus spoke up in Leo’s defence. He was well aware that to commend Leo for expressing an understanding of the faith that was specifically Roman or shared with Antioch would have been disastrous. Instead, he cited a passage from Cyril, ‘He is certainly conceived as one dwelling in another, that is, the divine nature in what is human.’25 Even Theodoret had to pretend that he regarded Cyril as the great authority in matters of Christology. Modern writers have sometimes taken the condemnation at Chalcedon of Cyril’s successor Dioscorus as an implicit criticism of the Alexandrian tradition, but (as Anatolius of Constantinople emphasized at the crucial fifth session)26 he was not formally condemned for heresy.27 And at his trial in the third session of the council the attempt was made to cast him as not an ally of Cyril but his enemy; this was done by the reading of plaints from clergy of Alexandria who claimed to have been victimized by Dioscorus precisely because they had been close associates of Cyril.28 But to return to the Definition, the debt to the Formula of Reunion, in origin an Antiochene profession of faith, is palpable and has been pointed out by all writers on the subject. But they have missed the significance of the fact that at Chalcedon, as at the Home Synod of 448, the Formula was never mentioned as a document in its own right, but always as contained in Cyril’s Laetentur caeli letter to John of Antioch, in which

23 Which were the ‘synodical letters’ of Cyril approved in the Chalcedonian Definition (CChalc. V 34, ACO II 1, 325,8–10)? Certainly the two read out at the second session of the council – the Second Letter to Nestorius and the Laetentur caeli letter to John of Antioch (CChalc. II 14–24, ACO II 1, 276 f.). The Third Letter, to which the chapters were appended, is scarcely referred to in the acts (only at CChalc. II 29, ACO II 1, 279,3–5), but many of the bishops are likely to have understood the approval given in the Definition to extend to it as well; see Price, Second Council of Constantinople (553), 118–119. 24 I follow the numeration of the sessions given in Rusticus’ edition of the Latin versions and followed by most modern commentators. This follows the chronological order, while the Greek Acts make several changes, notably by reversing the order of the second and third sessions and including the conciliar canons as ‘Session VII’ immediately after the solemn reading of the Definition in Session VI. See the chart in Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I XIV. 25 Theodoret at CChalc. II 26 (ACO II 1, 278,23–33), citing Cyril, schol.inc. XXIV [25], Greek fragment in Coll. Pal. Exc.gr. (ACO I 5,1, 228,20 f.). 26 CChalc. V 14 (ACO II 1, 320,17–19). 27 Admittedly there was deliberate ambiguity as to what exactly he was condemned for. See Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, II 31–34. 28 CChalc. III 47–57 (ACO II 1, 211–218). The plaints betray a common style, and may all have been written in Constantinople.

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Cyril hails the letter as orthodox and puts his own spin on it.29 The bishops treated it as having become, by adoption, a Cyrillian text, they reword it in accordance with Cyril’s interpretation,30 and accord no credit to the Antiochene school for its production. The fathers only accepted from Antioch what they knew Cyril had not only tolerated but made his own.31 What of the contribution of the Roman ‘school’, if we may call it that? I have already referred to the interrogatio in Session IV where the bishops individually and in turn gave their approval to Leo’s Tome, on the grounds that it was in accord with the creeds of 325 and 381 and with the ‘letters’, or more often the ‘letter’, of Cyril, meaning his Second Letter to Nestorius.32 None of the sententiae stress the authority of the Tome in terms comparable to the compliments heaped on Cyril’s letter at the opening session of the Council of Ephesus; the Tome is not accorded the same status as Cyril’s letter in the way in which at Ephesus Cyril’s letter had been put on a par with the Nicene Creed. There is a note of reserve even in the Definition, where the Tome is commended as ‘a universal pillar against those with false beliefs’, while Cyril’s letters are praised for similarly refuting Nestorius, but also for providing ‘instruction for those who with pious zeal seek the meaning of the saving creed’.33 Admittedly, a pivotal clause in the Definition – where the natures of Christ are described as ‘coming together into one person’ – was taken from the Tome, but the addition of the words ‘and one hypostasis’ transforms the phrase into an assertion of Cyril’s doctrine of hypostatic union.34 This is not to deny that Cyril, whose suspicion of dyophysite language had increased rather than diminished after his acceptance of the Formula of Reunion, might well, had he still been alive, have opposed the inclusion in the Definition of the ‘in two natures’ formula, which amounted to a formal assertion of two natures in Christ after the union. It is also true that the inclusion of this formula was due to Roman objections 29 See CChalc. I 238; I 246–249; I 264 (ACO II 1, 104,2–5; 107–111; 113,1–4). 30 The Formula describes Christ as ‘perfect God and perfect man’ (CChalc. I 246, ACO II 1, 108,32). Cyril reworded this as ‘perfect in Godhead and perfect in manhood’ (CChalc. I 246, ACO II 1, 110,4 f.) and the Definition follows suit (CChalc. V 34, ACO II 1, 325,24 f.). 31 Contrast Chadwick, The Chalcedonian Definition, 12, ‘The Council of Chalcedon protected the droit de cité of Antiochene Christology’, and Halleux, Actualité du néochalcédonisme, 52, « Les IVe et VIe conciles oecuméniques ont garanti les valeurs de la vision “antiochienne” de la christologie ». But this was manifestly not the intention of the great majority of the council fathers, whose hostility to Antiochene Christology and its representatives was pronounced. Chadwick was influenced by the sympathy for Nestorius of many English church historians since the time of Bethune-Baker, while de Halleux (for commendable ecumenical reasons) wished Chalcedonian Christology to serve as a bridge between not only Catholics, Orthodox and Oriental Orthodox, but the Assyrian Church of the East as well. 32 CChalc. IV 9 (ACO II 1, 290–305). 33 CChalc. V 34 (ACO II 1, 325,15 and 10–11). 34 It should also be noted that the word used for ‘coming together’ is not συνιούσης as in the Greek translation of the Tome (ACO II 1, 13,11) but συντρεχούσης (ACO II 1, 325,33), Cyril’s favourite word for the ‘concurrence’ of the natures.

8 | Price to the initial draft, which had ‘from two natures’,35 objections that may well have been prompted by Theodoret, the leader of the small faction at the council that was still loyal to what we call Antiochene Christology.36 Later miaphysite objections to the Definition as un-Cyrillian could plausibly appeal to its explicit dyophysitism. But again, if we ask about the intentions of the members of the committee that adopted the ‘in two natures’ formula, who included no known supporters of the Antiochene line,37 or of the council fathers, who received the revised definition with acclamations,38 there is nothing to suggest that they thought they were being anything other than loyal to Cyril. It has been noted that the ‘in two natures’ formula had first been heard on the lips of Basil of Seleucia, whose Christology was essentially Cyrillian,39 and who seems to have derived it from the expression ‘perfect in Godhead, perfect in manhood’ that had first appeared in Cyril’s Laetentur caeli letter and was itself included in the Definition.40 In any case, too much should not be made of the decision at Chalcedon to reject the alternative formula, preferred by Cyril, of ‘from two natures’; for the following lines of the Definition, with their assertion that the two elements ‘come together to form one person and hypostasis’, imply that the person is ‘from’ the two natures, just as a human person is ‘from’ body and soul. Cyril’s use of the ‘one incarnate nature’ formula has often been cited as evidence that he would never have accepted Chalcedon, but he was not wedded to it: it became prominent in his writing only in the letters of reassurance he wrote to disappointed supporters after he had accepted the Formula of Reunion.41 In all, Cyril, and in particular his Second Letter to Nestorius, remained the essential criterion of orthodoxy for the fathers of Chalcedon, no less than for those of Ephesus. What do we find when we proceed to the Fifth Council – Constantinople II (553)? The main fruit of the council was the issuing of fourteen canons, based on those contained

35 As stated by the chairman at CChalc. V 13 (ACO II 1, 320,15 f.). 36 This remains conjectural, and in the acts Theodoret is only prominent at Session VIII, where he was subjected to a gruelling by the bishops before they grudgingly approved his reinstatement as bishop of Cyrrhus. But his influence behind the scenes may have been considerable: as we know from his correspondence (see the references in PLRE II, 85 f.) he was a personal friend of the patrician Anatolius, the senior of the lay officials, who chaired the council, and was a natural adviser for the Roman delegates. There is a curious reference in the Ps.-Zach., chron. III 1 (Greatrex, The Chronicle of Pseudo-Zachariah Rhetor, 111) to his being supplied with a text of the Definition ‘by night’ (that, of the draft definition before it was widely circulated) by the Constantinopolitan archdeacon Aetius. 37 See Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, II 188 f. 38 CChalc. V 35, ACO II 1, 326,12–15. 39 CChalc. I 169; I 176; I 301 (ACO II 1, 92 f. and 117). For Basil of Seleucia’s Christology see Martzelos, Η Χριστολογία του Βασιλείου Σελευκείας. 40 See Halleux, La définition christologique à Chalcédoine, 162. The ‘one nature’ formula is extremely rare in Cyril before Ephesus; even the Twelve Chapters make no use of it. 41 That Cyril was really a dyophysite and his use of monophysite formulae secondary and incidental is the argument of Loon, The Dyophysite Christology of Cyril of Alexandria.

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in the emperor Justinian’s edict ‘On the orthodox faith’ of 551.42 The first ten of these are a masterly expression of what has been called ‘Cyrillian Chalcedonianism’;43 they were not discussed at the council, and excited little interest at the time – not because they were disliked, but because their teaching was already common property, in both East and West.44 Instead, attention was concentrated on the final three canons, which condemn the ‘Three Chapters’ – the person and works of Theodore of Mopsuestia and certain writings by Theodoret and Ibas of Edessa. Early in the proceedings the chairman set out the procedure by which the council was to operate: it was to test the Three Chapters against the chief documents of the orthodox faith.45 Here pride of place was given to the decrees of the preceding four councils. The chairman continued:46 In addition we follow in everything the holy fathers and teachers of the church, Athanasius, Hilary, Basil, Gregory the Theologian and Gregory of Nyssa, Ambrose, Augustine, Theophilus, John of Constantinople, Cyril, Leo and Proclus, and we accept everything they expounded on the orthodox faith and in condemnation of heretics; we also accept the other holy and orthodox fathers who preached the orthodox faith in the holy church of God irreproachably till the end.

It is significant that the names given in this list are confined to the golden age of the Church Fathers, from the mid-fourth to the mid-fifth centuries. These were the Fathers who were the classic expounders of Nicene orthodoxy. Cyril’s name receives no particular emphasis, but yet again it is clear from the proceedings of the council that his name had special authority. The writings by Theodoret and Ibas condemned in 553 were attacks on Cyril, and were condemned for this reason. Theodore’s standing was tested at the council by the reading, and inclusion in the acts, of two documentary collections. The first was a florilegium of heretical extracts from his writings, supposedly compiled by the principal chairman of the council, Patriarch Eutychius of Constantinople, but in fact deriving from a collection compiled shortly after Theodore’s death.47 As Marcel Richard has noted, the increasing role accorded to florilegia in the sixth century was accompanied by an increasing tendency to rely on previous florilegia.48

42 CConst. II Can. 1–14 (ACO IV 1, 240–244), and Schwartz, Drei dogmatische Schriften Justinians, 90–94; English translation of both texts in Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553, I 143–147 and II 120–126. 43 This expression does not mean that the original Chalcedonianism was not Cyrillian, but that it contained potential ambiguities that the canons of 553 cleared away. 44 See Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553, I 68–71, n. 42. Even in the West, it was only the three final canons, condemning the Three Chapters, that were controversial and spurred opposition to Justinian’s ecclesiastical policy. 45 CConst. II III 41 (ACO IV 1, 37 f.). 46 The Greek text of the following passage is preserved in the Acts of the Lateran Synod of 649, CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 254,36–256,3), citing CConst. II III 41 (ACO IV 1, 37,22–28). 47 See Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553, I 227–230. 48 Richard, Les florilèges diphysites, 729, who notes that in consequence false attributions were not checked, and indeed multiplied.

10 | Price The second documentary collection used against Theodore in 553 was an anthology of ‘what the holy fathers said about him and what is contained in imperial laws and historical writings’.49 This was less a florilegium of extracts than a presentation of carefully selected documents (some in their entirety) to prove specific points, including the acts of a meeting held at Mopsuestia in 550 to ‘prove’ that Theodore had never been commemorated in the diptychs of his own church, two fifth-century imperial edicts into which Theodore’s name had been interpolated, letters of Gregory Nazianzen to show that it was not Theodore of Mopsuestia but another Theodore with whom he had had amicable relations, and extracts from Augustine that implied support for the notion of posthumous condemnation. Apart from these items, the rest of the material is taken overwhelmingly from the letters and controversial writings of Cyril of Alexandria, for in the late 430s Cyril had conducted a campaign against Theodore’s memory.50 It was a great embarrassment that, under pressure from the emperor Theodosius II, Cyril had written to John of Antioch, closing this campaign and conceding that it was improper ‘to revile the dead, even if they are laymen, and all the more if they departed from this life in the episcopacy’.51 It was argued in 553 that the numerous other letters in which Cyril had worked for the condemnation of Theodore proved that this aberrant letter was a forgery.52 They certainly proved that Cyril abandoned his campaign only when it had failed,53 but what is important for our present discussion is that, yet again, Cyril features as the great authority in matters of Christology, while the role played by others of the Fathers is a secondary one. For the use at major councils of florilegia of extracts from a wide range of Fathers we have to move on to the seventh century, to the Acts of Constantinople III (680–681) and its precursor, the Lateran Synod of 649, both insistent on the doctrine of two operations and two wills in Christ.54 The florilegia (and attendant discussion) that make up the proceedings of the fifth and final session of the Lateran Synod have a particular interest, since they appear to have been compiled by Greek monks led by Maximus the Confessor, at this date resident in Rome as refugees from the eastern Mediterranean.55 The total number of excerpts included in the florilegia in the acts of this session is 166. Deducting the 42 taken from heretics, we find that of the 124

49 CConst. II V 1 (ACO IV 1, 73,22 f.). The second documentary collection follows on 74–130, translated in Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553, I 284–357. 50 See Richard, Proclus de Constantinople et le Théopaschisme, and Abramowski, Der Streit um Diodor und Theodor. 51 Cyril, ep. 91 (ACO IV 1, 106, 13 f.). 52 CConst. II V 66–74 (ACO IV 1, 106–108). 53 See Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553, I 274–277. 54 For a survey of the mounting use of florilegia at church councils, from the fourth till the ninth centuries, see Alexakis, Codex Parisinus Graecus 1115, 1–42. 55 The florilegia are in CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 258–334). They incorporate the shorter florilegium that Maximus had compiled not long before, in opusc. 15 (PG 91,153–184).

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excerpts from ‘approved fathers’ (ἔγκριτοι πατέρες)56 Cyril with 29 excerpts is the most cited, but is in no way dominant. However, he comes prominently to the fore in the three long speeches attributed in the acts to the leaders of the council and placed immediately before the synodal ‘chapters’ or canons.57 The first of these, ascribed to Maximus of Aquileia, includes two quotations from Cyril, one of them exceptionally long, in support of the doctrine of two natural wills in Christ. The second, ascribed to Deusdedit of Cagliari, accords priority to the teaching of Cyril, for the reason that the monotheletes ‘have said that they receive him invariably as the expounder and interpreter of the pious understanding of the doctrines taught about Christ God’.58 Deusdedit cites a substantial passage of Cyril and a string of further quotations to show how Cyril recognized a human volition in Christ (notably in shunning the cup), in contrast to the alleged denial to Christ by the monotheletes of human needs and desires. The last of these three speeches, attributed to Pope Martin, begins with a further passage of Cyril, attributing to Christ at Gethsemane a distress and fear that ‘were excited in Christ not so that they might prevail as in us, but that, once excited, they might be abolished by the power of the Word’.59 The argument continues with two citations from Gregory Nazianzen, echoing the emphasis in the florilegia, which give priority, after Cyril, to the Cappadocian Fathers. Apart from the appeal to tradition these speeches are not, however, in the least representative of what I have called ‘conciliar theology’, for they consist of close reasoning against the monothelete position. This is not characteristic of bishops at councils: their task was to represent the tradition as it had come down to them, not to play at being theologians. Linguistic analysis has shown that the speeches in the acts of 649 were originally written in Greek, which means that they were not composed by the Latin-speaking bishops to whom they are attributed;60 we may even doubt whether they were ever delivered at the synod, even in Latin translation.61 The theology we find in conciliar acts is not of the kind we find in the controversial writings of the Church Fathers: it keeps in the main to the citation of authoritative texts, whether conciliar or patristic, and lets these texts speak for themselves. It was a sign of weakness in the acts of 649 that it was thought necessary to supplement the florilegia with speeches that argue in favour of a dyothelete reading of the tradition.

56 A phrase often used in the acts of 649, e. g. CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 336, 21 f.). 57 CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 344–364). 58 CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 352, 18–20). 59 CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 360,2–4). 60 See ACO ser. sec. I, IX-XXVIII, and Riedinger, Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts, esp. 169–179 and 223–238. 61 This seems more plausible than Riedinger’s suggestion that the speeches, and indeed the entire acts, were simply read out in their entirety to the assembled bishops, who listened in silence and signed. See Price, The Acts of the Lateran Synod of 649, 64–68.

12 | Price To conclude, the early ecumenical councils saw as their task not a contribution to the development of theology but the preservation of tradition, of which the building stones were gradually erected – first the Nicene Creed, then the teaching of Cyril of Alexandria (already in his lifetime), and finally the patristic tradition as a whole, with the golden age from the mid-fourth to the mid-fifth centuries in pride of place; within this tradition we have noted the dominant position occupied throughout the Christological controversies by Cyril of Alexandria.62 We have seen how debate at the councils was conducted not on the basis of a rational analysis of the issues but by appeal to authority. This may seem to us unadventurous, but it expressed the principle that a doctrine could only be condemned if it could be shown to contradict the tradition. This principle was surely both a generous and a sound one.

2 The success of this appeal We must now inquire, however, how effective was this appeal in solving the major problems of Christology. Was it really possible to demonstrate that each error worthy of condemnation had flouted the tradition? How consistent and how explicit had the tradition been in expounding orthodoxy? Modern scholarship for over a century now has been much concerned to reinterpret and reassess the classic heresies, notably Arianism and Nestorianism, but also ‘SemiArianism’, Apollinarianism, Eutychianism, monophysitism, and monotheletism. It may be said that the ancient charges against Arianism (in its original form, as taught by Arius) and Apollinarianism, for (in one case) radical subordinationism and (in the other) the denial to Christ of a complete humanity, have been sustained, even though it can still be argued that the orthodox tradition on these issues did not exist before them, at least in a consistent form, but developed in response to them. But the other heresies I have listed were misrepresented by their ‘orthodox’ opponents, and condemned for tenets that were disowned by their champions. The ‘Semi-Arians’, better called Homoeans, were not Arians attempting to disguise their error.63 Eutyches did not so confuse the natures as to deny Christ a real humanity and make his Godhead passible.64 Nestorius did not reduce Christ to a mere man inspired by the Holy Spirit. The ‘monophysites’, as they came to be called, were not Apollinarians in disguise.65 The monotheletes were

62 This has been obscured in much modern writing by the error of viewing the victory first of dyophysitism and then of dyotheletism as a defeat for Cyrillian Christology. 63 See Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer. 64 See Draguet, La christologie d’Eutychès. 65 For Nestorius and Cyril see Young, From Nicaea to Chalcedon, 288–321. For the ‘monophysites’ see Chesnut, Three Monophysite Christologies.

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wrongly accused of denying to Christ a human faculty of the will.66 This is not to say that the accusations of heresy made by their opponents and adopted at the councils were merely ill-informed. A favourite line of argument in early Christian controversy was to deduce from the statements of an opponent a tenet, manifestly heretical, that he himself denied, but which, it was argued, was implied by his teaching. A familiar example is that of the charge constantly made against Nestorius that he taught ‘two Sons’ in Christ, even though this was an error he explicitly rejected. Similar was the deduction that Eutyches was a Docetist who denied Christ a real humanity, because he recoiled from asserting that Christ is consubstantial with us men, in consequence of his perfectly sound appreciation that Christ is unique. It must be admitted that the decrees of the councils in their condemnation of heresy are open to the charge of being exercises in shadow-boxing, in which heresies were invented as easy targets.67 It would be going too far, however, to dismiss the work of the councils for this reason. The accusation that Nestorius taught ‘two Sons’ did not begin to do justice to his serious attempts to expound the unity of Christ. But his insistence on a distinct human subject in Christ, as the one who was born of Mary and died on the cross, was indeed contrary both to the obvious sense of the Nicene Creed and to the teaching of the central pro-Nicene tradition; a distinct human subject in Christ is not to be found in Athanasius, the Cappadocians, or western Christology.68 Nor was the charge of teaching ‘two Sons’ a mere misrepresentation, even if Nestorius himself rejected the phrase: for if the manhood of Christ is treated as a distinct relational subject, it becomes impossible to deny it a human sonship in relation to God the Father quite different in kind from the eternal sonship of God the Word. But the effectiveness of the appeal to tradition in solving problems that the tradition had not directly addressed remained limited. This can be demonstrated with particular clarity from the monothelete controversy of the seventh century. Let us turn back to the Lateran Synod of 649. I have already commented on the theological intricacy of the speeches placed in the mouths of bishops in the partly fictional acts. But even these are concerned not to develop a line of reasoning independent of the appeal to the Fathers, but precisely to draw out the implications of the tradition for the current debate. The most important and most substantial part of the acts is the record of the fifth and final session, which was dominated by the reading of a series of six florilegia. Two of the six consisted of excerpts from previous heretics, to prove that monotheletism was simply a revival of errors already condemned. It was easy to show that Apollinarians

66 See Price, Monotheletism. 67 Arnold, Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie I, 235–48.268 f.285 f. is a classic statement of this hostile view of the great councils, claiming that they were dominated by power struggles, not concern for the truth, and that the so-called heretics were consistently misrepresented. 68 Modern advocates of what can only be called neo-Nestorianism like to read it into the Latin Fathers. But Augustine and Pope Leo had none of Nestorius’ hesitation in attributing Christ’s human experiences to the divine Word as personal subject. See Daley, Christology.

14 | Price and monophysites had taught one operation and one will in Christ, since they had taught one nature. More intriguing is the attempt made to trace these same errors to Nestorianism as well. The representation of orthodoxy as the royal road, flanked by heretical declivities on both sides, goes back to the defence of Chalcedon against the same two opponents, monophysites and Nestorians. As Boethius had written of Christ in his treatise against Eutyches and Nestorius:69 There comes into being in him a double nature and a double substance, because he is God-man and one person, since the same is man and God. This is the middle path between two heresies, just as the virtues also hold a middle place. For every virtue is situated in an honourable position midway between extremes.

However, in the present case the claim that the Nestorians taught one operation and one will in Christ was buttressed by quotations of very doubtful authenticity. For the three most striking passages cited are from Theodore of Mopsuestia’s ‘On Miracles’ and Nestorius’ ‘The Manifest Initiation’, two works of which there is elsewhere no trace.70 Actually, proof that these two ‘heresiarchs’ asserted one will would have undermined the claim that the monotheletes in asserting one will were denying Christ a human faculty of will, since it was obvious that Nestorians were not crypto-Apollinarians. More important, however, for the conclusions of the synod were the other four florilegia read out at its final session, taken from orthodox Fathers and intended to prove that two operations and two wills in Christ had been their consistent teaching. The first of these florilegia is devoted to the operations, divine and human, in Christ.71 The passages cited derive from the debate with Arianism, and argue for identity of essence within the Trinity on the basis of the identity of operation affirmed in the Gospels, principally the Gospel of John (e. g. 5:19, ‘Whatever he [the Father] does, the Son also does likewise’). The contribution to the seventh-century debate is indirect: it lies in the metaphysical principle, presumed in these texts, that operation and essence correspond. The strongest argument for dyoenergism was that the two essences or natures acknowledged in Christ since Chalcedon imply, by definition, two operations.72 The second florilegium consists of passages asserting oneness of will within the Trinity, and does not advance the debate any further. Crucial, however, is the third florilegium, made up of 44 passages and entitled ‘On the natural wills of Christ our

69 Boeth., c. Eutych. et Nest. 7,72–78 (Stewart/Rand/Tester, Boethius, The Theological Tractates, 120). 70 CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 332,17–334,5). Because the key passage from Theodore cites Matthew (or it could be Luke), it is attributed in CPG II, p. 349 to his lost Commentary on Matthew, but there is no reason to suppose that it is authentic. The authenticity of ‘The Manifest Initiation’ was doubted by Loofs, Nestoriana, III. That Nestorians attempted to strengthen their teaching of one person in Christ by adducing his unity in action and will remains true, but the same was true of orthodox dyophysites. 71 CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 258–268). 72 It was a standard metaphysical principle, going back to Aristotle, that each nature has its own proper movement. See Chadwick, Boethius, 191 f.

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God’.73 Most of these citations treat the only episode in the gospels where there is clear reference to a human will in Christ distinct from his divine will, and that is the Agony in the Garden, where Christ prayed (in the Lukan version), ‘Father, if you wish, take this cup from me, but let not my will but yours be done’ (Lk 22:42). What was this will in Christ that recoiled from the Passion? Typical of the treatment of this question in the golden age of the Fathers is the following passage that was cited from Gregory of Nyssa:74 The dread at the passion pertained to the human weakness (as the Lord says, ‘The spirit is eager, but the flesh is weak’), while the acceptance of the passion as a result of the dispensation pertained to the divine purpose and power. Since therefore the human will and the divine will were different, the one who had appropriated our emotions uttered, as from his manhood, what fitted the weakness of this nature.

In such passages the human ‘will’ not to suffer is reduced to a feeling of distress. It could then be explained away, as in the following passage cited from John Chrysostom:75 Flesh not wishing to die is no reason for condemnation; for this is natural, and he displayed all the characteristics of nature apart from sin, and this in abundance… This simply showed that he was truly encompassed by flesh that feared death; for fearing and shunning death and being in anguish pertain to it.

This interpretation removed the scandal of Gethsemane, but it also undermined the dyothelete appeal to the gospel text. For this ‘will’ not to suffer becomes a mere emotional reaction: it is not an act of the will at all. To add this to the divine will that Christ shared with the Father and speak of ‘two wills’ in Christ was surely unnatural. And it is striking that in these forty-four passages the actual phrase ‘two wills’ occurs only twice, once in a passage attributed to Athanasius but in fact by Marcellus of Ancyra and again in a passage from Cyril’s contemporary Severian of Gabala;76 both these passages, be it noted, merely summarize ‘Let not my will but yours be done’ and are not general statements about the constitution of Christ. Finally, the fourth and last of these florilegia from approved Fathers treats the operations in Christ, stressing that he had human emotions and drives, which even the monoenergists did not deny. What was really going on in the seventh century debate was a belated realization that Gethsemane was not, after all, a story of an opposition of human will to divine will in Christ, but of an acceptance of the divine will by the rational human will, as (with divine help) it overcame the reluctance of the flesh. This was well perceived and lucidly expressed by Maximus the Confessor.77 But it was also perceived by the 73 74 75 76 77

CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 274–296). Greg.Nyss., adv. Apol. (Müller, GNO III 1, 181,14–21), cited at CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 286,31–35). Joh.Chrys., de consubstantiali 6 (PG 48,766), cited at CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 288,13–19). CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 282,27.292,9). See Bathrellos, The Byzantine Christ, 99–174.

16 | Price leading monotheletes, such as Bishop Theodosius of Caesarea in Bithynia, who in his disputation with Maximus said, ‘We too acknowledge the natures and different operations, namely divine and human, and that his Godhead is endowed with will and his manhood endowed with will, since his soul was not without a will. But we do not say two, lest we present him as being at war with himself.’78 The issue was whether the truth was best expressed by talk of ‘two wills’, divine and human, acting in harmony, or of ‘one will’, simultaneously divine and human.79 The difference was terminological, but Popes Theodore and Martin, misled by St Maximus, blew it up into an issue that required a council, where the argument had to proceed by appeal to patristic citations, an appeal that (as we have seen) proved ineffective. If the issue was thought to require a council, it was because it was presented as a conflict between heresy and orthodoxy, between innovation and tradition. This, as we have seen, is how the councils invariably treated doctrinal disputes. It is the reason why they came to depend not on a rational analysis of the problems but on an appeal to authoritative texts from deceased Fathers. This excluded any notion of a development of doctrine, of a recognition that the debate was over new problems, hitherto unsolved, and where there could be no question of ‘heresy’ until after a council had spoken. The controversy over Christ’s will is a prime example of how, in consequence, conciliar theology was not equipped to deal with every problem, for this particular debate was indeed a novelty; it had, in truth, nothing to do with heresy and could not be resolved by an appeal to tradition. This was well understood by the monoenergists and monotheletes, who did not reciprocate the accusations of heresy made by their opponents, and who advanced their formulas not as the sole truth but as an application of oikonomia, of flexibility in doctrinal formulation for the furtherance of Christian unity.80 The inability of conciliar theology, as I have called it, to resolve the monothelete dispute in a convincing fashion, points to a limitation in conciliar theology, that was at the same time its strength. For the dispute was an unreal one, since the two sides were in essential agreement, and the differences between them were merely terminological. It is evidence not of weakness but of strength in the appeal to the Fathers that it proved an ineffective weapon in the hands of those who misused it. Conciliar theology had its resources, and it had its limitations. But limits are not always a drawback.

78 Allen/Neil, Scripta saeculi VII vitam Maximi Confessoris illustrantia, 109,387–392. 79 For an example of the latter see a citation from Themistius, deacon of Alexandria, in the Acts of the Lateran Synod: ‘We shall piously acknowledge that the one will as of the one Emmanuel is in part moved humanly and in part divinely’, CLat. Secr. V (ACO ser. sec. I, 326,33 f.). 80 See the two important articles by Heinz Ohme, Motive und Strukturen des Schismas, and Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit.

Conciliar Theology: Resources and Limitations |

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18 | Price Ohme, Heinz, Motive und Strukturen des Schismas im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: Annuarium Historiae Conciliorum 38 (2006), 265–296. — Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: Zeitschrift für Antikes Christentum 12 (2008), 308–343. Price, Richard, Monotheletism: A Heresy or a Form of Words?, in: Studia Patristica 46 (2010), 221–232. — Presidency and Procedure at the Early Ecumenical Councils, in: Annuarium historiae conciliorum 41 (2009), 241–274. — The Acts of the Council of Constantinople of 553, Translated Texts for Historians 51, Liverpool, 2009. — The Acts of the Lateran Synod of 649, Translated Texts for Historians 61, Liverpool, 2014. — The Second Council of Constantinople (553) and the Malleable Past, in: Chalcedon in Context. Church Councils 400–700, ed. by Richard Price/Mary Whitby, Translated Texts for Historians. Contexts 1, Liverpool, 2009, 117–132. Price, Richard/Michael Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, Translated Texts for Historians 45, Liverpool, 2005. Pruche, Benoît, Basile de Césarée, Sur le Saint-Esprit, 2nd ed., Sources chrétiennes 17bis, Paris, 1968. Richard, Marcel, Les florilèges diphysites du Ve et du VIe siècles, in: Das Konzil von Chalkedon. Geschichte und Gegenwart I, ed. by Alois Grillmeier/Heinrich Bacht, Würzburg, 1951, 721–748. — Proclus de Constantinople et le Théopaschisme, in: Revue d’Histoire Ecclésiastique 38 (1942), 303–331. Riedinger, Rudolf, Acta Conciliorum Oecumenicorum. Series secunda. Vol 1: Concilium Lateranense a. 649 celebratum, Berlin, 1984. — Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts, Instrumenta patristica 34, Turnhout, 1998. Schwartz, Eduard, Acta Conciliorum Oecumenicorum. Tom. I: Concilium Universale Ephesenum. Vol. 1: Acta Graeca. Pars 2: Collectio Vaticana 33–80, Berlin/Leipzig, 1927. — Acta Conciliorum Oecumenicorum. Tom. I: Concilium Universale Ephesenum. Vol. 1: Acta Graeca. Pars 5: Collectio Vaticana 140–164, Berlin/Leipzig, 1927. — Acta Conciliorum Oecumenicorum. Tom. I: Concilium Universale Ephesenum. Vol. 1: Acta Graeca. Pars 7: Collectio Segueriana. Collectio Atheniensis. Collectiones minores, Berlin/Leipzig, 1929. — Acta Conciliorum Oecumenicorum. Tom. I: Concilium Universale Ephesenum. Vol. 5 Pars 1: Collectio Palatina sive qui fertur Marius Mercator, Berlin/Leipzig, 1924/1925. — Acta Conciliorum Oecumenicorum. Tom. II: Concilium Universale Chalcedonense. Vol. 1, Berlin/Leipzig, 1933–1935. — Die Kaiserin Pulcheria auf der Synode von Chalkedon, in: Festgabe für Adolf Jülicher zum 70. Geburtstag 26. Januar 1927, Tübingen, 1927, 203–212. — Drei dogmatische Schriften Justinians, Bayerische Akademie der Wissenschaften. Abhandlungen der philosophisch-historischen Abteilung, Neue Folge 18, München, 1939. Sellers, Robert V., The Council of Chalcedon. A Historical and Doctrinal Survey, London, 1953. Stewart, Hugh F./Edward K. Rand/Stanley J. Tester, eds., Boethius, The Theological Tractates, The Loeb Classical Library, Cambridge, Mass., 1973. Straub, Johannes, Acta Conciliorum Oecumenicorum. Tom. IV: Concilium Universale Constantinopolitanum sub Iustiniano habitum. Vol. 1: Concilii actiones VIII. Appendices Graecae. Indices, Berlin, 1971. Young, Frances M., From Nicaea to Chalcedon. A Guide to the Literature and its Background, 2nd ed., London, 2010.

Hanns Christof Brennecke

Synode als Institution zwischen Kaiser und Kirche in der Spätantike. Überlegungen zur Synodalgeschichte des 4. Jahrhunderts I »Seit die Kaiser anfingen, Christen zu sein, hingen von ihnen die Angelegenheiten der Kirchen ab, und die größten Synoden geschahen und geschehen nach ihrem Willen«, so der Kirchenhistoriker Socrates im Proömium des fünften Buches seiner Kirchengeschichte.1 Das vierte Buch der Kirchengeschichte des Socrates endet mit dem Tod Kaiser Valens’ in der Schlacht von Adrianopel 378. Sokrates benutzt dieses auch von anderen Zeitgenossen als Einschnitt oder Wende erlebte Ereignis zu einem Rückblick auf die inzwischen totale Verschmelzung von Staat und Kirche, die eben eine Gliederung der Kirchengeschichte nach den Kaisern rechtfertigt.2 Wie um das zu bestätigen, erschien im Jahre 1910 in der »Historischen Zeitschrift« ein außerordentlich temperamentvoller und wie üblich etwas einseitiger Aufsatz aus der Feder von Eduard Schwartz: »Die Konzilien des IV. und V. Jahrhunderts«.3 Es handelt sich dabei um einen Vortrag, den Schwartz auf der »11. Versammlung deutscher Historiker« im September 1909 in Straßburg gehalten hatte, wie die übrigens einzige Anmerkung ausweist (Keiner würde es heute wohl wagen, in einer hochangesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift einen Aufsatz ohne jeden Beleg zu veröffentlichen!). Die Synoden seit der konstantischen Wende zeichnet Schwartz etwas eindimensional als Machtkämpfe zwischen dem Kaiser oder auch den Kaisern und machthungrigen Bischöfen. Theologische Fragen spielen dabei für Eduard Schwartz wie bekanntlich auch sonst oft bei ihm eigentlich keine Rolle. Das Entscheidende an diesem Vortrag, der eigentlich ein Aufruf an die Altertumswissenschaftler aller Disziplinen darstellt, war, doch auch die politischen Dimensionen der Synoden wahrzunehmen, wobei er auf die Theologen dabei gut verzichten kann.4 Noch wichtiger ist ihm aber dabei, angesichts der desolaten Editionslage endlich die zahlreichen, aber eben zu einem großen Teil au-

1 Socr., h. e. V pr. 9 (275,3 f. Hansen): ... ἀφ’ οὗ χριστιανίζειν ἤρξαντο, τὰ τῆς ἐκκλησίας πράγματα ἤρτητο ἐξ αὐτῶν, καὶ αἱ μέγισται σύνοδοι τῇ αὐτῶν γνώμῃ γεγόνασίν τε καὶ γίνονται. 2 Wallraff, Der Kirchenhistoriker Sokrates; direkt zu den Proömien bei Socrates Brennecke, Zu den Proömien der antiken Kirchengeschichten, 51–57. 3 Schwartz, Konzilien; vgl. dazu Meier, »Ein dogmatischer Streit«. 4 Vgl. Meier, »Ein dogmatischer Streit«. DOI 10.1515/9783110420258-002

20 | Brennecke ßerordentlich schlecht überlieferten Dokumente zur Kirchengeschichte der Spätantike in kritischen Ausgaben zugänglich zu machen! Die Frage ist, ob wir in den vergangenen hundert Jahren voller politischer Katastrophen diesem Ziel etwas nähergekommen sind. Wenn ja, dann verdanken wir das nicht unwesentlich Eduard Schwartz selbst, der sich bis zu seinem Tod am 13. Februar 1940 mit unermüdlicher Energie diesem Ziel verschrieben hatte. Es ist hier natürlich nicht der Ort, auf Schwartz’ Editionen und Untersuchungen zur spätantiken Synodalgeschichte im einzelnen einzugehen, das hat Mischa Meier in vorbildlicher Weise getan. Aber seiner Initiative ist die Edition der Akten der ökumenischen Konzilien zu verdanken, die ab 1914 erscheinen konnten und inzwischen fast zu einem Abschluss gekommen sind.5 In seinen zwischen 1904 und 1911 erschienenen Athanasiusstudien hatte Schwartz immer wieder gefordert, die zahlreichen aus dem arianischen Streit überlieferten Dokumente kritisch zu edieren,6 die in ganz unterschiedlichen sekundären und tertiären Kontexten zum Teil sehr schlecht überliefert sind. Dabei ist faszinierend zu sehen, wie er dieses Projekt ausgesprochen zielgerichtet mit der kritischen Edition der Schriften des Athanasius von Alexandrien verband.7 Ganz in seinem Sinne hat dann Hans-Georg Opitz8 , der junge Schüler Hans Lietzmanns, im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften dieses Projekt begonnen, das durch den Zweiten Weltkrieg und seinen frühen Tod für Jahrzehnte zum Erliegen kam.9 Im Jahre 1999 habe ich dann von Wilhelm Schneemelcher († 2003), ebenfalls ein Schüler Hans Lietzmanns,10 die inzwischen selbst schon historisch gewordenen Materialien von Opitz, soweit sie nicht in den Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit verlorengegangen waren, zur Fortsetzung dieser Sammlung der aus dem arianischen Streit überlieferten Dokumente bekommen.11 Bei den »Dokumenten zur Geschichte des arianischen Streites«, wie wir unsere Fortsetzung der Arbeit von Opitz in Anlehnung an Schwartz und heutigem Sprachgebrauch

5 Vgl. dazu Schwartz, Wissenschaftlicher Lebenslauf. Zu Eduard Schwartz als Philologen und seiner Bedeutung für die spätantike Kirchengeschichte vgl. jetzt Heil/Stockhausen, Crux interpretum (mit Beiträgen von Christoph Markschies, Martin Hose, Hartwin Brandt, Bruno Bleckmann, Ekkehard Mühlenberg, Volker Henning Drecoll, Annette von Stockhausen und Uta Heil). 6 Eduard Schwartz, Zur Geschichte des Athanasius I–VIII erschienen in den Nachrichten der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, jetzt in: Schwartz, Gesammelte Schriften III. 7 Vgl. Brennecke/Stockhausen, Die Edition der „Athanasius Werke“. Nur so ist zu erklären, dass die »Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites« (in der Erlanger Fortsetzung »Dokumente zur Geschichte des arianischen Streites«) in der Ausgabe der »Athanasius Werke« als Band III erscheinen. 8 Zu Hans-Georg Opitz vgl. Brennecke/Stockhausen, Die Edition der „Athanasius Werke“, 160–162. 9 Brennecke/Stockhausen, Die Edition der „Athanasius Werke“, 162–165. 10 Schäferdiek, Wilhelm Schneemelcher. 11 Brennecke/Stockhausen, Die Edition der „Athanasius Werke“, 164f. Mit den Materialien von Opitz bekam ich auch Wilhelm Schneemelchers unveröffentlichte Göttinger Habilitationsschrift (Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites) mit Vorarbeiten für eine Fortsetzung der von Opitz begonnenen Sammlung der »Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites«.

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entsprechend nennen,12 handelt es sich zum allergrößten Teil um Synodaldokumente, die allerdings nur in zum Teil überaus komplizierten literarischen Überlieferungszusammenhängen und gelegentlich auch in parallelen Übersetzungen aufbewahrt sind. Hier ist die von Schwartz immer wieder geforderte interdisziplinäre Zusammenarbeit von klassischen Philologen, Historikern, Juristen und – eben anders als Schwartz meinte – auch Theologen unerlässlich. Ansonsten ist es in der Forschung um die Synoden in den vergangenen Jahrzehnten eher still geworden. Im weiteren Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils ist von theologischer Seite eine ganze Reihe durchaus interessanter, aber auch apologetischer Arbeiten entstanden, in denen Kirche und Kaiser als eigentlich nicht zusammengehöriger Gegensatz gesehen wurden.13 Gerade bei diesen Arbeiten zeigt sich die Problematik der auf eine Disziplin beschränkten Forschung, was aber auf der anderen Seite genauso für die althistorischen Untersuchungen gilt.14 Es soll hier nicht darum gehen danach zu fragen, ob der Kaiser sich mittels Synoden die Kirche unterworfen habe, oder ob und wie die Kirche trotz der »Einmischung« der Kaiser in die kirchlichen Angelegenheiten ihrem Anspruch treu geblieben sei, und schon gar nicht nach einer Rolle eines »Papsttums« bei diesem Prozess. Diese Frage ist für das vierte Jahrhundert anachronistisch und sicher schuld an der Unfruchtbarkeit vieler Debatten, bei denen natürlich konfessionelle Empfindlichkeiten nicht ganz auszuschalten sind, auch wenn alle Beteiligten das strikt behaupten. Es soll hier auch nicht um die Nachzeichnung einer Idee oder Theorie von Synoden gehen; das hat Hermann-Joseph Sieben auf bewundernswerte Weise getan.15 Vielmehr soll es darum gehen, »Synode« als neue Institution des spätantiken Reichs zwischen Kaiser und Kirche, und das heißt ihrem Episkopat, zu verstehen, um so vielleicht von den unfruchtbaren und für das Verständnis der Kirche in der Spätantike unangemessenen Alternativen etwas wegzukommen16 . Das Hauptgewicht soll dabei paradigmatisch auf die Zeit der Herrschaft Constantius II. gelegt werden, da aus der Zeit der Herrschaft der Kaiser Valentinian I. und Valens viel weniger Material überliefert ist.

12 AW III 3, V–VII. 13 Botte u. a., Das Konzil und die Konzile; Kretschmar, Die ökumenischen Konzile der Christenheit; Ortiz de Urbina, Nizäa und Konstantinopel (die französische Originalausgabe erschien 1962). Die Herausgabe der von Gervais Dumeige SJ und Heinrich Bacht SJ verantworteten Reihe der »Geschichte der ökumenischen Konzilien« war durch das II. Vatikanische Konzil motiviert. 14 Just, Imperator et episcopus; Rapp, Holy Bishops in Late Antiquity; Demandt, Die Spätantike. 15 Sieben, Die Konzilsidee der Alten Kirche; Sieben, Studien zu Gestalt und Überlieferung der Konzilien. 16 In der Monographie von Claudia Rapp spielt diese wichtige Aktionsebene der von ihr untersuchten Bischöfe keine Rolle, ebensowenig in der althistorischen Dissertation von Patricia Just, wo es um die persönliche Beziehung Kaiser – Bischof geht.

22 | Brennecke Die Entstehung der kaiserlichen Synodalgewalt unter Konstantin ist in den letzten Jahrzehnten immer wieder Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen; besonders Klaus-Martin Girardet hat hier Wichtiges beigetragen.17 Aus der knapp fünfundzwanzigjährigen Regierungszeit Constantius II. von 337–361 sind ungleich mehr Synodaldokumente als aus der Zeit der Herrschaft seines Vaters überliefert.18 Die große Zahl von Synoden während der Zeit der Herrschaft Constantius II. sowohl im Osten als auch im Westen des Reiches fiel schon den Zeitgenossen auf und veranlasste Ammianus Marcellinus zu ironischen Bemerkungen über den dadurch hervorgerufenen Ruin der Post: »Daher (sc. wegen der vielen Spaltungen in der Kirche, die er dem Kaiser anlastet) eilten Scharen von Bischöfen mit den Gespannen der Staatspost hierhin und dorthin zu sogenannten Synoden. Und während er den gesamten Ritus nach seinem Willen zu gestalten versuchte, durchschnitt er die Nerven des Postwesens«.19

II Was sind nun in der Kaiserzeit und dann in der spätantiken Reichskirche seit Konstantin eigentlich Synoden20 , die es als Institutionen in den verschiedenen christlichen Kirchen in ganz unterschiedlichen Formen bekanntlich bis auf den heutigen Tag gibt, die aber überall etwas völlig anderes bedeuten, völlig unterschiedliche Funktionen und Befugnisse haben.21 Σύνοδος, lat. concilium od. synodus (so z. B. der dem Christentum kritisch gegenüberstehende Ammianus Marcellinus, aber auch ein großer Teil der lateinischen Synodalüberlieferung selbst), »Zusammenkunft«, wird seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts terminus technicus für ein Treffen von Bischöfen christlicher Kirchen verschiedener Civitates zur gemeinsamen Klärung von Fragen des Glaubens, der Lehre, der kirchlichen Disziplin und überhaupt des kirchlichen Alltags. Dabei sind die Begriffe σύνοδος und concilium noch für die gesamte Spätantike nicht zu differenzieren,

17 Girardet, Kaisergericht und Bischofsgericht; Girardet, Kaisertum, Religionspolitik und das Recht; Girardet, Der Kaiser und sein Gott. 18 AW III 3; AW III 4. 19 Amm. XXI 16,18 (II 172, 16–19 Seyfarth): »..., ut cateruis antistitum iumentis publicis ultro citroque discurrentibus per synodos, quas appellant, dum ritum omnem ad suum trahere conatur arbitrium, rei uehiculariae succideret neruos«. Die deutsche Übersetzung ebenda, 173. 20 Geerard, CPG IV; Weckwerth, Clavis conciliorum occidentalium; vgl. auch Weckwerth, Ablauf, Organisation und Selbstverständnis. 21 Gahbauer/Dinkel/Preul/Gaßmann, Art. Synoden.

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schon gar nicht hierarchisch. Die heute vor allem im römischen Katholizismus übliche hierarchische Differenzierung ist modern.22 Bis gegen Ende des zweiten Jahrhunderts kennt die inzwischen in unterschiedlicher Dichte über das ganze Imperium Romanum verbreitete christliche Kirche23 keine institutionelle Ebene oberhalb der Kirche (ἐκκλησία) einer civitas, die inzwischen meist von einem Bischof geleitet wurde.24 Die Kommunikation zwischen einzelnen Kirchen geschah durch persönliche gegenseitige Besuche, vor allem aber brieflich.25 Die letztliche Unverbindlichkeit einer solchen brieflichen Kommunikation wurde dann aber offenbar als nicht mehr ausreichend empfunden. Um 200 ist die kirchliche Institution »Synode« vermutlich in Verbindung mit dem sich durchsetzenden monarchischen Episkopat erstmals zu beobachten.26 Debatten um die Gnosis oder Marcion im zweiten Jahrhundert waren noch auf die betroffene civitas beschränkt.27 Die verschiedentlich unternommenen Versuche, unmittelbare Vorbilder für diese neue kirchliche Institution »Synode« in politischen Institutionen der Kaiserzeit zu finden, haben nicht wirklich überzeugen können28 . Über das Zusammentreten, die Abläufe und Regularien der Synoden ist allerdings so gut wie nichts überliefert. Zu Synoden versammeln sich zunächst Bischöfe meist aus einem überschaubaren geographischen Bereich (das ist zunächst noch nicht an die Grenzen der Provinzen angelehnt) zur Beratung je aktueller gemeinsamer Fragen und Probleme. Die Entscheidungen dieser Bischofsversammlungen, zu deren Beratungen Presbyter und Diakone gleichsam als Fachleute hinzugezogen werden können,29 gelten als vom Heiligen Geist eingegeben und beanspruchen daher prinzipiell Verbindlichkeit in der ganzen Kirche. Synoden sind somit Ausdruck des Bewusstseins der einen und allgemeinen Kirche (una sancta et catholica ecclesia), egal wo sich eine noch so kleine Zahl von Bischöfen 22 Gahbauer/Dinkel/Preul/Gaßmann, Art. Synoden, 559, will schon für die Alte Kirche »Synode« und »Konzil« unterscheiden und moniert, dass diese Unterscheidung nicht immer deutlich genug vorgenommen wurde. 23 Harnack, Mission und Ausbreitung, ist inzwischen in vielen Einzelheiten überholt, muss aber noch immer als Standardwerk gelten; vgl. Kötting, Christentum I (Ausbreitung). 24 Dassmann, Zur Entstehung des Monepiskopats; Schöllgen, Hausgemeinden; Dassmann, Ämter und Dienste in den frühchristlichen Gemeinden. 25 Mitchell, Brief. 26 Dazu Fischer/Lumpe, Die Synoden von den Anfängen. 27 Die Auseinandersetzungen um Marcion fanden in der römischen Gemeinde statt, vgl. Aland, Marcion/Marcioniten; May, Markion/Markioniten. Die Auseinandersetzung mit gnostischen Gruppen scheint vor allem literarisch geführt worden zu sei, Synoden darüber sind nicht bekannt. 28 Gelzer, Die Konzilien als Reichsparlamente (zuerst erschienen in: Deutsche Stimmen 1900, Nr. 14). 29 Z.B. Origenes; vgl. Eus., h. e. VI 33,1–3. 37. Auch das »Gespräch mit Heraclides« (Scherer, Entretien d’Origène avec Héraclide; eine deutsche Übersetzung mit Kommentar von Früchtel, Origenes, Das Gespräch mit Herakleides und dessen Bischofskollegen über Vater, Sohn und Seele) setzt die Situation einer Synode voraus. Athanasius nahm als Diakon und vermutlich Berater seines Bischofs Alexander an der Synode von Nicaea teil; vgl. Barnes, Athanasius and Constantius, 14, Anmerkung 43.

24 | Brennecke trifft. Damit ist das Problem der Rezeption gegeben, die im Allgemeinen brieflich erfolgte, aber eben manchmal auch nicht, wie man an den Versuchen, theologische Schul-Auseinandersetzungen im dritten Jahrhundert durch Synoden zu klären, sehen kann.30 Im Laufe des dritten Jahrhunderts hatte sich die neue Institution »Synode« im Christentum als einzige institutionelle Ebene oberhalb der Kirche einer civitas in erstaunlichem Maße durchgesetzt.31 Was aber passiert, wenn die Rezeption nicht erfolgte? Hier soll nur auf ein Beispiel aus der vorkonstantinischen Zeit eingegangen werden, das dann direkt zur Frage nach dem neuen Verhältnis von Synode und christlicher Kaiser im vierten Jahrhundert hinführt. Euseb von Caesarea berichtet im VII. Buch seiner Kirchengeschichte über Synoden in Antiochien, die sich mit Lehre und Leben des Bischofs Paulus von Antiochen32 befasste und ihn am Ende wegen Irrlehre und einer Lebensführung, die jedenfalls als nicht angemessen galt, als Bischof der östlichen Metropole Antiochien absetzte und aus der kirchlichen Gemeinschaft ausschloss.33 Der bei Euseb fragmentarisch überlieferte Synodalbrief der letzten Synode gegen Paulus, die wohl in das Jahr 268/69 zu datieren ist,34 gibt sehr interessante auch sozialgeschichtliche Einblicke in die Situation des Christentums in einer Großstadt wie Antiochien nach dem Tolanzedikt des Kaisers Gallienus.35 Die vielverhandelten Einzelheiten und mit dem Bericht Eusebs verbundenen Probleme besonders über das, was Paulus eigentlich theologisch vertreten hat, sind hier nicht zu behandeln.36 Aber nach den Beschlüssen dieser letzten Synode gegen Paulus und der Einsetzung eines neuen Bischofs37 weigert Paulus sich nach Euseb aber, sein Amt als Bischof aufzugeben und den ὄικος ἐκκλησίας zu räumen. Dahinter steht natürlich, was Euseb verschweigt, dass Paulus durchaus Anhänger hatte, die mit seiner Absetzung nicht einverstanden waren, so dass in Antiochien durch die Verurteilung

30 Vgl. Brennecke, Bischofsversammlung und Reichssynode. 31 Das gesamte Material für die vorkonstantinische Zeit bei Fischer/Lumpe, Die Synoden von den Anfängen. 32 Eus., h. e. VII 27–30. Nach Euseb, h.e. VII 27,1 wird Paulus allgemein (vermutlich nach seinem Geburtsort) Paulus von Samosata genannt, vgl. jetzt Vössing, Paulus von Samosata. Ich danke den Kollegen Vössing und Schöllgen, dass ich diesen bei Abfassung dieser Untersuchung noch nicht erschienenen Artikel einsehen durfte. Da Vössing die gesamte ältere Literatur aufgearbeitet hat, nenne ich nur diesen umfassenden Artikel. 33 Eus., h. e. VII 29,1. 34 Eus., h. e. VII 30,1–17; Zur Datierung vgl. Vössing, Paulus von Samosata, 1251. 35 Das Toleranzedikt des Gallienus erwähnt Eus., h. e. VII 13; vgl. auch Dionys von Alexandrien über Gallienus bei Eus., h. e. VII 23; dazu Andresen, »Siegreiche Kirche«. 36 Brennecke, Zum Prozess gegen Paul von Samosata; vgl. auch die Bibliographie bei Vössing, Paulus von Samosata, 1263 f. Zu den antiochenischen Synoden gegen Paulus vgl. Fischer/Lumpe, Die Synoden von den Anfängen, 351–378. 37 Eus., h. e. VII 30,18 nennt Domnus als Nachfolger des Paulus.

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und Absetzung des Bischofs Paulus ein Schisma entstanden war.38 Was war in einem solchen Fall zu tun? Die Synode und die Kirche in Antiochien hatten offenbar keine Möglichkeiten, Paulus auch de facto abzusetzen. Euseb teilt leider nur sehr knapp folgende Lösung mit: »Doch da Paulus um keinen Preis das Haus der Kirche räumen wollte, wandte man sich an Kaiser Aurelian, der durchaus billig in der Sache entschied, indem er befahl, denjenigen das Haus zu übergeben, mit welchen die christlichen Bischöfe Italiens und Roms in schriftlichem Verkehr stünden. So wurde der erwähnte Mann zu seiner größten Schande von der weltlichen Macht aus der Kirche vertrieben«.39 Über diesen knappen Satz Eusebs ist unendlich gerätselt worden.40 Die Kirche erwartet vom Kaiser ein Gerichtsurteil hinsichtlich der Besitzverhältnisse der domus ecclesiae (vermutlich Kirche, Wohn- und Amtsräume41 ). Die von Euseb gelobte Entscheidung des Kaisers ist nun mehr als merkwürdig. Zum Kriterium der Rechtmäßigkeit wird die Anerkennung durch die Bischöfe Italiens und des römischen Bischofs. Die Hintergründe sind unklar, vielleicht spielte die politisch brisante Situation im Osten und besonders in Antiochien nach dem Sieg Aurelians über Zenobia eine Rolle.42 Wichtig ist, dass hier eine durchaus überregional und prominent besetzte Synode43 in Antiochien nicht in der Lage war, ihre gefassten Beschlüsse selbst durchzusetzen und vom heidnischen Kaiser auf dem Wege eines Zivilprozesses gegen den in ihren Augen illegalen »Hausbesetzer« Paulus die Durchsetzung ihres Synodalurteils forderte und damit interessanterweise auch Erfolg hatte. Ansonsten schweigen unsere Quellen dann über die Entwicklung der Institution Synode bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts.44

38 Anhänger des Paulus hat es als schismatische Gruppe offenbar noch bis zur Synode von Nicaea gegeben; vgl. can. 19 von Nicaea, der die Bedingungen dieser Schismatiker für die Rückkehr in die katholische Kirche regelte; dazu Fischer/Lumpe, Die Synoden von den Anfängen, 377 f. 39 Eus., h. e. VII 30,19 (714,3–9): ἀλλὰ γὰρ μηδαμῶς ἐκστῆναι τοῦ Παύλου τοῦ τῆς ἐκκλησίας οἴκου θέλοντος, βασιλεὺς ἐντευχθεὶς Αὐρηλιανὸς αἰσιώτατα περὶ τοῦ πρακτέου διείληφεν, τούτοις νεῖμαι προστάττων τὸν οἶκον, οἷς ἂν οἱ κατὰ τὴν Ἰταλίαν καὶ τὴν Ῥωμαίων πόλιν ἐπίσκοποι τοῦ δόγματος ἐπιστέλλοιεν. οὕτω δῆτα ὁ προδηλωθεὶς ἀνὴρ μετὰ τῆς ἐσχάτης αἰσχύνης ὑπὸ τῆς κοσμικῆς ἀρχῆς ἐξελαύνεται τῆς ἐκκλησίας. 40 Vgl. Vössing, Paulus von Samosata. 41 Vgl. die Hauskirche in Dura Europos als bisher einziges bekannt gewordenes Beispiel einer vorkonstantinischen Kirche, die offenbar auch Amts- und Wohnräume enthielt. 42 Da Aurelian erst 272 nach seinem Sieg über Zenobia Antiochien eingenommen hatte, muss die unerfreuliche Situation der »Hausbesetzung« durch Paulus mehrere Jahre angedauert haben; vgl. Vössing, Paulus von Samosata. Die letzte Synode gegen Paulus, die ihn absetzte und einen Nachfolger bestimmte, hatte aller Wahrscheinlichkeit nach stattgefunden, bevor Zenobia Antiochien ihrem Herrschaftsbereich einverleiben konnte. 43 Vgl. von Euseb aufgezählten Namen der Teilnehmer,Eus., h. e. VII 28,1, und die Absender des Synodalbriefes Eus., h. e. VII 30,2. 44 Euseb berichtet für die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts bis zur Diokletianischen Verfolgung nur sehr summarisch und nennt keine weiteren Synoden. Firmilian v. Caesarea erwähnt (Cypr., ep. 75)

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III Während der Verfolgungen unter Diocletian und seinen Mitkaisern hatten aller Wahrscheinlichkeit nach keine Synoden stattfinden können, scheinen auch explizit verboten gewesen zu sein, was dafür spricht, dass diese Form eines inzwischen institutionalisierten Elements der Einheit der Kirche dem Reich nicht verborgen geblieben war. Dass und wie Kaiser Konstantin ab 312 Versammlungen christlicher Bischöfe – Synoden – einberief und so eine neue Institution der Reichs- oder Kaisersynode aufgrund seiner Verantwortung als pontifex maximus nun auch in der christlichen Kirche gleichsam erfand, ist bekannt.45 Dass »Häretiker« wie der alexandrinische Presbyter Arius nach Absetzung und Exkommunikation durch die Synode von Nicaea (325), also durch die Kirche, vom Kaiser verbannt wurden, gilt ziemlich unhinterfragt eigentlich als Selbstverständlichkeit, die bei »Häretikern« billigend zur Kenntnis genommen wird, in anderen Fällen dagegen als kaiserliche Willkür kritisiert wird. Die Exilierungen von Bischöfen oder anderen Klerikern nahmen im Rahmen der immer enger werdenden Verflechtung von Kirche und Reich im Zusammenhang der häufig sehr kontrovers diskutierten Lehrentwicklungen der alten Kirche seit der konstantinischen Wende massiv zu. Als Konstantin, nach seinem Sieg an der Milvischen Brücke über Maxentius nun der neue Augustus des Westens,46 versuchte, die in den Einzelheiten überaus komplizierte Restitution des in den Verfolgungen beschlagnahmten kirchlichen Besitzes durchzuführen, wurde er in Africa mit dem Schisma der Donatisten konfrontiert. Es gab da also zwei Kirchen, die dem Kaiser gegenüber Anspruch auf Restitution beschlagnahmten Besitzes erhoben.47 Wie Klaus-Martin Girardet in vielen Einzelstudien gezeigt hat, forderten die Donatisten vom Kaiser ihre Anerkennung als einzige rechtmäßige Kirche Africas durch einen Prozess.48 Da weder der Kaiser noch seine Ratgeber über Kriterien verfügten, zu beurteilen, wer die rechtmäßige Kirche in Africa sei, befahl er einigen Bischöfen, in Rom über diese Frage zu verhandeln, ein Urteil zu fällen, das dann der Kaiser übernahm und auch durchsetzte. Indem der Kaiser die Bischöfe beruft, ihnen den Verhandlungsgegenstand vorschreibt, die Kosten für Reise und Aufenthalt über-

jährliche Synoden in Kappadokien, die offenbar schon auf die Provinz Kappadokien beschränkt waren und für Kappadokien schon eine Entwicklung zu einer Metropolitanstruktur zeigen. 45 Girardet, Kaisergericht und Bischofsgericht, 6–51; Girardet, Kaisertum, Religionspolitik und das Recht, 22–72; Girardet, Der Kaiser und sein Gott, 140–149; Brennecke, Bischofsversammlung und Reichssynode; Fischer/Lumpe, Die Synoden von den Anfängen, 410–452. Aus der Zeit seiner Herrschaft nur über die gallische Präfektur seit 306 ist nichts über Synoden bekannt. 46 Brandt, Konstantin der Große, 42–67; Girardet, Der Kaiser und sein Gott, 26–108. 47 Zum donatistischen Schisma vgl. Schindler, Afrika; Maier, Le Dossier du Donatisme I/II; Pietri, Das Scheitern der kaiserlichen Reichseinheit in Afrika. 48 Girardet, Kaisertum, Religionspolitik und das Recht, 1–25, vgl. auch die Anmerkung 17 genannten früheren Arbeiten Girardets.

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nimmt, ihren Beschlüssen Rechtskraft verleiht und sie – unter Umständen durchaus mittels Gewalt – durchsetzt, ist nach Girardet eine neue Institution der »Reichssynode« entstanden. Die Donatisten hatten das Gericht des Kaisers angerufen, das dann so anders, als sie sich das vorgestellt hatten, funktionierte und gegen sie entschied. Dass und wie der Kaiser als pontifex maximus eine ganz grundsätzliche Verantwortung für die religiösen Angelegenheiten hatte und in diesem Fall wahrnahm, ist in den letzten Jahrzehnten bis ins feinste Detail untersucht und auch dargestellt worden.49 Die christliche Kirche war durch das Galeriusedikt von 31150 und die Mailänder Vereinbarung51 zwischen Konstantin und seinem Schwager Licinius in diesen Verantwortungsbereich des Kaisers einbezogen worden. Und so hat Konstantin in seiner Verantwortung für die einmütige Gottesverehrung, die ὁμόνοια, immer wieder in die Angelegenheiten der Kirche durch diese neue Form der kaiserlichen oder Reichssynoden eingegriffen, wie es auch alle Beteiligten von ihm erwarteten. Deutlich komplizierter waren nach Konstantins Sieg über Licinius52 im Jahre 324 die Verhältnisse im Osten, wo in Alexandrien eine grundsätzliche dogmatische Kontroverse ausgebrochen war, die nach dem alexandrinischen Presbyter Arius, um dessen theologische Auseinandersetzung mit seinem Bischof Alexander es zunächst ging, »arianischer Streit« heißt, und die als Konstantin 324 die Herrschaft über den Osten antrat, die gesamte Kirche des Ostens spaltete.53 Es ging um die nun in der Tat grundsätzliche Frage: Wie kann man angesichts des Bekenntnisses auch zu Christus den Monotheismus bewahren. Eduard Schwartz hatte den arianischen Streit nur als politischen Kampf zwischen Kaiser und machthungrigen Bischöfen verstehen wollen.54 Dass das alles auch eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hat, steht natürlich außer Zweifel. Für die Synodalgeschichte des vierten Jahrhunderts ist dabei wichtig, dass der arianische Streit vielleicht einer der am besten dokumentierten Konflikt der Antike überhaupt ist, in dessen Verlauf die Institution »Synode« ihre volle Entfaltung als institutionelle Ebene zwischen Kaiser und Episkopat gefunden hat. Und die dichte Überlieferung zeigt, dass es nicht nur um ein Beherrschen der Kirche durch den Kaiser auf der einen oder eine Inanspruchnahme des Kaisers auf der anderen Seite ging, so

49 Brennecke, Bischofsversammlung und Reichssynode. 50 Lact., mort. pers. 34, eine griechische Übersetzung bei Eus., h. e. VIII 17,1–11. 51 Lact., mort. pers. 48,1–12, eine in Einzelheiten abweichende griechische Übersetzung bei Eus., h. e. X 5,2–14. 52 Brandt, Konstantin der Große, 68–112. 53 AW III 1–2; AW III 3; AW III 4. Die fünfte Lieferung, die die Dokumente bis 381 bieten wird, ist in Vorbereitung. Zum arianischen Streit vgl. Ritter, Arius/Arianismus; Hanson, The Search for the Christian Doctrine; Markschies, Theologische Diskussionen zur Zeit Konstantins; Berndt/Steinacher, Arianism – das Schwergewicht dieses Bandes liegt auf der Entwicklung des Arianismus nach 381 in den germanischen Nachfolgereichen des weströmischen Reiches. 54 Dazu Meier, »Ein dogmatischer Streit«.

28 | Brennecke oft es das natürlich auch gab,55 sondern dass und wie hier auch Regeln herrschten, die beide Seiten in die Pflicht nahmen, die jedenfalls der Kaiser nicht ohne weiteres missachten konnte.

IV Versuche des Kaisers, zwischen Arius und Alexander zu vermitteln, die einerseits erstaunlich genaue Kenntnisse, andererseits aber eine total falsche Einschätzung der Lage durch Konstantin deutlich machen, scheiterten56 . Nachdem schon die neuerdings wieder einmal umstrittene antiochenische Synode 324/2557 , an deren Authentizität ich aber weiterhin festhalten will, vermutlich von Ossius von Cordoba im Auftrag des Kaisers geleitet wurde,58 agiert Konstantin nun aktiv auf der von ihm nach Nicaea einberufenen »großen Synode«,59 die er eröffnete und teilweise zumindest auch persönlich leitete.60 Ob wesentliche Formulierungen der theologischen Erklärung der Synode gegen Arius, vor allem der bis heute mancherlei Rätsel aufgebende Begriff ὁμοούσιος, auf ihn selbst zurückgeht, wie man Euseb folgend lange angenommen hat, erscheint dagegen eher unwahrscheinlich.61 Die psychologische Wirkung der Gegenwart des Kaisers auf die Teilnehmer spürt man durch alle überlieferten Dokumente.62 Interessant ist, was nach den Beschlüssen der Synode passiert.63 Nach Absetzung und Ausschluss des Arius und weniger Getreuer aus der Gemeinschaft der Kirche64 werden die von der Synode Abgesetzten und Verurteilten nun von der kaiserlichen

55 Das herauszuarbeiten war das Anliegen von Schwartz in seinen zahlreichen Publikationen zum arianischen Streit. 56 Urk. 17. 57 Der Rundbrief der Synode Urk. 18. Zur neuen Debatte um die Authentizität der Synode und ihres Rundbriefes vgl. die erneute Bestreitung dieser antiochenischen Synode durch Strutwolf, Das Konzil von Antiochien 324/25 und sein vermeintliches Symbol; dagegen Brennecke/Heil, Nach hundert Jahren. 58 Chadwick, Ossius of Cordova. 59 Fragment des Einberufungsschreibens Konstantins Urk. 20. Die von der Synode überlieferten Dokumente bei Urk. 20–27. 60 Eus., v. C. III 6–14; vgl. Brennecke, Nicaea I. 61 Vgl. den Brief Eusebs von Caesarea an seine Kirche, Urk. 22. 62 Eus., v. C. III 10 f. 63 Von der Synode sind keine Akten überliefert, über den Ablauf ist fast nichts bekannt, er lässt sich kaum aus den nach der Synode verfassten Texten erschließen. Euseb bietet ein idealisiertes Bild im Rahmen des Enkomions auf den verstorbenen Kaiser und nach ihm die Kirchenhistoriker des fünften Jahrhunderts bieten hagiographisch-legendarische Darstellungen; vgl. Brennecke, Nicaea I. 64 Mit Arius verurteilt und exkommuniziert wurden Theonas von Marmarice und Secundus von Ptolemaïs; vgl. den Brief der Synode an die Bischöfe Ägyptens, Urk. 23 und den Brief Kaiser Konstantins an die Kirche von Alexandrien, Urk. 25.

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Gerichtsbarkeit abgeurteilt und in die Verbannung geschickt,65 was dann das normale Verfahren für von einer Synode abgesetzte Kleriker wird. Das Fragment des Ediktes, das aller Wahrscheinlichkeit nach gegen Schwartz unmittelbar nach der Synode von Nicaea zu datieren ist, sowie ein sehr heftiger Brief des Kaisers an Arius sind erhalten66 . Der Kaiser, nicht die versammelten Bischöfe, schreibt nach der Synode einen Rundbrief an alle Kirchen, in dem er über die Beschlüsse der Synode informiert,67 sowie einen Brief je an die Kirchen von Alexandrien und Nikomedien,68 um die Kirche von Alexandrien über die sie betreffenden Beschlüsse zu informieren und die Kirche von Nikomedien von der Absetzung und Exilierung ihres Bischofs Euseb in Kenntnis zu setzen. Euseb von Nikomedien und Theognis Nicaea werden allerdings nicht aus dogmatischen Gründen und als Häretiker abgesetzt, sondern offiziell wegen ihrer Weigerung, das Urteil gegen Arius und einige seiner Anhänger zu unterschreiben.69 Außerdem kamen bei Euseb politische Gründe dazu, weil er offensichtlich Kaiser Licinius nahegestanden hatte.70 Nachdem Arius und sein Gefährte Euzoius aus dem Exil ihre Position widerrufen,71 veranlasst der Kaiser vermutlich 327 eine neue Synode, die beide wieder in die Kirche aufnimmt und rehabilitiert.72 Ein neues Problem ergab sich allerdings plötzlich daraus, dass der alexandrinische Bischof Alexander sich weigerte, Arius und seine Anhänger wieder in den alexandrinischen Klerus aufzunehmen und die Weitergeltung der Verurteilungen von Nicaea forderte. Das war für Konstantin nicht akzeptabel.73 Als Alexander von Alexandrien dann schon 328 starb, hat sein Nachfolger Athanasius an der Weigerung seines Vorgängers, die von der Synode von Nicaea einst Verurteilten nach ihrer Rehabilitierung

65 Socr., h. e. I 8,33; Soz., h. e. I 20,3 f.; Philost., h. e. I 9 (Bidez/Winkelmann, 10,26–29 nach der anonymen vita Constantini, Bidez/Winkelmann, 11,15 f. nach Nicetas); nach Rufin., h. e. X 5 (965,9–11 Mommsen) wurde außer Arius selbst noch sechs seiner Anhänger verbannt. 66 Urk. 33 f. Aufgrund der Subscriptio des Briefes Konstantins an Arius, die den erst für 333 bezeugten Eparchen Paterius erwähnt, hatte Schwartz eine zweite Verurteilung und wiederum Rehabilitierung des Arius in den 30er Jahren angenommen. Ich bin der Auffassung, dass es diese zweite Verurteilung, die sonst keinerlei Spuren in der Überlieferung hinterlassen hat, nie gegeben hat. Auch von entsprechenden Synodalurteilen wissen wir nichts. Zur neuen Datierung unmittelbar in den Zusammenhang der Synode von Nicaea vgl. AW III 3, XXXVI–XXXVIII; Brennecke, Die letzten Jahre des Arius. 67 Urk. 26. 68 Urk. 25 und 27. 69 Urk. 27,13–16. 70 Urk. 27,9–11. 71 Urk. 30. Euzoius war ebenfalls ein alexandrinischer Kleriker, der zusammen mit Arius und anderen alexandrinischen Klerikern schon von einer alexandrinischen Synode unter Alexander verurteilt worden war; vgl. Urk. 14,60 die Liste der in Alexandrien Verurteilten. 72 Urk. 29; vgl. dazu Brennecke, Nicaea I, 437; AW III 3, XXXVI–XXXVIII. 73 Urk. 32; vgl. AW III 3, XXXVII.

30 | Brennecke durch eine Synode wieder in den Klerus aufzunehmen, festgehalten.74 Auch der gerade ins Exil geschickte Euseb von Nikomedien wird von einer Synode rehabilitiert und darf anschließend aus dem Exil zurückkehren.75 Der Kaiser geht nach der Synode von Nicaea genau wie schon 312/313 im Westen nicht gegen amtierende Kleriker vor, sondern führt formal nur die Beschlüsse von Synoden aus, die er zusammengerufen hatte, und die in seinem Auftrag beraten und Beschlüsse gefasst und Häretiker aus ihrem Amt und überhaupt aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen hatte76 . Der Kaiser verleiht somit den Beschlüssen der von ihm zusammengerufenen Synoden Gesetzeskraft.77 Besonders interessant erscheint nun: Auch die Rückkehr eines Klerikers aus dem Exil und seine Wiedereinsetzung bedarf zuerst eines Synodalbeschlusses, bevor dann der Kaiser das Exil aufhebt. Allerdings konnte natürlich der Kaiser Synoden ganz nach seinem Willen so zusammensetzten, dass dann auch der von ihm erwünschte Beschluss gefasst wurde, und hat das auch oft getan. Der Kaiser regelt die kirchlichen Externa gleichsam als christlicher pontifex maximus. Aber der Kaiser konnte nicht aus eigener Machtvollkommenheit einen abgesetzten und verurteilten Kleriker einfach begnadigen und aus dem Exil zurückkehren lassen. Hier wurde das dem Kaiser traditionell zustehende Recht der Amnestie begrenzt, was durchaus zu Konflikten führen konnte und dann bei Konstantins Söhnen auch geführt hat. Grundsätzlicher Protest von seiten der Kirche gegen diese Möglichkeit des Kaisers, in die Angelegenheiten der Kirche einzugreifen, ist nicht überliefert, im Gegenteil. Auf einer sonst unbekannten Synode, die vermutlich etwa 328 in Antiochien zusammengetreten sein muss,78 wird nun auf der anderen Seite die Pflicht der weltlichen Macht, gegen von einer Synode Verurteilte einzuschreiten, definiert79 . Gegen einen von einer Synode abgesetzten und exkommunizierten Kleriker tamquam sediciosus/ὡς στασιώδη vorgehen. Der Titulus des Kanons macht auch deutlich, warum gerade die Kirche bei abgesetzten Klerikern (noch mehr bei den hier nicht eigens genannten Bischöfen) die Strafe des Exils auch inhaltlich für angemessen hielt: »Über die, die sich von der Gemeinde absondern und eine eigene versammeln«.80 74 AW III 3, Dok. 38. Ob Arius noch gelebt hat, nachdem Athanasius der Nachfolger Alexanders geworden war, ist nicht sicher; vgl. dazu Brennecke, Die letzten Jahre des Arius. 75 Urk. 31. Euseb wurde dann sehr schnell zum Vertrauten und theologischen und kirchlichen Ratgeber Konstantins bis an sein Lebensende; vgl. Vinzent, Eusebius von Nikomedien; Rist, Eusebios. 76 Euseb versteht in de vita Constantini die Synode von Nicaea als eine ausschließlich kaiserliche Veranstaltung; vgl. Eus., v. C. III 6,1 f. v. C. III 7,2. 77 C.Th. XVI 5,1 vom 1. September 326 ist das erste überlieferte Gesetz Konstantins gegen Häretiker. 78 Schwartz, Gesammelte Schriften III, 216–230. Noch Joannou, Fonti I/2, 100 f. hat die Canones mit der Tradition falsch der antiochenischen Kirchweihsynode von 341 zugeordnet, ohne die Untersuchung von Schwartz aus dem Jahr 1911 zu erwähnen. 79 Synode von Antiochien, can. 5 (108 f. Joannou). 80 108,16–18 Joannou: περὶ τῶν ἑαυτοὺς ἀφελκόντων τῆς ἐκκλησιαστιῆς λειτουργίας καὶ ἰδίᾳ συναγομένων – De his qui se ab ecclesiastico ministerio subtrahunt et seorsum colligunt.

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Es geht also darum, durch die Verbannung der Abgesetzten Spaltungen in der Gemeinde, die ja immer auf eine Stadt bezogen war, zu verhindern oder wenigstens zu erschweren.81 Der Kaiser, der sich selbst ja als Christ versteht, hat also die Pflicht gegen die von einer Synode abgesetzten und verurteilten Kleriker als »Aufrührer« vorzugehen. Auch gegen Eustathius von Antiochien,82 Marcell von Ancyra83 und dann auch Athanasius geht Konstantin so vor: Die Synode von Tyrus setzt ihn ab, dann schickt der Kaiser ihn ins Exil nach Trier.84

V Die Exilierungen von Bischöfen oder anderen Klerikern nahm im Rahmen der immer enger werdenden Verflechtung von Kirche und Reich im Zusammenhang der häufig sehr kontrovers diskutierten Lehrentwicklungen der alten Kirche seit der konstantinischen Wende massiv zu. Die Frage, die sich im Zusammenhang der Edition und vor allem Kommentierung der überlieferten Dokumente des »arianischen Streites« immer häufiger gestellt hat, ist: Was passiert, wenn ein Bischof auf kaiserlichen Befehl ins Exil geschickt wird? Nach welchen Regeln laufen diese Prozesse eigentlich ab? Gab es überhaupt Regeln? Hier folgen nur ein paar Beobachtungen, die sich durch farbige Einzelheiten aus den überlieferten Briefen noch anreichern ließen. Die Literatur lässt einen zu dieser Frage bisher ziemlich im Stich.85 Exilierungen/Verbannungen als Strafe sind in der alten Welt natürlich nicht unbekannt.86 81 Die Absetzungen z. B. Novatians oder Paulus’ von Samosata oder die Trennung Marcions von der römischen Gemeinde hatten immer zu Schismata geführt. 82 AW III 3, Dok. 35.2. 83 AW III 3, Dok. 40. 84 Zur Synode von Tyrus vgl. Girardet, Kaisergericht und Bischofsgericht, 52–105; Georges, Der Bischof von Alexandrien; A. Müller, Athanasius und die Melitianer. 85 Im Reallexikon für Antike und Christentum heißt es beim Lemma »Exil« (Band 6 [1966], 1257) s. »Verbannung« . Nun ist kaum vorstellbar, dass ich diesen Artikel, dessen Verfasser vermutlich noch nicht geboren ist, noch erleben werde. Die Rechtshistoriker haben den Sonderfall der exilierten Bischöfe kaum im Blick. Grasmück, Exilium, war ausweislich des Vorwortes als Vorarbeit zu einer Untersuchung über die Verbannungen in der Alten Kirche gedacht. Leider hat der Verfasser seine Untersuchungen nicht fortsetzen können. Im Jahre 2005 hat in Paris ein Symposion zu Thema der Exilierung von Bischöfen in der Spätantike stattgefunden, dessen Beiträge 2008 erschienen sind: Blaudeau, Exil et relégation. Es geht bei den Beiträgen aber eher um Einzelschicksale. Im Moment beginnt an den Universitäten Sheffield, Aarhus und Halle dazu ein Forschungsprojekt: The Migration of Faith: Clerical Exile in Late Antiquity (http://www.hrionline.ac.uk/sites/clericalexile/). 86 Kleinfeller, Exilium; Grasmück, Exilium, 11–14.62–109; Gamauf, Exilium.

32 | Brennecke In der Kaiserzeit (alles Frühere soll hier übergangen werden) ist Exilierung eine auf die Oberschicht, die honestiores, meist beschränkte Strafmaßnahme, für die prinzipiell der Kaiser zuständig war, wie überhaupt für die Judikative, die gelegentlich auch an einen Caesar, die Provinzstatthalter oder den praefectus urbi delegiert werden konnte. Grundsätzlich gab es zwei unterschiedliche Formen: Die deportatio87 ersetzt meist die Kapitalstrafe und wurde meist lebenslang verhängt. Folge war der Verlust von Bürgerrecht und Vermögen. Die relegatio88 war die mildere Form, die bei politischen Fällen oder Amtsmissbrauch zur Anwendung kam. Die relegatio war die typische Standesstrafe für Angehörige der Oberschicht, die honestiores. Sie hatte keinen Ehr- und Vermögensverlust zur Folge und konnte durchaus zeitlich limitiert sein. Ein bestimmter Aufenthaltsort konnte, musste aber nicht vorgeschrieben sein. Deportatio und relegatio konnten grundsätzlich nur durch kaiserlichen Gnadenerlass aufgehoben werden. Eine Aufhebung geschah aber nicht automatisch bei einem Kaiserwechsel. Bei den Exilierungen christlicher Kleriker fällt nun aber auf: Dem nach unserer Kenntnis in nahezu allen Fällen vom Kaiser verhängten Exil89 gehen immer Absetzung und Exkommunikation durch eine Synode voran (aus dem vierten Jahrhundert ist m.W. keine Ausnahme überliefert). Synode ist hier zur institutionellen Ebene zwischen Kaiser und Kirche auch in der Judikative geworden. Vom Kaiser verhängte Exilierungen von Bischöfen und anderen Klerikern scheinen, soweit das erkennbar ist, meist als relegatio geschehen zu sein, was wohl auch als Hinweis auf den inzwischen erreichten gesellschaftlichen Status der Bischöfe angesehen werden kann: Sie werden als honestiores behandelt. In nur wenigen Jahren nach 324 ist so eine rasante Entwicklung einer engen Verknüpfung zwischen Synodalgewalt und kaiserlicher Judikative zu beobachten. Angesichts der festen Verbindung aller Exilierungen von Bischöfen (aus welchen Gründen oder welchen vorgeschobenen Gründen auch immer) mit der Institution »Synode« stellt sich die Frage nach der Funktion der Synoden seit und vor allem dann nach Konstantin.

87 Kleinfeller, Deportatio in Insulam; Schiemann, Deportatio. 88 Kleinfeller, Relegatio; Végh, Relegatio. 89 Eine Ausnahme bildet die Verbannung des Hilarius von Poitiers im Anschluss an die Synode von Béziers im Jahre 356. Hilarius wurde aufgrund der Absetzung durch die Synode vom Caesar Julian in Vertretung des Kaisers exiliert; vgl. AW III 4, Dok. 62.2, das Audienzgesuch des Hilarius von Poitiers an Kaiser Constantius II. (Ad Constantium), 2.

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VI Als der Kaiser nach Empfang der Taufe am 22. Mai 337 gestorben war,90 blieb die Nachfolgeregelung zunächst unklar. In einem längeren Prozess, bei dem es zur Ermordung einer ganzen Reihe von Mitgliedern der Konstantinischen Dynastie kam, folgten ihm seine drei überlebenden Söhne Konstantin, Constantius und Constans in der Herrschaft nach91 . Wie konnten nun aber drei Kaiser in der Kirche die Rolle des bisher einen Kaisers einnehmen, noch dazu angesichts der Tatsache, dass die von dem inzwischen greisen Euseb zu Beginn seines Enkomions auf Konstantin beschworene ὁμόνοια der kaiserlichen Brüder ein frommer Wunsch des greisen Bischofs bleiben sollte.92 Wie sollte bei mehreren Kaisern die Synode die Aufgabe eines institutionellen Bindegliedes zwischen Kaiser und Kirche erfüllen? Für die Kirche des Ostens begann die Dreikaiserherrschaft mit einer Überraschung. Noch bevor die Brüder als Augusti proklamiert worden waren, ließ Konstantin II. aus eigener Machtvollkommenheit im Rahmen seines traditionellen Amnestierechtes Athanasius nach Alexandrien zurückkehren93 . Ganz wohl scheint ihm dabei aber nicht gewesen zu sein. In dem Brief des abendländischen Kaisers an die Kirche von Alexandrien begründet er das mit dem angeblich sehnlichen Wunsch seines verstorbenen Vaters: Obwohl auch unser Herr, Constantinus Augustus, mein Vater, wegen eurer hochgeliebten Frömmigkeit entschieden hatte, den Bischof seinem eigenen Gebiet zurückzugeben, er aber zur Ruhe ging – hinweggenommen durch das menschliche Los –, bevor er seinen Wunsch erfüllen konnte, hielt ich es für folgerichtig, die Absicht des Kaisers göttlichen Angedenkens als dessen Nachfolger zu erfüllen. Wenn ihr ihn sehen werdet, werdet ihr erfahren, welcher Verehrung er (in Trier) begegnet ist. Es ist nämlich nicht weiter verwunderlich, wenn ich etwas für ihn getan habe. Denn das Bild eurer Sehnsucht nach ihm und die Gestalt eines so bedeutenden Mannes haben meine Seele dahin geführt und geleitet. Die göttliche Vorsehung möge euch schützen, geliebte Brüder!94

90 Eus., v. C. IV 64; vgl. Barnes, The New Empire, 80; Seeck, Regesten, 184. 91 Brandt, Konstantin der Große, 150–155. 92 Eus., v. C. I 1,3. Den Krieg zwischen Konstantin II. und Constans, der Konstantin das Leben kostete und Constans 340 zum Herrscher des Westens machte, hat Euseb aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr erlebt, er ist vermutlich 339/340 verstorben; die »vita Constantini« ist von Euseb nicht mehr ganz fertiggestellt worden; vgl. Winkelmann, Über das Leben Kaiser Konstantins, Einleitung; Winkelmann, Euseb von Kaisareia, 146–156. 93 Nach Ath., h. Ar. 8,1 handelte es sich dabei um einen Beschluss aller drei Kaiser. Zur Frage der Glaubwürdigkeit dieser Behauptung des Athanasius vgl. Portmann, Athanasius, Zwei Schriften gegen die Arianer, 199 mit Anm. 48. 94 Ath., apol. sec. 87,6 f. (166,20–27 Opitz): τοιγαροῦν εἰ καὶ τὰ μάλιστα πρὸς τὴν προσφιλεστάτην ὑμῶν θεοσέβειαν ὁ δεσπότης ἡμῶν Κωνσταντῖνος ὁ Σεβαστός, ὁ ἐμὸς πατήρ, τὸν αὐτὸν ἐπίσκοπον τῷ ἰδίῳ τόπῳ παρασχεῖν προῄρητο, ὅμως ἐπειδὴ ἀνθρωπίνῳ κλήρῳ προληφθεὶς πρὸ τοῦ τὴν εὐχὴν πληρῶσαι ἀνεπαύσατο, ἀκόλουθον ἡγησάμην τὴν προαίρεσιν τοῦ τῆς θείας μνήμης βασιλέως διαδεξάμενος

34 | Brennecke Die Rückkehr des Athanasius nach Alexandrien erscheint hier gleichsam als ein Vermächtnis des verstorbenen Kaisers. Athanasius kehrte 338 auf Befehl des neuen Kaisers über den Westen aus dem Exil zurück, ohne vorher von einer Synode rehabilitiert worden zu sein! Das hatte Konstantin so nie getan. Eine ägyptische Synode, die nach der Rückkehr des Athanasius unter seiner Leitung stattfand, hatte Athanasius von allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen.95 Ob Ägypten das Urteil der Synode von Tyrus überhaupt anerkannt hatte, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Für die Teilnehmer der Synode von Tyrus wie überhaupt die Parteigänger Eusebs von Nikomedien galt das Urteil von Tyrus natürlich weiter. Die Bischöfe, die hinter dem Urteil von Tyrus gegen Athanasius standen, waren nun nicht bereit, diese Regelverletzung, nämlich die eigenmächtige Aufhebung des Synodalurteils von Tyrus durch den neuen Augustus, zu akzeptieren. Sie bestritten ihm also sein traditionelles Amnestierecht! Ihr Protest, im Regest bei dem Kirchenhistoriker Sozomenus überliefert, richtet sich vor allem dagegen, dass Athanasius ohne den Beschluss einer Synode hatte zurückkehren dürfen: »Eusebius nämlich und seine Freunde versuchten ihn eifernd beim Kaiser (Constantius) als Aufrührer96 zu verleumden, der entgegen den kirchlichen Gesetzen sich selbst ohne bischöfliche Bestätigung die Rückkehr angemaßt habe«.97 Die vorsichtige Formulierung der Bischöfe um Euseb erweckt nach dem Referat des Sozomenus den Eindruck, sie seien der Meinung gewesen, Athanasius sei aus eigenem Entschluss nach Alexandrien zurückgekehrt. Offenbar wollten sie gegenüber Constantius nicht den älteren Augustus offen kritisieren. Aber selbstverständlich war es nicht Athanasius, sondern Konstantin II., der in ihren Augen παρὰ τοὺς νόμους τῆς ἐκκλησίας gehandelt hatte. Er hatte nicht das Recht, das Urteil einer Synode einfach aufzuheben! Der Kaiser ist an die Beschlüsse der Synode gebunden, sein eigenmächtiges Handeln ist παρὰ τοὺς νόμους τῆς ἐκκλησίας. Die komplizierte Überlieferungslage sowohl der Geschichte des Athanasius als auch des arianischen Streites der Jahre 338–340 ist hier nicht im einzelnen nachzuzeich-

πληρῶσαι. ὅστις ἐπειδὰν τῆς ὑμετέρας τύχοι προσόψεως, ὅσης αἰδοῦς τετύχηκε, γνώσεσθε. οὐ γὰρ θαυμαστόν, εἴ τι δ’ ἂν ὑπὲρ αὐτοῦ πεποίηκα· καὶ γὰρ τὴν ἐμὴν ψυχὴν ἥτε τοῦ ὑμετέρου πόθου εἰκὼν καὶ τὸ τοῦ τηλικούτου ἀνδρὸς σχῆμα εἰς τοῦτο ἐκίνει καὶ προέτρεπεν. ἡ θεία πρόνοια ὑμᾶς διαφυλάξει, ἀγαπητοὶ ἀδελφοί. Übersetzung nach Portmann, Athanasius, Zwei Schriften gegen die Arianer, 186. Der Brief ist außerdem zitiert in Ath., h. Ar. 8,2, wo er aber in der handschriftlichen Überlieferung wegen der Zitierung in der apologia secunda weggelassen wurde. Von Athanasius abhängig bieten den Brief auch Socr., h. e. II 3,1–4; Soz., h. e. III 2,3–6 und Theod., h. e. II 2,1–4. Der Brief ist auf den 17. Juni (337) datiert. Konstantin II. hat diesen Brief nach der Überschrift noch als Caesar abgefasst, die Ernennung zum Augustus erfolgte am 9. September 337; Seeck, Regesten, 184. 95 Der lange Synodalbrief bei Ath., apol. sec. 3–19. 96 Vgl. Can. 5 der Synode von Antiochien, oben Anm. 79. 97 Soz., h. e. III 2,8 (Bidez/Hansen, 103,14–16): οἱ γὰρ ἀμφὶ τὸν Εὐσέβιον σπουδῇ πρὸς βασιλέα διέβαλλον αὐτὸν ὡς στασιώδη καὶ παρὰ τοὺς νόμους τῆς ἐκκλησίας ἑαυτῷ τὴν κάθοδον ἐπιτρέψαντα δίχα κρίσεως ἐπισκόπων.

