Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen [1 ed.] 9783428559961, 9783428159963

Stefan Lehner untersucht, ob bzw. inwieweit Bundesregierung und BAFA als Ausfuhrbehörden durch den sog. Ausfuhrverantwo

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Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen [1 ed.]
 9783428559961, 9783428159963

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Beiträge zum Wirtschaftsstrafrecht Band 1

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen

Von

Stefan Lehner

Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN LEHNER

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen

Beiträge zum Wirtschaftsstrafrecht Herausgegeben von Nikolaus Bosch und Nina Nestler

Band 1

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen

Von

Stefan Lehner

Duncker & Humblot · Berlin

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – 447709727

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 2700-189X (Print) / 2700-1903 (Online) ISBN 978-3-428-15996-3 (Print) ISBN 978-3-428-55996-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Seit Abgabe der Arbeit sind in den in der Einleitung aufgegriffenen Strafverfahren „Heckler & Koch“ und „Sig Sauer“ Urteile ergangen. Insbesondere im „Sig-Sauer“-Urteil (LG Kiel, Urteil vom 3. April 2019 – 3 KLs 3/18 –) wurden zwei ehemalige Geschäftsführer des Waffenherstellers wegen vorsätzlicher unerlaubter Ausfuhr zu Bewährungsstrafen verurteilt. Das LG Kiel begründet die strafrechtliche Verantwortlichkeit maßgeblich mit der Stellung der ehemaligen Geschäftsführer als sog. Ausfuhrverantwortliche im Sinne der „Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern vom 25.07.2001“. Die Stellung als Ausfuhrverantwortlicher begründe eine über das sich aus der Geschäftsführerstellung ergebende Maß deutlich hinausgehende Verantwortung für die Abwendung außenwirtschaftsrechtlicher Verstöße. Offen ließ das LG Kiel dabei, ob aus den oben genannten „Zuverlässigkeitsgrundsätzen“ überhaupt eine strafrechtliche Sonderverantwortlichkeit resultieren kann bzw. wie weit diese sodann reicht. Damit ist die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen nach wie vor unbeantwortet. Diese Arbeit unterbreitet insoweit einen Lösungsvorschlag und behandelt dabei grundlegende Fragen der strafrechtlichen Zurechnung von Ausfuhrverstößen in Unternehmen. Die Arbeit entstand aus Anlass des von Frau Professor Dr. Nina Nestler geleiteten und durch die Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF) geförderten Projekts „Dual-Use-Risiko als Straftat: Strafrechtlicher Schutz vor der ‚Möglichkeit militärischer Verwendung‘  “. Sie wurde im Wintersemester 2018/2019 von der Rechts- und Wirtschaftsrechtlichen Fakultät der Univer­ sität Bayreuth als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis zum Abgabezeitpunkt im Dezember 2018 berücksichtigt. Mein herzlicher Dank gebührt an dieser Stelle meiner akademischen Lehrerin, Frau Professor Dr. Nina Nestler. Sie war es, die mich bereits während des Studiums für das Außenwirtschaftsstrafrecht begeisterte und die Entstehung dieser Arbeit mit klugen Gedanken, Ratschlägen und Anregungen maßgeblich förderte. Zudem schuf sie durch eine stets offene Bürotür und ein humorvolles Miteinander ein Umfeld, in dem es Spaß machte, wissenschaftlich zu arbeiten. Aufgrund dieser hervorragenden Bedingungen war der Lehrstuhl stets eine zweite Heimat für mich. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Nikolaus Bosch, der nicht nur das Zweitgutachten

6 Vorwort

erstellte, sondern mich gerade an entscheidenden Weichenstellungen der Arbeit durch seine wertvollen Hinweise und Anmerkungen unterstützte. Meinen Dank möchte ich außerdem Frau Professor Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham), für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes aussprechen. Bedanken möchte ich mich zudem bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die großzügige Bewilligung einer Publikationsbeihilfe. Großer Dank gebührt auch meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl für Strafrecht III, die für mich während meiner dortigen Tätigkeit wie zu einer zweiten Familie wurden. Stellvertretend seien hier Theresa Bächer, Philipp Irmscher, Albert Kochs, Adrian Schiffner und Helge Wiechmann genannt. Besonders hervorgehoben sei zudem mein zivilrechtlicher Kollege und Büronachbar Till Trouvain, der mich insbesondere durch die finale Phase unserer beider Arbeiten mit seinem juristischen Scharfsinn und seinem großartigen Humor begleitete. Schließlich möchte ich meinen Freunden, meiner Familie und in erster Linie meinen Eltern von ganzem Herzen danken. Durch ihre Liebe und ihren Rückhalt haben mir meine Eltern die Promotion erst ermöglicht. Ihnen ist daher die vorliegende Arbeit gewidmet. Bayreuth, im Frühjahr 2020

Stefan Lehner

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung 

19

A. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Teil 2

Rechtliches Fundament 

26

A. Außenwirtschaftsfreiheit und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Zuverlässigkeit des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 C. Zuverlässigkeitsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Erschließung und Bewertung des Regelungsgehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Zuverlässigkeitsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Anwendungsbereich (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Ausfuhrverantwortlicher (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Aussetzung des Genehmigungsverfahrens (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . 42 d) Ablehnung von Anträgen (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 e) Absehen von Maßnahmen nach Nr. 3, 4 (Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . 44 f) Widerruf von Genehmigungen (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 g) Versehen mit Nebenbestimmungen (Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Analyse und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II. Rechtliche Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Zuverlässigkeitsgrundsätze als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Norminterpretierender Bestandteil der Zuverlässigkeitsgrundsätze . 52 aa) Überwiegende Auffassung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 bb) Auffassung der Genehmigungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 cc) Differenzierender Ansatz Hinders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 dd) Analyse und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Kriterien der Normkonkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 aa) Explizite Ermächtigung zur Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Umfangreiches Beteiligungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

8 Inhaltsverzeichnis cc) Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis . . . . . . . dd) Implizite Ermächtigung zur Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuverlässigkeitsgrundsätze als Rechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlende rechtliche Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 67 76 77 78 82 86 87

D. Zertifizierungskriterien gemäß § 2 Abs. 2 AWV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Erschließung und Bewertung des Regelungsgehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Rechtliche Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 E. ICP-Merkblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erschließung und Bewertung des Regelungsgehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. ICP-Merkblatt als Rechtsverordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. ICP-Merkblatt als Verwaltungsakt bzw. Allgemeinverfügung . . . . . . . 3. ICP-Merkblatt als informelles Verwaltungshandeln bzw.. . . . . . . . . . . Verwaltungsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94 94 97 97 98 99

F. Ergebnisse – Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Teil 3

Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit 

106

A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Zurechnungsdefizite innerhalb illegaler Ausfuhrvorgänge  . . . . . . . . . . . . 108 1. Ausfuhr und Handlungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) „Ausfuhr“ und „Verbringung“ nach dem AWG, der AWV und dem KWKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) „Ausfuhr“ nach der Dual-Use-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Ausfuhr und Entscheidungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Fehlende Eigenhändigkeit der Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Mittelbare Täterschaft bei Ausfuhr und Verbringung . . . . . . . . . . . 120 aa) Wissensherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Willensherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 cc) Organisationsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Mittäterschaft bei Ausfuhr und Verbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Tatherrschaft aufgrund von Vorbereitungshandlungen . . . . . . . 131 bb) Gemeinsamer Tatplan bei vertikalen Organisationsstrukturen . 139 d) Anstiftung zu Ausfuhr und Verbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

Inhaltsverzeichnis9 II. Bewältigung der Zurechnungsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausfuhrdelikte als Sonderdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befürworter des Sonderdeliktscharakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auffassung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Analyse und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausfuhrdelikte als Organisationsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organisationsdelikte nach Schünemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschreibung einer besonderen Regelungstechnik . . . . . . . . . . bb) Unerlaubte Ausfuhr als „Musterbeispiel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisationsdelikte nach Auffassung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lederspray-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rabta-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Geländewagen-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nuklearprogramm-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Analyse und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Ausführer“ als faktischer Zurechnungsmotor . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fördertatbestände des KWKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143 144 145 146 147 149 150 150 153 155 155 158 159 160 161 165 167 169 171 173 179 180 182

B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzpflicht zugunsten der Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts . . . 1. Originäre Schutzpflicht des Ausfuhrverantwortlichen . . . . . . . . . . . . . a) Enge persönliche Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organ- bzw. Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsstellung aufgrund des Außenwirtschaftsrechts . . . . . . . . . . . aa) Ausfuhrdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausfuhrgenehmigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Derivative Schutzpflicht der Ausfuhrbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzpflicht der Ausfuhrbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Öffentlich-rechtlicher Schutzauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strafrechtliche Einstandspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatsächliche, freiwillige Übernahme durch den Ausfuhrverantwortlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Derivative Schutzpflicht des Exportunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183 189 191 191 192 193 194 195 198 198 199 199 200 204 205 207 207 211

10 Inhaltsverzeichnis II. Überwachungspflicht hinsichtlich des eigenen Unternehmens . . . . . . . . . 1. Verantwortlichkeit für Sachgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortlichkeit für Personalgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auffassung des RG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auffassung des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auffassungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befehlsgewalt und Herrschaftswissen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erweiterung des eigenen Verkehrskreises . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ingerenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Überwachung von Gefahrenquellen im übernommenen ­Organisationskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Analyse und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Delegation und Restverantwortung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freizeichnung der übrigen Geschäftsleitung durch horizontale Delegation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit . . . . . . b) Vertrauensgrundsatz und Restverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Aufleben“ der Generalverantwortung und Allzuständigkeit . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Garantiehaftung des Ausfuhrverantwortlichen infolge vertikaler Delegation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Delegation von Verantwortung an den Exportkontrollbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übereinstimmung mit der Delegation an den ComplianceBeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umfang der Restverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

211 213 215 216 217 217 221 222 225 226 229 232 235 235 236 237 239 243 245 245 246 248 251 253 258 263

C. Ergebnisse – Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Teil 4

Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit 

A. Besonderes Pflichtenprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Organisationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufbauorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausweisung der Exportkontrolle und Kompetenzverteilung . . . . . . aa) Pflicht zur Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen an die Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . .

266 268 273 273 273 274 277

Inhaltsverzeichnis11 b) Durchsetzungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablauforganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Instruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überwachungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessbezogene Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systembezogene Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Personalauswahlpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Weiterbildungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279 281 281 284 287 291 292 292 294 296 297 299 301

B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 I. Einfallstore für das besondere Pflichtenprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 1. Blankettausfüllende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Normative Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 a) Einstandspflicht, § 13 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Fahrlässigkeitsvorwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 aa) Objektiver Fahrlässigkeitsvorwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 bb) Subjektiver Fahrlässigkeitsvorwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 c) Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 d) Umfang der gehörigen Aufsicht gemäß § 130 OWiG . . . . . . . . . . . 320 3. Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 II. Wirkungsweise des besonderen Pflichtenprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Irrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 3. Indizwirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 a) Beweisregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 b) „Antizipiertes Sachverständigengutachten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 aa) Beweisgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 bb) Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 c) System der Beweiserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 III. Berücksichtigung des besonderen Pflichtenprogramms . . . . . . . . . . . . . . . 352 1. Neutralität des Normsetzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 2. Ausdruck besonderen Sachverstands und hohe Richtigkeitsgewähr . . 356 3. Hoher Verbreitungsgrad und Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4. Einheitliches Schutzgutkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 a) Schutzzweckidentität von Ausfuhrdelikten und Zuverlässigkeitsgrundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

12 Inhaltsverzeichnis aa) „Ursprüngliche Trias“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Genehmigungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) „Restriktive Rüstungspolitik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt der Politischen Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung des Inhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Menschenrechte im Schutzgefüge des Außenwirtschafts(straf)rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzzweckidentität zwischen Ausfuhrdelikten und ICP-Merkblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befürworter der Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befürworter der Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Analyse und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Teilrechtswidrigkeit und Gesamtrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . bb) Kompetenzkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

369 372 374 375 377 378 388 389 392 393 395 399 400 401 404 409 410

C. Ergebnisse – Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Teil 5

Zusammenfassung, Bewertung und Ausblick 

414

A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 B. Bewertung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Anlage I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 Anlage II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477

Abkürzungsverzeichnis AEO

Authorised Economic Operator

AktG

Aktiengesetz vom 6. September 1965, BGBl. I, S. 1089

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

UN-Resolution der Generalversammlung der 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, A/RES/217 A (III)

AMG

Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln – Arzneimittelgesetz vom 12. Dezember 2005, BGBl. I, S. 3394

Anti-Folter-VO

Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 betreffend den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten, vom 27.07.2005, ABl Nr. L 200, S. 1, ber. ABl 2006 Nr. L 79, S. 32