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nen.98 Wichtig ist, dass die orientalischen Bischöfe die Aufhebung ihres Synodalurteils durch den oder die neuen Kaiser als illegal ansehen. Die ägyptische Kirche und natürlich Athanasius selbst, hinter den sich dann bald Julius von Rom stellen sollte, anerkannten, wie die ägyptische Synode 338 deutlich gemacht hatte, das Urteil der Synode von Tyrus nicht (oder nicht mehr) an. Und außerdem griff Konstantin II. hier als Kaiser des Westens sehr eigenmächtig und offensichtlich ohne Absprache mit seinem Bruder Constantius, dem Kaiser über den Osten, in eine Angelegenheiten der östlichen Kirche ein. Konstantin II. hatte Athanasius begnadigt und nach Alexandrien zurückkehren lassen. Seine etwas gewundene Argumentation in seinem Brief an die Alexandriner, dies als Vermächtnis des verstorbenen Kaisers erscheinen zu lassen, macht deutlich, dass ihm durchaus bewusst war, hier geltende Regeln verletzt zu haben. Constantius als Herrscher über den Osten hatte die Entscheidung seines Bruders, des ranghöchsten Augustus,99 im Moment akzeptieren müssen. Die Tatsache, dass Athanasius nicht von einer Synode des Ostens rehabilitiert worden war (dazu kamen manche andere Vorwürfe), führt schon 339 zur erneuten Vertreibung und Flucht des Athanasius nach Rom, mit der der Bischof von Alexandrien einer erneuten Verurteilung zuvorkam.100 Mit dem Tode Konstantins II. 340 im Kampf gegen seinen jüngsten Bruder Constans101 ändert sich die Lage: Zwei Augusti regieren nun das Reich.102 Die abendländische Kirche hatte unter Führung des römischen Bischofs sich inzwischen die Sicht des Athanasius weitgehend zu eigen gemacht und erkannte die Verurteilung von Athanasius und von Marcell von Ancyra, die beide nach Rom geflohen waren, nicht an,103 während der Osten auf dem Urteil der Synoden, die Athanasius und Marcell verurteilt hatten, beharrte.104 Für den Westen dagegen sind die Gegner des Athanasius einfach arianische Häretiker, deren Beschlüsse grundsätzlich nichtig sind.105 Die abendländi-

98 Vgl. Tetz, Athanasius von Alexandrien, 377 f.; Barnes, Athanasius and Constantius, 34–62, vgl. Anm. 29; Ritter, Arius/Arianismus, 708 f.; Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 239–314. 99 Konstantin II. war der älteste der drei überlebenden Söhne Konstantins (geboren wahrscheinlich 316) und schon 317 zum Caesar ernannt worden. Nach seiner Erhebung zum Augustus über den Westen hatte er wohl auch die Oberaufsicht über Constans und seinen Herrschaftsbereich; vgl. Kienast, Römische Kaisertabellen, 310 f. Zum Ehrenvorrang Konstantins vor seinen Brüdern vgl. Moreau, Constantinus II.; Bleckmann, Constantinus II. 100 Tetz, Athanasius von Alexandrien, 337–339; Barnes, Athanasius and Constantius, 47–55. 101 Demandt, Die Spätantike, 103–105; Bleckmann, Constans. 102 Constans herrscht über den Westen, Constantius II. über den Osten; vgl. Moreau, Constantius II.; Moreau, Constans. Zu Constantius II. vgl. auch Klein, Constantius II. und die christliche Kirche; Barceló, Constantius II. 103 Vgl. die Briefe der westlichen Kirche an den Episkopats des Ostens, AW III 3, Dok. 41.1.6.7.8. 104 Zur Verurteilung Marcells vgl. AW III 3, Dok. 40. 105 D. h. der Westen übernimmt hier einfach die Argumentation des Athanasius gegen eigentlich alle seine Gegner.

36 | Brennecke schen Bischöfe können Kaiser Constans für ihre Sicht und für die Einberufung einer reichsweiten Synode gewinnen.106 Die am Ende desaströs gescheiterte Synode von Serdica (343), von der erstaunlich viele Dokumente überliefert sind107 , zeigt nun deutlich, dass die Institution Synode als institutionelle Ebene zwischen Kaiser und Episkopat angesichts zweier, noch dazu im Grunde um die Alleinherrschaft rivalisierender Kaiser, scheitern musste. Nach der in der Datierung nicht ganz sicheren Überlieferung haben einige abendländische Bischöfe etwa seit 340 intensiv mit Constans die Einberufung einer reichsweiten Synode betrieben. Athanasius hat später seine Beteiligung an diesen Bemühungen gegenüber Constantius etwas herunterzuspielen versucht.108 Die in Antiochien zu einer Synode versammelten Vertreter des östlichen Episkopats haben diese Synode zu verhindern versucht, indem eine Delegation nach Trier zu Kaiser Constans aufbrach und ihn davon zu überzeugen suchte, dass der Vorwurf des Arianismus haltlos, eine große Reichssynode also nicht nötig sei.109 Das Unternehmen hatte keinerlei Erfolg,110 343 beriefen dann beide Kaiser zusammen eine Synode nach Serdica (Sofia) im Reichsteil des Constans aber an der Grenze zum Ostreich ein, die neben anderen Problemen vor allem die leidigen Personalfragen behandeln sollte.111 Als die Bischöfe aus dem Osten ankamen, hatten die eher erschienenen Abendländer112 bereits Fakten geschaffen und Athanasius und Marcell demonstrativ von allen Vorwürfen rehabilitiert und in ihre Gemeinschaft aufgenommen.113 Die Folge war eine Spaltung der Synode in zwei Teilsynoden, die sich gegenseitig exkommunizierten.114 Hier ging es nicht mehr um einzelne Absetzungen und Exkommunikationen, sondern um ein Schisma, eine Kirchenspaltung zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens. In den erhaltenen sehr langen Rundbriefen der beiden Teilsynoden kann man die gegenseitige Verbitterung deutlich spüren.115 Interessant ist nun die Rolle der beiden Kaiser angesichts dieses Desasters. Natürlich waren die Absetzungsurteile der beiden

106 Zur Vorgeschichte vgl. AW III 3, Dok. 43 Einleitung. 107 AW III 3, Dok. 43.1–13. 108 AW III 3, Dok. 43 Einleitung. Zu Athanasius’ Versuch, seine Aktivitäten für die Einberufung einer Synode herunterzuspielen vgl. Ath., apol. Const. 2–5; vgl. AW II 8, 279 Anmerkung. 109 Zur theologischen Argumentation der östlichen Bischöfe gegen den Vorwurf des Arianismus vgl. die 4. antiochenische Formel, AW III 3, Dok. 42. 110 Vgl. die Klagen der östlichen Bischöfe in ihrem Rundbrief von Serdica, AW III 3, Dok. 43.11,28 und Soz., h. e. III 10,6. 111 AW III 3, Dok. 43 Einleitung. Zur von den Kaisern vorgeschriebenen Tagesordnung vgl. den bei Hil., coll. antiar. B II 2–4 überlieferten Brief der westlichen Teilsynode von Serdica an Julius von Rom (= AW III 3, Dok. 43.5,3). 112 Abendländer und Orientalen sind hier nicht im strikten reichspolitischen Sinn zu verstehen, sondern eher als theologische Optionen, vgl. Dok. 43 Einleitung. 113 Ebenda. 114 Ebenda. 115 AW III 3, Dok. 43.1.11.

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Teilsynoden, die sich ja je auf den anderen Reichsteil bezogen, nicht exekutierbar, auch nicht durch die beiden Kaiser. Jeder der beiden Kaiser stellt sich aber nun ganz und gar hinter die Beschlüsse »seiner« Synode. Das hatte nun zur Folge, dass keiner der beiden Kaiser die Beschlüsse »seiner« Synode gegen die jeweils andere Teilsynode durchsetzen konnte. Constantius verbietet unter massiver Strafandrohung den von der westlichen Synode gegen die Beschlüsse der östlichen rehabilitierten Bischöfen die Rückkehr.116 Constans dagegen versucht, die Beschlüsse »seiner« westlichen Synode nun auch gegen seinen Bruder in dessen Reichsteil durchzusetzen.117 Eine abendländische Bischofsdelegation kommt 344 nach Antiochien und verlangt von Constantius im Namen der (westlichen) Synode von Serdica die Durchsetzung ihrer Beschlüsse, vor allem natürlich die Wiedereinsetzung von Athanasius und Marcell118 . Begleitet wird die Delegation vom magister militum Flavius Salia, dem höchsten militärischen Beamten des Westreiches, der auch Briefe von Constans an seinen Bruder mitbrachte, die aber nicht überliefert sind. In dieser heiklen Situation kam es zu einem Eklat, als man in das Quartier der abendländischen Delegation eine Prostituierte einschmuggeln wollte, um die ganze Aktion der Abendländer zu desavouieren.119 Der antiochenische Bischof Stephan scheint in diese Intrige verwickelt gewesen zu sein.120 Obwohl hier eindeutig ein Kriminalfall vorlag, muss auch er von einer schnell zusammengerufenen Synode erst abgesetzt werden, bevor der Kaiser radikal gegen die Schuldigen vorging: »Nachdem man auf solche Weise die Schlechtigkeit des Stephanus erfahren hatte, wies man die gerade anwesenden Bischöfe an, ihn abzusetzen und vertrieb ihn aus der Kirche«121 . Im Zusammenhang der Schadensbegrenzungsversuche nach dem Scheitern der Synode von Serdica ist aus theologischen Gründen 345 und 347 Photin von Sirmium abgesetzt und exkommuniziert worden. »Wegen der Parteinahme des Volkes«, so die Überlieferung, konnten diese Synodalbeschlüsse auch von Kaiser Constans nicht durchgeführt werden.122 Allerdings ist zu vermuten, dass weder der Kirche des Westens noch dem Kaiser an der Absetzung Photins so sehr viel gelegen war. Eine formale Ver116 Brennecke, Hilarius von Poitiers, 46–64. 117 Ebenda. Constans war als Herrscher über das Abendland in dieser Situation politisch stärker als sein Bruder, dessen Herrschaftsgebiet permanent durch die Perser im Osten bedroht wurde. 118 Der Brief der Synode an Constantius ist unter den Werken des Hilarius v. Poitiers überliefert als »Liber primus ad Constantium«; Brennecke, Hilarius von Poitiers, 48–52. 260 f. 119 Ath., h. Ar. 20; Thdt., h. e. II 8,53–10,3; Brennecke, Hilarius von Poitiers, 52 f. 120 Ath., h. Ar. 20,3; Thdt., h. e. II 10,1–3. 121 Thdt., h. e. II 10,2 (Parmentier/Hansen, 121,20–22): Οὕτω τοῦ Στεφάνου τὴν πονηρίαν μεμαθηκότες, τοῖς τηνικαῦτα παροῦσι τῶν ἐπισκόπων καθελεῖν τοῦτον ἐπέτρεψαν καὶ τῆς ἐκκλησίας ἐξήλασαν. Ath., h. Ar. 20,5 berichtet auch von der Absetzung des Stephanus, macht aber nicht deutlich, dass es sich dabei um eine Synode von Bischöfen gehandelt hat, die Stephanus absetzte. 122 AW III 4, Dok. 45 f. Dass Photin nicht abgesetzt werden konnte, weil die Kirche von Sirmium zu ihm stand, berichtet Hilarius; vgl. AW III 4, Dok. 45.2 II.

38 | Brennecke urteilung Photins wegen Häresie und ein Absetzungsurteil durch eine Synode scheint aber der Preis für Rückkehr des Athanasius nach Alexandrien gewesen zu sein.123 Nach längeren Verhandlungen konnte Athanasius dann mit Genehmigung des Constantius 346 nach Alexandrien zurückkehren, wo er am 21. Oktober eintraf.124 Die huldvollen Briefe des Kaisers an den allein durch kaiserlichen Gnadenerlass nach Alexandrien zurückgekehrten Athanasius125 können nicht darüber hinweg täuschen, dass Constantius, der hier wohl seinem Bruder nachgegeben hatte, die seit der Herrschaft seines Vaters üblichen Regeln verletzt hatte. Die Folge war, dass der östliche Episkopat diese Rückkehr des Athanasius wiederum als illegal ansah, da er nicht nur nie die Beschlüsse der Synode von Tyrus gegen Athanasius aufgehoben, sondern in Serdica noch einmal ausdrücklich bekräftigt hatte.126 Bei Änderung der politischen Lage musste das für Athanasius gefährlich werden. Wahrscheinlich im Jahr 352127 setzt in einem rechtlich zweifellos fragwürdigen Verfahren wieder eine antiochenische Synode Athanasius ab und ordiniert den Kappadokier Georg zu seinem Nachfolger. Der im Regest bei Sozomenus überlieferte Synodalbrief betont, dass Athanasius παρὰ τοὺς νόμους τῆς ἐκκλησίας nach Alexandrien zurückgekehrt war, ohne von einer Synode vorher rehabilitiert worden zu sein. Sozomenus überliefert eine Paraphrase ihres Beschlusses, die seine Beurteilung deutlich erkennen lässt: Vor allem beschuldigten sie Athanasius, den sie so unmäßig haßten, daß sie nicht einmal zu der Zeit ihre Feindschaft aufgaben, als Constans noch lebte und Constantius Athanasius zu schützen vorgab, sondern, in Antiochien zusammengekommen – Narcissus aus Kilikien, Theodor aus Thrakien, Eugenius von Nicaea, Patrophilus von Skythopolis, Menophantus von Ephesus und andere, zusammen etwa dreißig –, den Bischöfen in aller Welt schrieben, Athanasius sei gegen die Bestimmungen der Kirche nach Alexandrien zurückgekehrt, nicht auf einer Synode als unschuldig erwiesen, sondern durch den Machtwillen der Gleichgesinnten. Ihre Forderung war, mit ihm weder Gemeinschaft noch Briefwechsel zu pflegen, sondern mit dem von ihnen ordinierten Georg.128

123 Vgl. das Desinteresse Valentinians I. an einer Absetzung des vielfach durch Synoden abgesetzten Auxentius von Mailand in den sechziger Jahren des vierten Jahrhunderts; vgl. Hilarius von Poitiers, c. Aux. (PL 10, 609–618). 124 Das genaue Datum bietet Hist. Ath. 1; dazu Brennecke, Hilarius von Poitiers, 61–64. 125 Die drei Briefe des Kaisers (Ath., apol. sec. 51,2–4.5.6–8) erwähnen keine Rehabilitierung des Athanasius durch eine Synode. Die Erlaubnis zur Rückkehr nach Alexandrien erscheint ausschließlich als Gnadenakt des Kaisers bzw. beider Kaiser. 126 AW III 3, Dok. 43.11,25.29. 127 AW III 4, Dok. 50 Einleitung. Zur Begründung der Datierung vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 108–123. Barnes, Athanasius and Constantius, 94–100, datiert die Synode in das Jahr 349. 128 Soz., h. e. IV 8,4 (Bidez/Hansen, 147,19–148,1): μάλιστα δὲ ἐν αἰτίᾳ ἐποιοῦντο Ἀθανάσιον· οἵ γε ὑπερβολῇ τοῦ περὶ αὐτὸν μίσους οὐδὲ Κώνσταντος περιόντος καὶ Κωνσταντίου φιλεῖν αὐτὸν προσποιουμένουτῆς ἀπεχθείας ἀπέσχοντο, ἀλλὰ συνελθόντες ἐν Ἀντιοχείᾳ Νάρκισσός τε ὁ Κίλιξ καὶ Θεόδωρος ὁ Θρᾷξ καὶ Εὐγένιος ὁ Νικαεὺς καὶ Πατρόφιλος ὁ Σκυθοπολίτης καὶ Μηνόφαντος ὁ Ἐφέσιος καὶ ἄλλοι ἀμφὶ τριάκοντα οἱ πάντες ἔγραψαν τοῖς πανταχοῦ ἐπισκόποις, ὡς παρὰ τοὺς νόμους τῆς

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Kaiser Constantius hatte also, so die Synodalen, παρὰ τοὺς νόμους τῆς ἐκκλησίας gehandelt, als er Athanasius die Rückkehr erlaubte. Im Unterschied zur Kritik des östlichen Episkopats gegen die Rückkehr des Athanasius 338 richtet sich ihr Protest nun gegen den »eigenen« Kaiser der östlichen Reichshälfte. Der Beschluss mitsamt den Akten wurde übrigens vermutlich auch nach Rom geschickt, wo inzwischen Liberius nach dem Tod Julius die cathedra Petri bestiegen hatte.129 Die Vorstellung von einer totalen Unterwerfung der Kirche des Ostens unter den Willen des Constantius scheint doch revisionsbedürftig zu sein.130 Durch seinen Sieg über den Usurpator Magnentius war Constantius ab 353 noch einmal für fast ein Jahrzehnt Alleinherrscher über das Imperium Romanum.131 Auffällig ist, wie er sich gerade als Alleinherrscher bemühte, formal immer die Rechte der Synoden zu wahren, auch wenn er ihnen – wie aber alle spätantiken Herrscher – seinen Willen durchaus aufzwingen konnte. Als Constantius nach dem Sieg über Magnentius meinte, neue Beweise für die Illoyalität des Athanasius, ja sogar Konspiration mit Magnentius in der Hand zu haben,132 geht er auch nicht direkt mit einem Kriminalprozess gegen ihn vor, sondern werden 353 in Arles und 355 in Mailand Synoden des abendländischen Episkopats von Constantius einberufen, die Athanasius verurteilen (müssen).133 Erst danach ergeht ein bei verschiedenen Autoren bezeugtes Edikt gegen gegen Athanasius.134 Auffällig ist, wie sehr sich der Kaiser um die Zustimmung der abendländischen Bischöfe, vor allem des hoch angesehenen Bischofs Euseb von Vercell135 und dann des römischen Bischof Liberius bemüht.136 Wer allerdings das Urteil gegen Athanasius verweigert, wird ebenfalls abgesetzt und dann ins Exil in den Osten geschickt.137 Dies trifft nun auch Bischöfe, die nicht auf der Synode waren, sondern hinterher zur Unterschrift

ἐκκλησίας ἐπανῆλθεν εἰς Ἀλεξάνδρειαν, οὐκ ἀναίτιος φανεὶς ἐπὶ συνόδου, ἀλλὰ φιλονικίᾳ τῶν τὰ αὐτὰ φρονούντων· καὶ παρεκελεύοντο μήτε κοινωνεῖν αὐτῷ μήτε γράφειν, ἀλλὰ Γεωργίῳ τῷ πρὸς αὐτῶν κεχειροτονημένῳ. Die deutsche Übersetzung nach Hansen, Sozomenos, II 451. 129 AW III 4, Dok. 50.1,3. Am 17. Mai 352 war Liberius zum Nachfolger von Julius gewählt worden; vgl. Dok. 50 Einleitung. 130 Vgl. dagegen die Position von Berkhof, Kirche und Kaiser. Die Originalausgabe in holländischer Sprache erschien 1946 in Amsterdam. Berkhof hatte nach dem Zweiten Weltkrieg gerade auch in Deutschland viel Zustimmung gefunden. 131 Barceló, Constantius II. 92–107. 132 Zu den Vorwürfen vgl. Ath., apol. Const. 6–13. 133 AW III 4, Dok. 50; vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 133–198; Barnes, Athanasius and Constantius, 109–120. 134 AW III 4, Dok. 50.2,3. Das Edikt wird von verschiedenen zeitgenössischen Autoren erwähnt; vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 188–192. 135 AW III 4, Dok. 50.3 Einleitung. 136 AW III 4, Dok. 50.2 Einleitung. 137 AW III 4, Dok. 50.2.

40 | Brennecke aufgefordert wurden wie Liberius von Rom.138 Die Verweigerer einer Unterschrift unter die Synodalbeschlüsse gelten als von der Synode abgesetzt und exkommuniziert. Nach Theodor Mommsen ist am 23. September 355, also im unmittelbaren Kontext mit der Synode, in Mailand ein Edikt erlassen worden, in dem die seit Konstantin übliche Praxis beim Vorgehen gegen Kleriker nun eindeutig gesetzlich definiert wird: Gegen amtierende Bischöfe darf die weltliche Gerichtsbarkeit nicht vorgehen, sondern erst, wenn sie durch ein kirchliches Gericht, also eine Synode abgesetzt sind: Durch ein Gesetz unserer Milde verbieten wir, daß Bischöfe von weltlichen Gerichten angeklagt werden, damit man angesichts ihrer Privilegien nicht meint, daß fanatische Geister die Möglichkeit haben, sie hemmungslos anzuklagen. Wenn es also eine Klage gibt, was immer jemand vorbringt, so ist es fraglos notwendig, daß der Fall von anderen Bischöfen untersucht wird, damit eine für alle geeignete und angemessene Anhörung hinsichtlich der Fragen ermöglicht wird. […] Interpretatio: Insbesondere ist verboten, daß irgendjemand es wagt, einen Bischof vor weltlichen Richtern anzuklagen, sondern er soll nicht zögern, einer Anhörung der Bischöfe vorzutragen, was immer ihm für die Angelegenheit angemessen erscheint, weil das, was er gegen einen Bischof vorbringt, von einem Gericht anderer Bischöfe entschieden werden muß.139

Dieses Vorgehen kann man dann bis zum Ende der Herschaft des Constantius bei den vielen Synoden bis 361 beobachten. Dass die Forderung des Episkopats, dass einer kaiserlichen Erlaubnis zur Rückkehr aus dem Exil eine synodale Aufhebung der Exkommunikation und Absetzung vorangegangen sein muss, in gewisser Weise nachvollziehbar ist, wird deutlich, wenn man an das Chaos denkt, das Julian sehr bewusst in den Kirchen veranstaltet hat, als er allen Exilierten zunächst die Rückkehr gestattete. Er machte hier von seinem traditionellen Amnestierecht Gebrauch, ohne Synoden einzuschalten. Plötzlich gab es an vielen Orten mindestens zwei miteinander rivalisierende Bischöfe samt Anhang und daraus entstandene Schismata.140 Bei den Versuchen des Constantius, die Kirche des Reiches auch in der Lehre unter einem Glaubensbekenntnis zu einen, spielen Synoden als Institution zwischen Kaiser und Episkopat eine besondere Rolle.

138 Brennecke, Hilarius von Poitiers, 192–196. 139 C.Th. XVI 2,12 (838 Mommsen): »Mansuetudinis nostrae lege prohibemus in iudiciis episcopos accusari, ne, dum adfutura ipsorum beneficio inpunitas aestimatur, libera sit ad arguendos eos animis furialibus copia. Si quid est igitur querellarum, quod quispiam defert, apud alios potissimum episcopos convenit explorari, ut opportuna adque commoda cunctorum quaestionibus audientia commodetur. […] Interpretatio: Specialiter prohibetur, ne quis audeat apud iudices publicos episcopum accusare, sed in episcoporum audientiam perferre non differat, quicquit sibi pro qualitate negotii putat posse competere, ut in episcoporum aliorum iudicio, quae adserit contra episcopum, debeant definiri«; vgl. auch Mommsen/Rougé/Delmaire/Richard, Les lois religieuses, 142–145. Zur Datierung Mommsen, Theodosiani libri XVI, 838; Seeck, Regesten, 201. 140 Jul., ep. 46 (28 Weis) an Aëtius; Amm. XXII 5,3; Socr., h. e. III 1,48; Soz., h. e. V 5,1; Philost., h. e. VI 7; h. e. VII 4; Thdt., h. e. III 4; vgl. Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 96–107.

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357 beruft Constantius einige Bischöfe seines Vertrauens nach Sirmium mit dem Auftrag, eine tragfähige Grundlage für eine Wiederherstellung der Glaubenseinheit von Ost und West zu formulieren. Im Grunde schafft er sich hier ad hoc eine kleine Kommission zur Vorbereitung der Wiederherstellung der Einheit der Kirchen von Ost und West. Aber diese handverlesene kleine Kommission agiert formal als Synode. Dass diese Kommission aus Vertretern der von Athanasius immer als »arianisch« diskriminierten Theologie bestand, die bekanntlich das Vertrauen des Kaisers hatten, wird kaum verwundern. Das Ergebnis der Beratungen dieser Kommission war die »Zweite sirmische Formel«141 , die nun allerdings das Gegenteil bewirkte und – wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen – sowohl im Westen wie im Osten abgelehnt wurde.142 Als die Kritiker, besonders der vom Kaiser hoch geschätzte Basilius von Ancyra, beim Kaiser vorstellig werden und gegen diesen Text protestieren, verschwindet der sofort wieder.143 Dem neuen Bischof von Antiochien, Eudoxius, der die »Zweite sirmische Formel« begrüßt hatte, wird vom Kaiser in einem ziemlich ungnädigen Brief, der übrigens an die Kirche von Antiochien und nicht an ihn selbst adressiert ist, klar gemacht, dass er ohne kaiserliche Genehmigung durch eine nicht vom Kaiser autorisierte Synode sich zum Bischof gemacht hatte, sein Bischofsamt somit illegal und nichtig sei144 . In Gegenwart und unter aktiver Beteiligung des Kaisers wird wieder von einer handverlesenen kleinen Kommission, die teilweise personell mit der vorigen identisch war, eine theologische Deklaration als Grundlage für die Einigung der Kirchen aus Ost und West ausgearbeitet, die als die »Vierte sirmische Formel« bezeichnet wird145 . Der Kaiser ist als noch nicht Getaufter dabei aktiv beteiligt, aber formal ist es der Beschluss einer Synode. Dieser Text sollte eine Einigung auf einer großen neuen Reichssynode ermöglichen. Nach umfangreichen Vorbereitungen, in die verschiedene Kreise des Episkopats einbezogen waren, berief Constantius eine Reichssynode getrennt in zwei Synoden des Ostens und des Westens ein.146 Die Abendländer kamen in Rimini,147 die Bischöfe des Ostens dann etwas später im isaurischen Seleukia148 zusammen. In dem erhaltenen Brief an die in Rimini versammelten abendländischen Bischöfe verbot Constantius ausdrücklich, in den Angelegenheiten je der anderen Reichshälfte Beschlüsse zu fassen:

141 Hil., syn. 11; eine griechische Übersetzung bietet Ath., syn. 28,2–12 (von ihm abhängig Socr., h. e. II 30,31–41); AW III 4, Dok. 51. 142 Vgl. dazu die Einleitung zu Dok. 51. 143 AW III 4, Dok. 54 und 55. 144 AW III 4, Dok. 56,4. 145 AW III 4, Dok. 57 (Vierte sirmische Synode). Die theologische Erklärung AW III 4, Dok. 57.2. 146 Über die komplizierte Vorgeschichte vgl. AW III 4, Dok. 59 Einleitung. 147 AW III 4, Dok. 59. 148 AW III 4, Dok. 60.

42 | Brennecke Diese Angelegenheit darf den Eifer eures Geistes nicht allzu weit ausweiten; die Vernunft duldet nämlich nicht, daß auf eurer Synode irgendetwas über die Bischöfe aus dem Osten beschlossen wird. Deshalb dürft Ihr nur über das verhandeln, was eure Würde als euch betreffend erkennt, …149

Der Kaiser erfindet hier im Widerspruch zum bisher geltenden Verständnis der Institution Synode gleichsam eine völlig neue Form mit ausdrücklich auf die jeweilige Reichshälfte beschränkter Geltung ihrer Beschlüsse. Erstaunlicherweise ist keinerlei Protest gegen diesen massiven Eingriff in das Selbstverständnis der Kirche überliefert trotz der späteren Ablehnung der Synode von Rimini und ihrer Beschlüsse. Jede Teilsynode sollte am Ende zehn Legaten zu abschließenden Beratungen nach Konstantinopel senden, wo dann die Einheit der Kirche feierlich proklamiert werden sollte.150 Beide Teilsynoden scheiterten zunächst und spalteten sich noch einmal, so dass das ganze Unternehmen der Reichssynode zunächst in vier Teilsynoden zerfiel.151 Wie am Ende unter erheblichem Druck des Kaisers eine scheinbare Einigung gefunden wurde, die nur ein knappes Jahr Bestand hatte und nach dem plötzlichen Tod des Kaisers am 3. November 361152 sofort zerfiel, ist zwar ein höchst spannendes Kapitel der Synodalgeschichte des vierten Jahrhunderts, das hier aber nicht dargestellt werden kann.153 Seit Kaiser Konstantins Eingreifen in das donatistische Schisma in Africa ab 312 hatte sich die ursprünglich rein kirchliche Institution der Synoden zum wichtigsten institutionellen Bindeglied zwischen Kaiser und Episkopat entwickelt mit Verfahrensregeln, die keine Seite einfach negieren konnte. Die Mehrheit der Bischöfe hat dieses neue Verständnis und die neue Rolle der Institution Synode selbstverständlich akzeptiert und auch nicht in Frage gestellt. Wo scheinbar Kritik an dieser Form der Verbindung von Kaiser und Kirche formuliert wird, geht es um Kritik an vermeintlich falschen Entscheidungen des Kaisers.154

149 AW III 4, Dok. 59.1,2: »res ista non debet intentionem animi longius propagare; non enim de Orientalibus episcopis in concilio vestro patitur ratio aliquid definiri. proinde super his tantum, quae ad vos pertinere cognoscit gravitas vestra, …«. 150 Ebenda. 151 Vgl. die Einleitungen zu Dok. 59 und Dok. 60. 152 Seeck, Regesten, 208; Barnes, Athanasius and Constantius, 224. 153 Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 5–56. 154 Anders Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum, der die Kritik der abendländischen Synode von Serdica und anderer Gegner der kirchenpolitischen Entscheidungen des Constantius wie z. B. Ossius von Cordoba, Liberius, Hilarius oder Lucifer von Calaris falsch als grundsätzlichen Kampf um die Freiheit der Kirche deutet.

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VII Am 27. Februar 380 erließ der neue Kaiser des Ostens, Theodosius155 , im Namen auch seiner beiden Mitherrscher Gratian und Valentinian in Thessalonike das an das Volk von Konstantinopel adressierte berühmte und in der Forschung unendlich diskutierte Edikt cunctos populos: Es ist unser Wille, daß alle Völker, welche unsere Milde regiert, in dem Glauben leben, den der Apostel Petrus die Römer gelehrt hat, wie es der von ihm selbst gelehrte Glaube bis heute zeigt, und dem offensichtlich der Pontifex Damasus folgt, sowie der Bischof von Alexandrien, Petrus, ein Mann von apostolischer Heiligkeit. Das heißt, daß wir gemäß der apostolischen Unterweisung und der Lehre der Evangelien an die eine Gottheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist in gleicher Majestät und unter der frommen Trinität glauben. Wir befehlen, daß diejenigen, die diesem Gesetz folgen, die Bezeichnung ›katholische Christen‹ annehmen dürfen, die übrigen aber – die wir als Verrückte und Wahnsinnige betrachten – den Schimpf häretischer Lehre ertragen müssen und ihre Versammlungsstätten nicht den Namen ›Kirche‹ führen dürfen. Sie sollen zuerst der göttlichen Strafe, dann auch der Rache unseres Vorgehens, das wir aus dem göttlichen Urteil empfangen, unterliegen.156

Dieses Edikt, das Volk und Kirche der Hauptstadt vorschrieb, in der Lehre der heiligen Trinität dem römischen Bischof Damasus und dem alexandrinischen Bischof Petrus zu folgen, verdankt seine Prominenz natürlich auch, dass es später an den Anfang des Codex Justinianus gestellt wurde.157 Hat es während der Herrschaft Theodosius’ I. irgendeine Bedeutung besessen? Irgendeine Konsequenz dieses Ediktes ist jedenfalls nicht überliefert. Dieses Edikt war inhaltlich nie von einer Synode beschlossen worden und wäre auch im Osten 380 nie mehrheitsfähig gewesen. Der Kaiser, der die kirchlichen Verhältnisse im Osten zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht wirklich einschätzen konnte, handelt hier ganz aus eigener Machtvollkommenheit. Und ein Jahr später, nach der Synode in Konstantinopel, die wir heute als die Zweite Ökumenische Synode

155 Leppin, Theodosius der Große. 156 C.Th. XVI 1,2 (833 Mommsen): »cunctos populos, quos clementiae nostrae regit temperamentum, in tali volumus religione versari, divinum Petrum Apostolum tradisse Romanis religio usque ad nunc ab ipso insinuata declarat quamque pontificem Damasum sequi claret et Petrum Alexandriae eoiscopum virum apostolicae sanctitatis, hoc est, ut secundum apostolicam disciplinam evangelicamque doctrinam patris et filii et spiritus sancti unam deitatem sub parili maiestate et sub pia trinitate credamus. Hanc legem sequentes Christianorum catholicorum nomen iubemus amplecti, reliquos vero dementes vesanosque iudicantes haeretici dogmatis infamia sustinere necconciliabula eorum ecclesiarum nomen accipere, divina primum vindicta, post etiam motus nostri, quem ex caelesti arbitrio sumserimus, ultione plectendos«. Die deutsche Übersetzung nach Leppin, Theodosius der Große, 71 f. Ebenda eine Interpretation des Textes; vgl. auch Mommsen/Rougé/Delmaire/Richard, Les lois religieuses, 114 f. (Text nach Mommsen, die französische Übersetzung von Jéan Rougé mit Literaturangaben zur Interpretation). 157 C.J. I 1,1.

44 | Brennecke bezeichnen,158 wurde dieses Edikt aufgrund der Beschlüsse der Synode korrigiert. Die Synode von Konstantinopel hatte sich eben gerade nicht die Trinitätslehre in der abendländischen Form zu eigen gemacht.159 Das Gesetz C.Th. XVI 1,3 vom 30. Juli 381 korrigiert das Edikt cunctos populos nicht unwesentlich: Wir befehlen, daß unverzüglich alle Kirchen den Bischöfen zu übergeben sind, die bekennen, daß der Vater und der Sohn und der Heilige Geist eine Würde und Macht und ein und dieselbe Ehre und Herrlichkeit haben und die keinen Mißton durch eine gottlose Trennung verursachen, sondern der Erklärung der Trinität als der einen Gottheit in der Reihung der Personen zustimmen und die in Gemeinschaft verbunden sind mit Nectarius, dem Bischof von Konstantinopel und Timotheus, dem Bischof von Alexandrien in Ägypten, den Bischöfen also, die im Osten in Gemeinschaft stehen mit Pelagius, dem Bischof von Laodicea, Diodor, dem Bischof von Tarsus, in der Provinz Asia proconsularis sowie der Diözese Asiana mit Amphilochius, dem Bischof von Iconium, Optimus, dem Bischof von Antiochien, in der Diöcese Pontica mit Heladius, dem Bischof von Caesarea, Otreius, dem Bischof von Melitene und Gregor, dem Bischof von Nyssa, mit Terennius, dem Bischof in Scythien und Marmarius, dem Bischof von Marcianopolis. Diesen Bischöfen, die in Gemeinschaft mit solchen glaubwürdigen Priestern stehen, muß es erlaubt sein, die katholischen Kirchen einzunehmen. Alle anderen jedoch, die mit den ausdrücklich Genannten nicht in der Gemeinschaft des Glaubens stehen, sollen als überführte Häretiker aus den Kirchen vertrieben werden und es soll ihnen von nun an verwehrt sein, Rechte und Amtsgewalt eines Bischofs auszuüben, damit die Priesterschaft des wahren nicaenischen Glaubens rein bewahrt bleiben möge und nach der klaren Regelung unseres Gesetzes für solche gefährliche List kein Ort mehr bleibt.160

Wenn hier eine ganze Reihe uns durchaus bekannter östlicher Bischöfe als quasi Norm des Glaubens genannt werden, ist das gegenüber dem Edict cunctos populos theologisch eine Wende, nun eben in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Synode von Konstantinopel auf der theologischen Basis der heute so genannten neunizänischen 158 Ritter, Concilium Constantinopolitanum I (381). 159 Ritter, Concilium Constantinopolitanum I (381), 37–54. 160 C.Th. XVI 1,3 (834 Mommsen): »Episcopis tradi omnes ecclesias mox iubemus, qui unius maiestatis adque virtutis patrem et filium et spiritum sanctum corfitentur eiusdem gloriae, claritatis unius, nihil dissonum profana divisione facientes, sed trinitatis ordinem personarum adsertione et divinitatis unitate, quos constabit communioni Nectari episc(opi) Constantinopolitanae ecclesiae nec non Timothei intra Aegyptum Alexandrinae urbis episcopi esse sociatos; quos etiam in Orientis partibus Pelagio episcopo Laodicensi et Diodoro episcopo Tarsensi: in Asia nec non proconsulari adque Asiana dioecesi Amphiiochio episcopo Iconiensi et Optimo episcopo Artiocireno: in Pontica dioecesi Helladio episc(opo) Caesariensi et Otreio Meliteno et Gregorio episc(opo) Nysseno, Terennio episc(opo) Scythiae, Marmario episc(opo) Marcianop(olitano) cornmunicareconstiterit. Hos ad optinendas catholicas ecclesias ex communione et consortio probabilium sacerdotum oportebit admitti: omnes autem, qui ab eorum, quos conmemoratio specialis expressit, fidei communione dissentiunt, ut manifestos haereticos ab ecclesiis expelli neque his penitus posthac obtinendarum ecclesiarum pontificium facultatemque permitti, ut verae ac Nicaenae fidei sacordotia casta permaneant nec post evidentem praecepti nostri formam malignae locus detur astutiae«; vgl. auch Mommsen/Rougé/Delmaire/Richard, Les lois religieuses, 116–118, zu den genannten Bischöfen ebenda, 118, Anmerkung 1. Als unmittelbare Umsetzung der Beschlüsse der Synode von Konstantinopel interpretiert dieses Gesetz Soz., h. e. VII 9,5 f.

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Trinitätslehre.161 Der Kaiser muss also sein Edikt aufgrund der Beschlüsse der von ihm selbst eingesetzten Synode korrigieren. Constantius hatte übrigens – wie auch sein Vater – nie von sich aus ein Glaubensdekret erlassen! Wenn auch Theodosius sein voreiliges und hinsichtlich des Diskussionsstandes der östlichen Kirche ziemlich ahnungsloses Edikt noch korrigieren musste, so geht im Osten die Bedeutung der Synoden als der institutionellen Ebene zwischen Kaiser und Episkopat deutlich zurück ohne natürlich zu verschwinden. Kaiser Leon startete 458 sogar eine Umfrage, ob und inwieweit die Beschlüsse der großen Synode von Chalcedon Geltung weiterhin haben sollten, ein Verfahren, das sich nur schwer mit dem Verständnis der Kirche über das Wirken des Heiligen Geistes bei Synoden in Einklang bringen lässt. Das über die theologische Bildung des östlichen Episkopats ziemlich ernüchternde Ergebnis dieser Umfrage ist im Codex encyclius überliefert.162 Der Usurpator Basiliscus, der Kaiser Zenon 475/76 für einige Zeit von der Macht verdrängen konnte, erließ ohne jede Mitwirkung und Billigung durch eine Synode eine scharf gegen die Beschlüsse von Chalcedon vorgehendes Encyclia,163 die er allerdings nach dem gemeinsamen und sehr publikumswirksam als Event inszenierten Protest des Patriarchen Acacius von Konstantinopel und des heiligen Styliten Daniel ebenso schnell wieder zurückzog.164 Und auch das von Acacius im Auftrag des Kaisers Zenon formulierte Henotikon (edictum Zenonis), das der Kaiser 482 in einer kirchenpolitisch überaus komplizierten Situation erließ, und das für Jahrzehnte eine nicht unwichtige Rolle im Osten spielen sollte,165 war nicht von einer Synode beschlossen worden. Die Tendenz, die Synoden auszuschalten, nimmt im Osten seit dem fünften Jahrhundert deutlich zu. »Synode« als Institution zwischen Episkopat und Herrscher hat eine erstaunliche Fortsetzung in den germanischen Reichen auf dem Gebiet des ehemaligen Westreiches gefunden. Die ehemalige Rolle des Kaisers nehmen hier nun die Könige der neuen germanischen Reiche ein. Wie selbstverständlich die Institution »Synode« als Bindeglied zwischen Episkopat und Herrscher geworden war, kann man daran erkennen, dass jetzt sozusagen konfessionsunabhängig auch der »arianische« Häretiker Theoderich völlig selbstverständlich in den Auseinandersetzungen in Rom um die Wahl des Symmachus

161 Ritter, Dogma und Lehre in der Alten Kirche, 198–214; Markschies, Gibt es eine einheitliche »kappadozische Trinitätstheologie«?; Markschies, »et tamen non tres Dii, sed unus Deus …«. 162 Acta Conciliorum Oecumenicorum II 5, 9–89 (CPG 9089,1–43). 163 Schwartz, Codex Vaticanus gr. 1431, 49–51; eine kürzere Rezension bei Evagr., h. e. III 4, syrisch bei Ps.-Zach., chron. V 1; zur Überlieferung vgl. CPG 5997. 164 Die Antencyclia bei Schwartz, Codex Vaticanus gr. 1431, 133–137; zur dramatischen Aktion des Patriarchen Acacius gemeinsam mit dem Styliten gegen Basiliscus vgl. V. Dan. 70–84; zur Überlieferung vgl. CPG 5998. 165 Schwartz, Codex Vaticanus gr. 1431, 52–54 (ebenda 54–56 die lateinische Übersetzung des Liberatus); Acta Conciliorum Oecumenicorum II 5, 127–129, Evagr., h. e. III 14; zur sonstigen Überlieferung vgl. CPG 5999 (9122).

46 | Brennecke zum Bischof von Rom Synoden der Katholiken einberuft, was als völlig normal und geradezu selbstverständlich offenbar angesehen wurde.166 »Synode« erweist sich so als neue und in vieler Hinsicht innovative Institution des spätantiken Imperium Romanum. Als Bindeglied zwischen Kaiser und Episkopat ist sie auch der Ort der Auseinandersetzung um den Glauben und somit konfliktanfällig. Der Kaiser hatte hier institutionell abgesichert viele Einfluss- und durchaus auch Missbrauchsmöglichkeiten, die eigentlich kaum einmal grundsätzlich in Frage gestellt wurden. Aber die Institution »Synode« hat auch immer wieder die Möglichkeiten der Kaiser, in die Interna der Kirche einzugreifen, wirkungsvoll begrenzt. »...und die größten Synoden geschahen und geschehen nach ihrem Willen«? – manchmal aber eben auch nicht!

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166 Zum Laurentianischen Schisma und zum Eingreifen Theoderichs vgl. Wirbelauer, Zwei Päpste in Rom; Brennecke, Zwischen Byzanz und Ravenna; Wiemer, Odovakar und Theodorich, 318–328.

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Thomas Graumann

Theologische Diskussion und Entscheidung auf Synoden. Verfahrensformen und -erwartungen Wie wird auf Synoden Theologie diskutiert und Rechtgläubigkeit definiert? Was macht Synoden zum geeigneten Instrument oder Forum dieses Bemühens? Oder sollte man synodale Zusammenkünfte nicht prinzipiell als Ereignisse begreifen, die durch politische Machenschaften, Machtkämpfe und persönliche Rivalitäten geprägt und darum ganz ungeeignet sind, in angemessener Weise hochkomplexe und fundamental wichtige Fragen christlicher Theologie zu bearbeiten, geschweige denn bindend zu beantworten?1 Verschärft werden solche möglichen Bedenken angesichts eines zweifellos erheblich variierenden Maßes an intellektueller Begabung und formaler philosophischer, rhetorischer und dialektischer Bildung zwischen den Beteiligten. Nicht erst moderne Forscher äußern den Verdacht oder Vorwurf, dass es sich bei den Versammelten zum guten Teil um ungebildete Leute handelte, ebenso unvorbereitet wie unwillig sich in ernsthafter Diskussion auseinanderzusetzen, und die darum eben doch aufs Ganze gesehen den jeweils dominierenden Gestalten oder dem politischen Willen der Herrscher schlicht folgten. Eine kritische Analyse von synodalen Entscheidungen wird damit in zwei übergeordneten Fragerichtungen nötig. Zum einen gilt es, die intellektuelle Valenz und theologische Tragfähigkeit einzelner synodaler Texte zu untersuchen und sie in den Kontext der theologischen Diskussionen ihrer Zeit einzuzeichnen. Diesen Fragen haben sich zahlreiche theologiegeschichtliche Arbeiten mit reichem Ertrag gewidmet. Zum anderen gilt es aber auch, nach den Formen und Modi zu fragen, in denen Theologie auf Synoden zur Sprache kommt, und zu untersuchen, welche zusätzlichen Faktoren gegebenenfalls im synodalen Geschehen bei dem Versuch wirksam werden, verbindliche Entscheidungen herbeizuführen. Diesen Fragen hat sich die Forschung bei aller Aufmerksamkeit auf die jeweiligen historischen Umstände im Einzelnen bislang nicht in gleicher Intensität gewidmet. Beide Fragerichtungen, nach den expliziten

1 Rein, oder doch wenigstens im Schwerpunkt, machtpolitisch motivierte und interessierte Interpretationen des Synodalgeschehens sind klassisch von Eduard Schwartz vorgelegt worden (s. von zahlreichen Einzelstudien zum Themenbereich exemplarisch die Beiträge Schwartz, Über die Reichskonzilien; Schwartz, Konzilien; Schwartz, Zur Vorgeschichte des ephesinischen Konzils) und werden in je verschieden nuancierter Form als kritische Perspektive an die Geschehnisse nach wie vor herangetragen. Von einer solchen Warte aus stellt sich die Frage nach der Eignung von Synoden zur Entscheidung über doktrinäre Inhalte natürlich nicht – oder ist bereits negativ entschieden –, wird doch die theologische Thematik der Auseinandersetzung lediglich als Vehikel zum Austrag für dahinter verborgene, gesellschaftliche und persönliche Konflikte und Ambitionen begriffen. DOI 10.1515/9783110420258-003

52 | Graumann oder impliziten Regeln theologischer Diskussion auf Synoden und nach den Normen und Kriterien der inhaltlichen Bestimmung von Orthodoxie, sind aufs engste miteinander verwoben, aber nicht einfach identisch. Woran sich Orthodoxie in der Sache ausweist, ist kaum einfach auf die Frage nach einem – anhand welchen Maßstabs auch immer – »korrekt« zu nennenden Ablauf der Diskussion zu verschieben. Die Frage nach den theologischen Begründungszusammenhängen und Argumentationsweisen verbindlicher Lehrbildung in den trinitarischen und christologischen Streitigkeiten bleibt an die theologiehistorische Forschung verwiesen. Im Folgenden soll es einzig um die Verfahrensdimension des synodalen Geschehens gehen, d. h. um die Fragen nach dem Ort und der Gestalt theologischer Diskussion und nach dem Wirksamwerden von anderen als intellektuell-diskursiven Verhaltensweisen, Strategien und Kommunikationsmöglichkeiten im synodalen Zusammenhang, sei es in Ergänzung oder sei es in Konkurrenz zur theologischen Debatte. Dabei werden exemplarisch zwei Synoden, situiert etwa in der Mitte des vierten Jahrhunderts, also auf einem Höhepunkt synodaler Aktivität, ins Auge gefasst und auf ihre Verfahrensformen hin analysiert. Für eine solche Untersuchung bedarf es der kritischen Reflexion auf die Parameter der Analyse von synodalen Verfahrensweisen und auf die Maßstäbe ihrer Beschreibung und Beurteilung. Vor kurzem hat ein Forscher das synodale Geschehen als ‘Voting about God’ – »Abstimmen über Gott« dargestellt.2 Dies suggeriert eine Perspektive quasi-demokratischer Mehrheitsfindung, aus der sich die Synoden der Alten Kirche dann als in vielfältiger Hinsicht mangelhaft herausstellen. Machtausübung, Aberglaube und intellektuelle Inkompetenz gepaart mit einer unverhältnismäßigen Aufmerksamkeit auf und Beanspruchung von obskuren theologischen Quisquilien konspirieren danach gegen eine wirkliche, sachlich wie formal angemessene Beteiligung aller an den Entscheidungsprozessen. Will man nicht in dieser Weise anachronistische Maßstäbe von demokratischer Partizipation oder hierarchieloser Diskursivität bei der Analyse synodaler Abläufe und ihrer Leistungsfähigkeit ansetzen,3 so ist vielmehr zu fragen, was Zeitgenossen von 2 MacMullen, Voting About God. Vgl. dazu etwa meine Rezension ZAC 12 (2008), und Ayres, Majority rules. 3 Ersteres geschieht ohne eingehende ausdrückliche Reflexion bei MacMullen, Voting About God, wenn Vorstellungen von Abstimmung und Mehrheit benutzt werden und nach dem Beitrag des ‘ordinary bishop’ in dieser Perspektive gesucht wird (s. apodiktisch, 2: ‘… how was the Christian consensus arrived at? The answer, well known, is: by majority vote of group leaders in occasional assemblies.’ Für differenziertere Vorstellungen der praktischen Umsetzung des ‘democratic element’ [12] vgl. jedoch 12–23.). Indirekt stehen Idealvorstellungen hierarchieloser Diskussion (und entsprechende Idealisierungen platonischer Dialoge, die sich bei näherer Betrachtung keineswegs hierarchielos präsentieren) hinter der weiter gehenden Kritik an einer angeblich fehlenden Dialogbereitschaft der Christen in der Antike schlechthin – ohne dass dabei Synoden speziell in den Blick gerieten (so etwa die Grundthese des im Sammelband Goldhill, The End of Dialogue in Antiquity, dokumentierten Unternehmens; vgl. jedoch den deutlich nuancierenden Einzelbeitrag von Clark, Can We Talk?) bzw. eines primär von Christen

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Synoden erwarteten, und aufgrund welcher Normen und Standards sich ihnen die Überzeugung vermittelte, dass bei einer bestimmten Gelegenheit Theologie in methodisch solider und der Sache angemessener Weise betrieben worden sei oder, formaler beschrieben, dass Verbindlichkeit in einer Weise erreicht wurde, die alle Beteiligten mitzutragen in der Lage waren. Es geht also um die Fragen nach Regelhaftigkeit als einer möglichen Anforderung an die Valenz synodaler Abläufe im Grundsatz einerseits, und spezifisch nach der Spanne der Interaktionsformen und Kommunikationsmöglichkeiten, mit deren Hilfe eine Problematik bearbeitet und ein Konflikt zum Austrag und zur Lösung kommen konnte, andererseits. Für die erste Frage bedürfte es einer Analyse der »Konzilsidee« als einer philosophisch-theologischen Konstruktion der Autoritätsmerkmale von Synoden im Rahmen der Ekklesiologie und ggf. Pneumatologie sowie der Untersuchung, inwieweit diese Theoreme eine Reflexion auf Regelhaftigkeit einschließen bzw. verlangen.4 Für die zweite, hier angezielte, sollen nachfolgend eine Reihe von Dokumenten des vierten Jahrhunderts in ein kritisches Gespräch mit einer modernen Verfahrenstheorie gebracht werden. *** Niklas Luhmann hat 1969 in seiner klassischen Studie mit dem Titel »Legitimation durch Verfahren« die legitimierenden Leistungen moderner politischer Verfahren ausgeleuchtet. Er hat dabei vorgeführt, dass rationale Verfahren nicht nur ein wesentliches Instrument zur Problemdiskussion und Entscheidungsfindung darstellen, sondern gerade auch im Hinblick auf deren gesellschaftliche Akzeptanz und Wirksamwerden von Bedeutung sind. Ihre Leistungsfähigkeit ist als womöglich exakt an der kritischen Gelenkstelle zwischen Macht und Idee anzusetzen, deren abstrakte Dichotomie den Horizont vieler Konzilsstudien problematisch verengt. Luhmanns zentrale Erkenntnis ist, dass in modernen Verfahren zur Entscheidungsfindung, gleich ob in den Bereichen des Rechts, der Gesetzgebung oder der Exekutive, »richtig oder falsch« im Kern durch soziale Interaktionsvorgänge bestimmt werden, die in politisch-administrativen Systemen institutionalisiert sind und die durch dieselben Verfahren legitimiert werden, aus denen sie hervorgehen. Beteiligte und Akteure involvieren sich selbst, indem sie bestimmte Verfahrensrollen einnehmen,5 Schritt für Schritt soweit in einen Verfahrens- und Entscheidungsprozess, dass sie schließlich dessen Ergebnis akzeptieren und mittragen müssen, auch wenn es ihren ursprünglichen Überzeugungen nur zu Teilen entspricht. Denn umgekehrt können sie sich je länger, je mehr kaum noch den

betriebenen und verantworteten ‘closing down’ freier intellektueller Betätigung (Freeman, The Closing of the Western Mind; vgl. Freeman, AD 381, wo besonders der kaiserliche Beitrag zu dieser Entwicklung kritisch herausgestellt wird). Weniger radikal bemerkt eine zunehmende, nicht nur christliche Skepsis gegenüber der Dialektik und im Gefolge ein Zurücktreten der (freien theologischen) Diskussion bereits Lim, Public disputation. 4 Die klassische Studie von Sieben, Die Konzilsidee der Alten Kirche, leistet dies allenfalls im Ansatz und blendet die Fragen nach formalen Regeln völlig aus. 5 Spezifisch zur Rollenübernahme s. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 82–90; vgl. 93 f., 95–97.

54 | Graumann einmal begonnenen Verfahren entziehen, sich von dessen Ergebnissen distanzieren und Protest dagegen mobilisieren, jedenfalls nicht in einer Weise, die eine breitere Öffentlichkeit überzeugen könnte. Diese soziologische Beschreibung von Verfahren unterscheidet sich von normativen Diskussionen, bei denen die Zweckrationalität und Leistungskraft von Verfahren vorrangig im Gegenüber zu einer dem Verfahren externen Norm gewertet wird. Die von Luhmann beschriebene verfahrensinhärente Legitimationsfunktion ist zugleich von anderen möglichen legitimierenden Faktoren politischer Entscheidungsprozesse – wie sozialer Status, politische Autorität usw. – abgegrenzt, bzw. sie fragt spezifisch nach deren konkreter Aktivierung im Verfahren.6 Das Heranspielen der Luhmannschen Konzeption an vormoderne Gesellschaften und Denkhorizonte insgesamt, und zumal an die Synoden der Alten Kirche, ist nicht ohne methodische Kautelen möglich.7 Man darf speziell nicht damit rechnen, dass auf den Synoden der Alten Kirche metaphysische Gehalte schlicht nach der Art politischer Verhandlungen und Verfahren bestimmt würden. Luhmanns Beobachtungen analysieren dezidiert die nach seiner Einschätzung spezifisch modernen Merkmale solcher Prozesse in ihrer gesellschaftlichen Dimension und nehmen eine schon weit vorangeschrittene, und weiter zunehmende moderne Ausdifferenzierung verschiedener gesellschaftlicher Subsysteme zur Voraussetzung, die sich in autonomen Verfahren wiederum einerseits erst autopoetisch generieren, andererseits aber bereits als existierende agieren, sich perpetuieren und dabei weiter verfeinern bzw. ausdifferenzieren. Luhmanns frühe Verfahrens-Studie ist dabei erst auf dem Weg zu einer ausgeführten Systemtheorie, in der solche Systeme und ihre kommunikativen Akte im einzelnen beschrieben werden, und von der aus sich zwar theoretisch auch spätantike gesellschaftliche Interaktionen und Zustände beschreiben ließen, die aber in historischer Perspektive nicht ohne Schwierigkeiten sind und in dieser Studie nicht unkritisch zum beherrschenden kategorialen Raster gemacht werden sollen. Vielmehr geht es darum, zunächst ganz grundsätzlich – und auch durch die Beobachtung von historisch bedingter Differenz zu Luhmanns Interpretation autonomer moderner Verfahren – auf die Bedeutung von Verfahren in synodalen Entscheidungsprozessen und für die Begründungsmöglichkeiten von Legitimität und Verbindlichkeit synodaler Beschlüsse aufmerksam zu werden. Dabei ist näherhin zu fragen, ob überhaupt und ggf. wie die von Luhmann freigelegten Leistungen moderner Verfahren womöglich in anderer historischer Form unter den spezifischen Bedingungen antiker kirchlich-gesellschaftlicher Kontexte auf Synoden realisiert wurden. Denn selbst und gerade wenn die im autonomen Verfahren modernen Typs geleistete Bearbeitung von Legitimitätsanforderungen und Verbindlichkeitserwartungen den Aktionsformen von altkirchlichen Synoden und dem Selbstverständnis ihrer Teilnehmer nicht entspräche – man wird vor allem 6 Für eine kritische Durchleuchtung des Luhmannschen Verfahrensbegriffs und seiner möglichen historischen Leistungskraft s. Sikora, Der Sinn des Verfahrens. 7 Vgl. dazu exemplarisch etwa die Diskussion kulturhistorischer Ansätze im rechtshistorischen Kontext, Stollberg-Rilinger, Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte.

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die Suspendierung eines außerhalb des Verfahrens situierten Wahrheitskriteriums in den theologischen Debatten der Spätantike keinesfalls erwarten dürfen –, so bleibt gleichwohl auch in synodalen Kontexten die Problematik bestehen, Legitimität und Verbindlichkeit interagierend und kommunizierend zu etablieren und zu garantieren, und ergibt sich damit für den Historiker die Aufgabe, nach denjenigen Formen zu suchen, mit deren Hilfe solche Anforderungen und Bedingungen konkret zum Austrag kommen.8 Es kann hier folglich noch nicht darum gehen, Luhmanns Kategorien an den Synoden der alten Kirche im Einzelnen durchzubuchstabieren. Aus dem grob skizzierten Fragenkreis, der ein größeres Forschungsprogramm anzeigt, können vielmehr nachfolgend nur exemplarisch erste Problemstellungen im Umriss konturiert werden. Worauf es einstweilen ankommt, ist, den möglichen Beitrag von Verfahrensweisen beim Zustandekommen von »Ergebnissen« oder, in stärker formaler, soziologischer Diktion, für das Erreichen einer Reduktion von Komplexität zu beleuchten.9 Zu diesem begrenzten Zweck sollen, gleichsam im Vorfeld einer stringenten soziologischen Verfahrensanalyse, zunächst einige der Rollenangebote und (impliziten) Regeln der sozialen Interaktion auf Synoden beschrieben und so den Zumutungen und Erwartungen an die Aktivitäten der handelnden Akteure nachgespürt werden, die dem Geschehen inhärent sind bzw. durch es erzeugt werden und die für die Handelnden zugleich aus der Übernahme bestimmter Rollen entstehen. Ferner gilt es, nach dem Verhältnis zwischen Herstellung und Darstellung von Entscheidungen zu fragen, wobei nicht zuletzt die Frage zu beachten sein wird, wie Erwartungen und Mechanismen der Konfliktlösung im sozialen Kontext vor einer weiteren antiken kirchlichen Öffentlichkeit ausgespielt werden.10

8 Angesichts der juristischen Nebentöne synodaler Entscheidungsprozesse und der unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen von solchen Entscheidungen bei verschiedenen Gelegenheiten (siehe etwa zur Exilierung des Photin unten S. 57), sind dabei Luhmanns Überlegungen zu den Gerichtsverfahren von besonderem Interesse; s. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 57–135. 9 Insoweit ist nachfolgend ein im Vergleich zu einem systemtheoretisch unterlegten Verfahrensbegriff Luhmannscher Prägung ein »weicher« Verfahrensbegriff in Anschlag gebracht, der vor allem die spezifisch modernen Autonomievorstellungen und die Ausblendung der Möglichkeit externer Wahrheitskriterien für den antiken synodalen Kontext nicht unterstellt. S. zur Klärung und Abgrenzung des Luhmannschen Verfahrensbegriffs gegenüber anderen Konzeptionen Luhmann, Legitimation durch Verfahren, passim, insbesondere 11–26.38–53. 10 Denn nach verbreitetem theologischen Selbstverständnis der Akteure konnte es bei Synoden zur Trinitätsproblematik, ja weit grundsätzlicher bei aller menschlicher Erkenntnisbemühung in der Gottesfrage, nicht eigentlich darum gehen, Wahrheit zu »erzeugen« – schließlich galt diese durch Offenbarung in der Heiligen Schrift als normativ vorgegeben und allenfalls exegetisch zur Sprache zu bringen –, sondern es ging darum, dieser Vorgabe verstehend nachzuspüren und sie je »neu« im Horizont der aktuellen Debatten – d. h. in der Sprache der Zeit: angesichts der Herausforderung von Häresie – zu artikulieren. »Neu« freilich ist darin nur der Artikulationsvorgang, nicht die vielmehr zeitlos gültige, unveränderte und unveränderliche Wahrheit. Wäre insoweit der Austrag von Dissens und Konflikt in der synodalen Praxis lediglich eindimensional als intellektuelle Aufgabe beschrieben, so ist dem für die Sicherung von »Orthodoxie« als kirchlich-sozialer Wirklichkeit entscheidend die Notwendigkeit an die

56 | Graumann Zwei synodale Kontexte aus der Mitte des vierten Jahrhunderts evozieren die Verquickung von Verfahrens- und Wahrheitsproblematik beim Versuch der verbindlichen Definition theologischer »Orthodoxie« in je unterschiedlicher Perspektive. In einem Fall begegnet auf den ersten Blick konventionelle theologische Diskussion vornehmlich exegetischen Charakters, wird aber in überraschender Weise institutionell situiert und funktionalisiert, so dass ihre Zielsetzung und Leistung nur aus dem Verfahrenskontext evident werden. Im anderen Beispiel wird eine auf kompliziertem Wege erreichte theologische Definition letztendlich erst durch rituell-symbolisches Handeln verbindlich gemacht. Hier steht also das Verhältnis einer bereits in anderer Form sachlich fixierten und insoweit dem Geschehen vorgegeben theologischen Norm zu den Möglichkeiten und Bedingungen zur Etablierung ihrer gesellschaftlich-kirchlichen Verbindlichkeit in Frage. Die dabei zutage tretenden Handlungsweisen folgen anderen Grundsätzen und Mechanismen und repräsentieren eine andere Logik als die einer thematischtheologischen Debatte. *** Das erste Beispiel für in dieser Fragerichtung zu untersuchender synodaler Diskussionen und Interaktion entstammt der Auseinandersetzung mit und um die Person des Photin, eines Schülers des Marcell von Ankyra, dessen Lehre er weiterführte und die als eine Form des Monarchianismus angesprochen werden kann. Photin war seit 343 Bischof von Sirmium. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt, 343, wurde er zusammen mit Marcell in der Ekthesis Makrostichos zur Zielscheibe theologischer Kritik, wenig später (345 und 347) dann zweimal als Häretiker verurteilt. Aber seinen Gegnern war es nicht gelungen, ihn aus dem Amt zu entfernen, wohl wegen beachtlichen Rückhalts in der lokalen Öffentlichkeit.11 So wurde im Jahr 351, als sich Kaiser Constantius II in Sirmium aufhielt, auf dessen Anordnung eine Synode einberufen, um den Fall endgültig zu klären. Wie nicht anders zu erwarten, wurde Photin letztendlich abermals verurteilt und schließlich exiliert.12 Die Einzelheiten dieses Geschehens sind für die Frage nach den Verfahrensmodi für die Entscheidungsfindung höchst interessant. In Einzelheiten z. T. spannungsreiche Nachrichten darüber sind bei den Kirchenhistorikern des fünften Seite zu stellen, die Verbindlichkeit solcher Erkenntnis und die Legitimität synodaler Beschlussfassungen über seine Festschreibung in propositionalen Texten und zu seiner disziplinarischen Absicherung mittels Personalentscheidungen zu etablieren, auf denen sodann auch gottesdienstliche Ausgestaltung und Verkündigung gründen. In dieser Perspektive wäre der Begründungshorizont »legitimer« theologischer Entscheidungen weit über das synodale Geschehen hinaus und bis tief in die Alltagswirklichkeit christlicher Gemeinden und spätantiker, meist städtischer Öffentlichkeiten hinein auszuziehen. 11 Böhm, Photin von Sirmium; Uthemann, Photeinos v. Sirmium; vgl. Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo, 202–206; Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 235–238, 312 f. Zur Theologie s. ferner Williams, Monarchianism and Photinus of Sirmium. 12 Zu den Ereignissen s. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 91–107, zum Disput mit Basilius speziell Brennecke, Hilarius von Poitiers, 98 f.; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 37–39; vgl. auch Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 325–329, sowie knapp Barnes, Athanasius and Constantius, 109.

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Jahrhunderts13 und bei Epiphanius erhalten, einer bekanntlich problematischen Quelle, nicht zuletzt aufgrund der oft schlechten Textgestalt. Nach Epiphanius hatte Photin selbst um eine abermalige Anhörung (ἀκροατὰς … λάβοι) gebeten, mit dem Argument, er sei grundlos verurteilt worden.14 Diese Anhörung fand vor acht staatlich berufenen Richtern statt und wurde von sieben Stenographen aufgezeichnet.15 Epiphanius scheint Zugang zu diesen Aufzeichnungen gehabt zu haben.16 Danach fand vor den Richtern eine διάλεξις, d. h. ein Streitgespräch bzw. eine Disputation,17 statt, in der Photin gegen Basilius von Ancyra antrat,18 dem er schlussendlich unterlag und so abgesetzt und ins Exil geschickt wurde. Durch die Bestellung von staatlichen Beamten als Richtern sowie die Beteiligung von weiteren Notabeln19 ähnelt das Geschehen einem Zivilprozess oder einer Verwaltungsanhörung, also juristischen Formaten, und ist insoweit nach Form, Situierung und vor allem Rollenzuschreibung der Beteiligten von synodalen 13 Socr., h. e. II 29–30 (Hansen, 140,9–147,2); davon abhängig Soz., h. e. IV 6 (Bidez/Hansen, 143,13–146,8), bes. h. e. IV 6,14 f. (Bidez/Hansen, 145,16–146,4). In den Einzelheiten, zumal in der Darstellung der theologischen Positionen, vermischen beide Berichte Nachrichten von mehreren Sirmischen Synoden. 14 AW III 4, Dok. 47.2 = Epiph., haer. 71,1,4 (Holl/Dummer, 250,8–10). Wahrscheinlich bezog sich Photin mit dieser Kritik auf die angeführten früheren Verurteilungen. Es ist aber darüber hinaus auch vorstellbar, dass sein Antrag auf eine bereits bei derselben Gelegenheit unmittelbar vorausgehende abermalige Verurteilung reagiert; auf eine gewisse chronologische Unschärfe in den Etappen des Geschehens in Sirmium wird noch einzugehen sein. 15 AW III 4, Dok. 47.2 = Epiph., haer. 71,1,5 (Holl/Dummer, 250,10–13); haer. 71,1,8 (Holl/Dummer, 250,24–27). Soz., h. e. IV 6,15 (Bidez/Hansen, 145,20–146,2) beschreibt das Geschehen, wenn auch sehr knapp, im Kern als Bischofsversammlung und erkennt den Beamten lediglich aufgrund kaiserlichen Mandats den Vorsitz bei dieser Veranstaltung zu. Der synodale Charakter bzw. das bestimmende Verfahrensmodell der Veranstaltungen steht aber gerade in Frage. 16 Dafür spricht vor allem, dass er die Namen sowohl der Richter (Epiph., haer. 71,1,5) als auch der Stenographen (haer. 71,1,8) nennen kann. 17 Epiph., haer. 71,1,6 (zweimal: Holl/Dummer, 250,15–17); Soz., h. e. IV 6,14 (Bidez/Hansen, 145,20); h. e. IV 6,15 (Bidez/Hansen, 146,1 f. ἀναδέχεται τὴν πρὸς Φωτεινὸν διάλεξιν Βασίλειος ὁ Ἀγκύρας ἐπίσκοπος). 18 Soz., h. e. IV 6,15 (Bidez/Hansen, 146,1 f.), vgl. dazu die Darstellungen Epiph., haer. 71,1,6 (Holl/Dummer, 250,15 f.); Socr., h. e. II 30,42–46 (Hansen, 146,7–19); zu Basilius s. Böhm, Basilius von Ancyra; Löhr, Basileios v. Ankyra; Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo, 259–266; für die theologischen Positionierungen in der Gruppe um Basilius vgl. ferner Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 349–371; Löhr, A Sense of Tradition, bes. 87–95. Ayres, Nicaea and its Legacy, beschreibt in einer knappen Skizze der Synode Basilius als ‘main accuser’ (134) des Photin, unterstellt also ein im Kern rechtliches Format. Dies wird der Disputation zwischen beiden nur insoweit gerecht, als sie rechtliche Konsequenzen zeitigt, beschreibt aber die Rollenverteilung beider Kontrahenten nicht völlig zutreffend. 19 Nach Socr., h. e. II 30,43 (Hansen, 146,12) handelt es sich um (im comitatus des Constantius mitgereiste?) Senatoren (συγκλητικοί); man mag aber auch an Mitglieder der örtlichen Eliten denken. Während er so deren sozialen Rang als entscheidend für ihre Beauftragung herausstellt, ist das Auswahlkriterien bei Soz., h. e. IV 6,15 (Bidez/Hansen, 145,21–146,1), ihre Bildung und Erfahrung mit rhetorischen Wettstreiten. Zu den namentlich genannten Richtern, s. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 96 f., Anm. 22.

58 | Graumann Verfahren allein unter Bischöfen unterschieden.20 Die Beteiligung eines erweiterten Kreises von Vertretern der sozialen Eliten stellt zugleich einen ersten deutlichen Bezug zu einer über- bzw. außerkirchlichen Öffentlichkeit her. Gleichzeitig nimmt es Elemente von philosophisch-rhetorischen Debatten auf, die im öffentlichen Raum und in den Bildungsstätten der antiken Stadt vielfältig anzutreffen waren und die sich beispielhaft noch durch die Auftritte des Augustinus gegen verschiedene Manichäer illustrieren lassen. Sie unterstreichen den sozialen Konnex und evozieren die Konventionen des intellektuellen Wettstreits.21 Eine genauere Bestimmung der Verfahrensformen und ihres synodalen Charakters wird durch eine chronologische Unklarheit verkompliziert. Nach den Darstellungen der Kirchenhistoriker folgt die Debatte zwischen Basilius und Photin auf einen vorausgehenden synodalen Beschluss und somit in der Verlängerung, aber auch Verlagerung, der Aktionsweisen der synodalen Versammlung. Ursprünglich habe die Synode Photin wegen der Lehren des Sabellius und Paul von Samosata verurteilt, ihm dann aber die Möglichkeit zur Versöhnung angeboten.22 Nach Socrates, dem Sozomenus wiederum folgt, war die Debatte zwischen beiden dann die Folge des gescheiterten Versuchs der 20 Barnes, Athanasius and Constantius, 109 will dieses Verfahrenselement von der »eigentlichen Synode« (‘the council proper’) unterschieden wissen und situiert es als separates Geschehen im Frühjahr, die »Synode« hingegen im Herbst 351. Er bestreitet zudem ein Richteramt der Senatoren – entgegen der Angaben bei Epiphanius, der sie haer. 71,1.5 als κριταὶ καὶ ἀκροαταί apostophiert – und erkennt ihnen lediglich die Aufgabe zu, die Verlässlichkeit der Protokollierung zu garantieren. Dabei versteht er die Geschehnisse als »Voruntersuchung« (‘preliminary investigation’). Zur weiteren Beschäftigung mit Barnes Rekonstruktion, vgl. unten, Anm. 22, 26 und 27. 21 S. Aug., c Fort. vgl. einführend Drecoll/Kudella, Augustin und der Manichäismus, 134–138; dagegen anders im Charakter und mit deutlichen rechtlichen Konsequenzen: Aug., c. Fel. (vgl. Drecoll/Kudella, Augustin und der Manichäismus, 138–144). Vgl. allgemein Lim, Public disputation, 70–108; und im philosophisch-schulischen Kontext Lim, Public disputation, 31–69. 22 Socr., h. e. II 30,42 (Hansen, 146,7–10) = AW III 4, Dok. 47.2 Auch nach Soz., h. e. IV 6,14 wird ihm die Rückgabe des Bistums in Aussicht gestellt, doch hatte Photin seinen Sitz noch nicht verlassen. Die etwas unklare Formulierung bei Epiphanius situiert ebenfalls das Geschehen »nach« (μετά) seiner Verteidigung in Serdika. Meinte Epiphanius damit einen Auftritt vor der Synode, der dem Ersuchen um eine Anhörung vorausging? Dann wäre die von ihm als grundlos betrachtete Verurteilung wohl nicht eines der früheren Urteile – Epiphanius spricht zuvor irrtümlich von einer Verurteilung in Serdika –, sondern der aktuelle Beschluss der sirmischen Synode. Im Anschluss an die Darstellung der Kirchenhistoriker rechnet Brennecke, Hilarius von Poitiers, 96 f. mit einer vorausgehenden synodalen Versammlung; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 180, Anm. 222 dagegen ausschließlich mit dem Abhalten einer Disputation. Will man angesichts der unstreitigen Konfusion des Socrates im Übrigen seiner Chronologie kein Vertrauen schenken und seine Ansetzung einer »Synode« vor der Disputation für eine Fiktion oder ein Missverständnis halten, so wird die hier vorgetragene Deutung nicht im Grundsatz berührt. Worauf es ankommt, ist die Verwandlung von Verfahrenselementen in den verschiedenen Schritten eines komplexen Ablaufs. Vgl. aber unten, Anm. 25. Zu einer anderen Chronologie gelangt Barnes, Athanasius and Constantius, 109. Seine Vorstellung einer nach der »Voruntersuchung« erst im Herbst zu versammelnden Synode scheint auf Epiph., haer. 71,1,6 (Holl/Dummer, 250 f.: εἷς [sc. τόμος] δὲ ἔμεινεν ἐν τῇ κατὰ τὸν Βασίλειον συνόδῳ) zurückzugehen; er

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Synode, sich mit Photin zu versöhnen, und stellt damit eine Ergänzung und Fortentwicklung des Synodalgeschehens im engeren Sinne dar. Die Bischöfe hatten Photin zunächst aufgefordert, eine gemeinsame Erklärung zu unterzeichnen.23 Dies ist der synodale Normalfall, um Konsens zu erzielen und mit der geleisteten Unterschrift zugleich darzustellen. Nun hingegen substituierte ein anderes Verfahren für dieses Ziel. Denn Photin hatte diesen Vorschlag abgelehnt und statt dessen zu einer Disputation herausgefordert, die auch auf kaiserliche Anordnung zustande kam. Die Kirchenhistoriker berichten weiter, dass diese vor den genannten staatlichen Richtern und Notabeln und im Beisein der Bischöfe geschah, wobei Basilius von Ancyra die Rolle des Disputanten übernahm.24 Durch die Anwesenheit der Bischöfe ist der Konnex mit der vorherigen Synodalversammlung offenkundig. Gleichwohl ist ihre Rolle fundamental verwandelt: Aufgrund der bestellten staatlichen Richter sind sie nun praktisch in die Rolle der Zuhörer bzw. des Publikums gedrängt, während sie nach synodalem Brauch als gleichberechtigte Richter und ggf. Diskutanten agierten. Auch die Rolle des Disputanten wird demgegenüber hier nur noch allein von Basilius stellvertretend wahrgenommen. Man wird eine Beauftragung durch die Synode annehmen dürfen; in jedem Fall repräsentierte Basilius den von den Bischöfen zuvor bereits gemeinschaftlich eingenommenen anti-photinianischen Standpunkt und damit mindestens de facto auch den kollektiven Willen und die »gemeinsame« Theologie der Synode. Die in Aussicht genommene Debatte überträgt und verschiebt also die Beratungen und theologischen Reflexionen der Synode in ein anderes Forum und Format und instrumentalisiert sie zugleich für eine neue Zwecksetzung. Denn prinzipiell ist zwar auch weiterhin vorstellbar, dass die Debatte Photin dazu bringen sollte, die zuvor zurückgewiesene Erklärung doch noch zu unterzeichnen. Damit wäre die ursprüngliche Absicht der Synode realisiert. Selbst in dieser Blickrichtung aber, so bleibt festzuhalten, hatte die Debatte für die Synode gerade nicht die Aufgabe, Glaubensinhalte so zu erörtern, dass es zu einer neuen Festschreibung von Orthodoxie käme – denn darauf hatte sich die Synode mit ihrer Erklärung ja bereits verständigt. Vielmehr konnte es nur um das Bemühen gehen, Photin zu überzeugen, dem bestehenden Konsens beizutreten. Realistischer aber musste wohl eine veränderte Zielsetzung im Vordergrund stehen, nämlich ihn gegenüber den staatlichen Richtern als unzweifelhaft häretisch zu überführen und damit den Kaiser zu veranlassen, ihn aus dem Amt zu entfernen und ins Exil zu schicken. Mit dieser wahrscheinlicheren Zielsetzung wird das ursprüngli-

paraphrasiert ‘… one [sc. copy of the minutes] for its use by the council of bishops destined to decide whether the theology of Photinus was orthodox or heretical …’. Allerdings kann Epiphanius den Terminus σύνοδος gelegentlich untechnisch und eher im Sinne von Gruppierung oder Partei verwenden, was mir an der vorliegenden Stelle plausibel erscheint; vgl. haer. 73,23,3; haer. 73,27,5; haer. 73,28,3; haer. 73,35,3; haer. 73,37,4 – bei einer Reihe weiterer Stellen ist die institutionelle Bedeutung von σύνοδος mindestens unscharf. Ich danke Herrn Prof. Löhr für den Hinweis auf diesen Umstand. 23 Soz., h. e. IV 6,14 (Bidez/Hansen, 145,17–19) = AW III 4, Dok. 47.2. 24 Soz., h. e. IV 6,15 (Bidez/Hansen, 145,20–146,2).

60 | Graumann che Anliegen der Synode ebenso wie der Verfahrenshintergrund nochmals in Teilen transformiert. In der eins-zu-eins Debatte handelt die Synode nicht mehr kollektiv, sondern nur noch durch einen rhetorisch und theologisch ausgewiesenen Repräsentanten. Gleichzeitig aber agiert dieser wie ein Interessenvertreter oder Anwalt für den (Verfahrens-) Antrag, Photin von seinem Sitz zu entfernen. Ein solches Ersuchen blieb wahrscheinlich unausgesprochen und war jedenfalls nicht – soweit unsere Quellen berichten – juristisch formalisiert. Aber ein Urteilsspruch der staatlichen Richter konnte von vornherein nur in einer Entscheidung über Photins Verbleiben im Amt oder seiner Entfernung aus dem Amt bestehen. Interessant ist aber, dass eine solche Entscheidung mindestens indirekt zugleich als Urteil über den Sachstand der Orthodoxie verstanden werden konnte, vielleicht sogar musste. Deutlich wird dies nicht zuletzt, wenn man das Verfahren aus der Perspektive des Photin zu verstehen sucht. Sein Ziel muss es gewesen sein, aus dem Konflikt siegreich hervorzugehen, d. h. von den Richtern als überzeugend oder zumindest als in seinen Ansichten und Argumenten nicht widerlegt bewertet zu werden. Damit wären vorherige Synodalurteile abermals ins Leere gelaufen, und er hätte seinen Bischofssitz weiter behalten können. Die Bereitschaft der Synode, sich auf ein solches Prozedere mit offenem Ausgang einzulassen, zeigt entweder ihre unerschütterliche Zuversicht in ihre Sache oder verdankt sich der zähneknirschenden Einsicht in die fehlende Durchsetzbarkeit ihres Urteils, so dass sogar die Möglichkeit einer »Niederlage« und damit des Amtsverbleibs des Photin hingenommen werden musste. Mindestens für Photin, und wohl auch für die staatlichen Stellen, musste ein solches Urteil zugleich eine Anerkenntnis der Stichhaltigkeit oder gar Überlegenheit seiner theologischen Position mitenthalten, selbst wenn keine formale Entscheidung über »den Glauben« erwartet werden, und dies nicht im offiziellen Auftrag der Anhörung liegen konnte. Umgekehrt war die Feststellung und propositionale Fixierung »orthodoxer« Theologie in der zuvor erarbeiteten Erklärung unwirksam, solange sie nicht durch Unterschriftsleistung verbindlich anerkannt war, bzw. bis dass ihr Standpunkt, überführt in die Modi rhetorischer Debattierkunst, nicht Überzeugungskraft vor den staatlichen Richtern gewonnen hatte. Die vorgelegte Analyse der Abfolge unterschiedlicher Verfahrensschritte und der Auswirkungen der dabei zur Anwendung gebrachten Verfahrensformen auf die Ziele der Entscheidungsfindung, die Rollen und Aktionsmöglichkeiten der Beteiligten und auf die Verquickung von theologischer Sachklärung und juristisch-administrativer Beschlussfassung ruht auf der Chronologie der Berichte der spätantiken Kirchenhistoriker. Da sich aber Echos der Debatte in den Synodalbeschlüssen wiederfinden, schlagen die Editoren der Dokumente eine andere Abfolge vor und verstehen die Debatte als Teil der Synode25 – wobei allerdings eine mögliche Verfahrensbeteiligung der Beamten und Notabeln über die Beurteilung der Debatte hinaus auch bei den theologischen 25 AW III 4, Dok. 47.2; so im Kern bereits Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 180, Anm. 222 (s. o. Anm. 22). Bei einer solchen Rekonstruktion bleibt aber das Zustandekommen der Anathematismen unerklärt. Es muss in jedem Fall (mindestens) eine Fortsetzung des

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Beschlüssen, d. h. bei der Erstellung und Verabschiedung der sog. »Ersten« sirmischen Formel, nicht diskutiert wird.26 In einer solchen Rekonstruktion hätte der Kaiser der Synode in Gestalt einer stellvertretend geführten Debatte die Verfahrensform vorgeschrieben, die Entscheidungsstellen mit seinem, nicht-kirchlichen, Personal besetzt und ihr damit die Entscheidungskompetenz faktisch aus der Hand genommen. Das

Debattengeschehens in einem anderen Verlaufsmodus, vielleicht sogar eine weitere Zusammenkunft gegeben haben, um diese Anathematismen zu formulieren und zu beschließen. Vgl. ferner folgende Anm. 26 Die Funktion der Formel als Dokument einer möglichen Versöhnung mit Photin, bzw. als desjenigen Standards, an dem er seine Orthodoxie zu beweisen hatte, wie ihn die Kirchenhistoriker beschreiben, wäre in dieser Rekonstruktion aufzugeben; welchen Zweck die Formel erfüllte, bliebe unbeantwortet. Womöglich ist die Spannung zwischen der Chronologie der Berichte und den Beobachtungen zu den weiteren Dokumenten aber lösbar. Abgesehen von den Notizen über eine Debatte sind von der Synode eine Glaubenserklärung und 27 Anathematismen überliefert. Wenn die Historiker des 5. Jahrhunderts die Reihenfolge annähernd korrekt wiedergeben, wäre die Glaubensformel vor der Debatte verfasst und stellte damit jenen Text dar, der Photin zur Unterschrift präsentiert wurde. Die angehängten Anathematismen hingegen spiegeln in ihrem exegetischen Charakter, d. h. der Zurückweisung spezifischer Missverständnisse und Fehlinterpretationen einzelner Schriftstellen, mindestens in Teilen die Diskussion zwischen Basilius und Photin. Sie illustrieren jedenfalls den Charakter der exegetisch-hermeneutischen Konfrontation, in die beide sich verwickeln (Berührungen beobachtet bereits Kelly, Early Christian Creeds, 281; vgl. Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, AW III 4, Dok. 47.3). Ein unauflöslicher Widerspruch muss daraus jedoch nicht notwendig resultieren. Vielmehr wäre die Verknüpfung von unterschiedlichen Verfahrensschritten mit jeweils einhergehendem Wechsel der Verfahrensform und des Forums zwischen kirchlichen und kaiserlich-gesellschaftlich bestimmten institutionellen Rahmungen und Modi womöglich lediglich um eine weitere Wendung zu erweitern. So könnten durchaus zunächst die Glaubensformel von der Synode verabschiedet, Photin zum Zweck der Rekonziliation vorgelegt und er wegen fehlender Bereitschaft zur Unterzeichnung (abermals) verurteilt worden sein. Bezieht sich Photins Initiative hingegen auf die früheren Verurteilungen, so könnte alternativ eine bereits existierende Formel benutzt worden sein, so dass keine ausführliche synodale Versammlung vor der Debatte vonnöten wäre. Eine wie auch immer geartete vorbereitende Zusammenkunft der Photingegner, auf der eine geeignete Formel identifiziert, Photin entgegengehalten und diesbezügliche Vorabsprachen getroffen worden wären, ist aber auch dann anzunehmen. Nach der Durchführung der von Photin geforderten Anhörung in Gestalt der Debatte mit Basilius hätte die Synode in (nochmaliger?) Zusammenkunft, und in der Reaktion auf die Debatte, die Anathematismen verfasst oder mindestens bearbeitet und ergänzt. Auch Brennecke, Hilarius von Poitiers, 100 rechnet mit einem solchen Schritt nach der Disputation. Somit hätten wir es zwar mit einem großen Ereignis in direktem zeitlichen Zusammenhang zu tun, das allerdings analytisch und im Verfahrensablauf in mehrere Einzelschritte zu untergliedern wäre, deren je spezifischer Charakter sich in der Interaktion von kirchlichen und gesellschaftlichen Verfahrensangeboten ausarbeitete. In der Rekonstruktion einer Abfolge von Voruntersuchung und eigentlicher Synode durch Barnes, Athanasius and Constantius, 109 wäre dieses Geschehen zeitlich sehr gedehnt bzw. in zwei separate Ereignisse zerlegt. Das Entstehen der Formel ebenso wie das der Anathematismen wäre in der »eigentlichen Synode« anzusiedeln, und beide als eine synodale Weiterführung in Reaktion auf das Resultat der Debatte zu verstehen. Auch damit wäre wenigstens ein Verfahrenswechsel angezeigt; unklar bliebe dann allerdings, anhand welchen Maßstabs Photin »voruntersucht« wurde.

62 | Graumann ist nicht prinzipiell undenkbar.27 Auch eine solche Abfolge kreiert eine komplexe Verwebung unterschiedlicher Formelemente und Verfahrenserwartungen, wobei auch in diesem Fall die Synodalen, nun womöglich in Beugung vor staatlicher Macht, sich auf ein Verfahren einlassen (mussten), bei dem sie riskierten, mit ihren Absichten nicht zum Zuge zu kommen. Gleichwohl wäre auch nach dieser Rekonstruktion die Entscheidung nicht vollständig in den Bereich staatlicher Rechtsfindung hinübergezogen, waren doch Gegenstand und Maßstab der Beurteilung theologischer Natur, und bediente sich die Klärung auch theologischer Argumentationsformen, wie die Debatte im einzelnen zeigt. Im zweiten Schritt bedarf darum die fragliche Debatte selbst der Analyse.28 Für ihren Charakter und Ablauf ist schon die von Epiphanius, Socrates und Sozomenus gebrauchte Terminologie aufschlussreich. Epiphanius rechnet mit Fragen (πεύσεις) des Photin und erwartet, dass Basilius diese seinerseits hinterfragt und dagegen argumentiert (ἀντιλέγοντος).29 Die Begriffsopposition ist nicht völlig logisch stringent, aber in der Sache klar. Sozomenus stellt konventionelle Fragen und Antworten gegenüber (πεύσεις – ἀποκρίσεις).30 Aber auch er erfasst das Element des Konflikts und der antagonistischen

27 Anders Barnes, Athanasius and Constantius, 109. Seine Bestreitung, daß die κριταί des Epiphanius eben nicht Richter sein dürfen, ist nicht eingehend begründet. Sie scheint auf einer grundsätzlichen Erwägung zu beruhen, wonach seit Konstantin kein Kaiser oder kaiserlicher Vertreter direkt über Bischöfe richtete, vgl. Barnes, Athanasius and Constantius, 172 f. Historisch gesehen ist es jedoch gerade Constantius, der in den Abläufen der Jahre 359/60 einer Verletzung des Ideals der Nichteinmischung wenigstens nahekommt. Womöglich ist seine Beauftragung der Notabeln in Sirmium 351 ein Schritt auf dem Wege zu einer solchen, robusteren Haltung. Wenn die hier präferierte Interpretation richtig ist, wonach die staatlichen Richter auf ein existierendes Synodalurteil zurückgreifen konnten und lediglich seine Validität auf Photins Einspruch hin überprüften, wird auch Barnes’ prinzipieller Anstoß vermieden. Barnes’ übergeordnete, an sich – jedenfalls in ganz überwiegendem Maß der Fälle – richtige Beobachtung zur Abgrenzung von staatlichem und kirchlichem Handeln macht aber vor allem auf ein interpretatorisches Dilemma aufmerksam, wenn man das Geschehen aus einer polaren Gegenüberstellung von kaiserlicher Gerichtsbarkeit und synodaler Entscheidungsgewalt als von zwei mehr oder minder klar vorgegebenen Größen deuten will. Diese Studie will vielmehr auf die Verwebung beider – und weiterer – Dimensionen kirchlich-gesellschaftlichen Diskurs- und Entscheidungshandelns aufmerksam machen, die handelnd je neu austariert werden und auf diese Weise legitime Verfahren und institutionelle Formen erst schafften. An den Schnittstellen möglicherweise konkurrierender Erwartungen und potentiell unterschiedlicher institutioneller Orientierungen und Vorbilder definieren sich die Situation und die Rollen der Beteiligten im Vollzug des konkreten praktisch geübten Verfahrens. 28 Zu dieser Debatte s. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 94 f.; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 180, Anm. 225. 29 Epiph., haer. 71,1,5 (Holl/Dummer, 250,13 f.): … Βασιλείου τοῦ Ἀγκυριανοῦ τὰς αὐτοῦ πεύσεις ἐρωτῶντος καὶ ἀντιλέγοντος τοῖς ὑπ’ αὐτοῦ μέλλουσιν ἀπολογεῖσθαι ἢ καὶ καταδεχομένου. 30 Soz., h. e. IV 6,15 (Bidez/Hansen, 146,2): πρὸς πεῦσιν καὶ ἀπόκρισιν … Für das klassische Frageund-Antwort Format, das der Bearbeitung von intellektuellen Problemen aller Art dienen kann, vgl. Dörrie/Dörries, Erotapokriseis; sowie für die entsprechende Literatur Papadoyannakis, Instruction by

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Praxis, wenn er das ganze einen Wettstreit (ἀγών) nennt.31 Socrates spricht in dieser Hinsicht besonders deutlich sogar von einem Kampf der Worte bzw. Reden (μάχη … λόγων).32 Die etwas schiefe Gegenüberstellung bei Epiphanius lenkt unsere Aufmerksamkeit also auf zwei Zutaten des Debattenformats, die auch in den Vorstellungen der späteren Historiker gegenwärtig sind: das intellektuelle Bemühen um Sachklärung in Frage und Antwort und auf den streitigen Austrag der dabei zutage tretenden Differenzen in Gestalt des Rededuells. Dabei ist das ἀντιλέγομαι33 in dieser Konstellation nicht ein Format, das eine freundschaftliche und letztlich konsensuelle Konfliktund Problemlösung befördert; es lässt vielmehr Sieger und Besiegte erwarten. Diese Notwendigkeit ist im Gefälle konventionellen Denkens der Zeit und nicht nur eines Epiphanius’ unproblematisch: danach werden Häresie und Orthodoxie als konfligierende Kräfte verstanden, die in einem Kampf von Gut und Böse von letztgültiger, eschatologischer Bedeutung und apokalyptischer Proportion miteinander verstrickt sind. In dieser Blickrichtung ist kein Raum für Vorstellungen einer gemeinschaftlich-diskursiven Suche nach einem angemessenen Ausdruck und Verständnis der Trinitätsproblematik. In Epiphanius’ Perspektive, vom Standpunkt »seiner« Orthodoxie aus gesehen, bedürfen darum die Fragen des Photin weniger einer Antwort als vielmehr der nachdrücklichen Gegenrede. Das streitige Format der Debatte kann also – in historischer Perspektive – kaum geeignet gewesen sein, noch war es dazu gedacht, Konsens herbeizuführen oder tiefschürfende konzeptionelle Klärung zu befördern, zumal in der beschriebenen Konstellation die Resonanz in der (allerdings begrenzten) Öffentlichkeit, außerhalb des eigenen Kreises des Bischofskollegiums, eine (vor-) entscheidende Bedeutung gewinnt. Es geht mithin nicht um eine abstrakte Rationalität der Standpunkte, sondern um deren Überzeugungskraft in der konkreten Situation rhetorischer Umsetzung. Die Debatte teilt insoweit den agonalen Charakter klassischer Rednerduelle und erlaubt es Question and Answer. Seine spezielle Zuspitzung erfährt das Format hier durch den streitigen Charakter der Debatte. 31 Soz., h. e. IV 6,15 (Bidez/Hansen, 146,3). 32 Socr., h. e. II 30,44 (Hansen, 146,15 f.): μεγίστη δὴ μάχη … λόγων ἐγένετο. 33 Der Begriff und das zugehörige Wortfeld als solche geben zwar an sich noch nicht notwendigerweise Anlass, das Gegeneinander der Redner und den Gegensatz der Argumente als primär polemisch orientiert und Ausdruck unversöhnlicher Opposition zu verstehen (s. DGE II, 339 f. s. v. ἀντιλέγω und DGE II, 358 s. v. ἀντίρρησις; LSJ, 158 s. v. ἀντιλέγω), doch nimmt er verschiedentlich solche Nebentöne von scharfer Kontroverse und durchaus auch persönlich herabsetzenden Angriffen auf. Diese Dimension illustriert anschaulich die Definition der Antirrhesis bei Peacham, The Garden of Eloquence; er schreibt, s. v. antirrhesis: ‘Antirrhesis is a forme of speech by which the Orator rejecteth the authority, opinion or sentence of some person: for the error or wickednesse in it … This forme of speech doth specially belong to confutation and is most apt to refell errors and heretics, and to reject evil counsell and lewd perswasions.’ Diese Schärfe schwingt sicher auch schon in Pred 8,1 und 4 Makk 6,1 mit. In der Kontroverse zwischen Basilius und Photin jedenfalls scheint mir der polemisch-kontroverse Charakter der Auseinandersetzung das Bemühen um sachlich-diskursive Klärung deutlich zu überwiegen, und Epiphanius dürfte dies atmosphärisch nicht unzutreffend erfasst haben.