AO

Abgabenordnung vom 1. Oktober 2002, BGBl.  I, S. 3866, ber. 2003, S. 61

Ausfuhrliste

Anlage AL zur AWV

AußWG

Österreichisches Außenwirtschaftsgesetz 2011, vom 1. Oktober 2011, österreichisches BGBl. I, Nr. 26/2011

AWG

Außenwirtschaftsgesetz S. 1482

AWG-Novelle von 2013

Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts vom 06. Juni 2013, BGBl. I 2013, S. 1482

AWV

Außenwirtschaftsverordnung vom 02.08.2013, BGBl. I, S. 2865

Bad.-Württ. LPresseG

Gesetz über die Presse (Landespressegesetz BadenWürttemberg) vom 14.01.1964, GBl., S. 11, in der Fassung vom 29.07.2014, GBl, S. 378

BAFA

Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle

BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

vom

06.06.2013,

BGBl.  I,

BÄK Bundesärztekammer BAnz Bundesanzeiger BayPrG

Bayerisches Pressegesetz vom 19. April 2000, GVBl, S. 340

BBesG

Bundesbesoldungsgesetz vom 19. Juni 2009, BGBl. I, S. 1434

14 Abkürzungsverzeichnis BDSG

Bundesdatenschutzgesetz vom 30. Juni 2017, BGBl. I, S. 2097

Begr. Begründer BGA Bundesgesundheitsamt BGB

Bürgerliches Gesetzbuch vom 2. Januar 2002, BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und 2003 I S. 738

BGV D 29

Berufsgenossenschaftliche Vorschrift für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Unfallverhütungsvorschrift Fahrzeuge vom 1. Januar 1997

BImSchG

Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge – Bundesimmissionsschutzgesetz vom 17. Mai 2013, BGBl. I, S. 1274

BJagdG

Bundesjagdgesetz vom 29. September 1976, BGBl. I, S. 2849

BMWi

Bundesministerium für Wirtschaft

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz ­BGBl. I, S. 1473

COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD)

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine Unionsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung, der technischen Unterstützung und der Durchfuhr betreffend Güter mit doppeltem Verwendungszweck vom 28. September 2016, COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD)

vom

11.08.1993,

ders. derselbe dies. dieselbe DIN

Deutsche Industrienorm

Dual-Use-VO

Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, ABl Nr. L 134, S. 1, ber. ABl Nr. L 224, S. 21, ABl 2015 Nr. L 27, S. 46

Ed. Edition EGStGB

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 02.03.1974, BGBl. I, S. 469; ber. 1975 I, S. 1916 und 1976 I, S. 507

El. Ergänzungslieferung EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950, BGBl. 1954 II, S. 14

ErbStG

Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz 27. Februar 1997, BGBl. I, S. 378

ErwGr. Erwägungsgrund

vom

Abkürzungsverzeichnis15 EStG

Einkommenssteuergesetz vom 8. Oktober 2009, BGBl. I, S. 3366, ber. I 2009, S. 3862 GaststättenG Gaststättengesetz vom 20. November 1998, BGBl. I, S. 3418 Gemeinsamer Standpunkt Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 08. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgüter, ABl L 355, S. 99 GewO Gewerbeordnung vom 22. Februar 1999, BGBl. I, S. 202 GG Grundgesetz vom 23. Mai 1949, BGBl., S. 1 GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. Mai 1898, RGBl, S. 846 GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 26.10.2012, ABl C 326, S. 391 GwG Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten – Geldwäschegesetz vom 23.06.2017, BGBl. I, S. 1822 HADDEX Handbuch der deutschen Exportkontrolle HGB Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897, RGBl, S. 219 HPresseG Hessisches Gesetz über Freiheit und Recht der Presse – Hessisches Pressegesetz (HPresseG) vom 12.12.2003, GVBl. 2004 I, S. 2. ICP Internal Compliance Programme IPBPR Internationaler Pakt der UN über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966, BGBl. 1973 II, S. 1534, 1570 Iran-Embargo-VO Verordnung (EU) Nr.  267/2012 des Rates vom 23.03.2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 961/2010, ABl Nr. L 88, S. 1 KMG Schweizerisches Bundesgesetz über das Kriegsmaterial vom 13. Dezember 1996, AS 1998, S. 794 Kriegswaffenliste Anlage Kriegswaffenliste zum KWKG KWG Gesetz über das Kreditwesen – Kreditwesengesetz vom 9. September 1998, BGBl. I, S. 2776 KWKG Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) vom 22.11.1990, BGBl. I, S. 2506 LPresseG NRW Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW) vom 24.03.1966, GV. NRW, S. 340 Ltd. Limited MaRisk BaFin Rundschreiben 09/2017 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement vom 27. Oktober 2017

16 Abkürzungsverzeichnis OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 19. Februar 1987, BGBl. I, S. 602

Politische Grundsätze

Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 19. Januar 2000, BAnz Nr. 19, S. 1299

RL-BÄK

Richtlinien der Bundesärztekammer

SeeArbG

Seearbeitsgesetz vom 20. April 2013, BGBl. I, S. 868

SpStr. Spiegelstrich StGB

Strafgesetzbuch vom 13. November 1998, BGBl.  I, S. 3322

StPO

Strafprozessordnung vom 7. April 1987, BGBl.  I, S. 1074, ber. S. 1319

StrlSchV

Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen – Strahlenschutzverordnung vom 20. Juli 2001, BGBl. I, S. 1714, ber. 2002 I S. 1459

StVO

Straßenverkehrsordnung vom 6. März 2013, BGBl. I, S. 367

TA Lärm

Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz – Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26.08.1998, GMBl, S. 503

TA Luft

Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz – Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24.07.2002, GMBl, S. 511

TPG

Transplantationsgesetz vom 4. September 2007, BGBl. I, S. 2206

Unionszollkodex

Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union vom 09. Oktober 2013, ABl Nr. L 269, S. 1, ber. L 287, S. 90 und ABl 2016 Nr. L 267, S. 2

Unionszollkodex-DVO

Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl Nr. L 343, S. 558, ber. ABl 2016 Nr. L 87, S. 67, ABl 2017 Nr. L 101, S. 166 und 2018 Nr. L 157, S. 27

VDE

Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informa­ tionstechnik

VDI

Verein Deutscher Ingenieure

Verteidigungsgüter-RL

Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern, ABl L 146/1, S. 1

Abkürzungsverzeichnis17 VkBkmG

Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen und Bekanntmachungen – Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetz vom 30. Januar 1950, BGBl. I, S. 23 VwGO Verwaltungsgerichtsordnung vom 19. März 1991, ­BGBl. I, S. 686 VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz vom 23.  Januar 2003, ­BGBl. I, S. 102 WHG Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts – Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009, BGBl. I, S. 2585 WpDVerOV Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 17. Oktober 2017, BGBl. I, S. 3566 WpHG Gesetz über den Wertpapierhandel – Wertpapierhandelsgesetz vom 9. September 1998, BGBl. I, S. 2708 WStG Wehrstrafgesetz vom 24. Mai 1974, BGBl. I, S. 1213 Zollkodex Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl Nr. L 302, S. 1, ber. ABl 1993 Nr. L 79, S. 84 und ABl 1996 Nr. L 97, S. 38 Zollkodex-DVO Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl Nr. L 253, S. 1, ber. ABl 1994 Nr. L 268, S. 32, ABl 1996 Nr. L 180 S. 34, ABl 1997 Nr. L 156, S. 59 und ABl Nr. L 111 S. 88, ABl 2001 Nr. L 163, S. 34 Zuverlässigkeitsgrundsätze Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern vom 25. Juli 2001, BAnz Nr. 148/2001, S. 17177 f. 1. KWKV Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961, BGBl. I, S. 649 2. KWKV Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961, BGBl. I, S. 649 Hinsichtlich aller weiteren Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert (Begr.): Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Aufl., Berlin 2018.

Teil 1

Einleitung A. Anlass der Untersuchung Zwischen den Jahren 2006 und 2009 führten das deutsche Rüstungsunternehmen Heckler & Koch ca. 4.700 Sturmgewehre nach Mexiko1 und der deutsche Waffenbauer Sig Sauer mehr als 36.000 Pistolen nach Kolumbien2 aus. Die Rüstungsexporte erfolgten jeweils in Provinzen der Länder, die aufgrund des Drogen- bzw. Bürgerkriegs damals wie heute von gewalttätigen Auseinandersetzungen und anhaltenden Menschenrechtsverletzungen gezeichnet waren bzw. sind.3 In beiden Fällen wird nun in Strafverfahren überprüft, ob die Mitarbeiter der beiden Rüstungsunternehmen gänzlich ohne Ausfuhrgenehmigungen exportieren ließen oder bei den Ausfuhrbehörden wissentlich Falschangaben über den tatsächlichen Endverbleib bzw. Endab1  Siehe aus der Tagespresse etwa Süddeutsche Zeitung vom 15.05.2018, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/prozessauftakt-ein-waffenexport-undseine-abgruende-1.3980595; Schwarzwälder Bote vom 15.05.2018, abrufbar unter: https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.stuttgart-oberndorf-heckler-koch-prozessum-illegale-waffenexporte-ist-gestartet.897fa7ba-4574-4250-b88d-027a765167d0. html; siehe zuvor bereits den Bericht von Report Mainz vom 25.04.2016, abrufbar unter: https://www.swr.de/report/anklage-gegen-zwei-ehemalige-heckler-und-kochgeschaeftsfuehrer/-/id=233454/did=17117418/nid=233454/tllu0j/index.html. 2  Handelsblatt vom 12.04.2018, abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/ unternehmen/management/verkauf-von-pistolen-waffenbauer-sig-sauer-droht-wegenkolumbiengeschaeft-eine-millionenstrafe/21168194.html; Süddeutsche Zeitung vom 12.04.2018, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/news/wirtschaft/ruestungs industrie---eckernfoerde-pistolen-nach-kolumbien-sig-sauer-soll-strafe-zahlen-dpa. urn-newsml-dpa-com-20090101-180412-99-863176; Tagesschau vom 12.04.2018, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/sig-sauer-kolumbien-101.html; Kieler Nachrichten vom 11.04.2018, abrufbar unter: http://www.kn-online.de/Nachrichten/ Schleswig-Holstein/Waffenhersteller-Mitarbeiter-von-Sig-Sauer-angeklagt. 3  Siehe die Berichte von Amnesty International zu Mexiko (abrufbar unter: https:// www.amnesty.org/en/countries/americas/mexico/report-mexico/) sowie zu Kolumbien (abrufbar unter: https://www.amnesty.org/en/countries/americas/colombia/reportcolombia/). In der Tagespresse wurde insbesondere auf die Erschießung von 43 Studenten durch mexikanische Banden im Jahr 2014 (siehe taz vom 14.08.2018, abrufbar unter: http://www.taz.de/!5524752/) sowie auf Menschenrechtsverletzungen durch die kolumbianische Nationalpolizei (siehe bereits Tagesschau vom 27.05.2014, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/waffenexport104.html) aufmerksam gemacht.