64 | Graumann nicht, argumentative Substanz und polemisch-agitatorische Umsetzung artifiziell zu unterscheiden. Für die Auffassung der im Geschehen zu klärenden Problematik bedeutet dies zugleich, dass sie nicht als primär intellektuell zu erfassende theologische Schwierigkeit einer erst herzustellenden Lösung zugeführt werden soll, sondern der rhetorischen Demonstration einer in der Sache klaren, vorentschiedenen Antwort bedarf, die weniger den Debattengegner als die bestellten Richter von ihrer Überlegenheit überzeugen muss. Epiphanius berichtet weiter, dass Photin damit geprahlt habe, hundert Schriftbeweise (μαρτυρίαι) für seine Ansichten beibringen zu können.34 Wo Epiphanius nachfolgend direkte Rede benutzt und sich dabei womöglich auf das Protokoll bezieht – natürlich wird man nicht völlig ausschließen können, dass die Debattenausschnitte zum Teil eher »nachempfunden« als aus den Protokoll zitiert sind – stehen denn auch tatsächlich ganz unmittelbar einzelne Schriftstellen und Passagen und deren Interpretation für die Trinität und Christologie im Zentrum der Diskussion. Innerhalb des Debattenformats und quasi-gerichtlichen Situationsrahmens wird also durchaus in einer Weise argumentiert, die man von theologischer Sacherörterung erwarten möchte. Gleichzeitig wird das Scheitern dieser Strategie offenkundig. Denn, so Epiphanius, auf die Nachfragen des Basilius, »wie« die Schrift bestimmte Vorstellungen lehre, akzeptierte Photin jeweils die Valenz des Texts, führte aber hermeneutische Unterscheidungen ein, die ihn zu einem anderen Verständnis führten.35 Die hundert Schriftzeugnisse des Photin und die entsprechenden Texte des Basilius, also das schiere Volumen der Beweisstellen, führte mithin nicht zu einem Ergebnis der Debatte, und erst recht nicht zur theologischen Sachklärung, weil ihr konzeptionelles Verständnis an unterschiedlichen Vorentscheidungen hermeneutisch auseinanderbrach. Für das Wesen und die Formelemente der zwischen Basilius und Photin geführten Debatte können so das Frage-und-Antwort-Format, ein deutliches Element der Konfrontation und des Streits, die Erwartung von Sieg und Niederlage und eine klare inhaltlich-methodische Grundlegung in der Auslegung der Schrift als bestimmende Merkmale identifiziert werden. Gleich ob man die so geführte Debatte den Kirchenhistorikern folgend chronologisch nach einem vorausgehenden Synodalbeschluss verortet oder sie innerhalb des synodalen Ablaufs platziert, bleibt festzuhalten, dass sie sich als Extension und teilweise Transformation der Synode in einen benachbarten gesellschaftlich-verwaltungsjuristischen Raum darstellt und nicht zu theologischen, sondern rechtlichen Ergebnissen führen soll sowie auf öffentlichkeitswirksame Demonstration von Überlegenheit setzt. Sie ist damit zugleich ein Beispiel für das komplexe Miteinander und Ineinander von synodal-kirchlichen und staatlichen Interessen

34 Epiph., haer. 71,1,7 (Holl/Dummer, 250,21). 35 Epiph., haer. 71,2,1–3 (Holl/Dummer, 251,3–16).

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in den Konflikten des vierten Jahrhunderts generell.36 Diese Verwebungen und Spannungen, so zeigt sich, tragen sich nicht zuletzt in den zur Anwendung gebrachten entsprechenden Verfahrensformen und -modellen aus. Als polemisch-antagonistische, exegetisch fundierte Debatte zur quasi-juristischen Entscheidungsfindung vor staatlichen Richtern und mit den soeben noch als Synode konstituierten Bischöfen nunmehr in der Rolle des Publikums stellt das Geschehen eine polyvalente Veranstaltung dar, in der sich verschiedene Interessen und Zwecksetzungen überkreuzen. Im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen an ihre Leistungsfähigkeit, sei es als theologische Diskursstrategie zur im Kern exegetischen Beantwortung der Trinitätsproblematik, sei es als rhetorisch-performative »Aufführung« mit dem Ziel der öffentlich sichtbaren und sozial wirksamen Überwindung und Bloßstellung des Gegners, sei es als Prozessstrategie zur Überführung des Gegenübers als schuldhaft (im Sinne eines unausgesprochen bleibenden, aber vorauszusetzenden Maßstabs, hier: von Orthodoxie) und Erwirken des (Verbannungs-)Urteils, ist die Debatte auf der Schwelle verschiedener intellektueller und institutioneller Anforderungen und Erwartungen höchst prekär situiert. *** Komplexe Verwicklungen vielgestaltiger Verfahrensabläufe und -modalitäten zeigen auch das Doppel-Konzil von Rimini und Seleukia und seine sorgfältige Vorbereitung. Es war als Höhepunkt und Abschluss der theologischen Diskussionen und der kaiserlichen Religionspolitik der 350er Jahre geplant und sollte die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit erzielen. Auch bei dieser Veranstaltung wird nicht einfach auf diskursivem Wege in kühler Rationalität der Versuch einer theologischen Sachklärung betrieben, noch genügt der Hinweis auf kaiserliche Machtausübung zur Erklärung seines Resultats. Im Spannungsfeld theologischer Meinungsunterschiede und politischer Druckkulisse wird gerade hier deutlich, welch große Bedeutung den Handlungsweisen der Teilnehmer zukommt, um dem schließlich erzielten Übereinkommen Plausibilität und Legitimität zuzuschreiben und zu sichern. Dabei erweisen sich einzelne Aktivitäten der Synode als hochgradig inszeniert und zeigen – mindestens in Teilen – rituell-symbolischen Charakter. Ihnen kommt die Aufgabe zu, nicht erst eine thematisch-sachliche Übereinstimmung herbeizuführen, sondern einen bereits mit anderen Methoden erzielten Konsens im Blick auf eine weitere Öffentlichkeit darzustellen. In der nachfolgenden Analyse soll es wesentlich um diese Dimension des Geschehens gehen, ohne dass die vielschichtigen Fragen der theologischen Positionsbestimmung der handelnden Parteien und der Wirkungen kaiserlicher religionspolitischer Aktivität nochmals im einzelnen aufgegriffen werden sollen.37 Die Vorbereitung der Synode beginnt bereits mit einer als Vorbereitungstreffen zu bewertenden Zusammenkunft einer kleinen Gruppe von Bischöfen in Sirmium, die

36 Vgl. den Beitrag von H. C. Brennecke, Synode als Institution zwischen Kaiser und Kirche in der Spätantike, oben S. 19. 37 S. grundlegend Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 5–46, vgl. u. Anm. 39.

66 | Graumann das von den Gegnern vielfach verspottete und verhasste sog. Datierte Bekenntnis (22. Mai 359) entwarfen.38 Im Rückblick auf die Ereignisse und zur eigenen Rechtfertigung als Beteiligter betont bereits ein Bericht des Ortsbischofs Germinius die Regelhaftigkeit der Art und Weise, in der dieses Bekenntnis als Resultat von ausführlichen Diskussionen zustande kam.39 Auch wenn die dabei unterstellten Kriterien in der Sache unanschaulich bleiben, ist die Tatsache als solche wichtig, dass Germinius ein Verfahren vor Augen führen will, das robust und regelkonform war und den zu erwartenden Standards entsprach, und darum weder als ungeordnetes Durcheinander verstanden werden dürfe noch als ein Geschehen, das sich fremden Einflüssen beugte. Es ist also die Regelhaftigkeit des Vorgehens, das die Bedeutung und Geltung des aufgrund dieser Diskussion entstandenen Positionspapiers (die fides) sicherstellen soll. Das Treffen der Vorbereitungsgruppe zeigt ferner an, dass die große Synode sorgfältig geplant wurde, um das angestrebte Ziel, den Riss zwischen Ost und West zu heilen, zu erreichen. Planung und ein komplexes Ineinander verschiedener Verfahrensformen und Schritte prägen dann auch in einer elaborierten Choreographie den Ablauf der Einigungsversuche zwischen den beiden Synoden und dem Kaiser. Constantius lud zu zwei separaten Synoden der Bischöfe beider Reichsteile, verlangte, dass sie ihre Theologie niederlegten, und zwar in einer Weise – soviel ist klar – wie es dem Text der Vorbereitungsgruppe entsprach; sodann sollten beide Seiten Delegationen von je zehn Bischöfen zum Hof schicken, die dort die endgültige Einigung aushandeln und formalisieren sollten, die dann wiederum zurück vor die jeweilige Synode gebracht und ihr zur Unterschrift vorgelegt werden sollte.40 Seine entsprechenden Anweisungen legen präzise die erwarteten Schritte, die Aufgabe der Synode(n) und die Grenze ihrer 38 AW III 4, Dok. 57.2, überliefert bei Stelle Ath., syn. 8,3–7 (235,21–236,15 Opitz); Socr., h. e. II 37,18–24 (Hansen, 154,6–155,9). Vgl. zur Theologie der Formel Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 99–102; Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 16–23. 39 Hil., coll. antiar. B VI 3 (Feder, 163,17–22) = AW III 4, Dok. 57.1: … post habitam usque in noctem de fide disputationem et ad certam regulam perductam Marcum ab omnibus nobis electum fidem dictasse, in qua fide sic conscriptum est … (»nach einer bis in die Nacht dauernden und nach einer festen Regel durchgeführten disputatio über den Glauben diktierte der von uns allen dazu ausgewählte Marcus [von Arethusa] den Glauben; in diesem Glauben[stext] ist Folgendes geschrieben … [es folgt ein Zitat aus der fides]«). 40 Ausführlich und grundlegend für den gesamten hier ins Auge gefassten Abschnitt kaiserlicher und kirchlicher Einigungsbemühungen – für die hier vorgelegte Untersuchung skizzenhaft auf wesentliche Grundschritte konzentriert –, s. für die Teilsynode von Rimini insbesondere Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 5–40; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 103–129. Vgl. zur Geschichte der Synode ferner Leclercq/Hefele, Histoire des conciles, 929–955; Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo, 314–325; Meslin, Les Ariens d’occident. 335–430, 285–291; Barnes, Athanasius and Constantius, 145–149; sowie die detailreiche Rekonstruktion der komplexen Geschichte der Vorbereitung der Synode bei Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 93–98. Eine kurze Orientierung zu den Ereignissen bietet auch C. Piétri, Von der partitio des christlichen Kaiserreichs, 386–391.

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Kompetenzen fest.41 So entsteht eine komplizierte Choreographie von synodaler Diskussion, diplomatischer Mission und Verhandlung am Hof, die wiederum zurückmünden sollte in eine synodale Inkraftsetzung des erzielten Konsens. Mit dieser geplanten Sequenz der Schritte, ausgeführt von verschiedenen Akteuren auf der kirchlichen und staatlichen Bühne, lenkt die Doppelsynode von Rimini/Seleukia nochmals den Blick auf den Beitrag der Geschäftsabläufe, Verfahrensweisen und Verhandlungsformen, die bei der Entscheidungsfindung – auch zum Zweck theologischer Klarstellung – zusammenwirken, und die sowohl in synodalen Kontexten, als auch in benachbarten, aber unterscheidbaren Rahmungen und zugehörigen Handlungsformen ausagiert werden. Die vielfältigen, in verschiedenen Zusammenhängen überlieferten Nachrichten von den Vorbereitungen und Abläufen der Doppelsynode fügen sich nicht in allen Einzelheiten zu einem klaren Bild. Soweit es aber für das Verfahrensinteresse von Bedeutung ist, lassen sich verschiedene relevante Beobachtungen festhalten.42 Dabei gilt unser Augenmerk speziell den Verhaltensweisen der verschiedenen Teilnehmer, die aus den Dokumenten aufscheinen oder die in den Berichten der Historiker festgehalten sind. An zwei verschiedenen Momenten des Geschehens illustrieren die Kirchenhistoriker ihre Berichte mit Hinweisen über die Aktivitäten der Bischöfe. Die Bischöfe Valens und Ursacius, begleitet und unterstützt von Germinius und Gaius, brachten das Datierte Bekenntnis vor die Versammlung.43 Ihr Auftreten wird von Sozomenus in einer ζήτησις über den Glauben verortet.44 Während dieser Untersuchung kamen, so malt er aus, die Genannten in die Mitte, um den Text vorzustellen. Sie argumentierten auch unter Hinweis auf die Unterstützung des Kaisers für die (nicht nur politische) Notwendigkeit, ihn zu unterzeichnen und alle vorherigen Erklärungen beiseite zu setzen. Sie rieten von detaillierter Untersuchung der strittigen Terminologien ab (ἀκριβὴς βάσανος, 41 Hil., coll. antiar. A VIII (Feder, 93 f.). 42 Zur Geschichte der sog. ersten Session, s. Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 103–13, bes. 112 f. Die nachfolgende Untersuchung konzentriert sich allein auf die mit der westlichen Synode von Rimini verbundenen Ereignisse, doch wären analoge Beschreibungen der Geschehnisse von Seleukia möglich; vgl. zur Orientierung Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 40–59. 43 Socr., h. e. II 37,25 (Hansen, 155,10); Soz., h. e. IV 17,3 (Bidez/Hansen, 163,8–13) – zu den Personen Hil., coll. antiar. A IX 3 (Feder, 96 f.) = AW III 4, Dok. 59.4; Ath., syn. 11 (238,34–239,7 Opitz); vgl. Socr., h. e. II 37,28 (Hansen, 155,19 f.); Soz., h. e. IV 17,3 (Bidez/Hansen, 163,8 f.). Socrates und Sozomenus nennen zusätzlich Auxentius von Mailand und Demophilus von Beröa als Mitglieder dieser Gruppe (ebd.). Allerdings sind beide nicht in den Verurteilungen durch die Synode erwähnt und darum wohl irrtümlich hier eingetragen; s. AW III 4, Dok. 59.4 mit den einführenden Bemerkungen. 44 Soz., h. e. IV 17,3 (Bidez/Hansen, 163,7). Constantius hatte verlangt, dass die Fragen von Glaube und Kircheneinheit behandelt würden (Hil., coll. antiar. A VIII 1.2 [Feder, 94,4]: de fide atque unitate tractari); auch sonst ist die Beschäftigung mit den anstehenden Problemen in seinem Brief stets mit dem allgemeinen tractare beschrieben, das als solches keine spezifische Vorgehensweise determiniert (vgl. Hil., coll. antiar. A VIII 2.1 [Feder, 94,16]).

68 | Graumann πολυπραγμονέω), da dies nur Konflikte verursache, und empfahlen das Bekenntnis als eine absichtsvoll schlichte Formel, damit »terminologische Neuerungen« nicht Anlass zur Einführung dialektischer Subtilitäten gäben.45 In der parallelen Passage berichtet Socrates von der Verlesung des bis dahin absichtsvoll geheimgehaltenen Textes der fraglichen sog. vierten Sirmischen Formel. Man darf schließen, dass die Gruppe der Bischöfe einen für die Synode bis dahin unbekannten Text verlas und ausführlich erläuterte, sowohl in theologischer wie in kirchenpolitischer Hinsicht. Nach Socrates erhoben sich die Andersgesinnten im Anschluss an die Verlesung; dramatisierend hält er die Ablehnung der Gruppe in direkter Rede fest.46 Interessant ist hier der erzählerische Hinweis auf ihr Aufstehen. Will er andeuten, dass die Nizäner sich erhoben, um nach ihrer in dieser Form sicher fiktiven Ansprache hinauszugehen? Das Aufstehen suggeriert jedenfalls die Aufhebung der gemeinsamen Sitzung. Tatsächlich spaltete sich die Synode, doch sind Zeitpunkt und genaue Umstände nicht anderweitig überliefert.47 Von Sozomenus erfahren wir nichts über die Umstände der Zurückweisung des Textes; er konzentriert sich auf die verlangte und verweigerte Verurteilung der Arianischen Lehren als Motiv für die Synode, die Gruppe der Bischöfe abzusetzen.48 Einen Protokollauszug, in dem die Bischöfe der pronizänischen Teilsynode ihr Urteil über die Gruppe um Valens und Ursacius aussprachen, bewahrt Hilarius auf.49 Es hat alle Anzeichen eines offiziellen Dokuments: Zunächst Datierung nach dem Konsuljahr und eine kurze einleitende Notiz über die Situation und den Anlass der Synode; danach schlägt ein namentlich genannter Bischof die Verurteilung vor, und das Bischofskollektiv spricht sein placet aus; dies ist das eigentliche Urteil. Der aufgezeichnete Urteilsvorschlag des Bischofs Grecianus von Calle (von dem nichts weiter bekannt ist) besteht aus einer knappen narratio über die Beschäftigung der Synode mit Valens und Ursacius und mündet in die Aufforderung an die Bischöfe, ihr Urteil »abermals« (iterum) auszusprechen und zu unterzeichnen, also eine in der Sache bereits gewonnene Anschauung nun zu formalisieren.50 Der Hinweis auf ein wiederholtes Urteilen erinnert dabei einerseits wohl an Zurückweisungen der »Häretiker« bei früheren Gelegenheiten,51 dürfte aber

45 Soz., h. e. IV 17,4 (Bidez/Hansen, 163,13–18): ἔλεγον δὲ ταύτην καὶ βασιλέα ἐπαινέσαι, χρῆναι δὲ καὶ τὴν σύνοδον ἀναγκαίως προσίεσθαι μηδὲν τοῦ λοιποῦ πολυπραγμονοῦσαν τῆς ἑκάστου ἐννοίας, ἵνα μὴ διχόνοιαι καὶ στάσεις γίνωνται διαλέξει καὶ ἀκριβεῖ βασάνῳ παραδιδομένων τῶν ὀνομάτων· ἄμεινον γὰρ εἶναι ἀμαθέστερον διαλεγομένους ὀρθῶς περὶ θεοῦ δοξάζειν ἢ καινότητας. 46 Socr., h. e. II 37,25–27 (Hansen, 155,10–18). 47 Sulp. Sev., chron. II 41,5 (Halm, 95,1–4) weiß von zwei separaten Tagungsstätten der »Homöer« und der »Nizäner«. Danach war es allerdings die Minderheit der Homöer, die auszog. 48 So. Ath., syn. 9,1 (AW II 1–7, 236,16–19); dazu kritisch Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 27–31. 49 Hil., coll. antiar. A IX 3 (Feder, 96,16–97,13) = AW III 4, Dok. 59.4. 50 Hil., coll. antiar. A IX 3.2 (Feder, 97,9–11) = AW III 4, Dok. 59.4: Nunc iterum quid uobis placet, iterum dicite ut singulorum suscriptione firmetur. 51 Hil., coll. antiar. A IX 3.2 (Feder, 97,7) = AW III 4, Dok. 59.4: Iam quidem heretici antehac nobis pronuntiati sunt …

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speziell auf die Art und Weise anspielen, wie die Betroffenen auf der Synode selbst behandelt wurden. Denn »wir haben sie nicht zu unserer Gemeinschaft zugelassen (ad nostram communionem non admisimus) und sie mit unserer Stimme in ihrer Gegenwart verurteilt (voce nostra damnantes)«.52 In der partizipialen Verknüpfung formuliert der Bischof womöglich lediglich plerophor, ja tautologisch, wenn er Nicht–Aufnahme in die Gemeinschaft und Exkommunikation je für sich nennt. Trotz der annähernden Synonymität beider Wendungen deutet sich gleichwohl eine mögliche Unklarheit bezüglich ihres Status bereits zu Eingang der Diskussionen an – speziell in der Frage nach ihrer Kirchengemeinschaft mit den übrigen Synodalen – und stellt sich darum die Frage nach einer Differenzierung unterschiedlicher Rollen im synodalen Geschehen. Wenn anfänglich keine förmliche Aufnahme der Gruppe in die Gemeinschaft erfolgte – womit anzunehmen ist, dass die Gemeinschaftsfrage eingangs unbehandelt und somit womöglich absichtsvoll in der Schwebe blieb –, so setzt im konkreten Fall ihr Auftreten in der Synode und ihre Vorlage und Diskussion des Textes nicht bestehende Gemeinschaft voraus, sondern wird ermöglicht in dem Bemühen, die Möglichkeit zur Gemeinschaft zu sondieren. Wenn dies zutrifft, ist es von weitreichender Bedeutung für unser Verständnis synodalen Zusammenkommens und Kommunizierens und der Voraussetzungen und Vorbedingungen für synodales Handeln. Entweder hatte synodales Handeln nicht volle Gemeinschaft zur Voraussetzung, sondern nur die Bereitschaft, etwaige Grundlagen für Gemeinschaft zu untersuchen, und damit die Annahme, dass bestehende Differenzen im Prinzip überbrückbar waren. Oder aber die Beteiligung einzelner oder bestimmter Gruppen am synodalen Geschehen muss so verstanden werden, dass ihre Rolle in der Versammlung nicht unbedingt die eines gleichberechtigten Teilnehmers mit allen Rechten der Entscheidung und des Urteils sein muss. Wir müssten vielmehr mit einer differenzierteren und vielfältig abgestuften Bestimmung unterschiedlicher Rollen im synodalen Verfahrenskontext rechnen.53 Vielleicht weckt in dieser Blickrichtung die Formulierung des Sozomenus, wonach sie zur Vorlage des Textes »in die Mitte« kamen, zusätzliche Assoziationen. Man wird zwar seine Bemerkung ebenso wie die des Socrates über das Aufstehen der Bischöfe nicht pressen und postulieren dürfen, dass sie auf historischer Information über die spezifischen Umstände des Geschehens beruhen. Ebensogut könnten sie als schriftstellerische Ausdrucksmittel zur narrativen Verlebendigung verstanden werden, mit denen etwa Sozomenus die Bischöfe einfach »ins Zentrum des Interesses« rückt. Aber auch dann noch wäre in der Ausgestaltung und Verlebendigung der Szene etwas von den Erwartungen ihres Autors und seiner angenommenen Leser über synodale Vorgänge zu erkennen und müsste von derartigen Erwartungen ausgehend eine expressive Bedeutung des Agierens in einer Synode unterstellt werden. 52 Hil., coll. antiar. A IX 3.2 (Feder, 97,8 f.) = AW III 4, Dok. 59.4: Quos et ad nostram communionem non admisimus uoce nostra damnantes eos praesentes. 53 Tatsächlich scheint sich dies bei anderer Gelegenheit zu bestätigen; s. u. zur Rolle des Valens in Rimini.

70 | Graumann So könnte Sozomenus’ Formulierung schlicht ausdrücken, dass die Bischöfe vortraten, um den nächsten Punkt der Geschäftsordnung vorzubringen,54 und insoweit synodale Konventionen und gängige Praktiken widerspiegeln. Doch ebenso wie der Hinweis des Socrates auf das Aufstehen der Andersgesinnten über solche praktischen Usancen hinaus – üblicherweise erhob sich der Redende – mindestens darauf anzuspielen schien, dass sie sich von den anderen trennten und die Synode sich spaltete, so wäre auch vorstellbar, in Sozomenus’ Plazierung der Bischöfe um Valens und Ursacius »in der Mitte« eine Andeutung über ihre unklare Position und eine gewisse Ambivalenz ihrer Rolle abzulauschen. Über das Praktische hinaus hätte ihre Verortung »in der Mitte« womöglich weitere symbolische Resonanz. Beide Lesarten müssen einander nicht ausschließen. Im Gegenteil, die Positionierung von Einzelnen, die Sitzordnungen und Arrangements im Raum, das physische Interagieren und Gestikulieren, das die verbalen Interventionen begleitet, waren mindestens im selben Maße Ausdruck des Aushandelns und Darstellens von Status und Identität wie praktisch motiviert.55 Leider sind zeitgenössische Quellen, speziell Synodalprotokolle, eher schweigsam über diese Dimension synodalen Interagierens. Bei späteren Synoden, etwa in Chalcedon (451), wird aber gelegentlich sehr deutlich, dass Status und Rolle im Geschehen auch durch Platzierung ausgedrückt werden konnten, und speziell eine unsichere und angefochtene Mittelposition auch im räumlichen Arrangement erkennbar gemacht wurde. So finden sich während der ersten Sitzung dieses Konzils umstrittene Gestalten wie Dioskur von Alexandrien oder Theodoret von Cyrrhus in bestimmten Situationen »in der Mitte«.56 Generell kommen Antragsteller immer wieder nach vorn und in die Mitte, um ihre Petitionen zu präsentieren.57 Tatsächlich harmonierte eine hypothetische 54 Soz., h. e. IV 17,2 (Bidez/Hansen, 163,4–7). So versteht es der Übersetzer Hansen, Sozomenos, II 493. 55 Das Forschungsfeld der politischen und gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit und der spezifischen Rationalität(en) von symbolischer Kommunikation – speziell, aber keineswegs nur in Mittelalter und früher Neuzeit – hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erfahren; es hier bibliographisch aufschließen zu wollen, verbietet sich. Im weiten Horizont vormoderner politischer Handlungsund Gestaltungsmöglichkeiten bestimmt dieser Fragenkreis u. a. einen Arbeitsschwerpunkt des Sonderforschungsbereichs 496 »Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution« und des Exzellenzcluster »Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne« an der Universität Münster und zahlreiche damit verbundene Publikationen. Vgl. nur Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Für ein altkirchliches Beispiel des Versuchs, das Versammlungsformat einer Bischofsversammlung und die eigene Rollenzuschreibung handelnd zu definieren, vgl. Graumann, Upstanding Donatists. 56 CChalc. I 14 (ACO II 1,1, 66,10 f.): Καὶ Διοσκόρου … καθεσθέντος ἐν τῷ μέσῳ …; vgl. I 5 (ACO II 1,1, 65,20): … ὅπως Διόσκορος μὴ συγκαθεσθῇ τῷ συνεδρίῳ …; CChalc. I 34 (ACO II 1,1, 69,34): Θεοδώρητος ὁ εὐλαβέστατος ἐπίσκοπος παρελθὼν ἐν τῷ μέσῳ εἶπεν … und I 36 (ACO II 1,1, 70,9): Καὶ μετὰ τὸ καθεσθῆναι ἐν τῷ μέσῳ Θεοδώρητον τὸν εὐλαβέστατον ἐπίσκοπον …. 57 Beispielsweise hält das Protokoll der Sitzung der Konstantinopler Synode von 448 die Anweisung fest, dass Ankläger und Angeklagter »sich in die Mitte stellen sollen« (CChalc. I 475), oder auch, dass ein Notar zur Verlesung von Akten »nach vorn und in die Mitte kam« (CChalc. I 476). Ähnliche Platzanweisungen und Bewegungen ließen sich bei vielen Synoden dokumentieren.

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Identifizierung der Rolle der genannten Bischöfe um Valens als Antragssteller nicht nur mit einer pragmatischen Beschreibung ihres Auftretens, sondern auch mit der Feststellung des Bischofs von Calle, wonach zu keinem (?) Zeitpunkt Gemeinschaft mit den Betreffenden aufgenommen worden war. Als Antragsteller könnten sie auch ohne diese Vorbedingung agieren.58 Im fraglichen Kontext bei der Präsentation des Textes unterscheidet sich ihre Position jedenfalls von der aller anderen, die zur Beurteilung und Anerkenntnis oder Verwerfung ihres Vorschlages aufgerufen sind. Diese fungieren in der traditionellen synodalen Weise als situationsmächtige Richter, jene als Interessenvertreter, deren Aufgabe darin besteht, um Akzeptanz zu werben. Dass bei einem solchen Versuch auch die Frage nach persönlichem Vertrauen eine gewichtige Rolle spielt, zeigt eine spätere Zusammenkunft, auf der der Bruch mit den Genannten geheilt wird. Hier ist entscheidend, dass diese Rollendefinition nicht Gegenstand ausdrücklicher Benennung und Beratung sein musste, sondern die Handlungsmuster als solche die schwierige Statusfrage pragmatisch lösten und zugleich für eine spätere Einigung mit den übrigen nützlich in der Schwebe hielten. Dort steht dann auch spezifisch die Möglichkeit zur Herstellung und Darstellung von Kirchengemeinschaft im Vordergrund dramatisch-symbolischen Agierens und wird das hier nur andeutungsweise erkennbare Augenmerk auf, und die eher beiläufige Beschäftigung mit dieser Frage gespiegelt und dabei zugleich schärfer konturiert.59 Nach der Zurückweisung des Textes, der Verurteilung seiner Verfechter und der darüber vollzogenen Spaltung der Synode in rivalisierende Teilversammlungen werden zunächst in (etwas frei interpretierter) Umsetzung der kaiserlichen Verfahrensanweisungen Delegationen der rivalisierenden Gruppen nach Konstantinopel entsandt, aber im thrakischen Nike festgehalten. Auf anhaltenden Druck, aber aus Gründen, die letztendlich im Dunkeln bleiben, hob die Delegation der hier behandelten Teilsynode die Verurteilung des Valens und seiner Genossen schließlich auf, nahm Gemeinschaft

58 Man wird nicht mit letzter Gewissheit ausschließen wollen, dass sich dem Bischof diese Einschätzung eines problematischen Status der Freunde des Valens gleich zu Beginn des Geschehens erst ex eventu, im Nachgang der Ereignisse, erschloss. Dass Valens sich als »Antragsteller« verstehen musste, oder doch wenigsten so den anderen Bischöfen vor Augen stand, muss nicht zwangsläufig der ursprünglichen Konstellation in der entsprechenden Phase des Geschehens exakt entsprechen. Der zum Zeitpunkt seiner Intervention festgestellte Dissens und die sich anbahnende Verurteilung könnten Grecianus zu einer Neuinterpretation von dessen Rolle veranlasst haben und seine rückblickenden Bemerkungen entsprechend färben. Dem so entstandenen Bild – verstärkt im Laufe der Zeit durch den stereotypen Arianismusvorwurf, etwa in den polemischen Darstellungen des Athanasius – folgen die narrativen Dramatisierungen der Kirchenhistoriker. Bei einem hypothetischen anderen Ausgang, der Akzeptanz des Textes durch die Synode, wäre ihr Auftritt in der Mitte womöglich gar als Indiz einer ausgesprochenen Führungsrolle lesbar geworden, in der sie als Sachwalter des Willens der Gesamtsynode und ihre maßgeblichen Sprecher vor Augen stünden. So sind auch die physisch-gestischen Ausdrucksmittel nie in sich eindeutig, sondern bedarf ihre mögliche Signifikanz der Interpretation aus dem jeweiligen Kontext heraus. 59 S. u. S. 76.

72 | Graumann mit ihnen auf und unterschrieb eine geringfügig modifizierte Version des eben noch verworfenen Texts.60 Die zurückkehrende Delegation wurde von der Synode erst nach langem Widerstand und nicht ohne staatlichen Druck überhaupt empfangen, schließlich hatte sie völlig konträr zu ihrem Mandat gehandelt. Schlussendlich aber wurde doch in einem obskuren Manöver, das schon Zeitgenossen als den Betrug von Rimini bezeichneten, Einvernehmen erzielt.61 Die vielfach diskutierte, komplizierte Frage, worin dieser Betrug bestand, soll hier nicht erneut behandelt werden. Das Interesse dieser Studie gilt allein den synodalen Formen und den Rollenangeboten und individuellen Handlungsmustern, mit deren Hilfe die erzielte Einigung ausagiert und dargestellt wurde. Dabei tritt das expressive Moment synodalen Entscheidens und Definierens von Rechtgläubigkeit besonders deutlich hervor. Die zu analysierende Szene belegt exemplarisch nicht allein die Bedeutung prozessualer Faktoren zur Herstellung von Einigung, sondern auch die Wichtigkeit der Darstellung, sowohl für die handelnd Beteiligten selbst als auch vor dem Forum einer breiteren Öffentlichkeit. Über die fraglichen, konventionell als zweite Sitzung von Rimini apostrophierten Vorgänge berichtet Hieronymus in der sog. Altercatio mit den Luciferianern.62 Dazu, dass diese Einigung möglich wurde, trug nach seinem Bericht entscheidend bei, dass Valens sich bereit fand, arianische »Blasphemien« zu verdammen. Anscheinend gab es Gerüchte, dass die Formel irgendeinen Betrug enthalte, und Valens verwarf die arianischen Sätze, um sich von solchen Verdächtigungen zu reinigen.63 Die Möglichkeit, einen theologischen Text zu akzeptieren, verlangt also nicht allein intellektuelle Valenz, sondern auch persönliches Vertrauen in seinen Verfechter (und Mitautor). Allein da dies zunächst res secrete gesta geschah,64 kam die Gerüchteküche nicht zum Stillstand und wurde die Unruhe in der Öffentlichkeit nicht beseitigt.

60 Den Beschluss von Nike überliefert Hil., coll. antiar. A V 3 (Feder, 85 f.) = AW III 4, Dok. 59.8, die Formel bei Thdt., h. e. II 21,3–7 (Parmentier/Hansen, 145,4–146,12) = AW III 4, Dok. 59.9; zu den Umständen vgl. Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 33 f. 61 Duval, La « manœuvre frauduleuse » de Rimini; vgl. ferner Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, 38 f.; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 113–116. Für eine mögliche Unterscheidung mehrerer Zusammenkünfte unterschiedlicher Gruppierungen bei diesem Schlussakt der Synode von Rimini, s. Duval, La « manœuvre frauduleuse » de Rimini, 61–63. Zur Frage der fraus jüngst nochmals Image, Nicene Fraud at the Council of Rimini. 62 Hier., c. Lucif. 17 f. (Canellis [SCh], 148,1–156,53). Knappe Analyse, ohne Bezug auf die hier untersuchten Muster, bei Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 117–129. Für die theologiehistorische Auswertung der von Hieronymus präsentierten Dokumente, s. U. Heil, Was wir glauben und was wir wissen, in diesem Band, bes. Abschnitt 4 ab S. 213. 63 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 150,5–152,10): Denique, ipso in tempore, cum fraudem fuisse in expositione rumor populi uentilaret, Valens, Mursensis episcopus, qui eam conscripserat, praesente Tauro, praetorii praefecto, qui ex iussu regis synodo aderat, professus est se Arianum non esse, et penitus ab eorum blasphemiis abhorrere. 64 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 152,10): Res secrete gesta opinionem uulgi non extinxerat.

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Die vorgehaltene Heimlichkeit (secrete gesta) dieser ersten Erklärung des Valens ist erstaunlich und befremdlich. Sie kontrastiert mit der Beschreibung des seinerzeitigen ersten Vorschlags seiner Gruppe auf der sog. ersten Sitzung als öffentlich, also nicht in irgendwelchen Hinterzimmerverhandlungen, sondern in offener und formeller Konzilssitzung (publice in concilio).65 Demgegenüber erfolgte Valens’ Versicherung nicht in einer Plenarsitzung der Synode, sondern hinter verschlossenen Türen. Der Bericht erwähnt die Anwesenheit des Prätorianerpräfekten Taurus.66 Es ließe sich konjizieren, dass Valens seine Erklärung vor dem Präfekten und in der Gegenwart nur einiger weniger anderer, etwa während einer Audienz, abgab. Der Präfekt dürfte durchaus konventionell für kaiserliche Beamte wichtige Amtsgeschäfte in einem separierten Raum abgehalten haben, der oftmals durch einen Vorhang vom Rest einer größeren Audienzhalle abgeteilt war. Womöglich erklärt ein solches Arrangement die Beschreibung der Erklärung des Valens als secrete gesta im Sinne einer durchaus üblichen Begrenzung des Zugangs der Öffentlichkeit zu wichtigen juristisch-administrativen Amtsgeschäften besser als die Annahme konspiratorischer Heimlichkeit, deren Funktion und Nutzen fraglich bleiben müsste. In jedem Fall bleiben die wahrgenommene Unzulänglichkeit dieses Verfahrens und das Bedürfnis festzuhalten, die Einigung über den engeren Kreis der kirchlichen und imperialen Amtsträger hinaus vor einer größeren Öffentlichkeit zu demonstrieren und zu inszenieren. Die Einigung in der Sache konnte nur auf kirchliche und gesellschaftliche Akzeptanz hoffen, konnte also nur plausibel Legitimität beanspruchen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Hauptakteuren sichtbar wiederhergestellt wurde und wenn insbesondere die Vertrauenswürdigkeit des Valens demonstrativ vorgeführt und bestätigt wurde.67 In ein Verhältnis sachlicher, d. h. theologischer, und politischer Übereinstimmung mit der Synode konnte er nur eintreten durch die Herstellung und Darstellung seiner sozialen Integration in den Kreis der legitimen kirchlichen Entscheidungsträger und der durch sie repräsentierten umfassenden kirchlichen (Heils-) Gemeinschaft und damit einhergehend durch die Umdeutung seiner persönlichen Rolle und seines Status im Gegenüber zu beiden. Die Legitimität des theologischen Konsens ereignet sich so im Vollzug seiner öffentlichen Darstellung und des handelnd, im Modus liturgisch gelebter und zelebrierter Kirchengemeinschaft, ausgedrückten Beweises der charakterlich-moralischen Festigkeit und Verlässlichkeit der wichtigsten Akteure und damit ihrer Befähigung, überhaupt mit dem Anspruch von Legitimität und Autorität ein solches Übereinkommen einzugehen.

65 Dieses Detail des Geschehens hält der Synodalbrief der Synode an Kaiser Constantius II fest; Hil., coll. antiar. A V 2.3 (Feder, 82,6): … quod offerebant publice in concilio … 66 Siehe PLRE I, 879 f. (Flavius Taurus 3). 67 Für den Zusammenhang zwischen expressivem Handeln und der Herstellung und Erhaltung von Vertrauen sowie die zentrale Bedeutung des Vertrauensproblems bzw. der Beziehungsaspekte bei der Ermöglichung sozialen Handelns vgl. Luhmann, Vertrauen. Vgl. für diese Dimension auch das Konzept des »sozialen Kapitals«, klassisch definiert in Bourdieu, Ökonomisches Kapital.

74 | Graumann Darum fand an einem der folgenden Tage eine erstaunliche Vorstellung statt. Das Geschehen darf mit Bedacht als »Vorstellung« apostrophiert werden, da es überdeutliche Zeichen von Inszenierung aufweist. Auch geht es bei der fraglichen Zusammenkunft nicht darum, eine Entscheidung zu erzielen – dies war in der Sache bei dem Treffen vor dem Prätorianerpräfekten geschehen –, sondern sie öffentlich auszuagieren mit dem Ziel, das Bild von Einheit zwischen den Bischöfen und ihres völligen Übereinkommens über die Fragen des Glaubens zu kreieren und vorzuführen. Eine große Menge, Bischöfe und Laien, versammelte sich in der Kirche.68 Damit sind bereits zwei bedeutsame Elemente angezeigt, die das nachfolgende Geschehen von den vorherigen Verhandlungen absetzen und in einen veränderten Rahmen einzeichnen: Zum einen wechselt die Situierung in den Raum der Kirche und zum anderen wird ausdrücklich die Präsenz einer weiteren Öffentlichkeit festgehalten. Schon damit ist klar, dass keine interne Exploration der Möglichkeit von Konsens oder der Prüfung theologischer Formeln ansteht, sondern gezielt das (herzustellende) einvernehmliche Verhältnis zwischen den Bischöfen zum Gegenstand öffentlicher Anschauung werden soll. Ein Bischof namens Muzonius aus der Provinz Byzacena, ansonsten keiner der führenden Protagonisten der theologischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzungen,69 eröffnet das Prozedere; man hatte ihn dazu aufgrund seine Alters eingeladen.70 Dies zeigt bereits an, dass in dem nun eingeleiteten Verfahren konventionelle Statusmerkmale, nicht theologisches Fachwissen unterscheidend wirksam werden. Sein etwas unscharfer Verfahrensvorschlag ist, »die Dinge, die in der Öffentlichkeit kursierten und unsere Synode erreicht haben«, vorzulesen, damit, was falsch sei, verdammt werden könne.71 Als die Synode diesen Verfahrensvorschlag aufgreift, beginnt ein gewisser Bischof Claudius72 aus einem Text vorzulesen, der angeblich von Valens verfasst sei.73 Die Textverlesung dient in merklicher Inszenierung von vornherein nur

68 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 152,11 f.): Itaque, alia die, in ecclesia quae est apud Ariminum et episcoporum simul et laicorum turbis concurrentibus … 69 S. Prosopographie chrétienne I, 768 (Muzonius). 70 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 152,13–14) = AW III 4, Dok. 59.11: Mizonius, episcopus prouinciae Byzacenae, cui propter aetatem primatus ab omnibus deferebatur, ita locutus est … Zur Textgestalt, s. Canellis [CChr.SL], 82 note critique ad 18,639. 71 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 152,15–18) = AW III 4, Dok. 59.11: Ea quae sunt iactata per publicum, et ad nos usque perlata, aliquem e nobis Sanctitati Vestrae legere praecipimus ut, quia sunt mala et ab auribus et a corde uestro abhorrere debent, una omnium uoce damnentur. 72 Bischof der Provinz Pecenum in Italien, auch er keiner der Parteiführer und bestimmenden Theologen der Zeit. Vgl. Prosopographie chrétienne II/1, 448 (Claudius 1). 73 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 152,20–22): Itaque, cum Claudius, episcopus prouinciae Piceni, ex praecepto omnium, blasphemias quae Valentis ferebantur legere coepisset … Diesen Text zu identifizieren ist mir nicht gelungen; das wenige, was von Valens erhalten ist oder ihm zugeschrieben wird, besteht aus Briefen und beinhaltet keinen theologischen Traktat oder ähnliches Material. Vgl. CPL 682–687; Simonetti, Valens of Mursa and Ursacius of Singidunum; Windau, Valens von Mursa.

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als Anlass für das nachfolgende, eigentlich angezielte Geschehen; die Reaktionen sind keinesfalls spontan. Valens unterbricht die Verlesung laut rufend; er bestreitet erstens seine Autorschaft und spricht zweitens das Anathema über eine bestimmte Vorstellung (»Wenn einer leugnet, dass Christus der Herr, der Sohn Gottes vor den Zeiten aus dem Vater geboren wurde …«74 ) aus, die auf eine im soeben verlesenen Text formulierte Ansicht rekurrieren dürfte. Daraufhin respondieren die Bischöfe im Chor mit dem bestätigenden Ruf »anathema sit!«.75 Dieselbe Abfolge, ein von Valens ausgerufenes Anathema und die kollektiv antwortenden Rufe der Bischöfe »anathema sit«, wiederholt sich sechsmal,76 bevor die Bischöfe gemeinsam mit den versammelten Massen Valens mit Applaus und Fußgetrampel (tripudium77 ) unterbrechen.78 Die Freude der Bischöfe und der in der Kirche versammelten Öffentlichkeit findet also verbalen ebenso wie physischen Ausdruck, womit die prinzipielle Bedeutung von Verhalten und physischer Interaktion für die Kommunikation in den Synoden nochmals unterstrichen wird. Hieronymus fand in den Akten darüber hinaus Lobeshymen auf Valens und Ausdrücke des Bedauerns darüber, ihn jemals als Häretiker verdächtigt zu haben, die er nicht im einzelnen wiedergibt.79 Hieronymus’ Bericht unterstreicht aber, dass seine Darstellung anhand der Dokumente in öffentlichen und kirchlichen Archiven verifiziert werden könne und auch noch in lebendiger Erinnerung sei. Diese Akten, so beansprucht er, seien die Basis seines Berichts.80 Der bemerkenswerte Charakter der Ereignisse motiviert also eine besonders emphatische Betonung der Verlässlichkeit der Quellen, bzw. umgekehrt betrachtet: die Bedeutung, welche die Erzählung der Verlässlichkeit ihrer Quellen zumisst, zeigt an, dass das Geschehen als un- und außergewöhnlich wahrgenommen wurde.

74 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 152,23 f.): Si quis negat Christum Dominum, Dei filium, ante saecula ex Patre genitum, anathema sit! 75 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 152,24 f.): Ab uniuersis consonatum est: Anathema sit! 76 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 152,25–154,34). Zur Frage eines »zweiten« Betrugs von Rimini in den Formulierungen der Anathematismen, s. Duval, La « manœuvre frauduleuse » de Rimini, 98–103; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 130–135. 77 Der von Hieronymus gewählte Ausdruck bezeichnet ursprünglich das rituelle Tanzen von Priestern, spezifisch das dem Kriegsgotte Mars geweihte, nähert sich also Vorstellungen des Kriegstanzes an; s. OLD, sp. 1976 s. v.– Hieronymus kreiert so eine äußerst evokative Darstellung der Szene. 78 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 154,33–36): In hoc uero, cuncti episcopi et tota simul ecclesia plausu quodam et tripudio Valentis uocem exceperunt. 79 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 154,42 f.). 80 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 154,37–41): Quod si quis a nobis fictum putauit, scrinia publica scrutetur. Plenae sunt certe Ecclesiarum chartae; recens adhuc rei memoria est. Supersunt homines qui illi synodo interfuerunt et, quod ueritatem firmet, ipsi Ariani haec ita ut diximus gesta non denegent. (Canellis [SCh], 156,51–53): Quae si quis plenius discere cupit, in Ariminensis synodi actis reperiet, unde et nos ista libauimus.

76 | Graumann Die Freudenszenen werden von Bischof Claudius, der bereits für das anfängliche Verlesen zuständig war, wieder in eine Art geordneten Geschäftsgang zurückgeleitet.81 Die öffentliche Aufführung der gefundenen Übereinstimmung zwischen Valens und den Bischöfen hat ihr Ende noch nicht ganz erreicht. Nachdem sich die Versammlung ein wenig beruhigt hat, hebt Claudius hervor, dass Valens bei seinen Verurteilungen noch einige Punkte übersehen habe, die gleichfalls zu verwerfen seien. Nur noch ein Anathema wird ausgeführt, bevor Hieronymus summarisch auf weitere, im gleichen Stil erfolgte Verwerfungen verweist.82 Zwar spricht Hieronymus dabei von der Verwerfung solcher Sätze durch Valens,83 aber das einzig ausgeschriebene Beispiel – und implizit auch sein zusammenfassender Bericht – deuten auf eine signifikante Veränderung im Ablaufmuster hin. Bischof Claudius bezeichnet in seinem Verfahrensvorschlag Valens als »Herrn und Bruder«, behandelt ihn also als vollgültiges Synodenmitglied und impliziert bestehende Kirchengemeinschaft; er beantragt ausdrücklich weitere problematische Sätze gemeinschaftlich (in commune) zu verdammen.84 Tatsächlich ist auf die (von Hieronymus dem Protokoll entnommene) Anführung des ersten zu verwerfenden Satzes in dieser Sequenz nur notiert, dass alle (dixerunt cuncti)85 das Anathema aussprachen. Der Protokollauszug erwähnt nicht mehr, dass Valens zuerst und separat gesprochen habe wie zuvor. Selbst bei Hieronymus, dessen zusammenfassende Bemerkung ausschließlich Valens als denjenigen anführt, der solche Sätze verdammte, wird die tatsächliche Veränderung deutlich. Denn auch Hieronymus entnimmt dem Protokoll, dass die einzelnen Sätze jeweils von Claudius vorgebracht wurden – und eben nicht in der zuvor beschriebenen Weise von Valens. Claudius formuliert sicher nicht spontan, sondern verliest höchstwahrscheinlich die Anathematismen aus einem vorbereiteten Dokument. Damit handelt er in der gleichen Funktion und Rolle, in der er eingangs einen kritikwürdigen Text verlesen hatte. Dabei unterstreicht die Vorbereitung einer Liste von Anathematismen im übrigen nochmals den inszenierten Charakter des Geschehens; es läge nahe, auch Valens’ frühere Interventionen auf dieselbe vorbereitete Anathematismenliste zurückzuführen. Während Claudius wiederum in der Rolle des Vorlesers agiert, hat sich die Rollenzuschreibung des Valens also fundamental verändert. Nachdem die Synode kurz zuvor so demonstrativ ihre Freude über die Übereinstimmung zwischen Valens und den

81 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 154,43 f.): … idem Claudius qui supra legere coeperat, ait … 82 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 156,46–49): Si quis dixerit Filium Dei esse quidem ante omnia saecula, sed non ante omne omnino tempus, ut ei aliquid anteferat, anathema sit! Dixerunt cuncti: Anathema sit! 83 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 156,49–51): Multaque alia quae suspiciosa uidebantur, ad pronuntiationem Claudii, Valens condemnauit. 84 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [SCh], 154,44–156,46): Sunt aliqua, quae subterfugerunt dominum et fratrem meum Valentem, quae, si uobis uidetur, ne qui scrupulus remaneat, in commune damnemus… 85 S. Anm. 82.

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anderen Bischöfen ausagiert hatte, konnte er nun als vollständig integriert angesehen werden und mit allen anderen zusammen handeln. Claudius’ Benutzung des BruderTitels veranschaulicht den gleichen Statuswechsel. Klar erkennbar wird darin die zuvor nur undeutliche und hypothetisch festzustellende Möglichkeit zur Transformation der auf der Synode eingenommenen Rolle und des Status des Teilnehmers, und damit die prinzipielle Durchlässigkeit solcher Funktions- und Statusmerkmale im synodalen Handeln. Valens, der zunächst noch als unter Erklärungsnot stehender Einzelner im Gegenüber zum Kollektiv der Bischöfe sprach und auftrat, dessen Rolle also anfangs unsicher und angefochten war, handelt nun ganz und gar als vollwertiges Mitglied der Synode und geht völlig in der Gruppe auf. *** Hinter und in den spezifischen Umständen der beiden hier exemplarisch ausgewählten Bischofsversammlungen in der Mitte des vierten Jahrhunderts scheinen eine Vielzahl von auf den ersten Blick diversen Einzelbeobachtungen auf, die zusammengenommen die Bedeutung von Interaktions- und Verfahrensweisen und deren unausgesprochene kirchlich-sozialen Voraussetzungen für synodale Entscheidungsprozesse ins Bewusstsein heben. Für die Frage nach der Möglichkeit verbindlicher »Orthodoxie« zeigen sie die Verflechtung sachlich theologischer Argumentation – in Entwurf, Verlesung und Diskussion von Positionspapieren und Konsensdokumenten, in der streitigen Debatte um angemessene Schriftauslegung, in der Durchleuchtung von Begriffen und der verwerfenden Abgrenzung gegenüber abweichenden Sprach- und Argumentationsmustern – mit den Formen individuellen und kollektiven Rollenhandelns, dem agierenden Aushandeln von Statusfragen und den inszenatorisch-symbolischen Ausdrucksmöglichkeiten von Gemeinschaft, Konsens und Autorität. In ein spannungsreiches Verhältnis gesetzt sind diese zudem mit z. T. kaiserlich, (religions-)politisch vorgegebenen Verfahrensvorstellungen ebenso wie mit konventionellen Wahrnehmungen und Erwartungen der spätantiken Gesellschaft. So konnte näherhin inhaltlich theologische, speziell exegetische Diskussion in der unseren Erwartungen entsprechenden Form zwar in der Debatte zwischen Photin und Basilius beobachtet werden. Doch wurde hier klar, dass dieses Debattieren kein im engeren Sinne synodales Format darstellte, noch schlicht das Bemühen um intellektuelle Problemlösung repräsentierte, sondern als eine Mischung aus öffentlichem, quasi-akademischem Wettbewerb und verwaltungsgerichtlich orientierter Entscheidungsfindung außerhalb des synodalen Raums im engeren Sinne anzusiedeln war und die Mechanismen, Normen und Erwartungen jener Zusammenhänge spiegelte. Kaum je von den Beteiligten ausdrücklich reflektiert oder in den Dokumenten förmlich festgehalten, ist dennoch hier wie auch im zweiten Beispiel, der Synode von Rimini, das faktische Wirksamwerden von unausgesprochenen Rollenerwartungen an die Beteiligten und solchen an die Bedingungen der Legitimität des Geschehens erkennbar. Diese speisen sich aus verschiedenen institutionellen Kontexten, konventionellen zeitgenössischen intellektuellen Praktiken und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. So

78 | Graumann entstehen hochkomplexe, z. T. ambivalente Verfahrensformen, in denen sich die Suche nach Orthodoxie jenseits, oder vielleicht besser: in Verlängerung und Transformation, des von Einzelnen und in polemischer Fachschriftstellerei durchbuchstabierten intellektuellen Ringens um konzeptionelle Klarheit und Überzeugung auch kollektiv und institutionell ausarbeitet. Insbesondere die spezifischen Umstände der Synode von Rimini und die Wechselfälle zwischen ihrer sogenannten ersten und zweiten Sitzung erlauben in dieser Blickrichtung von einer planvollen, administrativ und institutionell ausgearbeiteten Choreographie von Verfahrensschritten zu sprechen. In dieser Rücksicht erwiesen Verfahrensformen sich nicht allein im jeweiligen Einzelgeschehen als signifikant, sondern war ein weit gespannter Zusammenhang von diversen Treffen mit verschiedenen Hauptakteuren, angefangen von der sirmischen Vorbereitungsgruppe bis hin zur öffentlichen Aufführung wiedergewonnener Eintracht in der sog. zweiten Sitzung von Rimini, erkennbar, der als ein großer Spannungsbogen ansprechbar ist und als solcher noch genauer verfahrensanalytisch untersucht werden müsste. Einem solchen primär institutionell nachzuzeichnenden Verfahrensbogen wohnt dabei ein zusätzliches Moment von kaum zu überschätzender Bedeutung inne. Gerade die zweite Sitzung von Rimini dokumentiert nämlich in seltener Klarheit und Expressivität die kritische Signifikanz symbolischen Handelns. Theologische Einigung oder auch Definition wurde hier an entscheidender Stelle nicht allein terminologisch-propositional diskutiert und fixiert, auch nicht allein kirchlich-politisch ausgehandelt, sondern – das ist von erheblicher Wichtigkeit – vor allem öffentlich deklaratorisch zelebriert. Konsens und Einheit wurden performativ hergestellt in und durch ihre öffentliche, symbolischrituelle Darstellung. Es zeigte sich so, dass das Verfahren als solches, die Inszenierung und öffentliche Zurschaustellung des Erreichten, ein entscheidendes Moment auch der Diskursivität und theologischen Arbeit von Synoden darstellt, ohne die ihre Leistungsfähigkeit für die Feststellung und Vermittlung der Legitimität bestimmter Ausdrücke von »Orthodoxie« unverständlich bleibt.

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Theologische Diskussion und Entscheidung auf Synoden | 81

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Nina Lubomierski

Der Prozess gegen Dioscorus auf dem Konzil von Chalcedon. Legitimiert durch Verfahren? Worauf gründet sich die Autorität eines Konzils? Auf dem Wahrheitsanspruch der Konzilsväter? Auf der Inspiration durch den Heiligen Geist? Auf der Einmütigkeit der Beschlüsse? Der Vormachtstellung des Papstes? Der Einberufung durch den Kaiser? Worin gründet die Legitimation der Staatsgewalt? Die klassische Antwort der Rechts- und Staatstheorie lautet, die Legitimation staatlichen Handelns sei darin begründet, dass es wichtige Zwecke für das menschliche Zusammenleben garantiere, nämlich »Frieden und Ordnung und damit auch den Schutz vor der Selbstsucht der Mitmenschen gewährleiste und daß es eine gerechte Ordnung bereitstelle, in welcher allein die Menschen zur vollen Ausbildung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit gelangen könnten.«1 Der Jurist und Soziologe Niklas Luhmann stellte dem gegenüber 1969 für politische Systeme die These auf, dass nicht die Wahrheit oder der Zweck einer Entscheidung ihre Legitimität erzeuge, sondern das die Entscheidung hervorbringende Verfahren. Laut Luhmann könne »ein System, das die Entscheidbarkeit aller aufgeworfenen Probleme garantieren muß […] nicht zugleich die Richtigkeit der Entscheidung garantieren.«2 Nicht die Wahrheit einer Entscheidung sei für ihre Akzeptanz entscheidend, sondern die Entscheidung werde durch das Verfahren legitimiert. Dieser konstruktivistische Ansatz Luhmanns ist vielfältig kritisiert worden.3 Es stellt sich jedoch die Frage, ob er nicht auf die Autorität der von den Konzilen gefassten Beschlüsse angewendet werden kann, da sich der Wahrheitswert der dogmatischen Entscheidungen der Konzile bzw. deren Inspiration durch den Heiligen Geist naturgemäß schlecht beweisen lassen und bereits in der Antike Entscheidungen auch durch ein formales Kriterium, nämlich die Einmütigkeit der Bischöfe, begründet wurden. Materiale Kriterien wie die Berufung auf die Bibel, auf die Entscheidungen früherer Synoden und auf theologische Autoritäten treten auch bei den Konzilsvätern in den Hintergrund.4 Den Verfahrensbegriff Niklas’ Luhmanns fasst Stollberg-Rilinger folgendermaßen zusammen: Unter Verfahren kann man Handlungssequenzen verstehen, deren äußere Form generell (zumeist schriftlich) geregelt ist und die der Herstellung verbindlicher Entscheidungen dienen. Es kennzeichnet sie idealiter, dass ihr Ausgang zu Beginn offen ist und erst im Verlauf durch das Verfahren 1 2 3 4

Zippelius, Legitimation durch Verfahren?, 293. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 21. Zusammengefasst z. B. bei Tschentscher, Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit, 148–150. Vgl. Weckwerth, Ablauf, Organisation und Selbstverständnis, 211.

DOI 10.1515/9783110420258-004

84 | Lubomierski selbst hervorgebracht wird. Es kennzeichnet sie ferner, dass sie eine funktionale Autonomie gegenüber ihrer Umwelt besitzen, d. h. dass sie symbolisch herausgehoben und markiert sind und dass die Beteiligten bestimmte Verfahrensrollen einnehmen, die von ihren anderen sozialen Rollen unterscheidbar sind.5

Anhand der Verhandlung über Dioscorus auf dem herausragend dokumentierten Konzil von Chalcedon (451) soll geprüft werden, ob der Ansatz Luhmanns einen Beitrag zum besseren Verständnis der Legitimation des Konzils leisten kann.

1 Das Verfahren antiker Konzile Die Literatur über die altkirchlichen Konzile ist überaus weitläufig. Der Frage nach den auf den Konzilen angewandten Verfahren gehen jedoch nur wenige Forscher nach. H. Gelzer verglich 1900 in einem kurzen Aufsatz den Verlauf der Konzilien mit dem Prozedere des Römischen Senats und kam zu dem Ergebnis, »daß die Konzilien in ihrer ganzen äußeren Einrichtung und in ihrem Geschäftsgang ein Abbild der Verhandlungen des antiken Senates gewesen seien.«6 Parallelen zwischen dem Senat und den Konzilien bestehen laut Gelzer in der Einberufung durch den Kaiser, in der Sitzordnung, im Vorsitz durch kaiserliche Kommissare bzw. den Kaiser selbst bei den Konzilien sowie durch die Magistrate beim Senat, ferner in der Abstimmungsart. Unabhängig von Gelzer zeigte P. Batiffol 1919 auf, dass auf der Synode von Karthago (256) ein Verfahren angewandt wurde, das auch beim Römischen Senat oder anderen beratenden Gremien des Römischen Reiches zur Anwendung kam.7 Vergleichspunkte bei Batiffol waren die verwendeten Verben zu Einberufung und zur Bezeichnung des Zusammenkommens (cogere senatum/concilium, habere senatum/concilium) und die Öffentlichkeit der Sitzungen.8 Wie im Senat legte bei einem Konzil die relatio die Tagesordnungspunkte fest, die Bischöfe wurden wie die Senatoren aufgefordert, ihre Meinung (sententia) vorzubringen. Darüber hinaus hob Batiffol die prinzipielle Gleichheit der Senatoren bzw. Bischöfe hervor. Wie schon Gelzer sah auch Batiffol Ähnlichkeiten in der Abstimmungsart des Senats und der Konzilien. Ferner vertrat Batiffol die These, dass im griechischsprachigen Teil des Römischen Reiches die Konzilien in ihrer Verhandlungsform eher den öffentlichen Disputationen von philosophischen Schulen ähnelten.9

5 6 7 8 9

Stollberg-Rilinger, Einleitung, 9. Gelzer, Die Konzilien als Reichsparlamente, 155. Batiffol, Origines de règlement des conciles, 117. Zu Folgendem s. Batiffol, Origines de règlement des conciles, 96–116. Batiffol, Origines de règlement des conciles, 95 f.

Der Prozess gegen Dioscorus auf dem Konzil von Chalcedon |

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Die Thesen Gelzers und Batiffols fanden weite Zustimmung.10 P. R. Amidon warf Batiffol jedoch 1983 vor, nicht sauber genug zu trennen zwischen einer direkten und indirekten Übernahme des Verfahrens des Römischen Senats bei der Synode von Karthago (256).11 Amidon räumte ein, dass der Römische Senat und die kirchlichen Synoden in derselben prozeduralen Tradition stehen, lehnte jedoch ab, von einer bewussten Übernahme der Geschäftsordnung des Senats durch Synoden oder Konzile auszugehen.12 Verfahren, die dem des Römischen Senats ähnelten, seien zur Zeit der kirchlichen Konzilien in vielen Versammlungen oder Gremien des Römischen Reiches üblich gewesen und hätten dadurch keine besondere Verbindung mehr mit dem Senat. Amidon warnte daher davor, aus dem Vergleich von Geschäftsordnungen von kirchlichen und anderen beratenden Versammlungen Hinweise auf die Autorität und das Selbstbewusstsein der Bischöfe ziehen zu wollen. Er war der Überzeugung: ‘it will be the Christian sources themselves which will tell us what the episcopal council meant to the church in general.’13 Mit Verfahrensfragen beschäftigte sich auch H.-J. Vogt im Jahr 1993, als er das Konzilsverständnis von Cyrill und Johannes von Antiochien beim Konzil von Ephesus (431) untersuchte.14 So ging es in seinem Aufsatz weniger um die Frage, was ein Konzil ausmacht, als darum, wer zu dem Konzil eingeladen und somit auch abstimmungsberechtigt war. In neuester Zeit hat sich A. Weckwerth mit den Konzilsakten des ersten Konzils von Toledo befasst (2004).15 Neben einer ausführlichen und überaus präzisen philologischen Analyse der Konzilsakten, ihrer historischen Situation sowie einem Vergleich mit paganen Protokollen fragt Weckwerth auch nach der Autoritätsbegründung früher synodaler Kirchenordnungen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass durch Verweise auf frühere Konzilsbeschlüsse die apostolische Tradition bewahrt wird, dass darüber hinaus aber die Berufung auf die Inspiration durch den Heiligen Geist neue Wege möglich macht. Daran anknüpfend entwickelt Weckwerth in seinem Werk »Ablauf, Organisation und Selbstverständnis westlicher antiker Synoden im Spiegel ihrer Akten«, in dem er den Ablauf der westlichen Synoden des vierten bis siebten Jahrhunderts herausarbeitet, die Grundzüge einer Theologie der antiken Synode.16 Unter Bezugnahme auf H. J. Sieben17 stellt er einen vertikalen und horizontalen Konsens der Synodalteilnehmer fest, wobei er unter vertikalem Konsens die Übereinstimmung der Entscheidungen mit Schrift und

10 Vgl. z. B. Lim, Public disputation, 218. 11 Amidon, The Procedure of St. Cyprian’s Synods, 330. 12 Amidon, The Procedure of St. Cyprian’s Synods, 336. 13 Amidon, The Procedure of St. Cyprian’s Synods, 336. 14 Vogt, Unterschiedliches Konzilsverständnis. 15 Weckwerth, Das erste Konzil von Toledo. 16 Weckwerth, Ablauf, Organisation und Selbstverständnis, bes. 228–230. 17 Sieben, Die Konzilsidee der Alten Kirche, 324–336.

86 | Lubomierski Tradition versteht, welches ein materiales Kriterium darstellt, und unter horizontalem Konsens die Einmütigkeit der Entscheidung, die ein formales Kennzeichen ist. Die Veränderungen in der Geschäftsordnung der Konzilien, die durch die sog. »Konstantinische Wende« eintraten, fasst Chr. Markschies im Jahr 2009 zusammen unter Berufung auf eine überzeichnete Darstellung bei Ammianus Marcellinus.18 Er charakterisiert die Umgestaltungen als »Romanisierung« in Anlehnung an den spätantiken Senat. Das vergleichsweise geringe Interesse der Kirchenhistoriker an Verfahrensfragen korreliert mit einer Geringschätzung von Verfahren, die sich auch bei Juristen findet und die sich auf den Glauben an die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung gründet.19 Die materielle Rechtmäßigkeit von Rechtsakten wird höher als die formelle eingeschätzt. Dies zeigt sich auch in der juristischen Bewertung von Fehlern bei Rechtsakten: Während Verfahrensfehler »geheilt« werden können, führen materielle Fehlleistungen i. d. R. zur Aufhebung des Rechtsaktes.20 »Solange der Rechtsakt als inhaltlich richtig oder wenigstens vertretbar erscheint, sehen Juristen gern über Verfahrens- und Formfehler hinweg.«21 Dies musste Palladius bei seinem Prozess auf der Synode von Aquileia (381) erleben. Der illyrische Bischof Palladius reklamierte Verfahrensmängel, indem er eigene Protokollführer und unabhängige Schiedsrichter forderte.22 Er berief sich damit nicht auf die materialen Kriterien Schrift und Tradition, »da jede Partei Schriftkonformität und Übereinstimmung mit der Tradition für sich in Anspruch nimmt«, wie Sieben in Bezug auf einen Brief von Gelasius (495) feststellt.23 Bekanntermaßen hatte Palladius keinen Erfolg mit seinem Protest, er wurde auf Veranlassung Ambrosius’ von Mailand von der Synode abgesetzt und exkommuniziert. Auch wenn die Berufung auf Verfahrensfragen für Palladius keinen Erfolg hatte, so zeigt sich doch an dieser Stelle, dass es durchaus im Bewusstsein war, dass nur einer nach einem ordentlichen Verfahren durchgeführten Synode Anerkennung gebührt. Andererseits konnten auch Verstöße gegen Verfahrensregeln zu Verurteilungen führen, wie der Fall Dioscorus auf dem Konzil von Chalcedon zeigt.

18 Markschies, »Hellenisierung des Christentums?«, 416–422. 19 Wittreck, Legitimation durch Verfahren in der Rechtswissenschaft, 71–73. 20 Wittreck, Legitimation durch Verfahren in der Rechtswissenschaft, 72. 21 Wittreck, Legitimation durch Verfahren in der Rechtswissenschaft, 72. 22 Weckwerth, Ablauf, Organisation und Selbstverständnis, 196. 23 Sieben, Die Konzilsidee der Alten Kirche, 278.

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2 Der Prozess gegen Dioscorus Der alexandrinische Patriarch Dioscorus wurde in der dritten Sitzung des Konzils von Chalcedon, am 13. Oktober 451, seines bischöflichen Amtes enthoben. Bereits in der ersten Sitzung des Konzils, am 8. Oktober 451, war Dioscorus mit fünf anderen Bischöfen abgesetzt worden. Die Sitzungen, in denen über Dioscorus verhandelt wurde, können als gerichtliche Verhandlungen aufgefasst werden.24 Luhmann entwickelte seine Verfahrenstheorie ebenfalls anhand von Gerichtsprozessen. Dies ist laut Stollberg-Rilinger eine besondere Chance für Historiker, da die Kommunikation bei einem Gerichtsverfahren weniger komplex als in anderen modernen Verfahrenstypen ist und sich daher gut mit vormodernen Verfahren vergleichen lässt.25 Unter den für Luhmanns Theorie zentralen Verfahrensgrundsätzen Ergebnisoffenheit, Rollenübernahme und Autonomie sowie Öffentlichkeit werden im Folgenden beide Konzilssitzungen, die sich mit Dioscorus beschäftigten, einer Prüfung unterzogen.

2.1 Ergebnisoffenheit Nach Luhmann ist die »Ungewißheit [über den Ausgang] die treibende Kraft des Verfahrens, der eigentliche legitimierende Faktor«.26 Nur die Ergebnisoffenheit des Ausgangs motiviert die Beteiligten, eine Rolle im Verfahren zu übernehmen, und sich so an die Entscheidung des Verfahrens zu binden. Ob der Prozess gegen Dioscorus ergebnisoffen war, kann für die erste Sitzung zumindest nicht strikt verneint werden. Ritter vertritt die These, dass Dioscorus durch den Vorsitz des von Laien besetzten Konzilspräsidiums »eine halbwegs faire Chance« erhalten habe, die Dioscorus auch »bis er die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens einsehen mußte, tapfer und geschickt zu nutzen verstanden« habe.27 Ste. Croix dagegen sieht in dem Vorsitzenden des Konzilspräsidiums, Anatolius, einen erfahrenen Diplomaten, der nicht etwa neutral war, sondern in engen schriftlichen Kontakt mit Theodoret von Cyrrhus stand, einem Gegner Dioscorus’.28 Im Unterschied dazu konnte Dioscorus für die dritte Sitzung keine faire Verhandlung erwarten, weswegen er und andere Bischöfe der Sitzung auch fernblieben.29

24 25 26 27 28 29

Vgl. Weckwerth, Ablauf, Organisation und Selbstverständnis, 227. Stollberg-Rilinger, Einleitung, 15. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 116. Ritter, Der gewonnene christologische Konsens, 454. De Ste. Croix, The Council of Chalcedon, 291. Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 45.

88 | Lubomierski

2.2 Öffentlichkeit Für Luhmann trägt die Anwesenheit eines unbeteiligten Publikums wesentlich zur Legitimation von Entscheidung bei.30 Dabei ist es weniger wichtig, dass Zuschauer wirklich anwesend sind, als dass ihre Präsenz möglich ist. Die Aufgabe der unbeteiligten Zuschauer ist, »mit zu der Überzeugung [zu] gelangen, daß alles mit rechten Dingen zugeht, daß in ernsthafter, aufrichtiger und angestrengter Bemühung Wahrheit und Recht ermittelt werden und daß auch sie gegebenenfalls mit Hilfe dieser Institution zu ihrem Recht kommen werden«.31 Beim Konzil von Chalcedon waren in den öffentlichen Sitzungen schätzungsweise ca. 1000 Personen anwesend, d. h. pro Bischof ca. zwei Begleiter aus dem niederen Klerus.32 Damit war kein ›unbeteiligtes Publikum‹ in Luhmanns Sinn anwesend, aber dies ist für ein Konzil, das ja eine Bischofsversammlung darstellt, auch nicht zu erwarten. Allerdings hatten nur die Bischöfe oder die sie vertretenden Kleriker das Recht zu sprechen und zu wählen,33 so dass der sie begleitende Klerus als verfahrensmäßig ›unbeteiligt‹ verstanden werden kann. Das Publikum hat laut Luhmann die wichtige Aufgabe, die Gerechtigkeit des Urteils zu bezeugen. Dabei ist Luhmann jedoch der Ansicht, dass gerade öffentliche Sitzungen zu geheimen Absprachen führen. »Die Öffentlichkeit des Verfahrens führt vielmehr dazu, daß die nicht darstellbaren Komponenten des Entscheidungsvorganges aus dem einsehbaren Handlungsraum herausgezogen und vorab oder zwischendurch entschieden werden.«34 Dies war auch in Chalcedon der Fall. Price/Gaddis vermerken: ‘All significant decisions were taken in advance or behind the scenes, while the role of the formal sessions was largely to approve those decisions by unanimous consensus.’35 Das öffentliche Verfahren dient demnach nicht der Herstellung von Entscheidungen, sondern der »Darstellung der Herstellung von Entscheidungen«.36 Ein Mittel, diese Darstellung zu festigen, liegt in der symbolisch-expressiven Bereitstellung von Informationen. Krischer geht davon aus, dass viele Informationen, die von Entscheidern gefordert werden, wie z. B. Gutachten, zwar fast keine Entscheidungshilfen bieten, dafür aber helfen, den Entscheidungsprozess zu legitimieren.37 Den Grund dafür sieht er in der »prinzipiellen Hochschätzung schriftlicher und gedruckter Informationen in den westlichen Kulturen der Neuzeit«.38

30 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 122–124. 31 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 123. 32 Price, The Council of Chalcedon. A Narrative, 73. 33 Price, The Council of Chalcedon. A Narrative, 73, Fußnote 17. 34 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 124. 35 Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 41. 36 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 124. 37 Krischer, Problem des Entscheidens, 55. 38 Krischer, Problem des Entscheidens, 55.

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Dass dies nicht erst in der Neuzeit der Fall ist, lässt sich an der ersten Sitzung des Konzils von Chalcedon belegen. Diese Sitzung bestand überwiegend aus dem Verlesen von Konzilsakten vorangegangener Synoden. Die Funktion dieser Lesungen bestand laut Graumann nicht nur in der Informationsbeschaffung, sondern in der Konstruktion des Falls Dioscorus.39 Zwar muss davon ausgegangen werden, dass einige Akten in verkürzter Form vorgetragen wurden.40 Dennoch sollten die in den Konzilsakten von Chalcedon in voller Länge abgedruckten Lesungen bei ihrer Veröffentlichung einen wichtigen Zweck erfüllen: Sie sollten Einfluss auf das lesende Publikum nehmen und so nachträglich den Verlauf des Prozess gegen Dioscorus legitimieren.41 Der erwünschte Erfolg stellte sich jedoch nicht ein.

2.3 Rollenübernahme und Autonomie Ein weiterer zentraler Faktor in Luhmanns Theorie stellen Rollenübernahme und Autonomie dar, die darin bestehen, dass »die Akteure losgelöst von ihren Alltagsrollen in einer spezifischen, verfahrenseigenen Rolle« eingebunden werden.42 Luhmann nennt die Rollenübernahme sogar die »heimliche Theorie des Verfahrens: daß man durch Verstrickung in ein Rollenspiel die Persönlichkeit einfangen, umbilden und zur Hinnahme von Entscheidungen motivieren könne«.43 Im Prozess gegen Dioscorus steht die Rollenübernahme am Anfang und wird durch Platzwechsel unterstrichen. Zu Beginn der ersten Sitzung saßen vor der Brüstung zum Heiligtum von St. Euphemia der Vorsitzende, Anatolius, und 18 weitere Regierungsvertreter.44 Zu ihrer Linken saßen die Gegner Dioscorus’, zur Rechten Dioscorus mit seinen Unterstützern,45 in der Mitte lagen die Evangelien.46 Bischof Paschasinus, ein Vertreter von Papst Leo, forderte in der ersten Wortmeldung des Konzils, dass Dioscorus nicht in der Versammlung der Bischöfe sitzen dürfe.47 Die Frage des Vorsitzenden Anatolius nach dem Anklagegrund beantwortete Bischof Lucentius, ebenfalls ein Vertreter des Papstes, mit dem Hinweis, Dioscorus habe im zweiten Konzil von Ephesus (449 n. Chr.) die Rolle des Richters übernommen, die aber nicht ihm, sondern dem apostolischen Stuhl zugestanden habe (CChalc. I 9). Dioscorus wurde daraufhin vom Konzilspräsidium aufgefordert, als Angeklagter einen Platz in der Mitte der Versamm-

39 Graumann, ‘Reading’ the first Council of Ephesus (431), 30. 40 Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 112. 41 Graumann, ‘Reading’ the first Council of Ephesus (431), 43. 42 Krischer, Problem des Entscheidens, 40. 43 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 87. 44 CChalc. I 2. 45 Vgl. für Bischof Juvenal CChalc. I 284, ferner I 287 und I 290. 46 CChalc. I 3 f. 47 CChalc. I 5.

90 | Lubomierski lung einzunehmen.48 Als Eusebius von Dorylaeum anschließend einen Antrag gegen Dioscorus vorbrachte, wurde er ebenfalls aufgefordert, in der Mitte als Ankläger Platz zu nehmen.49 Wenig später wurde Bischof Theodoret von Cyrrhus, der in Ephesus verurteilt worden war, zum Konzil zugelassen. Theodoret nahm nicht unter den Bischöfen Platz, sondern musste als Ankläger in der Mitte sitzen.50 Während der Sitzung wurde Dioscorus von seinen Anhängern verlassen, was sich eindrücklich darin zeigte, dass sie von der rechten zur linken Seite wechselten. Der Platzwechsel von Dioscorus, der ihn von den anderen Bischöfen isolierte, ist als Rollenübernahme zu verstehen. Indem sich Dioscorus in die Mitte setzte, übernahm er die Rolle des Angeklagten und gestand damit dem Konzil auch das Recht zu, über ihn ein Urteil zu sprechen. Luhmann betont, dass es kaum möglich ist, im Nachhinein gegen ein Urteil zu protestieren, wenn schon eine Rollenübernahme stattgefunden hat. Akzeptiert ein Verlierer das Urteil nicht, wird er, so hat Luhmann beobachtet, »zum Sonderling, zum Querulanten, zu einem, dessen Lieblingsthema man kennt und nach Möglichkeit meidet«.51 Genau dies scheint Dioscorus in der dritten Sitzung vermeiden zu wollen, in der er sich der Rollenübernahme verweigerte, indem er zu dieser Sitzung auch nach dreimaliger Aufforderung nicht erschien. In der dritten Sitzung sollte das endgültige Urteil über ihn erfolgen und Dioscorus konnte, wie bereits oben erwähnt, keine ergebnisoffene Verhandlung mehr erwarten. Dioscorus erschien also nicht und wurde daraufhin in Abwesenheit und für seine Abwesenheit verurteilt.52 Nicht nur Dioscorus nahm an dieser dritten Sitzung nicht mehr teil, es blieb fast die Hälfte der stimmberechtigten Bischöfe fern.53 Die Bischöfe zeigten durch ihr Nichterscheinen, dass sie nicht willens waren, ein Urteil über Dioscorus zu sprechen. Sie weigerten sich, die Rolle des Richters über Dioscorus einzunehmen. Darüber hinaus ist in der ersten Sitzung auch ein gewisses Maß an Autonomie und Ausdifferenzierung festzustellen, d. h. dass eine »Rollentrennung zwischen dem Verfahren und seiner Umwelt« bestand. Die Rolle des Richters übernahm das mit Laien besetzte Konzilspräsidium, das auch immer wieder auf die Einhaltung von Verfahrensregeln pochte und versuchte, Zwischenrufe und Tumulte aus der Bischofsversammlung zu unterbinden.54 Das Konzilspräsidium verkündigte auch das vorläufige Urteil über 48 CChalc. I 13. 49 CChalc. I 14 f. 50 CChalc. I 35 f. 51 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 118. 52 Dass es nicht allein das formale Versäumnis war, das zur Verurteilung von Dioscorus führte, betonen Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, II 32–34. 53 Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, II 37, gehen davon aus, dass nur rund 200 der ca. 370 Konzilsteilnehmer zur Sitzung erschienen. 54 CChalc. I 44 (Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 136): ‘The most glorious officials and the exalted senate said: “These vulgar outbursts are not becoming to bishops, nor useful to either party. Allow everything to be read.”’

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Dioscorus am Ende der ersten Sitzung (CChalc. I 1068). Im Unterschied dazu übernahm in der zweiten Sitzung der Vertreter des apostolischen Stuhls und Gegner des Dioscorus’, Paschasinus, die Rolle des Vorsitzenden und Richters und verkündete das Urteil.55 Ein Grund dafür könnte sein, dass es nicht als angemessen erschien, dass Laien über Bischöfe urteilten. Price/Gaddis vermuten ferner, dass der Anschein eines unparteiischen Urteils, das nicht durch die Regierung vorgegeben wurde, erweckt werden sollte56 oder dass die Regierung nicht für die Verurteilung verantwortlich gemacht werden sollte.57 Es fehlen jedoch viele Ausdifferenzierungen der Rollen, die bei einem modernen Gerichtsverfahren, wie es Luhmann vor Augen hat, selbstverständlich sind. So haben die teilnehmenden Bischöfe bis zu fünf Rollen inne: Einzelne Bischöfe agierten als Ankläger,58 auch ohne in der Mitte zu sitzen, als Verteidiger,59 als Angeklagte,60 als Zeugen61 und als Richter.62 Die mangelnde Ausdifferenzierung führte zu vielen Problemen, die in einem modernen Gerichtsverfahren nicht entstanden wären. So besteht für Luhmann eine Stärke des Gerichtsverfahrens darin, einen erlaubten Konflikt auszutragen. Gegner erkennen sich als Gegner an, aber ihre Interessenskonflikte werden in eine Form gegossen und gewissermaßen nüchtern als Rechtsfrage betrachtet. Dabei ist allerdings »das Prinzip der Gleichheit der Parteien ein wesentliches Verfahrensprinzip.«63 Als einige Bischöfe ihre Plätze verließen und zu ihren ehemaligen Gegnern überliefen, wurde dieses Prinzip verletzt. Man stelle sich nur vor, der Verteidiger der Partei X würde seinen Mandanten verlassen und auf der Bank neben dem Angeklagten Y Platz nehmen. Darüber hinaus ist das Verfahren eines Konzils auf die Einmütigkeit der Entscheidung ausgerichtet. Der erlaubte Konflikt muss also durch ein von allen beteiligten 55 CChalc. III 97. 56 Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, II 29. 57 Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 42. 58 CChalc. I 40 (Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 135): ‘The most devout Oriental bishops and those with them exclaimed: “Drive out Dioscorus the murderer.”’ 59 Die ägyptischen Bischöfe forderten z. B., dass die Begleiter der gegnerischen Bischöfe die Verhandlung nicht weiter durch Zwischenrufe stören sollen (CChalc. I 74), spannenderweise wieder eine Verfahrensfrage. 60 So mussten diejenigen Bischöfe, die auch beim zweiten Konzil von Ephesus anwesend waren und die Beschlüsse mitgetragen hatten, sich für ihre Voten verantworten, vgl. CChalc. I 177 f. 61 Z. B. wird Bischof Juvenal vom Konzilspräsidium aufgefordert zu erklären, warum der Brief Leos (ep. 33, Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 32, Fußnote 117) auf dem zweiten Konzil von Ephesus nicht vorgelesen wurde (CChalc. I 101–104). 62 In der dritten Sitzung verkündet der Vorsitzende Paschasinus das Urteil über Dioscorus, das von den übrigen Bischöfen wiederholt wird (CChalc. III 94–96). Price/Gaddis heben hervor, dass mit der Verkündigung des Urteils durch den Vorsitzenden das Urteil schon in Kraft war und dass die Bischöfe keine Möglichkeit hatten, das Urteil abzulehnen, Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, II 34 f. 63 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 103 f.

92 | Lubomierski Parteien – bis auf den Angeklagten – einstimmiges Urteil beigelegt werden. Die Unparteilichkeit des Richters ist durch die fehlende Ausdifferenzierung nicht gegeben und damit fehlte ein entscheidender Verfahrensgrundsatz. Die Übernahme einer Rolle verpflichtet zur konsistenten (Selbst-) Darstellung der beteiligten Personen. Die Konsistenz einer Darstellung wird auch durch das Erstellen von Protokollen sicherstellt, deren Inhalte zur Norm werden. Das Konzil von Chalcedon gehört zu den am besten dokumentierten altkirchlichen Konzilen. Sowohl kaiserliche als auch kirchliche Protokollführer schrieben auch abweichende Stimmen auf, von einigen Ausnahmen abgesehen.64 Die erste und dritte Sitzung, die sich mit Dioscorus befassten, wurden besonders genau dokumentiert, da sie quasi Gerichtsverhandlungen waren und festgehalten werden sollte, dass Verfahrensregeln eingehalten wurden.65 Doch es zeigte sich hier, dass zwar oberflächlich das Verfahren gewahrt wurde, dass aber Grundsätze eines ergebnisoffenen Verfahrens verletzt wurden. Daher führte auch die genaue Protokollführung nicht zur erhofften Legitimation.

3 Fazit Luhmann entwickelte seine Theorie in Hinblick v. a. auf Gerichtsverfahren in politischen Systemen im 20. Jahrhundert. Es kann daher eingewandt werden, dass sich eine soziologische Theorie der Moderne nicht auf antike kirchliche Strukturen übertragen lässt. Eine Tagung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster widmete sich im Februar 2008 der Frage, ob die historische Forschung der Vormoderne von Luhmanns Verfahrenstheorie lernen könne.66 Stollberg-Rilinger kommt zu dem Ergebnis, dass gerade der Vergleich mit dem Idealtypus des modernen autonomen Verfahrens, wie ihn Luhmann beschreibt, den Blick für vormoderne Gesellschaften schärfe.67 Dies kann auch für den Prozess gegen Dioscorus festgehalten werden. Aus der Sicht Luhmanns sind Verfahrensmängel festzustellen, wie z. B. die mangelnde Autonomie und Ausdifferenzierung der Rollen während des Prozesses. Dies wird jedoch in der ersten Sitzung selbst angesprochen und mit den Mitteln der damaligen Zeit zu beheben versucht.68 Als in der dritten Sitzung die Unparteilichkeit des Richters und damit die 64 Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 78. 65 Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 78. 66 Die Tagung fand vom 20.–22. Februar 2008 im Rahmen des Forschungsprojekts »Vormoderne Verfahren« statt und ist in einem Tagungsband (Stollberg-Rilinger/Krischer, Herstellung und Darstellung verbindlicher Entscheidungen) dokumentiert. 67 Stollberg-Rilinger, Einleitung, 13. 68 CChalc. I 13 (Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, I 130): ‘The most illustrious officials and the most eminent senators said: “If you are taking the role of a judge, you cannot in that capacity plead your cause.”’

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Ergebnisoffenheit des Prozesses nicht gewährleistet sind, verweigert sich Dioscorus der Rollenübernahme. Das von Luhmann beschriebene Phänomen, dass die Rollenübernahme zur Akzeptanz des Urteils führen soll, scheint also schon unreflektiert dem antiken Menschen bewusst gewesen zu sein. Die Entscheidungen des Konzils von Chalcedon sind in weiten Teilen der christlichen Welt nicht anerkannt worden. Für die dritte Sitzung, in der Dioscorus verurteilt wurde, ist dies auch nicht verwunderlich, denn die Frage: War der Prozess des Dioscorus durch sein Verfahren legitimiert?, kann eindeutig sowohl aus heutiger als auch aus damaliger Sicht verneint werden. Dass das Konzil von Chalcedon als »gesetzlos«69 bezeichnet wurde, erstaunt daher nicht.

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69 De Vries, Die Gründe der Ablehnung des Konzils von Chalzedon, 127.

94 | Lubomierski Price, Richard, The Council of Chalcedon. A Narrative, in: Chalcedon in Context. Church Councils 400–700, hrsg. von Richard Price/Mary Whitby, 2. Aufl., Translated Texts for Historians. Contexts 1, Liverpool, 2011, 70–91. Price, Richard/Michael Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon, 2. Aufl., Translated Texts for Historians 45, Liverpool, 2007. Ritter, Adolf Martin, Der gewonnene christologische Konsens zwischen orthodoxen Kirchen im Licht der Kirchenvätertradition, in: Logos. Festschrift für Luise Abramowski zum 8. Juli 1993, hrsg. von Hanns Christof Brennecke/Ernst Ludwig Grasmück/Christoph Markschies, Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 67, Berlin/New York, 1993, 452–471. Sieben, Hermann Josef, Die Konzilsidee der Alten Kirche, Konziliengeschichte, Reihe B: Untersuchungen, Paderborn u. a., 1979. Stollberg-Rilinger, Barbara, Einleitung, in: Herstellung und Darstellung verbindlicher Entscheidungen. Verhandeln, Verfahren und Verwalten in der Vormoderne, hrsg. von Barbara StollbergRilinger/André Krischer, Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 44, Berlin, 2010, 9– 31. Stollberg-Rilinger, Barbara/André Krischer, Hrsg., Herstellung und Darstellung verbindlicher Entscheidungen. Verhandeln, Verfahren und Verwalten in der Vormoderne, Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 44, Berlin, 2010. Tschentscher, Axel, Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit. Rationales Entscheiden, Diskursethik und prozedurales Recht, Studien zur Rechtsphilosophie und Rechtstheorie 24, Baden-Baden, 2000. Vogt, Hermann-J., Unterschiedliches Konzilsverständnis der Cyrillianer und der Orientalen beim Konzil von Ephesus 431, in: Logos. Festschrift für Luise Abramowski zum 8. Juli 1993, hrsg. von Hanns Christof Brennecke/Ernst Ludwig Grasmück/Christoph Markschies, Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 67, Berlin/New York, 1993, 429–451. Weckwerth, Andreas, Ablauf, Organisation und Selbstverständnis westlicher antiker Synoden im Spiegel ihrer Akten, Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsband. Kleine Reihe 5, Münster, 2010. — Das erste Konzil von Toledo. Philologischer und kirchenhistorischer Kommentar zur constitutio concilii, Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsband. Kleine Reihe 1, Münster, 2004. Wittreck, Fabian, Legitimation durch Verfahren in der Rechtswissenschaft, in: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, hrsg. von Barbara Stollberg-Rilinger/André Krischer, Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 44, Berlin, 2010, 65–90. Zippelius, Reinhold, Legitimation durch Verfahren?, in: Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag, hrsg. von Gotthard Paulus/Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris/Uwe Diederichsen, München, 1973, 293–304.

Christian Müller

Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen Mit einem Beitrag zur Echtheitsfrage der Epistula Tertia ad Gregorium Spanensem

1 Problemanzeigen zu Eusebius von Vercelli 1.1 Ein scheinbar leichter Fall Eusebius von Vercelli gilt gemeinhin als »minor figure« der westlichen »Nizäner« in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts.1 So steht er für R.P.C. Hanson hinter der »major figure« Hilarius von Poitiers in einer Reihe mit Lucifer von Calaris, Phoebadius von Agen und Gregor von Elvira.2 Folgt man seiner Darstellung, so gibt es auch für den näher Interessierten wenig zu entdecken.

1 Die vorliegende Darstellung ist aus verschiedenen Anlässen entstanden. Sie soll zunächst die in den Dokumenten 50.1–5 und 63 in AW III 4, 359–375.556–559 knapp zusammengefassten Überlegungen fortführen und dabei z. T. neu akzentuieren. Insofern ist der Beitrag ein Flankenstück zu den in AW III 4 zu findenden Dokumenten; diese werden daher hier nicht abgedruckt, sondern sollten entsprechend den Verweisen parallel gelesen werden. Hingegen werden andere für Eusebius wichtige und AW III 4 ergänzende Texte mit einer Arbeitsübersetzung geboten. Insgesamt liegt der Schwerpunkt so auf der Darbietung und Auswertung des Quellenmaterials, während hinsichtlich der Sekundärliteratur keine Vollständigkeit erstrebt wurde (ich beanspruche auch nicht, der πρῶτος εὑρετής aller Einzelheiten der vorgeschlagenen Rekonstruktion zu sein, vielmehr geht es mir um eine kritische Bestandsaufnahme; immerhin scheint mir die Mehrheit der Forschung bisher von teilweise anderen Deutungen der Quellen auszugehen, wie sich im folgenden zeigen wird). Sodann haben mich meine Versuche zum »lateinischen Athanasius« auf die Spur des Eusebius geführt, da dieser zumindest auf der Ebene der Forschungsgeschichte untrennbar mit der Diskussion um die Verfasserschaft der pseudathanasianischen Libri De trinitate I–VII verbunden ist (vgl. 1.). Im Verlauf der Darstellung wird dieser Aspekt explizit eine kleinere Rolle spielen, implizit wird aber gerade bei der Auseinandersetzung um die Echtheit des Eusebiusbriefes an Gregor von Elvira (3.) auch der Rahmen für eine weitere Zuschreibungsdiskussion mit abgesteckt. Kernstücke des Mittelteils (2.) habe ich 2011 in Oxford vorstellen können. Ich danke allen an der anschließenden Diskussion Beteiligten, deren Fragen ich hier zu berücksichtigen versucht habe. Schließlich habe ich in meinem Oxforder Vortrag die im Hintergrund stehende Frage nach dem Auftauchen des Nizänums in den lateinischen Texten der 350er Jahre nur en passant berührt, weshalb hierzu eine gewisse Erweiterung notwendig erschien. Der Beitrag gliedert sich in vier ungleich große Kapitel, deren Teile 2 und 3 in Abhängigkeit vom Interessenschwerpunkt jeweils weitgehend für sich gelesen werden können. 2 Vgl. Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 507. DOI 10.1515/9783110420258-005

96 | Müller Hanson schrieb: We can reconstruct the outlines of the carreer of Eusebius without difficulty. He was apparently born in Sardinia, but had moved to Vercelli, of which he was chosen bishop, perhaps the first bishop of the see, about the same time as Hilary was elected to Poitiers. He was summoned to the Council of Milan not only by his fellow-bishops but by the express command of the Emperor. At Milan his attempt to vindicate the doctrine of Nicaea was frustrated. He refused to sign whatever was demanded of him, and was exiled to Scythopolis in Palestine, placed in the custody of its bishop Patrophilos. He and a number of clergy who had accompanied him were harassed and subject to some deprivation while in custody. At the death of Constantius he was no longer in Palestine but was in the Thebaid, along with Lucifer. He attended the Council of Alexandria of 362, and later followed Lucifer to Antioch, but was unable to undo the damage which his fellow-bishop had already wreaked there. […] Eusebius presumably then returned to his see of Vercelli; we hear of no intruder occupying it during his absence. In 364 he joined with Hilary in an unsuccessful attempt to have Auxentius of Milan deposed. He is usually thought to have died about the year 370. The bishop of Rome, Liberius, corresponded with Eusebius whom he regarded as his ally in supporting pro-Nicene doctrine during the years before his exile. But all that survives of Eusebius’ literary work is two letters, the first very short, merely expressing to Constantius his intention of immediately setting out for the Council of Milan, the second rather longer, describing from exile in Scythopolis, for the benefit of his friends and supporters in Vercelli, the indignities and deprivations which he is undergoing at the hands of Patrophilus.3

Ergänzt wird diese Bestandsaufnahme durch die Anmerkung: Bulhart printed the treatise De trinitate in Cor. Chr. Ser. Lat. IX as from the hand of Eusebius of Vercelli, but I follow the great majority of recent scholars in finding it impossible to allow that Eusebius wrote this work, even less possible to place it, as Bulhart does, between the years 345 und 347. Not only is its theological vocabulary much more developed than any which we could ascribe to Eusebius, reminiscent indeed of the Church after 381, but even the short example of Eusebius’ Latin style which his letters afford us is enough to show that the style of the author of De Trin. is quite different from his. The third letter ascribed to Eusebius, and printed by Bulhart along with the other two, is now almost universally allowed to be a later Luciferian forgery. Had Eusebius held the views expressed in it he could hardly have brought himself to co-operate with Hilary attacking Auxentius.4

Im Ergebnis wären Leben und Werk des Eusebius von Vercelli keine interessanten Forschungsgegenstände mehr. Der Bischof des antiken Vercellae hätte zwar ein bewegtes Leben geführt, doch lägen dessen wichtige Ereignisse offen zutage und das aus nur zwei Briefen bestehende Œuvre böte auch kaum einen Ansatzpunkt für eine weiterreichende theologische Würdigung.

3 Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 507 f. 4 Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 508 Anm. 2.

Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen

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Nun mag zunächst auffallen, dass Hanson für seine Rekonstruktion keine einzige Quellenangabe machte.5 Auch für die Begrenzung der echten Schriften des Eusebius auf die beiden ersten Briefe in Bulharts Edition6 hatte er nur allgemein eine (überwältigende) Mehrheit der Forschung angeführt. Sieht man von der kurzen Kritik an Bulharts Zuschreibung einer Schrift De trinitate an Eusebius ab, so entfiel damit auch die Diskussion eventuell strittiger Punkte. Sicher zielte Hansons Skizze nicht auf eine systematische Rekonstruktion von Eusebius’ Biographie. Doch schon seinerzeit lagen die Dinge komplizierter, als der Leser der o. g. Passage glauben müsste: Die Schrift De trinitate sind eigentlich mehrere;7 für eine Abweisung von Eusebius’ Verfasserschaft aus sprachlichen Gründen wäre die Sicherheit der Textüberlieferung seiner beiden als echt anerkannten Briefe zu untersuchen; die Quellen für Eusebius’ Biographie wären auf Verlässlichkeit zu prüfen und auf Widersprüche abzugleichen (immerhin existiert neben Aussagen bei Hilarius und anderen eine Vita antiqua wohl aus dem 8. Jahrhundert, die nicht von vornherein ignoriert werden kann).8 Seit Hansons insgesamt monumentaler, hinsichtlich des Bischofs von Vercelli aber erkennbar oberflächlicher Darstellung ist die Lage nicht einfacher geworden. Zum einen ist mit der Diskussion um den Verlauf der Synode von Mailand 355 auch das vermutlich zentrale Ereignis im Leben des Eusebius zu einem neuerlichen Streitpunkt geworden. Zum anderen ist die Debatte um das Schrifttum des Bischofs wieder aufgeflammt. Weiterhin wurde Eusebius, auch unabhängig von Entscheidungen in den vorgenannten Problemkreisen, als potentiell erster lateinischer »Neunizäner« vorgestellt,9 während andere betonten, dass Eusebius der Beseitigung des westlichen Serdicense und der Öffnung für eine Neuorientierung gerade skeptisch gegenüberstand.10 Gliedert man die Skizze Hansons nach einzelnen, schon 1988 bzw. heute strittigen oder klärungsbedürftigen Punkten auf, so wäre jeder Satz mit einer Fußnote zu versehen. Die folgende

5 Im Abschnitt zur Synode von Mailand 355 macht Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 332–334, verschiedene Quellenangaben zu Eusebius’ Situation in Mailand und zu seinen Exilsorten. Doch daraus resultiert noch nicht die o.g. Skizze. 6 Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 103–109. 7 Vgl. vorläufig Vinzent, De trinitate libri XII sowie die Hinweise am Ende des Kapitels. 8 Zum Problem der Vita antiqua vgl. die folgenden Problemanzeigen zur Überlieferung und die dortigen Literaturhinweise. 9 So Markschies, Was ist lateinischer »Neunizänismus«?, 80 f. mit dem Hinweis, dass Eusebius immerhin der offizielle Verkünder der alexandrinischen Synodalentscheidungen von 362 für den lateinischen Westen war; vgl. aber die folgende Anmerkung. Markschies’ eher offener Definitionsversuch für eine Neuausrichtung sich als nizänisch verstehenden trinitätstheologischen Denkens in lateinischer Sprache in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts dürfte m. E. auch der richtige Ansatz sein, um die inhaltliche Position von Texten wie Ps.-Athanasius, De trinitate I–VII/VIII präziser zu bestimmen. Es würde sich dann wohl u. a. ergeben, dass das Jahr 381 keine Scheidemarke für die Datierung pseudepigrapher Texte wie trin. I–VII/VIII ist. 10 Zu diesem Eindruck gelangt etwa Schubert, Ein wiedergewonnenes Schreiben des Eusebius von Vercelli, 17. Vgl. dazu die folgenden Problemanzeigen.

98 | Müller Darstellung fokussiert ihrerseits auf ein zentrales und auch für Eusebius’ Œuvre folgenschweres Ereignis aus dem Leben des Bischofs von Vercelli, doch scheint vorher eine Anzeige zumindest der wesentlichen Problemkreise um Eusebius sinnvoll, um voreiligen Schlüssen zu entgehen.

1.2 Biographische Probleme Bei kritischer Sichtung des verfügbaren Materials ergeben sich zunächst biographische Probleme. Aus einigermaßen zeitnahen Quellen lassen sich schlaglichtartig die Ereignisse in etwa eines Jahrzehnts im Leben des Eusebius von 354 bis 364 rekonstruieren, d.h. von der Vorbereitung der Mailänder Synode 355 bis zur Rückkehr in seine Heimatkirche nach dem Exil im Osten und der Teilnahme an der Synode von Alexandrien 362. Anders gesagt: Eusebius ist halbwegs fassbar in dem Zeitraum, in dem er eine prominente und aktive Rolle im arianischen Streit spielte und so auch für andere interessant war. Für die Zeit vorher wie nachher werden meist nur die spärlichen Angaben in Hieronymus’ De viris illustribus herangezogen, auf die sich offenbar auch Hanson bei seiner Skizze stützte.11 Ergänzend lassen sich ein paar Informationen über Eusebius’ Zeit nach dem Exil gewinnen, die bezeichnenderweise meist aus Texten mit anderem Fokus zu erschließen sind.12 Gesichert wäre damit u. a. eine »antiarianische« Aktivität des Eusebius in Zusammenarbeit mit Hilarius von Poitiers, allerdings ohne dass sich allzu viele Einzelheiten gewinnen ließen.13 Vor einiger Zeit hat Victor Saxer auszuloten versucht, inwieweit man die Lücken in Eusebius’ Biographie, vor allem in der Zeit 11 Vgl. Hier., vir. ill. 96. 12 So hat Rebenich, Hieronymus und sein Kreis, 58 f. aus zeitnahen Quellen Stationen im Leben von Hieronymus’ Unterstützer Evagrius von Antiochia rekonstruiert, zu denen auch Evagrius’ Kontakt zu Eusebius gehört. Neben interessanten Detailbeobachtungen ist die bzgl. Eusebius wichtigste Pointe seiner Rekonstruktion, dass Eusebius erst 364 aus Antiochia in den Westen zurückkehrte, nachdem sein Begleiter Evagrius seine Verpflichtungen in Antiochia erledigt hatte. Daneben ist Eusebius im Rahmen der Forschung zu Hilarius’ Kampagne gegen Auxentius von Mailand in den Blick gekommen; vgl. die Untersuchung von Durst, Das Glaubensbekenntnis des Auxentius von Mailand, 129 m. Anm. 79, der die Möglichkeiten von Eusebius’ Beteiligung an dieser Aktion abwägt. 13 So ist aus dem (Beschwerde-)Schreiben des homöischen Bischofs Auxentius von Mailand an die Kaiser (vgl. Auxentius bei Hil., c. Aux. 15,12–14, ediert von Durst, Das Glaubensbekenntnis des Auxentius von Mailand, Anhang II, 48–50; künftig als Dokument in AW III 5) zwar zu entnehmen, dass Eusebius und Hilarius im Kampf gegen Auxentius als Duo wahrgenommen wurden, (halbwegs) konkret lassen sich indes sowohl aus diesem Brief als auch aus der eigentlichen Schrift Contra Auxentium nur die Schachzüge des Hilarius erkennen, während Eusebius’ Tätigkeit anscheinend eher im Hintergrund blieb – wenn er denn überhaupt an dieser Aktion vor Ort beteiligt war (vgl. auch die eher allgemeinen Angaben bei Ruf., h. e. X 31). Ob man mit Durst, Das Glaubensbekenntnis des Auxentius von Mailand, 129 m. Anm. 79, annehmen will, dass Eusebius Teil des Bischofsgerichts war, das laut Hil., c. Aux. 7 die Position des Auxentius (und – wenn auch von Hilarius nicht weiter ausgeführt – seine eigene) prüfte, wäre daneben auch angesichts des für Auxentius glimpflichen Verlaufs zu fragen. Zwar behauptet Hilarius in c. Aux. 7, dass die Kommission Auxentius dazu gebracht habe, Christus als wahren Gott zu bekennen (deum

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vor 354, durch die kritische Auswertung der bereits erwähnten Vita antiqua schließen könnte. Nach seiner differenzierten Analyse sind hier vielleicht noch ein paar Details zu Eusebius’ Familie zu gewinnen.14 Allerdings stieß Saxer auf das grundlegendere Problem, dass zunächst einmal der Wortlaut der Vita gesichert werden müsste.15 Auch da also, wo noch einzelne verwertbare Informationen verborgen liegen könnten, ist die Lage aktuell unübersichtlich.16 Neben dem Interesse am »Nizäner« Eusebius ist es vor allem seine Rolle bei der Etablierung des Mönchtums im Westen, die einen Niederschlag in den Quellen gefunden hat. Bekannt wurde Eusebius als der erste Bischof, der die Kleriker seiner Kirche zu einer gemeinsamen monastischen Lebensweise verpflichtete. Auch brachte er mit Evagrius von Antiochia den wirkmächtigen Übersetzer der Vita Antonii nach Oberitalien.17 Doch äußert sich unsere wichtigste zeitnahe Quelle, Ambrosius,18 in seinem Brief an die Kirche von Vercelli nach dem Tod des Eusebius und ohne detaillierte Zeitangaben zu dessen einzelnen Verdiensten. Undeutlich bleibt damit aber auch, wann diese monastischen Aktivitäten des Eusebius zeitlich anzusetzen sind und welchen Umfang sie wann gehabt haben.19 Diese Unklarheiten, die

verum esse Christum), doch reagierte die Kommission – im Unterschied zu Hilarius – offenbar nicht, als Auxentius seine Aussage gegenüber den Kaisern so modifizierte, dass sie Christus als ante omnia tempora natum deum verum filium bezeichnete (vgl. Hil., c. Aux. 8). Da dies zumindest für Eusebius wenig wahrscheinlich ist, hätte er, wie schon die Darstellung von Durst, Das Glaubensbekenntnis des Auxentius von Mailand, 131 nahelegt, mit harter Auxentiuskritik jedenfalls eine Minderheitenposition vertreten, da zumindest die Mehrheit der Kommission Auxentius freisprach. Doch wissen wir über diese Kommission letztlich nichts Näheres und es scheint daher die wahrscheinlichere Annahme zu sein, dass Eusebius diesmal in Mailand keine Rolle spielte (sondern eher aus der Ferne opponierte). Doch zeigt schon Hilarius’ Contra Auxentium, dass der Konflikt mit dem Bischof von Mailand nicht auf dieses punktuelle Ereignis beschränkt war. 14 Vgl. Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 152. 15 Vgl. Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 145 f. Zum Überlieferungsproblem s. u. 1.4. 16 Die ältere Forschung hatte für die Vita antiqua vor allem Kritik übrig; vgl. stellvertretend für andere die Arbeit von Crovella, San Eusebio di Vercelli, 20. Dies ist bemerkenswert angesichts seiner optimistischen Verwendung anderer hagiographischer Texte für seine Darstellung der Mailänder Synode (s. u. 2.). Einen vergleichsweise hohen Quellenwert traut hingegen Everett, Narrating the Life of Eusebius, v.a. 157–160, der Vita antiqua zu. Jedoch bezieht er sich hauptsächlich auf die dort geschilderten Ereignisse um die Mailänder Synode. Dabei scheint der Verfasser laut Everett ältere Quellen benutzt, jedoch teilweise die Tendenz modifiziert zu haben; für die Frühzeit des Eusebius ist dies jedoch nicht gesagt. Everetts Betrachtung der Vita antiqua verdient als Plädoyer für weitere Untersuchungen zu diesem Text Beachtung, worauf bei der Überlieferungsgeschichte näher einzugehen sein wird. 17 Vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis, 58. 18 In ep. extr. coll. 14 (Zelzer, 235–295). 19 Mit Dattrino, Il cenobio clericale di Eusebio, 340 f. (wieder aufgenommen in Dattrino, Eusebio di Vercelli, 705 f. m. Anm. 11) wird man aus der Andeutung des Ambrosius, Eusebius’ enthaltsame Lebensweise habe ihn auf die Entbehrungen des Exils vorbereitet (vgl. Ambr., ep. extr. coll. 14,71 mit Rückblick auf die vorherigen Abschnitte), wohl schließen dürfen, dass Eusebius’ persönliches Interesse am Mönchtum schon vor sein Exil zurückreichte (wenn Ambrosius über verlässliche Informationen verfügte). Die Erwähnung von sanctae sorores in seinem Exilsbrief an seine Heimatkirche mag zudem

100 | Müller letztlich für Eusebius’ Leben vor 354 insgesamt bestehen, berühren auch die Frage nach seiner dogmatischen Positionierung und damit einen zweiten Problemkreis.

1.3 Theologiegeschichtliche Probleme (Auch) Angesichts der lückenhaften Biographie ergeben sich nämlich theologiegeschichtliche Probleme. So lassen sich nur Vermutungen über Eusebius’ theologische Prägung vor 353/54 anstellen. Zwar legt die Lektorentätigkeit des gebürtigen Sardiniers in Rom nahe,20 dass der spätere Bischof von Vercelli »nizänisch« sozialisiert war; doch was bedeutet das konkret, zumal angesichts der Infragestellung einer profilierten theologischen Position der römischen Bischöfe in der Mitte des 4. Jahrhunderts?21 Ebenso könnte Eusebius in den 340er Jahren in Rom Athanasius selbst begegnet sein und von diesem zu einer Beschäftigung mit dogmatischen Fragen gegen den »Arianismus« sowie zu monastischen Aktivitäten motiviert worden sein.22 Zwar ist ein Zusammentreffen zwischen dem alexandrinischen Exilanten und dem lector im Umfeld des Bischofs Julius durchaus denkbar,23 doch sind Mutmaßungen über die Tragweite einer solchen Begegnung schon an sich spekulativ und brächten dennoch keine definitive Klärung, was Eusebius dann als Bischof vor 355 ins Werk gesetzt hätte. Doch auch für die Zeit ab 355 wird eine systematische Einschätzung des Eusebius nicht automatisch leichter. Denn ab dieser Zeit stritt er aktiv für die fides Nicaena, doch ist hier seit mehreren Jahrzehnten die Frage virulent, ob hier tatsächlich schon (bzw. »wie schon immer«) belegen, dass es bereits vor seinem Aufenthalt im Osten monastisch interessierte Frauen in Vercelli gab (vgl. Eus.Verc., ep. II ad ecclesiam Verc. XI,1, Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 109, 217; allerdings kann dies wohl nicht allein am Attribut sanctae festgemacht werden, da Eusebius damit gleich in der Briefadresse die angeschriebenen plebes belegt; vgl. ep. II ad ecclesiam Verc., Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 104, 2 und die Erläuterungen am Ende von 2. Indes ist für die Fügung mit sorores nach den fratres und vor filii et filiae bisher keine alternative Erklärung geboten worden). Die Entstehungszeit des später bekannten und einflussreichen »Klerikerklosters« von Vercelli hingegen ist damit noch nicht bestimmt. Weiterreichende Mutmaßungen wie bei Subocz, Zur Geschichte der Gründung der Klerusgemeinschaft von Eusebius aus Vercelli, 300 f. zur genauen Verfassung der Gemeinschaft von Vercelli enthalten bezeichnenderweise nur spärliche Quellenangaben ohne Problematisierung. Möglich, aber schwer auf einzelne Aktionen zu beziehen, ist Eusebius’ Begegnung mit Athanasius in Rom während seiner Zeit als Lektor; vgl. dazu die folgende theologiegeschichtliche Problemanzeige. 20 Diese Angaben bei Hier., vir. ill. 96 werden i. d. R. als biographische Eckdaten genommen; vgl. Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 130, der auf das Problem des Todesjahres des Eusebius hinweist. 21 Vgl. die v. a. von Brennecke, Hilarius von Poitiers, 155–158 skizzierte und von Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 231–241 ausgeführte Einschätzung zu Liberius. 22 Letzteres behauptete Hieronymus für Marcella angesichts von Athanasius’ römischem Exil in ep. 127,5 (Hilberg, Hieronymi Epistulae. CXXI-CLIV, 149,7). 23 Erst die Vita antiqua »weiß« von einer Ordination des Eusebius zum Presbyter – und zwar schon unter Bischof Markus von Rom; vgl. Ughelli, Italia Sacra, 751 B.

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das Nizänum oder eigentlich das westliche Serdicense von 343 als dessen »authentische« Auslegung den Bezugspunkt darstellte.24 Dies wirkt sich aus bis hin zu der bereits angedeuteten Frage, ob sich Eusebius nach seinem Exil 362 auf der Synode von Alexandrien auch inhaltlich einer potentiell »neunizänischen« Position geöffnet hat oder ob seine kommentierende Unterschrift unter den Tomus ad Antiochenos eher kirchenpolitischem Pragmatismus entsprang.25 Für die Trinitätstheologie zumindest scheint es vorerst bei Hansons Einschätzung zu bleiben, dass wir aus Eusebius’ eigenen Schriften nur eine kurze bekenntnisartige Wendung in seinem libellus an Patrophilus von Scythopolis unmittelbar fassen können:26 CChr.SL IX, 122 (Bulhart) Novit hoc omnipotens deus, novit et eius unigenitus inenarrabiliter de ipso natus filius, qui salutis nostrae causa deus sempiternae virtutis hominem perfectum induit, pati voluit, morte triumphata tertio die resurrexit, ad dexteram patris sedet venturus iudicare vivos et mortuos, novit et spiritus sanctus, testis est ecclesia catholica, quae sic confitetur, quia non ego in me reus ero, sed vos, qui conservos meos necessaria ministraturos prohibere voluistis.

Übersetzung Dies weiß der allmächtige Gott, es weiß auch sein einziggeborener, auf unaussprechliche Weise von ihm selbst gezeugter Sohn, der um unseres Heils willen als Gott von ewiger Kraft einen vollkommenen Menschen anzog, leiden wollte, nach Überwindung des Todes am dritten Tage auferstand, zur Rechten des Vaters sitzt und kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten, es weiß auch der heilige Geist, Zeugin ist die katholische Kirche, die so bekennt, dass nicht ich gegen mich Angeklagter sein werde, sondern ihr, die ihr meine Mitknechte hindern wolltet, die im Begriff waren, die notwendigen Dinge zu verwalten.

Mit Hanson wird man in diesen Formulierungen allein wohl kein allzu spezifisches trinitätstheologisches Profil finden können, das eine weitergehende Rekonstruktion von Eusebius’ Gotteslehre ermöglichte.27 Auch die Anklänge an bestehende Bekenntnistexte (inklusive N) ändern daran vermutlich wenig, zumindest solange wir über die Rahmenbedingungen dieser Jahre im lateinischen Westen nicht mehr wissen.28 Etwas anders mag es um die christologische Betonung des Anziehens des homo perfectus stehen, da Eusebius in seinem Kommentar zum Tomus ad Antiochenos die Annahme das ganzen Menschen durch den Sohn Gottes unterstrich, wie Manlio Simonetti herausgestellt hat.29 Weiter nachgedacht werden müsste m. E. auch über die exakte 24 Für eine nähere Erörterung des Problems mit Bezug auf Eusebius, Liberius und Lucifer vgl. die Überlegungen in 2. 25 Vgl. die o. g. Äußerungen von Markschies und Schubert sowie den Exkurs am Ende dieses Kapitels. 26 Vgl. zu dieser Protestnote die folgenden Ausführungen zur Überlieferung sowie die Inhaltsübersicht am Ende von 2. 27 Vgl. Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 508. 28 Allerdings wäre vielleicht der hier verwendete Begriff virtus im Kontext lateinischer trinitätstheologischer Texte der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts eine nähere Betrachtung wert. Zu den Forschungsproblemen dieser Phase vgl. exemplarisch den Exkurs am Ende dieses Kapitels. 29 Vgl. Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 164 f. sowie die Diskussion am Ende von 1. Es wäre allerdings weiter zu diskutieren, ob sich damit, wie von Simonetti angenommen, eine Differenz

102 | Müller Bestimmung des gedachten Subjekts zu pati voluit, da sich vom Duktus des Satzes her dafür eius unigenitus inenarrabiliter de ipso natus filius anbietet, dann aber die Frage im Raum steht, ob etwa der Sohn Gottes auch als Gott leiden wollte und gelitten hat. Beinahe gleichzeitig wurde in der »2. Sirmischen Formel« (= Dok. 51), dem Ausdruck beginnender homöischer Theologie, formuliert: … ipsum autem filium dei dominum et deum nostrum … hominem suscepisse de Maria virgine, per quem compassus est.30 Zur scharfen Kritik des Hilarius und Phoebadius an diesem Text 31 gehörte nämlich auch eine polemische Auseinandersetzung mit dem durch compassus est implizierten Mitleiden der Gottheit.32 Daneben hat, wie bereits angedeutet, die kommentierende Unterschrift des Eusebius zum Tomus ad Antiochenos33 – wohl gerade wegen ihrer knappen Formulierungen – zu unterschiedlichen Deutungen Anlass gegeben.34 Über die Deutung einzelner Aussagen hinaus stellt sich hier die Frage nach Position und Rolle des Eusebius, der die Ergebnisse der Synode im lateinischen Westen bekanntmachen sollte, vorher aber auch in das Scheitern einer Verständigung im Antiochenischen Schisma verwickelt war. 35 Da dies wohl durch einen Alleingang Lucifers mit bedingt war, wäre auch das Verhältnis der beiden ehemaligen Kampfgenossen noch einmal in Augenschein zu nehmen. Während hierzu vor allem die Kirchenhistoriker des 5. Jahrhunderts auszuwerten wären, schien eine These von Martin Tetz direktere Einblicke in das Denken des Eusebius zu ermöglichen:36 Tetz wies der pseudathanasianischen Epistula catholica (CPG 2241) als Kontext die Synode von Alexandrien 362 zu und sah in ihr ein vor dem Tomus ad Antiochenos entstandenes Dokument, das ihm auch gedanklich vorausgeht. Die Pointe bzgl. Eusebius bestand nun darin, dass Tetz unathanasianische Eigenheiten des Textes, insbesondere solche, die als Latinismen erklärbar schienen, auf das Konto des Bischofs von Vercelli buchte. Auch wenn dann noch abzuwägen wäre, worin dessen inhaltlicher Anteil am Text läge, so würden sich doch neue Chancen für eine Profilierung des Eusebius im Jahr 362 eröffnen. Allerdings ist Tetz’ Einordnung des

zu den christologischen Aussagen des Tomus ad Antiochenos ergibt (und ob diese unmittelbar als Distanzierung von dessen Verfasser Athanasius gewertet werden müsste). Hier scheint mir der kurze Kommentar des Eusebius etwas überfrachtet zu werden; vgl. die Ausführungen im Exkurs am Ende dieses Kapitels. M. W. bisher nicht untersucht ist die Möglichkeit einer Verbindung zwischen Eusebius’ Formulierung und römischen bzw. (ober)italischen Bekenntnistraditionen, wie sie u. a. in der sog. Fides Romanorum (CPL 552) zu greifen sind. 30 AW III 4, 379,7–13. 31 Vgl. die Einleitung in AW III 4, 376. 32 Vgl. die Kritik in Phoeb. c. Arian. 5. 33 Nun Dok. 69.4, AW III 4, 606. 34 Zu den textbedingten Verständnisschwierigkeiten vgl. die Einleitung und Anmerkungen zu Dok. 69.4, AW III 4, 605 f. sowie zur Überlieferung unten 1.4. 35 Vgl. die Gesamteinleitung zu Dok. 69, AW III 4, 589 f. 36 Vgl. Tetz, Ein enzyklisches Schreiben.

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Schreibens mit einigen Problemen verbunden.37 Es bleibt daher vorerst bei der o. g. Aufgabenbeschreibung. Wenn auch eng damit verbunden, wäre es schließlich noch ein eigenes Kapitel künftiger Eusebius-Forschung, Erwägungen über die letzte Lebensphase des Bischofs, zurück in Vercelli, anzustellen. Denn geht man von der von Hanson als communis opinio dargestellten Befundlage aus, dann wäre Eusebius gerade in dem Moment in literarisches Schweigen verfallen, als er – nach direkten Erfahrungen mit verschiedenen Konzepten im griechischen Osten – theologisch den weitesten Horizont seines Lebens hatte.

1.4 Überlieferungsgeschichtliche Probleme Schon wegen der zeitweisen Bedeutung des Eusebius und seiner in dieser Hinsicht »einladenden« Biographie hat sich die Forschung natürlich die Frage gestellt, ob sich von seinem (literarischen) Schaffen wirklich nicht mehr erhalten hat. Ein Gutteil der theologiegeschichtlichen wie auch der biographischen Probleme gründen damit letztlich in überlieferungsgeschichtlichen Problemen. Diese haben zunächst dreierlei Gestalt: 1. Die Überlieferungslage der Schriften unter dem Namen des Eusebius. 2. Die Überlieferungslage der (zeitnahen) Schriften anderer an Eusebius bzw. ihn betreffend. 3. Die Überlieferungslage von Schriften, die Eusebius von Teilen der Forschung zugeschrieben werden. Der Zusammenhang zu den vorgenannten Problemen ist offenkundig: Solange Umfang und Wortlaut von Eusebius’ Œuvre als allzu unsicher gelten müssten (= Punkt 1 und 3), wären biographische wie theologiegeschichtliche Einschätzungen nur sehr begrenzt möglich. Dies betrifft in einem weiteren Sinne auch die im zweiten Punkt berücksichtigten Schriften, da evtl. manche Äußerung des Eusebius erst im Lichte dieser Texte ganz verständlich wird.

Aktuelle Editionslage Nun schien in dieser Hinsicht durch die Edition von Vinzenz Bulhart38 eine kritische Grundlage für den Umgang mit allen drei Aspekten geschaffen – und in diesem Sinne 37 Vgl. für den Moment die Gesamteinleitung zu Dok. 69, AW III 4, 589 und das Vorwort, vii. Es wird zu prüfen sein, ob man den Text wirklich in die 380er Jahre hochdatieren muss, eine Verbindung zur Synode von 362 bliebe aber auch ohne dies unwahrscheinlich. 38 CChr.SL IX, Turnhout 1957, 1–205.

104 | Müller wird Bulharts Ausgabe auch bis heute meist benutzt.39 Bulharts hauptsächliche Leistung bestand in einer neuen Edition der in den Handschriften meist dem Athanasius von Alexandrien zugeschriebenen Libri De trinitate I–VII als Werk des Eusebius.40 Diese Zuschreibung war nicht Bulharts Idee, sondern genauso wie der von ihm verwendete Handschriftenbestand – bis auf den Cod. Berolinensis Phillipps 78 (1671) – von Prosper Schepens übernommen worden.41 Die Probleme dieser Zuschreibung werden am Ende von 1. umrissen werden. Festzustellen ist zunächst, dass mit der besseren Verfügbarkeit des Textes durch Bulharts Edition auch die Bereitschaft in Teilen der Forschung zu wachsen schien, in De trinitate I–VII ein Werk des Eusebius zu sehen – und über dieses Werk Eusebius als Theologen ernst zu nehmen. Eher nachklappend versammelte Bulhart in seiner Edition hinter De trinitate I– VII die drei unstrittig unter dem Namen des Eusebius überlieferten Briefe,42 sowie in Appendices auch die Briefe des Liberius von Rom und anderer an den Bischof von Vercelli.43 Hatte er schon bei der Edition der Libri De trinitate keine Vollständigkeit hinsichtlich der herangezogenen Handschriften erreicht,44 so verglich er hier vor allem eine Auswahl älterer, ihm zugänglicher Editionen sowie für Eusebius’ Briefe an Constantius II. und an seine Heimatkirche zwei Handschriften der Vita antiqua, da diese für deren Überlieferung relevant ist (s. u.). Wie aus den folgenden Ausführungen zu erschließen, stellte Bulhart auch keinerlei eigene Nachforschungen zu den Entstehungsbedingungen der von ihm herangezogenen Editionen an. Auch eine kritische Edition 39 Vgl. exemplarisch die Einordnung bei Brennecke, Hilarius von Poitiers, 151 Anm. 13. 40 CChr.SL IX, 3–99; es ist bezeichnend für den Interessenschwerpunkt dieser Textsammlung Eusebii Vercellensis quae supersunt, dass das bzgl. der Verfasserschaft schon damals umstrittene, inhaltlich aber interessante Werk vor den (beiden) unbestritten echten, gerade theologisch aber eher bescheiden wirkenden Briefen steht. Die danach in Appendices edierten Libri De trinitate VIII, IX, X, XI und XII verlangen je eine eigene Behandlung. Für Trin. VIII bezweifelte Bulhart eine Verfasserschaft des Eusebius (vgl. Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 113), während die anderen vier Texte auch für ihn sicher anderen Verfassern gehörten. Für Trin. X–XII konkurriert seine Edition mit der Simonettis (Simonetti, Pseudoathanasii de trinitate LL. X-XII). 41 Vgl. dessen Aufsatz Schepens, L’Ambrosiastre et saint Eusèbe de Verceil sowie den Verweis auf Schepens’ Nachlass bei Bulhart in Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, XXXI; zur Verfügung standen ihm jeweils Photographien der »libri Eusebii« in diesen Handschriften. 42 Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 103–110. 43 Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 119–124. 44 Bulharts Horizont legte, wie angemerkt, der Nachlass von Schepens weitgehend fest. Dabei waren bereits aus der von Bulhart benutzten Arbeit von Ficker, Studien zu Vigilius von Thapsus (vgl. dort v.a. 63–65) für die Langfassung Trin. I–VIII zahlreiche Handschriften bekannt, von denen Bulhart selbst gerade einmal eine benutzte (vgl. Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, XXXI– XXXII). Für die von ihm als Eusebius’ Werk betrachtete Kurzfassung Trin. I–VII wiederum verwarf er die Möglichkeit eines Stemma wegen Kontamination und mit Verweis auf die Notiz in manchen Handschriften, dass im Text vieles ergänzt und verändert worden sei (vgl. Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, XXXII). Ob sich indes gar keine weitere Verhältnisbestimmung der Handschriften erreichen lässt, insbesondere bzgl. des für Bulhart wichtigen und allein den Verfassernamen Eusebius enthaltenden Cod. Vaticanus lat. 1319, müsste eine neue Prüfung der Überlieferung klären.

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der Vita antiqua selbst spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle. Dies scheint jedoch in späterer Zeit als Desiderat empfunden worden zu sein, war doch im großen Sammelband »Eusebio di Vercelli e il suo tempo« von 199745 eine neue Edition der Vita (antiqua) Eusebii sowie der Briefe des Eusebius durch Francesco Scorza Barcellona als in Vorbereitung befindlich notiert worden. 46 Der Zuschnitt dieses Editionsprojekts berücksichtigt einen wichtigen Umstand: Die Überlieferung der Eusebiusbriefe ist teilweise verbunden mit der Vita des Bischofs von Vercelli aus dem 8. Jahrhundert.47 Denn diese zitiert den bei Bulhart als Epistula Prima bezeichneten Brief an Kaiser Constantius – und offenbar vollständiger als dies in der übrigen Überlieferung (s. u.) der Fall ist.48 Auch für die Textkonstitution des bei Bulhart als Epistula Secunda bezeichneten Exilsbriefs des Eusebius an seine Heimatkirche und des darin eingelegten libellus des Eusebius an Patrophilus von Scythopolis sind (eher kurze) Zitate in der Vita relevant. Scorza Barcellonas Ansatz hätte dabei eine der Unwägbarkeiten beseitigen können, die Bulharts Ausgabe in Kauf nehmen musste: Bulhart griff für den Text der Vita zur Konstituierung der Brieftexte auf die Ausgabe Ferdinand Ughellis49 sowie zwei für ihn verfügbare Handschriften50 zurück, was angesichts von heute bereits 37 bekannten Handschriften im Internetverzeichnis der Bollandisten51 und der Unklarheit, welche Handschrift Ughelli selbst eigentlich vor sich liegen hatte, ein dürftiger Bestand war. Jedoch: Die geplante Edition ist nie erschienen.52

Übersicht über die Dokumente Im erwähnten Sammelband hat hingegen Victor Saxer einen Beitrag zu den erhaltenen Quellen für eine Biographie des Eusebius veröffentlicht, der bei näherem Hinsehen die 45 Dal Covolo, Eusebio di Vercelli e il suo tempo. 46 Vgl. die Angaben von Maritano, Bibliografia eusebiana, 416. Die Veröffentlichung sollte in der Reihe Corona Patrum erfolgen. 47 Vgl. zu diesem Text für den Augenblick Everett, Narrating the Life of Eusebius. 48 Vgl. die Angaben von Bulhart in seinem Apparat zur Epistula Prima Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 103. 49 Italia Sacra. Vol. IV, Venedig 1719, 754ff.; diese Ausgabe benutzte Bulhart, nicht die ursprüngliche von 1652. Es gehört zu den Unschärfen der Bulhartschen Arbeit, dass mehrfach spätere Auflagen von Textausgaben herangezogen wurden, wodurch manche Feinheit unerkannt blieb. 50 Vgl. die Angaben in Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 103. 51 Vgl. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsectiondate.cfm?code_bhl=2748 (zuletzt aufgerufen am 9.6.2016, 20.07 Uhr). Kurioserweise enthält dieses Verzeichnis nicht den Codex Vercellensis LXXVII, den Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 144f. in seiner Untersuchung unter Rückgriff auf den Katalog der Biblioteca Capitolare di Vercelli kurz vorstellt, mithin eine (relativ alte) Handschrift vom mutmaßlichen Entstehungsort der Vita antiqua. 52 Auf Nachfrage per E-Mail teilte mir Herr Scorza Barcellona (E-Mail vom 11.4.2015) mit, dass nach der Einstellung der Reihe Corona Patrum der Rahmen für die Veröffentlichung unklar geworden sei und er sich zwischenzeitlich anderen Forschungsgegenständen zugewandt habe.

106 | Müller Problematik der aktuell maßgeblichen Bulhartschen Edition erkennen hilft.53 Saxer notierte zunächst die zeitgenössischen Quellen für eine Eusebiusbiographie. Es sind größtenteil die bei Bulhart gesammelten:54 – der Brief des Eusebius an Kaiser Constantius II. (Bulharts Epistula Prima); – der Exilsbrief des Eusebius an seine Heimatkirche (Bulharts Epistula Secunda); – der libellus des Eusebius an Patrophilus von Scythopolis (eingelegt in die Epistula Secunda); – der Exilsbrief des Eusebius an Gregor von Elvira (Bulharts Epistula Tertia); – die kommentierende Unterschrift des Eusebius unter den Tomus ad Antiochenos; – drei Briefe des Liberius an Eusebius im Vorfeld der Mailänder Synode von 355 sowie ein Brief des Liberius an Eusebius und die anderen Verbannten von Mailand (Bulharts Appendix II B.); – der Brief des Kaisers Constantius II. an Eusebius (in Bulharts Appendix II A.); – der Brief der Synode von Mailand an Eusebius (in Bulharts Appendix II A.); – der Brief des Lucifer von Calaris und seiner Begleiter an Eusebius (in Bulharts Appendix II A.).

Neue Erkenntnisse durch Codex Taurinensis F. III. 16 Eine zentrale Rolle in Saxers Untersuchung spielte daneben die bereits erwähnte Vita antiqua, deren historische Verwertbarkeit Saxer an einzelnen Beispielen untersuchte, sowie mehrere Predigten am Gedenktag des Eusebius, die allerdings eher hagiographisch bzw. als mögliche Vorlagen für den Verfasser der Vita interessant sind. Saxer hatte sich auch mit den ältesten erhaltenen Handschriften der Vita beschäftigt und eine Turiner Handschrift, den Codex F. III. 16 der Turiner Nationalbibliothek, eigens untersucht und mit dem bei Ughelli abgedruckten Text verglichen. Laut Saxer weicht der Turiner Text signifikant von dem Ughellis ab, was Saxer zu der Vermutung führte, dass Ughelli den ihm vorliegenden Text nicht nur sprachlich geglättet habe.55 Damit sind natürlich bisherige Versuche, die meist über Ughelli rezipierte Vita biographisch auszuwerten, gefährdet, die Folgen reichen jedoch noch weiter, wie gleich zu sehen sein wird. Bei der Auswertung der Turiner Handschrift bemerkte Saxer außerdem, dass sich an den Text der Vita der Text der Epistula Secunda anschloss – ihm zufolge allerdings auch hier mit Abweichungen zu der bisher bekannten Textfassung. Diese beruht grund-

53 Vgl. für die im Folgenden eingeflochtenen Bemerkungen insgesamt Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio. 54 Vgl. Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 123–125. 55 Vgl. Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 145.

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sätzlich auf dem von Mombritius gefundenen und gedruckten Text.56 Diesem folgte Lipomanus.57 Welche Handschrift wiederum Mombritius seinerzeit benutzt hatte, lässt sich bisher nicht ausmachen.58 Die heute zumeist rezipierte Textgestalt konstituierte Bulhart – allerdings nicht aus Mombritius oder Lipomanus selbst, sondern aus Baronius’ Annales ecclesiastici, die, wie er meinte, Lipomanus’ Text vermittelten.59 Wie im Folgenden zu sehen, trifft dies so nicht zu. Auch Bulharts Einbeziehung der Textsammlung Gallands (sowie des Nachdrucks von Migne!) verbreiterte seine Vergleichsbasis nicht wirklich, da Galland in seinen Prolegomena selbst angab, den Text der Epistula Secunda aus Baronius’ Werk genommen zu haben.60 Kombiniert man diesen Befund mit dem zur Editionslage der Vita antiqua, so wird deutlich, dass die Edition der Epistula Secunda bei Bulhart zwar kritisch ist, insofern dort zwei bzw. drei alte Editionen sowie die Vita antiqua Ughellis und deren Text in zwei Handschriften miteinander verglichen wurden, aber angesichts der nun besser erkennbaren Überlieferungslage als völlig unzureichend gelten muss (auch weil Probleme der verwendeten Editionen hinzukommen, s. u.). Dies gilt dann im Kern auch für die Epistula Prima, deren an sich bester Überlieferungskontext die Vita antiqua wäre. Die so gesehen unbefriedigende Editionslage zur Epistula Prima und Epistula Secunda hat noch eine weitere Konsequenz, die bisher in der Forschung keine Rolle gespielt zu haben scheint: Wenn der genaue Wortlaut als nicht recht sicher gelten kann, ist es (sehr) schwierig, auf ihm Überlegungen zu Sprache und Stil des Eusebius aufzubauen. Bulhart hatte seine umfängliche Darstellung zum Latein des Eusebius hauptsächlich auf die Beobachtungen zu den Libri De trinitate I–VII gegründet,61 die

56 Mombritius, Sanctuarium seu vitae sanctorum, 249 ff. Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 152, wies darauf hin, dass der bei Mombritius abgedruckte Text des Briefes an die Heimatkirche nicht den darin eingelegten libellus an Patrophilus von Scythopolis enthalte, die Turiner Handschrift hingegen schon. Doch bestätigt ein eigener Blick in Mombritius’ Ausgabe diesen Hinweis nicht. Er zumindest kann daher Saxers These einer durch Auffälligkeiten in der Überlieferung erschließbaren älteren Vita nicht stützen. 57 Vgl. die Randnotiz bei Lipomanus, Secundus Tomus Vitarum Sanctorum Priscorum Patrum, f. 187r, die Zangara, Eusebio di Vercelli, 290 m. Anm. 132 einleuchtend auf Mombritius bezieht. 58 Da Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 152 neben der angeblichen Differenz zwischen Mombritius und der Turiner Handschrift bzgl. des (nicht)enthaltenen libellus an Patrophilus auf keine weiteren Unterschiede im Wortlaut einging, lässt sich bisher nicht einmal sicher negativ annehmen, dass Mombritius einer anderen Handschrift folgte. Dafür könnte immerhin sprechen, dass Mombritius nicht den Text der Vita antiqua, sondern die Eusebius-Vita aus der Legenda aurea abdruckte. 59 Vgl. die Angaben in Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 104; auch hier ist die 1957 mögliche Präzision nicht erreicht, da Bulhart sich u. a. nicht um Baronius’ früheste Ausgabe von 1592 bemühte. 60 Vgl. Galland, Bibliotheca Veterum Patrum, XIV, dessen Werk Bulhart nach seinen Angaben zu Textvarianten im Apparat von Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 104 ff. wohl neben dem Nachdruck Mignes eingesehen hatte! 61 Vgl. Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, VII–XXVIII.

108 | Müller dem Bischof von Vercelli wohl nicht gehören (s.u.). Sichere Aussagen über das Latein des Eusebius würde hingegen erst die eben skizzierte Edition bringen.

Missverständnisse um die frühen Editionen und die Lokaltradition von Vercelli Doch dies ist nur die Spitze des Eisberges. Abgesehen von der Epistula Tertia, Eusebius’ Unterschrift zum Tomus ad Antiochenos sowie Liberius’ Brief an die Verbannten sind uns die übrigen mit Eusebius verbundenen Briefe ausschließlich in Drucken der frühen Neuzeit, aber in keiner einzigen (bisher bekannten) Handschrift erhalten.62 Dies gilt auch für die von Saxer nicht berücksichtigte Unterschriftenliste der Mailänder Synode.63 Als Erstherausgeber gilt dabei bis heute meist Caesar Baronius.64 So gesehen, wäre zu fragen, wie Baronius an die Texte gekommen war. Angesichts der Mehrfachüberlieferung des Liberiusbriefs Quamvis sub imagine an die Verbannten von Mailand (näheres s.u.) hatte Alfred Feder,65 unterstützt von Fidele Savio, die Hinweise auf die Informationsquelle des Baronius gesammelt, die dieser in seinen Annales ecclesiastici anscheinend als Acta (vitae) sancti Eusebii Vercellensis bezeichnete, und dies mit Angaben des damaligen Bischofs von Vercelli, Johannes Stephanus Ferrerius (Ferrero) in seiner Vita et res gestae sancti Eusebii Vercellensis episcopi et martyris eiusque in episcopatu successorum verglichen.66 Da letzterer explizit auf die Benutzung der Briefe durch Baronius hinwies und in seiner zweiten Auflage nach dem Mailänder Synodalbrief an Eusebius zur Überlieferungslage vermerkte »liber vetustissimus manuscriptus, unde excerptae sunt superiores litterae«, schloss Feder:

62 Eine Ausnahme bildet nur die o. g. Turiner Handschrift, deren Text allerdings bisher nicht publiziert ist. Falsch sind daher die Angaben zu den drei Briefen des Liberius an Eusebius vor der Synode von Mailand bei Sieben, Vetustissimae epistulae Romanorum pontificum, 143.159.161, der jeweils notiert: »Quelle: S. Eusebii vita: BHL 2748 f.«, da dies die BHL-Nummer der Vita antiqua ist, die lediglich allgemein von Briefen an Eusebius weiß, ohne diese zu zitieren. Zudem muss es bei der Quellenangabe zum Liberiusbrief an die Verbannten auf S. 165 statt »coll. antiar. A VII,2« »coll. antiar. B VII,2« heißen. 63 Nun Dok. 50.4. Meist wird die schwierige Überlieferungslage rund um die Synode und Eusebius überhaupt nur im Fall dieser Liste berücksichtigt. Zu ihren Besonderheiten vgl. die Einleitung AW III 4, 371 f. 64 Vgl. die Angaben Bulharts in Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 119.121; die Varianten in den textkritischen Apparaten zu den bei Bulhart gebotenen Briefen (Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 119–124) beziehen sich, abgesehen vom Liberiusbrief an die Verbannten, ausschließlich auf Abweichungen Bulharts von älteren Editionen. Keine Ausnahme bildet dabei übrigens der Brief der römischen Legaten an Eusebius: Bulhart notierte zwar in Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 120: »Edidit Hartel (CSEL XIIII p. 319)«. Doch gab Hartel an besagter Stelle an, dass er den Text des Briefes aus Baronius genommen (und lediglich korrigiert) habe. 65 Vgl. Feder, Studien zu Hilarius von Poitiers, 30 f. 66 Die erste Auflage erfolgte 1602 in Rom, die zweite 1609 in Vercelli. Sie schauen somit bereits auf den dritten Band von Baronius’ erster Aufage aus dem Jahr 1592 zurück.

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Nach alledem scheint Baronius aus der Bibliothek von Vercelli einen Kodex entliehen zu haben, der auf dem Rücken oder auf der ersten Seite die Aufschrift trug: Acta uitae S. Eusebii. [… ] Vor Baronius waren die Liberiusbriefe und die Vorgänge auf dem Konzil von Mailand noch nicht veröffentlicht worden. [… ] [Dies führt Feder zu der Annahme], daß die Acta S. Eusebii ein besonderer Sammelband verschiedener auf Eusebius von Vercelli bezüglicher Dokumente waren. Die Acta sind weder im neuen Bibliothekskatalog aus dem 19. Jahrhundert vorhanden, noch weiß der jetzige Bibliothekar von ihrem Dasein.67

Im Gegensatz zu Feder hatte Bulhart offenbar keine intensiveren Nachforschungen über die Quellen des Baronius angestellt. Ob er Feders Darstellung benutzt hat, ist nicht klar. Jedenfalls verwies er CChr.SL IX, 123 auf Feders Edition der Collectanea antiariana Parisina und bezeichnete CChr.SL IX, 121 die Acta uitae S. Eusebii als »nunc deperdita«. Feder war optimistisch gewesen, mit seiner Skizze »das über den ’Acta S. Eusebii’ ausgebreitete Dunkel zu lichten.« 68 Danach hätte an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert der Bischof von Vercelli, Ferrero, ein zunehmendes Interesse an seinem berühmten Amtsvorgänger entwickelt, als bzw. nachdem Baronius in dieser Zeit auf der Suche nach Quellentexten für seine Annales ecclesiastici war. Im Zentrum des Interesses stände ein alter Kodex (bzw. ein »Dossier«, wie es Saxer im o.g. Beitrag erstellt hatte), dessen Eusebius betreffende Dokumente Baronius nach der Ausleihe sämtlich in einem Akt in sein Geschichtswerk inkorporiert hätte, wonach dieser Sammelband nur noch von Ferrero gesehen wurde, nach 1609 aber nicht mehr. Indes liegen die Dinge schon hier komplizierter. Die erste Auflage des dritten Bandes der Annales von 1592 enthielt noch nicht alle Eusebius betreffenden Dokumente. So druckte Baronius in der ersten Auflage die vier Liberiusbriefe und den Brief der Mailänder Synode an Eusebius (ohne Unterschriftenliste!) sowie dessen Exilsbrief an die Heimatkirche ex actis vitae s. Eusebii. In den Auflagen von 1600 und 1601 kamen der Brief der römischen Legaten und der Brief des Constantius an Eusebius hinzu. Erst in der postum erschienen Auflage von 1624 findet sich schließlich auch Eusebius’ Brief an den Kaiser (Bulharts Epistula Prima).69 Zu letzterem merkte Baronius explizit an, dass er den Text von dem damals amtierenden Bischof von Vercelli, Stefano Ferrero, zur Verfügung gestellt bekommen habe.70 Es ist daher nötig, die Entwicklung der Präsentation Eusebius betreffender Dokumente in den verschiedenen Auflagen der Annales ecclesiastici im Einzelnen zu verfolgen. Baronius hatte demnach 1592 einen Grundstock an Texten aus Vercelli zur Verfügung, der wohl in allen weiteren Fällen durch Zuwendungen Ferreros erweitert wurde. Ferrero seinerseits hatte ausweislich des Vorworts zu seiner Eusebius-Vita von 1602 den Plan gefasst, im Stile des Baronius eine verlässliche, da auf alten Quellen beruhende Vita des Eusebius 67 Feder, Studien zu Hilarius von Poitiers, 31. 68 Feder, Studien zu Hilarius von Poitiers, 31. 69 Vgl. die Angaben bei Zangara, Eusebio di Vercelli, 306–310. 70 Baronio, Annales Ecclesiastici, col. 734, der vermerkt: »Vocatus est autem idem Eusebius litteris Constantii Imperatoris, cui ipse istam rescripsit Epistolam, quam accepimus nuper a Ioanne Stephano Ferrerio Episcopo Vercellensi, ex Archivo eius Ecclesiae«.

110 | Müller zu verfassen, die wie die Annales wichtige Texte wörtlich zitieren sollte.71 Ferreros Anknüpfen an Baronius ging offenbar so weit, dass er die Eusebius betreffenden Texte weitgehend von Baronius übernahm, obwohl er ja selbst über die Texte verfügte bzw. sie Baronius teilweise zur Verfügung stellte. Wie das genaue Entstehungsverhältnis der beiden Werke bzgl. der Eusebiustexte ist, wäre noch weiter zu untersuchen 72 Schon angesichts dieser schrittweisen Editionsgeschichte wäre zu fragen, ob es an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert in Vercelli eine Sammlung von Texten mit Bezug zum Lokalheiligen Eusebius gab, die von Baronius und Ferrero relativ synonym als acta ecclesiae Vercellensis oder als acta vitae s. Eusebii bezeichnet wurde und, wie von Feder vermutet, eine Art »Eusebius-Dokumentation« in Gestalt eines einzigen Kodex darstellte. Warum hatte die möglichst umfassende Dokumentation der Mailänder Synode Baronius dann so viele Anläufe gekostet? Immerhin lässt sich durch gewisse Besonderheiten festhalten, dass es überhaupt eine spezifische Vercellenser Tradition um Eusebius gab. Baronius notierte nämlich zu dem Brief Quamvis sub imagine, der Feder den Anlass zu seinen Ausführungen geboten hatte, ein Detail, das zumindest für die Überlieferung dieses Dokuments in Vercelli eine personale Fokussierung erkennen lässt: Der Brief des Liberius, in der übrigen Überlieferung an Eusebius, Lucifer und Dionysius adressiert, war in der Fassung, die die »Sammlung« von Vercelli bot, nur an Eusebius gerichtet.73 Daneben zeigt die übereinstimmende lacuna im Text der Epistula Prima sowohl bei Baronius als auch bei Ferrero, dass diese letztlich eine gemeinsame (verderbte) Vorlage aus Vercelli benutzten.74 Indes griffe künftige Forschung zur frühneuzeitlichen Eusebiusedition zu kurz, wenn sie es hierbei beließe. Denn vor einiger Zeit hat Vincenza Zangara nun tatsächlich Licht in das Dunkel gebracht, das Feder konstatiert, aber letztlich nicht durchdrungen hatte.75 Zangara wies nämlich darauf hin, dass Baronius und Ferrero einen entscheidenden Vorgänger hatten: Giovanni Francesco Bonomi, Bischof von Vercelli von 1572 71 Vgl. Ferrerius, Eusebii Vita et Res Gestae, 6. 72 Nach den Erkenntnissen von Zangara, Eusebio di Vercelli, 310 f. scheint sich Ferrero zunehmend und in der zweiten Auflage greifbar von Baronius emanzipiert zu haben. 73 Vgl. das Baronius-Zitat samt Identifizierung des von Baronius verglichenen codex Vaticanus in Feder, Studien zu Hilarius von Poitiers, 30 f. sowie die offenbar schlicht mitsamt Text und Varianten aus Feders Edition übernommenen Angaben von Bulhart in Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 123, der dem Briefcorpus gar keinen Briefgruß voranstellt. 74 Zur Lücke im Text von Baronius vgl. die Angaben im Apparat Bulharts in Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 103, 7–9. Ferrerius, Eusebii Vita et Res Gestae, 21 wird von ihm nicht erwähnt. Dieser hatte seinen Text wohl aus Baronius, der wiederum Vercellenser Quellen benutzte. Es ist interessant, dass beide trotz diverser Konjekturen zum Text hier keine großen Eingriffe unternahmen. 75 Der umfang- und kenntnisreiche Aufsatz von Zangara, Eusebio di Vercelli, bietet eine Vielzahl von Detailbeobachtungen, die von der künftigen Eusebiusforschung ausgewertet werden müssen. M. E. hat Zangara gezeigt, dass eine befriedigende Rekonstruktion des spätantiken Eusebius aufgrund der besonderen Überlieferungslage nur mit und nach einer Rekonstruktion der frühneuzeitlichen EusebiusEditionen und -Konstruktionen (in Gestalt diverser Vitae, s. u.) erfolgen kann. Ich kann hier nur die groben Eckdaten angeben, die sich auf die relevanten Dokumente beziehen. Zangaras Schwerpunkt

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bis 1587. In dessen Episkopat waren die Gebeine des Heiligen Eusebius wiederentdeckt worden und 1581 sollte deren Translation stattfinden, was jedoch ins Stocken geriet. Teils anlässlich, teils wohl schon statt der Translation verfasste Bonomi eine Sammlung Antiquorum patrum sermones et epistolae de s. Eusebio inklusive einer erbaulichen Vita über Eusebius.76 In seinem Werk druckte Bonomi erstmalig acht spätantike und (früh)mittelalterliche Predigten anlässlich von Eusebius’ Jahrestag sowie die vier Liberiusbriefe und den Mailänder Synodalbrief an Eusebius. Nach zahlreichen antiken und nachantiken Zeugnissen über den Heiligen schloss Bonomi anhangartig mit der Epistula Secunda.77 Zangara konnte nun zeigen, dass Baronius bei seinen Verweisen bzgl. der Liberiusbriefe und des Synodalbriefs auf Acta vitae Eusebii in den Annales nichts anderes meinte als die von Dokumenten begleitete Vita Bonomis. Damit verschiebt sich bzgl. der genannten Dokumente die Quellenfrage weiter zurück. Bonomi selbst nennt einen codex manu scriptus vetus. Da der jüngste der acht sermones von Atto von Vercelli stammt, könnte diese Handschrift frühestes aus dem späten 10. Jahrhundert stammen.78 Anders verhält es sich jedoch bei dem von Bonomi am Ende abgedruckten Exilsbrief des Eusebius. Wie Vergleiche mit einer kurz zuvor erschienenen Textsammlung Bonomis belegen, übernahm ihn Bonomi dort wie hier aus dem Sanctuarium des Boninus Mombritius von 1480, allerdings mit merklichen Überarbeitungen.79 Eine lokale Vercellenser Handschriftentradition zur Epistula Secunda kannte Bonomi also offenbar nicht, während später etwa Ferrero von einer solchen auch für diesen Brief ausging.80 Gleichwohl war gerade seine sprachlich überarbeitete Fassung der Epistula Secunda wirkmächtig: Am Beispiel der Einleitungspassage hat Zangara gezeigt, dass Baronius seine Textfassung des Exilsbriefs zu einem Gutteil an Bonomi orientierte, der in dem von ihr angeführten Beispiel zu ep. II 1 den schwerfälligeren Satzbau des Mombritiustextes elegant umgestaltet hatte.81 Nun ist zu bedenken, dass Bulhart gemäß den einleitenden Bemerkungen in seinem textkritischen Apparat CChr.SL IX, lag hingegen zu einem Gutteil auf der Sammlung von sermones zu Ehren des Eusebius. Leider scheint die zu Beginn ihres Aufsatzes angekündigte Monographie zur Geschichte und Archäologie des Bistums Vercelli von den Anfängen bis zum 8. Jahrhundert nicht erschienen zu sein. 76 Vgl. Zangara, Eusebio di Vercelli, 369–375, die 273f. auch den monumentalen Volltitel bietet und eine Analyse der Gestaltung des Frontispiz vornimmt. 77 Näheres zu diesem Werk und der Rolle der Exilsbriefs s. Zangara, Eusebio di Vercelli, 375 f.384. 78 Vgl. Zangara, Eusebio di Vercelli, 295 f. für Bonomi als Vorlage des Baronius und die Überlegungen von Zangara 296–315 zur Herkunft dieser Sammlung, bzgl. derer sie es aber für gut möglich hält, dass die älteren sieben Predigten bereits vorher eine Sammlung bildeten. Zu dieser könnten natürlich auch die Briefe an Eusebius gehört haben. 79 Vgl. Zangara, Eusebio di Vercelli, 294–296 m. Anm. 173. 80 Vgl. die Randnotiz bei Ferrerius, Eusebii Vita et Res Gestae, 30. 81 Vgl. die beiden Textfassungen bei Zangara, Eusebio di Vercelli, 295 Anm. 166 (und 296), wonach aus tamen moesti, ac tristes, es sine lachrymis non eramus: quia longo temporis intervallo, vestrae sanctitatis non accipientes scripta, verebamur, ne qua vos aut accepisset diabolica subtilitas, aut potestas humana infidelitas (sic!) subiugasset bei Lipomanus (aus Mombritius) tamen moesti, ac tristes, es sine lachrymis non eramus: quia longo temporis intervallo, vestrae sanctitatis non accipiebamus scripta. Verebamur

112 | Müller 104 die alten Ausgaben von Mobritius und Lipomanus nicht eingesehen hatte und – missgeleitet durch eine Bemerkung Savios – meinte, dass Baronius aus Lipomanus schöpfte. Dementsprechend folgte Bulhart über weite Strecken – und auch in Zangaras Beispiel – dem Text des Baronius (wohl in dem Glauben, nahe an der Editio princeps zu sein), der in Wahrheit oft der zurechtgemachte Text Bonomis ist. Die Folgen für die Auswertbarkeit des bei Bulhart gebotenen Brieftextes für die Sprache des Eusebius etc. wurden bereits angedeutet. Die Briefe der römischen Legaten und des Kaisers an Eusebius sowie seine Antwort auf letzteren müssen hingegen einen anderen Überlieferungszusammenhang in Vercelli gebildet haben. Genau genommen hatte dies schon Baronius unterschieden, der bei diesen Briefen bzgl. ihrer Herkunft »ex archivo Ecclesiae Vercellensis« notierte bzw. direkt auf Ferrero hinwies, nicht aber auf Acta vitae.82 Angesichts einer vermutlich mit den Briefen überlieferten, in ihnen selbst aber nicht zu findenden Bemerkung zum Verhalten des Dionysius von Mailand, die Ferrero 1609 abdruckte, vermutete Zangara, dass es sich hierbei tatsächlich um eine weitere Sammlung gehandelt haben könnte, die in ihrer Machart den Collectanea antiariana Parisina bzw. dem Originalwerk des Hilarius von Poitier vergleichbar war, d.h. eine durch kommentierende Zwischenstücke verbundene Dokumentensammlung – in diesem Fall um Eusebius und die Synode von Mailand 355.83 Eine Besonderheit ergibt sich noch hinsichtlich des Synodalbriefs an Eusebius. Diesen hatte bereits Bonomi abgedruckt – allerdings ohne die Unterschriftenliste, die erstmals in Baronius’ Auflagen von 1600 und 1601 erschien. Zudem hat Zangara auf kleinere Abweichungen im Incipit hingewiesen. Sie hält es daher für die plausibelste Annahme, dass der Synodalbrief (mindestens) zweimal in Vercelli vorhanden war, wobei erst die eine Fassung und dann die andere entdeckt wurde.84 Für den Moment wäre daher mit mindestens zwei »Eusebius-Sammlungen« in Vercelli zu rechnen, die im Kern alte Traditionen repräsentieren könnten, sowie mit schwer fassbaren weiteren Überlieferungswegen, wie es bei Mombritius der Fall ist. Wie manches andere Detail ist auch der Verbleib dieser Sammlungen ungeklärt. Die bischöfliche Bibliothek von Vercelli weist zwar laut ihrem Katalog von 1925 einen durchaus beeindruckenden Bestand an Handschriften auf, von denen eine auch die Vita antiqua enthält.85 Ein »Eusebius-Dossier« ist aber weder hier zu finden noch anderswo entdeckt worden. Dieser Verlust wiegt schwer, da so das Alter dieser Textsammlungen

enim, ne qua vos aut accepisset diabolica subtilitas, aut potestas humana infidelibus subiugasset bei Bonomi (und so bei Baronius) wurde. 82 Vgl. die Angaben bei Zangara, Eusebio di Vercelli, 309 f. Für Feder war dieser Unterschied in Unkenntnis der Sammlung Bonomis kaum wahrnehmbar. Bulhart dreht den Sachverhalt durch seine Angaben auf S. 119.121 CChr.SL IX beinahe um. 83 Vgl. Zangara, Eusebio di Vercelli, 310 f. m. Anm. 232. 84 Vgl. Zangara, Eusebio di Vercelli, 312–314. 85 Vgl. die Angaben im Katalog von Pastè, Inventari dei manoscritti delle biblioteche d’Italia, 73–128 und bei Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 144 f.

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sowie ihr genauer Aufbau und Zuschnitt nur schwerlich festgestellt werden können.86 Zu überlegen wäre, ob die entsprechenden Dokumente aus Eusebius’ eigener Zeit von Anfang an in Vercelli gesammelt worden waren und den Grundstock einer wachsenden Sammlung bildeten. Vielleicht lässt sich auch aus künftigen Forschungen zur Vita Antiqua und den frühneuzeitlichen Eusebiusdarstellungen von Bonomi und Ferrero ermitteln, ob die Vita antiqua Teil eines Dossiers war oder ob sich gar Saxers Vermutung bekräftigen ließe, dass hinter der Vita antiqua noch eine ältere Textfassung stand.87 In jedem Fall zeigen Saxers Beobachtungen und Entdeckungen zur Turiner Handschrift, wie man in Ermangelung der Vorlagen von Bonomi und Ferrero/Baronius noch am ehesten an heute noch erhaltene Indizien käme: Es bedürfte einer systematischen Untersuchung aller die Vita antiqua überliefernden Handschriften. Im schlechtesten Fall ergäbe sich eine Basis für eine kritische Edition der Vita und damit zumindest auch der Epistula Prima (sowie der Epistula Secunda). Im besten Fall könnten auch andere Handschriften als die Turiner manches Eusebiusstück enthalten, das in den alten Handschriftenkatalogen nicht eigens verzeichnet wurde – so verhält es sich nämlich auch bei der bisherigen Beschreibung der Turiner Handschrift.88

Außerhalb von Vercelli überlieferte Dokumente Eine andere Überlieferungssituation ergibt sich für die kommentierende Unterschrift des Eusebius unter dem Tomus ad Antiochenos. Sie ist nur in einer griechischen Übersetzung erhalten, die laut Athanasius auf das lateinische Original zurückgeht.89 Dieses kann angesichts gewisser Auffälligkeiten der Übersetzung weitgehend rekonstruiert werden, es bleiben aber gewisse Unsicherheiten.90 Der Brief des Liberius an die Verbannten von Mailand sowie der Brief des Eusebius an Gregor von Elvira schließlich sind (auch) in den Collectanea antiariana Parisina des Hilarius von Poitiers überliefert. Einziger Textzeuge ist hier letztlich die Handschrift A, während die davon abhängige Handschrift C lediglich bisweilen Konjekturen zur Verbesserung von A bietet.91 A weist in der Tat einige Fehler bzw. Textverderbnisse auf,

86 Im Falle Bonomis stehen die Chancen aufgrund der o.g. Umstände noch relativ gut. 87 Vgl. Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 152. 88 Vgl. den Auszug aus der Beschreibung von Poncelet bei Saxer, Fonti storiche per la biografia di Eusebio, 145 m. Anm. 77 und die Übersicht zum Inhalt der Handschrift in Ottino, I codici Bobbiesi, n. 24. 89 Zum Text und seiner Überlieferung vgl. Dok. 69.4, AW III 4, 605 f. 90 Vgl. dazu die Rekonstruktion von Schubert, Ein wiedergewonnenes Schreiben des Eusebius von Vercelli, 16. Schubert weist selbst auf kleinere Unwägbarkeiten hin; gerne wäre man z.B. sicher, dass für ὑπόστασις (AW III 4, 606,6) im Original personas stand. Das Problem der Stelle erklärte einige Jahre vor Schubert Markschies, Was ist lateinischer »Neunizänismus«?, 78. 91 Vgl. dazu AW III 4, XV.

114 | Müller doch liegen diese seit der Edition von Feder offen zutage.92 Für die Textkonstitution des Briefs an Gregor ist man daher der o. g. Unwägbarkeiten der Vercellenser Überlieferung enthoben, die ausweislich der Angaben bei Bonomi, Baronius und Ferrero diesen Brief nicht enthielt. Mit den Collectanea hat auch dieses Schreiben einen alten Überlieferungskontext, in Eusebius’ Heimatkirche scheint er aber von keinem besonderen Interesse gewesen zu sein. Ob dies an den Umständen seiner Entstehung oder an Gregors späterer Beteiligung am Schisma der Luciferianer oder schlichtem Zufall liegt, ist schwer zu entscheiden.93 Daneben nennt eine vatikanische Handschrift (Codex Vaticanus lat. 1319) einen Eusebius in der Rubrik zum zweiten Buch der sonst meist unter dem Namen des Athanasius überlieferten Libri De Trinitate I–VII.94 Dies nahm Bulhart seinerzeit als Indiz für die tatsächliche Verfasserschaft des Eusebius an diesem Text.95 Wie bereits angedeutet, handelt es sich um ein weiterreichendes Problem, das die hier von einander abgesetzten Problemfelder übergreift. Es wird daher am Ende des Kapitels eigens skizziert. Eine detaillierte Bearbeitung des Themas wäre jedoch nach Erledigung der o. g. Aufgaben sinnvoller. Immerhin ist hinsichtlich der Überlieferung festzuhalten, dass es offenbar keine alte Vercellenser Tradition zu Trin. I–VII als Werk des Eusebius gibt.96 Dies muss noch keine Entscheidung zur Verfasserfrage bringen, da auch die Epistula Tertia außerhalb Vercellis überliefert wurde. Allerdings würde es sich hier, gemessen am übrigen Überlieferungsstand, um das Hauptwerk des Eusebius handeln.

1.5 Ziele der folgenden Untersuchungen Angesichts der vorgestellten Problemkreise dürfte sich die von Hansons Zusammenfassung abgeleitete Befürchtung, dass dem Eusebiusforscher nichts mehr zu tun übrigbliebe, als unbegründet erweisen. Vielmehr zeigen insbesondere die Überlieferungspro92 Vgl. Feder, 46 f. Näheres zum Text (nun Dok. 63 in AW III 4, 556–559) in 3. 93 Vgl. zu den Problemen, die sich mit diesem Brief verbinden, die Ausführungen in 3. Geht man, wie dort begründet, von der Echtheit des Briefes aus, so ist er von Eusebius aus dem Exil in Ägypten nach Spanien geschickt worden. Die Epistula I wurde hingegen von Vercelli aus versandt, ep. II wurde nach Vercelli geschickt; (s. u. 2). 94 Vgl. zu den Eigenheiten des Cod. Vat. lat. 1319 vorerst die Angaben bei Kuttner, A Catalogue of Canon and Roman Law Manuscripts, 45–48. 95 Vgl. Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt. 96 Ferrerius, Eusebii Vita et Res Gestae, 56, wies am Ende seiner Dokumentensammlung zu Eusebius darauf hin, dass er im Nachlass seines Vorgängers Guido den Text eines Werkes entdeckt habe, das nach der Überschrift S. Eusebii Vercellensis Episcopi de Unitate Trinitatis mit Tu unus deus pater et fili et sancte spiritus beginne (= Trin. I,1). Doch handle es sich offenkundig um eine Abschrift, die dieser von einer alten vatikanischen Handschrift habe anfertigen lassen, die den Text so enthalte. Ferrero zog aus diesem Befund den Schluss, dass es ratsam sei, die Schrift nicht unter die Werke des Eusebius zu zählen. Gerne wüsste man, ob Ferrero den Cod. Vat. lat. 1319 meinte, der eine abweichende Rubrik bietet, wie man der Bulharts Edition in CChr.SL IX vorausgehenden Photographie entnehmen kann.

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bleme, unter welchem Vorbehalt jede bisherige Untersuchung stehen muss(te). Dies ist auch für die im Folgenden vorgestellten Überlegungen zu bedenken, die sich nach dem bisher über Eusebius Bekannten auf zwei Aspekte im entscheidenden Jahrzehnt seines Lebens beziehen: die Synode von Mailand 355 und Eusebius’ literarische Aktivität während seines Exils. Für beide Aspekte kann auf frühere wie aktuelle Arbeiten zurückgegriffen werden, weshalb sich die beiden Teile meiner Untersuchung noch weiter präzisieren lassen: Die Mailänder Synode soll speziell hinsichtlich der Rolle des Eusebius untersucht werden. Es geht hier also um die Frage, wie sich Eusebius vor und während der Synode verhielt und wie dieses Verhalten einzuschätzen ist. Aus Eusebius’ Exilszeit interessiert anschließend konkret die Frage, ob der Bischof von Vercelli um das Jahr 360 eine Korrespondenz mit Gregor von Elvira geführt hat, da in den Collectanea antiariana Parisina des Hilarius von Poitiers ein Brief an diesen Gregor unter dem Namen des Eusebius überliefert ist. Die eventuell gefühlte chronologische »Lücke« zwischen diesen beiden Momenten, namentlich die frühere Zeit von Eusebius’ Exil in Scythopolis und Kappadokien, kann hier großenteils gelassen werden, da in diesem Bereich m.W. gegenwärtig kaum Dissens besteht und die einschlägige Epistula Secunda des Eusebius bereits einiges Interesse gefunden hat.97 Die Zeit zwischen Eusebius’ Gang ins Exil und der etwaigen Abfassung der Epistula Tertia wird daher nur im Zusammenhang mit dieser thematisiert werden, soweit dies zur Beantwortung der Echtheitsfrage beiträgt.98 Durch diese »Auslassung« mag vielleicht auch das Verbindende zwischen den hier näher betrachteten Problemen »Mailand 355« und »Epistula Tertia« deutlicher werden: Letztlich geht es in beiden Fällen um die Frage, wie man (bei aller Schwierigkeit eines solchen Rückschlussverfahrens) die Persönlichkeit des Eusebius in diesen Jahren einschätzen sollte.99 Angesichts der zusätzlichen Unwägbarkeiten bei der Rekonstruktion von Eusebius’ Leben und Werk vor seiner Verstrickung in die politischen und theolo97 Eine Rekonstruktion der Ereignisse während Eusebius’ Exil in Scythopolis bietet Washburn, Tormenting the tormentors, auf der Grundlage einer kritischen relecture der Epistula Secunda. In Übereinstimmung mit den in 3. zur Epistula Tertia angestellten Beobachtungen hat bereits Washburn für die Epistula Secunda darauf hingewiesen, wie stark dieser Brief der Selbstinszenierung des Bischofs von Vercelli dient. Dies ist an gegebener Stelle zu berücksichtigen. Im weiteren Kontext des spätantiken Bischofsexils wird die Epistula Secunda aktuell von Jörg Ulrich ausgewertet; siehe zu diesem Projekt http://hrionline.ac.uk/clericalexile (angeregt durch dieses Interesse an der Epistula Secunda wird auch eine kommentierte deutsche Übersetzung des Briefs entstehen, an deren Erstellung ich mitwirke). 98 Vgl. die inhaltsübersicht zur Epistula Secunda am Ende von 2. sowie die Verbindung dieses Briefs mit der Epistula Tertia in 3. 99 Die Bedeutung dieses Aspekts wird klar in dem streitbaren Beitrag von Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, der im folgenden Exkurs und in 2. näher berücksichtigt wird. Simonetti hat über die Rekonstruktion der Ereignisse in und um Mailand 355 hinaus versucht, die Haltung des Eusebius in diesem Geschehen und so die Motivationslage des Bischofs als Ausgangspunkt für dessen Verhalten zu bestimmen. Ähnliches findet sich in gewissem Umfang auch bei Williams, Ambrose of Milan, 52–58, (und letztlich in Bezug auf die Bestreitung von Eusebius’ Verfasserschaft an der Epistula Tertia bereits

116 | Müller gischen Kontroversen seiner Zeit sowie nach seiner Rückkehr aus dem Exil erscheint es sinnvoll, zunächst für die etwas besser fassbare Zwischenzeit so weit wie möglich Klarheit zu erreichen. Weitere Untersuchungen müssten dann unter anderem Eusebius’ Rolle und Position in Alexandrien 362 und anschließend in Antiochia möglichst genau erfassen und mit den hier ermittelten Ergebnissen verbinden. Langfristig wäre von diesem »Kern« aus ein gewisses Vortasten an die »Ränder« von Eusebius’ Leben, vor allem an seine letzten Jahre in Oberitalien, sinnvoll möglich. Exkurs: Übergreifende Probleme – Eusebius und Athanasius bei Manlio Simonetti Leider kann ich im Rahmen dieses Beitrags nicht näher auf die neue Phase in Eusebius’ Leben, die mit der Teilnahme an der alexandrinischen Synode 362 begann, eingehen. Dies ist umso misslicher, als Manlio Simonetti vor wenigen Jahren mit einer Miszelle100 einen Abschnitt in meinem Überblicksartikel zum Phänomen des »lateinischen Athanasius«101 kommentiert hat, der sich (implizit) auf diese Phase bezieht. Da sich, wie oben angedeutet, bei genauerem Hinsehen doch gewisse Verbindungslinien zwischen der neuen und den vorherigen Lebensphasen des Eusebius ergeben, hoffe ich, dass ich auch in diesem Beitrag eine gewisse Reaktion auf Simonettis Überlegungen geben kann. Da dies im folgenden aber eher en passant geschehen wird und ich eine Fortsetzung der Diskussion um den m. E. unterschätzten Bischof von Vercelli trotz des Tonfalls der Miszelle sehr begrüße, versuche ich, mit wenigen Strichen eine vorläufige Antwort auf Simonettis Kritik (und so indirekt zu Simonettis Eusebius-Bild) zu skizzieren. Mehr als ein Abriss kann hier auch deswegen nicht stehen, weil sich in den vergangenen Jahrzehnten wohl niemand so oft und so kenntnisreich zu Eusebius von Vercelli und den mit ihm assoziierten Problemen geäußert hat wie Manlio Simonetti.102 Erst auf dem Hintergrund eines entsprechenden Forschungsberichts zu Eusebius – und damit im Rahmen einer größeren Arbeit – wären daher alle Prämissen und Implikationen voll erfassbar, die der italienische Patristiker in seinem neuerlichen Beitrag als bekannt voraussetzt (vgl. S. 347), da diese m.E. bei genauerem Hinsehen in Auseinandersetzung mit anderen Forschungspositionen über Jahrzehnte gewachsen sind. Für meine vorläufige und anlassbezogene Problemskizze (Eusebius ab 362) beziehe ich mich hingegen hauptsächlich auf besagte Miszelle, die (nach einer Einführung mit Verweis auf zu berücksichtigende Literatur und einer recht gerafften Zusammenfassung meiner Aussagen zu Eusebius’ etwaigem Verhältnis zu den pseudathanasianischen libri De trinitate I–VII) Überlegungen zu zwei Punkten in meiner damaligen Darstellung bietet:

in Hansons Skizze, wenn es dort heißt, dass Eusebius mit der in diesem Brief vertretenen Haltung nicht später mit Hilarius hätte kooperieren können; vgl. Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 508 Anm. 2). 100 Simonetti, Ancora una nota su Eusebio di Vercelli. 101 Müller, Phänomen. Konkret geht es um Formulierungen auf S. 19–21. 102 Man vergleiche aus der Vielzahl seiner Publikationen nur exemplarisch Simonetti, Studi sul De Trinitate pseudo-atanasiano, Simonetti, Eusebio nella controversia ariana und Simonetti, Scritti di e attribuiti a Eusebio di Vercelli (dort auch eine nähere Auseinandersetzung mit der Zuschreibung von Ps.-Athanasius, De trinitate I–VII an Eusebius durch Daniel H. Williams, auf die ich hier leider nicht im Einzelnen eingehen kann; weitere Titel gibt Simonetti in Simonetti, Ancora una nota su Eusebio di Vercelli, 347 Anm. 3). Ein ähnliches Interesse zeigen allenfalls die Arbeiten von Lorenzo Dattrino (vgl. neben den bereits genannten v.a. die Untersuchung Dattrino, Il De trinitate pseudoatanasiano, die im Folgenden kurz angesprochen wird), der sich allerdings weniger zu Eusebius’ Rolle im arianischen Streit geäußert hat.

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Zum einen wundert Simonetti meine damalige Offenheit, Eusebius überhaupt mit trin. I–VII näher in Verbindung zu bringen, da der Inhalt des Werkes schon wegen der enthaltenen Aussagen über den heiligen Geist als dritte Hypostase der Trinität damit chronologisch unvereinbar sei. Fassbar sei dies in einem westlich-lateinischen Text erst in Ambrosius’ De spiritu sancto aus dem Jahr 381, während sich Eusebius’ Spuren nach 364 verlören und man nicht ohne weiteres postulieren könne, dass er etwa 380 noch gelebt habe. Zudem seien weiterhin die Argumente von Dattrino, Il De trinitate pseudoatanasiano zu berücksichtigen, der auf eine luciferianische Herkunft des Werkes schließt, was sich etwa an dem interpolierten Ausfall gegen Ossius von Cordoba in Trin. I, 60–61 (Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 16,486–17,505) zeige. Zum zweiten und vor allem stößt sich Simonetti an meiner »ipotesi di Eusebio propagandista e diffusore della fama e dell’autorità di Atanasio in occidente quale « Lehrer der Orthodoxie »«.103 Diese Hypothese sei generell schwerlich zu beweisen, da sie die Freundschaft und Bewunderung des Eusebius für Athanasius voraussetze, es aber kaum Kontakt zwischen den beiden Bischöfen gegeben habe. Das wenige verwertbare Material gehöre in den Kontext der Synode von Alexandrien 362 sowie zu Eusebius’ Wirken im Antiochenischen Schisma – und weise genau in die entgegengesetzte Richtung. Simonetti betrachtet dann zunächst Eusebius’ kommentierende Unterschrift unter den Tomus ad Antiochenos. Darin stellt Eusebius fest, dass »der Sohn Gottes auch Mensch geworden ist, indem er alles außer der Sünde, so wie unser alter Mensch ist, annahm«.104 Mit dieser Formulierung, die die Annahme eines ganzen Menschen mit Leib und Seele festhält, ohne dies begrifflich auszuführen, habe Eusebius einen eleganten Weg gewählt, um seinen Dissens mit der ambigen und den Vorstellungen des Apolinaris ein Hintertürchen offen haltenden christologischen Passage in Athanasius’ Tomus ad Antiochenos zum Ausdruck zu bringen, ohne durch eine offene Konfrontation den kirchlichen Frieden zu bedrohen.105 Sodann nimmt Simonetti die Berichte der Kirchenhistoriker des 5. Jahrhunderts, v.a. Sozomenos, zum Verhalten des Eusebius als Gesandter der alexandrinischen Synode in Antiochia in den Blick. Da dieser eine Äquidistanz zu den Konfliktparteien um Paulinus und Meletius gehalten habe, habe er eine erkennbar andere Haltung als Athanasius eingenommen, der auch im Tomus ad Antiochenos klar Paulinus favorisierte (und – so ist es wohl gemeint – zu Meletius auf Distanz ging). Insgesamt zeige sich daran eine divergierende Haltung der beiden Bischöfe. In der Zusammenschau zeigten so gerade die spärlichen Kontaktpunkte zwischen den beiden eine inhaltliche Differenz, die kaum Eusebius zu einem begeisterten Athanasius-Propagator im Westen hätte werden lassen können. Die Zuschreibung von trin. I–VII an Athanasius sei daher auch viel banaler mit ganz allgemeinen Gegebenheiten im lateinischen Westen zu erklären.

103 Bezogen auf den Abschnitt Müller, Phänomen, 21, »Und an dieser Stelle kann m.E. Eusebius von Vercelli eine Rolle gespielt haben … M. E. ist die Rolle des Eusebius für mein Thema eher die eines ›Ideengebers‹ – vielleicht für die zweite Übersetzung der Vita Antoni, vielleicht auch für De trinitate I–VII. Er mag auf diese Weise an der zweiten Säule des ›lateinischen Athanasius‹ mitgearbeitet haben: Athanasius als Lehrer der Orthodoxie.« 104 Ich zitiere der Vergleichbarkeit halber die Übersetzung in AW III 4, 606,8–10 (dort 606 f. der komplette Text der Unterschrift; die italienische Übersetzung bei Simonetti, S. 349, bietet entgegen der dortigen Ankündigung nur den ersten Teil der Unterschrift). Eine (abweichende) Übersetzung des von Schubert, Ein wiedergewonnenes Schreiben des Eusebius von Vercelli rekonstruierten lateinischen Textes findet sich dort S. 18. 105 Vgl. für Tom. 7 AW III 4, 600 f. Zur Ambiguität der Passage hatte sich Simonetti schon früher verschiedentlich geäußert: Vgl. z.B. Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 164, wo er die Ambiguität im Ausdruck des Athanasius darin sieht, dass dieser formulierte, dass der Heiland kein σῶμα ἄψυχον hatte, man aber das Attribut auch schlicht im Sinne von »non privo di vitalità« auffassen könne.

118 | Müller Alle von Simonetti kritisierten Aussagen entstammen einem frühen Versuch meinerseits, wesentliche Entwicklungslinien im Phänomen des »lateinischen Athanasius« sichtbar zu machen. Hinsichtlich der Libri de trinitate war mir seinerzeit noch vieles unklar, was meine offene Formulierung mit bedingte. Aufgrund einiger inzwischen gewonnener Erkenntnisse und nicht zuletzt aufgrund der unter 2. und 3. angestellten Überlegungen zu Person und Selbstdarstellung des Eusebius seit der Mailänder Synode gehe ich inzwischen davon aus, dass sich gute (neue) Argumente gegen die Verfasserschaft des Eusebius für trin. I–VIIkurz finden lassen. Damit ist dieser Aspekt von Simonettis Kritik durch den Fortgang meiner Untersuchungen an sich obsolet, mir leuchtet sie aber auch im ursprünglichen Kontext nur bedingt ein, da ich als Ergebnis meines damaligen Gedankengangs Eusebius am ehesten (wenn überhaupt) als »Ideengeber« mit trin. I–VII in Verbindung bringen wollte und in Personen wie Eusebius das Milieu abgesteckt sah, in denen ein Text wie dieser entstehen konnte.106 Dies ließe aber (und so war es seinerzeit gemeint) offen, ob Eusebius bei der tatsächlichen Abfassung des Werkes noch am Leben war oder vielleicht inzwischen verstorben, wie es evtl. auch bei der Vita Antonii-Übersetzung des Evagrius der Fall gewesen sein könnte. Wichtig ist mir aber auch, dass sich mein aktuelles Votum gegen Eusebius’ Verfasserschaft nicht einfach aus der Übernahme von Simonettis Contra-Argumenten (auch bzgl. der Chronologie) und vor allem nicht aus der damit implizierten Annahme eines spanischen Luciferianers als Verfasser ergeben hat. Dies bedürfte nun näherer Ausführungen, die den hiesigen Rahmen sprengen würden. Aus den Ausführungen in 3. mag immerhin zu erahnen sein, warum ich es für vorschnell halte, aus einem Seitenhieb gegen Ossius von Cordoba (in der sekundären Langversion von trin. I–VIII!) und einen insgesamt etwas ruppigen Ton gegen dogmatische Abweichler auf luciferianische Provenienz zu schließen (so letztlich Simonetti im Anschluss an Dattrino, Il De trinitate pseudoatanasiano); ebenso hängt Dattrinos Verortung des Textes in Spanien (und teilweise auch eine Datierung nach 380) an der Vermutung, dass gewisse manichäische Ansichten, die im Text (v. a. in trin. VI) bekämpft werden, als priszilliani(ist)isch zu identifizieren seien – was bis auf nähere Prüfung als unsicher einzustufen ist. Ließe man dies beseite, so käme das Ergebnis der (leider unpublizierten) Dissertation von Junghoo, Theological Investigation, zu seinem Recht, dass das trinitätstheologische Konzept des unbekannten Verfassers keineswegs als »spät« nach 380 und unter verwässerter Aufnahme des bis dahin von anderen (wie z. B. Ambrosius) Erdachten angesehen werden muss, sondern durchaus Züge eines etwas älteren und gerade in Ermangelung von entsprechenden Vorbildern eigenständigen, wenn auch z. T. unausgegorenen Entwurfs aufweist (die o. g. Arbeit bringt sich m. E. um einen Gutteil ihrer Früchte, weil sie durchaus richtige Erkenntnisse zum Inhalt in einen von anderen – u. a. Karl Künstle – unter problematischen Bedingungen vorgefertigten kirchenhistorischen Rahmen setzt). Es kann daher m. E. heute nicht mehr genügen, einen Text, dessen Datierung bis dato offen ist, auf nach 380 zu datieren, weil er bzgl. der Aussagen über den heiligen Geist ähnlich weit zu sein schien wie Ambrosius, der 381 De spiritu sancto schrieb (so aber letztlich Simonettis Implikation). Auch zeigen die Diskussionen um die Datierung des Tomus Damasi, dessen Urfassung von Ursula Reutter schon für 375 angenommen wird,107 dass eine pneumatologische Profilierung schon früher begonnen haben kann. Die Lösung des Textes vom angeblichen Autor Eusebius muss so keine erheblich spätere Datierung mit sich bringen. Vielmehr wäre noch einmal neu darüber nachzudenken, ob die wörtliche Parallele »Credere tibi iussum est, non discutere permissum (est)« in der Langfassung trin. I–VIII (= VIII,3) zu Ambrosius, De fide I,12.78 wirklich leichter durch eine Abhängigkeit des Pseudathanasianums von Ambrosius als umgekehrt zu erklären ist – was 380 eher zu einem terminus ante quem machen würde. Für die Verfasserfrage müsste dann vor allem das Proömium von trin. I, in dem sich der (angebliche) Verfasser ja kurz vorstellt, bedacht werden. Vergleicht man die dortigen Aussagen mit Selbstwahrnehmung und -darstellung des Eusebius, die in 2. und vor allem 3. bedacht werden, so

106 Vgl. Müller, Phänomen, 21 m. Anm.53. 107 Vgl. Reutter, Damasus, 404–411.

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scheint es mir neben anderem aus diesem Grund sehr unwahrscheinlich, dass der Bischof von Vercelli trin. I–VIIkurz verfasst hat. Damit ist aber noch nicht ausgeschlossen, dass Eusebius zu der »Säule« »Athanasius als Lehrer der Orthodoxie« beigetragen hätte. Simonetti hatte offenbar vor allem an diesem Gedanken Anstoß genommen und unter Aufnahme früherer Überlegungen ausgeführt, dass dies völlig abwegig sei, da sich aus den Quellen eine spürbare Distanz des Eusebius zu Athanasius erkennen lasse, ersterer letzteren also kaum als entsprechendes Vorbild propagiert hätte. Hier liegt nun m. E. zunächst ein grundlegendes Mißverständnis vor. Mein Anliegen war es seinerzeit nicht, Eusebius zu einem Erfinder bzw. Propagator des »lateinischen Athanasius« mit spezifischer dogmatischer Ausrichtung o. ä. zu machen. Das wäre im strengen Sinne auch gar nicht möglich. Da es sich beim »lateinischen Athanasius« insgesamt um ein Konstrukt handelt, können auch die »Säulen«, die dieses Gebilde tragen, nur ex post als solche beschrieben werden. In der spezifischen Perspektive meines damaligen Beitrags ging es daher nicht um Personen, die ad maiorem Athanasii gloriam Texte verfassten oder deren Abfassung begünstigten, sondern darum, dass die Abfassung von Texten unter dem Namen des Athanasius (inkl. Übersetzungen) zur Entwicklung eines bestimmten Athanasius-Bildes beitrug. Dazu musste man ggf. kein ausgemachter »Athanasianer« sein,108 , sondern lediglich in der einen oder anderen Form an der Entstehung eines solchen Textes beteiligt sein.109 Und in diesem Sinn ist es zumindest unbestreitbar, dass Eusebius an der Entstehung der anderen »Säule« des »lateinischen Athanasius«, nämlich »Lehrer des Mönchtums bzw. der Askese und Hagiographie« seinen Anteil hatte: Immerhin hatte er Evagrius von Antiochia mit nach Oberitalien gebracht, wo offenbar dessen wirkmächtige lateinische Übertragung der Vita Antonii entstanden ist.110 Doch auch Simonettis These von der Distanz des Eusebius zu Athanasius wäre auf ihre Verlässlichkeit zu prüfen. Für die Situation um die Mailänder Synode scheint sie sich mir nach dem unter 2. Erörterten nicht zu bestätigen. Simonettis Überlegungen konzentrieren sich indes mehrheitlich auf Differenzen zwischen Aussagen des Tomus ad Antiochenos und Eusebius’ kommentierender Unterschrift dazu (bzgl. der christologischen Aussagen) sowie zwischen Athanasius’ Präferenzen im Antiochenischen Schisma und Eusebius’ Versuch, dort ergebnisoffen im Auftrag der Synode zu vermitteln. Hier hat die künftige Eusebiusforschung sicher weiter zu denken, um das theologische Profil des Bischofs von Vercelli so präzise wie unter diesen Umständen überhaupt möglich zu erfassen. Für den Moment möchte ich aber auch hier gewisse Bedenken anmelden. Mit Blick auf den Tomus ad Antiochenos ist zunächst zweierlei festzuhalten: Erstens hat Eusebius, wie schon Markschies (vgl. 1.3) betont hat, den Tomus unterschrieben. Eine grundlegende Meinungsverschiedenheit ist bei dem durchaus streitbaren Bischof von Vercelli daher eher unwahrscheinlich. Zweitens ist nicht ganz eindeutig, ob der christologische Abschnitt tom. 7 sich »schon« gegen Apolinaris richtete, dessen Vertreter an der Synode teilnahmen, oder »noch« gegen Homöer formuliert wurde.111 Doch auch wenn man mit Simonetti den Paragraph 7 des Tomus durch eine Initiative der Paulinianer gegen Apolinaris bedingt verstehen will, wird m. E. zumindest die ambige Deutung des σῶμα ἄψυχον im relevanten Satz (AW III 4, 600,24–27) dem Sinnzusammenhang nicht ganz gerecht, wenn man den unmittelbar folgenden Satz (AW III 4, 600,27–601,7) berücksichtigt. Dort wird zunächst das Ende des vorherigen Satzes terminologisch (ἀνόητος) aufgegriffen, um dann, offenbar quasi chiastisch auf den Anfang des vorigen Satzes Bezug nehmend, festzuhalten, dass sich nicht nur die Rettung des

108 Man denke nur an die pseudathanasianischen Epistulae ad Luciferum, die eben Lucifer und nicht Athanasius Verehrung zollen; vgl. Müller, Phänomen, 18 f. 109 Daher ist auch die von Simonetti geforderte auf längerfristigen Kontakt gegründete Freundschaft zwischen Eusebius und Athanasius wohl keine notwendige Voraussetzung. 110 Vgl. Müller, Phänomen, 15–18. 111 Vgl. AW III 4, 601 Anm. a.