20

Teil 1: Einleitung

nehmer der exportierten Waffen machten, um an die erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen zu gelangen.4 Den Angeklagten drohen bei den damit einhergehenden Verstößen gegen das KWKG bzw. das AWG und die AWV Haftstrafen in Höhe von bis zu fünf Jahren. Unter den angeklagten Mitarbeitern befinden sich im Fall Heckler & Koch zwei, im Fall Sig Sauer drei ehemalige bzw. amtierende Geschäftsleitungsmitglieder. In beiden Fällen wies die Staatsanwaltschaft zum Prozessauftakt darauf hin, dass einzelne Geschäftsleitungsmitglieder die Stellung des sog. Ausfuhrverantwortlichen innehatten.5 Als Instrument des deutschen Exportkontrollsystems6 geht das Rechtsinstitut des Ausfuhrverantwortlichen auf einen Kabinettbeschluss der Bundesregierung zurück, aufgrund dessen am 29.11.1990 die „Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern“7 (im Folgenden: Zuverlässigkeitsgrundsätze8) erlassen wurden.9 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze sehen vor, dass die Anträge auf Genehmigung der Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter durch ein – je nach Rechtsform des Antragstellers – für die Durchführung der Ausfuhr verantwortliches Mitglied des Vorstandes, einen Geschäftsführer oder einen vertretungsberechtigten Gesellschafter als dem „Ausfuhrverantwortlichen“ unterzeichnet werden müssen, der die Ver4  Zur Rolle der deutschen Ausfuhrbehörden im Fall Heckler & Koch aus der Tagespresse Welt vom 24.05.2016, abrufbar unter: https://www.welt.de/politik/ deutschland/article155636629/Massaker-mit-deutschen-Waffen-was-wusste-dieRegierung.html; Stuttgarter Zeitung vom 10.07.2018, abrufbar unter: https://www. stuttgarter-zeitung.de/inhalt.prozess-um-heckler-koch-hat-die-kontrolle-der-minis terien-versagt.2264eae0-5d69-4679-ad2d-a3bd86d2ca5a.html; zu den Umgehungshandlungen im Fall Sig Sauer Süddeutsche Zeitung vom 12.04.2018, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/news/wirtschaft/ruestungsindustrie---eckernfoerdepistolen-nach-kolumbien-sig-sauer-soll-strafe-zahlen-dpa.urn-newsml-dpa-com-200 90101-180412-99-863176. 5  Siehe für den Fall Heckler & Koch Deutschlandfunk vom 11.12.2017, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/heckler-koch-mit-neuem-geschaeftsmodellwaffen-nur-fuer.724.de.html?dram:article_id=402903; hinsichtlich des Falls Sig Sauer Handelsblatt vom 12.04.2018, abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/unterneh men/management/verkauf-von-pistolen-waffenbauer-sig-sauer-droht-wegen-kolum biengeschaeft-eine-millionenstrafe/21168194.html?ticket=ST-1384859-ISod9Qcmd 0fQbp4MscGu-ap4. 6  Epping, FS Bock, S. 125 (144). 7  BAnz Nr. 225/1990, S. 6406; ergänzt am 30.01.1991, BAnz Nr. 23/1991, S. 545, und am 13.06.1995, BAnz Nr. 122/1995, S. 7153 f. 8  So auch die Bezeichnung in der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 01.08.2001, BAnz Nr. 149/2001, S. 17281; siehe zudem Beutel/Anders/ Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (404). 9  Dazu Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 47 f.; siehe bereits ders., AWPrax 1995, S. 174 ff.; jüngst zudem Merz, FS Wolffgang, S. 83 (85).



A. Anlass der Untersuchung21

antwortung für die Richtigkeit der Angaben übernimmt.10 Zudem obliegen dem Ausfuhrverantwortlichen seit der Novellierung der Zuverlässigkeitsgrundsätze vom 25.07.200111 ausdrücklich die Organisationspflicht, die Personalauswahl und -weiterbildungspflicht sowie die Überwachungspflicht hinsichtlich des innerbetrieblichen Exportkontrollsystems.12 Die Bundesregierung spricht dem Ausfuhrverantwortlichen damit in erster Linie eine Präventivfunktion zu. Nicht nur die Ausfuhrbehörden sollen Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht13 verhindern; vielmehr muss auch die Geschäftsleitung eines Rüstungsunternehmens durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass die einschlägigen Ausfuhrbestimmungen eingehalten werden.14 Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Compliance-Trend15 der vergangenen 10  BAnz Nr. 225/1990, S. 6406, Nr. 2 Satz 1; vgl. auch Reuter, Außenwirtschaftsund Exportkontrollrecht, Rn. 748. 11  BAnz Nr. 148/2001, S 17177 f. (siehe Anlage I), ergänzt am 01.08.2001, BAnz Nr. 149/2001, S 17281, sowie jüngst am 27.07.2015 (siehe Anlage II); dazu Harings/ Loets, ExportManager 10/2015, S. 25 f.; Merz, FS Wolffgang, S. 83 (86). 12  Siehe Nr. 2 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie Nr. 2 Satz 1 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 13  Für die vorliegende Untersuchung bezeichnet der Begriff des Außenwirtschaftsrechts die nationalen bzw. unionsrechtlichen Bestimmungen des AWG, der AWV, dem KWKG sowie der Dual-Use-VO, einschließlich der diesbezüglich ergangenen administrativen Vorschriften. Zu Definition, Rechtsquellen und Grundzügen des ­Außenwirtschaftsrechts Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Vor §§ 17–20 AWG Rn. 4 ff.; Ehrlich, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 2 Rn. 4 ff.; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, Vorbemerkungen AWG a. F. Rn. 7 ff.; Harder, in: Wabnitz/Janovsky, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 23 Rn. 2; Meyer, in: Momsen/Grützner, Kap. 10 C. Rn. 6 ff.; Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Einleitung Rn.  10 ff.; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, Vor §§ 17 ff. AWG Rn. 9 ff.; Wolffgang, in: ders./Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Einleitung Rn. 6 ff.; Simonsen, Außenwirtschaftsrecht, S.  20 f.; Tiedemann, FS Spendel, S. 591 (599 ff.); grundlegend auch Epping, FS Bock, S. 125 ff. 14  Zu diesem Kooperationsprinzip bereits Langfeldt/Sinnwell, Maßnahmen bei verschärfter Exportkontrolle, S. 9; siehe auch BAFA, AW-Prax 2004, S. 387; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 22; Müller, Harmonisierte deutsche Exportkontrolle, S.  55 ff.; Kochendörfer/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 97 (98 f.). 15  „Compliance“ bezeichnet in diesem Zusammenhang allgemein die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung rechtlicher Gebote und des Nichtverstoßens gegen gesetzliche Verbote durch Unternehmen, Geschäftsleitungsmitglieder und Mitarbeiter, so etwa die Begriffsbestimmungen von Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  35 Rn.  66; siehe ferner Gebauer/Niermann, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 48 Rn. 1; Nestler, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 1 Rn. 33; Poppe, in: Inderst/Bannenberg/Poppe, Compliance, Kap. 1 Rn. 1 ff.; Rotsch, in: ders., Criminal Compliance, § 1 Rn. 4 ff.; Bock, Criminal Compliance, S. 19 ff.; ders., ZIS 2010, S.  614 ff.; Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 19 ff.; Schneider, ZIP 2003, S. 645; siehe zudem LG München I, NZWiSt 2014, S. 183 ff. (sog. Neubürger-Fall); speziell

22

Teil 1: Einleitung

Jahre ist die Rede von „Export Compliance“16 oder „Internal Compliance Programme“ (ICP)17. Unter dem Eindruck der Ausfuhrskandale der 1980er und 1990er Jahre um die Beteiligung deutscher Chemieunternehmen bei der Aufrüstung des Nahen Ostens18 wurden die Zuverlässigkeitsgrundsätze jedoch nicht nur zur Prävention, sondern auch zur Repression von Ausfuhrverstößen erlassen. Insbesondere der international aufsehenerregende Rabta-Fall19, in dem die deutsche Firma Imhausen-Chemie den libyschen Machthaber, Muammar al-Gaddafi, mit den Bauteilen für eine Giftgasfabrik belieferte, führte den Ermittlungsbehörden vor Augen, wie schwer Verantwortlichkeiten bei Ausfuhrverstößen in Unternehmen zugerechnet werden konnten.20 Die Mitwirkung zahlreicher Mitarbeiter an baukastenartigen Einzellieferungen21, die Verschleierung des wahren Bestimmungsortes der Ware22 sowie die chaotische Dokumentationslage23 im Unternehmen führten auf den ersten Blick zur faktischen Nichtverantwortlichkeit24 des in Wahrheit maßgeblich beteiligten Geschäftsführers in Bezug auf den Compliance-Trend im Bereich Exportkontrolle Makowicz, FS Wolffgang, S.  73 ff. 16  Makowicz, FS Wolffgang, S. 73; ähnlich Kreuder, CCZ 2008, S. 166 („Trade Compliance“). 17  Siehe insbesondere das vom BAFA herausgegebene ICP-Merkblatt, dazu ausführlich S. 94 ff.; siehe diesbezüglich auch Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 ff.; Beutel/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 73 ff.; Makowicz, Der Zoll-Profi! 4/2016, S. 2 ff.; Merz, FS Wolffgang, S. 83 (86); Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 ff.; Wolffgang/ Witte, CB 2015, S. 138 ff.; Urso, CB 2016, S. 344 ff. 18  Siehe den zusammenfassenden Bericht der Bundesregierung über legale und illegale Waffenexporte in den Irak und die Aufrüstung des Iraks durch Firmen der Bundesrepublik Deutschland vom 08.05.1991, BTDrucks 12/487; siehe ferner den Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über eine mögliche Beteiligung deutscher Firmen an einer C-Waffen-Produktion in Libyen vom 15.02.1989, BTDrucks 11/3995; dazu auch Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 1; Simonsen, Außenwirtschaftsrecht, S. 17. 19  Benannt nach dem libyschen Bestimmungsort der illegal ausgeführten Güter. Eine umfangreiche Darstellung der Ereignisse findet sich bei Ricke, Präventive Maßnahmen, S.  43 ff. 20  Oeter, ZRP 1992, S. 49. 21  Pottmeyer, in: Bernstorff, Internationale Geschäfte, Teil 4 B. 1; siehe auch BGH NJW 1992, S. 3114. 22  Dazu ausführlich LG Mannheim vom 27.6.1990 – (23) 6 KLs 17/90, S. 9 ff.; siehe auch Spiegel vom 16.01.1989, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/spiegel/ print/d-13494578.html. 23  Die Ermittlungsbehörden mussten sich ein Jahr lang durch Berge an Firmenkorrespondenz, Bankbelege und Blaupausen kämpfen, um das Gesamtbild der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, wie bei einem Puzzle, zusammenzusetzen, siehe dazu Zeit vom 30.03.1990, abrufbar unter: http://www.zeit.de/1990/14/imhausen-im-glueck. 24  Tiedemann, FS Spendel, S. 591 (607).



A. Anlass der Untersuchung23

der Imhausen-Chemie.25 Der Rabta-Fall verdeutlichte, dass es nicht ausreichen konnte, der staatlichen Exportkontrolle mit der unternehmensinternen Exportkontrolle einen weiteren Filter vorzuschalten; vielmehr musste die unternehmensinterne Exportkontrolle gleichzeitig zur „Chefsache“ erklärt werden.26 Ziel des Erlasses der Zuverlässigkeitsgrundsätze war damit nicht nur die verstärkte Beteiligung von Unternehmen an der Exportkontrolle, sondern auch die Verantwortungskonzentration bei einer Person auf Ebene der Geschäftsleitung, die sich insbesondere nicht durch die Verantwortungszuschreibung an andere Mitarbeiter exkulpieren können sollte.27 Im Zusammenhang mit der repressiven Funktion des Ausfuhrverantwort­ lichen wird verbreitet die Auffassung geäußert, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze zu einer gegenüber den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern gesteigerten strafrechtlichen Verantwortlichkeit geführt haben.28 Diese These wurde bisher jedoch, soweit ersichtlich, von niemandem eingehender erörtert.29 Mit der folgenden Untersuchung soll der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen nunmehr Kontur verliehen werden. 25  Der Geschäftsführer wurde 1990 wegen unerlaubter Ausfuhr in Tateinheit mit Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, 1993 jedoch vorzeitig aus der Haft entlassen, siehe LG Mannheim vom 27.6.1990 – (23) 6 KLs 17/90, S. 2; dazu Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 02.09.1993, S. 16. 26  Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 239; ders./Sinnwell, DWiR 1991, S. 133 (135); Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 748. 27  Im Musterformular des Bundesamtes für Wirtschaft, der Vorgängerbehörde des BAFA, zur Erklärung des Ausfuhrverantwortlichen zur Verantwortungsübernahme (abgedruckt bei Langfeldt/Sinnwell, Maßnahmen bei verschärfter Exportkontrolle, S. 38) wurde etwa darauf hingewiesen, dass sich der Unterzeichner der Verantwortungsübernahme nicht durch die Delegation von Aufgaben seiner Verantwortlichkeit nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen entziehen konnte – insbesondere nicht im Fall der Verletzung außenwirtschaftsrechtlicher Pflichten; dazu Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 239; ders., Der Ausfuhrverantwortliche, S. 39; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (420). 28  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 156, zitiert nach juris; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 22; Hinder, Der Ausfuhrverantwort­ liche, S. 105; siehe auch BAFA, ICP-Merkblatt, S. 7. 29  Eine umfangreichere Abhandlung zum Ausfuhrverantwortlichen stammt von Hinder (Der Ausfuhrverantwortliche im Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollrecht, 1999); sie betrifft jedoch vorrangig die genehmigungs- bzw. verwaltungsrechtliche Rolle des Ausfuhrverantwortlichen sowie die verfassungsrechtliche Rechtmäßigkeit dieses Instruments. Zu den knappen Ausführungen betreffend die strafrecht­ liche Verantwortlichkeit immerhin Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 92  ff. Hinder konzentriert sich dort allerdings auf die Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte sowie die Anzeigepflicht des Ausfuhrverantwortlichen bei der Aufdeckung von Rechtsverstößen. Eine Auseinandersetzung aus jüngerer Zeit, die allerdings in ihrem Umfang den Ausführungen Hinders sogar noch nachsteht, findet sich zudem bei Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (424 ff.).