120 | Müller σῶμα ohne die ψυχή ereignen konnte. Hier wird man wohl am Begriff »Seele« schwer vorbeikommen, womit aber auch die postulierte Hintertür geschlossen wäre. Zudem ist zu bedenken, dass just der als Initiator angenommene Paulinus in seiner Unterschrift die strittige Stelle bestätigend zitiert (Dok. 69.5, AW III 4, 608,14–18). Man müsste dann wohl letztlich postulieren, dass Paulinus den Hintersinn in der Formulierung des Athanasius übersehen hatte (denn von ihm wäre in diesem Szenario wohl weniger Milde gegenüber Apolinaris zu erwarten), Eusebius es aber besser wusste. Für den Bischof von Vercelli wiederum ist aber zumindest zu bedenken, dass er die Annahme eines homo perfectus durch den Sohn schon im Brief an seine Heimatkirche (vgl. 1.3) benannt hatte. Wenn Eusebius also hier eigenständig formuliert haben sollte, dann evtl. auch einfach in für ihn gewohnten Bahnen – ohne besondere Frontstellung. Nimmt man jedoch das Ende des entsprechenden Unterschriftsabschnittes (AW III 4, 606,12 f.) hinzu, so behauptet Eusebius jedenfalls die Übereinstimmung seiner Aussage mit der des Tomus. Andere Schwierigkeiten verbinden sich wiederum mit Eusebius’ Aufenthalt in Antiochien. Diese beginnen schon mit der Einschätzung des Tomus ad Antiochenos, der formal an die Fünfer-Delegation gerichtet ist, zu der dieser gehörte. Zwar ist der uns erhaltene Tomus auf die Paulinianer ausgerichtet, doch lässt sich aus dem Text erschließen, dass ein entsprechendes Schreiben an die Meletianer ging, wie auch die Meletianersynode von 363 die Inhalte des Tomus weitgehend ratifizierte.112 Generell ist auf die Rekonstruktion des Antiochien-Aufenthalts des Athanasius im Jahr 363 von Annette von Stockhausen hinzuweisen, derzufolge sich Athanasius von 362 an um eine Einigung der Gruppen in Antiochia bemühte und sich in diesem Zuge auch auf die Meletianer zubewegte.113 Mag auch dunkel bleiben, warum (den Quellen zufolge: v.a. durch das Verhalten des Meletios!) Ende 363 das Einigungsunternehmen scheiterte, so wird man doch in dieser Sicht auf die Dinge schwerlich einen Dissens zwischen dem »äquidistanten« Verhalten des Eusebius gegenüber den beiden antiochenischen Gruppen und der (Neu)Ausrichtung des Athanasius feststellen können. Doch verbindet sich mit diesem Verhalten des Bischofs von Vercelli ein tiefgreifendes Quellenproblem: Nach dem übereinstimmenden Zeugnis der Kirchenhistoriker des 5. Jahrhunderts hatte der direkt aus seinem Exil in der Thebais nach Antiochien gereiste Lucifer dort Paulinus zum Bischof ordiniert, bevor Eusebius und die übrigen Gesandten aus Alexandrien eintrafen, und so eine gütliche Einigung verunmöglicht.114 Nun spricht allerdings die Anwesenheit von zwei Diakonen des Paulinus auf der Synode von Alexandrien dafür, dass dieser zu diesem Zeitpunkt bereits Bischof war, was sich zeitlich etwas schwierig zu der berichteten Ordination durch Lucifer fügt.115 Weiterhin ist noch zu bedenken, dass gerade bei Rufin (h.e. X,28.31), der in diesem Fall Priorität haben dürfte, das Verhalten von Lucifer und Eusebius (die Fünfer-Delegation spielt gar keine Rolle!) mit den daraus resultierenden gegenseitigen Verstimmungen bis hin zum Bruch der ehemaligen Weggefährten ganz offensichtlich auf die am Ende erwähnte Entstehung des Luciferianischen Schismas hin erzählt wird. Daher ergeben sich m. E. zwei Möglichkeiten: Entweder ist die Erzählung Rufins primär eine Aitiologie. Dann ist sie für die Geschehnisse im antiochenischen Schisma kaum auswertbar, auf jeden Fall aber nicht für das Verhältnis von Athanasius und Eusebius. Oder Eusebius verhielt sich, wenn man Rufin halbwegs folgen will, nach dem oben Gesagten nicht nur so, wie es von ihm als synodalem Gesandten erwartet werden konnte, sondern auch vereinbar mit Athanasius, der noch auf einen Ausgleich setzte. Lucifer hingegen hatte evtl. einseitig den neuen Bischof Paulinus favorisiert und keine Gemeinschaft mit den Meletianern gesucht.116

112 Vgl. Stockhausen, Athanasius in Antiochien, 93 m. Anm. 44. 113 Vgl. dazu insgesamt Stockhausen, Athanasius in Antiochien. 114 Vgl. die Zusammenstellung der Quellen bei Karmann, Meletius von Antiochien, 306–321, der deren Angaben im Wesentlichen folgt. 115 Vgl. den Hinweis bei Stockhausen, Athanasius in Antiochien, 91 m. Anm. 37. 116 So Stockhausen, Athanasius in Antiochien, 91.

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Wirkt unter diesen Umständen ein Dissens zwischen Eusebius und Athanasius eher unwahrscheinlich, so ergibt sich aus Athanasius’ halbjährigem Antiochienaufenthalt und der unter 1.2 mitgeteilten Beobachtung Rebenichs, dass Eusebius wohl erst 364 aus Antiochien nach Westen abreiste, sogar noch die (sogar halbwegs wahrscheinliche) Möglichkeit, dass die beiden Bischöfe in dieser Phase einen längeren persönlichen Kontakt hatten. Ein solcher Kontakt lässt sich wohl kaum näher auswerten, aber zumindest zeigt sich so, dass der Einwand gegen eine engere Verbindung von Eusebius und Athanasius aufgrund mangelnden persönlichen Kontakts nicht so einfach durchzudringen vermag. Hinzu kommt das grundlegendere Problem, ob die Prämisse vom notwendigen persönlichen Kontakt für die Unterstützung einer Person bis hin zur Verehrung haltbar ist. Immerhin scheint keine persönliche Begegnung notwendig gewesen zu sein, um Lucifer in Athanasius einen Glaubenshelden sehen zu lassen, dem er indirekt in De Athanasio ein Denkmal setzte. Grundsätzlich muss Simonetti für seine These sachliche Differenzen, wenn solche zwischen den genannten Texten feststellbar sind, unmittelbar auf die personale Ebene heben. Das mag zwar angesichts der engen Verbindung von Person und Lehre gerade im 4. Jahrhundert gut denkbar sein, zwingend ist es aber angesichts der gegebenen Umstände nicht. Der Tomus ad Antiochenos ist bei allem Zutun des Athanasius ein Kompromiss- bzw. Konsenspapier, das eine grundlegende Verständigung zwischen verschiedenen Gruppen möglich machen sollte. Und warum Eusebius – wenn seine Bestätigung der Beseitigung des westlichen Serdicense (AW III 4 606,14–20) denn eine gewisse Reserve gegenüber diesem Vorhaben ausdrücken sollte –117 in Antiochia ganz andere persönliche Favoriten gehabt hätte als Athanasius (und Lucifer) ist auch nicht unmittelbar einzusehen. Doch sind dies auch wieder Überlegungen, die nicht zwangsläufig zu einem personalen Dissens zwischen Eusebius und Athanasius führen. Insgesamt scheinen so die Quellenbelege keineswegs eindeutig auf eine Distanz zwischen Athanasius und Eusebius in den Jahren 362/363 hinzudeuten. Nun ist eine reine Beseitigung etwaiger Hindernisse noch kein positiver Beweis für eine Hochschätzung des Alexandriners durch den Bischof von Vercelli, die dieser dann auch im Westen zum Ausdruck gebracht hätte. Allerdings ergeben die obigen Überlegungen auch nicht einfach ein »neutrales« Bild, v. a. wenn man das übrige von Eusebius Bekannte berücksichtigt. Vorerst erscheint es mir daher schwieriger, eine Kluft zwischen den beiden Bischöfen zu konstatieren, als in ihnen (im Unterschied zu Lucifer) zwei Kämpfer für eine gemeinsame Sache zu sehen, die bei aller theologischen Standfestigkeit die Fähigkeit einte, sich auf neue Situationen ein- und umzustellen. Gleichwohl war das Ende meines von Simonetti kritisierten Abschnittes (S. 21) insofern ungeschickt formuliert, als es dort heißt, dass Eusebius auf dem beschriebenen indirekten Weg an der Säule des Lehrers der Orthodoxie »mitgearbeitet« habe. Dies könnte, entgegen meiner ursprünglichen Intention, als eine Art »Athanasius-Unternehmen« missverstanden werden. Stattdessen wäre eher zu formulieren, dass Eusebius aufgrund seiner eigenen Erfahrungen und theologischen Erkenntnisse nach seiner Rückkehr nach Oberitalien sicher zu einer Stärkung der pronizänischen Stimmung beigetragen hat – und möglicherweise auch zu einer konkret proathanasianischen. Damit hätte er dann ggf. auch seinen Anteil an der besagten »Säule« des »lateinischen Athanasius«. Diese vorläufigen Überlegungen mögen – auch unabhängig von ihrer Stichhaltigkeit im Einzelnen – illustrieren, welchen Fragen sich die künftige Eusebiusforschung u.a. weiter widmen sollte. Manlio Simonetti hat durch seinen kritischen Beitrag auch gezeigt, dass gerade für die letzte Lebensphase des Bischofs von Vercelli noch Klärungsbedarf besteht.

117 So Schubert, Ein wiedergewonnenes Schreiben des Eusebius von Vercelli, 17. Das wäre aber weiter zu diskutieren. Karmann, Meletius von Antiochien, 235 m. Anm. 193 weist übrigens auf das Festhalten des Athanasius an der Rede von einer göttlichen Hypostase hin.

122 | Müller Für den Augenblick muß jedoch erst einmal geklärt werden, wie es zum einschneidendsten Ereignis im Leben des ersten bekannten Bischofs von Vercelli kam und welche Folgen dies für ihn und sein Schaffen in den sich anschließenden Jahren hatte.

2 Eusebius und die Synode von Mailand 355 2.1 Die Synode von Mailand 355 in der bisherigen Forschung – wichtige Entwürfe und Probleme Die Mailänder Synode von 355118 hat in der bisherigen Forschung eine relativ kontroverse Behandlung erfahren. Ein Grund hierfür ist sicher das Fehlen von Akten, die einen direkten Einblick in die Abläufe ermöglichen könnten.119 Stattdessen ist uns von 118 Vgl. die an sich neue Sammlung von Weckwerth, Clavis conciliorum occidentalium, 289–291 (mit den Nummern 338–342), die leider die Erkenntnisse zu dieser Synode in AW III 4 nicht mehr aufnehmen konnte und daher nicht ganz den aktuellen Stand bietet. Die S. 290 f. notierte Vermutung Weckwerths, dass Bulhart die bei Baronius überlieferte Unterschriftenliste (s. u.) nicht in seine Eusebius-Edition (CChr.SL IX) aufgenommen hatte, weil er an ihrer Glaubwürdigkeit zweifelte, hat m. E. wenig für sich. Bulharts Fokus lag ganz auf unmittelbar auf Eusebius bezogenen Texten. Daher nahm er auch das Epitaphium Eusebii auf, während die Unterschriftenliste, die Eusebius’ Namen ja eben nicht enthält (s. u.), nur im Rahmen einer Edition zur Synode von Interesse gewesen wäre, die Bulhart erkennbar nicht beabsichtigte. 119 Auch wenn man nach der Problematisierung eines »Dossier« der Kirche von Vercelli in 1. eher von einer »mehrteiligen« Vercellenser Tradition sprechen will, so hatte diese doch eine klare Fokussierung auf den lokalen Heiligen Eusebius und wurde sekundär zusammengestellt. Sie hatte daher in jedem Fall eine grundsätzlich andere Funktion als die Akten der Synode selbst – wenn es solche jemals in größerem Umfang gegeben hat. Denn wie zu zeigen sein wird, war für die Synode offenbar eine sehr überschaubare Tagesordnung ohne weitergehenden Diskussionsbedarf vorgesehen. U. U. sind im Wesentlichen die Aburteilungen von Eusebius etc. verloren. Aus Äußerungen des Athanasius und anderer ist weiterhin ein Edikt zu erschließen (vgl. die Gesamteinleitung zu Dok. 50, AW III 4, 359), das jedoch wohl schon für Arles 353 erlassen wurde und von dem lediglich gesichert ist, dass es für die Verweigerung der Zustimmung zu den Athanasius verurteilenden Beschlüssen der Synode(n) die Strafe der Exilierung androhte (vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 183 f). Heiß umstritten ist hingegen, ob dieses Edikt auch eine theologische Erklärung enthielt (so Girardet, Constance II, Athanase et l’édit d’Arles (353), 57–61, dem u. a. Barnes, Athanasius and Constantius, 109 f. m. Anm. 9, mit einer modifizierten These – unterschrieben werden sollte der Brief der Synode von Sirmium 351 – folgt) oder nicht (so Brennecke, Hilarius von Poitiers, 184–192). Diese Frage wird im Folgenden nicht eigens diskutiert werden, da der Blick auf Eusebius hierzu keine direkte Entscheidung mit sich bringt (der in 2.2 besprochene Brief Me frater des Liberius an Eusebius enthält nur die Aussage, die Bischöfe Italiens würden gezwungen, sententiis Orientalium oboedire – was einfach heißen kann, den [kirchenrechtlichen] Urteilssprüchen der Orientalen [sc. über Athanasius] zu gehorchen). Als Konsequenz aus der unten vorgeführten Analyse lassen sich zumindest keine neuen Anhaltspunkte erkennen, nach denen in Mailand »planmäßig« (und neu) de fide verhandelt worden wäre. Aus dem Brief der Synode an Eusebius von Vercelli lässt sich direkt nur erschließen, dass Athanasius zwar in einem Atemzug mit Markell und Photin genannt wurde, diese

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der Synode selbst nur ein Brief an Eusebius von Vercelli sowie eine Unterschriftenliste erhalten.120 Hinzu kommt ein ebenfalls an Eusebius gerichteter Brief des Kaisers Constantius und ein kurzer Brief des Eusebius als Antwort an den Kaiser. Als wichtige Quellen für die Rekonstruktion sind daher ergänzend heranzuziehen: – für die Zeit vor der Synode: drei Briefe des Liberius an Eusebius von Vercelli und ein Brief des Liberius an Constantius (mit dem Vorschlag einer erneuten Synode nach Arles 353); – für die Ereignisse rund um die Synode selbst: ein Brief der Legaten des römischen Bischofs an Eusebius von Vercelli und Nachrichten bei Hilarius, Athanasius und Sulpicius Severus sowie spätere Angaben in eher legendarischer Form, beginnend mit Ps.-Maximus von Turin; hinzu kommen die Kirchenhistoriker des 5. Jahrhunderts; – für die Nachgeschichte: ein Brief des Liberius an Eusebius von Vercelli, Dionysius von Mailand und Lucifer von Cagliari (dem antiken Calaris) sowie die Exilsschriften des Eusebius.121 Diese Aufstellung erklärt unmittelbar die bereits angedeutete Verknüpfung der Person des Eusebius von Vercelli mit der Mailänder Synode. Hätten wir die Korrespondenz rund um Eusebius nicht, blieben nur wenige schwierige bzw. zeitlich ferne Quellen übrig.

aber als haeretici, jener hingegen als sacrilegus verurteilt wurde (vgl. Dok. 50.3, AW III 4, 370,21 f). Pieter Smulders, der in einem Exkurs seiner Arbeit Smulders, Hilary of Poitiers’ preface, 92–108, die These Girardets durch eine Interpretation von Hilarius’ Werk zu stützen sucht, muss nach einer Durchsicht der unmittelbar zeitgenössischen Quellen festhalten: »The inventory of these sources does not suffice to confirm Girardet’s hypothesis.« (99). Ob seine Auswertung von Äußerungen des Hilarius (99–107) hierüber hinausführt, wäre eigens zu diskutieren. Es liefe aber auch dann darauf hinaus, dass – wie Smulders, Hilary of Poitiers’ preface, 108 selbst resümiert – ein vorangestelltes Bekenntnis lediglich die Eindeutigkeit bzgl. der Rolle des Sohnes hätte vermissen lassen. Seine spezifische Ausrichtung hätte das Edikt also auch in diesem Fall durch die Namen der zu Verurteilenden erhalten, nicht durch ein ausgeführtes theologisches Konzept. Dementsprechend kann die von Smulders vorher (99) aus den Quellen erhobene Charakterisierung des Edikts insgesamt angenommen werden, auch wenn man vom Element des Bekenntnisses absieht. 120 Nun Dok. 50.3 und 50.4 in AW III 4, 369–373. 121 Die einzelnen Texte werden, soweit hier von Belang, im Folgenden besprochen. Bei Texten aus Bulharts Edition, die teilweise mit Arbeitsübersetzung geboten werden, folge ich zur besseren Vergleichbarkeit dessen Textgestalt, da sie die aktuell allgemein rezipierte ist. Auf eine textkritische Diskussion verzichte ich auch deswegen, weil nach den Überlegungen in 1. dafür momentan (noch) keine guten Rahmenbedingungen bestehen. In einem weiteren Sinne wären auch die Exilsschriften des Lucifer zu berücksichtigen. Für die Person des Eusebius tragen sie jedoch, soweit ich bisher sehen kann, wenig Neues bei. Für Lucifer als Quelle für die Umstände der Gerichtsverhandlung gegen Eusebius, Lucifer und Dionysius vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 183 Anm. 147.

124 | Müller Indes gleicht auch so die Rekonstruktion einem Puzzlespiel, bei dem schon einige Teile verloren gegangen sind. Über die Anordnung der verbliebenen Teile besteht keine Einigkeit. Wichtig sind hier vor allem zwei Aspekte: 1. Wie ist der Verlauf der Ereignisse mit Blick auf die Person des Eusebius zu rekonstruieren – und ist er dabei eher als selbständig agierende Größe oder eher als Getriebener zu sehen? 2. Wurde in Mailand de fide verhandelt und wenn ja: Hat Eusebius in Mailand 355 den Text von N vorgelegt? Da sich zu beiden Fragekreisen verschiedene Antworten in der Forschung finden lassen und diese Antworten noch dazu oft relativ unterschiedlich miteinander kombinierbar sind, ergibt sich theoretisch eine mannigfaltige Zahl an Möglichkeiten. Die Mehrheit der älteren Forschung hat sich damit beholfen, den Bericht des Hilarius von Poitiers in seinem Liber I ad Constantium122 von 357/58 eher unkritisch als Grundlage zu nehmen, und ihn dabei im Kern so verstanden, dass Eusebius zur Teilnahme an der Mailänder Synode gezwungen worden sei, aber anstatt die Verurteilung des Athanasius zu unterschreiben, den Synodalen das Nizänum von 325 zur Unterschrift vorgelegt habe, um Häretiker zu entlarven. Damit hätte er jedoch nur den Bischof von Mailand, Dionysius, überzeugt, während der federführende Valens von Mursa Eusebius’ Aktion rüde unterbrochen hätte. Aus anderen Berichten war dann noch das Verbannungsurteil über Eusebius und Dionysius (sowie die römischen Legaten) zu ergänzen.123 Für Diskussionsstoff haben in den letzten Jahrzehnten unter anderem die Vorschläge von Daniel H. Williams zum Verlauf der Ereignisse und von Hanns Christof Brennecke zur »Nicht-Vorlage« von N gesorgt. In knapper Form kann die Idee von Williams so umrissen werden, dass Eusebius entgegen früherer Forschungsmeinungen aus eigener Initiative nach Mailand kam,124 dort jedoch bald (nach der bei Hilarius berichteten Episode) die Aussichtslosigkeit einer Intervention gegen die Verurteilung des Athanasius erkannte und daher, noch während die Synode tagte, wieder abreiste.125 Brennecke setzte sich kritisch mit dem Bericht des Hilarius über das Auftreten des Eusebius in Mailand auseinander und suchte ihn durch Aufweis zahlreicher Ungereimtheiten als eine gegenüber den Ereignissen sekundäre Komposition des Bischofs von Poitiers zu erweisen. Innerhalb dieser frei gestalteten Rückschau aus der verän-

122 Hil., Const. 8 = Dok. 50.5 in AW III 4, 373–375. 123 Zu den Darstellungen in der älteren Forschung vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 164–167 m. Anm. 72. 124 Dieses Element in Williams’ Interpretation ist bereits früher bedacht worden (vgl. Crovella, San Eusebio di Vercelli, 135), jedoch meist ohne Eusebius damit den Grad an Eigeninitiative zuzubilligen, wie es bei Williams geschieht. 125 Vgl. Williams, Ambrose of Milan, 55–57.

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derten Situation der Jahre 357/58 wäre dann der Hinweis auf die Vorlage von N eine »Aktualisierung« aufgrund der neuen theologischen Diskussionslage.126 Beiden Entwürfen hat Manlio Simonetti heftig widersprochen und auf verschiedene Einzelprobleme hingewiesen. Im Ergebnis zeichnet er weithin das traditionelle Bild der Ereignisse in Mailand und betont insbesondere die Glaubwürdigkeit des Hilarius hinsichtlich der Vorlage von N, das in der römischen Kirche nie in Vergessenheit geraten sei. Ambivalent erscheint in seiner Rekonstruktion eher das Verhalten des Eusebius, der sich nach Simonettis Vermutung zwar durch theologische Bildung auszeichnete, jedoch eine zögerliche, bisweilen schwankende Haltung an den Tag legte, wenn er von Liberius mehrfach zur Gesandtschaft an den Kaiser gebeten werden musste und zunächst nicht an der Synode teilnehmen wollte.127 Der in der Folge gebotene Vorschlag will die m. E. jeweils richtigen Erkenntnisse der bisherigen Entwürfe aufnehmen und insgesamt einen etwas anderen Akzent setzen. Dabei können diese Entwürfe aus Gründen der Übersichtlichkeit nur punktuell gewürdigt werden. Im Zentrum sollen hingegen die uns erhaltenen (zeitgenössischen) Quellen stehen.

2.2 Die Rolle des Eusebius vor und während der Synode von Mailand 355 nach den Quellen Die Vorbereitung der Synode Die Mailänder Synode muss zunächst von ihrer Vorgeschichte her verstanden werden. 353 hatte Constantius, nunmehr als Alleinherrscher, eine Synode in Arles einberufen, die vermutlich allein die Verurteilung des Athanasius zum Ziel hatte.128 Diese erfolgte dann auch mit nur einer Gegenstimme, nämlich der des Trierer Bischofs Paulinus, mithin eines Bischofs eines ehemaligen Verbannungsortes des Athanasius.129 Hingegen stimmten die römischen Legaten der Verurteilung zu, was den Bischof von Rom, Liberius, in eine heikle Situation brachte.130 Er wollte daher die Einberufung 126 Vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 178–182. 127 Vgl. insgesamt Simonetti, Eusebio nella controversia ariana; die hier angedeuteten Folgerungen Simonettis werden im Zuge der Rekonstruktion diskutiert werden. 128 So Brennecke, Hilarius von Poitiers, 136 f., der 184–192 eine theologische Erklärung im Edikt von Arles/Mailand ablehnt. Anders Barnes, Athanasius and Constantius, 110 m. Anm. 9, der von der Aufnahme der 1. Sirmischen Formel von 351 in dieses Edikt ausgeht. Doch auch in diesem Fall hätte in Arles nicht eigens in rebus dogmaticis diskutiert werden müssen, da man ja auf eine bestehende Formel zurückgriff. 129 Zu Paulinus und zur Verbindung der Trierer Bischöfe zu Athanasius seit dessen Exil in der Residenzstadt 335–337 vgl. nun Brennecke, Paulinus von Trier. 130 Man vergleiche die Äußerungen in Dok. 50.1,3 AW III 4, 361,20–362,14 und im Brief Me frater an Eusebius; zu Liberius’ Situation vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 143–150.

126 | Müller einer neuen Synode (ursprünglich wohl in Aquileia) erreichen, was sich in einem Brief an Constantius niederschlug, der gleich noch zu betrachten sein wird. Für die nun nötige Gesandtschaft zum Kaiser, der sich wohl in Mailand aufhielt, suchte Liberius als Begleiter des Lucifer von Cagliari Eusebius von Vercelli zu gewinnen.131 In insgesamt drei Briefen schwor er Eusebius auf die mit dieser Mission verbundene Sicht der Dinge ein. Ich gebe sie zunächst in der gängigen Reihenfolge bei Bulhart mit einer bewusst an der Ausgangssprache orientierten Übersetzung wieder.132 Der so gesehen erste Brief an Eusebius gibt interessante Aufschlüsse über die Perspektive, die Liberius inzwischen auf die Athanasiussache hatte. CChr.SL IX, 122 (Bulhart) Liberius episcopus dilectissimo fratri Eusebio. 1. Me, frater carissime, ad solatium vitae praesentis erigit invicta fides tua, qua secutus evangeliorum praecepta nullo genere a consortio sedis apostolicae discrepasti, quod credo non

Übersetzung Bischof Liberius (grüßt) seinen hochgeliebten Bruder Eusebius. Mich richtet dein unerschütterlicher Glaube auf, teuerster Bruder, zum Trost für das gegenwärtige Leben; indem du durch ihn den Geboten der Evangelien folgtest, bist du auf keine Art von der Gemeinschaft mit

131 Brennecke, Hilarius von Poitiers, 152 f. mutmaßt (wohl vom späteren Leben und Werk Lucifers her), dass Liberius vielleicht eine (etwas besonnenere) Begleitung seines heißblütigen Legaten wünschte. Das mag der Fall gewesen sein, jedoch zeigt der hier rekonstruierte Verlauf der Ereignisse, dass Eusebius keineswegs ein zurückhaltender Diplomat war. Zu erwägen bleibt als ergänzender Faktor das mutmaßliche Ansehen des Eusebius, das seinerseits erklärungsbedürftig ist. Möglicherweise hatte Eusebius tatsächlich schon vor 355 durch sein monastisches Engagement Autorität erlangt; vgl. die dahin interpretierbaren Äußerungen des Ambrosius in ep. 63,71 sowie die Erwähnung von sanctae sorores in Eusebius’ Exilsbrief an seine Heimatkirche (ep. II ad ecclesiam Verc. XI,1), die in 1. besprochen wurden. Allerdings bleiben die dort genannten biographischen Probleme. Dies gilt mutatis mutandis auch für die mit unterschiedlichen Akzenten von Crovella, San Eusebio di Vercelli, 28–30, und Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 157, angeführte theologische Bildung des Eusebius, die dieser in seiner römischen Phase erlangt habe (Crovella betont eher die mutmaßliche gemeinsame Studienzeit des Eusebius mit Liberius, während Simonetti stärker die Alleinstellung Roms bzgl. dogmatisch differenzierter Bildungsmöglichkeiten herausstellt). Denn zum einen wären die Bildungsoptionen römischer Kleriker in dieser Zeit zu belegen; zum anderen wäre aber auch vom weiteren Gang der Ereignisse her zu fragen, worin denn genau Eusebius’ spezifische theologische Tiefenschärfe bestand, wenn er in Mailand, wie von Crovella und Simonetti angenommen, schlicht ein Exemplar von N zur Unterschrift vorlegte. Ließe sich die von Crovella relativ hoch veranschlagte römische Verbindung des Eusebius zu Liberius festhalten, so wäre – in Kombination mit Liberius’ Aussagen in Remeante filio (s. u.) – zunächst eine Mischung aus (bekannter) Zuverlässigkeit und Glaubenseifer (was nicht mit theologischer Bildung identisch ist) der Vorzug gewesen, den Eusebius für Liberius hatte. 132 Eine eher zielsprachenorientierte Übersetzung aller Liberiusbriefe findet sich bei Sieben, Vetustissimae epistulae Romanorum pontificum (die Briefe an Eusebius vor und nach Mailand auf S. 142–145.158–159.160–163.164–167). Siebens Anmerkungen zu den Briefen können die hier angestellten Überlegungen ergänzen; angesichts der nicht immer einfachen Ausdrucksweise des Liberius ist seine Übersetzung als weiterer Zugang zu vergleichen. Sie zeichnet sich allerdings nicht immer durch vollständige Wiedergabe des Gesagten aus. So ist im schwierigen § 2 des Briefs Remeante filio (s. u.) der lange lateinische Satz in mehrere deutsche geteilt, wobei – soweit ich sehe – der Teilsatz ut eorum consortio iungat se fides tua nicht übersetzt wird.

Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen

sine dei impulsu, qui digno sibi in sacerdotio detinet, benevolentia complesse. Cum igitur post legationem Vincentius in illam ductus est simulationem, reliqui per Italiam episcopi publica conventione coacti fuissent sententiis Orientalium obedire, deo procurante frater et coepiscopus noster Lucifer de Sardinia supervenit.

Qui cum latebras causae interioris cognovisset et pervenisset ad eius conscientiam sub occasione nominis Athanasii haereticos haec velle tentare, pro devotione fidei suae subire voluit iustum laborem et ad comitatum religiosi principis pergere, ut tandem exposito ordine totius causae impetraret, ut omnia, quae in medium venerunt, in coetu possent sacerdotum dei tractari.

2. Itaque quia scio sanctum fidei tuae calorem cum eius animo concordare, prudentiam tuam peto, ut, si procurante deo habuerit te praesentem, per quoscumque potueris, sollicite excubare contendas, ut possitis universa, quae fides catholica exigit, clementissimo imperatori insinuare, ut tandem aliquando deposita animi indignatione faciat, quod et quieti nostrae et saluti suae possit in omnibus convenire.

Ex superfluo autem credidi ordinationem causae totius honorificentiae tuae litteris insinuare, cum supradictus frater meus vel eius comites in praesenti possint omnia relatione sua referre. Deus te incolumem custodiat, domine frater carissime.

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dem apostolischen Stuhl abgewichen, was du, wie ich glaube, nicht ohne den Antrieb und das Wohlwollen Gottes erfüllt hast, der (dich) für sich im würdigen Priesteramt festhält. Als also Vincentius nach der Gesandtschaft zu jener Vortäuschung verleitet wurde und die übrigen Bischöfe in ganz Italien bei öffentlicher Versammlung gezwungen worden waren, den Urteilssprüchen der östlichen (Bischöfe) zu gehorchen, kam auf Gottes Fürsorge hin unser Bruder und Mitbischof Lucifer aus Sardinien uns zu Hilfe. Als dieser die Verborgenheit des tiefergehenden Grundes erkannt hatte und zu dessen Bewusstsein gelangt war, dass die Häretiker dies bei der günstigen Gelegenheit, die der Name des Athanasius bot,133 versuchen wollen, wollte er angesichts der Hingabe an seinen Glauben die gerechte Mühe auf sich nehmen und zum Hof des frommen Kaisers aufbrechen, damit er endlich, nachdem der Rang der ganzen Angelegenheit dargelegt ist, erwirkt, dass alles, was in die Öffentlichkeit gekommen ist, in der Versammlung der Bischöfe Gottes erörtert werden kann. Daher, weil ich weiß, dass die heilige Glut deines Glaubens mit seiner Gesinnung harmoniert, bitte ich deine Klugheit, dass du, wenn er dich durch Gottes Fürsorge vor Augen hat, mithilfe von wem auch immer du kannst, alle Kräfte aufbietest, um gründlich darum besorgt zu sein, dass ihr dem allermildesten Kaiser alles, was der katholische Glaube erfordert, nahelegen könnt, damit er, wenn endlich einmal der Unwille seines Herzens beseitigt ist, tut, was sowohl zu unserer Ruhe und als auch zu seinem Heil in allen Dingen passen kann. Ich hielt es aber für überflüssig, deiner Ehrenfülle die Regelung des ganzen Falles mit einem Brief nahezubringen, wo doch mein vorgenannter Bruder bzw. seine Begleiter an Ort und Stelle alles durch ihren eigenen Bericht schildern können. Gott bewahre dich unversehrt, hochgeliebter Herr und Bruder.

Die in der Übersetzung nachvollzogene, auch für ein spätantikes Schreiben recht sperrige Sprache des Liberius lässt die angesprochenen Inhalte bisweilen in der Schwebe. Durch teilweise pleonastische Fügungen wie sollicite excubare contendas wird jedenfalls die Dringlichkeit der von Eusebius erbetenen Mitarbeit deutlich. Nach den kurzen Anspielungen auf den Fall des römischen Legaten Vincentius in Arles (der hier 133 So ist wohl »die Gelegenheit des Namens des Namens des Athanasius« zu verstehen.

128 | Müller allerdings als »Verführter« erscheint) und die Durchsetzung der östlichen Beschlüsse (gegen Athanasius) in Italien134 wird auf einen tiefergehenden Grund der ganzen Angelegenheit hingewiesen, den Lucifer erkannt habe. Genau genommen bleibt hier eine Leerstelle im Text. Berücksichtigt man die Betonung der fides im Fortgang des Schreibens sowie die späteren Äußerungen des Lucifer, so ist sie wohl so zu füllen: In seinem Brief versucht Liberius, Eusebius als Gesandten zur Vorbereitung der angedachten Synode zu gewinnen, indem er seinen Legaten Lucifer von Calaris zu Eusebius nach Vercelli, dem damaligen Vercellae schickt, und ihn als denjenigen empfiehlt, der erkannt habe, dass unter dem Vorwand einer Personalfrage (Athanasius) der wahre Glaube angegriffen werde. Liberius hat dieser Ansatz offenbar zumindest soweit überzeugt, dass er ihn gegenüber seinem Adressaten Eusebius als entscheidende Motivation für das Engagement in dieser Angelegenheit präsentiert. Sieht man hier keinen Grund zu generellem Zweifel, so war Liberius zumindest in dieser Phase seinem Selbstverständnis nach nicht nur an personal- und kirchenpolitischen Fragen interessiert;135 vielmehr forderte er Eusebius auf universa, quae fides catholica exigit, clementissimo imperatori insinuare. Die Zuversicht, dass Eusebius hierfür der geeignete Mann ist, führt Liberius dann allerdings nicht auf dessen theologische Ausbildung, sondern auf seinen calor fidei zurück. Bemerkenswert für die Atmosphäre, in der dieser Brief verfasst wurde, sind die Constantius II. betreffenden Aussagen des Liberius. Dieser wird zwar in § 2 mit dem üblichen ehrenden Attribut clementissimus bedacht, allerdings befindet sich Constantius’ animus laut Liberius im Zustand einer letztlich heilsgefährdenden indignatio. Doch selbst damit hat Liberius noch eine gewisse Zurückhaltung walten lassen. Denn wenn er gleich im ersten Abschnitt von § 1 auf den Fall des Vincentius von Capua und die anschließende Gängelung der italischen Bischöfe zu sprechen kommt, um diese causa Athanasii dann im Sinne Lucifers als causa fidei zu interpretieren, so bezeichnet er die Vorgehensweise rund um die Synode von Arles 353 als häretisch, die ja von Constantius genau so gewollt war. Ein Antwortbrief des Eusebius ist nicht erhalten, es hat vielleicht auch nie einen gegeben. Als zweiter Brief der traditionellen Reihe folgt: CChr.SL IX, 122 (Bulhart) Liberius episcopus dilectissimo fratri Eusebio. 1. Remeante filio meo Callepio ad patriam suam optimum credidi per hunc sanctitatem tuam salutare, domine frater carissime, orans

Übersetzung Bischof Liberius (grüßt) seinen hochgeliebten Bruder Eusebius. 1. Als mein Sohn Callepius in seine Heimat zurückkehrte, hielt ich es für das Beste, deine Heiligkeit durch diesen zu grüßen, mein teuerster Herr und

134 Vgl. dazu Brennecke, Hilarius von Poitiers, 145 m. Anm. 58. 135 Letzteres hebt Brennecke, Hilarius von Poitiers, 148 f.157, als handlungsleitend für Liberius hervor. Mangelnde theologische Reflexion attestiert Liberius auch Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 241 als Fazit seiner Untersuchung 231–241. Dies schließt jedoch eine tiefe Selbstwahrnehmung als Kämpfer für den wahren Glauben nicht aus.

Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen

dei clementiam, ut salvus atque hilaris litteras meas accipias. Sane quia scio invictum animum tuum fideliter agere, quae deus praecepit, commendo tibi fratrem et coepiscopum nostrum Luciferum, sed et carissimos filios meos Pancratium presbyterum et Hilarium diaconum, qui pro statu ecclesiae animo virili et virtute deifica tempore tempestivo aggressi sunt contra inimicos ecclesiae, quos deus spiritu oris sui destruet.

2. Scio enim ferventem spiritum dei esse in te, ut simul cum eis aggrediaris, ut fides, quae ab apostolis tradita est ecclesiae catholicae, nullo modo irrumpi possit. Certe dignaris retinere – si leges publicae absentem non condemnant –, ut eorum consortio iungat se fides tua; et similis ubi fuerit, adsit sanctitas tua, uno colloquio, uno consilio id agatis, quod deo et angelis eius placet et ecclesiae catholicae expedit.

3. Pro hoc labore praemium caeleste, coronam immarcescibilem, hereditatem regni caelorum Christus dominus noster retribuat vobis. Salutamus omnes, qui tecum deo fideliter seruiunt. Salutate omnem clerum. Deus te incolumem custodiat, domine frater carissime.

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Bruder, wobei ich die Güte Gottes anrief, dass du meinen Brief gesund und heiter in Empfang nehmen kannst. Da ich freilich weiß, dass dein unerschütterlicher Sinn getreulich die Dinge tut, die Gott vorschreibt, empfehle ich dir unseren Bruder und Mitbischof Lucifer, aber auch meine teuersten Söhne, den Presbyter Pancratius und den Diakon Hilarius, die für den Bestand der Kirche mit mannhaftem Geist und gottgewirkter Tüchtigkeit in einer stürmischen Zeit gegen die Feinde der Kirche vorgegangen sind, welche Gott durch den Hauch seines Mundes vernichten möge. 2. Ich weiß nämlich, dass der glühende Geist Gottes in dir ist, so dass du zugleich mit ihnen (gegen die Feinde der Kirche) vorgehst, damit der Glaube, der von den Aposteln der katholischen Kirche überliefert worden ist, in keiner Weise beschädigt werden kann. Sicher geruhst du (daran) festzuhalten – so gewiss als die staatlichen Gesetze einen Abwesenden nicht verurteilen –,136 so dass sich dein Glaube mit ihrer Gemeinschaft verbindet; und sobald er der gleiche sein wird, möge deine Heiligkeit helfen, möget ihr mit einmütiger Unterredung, mit einmütigem Beschluss137 auf das hinarbeiten, was Gott und seinen Engeln gefällt und der katholischen Kirche nützt. 3. Für diese Mühe möge euch unser Herr Jesus Christus den himmlischen Lohn, den unvergänglichen Siegeskranz, das Erbe des Himmelreiches, zukommen lassen. Wir grüßen alle, die mit dir Gott treu dienen. Grüßt den gesamten Klerus! Gott behüte dich unversehrt, teuerster Herr und Bruder.

Insgesamt ist dieser kürzere Brief im Vergleich zum vorigen von weitgehender Klarheit, da er kaum Anspielungen enthält, die Vorwissen beim Leser voraussetzen. Offenbar geht es hier auch um unverfänglichere Inhalte; es handelt sich bei Liberius’ Brief vornehmlich um ein Empfehlungsschreiben. Im Unterschied zum Brief Me frater werden neben Lucifer daher auch der Presbyter Pancratius sowie der Diakon Hilarius 136 Ich habe gegenüber Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 122 die Interpunktion geändert, da dies m. E. den Gedankengang etwas aufhellt. Die von Bulhart im Apparat gebotene Erklärung Coustants von non condemnant, »hoc est condemnari non vetant«, scheint mir am Sinn vorbeizugehen, die Stelle ist aber auch kein locus obscurus, wie von Bulhart zur Stelle vermerkt; vgl. die folgenden Ausführungen. 137 Der Sinn von unus in der anaphorisch betonten Wendung uno colloquio, uno consilio ergibt sich aus den vorherigen Teilsätzen: Eusebius soll mit den römischen Gesandten eine so enge Verbindung eingehen, dass ihr Reden und Entscheiden in harmonischer Einheit erfolgt.

130 | Müller eingeführt, die in Mailand wieder begegnen werden. Sie werden Eusebius als tapfere Kämpfer für den Bestand der Kirche anempfohlen, womit der Anlass der Gesandtschaft zu Constantius in derselben Perspektive gedeutet wird wie in Me frater die Synode gegen Athanasius. Der Brief dringt (bei traditioneller Briefreihenfolge: erneut) in Eusebius, dem Wunsch des Liberius nach seiner Beteiligung zu entsprechen. Interessanterweise fällt hier der Name des Athanasius nicht explizit. Je nachdem, wie man die von Bulhart als locus obscurus bezeichnete Stelle (certe dignaris retinere,) si leges publicae absentem non condemnant versteht, könnte hier indirekt auf Athanasius angespielt sein: »(vorher: Ich weiß …, dass du mit ihnen [gegen die Feinde der Kirche] vorgehen wirst, damit der Glaube … in keiner Weise beschädigt werden kann. dann: Sicher geruhst du, ihn zu bewahren) – so gewiss als die öffentlichen Gesetze einen Abwesenden nicht verurteilen – …«. Der absens wäre dann, wie später vor allem in Lucifers Exilsschriften, Athanasius, der bekanntlich in Arles ebensowenig zugegen war wie nachher in Mailand.138 In den Vordergrund ist indes klar der Kampf gegen die Feinde der Kirche getreten. Liberius beschwört mit der Gegenüberstellung von Freund und Feind, fides catholica und Häresie, die Notwendigkeit der Einmütigkeit aller verbliebenen Rechtgläubigen. Mit dem zweimaligen scio zu Beginn eines neuen Gedankens betont der Bischof von Rom seine Einschätzung des Eusebius als eines glühenden Verfechters des wahren Glaubens – ein roter Faden zum Brief Me frater. Auch Eusebius selbst scheint sich dem insinuierten Konzept angeschlossen (und sich dabei selbst als Kämpfer für die gute Sache verstanden) zu haben. Zumindest dokumentiert ein dritter Brief des Liberius an Eusebius, dass Eusebius sich sowohl mit dem Gesandtenauftrag einverstanden erklärte als auch Einigkeit mit Lucifer zeigte. CChr.SL IX, 122 (Bulhart) Liberius episcopus dilectissimo fratri Eusebio. 1,1. Sciebam, domine frater carissime, quod spiritu dei fervens in causa fidei, quae nos potest domino commendare, fratri et coepiscopo nostro Lucifero et Pancratio compresbytero nostro, qui simul erat profectus cum filio meo Hilario diacono, fida dignareris solatia exhibe-

Übersetzung Bischof Liberius (grüßt) seinen hochgeliebten Bruder Eusebius. 1,1. Ich wußte, teuerster Herr und Bruder, dass du, der du glühst vom Geist Gottes in der Sache des Glaubens, die uns dem Herrn empfehlen kann, geruhen würdest, unserem Bruder und Mitbischof Lucifer und unserem Mitpresbyter Pancratius, der gleichzeitig mit meinem Sohn, dem Diakon Hilarius, aufgebro-

138 Lucifers oft einfach De (sancto) Athanasio genannte Exilsschrift trug den sprechdenden Titel Quia absentem nemo debet iudicare nec damnare; vgl. Diercks, Luciferi Calaritani opera quae supersunt, 3. Zum Fernbleiben des Athanasius von westlichen Synoden in dieser Zeit vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 153 m. Anm. 22, der die o.g. Stelle ähnlich auffasst (Ziel sei die Verhinderung der Verurteilung eines Abwesenden), und Barnes, Athanasius and Constantius, 110. Zwischen beiden besteht Uneinigkeit, ob Liberius Athanasius tatsächlich im Vorfeld der Synoden von Arles und Mailand mit Exkommunikation für den Fall seines Fernbleibens gedroht hat, wie er es 357 den Bischöfen des Ostens schrieb (Brennecke, Hilarius von Poitiers, 125 f.) oder ob dies eine sekundäre apologetisch motivierte Deutung einer ursprünglich neutralen Einladung durch Liberius war (Barnes, s. o.). Barnes’ Erklärung hat den Charme, dass man Liberius’ Ausführungen gegenüber Eusebius nicht relativieren müsste.

Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen

re nec te posses iis denegare, quos sciebas pro devotione fidei suae tantum laborem itineris suscepisse.

2. Magnum itaque levamen animus meus ex lectione litterarum tuarum accepit; immo causam ipsam in melius proficere posse deo favente, quod fratres nostros deserere noluisti, iam iamque confido. Labora itaque ut bonus miles, qui praemium aeterni imperatoris exspectas, et virtutem animi, qua te scio mundi huius illecebras contempsisse, adversus eos, qui ecclesiae quidem luce orbi sunt, praebere contende; habens utpote contemptum vitae istius veridicum te sacerdotem ostende, ut laborantibus vobis pro ecclesiae statu concilium possit celebrari, ut omnia, quae in praeiudicium fidei subtiliter e diverso uenientes machinati sunt, possint in melius reformari.

3. Hunc laborem, quem egregia fides tua melius novit, aeterna praemia comitantur; cui quemadmodum insistere debemus, etiamsi exhortatio frigesceret, fervens spiritus sanctus, qui in te est, propter unitatem sanctae ecclesiae per momenta animum tuum stimularet ad maiora solatia. 2,1. Etiam ad fratrem et coepiscopum nostrum Fortunatianum, quem sciebam neque personas hominum vereri et futura magis praemia cogitare, litteras erogavi, ut et ipse pro sinceritate pectoris et pro fide, quam se scit etiam cum discrimine vitae praesentis custodisse, etiam nunc uobiscum dignaretur excubare.

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chen war, zuverlässige Trostworte zu spenden und du dich ihnen nicht verweigern könntest, von denen du wusstest, dass sie für die Hingabe an ihren Glauben die gewaltige Mühe des Weges auf sich genommen hatten. 2. Eine große Erleichterung hat daher mein Herz aus der Lektüre deines Briefes empfangen; ja vielmehr bin ich gerade jetzt überzeugt, dass die Angelegenheit selbst mit Gottes Hilfe eine Wendung zum Guten erfahren kann, weil du unsere Brüder nicht im Stich lassen wolltest. Mühe dich deshalb als guter Soldat, der du den Lohn des ewigen Herrschers erwartest, und beeile dich, die Tapferkeit deines Herzens, durch die du, wie ich weiß, die Verlockungen dieser Welt verschmäht hast, gegen die zu erweisen, die freilich ohne das Licht der Kirche sind; da du also Geringschätzung für dieses Leben übrig hast, zeige dich als wahrhaftiger Bischof, damit infolge eurer Mühe eine Synode zum Bestand der Kirche veranstaltet werden kann, so dass alles, was die, die zu einem vorgefassten Urteil über den Glauben scharfsinnig von der entgegengesetzten Seite daherkommen, ins Werk gesetzt haben, wieder zum Besseren verändert werden kann. 3. Diese Mühe, die dein herausragender Glaube besser kennt, begleiten ewige Belohnungen; wie wir uns dem hingeben müssen, auch wenn die Ermunterung abkühlen würde, würde der glühende heilige Geist, der in dir ist, wegen der Einheit der heiligen Kirche durch seine Beweggründe deinen Geist zu größeren Tröstungen anspornen.139 2,1. Auch an unseren Bruder und Mitbischof Fortunatianus, von dem ich wußte, dass er einerseits nicht die gesellschaftliche Stellung von Menschen fürchtet und andererseits mehr an zukünftige Belohnungen denkt, habe ich einen Brief versandt, damit er sowohl selbst für die Reinheit seines Herzens als auch für den Glauben, den er sich auch unter den widrigen

139 Die syntaktische Einordnung von cui quemadmodum insistere debemus ist nicht ganz klar. Zu erwarten wäre eventuell ein korrespondierendes ita vor fervens spiritus sanctus. Auch ist zu überlegen, worauf die solatia gerichtet sein sollen. Wegen der Verbindung mit stimulare (ad) scheint es eher darum zu gehen, dass Eusebius anderen solatia zukommen lassen soll – so der Gedanke des Liberius in § 1,1. Waren dort unmittelbar Lucifer und seine Begleiter das Ziel der Linderung genannt, so scheint es hier um den größeren Zusammenhang der Linderung für die Kirche zu gehen. Sprache und Stil des Liberius verdienten eine eigene Untersuchung auf der Grundlage seines gesamten Briefcorpus. Die Frage Bulharts zum vorherigen Satz im Apparat CChr.SL IX, 123 (zu Zeile 19) »quem an quem ?« hilft hier nicht weiter und ist dort m. E. unnötig.

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2. Quem quidem scio pro sanctitate pectoris sui indubitanter et consilio suo prudentiam vestram firmare et, si ita vobis placuerit, praesentiam suam in nullo dilectioni vestrae negare. Deus te incolumem custodiat, domine frater carissime.

Umständen des gegenwärtigen Lebens zu bewahren wusste, auch nun geruht, gemeinsam mit euch zu wachen. 2. Ich weiß, dass dieser für die Heiligkeit seines Herzens unzweifelhaft sowohl mit seinem Rat eure Klugheit bestärkt (bestärken) als auch, wenn es euch so gefällt, seine Anwesenheit Eurer Liebe in keiner Weise verweigert (verweigern wird). Gott behüte dich unversehrt, teuerster Herr und Bruder.

Liberius’ Zuversicht in den beiden vorherigen Briefen sieht sich bestätigt. Erneut drückt er seine Bewertung des Eusebius mit einer Form von scire aus – hier allerdings im (durativen) Imperfekt. Nach der mehrmaligen Verwendung des Verbs im Präsens, mit der er seine bisherige Einschätzung des Bischofs von Vercelli kundtat, kann Liberius nun auf den Erfolg seines Werbens in Gestalt eines (uns leider verlorenen) Antwortbriefs des Eusebius zurückschauen. Auch andere Leitmotive wie die Glut des heiligen Geistes, der in Eusebius ist, verbinden diesen Brief mit den anderen und führen zugleich über diese hinaus, indem nun der Fokus ganz auf die Erfüllung des vorher beworbenen Auftrags gerichtet wird. Ein Blick in den Text zeigt, dass hier endgültig nichts mehr von Personalfragen zu lesen ist. Stattdessen wird Eusebius auf seine Rolle als bonus miles eingeschworen, der sich so aeterna praemia verdienen soll. Auch für Liberius ist dabei die unitas sanctae ecclesiae das Ziel, das später in den Briefen von Kaiser und Synode an Eusebius wieder begegnen wird. Doch ist dies nur durch die Zurechtweisung der e diverso venientes und durch die Absage an die Verlockungen dieser Welt zu erreichen.140 Hier wird eine Deutung der Mission zum Kaiserhof erkennbar, die sich in dem späteren Brief des Liberius an Eusebius und die übrigen Verbannten von Mailand fortsetzen wird.

Reihenfolge und Intentionen der Liberiusbriefe Die Situation des dritten Briefes ist somit klar: Er ist offenkundig der zeitlich letzte der drei und setzt eine positive Reaktion des Eusebius auf Liberius’ Werben in den ersten beiden Briefen voraus, die Liberius laut § 1.2 aus einem nicht erhaltenen Brief des Eusebius an ihn erfuhr. Etwas schwieriger ist die Situation der Korrespondierenden in den anderen beiden Briefen einzuschätzen. Schon Baronius hatte 1592 in Annales 140 Für die Biographie des Eusebius und die oben diskutierte Frage nach seinen Vorzügen für Liberius’ Pläne mag es interessant sein, das Perfekt im verschränkten Relativsatz uirtutem animi, qua te scio mundi huius illecebras contempsisse zu beachten. Demnach bezeichnet Liberius Eusebius als einen, von dem bekannt ist, dass er den Verlockungen der Welt bereits entsagt hat. Traute Liberius dem »Asketen« Eusebius eher als anderen zu, ggf. auch den »weltlichen« Drohungen des Kaisers entschlossener begegnen zu können?

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III, 599 bemerkt, dass Liberius im zweiten Brief »eodem ferme argumento« wie im ersten um Eusebius’ Teilnahme an der Gesandtschaft wirbt. Dies wurde in der späteren Forschung entweder nicht ausgewertet, was die Frage offen lässt, warum Liberius dann zweimal an Eusebius geschrieben hat, oder dahingehend interpretiert, dass Liberius mit seiner ersten Anfrage bei Eusebius nicht durchdrang.141 Letzteres würde wiederum eine gewisse Distanz des Eusebius zu Athanasius implizieren. Denn Liberius sah sich dann offenbar genötigt, einen zweiten Brief, den er über einen Callepius an Eusebius schickte, zu verfassen.142 Der zweite Brief würde daneben auch die Bedeutung des Eusebius für Liberius’ Gesandtschaftspläne dokumentieren. Allerdings muss die Annahme einer Distanz des Eusebius zu Athanasius dann wohl mit einem charismatischen Lucifer rechnen, der den Bischof von Vercelli doch noch zur Gesandtschaftsteilnahme überreden konnte. Da sich Ähnliches für die Frage nach dem Synodenverlauf selbst wiederholen wird, müsste man letztlich mit einem recht schwankenden Eusebius rechnen, der dann aber für Athanasius das Exil auf sich nahm. Dies mag zu der Nachfrage berechtigen, ob die chronologische Reihenfolge der ersten beiden Briefe nicht umgekehrt plausibler ist. Die Reihenfolge in den Ausgaben bis hin zu Bulhart könnte ja nach den Ergebnissen von 1. bestenfalls auf die sekundäre Zusammenstellung der Kirche von Vercelli zu einem unklaren Zeitpunkt zurückgehen. Der erste für uns greifbare Herausgeber Bonomi veröffentlichte die Briefe in der Reihenfolge Me frater – Sciebam – Remeante filio (– Quamvis sub imagine),143 was angesichts der oben skizzierten Inhalte wohl kaum die chronologische Abfolge sein kann. Eine quasi maßgebliche Briefreihenfolge für die moderne Forschung entstand aber jedenfalls erst durch den später (fast) ausschließlich rezipierten Baronius, der den Brief Me frater bereits ad annum 353 zitierte, da darin auf den Fall des Vincentius von Capua angespielt wird, den Baronius im Zusammenhang mit der Synode von Arles in diesem Jahr besprach. Der Brief Remeante filio wurde von ihm dann ad annum 354 für die Vorgeschichte der Mailänder Synode 355 beigegeben. Durch diese Verwendung war

141 So Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 156 m. Anm. 6; laut Brennecke, Hilarius von Poitiers, 153, bat Liberius im zweiten Brief Eusebius noch einmal um Unterstützung (aus seinem dritten Brief klang dann bekanntlich »große Erleichterung«, magnum levamen). 142 Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 156 Anm. 6 (vgl. auch seine weitere Darstellung insgesamt), wertet das aus Liberius’ Mehrzahl an Briefen abgeleitete Insistieren des römischen Bischofs als ein erstes Indiz für eine latente Distanz des Bischofs von Vercelli gegenüber der AthanasiusBegeisterung anderer und den Plänen für eine neue Synode sowie letztlich gegenüber Athanasius selbst und dessen Ansichten. Letzteres ist zum Verlauf der Mailänder Synode zu bedenken; schon bzgl. Eusebius’ dann eher zögerlicher Antwort auf Liberius’ Brief ist unterdessen festzuhalten, dass eine Reserve gegen Athanasius nicht der einzig denkbare Grund ist: Wir wissen z. B. auch nichts über das sonstige Verhältnis von Eusebius und Liberius. Wohl wegen des späteren Engagements des Eusebius ist seine etwaige Distanz zu Liberius nicht erwogen worden. Allerdings spricht der weitere Gang der Ereignisse eben auch nicht für eine Distanz zu Athanasius. Doch lässt sich das Problem wohl durch eine andere Briefreihenfolge auflösen, s.u. 143 Vgl. die Angaben bei Zangara, Eusebio di Vercelli, 173 f. Anm. 57.

134 | Müller es für Baronius unnötig, sich über das Verhältnis beider Briefe zueinander Gedanken zu machen; spätere Ausgaben, letztlich wohl beginnend mit Ferrero, scheinen einfach seiner Reihenfolge im Abdruck gefolgt zu sein. Nun spricht gegen diese Reihenfolge als chronologische noch nicht unbedingt, dass sie Eusebius als schwankenden bzw. evtl. auch taktierenden Protagonisten zeigen würde. Jedoch gibt es neben dem ähnlichen Kernanliegen des Liberius auch signifikante Unterschiede zwischen dem Inhalt beider Briefe: Me frater beginnt mit einem lobenden Satz auf Eusebius, geht dann aber ab dem zweiten Satz auf die besondere Rolle des Lucifer für das Zustandekommen eines neuen Appells an den Kaiser weiter; der Fall des Vincentius von Capua wird ohne jede klärende Einzelheit angespielt, wie der Brief auch insgesamt einen (gut) vorinformierten Adressaten voraussetzt. Der Schlussatz mildert das Maß der Voraussetzungen dadurch, dass er Eusebius auf die mündlichen Erklärungen des Lucifer oder seiner Begleiter (entsprechend Remeante filio wohl Pancratius und Hilarius) verweist, die längere Ausführungen überflüssig machen. Dieser Brief ist daher nur plausibel als ein Schreiben, das Lucifer selbst dem Eusebius in Vercelli überreicht hat. Wie Liberius danach, i. e. nach einem Zögern oder gar Schweigen des Bischofs von Vercelli, einerseits Eusebius mit einem zweiten Brief hätte umstimmen und andererseits Lucifer noch einmal zu Eusebius hätte schicken sollen, ist nicht recht einzusehen. Der Brief Remeante filio hingegen ist ausweislich seines ersten Satzes von einem Callepius auf der Durchreise in seine Heimat bei Eusebius in Vercelli abgegeben worden. Er liest sich – abgesehen von dem doch recht offenkundig auf Athanasius gemünzten »locus obscurus« Bulharts144 – durchgehend leicht verständlich als ein Schreiben, das Lucifer, Pancratius und Hilarius dem Eusebius empfiehlt, was aber auch in deren Abwesenheit geschehen konnte – oder, wie mir scheint: vor deren Anwesenheit. Wäre der mit der Tür ins Haus fallende, eine lobend-werbende captatio benevolentiae (die Remeante filio in § 2 ausgiebig bietet) eher nur punktuell aufweisende Brief Me frater nicht besser verständlich als Ergänzung dessen, was Liberius mit Remeante filio begonnen hatte? Dann wäre das Szenario in etwa folgendes: Liberius hatte bereits seine Legaten für die Gesandtschaft zu Constantius II. gewählt und instruiert, wollte ihnen jedoch prominente Fürsprecher beigesellen (aus Sciebam geht hervor, dass auch Fortunatian von Aquileia mit von der Partie sein sollte). In dieser Situation wollte ein Kleriker namens Callepius in seine Heimat (in Oberitalien?) aufbrechen. Liberius ergriff die Gelegenheit und schrieb Remeante filio, um seine Legaten bei Eusebius anzukündigen. Wenig später brachen dann auch die Legaten selbst auf. Ihnen gab Liberius Me frater mit, in dem er Lucifers besondere Qualifikation für die anstehende Aufgabe herausstelle und zugleich ein näheres Gespräch zwischen den beiden gebürtigen Sardiniern anmahnte. Der Brief Sciebam zeigt, dass Eusebius 144 Da es sich schon syntaktisch um eine Nebenbemerkung handelt, wird hierdurch keinesfalls der Brief als ganzer obskur, selbst wenn Eusebius die Stelle nicht auf Anhieb verstanden hätte. Doch setzt die Anspielung auch keine Details zu dem doch seit Jahren öffentlich schwelenden Fall des Athanasius voraus, zu dem wohl notfalls der Überbringer Callepius einen Satz hätte sagen können.

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nach dem Gespräch mit Lucifer und den anderen zügig mit einem Brief an Liberius reagiert haben muss, da dieser wiederum mit Sciebam noch einige letzte Instruktionen nach Vercelli schickte, bevor die nun erweiterte Gesandtschaft Richtung Mailand aufbrach (wenn man davon ausgeht, dass sie sich dort mit Fortunatian traf). Inhaltlich rahmen bei dieser Reihenfolge der erste und dritte Brief mit ihrer eher allgemein lobend-ermunternden Ausrichtung den zweiten, der den sachlichen Kern und seine theologische Interpretation bietet. Ginge man von diesem Szenario aus, entfallen natürlich alle Anhaltspunkte für ein Zögern des Eusebius gegenüber dem römischen Ansinnen eines Unternehmens pro Athanasio, id est pro fide catholica. Damit ist aber natürlich noch nicht gesagt, welchen Inhalt dieser Glaube genau hatte, der offenbar auch für Eusebius auf dem Spiel stand. Auch wenn diese drei Briefe für uns wichtige Einblicke in die Vorstellungswelt der römischen Akteure vor der Synode geben können, stellt die eigentliche Bitte um Einberufung einer neuen Synode doch der Brief des Liberius an Kaiser Constantius dar.145 In diesem umfänglichen Schreiben wies Liberius Constantius auf den bleibenden Klärungsbedarf in der Athanasiussache hin und mahnte schließlich auch eine Diskussion über den Glauben an. Über den Fall des Athanasius in Liberius’ Darstellung ist bereits oft nachgedacht worden,146 mit Blick auf Eusebius interessiert vor allem der Schlussteil des Briefes:147 … Unde iterum atque iterum mansuetudinem tuam et animum tuum deo devotum rogamus per eius virtutem, qui se, in defensione tua quantus sit, universis mortalibus adprobavit, ut habens ante oculos eius beneficia, qui imperium tuum in omnibus regit, haec in coetu episcoporum diligenter facias omni cum consideratione tractari, ut pacatis per te deo favente temporibus, tranquilitate tua consentiente, sic omnia discutiantur, ut, quae iudicio sacerdotum dei confirmata constiterunt omnes in expositionem fidei, quae inter tantos episcopos apud Nicheam praesente sanctae memoriae patre tuo confirmata est, universos consensisse, cum exemplo possint in poste-

… Daher bitten wir immer wieder deine Milde und dein Gott ergebenes Herz beim Verdienst dessen, der sich allen Sterblichen erwiesen hat, wie stark er bei deiner Verteidigung ist, dass du, die Wohltaten dessen vor Augen, der deine Herrschaft in allen Dingen lenkt, dies bei einer Versammlung der Bischöfe sorgfältig mit aller Überlegung behandeln läßt, damit in durch dich mit Gottes Hilfe befriedeten Zeiten, wenn deine Sanftmut zustimmt, alles so erörtert wird, dass das, was alle als durch das Urteil der Priester Gottes bestätigt festgelegt haben, (nämlich) dass sie zu der Glaubenserklärung, die unter so vielen Bischöfen in Nicaea in Anwesenheit deines Vaters seligen Gedenkens bestätigt wurde, allesamt zugestimmt haben, mustergültig für die Zukunft bewahrt werden kann,

145 Nun Dok. 50.1 in AW III 4, 360–366. 146 Vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 153–164 und Barnes, Athanasius and Constantius, 110.116–118, aus deren Zusammenschau sich die Streitpunkte der Forschung ersehen lassen, sowie für die Überlieferungssituation dieses Textes die Einleitung in AW III 4, 360. 147 Der folgende Textauszug stammt aus AW III 4, 365 f. vgl. auch die dortigen Anmerkungen und den textkritischen Apparat; die Übersetzung habe ich geringfügig modifiziert, um den komplizierten Satzbau noch genauer abzubilden und kleinere Corrigenda anzubringen. Die hier vertretene Deutung ist mit der dortigen nicht ganz identisch, sondern legt, wie unten zu sehen, dem Rekurs auf das Nizänum etwas mehr Gewicht bei.

136 | Müller rum custodiri, ut ipse salvator, qui desuper mentis tuae propositum intuetur, in tanta rerum expeditione laetetur causam fidei et pacis etiam rei publicae necessitatibus non inmerito praeposuisse.

Ad exorandum igitur mansuetudinem tuam, ut benivolo animo allegationes nostras audire digneris, fratrem et coepiscopum meum sanctum virum Luciferum cum Pancratio presbytero et Hilario diacono placuit proficisci. Quos credimus de clementia tua ad pacem omnium ecclesiarum catholicarum non difficulter posse concilium impetrare. Dei omnipotentis clementia te nobis custodiat, clementissime Auguste.

auf dass der Heiland selbst, der von oben das Vorhaben deines Geistes sieht, sich angesichts einer so glänzenden Erledigung der Angelegenheiten freut, dass es (scil. das Vorhaben deines Geistes) die Sache des Glaubens und des Friedens sogar den notwendigen Erfordernissen des Staates nicht zu Unrecht vorangestellt hat. Um also deine Milde zu erflehen, damit du es für würdig erachtest, mit wohlwollendem Herzen unsere Ausführungen anzuhören, habe ich beschlossen, dass mein Bruder und Mitbischof Lucifer, ein heiliger Mann, mit dem Presbyter Pancratius und dem Diakon Hilarius aufbricht. Wir glauben, dass diese von deiner Milde ohne Schwierigkeiten ein Konzil zum Frieden aller Kirchen erwirken können. Die Milde des allmächtigen Gottes möge dich uns bewahren, mildester Kaiser.

Die Rolle des Nizänums Strittig ist nun die Interpretation des Abschnitts sic omnia discutiantur, ut, quae iudicio sacerdotum dei confirmata constiterunt omnes in expositionem fidei, quae inter tantos episcopos apud Nicheam praesente sanctae memoriae patre tuo confirmata est, universos consensisse, cum exemplo possint in posterum custodiri, da hier aus der Perspektive der Nachwelt offenbar eine Orientierung an N gefordert wird. Dieser Deutung hat Jörg Ulrich, aufbauend auf der Arbeit von Hanns Christof Brennecke, widersprochen. Beide vertreten die These, dass der Wortlaut von N dem Westen bis 357 praktisch unbekannt war und westliche Theologen auch danach noch lange Zeit primär vom westlichen Serdicense als maßgeblicher Interpretation von N geprägt waren.148 Zu einem differenzierten Bild der Lage sollte man sich zunächst noch einmal am Wortlaut klarmachen, was Liberius explizit fordert: Der lateinische Satz ist sehr lang und in seiner Struktur nicht auf den ersten Blick durchsichtig. Dies mag eine gewisse Unschärfe in Liberius’ Bitte an den Kaiser bringen, die womöglich beabsichtigt ist. Eines scheint aber klar: Liberius fordert hier nicht die Unterschrift der künftigen Synodalen unter das Nizänum als Auftakt bzw. Unterpfand für die übrigen Verhandlungen.149 Stattdessen setzt Liberius an die Spitze der Agenda nicht nur die Behandlung des Athanasiusfalls, sondern vor allem ein tractare der fidei causa150 . Die expositio fidei von 148 Vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 161–164 und insgesamt die Arbeit von Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption. 149 So aber Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 219 Anm. 18 und 234. 150 Vgl. Dok. 50.1,2, AW III 4, 361,4–11.

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Nizäa ist hierbei insofern der Fixpunkt, als die allgemeine Zustimmung zu ihr das ist, was für die Zukunft bewahrt werden soll. Damit ist nicht eine Vorbedingung, sondern eine Zielbestimmung für die Synodalverhandlungen formuliert. Genau genommen ist also die Diskussion darum zu führen, ob Liberius beim Wort genommen werden kann, wonach tatsächlich das Nizänum deren Glaubensmaßstab sein sollte. Denn durch den Ausdruck expositio fidei inklusive näherer Bestimmung dürfte es vom Wortlaut des Briefes her wenig Spielraum für eine Deutung geben, nach der Liberius nur allgemein vom »Glaube von Nizäa« gesprochen hätte. Indes muss die Aussage des Liberius im historischen Kontext erklärbar sein und hier setzte die Hauptkritik an. Kronzeuge für Brennecke ist Hilarius von Poitiers, der in De synodis 91 bekundet: »fidem Nicaenam numquam nisi exulaturus audivi«, was wohl auf eine (weitgehende) N-Unkenntnis des Hilarius bis 356 schließen lässt, die ihrem Kontext nach wohl typisch für die Situation im Gallien seiner Zeit sein will – Hilarius scheint sich zumindest nicht als einzig Unwissender charakterisieren zu wollen.151 Letztlich würde dies für den Liberiusbrief bedeuten, dass der Bischof von Rom hier doch nur ganz allgemein auf eine (wie auch immer genau) als »nizänisch« verstandene Glaubenstradition rekurriert, ohne dabei den konkreten Wortlaut von N vor Augen zu haben. Brenneckes These hat u. a. heftigen Widerspruch von Manlio Simonetti erfahren, der zumindest in Rom die Kenntnis von N als gegeben ansieht.152 Letztlich impliziert Simonettis Kritik eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Kenntnisständen in 151 Barnes, Athanasius and Constantius, 142 f. m. Anm. 50, schlägt den originellen Kompromiss vor, dass Hilarius mit numquam … audivi allein das Hören einer lauten Rezitation von N vor 356 ausschließen wollte und der apologetische Kontext ohnehin nicht zu pressen sei, die grundlegende Kenntnis von N also nicht in Abrede gestellt werde. Dies verlangt nun seinerseits dem Text manches ab; wenn man sich darauf einließe, würde die von Simonetti angemahnte Unterscheidung zwischen Gallien und Rom entfallen (s. u.). Wichtiger erscheint die von Barnes präziser erfasste Partizipialform exulaturus, die angibt, dass Hilarius das Nizänum erst kennen lernte, als er »im Begriff war, verbannt zu sein« – was nicht notwendigerweise eine Erstbegegnung mit N im Osten impliziert, sondern evtl. noch im Westen, (relativ) kurz vor seiner Abreise. Ob dagegen die Auswertung des Partizip Futur Aktiv soweit belastbar ist, dass die Formulierung gut zu einem erstmaligen »Hören« des Nizänums durch Hilarius im Kontext der Mailänder Synode 355 passen würde (so Barnes, Athanasius and Constantius, 118 m. Anm. 54), erscheint mir mehr als unsicher: Weder war Hilarius in Mailand, wo er den Wortlaut des Nizänums evtl. tatsächlich hätte hören können (s. u.; Barnes betont ja a. a. O. die akustische Dimension der Aussage) noch wird man wohl fürderhand sagen können, dass Hilarius bereits ein Jahr vor der Synode von Béziers ein exulaturus war. Im Sinne des unten verfolgten Mittelweges wird man vielleicht eher vermuten dürfen, dass Ereignisse wie die Mailänder Synode Mitte der 350er Jahre N verstärkt ins Gespräch brachten und so auch Hilarius »zu Gehör« kamen. Immerhin weiß Hilarius später von Ereignissen auf der Mailänder Synode zu berichten (s. u.). 152 Vgl. Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 159.178 f. In diesem Sinne wären nun Aussagen in früheren Texten mit Rom-Bezug zu untersuchen, so im Brief des Julius von Rom, Liberius’ Amtsvorgänger, an die in Antiochia versammelten Bischöfe, also Dok. 41.8 unserer Sammlung, im Brieffragment des Ossius und Protogenes an Julius, aus Serdika, Dok. 43.6, sowie im Brief von Markell an Julius, Dok. 41.7. Unter diesen Zeugnissen ist vielleicht am interessantesten die explizite Aufnahme

138 | Müller Rom und in Gallien: Die römische Kirche, in der Eusebius lector war, war für ihn seinerzeit der einzige Ort im Westen, an dem man die Rahmenbedingungen hatte, um fundierte theologische Kenntnisse zu erlangen.153 In diesem Szenario wäre wohl davon auszugehen, dass auch das Nizänum hier nie ganz in Vergessenheit geraten ist; Gallien hingegen hatte keine derartige Kontinuität aufzuweisen, was wiederum Hilarius’ Diktum verständlich machen könnte.154 Wie aus diesem knappen Referat zu ersehen ist, geht es beiden Seiten nicht allein um das richtige Verständnis von Liberius’ Formulierung, sondern um die größere Frage, wie und wann das Nizänum eine zentrale Rolle in der trinitätstheologischen Diskussion zu spielen begann. Dabei ist zunächst zu beachten, dass immerhin dahingehend ein Konsens besteht, dass auch für Simonetti (und Barnes) die explizite Verwendung von N als Kriterium der Orthodoxie erst in den 350er Jahren begann. Die ältere Forschung sah in den Vorbereitungen zur Synode von Mailand nun das Licht des Nizänums aufleuchten, das dann seinen Siegeszug antrat. Brenneckes Gegenentwurf sieht bis 357 rein kirchenpolitische Interessen am Werk, bis dann durch das an seinen Vater Konstantin erinnernde Vereinheitlichungsstreben des Constantius, das sich theologisch in der 2. Sirmischen Formel niederschlug, eine Reaktion hervorgerufen wurde, die erst das Nizänum zum entscheidenden Bekenntnistext gegen die Häresie erhob.155 Nun sind diese Fragen aus dem hier zu betrachtenden Brieftext heraus m. E. kaum abschließend zu entscheiden, da Liberius keine inhaltliche Präzisierung vornimmt, die über seine tatsächlichen Textkenntnisse etc. Aufschluss gäben. Allerdings können die Liberiusbriefe an Eusebius sowie ein paar allgemeine Überlegungen eine Abwägung von Wahrscheinlichkeiten ermöglichen: Unabhängig von der Stichhaltigkeit einzelner Argumente gegen Liberius’ NKenntnisse156 ist Brenneckes Einwand gegen eine naive Lektüre des Briefes forschungsgeschichtlich als Befreiungsschlag zu werten. Nur eine stärkere Differenzierung der Anathematismen des Nizänums in Markells Brief an Julius. Die Behauptung Markells, dass seine Gegner sogar zu sagen wagen »es war einmal, dass er nicht war«, und dass er deshalb glaubt, dass sie »der katholischen Kirche fernstehen« ist eine sehr pointierte Anspielung, deren Wirkung bei einer Unkenntnis der Anathematismen des Nizänums beim Adressaten Julius (und indirekt bei den römischen Synodalen von 341) recht eingeschränkt wäre. Nun kann man zwischen der positiven Erklärung in N und den nachfolgenden Anathematismen unterscheiden, doch von der ausschließlichen Zitation von Anathematismenelementen die Unkenntnis bzgl. des Erklärungsteils zu folgern, erscheint wohl auch etwas riskant. 153 Vgl. Simonetti, Scritti di e attribuiti a Eusebio di Vercelli, 157.159. Man könnte dazu auch auf die in der vorherigen Anmerkung genannten Dokumente verweisen, die wohl im Archiv der römischen Kirche aufbewahrt waren, sowie auf die noch lebenden Augenzeugen von Nizäa in Rom. 154 Zumindest bietet sich diese Annahme auf der Grundlage von Simonettis Kritik an. Dabei geht auch er davon aus, dass N bis 355 ein weithin unbeachtetes Bekenntis war; vgl. neben dem genannten Aufsatz (159) auch Simonetti, Lucifero di Cagliari nella controversia ariana, (286–)287. 155 Vgl. dazu die Ausführungen bei Brennecke, Hilarius von Poitiers, 160–164.312–315, sowie zusammenfassend Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 282–284. 156 Vgl. die Aufzählung dieser Argumente bei Brennecke, Hilarius von Poitiers, 161–163.

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zwischen Nennung und konkretem Umgang mit dem Stichwort fides Nicaena etc. kann das komplexe Geschehen der 350er Jahre verstehen helfen. Vor diesem Hintergrund ist, unter Aufnahme von Simonettis Widerspruch, wohl zunächst eine Unterscheidung zu treffen zwischen dem grundsätzlichen Vorhandensein des Textes von N in Rom (und sei es im Archiv als Dokument der nizänischen Synode) und seiner faktischen Nicht-Verwendung in der theologischen Diskussion bis zu den frühen 50er Jahren des 4. Jahrhunderts zugunsten der in Serdica West 343 verabschiedeten, markellisch geprägten Interpretation von N. Einmal muß das Nizänum dann aber selbst zum Gegenstand der Diskussion geworden sein. Die bisher öfter angenommene bzw. verteidigte Vorstellung, dass das Nizänum dann mit seinem Inhalt seit der »römischen Initiative« die »Orthodoxen« im Westen zu ihren theologischen Ausführungen motiviert habe, muss mit dem Einwand v. a. Jörg Ulrichs umgehen, dass westliche Theologen da, wo sie sich trinitätstheologisch äußerten, bis in die 360er Jahre hinein stark auf einer eher vom westlichen Sedicense her verstehbaren Position verblieben;157 das Diktum des Hilarius kommt hinzu. Ein reines Zurückdrehen des Rades, wie es tendenziell bei Simonetti angelegt ist, wird dem nicht ganz gerecht. Andererseits ist zu bedenken, dass die von Brennecke initiierte und mit Blick auf den Synodenverlauf später noch zu besprechende Ablehnung eines »Paukenschlags« in Mailand 355, mit dem das Nizänum durch Eusebius auf die große Bühne gebracht wurde, letztlich mit der Annahme eines ebensolchen Paukenschlags im Jahr 357 einhergeht. Denn wenn man den Text von N aus potentiellen Quellenbelegen vor 357 argumentativ beseitigt, so erscheint die 2. Sirmische Formel mit ihrem Schlussabschnitt ihrerseits etwas unvermittelt:158 Dort wird, geht man von der Ursprünglichkeit der lateinischen Fassung aus, die künftige Verwendung des Begriffs substantia in der theologischen Diskussion verboten – was dann unmittelbar auf das Verbot der Begriffe homousios und homoiusios präzisiert wird. Angesichts dieser Präzisierung kann es 357 nun aber nicht mehr um einen Vorstoß gegen das westliche Serdicense gegangen sein, da sich darin die verbotenen Begriffe gar nicht finden. Wohl geht es nicht ausschließlich um N, sondern auch um die entstehende homöusianische Trinitätstheologie, und wohl lässt sich gerade aus diesem in zwei Richtungen weisenden Verbot der Wille nach einer vereinheitlichenden, Alternativen ausschließenden Trinitätstheologie auf biblischer Grundlage sehen. Doch neben anderen ist hier offenbar konkret der Text von N verboten. Warum dies aber 357 geschehen sein soll, wenn dieser Text vorher überhaupt keine eigene Rolle gespielt hat,

157 Indes hängt das Gewicht dieser Unterscheidung natürlich vom Verständnis des ursprünglichen Nizänums ab. Betont man bei N selbst (erhaltene lateinische Übersetzungen sind relativ spät) die Substanzeinheit von Vater und Sohn in einem miahypostatischen Sinn, so müsste die sachliche Differenz zum westlichen Serdicense in diesem Kernpunkt für die westlichen Protagonisten der 350er Jahre nicht groß gewesen sein. 158 Vgl. zum Text Dok. 51, AW III 4, 376–379.

140 | Müller ist nicht ohne weiteres einzusehen.159 Bezeichnenderweise kann Brennecke für die Hintergründe von 357 keine Äußerungen aus Quellen beibringen, sondern bietet (im Bewußtsein des hypothetischen Charakters dieser Vorstellung) angesichts gewisser Parallelen einen Analogieschluss zur Zeit Konstantins:160 Wie sein Vater sei auch Constantius nach der Sicherung seiner Alleinherrschaft nun erst in der Situation gewesen, eine allgemeine Klärung in rebus theologicis herbeizuführen. Diese sei ihm aber sicher nach dem Vorbild seines Vaters wichtig gewesen, vielmehr hätte hier sogar die Möglichkeit bestanden, den Vater, unter dem die Einigkeit ausgeblieben sei, zu übertreffen. Das Nizänum wäre dann im Rahmen dieser Grundsatzaktion auch aus solchen allgemeinen Überlegungen beseitigt worden. Wie dies ein wenig schematisch bleibt, bleibt dann auch die schnelle und harsche Reaktion von Seiten der »Nizäner« irgendwie überraschend, die vorher N gar nicht berücksichtigt hätten. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte sich m. E. dann ergeben, wenn man die Ereignisse der 350er Jahre ohne Paukenschlag und dafür unter Berücksichtigung gewisser (zunächst) paradox wirkender Wendungen rekonstruiert: Danach wäre aus Liberius’ Briefen Remeante filio und Me frater zu erschließen, dass dieser durch Lucifer von Cagliari auf den Gedanken gebracht wurde, dass im Fall des Athanasius der Glaube selbst auf dem Spiel stehe und dass die Gesandtschaft zu Constantius Teil des Kampfes gegen die Feinde der Kirche und ihres Glaubens sei. Der Brief Sciebam unterstreicht mit der Soldatenmetaphorik den Entbehrungsreichtum dieses Kampfes und ist damit nur plausibel, wenn Liberius hier tatsächlich viel auf dem Spiel stehen sah. Angesichts von Lucifers Werken aus der Exilszeit ist anzunehmen, dass dieser als den rechten Glauben eine Einhypostasentheologie im Sinne des westlichen Serdicense ansah.161 Doch zeigen mehrere Äußerungen Lucifers gerade zu den Anathematismen von N, dass auch diese Lehre von ihm offenbar eher schlagwortartig aufgenommen wurde, sich also kein durchdachtes System wie etwa bei Markell ergab.162 Letztlich bleibt so der etwas eigenwillige Ausgangspunkt des weiteren Geschehens, dass Lucifer von Calaris Liberius in einer für ihn heiklen Situation nach der Synode von Arles 353 mit einer Interpretation des Athanasiusfalles konfrontierte, 159 Man müsste sich schon auf die erst 358 schriftlich greifbare Auseinandersetzung der Homöusianer mit dem Begriff homoousios in Dok. 55,25 (19), AW III 4, 403,7–24.408,3–6, zurückziehen und das Begriffsverbot der 2. Sirmischen Formel als Eingriff in diese (dann schon ältere) Auseinandersetzung werten. Doch wird die 2. Sirmische Formel ja gerade als Konzept für eine reichsweite Einigung der Trinitätsvorstellung gesehen, während Dok. 55 wohl ein doch eher überschaubares Publikum vor Augen hatte, was kaum die Sorge der 2. Sirmischen Formel um die Ruhe der Gläubigen erklären würde (vom spekulativen Charakter der o. g. Möglichkeit ganz abgesehen). 160 Vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 315 m. Anm. 323. 161 Vgl. für Lucifer die Untersuchung von Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 217–229. 162 Vgl. die Kritik bei Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 222 f. sowie die Beobachtung in der Praefatio von Diercks, Luciferi Calaritani opera quae supersunt, CXVI f., dass Lucifer durch die allzu formelhafte Verwendung von Anathematismenelementen teilweise Aussagen wie erat filius, quando non erat (sic!) produzierte.

Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen

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bei der es eigentlich um das ging, was Lucifer als Glaube von Nizäa ansah. Liberius übernahm die Sicht, dass der (nizänische) Glaube in Gefahr sei und verwies Eusebius in diesem Sinne an Lucifer, der diesen ausweislich des Anfangs von Sciebam bei seinem Aufenthalt in Vercelli ebenfalls überzeugte. Lucifer trug hier wohl auch schon den Brief des Liberius an Constantius bei sich, der später dem Kaiser in Mailand überreicht wurde. So gesehen ist es durchaus möglich, dass mit Liberius’ Rede von der expositio fidei apud Nicheam confirmata tatsächlich »bereits« das Nizänum gemeint war. Wichtig erscheint mir aber, dass Liberius als Zielangabe nicht einfach das Zitieren von N o. ä. fordert, sondern erreichen will, dass diese Glaubenserklärung nach einer Erörterung über den Glauben cum exemplo in futurum custodiri. Dies ließe sich so verstehen, dass Liberius – von den aktuellen Streitigkeiten abgesehen – von einem bisherigen Festhalten am Nizänum ausgeht, was aus historischer Sicht nun nicht gänzlich der Fall war. Die Alternative scheint mir daher nicht darin zu liegen, ob N im Jahr 354 auch dem Liberius in seinen Briefen an Eusebius und Constantius unbekannt war oder nicht. Mit Simonetti würde ich von einer Verfügbarkeit des Textes in Rom ausgehen, mit Ulrich hielte ich es für plausibel, dass ein Lucifer auch mit diesem Text vor Augen eher von »fundamentalistischen« Gedanken als von einer theologischen Analyse dieses Textes geleitet würde. Wichtig für das Verständnis der weiteren Ereignisse ist m. E. genau diese Mischung: In der von Lucifer initiierten Verknüpfung von Athanasiussache und Glaubenssache kommt die Sprache auf den Glauben von Nizäa, der aktuell gefährdet ist und für die Zukunft gesichert werden muss. Dazu ist für Liberius eine Erörterung nötig, die dann kaum den Inhalt dieser fides aussparen kann. Damit ist noch nicht gesagt, worin dieser Inhalt genau besteht bzw. wie der Wortlaut der expositio fidei, quae inter tantos episcopos apud Nicheam ... confirmata est exakt zu verstehen ist. Es wurde aber auf römische Initiative eine Tür aufgetan, die 353 in Arles noch nicht im Blick war.

Konzept und Beginn der Synode Dass Constantius dann tatsächlich eine Synode einberief, lag indes daran, dass die Synode von Arles in der Athanasiussache offensichtlich noch keinen durchschlagenden Erfolg gebracht hatte. Es lag daher im Interesse des Kaisers, durch eine diesmal geschickter konzipierte Synode der lästigen Personalie ein Ende zu machen.163 Konzept und Ablauf dieser Synode haben angesichts der bruchstückhaften Informationen zu diversen Vermutungen in der Forschung geführt. Auch hier sind letztlich Kombination und Interpretation der erhaltenen Quellen entscheidend.

163 Vgl. dazu Brennecke, Hilarius von Poitiers, 164.

142 | Müller Für die Abläufe stehen uns ein fragmentarischer Bericht des Hilarius164 sowie die knappe Darstellung bei Sulpicius Severus165 , der zumindest teilweise von Hilarius abhängig ist, und die Berichte der Kirchenhistoriker zur Verfügung.166 Für die Größe und Zusammensetzung der Synode ist uns eine Unterschriftenliste erhalten,167 die einem Brief der Synode an Eusebius von Vercelli168 beigefügt wurde und die Namen derjenigen Bischöfe enthielt, die zu diesem Zeitpunkt die Verurteilung des Athanasius mittrugen. An Eusebius schrieben daneben auch Kaiser Constantius sowie die römischen Legaten. Folgte man der Darstellung des Socrates in h. e. II 36,2 (Soz., h. e. IV 9,1 f.), so hätte die Mailänder Synode mit 300 Teilnehmern Dimensionen wie das vermeintliche Vorbild Nizäa gehabt. Die Bedeutung der Veranstaltung wäre dann schon durch die Zahl Ihrer Bischöfe dokumentiert und es wäre Constantius’ Plan gewesen, an einem Ort möglichst viele Bischöfe zusammenkommen zu lassen, die sich dann hic et nunc gegen Athanasius aussprechen sollten. Denn bei allen übrigen Unterschieden besteht Einigkeit in der Forschung, dass dies das Ziel des Kaisers war. Vielleicht kann man daher sagen, dass die Mailänder Synode mit einem Missverständnis – oder besser gesagt: mit Fehleinschätzungen – begann: Von römischer Seite hoffte man, entsprechend dem Vorlauf, unter anderem de fide zu diskutieren und vielleicht auch so die Athanasiussache zu einer gütlichen Einigung zu bringen, vor allem aber das Verhalten der römischen Legaten in Arles ungeschehen zu machen. Von kaiserlicher Seite (inklusive der Gegner des Athanasius) war letztlich ein »kurzer Prozess« in rein personeller Hinsicht geplant. Dieser Eindruck verstärkt sich sogar noch, wenn man der überlieferten Unterschriftenliste der Synode mehr Glauben schenken mag als Sokrates. Ihr zufolge nahmen an der Synode zwar nur etwa 30 Bischöfe teil;169 auch sind einzelne Namen in ihrer Schreibung schwierig, vor allem fehlen uns explizite Angaben zu den Bischofssitzen. Folgt man jedoch den Zuordnungsversuchen von Smulders,170 so ergibt sich, dass es sich in einem quasi »exemplarischen« Sinn um eine reichsweite Besetzung handelt: Bischöfe aus verschiedenen Provinzen in Ost und West ergeben ein entscheidend anderes, weil repräsentativeres Bild als es bei der wohl eher regional geprägten Synode von Arles der Fall zu sein schien. Diese »ökumenische Dimension« wird auch aus den programmatischen Aussagen des Kaisers in seinem Brief an Eusebius deutlich, wenn Constantius in § 3 erklärt, dass vor allem diejenigen Bischöfe in Mailand zusammenkommen sollten,

164 Nun Dok. 50.5 in AW III 4, 373–375. 165 Nun Dok. 50.2 in AW III 4, 366–369. 166 Zu den mit diesen sowie mit Athanasius’ und Lucifers Anspielungen verbundenen Problemen vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 165–167. 167 Nun Dok. 50.4 in AW III 4, 371–373. 168 Nun Dok. 50.3 in AW III 4, 369–371. 169 Zu den Einzelheiten vgl. die Einleitung zu Dok. 50.4 in AW III 4, 371 f. 170 Smulders, Hilary of Poitiers’ preface, 109–112.