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Teil 1: Einleitung

Insbesondere gilt es zu klären, ob die Bundesregierung an der Schnittstelle zwischen dem Ausfuhrgenehmigungsrecht und dem Außenwirtschaftsstrafrecht eine strafrechtliche Sonderverantwortlichkeit geschaffen hat.

B. Gang der Untersuchung Aufgrund der Verortung des Ausfuhrverantwortlichen im Ausfuhrgenehmigungsrecht – und gerade nicht im Außenwirtschaftsstrafrecht – liegt der Aufsatzpunkt dieser Untersuchung in den verwaltungsrechtlichen Ursprüngen. In Teil 2 wird daher das rechtliche Fundament untersucht, auf das die Ausfuhrbehörden den Ausfuhrverantwortlichen gestellt haben. Neben den Zuverlässigkeitsgrundsätzen als der Primärquelle werden noch weitere einschlägige Regelwerke angesprochen und insbesondere auf ihre rechtliche Verbindlichkeit untersucht. Die so gewonnenen Erkenntnisse lassen gegebenenfalls Rückschlüsse auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen zu. In Teil 3 nimmt die Untersuchung sodann die strafrechtliche Perspektive ein. Mangels eigenständiger Strafvorschriften in den Zuverlässigkeitsgrundsätzen muss sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen nach dem allgemeinen Außenwirtschaftsstrafrecht richten. Angesprochen sind sowohl die Straf-, als auch die Bußgeldvorschriften der §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV, 19 ff. KWKG. Da diese grundsätzlich für alle Teilnehmer am Außenwirtschaftsverkehr gleichermaßen Geltung beanspruchen, wird in Teil 3 die allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen ermittelt. Herausgearbeitet werden soll, ob bzw. inwieweit sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen bereits aus dem Außenwirtschaftsstrafrecht selbst ergibt. Dabei wird unter Rückgriff auf die Zurechnungs- und Gleichstellungsvorschriften des Allgemeinen Teils des StGB sowohl die Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte als auch für Unterlassungsdelikte in den Blick genommen. Ziel der Untersuchung ist es indessen nicht, alle denkbaren Situationen aufzuzeigen, in denen der Ausfuhrverantwortliche „bei Gelegenheit“ der Ausfuhr Rechtsverstöße begehen kann. Verspricht der Ausfuhrverantwort­ liche etwa dem für die Ausfuhrgenehmigung zuständigen Amtsträger einen Vorteil als Gegenleistung dafür, dass ihm die Genehmigung ohne vorherige Überprüfung der Ausfuhr erteilt wird, so steht eine Strafbarkeit des Ausfuhrverantwortlichen wegen Bestechung gemäß §§ 334 Abs. 1 S. 1, 336 StGB im Raum. Auch weisen illegale Ausfuhren wegen §§ 370 Abs. 5, 373 AO regelmäßig steuerstrafrechtliche Relevanz auf.30 Die Verantwortlichkeit nach dem 30  Siehe etwa Bach, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 373 AO Rn. 10 ff.; Hadamitzky/Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht,



B. Gang der Untersuchung25

„herkömmlichen“ Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht bleibt jedoch vorliegend außen vor. Vielmehr ist es Gegenstand dieser Untersuchung, die spezifische Verantwortlichkeit für Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht zu erfassen, zu deren Verhinderung der Ausfuhrverantwortliche im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze originär bestellt wird. Unter Beleuchtung der genannten Ausfuhrdelikte wird im Folgenden daher die strafrechtliche Verantwortlichkeit des „Nur-Ausfuhrverantwortlichen“31 untersucht, dessen Aufgaben- und Pflichtenkreis sich in der Gewährleistung der ordnungsgemäßen Abwicklung von Ausfuhrvorgängen erschöpft. Ist die allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit einmal ermittelt, kann schließlich die besondere Ausfuhrverantwortlichkeit in den Blick genommen werden. In Teil 4 geht es daher um den Einfluss der verwaltungsrechtlichen Rechtsgrundlagen des Ausfuhrverantwortlichen auf dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit. In einem ersten Schritt gilt es, den Umfang der vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze – Organisations-, Überwachungs-, Personalauswahl- und Weiterbildungspflicht – abzustecken. In einem zweiten Schritt lässt sich sodann klären, ob bzw. auf welche Weise das genehmigungsrechtliche Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwortlichen zugleich den strafrechtlichen Sorgfaltsmaßstab diktiert. In Teil 5 findet sich eine Zusammenfassung Untersuchungsergebnisse. Diese werden dort zudem mit Blick auf den Anlass der Untersuchung abschließend bewertet. Zu der zukünftigen Rolle des Ausfuhrverantwortlichen für das Außenwirtschaftsstrafrecht wird schlussendlich in einem Ausblick Stellung genommen.

§ 373 AO Rn. 4 ff.; Heine, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 370 AO Rn.  189 ff.; Schmitz/Wulf, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 370 AO Rn. 205 ff.; Janovsky, NStZ 1998, S. 117 (118 f.). 31  Im Umweltstrafrecht ist verbreitet die Rede vom „Nur-Betriebsbeauftragten“, der neben seinen umweltgesetzlich beschriebenen Aufgaben keine weiteren Aufgaben des Unternehmens wahrnimmt, siehe Kloepfer/Heger, Umweltstrafrecht, Teil 1 Rn.  136 f.; Wendler, Haftung der Betriebsbeauftragten, S. 38; Schall, FS Amelung, S.  287 (289 f.); Böse, NStZ 2003, S. 636 (637); im Gegensatz hierzu steht der „AuchBetriebsbeauftragte“, der zusätzlich weitere betriebliche Zuständigkeitsbereiche eigenverantwortlich ausfüllt, siehe Saliger, in: SSW-StGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 51.

Teil 2

Rechtliches Fundament Zunächst muss das rechtliche Fundament für den Ausfuhrverantwortlichen gelegt werden. Erst infolge der Ermittlung des einschlägigen Vorschriftenkomplexes können Rückschlüsse auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit gezogen werden. In Teil 2 werden darum die Quellen für den Ausfuhrverantwortlichen aufgefunden und auf ihre rechtliche Verbindlichkeit hin untersucht. Vorab sei auf Folgendes hingewiesen: Die Straftatbestände im AWG, der AWV und dem KWKG erwähnen den Ausfuhrverantwortlichen mit keinem Wort. Insbesondere kam es im Anschluss an die Ausfuhrskandale der 1980er und 1990er Jahre zwar zu einer erheblichen Verschärfung des Außenwirtschaftsstrafrechts1; es wurde jedoch beispielsweise keine eigene Strafvorschrift nach dem Bild eines Sonderdelikts für ausfuhrverantwortliche Geschäftsleitungsmitglieder geschaffen. Vielmehr entschied sich der Gesetzgeber2, die Verantwortlichkeit – wie in anderen gefahrgeneigten Bereichen3 – im Ausfuhrgenehmigungsrecht als Bestandteil des öffentlichen Wirt­ schaftsrechts zu verorten. 1  Durch das fünfte und sechste Gesetz zur Änderung des AWG vom 20.07.1990, BGBl. I, S. 1457 ff., 1460 ff. sowie anschließend durch das siebte Gesetz zur Änderung des AWG vom 28.02.1992, BGBl. I, S. 372; siehe zu den damaligen Reformbestrebungen Dahlhoff, NJW 1991, S. 208 ff.; Epping, RIW 1991, S. 461 ff.; Hantke, NJW 1992, S. 2123 ff.; Michalke, StV 1993, S. 262 ff.; Oeter, ZRP 1992, S. 49 ff.; Pietsch, KJ 1991, S. 475 ff.; Pottmeyer, DWiR 1992, S. 133 ff. Allgemein zur Schnittstelle von verwaltungsrechtlicher Exportkontrolle und strafrechtlicher Sanktion Bieneck, in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle, S. 78; Pottmeyer, Hemmnisse und Sanktion, S. 100. 2  Gemeint sind sowohl der parlamentarische Gesetzgeber als auch die Bundregierung als Schöpferin materieller Gesetze. 3  Bereits Gola, MDR 1976, S. 376 („Die Beauftragten sind unter uns“) machte auf die große Anzahl der sog. Betriebsbeauftragten aufmerksam. Deren Domäne ist in erster Linie das Umweltrecht. Dort gibt es beispielsweise den Gewässerschutzbeauftragten gemäß §§ 64 ff. WHG, den Immissionsschutzbeauftragten gemäß § 53 ff. BImSchG oder den Strahlenschutzbeauftragten gemäß §§ 31 ff. StrlSchV; dazu weiterführend Böse, NStZ 2003, S. 636 ff.; Schall, FS Amelung, S. 287; Mehle/Neumann, NJW 2011, S. 360 f. Aber nicht nur im Umweltrecht haben sich gesetzliche Beauftragtenregelungen etabliert. So gibt es etwa im Datenschutzrecht den Datenschutzbeauftragten gemäß § 38 BDSG, im Geldwäscherecht den Geldwäschebeauftragten gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 GWG oder im Arzneimittelrecht die sog. sachkundige Person gemäß §§ 14 f. AMG; siehe für eine vergleichbare Auflistung Wendler, Haftung der Betriebs-



A. Außenwirtschaftsfreiheit und ihre Grenzen27

Die Annäherung an das Instrument des Ausfuhrverantwortlichen muss dementsprechend von Seiten des Ausfuhrgenehmigungsrechts erfolgen. Ausgangspunkt bildet insoweit die verfassungsrechtlich abgesicherte Außenwirtschaftsfreiheit, die durch Verbote und Genehmigungsvorbehalte für bestimmte Ausfuhren beschränkt wird (A.). Als Ausprägung des staatlichen Genehmigungsvorbehalts kann die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen gemäß §§ 8 Abs. 2 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO von der „Zuverlässigkeit“ des Antragstellers abhängig gemacht werden (B.). Das Kriterium der Zuverlässigkeit wird seinerseits durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze näher erläutert, die insbesondere den Ausfuhrverantwortlichen, einschließlich seiner Aufgaben und Pflichten, in das Außenwirtschaftsrecht einführen (C.). Daneben scheint auch § 2 Abs. 2 AWV eine Art Ausfuhrverantwortlichen sowie einen entsprechenden Pflichtenkatalog vorzusehen (D.). Schließlich hat das BAFA ein Merkblatt veröffentlicht, in dem es Empfehlungen für Exportunternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortliche abgibt, worauf diese bei der innerbetrieblichen Exportkontrolle zu achten haben (E.).4

A. Außenwirtschaftsfreiheit und ihre Grenzen Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AWG ist der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland sowie der Verkehr mit Auslandswerten und Gold zwischen Inländern (Außenwirtschaftsverkehr) grundsätzlich frei. Die Regelung positiviert den sog. Grundsatz der Außenbeauftragten, S. 35. Bereits Heitmann, NJW 1996 S. 904 ging von weit mehr als 100 verschiedenen Beauftragten im deutschen Recht aus. Heute dürfte deren Zahl noch beträchtlich angewachsen sein. Abseits der gesetzlichen Regelungen werden zudem in zahlreichen Unternehmen sog. Compliance-Beauftragte bestellt, die für die Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften Sorge tragen sollen; siehe hierzu nachfolgend S. 246  ff. Grundlegend zum Beauftragtenmodell Mansdörfer, Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, Rn.  667 ff.; Rehbinder, ZGR 1989, S. 306 ff. 4  Für diese Untersuchung irrelevant ist hingegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 KWKG, der demjenigen, der genehmigungsbedürftige Handlungen nach dem KWKG vornimmt, aufgibt, Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass die gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Anordnungen zum Schutze von geheimhaltungsbedürftigen Gegenständen, Tatsachen, Erkenntnissen oder Mitteilungen beachtet werden. Zwar spiegelt die Vorschrift den „Grundsatz der Compliance i. e. S.“ wider, so Bock, Criminal Compliance, S. 536. Jedoch weist sie keinen spezifischen Bezug zum Rechts­ institut des Ausfuhrverantwortlichen auf, siehe Pottmeyer, KWKG, § 12 Rn. 2 ff. Dabei wird nicht verkannt, dass die Vorschrift bei der Bewertung des Sorgfaltsmaßstabs einer ausfuhrverantwortlichen Person freilich eine Rolle spielen kann; die Pflichten knüpfen aber nicht notwendig an die formelle Ausfuhrverantwortlichenstellung im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze an. Ausführlich zu den Pflichten nach § 12 KWKG Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 12 KWKG Rn. 3 ff.; ders. KWKG, § 12 Rn. 12 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

wirtschaftsfreiheit.5 Die Außenwirtschaftsfreiheit basiert im Wesentlichen auf den Freiheitsgrundrechten, allen voran der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG als wirtschaftlichem Basisgrundrecht im außenwirtschaftlichen Bereich.6 Dahinter steht der Gedanke, dass die Ausfuhr von Gütern einen für sich betrachtet marktwirtschaftlich sinnvollen und daher rechtspolitisch erwünschten Vorgang darstellt, der insbesondere im Licht der Berufsfreiheit für jedermann möglich und erlaubt sein muss.7 Auf die Berufsfreiheit können sich nämlich sowohl deutsche natürliche Personen (Art. 116 GG)8 als auch inländische juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG)9 berufen, da Letztgenannte – wie auch natürliche Personen – im Außenwirtschaftsverkehr typischerweise Erwerbszwecken dienende Tätigkeiten ausüben, sodass die Berufsfreiheit dem Wesen nach anwendbar ist.10 Sowohl die ausfuhrverantwortliche natürliche Person als auch das Unternehmen, dem sie angehört, können sich daher auf die Außenwirtschaftsfreiheit berufen. Vor dem Hintergrund eines gänzlich freien Außenwirtschaftsverkehrs erscheint es fragwürdig, warum private Unternehmen überhaupt einen Ausfuhrverantwortlichen bestellen bzw. benennen müssen. Immerhin greift die Pflicht, ein Geschäftsleitungsmitglied mit Aufgaben der Exportkontrolle zu betrauen, zumindest faktisch in die Privatautonomie von Unternehmen und deren Geschäftsleitungsmitgliedern ein.11 In diesem Zusammenhang ist zu5  Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 1 AWG Rn. 54; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 3; Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S.  1 ff., 288 ff.; Hohmann, Angemessene Außenhandelsfreiheit, S.  10 ff.; Trouet, FS Krause, S. 407 (411); siehe auch Hohmann, AW-Prax 2018, S. 417 ff. 6  Merz/Witte, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 431 (446  f.); Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 163; Egger, „Dual-use“-Waren, S. 30. Weiterhin werden einzelne Freiheiten innerhalb des Außenwirtschaftsverkehrs aus den Art. 14 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet, dazu ausführlich Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S.  66 ff. 7  Ausführlich Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 1 AWG Rn. 24 ff., 54 ff. 8  Siehe zu (EU-)Ausländern Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S.  165  ff.; zum europäischen Rechtsrahmen der Außenwirtschaftsfreiheit Merz/Witte, in: Ehlers/ Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 431 (447 ff.). 9  Zu ausländischen juristischen Personen und juristischen Personen der EU-Mitgliedstaaten Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S.  180 ff. 10  So ausdrücklich BVerfG NJW 1979, S. 699 (707 f.) („Schutzgut des Art. 12 I GG ist bei juristischen Personen die Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe, zu betreiben, soweit diese Tätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann.“); Ruffert, in: BeckOK-GG, § 12 Rn. 38; Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 185. 11  Dazu eingehend Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 149 ff., 201 ff.; siehe auch Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG, Rn. 17 ff.



A. Außenwirtschaftsfreiheit und ihre Grenzen29

nächst festzuhalten, dass die Außenwirtschaftsfreiheit in Bezug auf rüstungsrelevante Güter nicht schrankenlos gewährt wird. Sie unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AWG vielmehr den Einschränkungen der nationalen Vorschriften des AWG und der AWV. Die Außenwirtschaftsfreiheit kann gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 AWG zudem durch das KWKG sowie gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 AWG durch Rechtsvorschriften der EU eingeschränkt werden.12 Vor allem zum Schutz übergeordneter Interessen, wie der öffentlichen Sicherheit und der auswärtigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland sowie des friedlichen Zusammenlebens der Völker, sind gemäß § 4 Abs. 1 AWG bestimmte Beschränkungen und Handlungspflichten zulässig.13 Als Beschränkungen und Handlungspflichten haben sich Verbote, Genehmigungsvorbehalte bzw. Genehmigungspflichten und aufgrund des AWG erlassene Verwaltungsakte des Wirtschaftsministers als rechtliche Instrumente der Exportkontrolle he­ rausgebildet.14 Durch diese behält sich der Staat vor, bestimmte Exporte zu kontrollieren, um die unkontrollierte Weiterverbreitung von Rüstungsgütern (sog. Proliferation15) zu verhindern.16 Wer gefährliche Güter ausführen will, muss bestimmte materielle Voraussetzungen erfüllen und zusätzlich ein formelles Verfahren einhalten. Im Außenwirtschaftsverkehr gilt daher faktisch kein Wirtschaftsliberalismus klassischer Prägung, der von einem völlig freien Wirtschaftslauf ausgeht.17 Vielmehr ist der Außenwirtschaftsverkehr staatlicher Wirtschaftslenkung durch das öffentliche Wirtschaftsrecht unterworfen. Ein Totalvorbehalt besteht indessen nicht. Während pauschale Exportverbote als repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt allenfalls dort vorzufinden sind, wo es um besonders sensible Güter (z. B. Kriegswaffen), Bestimmungsländer (z. B. Nordkorea) oder Empfänger (z. B. Terroristen) geht, markiert der staatliche Ge12  Zu den unionsrechtlichen Beschränkungen gehören insbesondere die Genehmigungspflichten der Dual-Use-VO, siehe Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 1 AWG Rn. 74, 78 ff. 13  Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 1 AWG Rn. 72. Zu den Schutzzwecken des AWG Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 8 ff. 14  Übersicht bei Egger, „Dual-use“-Waren, S. 31, 45 ff. 15  Eingehend zum Begriff Tervooren, Ausführerbegriff, S. 2; Gericke, in: Ehlers/ Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 183 ff.; Wirtz, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 469 ff.; siehe auch BAFA, ICP-Merkblatt, S. 3; speziell zur Proliferation von Cloud-Technologie Haellmigk, CCZ 2016, S. 28 ff.; Pietsch, FS Wolffgang, S. 135 (151 ff.); zu den Proliferationsrisiken in der Wissenschaft Kochendörfer/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 97 ff.; aus völkerrechtlicher Perspektive am Beispiel des Nuklearprogramms des Iran Schulenberg AVR 2008, S. 407 ff. 16  Siehe auch Merz/Witte, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 431 (432 ff.); siehe auch Wallraff, AW-Prax 2010, S. 163. 17  Trouet, FS Krause, S. 407 (408).

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Teil 2: Rechtliches Fundament

nehmigungsvorbehalt als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt den Regelfall.18 Die sensible Ausfuhr wird unter dem Vorbehalt der zuvor erteilten behördlichen Genehmigung gestattet, die ihrerseits als Prognoseentscheidung über die grundsätzliche Ungefährlichkeit der Ausfuhr anzusehen ist.19 Maßgebliche Vorschrift ist insoweit § 8 Abs. 1 Satz 1 AWG, der dem Antragsteller einen gebundenen Anspruch auf Ausfuhrgenehmigung verschafft („so ist die Genehmigung zu erteilen“), wenn zu erwarten ist, dass die Ausfuhr den Zweck der Genehmigungspflicht nicht oder nur unwesentlich gefährdet.20 Die Genehmigungserteilung steht im Grundsatz folglich nicht im Ermessen der Ausfuhrbehörde, sondern unterliegt ausschließlich der zutreffenden Beurteilung des Sachverhalts.21 Der Außenwirtschaftsfreiheit sind damit klare Grenzen gesetzt. Innerhalb dieser Grenzen ist die Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter jedoch unter bestimmten Voraussetzungen regelmäßig zulässig.

B. Zuverlässigkeit des Antragstellers An der Schnittstelle zwischen staatlichem Genehmigungsvorbehalt und unternehmerischer Genehmigungspflichtigkeit kommt der Ausfuhrverantwortliche ins Spiel. Allerdings findet er im Genehmigungsrecht nach dem AWG, der AWV, dem KWKG und der Dual-Use-VO keine unmittelbare Entsprechung. Einfallstor ist vielmehr das Merkmal der „Zuverlässigkeit“ in den Ermächtigungsgrundlagen der §§ 8 Abs. 2 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG.22 Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AWG kann die Erteilung der Genehmigung von sachlichen und persönlichen Voraussetzungen, insbesondere der Zuverlässigkeit des Antragstellers, abhängig gemacht werden. Dasselbe gilt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 AWG, wenn das BAFA eine Bescheinigung erteilt, nach der die Ausfuhr keiner Genehmigung bedarf (sog. Nullbescheid23). Im Fall von 18  Siehe Junck/Kirch-Heim, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 Rn. 87; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 4 AWG Rn. 30; dazu eingehend Claßen, Kontrollverfahren, S.  64 ff.; Hohmann, Angemessene Außenhandelsfreiheit, S. 160 ff.; vgl. im Zusammenhang mit der Regelungstechnik im Umweltrecht zudem Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 208 ff. 19  Zu den genehmigungsrechtlichen Prognoseentscheidungen noch S. 67 ff. 20  Zum Ganzen Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 5 ff. Anders verhält es sich bei der Ausfuhr von Kriegswaffen. Auf die Erteilung einer Genehmigung besteht gemäß § 6 Abs. 1 KWKG gerade kein Anspruch. 21  Zur behördlichen Beurteilung auf Tatbestandsseite S. 56 ff. 22  Siehe die Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 01.08.2001, S. 1, BAnz Nr. 149/2001, S. 17281; dazu Edler/Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 Rn. 22; Merz/Witte, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 431 (434).



B. Zuverlässigkeit des Antragstellers31

Kriegswaffen ist die Genehmigung gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG zu versagen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Antragsteller bzw. dessen gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter die für die beabsichtigte Handlung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Ein Antragsteller gilt als „zuverlässig“ im Sinne der genannten Vorschriften, wenn er die Gewähr dafür bietet, dass er die maßgeblichen exportkon­ trollrechtlichen Vorschriften einhält.24 Dem Genehmigungsvorbehalt der Zuverlässigkeit entspricht auf Unionsrechtsebene Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 DualUse-VO, der bestimmt, dass die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Ausführer niedergelassen ist, die Verwendung von Ausfuhrgenehmigungen durch den Ausführer untersagen können, wenn es berechtigte Zweifel in Bezug auf seine Fähigkeit gibt, sich an eine solche Ausfuhrgenehmigung oder eine Bestimmung der Rechtsvorschriften zur Ausfuhrkontrolle zu halten.25 Zusätzlich müssen die Ausfuhrbehörden der Mitgliedstaaten gemäß Art. 12 Abs. 2 Dual-Use-VO berücksichtigen, ob der Ausführer angemessene und verhältnismäßige Mittel und Verfahren anwendet, um die Einhaltung der Bestimmungen und Ziele der Dual-Use-VO und etwaiger Genehmigungsauflagen zu gewährleisten.26 Die Entscheidung über die Zuverlässigkeit des Antragstellers trifft im Fall von Genehmigungsanträgen nach dem KWKG die Bundesregierung, konkret das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Verteidigung27; im Fall von Genehmigungsanträgen nach dem AWG, der AWV und der Dual-Use-VO ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig.28 Die Vornahme genehmigungsbedürftiger Verhaltensweisen von der Zuverlässigkeit des Antragstellers abhängig zu machen, ist typisch für das öffent­ liche Wirtschaftsrecht.29 Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung 23  Siehe BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 697; Edler/Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 Rn. 19; siehe auch Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 3 AWG a. F. Rn. 12. 24  Edler/Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 Rn. 20; Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 3 AWG a. F. Rn. 16; Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 94. 25  Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 9 Dual-Use-VO Rn. 4; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Art. 9 Dual-Use-VO Rn. 20a. 26  Dazu Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 12 Dual-Use-VO Rn. 8; Merz/Witte, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 431 (435 f.). 27  Siehe § 1 1. KWKV. 28  Siehe §§ 3, 11, 21 ff. AWV, Art. 9 ff. Dual-Use-VO. 29  Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 250 ff.; siehe auch Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 91 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 GaststättenG ist die Erlaubnis zum Betreiben eines Gaststättengewerbes zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, was insbesondere der Fall ist, wenn er dem Trunke ergeben ist. Branchenübergreifend erfordert die Ermittlung der Zuverlässigkeit eine Prognoseentscheidung der zuständigen Behörde.30 Anhand von in der Vergangenheit sichtbar gewordenen Tatsachen wird eingeschätzt, ob in der Zukunft (weitere) Verstöße wahrscheinlich bzw. zu befürchten sind.31 Derartige Prognoseentscheidungen werden auch durch die Ausfuhrbehörden getroffen. Im Rahmen des zunehmenden ComplianceTrends berücksichtigt das BAFA mittlerweile insbesondere auch, ob der Antragsteller schon im Vorfeld von Gesetzesverstößen geeignete organisatorische Maßnahmen zu deren Verhinderung getroffen und dies intern zur Überwachungssorgfalt der Geschäftsleitung erhoben hat.32 Die entsprechenden organisatorischen Maßnahmen werden ihrerseits durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze konkretisiert. Mit den Zuverlässigkeitsgrundsätzen tritt schließlich der Ausfuhrverantwortliche auf den Plan. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze schreiben den Ausfuhrbehörden vor, Genehmigungen für die Ausfuhr von gelisteten Gütern nur an Antragsteller zu erteilen, die einen Ausfuhrverantwortlichen benannt haben.33 Der Ausfuhrverantwortliche muss Mitglied der Geschäftsleitung sein.34 Er übernimmt die Korrespondenz mit den Ausfuhrbehörden, indem er insbesondere die Genehmigungsanträge unterzeichnet.35 Dem Ausfuhrverantwortlichen obliegen darüber hinaus die Organisationspflicht, die Personalauswahl und -weiterbildungspflicht sowie die Überwachungspflicht.36 Diese vier Grundpflichten werden durch das vom BAFA herausgegebene Merkblatt „Internal Compliance Programmes – ICP“ über firmeninterne Exportkontrolle (im Folgen30  Siehe Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 7; dazu allgemein Korte, in: Schmidt/Wollenschläger, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 58. 31  Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 4 GastG Rn. 6; Edler/Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 Rn. 21; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn. 32; Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 92. 32  So von Seiten des BAFA Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47. 33  Nr. 2 Satz 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. 34  Nr. 2 Satz 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. 35  Nr. 2 Satz 3, 4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. 36  Nr. 2 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze33