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die die dort gefällten Beschlüsse andernorts leicht bekannt machen können, und dass in Mailand die Beschlüsse früherer (Partikular-)Synoden bestätigt wurden.171 Sollte Smulders’ Zuordnung stimmen, lässt sich zudem feststellen, dass Constantius den Ausgang der Synode nicht dem Zufall überlassen wollte, wie es bei einer schwerer koordinierbaren Massenveranstaltung leichter hätte der Fall sein können: Es handelt sich weitgehend um Bischöfe, die eindeutig gegen Athanasius eingestellt sein mussten, so der später noch begegnende Patrophilus von Scythopolis als Nummer 26, oder von denen zumindest kein nachhaltiger Widerstand zu erwarten war. Festzuhalten bleibt auch, dass die Liste zwar den Namen des später exilierten Dionysius von Mailand, nicht aber den des Eusebius und des Lucifer enthält. Andererseits steht Dionysius nicht an erster Stelle, was angesichts des Tagungsortes Mailand zunächst verwundern mag. Gerade diese Auffälligkeiten lassen nun aber noch ein paar weitere Schlüsse zu. Zunächst zur Stellung des Dionysius in der Unterschriftenliste: Die Annahme, der Ortsbischof müsste an erster Stelle stehen, ließe den Verdacht aufkommen, dass mit der überlieferten Liste etwas nicht in Ordnung sei;172 letztlich wäre ihre Aussagekraft stark eingeschränkt. Jedoch lässt sich die angenommene Regel, gegen die hier verstoßen würde, durchgängig nur für regionale Synoden in der Spätantike belegen.173 Bei reichsweiten bzw. zu besonderen Anlässen einberufenen interprovinzialen Synoden sind Abweichungen offenbar durchaus üblich gewesen, soweit sich hierfür aus den Quellen überhaupt Regeln ableiten lassen.174 Nach der vorgestellten Interpretation ist die Mailänder Synode aber gerade hier einzuordnen. Als weitere regionale Synode gegen Athanasius hätte sie das Anliegen des Constantius auch wohl kaum weiterbringen können. Die eigentliche – und nur vermutungsweise zu beantwortende – Frage wäre demnach, weshalb nicht Valens von Mursa, der nach dem unten zu betrachtenden Bericht des Hilarius sicher die faktische Leitung innehatte, an erster Stelle genannt ist, sondern der sonst wenig bekannte Caecilianus, vermutlich der Bischof von Spoletum. Möglicherweise sollte hier ein doppelter eher suggestiver Aspekt berücksichtigt werden: Zum einen hätte ein Beginn mit den unvermeidlichen Valens und Ursacius zusammen mit dem Bischof von Arles, Saturninus, nach einer Wiederholung der Synode von 353 ausgesehen. So plausibel es ist, zu vermuten, dass diese drei Bischöfe tatsächlich Zusammensetzung und Ablauf der Synode mit dem Kaiser im Voraus

171 Näheres s.u. bei der Betrachtung des in Text und Übersetzung gebotenen Kaiserbriefs. 172 Nicht tragisch für ihre Auswertung wäre eine gewisse Unvollständigkeit der Liste, wie sie durch die Nennung eines sonst unbekannten Eustomius im Synodalbrief an Eusebius (vgl. Dok. 50.3, AW III 4, 370,10 m. Anm. a) möglicherweise belegt wird. Allerdings wäre auch hier abzuwägen, ob Eustomius evtl. kein Bischof war und somit ganz ordnungsgemäß nicht unterschrieb. 173 Vgl. dazu insgesamt die Untersuchung von Weckwerth, Ablauf, Organisation und Selbstverständnis. 174 Vgl. für italische Interprovinzialsynoden die Problemanzeige von Weckwerth, Ablauf, Organisation und Selbstverständnis, 185 f. sowie seine Zusammenfassung 225.

144 | Müller geplant hatten, so mag es ein psychologischer Schachzug gewesen sein, die starke Lenkung des Synodalgeschehens nicht schon aus der Unterschriftenliste erkennen zu lassen. Zum anderen ist aus dem in Hilarius’ Collectanea erhaltenen Brieffragment Nolo te erkennbar, dass Liberius gerade Caecilianus ausdrücklich verboten hatte, gegen Athanasius zu unterschreiben.175 Er gehörte daher offenbar nicht zu den ausgesuchten bekannten Athanasiusgegnern auf dieser Veranstaltung, sondern zu denjenigen, bei denen es Valens und den anderen gelungen war, vor Ort eine Zustimmung zur Verurteilung des Athanasius zu erwirken. Beides ist interessant vor dem Hintergrund, dass diese Liste offenbar dem Brief der Synode an Eusebius von Vercelli beigegeben wurde, in dem Eusebius, der von Liberius zur Begleitung seiner Legaten zum Kaiser gebracht worden war, zur Zustimmung zu den Beschlüssen der Synode aufgefordert wird. Will man Caecilianus nicht sofortiges »Umfallen« unterstellen, so ist zu vermuten, dass die Synode schon eine Weile tagte, als sie sich an Eusebius wandte. Jedenfalls bot seine Unterschrift an prominenter Stelle einen klaren Hinweis, wie Eusebius das Synodalgeschehen einordnen sollte. Die Überlegungen zum Kontext der Unterschriftenliste ermöglichen nun noch bei zwei anderen Namen eine Klärung:176 1. Der als Nummer 10 genannte Gregor kann nach aller Wahrscheinlichkeit nicht Gregor von Elvira sein, da dessen spätere Korrespondenz mit Eusebius (s. u.) sowie

175 Vgl. Hil., coll. antiar. B VII 4. 176 Aus der Unterschriftenliste lässt sich zudem e negativo vermuten, dass Fortunatian von Aquileia, der laut Liberius’ Brief Sciebam an der Gesandtschaft zu Constantius zur Vorbereitung der Synode beteiligt war (s. o.), wohl nicht an der Mailänder Synode selbst teilgenommen hat. Denn weder ist seine Unterschrift gegen Athanasius in der Liste enthalten noch wurde er verbannt, was allen bekannten Unterschriftenverweigerern in Mailand zuteil wurde. Will man daher nicht annehmen, dass Fortunatian zu dem Zeitpunkt, zu dem die Unterschriftenliste erstellt und mit dem Synodalbrief an Eusebius versandt wurde, in Mailand noch proathanasianisch war, seine Weigerungshaltung aber aufgab, als die Exilierung konkret drohte, so war wohl auch der Bischof von Aquileia nicht in Mailand zugegen. Er hätte dann (wohl nach der Mailänder Synode, evtl. angesichts eines ähnlichen Schreibens, wie es Eusebius nach Vercelli überbracht wurde) spätestens 357 der Verurteilung des Athanasius zugestimmt, der dies in Apologia ad Constantium 27 vermerkt, und dann auch aktiv auf eine Wendung des Liberius gegen Athanasius eingewirkt (so auch Dorfbauer, Zur Biographie des Bischofs Fortunatian von Aquileia, 409–411 mit Quellenangaben und Auseinandersetzung mit der älteren Forschung, die z. T. fest von der Anwesenheit Fortunatians auf der Mailänder Synode ausging). Die vermutliche Nicht-Anwesenheit Fortunatians würde sich auch zu der hier vertretenen These fügen, dass die Teilnehmer der Synode bewusst nach Verlässlichkeit (oder Ungefährlichkeit) ausgewählt worden waren, während man andere Bischöfe nicht einlud bzw. bewusst außen vor ließ. Denn bis 355 musste man davon ausgehen, dass Fortunatian auf der Seite des Athanasius stand (vgl. die Zusammenfassung bei Dorfbauer, Zur Biographie des Bischofs Fortunatian von Aquileia, 408 f. der auch darauf hinweist, dass Liberius ursprünglich Aquileia als Konzilsort vorgeschlagen hatte).

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seine noch spätere Hochschätzung durch die Luciferianer sonst nicht erklärbar wäre. Um welchen Gregor es sich stattdessen handelt, ist nicht ganz klar.177 2. Der als Nummer 24 überlieferte »Rotamus« ist wohl mit Baronius in »Rodanius« zu verbessern, da der Name »Rotamus« nicht belegt ist. Es dürfte sich dabei um Rhodanius von Toulouse handeln, der mit Hilarius von Poitiers auf der Synode von Béziers 356 verurteilt wurde, dessen Exilierung in den Quellen aber teilweise mit Mailand in Verbindung gebracht wird.178 Erhellend ist m. E. die zunächst etwas befremdliche Notiz bei Sulpicius Severus, dass Rhodanius sich mehr aus Anhänglichkeit an Hilarius als aus besonderer Glaubensstärke gegen die Arianer gestellt habe. Es ist daher zu vermuten, dass Rhodanius in Mailand noch ohne besondere Programmatik der Verurteilung des Athanasius zugestimmt hatte und erst unter dem Einfluss des Hilarius in Konflikt mit dessen Gegnern geriet – ohne dass die genauen Details seiner Verurteilung auszumachen wären.179

Das Eingreifen des Eusebius Für die Einschätzung der Rolle des Eusebius (und indirekt des Dionysius und Lucifer) sind nun zunächst die Briefe, die 355 an ihn gerichtet wurden, sowie seine Antwort an Constantius die entscheidenden Quellen. Ich gebe sie in einer möglichen chronologischen Reihenfolge wieder. CChr.SL VIII, 319 (Diercks) Domino honorificentissimo Eusebio episcopo Lucifer episcopus Pancratius presbyter et Hilarius. 1. Calcato capite diaboli et suggestionibus pravis, domine sancte, gratiam tibi a domino nostro concessam rogamus noli negligere, sed ut quantocius te invadente effugetur Arrianorum dogma, iam accelerare dignare. 2. Scit enim dominus et Christus eius, quia,

Übersetzung Bischof Lucifer, der Presbyter Pancratius und Hilarius (grüßen) den hoch geehrten Herrn und Bischof Eusebius. 1. Wir bitten dich, heiliger Herr, nicht die Gnade, die dir vom Herrn gewährt wurde, zu ignorieren, da das Haupt des Teufels und seine schlimmen Einflüsterungen zertreten wurden;180 geruhe stattdessen, dich jetzt zu beeilen, damit die Lehre der Arianer Reißaus nimmt, sobald du (hier) hineinfährst. 2. Der Herr und sein Christus wissen nämlich, dass,

177 Vgl. AW III 4, 372, Anm. d zur möglichen Identität mit dem 359 in Nike anwesenden Gregor. 178 Generell ist die Zuordnung der Exilierten der 350er Jahre in späteren Zusammenfassungen nicht immer gelungen, vgl. etwa die allzu stark zusammengezogene Darstellung des Sulpicius Severus in Dok. 50.2,4, AW III 4, 368,24–369,14. Ein Grund dürfte in der mangelnden Unterscheidung der einzelnen Synoden liegen. 179 Vgl. Anm. a in Dok. 50.4, AW III 4, 373, mit Verweis auf Dok. 50.2. 180 Die Fügung Calcato capite dioboli et suggestionibus pravis ist semantisch inkonzinn, da calcare wohl nur gut auf das Haupt des Teufels passt. Der Bezug zum Folgenden ist wohl eher assoziativ. Da in § 2 ein Vergleich zwischen der (Vor-)Zeit der Apostel und der Gegenwart mit erläuterndem enim anschließt, soll das Bild wohl die grundsätzliche Entmachtung des Bösen als Voraussetzung des aktuellen Handelns betonen.

146 | Müller sicut in adventu beatissimorum apostolorum glorificatur dei nomen in ruina Simonis, ita Valente expulso in adventu tuo dissoluta blasphemantium Arrianorum machina penitus destruatur. Nos, domine sanctissime, a prima die qua Vercellas venimus religionem tuam usque in hodiernum cupimus et dominum rogamus, ut in hac ecclesia restaurationem perpetuam laudent sancti omnes tuamque spiritualem virtutem debita laude prosequantur. 3. Quod credimus perventurum, quia passionem salvatoris superari non posse confidimus. Christus dominus te gloriosum conservet, sanctissime ac beatissime.

wie beim Eintreffen der seligsten Apostel der Name Gottes im Untergang Simons verherrlicht wurde, so (auch) durch die Vertreibung des Valens bei deinem Eintreffen die List der gotteslästerlichen Arianer ganz und gar vernichtet wird. Wir verlangen, heiligster Herr, vom ersten Tag, an dem wir nach Vercelli kamen, bis auf den heutigen nach deiner Frömmigkeit und bitten den Herrn, dass in dieser unserer Kirche alle Heiligen die immerwährende Erneuerung loben und deiner geistlichen Tugend mit dem gebührenden Lob folgen. 3. Dies wird, glauben wir, (dir) zuteil werden, weil wir darauf vertrauen, dass das Leiden des Erlösers nicht zunichte gemacht werden kann. Christus, der Herr, erhalte dich ruhmvoll, Heiligster und Seligster.

Der gleich näher zu betrachtende Brief wirft noch einmal ein interessantes Licht auf die Begegnung von Lucifer und Eusebius in Vercelli. Offenbar hatte nicht nur Lucifer bei Eusebius Eindruck gemacht. Zwar entspricht es spätantiken Briefkonventionen, dem Adressaten möglichst viel zugute zu halten, doch ist damit allein der Tonfall und die Reminiszenz an diese erstmalige Begegnung wohl nicht zu erklären. Vielmehr scheinen beide Bischöfe in ein intensives Verhältnis getreten zu sein.181 Der Text des Briefs der Mailänder Synode, die sich nun an Eusebius wandte, findet sich als Dok. 50.3 in AW III 4, 370 f. Daneben erhielt Eusebius auch ein Schreiben vom Kaiser persönlich: CChr.SL IX, 103 (Bulhart) Constantius victor ac triumphator semper Augustus Eusebio episcopo. 1. Metiri facile posse rei magnitudine commonente gravitatem tuam omnibus ad meam diligentiam pertinentibus praeferre me, coram religione superna quod praecellit, et in meo animo praeminere confido; nam id prudentiae tuae documentis etiam frequenter emissis compertum, cum perspicias id me agere noctibus ac diebus, quod ad venerabilem cultum proficere posse confido.

2. Quid enim mihi gratius est aut utilius quam

Übersetzung Constantius, Sieger und Triumphator, allzeitiger Augustus, (grüßt) Bischof Eusebius. 1. Ich bin überzeugt, dass deine Erhabenheit angesichts der mahnenden Bedeutung der Angelegenheit leicht ermessen kann, dass ich allen Dingen, die nach meiner Sorgfalt verlangen, das vorziehe, was sich im Rahmen der erhabenen Gottesverehrung hervortut, und (dies) in meinem Herzen Vorrang hat; denn dies (ist) deiner Klugheit durch die Dokumente, die sogar wiederholt verschickt worden sind, bekannt, da du erkennst, dass ich Tag und Nacht darauf hinarbeite, weil ich darauf vertraue, zum ehrwürdigen Dienst (sc. an Gott) beitragen zu können. 2. Was nämlich ist mir lieber oder nützlicher als Gott

181 Vor diesem Hintergrund wird vielleicht auch die bei den Kirchenhistorikern berichtete Verstimmung noch einmal neu verständlich, die sich später zwischen beiden durch die Verwerfungen in Antiochia ergab (vgl. Ruf., h. e. X 31). Zumindest wog die Enttäuschung über das Verhalten des jeweils anderen wohl schwerer, wenn dieser bisher als enger Vertrauter gesehen wurde.

Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen

deo animum devouisse, usque adeo, ut huiusmodi studio facilitatem omnem sentiam esse obnoxiam? Itaque ecclesias venerabiles ex intimo mentis affectu semper intueor earumque unitatem omnibus salutarem cupio recuperare ac firmiter obtinere. 3. Ob quam causam conventum sanctorum episcoporum in Mediolanensi placuit fieri civitate, eos vel maxime, qui alibi gesta possint facile revelare; in diversis quippe provinciis episcoporum sunt coacta concilia, et quid per singulas concordi unanimitate decreverunt prudentissimi episcopi, in synodo Mediolanensi perspicue declaratum est; denique venientes pauci de provinciis singulis voluntate communi unanimes protulerunt et iuxta venerationem legi debitam firmaverunt.

4. Quod ergo religioni fuerat consentaneum, eorundem placito corroboratum est, ut ad sanctitatem tuam quatuor de consortio suo censuerint esse mittendos, pariter commonentes te id sequi gravitatem tuam, quod ab utilitatem ecclesiae non abhorret. 5. Nos certe qui esse dei famulos gloriamur, hortamur pariter ac monemus, ut consensui fratrum tuorum adhaerere non differas; confidimus quippe, cum hoc fuerit factum, unitate firmissima posse ecclesias gratulari.

Deus te semper tueatur multos annos, frater carissime atque amantissime.

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mein Herz geweiht zu haben – so sehr, dass ich fühle, dass einem derartigen Bemühen alle Bereitwilligkeit verpflichtet ist? Deshalb habe ich aus der innersten Zuneigung meines Gemüts heraus stets die verehrungswürdigen Kirchen im Blick und begehre, ihre allen heilsame Einheit wiederzuerlangen und fest zu erhalten. 3. Daher entschied ich, dass eine Versammlung heiliger Bischöfe in der Stadt Mailand stattfinden solle, besonders sicherlich derjenigen (Anpassung an dt. Syntax), die andernorts das Verhandelte leicht bekanntmachen könnten; in verschiedenen Provinzen freilich sind Versammlungen einberufen worden, und was die klügsten Bischöfe in einträchtiger Einmütigkeit in den einzelnen (Provinzen) beschlossen haben, ist auf der Mailänder Synode in klarer Weise verkündet worden; mit einem Wort: Die wenigen, die aus den einzelnen Provinzen kamen, haben (dies) in ihrer gemeinsamen Willenserklärung einmütig zum Ausdruck gebracht und gemäß der dem Gesetz geschuldeten Verehrung bekräftigt. 4. Was also mit der Frömmigkeit übereingestimmt hatte, ist durch die Zustimmung derselben bestärkt worden, so dass sie der Ansicht gewesen sind, dass vier aus ihrem Gremium zu deiner Heiligkeit geschickt werden müssen, die dich in gleicher Weise ermahnen, dass deine Erhabenheit dem folgt, was dem Nutzen für die Kirche nicht widerspricht. 5. Wir (Plural maiestatis) freilich, der wir uns rühmen, Diener Gottes zu sein, ermuntern (dich) ebenso wie wir (dich) ermahnen, dass du es nicht aufschiebst, der übereinstimmenden Meinung deiner Brüder anzuhängen; wir sind jedenfalls zuversichtlich, dass, wenn dies geschehen sein wird, die Kirchen in allerstärkster Einheit freudig danken können. Möge dich Gott stets für viele Jahre beschützen, hochgeliebter und liebevollster Bruder.

Eusebius schrieb seinerseits dem Kaiser: CChr.SL IX, 103 (Bulhart) Eusebius Constantio imperatore (sic) Augusto salutem. 1. Ego, clementissime imperator, videns animum tuum deo devotum hoc cupere, quemadmodum per orbem terrarum firma pax ecclesiastica permaneret, satis cum gaudio litteras tuas accepi. Suscepi etiam litteras fratrum et coepiscoporum meorum, quibus hoc intimare dignati sunt, ut plena mihi ratio per ipsos, quos

Übersetzung Eusebius (grüßt) den Kaiser Constantius Augustus. 1. Da ich, gütigster Kaiser, sah, dass dein gottergebenes Herz danach strebt, wie über den ganzen Erdkreis hin ein beständiger Frieden in der Kirche herrschen könne, habe ich deinen Brief mit recht viel Freude empfangen. Ich habe auch einen Brief meiner Brüder und Mitbischöfe erhalten, durch den sie dies mitzuteilen geruhten, dass mir ein vollständiger (Rechenschafts-)

148 | Müller miserant, redderetur et sic facerem quod volebant. 2. Sed quia pleniter mihi ratio reddi non potuit et debui clementiae tuae parere, hoc necessarium duxi, ut Mediolanum venire properarem. Quicquid, domine imperator, cum in praesentiam venero, iustum fuerit visum et deo placitum, id me facturum promitto. Deus te custodiat, gloriosissime imperator.

Bericht durch die persönlich erteilt würde, die sie gesandt hatten und ich infolgedessen tun solle, was sie wollten. 2. Aber weil mir der Bericht nicht vollständig gegeben werden konnte und ich deiner Güte gehorchen musste, hielt dies für notwendig, dass ich eilig nach Mailand komme. Was auch immer, Herr und Kaiser, gerecht und gottgefällig erscheinen wird, wenn ich in (deine) Gegenwart komme,182 das verspreche ich zu tun. Gott behüte dich, ruhmreichster Kaiser.

Klar ist m. E., dass Eusebius’ Brief der letzte sein muss, da er auf die Schreiben von Kaiser und Synode explizit reagiert. Möglich ist, dass die Briefe von Kaiser und Synode gemeinsam an Eusebius gesandt wurden (s. u.). 183 Die genaue Rolle des Briefs der römischen Legaten ist gleich noch zu bedenken. Grundsätzlich geht aber zunächst aus allen drei Briefen hervor, dass Eusebius zu Beginn der Synode nicht in Mailand war, denn: – Der Brief des Lucifer, Pancratius und Hilarius bittet Eusebius, nach Mailand zu kommen, um das Unwesen der »Arianer« zu beenden. Die Rekonstruktion von Williams, nach der Eusebius mit diesem Brief nach Mailand zurückgerufen werden sollte, beruht schlicht auf einer irrigen Übersetzung von destruatur als Praeteritum, worauf schon Simonetti hingewiesen hat.184 Stattdessen steht nach diesem Brief das ersehnte Kommen des Eusebius noch aus. 182 Die Tempora der beiden Prädikate müssten wohl umgekehrt stehen, da Eusebius erst eintreffen muss, um dann festzustellen, was gerecht und gottgefällig ist. Die Übersetzung ist entsprechend angepasst. Derlei Unebenheiten sind auch für die Echtheitsfrage der Epistula Tertia zu berücksichtigen; s. u. 3. Mit der praesentia, in die Eusebius kommen wird, scheint die des Kaisers gemeint zu sein, dessen Gegenwart/Anwesenheit durch die Formulierung etwas Numinoses bekommt. 183 Crovella, San Eusebio di Vercelli, 132–137, (re)konstruiert aus dem schrittweisen Eintreffen jedes einzelnen Briefes in Vercelli mit je neuer Lageeinschätzung ein höchst dramatisches Geschehen, das schließlich in Eusebius’ Entschluss gipfelt, selbst nach Mailand zu kommen. Auch wenn hier ebenfalls die Dramatik des Geschehens betont wird, scheint es doch angesichts mangelnder weiterer Indizien ratsam, eher eine etwas kompaktere Handlungsfolge anzunehmen. 184 Vgl. die Kritik von Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 170–172. Durch Williams’ Fehlübersetzung ergab sich für ihn die Deutung, dass Lucifer bereits auf ein Wirken des Eusebius in Mailand zurückschaut. Dies hätte dann die Konsequenz, dass Eusebius nach anfänglichem Optimismus die Aussichtslosigkeit eines Eintretens für Athanasius erkannt hätte und abgereist wäre – nach der von Hilarius berichteten Episode (s. u.). Simonetti streicht in seinem Aufsatz konsequent die anfängliche Anwesenheit des Eusebius in Mailand, folgert aber daraus eine generelle Distanz des Eusebius zum Athanasiusfall, die sich schon in den mehrfachen brieflichen Werbungen des Liberius angekündigt habe (s. o.; das uneinheitliche Verhalten des Eusebius in Mailand ist noch einmal betont in Simonetti, Scritti di e attribuiti a Eusebio di Vercelli, 450). Doch wie die Annahme bzgl. der Liberiusbriefe entbehrt auch seine These bzgl. des Luciferbriefs angesichts der im Folgenden vertretenen Deutung wohl der Grundlage: Eusebius war schlicht nicht zur Mailänder Synode eingeladen worden, weshalb sein bisheriges Fernbleiben auch nichts über seine persönliche Haltung sagt. Umso sprechender ist dann seine gleich zu behandelnde Reaktion.

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Da Lucifer im Lichte seines späteren Lebens meist als forscher, unnachgiebiger Charakter gezeichnet wird, ist es immerhin bemerkenswert, dass der Brief des römischen Legaten zwar zu kräftigen Vergleichen greift, um die Verteilung von Gut und Böse zu illustrieren, doch weder hier noch in der Folge ein direktes Eingreifen Lucifers ins Synodalgeschehen erkennbar ist. Vielmehr wird gerade aus dem Vergleich mit dem Kampf der Apostel gegen Simon Magus deutlich, dass der Bischof von Cagliari eine Wende des Geschehens ganz von seinem Landsmann Eusebius erhoffte. – Der Brief des Constantius fordert von Eusebius nicht ein Kommen nach Mailand, sondern dessen Zustimmung zu den dort getroffenen Beschlüssen. Der Kern des Briefes lässt sich am einfachsten als programmatische Zusammenfassung des bereits Geschehenen verstehen: Constantius geht es zum Nutzen von cultus und religio um die unitas der Kirchen. Die Synode in Mailand dient dabei der Bündelung früherer Synodalbeschlüsse aus verschiedenen Provinzen, um so zu einem allgemein anerkannten Standard für die Einheit der Kirche zu gelangen. So gesehen ist die anschließende Aussage denique venientes pauci de provinciis singulis voluntate communi unanimes protulerunt et iuxta venerationem legi debitam firmaverunt keine Klage des Kaisers über die geringe Teilnehmerzahl,185 sondern schlicht eine Zusammenfassung (denique = »mit einem Wort«) des kaiserlichen Konzeptes. Mit Blick auf die bereits vorgestellte Unterschriftenliste der Synode ist die Aussage, dass (trotz der kleinen Teilnehmerzahl) diverse Provinzen vertreten seien, keine Übertreibung. Vielmehr verstand Constantius die Mailänder Synode offenbar in einem repräsentativen Sinn als unter reichsweiter Beiteiligung durchgeführte Veranstaltung mit entsprechendem Geltungsanspruch. Eusebius sollte daher offenbar den Beschlüssen per Unterschrift in Vercelli zustimmen. – Der Brief der Synode geht grundsätzlich konform mit dem des Kaisers, auch wenn personelle Angaben differerieren: Constantius spricht in Bezug auf die Gesandten von quattuor de consortio suo, während der Synodalbrief nur Eustomius und Germinius erwähnt. Vielleicht waren sie die Sprecher einer vierköpfigen Delegation? Inhaltlich lassen sich ein paar Ergänzungen zum Constantiusbrief gewinnen: Die Aufforderung, Eusebius solle über Markell, Photin und Athanasius festlegen, was schon beinahe der ganze Erdkreis festgelegt habe, dürfte sich mit der im Constantiusbrief gemachten Angabe zu den Beschlüssen von Mailand identifizieren lassen. Demnach wäre in Mailand einerseits dogmatisch über Markell und Photin (die als haeretici bezeichnet werden) – und insofern zumindest rudimentär de fide – und kirchenrechtlich über Athanasius (der als sacrilegus bezeichnet wird) gehandelt worden. Die Formulierung totus prope definivit orbis ginge dabei mit der Logik

185 So Brennecke, Hilarius von Poitiers, 166 m. Anm. 75. Die Bemerkung deutet daher auch kein Misslingen kaiserlicher Pläne an; vielmehr scheint bis zur Wendung an Eusebius alles nach Plan gelaufen zu sein.

150 | Müller des Constantiusbriefs konform. Sie schließt wohl frühere Entscheidungen mit ein, dürfte aber auch das Selbstverständnis der Synode als »globale« Veranstaltung zeigen. Die Angabe communicato pariter cum his consilio meint dabei nicht, dass Eusebius seinerseits eine Synode initiieren soll, sondern dass die Gesandten selbst Eusebius die genaueren Inhalte der Mailänder Beratungen mitteilen würden, wie ja auch in der Folge eine längere briefliche Ausführung abgelehnt wird. Wie auch im Brief des Constantius ist ein gewisser drängend-drohender Unterton nicht zu überhören. Eine Nicht-Zustimmung zu den bereits getroffenen Entscheidungen soll so offensichtlich als inakzeptabel markiert werden. Dem Brief folgte in der Überlieferung die bereits betrachtete Unterschriftenliste, die offenbar die Ausführungen des Briefes unterstreichen sollte, vor allem, wenn man den Fall des Caecilianus bedenkt (s. o.). Vor diesem Hintergrund ist der Brief des Eusebius an Constantius von einiger Brisanz. Er ist zunächst eine Antwort auf den Brief des Constantius, nimmt aber auch explizit auf das Schreiben der Synode Bezug: Eusebius lobt Constantius’ Sorge um das Wohl der Kirche, wendet dieses Anliegen dann aber gegen die Intention des Kaisers, indem er mit Verweis auf die unbefriedigenden Auskünfte der synodalen Gesandten die Notwendigkeit seines Kommens nach Mailand begründet. Der Brief des Lucifer ist nicht genannt, doch dürften dessen beunruhigende Nachrichten aus Mailand als Motivation gewirkt haben. Ob der Brief von Lucifer, Pancratius und Hilarius schon vorher oder etwa gleichzeitig mit den anderen in Vercelli eintraf, ist nicht zu ermitteln. Je nachdem ergäbe sich eine leicht unterschiedliche Situation: Entweder war Eusebius beim Eintreffen der synodalen Gesandten schon »vorgewarnt« oder aber der Luciferbrief kam in die Besprechung mit diesen Gesandten herein. Jedenfalls scheint eine dieser Varianten eine weniger komplizierte Erklärung der Ereignisse zu geben als wenn man eine »autarke« Reaktion des Eusebius auf die synodalen Gesandten annähme und der Luciferbrief später eingetroffen wäre. Dass Eusebius diesen Brief gegenüber Constantius nicht erwähnt, dürfte diplomatischen Erwägungen geschuldet sein. Die formale Höflichkeit, insbesondere die Wendung debui clementiae tuae parere, kann hier allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Eusebius völlig eigenmächtig und gegen anders lautende Forderungen handelte. Der suggerierte »Gehorsam« ist daher m. E. nicht so zu verstehen, dass Eusebius nach Mailand kommen sollte – denn das fordert ja der Constantiusbrief gerade nicht. Vielmehr »will« Eusebius dem Wunsch des Kaisers gehorchen, indem er, wie anschließend gesagt wird, alles Gottgefällige mittragen will (denn dies war die Forderung des Kaisers) – nur ist dies eben nicht möglich, wenn die Auskünfte der Gesandten unvollständig sind. Möglicherweise gab Eusebius den sicher wenig begeisterten Synodalen seinen kurzen Brief an Constantius mit.

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Eusebius auf der Mailänder Synode Er selbst kam nun tatsächlich nach Mailand, wobei unter anderem in der Athanasiussache eigentlich schon Beschlüsse getroffen worden waren. Zugestimmt zu diesen Beschlüssen hatte ausweislich der o. g. Unterschriftenliste der Mailänder Ortsbischof Dionysius. Dieser war angesichts der obigen Überlegungen und des weiteren Verlaufs kein alter Gegner des Athanasius, sondern war vermutlich ähnlich wie Caecilianus eher ad hoc von Valens überzeugt worden. Lucifer und seine Begleiter hingegen scheinen zum Abfassungszeitpunkt von Synodalbrief und Unterschriftenliste bereits nicht mehr an den Verhandlungen teilgenommen zu haben.186 In diese Richtung weist auch der Bericht des Hilarius über das Auftreten des Eusebius in Mailand, der, wie bereits in 2.1 skizziert, von jeher das größte Interesse zu diesem Thema gefunden hat und sich nun als Dok. 50.5 in AW III 4 findet.187 Umso nötiger ist ein erneuter Blick auf die Tendenz des Textes, das tatsächlich Gesagte und das damit (nicht) Implizierte. Der Bericht wirkt auf den ersten Blick klar tendenziös. Macht man seine Verteilung von Gut und Böse explizit, so ergibt sich folgende Handlung: Der gute Eusebius wird zwangsweise nach Mailand gerufen, um gegen Athanasius zu unterschreiben, wird dort aber durch Hinhaltung schikaniert. Als er dann endlich die Möglichkeit hat, zur Prüfung der Rechgläubigkeit der Anwesenden den nizänischen Glauben zu erläutern und eine professio fidei zu fordern, unterbindet der böse Valens in rabiater Weise den Versuch des Dionysius, auf Eusebius’ Vorschlag hin profitenda scribere. Die einfache Bevölkerung von Mailand schließlich erkennt das Werk der Häretiker und reagiert mit Unmut, was zu einer Verlegung der Verhandlungen in den Palast führt.188 Bedenkt man indes das aus den Briefen rekonstruierte Szenario, so sind einige Details durchaus plausibel: Wenn Eusebius eigenmächtig nach Mailand kam, wäre es nicht überraschend, dass man ihn nicht unmittelbar in synodale Verhandlungen

186 Der Brief Lucifers an Eusebius scheint also verfasst worden zu sein, nachdem Lucifer keine Möglichkeit für eigene Initiativen mehr sah. Seinem Brief zufolge traute er Eusebius offenbar mehr zu als sich selbst. Dies wirft ein interessantes Licht auf Lucifer, legt aber m. E. auch nahe, dass dieser sich der Einigkeit mit Eusebius in der Athanasiussache sicher war. 187 Zum Hilarius’ Bericht vgl. den Text AW III 4, 373–375 sowie die dortigen Anmerkungen. 188 Die erkennbare Parteilichkeit der Darstellung ist der grundlegende Ansatzpunkt für Brenneckes Versuch, den ganzen Bericht als historisch unglaubwürdig zu erweisen. Erhalten blieb in seiner Rekonstruktion ausgerechnet der Punkt der hilarianischen Darstellung, der durch die obige Briefanalyse als sicher sekundäre Deutung des Hilarius erwiesen ist: die angebliche Einbestellung des Eusebius nach Mailand durch Kaiser und Synode. Zu den einzelnen Kritikpunkten Brenneckes an Hilarius, die in der folgenden Analyse zum Teil en passant behandelt werden, vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 178–182. Sie wurden bereits zu einem guten Teil durch Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 177–179 in ihrer Zwangsläufigkeit in Frage gestellt. Allerdings kehrt dieser damit im Wesentlichen zur traditionellen Deutung des Textes zurück, nach der Eusebius N vorgelegt habe, was, wie zu zeigen sein wird, der Text wohl nicht sicher belegt.

152 | Müller einbezog.189 Die Irritation auf der Ebene des Hilariusberichts kommt erst dadurch zustande, dass es vorher heißt venire … praecipitur,190 Eusebius also angeblich auf Befehl nach Mailand kam. Dies dürfte in der Tat eine Verzeichnung sein, die sich in der Formulierung conventus, ut subscriberet 191 fortsetzt. Die dazwischen stehende Aussage adest una cum Romanis clericis et Lucifero Sardiniae episcopo192 fügt sich gut zu dem Eindruck, den die Unterschriftenliste vermittelt:193 Da Lucifer und die römischen Kleriker die Verurteilung des Athanasius nicht mitgetragen hatten, scheinen sie im weiteren Synodalverlauf isoliert worden zu sein. In dieser Lage befand sich letztlich nun auch Eusebius. Auch der Ärger des Valens194 wäre im Kern verständlich, da Eusebius mit seinem Auftreten offenbar bereits gefällte Beschlüsse unterminierte. Das Verhalten der Bevölkerung195 schließlich könnte insofern zu Recht erwähnt sein, als mit der folgenden Verurteilung und Exilierung des Ortsbischofs Dionysius eine jener personellen Veränderungen stattfand, die im 4. Jahrhundert verschiedentlich zu Protesten in der örtlichen Bevölkerung führten.196 »Erfunden« wäre dann von Hilarius nicht der Unmut der Bevölkerung als solcher, sondern die kausale Verknüpfung mit dogmatischen Positionsbestimmungen. Es bleibt die Einschätzung der theologiegeschichtlich relevanten Aussagen in § 2 und zu Beginn von § 3 von Dok. 50.5: (… ait de sacerdotali fide prius oportere constare; compertos sibi quosdam ex his, qui adessent, heretica labe pollutos). expositam fidem apud Niceam, cuius superius meminimus, posuit in medio spondens omnia, se, quae postularent, esse facturum, si fidei professionem scripsissent. Dionysius Mediolanensis episcopus cartam primus accepit. ubi profitenda scribere coepit, …197

Genau genommen geht es um zwei Fragen, nämlich ob Hilarius’ Formulierungen bedeuten, dass Eusebius in Mailand N vorgelegt hat – und ob dies der historischen Wahrscheinlichkeit entspricht. Nach den bisherigen Überlegungen ist m. E. zumindest festzuhalten, dass dies

189 Dies ist zumindest dann stimmig, wenn man nicht, wie Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 157 davon ausgeht, dass Eusebius nach eigenem Belieben an der Synode teilnehmen oder nicht teilnehmen konnte (s. o.). 190 AW III 4, 374,1 f. 191 AW III 4, 374,10 f. 192 AW III 4, 374,7–9. 193 S. o. und die Einleitung AW III 4, 371. 194 AW III 4, 374,19–23. 195 AW III 4, 374,23–375,2. 196 So ein Vorschlag von Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 179, der letztlich Brenneckes eigene Feststellung zu diesem Sachverhalt (Brennecke, Hilarius von Poitiers, 181) aufgreift. 197 AW III 4, 374,11–20.

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1. nicht unbedingt durch den Verweis auf eine generelle Nicht-Existenz von N im Westen verneint werden kann. Nach der gängigen Rekonstruktion der frühen Biographie des Eusebius war dieser um 340 Lektor in Rom unter Julius, dürfte also von römischen Gegebenheiten geprägt gewesen sein.198 Eventuell hatte er dort sogar Athanasius persönlich erlebt.199 Rein »technisch« wäre also ein Bezug auf N wohl möglich. 2. nicht, wie bei Brennecke (s. o., aus einem anderen Verständnis der Briefe heraus), durch die generelle Unglaubwürdigkeit des Hilariusberichts quasi automatisch abgelehnt werden muss. Indes lassen sich die Bedenken von Brennecke (und Ulrich) auch nicht einfach mit dem Hinweis auf die rein technische Möglichkeit, N einsetzen zu können, ausräumen, zumal dem Ergebnis von Ulrich, dass westliche Theologen dieser Zeit, von denen wir trinitätstheologische Aussagen greifen können, tendenziell im Sinne des westlichen Serdicense dachten, m. W. bisher nicht entscheidend widersprochen worden ist.200 Ist a priori mit allen Möglichkeiten zu rechnen, so muss ein Blick in den Text der Paragraphen 2 und 3 prüfen, ob hier überhaupt die Vorlage von N behauptet wird: Zu Beginn von § 2 heißt es, wie schon erwähnt, dass Eusebius herbeizitiert wurde, um gegen Athanasius zu unterschreiben. Hinsichtlich des Zweckes ist so letztlich die Forderung aus den Briefen von Synode und Kaiser wiederholt. Eusebius’ Reaktion, wegen Häresieverdacht eine Klärung des Glaubensstandes der Synodalen zu fordern, könnte man als Aufnahme der Perspektive des Luciferbriefs, die eben Eusebius’ eigene geworden war, verstehen. Über die so gebaute Brücke könnte der ehemalige Begleiter der römischen Legaten zum Kaiser auch das Anliegen des Liberiusbriefs an Constantius, de fide tractare, eingebracht haben wollen. Nun folgt der heiß umstrittene Satz expositam fidem apud Niceam, cuius superius meminimus, posuit in medio spondens omnia se, quae postularent, esse facturum, si fidei professionem scripsissent.201 Für die Ebene des Hilariustextes scheint es sich bei der exposita fides apud Niceam durch den Rückverweis cuius superius meminimus (trotz fehlendem Bezugspunkt im erhaltenen Text) klar um den Text von N zu handeln. Und so hätte man nach traditioneller Lesart die Vorstellung vor Augen, Eusebius habe im entscheidenden Moment ein Exemplar von N aus seinem Gewandbausch gezogen. 198 Wie in 1. skizziert, war Eusebius laut Hieronymus (vir. ill. 96) lector ecclesiae Romanae; vgl. jedoch die dortigen Ausführungen zu den Schwierigkeiten, seine Biographie vor seiner Zeit als Bischof zu rekonstruieren. Zur Kenntnis von N in Rom vgl. die o. g. Ausführungen Simonettis. 199 Natürlich sollte man auf diese Eventualität keine weiteren Spekulationen aufbauen. Es sei nur darauf hingewiesen, weil Simonetti in seiner Miszelle Ancora una nota su Eusebio di Vercelli, 349 gegen meine Äußerungen über Eusebius in »Das Phänomen des lateinischen Athanasius« darauf besteht, dass ein Werben des Eusebius für Athanasius im Westen eine Begeisterung voraussetzt, die nur aus einer persönlichen Bekanntschaft entstehen könne. Siehe dazu den Exkurs am Ende von 1. 200 Dies kommt m. E. in der ansonsten wichtigen Einwendung Simonettis zu kurz. 201 AW III 4, 13–17.

154 | Müller Doch bedeutet der Ausdruck aliquid in medio ponere nicht so sehr das physische Vorlegen, sondern mehr das Darlegen eines Gegenstandes. Danach hätte Eusebius den Inhalt des Glaubens von Nizäa (an den eben auch Hilarius in seinem Text vorher erinnert hatte) dargelegt. Gestützt wird diese Deutung m. E. durch die im Text folgenden Formulierungen. Eusebius gelobt, alles, was die Synodalen wollten, zu tun, si fidei professionem scripsissent. Das heißt nun nicht, dass hier ein vorliegender Bekenntnistext unterschrieben werden sollte (so wie oben in Athanasium subscribere202 ), sondern dass eine professio fidei verfasst (oder zumindest: zu Papier gebracht) werden sollte.203 Dazu passt die Formulierung im übernächsten Satz, dass Dionysius profitenda scribere coepit,204 also »anfing, das aufzuschreiben, was zu bekennen war«. Eine reine Unterschrift unter einen vorgelegten Text lässt sich schwerlich so beschreiben. Wenn dem

202 AW III 4, 10 f. 203 Das Werk des Hilarius bietet für die Unterscheidung von scribere und subscribere im Kontext von Bekenntnissen und Synodalentscheidungen einschlägiges Vergleichsmaterial. So reflektiert Hilarius in seinem Audienzgesuch an Constantius II. (Liber II ad Constantium = Dok. 62.2) intensiv über die Problematik des fidem scribere im Unterschied zum Bewahren des reinen Glaubens im Herzen. Aus den Anspielungen auf diverse Bekenntnisse des Jahres 359 wird klar, dass fidem scribere neben dem reinen Aufschreiben auch das Verfassen eines Bekenntnisses meinen kann (vgl. v. a. Dok. 62.2,4–6, AW III 4, 535,4–539,1). Hingegen findet sich subscribere mehrfach in Hilarius’ Dokumentation zur Synode von Rimini 359, so u. a. in Hil., coll. antiar. A V 3 = Dok. 59.8,4, AW III 4, 470–471. Das Dokument belegt zudem bzgl. subscribere die Bedeutungsdifferenzierung zwischen subscribere mit Akkusativobjekt im Sinne von »etwas unterschreiben« und subscribere mit Dativobjekt im Sinne von »zu etwas zustimmen« (vgl. AW III 4, 471 Anm. a). Es ist daher davon auszugehen, dass Hilarius mit der Formulierung si fidei professionem scripsissent Ähnliches meinte wie in Dok. 62.2 und daher nicht ausdrücken wollte, dass die Synodalen ein vorgelegtes Bekenntnis unterschreiben sollten. Vielmehr legt sich ein Textverständnis nahe, demzufolge Eusebius das Formulieren einer Glaubenserklärung verlangte, um etwaige Häretiker (aus seiner Sicht) entlarven zu können. Ein solches Bekenntnis müsste natürlich kein völliges Novum sein, sondern man hätte sich durch Anlehnung an bestehende Bekenntnisse positionieren können. Zur Frage, ob in diesem Sinne auch N eine Vorlage sein konnte, s. u. Eine bezeichnende Gegenprobe bietet, wenn auch offenbar unbedacht, Crovella, San Eusebio di Vercelli, 139–141, der zur Ausmalung der Szene um Eusebius und Dionysius die entsprechende Darstellung aus der von ihm (im Gegensatz zur Vita antiqua) hoch geschätzten Vita sancti Dionysii ausgiebig heranzieht. Crovella versteht die dortige Schilderung offenbar als synonym zur Episode bei Hilarius. In den von ihm angeführten Paragraphen 12 und 13 heißt es aber: [Die Arianer fordern von Eusebius die Verurteilung des Athanasius.] Quibus Eusebius sanctus: Vos pro fide non vultis subscribere; et mihi suadetis damnare fratrem meum sine causa? ... [Es folgt ein Aufruhr der Rechtgläubigen in der Kirche gegen die Arianer] Remota seditione, allatum volumen catholicae fidei apud Niceam urbem promulgatae continens dogma a Dionysio praesule atque Eusebio subscriptum est. Zugespitzt könnte man sagen, dass erst die Formulierung in der Vita sancti Dionysii Crovella die Ereignisfolge bietet, die er für die historische in Mailand hält. Letztlich ist dies jedoch im Licht der hier vertretenen Analyse das Problem aller bisherigen Arbeiten zu Hilarius’ Schilderung der Mailänder Ereignisse – mögen sie nun die angebliche Vorlage des Nizänums behaupten, verteidigen oder bestreiten. 204 AW III 4, 19 f.

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so ist, ist aber auch in dem kurzen vorherigen Satz Dionisius Mediolanensis episcopus cartam primus accepit 205 mit carta nicht ein fertiges Bekenntnis gemeint. Die Reaktion des Valens, Dionysius »Stift und Papier« zu entwenden, bezieht sich so zunächst einfach auf die Schreibutensilien. Dahinter steht natürlich der angesichts des kaiserlichen Synodalkonzepts verständliche Ärger über die faktische Usurpation der Tagesordnung durch Eusebius. Zu ihr gehört eventuell auch die Zuwendung der carta zuerst an den bisher ja offenkundig nicht »federführenden« Dionysius, die – wenn man diese Leerstelle im Text konsequent füllen will – vermutlich von Eusebius ausging (Valens kann den Vorgang ja nicht eingeleitet haben). Dieser hätte demnach gezielt versucht, Dionysius mit der Tragweite seiner Entscheidung gegen Athanasius zu konfrontieren – wie der weitere Fortgang zeigt, mit Erfolg (s. u.). Als Ergebnis der Analyse des Hilariustexts in Kombination mit den vorangehenden Überlegungen ist m. E. also Folgendes festzustellen: 1. Der Bericht des Hilarius ist tendenziös gefärbt, insofern er zwei kausale Verknüpfungen herstellt, die im Vergleich mit den Briefen um die Mailänder Synode bzw. mit allgemeinen Erkenntnissen zur Kirchengeschichte des 4. Jahrhunderts unwahrscheinlich sind, nämlich einerseits die Verknüpfung von Eusebius’ Kommen nach Mailand auf Befehl (so Hilarius) mit der Forderung, gegen Athanasius zu unterschreiben, und andererseits die Verknüpfung vom Unmut der plebs mit der Bekämpfung des Glaubens. Da Hilarius nicht behauptet, dass Dionysius wegen seines »Bekenntnis-Versuchs« verurteilt wurde, ist hier keine direkte Konkurrenz mit den anders lautenden Darstellungen in späteren Quellen zu konstatieren. 2. Abgesehen von diesen klaren Verzeichnungen lassen sich die übrigen Elemente gut mit dem von den Briefen her zu erwartenden Szenario in Beziehung setzen. Eine grundsätzliche Erfindung der ganzen Szene durch Hilarius muss daher nicht angenommen werden. 3. Der Hilariusbericht behauptet zwar eine Darlegung des Glaubens von Nizäa, nicht aber die physische Vorlage eines »mitgebrachten« Exemplars von N. Stattdessen ist die Darstellung etwas fließender: Erst durch den Rückverweis cuius superius meminimus ergibt sich ein qualitativer Fortschritt gegenüber der Formulierung im Liberiusbrief an Constantius, da Hilarius in seinem neuen literarischen Kontext offenbar sagen will, dass Eusebius den Synodalen das Nizänum erläutert habe. Zieht man Hilarius’ Rückverweis ab, so kann die Episode in ähnlicher Form auch von Eusebius oder anderen nach der Synode erzählt und so auf Hilarius gekommen sein. Was genau Eusebius in Mailand als exposita fides apud Niceam dargelegt hat, ist dann letztlich nicht mehr auszumachen.

205 AW III 4, 18 f.

156 | Müller M. E. bleibt hier der blinde Fleck in der Rekonstruktion der Mailänder Synode. Nach dem Vorlauf der Liberiusbriefe an Constantius und an Eusebius ist es insgesamt plausibel, dass Eusebius als vormaliger römischer Gesandter in Sachen Synodenvorbereitung in Mailand eine Diskussion de fide forderte und dabei als rechtgläubige Position etwas voraussetzte, das er als nizänischen Glauben verstand. Zumindest in diesem Sinne kann der Bericht des Hilarius insgesamt den historischen Befund spiegeln.206 Es ist aber auch möglich, dass Eusebius sich durchaus nahe am Wortlaut des Nizänums hielt. Jedenfalls ergibt sich in Verbindung mit den obigen Überlegungen zur Vorgeschichte der Mailänder Synode der Eindruck, dass weder die Annahme eines plötzlichen Aufleuchtens des Nizänums auf dieser Veranstaltung noch die Vorstellung von einer rein kirchenpolitischen Abwicklung einer Personalie der Dynamik der Ereignisse ganz gerecht werden. Vielmehr sprechen die Hinweise in den Quellen m. E. eher für eine schrittweise Entwicklung in den 350er Jahren, bei der die Deutung der Synode von Arles durch Lucifer von Cagliari einen Impuls auf Liberius von Rom und Eusebius von Vercelli bewirkte, in dessen Folge die fides Nicaena nicht mehr nur ein Schlagwort war, sondern zu neuen inhaltlichen Diskussionen auch im lateinischen Westen Anlass bot.207 Damit sollen nun nicht die Akteure um den römischen Bischof zu »Vordenkern« einer neuen nizänischen Trinitätstheologie stilisiert werden. Vielmehr haben die obigen Überlegungen gezeigt, dass damit zu rechnen ist, dass gerade von eher unkundiger Seite (Lucifer) ein Stein ins Rollen gebracht wurde, dieser aber eben ein wachsendes Potential entfaltete, das dann weitere Wirkungen nach sich zog: Geht man im Kern von der Richtigkeit des Hilariusberichtes aus, so hat Eusebius von Vercelli in Mailand eine positive Darlegung seines als nizänisch verstandenen Glaubens gegeben und war zumindest insofern über die Nennung des Stichworts »Nizäa« in Liberius’ Brief an Constantius hinausgegangen. Hätte Valens das Unterfangen nicht unterbrochen, so wäre in Mailand wohl nicht einfach das Nizänum unterschrieben, aber vielleicht eine Diskussion über den Glauben von Nizäa begonnen und festgehalten worden. In jedem Fall scheint es daher ratsamer, die 2. Sirmische Formel und ihre Wendung gegen die substantia-Terminologie, konkret gegen die Begriffe »homousion« und »homoeusion«,208 als Reaktion auf verschiedene Diskussionsversuche in der ersten Hälfte der 350er zu verstehen, von denen einer 355 in Mailand (vorhersehbar) scheiterte. Die 2. Sirmische Formel wäre dann ein Grundlagenpapier für eine sich als schriftgemäß verstehende Trinitätsvorstellung, die jede weitere terminologisch spekulative Diskussion überflüssig

206 Selbst die kausale Verknüpfung vom Unmut der Ortsbevölkerung mit der Glaubensfrage muss nicht »erst« von ihm stammen, sondern kann m. E. genauso gut die Perspektive von Lucifer und Eusebius selbst widerspiegeln. 207 An der Diskussion über die Entwicklung der 350er Jahre im Osten kann ich mich nicht beteiligen. Sollte Barnes, Athanasius and Constantius, 198 f. gegen Brennecke mit seiner Datierung von Athanasius’ De decretis Nicaenae synodi in die frühen 350er Jahre Recht haben, gäbe es dort eine gewisse Parallelität. 208 So lauten die Umschreibungen der einschlägigen griechischen Begriffe im lateinischen Original von Dok. 51, AW III 4, 378,1f.

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macht, weshalb diese qua Verbot beendet wird. So gesehen wäre es am Ende vielleicht auch nicht entscheidend, »wie nizänisch« der von Eusebius in Mailand explizierte nizänische Glaube genau war. Wichtiger wäre dann wohl, dass mit der römischen Initiative nach der Synode von Arles 353 und ihren Folgen auch im lateinischen Westen ein »Drohpotential« entstanden war, das ein Verbot der substantia-Terminologie und damit des Nizänums selbst im Jahr 357 nach sich zog. Die heftigen Reaktionen, die auf dieses – letztlich ja auch als eher unbedarft zu bezeichnende – Verbotsdenken folgten, führten dann zu der allseits bekannten »Wiederentdeckung« des Nizänums als Maßstab der Rechtgläubigkeit. Der Fall des Eusebius von Vercelli zeigt so exemplarisch die Verquickung von historischen Rahmenbedingungen, theologischen Antagonismen und individuellem Engagement, aus der in kleineren und größeren Schritten die trinitätstheologische Diskussion in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts im lateinischen Westen Konturen gewann.

Der Fall des Dionysius Für die möglichen Verquickungen von theologischen Positionen und persönlichen Verbindungen im konkreten Gang der Ereignisse von Mailand könnte auch der Fall des Dionysius von Mailand einschlägig sein. Alle späteren lateinischen Berichte sind sich darin einig, dass Dionysius zunächst gegen Athanasius unterschrieb, letztendlich aber wie Eusebius und Lucifer verbannt wurde. Dass dies im Kern den Tatsachen entspricht, lässt sich zum einen durch die bereits vorgestellte Unterschriftenliste wahrscheinlich machen: Sie enthält an 21. Stelle den Namen Dionysius, womit wohl der Mailänder Bischof gemeint ist.209 Sie muss daher aber vor dem »Endstand« des Synodalgeschehens erstellt worden sein, da Dionysius ja dann zu den Verurteilten zählte. Insofern Lucifer nicht zu den Unterzeichnern zählt, könnte es sich, wie erläutert, gut um die Liste der ursprünglich anwesenden Bischöfen handeln, die die Verurteilung des Athanasius befürworteten bzw. mittrugen. Zum anderen ist Dionysius’ Verbannung unstrittig bezeugt. Hingegen differieren in den späteren Berichten die Erklärungen für den Wechsel des Dionysius vom Mitläufer zum Widerständler. Die relativ bald einsetzende EusebiusHagiographie bis hin zur Vita antiqua hat den Sinneswandel des Dionysius als literarisch dankbaren Stoff erkannt und in dramatische Szenen mit zunehmend narrativer Ausgestaltung gekleidet. Während Sulpicius Severus (= Dok. 50.2,2, AW III 4, 368,6–10) die Bereitschaft des Dionysius, gegen Athanasius zu unterschreiben, noch an die Bedingung knüpfte, dass vorher über den Glauben verhandelt würde, und dessen spätere Unterschriftsverweigerung mit der Verhinderung solcher Verhandlungen durch die

209 AW III 4, 372,21.

158 | Müller Gruppe um Valens und Ursacius begründete, stand seit Ps.-Maximus von Turin ein Trick des Eusebius im Zentrum:210 Der Bischof von Vercelli bestand angeblich darauf, vor dem Bischof von Mailand gegen Athanasius zu unterschreiben – was nur durch die Tilgung der bereits geleisteten Unterschrift des Dionysius möglich war. Die »Arianer« selbst beseitigten daher dessen Unterschrift, nur um hinterher von Eusebius düpiert zu werden, der nun seine eigene Unterschrift verweigerte. An sich scheint gerade die Bereitschaft des Dionysius, Athanasius zu opfern, die Erklärung des Sulpicius glaubwürdig zu machen, der evtl. auch noch auf heute verlorenes Material aus Hilarius’ Werken zurückgreifen konnte.211 Allerdings gibt eine Unschärfe im Text zu denken: Vor seiner Notiz zu Dionysius vermerkt Sulpicius in Dok. 50.2,2 ganz allgemein, dass Eusebius und Lucifer in Mailand verbannt wurden. Nach der Verbannung des Eusebius in Dok. 50.2,4 wird ebenso die des Liberius, Hilarius und Rhodanius notiert, bevor Sulpicius schließt: cum tamen hi omnes parati essent, Athanasium a communione suspendere, modo ut de fide inter episcopos quaereretur.212 Angesichts der folgenden Aussagen Sed Arrianis optimum visum praestantissimos viros a certamine submovere. Ita pulsi in exilium, quos supra memoravimus… möchte man wohl auch Eusebius und Lucifer zu Sulpicius’ omnes zählen. Dies ist aber angesichts der in den Liberiusbriefen an Eusebius ausgemachten, von Lucifer propagierten Identifizierung des Athanasiusfalls mit der Sache des Glaubens kaum vorstellbar (und betrifft letztlich auch Liberius). Aber auch für Dionysius ist Sulpicius’ Behauptung nach der obigen Rekonstruktion der Ereignisse ungewiss. Denn Dionysius unterschrieb, ausweislich der Versendung der Unterschriftenliste mit dem Synodalbrief an Eusebius, zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht ernsthaft mit einer Diskussion de fide im Sinne des Sulpicius zu rechnen war. Diese Option versuchte letztlich erst Eusebius einzufordern. Dionysius’ Reaktion war (dem Bericht des Hilarius zufolge) zwar positiv, kam aber im Sinne des Sulpicius zu spät. In der drastischen Form, wie es Sulpicius Severus formuliert, gehört der Vorzug der Glaubensdiskussion vor der Personalfrage des Athanasius daher wohl eher zur Tendenz des Chronisten, der seine Glaubenshelden alles Denkmögliche für die Rettung der Orthodoxie versuchen lässt, bis den Häretikern nur ihre Ausschaltung bleibt.213 Andererseits mochte es nahe liegen, dass die spätere hagiographische narrative Ausgestaltung stärker die persönliche Verbindung zwischen Eusebius und Dionysius herausstellte und dabei die Überlistung der »Arianer« durch Eusebius ausschmückte, ohne auf den Aspekt des Glaubensbekenntnisses im Detail einzugehen (zumal wenn man von der Vorlage des Nizänums zur Unterschrift ausging; s. o.). Auf diese Weise konnten sowohl das wundersame Wirken des Heiligen Eusebius

210 Vgl. dazu Speller, A note on Eusebius of Vercelli and the Council of Milan, 162–165. 211 Vgl. die Einleitung zu Dok. 50.2, AW III 4, 367. 212 Vgl. AW III 4, 369,7–10. 213 Zum übergreifenden narrativen Konzept des Sulpicius Severus vgl. Müller, Dekadenzgeschichte oder Heldengeschichte?

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als auch die Beziehung der Bistümer Vercelli und Mailand besser beleuchtet werden, was in späterer Zeit wohl im Vordergrund des Interesses stand.214 Geht man von Hilarius’ Bericht und den vorher angestellten Überlegungen aus, so ist auf der historischen Ebene auch ein weniger spektakuläres Geschehen denkbar: In den zehn Tagen, die Eusebius in Mailand bis zu seiner Zulassung zur Synode warten musste, konnte er durchaus Gelegenheit gehabt haben, Dionysius zu sprechen (wo hatte er Quartier?). Der Mailänder Bischof wäre evtl. in diesem Zuge von Eusebius überzeugt worden, während dessen Auftritt auf der Synode Dionysius vielleicht eher zu den Konsequenzen einer vorher getroffenen (Um-)Entscheidung bewegte. Der persönliche Kontakt zwischen den beiden Bischöfen könnte einen Freiraum für Dionysius eröffnet haben. Zugleich kann Eusebius durchaus inhaltlich im Sinne des Lucifer und Liberius argumentiert haben, was bei Dionysius einen Sinneswandel, keinen Freundschaftsdienst wie bei Rhodanius bewirkt hätte. Als Folge entschied sich Dionysius offenbar gegen die zunächst akzeptierte Verurteilung des Athanasius und wurde deswegen wie auch Eusebius und Lucifer verbannt.

Die Verurteilung von Eusebius, Dionysius und Lucifer durch die Synode Am Ende der Synode von Mailand stand also nicht das von Constantius gewünschte einheitliche Urteil gegen Athanasius. Stattdessen zog das eigenmächtige Eingreifen des Eusebius die Verurteilung von Dionysius, Eusebius, Lucifer, Pancratius und Hilarius nach sich.215 Nach der gängigen Exilierungspraxis des 4. Jahrhunderts wurden sie in heimatferne Gebiete im Osten des Reiches geschickt. Dies hatte nun aber weitere unerwartete Folgen.

214 Zu letzterem Aspekt vgl. die Erläuterungen bei Everett, Narrating the Life of Eusebius, 151–153. 215 Wie eingangs vermerkt, wird der auf den Eklat um Eusebius hin stattfindende Prozess gegen die Abtrünnigen hier nicht eigens untersucht. Laut Sulpicius Severus =Dok. 50.2,3, AW III 4, 368,11–14 m. Anm. a, wurde das weitere Geschehen in den Palast verlegt. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 183 m. Anm. 147, weist mit Blick auf Äußerungen Lucifers darauf hin, dass es sich beim folgenden Prozess um eine reguläre kaiserliche Gerichtsverhandlung handelte. Auch das Exil war als Strafe erwartbar und war daher von den Betroffen offenbar bewusst in Kauf genommen worden.

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2.3 Eusebius nach der Synode von Mailand Die Reaktion des Liberius Der erzwungene Gang ins Exil hatte für mehrere Athanasius treue Bischöfe den Tod in der Fremde zur Folge.216 Vielleicht lässt es auch dieser Umstand verständlich werden, wie Liberius von Rom auf die Nachricht vom Exil der Bischöfe von Vercelli, Mailand und Cagliari reagierte: Er verfasste einen Brief, der die drei (in Vercellenser Tradition: v. a. Eusebius) als eine neue Art von Märtyrern feiert:217 Hil., coll. antiar. B VII 2218 Quamvis sub imagine pacis humani generis inimicus vehementius in membra ecclesiae videatur esse grassatus, vos tamen acceptissimos deo sacerdotes egregia et singularis fides et hic probabiles deo ostendit et iam ad futuram gloriam martyres designavit. Quo itaque praeconio laudis, qua vocis exultatione merita virtutis vestrae praeferam positus inter maerorem absentiae vestrae et gaudium gloriae, prorsus invenire non possum, nisi quod scio hic me probabiliora vobis solatia exhibere, si credatis me in exilio simul vobiscum esse detrusum. Denique me in ipsa adhuc expectatione pendentem, quod a consortio vestro durior necessitas interim detrahit, satis contristor. Optaveram enim, fratres devotissimi, prior pro omnibus vobis impendi, ut exemplum gloriae

Übersetzung Wenn auch unter dem Anschein des Friedens für das Menschengeschlecht scheint der Feind die Glieder der Kirche heftiger anzugreifen – euch jedoch, die Gott liebsten Bischöfe, hat euer herausragender und einzigartiger Glaube sowohl hier als tauglich für Gott offenbart als auch schon jetzt als Märtyrer zu künftigem Ruhm bestimmt. Mit welchem Lobesruf also, mit welchem Jubel meiner Stimme soll ich die Verdienste eurer Tapferkeit verkünden, der ich zwischen die Trauer über eure Abwesenheit und die Freude über euren Ruhm gesetzt bin – kurz gesagt: ich kann keinen Weg finden, außer dass ich weiß, dass ich hier euch tauglichere Trostworte entbieten würde, wenn ihr glaubtet, dass ich zugleich mit euch ins Exil getrieben worden sei. Schließlich werde ich sehr betrübt, dass ich bis jetzt in eben dieser Erwartung schwebe, weil mich unterdessen eine härtere Notwendigkeit von eurer Gemeinschaft abzieht. Ich hatte nämlich gewünscht, ergebenste Brüder, früher, vor euch allen, verwen-

216 Sowohl Paulinus von Trier (nach der Synode von Arles) als auch Dionysius von Mailand starben (bald) an ihren Exilsorten; vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers, 139.192 und Bas., ep. 58,2 (wenn authentisch). 217 Vgl. dazu Williams, Ambrose of Milan, 59 f. Ich kommentiere diesen Brief hier nicht im Einzelnen, da er das Mailänder Synodalgeschehen nicht näher erhellen hilft. Er bildet indes ein wichtiges Scharnier zu Eusebius’ Selbstwahrnehmung im Exil (s.u.). Zudem wäre er näher auszuwerten, wenn man die Entwicklungsgeschichte der Eusebius-Verehrung nachzeichnen wollte, da Eusebius hier erstmals – in einem weiteren, übertragenen Sinn – als »Märtyrer« bezeichnet wird, während die spätere EusebiusTradition, etwa in der Gestalt der Vita antiqua, auch ganz konkret von einem gewaltsamen Tod des Bischofs von Vercelli durch Häretiker ausgeht. 218 Feder, 164,18–166,13. Zur Doppelüberlieferung des Briefs s. o. 1.4. Ich folge vorerst dem Hilarius-Text von Feder, da sich dessen handschriftliche Grundlage eher nachvollziehen lässt. Bulhart notiert zwar in Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 123 die Überlieferung bei Hilarius, scheint aber Feders Text nicht intensiv eingearbeitet zu haben. So liest man in Bulharts Text (hier: in § 3) pro me, wo Feders Text per me hat, ohne dies im Apparat zu finden.

Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen

per me magis vestra dilectio consequeretur. Sed fuerit haec palma meritorum vestrorum, ut priores de perseverantia fidei ad confessionis inlustrem gloriam veniretis. Quaeso igitur dilectionem vestram, ut me praesentem vobiscum [cum] esse credatis atque eo me affectu absentem non esse sentiatis et intellegatis dolere me satis, quod sim interim a vestro consortio disparatus. Quantam denique gloriam fueritis consecuti, hinc magis scire potestis, quod si qui in persecutione coronati sunt, solius persecutoris cruentos gladios sentire potuerunt, contra vos, devoti per omnia dei milites, etiam falsos fratres inimicos experti victoriam de perfidis pertulistis, quorum quantumque in saeculo violentia increscere potuit, tanto sacerdotibus praemia laudis inveniuntur conferre. Estote itaque de promissione caelesti securi.

Et quia proximiores estis deo effecti, vestris orationibus me vestrum consacerdotem famulum dei ad dominum sublevate, ut supervenientes impetus, qui de die in diem, cum annuntiantur, graviora vulnera infligunt, tolerabiliter ferre possim, ut inviolata fide salvo statu ecclesiae catholicae parem vobis dignetur me dominus efficere. Et quia cupio quae gesta sunt in ipsa congressione fidelius scire, obsecro sanctitatem vestram universa fideliter litteris intimare dignemini, ut additamentum maius vel ipse animus, qui diversis rumoribus cruciatur, vel vires corporis ipsius, quae iam extenuatae sunt, de vestra cohortatione possint sentire.

Et alia manu Deus vos incolumes custodiat, domini fratres.

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det zu werden, damit eher eure Liebe einem Beispiel des Ruhmes durch mich folgt. Doch dies wird die Siegespalme eurer Verdienste gewesen sein, dass ihr früher von der Beharrlichkeit im Glauben zum glanzvollen Ruhm des Bekenntnisses kamt. Ich bitte deshalb eure Liebe, dass ihr glaubt, dass ich anwesend mit euch bin, und merkt, dass ich mit dieser Zuneigung nicht abwesend bin und erkennt, dass ich reichlich Schmerz empfinde, weil ich unterdessen von eurer Gemeinschaft getrennt bin. Welch großen Ruhm ihr schließlich erworben habt, könnt ihr eher von daher wissen, dass wenn irgendwelche Männer in der Verfolgung gekrönt wurden, sie allein die blutigen Schwerter des Verfolgers spüren konnten, ihr hingegen, in jeder Hinsicht ergebene Soldaten Gottes, die ihr auch falsche Brüder als Feinde erfahren habt, ihr habt den Sieg über die Treulosen davongetragen, die, je größer ihre Gewalttätigkeit in der Welt wachsen kann, desto mehr befunden werden, den Bischöfen Schätze des Lobes zusammenzutragen. Seid also hinsichtlich der himmlischen Verheißung sicher. Und weil ihr Gott näher geworden seid, erhebt mich, euren Mitbischof und Knecht Gottes mit euren Gebeten zum Herrn, damit ich die unvermittelt aufkommenden Angriffe, die tagtäglich, wenn sie angekündigt werden, schwerere Wunden schlagen, leidlich ertragen kann, auf dass mich der Herr bei unverletztem Glauben und bei heilem Zustand der katholischen Kirche geruht, euch gleich zu machen. Und weil ich begehre verlässlicher zu wissen, was sich bei der Zusammenkunft selbst zugetragen hat, beschwöre ich eure Heiligkeit, dass ihr geruht, alle Einzelheiten getreulich euren Briefen anzuvertrauen, damit entweder mein Geist, der von verschiedenen Gerüchten gepeinigt wird, oder die Kräfte des Körpers selbst, die schon geschwächt sind, eine größere Zugabe von eurer Aufmunterung wahrnehmen können. Gott behüte euch unversehrt, Herren und Brüder.

Auch wenn ein solcher Brief ein schwacher Trost für die Leiden eines Exulanten sein mag, so schließt er doch den Kreis zur Korrespondenz mit Eusebius vor der Synode: Hier wie dort wird die in Mailand zu verhandelnde Angelegenheit als Glaubenssache gedeutet, für die zu kämpfen und jeder Preis zu zahlen sich lohne. Wer diesen Kampf gekämpft hat, darf Verehrung von seinen Glaubensbrüdern erwarten.

162 | Müller Eusebius’ Selbstdarstellung im Exilsbrief an seine Heimatkirche So wie Eusebius offenbar im Vorfeld der Mailänder Synode die Deutung der Athanasiussache als Glaubenssache übernahm, zog er den von Liberius nahe gelegten Schluss, dass nun eben auch sein Leiden ein Leiden für den wahren Glauben sei. Im Tonfall dieser Überzeugung ist ein langer und hoch interessanter Brief des Eusebius an seine Heimatkirche aus seinem ersten Exilsort, Scythopolis, erhalten. Der Text gehört aber schon zu den besser untersuchten Bruchstücken, die wir aus Eusebius’ Leben haben,219 und erfreut sich aktuell einigen Interesses.220 Ich beschränke mich daher an dieser Stelle auf eine kurze Inhaltsübersicht, die die folgenden Ausführungen in 3. vorbereiten mag.221 Eusebius richtete seinen Brief laut dem anfänglichen Gruß an die dilectissimi fratres et satis desideratissimi presbyteri, sed et sanctae in fide consistentes plebes Vercellenses, Novarienses Eporedienses nec non etiam Dertonenses. Der hochschätzenden Anrede von Klerus und Kirchenvolk entsprechend werden die Adressaten für ihren Glaubenseifer gelobt und Eusebius dankt ihnen überschwänglich für ihre lange ersehnten Nachrichten, die durch Getreue überbracht wurden (I 1–II 1). Neben Informationen wurde Eusebius offenbar auch materielle Unterstützung zuteil, die er mit fructus (II 2 f.) umschreibt. Dies ermöglichte es dem Exulanten, die Bedürftigen in der Stadt zu versorgen und so mit den Liebesgaben aus der Heimat vor Ort Gutes zu bewirken (II 3–6). Doch genau dies ist dem Teufel ein Dorn im Auge, der daraufhin die Ariomanitae gegen Eusebius mobilisiert (III 1 f.). Diese unterwerfen ihn zahlreichen Repressalien und isolieren ihn von seinen Glaubensbrüdern, woraufhin Eusebius einen libellus an Patrophilus von Scythopolis schreibt, den er als seinen custos tituliert (III 3 f.). An dieser Stelle (IV–V) ist besagter Brief eingelegt. In ihm protestiert Eusebius gegen seine Behandlung und droht mit Hungerstreik für den Fall, dass Patrophilus ihm weiter den Kontakt zu seinen Anhängern verweigert (s. dazu IV 2 f.). Mit dieser Protestnote, die auch die in 1. zitierte bekenntnisartige Passage enthält (V 1), war Eusebius offenbar erfolgreich. Zumindest darf er nach vier Tagen zurück in sein hospitium (VI 1). Allerdings nimmt er auch die Armenfürsorge wieder auf und scheint nun auch liturgisch tätig geworden zu sein (VI 2). Das zieht nun aber noch heftigere Gewaltmaßnahmen von Seiten der Häretiker nach sich (VI 3–5). Deren Verhalten führt Eusebius zu grundlegenden Charakterisierungen: Sie sind letztlich schlimmer als die heidnischen Verfolger in früheren Zeiten und unterbinden auch noch die Hilfe für die Armen (VII 1–VIII 2). Jedoch ist es eben dies, was die gegenwärtige Situation zu einer Bewährungsprobe für den Glauben 219 Vgl. den Eusebius’ Inszenierung seines Leidens hinterfragenden Beitrag von Washburn, Tormenting the tormentors. 220 Der Brief wird im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Bischofsexil in der Spätantike von Jörg Ulrich untersucht; s. o. 1.2. 221 Die in Klammern angegebenen Zahlen bezeichnen die Paragraphen in Bulharts Edition CChr.SL IX, 104–109.

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aller Rechtschaffenen macht (VIII 3). Eusebius übergeht viele weitere Grausamkeiten seiner Gegner, um den Brief kompakt zu halten, da diese auch seine Korrespondenz mit der Außenwelt unterbinden wollen (IX 1). Nur unter größten Schwierigkeiten konnte der Diakon Syrus den entsprechenden Botendienst bewerkstelligen (IX 2–X 1). Am Ende grüßt Eusebius seine Getreuen in der Heimat ausgiebig und mahnt sie noch einmal zu Standhaftigkeit (X 2–XI 3). Angesichts dieses ausführlichen Briefes lässt sich feststellen, dass Eusebius im Exil offenbar schnell reicher Verehrung teilhaftig wurde, die ihm zugereiste Gläubige aus seiner Heimatkirche entgegenbrachten. Dem Lob des Liberius korrespondierte also offenkundig eine entsprechende Reaktion des Kirchenvolkes in Vercelli und den zugehörigen Gemeinden. Damit einher ging wohl eine nicht unbedeutende materielle Versorgung, die es Eusebius ermöglichte, zum Ärger seines »Gefängniswärters« Patrophilus, dem er in Mailand begegnet war, in Scythopolis weitere Anhänger durch Wohltaten an der Bevölkerung zu gewinnen.222 Eusebius verfügte also im Exil über ein gut funktionierendes Netzwerk, das ihn mit Informationen und Gütern aus dem lateinischen Westen versorgte und dessen er sicher nicht verlustig ging, als er seinen Exilsort wechseln musste.223 Neben allen Informationen über die äußeren Bedingungen des Bischofs von Vercelli im Exil gewinnen wir auch ein relativ klares Bild von Eusebius’ innerer Verfassung – soweit er sie im Brief zeigen will. Demnach verstand sich Eusebius ganz als Leidender für den Glauben, als Kämpfer für eine gerechte Sache, die letztlich genau diesen seinen entschiedenen Einsatz verlangte, aber auch lohnte. Bei aller Klage über die unmenschliche Behandlung durch seine Gegner vor Ort lässt Eusebius doch zugleich erkennen, dass all diese Repressalien letztlich einer klaren übergreifenden Logik unterliegen: Der Teufel selbst streitet gegen die Gläubigen und ihr gutes Tun. Die neue Situation des »Martyriums« durch Häretiker, die Liberius ganz allgemein für die Verbannten skizziert hatte, war für Eusebius konkrete Realität geworden.

3 Ein Echtheitsproblem: Der Brief des Eusebius von Vercelli an Gregor von Elvira und sein Kontext 3.1 Stand der Diskussion Die Echtheit des Briefs von Eusebius von Vercelli an Gregor von Elvira ist, nach einzelnen Beiträgen ab dem 18. Jahrhundert, seit etwa hundert Jahren (seit dem Aufsatz von 222 Zur Wirkung der fructus vgl. ep. II, II 6 und zu den weiteren Hintergründen Washburn, Tormenting the tormentors. Zu Patrophilus in Mailand vgl. AW III 4, 373,3 m. Anm b. 223 Laut Hier., vir. ill. 96, wurde Eusebius von Scythopolis nach Kappadokien verlegt. Vielleicht war der Konflikt mit Patrophilus nicht anders zu lösen gewesen? Zum dritten Exilsort s. u. 3.

164 | Müller Saltet 1905224 ) immer wieder zu einem Streitthema geworden.225 Dabei lässt sich keine klare Tendenz bzw. eine Mehrheitsmeinung ausmachen. Für die Echtheit traten unter anderem Duchesne, Wilmart, Feder, Bardy226 , Bulhart227 und Williams228 ein, Saltet229 , Simonetti230 , Hanson231 und Pérez Mas232 sahen den Brief als luciferianische Fälschung an. Die über Jahrzehnte schwelende Debatte gleicht dabei teilweise einem Ping-PongSpiel, da manche Teilnehmer bestehende Argumente in späteren Beiträgen primär wiederholen233 , andere die Argumente der Gegenseite schlicht für haltlos erklären bzw. sie kaum eingehender zu widerlegen suchen.234 Im Folgenden soll zunächst der Inhalt des Textes betrachtet werden, da schon hier offenbar manche Unklarheiten in der Einschätzung aufgetreten sind. Danach lassen sich die Argumente gegen die Echtheit besser würdigen. In diesem Zusammenhang ist auch stärker, als dies bisher offenbar geschehen ist, auf die unbestritten echten Eusebiusbriefe einzugehen. Nach der Stellungnahme zur Echtheitsfrage können Überlegungen zum Entstehungskontext des Textes angestellt werden.

224 Saltet, La formation de la légende des papes, 222–236. 225 Die lange Geschichte dieses Streits wird deutlich durch die Dokumentation bei Mazorra, La carta de Eusebio de Vercelli, 241–250. Sie zeigt auch, wie früh in der Forschungsgeschichte manche Argumente und ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Widerlegungen auftauchten, ohne dass dadurch der Streit entschieden worden wäre; s. dazu die Aufstellung der Argumente weiter unten. 226 Diese Befürworter nennt Williams, Ambrose of Milan, 51 Anm. 66; eine umfassendere Übersicht über die ältere Forschung bietet Mazorra, La carta de Eusebio de Vercelli, 241–245. 227 Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt; im Folgenden dient der Text bei Bulhart (104–109.110) als Grundlage. 228 Williams, Ambrose of Milan, 50 f. m. Anm. 65 und 66. 229 Vgl. Saltet, La formation de la légende des papes; da Saltet die Unechtheit des Briefes im Kontext einer breit angelegten Fälschungstätigkeit der Luciferianer erklären will, ist grundsätzlich zu berücksichtigen: Saltet, Fraudes littéraires. 230 Vgl. Simonetti, Scritti di e attribuiti a Eusebio di Vercelli, 452–455 bzw. Dal Covolo, Eusebio di Vercelli e il suo tempo, 174 f. 231 Vgl. Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 508 Anm. 2, dem sich auch Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 230 m. Anm. 92, anschließt. 232 Vgl. Pérez Mas, La crisis luciferiana, 164–169. 233 Vgl. die Angabe bei Simonetti, Eusebio nella controversia ariana, 174. 234 Dies ist etwas bedauerlich bei der anregenden Studie von Williams, Ambrose of Milan, 50 f. m. Anm. 66 sowie 61 f. Williams hat m. E. eine richtige Idee zum Umgang mit der Echtheitsfrage gehabt, den Vertretern der Fälschungsthese jedoch durch eine etwas kurz angebundene Diskussion mehr Spielraum als nötig gelassen.

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3.2 Inhalt des Briefes Auf der Ebene des Textes235 ist Eusebius von Vercelli der Verfasser. Sein Adressat ist Gregor von Elvira. Eusebius ist zwar im Gruß wie Gregor ohne Ortsname genannt, doch dürften Bedenken bezüglich der Identitäten der Personen unbegründet sein. Das Explicit in Hilarius’ Collectanea bezeichnet Gregor als Spanensis.236 Kombiniert man die Bezeichnung Gregors als Spanier mit seiner im Brief charakterisierten Haltung, so dürfte sich für Gregor keine alternative Identifizierung anbieten. Eusebius bezeichnet Gregor im Gruß als sanctissimus, spricht angesichts eines vorausgegangenen Briefs Gregors von sinceritas tua und lobt ihn für seinen Widerstand gegen den transgressor Ossius und für die Verweigerung seiner Zustimmung gegenüber »den überaus vielen, die in Rimini … schwach geworden sind«. Der Text sagt damit nur, dass Eusebius von Gregor über dessen Verhalten gegenüber Ossius und gegenüber den Teilnehmern der Synode von Rimini informiert worden ist. Weder ist die Form des restitisse gegenüber Ossius näher bestimmt noch setzt die Aussage zu Rimini die Anwesenheit Gregors auf dieser Synode voraus237 . Interessant für die dogmatische Position des Eusebius ist es, dass er im Text Gregor als Bewahrer der fides Nichaena bezeichnet und ihn zum Festhalten an eben diesem Bekenntnis (Permanenti … in eadem confessione) ermuntert. Denn aus den Quellen zum Leben des Eusebius bis 360 (wie aus den Quellen zum abendländischen Bekenntnis vor den Verbannungen von Eusebius, Lucifer und Hilarius) ist nicht ganz sicher zu erschließen, welche genaue Rolle N bis dahin für Eusebius (und für andere westliche Bischöfe) spielte.238 Der Brieftext erweckt dagegen den Eindruck, dass die fides Nichaena schon immer »das« Bekenntnis des wahren Glaubens gewesen sei. Diese im ersten Moment ggf. irritierende Haltung des Textes spiegelt m. E. den Prozess der allmählichen Bedeutungsvergrößerung und -konkretisierung des Nizänums wider, der schon im Umfeld der Mailänder Synode beobachtet wurde.239

235 Nun Dok. 63, AW III 4, 556–559. Ich verweise, sofern nicht anders angezeigt, auf diese Edition und die beigegebene Übersetzung. 236 Vgl. Feder, 46. 237 So schon Krüger, Lucifer, 79 und Simonetti in seiner Edition von Gregors De fide (Simonetti, Gregorio di Elvira, La fede, 8). 238 Gegen eine genauere Kenntnis von N im Abendland vor 357 wendet sich die Untersuchung von Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 136–159.217–230. Zum Problem und einer möglichen Differenzierung der Befunde vgl. die Überlegungen in 2. 239 Vgl. meinen Einschätzungsversuch in 2. Ginge man, wie Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 143–147 und Brennecke, Hilarius von Poitiers, 178–182, v. a. 181 m. Anm. 143, von einem grundlegenden Umschwung in der theologischen Diskussion ab 357 aus (vorher wäre das westliche Serdicense der Maßstab), der sich für westliche Bischöfe zeigen lasse, so würde der Brief an Gregor ein erstes Ergebnis dieses Umschwungs bei Eusebius darstellen.

166 | Müller Das Lob für das Bewahren des Glaubens verbindet Eusebius im Fortgang des Textes mit seinem Dank für Gregors solidarisches Schreiben und sichert ihm im Gegenzug seinerseits die Gemeinschaft zu. Aufgrund dieser Gemeinschaft kann Eusebius Gregor nun zum Handeln aufrufen: Gregor soll literarisch gegen die transgressores tätig werden und – nach einem Zwischengedanken – Eusebius darüber auf dem Laufenden halten, »welche Fortschritte du beim Zurechtweisen der Bösen gemacht hast oder wieviele du als Brüder oder Aufrechte erkannt hast oder selbst durch dein Mahnen gebessert hast.« Die Bitte um weitere Information ist dabei nichts anderes als eine höfliche Aufforderung zu einer differenzierten »Sondierung« im bischöflichen Umfeld Gregors; neben die Aufforderung zu literarischer Tätigkeit tritt also der Appell zu einer entsprechenden »Personalpolitik«. Dabei ist zu beachten, dass der Umgang mit Personen in Gregors Umgebung differenzierter angedacht wird als die literarische Tätigkeit: Diese soll quasi »contra Arriomanitas« gerichtet werden, während auf der persönlichen Ebene offenbar drei Gruppen im Blick sind: Einerseits die mali, andererseits (vel) die Standhaften und die durch Ermahnung Gebesserten. Die Gliederung malos … vel quantos fratres aut … aut legt nahe, dass die beiden letztgenannten Gruppen enger zusammengesehen werden und von den mali deutlicher geschieden sind. Dies dürfte gelten, obwohl bei den mali wie bei den durch Ermahnung Gebesserten das gleiche Verb corrigere verwendet wird: m. E. wird hier die Bedeutungsbreite von corrigere ausgenutzt, um einmal den Aspekt des Zurechtweisens, im zweiten Fall aber den Aspekt des (Ver)Besserns zu betonen. Sollte dies richtig sein, so wird durch die bewusste Doppelverwendung von corrigere folgender Gedanke illustriert: Gregors Verhalten wirkt gegenüber allen, die nicht Standhaft geblieben sind, als corrigere. Doch während manche durch die passende Ermahnung (monendo) wieder auf den rechten Weg gebracht werden können (und daher auch unter die fratres zu rechnen sind), erweisen sich andere als mali und können als solche nur zurechtgewiesen werden.240 Hinter den mali dürften dabei die »Ariomaniten« stehen, während sich die fratres in untadelige und gefallene teilen. Letztere können aber wieder zurecht gebracht werden.241 Eine Versetzung gefallener Bischöfe in den Laienstand, wie dies die Luciferianer offenbar forderten,242 ist nicht erwähnt.

240 Die Mehrfachverwendung eines Wortes innerhalb eines Gedankens ist offenbar typisch für den Stil des Eusebius (soweit aktuell fassbar), wie eine Betrachtung seines Briefs an seine Heimatkirche zeigt. Vgl. die Untersuchung von Uglione, Il latino di Eusebio, 331 f. Ein vergleichbares Beispiel aus diesem Brief wäre etwa: Replestis enim, ut apostulus beatissimus dicit, »viscera mea«, cum complestis mandata divina, quae complere decebat Christianos in episcopum vel ecclesiasticos viros, quos in exilio fidei causa nostis laborare; complestis quae oportebat fratres fratribus facere et patri filios exhibere (= Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 105,45–50; Kursivierung Uglione). 241 Auf die Differenzierung, die hier vorgenommen wird, hat im Prinzip zu Recht Williams, Ambrose of Milan, 51 Anm. 66 hingewiesen. Er unterscheidet allerdings nur zwei Gruppen: mali und quantos fratres. 242 Vgl. dazu Hier., c. Lucif. 3.

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Zwischen den beiden Aufforderungen zu literarischer und persönlicher Tätigkeit wird ein Zwischengedanke eingelegt, der zwei Aspekte enthält: 1. Die Ariomaniten werden allein durch weltliche Macht geeint und beschützt. 2. Eusebius leidet (an seinem inzwischen dritten Exilsort: tertio exilio) mit seiner Verbannung für den rechten Glauben. Beide Aussagen werden durch den biblischen Gedanken verknüpft, dass »unsere Hilfe … beim Herrn (ist), der Himmel und Erde gemacht hat«: Dies betrifft Eusebius wie Gregor im Kampf gegen die von weltlicher Gewalt beschützten »Ariomaniten«. Durch diese im Vergleich zum Briefganzen relativ lange, wenn auch elegant eingefügte, Zwischenpassage werden aber nicht nur Gregor und Eusebius quasi auf höherer Ebene miteinander verbunden, sondern es ist vor allem eine Gelegenheit zur Selbststilisierung des Eusebius, denn auch wenn die Verknüpfung zu Gregor wohl insinuiert ist: Zunächst ist es Eusebius, der über sich selbst sagt: »Wir begehren, in unserem Leiden auszuharren, damit wir … im (Himmel)reich verherrlicht werden können.« Bei aller Hochschätzung Gregors steht in der zweiten Briefhälfte Eusebius’ Leistung im Vordergrund. Nach der bereits erwähnten Bitte um Information zur »Personalpolitik« grüßt Eusebius Gregor und schließt auf beiden Seiten den Anhang mit ein. In der überlieferten Form des Textes wird als Mitgrüßender ausdrücklich ein Diaconus genannt, den Gregor zu kennen scheint. Wohl weil diaconus zunächst nur als Amtsbezeichnung geläufig ist, hat Feder in seiner Edition der Collectanea243 bezweifelt, dass es sich hier um eine Einzelperson handelt, und mit Blick auf eine Formulierung im Schlussabschnitt der ep. II (= CChr.SL IX 109,221 [Bulhart]) »fort. diacones« vermutet. Daneben bietet die Epistula secunda noch weitere Stellen, die für das »Diaconus-Problem« von Interesse sind: Epistula secunda244 197 ff.: Sed concessit mihi dominus hanc epistolam per charissimum nostrum ad vos Syrum diaconem mittere, quem in potestatem mittendi habui … 202 ff.: Ceterum vix hanc epistolam … conscripsimus, deum semper postulantes, ut … concederet, ne ad vos diaconus nuntium magis laboris nostri quam qualescumque salutationis litteras ferret. 220 ff.: Salutant vos fratres nostri, qui mecum sunt presbyteri et diacones, sed et omnes nostri; qui una mecum satis petunt, ut nostri memores omnes vestros nostro dignemini obsequio salutare.

Epistula tertia (Bulhart)

24 ff.: Salutant te omnes, qui mecum sunt, maxime Diaconus, simulque petunt, ut cunctos lateri tuo fideliter adhaerentes nostro digneris obsequio salutare.

Der Vergleich erklärt Feders Vermutung: Sie beruht auf der weitreichenden wörtlichen Übereinstimmung der beiden Schlusspassagen in ep. II und ep. III. Allerdings heißt es 243 Zur Überlieferung vgl. die Ausführungen in 1.4. 244 Zeilenzählung nach Bulhart.

168 | Müller in ep. II: Salutant vos … presbyteri et diacones, sed et omnes nostri … Im überlieferten Text von ep. III ist hingegen durch Salutant te omnes … maxime Diaconus … »Diaconus« deutlich herausgehoben, woraus nach Feders Vermutung die Hervorhebung maxime diacones würde. Warum gerade die Gruppe der diacones Gregor besonders grüßen sollte, ist nicht sofort ersichtlich. Zur Einschätzung dieses Problems ist zunächst die Möglichkeit zu prüfen, dass es sich doch um einen Eigennamen handelt. Die Prosopography of the later Roman Empire245 führt »Diaconus« nicht als Eigenname, die von Pietri und Pietri herausgegebene Prosopographie Chrétienne du bas-empire bietet als einzigen Beleg im Italienband (entsprechend der mutmaßlichen Herkunft eines Eusebiusanhängers »Diaconus«) den umstrittenen Eusebiusbrief. Demgemäß heißt es »nom d’un personnage mentionné par Eusebius dans une lettre adressée en réponse à Grégoire d’Elvire … «246 – also eine reine Extrapolation. Man wird daher eher vermuten, dass auch im Eusebiusbrief kein Eigenname, sondern eher die Amtsbezeichnung zu sehen ist. M. E. können nun zunächst in zwei verschiedenen Richtungen Lösungsmöglichkeiten gesucht werden: 1. Man sucht eine Lösung in der Richtung von Feders Vorschlag und löst das Problem textkritisch auf. Da der Brief auch an »unverfänglicher« Stelle (in Zeile 17 [Bulhart] muss offenbar aut linito mit Feder zu haud unito emediert werden) eine Textverderbnis aufweist und in nur einer insgesamt minderwertigen Handschrift überliefert ist247 , liegt diese Möglichkeit nahe. So ist eine Verschreibung von diacones zu diaconus leicht vorstellbar, noch dazu, weil sie auf das Missverstehen einer Endungsabkürzung zurückgehen kann. Da die Hervorhebung der diacones durch maxime jedoch unerklärbar bleibt, stellt Feders konkreter Vorschlag letztlich keine befriedigende Lösung dar. 2. Ein weitergehender Vergleich mit Epistula II scheint noch eine andere Möglichkeit zu bieten: In ep. II, 197 ff. gibt Eusebius einen Syrus diaconus als Überbringer des Briefes an: Sed concessit … dominus hanc epistolam per charissimum nostrum ad vos Syrum diaconem mittere, quem in potestatem mittendi habui … Im nächsten Satz schildert Eusebius, dass er den Brief durch die widrigen Umstände nur mit Mühe schreiben konnte und Gott bat, ne ad vos diaconus nuntium magis laboris nostri quam qualescumque salutationis litteras ferret. Durch den Zusammenhang ist klar, dass hier nicht »ein« Diakon, sondern Syrus, »der« Diakon gemeint ist. Wäre es denkbar, dass auch am Ende von Epistula III mit »Diaconus« der Diakon Syrus gemeint ist? Diese Annahme hätte zur Voraussetzung, dass Gregor Syrus kannte

245 Jones/Martindale/Morris, PLRE I. 246 Desmulliez, Prosopographie de l’Italie chrétienne 1, 559; die dort gemachten Angaben zu »Diaconus« sind (natürlich) ausschließlich aus dem Eusebiusbrief erschlossen und decken sich teilweise mit der von mir im Folgenden angeführten Möglichkeit 2. 247 Vgl. die Ausführungen von Brennecke, Hilarius von Poitiers, 248–252 mit Verweis auf die Edition von Feder.