den: ICP-Merkblatt37) weiter spezifiziert.38 Bevor jedoch eine eingehendere Befassung mit den Zuverlässigkeitsgrundsätzen sowie dem ICP-Merkblatt erfolgt, bleibt festzuhalten, dass die formell-gesetzliche Grundlage für den Ausfuhrverantwortlichen nicht in den Zuverlässigkeitsgrundsätzen, sondern genauer in §§ 8 Abs. 2 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO zu erblicken ist. Diese statuieren zwar lediglich das Zuverlässigkeitserfordernis des Antragstellers bzw. Ausführers, sind als Grundnormen jedoch zugleich der Ursprung für Aufgaben und Pflichten der unternehmensinternen Exportkontrolle.39 Aufgrund der genehmigungsrechtlichen Relevanz der Zuverlässigkeit muss der Ausfuhrverantwortliche als Ausprägung des staatlichen Genehmigungsvorbehalts eingeordnet werden.40

C. Zuverlässigkeitsgrundsätze Da mit der Außenwirtschaftsfreiheit, ihrer Begrenzung durch den staat­ lichen Genehmigungsvorbehalt sowie dem genehmigungsrelevanten Kriterium der Zuverlässigkeit der verfassungs- bzw. einfachgesetzliche Schauplatz absteckt ist, erfolgt nun die Befassung mit dem expliziten Regelungskomplex zum Ausfuhrverantwortlichen – den Zuverlässigkeitsgrundsätzen. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze wurden, wie eingangs dargestellt41, als Reaktion auf die international beachteten Ausfuhrskandale um die Beteiligung deutscher Unternehmen an der Aufrüstung Libyens bzw. des Irak durch die Bundesregierung erlassen.42 In ihrer ursprünglichen Fassung wurden sie bereits am 29.11.1990 bekannt gemacht und in den Jahren 1991 sowie 1995 jeweils durch ergänzende Bekanntmachungen der Vorgängerbehörde des BAFA, dem Bundesamts für Wirtschaft (BAW), erläutert bzw. an Rechtsentwicklungen angepasst.43 Am 25.07.2001 wurden die Zuverlässigkeitsgrundsätze grundlegend neugefasst, um auf die umfangreichen außenwirtschaftsrechtlichen Entwicklungen infolge der kurz zuvor erlassenen Dual-Use-VO sowie der „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von

37  Abrufbar unter: http://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aussenwirt schaft/afk_merkblatt_icp.html. 38  Zur Ausgestaltung der vier Grundpflichten im Einzelnen siehe S. 268 ff. 39  Merz/Witte, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 431 (438). 40  So auch Egger, „Dual-use“-Waren, S. 49 ff.; Epping, FS Bock, S. 125 (144 f.). 41  Siehe S.  19 ff. 42  Siehe auch Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG, Rn. 1; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 1 ff. 43  Siehe dazu die Nachweise in Teil 1, Fn. 5; zu den Änderungen der Zuverlässigkeitsgrundsätze auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 54 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ vom 19.01.200044 Bezug nehmen zu können.45 Eine wesentliche Neuerung betraf außerdem das ausdrückliche Aufführen der vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen.46 Durch die am 25.07.2001 bekanntgemachten und am 01.10.2001 in Kraft getretenen Zuverlässigkeitsgrundsätze wurden deren Vorgänger vom 29.11.1990 aufgehoben. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze in der Bekanntmachung vom 25.07.2001 stellen daher die gegenwärtig beachtliche Fassung dar. Neben der unmittelbar im Anschluss veröffentlichen Bekanntmachung vom 01.08.200147 wurden die Zuverlässigkeitsgrundsätze in jüngerer Zeit durch die Bekanntmachung vom 27.07.2015 modifiziert. Letztgenannte stammt nicht von der Bundesregierung, sondern vom BAFA48 und berücksichtigt die Änderungen des europäischen Außenwirtschaftsrechts sowie insbesondere die AWG-Novelle von 2013. Den folgenden Ausführungen liegen mithin die Zuverlässigkeitsgrundsätze vom 25.07.2001 zugrunde, erläutert und modifiziert durch die Bekanntmachung vom 27.07.2015. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze werden von der Bundesregierung49, dem BAFA50 sowie dem ganz überwiegenden Schrifttum51 als allgemeine Verwaltungsvorschriften im Sinne des Art. 86 Satz 1 GG eingestuft. Gemäß Art. 86 Satz 1 GG erlässt die Bundesregierung, soweit gesetzlich nicht anderes vorgeschrieben ist, allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Ausführung der bundeseigenen bzw. bundesunmittelbaren Verwaltung. Die Exportkontrolle fällt in den Bereich der bundeseigenen Verwaltung.52 Bei allgemeinen Verwaltungsvorschriften handelt es sich um abstrakt-generelle Regelungen, die 44  BAnz

Nr. 19/2000, S. 1299; dazu noch S. 374 ff. die Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 01.08.2001, S. 1; BAnz Nr. 149/2001, S. 17281. 46  Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 01.08.2001, S. 1, BAnz Nr. 149/2001, S. 17281. Zuvor wurden die Pflichten des Ausfuhrverantwort­ lichen lediglich durch die vom Bundesamt für Wirtschaft herausgegebenen „Empfehlungen für die betriebliche Behandlung genehmigungspflichtiger Exporte“, BAnz Nr. 27/1991, S. 653, konkretisiert. 47  Nachweis in Teil 2, Fn. 45. 48  Siehe die Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 49  Siehe zur Auffassung der Bundesregierung S. 78 ff. 50  Von Seiten des BAFA Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (403 f.); Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (48). 51  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 9; Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 6 KWKG Rn. 15; Pathe, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht1, § 5 Rn. 45; Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 750; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 28 ff.; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (421); Bieneck, AW-Prax 2006, S. 189 (193); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 54; ders./Sinnwell, DWiR 1991, S. 133. 52  Siehe BVerfG NVwZ 2014, S. 1652 (1655); BVerwGE 36, S. 327 (333). 45  Siehe



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze35

von einer übergeordneten an die ihr nachgeordneten Behörden erlassen werden, um Letztgenannte bei der Erledigung von Verwaltungsaufgaben zu einem bestimmten Verhalten anzuleiten.53 Sie stellen daher originäres Innenrecht der Verwaltung dar.54 Unmittelbar berechtigt bzw. verpflichtet werden ausschließlich Angehörige der adressierten Behörden.55 Anders gewendet sind Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nicht in der Lage, für außerhalb der Verwaltung stehende Bürger Rechte und Pflichten begründen.56 Auch Gerichte sind im Grundsatz nicht an Verwaltungsvorschriften gebunden, sondern haben ihren Entscheidungen nur materielles Recht zugrunde zu legen.57 Dies wirft die Frage auf, ob bzw. wie die Zuverlässigkeitsgrundsätze den Ausfuhrverantwortlichen überhaupt rechtlich tangieren, geschweige denn seine strafrechtliche Verantwortlichkeit beeinflussen sollen. Um dem auf den Grund zu gehen, muss zum einen der Regelungsgehalt der Zuverlässigkeitsgrundsätze erschlossen und bewertet werden (I.). Zum anderen gilt es, deren rechtliche Verbindlichkeit für Exporteure bzw. den Ausfuhrverantwortlichen zu erörtern (II.).

I. Erschließung und Bewertung des Regelungsgehalts Die Zuverlässigkeitsgrundsätze enthalten eine Präambel mit Erwägungsgründen (1.) sowie sieben Grundsätze betreffend den Ausfuhrverantwortlichen und die behördliche Verhaltenslenkung (2.). 1. Präambel Die Präambel verdeutlicht die Erwägungsgründe für den Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze.58 Sie enthält demgemäß selbst noch keine Verhaltensanordnungen. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze wurden in dem Bestreben erlassen − „unzuverlässige Personen und Unternehmen vom Umgang mit Kriegswaffen und der Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter (Waren im Sinne des § 4 53  Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 212; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 1. 54  BVerfG NJW 1989, S. 666 (667); Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  485 f. 55  Siehe Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 212; eingehend ferner Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S.  101 ff. 56  Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 3; Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht AT, § 27 Rn. 6; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  485 f. 57  BVerwG NVwZ 1999, S. 1114 (1115); dazu Gärditz, in: Steinbach, Verwaltungsrechtsprechung, S. 641 (642 ff.). 58  Siehe auch Claßen, Kontrollverfahren, S. 197.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Abs. 2 Nr. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes [a. F., § 2 Abs. 13 Satz 1 AWG n. F.] einschließlich Datenverarbeitungsprogramme (Software) und Technologie) fern zu halten, – zu vermeiden, dass durch illegale Ausfuhren in diesem Bereich − die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt, − das friedliche Zusammenleben der Völker gestört oder − die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland belastet werden, − die sich in den ‚Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern‘ vom 19. Januar 2000 (BAnz S. 1299) widerspiegelnde restriktive Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung und die entsprechende Genehmigungspraxis in diesem sensitiven Bereich zu verdeutlichen, − eine wirksame Kontrolle der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck aus der Gemeinschaft sicherzustellen“.59 Der erste Spiegelstrich verdeutlicht den Anknüpfungspunkt der Zuverlässigkeitsgrundsätze, nämlich die Zuverlässigkeit von Exporteuren, wie sie in §§ 8 Abs. 2 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-UseVO zur Antragsvoraussetzung gemacht wird. Der zweite Spiegelstrich fasst die Kernrechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts zusammen, wie sie nahezu wortlautgetreu in § 4 Abs. 1 AWG aufgeführt werden. Im dritten Spiegelstrich wird darauf hingewiesen, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze Bestandteil jener zurückhaltenden Rüstungspolitik und Genehmigungspraxis sind, die sich die Bundesregierung selbst und den nachgeordneten Ausfuhrbehörden kurz zuvor durch die genannten „Politischen Grundsätze“ auferlegt hat.60 Der vierte Spiegelstrich darf vor dem Hintergrund der kurz vor Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze in Kraft getretenen Dual-Use-VO als Hinweis auf die Harmonisierungsbestrebungen der Bundesregierung gewertet werden. Nicht ausdrücklich genannt, aber sich vor dem eingangs geschilderten historischen Hintergrund aufdrängend, steht der Zweck, der staatlichen Exportkontrolle eine professionelle unternehmensinterne Kontrolle beizustellen sowie die Ausfuhrverantwortlichkeit bei einem Mitglied der Geschäftsleitung zu konzentrieren.61 Insoweit geben die Materialien des BMWi Aufschluss, das innerhalb der Bundesregierung für die Erarbeitung der Zuverlässigkeitsgrundsätze vom 29.11.1990 zuständig war. Durch die Zuverlässigkeitsgrund59  Siehe

auch Anlage I. den Politischen Grundsätzen noch eingehend S. 374 ff. 61  So ebenfalls Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 750; vgl. auch BAFA, AW-Prax 2004, S. 387. 60  Zu



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze37

sätze sollte verhindert werden, dass „durch vorsätzliche oder nachlässige Handlungen von nachgeordneten, in den Unternehmen nicht ausreichend überwachten Mitarbeitern die außenwirtschafts- oder kriegswaffenkontrollrechtlichen Verpflichtungen verletzt werden“62. Als ungeschriebener Erwägungsgrund tritt damit, wie bereits einleitend herausgestellt63, die Beteiligung der Geschäftsleitung privater Unternehmen an der Exportkontrolle im Sinne einer staatlich-privaten Kooperation hinzu.64 2. Zuverlässigkeitsgrundsätze Im Anschluss an die Präambel normiert die Bundesregierung sieben Prinzipien für die Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren im Rahmen von Genehmigungsentscheidungen nach §§ 8 Abs. 2 AWG, 6  Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO. a) Anwendungsbereich (Nr. 1) Durch Nr. 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze wird der Anwendungsbereich der Zuverlässigkeitsgrundsätze festgelegt. Unter Berücksichtigung der jüngsten Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015 gelten die Zuverlässigkeitsgrundsätze für Genehmigungsanträge auf Ausfuhr und Verbringung aller Güter, die von der sog. Kriegswaffenliste als Anlage zum KWKG, der sog. Ausfuhrliste als Anlage 1 der AWV sowie von Anhang I der Dual-Use-VO65 erfasst werden. Die Kriegswaffenliste enthält als Anlage zum KWKG eine abschließende Auflistung aller Kriegswaffen, deren Herstellung und Beförderung eine Genehmigungspflicht nach §§ 2 ff. KWKG auslöst.66 Insbesondere die Ausfuhr von Kriegswaffen bedarf gemäß §§ 3 Abs. 3 Var. 2, 11 Abs. 1 KWKG der Genehmigung durch die Bundesregierung. In der Kriegswaffenliste werden Atomwaffen, biologische Waffen, chemische Waffen (Teil A) sowie sonstige 62  BMWi, BMWi-Dokumentation Nr. 311, S. 21; dazu Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 1; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 3. 63  Siehe S.  19 ff. 64  Zu den Auswirkungen auf den Schutzzweck der Zuverlässigkeitsgrundsätze S.  368 ff. 65  Ausgenommen sind allerdings Ausfuhren von Dual-Use-Gütern nach Anhang I in die Länder des Anhangs II a Teil 2 der Dual-Use-VO, zu denen Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, einschließlich Liechtenstein, und die USA zählen, siehe Nr. 1 Satz 3 1. SpStr. der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015, siehe Anhang II; dazu Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 28. 66  Dazu Simonsen, Außenwirtschaftsrecht, S. 34.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Kriegswaffen (Teil B) aufgeführt, zu denen beispielsweise Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe, Kampfpanzer oder Flammenwerfer gehören. Die Ausfuhrliste katalogisiert als Anlage 1 der AWV Güter, d. h. Waren, Software und Technologie (§ 2 Abs. 13 Satz 1 AWG), auf die sich die Ausfuhrgenehmigungspflicht § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV bezieht.67 Gelistet sind dort einerseits Güter, die einen eindeutigen Rüstungsbezug aufweisen (Teil I Abschnitt A), sowie andererseits national erfasste sog. Dual-Use-Güter, also Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Teil I Abschnitt B). Während etwa Handfeuerwaffen, Munition und Bomben (Teil I Abschnitt A Position 0001– 0004) aufgrund ihrer besonderen Konstruktion offensichtlich militärisch genutzt werden können, werden insbesondere auch Güter wie z. B. bestimmte Lastkraftwagen, Hubschrauber oder radargestützte Navigationssysteme (Teil I Abschnitt B Position 6A908, 9A992, 9A993) gelistet. Letztgenannte lassen sich nicht nur zivil, sondern auch militärisch einsetzten, was sie zu sensiblen Gütern von Rüstungsrelevanz macht. In Anhang I der Dual-Use-VO werden die von den Mitgliedstaaten der EU vereinbarten Dual-Use-Güter aufgelistet. Die Ausfuhr dieser Güter ist gemäß Art. 3 Abs. 1 Dual-Use-VO genehmigungspflichtig. Als Dual-Use-Güter, also Güter mit doppeltem Verwendungszweck, werden gemäß Art. 2 Nr. 1 Hs. 1 Dual-Use-VO allgemein Güter, Datenverarbeitungsprogramme und Technologie bezeichnet, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können.68 Dementsprechend enthält Anhang I der DualUse-VO einen detaillierten Katalog mit Waren und Software, die entweder bereits aufgrund ihrer objektiven Eignung oder zumindest aufgrund ihrer subjektiven Bestimmung von Rüstungsrelevanz sind.69 Erfasst werden beispielsweise zahlreiche Chemikalien und Werkstoffe, Software, Drohnen, Laser sowie Roboter. Eine wichtige Rolle spielen zudem Waren, die gemäß Art. 2 Nr. 1 Hs. 2 Dual-Use-VO für jedwede Form der Unterstützung bei der 67  Vgl. dazu Wahren, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Teil 4 Einführung Ausfuhrliste, Rn. 3; zur Entwicklung der Ausfuhrliste außerdem Simonsen, Außenwirtschaftsrecht, S.  33 f. 68  Zur Begriffsbestimmung ausführlich Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 2 ff.; Tervooren/Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn.  7 ff.; Rekkenbeil, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 2 ff.; Egger, „Dual-use“-Waren, S. 65 ff.; siehe ferner die Begriffsbestimmung in Art. 2 Dual-Use-VO n. F., wie sie der Entwurf für eine Neufassung der Dual-Use-VO, COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD), vorsieht, siehe dazu Teil 4, Fn. 642. 69  Zu den objektiven sowie subjektiven Bestimmungsansätzen Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn.  5 m. w. Nachw.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze39

Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern verwendet werden können. Dazu zählen beispielsweise Metallbehälter für Kernreaktoren (Position 0A001b), Gaszentrifugen für spaltbares Material (Position 0B001a) oder natürliches Uran (Position 0C001). Die Ausfuhr und Verbringung von Gütern, die in keiner dieser drei Listen aufgeführt werden, ist nicht per se genehmigungsfrei. Vielmehr kann auch für nicht gelistete Güter eine Genehmigungspflicht entstehen, etwa weil der Ausführer vom BAFA über einen sensiblen Endverwendungszweck des ausländischen Empfängers im Sinne von § 9 Abs. 1 AWV, Art. 4 Abs. 1–3 DualUse-VO unterrichtet wurde oder weil ihm ein solch sensibler Endverwendungszweck im Sinne von § 9 Abs. 2 AWV, Art. 4 Abs. 4 Dual-Use-VO bereits selbst bekannt ist. Allerdings muss in diesen Fällen – im Umkehrschluss aus Nr. 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze – kein Ausfuhrverantwortlicher bestellt bzw. benannt werden. Genehmigungsanträge können dann vielmehr durch ein beliebiges berechtigtes Unternehmensmitglied gestellt werden, das insbesondere nicht dem Kreis der Geschäftsleitungsmitglieder angehören muss. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze gelten außerdem nicht für Verbringungen von gelisteten Dual-Use-Gütern innerhalb der EU, sondern nur für deren Ausfuhr in Drittstaaten.70 b) Ausfuhrverantwortlicher (Nr. 2) In Nr. 2 konkretisieren die Zuverlässigkeitsgrundsätze das Instrument des Ausfuhrverantwortlichen und geben dessen Aufgaben und Pflichten vor.71 Unterschieden wird zwischen der Pflicht des Antragsstellers (im Regelfall: das Exportunternehmen), überhaupt einen Ausfuhrverantwortlichen zu benennen, und den Aufgaben und Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen selbst. Um von den Ausfuhrbehörden als „zuverlässig“ im Sinne der oben angegebenen Genehmigungsvorschriften angesehen zu werden, muss der Antragsteller, der gelistete Güter innerhalb des Anwendungsbereichs von Nr. 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze ausführen bzw. verbringen will, gemäß Nr. 2 Satz 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze gegenüber der zuständigen Ausfuhrbehörde einen Ausfuhrverantwortlichen benennen. Der Ausfuhrverantwortliche muss stets ein verantwortliches Mitglied der vertretungsberechtigten Geschäftsleitung sein. Je nach Rechtsform des Antragstellers kommt für eine AG mithin ein Vorstand, für eine GmbH ein Geschäftsführer sowie für eine 70  Nr. 1 Satz 4 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015, siehe Anhang II; siehe noch eingehend zur Differenzierung zwischen Ausfuhr und Verbringung S. 113 ff. 71  Claßen, Kontrollverfahren, S. 197.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Personengesellschaft ein vertretungsberechtigter Gesellschafter in Betracht.72 In Konzernen muss insbesondere jede eigenständige juristische Person über einen Ausfuhrverantwortlichen verfügen.73 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze nehmen damit größere Unternehmen74 mit Leitungsgremien in den Blick. Dennoch betreffen sie auch Einzelkaufleute, die sich als „geborene Ausfuhr­ verantwortliche“75 selbst benennen können. Die Benennung gegenüber der zuständigen Ausfuhrbehörde erfolgt im Fall der Genehmigungspflicht nach dem KWKG durch formloses Schreiben76 an die Bundesregierung, im Fall der Genehmigungspflicht nach dem AWG, der AWV oder der Dual-Use-VO durch die Verwendung des Musterformulars „Anlage AV 1“77 über die Benennung des Ausfuhrverantwortlichen beim BAFA. Sie kann unabhängig vom konkreten Ausfuhr- bzw. Verbringungsantrag erklärt werden und bleibt bis zu ihrem schriftlichen Widerruf gegenüber den Ausfuhrbehörden gültig.78 Der Ausfuhrverantwortliche hat nach Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze zwei wesentliche Funktionen: Erstens zeichnet er die Genehmigungsanträge im Regelfall selbst. Dies gilt insbesondere für Genehmigungsanträge nach dem KWKG, bei denen sich der Ausfuhrverantwortliche nur ausnahmsweise (z. B. bei Urlaub oder Krankheit79) unter Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Verantwortungsübernahme für den konkreten Antrag vertreten lassen darf.80 Weniger streng gestalten sich die Antragsmodalitäten nach dem AWG bzw. der AWV sowie der Dual-Use-VO. Hier kann sich der Ausfuhrverantwortliche regelmäßig bei der Antragszeichnung vertreten lassen, indem er einmal jährlich eine für sämtliche Genehmigungsanträge gültige Verant72  Nr. 1 Satz 2 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015, dazu schon Pottmeyer/Sinnwell, DWiR 1991, S. 133 (134 f.). 73  Dazu BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 323 f.; siehe auch Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 35; Kreuder, CCZ 2008, S. 166 (167). 74  Siehe zur Abgrenzung von kleinen und mittleren Unternehmen Teil 3, Fn. 42. 75  Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 242; ders./Sinnwell, DWiR 1991, S. 133 (135). 76  Siehe §§ 11 KWKG, 6 Abs. 1 2. KWKV; dazu Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 241; ders., Der Ausfuhrverantwortliche, S. 75; Hinder, Der Ausfuhrverantwort­ liche, S. 48; Vorpeil, IWB 2012, S. 582 (583); siehe auch Sinnwell, in: Bebermeyer, Deutsche Ausfuhrkontrolle, S. 123; Pottmeyer/Sinnwell, DWiR 1991, S. 133 (136). 77  Abrufbar unter: http://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/ Antragsstellung/Ausfuhrverantwortlicher/ausfuhrverantwortlicher_node.html („Formulare“). 78  Nr. 2 Satz 3, 5 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 79  Siehe das Merkblatt des BMWi vom 17.12.1990 (IV C 6 – 10 17 02); dazu Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 82 f., 85 ff.; ders./Sinnwell, DWiR 1991, S. 133 (136). 80  Nr. 2 Satz 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze41

wortungsübernahme für die Richtigkeit aller von Dritten in seinem Namen für das Unternehmen gemachten Angaben erklärt, solange im konkreten Antrag auf die Verantwortungsübernahme Bezug genommen wird.81 Zur förm­ lichen Erklärung der Verantwortungsübernahme muss der Ausfuhrverantwortliche das entsprechende Musterformular „Anlage AV 2“82 des BAFA unterzeichnen. Neben der Rolle als Unterzeichner von Genehmigungsanträgen stellen die Zuverlässigkeitsgrundsätze den Ausfuhrverantwortlichen zweitens auf den Posten des „obersten Exportkontrolleurs“83 im Unternehmen. Gemäß Nr. 2 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze obliegen dem Ausfuhrverantwortlichen die Organisationspflicht, die Personalauswahl und -weiterbildungspflicht sowie die Überwachungspflicht.84 Damit werden die vier Grundpflichten85 des Ausfuhrverantwortlichen zwar benannt, jedoch nicht näher erläutert. Durch die Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07. 2015 wurde unterdessen erstmals ausgeführt, dass sich die Organisation und die Überwachung auf das „innerbetriebliche Exportkontrollsystem“ beziehen.86 Die sachlichen und personellen Anforderungen an das innerbetrieb­ liche Exportkontrollsystem werden durch das vom BAFA herausgegebene ICP-Merkblatt weiter spezifiziert, auf welches noch gesondert einzugehen ist.87