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(etwa als Überbringer von Briefen) und dass »Diaconus« bei Syrus quasi zum Beinamen geworden ist, wie dies auch bei anderen Personen (Paulus Diaconus, Leo Diaconus) der Fall war. So reizvoll die zweite Möglichkeit ist, so unsicher ist sie auch. Zwar ist ein persönlicher Kontakt des den Brief überbringenden Diakons (unter Umständen Syrus, von dem diese Tätigkeit durch ep. II bekannt ist, s. o.) mit Gregor plausibel, doch ist es sehr unwahrscheinlich, dass Gregor nach dieser Begegnung den Briefüberbringer als »den Diakon« in Erinnerung behalten hat. Naheliegend wäre bei diesem Szenario stattdessen der Name des Diakons. Da beide Möglichkeiten je für sich unbefriedigend sind, ist m. E. in der Kombination beider Ideen die richtige Lösung zu suchen: An der fraglichen Stelle liegt tatsächlich eine Textverderbnis vor, die aber nicht in einer Verschreibung, sondern in einer Auslassung bzw. einem Ausfall besteht. Ausgefallen ist der Name des Diakons, der den Brief an Gregor überbrachte248 und ihm dadurch persönlich bekannt war. Dies erklärt die Hervorhebung dieser Person im Gruß durch maxime. Der Text wäre dann so zu rekonstruieren: 24 ff.: Salutant te omnes, qui mecum sunt, maxime < … > diaconus, simulque petunt, ut cunctos lateri tuo fideliter adhaerentes nostro digneris obsequio salutare. Eine andere Erklärung der Diaconus-Stelle wird von den Vertretern der Fälschungsthese geboten. Sie findet sich im nächsten Punkt in der Beurteilung von Argument Nr. 8.

3.3 Bewertung der Fälschungsthese Die neueste Monographie zum luciferianischen Schisma stuft den Brief als Fälschung aus luciferianischen Kreisen ein.249 Dabei werden allerdings nur Argumente vorgebracht, die in früheren Beiträgen zum Thema formuliert wurden. Vollständigkeit wurde dabei nicht erzielt, auch wurden bereits bekannte Einwände nicht diskutiert250 . M. W. sind bisher folgende Argumente für die Fälschungsthese vorgebracht worden251 : 248 Die vielleicht etwas überraschende Konstellation, dass der Überbringer des Briefes zugleich im Brief ausdrücklich als Grüßender genannt ist, findet sich öfters in Briefen des 4. Jahrhunderts, vgl. für Eusebius selbst nur die Doppelnennung als Absender und Adressat im Tomus ad Antiochenos, dessen Überbringer er zugleich war: Ath., tom. pr. = Dok. 69.2,pr., AW III 4, 592,2.7. 249 Vgl. Pérez Mas, La crisis luciferiana, 164–169. 250 Dies ist leider ein Charakteristikum der gesamten Diskussion um die Echtheit des Briefes. 251 Die vorgebrachten Argumente sind nicht chronologisch, sondern inhaltlich geordnet, um Doppelungen zu vermeiden. Eine teilweise ähnliche Zusammenstellung bot bereits Mazorra, La carta de Eusebio de Vercelli, 243–245.247; für ältere Vertreter eines Arguments ist daher die dortige Zusammenstellung zu vergleichen, während hier der Schwerpunkt auf der Diskussion der letzten Jahrzehnte liegt, zuzüglich der für die Diskussion grundlegenden Arbeit von Saltet. Die Art, wie Mazorra für die Echtheit des Briefes eintritt, ist dem hier verfolgten Verfahren ähnlich. Allerdings nimmt er keine eigene

170 | Müller 1. Der Brief erweist sich durch historische Fehler als das Werk eines Fälschers: a) Der Brief suggeriert, das Gregor 359 in Rimini zugegen war, da es heißt … et plurimis cadentibus Arimino in communicatione Valentis et Ursacii … tuum assensum denegasse. Gregor hat jedoch erst nachträglich von Spanien aus opponiert, weshalb Eusebius im Falle der historischen Echtheit lapsis (statt cadentibus) hätte schreiben müssen. b) Eusebius lobt Gregor in dem Brief, der 360/61 verfasst sein will, für den Widerstand gegen Ossius von Cordoba, der aber schon Ende 358 gestorben ist. (Saltet) 2. Der Brief hat allein das Lob Gregors zum Inhalt. Diese einseitige Hochschätzung ist nur aus der Perspektive eines Luciferianers verständlich, für den Gregor ein »leader« war (Simonetti). Das historische Verhältnis zwischen Eusebius und Gregor müsste dem Ansehen nach genau umgekehrt sein. So unterscheidet sich der Tonfall auch deutlich von den echten Briefen des Eusebius. (Saltet) 3. Der Hinweis auf den Widerstand Gregors gegenüber Ossius setzt die legendarische Erzählung über Gregors Streit mit Ossius im luciferianischen Libellus precum, 33–38, voraus. (Simonetti) 4. Die Entfernung zwischen dem in Spanien weilenden Gregor und Eusebius im ägyptischen Exil ist zu groß, um sich die Versendung eines solch kurzen Briefchens vorstellen zu können. (Simonetti) 5. Mit der in diesem Brief vertretenen rigoristischen Haltung hätte Eusebius nicht mit Hilarius nach der Rückkehr aus dem Exil zusammenarbeiten können. (Hanson) 6. Die Sprache des Briefes ist weniger urban als im Brief des Eusebius an seine Diözese; es findet sich hier zweimal eine syntaktische Inkonzinnität (das Partizip Präsens erscheint im Nominativ statt der Kasusrektion entsprechend dem Bezugswort zu folgen), die sich sonst nicht findet. Außerdem überwiegt bei den Klauseln der akzentuierende cursus (hier cursus planus), der bei Eusebius sonst eine untergeordnete Rolle spielt. (Piras252 ) 7. Die Annahme einer Fälschung wird durch die Existenz gefälschter Briefe an Lucifer unter dem Namen des Athanasius gestützt. (Simonetti) 8. Die Parallelen zum Brief des Eusebius an seine Diözese erweisen den Brief als nachträgliches »Plagiat«. Dabei verrät sich der Fälscher durch unpassende Neuverwendungen mechanisch übernommener Elemente aus dem echten Eusebiusbrief. (Saltet)

Analyse des Briefes (und weiteren biographisch relevanten Materials vor) und ist daher teilweise etwas apodiktisch (so z.B. bzgl. des sprachlichen Vergleichs der ep. II und III Mazorra, La carta de Eusebio de Vercelli, 248). Auch scheint er teilweise aus seiner Deutung des Briefes zugunsten von dessen Echtheit unmittelbar historische Ergebnisse zu ziehen, die teils eigens ermittelt werden sollten und sich teils nicht aus dem Wortlaut des Briefes, sondern anderswoher ergeben (vgl. dazu im Folgenden die Anmerkungen zu den einzelnen Argumenten). Auch scheint der kurze Beitrag von Mazorra keine große Beachtung gefunden zu haben, so dass eine Erinnerung an das dort Genannte nicht schaden kann. 252 Piras, Mezzi espressivi, 392 f.

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Zur These der Unechtheit trat bei Saltet die These einer Interpolation in den Fragmenta historica (Collectanea antiariana Parisina) des Hilarius, die den Überlieferungskontext des Briefes darstellen. Saltets Interpolationsthese betraf dabei nicht nur den Eusebiusbrief. Vielmehr sah er auch vier Briefe des Liberius, die in den Fragmenta historica überliefert sind, als interpolierte Fälschungen an. Dabei ging Saltet davon aus, dass der Interpolator die Fälschungen nicht einfach hinzugefügt, sondern mit ihnen echte Schreiben ersetzt habe. Im Falle des Eusebiusbriefs, der in Fragment XI zusammen mit einem Synodalschreiben der Synode von Paris 360 erhalten ist, wurde laut Saltet ein Schreiben an die spanischen Bischöfe entfernt, das unter anderem die Rehabilitierung des Ossius zum Inhalt hatte. Damit sei statt des ossiusfreundlichen Briefs ein Brief überliefert worden, der Ossius verurteilt. Zumindest den Kern der Interpolationsthese werden die Vertreter der Fälschungsthese wohl ebenfalls postulieren müssen. Für die Bewertung der Fälschungsthese sei an den Grundsatz erinnert, dass Echtheit nicht bewiesen werden kann, nur Unechtheit (wahrscheinlich gemacht werden kann). Daher liegt die Beweislast bei den Vertretern der Fälschungsthese. Gegen ihre Argumente lässt sich jedoch folgendes (Nummerierung entsprechend den o.g. Argumente) ins Feld führen: 1. a) Der Anstoß beruht auf der Forderung, dass sich das zeitliche Nacheinander von Synode und Ablehnung Gregors auch im Tempus des Partizips ausdrücken muss. Diese Forderung ist jedoch aus zwei Gründen nicht zwingend: Zunächst finden sich in Eusebius’ Epistula Secunda Verstöße gegen die consecutio temporum, die es möglich erscheinen lassen, dass Eusebius auch hier schlicht die gewünschte Exaktheit vermissen lässt, ohne dass sich dies auswerten ließe.253 Daneben ist aber auch zu bedenken, dass sich die Verwendung des Partizip Präsens als bewusste Verknüpfung der Vorgänge auf der Synode mit der Reaktion Gregors verstehen lässt: Auch wenn Gregor nicht in Rimini war, gehört seine Ablehnung der dortigen Beschlüsse sachlich-logisch zum Geschehen dazu. Eusebius selbst war etwa auf der Synode von Mailand zunächst nicht anwesend und sollte eigentlich nur deren Beschlüssen zustimmen. Eine solche nachträgliche Stellungnahme zu Synodalbeschlüssen gab es auch in anderen Fällen. Bewusst oder unbewusst kann also Eusebius gegen die von Saltet geforderte Chronologie verstoßen haben, ohne dass dies eine Fälschung beweist. b) Im Gegensatz zu a) liegt hier sprachlich gar kein Anstoß vor: Der Widerstand Gregors gegen Ossius wird als Ereignis der Vergangenheit mit dem Infinitiv Perfekt angezeigt. Zudem wird der Konflikt mit Ossius vor Gregors Reaktion auf Rimini genannt. Das Ereignis ist also chronologisch richtig angesetzt. Über den zeitlichen Abstand zu Rimini ist nichts ausgesagt – damit gibt es aber auch keinen Anstoß am Text. Die eventuell überraschende enge Zusam-

253 S. u. Einwand Nr. 6.

172 | Müller menstellung der beiden getrennten Ereignisse Ossius – Rimini sind durch den Kontext des Briefes (und eventuell schon durch den vorhergehenden Brief Gregors) bestimmt. Offenbar handelt es sich um die beiden herausragenden Taten Gregors, die ihn Eusebius empfehlen und für die Eusebius Gregor loben kann. Die sachlich enge Verbindung ist hier sicher wichtiger als die Chronologie.254 2. Die Inhaltsanalyse hat gezeigt, dass im Brief keineswegs nur Gregor gelobt wird. Vielmehr wird Gregor nur am Anfang direkt gelobt, alles Weitere bewegt sich im Rahmen der brieflichen Höflichkeit. Das Lob Gregors am Briefanfang lässt sich jedoch von seiner Funktion her als captatio benevolentiae verstehen, denn Eusebius verbindet mit seinem Lob anschließend konkrete Aufforderungen an Gregor. Umgekehrt stellt die gelobte Haltung Gregors überhaupt die Voraussetzung dafür dar, dass Eusebius ihm in seiner Lage schreiben kann: Einen der in Rimini gefallenen Bischöfe hätte Euseb schwerlich als Verbündeten suchen können. Außerdem wird in der Regel ignoriert, dass Eusebius sich zu einem guten Teil selbst lobt bzw. stilisiert. Gerade wenn man den Brief als Fälschung ansehen wollte, müsste man sich doch wundern, dass ein Leser am Ende Eusebius mindestens genauso bewundert wie Gregor. Der angebliche Zweck der Fälschung wäre also durch den Fälscher selbst in Gefahr gebracht. Der Brief kehrt das mutmaßliche Verhältnis des Ansehens der beiden Bischöfe (Eusebius’ höheres Ansehen wird von Saltet eher behauptet als erwiesen) also keineswegs so radikal um, wie behauptet wurde. Zudem ignoriert Saltet, da er von einer Fälschung ausgeht, das Briefszenario: Eusebius ist es, der ein Anliegen an Gregor hat. Dass er deshalb Gregors Verdienste lobt und ihn um die Gewährung von Gemeinschaft bittet, ist durch sein Anliegen bedingt und hat wenig mit einer etwaigen Rangfolge des Ansehens zu tun. 3. Die konstatierte Unbestimmtheit der Andeutung über Gregors Widerstand gegenüber Ossius ist für uns nicht näher auflösbar, setzt aber den Libellus precum keineswegs voraus, sondern nur die Information, die laut dem Brieftext Gregor Eusebius zukommen ließ. Der Libellus precum gestaltet die Begegnung zwischen Gregor und Ossius in Spanien zu einer spektakulären Szene aus, die vor allem Gregors Status als heiliger Mann durch das Schicksal des Ossius erweisen soll. Dies ist insofern bedenkenswert, weil hier ein unzweifelhaft luciferianischer Text vorliegt. Gegenüber dessen Ausmalung konstatiert der Eusebiusbrief lediglich das restitisse Gregors gegenüber Ossius. Dieses Verhalten an sich muss aber wohl – unabhängig von den legendarischen Details im Libellus precum – historisch sein, da es einen wesentlichen Grund für die spätere Hochschätzung Gregors bei den Luciferianern darzustellen scheint. Ist aber das restitisse an sich ein historisches Ereignis des Jahres 357/58, so kann es in einem Brief des Jahres 360/61 (s.u.) gut 254 Nebenbei sei noch zu bedenken, dass Saltet selbst in seinem Aufsatz darauf hinweist, dass 360 der Fall des Ossius im Rahmen der Diskussion über seine Rehabilitierung weiterhin im Gespräch war (Saltet, La formation de la légende des papes, 231). Die Erwähnung des Ossius hatte also auch nach dessen Tod noch eine besondere Aktualität.

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vorausgesetzt werden. Das Voraussetzen des Libellus precum ließe sich nur durch eine längere Bezugnahme auf dessen Text erweisen, die es aber eben gar nicht gibt.255 4. Aus dem Brief des Eusebius an seine Heimatkirche geht eindeutig hervor, dass Eusebius des öfteren Besuch aus der Heimat empfing und er (abgesehen von Interventionen des Patrophilus) auch vor Ort Leute um sich hatte. Damit war ein Brieftransfer bis Oberitalien sichergestellt (die Klagen des Eusebius schränken dies nicht grundsätzlich ein). Für Bedenken gegen eine Weiterleitung von dort nach Spanien besteht wohl kein Grund. Aus einer Bemerkung am Ende der Epistula Secunda geht zudem hervor, dass Eusebius normalerweise den verschiedenen Personengruppen in der Heimat je einzelne Briefe schrieb.256 Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass alle diese Briefe länger und v. a. inhaltlich gewichtiger waren als der an Gregor. 5. Das differenzierte Programm, das Eusebius Gregor für dessen Personalpolitik vorschlägt, kann man kaum als rigoristisch bezeichnen. Daneben scheitert Hansons Argument aber auch grundsätzlich an einer anachronistischen Vorstellung: Die definitive Entscheidung für einen moderaten theologischen und kirchenpolitischen Kurs fiel bei Eusebius und anderen letztlich wohl erst 362 nach dem Exil. Bis dahin ist gerade keine grundlegende Differenz zu Lucifer feststellbar. Sonst hätte dieser nicht zwei Stellvertreter nach Alexandrien schicken können mit dem

255 Simonetti, Scritti di e attribuiti a Eusebio di Vercelli, 454 konstatiert völlig zu Recht, dass die Darstellung philoarianischer Aktivitäten des Ossius in Spanien durch den Libellus precum für einen über Hunderjährigen per se unglaubwürdig sei. Ebenso ist richtig, dass wir nach Ossius’ Unterschrift zur Verurteilung des Athanasius am Kaiserhof in Sirmium keine Informationen über dessen weiteres (und vermutlich nicht mehr allzu langes) Leben haben, abgesehen von der besagten Episode im Libellus precum, die sich wiederum nur mit der hier diskutierten Stelle in der Epistula Tertia grundsätzlich berührt. Simonettis Beobachtung ist daher sicher eines der gewichtigsten Argumente gegen deren Echtheit. Allerdings lässt sich aus diesen Daten noch keine zwingende Abhängigkeit der Epistula Tertia erweisen, da eine Konfrontation Gregors mit Ossius keineswegs historisch undenkbar ist. Diese könnte angesichts der knappen Formulierung des Eusebius wohl auch schriftlich erfolgt sein. Doch ist auch zu erwägen, dass Spanien die Heimat des Ossius war, in die dieser am Ende seines Lebens zurückgekehrt sein könnte (wie wohl auch Potamius von Lissabon nach dem Treffen in Sirmium auf die Iberische Halbinsel zurückgekehrt sein wird). Jedenfalls dürften die Umstände seines Aufenthalts am Kaiserhof den Bischof von Cordoba kaum zu längerem Bleiben in Sirmium motiviert haben, will man nicht seinen unmittelbaren Tod vor Ort postulieren. Vorstellbar wäre daher eine Begegnung Gregors mit dem heimkehrenden Ossius in Spanien, bei der Gregor Ossius offen kritisierte. Der Libellus precum hätte dieses Ereignis dann später doppelt überzeichnet, indem er aus Ossius’ Reise nach Spanien eine Aktion zur Durchsetzung »arianischer« Interessen machte und Ossius in der Begegnung mit Gregor ein göttliches Strafgericht zuteil werden ließ. Eliminiert man Gregors »Widerstand« gegen Ossius komplett, wird auch weniger deutlich, was Gregor zum bedeutendsten lebenden Kopf der Luciferianer im Libellus precum machte. Immerhin muss ja die besondere Verehrung des Bischofs von Illiberis der Abfassung dieses Werkes vorausgegangen sein und ist nicht erst von diesem herbeigeführt worden. 256 Vgl. CChr.SL IX, 109,216 f.

174 | Müller Auftrag, jedem Beschluss der Synode zuzustimmen257 . Wollte man dagegen schon für die Exilszeit anhand der o.g. Äußerung stärker zwischen Eusebius und Lucifer differenzieren, so beseitigte man wiederum angebliche Hürden zu Hilarius. 6. Die Untersuchung von Uglione258 zu Eusebius’ Epistula Secunda hat gezeigt, dass Eusebius diesen Brief zwar mit viel Putz stilistisch schmückt, er sprachlich aber viele Schwächen aufweist, die typisch für das spätantike Latein sind, aber vom klassischen Latein her klare Fehler darstellen. Bemerkenswert ist dabei, dass sich in der Epistula Secunda nebeneinander korrekter und fehlerhafter Umgang mit grammatischen Phänomenen finden, z. B. portatus fuerit neben passus est, Verstöße gegen die consecutio temporum neben ihrer Einhaltung und Ersetzungen von Infinitivkonstruktionen durch quia/quod neben der korrekten Verwendung des AcI. Diese Gemengelage schränkt m. E. die Aussagekraft der (vollkommen korrekt) beobachteten Inkongruenzen im Brief an Gregor deutlich ein: So finden sich in der kurzen Epistula Prima nicht alle Auffälligkeiten, die Uglione an der wesentlich längeren Epistula Secunda feststellen konnte. Umgekehrt kann Eusebius auch gut im Brief an Gregor einen Fehler gemacht haben, der ihm vorher nicht unterlaufen ist. Zudem sollte die Breite des Vergleichsmaterials zwischen dem korrekten Gebrauch der Kongruenz in Epistula Secunda und der Inkongruenzen im Brief an Gregor richtig eingeschätzt werden: Es gibt natürlich in Epistula II mehrere Fälle, in denen das Partizip Präsens als Participium coniunctum eingesetzt wird, doch nur in einem einzigen Fall musste Eusebius die korrekte Form im Akkusativ Singular Maskulinum bilden: Et si hoc putaveritis vos debere contemnere, non quasi mortem timentem, sed ne post excessum meum dicatis me voluntaria morte exire voluisse … (113–116). In den meisten anderen Fällen der Epistula Secunda handelt es sich um eine Mehrzahl von Bezugspersonen bzw. -objekten, so dass die Endungen -es bzw. -ia verwendet werden (so z. B. 51.53). Diese sind aber für den Nominativ und Akkusativ Plural identisch. Ansonsten ist das Partizip auf das Subjekt des Satzes bezogen und daher im Nominativ korrekt (so z. B. 28). Ein Fehler, wie er dem Verfasser des Briefs an Gregor im ersten Fall unterlaufen ist, konnte in den allermeisten Fällen der Epistula Secunda gar nicht unterlaufen. Für die Kongruenz zu einem Genitiv Plural findet sich in Epistula Secunda schlicht kein Vergleichspunkt. Ähnlich uneinheitlich ist auch Ugliones Befund zu den Klauseln bei Euseb. Zwar überwiegt mit 88% klar der Anteil der metrischen Klauseln gegenüber dem cursus, während laut Piras fünf der sieben Klauseln im Brief an Gregor den cursus planus aufweisen, doch ist auch hier Vorsicht geboten. Wäre Eusebius’ Epistula Secunda vollkommen metrisch in ihren Klauseln, wäre der Befund im Brief an Gregor eine absolute Überraschung – so stellt er nur eine relative Verschiebung dar.259 Zudem 257 Darauf weist Williams, Ambrose of Milan, 63 f. hin. 258 Vgl. Uglione, Il latino di Eusebio, 327–334. 259 Mit einer gewissen Schwankungsbreite hinsichtlich der verwendeten Klauseln und des damit verbundenen stilistischen Perfektionsgrades wird man auch mit Blick auf Zeitgenossen des Eusebius

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dürfte hier, noch stärker als bei der Betrachtung der Grammatik, die Kürze des Briefes die Aussagekraft der Statistik stark begrenzen. Ein weiterer Aspekt ist hier wie generell im Bereich der sprachlichen bzw. sprachstatistischen Argumente noch gar nicht berücksichtigt worden: Die Unsicherheit der Überlieferung gerade der Epistula Prima und der Epistula Secunda relativiert in der bisherigen Editionslage von vornherein die Aussagekraft jedes Sprachvergleichs. Nach den vorläufigen Erkenntnissen in 1. ist sogar verstärkt mit der Möglichkeit zu rechnen, dass ein »besseres« oder »klassischeres« Latein in der bisher rezipierten Textfassung der beiden Briefe gerade nicht auf Eusebius selbst, sondern auf das Eingreifen etwa eines Bonomi zurückgeht. 7. Gerade der Vergleich mit den tatsächlich gefälschten Epistulae Athanasii ad Luciferum zeigt, wie man sich eine luciferianische Fälschung vorzustellen hätte: Lucifer wird in herausragender Weise gelobt (»Athanasius« stellt ihn in die Reihe der Apostel und Propheten und verneigt sich mit dem Eingeständnis eigener Unvollkommenheit vor dem homo dei Lucifer) und dabei werden auch seine Werke in Form von Reminiszenzen einbezogen und so als orthodox approbiert. Die Briefe lassen tatsächlich kein anderes Ziel erkennen, als das Ansehen Lucifers zu steigern. Zudem ist der Nachweis der Fälschung primär über die wörtlichen Parallelen zwischen den Epistulae und Lucifers Exilsschriften möglich, die nur ein lateinisch schreibender Kenner von Lucifers Schriften beim Abfassen der Briefe herstellen konnte (wofür Athanasius ausfällt). Im Falle des Eusebiusbriefes fehlt dagegen beides: sowohl die einseitige Zielsetzung (s. o.) als auch die Aufnahme von Ausdrücken Gregors. Der Vergleich mit wirklichen luciferianischen Fälschungen spricht im Ergebnis also gegen einen analogen Befund beim Eusebiusbrief. 8. Generell: Saltet hat zu Recht auf Parallelen zwischen dem Brief des Eusebius an seine Heimatkirche und an Gregor von Elvira hingewiesen. Diese Parallelen sind sogar umfangreicher, als Saltet ausführt. Doch sind Textparallelen tendenziell wendbare Argumente. Hier weisen sie letztlich in die Saltet entgegengesetzte Richtung. Da ihre Auswertung einen etwas breiteren Raum einnimmt, soll zunächst der Wert der Argumente 1–7 bilanziert werden.

Bilanz zu 1.–7.: Bei näherer Betrachtung scheitern alle diese Argumente, bis auf das sprachliche (6.), am Wortlaut des Textes. Das sprachliche Argument (6.) wiederum hatte in der Diskussion immer stützende Funktion. Nach den Ergebnissen der obigen Diskussion ist das

rechnen dürfen. So zeigt die Untersuchung von Di Capua, Il ritmo prosaico, 213-223, dass auch die Klauseltechnik des Liberius von Brief zu Brief schwankte und insgesamt als relativ frei eingestuft werden kann (im Vergleich etwa zu Leo I.).

176 | Müller sprachliche Argument das einzige verbliebene, das angesichts der oben vorgebrachten Einschränkungen seiner Aussagekraft schwerlich die Beweislast für die Unechtheit des Textes allein tragen können wird. Quasi als Gegenprobe kann man fragen, ob die Echtheit des Briefes je in Frage gestellt worden wäre, wenn man den Brief gut in die Verhältnisse von Eusebius’ Exil eingeordnet hätte und lediglich zwei sprachliche Abweichungen im Rahmen von Eusebius’ uneinheitlichem Latein festgestellt hätte. Da diese Frage m. E. verneint werden muss, ist bis hierher von der Echtheit des Briefes an Gregor auszugehen, zumal da von den Vertretern der Fälschungsthese die schwierige Überlieferungssituation der Epistulae I und II nicht beachtet wird:260 Solange unklar ist, inwieweit der bei Bulhart abgedruckte Wortlaut gerade auch der Epistula Secunda exakt so als der überlieferte gelten kann, müssen alle sprachlichen Untersuchungen mit Unwägbarkeiten kämpfen. Natürlich ist es möglich und sinnvoll, auf der Basis der bisherigen Edition erste Eindrücke vom Latein des Eusebius zu sammeln. In der aktuellen Lage scheint es mir jedoch nicht möglich, hier die argumentative Grundlage für eine Entscheidung der Echtheitsfrage zu finden. Zudem hat sich seit Saltet die Einschätzung der von ihm ebenfalls als Fälschungen angesehenen Liberiusbriefe verändert. Sie werden inzwischen einhellig als echt angesehen.261 Damit gibt es aber auch jenseits des Eusebiusbriefes keinen Hinweis mehr für die von Saltet aufgebrachte Interpolationsthese. Stattdessen wird man vor diesem Hintergrund die Überlieferungssituation des Briefes als Erschwerung für die Fälschungsthese einschätzen müssen, da dies einen singulären Fall in der Hilariusüberlieferung darstellen würde.

Zu 8. im Einzelnen: Es bleibt, gedankliche Berührungen zur Epistula Secunda zu überprüfen, die von Saltet (8.) wohl (teilweise) beachtet, aber m. E. falsch gedeutet wurden. Sie können gerade die innere Stimmigkeit der beiden Exilsbriefe illustrieren. Sie stellen so gesehen ein Gegenstück zu den Übereinstimmungen zwischen den gefälschten Epistulae Athanasii ad Luciferum und den Werken Lucifers dar262 . Sofern sie von Saltet für seine Fälschungsthese ins Feld geführt wurden, wird Saltets Deutung am Ende des jeweiligen Unterpunktes behandelt (kursiviert sind wörtliche Entsprechungen):

260 Vgl. dazu die Ausführungen in 1. 261 Dies konstatiert auch Pérez Mas, La crisis luciferiana, 165 f. m. Anm. 77. 262 Vgl. oben 7. Schließlich hatte Saltet zu Recht die Unechtheit der Epistulae Athanasii ad Luciferum sowie ihre Zuschreibung an einen Luciferianer weitgehend auf Parallelen zu den Werken Lucifers aufgebaut. Die Betrachtung der Parallelen soll zeigen, dass diese – gegen Saltet – die »Herkunft« des Briefes aus Eusebius’ Feder nahelegen.

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1. Lob und Appell: In beiden Briefen beginnt Eusebius mit der Freude bzw. dem Lob über die Standhaftigkeit seiner Adressaten. Darauf gründet sich jeweils sein Appell zum Verharren im Glauben. Zugleich wird im Vergleich deutlich, dass Gregor kaum mehr gelobt wird als die Einwohner von Vercellae. Epistula secunda (Bulhart) 2: sanctis in fide consistentibus plebibus; 9: vestrae sanctitatis; 22 f.: sanctos animos vestros; 37 f.: vestrae sanctitati 15 ff.: ut id … litteris sinceritatis vestrae … cognoscere potuerim. 206 ff.: custodiatis fidem

Epistula tertia (Bulhart) 1: sanctissimo fratri Gregorio 8 f.: Permanenti … in eadem confessione 1: Litteras sinceritatis tuae accepi, quibus … 8 f.: Permanenti … in eadem confessione (s./,o.)

Den Einzelheiten nach unterschiedlich, aber in ähnlichem Ton und gleicher Funktion gehalten sind insgesamt die Abschnitte 1–50 in Epistula Secunda (Bulhart) und 1–8 in Epistula Tertia (Bulhart) bzw. 206–211 in Epistula Secunda (Bulhart) und 8–12 und 22–24 in Epistula Tertia (Bulhart). Saltet hat auf den gemeinsamen Gebrauch von sinceritas (sowie von transgressor und Ariomanitae) in beiden Briefen hingewiesen, allerdings ohne dies weiter auszuwerten.263 Dagegen sieht Saltet in der Bezeichnung Gregors als sanctissimus gegenüber der kollektiven Anrede an die Gemeindeglieder eine »transposition maladroite«.264 Doch ist diese Anrede keineswegs singulär. Das in diesem Zusammenhang vielleicht schlagendste Beispiel stellt der Brief Lucifers an Eusebius während der Synode von Mailand dar. Darin grüßt Lucifer Eusebius zunächst mit Domino honorificentissimo, um ihn dann als Domine sanctissime anzusprechen.265 Beiden Briefen ist nebenbei auch gemeinsam, dass der Verfasser gegenüber dem als sanctissimus bezeichneten Adressaten ein konkretes Anliegen hat. Zudem verdankt sich die Anrede sanctis in der Epistula Secunda nicht, wie Saltet meint,266 der allgemeinen Konvention, dass jede christliche Gemeinschaft eine ecclesia sancta ist. Vielmehr sind die Gläubigen in der Heimat erst dehalb sancti, weil sie im Glauben verharren (in fide consistentibus). Genau dies tut auch Gregor und wird deshalb als sanctissimus bezeichnet (der Superlativ wird in Briefen des 4. Jahrhunderts inflationär gebraucht und ist daher kaum auswertbar). Eusebius behält also schlicht die innere Logik seiner Epistula Secunda bei. 2. Gegner = Ar(r)iomaniten: Die Gegner des Eusebius werden von ihm jeweils als »Ariomaniten« bezeichnet. Die Schreibung mit einem bzw. zwei »r« schwankt generell in den überlieferten Texten und hat daher keine Aussagekraft. Bemerkenswert

263 Vgl. Saltet, La formation de la légende des papes, 228. 264 Saltet, La formation de la légende des papes, 229. 265 Vgl. Text und Übersetzung in 2.2 (vgl. Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 120, v.a. Z. 8). 266 Vgl. Saltet, La formation de la légende des papes, 228 f.

178 | Müller ist, dass die »Ariomaniten« in der Epistula Secunda sogar finsterer gezeichnet werden als in der Epistula Tertia. In beiden Fällen werden sie als transgressores bezeichnet. Epistula secunda (Bulhart) 59 ff.: Videns hoc diabolus … imflammavit adversum nos Ariomanitas suos; 119 f.: quid fides integra … ab Ariomanitis patiatur; 159 f.: Quantum ergo satanas ecclesias vulnerav[er]it per Ariomanitarum crudelitatem!; 176: Sic Ariomanitae divites terrent 77 ff.: Ego ne ab infidelium manibus vel potius transgressorum … infidelium … manducarem cibum;

Epistula tertia (Bulhart) 16 ff.: omnis spes Arriomanitarum … in protectione pendet regni saecularis (s. u. 3.)

(2: transgressori … Ossio); 11 f.: transgressores obiurga, infideles increpa

Da Saltet diese Parallelen nur nennt (s. o.), bedarf es keines weiteren Kommentars. 3. Schutz der Gegner allein durch weltliche Herrschaft – bereits erfolgte Verdammung der Gegner: In beiden Briefen verknüpft Eusebius seine Polemik gegen die Ariomaniten mit dem Gedanken, dass deren Erfolg nur durch weltlichen Schutz möglich sei. Auch sonst arbeitet Eusebius jeweils mit dem Gegensatz Himmel – Erde bzw. menschlich – göttlich. Zusätzlich betont Eusebius in beiden Briefen, dass die Gegner bereits (als Häretiker) verurteilt worden sind. Dies macht den momentanen Erfolg der »Ariomaniten« besonders verwerflich. Epistula secunda (Bulhart) 50 ff.: cum nos … vobis volentes de terrenis caelestes … fructus facere; 67 f.: totam hanc potestatem traditam sibi ab imperatore dicunt (scil. Ariomanitae); 100 ff.: sed ne quis … ignorantes divina praecepta putet nos confusionem potius vitare quam domino parere; 171 ff.: facultates terrenas et immunitates nolunt perdere (scil. Ariomanitae), caelestes thesauros et veram securitatem nullam iudicasse; 190 ff.: Ideo acceperunt (scil. Ariomanitae) humanum adiutorium, quia divinum non habent; quod si haberent, numquam potestate terrena innocentium sibi animas subiugarent.; Conventurum me scitote ecclesias … conventurum et dei servos, ut ipsis concurrentibus, orbis terrarum, – quid fides integra quae ab universis catholicis episcopis comprobata est, ab Ariomanitis patiatur quos ante damnavit – possit agnoscere.

Epistula tertia (Bulhart) 12 ff.: infideles increpa nihil metuens de regno saeculari; 16 ff.: omnis spes Arriomanitarum non in suo haud unito consensu, sed in protectione pendet regni saecularis, ignorantes scripta, quia »maledicti sunt, qui spem habent in hominem, nostrum autem adiutorium in nomine domini, qui fecit caelum et terram.«;

Litteras … accepi, quibus te Ossio didici restitisse, et plurimis cadentibus Arimino in communicatione Valentis et Ursacii et ceterorum, quos ipsi, agnito blasphemiae crimine, ante damnaverunt, tuum assensum denegasse, fidem scilicet servans, quam Patres Nicaeni scripserunt.

Saltet schreibt zur letzten Parallele: « On comprend très bien que la lettre à l’Église de Verceil, parle de la condamnation que le monde entier (l’église catholique) a faite à Nicèe de l’arianisme avant que celui-ci persécutât les catholiques. Mais la lettre à

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Grégoire d’Elvire trahit la maladresse et le demi-succès d’ùne adaption. »267 Leider führt Saltet nicht aus, worin seiner Meinung nach die « maladresse » besteht. Beide Briefe betonen, dass über die Gegner eigentlich schon das Urteil gesprochen wurde. Die Unterschiede im Detail ergeben sich aus den unterschiedlichen Kontexten: Während der Brief an die Heimatkirche die allgemeine Situation der Kirche in den Blick nimmt (daher orbis terrarum), geht es im Brief an Gregor speziell um das paradoxe Verhalten der Bischöfe in Rimini (daher quos ipsi … ante damnaverunt).268 Von einer « maladresse » kann also keine Rede sein, im Gegenteil. Erst durch die Modifikation des Grundgedankens (quos ante damnavit/damnaverunt) ergibt sich im Brief an Gregor ein guter Sinn. Ohne Anstoß aber auch kein Argument gegen die Echtheit. 4. Selbstdarstellung – Leiden für den rechten Glauben: Eusebius stellt sich in beiden Briefen als Leidender für den wahren Glauben dar (dies ist in der Epistula Tertia impliziert, sonst könnte Euseb nicht durch sein Leiden im Himmelreich verherrlicht werden). Er erwähnt in keinem Fall den Namen des Athanasius, der ja ursprünglich zum Grund für sein Exil wurde (durch die verweigerte Zustimmung zu dessen Verurteilung). Mit der Deutung des Exils als Glaubenskampf verbindet Euseb auch eine Aufwertung seiner Person, bezieht allerdings in der Epistula Secunda auch seine exilierten Glaubensbrüder ein. Epistula secunda (Bulhart) 47 ff.: decebat Christianos in episcopum vel ecclesiasticos viros, quos in exilio fidei causa nostis laborantes; 81 f.: Servus dei Eusebius cum conservis suis, qui mecum fidei causa laborant; 95 f.: fratres meos, qui mecum haec fidei causa libenter patiuntur; 155: patiamur, qui fidem catholicam custodimus;

Epistula tertia (Bulhart) 15: Nos vero … tertio laborantes exilio; 20 ff.: In passionibus perdurare cupimus, ut, secundum quod dictum est, in regno glorificari possimus.;

Vielleicht ist es bezeichnend, dass Saltet zu dieser Parallele, die Eusebius’ Ansehen betrifft, keine Angaben macht. 5. Schlussgruß: Eusebius verwendet in beiden Briefen nahezu dieselbe Grußformel Epistula secunda (Bulhart) 220 ff.: Salutant vos fratres nostri, qui mecum sunt presbyteri et diacones, sed et omnes nostri; qui una mecum satis petunt, ut nostri memores omnes vestros nostro dignemini obsequio salutare.

Epistula tertia (Bulhart) 24 ff.: Salutant te omnes, qui mecum sunt, maxime Diaconus, simulque petunt, ut cunctos lateri tuo fideliter adhaerentes nostro digneris obsequio salutare.

Saltet sieht im Schlussgruß des Briefs an Gregor eine Kopie aus der Epistula II. Dadurch habe der Fälscher eine unwahrscheinliche Konstellation geschaffen: Die 267 Saltet, La formation de la légende des papes, 228. 268 Die Anspielung auf die Kehrtwende der Synodalen von Rimini im Brief an Gregor entspricht im übrigen ganz der rekonstruierbaren Ereignisfolge; vgl. die Einleitung zu Dok. 59 in AW III 4, 445 f.

180 | Müller Anhänger des Eusebius in Scythopolis und die Anhänger Gregors in Elvira scheinen so in enger Verbindung zu stehen, was historisch unglaubwürdig sei.269 Für die Einschätzung des Schlussgrußes ist der formelhafte Charakter, insbesondere der wörtlich übereinstimmenden letzten Wendung, zu beachten. Auch wenn Eusebius offenbar ein gutes Verhältnis zu seinen Gemeindegliedern hatte, wird man Ausdrücke wie dignemini wohl eher als Konvention denn als Unterwürfigkeit des Eusebius verstehen. Als Konvention ist diese Ausdrucksweise aber auch auf einen Adressaten und sein Umfeld übertragbar, wo noch keine tiefe persönliche Beziehung besteht. Immerhin will Eusebius dem Briefinhalt zufolge einen festeren Kontakt zu Gregor als einem der (wenigen) potentiellen Verbündeten im Westen aufbauen. Die Einbeziehung der Anhänger beider Seiten ist bei diesem Anliegen nur verständlich. Hinzu kommt noch ein technischer Aspekt: Der Brief des Eusebius an Gregor muss von einem seiner Anhänger (Syrus?) überbracht worden sein, wie umgekehrt der vorausgehende Brief Gregors an Eusebius. Zumindest ein Teil der jeweiligen Anhänger muss sich also gekannt haben. In diesem Zusammenhang ist auch das Spezialproblem um »Diaconus« zu sehen: Saltet sieht die überlieferte Textgestalt an dieser Stelle ebenfalls als unsinnig an, erklärt sie jedoch als authentisch. Für ihn stellt die »Diaconus«-Stelle nur ein Symptom der mechanischen Arbeitsweise des Fälschers dar: So wie dieser generell seinen Stoff aus der Epistula Secunda entlehnt habe, so habe er auch (das einmal allein im Satz stehende) »diaconus« übernommen, ohne zu bemerken, dass in der Epistula Secunda (CChr.SL IX 109,204) eine Amtsbezeichnung gemeint war.270 Nun hat der bisherige Vergleich beider Briefe ergeben, dass die parallelen Elemente in ep. III keineswegs deplaziert sind, sondern ep. III einige Gedanken des weiterhin exilierten Eusebius in einer dem neuen Adressaten angepassten Form aufweist und ein eigenes in sich stimmiges Ganzes bildet. Wäre der Brief tatsächlich das Werk eines Fälschers, so hätte er eben gerade nicht rein mechanisch gearbeitet. Für Saltets Erklärung des »Diaconus-Problems« wäre er ausgerechnet an der Stelle blind-mechanisch verfahren, an der er am wenigsten dazu Veranlassung hatte: Die Hervorhebung einer Einzelperson im Schlussgruß war ja gerade nicht durch ep. II vorgegeben. Es ist zwar richtig, dass antike Fälscher gern scheinbar besonders persönliche Elemente in ihre Fälschungen einbauen, um sie glaubwürdiger zu machen,271 doch wäre der Fehler des angeblichen Fälschers hier besonders »unglücklich«: Er müsste die sonst geschickt verwertete ep. II auf der Suche nach einem Personennamen, für den er im Schlussgruß eigens einen Platz geschaffen 269 Vgl. Saltet, La formation de la légende des papes, 228. 270 Vgl. Saltet, La formation de la légende des papes, 228 f. 271 So klagt etwa »Athanasius« in dem zweiten Brief der gefälschten Epistulae Athanasii ad Luciferum, dass er wegen des Exils seine alten Eltern nicht sehen könne (CChr.SL VIII, 310,86 f.), vgl. Saltet, Fraudes littéraires, 308 f. Zum Phänomen generell vgl. Speyer, Die literarische Fälschung im heidnischen und christlichen Altertum.

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hatte, so kopflos durchgesehen haben, dass ihm nicht der Zusammenhang zwischen zwei aufeinander folgenden Sätzen aufgegangen wäre, der das einmal allein auftretende diaconus (s. o., 204 [Bulhart]) erklärt. Da eine Fälschung aus luciferianischen Kreisen vor dem Ende des 4. Jahrhunderts entstanden sein müsste, der Fälscher also quasi Zeitgenosse gewesen wäre, müsste ihm zudem entgangen sein, dass es den Personennamen »Diaconus« gar nicht gab – während er zugleich den mehrfach im Brief genannten Namen »Syrus« verschmäht bzw. ignoriert hätte. Dies wäre besonders bemerkenswert, da an der Stelle in ep. II, die den Fälscher am ehesten zur Einfügung eines Einzelgrußes inspiriert haben könnte (s. o. 197 ff. Bulhart: Sed concessit mihi dominus … ad vos Syrum diaconem mittere, quem in potestatem mittendi habui …), der Name Syrus ausdrücklich genannt ist. Da die Erklärung des »Diaconus-Problems« durch einen mechanisch arbeitenden Fälscher weder zum übrigen Charakter des Briefs an Gregor passt, noch die einfacheren (und zugleich besseren) Möglichkeiten bedenkt, die ep. II einem mutmaßlichen Fälscher für seine Arbeit bot, ist sie als unwahrscheinlich abzulehnen (zumal in 3.2 andere textkritische Erklärungen geboten wurden).

Fazit zu 8.: Insgesamt gibt es für alle Aussagen des Briefes, die sich nicht speziell auf die Person Gregors beziehen und daher keine direkte Entsprechung in der Epistula Secunda haben können, sinngemäße oder gar wörtliche Übereinstimmungen in Eusebius’ Epistula Secunda. Dabei lassen sich die unterschiedlichen Einbindungen und Ausprägungen der übereinstimmenden Ausdrücke und Ideen durch die jeweils unterschiedlichen Kontexte erklären. Sie stellen damit an keiner Stelle eine »maladresse« im Sinne Saltets dar. Daher kommt angesichts der in der Tat vielen Übereinstimmungen eine andere Überlegung zum Tragen: Wollte man diese auf das Konto eines Fälschers buchen, so hätte dies zur Folge, dass sich der Fälscher so in Eusebius’ Gedankenwelt – und Selbstdarstellung – eingearbeitet hätte, dass er sich auch jenseits der Verteilung des Ruhms auf Eusebius und Gregor derart auf Eusebius konzentriert hätte, dass eben am Ende viel Eusebius und wenig Gregor im Brief enthalten wäre. Dies ist aber eine für eine Fälschung im Stil der Epistulae Athanasii ad Luciferum absurde Vorstellung. Die hohe gedankliche Übereinstimmung beider Briefe lässt sich am einfachsten dadurch erklären, dass Eusebius während seines Exils eine ähnlich in sich konsistente Linie vertreten hat wie Lucifer auch. Gewisse Harschheiten des dritten Briefs (wie auch des zweiten!), die an Lucifer erinnern mögen, belegen darüber hinaus, dass Eusebius und Lucifer sich bis 362 gedanklich teilweise recht nahe gestanden haben mögen.

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3.4 Überlegungen zum Entstehungskontext Da im Ergebnis von der Echtheit des Eusebiusbriefs an Gregor von Elvira auszugehen ist, lässt sich in Kombination mit der Epistula Secunda ein genereller Befund zu Eusebius’ Exil erheben, in das dann auch die Epistula Tertia eingezeichnet werden kann. Beide Briefe belegen durch ihre Existenz, aber noch mehr durch ihren Inhalt, dass Eusebius in seinem Exil zwar unter Repressalien zu leiden hatte, aber keineswegs völlig von der Außenwelt abgeschnitten war. Vielmehr reichten seine Briefkontakte bis Spanien (Brief an Gregor), vor allem aber wurde er von Vertretern seiner Heimatkirche besucht und hatte in dem Diakon Syrus einen verlässlichen Boten für seine Korrespondenz an der Hand (Brief an die Heimatkirche). Über diesen »Kanal« war Eusebius einerseits über die Situation im Westen informiert, andererseits nutzte er diesen auch zur aktiven Einflussnahme auf diese Situation: In beiden Briefen geht es Eusebius darum, seine Adressaten auf ein konsequentes Verhalten gegen die »Arianer« zu verpflichten. Dabei differenziert er seinen Appell nach den Möglichkeiten seiner jeweiligen Adressaten: Während das Kirchenvolk von Vercellae primär standhaft im Glauben sein soll, wird Gregor von Elvira als Inhaber eines Bischofsstuhls zu literarischer Tätigkeit und passender »Personalpolitik« aufgerufen. Das Hauptziel beider Briefe ist also offenbar die Formierung eines Widerstandes gegen die durch kaiserliche Unterstützung übermächtigen Homöer, die mit dem Kampfbegriff »Ariomaniten« bezeichnet werden. Ein wichtiges Mittel für das Erreichen dieses Ziels ist Eusebius’ Selbstdarstellung als Leidender für den Glauben. Dass es sich dabei um eine bewusste Stilisierung handelt, zeigt der Vergleich mit dem historischen Anlass seiner Verurteilung in Mailand 355, die sich auf seine Loyalität zu Athanasius und damit zunächst scheinbar auf eine Personalie gründete. Allerdings ist diese Stilisierung wohl der tatsächlichen Überzeugung des Eusebius entsprungen. Denn Eusebius hatte die von Lucifer vorgenommene und von Liberius approbierte Identifikation von causa Athanasii und causa fidei zunächst brieflich durch Liberius und kurz darauf persönlich durch Lucifer kennengelernt. Zudem war er um 340 vielleicht schon Athanasius persönlich in Rom begegnet und hatte vielleicht schon vor der Mailänder Synode monastisches Leben in Vercellae gefördert.272 Die von Eusebius wiederholt formulierte Vorstellung, für den rechten Glauben das Exil zu erleiden, gibt seinem Appell an die Adressaten in doppelter Weise Gewicht: Insofern er für den rechten Glauben leidet, müssen seine Adressaten das gewünschte Verhalten für die Verteidigung dieses Glaubens zeigen. Insofern er für den rechten Glauben leidet, schreibt mit Eusebius eine besondere Autoritätsperson – durch Liberius’ Brief an die

272 Vgl. den Gruß an die sanctae sorores am Ende der Epistula Secunda. Eine Begegnung Eusebs mit Athanasius in Rom vermutet u. a. De Clerq, Eusèbe de Verceil (Saint), 1477 f.

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Exilierten quasi zum Märtyrer erhoben273 – , der man auch aufgrund ihres Ansehens folgen sollte. Mit dem Blick auf die Zeit nach Eusebius’ Exil lässt sich feststellen, dass er vor allem auch in Bezug auf die Darstellung seiner selbst erfolgreich war: Er genoss hohes Ansehen und konnte seinen Bischofsstuhl problemlos wieder in Besitz nehmen.274 Für die genauere Verortung der Epistula Tertia ist zunächst festzuhalten, dass sie zeitlich tatsächlich nach der Epistula Secunda anzusetzen ist. Dies ergibt sich aus den Angaben zu den Verbannungsorten: Die Epistula II ist, wie die dortigen Angaben zu Patrophilus zeigen, in Scythopolis verfasst. Dies war offenbar der erste Verbannungsort des Eusebius. In Epistula Tertia spricht er von tertio exilio, womit der dritte Exilsort innerhalb seines Exils gemeint sein muss. Da aus verschiedenen Quellen zu erschließen ist, dass Eusebius von Scythopolis aus nach Kappadokien gebracht wurde und daraufhin in der Thebais war,275 ist die Thebais als der Ort anzusehen, der sich hinter tertio exilio verbirgt. Nebenbei sei bemerkt, dass die Thebais auch Lucifers letzter Exilsort war, wo dann beide Bischöfe spätestens 361/62 zusammentrafen, Lucifer allerdings nach Antiochia weiterreiste, statt wie Eusebius nach Alexandrien zu gehen.276 Immerhin zeigt Lucifers Abordnung zweier Vertreter mit dem Auftrag, jedem Beschluss der Synode zuzustimmen, dass auch hier Eusebius (wie auch Athanasius und andere) von Lucifer noch als Gleichgesinnter angesehen wurde.277 Wann Eusebius in die Thebais gekommen ist, lässt sich nicht genau sagen. Aus dem Brief an Gregor lässt sich jedoch ein überschaubarer Zeitraum ermitteln, in dem der Brief entstanden sein muss: Das Lob von Gregors Standhaftigkeit im Glauben setzt die Beschlüsse von Rimini 359 voraus. Dazu kommt aber noch, dass Gregor, wie oben ausgeführt, offenbar erst nachträglich den Synodalbeschlüssen Widerstand geleistet hatte, da er selbst nicht in Rimini war. Erst danach konnte er den von Eusebius eingangs erwähnten Brief schreiben, der zu Eusebius’ Antwort (der Epistula Tertia) führte. Die Epistula Tertia wird daher nicht mehr 359, sondern frühestens 360 verfasst worden sein. Da sie wie die Epistula Secunda das Motiv des weltlichen Schutzes der »Arianer« verwendet, muss sie vor dem Tod des Konstantius 361 entstanden sein (und natürlich bevor Julian das Exil aufhob). Die Abfassung kann daher auf 360/61 eingegrenzt wer-

273 Vgl. die Ausführungen von Williams, Ambrose of Milan, 59 f. und die in 2. gebotene Übersetzung des Briefs des Liberius an die »Bekenner von Mailand« (CChr.SL IX, 123). 274 Mit Hanson (s. o. Einleitung) ist davon auszugehen, dass man offenbar nicht den Versuch unternommen hatte, in Analogie zu Auxentius in Mailand einen neuen Bischof in Vercelli zu installieren. Darin mag sich evtl. ein gewisser Pragmatismus widerspiegeln, wenn man die offenkundige Beliebtheit des Eusebius in seiner Heimatkirche bedenkt. 275 Vgl. die Angaben bei Williams, Ambrose of Milan, 62. 276 Vgl. z.B. Krüger, Lucifer, 50. 277 So die o. g. Beobachtung von Williams, Ambrose of Milan, 63 f.

184 | Müller den (was zum Überlieferungskontext neben dem Schreiben der »Synode von Paris« (zwischen 360 und 364) in den Collectanea passt).278 Theologisch ist interessant, dass Eusebius den wahren Glauben an der Haltung zum Bekenntnis von Nizäa festmachen kann. Nach den Ereignissen von Sirmium 357 und Rimini 359 dürfte für die Epistula Tertia die Annahme weniger problematisch sein, dass hier tatsächlich der Text von N vorausgesetzt ist. Bezeichnenderweise verfasste Gregor in etwa zu dieser Zeit sein Werk De fide, das in der zweiten Fassung mit dem Nizänum beginnt.279 Ging es um die Richtschnur des Glaubens, war dieser Text nun wohl soweit unter den »Nizänern« etabliert und der Bischof von Vercelli konnte den Bischof von Elvira auf die bestandene Bewährungsprobe in Spanien lobend ansprechen. In der Epistula Secunda ist zwar im Gegensatz zur Epistula Tertia ein kurzer Bekenntnistext in den eingelegten Brief an Patrophilus eingeflochten, der bereits in 1. betrachtet worden war; das Nizänum wird aber nicht eigens als Referenz genannt, obwohl die Getreuen in der Heimat auf das Halten des rechten Glaubens verpflichtet werden. Eusebius setzte hier durch sein Lob der Heimatkirche offenbar voraus, dass daheim die »Arianer« als solche bekannt sind und eine Schilderung der eigenen Situation das beste Mittel zu deren Brandmarkung ist. Im eingelegten Brief an Patrophilus wiederum ging es ihm wohl nicht um eine theologische Klarstellung, sondern um die wirksam inszenierte Drohung mit den Folgen eines Hungerstreiks zur Aufhebung seiner Isolierung von seinen Anhängern in Scythopolis. Die hier begegnende Bekenntnispassage280 enthält wohl Elemente von Eusebius’ individueller Theologie, ist aber schon durch das anaphorische Novit … novit … novit stark auf den Briefkontext hin konzipiert. Zu überlegen ist, ob Eusebius diesen »libellus« evtl. von vornherein auf eine Veröffentlichung an ein breiteres Publikum angelegt hat, wie auch der Schlussatz Adiuro te, qui has litteras legeris, per patrem, filium et spiritum sanctum, ut non supprimas, sed alii legendas tradas281 nahe legt. So sehr die beiden bzw. drei Exilsbriefe in ihrer Grundhaltung und ihrer Intention übereinstimmen, ist hier somit eine gewisse Kontextbezogenheit feststellbar. Kombiniert man die Ausrichtung der Epistula Tertia mit den obigen Überlegungen in 2., so lässt sich damit für Eusebius’ Haltung seit Mailand folgendes vermuten: In Mailand hielt Eusebius aus Loyalität und einer als nizänisch verstandenen Glaubensperspektive zu Athanasius. Im Exil deutet er sein Verhalten als Leiden für den wahren Glauben. Nachdem ihm die Ereignisse von Sirmium 357 und Rimini 359 bekannt geworden sind, benennt er diesen wahren Glauben inhaltlich mit dem Bekenntnis von Nizäa. Durch

278 Vgl. die Einleitung zu Dok. 67, AW III 4, 581; die Lokalisierung dieser Synode in Paris ist wohl sekundär, weshalb dort die Bezeichnung »gallische Synode« gewählt wurde. 279 Vgl. dazu Ulrich, Anfänge der abendländischen Rezeption, 198–204. Allerdings ist auch anhand der Epistula Tertia keine positivistische Gegenprobe zu einem entsprechenden Ansatz möglich, demzufolge N vor 357 keine Rolle spielte, da es nirgendwo zitiert wird. Denn das ist hier, nach 359, ebensowenig der Fall. 280 S. Text und Übersetzung in 1. 281 Bulhart, Eusebii Vercellensis episcopi quae supersunt, 107, 122–124.

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seine äußerlich konstante Haltung macht es Eusebius dem Kirchenhistoriker nicht leicht, etwa mithilfe der Exilsbriefe eine theologische Entwicklung des Vercellenser Bischofs zu rekonstruieren. Zumindest in der Rückschau legte sich wohl nicht nur für ihn selbst der Eindruck nahe, dass er schon in und seit Mailand permanent für den rechten Glauben in Gestalt des Nizänums gekämpft hatte.282 Insofern ist es bemerkenswert, dass Hilarius in seinem später (aber wohl nicht unabhängig) entstandenen Bericht zur Synode von Mailand keine simpel vereindeutigte Szene geschildert, sondern in gewisser Weise die Unschärfe in Eusebius’ Initiative pro fide kongenial abgebildet hat:283 Die Rollen von Gut und Böse sind bereits klar verteilt, die perspektivische Verzerrung ist bereits wirksam. Und doch zeigt dieser Bericht wie die Ereignisse im Jahr 354/55 selbst und auch die Exilsbriefe ein noch unfertiges und zugleich seiner selbst gewisses Konzept von dem, was die beste Verteidigung und Verkündigung des wahren Glaubens sein sollte. In der hier schlaglichtartig betrachteten Geschichte des Eusebius in den Jahren 354 bis 361 spiegelt sich somit ein Ringen, dessen Ergebnis vorerst noch offen war.

4 Schlussgedanken Die hier vorgestellten Überlegungen zu einem knappen Jahrzehnt im Leben des Eusebius von Vercelli bieten vielleicht kein völlig neues, wohl aber anders akzentuiertes Bild des Bischofs. Die Ergebnisse wären für weitere Untersuchungen zu seinem Leben und Werk zu berücksichtigen. Es würde nach den eingangs skizzierten Problemfeldern nicht überraschen, wenn sich Neues bzw. Altes neu entdecken ließe. Insbesondere die Diskussion um Eusebius’ letzte Lebensphase ab 362 sollte weitergeführt werden. Letztlich spiegelt sich in den hierzu von verschiedenen Seiten vertretenen Thesen das jeweilige Gesamtverständnis der theologischen Entwicklungen im lateinischen Westen vor etwa 380. Doch ein neuer Blick auf den scheinbar harmlosen Bischof von Vercelli bietet auch die Möglichkeit, die Bedeutung seiner Amtskollegen in Rom und Cagliari präziser zu akzentuieren. Der Gang durch die Ereignisgeschichte um Eusebius hat zudem erste Einbzw. Ausblicke auf die theologiegeschichtliche Entwicklung im lateinischen Westen mit sich gebracht, in die er involviert war. Im Vergleich zu früheren Untersuchungen lässt sich mit Blick auf die Interdependenz dieser Aspekte eine Akzentverschiebung feststellen: Fragt man nach Kontinuität in den Entwicklungen der 350er Jahre, so besteht diese

282 Die Frage nach einer Entwicklung ist natürlich eng verknüpft mit der Frage nach Eusebius’ Verhalten in Mailand 355 (vgl. die Diskussion des Problems in 2.). Wer dort von einer reinen Personaldiskussion ausgeht und Hilarius’ Bericht für eine freie Komposition hält, muss natürlich eine sekundäre Selbstdeutung des Eusebius als »Nizäner« annehmen und somit von einer sekundären Eintragung des Nizänums in das Denken des Bischofs ausgehen. 283 Vgl. dazu die Überlegungen zu Mailänder Synode in Kapitel 2.2.

186 | Müller wohl weniger in einer stetigen (römischen) Auseinandersetzung mit dem theologischen Gehalt von N (das ständig »vorläge«). Erkennbar ist hingegen eine inhaltlich noch unscharfe, aber durchaus kontinuierliche Rede von der fides Nicaena als maßgeblicher Bezugspunkt für eine nötig gewordene Debatte de fide. Die Leistung des Lucifer und Liberius lag, so gesehen, darin, dass sie durch die Identifikation von causa Athanasii und causa fidei ein Konzept propagierten, das vielleicht nicht automatisch zu tiefer theologischer Reflexion, wohl aber zu entschiedenem Handeln aufforderte. Eusebius ist diesem Impuls nachgekommen. Ob man ihn aufgrund seines Verhaltens als Glaubensheld sehen oder näher an die Fanatikerecke rücken will, in die man Lucifer gerne gestellt hat, ist damit noch nicht entschieden. Immerhin ist den Briefen des Liberius an Eusebius vor der Mailänder Synode zu entnehmen, dass er diesen eben nicht zuerst wegen seiner theologischen Bildung, sondern wegen seines »glühenden« Glaubens für den richtigen Mann auf der geplanten Mission hielt. Die Ereignisse auf der Mailänder Synode, wie sie Hilarius nach der hier vorgestellten Deutung berichtet, können zwar durchaus als Stütze für Simonettis Vermutung gesehen werden, dass Eusebius über eine entsprechende theologische Urteilskompetenz verfügte (denn sonst hätte er kaum formulierungsoffene Verhandlungen de fide anbahnen können). Jedoch bleibt bis zur Synode von Alexandrien 362 vor allem der Eindruck bestehen, dass auch Eusebius primär das Festhalten seiner »nizänischen« Position, weniger ein irenisches Gemüt auszeichnete.284 Es mag sich aber so erklären, wie die Kirche von Vercelli zu ihrem Lokalheiligen gekommen ist.

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284 Untersuchungen zur Geschichte des Eusebius ab 362 müssen abwägen, inwiefern mit der Einigung auf der alexandrinischen Synode ein Einlenken des Eusebius hin zu einem tragfähigen Kompromiss verbunden war (hier ggf. Athanasius vergleichbar) oder ob sich vom Brief an Gregor her eine gedankliche Brücke zum gnädigen Umgang mit schwach gewordenen Bischöfen ergibt, den dann gerade Eusebius angemahnt hätte (s. o. 3.). Auch wenn man in diesem Brief Ansätze zu einer Differenzierung der »abgefallenen« Bischöfe sehen mag, wie oben ausgeführt, so bleibt dennoch der harsche Grundton des Eusebius bezeichnend.

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Die Synode von Mailand 355, Eusebius von Vercelli und die Folgen

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Annette von Stockhausen

Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55) 1 Einleitung Epiphanius von Salamis überliefert im 73. Kapitel seines Panarion den Brief einer Synode, die im Jahr 358 im kleinasiatischen Ankyra stattgefunden hat. Da dieser Brief gemeinhin als »Gründungsurkunde« der theologischen Gruppe der »Homöusianer« gilt, war er schon häufiger Gegenstand von Untersuchungen, wobei der Fokus in erster Linie auf dem theologischen Profil des Briefes lag.1 Der Brief der Synode von Ankyra ist daher selbstverständlich in die Sammlung der »Dokumente zum arianischen Streit« (Lfg. 4) aufgenommen worden, und zwar als Dok. 55.2 Im Zuge der Beschäftigung mit diesem Text wurde jedoch schnell deutlich, dass über den schlechten Überlieferungszustand und die damit verbundenen philologischen und editorischen Fragen hinausgehend,3 die uns bei allen bei Epiphanius überlieferten Texten große Kopfschmerzen bereitet haben, der Text auch sonst viel problematischer ist als bisher gedacht. Relativ klar – wenn auch damit noch lange nicht immer einfach bzw. überhaupt zu lösen – ist die überlieferungs- und textkritische Problematik des Synodalschreibens: Der Text des Panarion des Epiphanius ist für einen großen Teil der Schrift4 und darunter eben auch für das 73. Kapitel über die Homöusianer nur in einer einzigen Handschrift überliefert, dem heute in der Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek aufbewahrten Codex Ms. Bos. f. 1 aus dem Jahr 1304.5 Ist schon die Überlieferung eines 1 Einschlägige Literatur: Gummerus, Die homöusianische Partei, 66–89; Kopecek, A history of NeoArianism, 155–172; Steenson, Basil of Ancyra, 126–208; Lienhard, The Epistle of the Synod of Ancyra 358; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 63–75; Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 350–357; Löhr, A Sense of Tradition; zuletzt Fairbairn, The Synod of Ancyra (358). 2 Der Band ist inzwischen erschienen: Hanns Christof Brennecke/Annette von Stockhausen/Christian Müller/Uta Heil/Angelika Wintjes, Athanasius Werke. Band III. Teil 1: Dokumente zur Geschichte des Arianischen Streits 318–328. 4. Lfg.: Bis zum Tomus ad Antiochenos (362), Berlin/Boston, 2014 (im Folgenden beziehen sich Verweise mit »Dok.« auf diesen Band); die hier vorgetragenen Überlegungen sind in diese Edition eingegangen. 3 Die schlechte Überlieferung wird natürlich in der gesamten bisherigen Literatur erwähnt, allerdings – abgesehen von Gummerus, Die homöusianische Partei (aber auch da nicht im nötigen Maße) – ohne daraus Konsequenzen zu ziehen. 4 Kap. 65–80; d. h. in der GCS-Edition für den gesamten 3. Band (Holl, Epiphanius. Dritter Band). 5 Zur Handschrift vgl. Stockhausen, Katalog der griechischen Handschriften, 685–689; für die Textüberlieferung und die stemmatische Einordnung des Textes ist nach wie vor Holl, Die handschriftliche Überlieferung des Epiphanius, 76–87 einschlägig. DOI 10.1515/9783110420258-006

192 | von Stockhausen Textes durch eine einzige Handschrift an sich ungünstig, so erweist sich dieser Umstand im Falle des Epiphanius als umso problematischer, als der Codex einen oftmals verstümmelten und fehlerhaften Text bietet; dieser verstümmelte und fehlerhafte Text geht dabei mit größter Wahrscheinlichkeit nicht auf den (unbekannten) Schreiber der Handschrift selbst, sondern mindestens auf seine Vorlage oder wahrscheinlich sogar noch weiter zurück. In der Spätantike und im Mittelalter wurde der Text des Epiphanius offensichtlich nur sehr wenig gelesen und rezipiert, im byzantinischen Bereich war er auch spätestens durch die im Auftrag des Kaisers Alexios I. abgefasste Πανοπλία Δογματική des Euthymios Zigabenos überholt.6 Bemühungen um den Text setzen erst im Zeitalter der Reformation wieder ein, als Philipp Melanchthon sich die Handschrift vom Erfurter Reformator Johannes Lang auslieh (und dabei zum Teil auch in margine kommentierte7 ) und sie schließlich an den Basler Drucker Johannes Oporinus weitergab. In Basel wurde aus ihr zunächst durch Janus Cornarius eine lateinische Übersetzung angefertigt, die auch zuerst (1543) gedruckt wurde,8 ehe dann 1544 schließlich der von Oporinus herausgegebene griechische Druck erscheinen konnte.9 Die Edition von Oporinus zeichnet sich dabei vor allem dadurch aus, dass er den Text des Epiphanius sehr treu nach der Handschrift abdruckt, eine textkritische Arbeit fehlt hier vollständig. Erste wichtige textkritische Überlegungen (und Emendationen) gehen dann auf den Jesuiten Dionysius Petavius (und damit ins 17. Jh.) zurück.10 Den bisherigen Meilenstein für die Epiphanius-Edition bildet sicherlich die Edition von Karl Holl in den »Griechischen christlichen Schriftstellern«;11 mehr als alle seine Vorgänger griff Holl in den meist zurecht als verderbt identifizierten Text ein und schlug oft wortreiche und weitreichende Emendationen vor. Holls Edition stellte daher zunächst die Grundlage für die Edition in den »Athanasius Werken« dar; allerdings stellte sich sehr schnell heraus, dass Holls Edition keinesfalls ohne weiteres übernommen werden kann, sondern die vielen überflüssigen Emendationen12 und die zum Zeil weit über das Ziel hinausschießenden Ergänzungen13 der (meist zurecht) angenommenen Lücken korrigiert werden müssen. Im weiteren 6 PG 130,20–1360; eine vollständige kritische Edition liegt bisher nicht vor. 7 Ediert in Dummer/Markschies, Philipp Melanchthons Randbemerkungen. 8 Cornarius, Epiphanii Contra octoaginta haereses opus (= VD16 E 1644). 9 Oporinus, Τοῦ ἁγίου Ἐπιφανίου ἐπισκόπου Κωνσταντείας τῆς Κύπρου, κατὰ αἱρέσεων ὀγδοήκοντα (= VD16 E 1643). 10 Petavius, Epiphanii Opera omnia in duos tomos distributa, nachgedruckt in Mignes Patrologia graeca 41 und 42. 11 Für das Schreiben der Synode von Ankyra Holl, Epiphanius. Dritter Band, 268,30–284,10 (die von Holl/Dummer bearbeitete zweite Auflage trägt für unseren Text nur einige neuere Editionen nach), daneben sind weiterhin die Konjekturen von Gummerus, Die homöusianische Partei wichtig. 12 V. a. grammatikalisch nicht notwendige Korrekturen, die nur einen stilistisch besseren Text ergeben. 13 Um Holl gerecht zu werden, muss natürlich gesagt werden, dass er diese meist nur im Apparat verzeichnet und nicht in den Text übernommen hat (im Apparat der Athanasius Werke sind solche

Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)

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Verlauf der Arbeit stellten sich darüber hinaus Unstimmigkeiten in der Wiedergabe früherer Konjekturen (v. a. von Petavius) im Vergleich mit den früheren Editionen heraus, so dass die Handschrift noch einmal kollationiert wurde und dabei auch einige Fehler Holls beim Lesen der Handschrift korrigiert werden konnten.14 Bei der sehr intensiven Beschäftigung mit dem Text der Synode von Ankyra stellte sich aber vor allem heraus, dass er auch jenseits der textkritischen Fragen im engeren Sinne, was seinen Aufbau und damit zusammenhängend seine Überlieferungsgeschichte angeht, erklärungsbedürftiger ist als bisher gesehen wurde. Um diese eigentliche Problematik des Textes zu erfassen, ist jedoch zunächst ein Ausholen in zweierlei Hinsicht nötig, nämlich zum einen durch eine neuerliche Betrachtung des Kontextes des Textes im Panarion des Epiphanius., zum anderen durch einen vergleichenden Blick auf andere zeitgenössische Synodalschreiben. In einem weiteren Schritt möchte ich dann auf den Aufbau des Briefes und auf hier zu beobachtende Eigenheiten des Textes eingehen, die eventuell Rückschlüsse auf seine Entstehung ermöglichen. Dadurch kann schließlich auch die Synode von Ankyra selbst, über die wir sonst nur sehr spärlich aus den Kirchenhistorikern Informationen haben,15 vielleicht in einem etwas anderen und klareren Licht erscheinen. Ihre Geschichte stellt sich wie folgt dar:16 Basilius von Ankyra hatte (nach dem Zeugnis des Sozomenus17 aus Anlass einer Kirchweihe) vor dem Osterfest 35818 , d. h. wahrscheinlich in der Fastenzeit des Jahres 358, zwölf benachbarte Bischöfe (vgl. die Unterschriften in § 2719 ) zu einer Synode nach Ankyra eingeladen, auf der neben weiteren Zeugenaussagen der Beschwerdebrief Georgs von Laodizäa über die Unterstützung des Aëtius und seiner Schüler seitens des neuen antiochenischen Bischofs Eudoxius (Dok. 54) verlesen und Eudoxius wohl auch verurteilt wurde.20 Die Synodalen entwarfen daraufhin ein Synodalschreiben, das auch eine ausführliche theologische Erklärung enthält, die sowohl gegen »Sabellianismus« als auch (ohne die Gegner beim Namen zu nennen) gegen »anhomöische« Thesen Stellung bezieht und als erstes Dokument der

Fälle durch »susp.« im Gegensatz zu »coni.« gekennzeichnet, vgl. z. B. den Apparat auf S. 390); im Text ist bei Holl an der jeweiligen Stelle die Lücke nur durch ein Sternchen gekennzeichnet. 14 Die Lesefehler liegen wahrscheinlich nicht zuletzt darin begründet, dass sich die Handschrift vor allem auf Grund von Tintenfraß bis zum Jahr 1974, als sie einer grundlegenden Restaurierung unterzogen wurde, in einem sehr schlechten Zustand befand und zum Teil praktisch nicht mehr lesbar war, wie eine Mikroverfilmung der Handschrift durch die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek zeigt, die vor der Restaurierung hergestellt wurde. Es ist zu vermuten, dass Holl zumindest gelegentlich eher auf die Editio princeps als auf die Handschrift selbst zurückgegriffen hat. 15 Soz., h. e. IV 13; Philost., h. e. IV 8; Thdt., h. e. II 25. 16 Vgl. jetzt auch AW III 4, Dok. 55 Einleitung. 17 Soz., h. e. IV 13,1. 18 Vgl. § 1 (προσεγγίζοντος τοῦ πάσχα) und § 4 (τῆς ἁγίας ἡμέρας τοῦ πάσχα ἐπικειμένης). 19 Die Bischöfe sind größtenteils unbekannt. 20 Vgl. die bereits oben genannte Stelle Soz., h. e. IV 13,1 sowie Philost., h. e. IV 8, Thdt., h. e. II 25 und Dok. 56.4.

194 | von Stockhausen Gruppe der »Homöusianer« gilt. Die Synode sandte anschließend eine Delegation21 bestehend aus Basilius von Ankyra und Eustathius von Sebaste, denen sich dann noch der auf der Synode nicht anwesende Eleusius von Kyzikos und ein Presbyter namens Leontius anschlossen, zum Kaiser nach Sirmium, damit dieser gegen Eudoxius von Antiochien vorginge.22

2 Das Schreiben im Kontext des Panarion des Epiphanius In einem zweiten Schritt soll nun das Schreiben der Synode von Ankyra im Kontext des Panarion des Epiphanius von Salamis betrachtet werden:23 Das Schreiben findet sich in Kapitel 73 des Panarion. Dieses Kapitel gehört zum ersten Band des dritten Buches und behandelt nach Audianern (Kap. 70), Photinianern (Kap. 71) und Markellianern (Kap. 72) die Semiarianer (Ἡμιάρειοι), ehe sich Epiphanius mit Pneumatomachen (Kap. 74), Aërianern (Kap. 75) und abschließend mit den Anhomöern (Kap. 76) beschäftigt. Im Kapitel über die Semiarianer ordnet Epiphanius diese (wie üblich) zunächst häresiologisch ein.24 In der Einleitung nennt er dann Basilius von Ankyra sowie Georg von Laodizäa als ihre Protagonisten, beschreibt ihre theologische Position mit dem (von ihnen in täuschender Absicht benutzten) Stichwort ὁμοιούσιος und wirft ihnen schließlich auch pneumatomachische Positionen vor (§ 1) – der Blick des Epiphanius aus den späten 70er Jahren auf die früheren Ereignisse wird hier (wie auch bei der noch folgenden Einordnung des Kyrill von Jerusalem oder vor allem des Meletius) ganz deutlich. Zur Bekräftigung seiner häresiologischen Einordnung will Epiphanius anschließend zwei Texte zitieren.25 Der erste zitierte Text (§ 2–11) ist das Schreiben der Synode von Ankyra (Dok. 55), der zweite (§ 12–22) der Traktat des Georg von Laodizäa

21 Vgl. Soz., h. e. IV 13,5. 22 Zu den Ereignissen in Sirmium vgl. Dok. 56. 23 Das große antihäretische Werk des Epiphanius wird meist nur als Steinbruch für dogmengeschichtliche Untersuchungen (sei es zur Gnosis oder zu den Häresien des 4. Jahrhunderts) verwendet. Erst in jüngerer Zeit ist Epiphanius vermehrt als Autor in den Blick genommen worden, vgl. jetzt Kim, Epiphanius of Cyprus und Jacobs, Epiphanius of Cyprus mit Überblick über den Forschungsstand. 24 Holl, Epiphanius. Dritter Band, 267,27–29: πῶς τινες ἡμιαρειανίζουσιν, ἐκείνου μὲν τὸ ὄνομα ἀρνούμενοι, αὐτὸν δὲ καὶ τὴν αὐτοῦ κακοδοξίαν ἐνδεδυμένοι… Die Semiarianer sind also im Prinzip Arianer, die dies aber leugnen. 25 Holl, Epiphanius. Dritter Band, 268,26–29: καὶ ἵνα μή τις εἴποι κατὰ συκοφάντησιν κατά τινων ἡμᾶς λέγειν, ἐνταῦθα παραθήσομαι ὡς ἔγραψεν ἕκαστος αὐτῶν ἐπιστολήν, Βασίλειος μὲν μίαν, Γεὼργιος δὲ ὁ Λαοδικείας ἅμα Βασιλείῳ καὶ τοῖς σὺν αὐτῷ ἄλλην.

Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)

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und des Basilius von Ankyra (Dok. 58).26 Nach den Briefen (§ 23) steht das Fazit, dass der zu Beginn aufgestellte Vorwurf sich anhand der zitierten Texte als zutreffend erwiesen hat.27 An die Dokumente der Homöusianer anschließend setzt Epiphanius seine häresiologische Darstellung mit dem Bericht über eine (nicht theologisch begründete, sondern auf persönlichen Animositäten beruhende) Spaltung der Semiarianer fort (§ 24) und zitiert nach einer ähnlichen Einleitung wie zu Beginn als nächsten Beweistext (§ 25) aus dem Kontext der Synode von Seleucia 359 die theologische Erklärung der Gruppe um Acacius von Caesarea mit ihrer Unterschriftenliste (Dok. 60.2). Wiederum folgt ein Fazit mit einer (an den oben eingeführten Gedanken der Spaltungen anknüpfenden) Überleitung (§ 27 f.) zum letzten Beweistext (§ 29–33), die im Kontext der Synode von Antiochien 360 zu verortende (homöische) Predigt des Meletius (Dok. 65), an die Epiphanius das oben bereits erwähnte wertschätzende Urteil über Meletius anfügt (§ 34 f.). Am Ende des Kapitels (§ 36) steht eine Sermocinatio mit einer Widerlegung der »semiarianischen« Theologie und ein abschließendes Fazit (§ 37). Für unsere Fragestellung sind nur die beiden zusammen zitierten homöusianischen Dokumente von Interesse. Bei beiden ist von redaktionellen Eingriffen des Epiphanius auszugehen, dazu auch von Textverlusten im Laufe der Überlieferung des EpiphaniusTextes. Die Überlieferung dieser beiden Dokumente ist lückenhaft: Beim Brief der Synode von Ankyra fehlt, wie schon erwähnt,28 auf jeden Fall der Brief Georgs (Dok. 54) im Anhang, und auch die Unterschriftenliste ist nur summarisch wiedergegeben.29 Auch die Überlieferung des Traktates des Georg von Laodizäa und des Basilius von Ankyra (Dok. 58) ist problematisch:30 Der briefliche Rahmen ist (redaktionell) entfernt, vielleicht fehlt auch die Einleitung sowie (eher unwahrscheinlich31 ) der Schluss nach den als Beweis zitierten Dokumenten 56.532 und 57.333 . Ein schwerwiegendes textliches Pro-

26 Wahrscheinlich hat Epiphanius fälschlicherweise diesen zweiten Text für den Brief gehalten, von dem in Dok. 55,4 gesagt wird, dass sich im Anhang des Briefes der Synode eine Abschrift eines Briefes Georgs von Laodizäa befindet. Epiphanius überliefert ihn aber nicht, sondern er ist mit dem bei Soz., h. e. IV 13,2 f. überlieferten Brief (Dok. 54) zu identifizieren. 27 Holl, Epiphanius. Dritter Band, 296,1–4: Αὗται αἱ ἐπιστολαὶ μετετάγησαν πρὸς τὸ εἰδέναι ἕκαστον τῶν φιλολόγων τῶν τὰ ἀληθῆ τῆς πίστεως ἐκζητούντων ὅτι οὐ κατὰ κενοῦ φερόμεθα πρός τινας λέγοντες, ἀλλ’ ἐξ ἀληθινῶν συστάσεων φιλοτιμούμεθα ὁρμᾶσθαι. 28 Vgl. Anm. 26. 29 Vgl. unten S. 199. 30 Vgl. auch die Einleitung in AW III 3, 426 f. 31 Allerdings fehlt am Ende die sonst gesetzte abschließende Rubrik (ἐπληρώθη bzw. πεπλήρωται). 32 Fragmente einer sonst nicht überlieferten anhomöischen Erklärung. Einleitung § 16 und Zitat § 17–22. 33 Unterschriften unter der theologischen Erklärung der Synode von Sirmium 359. Einleitung § 24 und § 25–29.

196 | von Stockhausen blem bietet außerdem die Rubrik, die in der Handschrift zwischen den beiden zitierten Dokumenten steht.34

3 Der Aufbau von Synodalschreiben Bevor ich mich dem Brief der Synode von Ankyra selbst zuwende, möchte ich zuerst einmal untersuchen, wie ein Synodalschreiben eigentlich aufgebaut ist. Das erscheint deswegen als weiterführend, weil es dadurch – bei allen zu machenden Einschränkungen auf Grund der sehr kleinen von mir herangezogenen Beispielauswahl – besser möglich ist, die Eigenheiten des Briefes der Synode von Ankyra zu erfassen. Als Beispiele greife ich zum Vergleich zwei der Texte heraus, auf die sich die Synode von Ankyra auch selbst bezieht, sie also kannte und positiv rezipierte,35 so dass die Parallelen wie Differenzen als besonders signifikant anzusehen sind. Es handelt sich um die Dokumente der »östlichen« Synode von Serdika36 und um die »Ekthesis makrostichos«37 . Die anderen im Brief erwähnten Synoden38 eignen sich deshalb weniger zum Vergleich, weil wir von den entsprechenden Synoden nur eine sehr selektive Auswahl an Dokumenten überliefert haben, die mit dem Überlieferungsbestand der Synode von Ankyra nicht vergleichbar sind, und werden daher nicht behandelt.

34 Ἐπληρώθη τῶν περὶ Βασίλειον καὶ Γεώργιον ὁ ὑπομνηματισμός. Das Problem ist ausführlich (und in Auseinandersetzung mit der übrigen Literatur) in DelCogliano, The Literary Corpus of George of Laodicea, 164–169 diskutiert. Die Rubrik bleibt problematisch, und es ist zumindest die zweifelnde Frage zu stellen, ob zum einen eigentlich wirklich so sicher davon auszugehen ist, dass die Rubriken generell auf Epiphanius selbst zurückgehen und nicht auf einen späteren Redaktor (vergleichbar der Anakephalaiosis), oder ob zum anderen im Laufe der Überlieferung die Rubrik durch einen Fehler nicht einfach vom Ende des Traktates Georgs an diese Stelle verrutscht ist (vgl. oben Anm. 31), da Epiphanius im Traktat Georgs ja wahrscheinlich den in § 4 des Briefes der Synode angekündigten Brief Georgs erkannt hat und diesen dann vergleichbar zu den am Ende des Traktates zitierten Texten einfach ohne weitere Rubrik angehängt hätte. Die Frage wird sich angesichts der schlechten Überlieferung des Epiphanius nicht abschließend lösen lassen. Die Überschrift Ἐπιστολὴ Γεωργίου (Holl, Epiphanius. Dritter Band, 284,11) ist eine Konjektur Holls ohne jeglichen Anhaltspunkt in der Überlieferung und ist daher auf jeden Fall zurückzuweisen. 35 Vgl. Dok. 55,2.4. 36 Dok. 43.11–13, AW III 3, 250–279. 37 Dok. 44, AW III 3, 280–287. 38 Die Synode von Konstantinopel 336[?] (Dok. 40), die Synode von Antiochien 341 [2. antiochenische Formel] (Dok. 41.4) und die Synode von Sirmium 351 (Dok. 47).

Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)

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3.1 Die Dokumente der »östlichen« Synode von Serdika (Dok. 43.11–13) Von der »östlichen« Synode von Serdika sind uns bei Hilarius (coll. antiar. A IV 1–3) drei Dokumente im Zusammenhang überliefert. Er allein bietet neben der Ekthesis auch den Rundbrief und die Unterschriftenliste, während er selbst in seiner Schrift syn. 34 ebenso wie die Sammlungen Codex Veronensis LX und Codex Parisinus syr. 62 nur die Ekthesis der Synode überliefern.39 Bei den Texten der »östlichen« Synode von Serdika handelt sich um ein »Dokumentenkonvolut«, bestehend aus Rundbrief, Ekthesis und Unterschriftenliste: Der (lange) Rundbrief (Dok. 43.11) ist folgendermaßen aufgebaut: Auf den Gruß, der Adressaten und Verfasser nennt (§ 1), beginnt das Schreiben mit einem Bekenntnis zur Tradition (§ 2), die für die Verfasser die Grundlage ihres Handelns darstellt. Nach zwei ausführlichen historischen Rückblicken auf die Verurteilung Markells von Ankyra (§ 3–6) und auf die Verurteilung des Athanasius von Alexandrien (§ 7–14) werden in einem abschließenden, ebenfalls umfangreichen Teil (§ 15–29) die Vorgänge auf der Synode von Serdika geschildert und am Ende die Verurteilungen durch die Synode sowie die Abfassung einer an die Tradition anschließenden Ekthesis mitgeteilt, die von den Adressaten unterschrieben werden soll. Ein Schlussgruß fehlt. Die Ekthesis (Dok. 43.12) zitiert (ohne das anzugeben) nach einem Präskript mit der Nennung der Synode und der auf ihr repräsentierten Provinzen (§ 1) in § 2–4 die 341 auf einer Synode in Antiochien verabschiedete Ekthesis (Dok. 42) samt ihren (schon aus dem Nicaenum übernommenen) namentlich nicht genannte Häresien verurteilenden Anathematismen und fügt diesen deutlich markiert40 im selben Stil41 noch weitere hinzu. Dem schließt sich die Liste (Dok. 43.13) mit 73 angeführten Unterschriften, bestehend aus Name und Bischofsort, an. 39 Die beiden Handschriften Parisinus syr. 62 und Codex Veronensis LX schließen an die Ekthesis den Text über den Osterzyklus (Paris. syr. 62 bietet nur die Rubrik und lässt entsprechend die vom Veron. LX außerdem noch überlieferten Texte des Briefes des Ossius und Protogenes, Dok. 43.6, sowie des Rundbriefes und der Ekthesis der »westlichen« Synode, Dok. 43.1 und 43.2, aus) und die Kanones der »westlichen« (!) Synode von Serdika an, vgl. dazu auch Camplani, Fourth-Century Synods in Latin and Syriac, v.a. 64. Passend zu den Kanones der »westlichen« Synode bieten die beiden Sammlungen Veronensis LX und Parisinus syr. 62 einen im Sinne der nizänischen Orthodoxie korrigierten Text des letzten Anathematismus (AW III 3, 275,10 f. vgl. auch Camplani, Fourth-Century Synods in Latin and Syriac, 67–69). Außerdem wird in den drei Zeugen, die ausschließlich die Ekthesis anführen, dieser auch ein eigenes Präskript (Dok. 43.12,1) vorangestellt, während Hilarius in coll. antiar. A IV 2 dieses kürzt und an seiner Stelle einen überleitenden Satz bietet: Est autem fides nostra talis. Ein vergleichbarer Fall liegt in dem im Paris. syr. 62 überlieferten Präskript zu den Kanones (vgl. Schulthess, Die syrischen Kanones, 168,4–11) mit der Angabe der Synode und den beteiligten Provinzen (mit minimalen Abweichungen zur Theodoret-Überlieferung in Dok. 43.1,1 App. zu Z. 1 f.) vor. 40 Vgl. AW III 3, 275,5–12: Similiter et eos … anathematizat sancta et catholica ecclesia. 41 Vgl. dagegen die Formulierung der Anathematismen im Schreiben der Synode von Antiochien, unten Anm. 63.

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3.2 Ekthesis Makrostichos (Dok. 44) Ein etwas anderes Bild bietet sich im Fall der »Ekthesis makrostichos«, die bei Athanasius in seiner Schrift De synodis und von diesem abhängig bei Sokrates in seiner Kirchengeschichte überliefert ist. Sehr wahrscheinlich dadurch bedingt42 finden sich hier weder ein Präskript noch eine Unterschriftenliste, sondern einzig die Ekthesis dieser antiochenischen Synode des Jahres 344.43 Die Ekthesis setzt mit einem (freilich nicht als solchem markierten) Zitat der Ekthesis der »östlichen« Synode von Serdika ein (§ 1–4). Daran anschließend werden die Anathematismen erläutert (§ 5–12). Jeweils mit οὔτε γάρ bzw. μήν beginnend (§ 5–8) werden die beiden noch auf das Nizaenum zurückgehenden Anathematismen erläutert,44 , anschließend die serdicensischen,45 wobei in § 8 mit Paulus von Samosata der Urheber der Häresie namentlich benannt wird. Anschließend wird mit βδελυσσόμεθα (wir verabscheuen) ein starker Einschnitt markiert, und die eigentlichen Gegner der Verfasser des Textes werden deutlich: Markell und Photin (§ 9–10), ehe in § 11 gegen Sabellius und in § 12 (wieder ohne Namensnennung) gegen Aëtius argumentiert wird. Gerahmt mit πιστεύοντες (§ 13 und 15) wird als Nächstes der eigene Glaube erläutert.46 Abschließend wird die gesamte Erläuterung der πίστις wie der Anathematismen als notwendig festgestellt (§ 16).

4 Aufbau und Argumentationsstrukturen des Briefes der Synode von Ankyra Beide als Vergleichstexte angeführten Ektheseis zitieren also in der Hauptsache einen bereits vorliegenden Bekenntnistext, der anschließend aktualisierend, sei es durch weitere Anathematismen, sei es durch erläuternde Kommentare, erweitert wird. Von diesem Schema der Rezeption der Tradition durch Zitation weicht der Brief der Synode von Ankyra signifikant ab.47 42 Athanasius hatte an historischen Daten kein Interesse, ihm geht es beim Zitat der Ekthesis um den Beweis seiner These, dass die »Arianer« in kurzen Abständen immer neue Bekenntnistexte beschlossen haben, vgl. den einleitenden Satz zur Ekthesis in syn. 26,1 und vor allem den durch syn. 21,1 und syn. 32,1 gebildeten Rahmen des gesamten, die diversen Bekenntnisse zitierenden Abschnittes von De Synodis. 43 Vgl. die Einleitung zum Text in AW III 3, 281. 44 Vgl. οὔτε ἐξ οὐκ ὄντων (§ 5) und οὔτε συνάναρχον καὶ συναγέννητον (§ 6). 45 Vgl. οὔτε τρία πράγματα καὶ τρία πρόσωπα (§ 7) und οὔτε ἕνα θεὸν μόνον (§ 8). 46 Der Text ist also chiastisch komponiert: πίστις – Anathematismen – Erläuterung der Anathematismen – Erläuterung der πίστις. 47 Vgl. allerdings unten S. 200 zu den Parallelen mit dem Synodalschreiben der »östlichen« Synode von Serdika.

Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)

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Das Schreiben der Synode von Ankyra wird traditionell in drei Teile gegliedert:48 Einleitung, Darlegung der homöusianischen Lehre und Anathematismen. Demgegenüber möchte ich hier für eine Vier- oder, wenn man die Unterschriften als eigenen Abschnitt zählt, sogar für eine Fünfteilung des Briefes plädieren: § 1–5 § 6–7 § 8–25 § 26 § 27

Einleitung πίστις Homöusianischer Traktat 19 Anathematismen Unterschriften

Neben den offensichtlichen Gliederungseinschnitten am Ende von § 5 (Einleitung), mit § 26 (Anathematismen) und mit § 27 (Unterschriften) lässt sich auch im theologischen, argumentativen Teil noch ein Gliederungseinschnitt feststellen, nämlich zwischen der Darlegung des eigenen Glaubens in § 6 und 7 und dem darauf folgenden theologischen Traktat (§ 8–25). Diese Unterteilung wird dadurch deutlich, dass die Verfasser des Briefes in § 6 und 7 noch in der 1. Person von ihrem Glauben sprechen,49 während sie ab § 8 sukzessive in eine deskriptive und argumentative Diktion übergehen. Ist der theologische Traktat in § 8–25 nach vorne an die Pistis durch einen sukzessiven Übergang gut angeschlossen, so bricht sie doch am Ende an der Schnittstelle zu den Anathematismen trotz des zusammenfassenden Charakters von § 25 insofern abrupt ab, als sich die Anathematismen (§ 26) ohne Übergang oder Einleitung direkt anschließen. Außerdem fällt auf, dass die Anathematismen die Argumente des Traktates auch nicht Punkt für Punkt in derselben Reihenfolge aufnehmen, sondern einem eigenen Duktus folgen.50 Schließlich fehlt der Briefschluss mit einem Schlussgruß, der wahrscheinlich bereits bei der redaktionellen Bearbeitung des Textes durch Epiphanius entfernt wurde. Unklar ist, ob er ursprünglich vor oder (wahrscheinlicher) nach den Anathematismen zu stehen kam, ob also die Anathematismen einen Anhang zum Brief darstellen oder vielmehr integraler Teil des Briefes sind. Dementsprechendes gilt für die heute nur noch summarische, also ebenfalls redaktionell bearbeitete Unterschriftenliste.51 Außerdem bleibt die Frage, wo eigentlich der in § 4 genannte Anhang mit dem Brief Georgs von Laodizäa zu stehen kam, ob vor oder (wahrscheinlicher, d. h. als eigenes, dem Brief beigelegtes Blatt) nach den Anathematismen und der Unterschriftenliste.

48 Vgl. Kopecek, A history of Neo-Arianism, 156; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 63. 49 § 6 (AW III 4, 389,29): ἡ πίστις ἡμῶν, § 7 (AW III 4, 390,15): ἐπιστεύσαμεν. 50 Vgl. die Tabelle auf S. 202. 51 Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Schlussgruß des Briefes im Zuge der redaktionellen Kürzung der Unterschriftenliste in § 27 weggefallen ist.

200 | von Stockhausen Im einleitenden Teil des Briefes (§ 1–5) erläutern die Verfasser nach dem formalen Briefgruß (§ 1)52 Anlass und Ziel ihres Schreibens (§ 2–4): Anlass ihres Schreibens ist das Aufkommen einer neuen Häresie, nämlich der »Anhomöer« (§ 3), und Ziel ihres Schreibens ist die Unterstützung der Einheitspolitik des Kaisers Constantius und dadurch die Zurückdrängung der neuen Häresie (§ 4). Ihre Intention und vor allem auch ihr Selbstverständnis drücken sie dabei deutlich aus:53 … ἐκθέσθαι εἰς τοῦτο τὸ εἶδος τῆς πίστεως τὸ ἰδίωμα ἐσπουδάσαμεν, ὅσον ἐπὶ τοῖς λοιποῖς τῇ ἐν Ἀντιοχείᾳ, ὡς προέφαμεν, ἐκτεθείσῃ [τε] πίστει τῇ ἐν τοῖς ἐγκαινίοις, ἀλλὰ καὶ ἐν τῇ Σαρδικῇ, ἣν ἀνείληφεν ἡ ἐν Σιρμίῳ σύνοδος, καὶ τοῖς ἐκεῖθεν λογισμοῖς διαρθρώσειν ἀκριβῶς τὴν εἰς τὴν ἁγίαν τριάδα τῆς καθολικῆς ἐκκλησίας πίστιν, πρὸς δὲ τοῦτο, ὡς προέφαμεν, τῆς καινοτομίας τὸ εἶδος μόνον ὡς ἐνεδίδου τὸ πνεῦμα ὑπαγορεύσαντες.

… und uns bemüht, in dieser Form das Wesentliche des Glaubens darzulegen, der wie gesagt im übrigen auf der Kirchweihsynode in Antiochien festgelegt worden ist, aber auch auf der Synode in Serdica, den die Synode von Sirmium übernahm, und mit den von dort ausgehenden Erwägungen den Glauben der katholischen Kirche an die heilige Trinität genau gegliedert darzulegen, wobei wir dazu, wie wir gesagt haben, auf diese Art der Neuerung nur so geantwortet haben, wie es der Geist eingab.

Die Synodalen greifen also auf die Bekenntnisse von Antiochien (Dok. 41.4), von Serdika »Ost« (Dok. 43.11–13), von Sirmium (Dok. 47) und – freilich etwas kryptisch – auf die Ekthesis makrostichos (Dok. 44) zurück,54 allerdings ohne sie zu zitieren.55 Damit stehen sie im deutlichen Gegensatz zu den von ihnen referenzierten und von mir bereits etwas näher betrachteten Bekenntnissen, weil diese jeweils das Bekenntnis, auf das sie zurückgreifen, wörtlich zitieren und dann gegebenenfalls (aktualisierend) ergänzen. Die in Ankyra versammelten Bischöfe führen überhaupt keinen vollständigen Bekenntnistext an, so dass wir es nicht mit einer Ekthesis im strengen Sinne zu tun haben, auch wenn von ἐκθέσθαι und πίστις im Kontext die Rede ist. Vielmehr fokussieren sie in § 6 und 7 unter der Überschrift ἡ πίστις ἡμῶν bzw. ἐπιστεύσαμεν56 ganz auf die aktuell strittigen Punkte, um sich gegen die durch die Heterousianer eingeführten Neuerungen zur Wehr zu setzen – denn das ist am Ende des Satzes gemeint, nicht dass die Verfasser die eigenen Darlegungen als Neuerungen verstehen! Vielmehr reihen sie sich mit der Aufzählung der Synoden in einen langen Traditionszusammenhang ein.57

52 Das Brief ist ein synodales Rundschreiben, dessen in die Provinz Phoenice abgesandtes Exemplar Epiphanius vorgelegen hat. 53 Dok. 55,4 (AW III 4, 388,34–389,11). Instruktiv ist der Vergleich mit der dieselbe Funktion erfüllenden Formulierung der Ekthesis makrostichos (Dok. 44,16), vgl. oben Abschnitt 3.2. 54 Vgl. auch die Aufzählung in § 2. 55 Der Rückgriff auf die Tradition ist aber durchaus vergleichbar mit Dok. 43.11,2. 56 Vom Glauben der Kirche ist dann noch einmal in § 13 die Rede: ἡ δὲ ἐκκλησία πεπίστευκεν, s. folgende Anmerkung. 57 Auf diesen Traditionszusammenhang wird dann auch im Traktat verwiesen, allerdings ist der Referenzrahmen dort nicht mehr eine synodale Tradition, sondern die heilige Schrift selbst (§ 13 f.16–25).

Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)

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Damit – wie auch durch den Rückgriff auf den Taufbefehl (55,6)58 – schließen sie sich strukturell eher an die Ekthesis der Synode von Sirmium des vorangegangenen Jahres an (Dok. 51), die im Text selbst aber mit keinem Wort erwähnt wird.59 § 5 schließt die Einleitung mit einem Appell an die direkt angesprochenen Adressaten unter Bezugnahme auf den apostolischen Glauben zur bekräftigenden Unterschrift unter den Brief auf. Die nun folgende Erklärung der πίστις und deren anschließende Erläuterung sind somit die programmatische Darlegung der Theologie, der sich die Adressaten anschließen sollen. In § 6 f. wird ausgehend vom Taufbefehl anhomöische Diktion zurückgewiesen und an ihrer Stelle die Rede von der ὅμοια οὐσία des Sohnes bzw. vom Sohn, der dem Vater ὅμοιος ist, eingeführt.60 Sprachlich sehr massiv wird außerdem die Bezeichnung des Sohnes als κτίσμα zurückgewiesen. Mit διό eingeleitet folgt dann der lange Abschnitt § 8–25, der vom Umfang ungefähr die Hälfte des Schreibens ausmacht und sich vom »Wir«-Teil zu Beginn und von den Anathematismen am Ende stilistisch deutlich abhebt. Dieser Abschnitt wird in der Forschung meist nur inhaltlich als »Darlegung der homöusianischen Lehre« beschrieben und als integraler Bestandteil des Briefes verstanden. Ich habe ihn demgegenüber als theologischen bzw. homöusianischen Traktat betitelt. Dahinter steht die Vermutung, dass es sich bei ihm (trotz einiger Spuren von Mündlichkeit) um ein von Basilius von Ankyra für die Synode vorbereitetes Schriftstück handelt, das in einer redaktionellen Phase der Paraphierung des Synodalschreibens in dieses eingepasst wurde. In ihm wird als theologische Denkfigur gegen die zurückgewiesenen Lehren der Heterousianer auf der einen (§ 16–22) und der Homousianer auf der anderen Seite (§ 23–25) unter immer wieder betontem Ausschluss jeglichen körperlichen Verständnisses die Rede von der ὁμοιότης κατ’ οὐσίαν entgegengesetzt.61 In § 9–12 werden zunächst vier Einwände vorgestellt, wobei die ersten drei (§ 9–11) jeweils mit der Konjunktion εἰ eingeleitet werden. Diesen Einwänden wird in einem nächsten Schritt die Position der kirchlichen Tradition entgegengesetzt (§ 13 f.): Gott ist Schöpfer der Geschöpfe und Vater des Eingeborenen (Eph 3,14) und der Sohn ist nicht nur καταχρηστικῶς und ὁμονύμως Sohn, d. h. die in den vorangehenden Einwänden in der gegnerischen Argumentation vorgebrachten biblische Verse Hi 38,28, Jes 1,2 und Joh 1,12 sind nicht mit dem Verhältnis Vater – Sohn vergleichbar. In § 15 wird – wiederum durch εἰ eingeleitet – ein weiterer Einwand vorgebracht: Die Rede vom Sohn impliziere logisch

58 Dieser ist aber auch schon in der 2. antiochenischen Formel der Ausgangspunkt der Bekenntnisformulierung. 59 Einzig die Nennung Illyriens in § 4 und die damit verbundene Anspielung auf Mitteilungen über neuerlichen Ärger lassen an dieses Dokument denken. 60 AW III 4, 390,11.13. 61 Vgl. das Ende des einleitenden § 8 (AW III 4, 392,3.5: ὁμοίου καὶ κατ’ οὐσίαν; ὁμοίας οὐσίας) und den Schlußsatz des Traktates in § 25 (AW III 4, 403,20–24): … οὕτως οὐδὲ ὁ υἱὸς ὅμοιος κατ’ οὐσίαν γενόμενος τῷ γεννήσαντι πατρὶ εἰς ταὐτότητα ἄξει τοῦ πατρὸς τὴν ἑαυτοῦ οὐσίαν, ἀλλ’ ἐπὶ τὴν ὁμοιότητα.

202 | von Stockhausen πάθος, μερισμός und ἀπόῤῥοια. Diese Forderung nach Logik (Aëtius!) wird barsch zurückgewiesen und unter Berufung auf Paulus (1Kor 1,17.20; 2,1) der Logik der Glaube als adäquater Maßstab theologischen Denkens entgegengesetzt. Die daran anschließende Gegenargumentation ist daher ein ausführlicher Schriftbeweis (§ 16–22) in drei bzw. vier Durchgängen mit dem Fazit, dass der Sohn dem Vater κατ᾽ οὐσίαν ὅμοιος ist (§ 21).62 Abschließend wird noch gegen ein Verständnis der ὁμοιότης im Sinne einer ταὐτότης argumentiert, wie sie den Nizänern vorgeworfen wurde. Das Hauptaugenmerk der Argumentation ist eindeutig auf die »Anhomöer« gerichtet, eine Abgrenzung zu den »Nizänern« findet zwar statt, steht aber eher am Rande. Demgegenüber wenden sich die Anathematismen (§ 26) in ausgeglichenerem Maße gegen beide Gruppen:63 1. 2.–9.

10. 11.–12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

Zusammenfassung (gegen Rede von Schöpfer und Geschöpf anstelle von Vater und Sohn) Vier Anathematismen-Paare gegen Markell (Identität) bzw. »Anhomöer« (Ungleichheit) 2.–3. bezüglich σοφία (vgl. § 16–18) 4.–5. bezüglich λόγος (vgl. § 21) 6.–7. bezüglich εἰκών (vgl. § 19) 8.–9. bezüglich ζωή (vgl. § 22) ἔκτισέ με ≠ γεννᾷ με (Prov 8,22–25) Gleichheit von Vater und Sohn in ἐνέργεια und οὐσία (vgl. § 9) Sohn ist ἀσώματος, nicht ταὐτόν oder μέρος, nicht κατὰ ἀπόρροιαν oder κατὰ πάθος (vgl. § 15). Sohn ist nicht ἕτερος oder ἀνόμοιος κατ᾽ οὐσίαν (Joh 5,32.37). Sohn ist ὑπὲρ χρόνους, παρὰ πάσας ἀνθρωπίνας ἐννοίας, ἀπαθῶς (Joh 1,1). Vater ist nicht älter, Sohn nicht jünger der Zeit nach. ἅχρονον (ὑπόστασις Christi) darf nicht auf ἀγέννητος (οὐσία Gottes) bezogen werden. Sohn ist nicht nur ἐξουσίᾳ, sondern ἀληθῶς ἐκ πατρὸς γνήσιος υἱός. ἐξουσίᾳ und οὐσίᾳ Sohn heißt aber nicht ὁμοούσιος und ταὐτοούσιος.

62 Die Gliederung stellt sich im Einzelnen folgendermaßen dar: § 16 Syllogismus (σοφία, σοφός = οὐσία, ὅμοια κατ᾽ οὐσίαν, kein πάθος); § 17 Paulus als Kronzeuge (durch ihn spricht die Weisheit vs. λογισμός); Schriftbeweis I: Ps 35,7 und 76,20 vs. Röm 11,33; § 18 Schriftbeweis II: Prov 8,22–25 vs. Kol 1,15; § 19 Schlussfolgerung; § 20–21 dafür ist nicht nur Paulus, sondern auch Johannes Zeuge, daher Schriftbeweis III: Prov 8,22–25 vs. Joh 1,1.14 und 5,19; § 22 Weiterer Beweis aus der Schrift: Joh 5,26. 63 Die Anathematismen 6–17 werden von der Synode von Sirmium im Jahr 358 rezipiert, vgl. Dok. 56.3. In der Art der Formulierung schließen sich diese Anathematismen an die ebenfalls als Referenz aufgezählten (vgl. § 2 und 4) Anathematismen der Ekthesis der Synode von Antiochien 341 (Dok. 41.4,8: εἴ τις … ἀνάθεμα ἔστω) und der Synode von Sirmium 351 (Dok. 47.3) an. Allerdings sind die Anathematismen der Synode von Ankyra jeweils viel umfangreicher.

Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)

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An die Anathematismen ist abschließend die (gekürzte) Unterschriftenliste angefügt.

5 Zusammenfassung: Die Synode von Ankyra Vor allem in den drei Teilen des homöusianischen Traktates, der Anathematismen und der Unterschriften stehen uns drei Quellen zur Verfügung, die uns einen (freilich nur hypothetischen) Einblick in den Ablauf der Synode gewähren können, über den wir sonst überhaupt nicht unterrichtet sind.64 Denn die viel spätere Darstellung beim Kirchenhistoriker Sozomenus berichtet nur vom Faktum der Synode und von der Delegation an den Hof des Kaisers in Sirmium im Anschluss an die Synode,65 von der wir wiederum aus dem Rundbrief der Synode, die unsere einzige Primärquelle darstellt, überhaupt nichts erfahren. Ich hatte oben die Vermutung geäußert, dass es sich bei dem »homöusianischen Traktat« um eine der Synode schriftlich vorliegende theologische Auseinandersetzung des Basilius von Ankyra v. a. mit der drohenden neuen Häresie der »Anhomöer« handelt. Trifft dies zu, so ist es naheliegend, dass dieser Text nicht nur in den Synodalbrief eingefügt worden ist, sondern vielmehr dafür abgefasst wurde, um während der synodalen Verhandlungen eine Diskussionsgrundlage zu bieten, und so auch auf der Synode verwendet wurde. Auf der Synode von Ankyra wurden ja nicht nur altbekannte Theologumena wiederholt und ausgetretene theologische Wege beschritten, sondern angesichts einer ganz neuen Herausforderung neue theologische Lösungen erarbeitet. Es ist schwer vorstellbar, dass dies ohne Diskussion abgelaufen wäre. Dafür spricht auch, dass in den wahrscheinlich am Ende der Diskussionen verabschiedeten Anathematismen die Akzente zwar kompatibel zum theologischen Traktat, aber durchaus anders gesetzt werden. Die Unterschriftenliste schließlich dürfte ganz am Ende der Synode stehen, da sie direkt zum Brief der Synode gehören und gewissermaßen das vorwegnehmen, wozu die Absender des Briefes ihre Adressaten in § 5 auffordern. Damit wären auf Grundlage des Rundbriefes drei Phasen im Ablauf der Synode auszumachen: 1. Theologische Positionsbildung auf Basis des Traktates des Basilius 2. Abfassung der Anathematismen 3. Abfassung des Synodalschreibens und seine Unterzeichnung

64 Der Einleitungsteil mit seinem Rückblick auf die vorangegangenen Synoden macht nicht nur das Selbstverständnis der Synode deutlich, sondern verweist auch auf die Vorgeschichte und damit die Beweggründe, die zur Synode geführt haben. 65 Soz., h. e. IV 13.

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6 Ausblick In meinem Beitrag habe ich versucht zu zeigen, mit welchen überlieferungsgeschichtlichen und inhaltlichen Problemen das Schreiben der Synode von Ankyra aus dem Jahr 358 belastet ist und wie überlieferungsgeschichtliche und textkritische Probleme mit inhaltlichen Fragestellungen verwoben sind. Insofern kann dieses Dokument als Exempel für jeden einzelnen (Synodal-)Text aus dem Kontext des »arianischen« Streites dienen, wenn es um die Frage geht, wie überhaupt die Dokumente einer Synode auf uns gekommen sind und wie und in welcher Form (und das heißt vor allem auch in welchem Zuschnitt und mit welchen redaktionellen Eingriffen) sie in die kirchengeschichtlichen und polemisch-apologetischen Werke Eingang gefunden haben und rezipiert worden sind.

Literatur Brennecke, Hanns Christof/Uta Heil/Annette von Stockhausen/Angelika Wintjes, Athanasius Werke. Band III. Teil 1: Dokumente zur Geschichte des Arianischen Streits 318–328. 3. Lfg.: Bis zur Ekthesis Makrostichos, Berlin/New York, 2007. Brennecke, Hanns Christof/Annette von Stockhausen/Christian Müller/Uta Heil/Angelika Wintjes, Athanasius Werke. Band III. Teil 1: Dokumente zur Geschichte des Arianischen Streits 318–328. 4. Lfg.: Bis zum Tomus ad Antiochenos (362), Berlin/Boston, 2014. Camplani, Alberto, Fourth-Century Synods in Latin and Syriac Canonical Collections and their Preservation in the Antiochene Archives (Serdica 343 CE – Antioch 325 CE), in: Cultures in Contact. Transfer of Knowledge in the Mediterranean Context. Selected Papers, hrsg. von Juan Pedro Monferrer Sala/Sofía Torallas Tovar, Syro-Arabica 1, Cordoba/Beirut, 2013, 61–72. Cornarius, Janus, D. Epiphanii episcopi Constantiae Cypri, Contra octoaginta haereses opus, Basel, 1543. DelCogliano, Mark, The Literary Corpus of George of Laodicea, in: Vigiliae Christianae 65 (2011), 150–169. Dummer, Jürgen/Christoph Markschies, Philipp Melanchthons Randbemerkungen zu Epiphanius im Jenensis Ms. Bos. f. 1, in: Epiphanius I: Ancoratus und Panarion haer. 1-33, hrsg. von Karl Holl/Marc Bergermann/Christian-Friedrich Collatz, Zweite, wesentlich erweiterte Auflage, Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte. Neue Folge 10, Berlin/Boston, 2013, 795–818. Fairbairn, Donald, The Synod of Ancyra (358) and the Question of the Son’s Creaturehood, in: Journal of Theological Studies 64 (2013), 111–136. Gummerus, Jaakko, Die homöusianische Partei bis zum Tode des Konstantius. Ein Beitrag zur Geschichte des arianischen Streites in den Jahren 356-361, Leipzig, 1900. Hanson, Richard P. C., The Search for the Christian Doctrine of God. The Arian Controversy 318–381, Edinburgh, 1988. Holl, Karl, Die handschriftliche Überlieferung des Epiphanius: (Ancoratus und Panarion), Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 36/2, Leipzig, 1910. — Epiphanius. Dritter Band: Panarion haer. 65–80. De fide, Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte 37, Berlin, 1933.

Der Brief der Synode von Ankyra 358 (Dok. 55)

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Uta Heil

Was wir glauben und was wir wissen. Zur Bilanz des trinitarischen Streits durch die Homöer 1 Einleitendes Die theologischen Erklärungen der Synode von Rimini im Jahr 359 (West) und der Synode von Konstantinopel im Jahr 359/360 (Ost) bildeten für fast zwei Jahrzehnte mit einer kurzen Unterbrechung unter Kaiser Julian (361–363) das offizielle Bekenntnis des Christentums im Römischen Reich. Es ist die Grundlage und der Ausdruck des theologischen Anliegens der Gruppe der sogenannten Homöer,1 die nach dem berühmten Stichwort ὅμοιος (»gleich«) in diesen Erklärungen benannt werden. Nach langen Verhandlungen auf mehreren Synoden hat die Mehrheit der Bischöfe im Römischen Reich schließlich diese Erklärungen unterzeichnet, so dass Kaiser Constantius II. sein Ziel erreichen konnte, die theologische und kirchenrechtliche Spaltung des Christentums im Römischen Reich seit der Synode von Serdica im Jahr 343 zu überwinden.2 Die hauptverantwortlichen Wortführer, die das kirchenpolitische Programm des Kaisers umzusetzen hatten, waren Valens von Mursa, Ursacius von Singidunum und Germinius von Sirmium, Bischöfe im Umfeld der Residenz des Kaisers in Illyrien, sowie Acacius von Caesarea im Osten. Es ist schwierig, die theologische Position der Homöer der Zeit um 360 jenseits der synodalen Dokumente näher zu beschreiben und weitere Informationen über sie zu bekommen.3 Der Grund dafür ist, dass diese homöische 1 Zu den Homöern allgemein vgl. Brennecke, Hilarius von Poitiers; Studien zur Geschichte der Homöer; Homéens; Hanson, The Search for the Christian Doctrine, bes. 557–597; Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien. 2 Die wichtigen Quellentexte zum »arianischen« Streit, also auch zur Synode von Serdica 343, finden sich in: Hans-Georg Opitz, Athanasius Werke. Band III. Teil 1: Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites 318–328. Lfg. 1–2, Berlin/Leipzig, 1934; Hanns Christof Brennecke/Uta Heil/Annette von Stockhausen/Angelika Wintjes, Athanasius Werke. Band III. Teil 1: Dokumente zur Geschichte des Arianischen Streits 318–328. 3. Lfg.: Bis zur Ekthesis Makrostichos, Berlin/New York, 2007; Hanns Christof Brennecke/Annette von Stockhausen/Christian Müller/Uta Heil/Angelika Wintjes, Athanasius Werke. Band III. Teil 1: Dokumente zur Geschichte des Arianischen Streits 318–328. 4. Lfg.: Bis zum Tomus ad Antiochenos (362), Berlin/Boston, 2014. Quellentexte aus dieser Sammlung werden im Folgenden mit AW und der jeweiligen Nummer des Dokuments angegeben. Die ersten beiden Lieferungen enthalten die Dokumente des arianischen Streits von Beginn bis zur Synode von Nizäa 325 (Urk. 1–34); die folgenden Lieferungen enthalten die Übersetzungen der von Opitz edierten Urkunden und setzten die Sammlung zweisprachig fort. 3 Zu weiteren Quellentexten der Homöer vor allem aus späterer Zeit vgl. Brennecke, Homéens. DOI 10.1515/9783110420258-007

208 | Heil Theologie aus der konkreten Situation heraus am Ende der fünfziger Jahre als Produkt des Anliegens des Kaisers Constantius entstanden ist und weniger ein Konzept einer bereits existierenden, theologisch profilierten Gruppe war, auf die Kaiser Constantius einfach hätte zurückgreifen können. Einzig eine allgemeine anti-markellische bzw. antiphotinianische und auch anti-athanasianische Ausrichtung ist zweifellos erkennbar: Germinius4 war Bischof von Sirmium geworden anstelle des im Jahr 351 abgesetzten Photin, der Gedankengut des Marcell von Ancyra weiterentwickelt hatte,5 und Ursacius von Singidunum und Valens von Mursa hatten sich bislang vor allem dadurch hervorgetan, die Absetzung des Athanasius von Alexandrien mit vorangetrieben zu haben.6 So lässt sich das theologische Profil der Homöer allenfalls grob als das der sogenannten origenistischen Mittelpartei oder der »Eusebianer«7 beschreiben.

4 Zu Germinius vgl. Williams, Another Exception. Mitte der 60er Jahre gingen die Ansichten innerhalb der Gruppe der Homöer über den zentralen Begriff ὅμοιος (»gleich«) auseinander: Valens und Ursacius warfen Germinius vor, mit seiner Beschreibung des Sohnes Gottes als dem Vater »gleich in jeder Hinsicht« den ursprünglichen homöischen Konsens, von »gleich nach den Schriften« zu sprechen, verlassen zu haben. Die wenigen Texte, die in diesen Zusammenhang gehören (überliefert bei Feder, 47 f.159 f.160–164), bilden die einzige Quelle über die Ansichten des Germinius von Sirmium. 5 Zu Markell vgl. AW III 3, Dok. 40 und 41.7 sowie Lienhard, Contra Marcellum; Parvis, Marcellus of Ancyra; zu Photin vgl. AW III 4, Dok. 45 und 47; vgl. ferner Hanson, The Search for the Christian Doctrine, 235–238 sowie Williams, Monarchianism and Photinus of Sirmium. Marcell von Ancyra sowie Photin von Sirmium wurde vorgeworfen, sie leugneten das selbständige präexistente Sein (Hypostase) des Sohnes, der erst seit der Menschwerdung existiere, so dass ihnen sowohl Sabellianismus und Patripassianismus angelastet wurde als auch, wie Paulus von Samosata zu denken; vgl. die sogenannte 1. sirmische Formel von 351 mit den Anathematismen (Ath., syn. 27,2–3 [AW II 1–7, 254,17–256,22]; Socr., h. e. II 30,5–30 [Hansen, 141,16–144,14]; Hil., syn. 38 [PL 10, 509–512] = AW III 4, Dok. 47.3). 6 Valens und Ursacius hatten sich bereits auf einer Synode von Tyrus 335 gemeinsam mit den sogenannten Eusebianern um Eusebius von Nikomedien und Eusebius von Caesarea (s. folgende Anm.) für die Absetzung des Bischofs Athanasius von Alexandrien (328–373) eingesetzt und der sogenannten Mareotis-Kommission angehört, welche diverse Vorwürfe gegen die Amtsführung des alexandrinischen Bischofs klären sollte (Ath., apol. sec. 31,2; 72,4; 73,1; 75,1; 76,2). Athanasius hatte seine Absetzung durch die Synode in Tyrus nicht akzeptiert (Ath., apol. sec. 72; 82,1), war aber von Kaiser Konstantin Ende 335 ins Exil nach Gallien (Ath., ind. ep. fest. 8; Soz., h. e. II 25) geschickt worden, aus dem er erst 337 nach dem Tod des Kaisers zurückkehren konnte. Inzwischen war Athanasius seit Februar 356 zum dritten Mal im Exil auf der Flucht (Ath., ind. ep. fest. 28; fug. 24; h. Ar. 81), nachdem Kaiser Constantius, Alleinherrscher seit 351, auf zwei Synoden in Arles 353 und Mailand 355 seine erneute Absetzung durchgesetzt hatte und ihn verhaften wollte (hist. Ath. 1,10 f.). 7 Zentrale Dokumente der theologischen Position der »Eusebianer« sind AW III 3, Dok. 41.4; 41.5; 42; 43.11; 43.12 und 44. Zu den »Eusebianern«, also den beiden Euseben Eusebius von Nikomedien und Eusebius von Caesarea, und ihren Anhänger vgl. Attridge/Hata, Eusebius; Campenhausen, Das Bekenntnis Eusebs von Cäsarea (Nicaea 325); Luibhéid, Eusebius of Caesarea and the Arian Crisis; Ricken, Die Logoslehre des Eusebios von Caesarea; Stead, »Eusebius« and the Council of Nicaea; Wallace-Hadrill, Eusebius of Caesarea; vgl. ferner Gwynn, The Eusebians.

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2 Zweite sirmische Erklärung von 357 n. Chr. Ein erster Entwurf der neuen homöischen Richtung ist das Positionspapier einer vom Kaiser nach Sirmium einberufenen Arbeitsgruppe vom Herbst des Jahres 357. Beteiligt waren Germinius von Sirmium, der hier erstmals als Nachfolger Photins genannt wird, Valens von Mursa und Ursacius von Singidunum sowie Ossius von Cordoba und Potamius von Lissabon.8 In dem Text heißt es gleich zu Beginn: Da offenbar manche Diskussionen über den Glauben (de fide disceptatio) aufgekommen sind, wurde in Sirmium unter Anwesenheit unserer außerordentlich heiligen Brüder und Mitbischöfe Valens, Ursacius und Germinius und den übrigen alles genau untersucht und erforscht (diligenter omnia tractata sunt et discussa).

In logischer Fortführung dieses Hinweises wird im Folgenden in mehreren Abschnitten angeführt, worüber man übereinstimme, was fest stehe bzw. worüber keine Zweifel bestünden. Einiges jedoch wird eindeutig als falsche Lehre kritisiert und manches wird hinterfragt, weil man darüber keine Aussagen machen könne. Auffällig sind in diesem Zusammenhang die verwendeten Formulierungen. Es handelt sich also keineswegs um ein Bekenntnis im herkömmlichen Sinn, das mit den Worten »ich glaube« oder »wir glauben« einsetzt, sondern um eine Art Diskussionsprotokoll dieser Arbeitsgruppe.9 So beginnt der Text mit »es steht fest« (constat), nämlich »dass es einen einzigen Gott gibt, den Allmächtigen und Vater, wie es auf der ganzen Welt geglaubt wird (sicut per universum orbem creditur), und dass sein einer Sohn, Jesus Christus, der Herr, unser Erlöser, aus ihm vor den Zeiten gezeugt worden ist.« Als Beleg wird hier also innerhalb des Satzes, der mit »constat« konstruiert wird, zusätzlich der Hinweis auf den allgemeinen Konsens angegeben, da weltweit so geglaubt werde. Die folgende Aussage hängt grammatikalisch noch am »constat«: Es stehe also ebenfalls fest, dass man nicht zwei Götter predigen könne oder dürfe (»nec posse nec debere praedicari«10 ), was mit zwei Schriftzitaten belegt wird. Schlussfolgernd heißt es: »Auch alle übrigen Dinge stimmen überein (convenerunt) und können keinen Widerspruch enthalten (nec ullam habere potuerunt discrepantiam).«

8 Die Namen: Socr., h. e. II 30,31; Ath., syn. 28,2; Hil., syn. 11 (vgl. Ath., h. Ar. 45,4 f.; Socr., h. e. II 29,3; Soz., h. e. IV 6,4 zu Ossius). Das Positionspapier dieses Treffens in AW III 4, Dok. 51 (aus Hil., syn. 11); eine griechische Übersetzung bei Ath., syn. 28,2–12 (AW II 1–7, 256,25–257,27); Socr., h. e. II 30,31–41 (Hansen, 144,15–146,6). 9 Auf den Protokollcharakter verwies schon Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 47: »Formal betrachtet ist die ›2. sirmische Formel‹ sehr frei gestaltet. Durch den einleitenden Satz erhält sie Protokollcharakter; die in den Text eingestreuten ›Konsensformeln‹ machen klar, daß die Synodalen mit diesem Bekenntnis das theologisch gemeinsam Vertretbare markieren wollten«. 10 Dok. 51,2 (AW III 4, 377,8 f.)

210 | Heil Nun folgt der bekannte und bedeutende Absatz in diesem Text, der später das Kernanliegen der Homöer markieren wird: Es wird grundsätzlich die Verwendung der Usia-Terminologie, also die Begriffe »homousion« (»wesenseins«) und »homoeusion« (»wesensgleich«), in trinitätstheologischen Kontexten verboten, ausgedrückt mit: »nullam omnino fieri oportere mentionem«.11 In mehreren Sätzen, die mit »de causa et ratione quod« eingeleitet werden, folgen Begründungen für dieses Verbot, nachdem zuvor schon darauf hingewiesen wurde, dass darüber viel Unruhe entstanden sei (»quod vero quosdam aut multos movebat«): weil diese Terminologie nicht in der Schrift begegne und weil die Thematik über das menschliche Erkenntnisvermögen hinausgehe (»super hominis scientiam«). Gerade der letzte Punkt wird nochmals betont mit dem Hinweis darauf, dass – mit Jes 53,8 – keiner die Entstehung des Sohnes erfassen könne, da es ja erwiesen sei (»manifestum est«), dass nur der Vater und der Sohn jeweils darum wissen (»scire«; vgl. Mt 11,27), nicht aber der Mensch. Das Wissen der Menschen (»scientia«) um das göttliche Sein ist also sehr begrenzt. Demgegenüber wird im Rest des Textes beschrieben, worüber keine Zweifel bestehen (»nulla ambiguitas est … nulli potest dubitum esse«12 ) und was niemand ignorieren könne (»et hoc catholicum esse nemo ignorat«). Diese Schlusspassage wird inhaltlich dominiert von einer subordinatianischen Lehre, die den Sohn dem Vater unterordnet (1Kor 15,28), da der Vater größer (»maior«) sei, wie es der Sohn in Joh 14,28 selbst sage.13 Ferner wird beschrieben, dass auch keine Zweifel darüber bestünden, dass der Sohn Gottes Mensch geworden sei, wie man in der Schrift nachlesen könne 11 Dok. 51,3 (AW III 4, 377,20–378,3). Interessanterweise wird hier konkret auf das nizänische »homousios« sowie auf den weiteren Begriff »homoeusion« hingewiesen, was voraussetzt, dass es zu der Zeit eine Kontroverse um diese Terminologie gab. Bekannt ist, dass die Gegner der Absetzung des Athanasius auf den Synoden von Arles 353 und Mailand 355, wie Eusebius von Vercelli und Lucifer von Calaris, den Verantwortlichen Valens und Ursacius »Arianismus« vorwarfen und das (antiarianische) Nizänum ins Spiel brachten (vgl. den Brief des Liberius, Obsecro, an Constantius in Hil., coll. antiar. A VII [Feder, 89–93 = AW III 4, Dok. 50.1] und den Bericht des Hil., ad Const. 8 [Feder, 186 f. = AW III 4, Dok. 50.5]). Überliefert sind ferner die detaillierten Ausführungen zum nizänischen homousios im Sinne des »homoeusios« bzw. ὅμοιος κατ’ οὐσίαν in dem langen Synodalschreiben von Ancyra unter der Federführung des Ortsbischofs Basilius vom Frühjahr 358, ein halbes Jahr nach dem Treffen in Sirmium (Epiph., haer. 73,2–11 = AW III 4, Dok. 55): Wenn man körperliche Vorstellungen beiseitelasse und bei Gott kein Erleiden annehme, dann könne Gott, der Vater, als Erzeuger eines ihm im Wesen gleichen Wesens vorgestellt werden – so zusammenfassend die Position. Vor dem Hintergrund dieser nicht immer einfach zu verstehenden Gedankengänge (vgl. auch das in Epiph., haer. 73,12–22 überlieferte Schreiben des Basilius und Georg von Laodicaea von 359 [AW III 4, Dok. 58]) gewinnt die schlichte homöische Lösung der Vermeidung des Streits um die Usia-Terminologie durchaus an Attraktivität. 12 Dok. 51,2 (AW III 4, 378,12 f.). 13 Es war jedoch nicht nur der nizänische Begriff »homousios« umstritten, sondern ebenfalls der hier als unstrittig vorgestellte Subordinatianismus. Zwei Aspekte seien dazu angemerkt: Die Verfasser der sirmischen Erklärung konnten sich damals im Konsens der Mehrheit sehen, da die Vertreter der Einhypostasentheologie wie Marcell von Ancyra in der Minderheit oder abgesetzt worden waren; daher sind Anklänge an Formulierungen der theologischen Erklärungen der »Eusebianer« in Antiochien 341 und besonders in der sogenannten »Ekthesis makrostichos« von 344 (vgl. AW III 3, Dok. 41.4; 42

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(»sicuti legitur«). Der Text mündet schließlich in einer Betonung der Dreiheit als Hauptsache des Glaubens (»illa autem clausula est totius fidei et illa confirmatio«), belegt mit dem Taufbefehl aus dem Matthäusevangelium (Mt 28,19).14 Dominiert wird dieser Text also von einer Auflistung theologischer Aussagen nach dem Kriterium, ob sie umstritten sind oder nicht, kombiniert mit dem Aspekt, ob der Mensch derartiges wissen könne oder nicht. So gibt es Feststellungen, die nicht strittig, sondern allgemeiner Konsens seien, daneben aber umstrittene Themen, die jedoch nur deswegen Streit provoziert hätten, weil der Mensch darüber eigentlich gar keine Aussagen machen könne. Offenbar hat die kleine Gruppe in Sirmium versucht, einen neuen Weg einzuschlagen, indem sie nicht eine weitere, neue theologische Formel oder ein Bekenntnis formulieren wollte. Stattdessen wird auf einer übergeordneten Ebene analysiert, worin die Probleme liegen und was Konsens sei, worauf man also aufbauen könne und worüber am heftigsten gestritten werde. Als Hindernis für eine theologische Übereinkunft wird die Usia-Terminologie markiert, die deswegen aus der theologischen Diskussion zu verbannen sei. Dieser Begriff sei nur aufgrund unsachgemäßen Erkenntnisstrebens einiger Menschen eingeführt worden; das war bekanntlich ein Argument seit Beginn der trinitätstheologischen Diskussion gewesen,15 wird hier jedoch besonders hervorgehoben.

3 Theologische Erklärung von Konstantinopel 360 n. Chr. Schaut man sich vor diesem Hintergrund die theologische Erklärung von Konstantinopel von 36016 an, so fallen folgende Formulierungen auf:

und 44) erklärbar. Andererseits gibt es bei genauem Hinsehen auch eine interessante Referenz zu dem westlichen »Serdicense« von 343 (vgl. Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 48 f.), wenn der Sohn als dem Vater dem Namen nach größer beschrieben wird (Dok. 51,4, AW III 4, 378,13–15: »nulli potest dubium esse, patrem honore, dignitate, claritate, maiestate, et ipso nomine patris maiorem esse filio«), da es dort heißt: οὐδέ τις ἀρνεῖταί ποτε τὸν πατέρα τοῦ υἱοῦ μείζονα, οὐ δι ἄλλην ὑπόστατιν, οὐδὲ διὰ διαφοράν, ἄλλ ὅτι αὐτὸ τὸ ὄνομα τοῦ πατρὸς μεῖζόν ἐστι τοῦ υἱοῦ (AW III 3, Dok. 43.2,7). So ist die Betonung des Konsenses hier durchaus ernst zu nehmen, zudem die Subordination des Sohnes unter den Vater in dieser Erklärung von 357 nicht unter Rückgriff auf eine Hypostasentheologie beschrieben wird. 14 Etwas nachklappend ist der letzte Satz über den heiligen Geist, der offenbar angehängt wurde, da bislang nur von Zweien der Dreiheit, Vater und Sohn, die Rede war. 15 Vgl. den Brief des Vorgängers des Athanasius, Alexander von Alexandrien aus der Zeit vor der Synode von Nizäa 325, AW III 1–2, Urk. 14 = AW III 3, Dok. 17,19–21. 16 Der Text ist überliefert in Ath., syn. 30,4–6 (AW II 1–7, 259,1–9); Socr., h. e. II 41,10–12 (Hansen, 177,17–178,5 = AW III 4, Dok. 62.5).

212 | Heil Der Text beginnt traditionell mit dem Wort πιστεύομεν, womit der erste Artikel eingeleitet wird. Es folgt, verbunden mit »und« (καί), der zweite Artikel über den Sohn. Innerhalb dieses Absatzes wird nun der Sohn als dem Vater »gleich« (ὅμοιος) beschrieben, woher diese Richtung in der Forschung den Namen »Homöer« bezogen hat. Dieses Stichwort drückt gegenüber dem Subordinatianismus im Text von 357 eine theologische Entwicklung der Homöer aus; sie versuchten damit wohl, eine größere Akzeptanz zu erreichen, ohne sich jedoch auf das umkämpfte Feld der Usia-Terminologie zu begeben. Die ausdrückliche Betonung der für die Menschen nicht erkennbaren Zeugung des Sohnes aus dem Vater ist allerdings bekanntes Gedankengut. Interessant ist nun die ungewöhnliche Einleitung des nächsten Abschnittes, die bislang weder bemerkt noch gedeutet worden ist: Hier steht ein für ein Bekenntnis ungewöhnliches »wir wissen« (οἴδαμεν)!17 Mit diesem Verb wird die vom Sohn erfüllte Heilsordnung (οἰκονομία) eingeleitet, wie sie in der Schrift bezeugt werde: Wir wissen (οἴδαμεν), dass dieser als eingeborener Sohn Gottes, geschickt vom Vater, aus dem Himmel herabstieg, wie geschrieben steht (ὡς γέγραπται), zur Beseitigung der Sünde und des Todes, und dass er nach dem Fleisch aus dem heiligen Geist und der Jungfrau Maria geboren wurde, wie geschrieben steht (ὡς γέγραπται), mit seinen Jüngern Umgang hatte und die ganze Heilsordnung gemäß dem väterlichen Willen vollendet hat (καὶ πάσης τῆς οἰκονομίας πληρωθείσης κατὰ τὴν πατρικὴν βούλησιν), dass er gekreuzigt wurde, gestorben ist, begraben wurde, in die Unterwelt herabgestiegen ist, währenddessen der Hades selbst erschauderte, der von den Toten am dritten Tag auferstanden ist, mit seinen Jüngern Umgang hatte, (alles) vollendet hat, nach vierzig Tagen in den Himmel aufgenommen worden ist, zur Rechten des Vaters sitzt und am jüngsten Tag der Auferstehung in der väterlichen Herrlichkeit zurückkommen wird, damit er jedem gemäß seiner Taten etwas zurückgeben wird.18

Dies ist also der Teil des christlichen Glaubens, über den kein Zweifel bestehe und von dem der Mensch etwas wissen könne, da es die Menschwerdung und die Heilsordnung des Sohnes betreffe, die in der Bibel bezeugt ist, wie es mehrfach betont wird. Der anschließende Teil über den heiligen Geist knüpft wieder traditionell an »wir glauben« (πιστεύομεν) an, das hier ebenso zu ergänzen ist wie bei den Ausführungen zum Sohn im zweiten Absatz, ebenfalls eingeleitet mit καὶ εἰς. Der vorletzte Absatz greift in ähnlicher Formulierung das aus dem Text von 357 bereits bekannte Verbot auf, die »Usia«-Terminologie zu verwenden, wird aber nun auch noch um das Verbot des Begriffs »Hypostase« erweitert. Explizit wird hier auf die Väter Bezug genommen, das sind die Bischöfe der Synode von Nizäa von 325, die allzu leichtfertig das Wort »Usia« verwendet hätten. Die angehängte Verdammung ist sehr allgemein gehalten. Sie bezieht sich auf alle Häresien und interessanterweise auch auf

17 Dies wurde nicht erst in Konstantinopel so formuliert, sondern stand schon in der Vorlage zur Synode, in der sogenannten »vierten sirmischen Formel« von 359; dieser Text ist in Ath., syn. 8,5 (AW II 1–7, 235,30) und Socr., h. e. II 37 (Hansen, 154,17) zu finden (mit ἴσμεν) = AW III 4, Dok. 57.2. 18 Ath., syn. 30,4–6 (AW II 1–7, 259,1–9) = Dok. 61.5,3.

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künftige Irrlehren. Man will also bereits Vorsorge treffen gegen eventuelle Kritik an dieser Erklärung und verdammt mögliche Einwände gleich mit. Ein auffälliger Aspekt dieses Textes wurde also bislang in der Forschung übersehen, nämlich die Einleitung des mittleren Teils mit »wir wissen« (οἴδαμεν). Sie erklärt sich meines Erachtens als Fortwirken des Anliegens der Homöer seit 357, zwischen Aspekten zu unterscheiden, über die der Mensch Erkenntnis haben kann oder nicht. Genauere Aussagen über die Zeugung des Sohnes aus dem Vater, ob sie aus seinem Wesen geschah oder aus seinem Willen, über die Beschreibung der göttlichen Natur und des göttlichen Seins im Verhältnis zum Sohn, also über seine präexistente Entstehung und sein vorzeitliches Sein, seien nicht möglich. Wohl ist der Sohn der Eingeborene, vor allen Zeiten aus Gott gezeugt, der Schöpfungsmittler und allgemein Gott gleich. Gegenstand des menschlichen Wissens ist allein die Heilsordnung, die hier hauptsächlich mit biblischer Terminologie relativ ausführlich beschrieben wird. Hier begibt man sich auf sicheres Terrain und erstmals wird in einem Bekenntnis überhaupt diese Passage derart ausgeweitet. Es wird also betont und in den Vordergrund gestellt, was die Christen übereinstimmend vom Sohn wissen, wohl auch, um die Differenzen etwas in den Hintergrund zu drängen und zu relativieren. So begegnet hier das merkwürdige Phänomen, dass diese Passage so ausführlich gestaltet wurde, obwohl sie nicht umstritten war. Bislang war im Verlauf des trinitarischen Streits im vierten Jahrhundert eher zu beobachten, dass diejenigen Abschnitte, die strittig waren, breit ausgeführt werden.

4 Theologische Erklärung von Rimini, zweite Sitzung, 359 n. Chr. Weitaus bedeutender als die Erklärung von Konstantinopel von 360 wurde für die westliche, lateinische Rezeption der homöischen Theologie die Fassung, die in Rimini 359 verabschiedet wurde.19 An dieser Stelle ist ein Text vorzustellen, der die Verhandlungen und das Ergebnis der sogenannten zweiten Sitzung von Rimini in einem anderen Licht erscheinen lässt als es bislang gesehen wurde. Die Formel von Rimini ist nämlich nicht identisch mit der von Nike bzw. Konstantinopel. Doch seien zunächst zur Erinnerung einige wenige einleitende historische Bemerkungen vorangestellt:

19 Auch in späterer Zeit haben sich Homöer des Westens stets auf die Beschlüsse von Rimini berufen: Auxentius von Mailand (s. u. unter 5), Maximinus in seiner Disputation mit Augustinus 428 n. Chr. (Aug., conl. Max. 2–4; conl. Max. 15,13) und beim Religionsgespräch im Reich der Vandalen 484 (Vict.Vit., hist. III 5), bis die Synode von Rimini auf der Synode von Toledo unter Rekkared im Jahr 489 schließlich anathematisiert wurde (Martínez Díez/Rodríguez, La Colección canónica Hispana V, 83): »Quicumque Ariminense concilium non ex tot corde respuerit et damnaverit, anathema sit.«

214 | Heil Obwohl das oben unter 2 vorgestellte Kommissionspapier von 357 von vielen Seiten abgelehnt wurde, plante Kaiser Constantius weiterhin, die Spaltung der Kirche seit Serdica 343 zu überwinden. So berief er dazu im Jahr 359 erneut eine etwas größere Expertenkommission ein, um zur Vorbereitung einer Doppelsynode in Rimini und in Seleucia ein neues Kompromisspapier als Grundlage für die Einigung zu erarbeiten; neben Valens von Mursa, Ursacius von Singidunum und Germinius von Sirmium waren auch Basilius von Ancyra, Marcus von Arethusa, Georg von Alexandrien, Pancratius von Pelusium, Hypation von Heracleia und ein Theodor anwesend. Das Ergebnis bildete die sogenannte vierte sirmische Formel, von Athanasius polemisch als »datiertes Bekenntnis« (22.5.359) betitelt, das im Wesentlichen so ausfiel wie die schon vorgestellte Formel von Konstantinopel.20 Der Grund für die Aufteilung der Synode auf eine Versammlung in Rimini und eine in Seleucia wird aus einem Brief des Kaisers an die versammelten Synodalen deutlich:21 Constantius verbietet darin den Teilnehmern der jeweiligen Teilsynode, Beschlüsse über Angelegenheiten der anderen Teilsynode zu fassen, um gegenseitige Verurteilungen wie damals in Serdica auszuschließen und das Schisma zu überwinden. Je eine zehnköpfige Delegation der Teilsynode sollte anschließend an den Kaiserhof reisen, um dort mit der entsprechenden Delegation der anderen Teilsynode weiter zu verhandeln. Es ist hier nicht der Ort, die längeren Verhandlungen zu schildern, die erst komplett zu scheitern drohten.22 Schließlich musste man sich trotz allen Widerstands auf das Anliegen des Kaisers einlassen und einen Konsens akzeptieren, denn kein Teilnehmer durfte abreisen, bevor er nicht seine Unterschrift unter den vorbereiteten Text geleistet hatte. So war man gezwungen, sich in irgendeiner Form auf die vorgelegte Erklärung zu verständigen. Das Ergebnis der Verhandlungen der westlichen Teilsynode vom Rimini stimmt jedoch nicht ganz mit dem Text der Synode von Konstantinopel (s. o.) überein, wie man aus einer Passage aus dem Werk des Hieronymus, nämlich aus dem Dialog Contra Luciferianos 17 f.,23 erkennen kann. Zu Beginn zitiert Hieronymus, nach einer einleitenden Bemerkung über den niedergeschriebenen Unglauben aufgrund der vom Kaiser erzwungenen Einheit,24 aus dem Beginn des ersten Artikels, was sich mit dem Beginn der Formel von Konstan20 S. o. Anm. 16. Zu den Teilnehmern vgl. Epiph., haer. 73,22,5–8 und Socr., h. e. II 29,2. Der Text ist in Ath., syn. 8,3–7 (AW II 1–7, 235,21–236,15); Socr., h. e. II 37,18–24 (Hansen, 154,6–155,9) überliefert = AW III 4, Dok. 57.2. Athanasius bemängelt polemisch das dem Text beigegebene Datum des 22. Mai 359, als ob die Verfasser damit signalisierten, dass der christliche Glaube erst zu diesem Zeitpunkt erfunden worden sei. 21 Überliefert bei Hil., coll. antiar. A VIII (Feder, 93 f.) = AW III 4, Dok. 59.1. 22 Vgl. dazu die Ausführungen in der in Anm. 1 genannten Literatur sowie insgesamt AW III 4, Dok. 59–62. 23 Text in Hier., c. Lucif. 17 f. (Canellis [CChr.SL], 43–47 = AW III 4, Dok. 59.11). 24 Hier., c. Lucif. 17 (Canellis [CChr.SL], 43,603–609 = AW III 4, Dok. 59.11,1): »Sub rege Constantio, Hypatio et Eusebio consulibus, nomine unitatis et fidei infidelitas scripta est, ut nunc agnoscitur. nam

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tinopel (bzw. dem von Nike) deckt.25 Anschließend folgt bis auf kleinere Auslassungen der Beginn des zweiten Artikels über den Sohn, ebenfalls wie in der Formel von Konstantinopel.26 Nach einer weiteren Zwischenbemerkung, mit der Hieronymus die vorgetäuschte Harmlosigkeit des Textes demonstrieren will, folgt nun ebenfalls ein heilsgeschichtlicher Abschnitt, der aber, verglichen mit der vorbereiteten Formel von Sirmium von 359 oder der im Jahr 360 in Konstantinopel abschließend unterschriebenen Erklärung, ganz anders ausfällt. Auf den ersten Blick sieht man bereits, dass die Passage wesentlich kürzer ist: Dieser stieg vom Himmel herab, wurde vom heiligen Geist empfangen, geboren von der Jungfrau Maria, gekreuzigt von Pontius Pilatus; am dritten Tage ist er auferstanden von den Toten, aufgestiegen in den Himmel; er sitzt zur Rechten des Vaters und wird kommen zu richten die Lebenden und die Toten.27

Schaut man genauer hin, so wird man hier an die Passage erinnert, die Marcell in Rom im Jahr 340 in seinem Schreiben an Bischof Julius aufgenommen hatte und die bekanntlich eine frühe Form des späteren sogenannten Apostolikums war.28 Hier heißt es: … der geboren wurde aus dem heiligen Geist und der Jungfrau Maria, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde und begraben wurde und am dritten Tage auferstanden ist von den Toten,

illo tempore nihil tam pium nihil tam conveniens servo dei videbatur, quam unitatem sequi et a totius mundi communione non scindi, praesertim cum superficies expositionis nihil sacrilegum praeferret.« (»Unter Kaiser Constantius, während des Konsulats von Eusebius und Hypatius, wurde im dem Namen der Einheit und des Glaubens ein Unglaube niedergeschrieben, wie man jetzt erkennt. Denn zu jener Zeit erschien nichts so fromm, nichts so ziemend für einen Knecht Gottes wie der Einheit zu folgen und von der Gemeinschaft mit der ganzen Welt nicht abgeschnitten zu werden, zumal da die Erklärung auf den ersten Blick nichts Gottloses mehr offen zeigte.«) 25 Hier., c. Lucif. 17 (Canellis [CChr.SL], 43,609 f. = AW III 4, Dok. 59.11,2): »credimus, aiebant, in unum verum deum patrem omnipotentem«. Bei Hieronymus fehlt also nur: »aus dem alles ist«. 26 Hier., c. Lucif. 17 (Canellis [CChr.SL], 43,610–615 = AW III 4, Dok. 59.11,2): »credimus et in unigenitum filium dei, qui ante omnia saecula et ante omne principium natus est ex deo. natum autem unigenitum solum ex solo patre, deum ex deo, similem genitori suo patri secundum scripturas, cuius nativitatem nemo novit, nisi solus qui genuit eum, pater.« Wieder wird analog ausgelassen »durch den alles entstand, das Sichtbare und das Unsichtbare«. 27 Hier., c. Lucif. 17 (Canellis [CChr.SL], 44,620–624 = AW III 4, Dok. 59.11,3): »… qui de caelo descendit, conceptus est de spiritu sancto, natus ex Maria virgine, crucifixus a Pontio Pilato, tertia die resurrexit a mortuis, ascendit in caelum, sedet ad dexteram patris, venturus iudicare vivos ac mortuos.« In den Handschriften fehlt »a mortuis, ascendit in caelum« und wurde in den älteren Editionen ergänzt, von Canellis jedoch nicht mehr. 28 Vgl. zu diesem Text (AW III 3, Dok. 41.7) und die damit verbundene Forschungsdiskussion Heil, Markell von Ancyra und das Romanum, und die darin erwähnte Literatur, ferner Vinzent, Der Ursprung des Apostolikums.

216 | Heil aufgefahren ist in den Himmel, und der zur Rechten des Vaters sitzt, von wo er kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten.29

Diese engen Bezüge überraschen und lassen fragen, wie das erklärt werden kann. Ist Hieronymus hier ein Versehen unterlaufen? Obwohl das natürlich nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, und obwohl auch Textänderungen im Verlauf der Überlieferung geschehen können, scheint Hieronymus hier doch den Beschluss von Rimini zu zitieren, wie es aus der Zeitangabe und auch aus dem anschließenden Kapitel hervorgeht, in dem Hieronymus eindeutig »Rimini« erwähnt und diese Synode von 359 meint.30 Falls Hieronymus also tatsächlich das Ergebnis von Rimini 359 wiedergibt, dann muss man eine andere Erklärung für die geänderte Passage finden. Verbindet man diese Beobachtung mit den zuvor ausgeführten Auffälligkeiten in den Formulierungen, so bietet sich folgende Deutung an: Dieser heilsgeschichtliche Abschnitt, der vom übrigen Text durch »wir wissen« abgehoben wurde, war zwischen den verschiedenen theologischen Gruppierungen gerade nicht umstritten. Eng an biblische Berichte angelehnt war diese Passage in Sirmium zusammengestellt worden. Da aber hier eigentlich keine Differenzen vorlagen, konnte man an dieser Stelle von homöischer Seite Varianzen in der Formulierung zugestehen. So scheint der Text das Ergebnis der Kompromissverhandlungen von Rimini zu sein; in diesem Abschnitt hat man die Formel abgeändert und westlich-römisches Erbe eingetragen. Auch die anschließenden Hinweise bei Hieronymus bezeugen, dass man sich auf der westlichen Teilsynode in Rimini intensiv mit der Vorlage von Sirmium auseinandergesetzt hatte. Nach der Verwerfung der Usia-Terminologie berichtet Hieronymus über die Sorge der Bischöfe in Rimini, Valens von Mursa sei eigentlich ein heimlicher Arianer, und sie ersuchten ihn um eine konkrete anti-arianische Distanzierung. So wurde die theologische Erklärung von Rimini durch eine Reihe von Anathematismen ergänzt, von denen Hieronymus einige mitteilt: Si quis negat Christum Dominum, Dei filium, ante saecula ex Patre genitum, anathema sit. … Si quis negat Filium similem Patri secundum scripturas, anathema sit. … Si quis filium Dei non dixerit aeternum cum Patre, anathema sit. … Si quis dixerit creaturam Filium Dei ut sunt ceterae creaturae, anathema sit. … Si quis dicit de nullis exstantibus Filium, non de Deo Patre, anathema sit. … Si quis dicit, erat tempus quando non erat Filius, anathema sit. … Si quis dixerit Filium

29 AW III 3, Dok. 41.7,11 (AW III 3, 154,33–155,7): … τὸν γεννηθέντα ἐκ πνεύματος ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς παρθένου, τὸν ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου σταυρωθέντα καὶ ταφέντα καὶ τῇ τρίτῇ ἡμέρᾳ ἀναστάντα ἐκ νεκρῶν, ἀναβάντα εἰς τοὺς οὐρανοὺς καὶ καθήμενον ἐν δεξιᾷ τοῦ πατρός, ὅθεν ἔρχεται κρίνειν ζῶντας καὶ νεκρούς. Es liegen hier also weitaus engere Bezüge zu der Formulierung in dem Schreiben des Markell vor als zu der entsprechenden Passage in der vorbereiteten Formel von Sirmium. Auch der Text des Nizänums lautet anders und stand hier nicht Pate (AW III 1–2, Urk. 24 = AW III 3, Dok. 26). 30 Zum Bericht des Hieronymus vgl. auch Löhr, Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 124–126.

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Dei esse quidem ante omnia saecula, sed non ante omne omnino tempus, ut ei aliquid anteferat, anathema sit!31

Interessanterweise beruft sich später Maximinus in seiner Debatte mit Augustinus im Jahr 428 auf Rimini und widerlegt die Unterstellung von Augustinus, er vertrete puren Arianismus, mit Verweis auf eines der Anathematismen von Rimini: »Wenn jemand sagt, der Sohn sei aus nichts und nicht aus Gott, dem Vater, der sei verdammt.«32 Dadurch wird bestätigt, dass Hieronymus das Ergebnis von Rimini in Auszügen korrekt wiedergibt. Zusammenfassend ist also die Übereinkunft der zweiten Sitzung von Rimini folgendermaßen entstanden: Die Synodalen übernahmen Teile der Formel von Sirmium, so den ersten und den Beginn des zweiten Artikels, wählten für die heilsgeschichtliche Passage jedoch die Formulierungen aus, die Marcell in seinem Brief an Julius von Rom 340 verwendet hatte und auf einer römischen Synode des Jahres bestätigt worden waren. In Rimini wurde allerdings, wie auch aus Hieronymus hervorgeht, die Distanzierung von der Usia-Terminologie akzeptiert, wie auch die Beschreibung des Sohnes als dem Vater gleich, was sogar noch in einem der erwähnten Anathematismen auftaucht: »Si quis negat Filium similem Patri secundum Scripturas, anathema sit.« (»Wenn jemand leugnet, dass der Sohn dem Vater gleich ist gemäß den Schriften, der sei verdammt.«) So wurde also das Hauptanliegen der Homöer gewahrt, wenn auch unter abgeänderten Formulierungen inklusive anti-arianischer Anathematismen. Nach Ansicht der Homöer betreffen die Artikel des Glaubens den jenseitigen und präexistenten Sohn, die Beschreibung der Trinität und das Verständnis der Zeugung des Sohnes aus dem Vater. Hier wird ein Minimalkonsens formuliert unter Auslassung und bei Verbot genauerer Wesensbeschreibungen. Artikel des Wissens umfassen die Heilsgeschichte des Sohnes und sind unstrittig,33 da die Schrift darüber ausführlich berichtet. Insofern bedeutet »Rimini« oder die Theologie der Homöer weniger die konkrete Formel von Rimini, sondern diese Bescheidung auf schlichte, biblische Aussagen inklusive des Ausschlusses der »Usia«-Terminologie. Unter diesem Vorzeichen wird, schaut man in die spätere Zeit, Rimini rezipiert werden. Im Vordergrund steht stets das Verbot der »Usia«-Terminologie, sofern überhaupt auf nähere Details eingegangen wird.

31 Hier., c. Lucif. 18 (Canellis [CChr.SL], 45,648–46,659 und 47,671–674 = AW III 4, Dok. 59.11,8); vgl. auch Sulp.Sev., chron. II 44 zu den Anathematismen. 32 Aug., conl. Max. 15,13 (CChr.SL 87A 437,303–306 Hombert). 33 Die bald aufbrechenden Differenzen über die Inkarnation des Sohnes sind hier noch nicht im Blick, auch wenn schon in den Auseinandersetzungen um Photin auch über das richtige Verständnis der Menschwerdung gestritten wurde (vgl. die Texte oben Anm. 5). Zwei Jahre später wird auf einer alexandrinischen Synode 362 erstmals dieses Thema behandelt werden (Ath., tom. 7 = AW III 4, Dok. 69.2,7): περὶ τῆς κατὰ σάρκα οἰκονομίας τοῦ σωτῆρος.

218 | Heil »Rimini« ist also weniger ein eigenes Bekenntnis als eine Anleitung und ein Beispiel zum rechten Formulieren korrekter theologischer Aussagen.

5 Persönliches Bekenntnis des Auxentius von Mailand 364/365 n. Chr. Wie wenig die Formel von Rimini damit im Wortlaut definitiv und verbindlich gewesen ist, zeigt z. B. Auxentius von Mailand. Der Kappadokier Auxentius, der zuvor Presbyter in Alexandrien unter Gregor war, wurde anstelle des im Jahr 355 verbannten Dionys34 Bischof von Mailand und blieb dort bis zu seinem Tod im Jahr 374 trotz mehrerer Absetzungsurteile.35 Auxentius war also ein bedeutender Vertreter der Homöer im Westen und konnte lange Jahre in Mailand Bischof bleiben trotz diverser Anfeindungen. Im Kontext der vielfachen Distanzierungen von den Beschlüssen von Rimini, Seleucia und Konstantinopel seit Beginn der 60er Jahre versuchten besonders Hilarius von Poitiers und Eusebius von Vercelli, den Mailänder Bischof abzusetzen. Einen Versuch unternahmen sie offenbar, als nach dem Tod des Kaisers Jovian (17. Februar 364) am 25. Februar 364 Valentinian im Westen und am 28. März 364 Valens im Osten zum Kaiser ausgerufen wurden.36 Eine Eingabe des Hilarius gegen Auxentius als »gottlosen Arianer« bei Valentinian führte offenbar zu einem Gerichtsprozess mit zwei Staatsbeamten und zehn Bischöfen über die theologische Position des Mailänder Bischofs, der jedoch den Sieg davontrug. Als Hilarius danach erneut dem Auxentius Häresie und geschickte Täuschung vorwarf, schrieb Auxentius persönlich einen Brief an die Kaiser, distanzierte sich darin entschieden davon, Arianer zu sein, und konnte offenbar die Unterstützung des Kaisers Valentinian gewinnen. Hilarius wurde daraufhin als Unruhstifter der Stadt (Mailand) verwiesen.37

34 Er war einer derjenigen, die die Verurteilung des Athanasius in Mailand 355 nicht unterschrieben hatte (s. o. Anm. 6). 35 Biographische Informationen über Auxentius sind in Ath., h. Ar. 75,1; ep. Afr. 10; Hil., c. Aux. 8; Sulp. Sev., chron. II 39,6 zu finden. Unklar ist, ob er 359 auf der Synode in Rimini war und, wenn ja, welche Rolle er dort gespielt hat. Nach Ath., syn. 9,1; 11; ep. Afr. 3 und Socr., h. e. II 37,51 wurde er zunächst in Rimini exkommuniziert, nicht jedoch nach Hil., coll. antiar. A IX 3. 36 Kienast, Römische Kaisertabellen, 322.325; Seeck, Regesten, 214. Valentinian ist vom 23. Oktober bis zum 3. September 364 in Mailand und Umgebung. Vorausgegangen waren der Wahl des Auxentius eventuell Unruhen einer nizänischen Minderheit in Mailand, auf die Valentinian mit einem Edikt reagierte, das die Unterordnung unter Auxentius anordnete. Vgl. Williams, Anti-Arian Campaigns; Durst, Das Glaubensbekenntnis des Auxentius von Mailand. 37 Auszüge aus der Schrift Contra Auxentium des Hilarius geben Einblick in das Verfahren und die Position des Hilarius. Auch spätere Absetzungsversuche gegen Auxentius (Ath., ep. Epict. 1; ep. Afr. 1; 3; 10; Damasus, Confidimus quidem) blieben erfolglos; sein Nachfolger wurde nach seinem Tod 374

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Auxentius beruft sich in seinem Brief auf die theologische Übereinkunft von Rimini und erwähnt die Größe der Einigkeit mit dem Hinweis auf die Zahl von 600 anwesenden Bischöfen. Dann fügt Auxentius seine persönliche, theologische Erklärung an, die sich nur grob an der Formel selbst orientiert, obwohl er, wie er in dem Brief angibt, die Unterlagen von Rimini dem Kaiser ebenfalls zustellt. Hier begegnet nun genau das Phänomen, wie es vorhin beschrieben wurde: Der Glaube wird unter Auslassung jeglicher Usia-Terminologie mit Formulierungen ausgedrückt, die sich an den Vorgaben von Rimini bzw. Konstantinopel orientieren, ohne die Formel wörtlich zu zitieren.38 Rimini bzw. die homöische Erklärung dieser Synode ist also weniger gemeint als ein verbindlich zu wiederholendes Bekenntnis, sondern als ein Vorbild und eine Richtschnur, wie im Falle eines Falles zu formulieren ist. In sicheren, durch Schrift offenbarten Bereichen über die Heilsgeschichte der Menschwerdung Christi ist man relativ frei, natürlich gebunden durch das biblische Zeugnis. In umstrittenen Passagen über die Trinität und den Präexistenten ist man gehalten, ohne Usia-Terminologie den Sohn und Eingeborenen als Zeugnis aus dem Vater vor allen Zeiten zu beschreiben, der Schöpfungsmittler ist, dessen Entstehung aber kein Mensch genauer beschreiben kann

Ambrosius. Der Brief des Auxentius ist in Hil., c. Aux. 13–15 als Anhang überliefert und ist von Durst (s. o. Anm. 36) kritisch ediert. 38 Auxentius (161,20–162,36 Durst): »credidi et credo in unum solum verum Deum patrem omnipotentem, invisibilem, impassibilem, immortalem. et in filium eius unigenitum, Dominum nostrum Iesum Christum, ante omnia saecula et ante omne principium natum ex Patre, Deum, verum filium ex vero Deo patre, secundum quod scriptum est in evangelio: haec est autem vita aeterna, ut cognoscant te solum verum Deum et quem misisti Iesum Christum (Joh 17,3). per ipsum enim omnia facta sunt (Joh 1,3), visibilia et invisibilia (Kol 1,16). qui descendit de caelis voluntate Patris propter nostram salutem, natus de Spiritu sancto ex Maria virgine secundum carnem, sicut scriptum est, et crucifixum sub Pontio Pilato, sepultum, tertia die resurrexisse, ascendisse in caelis, sedere ad dexteram Patris, venturus iudicare vivos et mortuos. Et in Spiritum sanctum paraclitum, quem misit Dominus et Deus noster salvator Iesus Christus discipulis, Spiritum veritatis. Sic credidi et credo, sicuti et adscendens in caelis unicus filius Dei tradidit discipulis dicens: ›euntes docete omnes gentes, baptizantes eos in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti.‹ (Mt 28,19)« (»Ich habe geglaubt, und glaube an den einen, einzigen wahren Gott, Vater, welcher allmächtig, unsichtbar, leidenslos und unsterblich ist; und an seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, welcher vor allen Zeiten und vor allem Anbeginn geboren ist aus dem Vater, Gott, wahrer Sohn aus dem wahren Gott, dem Vater, wie es geschrieben steht im Evangelium: ›Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, erkennen, und den, welchen du gesandt hast, Jesum Christum.‹ Denn durch ihn sind alle Dinge gemacht, die sichtbaren und die unsichtbaren; der herabgestiegen ist von den Himmeln nach dem Willen des Vaters um unserer Erlösung willen, und welcher geboren wurde von dem heiligen Geist und der Jungfrau Maria dem Fleisch nach, wie es geschrieben steht, gekreuzigt unter Pontius Pilatus, und begraben worden ist, dass er am dritten Tage wieder auferstanden und hinaufgefahren ist in die Himmel, dass er zur Rechten des Vaters sitzt, und kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten. Ich glaube auch an den heiligen Geist, den Tröster, welchen der Herr und Gott, unser Erlöser, Jesus Christus, den Jüngern gesandt hat, den Geist der Wahrheit. So habe ich geglaubt, und glaube ich noch, wie auch der einzige Sohn Gottes, als er zum Himmel auffuhr, den Jüngern aufgetragen hat, indem er sprach: ›Gehet hin, lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.‹«)

220 | Heil und daher sollte. Denn »wer kann schon«, wie es in Jes 53,8 steht, »seine Erzeugung erzählen?«

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Register Antike Werke Ambrosius von Mailand – ep. – 63,71 126 – ep. extr. coll. – 14 99 – 14,71 99 – fid. – I 12 118 – I 78 118 – spir. 117, 118 Ammianus Marcellinus – XXI 16,18 22 – XXII 5,3 40 Athanasius von Alexandrien – apol. Const. – 2–5 36 – 6–13 39 – apol. sec. – 3–19 34 – 31,2 208 – 51,2–4.5.6–8 38 – 72 208 – 82,1 208 – 87,6 f. 33 – decr. 156 – ep. Afr. – 1 218 – 3 218 – 10 218 – ep. Epict. – 1 218 – fug. – 24 208 – h. Ar. – 8,1 33 – 8,2 34 – 20 37 – 20,3 37 – 20,5 37 – 45,4 f. 209 – 75,1 218 – 81 208 – ind. ep. fest.

– 8 208 – 28 208 – syn. – 8,3–7 66, 214 – 8,5 212 – 9,1 68, 218 – 11 67, 218 – 21,1 198 – 26,1 198 – 27,2–3 208 – 28,2 209 – 28,2–12 41, 209 – 30,4–6 211, 212 – 32,1 198 – tom. 101, 102, 117, 119–121 – 7 119, 217 Athanasius von Alexandrien (Ps.-) – ep.cath. 102 – trin. 97 – I–VII 95, 97, 104, 107, 114, 116–119 – I–VIII 104, 118 – VIII 97, 104 – X–XII 104 Augustinus – c. Fel. 58 – c. Fort. 58 – conl. Max. – 2–4 213 – 15,13 213, 217 Basilius von Caesarea – ep. – 58,2 160 – spir. – 29 2 Boethius – c. Eutych. et Nest. – 7,72–78 14 Codex Justinianus – I 1,1 43 Codex Theodosianus – XVI 1,2 43

224 | Antike Werke – XVI 1,3 44 – XVI 2,12 40 – XVI 5,1 30 Collectio Atheniensis – 72–78 4 – 74 4 Collectio Palatina – Exc.gr. 6 Collectio Vaticana – 42–49 3 – 43–47 3 – 54–60 4 – 144 2 – 150 2 – 151 2 Concilium Chalcedonense – I 2 89 – I 3 f. 89 – I 5 70, 89 – I 9 89 – I 13 90, 92 – I 14 70 – I 14 f. 90 – I 34 70 – I 35 f. 90 – I 36 70 – I 40 91 – I 44 90 – I 74 91 – I 101–104 91 – I 169 8 – I 176 8 – I 177 f. 91 – I 238 7 – I 246 7 – I 246–249 7 – I 264 7 – I 284 89 – I 287 89 – I 290 89 – I 301 8 – I 475 70 – I 476 70 – I 1068 91 – II 14–24 6 – II 26 6 – II 29 6 – III 47–57 6 – III 94–96 91

– III 97 91 – IV 9 3, 7 – Prosphon. Marc. 5 – V 13 8 – V 14 6 – V 34 6, 7 – V 35 8 Concilium Constantinopolitanum II – Can. 1–14 9 – III 41 9 – V 1 10 – V 66–74 10 – V 107 5 Concilium Lateranum – Secr. V 9–11, 14–16 Constantius II. – ep. ad Eus. 146 Cyprian – ep. – 75 25 Cyrill von Alexandrien – schol.inc. – XXIV [25] 6 Dokumente – 35.2 31 – 38 30 – 40 31, 35, 196, 208 – 41.1.6.7.8 35 – 41.4 196, 200, 208, 210 – 41.4,8 202 – 41.5 208 – 41.7 137, 208, 215, 216 – 41.8 137 – 42 36, 197, 208, 210 – 43.1 197 – 43.1,1 197 – 43.1.11 36 – 43.1–13 36 – 43.2 197, 211 – 43.5,3 36 – 43.6 137, 197 – 43.11 197, 208 – 43.11,2 200 – 43.11,25.29 38 – 43.11,28 36 – 43.11–13 196, 197, 200 – 43.12 197, 208 – 43.12,1 197

Antike Werke

– 43.13 197 – 44 56, 196, 198, 200, 208, 210, 211 – 44,16 200 – 45 208 – 45.2 II 37 – 47 196, 200, 208 – 47.2 57–60 – 47.3 61, 202, 208 – 50 39 – 50.1 125, 135, 136, 210 – 50.1,3 39 – 50.1–5 95 – 50.2 39, 142, 145, 157–159 – 50.2,3 39 – 50.3 39, 123, 142, 143, 146 – 50.4 108, 123, 142, 145 – 50.5 124, 142, 151, 152, 210 – 51 41, 102, 139, 156, 201, 209–211 – 54 41, 193, 195 – 55 41, 140, 191, 194, 204, 210 – 55,2.4 196 – 55,4 195, 200 – 55,6 201 – 56 194 – 56,4 41 – 56.3 202 – 56.4 193 – 56.5 195 – 57 41 – 57.1 66 – 57.2 41, 66, 212, 214 – 57.3 195 – 58 195, 210 – 59 41, 179 – 59.1 214 – 59.1,2 42 – 59.4 67–69 – 59.8 72, 154 – 59.9 72 – 59.11 74, 214, 215, 217 – 60 41 – 60.2 195 – 61.5 212 – 62.2 32, 154 – 62.5 211 – 63 95, 114, 165 – 65 195 – 67 184 – 69.2 169, 217

| 225

– 69.4 102, 113 – 69.5 120 Epiphanius – haer. – 71,1,4 57 – 71,1,5 57, 62 – 71,1,6 57, 58 – 71,1,7 64 – 71,1,8 57 – 71,1.5 58 – 71,2,1–3 64 – 73 191 – 73,2–11 210 – 73,12–22 210 – 73,22,5–8 214 – 73,23,3 59 – 73,27,5 59 – 73,28,3 59 – 73,35,3 59 – 73,37,4 59 Eusebius von Caesarea – h. e. – VI 33,1–3. 37 23 – VII 13 24 – VII 23 24 – VII 27–30 24 – VII 28,1 25 – VII 29,1 24 – VII 30,1–17 24 – VII 30,2 25 – VII 30,18 24 – VII 30,19 25 – VIII 17,1–11 27 – X 5,2–14 27 – v. C. – I 1,3 33 – III 6,1 f. 30 – III 6–14 28 – III 7,2 30 – III 10 f. 28 – IV 64 33 Eusebius von Vercellae – ep. I ad Const. imp. 105–107, 109, 110, 113, 147, 174–176 – ep. II ad ecclesiam Verc. 100, 105–107, 111, 113, 115, 162, 163, 167, 168, 170, 171, 173–184 – XI,1 100, 126

226 | Antike Werke – ep. III ad Gregorium Span. 106, 108, 114, 115, 148, 165–168, 170, 173, 177–180, 182–184 Evagrius Scholasticus – h. e. – III 4 45 – III 14 45 Gregor von Nyssa – adv. Apol. 15 – Eun. – III 1.7–21 2 Hieronymus – c. Lucif. – 3 166 – 17 214, 215 – 17 f. 72, 214 – 18 72, 74–76, 217 – ep. – 127,5 100 – vir. ill. – 96 98, 100, 153, 163 Hilarius von Poitiers – ad Const. – 8 210 – c. Aux. 38 – 7 98 – 8 99, 218 – 13–15 219 – 15,12–14 98 – coll. antiar. – A IV 1–3 197 – A IV 2 197 – A IX 3 67, 68, 218 – A IX 3.2 68, 69 – A V 2.3 73 – A V 3 72 – A VII 210 – A VIII 67, 214 – A VIII 1.2 67 – A VIII 2.1 67 – B II 2–4 36 – B VI 3 66 – B VII 2 160 – B VII 4 144 – syn. – 11 41, 209 – 34 197

– 38 208 – 91 137 Historia Athanasii – 1 38 – 1,10 f. 208 Johannes Chrysostomos – de consubstantiali – 6 15 Julian – ep. – 46 40 Kyrill von Alexandrien – ep. – 91 10 Lactantius – mort. pers. – 34 27 – 48,1–12 27 Leo von Rom – ep. 33 91 – Tomus 3, 5–7 Liberius von Rom – ep. ad Constantium (= Obsecro) 135, 210 – ep. ad Eus. – I (= Me frater) 122, 125, 126, 129, 130, 133, 134 – II (= Remeante filio) 126, 128, 133, 134, 140 – III (= Sciebam) 130, 133–135, 140, 141, 144 – ep. ad Eus., Lucif. et Dion. (= Quamvis sub imagine) 160 Lucifer von Calaris – ep. ad Eus. 145 Maximus Confessor – opusc. – 15 10 Philostorgius – h. e. – I 9 29 – IV 8 193 – VI 7 40 – VII 4 40

Antike Werke

Ps.-Zacharias – chron. – III 1 8 – V 1 45 Rufinus – h. e. – X 5 29 – X 31 98, 146 Socrates – h. e. – I 8,33 29 – II 3,1–4 34 – II 29,2 214 – II 29,3 209 – II 29–30 57 – II 30,5–30 208 – II 30,31 209 – II 30,31–41 41, 209 – II 30,42 58 – II 30,42–46 57 – II 30,43 57 – II 30,44 63 – II 36,2 142 – II 37 212 – II 37,18–24 66, 214 – II 37,25 67 – II 37,25–27 68 – II 37,28 67 – II 37,51 218 – II 41,10–12 211 – III 1,48 40 – V pr. 9 19 Sozomenus – h. e. – I 20,3 f. 29 – II 25 208 – III 2,3–6 34 – III 2,8 34 – III 10,6 36 – IV 6 57 – IV 6,4 209 – IV 6,14 57–59 – IV 6,14 f. 57 – IV 6,15 57, 59, 62, 63 – IV 8,4 38 – IV 9,1 f. 142 – IV 13 193, 203 – IV 13,1 193

– IV 13,2 f. 195 – IV 13,5 194 – IV 17,2 70 – IV 17,3 67 – IV 17,4 68 – V 5,1 40 – VII 9,5 f. 44 Sulpicius Severus – chron. – II 39,6 218 – II 41,5 68 – II 44 217 Theodoret – h. e. – II 2,1–4 34 – II 8,53–10,3 37 – II 10,1–3 37 – II 10,2 37 – II 21,3–7 72 – II 25 193 – III 4 40 Urkunden (Opitz) – 14 211 – 14,60 29 – 17 28 – 18 28 – 20 28 – 20–27 28 – 22 28 – 23 28 – 24 216 – 25 28, 29 – 26 29 – 27 29 – 27,9–11 29 – 27,13–16 29 – 29 29 – 30 29 – 31 30 – 32 29 – 33 f. 29 Victor von Vita – hist. – III 5 213 Vita Danielis – 70–84 45

| 227

Antike Personen Acacius von Caesarea 195, 207 Acacius von Konstantinopel 45 Aetius 8, 193, 198, 202 Alexander von Alexandrien 23, 28, 29, 208, 211 Ambrosius von Mailand 86, 99, 118, 219 Ammianus Marcellinus 22, 86 Anatolius von Konstantinopel 6, 8, 87, 89 Anhomöer 193, 200, 202, 203 Arius 12, 26–30 Athanasius von Alexandrien 2, 13, 15, 20, 23, 30, 31, 33–39, 41, 71, 100, 113, 117, 119–122, 124, 125, 127, 128, 130, 133–135, 140, 142–145, 148, 149, 151–153, 155, 157–160, 170, 173, 182, 184, 197, 208, 210, 211, 214, 218 Augustinus 58, 213, 217 Aurelian 25 Auxentius von Mailand 38, 67, 98, 99, 183, 213, 218, 219 Basiliscus 45 Basilius von Ancyra 41, 57–59, 61–64, 77, 193, 194, 201, 203, 210, 214 Basilius von Seleucia 8 Claudius, Bischof 74, 76, 77 Coelestinus von Rom 2 Constans 33, 35–37 Constantius II. 21, 22, 33–42, 45, 56, 57, 62, 66, 67, 73, 104–106, 109, 123, 125, 126, 128, 130, 134, 135, 138, 140–147, 149, 150, 153–156, 159, 200, 207, 208, 210, 214, 215 Cyrill von Alexandrien 6 Damasus von Rom 43 Daniel Stylites 45 Demophilus von Beröa 67 Deusdedit von Cagliari 11 Diocletian 26 Dionysius von Alexandrien 24, 218 Dionysius von Mailand 110, 112, 123, 124, 143, 145, 151, 152, 154, 155, 157–160 Dioscorus von Alexandrien 6, 70, 84, 86, 87, 89–93

Domninus von Opus 3 Domnus von Antiochia 24 Eleusius von Cyzicus 194 Epiphanius von Salamis 57–59, 63, 64, 191–196, 199 Eudoxius von Antiochien 41, 193, 194 Eunomius von Cyzicus 2 Eusebius von Caesarea 24, 25, 28–30, 33, 34, 208 Eusebius von Dorylaeum 90 Eusebius von Nikomedien 29, 30, 34, 208 Eusebius von Vercellae 39, 95–124, 126–135, 138, 139, 141–143, 210, 218 Eusebius von Vercelli 113 Eustathius von Antiochien 31 Eustathius von Sebaste 194 Euthymios Zigabenos 192 Euzoius 29 Firmilian von Caesarea 25 Flavius Salia 37 Gaius (von Sabaria?) 67 Galerius 27 Gallienus 24 Georg von Alexandrien 38, 214 Georg von Kappadokien 38 Georg von Laodicaea 193, 194, 210 Germinius von Sirmium 66, 67, 207–209, 214 Gratian 43 Grecianus von Calle 68, 71 Gregor von Alexandrien 218 Gregor von Elvira 95, 106, 113–115, 144, 145, 163, 165–177, 179–184, 186 Gregor von Nazianz 10, 11 Gregor von Nyssa 2, 15 Hieronymus 72, 75, 76, 214–217 Hilarius von Poitiers 32, 37, 42, 68, 95, 97–99, 102, 112, 113, 115, 116, 123–125, 129, 130, 134, 136–139, 142–145, 148, 150–152, 154–156, 158–160, 165, 170, 171, 174, 185, 186, 218

Homöusianer 194 Hypation von Heracleia 214 Ibas von Edessa 9 Johannes von Antiochien 5, 6, 10, 85 Jovian 218 Julian 32, 40, 183, 207 Julius von Rom 35, 36, 39, 100, 137, 138, 153, 215, 217 Justinian 9 Juvenal von Jerusalem 3, 89, 91 Konstantin 22, 26–32, 34, 35, 42, 62 Konstantin II. 33–35 Kyrill von Alexandrien 2–12, 15, 85 Leo der Große 6 Leon 45 Liberius von Rom 39, 40, 42, 100, 101, 104, 106, 108, 110, 113, 123, 125–138, 140, 141, 144, 148, 156, 158–160, 163, 171, 175, 182, 183, 186 Licinius 27, 29 Lucifer von Calaris 42, 95, 101, 106, 110, 119–121, 123, 126–131, 133–136, 140, 141, 143, 145, 146, 148–152, 156–159, 165, 170, 173–175, 177, 181–183, 186, 210 Magnentius 39 Marcellus von Ancyra 15, 31, 35–37, 56, 122, 137, 140, 149, 194, 197, 198, 202, 208, 210, 215–217 Marcion 23, 31 Marcus von Arethusa 214 Martin von Rom 11, 16 Maxentius 26 Maximinus 213, 217 Maximus Confessor 10, 15 Maximus von Aquileia 11 Muzonius 74 Nestorius 2–8, 12–14 Novatian 31 Ossius von Cordoba 28, 42, 117, 118, 137, 165, 170–173, 197, 209

Palladius von Ratiaria 86 Pancratius von Pelusium 214 Paschasinus 89 Paschasinus von Lilybaeum 91 Paterius 29 Patrophilus von Scythopolis 101, 105–107, 162, 163, 183, 184 Paulinus von Antiochien 117, 120 Paulinus von Trier 125, 160 Paulus von Samosata 24, 25, 31, 58, 208 Petrus von Alexandrien 43 Photinus von Sirmium 37, 38, 55–64, 77, 149, 194, 198, 208, 217 Potamius von Lissabon 173, 209 Rekkared 213 Rhodanius von Toulouse 145, 158, 159 Sabellianismus 193 Sabellius 58, 198 Secundus von Ptolemaïs 28 Severian von Gabala 15 Spudasius von Ceramus 3 Stephanus von Antiochien 37 Symmachus von Rom 45 Theoderich 45 Theodor von Mopsuestia 6, 9, 10, 14 Theodoret von Cyrrhus 5, 6, 8, 9, 70, 87, 90 Theodosius 43, 45 Theodosius II. 2, 10 Theognis von Nicaea 29 Theonas von Marmarice 28 Ursacius von Singidunum 67, 68, 70, 143, 158, 207–210, 214 Valens 19, 21, 218 Valens von Mursa 67–77, 124, 143, 144, 146, 151, 155, 156, 158, 207–210, 214, 216 Valentinian 21, 38, 43, 218 Zenobia 25 Zenon 45

230 | Sachen

Sachen Anathematismen 60, 61, 75, 76, 138, 140, 197–199, 201–203, 208, 216, 217 Bischof 3, 4, 7, 11, 57–59, 62, 63, 65–70, 74, 75, 77, 88, 90, 91 Donatisten 26, 27, 42 Dyoenergismus 14 Dyophysitismus 5, 7, 8, 12, 14 Dyotheletismus 11, 12, 15 Exil 26, 29–32, 39, 40, 98–101, 105, 106, 109, 111, 114–116, 120, 122, 125, 126, 133, 144, 145, 152, 159, 160, 163, 170, 173, 176, 179–185 – deportatio 32 – relegatio 32 Fälschung 164, 169–172, 175, 176, 180, 181 Handschriften – Berolinensis Phillipps 78 (1671) 104 – Jenensis Bos. f. 1 191 – Parisinus syr. 62 197 – Taurinensis F. III. 16 106–108, 113 – Vaticanus lat. 1319 104, 114 – Vercellensis LXXVII 105 – Veronensis LX 197 Häresie 6, 12–14, 16, 26, 29, 30, 35, 38, 44, 45, 55, 56, 59, 63, 68, 75, 124, 127, 130, 138, 151, 153, 154, 160, 162, 163, 178, 197, 198, 200, 203, 212, 218 Homöer 68, 119, 182, 207, 208, 210, 212, 213, 217, 218 homoios 212 homoiusios 139, 210 Homöusianer 191 homousios 139, 210 Hypostase 117, 121, 212 Kaiser 19, 21, 22, 25–28, 30, 32–34, 36, 37, 40, 42, 45, 46, 53, 59, 61, 66, 67, 83, 84 Konzilsväter 3–5, 7–9, 11, 14, 16 Luciferianer 72, 114, 145, 164, 166, 172, 173, 176

Monarchianismus 56 Monophysitismus 8, 12, 14 Monotheletismus 1, 11–14, 16 Nicaenum 1–5, 7, 9, 12, 13, 95, 101, 124, 135–141, 152, 154–158, 165, 184, 185, 210, 216 Orthodoxie 1, 2, 4, 5, 8, 9, 12, 14, 16, 52, 55, 56, 59–61, 63, 65, 77, 78 Papsttum 21, 83 Patripassianismus 208 pontifex maximus 26, 30 Sabellianismus 208 Schisma 31, 36, 40 Subordinatianismus 210 Synode im Lateran – a. 649 1, 9, 10, 13, 16 Synode von Ägypten – a. 338 34, 35 Synode von Alexandrien – a. 322(?) 29 – a. 362 97, 98, 101–103, 106, 108, 113, 116, 117, 120, 169, 186, 217 Synode von Ancyra – a. 358 191, 193, 194, 210 Synode von Antiochien – a. 268/269 24, 25 – a. 324/25 28 – a. 328 30 – a. 341 30, 36, 196, 197, 200, 202, 210 – a. 344 37 – a. 352 38 – a. 360 195 Synode von Aquileia – a. 381 86 Synode von Arles – a. 353 39, 122, 123, 125, 127, 128, 130, 133, 140–142, 156, 157, 160, 208, 210 Synode von Béziers – a. 356 32, 137, 145 Synode von Chalcedon – a. 451 1, 3, 5–8, 14, 45, 70, 84, 86–89, 92, 93

Sachen

Synode von Ephesus – a. 431 1, 2, 4, 5, 7, 85 – a. 433 6–8 – a. 449 89, 91 Synode von Karthago – a. 256 84, 85 – a. 484 213 Synode von Konstantinopel – a. 360 207, 211, 213–215, 218, 219 – a. 381 1, 43, 44 – a. 448 70 – a. 553 1, 5, 8 – a. 680/1 1, 10 Synode von Mailand – a. 355 39, 97, 106, 108, 112, 115, 122, 124, 138, 139, 143, 145, 148–152, 155–159, 161, 163, 171, 177, 182, 184, 185, 208, 210 Synode von Nicaea – a. 325 23, 25, 26, 28–30, 212 – a. 327 29 Synode von Rimini – a. 359 41, 42, 65, 67, 72, 77, 78, 154, 165, 170–172, 179, 183, 184, 207, 213, 214, 216–219

| 231

Synode von Seleucia – a. 359 41, 65, 67, 195, 214, 218 Synode von Serdica – a. 343 36–38, 42, 101, 139, 197, 200, 207, 211, 214 Synode von Sirmium – a. 351 56, 61, 62, 122, 125, 196, 200, 202, 208 – a. 357 41, 102, 138, 140, 156, 184, 209, 211, 212 – a. 358 202 – a. 359 41, 66, 195, 212, 214–217 Synode von Toledo – a. 397/400 85 – a. 489 213 Synode von Tyrus – a. 335 31, 34, 35, 38, 208 Überlieferungsprobleme 191–193, 195, 196, 204 Verfahrensformen (Synode) 52, 54, 56, 58, 60, 61, 65, 67, 73, 78, 84, 86–88, 91, 92 Verfahrenstheorie (Luhmann) 53–55, 83, 87, 89, 92