81  Nr. 2 Satz 4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze; siehe auch Nr. 2 Satz 6 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015; zum Ganzen BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 326 f., 354 f.; Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  83 ff. 82  Abrufbar unter: http://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/ Antragsstellung/Ausfuhrverantwortlicher/ausfuhrverantwortlicher_node.html („Formulare“). 83  Schwab, Der Zoll-Profi! 3/2016, S. 9 f. 84  Dazu auch Nr. 2 Satz 1 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. In den ursprünglichen Zuverlässigkeitsgrundsätzen aus dem Jahr 1990 (Nachweis in Teil 1, Fn. 5) wurden diese Pflichten noch nicht explizit bezeichnet. Allerdings war ein entsprechendes Pflichtenprogramm schon vor der Neuauflage der Zuverlässigkeitsgrundsätze im Jahr 2001 durch die „Empfehlungen für die betriebliche Behandlung genehmigungspflichtiger Exporte“ (Teil 2, Fn. 46) anerkannt und wurde durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze von 2001 lediglich bestätigt, jüngst erneut durch die Bekanntmachung des BAFA zu den Grundsätzen vom 27.07.2015, Nr. 2 S. 1; zum Ganzen Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 89 ff. 85  So die Bezeichnung bei Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (404). 86  Nr. 2 Satz 1 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 87  Siehe S.  268 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

c) Aussetzung des Genehmigungsverfahrens (Nr. 3) Während Nr. 1, 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze dem Institut des Ausfuhrverantwortlichen inhaltlich zumindest eine gewisse Kontur verleihen, bestimmen Nr. 3–7 der Zuverlässigkeitsgrundsätze den außenwirtschaftsrechtlichen Zuverlässigkeitsbegriff sowie die konkreten Sanktionen als Rechtsfolgen für den Fall der Unzuverlässigkeit. Gemäß Nr. 3 Satz 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze ist grundsätzlich von der Entscheidung über den Genehmigungsantrag abzusehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafürsprechen, dass Verstöße des Ausfuhrverantwortlichen gegen das AWG bzw. die AWV, das KWKG, die Dual-Use-VO oder gegen sonstige einschlägige Normen, wie z. B. solche des Gewerbe-, Waffen- oder Strafrechts vorliegen.88 Beim Begriff „tatsächliche Anhaltspunkte“ hat sich die Bundesregierung des strafprozessualen Begriffs des Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO bedient.89 Von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten ist für das Ermittlungsverfahren des Strafprozesses auszugehen, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat gegeben ist.90 Bringt man dies in den außenwirtschaftsrechtlichen Zusammenhang der Zuverlässigkeitsgrundsätze, liegen tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von Nr. 3 Satz 1 vor, wenn nach ausfuhrbehördlicher Einschätzung die Möglichkeit besteht, dass gegen die genannten exportrelevanten Vorschriften verstoßen wurde.91 Dadurch liefert die Bundesregierung als Urheberin der Zuverlässigkeitsgrundsätze nichts anderes, als eine negativ formulierte Definition des Zuverlässigkeitsbegriffs in §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG. Wer gegen das Außenwirtschaftsrecht oder gleichfalls einschlägige Vorschriften verstößt, erfüllt nicht 88  Dazu Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 3; zur Verfassungsmäßigkeit Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 174 ff. 89  Eingehend Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 19, 184 ff., der aus verfassungsrechtlicher Perspektive insbesondere die Unvereinbarkeit der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO mit der von den Behörden anzustellenden Tatsachenprognose gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG als ungesetzliche Vorverlagerung kritisiert; ähnlich Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 19; Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  215 ff.; a. A. Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 6 KWKG Rn. 21 ff.; Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (405 ff.); Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (49 f.). 90  BVerfG NStZ 1982, S. 430; BGH NJW 1989, S. 96 (97); Diemer, in: KKStPO, § 152 Rn. 7; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 152 Rn. 4; Peters, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 152 Rn. 35; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 311. 91  BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 329 ff.; ähnlich Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 4, 19; Sinnwell, in: Bebermeyer, Deutsche Ausfuhrkontrolle, S. 124.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze43

die sachlichen bzw. persönlichen Voraussetzungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 AWG, von denen die Genehmigungserteilung abhängt. Er wird als unzuverlässig angesehen.92 Im Umkehrschluss ist zuverlässig, wer in der Lage ist, die exportrelevanten Vorschriften einzuhalten. Als Rechtsfolge für den Verdacht der Unzuverlässigkeit sieht Nr. 3 Satz 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze das vorläufige Absehen von der Genehmigungsentscheidung bis zur Sachverhaltsaufklärung vor. Dies bedeutet, dass solange keine Genehmigung erteilt bzw. versagt werden darf, bis die (Un-) Zuverlässigkeit des Antragstellers bzw. dessen Ausfuhrverantwortlichen ermittelt ist. Das Genehmigungsverfahren wird in dieser Zeit ausgesetzt.93 Zur Ermittlung des Sachverhalts greift das BAFA auf eine Zuverlässigkeitsprüfung zurück, die die Arbeitsabläufe sowie insbesondere das innerbetriebliche Exportkontrollsystem des Antragstellers auf den Prüfstand stellt.94 Insoweit fungieren die Zuverlässigkeitsgrundsätze mithin als Entscheidungsdirektive für die Ausfuhrbehörden („ist […] abzusehen, bis“). Die Pflicht zur Verfahrensaussetzung besteht gemäß Nr. 3 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze jedoch nur dann, wenn es sich nicht lediglich um einen Bagatellverstoß handelt.95 Die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens darf bei der Entscheidung über das Absehen gemäß Nr. 3 Satz 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze indessen keine Rolle spielen. d) Ablehnung von Anträgen (Nr. 4) In Nr. 4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze wird an Nr. 3 angeknüpft, aber hinsichtlich der Anträge nach dem KWKG einerseits und den Anträgen nach dem AWG bzw. der AWV und der Dual-Use-VO andererseits differenziert. Ergibt die Sachverhaltsermittlung im Sinne von Nr. 3 bei einem Antrag nach dem KWKG, dass die gegen den Ausfuhrverantwortlichen erhobenen Vorwürfe tatsächlich Grund zur Annahme der Unzuverlässigkeit bieten, so ist der Antrag gemäß Nr. 4 Satz 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze wegen mangelnder Zuverlässigkeit des Antragstellers durch die Bundesregierung zwingend abzulehnen. Ein Entscheidungsspielraum wird in einem solchen Fall hingegen dem BAFA bei Anträgen nach dem AWG bzw. der AWV sowie der 92  Siehe

insbesondere noch Nr. 4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze; dazu sogleich. Verfassungsmäßigkeit einer solchen Verfahrensaussetzung ohne formellgesetzlichen Anknüpfungspunkt Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 215 ff.; siehe zudem noch S. 393 ff. 94  Dazu von Seiten des BAFA Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (405 ff.); Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (49). 95  Siehe auch Nr. 3 Satz 4 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 93  Zur

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Dual-Use-VO eingeräumt. Besteht tatsächlich Grund zur Annahme der Unzuverlässigkeit, soll die Genehmigung bzw. der Nullbescheid zwar grundsätzlich versagt werden; bei der Entscheidung sind gemäß Nr. 4 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze allerdings die Schwere des Verstoßes und die daraus zu ziehenden Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit bei künftigen Ausfuhren sowie Art und Menge der auszuführenden Güter und die Verhältnisse des Ausführers im Einzelfall zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Begriffs des „tatsächlichen Grundes“ besteht, anders als bei den „tatsächlichen Anhaltspunkten“ in Nr. 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze, keine allgemeingültige Definition, sodass er vollständig der Interpretation durch Behörden und Gerichte zugänglich ist.96 Wie schon Nr. 3 dient damit auch Nr. 4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze originär der behördlichen Entscheidungsfindung. Beide Vorschriften wirken sich allerdings faktisch auch auf den Antragsteller bzw. den Ausfuhrverantwortlichen aus. Da nur ein zuverlässiger Antragsteller in den Genuss von Ausfuhrgenehmigungen kommen soll, wird dessen Geschäftsleitung regelmäßig einen Ausfuhrverantwortlichen benennen, der seinerseits den Prüfkriterien der Zuverlässigkeitsgrundsätze zu entsprechen gedenkt.97 Der Regelungsadressat der Zuverlässigkeitsgrundsätze steht damit nicht eindeutig fest, was nachfolgend noch einer eingehenderen Betrachtung bedarf.98 e) Absehen von Maßnahmen nach Nr. 3, 4 (Nr. 5) Von den behördlichen Sanktionen nach Nr. 3, 4 kann trotz festgestellter Unzuverlässigkeit gemäß Nr. 5 Satz 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze abgesehen werden, wenn das betroffene Unternehmen Schritte ergreift, durch welche die zukünftige Einhaltung der ausfuhrrechtlichen Bestimmungen sichergestellt erscheint. Nr. 5 enthält damit eine Rückausnahme für Aussetzung und Ablehnung, die auf den „rechten Weg“ zurückgekehrten Unternehmen den Erhalt von wirtschaftlich bedeutsamen Ausfuhrgenehmigungen ermöglicht. Welche Maßnahmen genau ergriffen werden müssen, lassen die Zuverlässigkeitsgrundsätze allerdings, wie schon im Rahmen der vier Grundpflich96  Siehe auch Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 190 ff., der kritisiert, dass der Terminus „tatsächlich Grund zur Annahme“, wie schon die „tatsächlichen Anhaltspunkte“ (Teil 2, Fn. 89) mit der behördlichen Zuverlässigkeitsprognose gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG nicht vereinbar ist; a. A. Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 21; Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 215, die von der Vereinbarkeit von Nr. 4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze mit den genannten gesetzlichen Vorschriften ausgehen. 97  Vgl. Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 28  f.; Gündel/Feiler, CB 2013, S. 236 (238). 98  Siehe insbesondere S. 82 ff.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze45

ten nach Nr. 2, offen. Nr. 5 Satz 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze stellt allerdings zumindest einerseits klar, dass die bloße Umverteilung von Zuständigkeiten des Ausfuhrverantwortlichen in der Geschäftsleitung in Anbetracht der Gesamtverantwortlichkeit der geschäftsführenden Organe für grundsätzliche Fragen der Unternehmenspolitik in der Regel nicht genügt, Zweifel an der Zuverlässigkeit auszuräumen.99 Andererseits soll gemäß Nr. 5 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze der Austausch des Ausfuhrverantwortlichen nur dann ausreichen, wenn gegen die neuverantwortliche Person keine Zuverlässigkeitsbedenken bestehen und durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass der ehemalige Ausfuhrverantwortliche keinerlei Verbindung mehr zu genehmigungspflichtigen Ausfuhren im Sinne der Nr. 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze hat. Da es in zahlreichen Unternehmen organisatorisch jedoch häufig kaum möglich sein wird, den ausgetauschten ehemaligen Ausfuhrverantwortlichen von jeglichen exportrelevanten Aktivitäten fernzuhalten100, wird Letztgenannter regelmäßig die Geschäftsleitung, wenn nicht sogar das Unternehmen, verlassen müssen.101 f) Widerruf von Genehmigungen (Nr. 6) Eine demgegenüber kaum kontrovers diskutierte Sanktion findet sich in Nr. 6 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Die Vorschrift regelt den Widerruf bereits erteilter Genehmigungen. Der Widerruf erfolgt für Genehmigungen nach dem KWKG über die Spezialvorschrift in § 7 KWKG. Genehmigungen und Nullbescheide nach dem AWG bzw. der AWV und der Dual-Use-VO werden nach den allgemeinen Vorschriften in § 48 VwVfG zurückgenommen oder gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG widerrufen. Der Vorschrift ist aufgrund des Verweises auf die genannten Vorschriften eine lediglich deklaratorische Bedeutung beizumessen. g) Versehen mit Nebenbestimmungen (Nr. 7) Nach Nr. 7 der Zuverlässigkeitsgrundsätze sollen schließlich Genehmigungen mit Nebenbestimmungen im Sinne des § 30 AWG a. F. (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AWG n. F.) versehen werden, wenn der Antragsteller im Rahmen eines Antrags auf Genehmigungserteilung für die Ausfuhr von nichtgelisteten – 99  Zur

Gesamtverantwortlichkeit der Geschäftsleitung noch S. 237 ff. dazu das Beispiel bei Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 193 zur Überschneidung von Ausfuhr- und Finanzbereich. 101  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 4; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 193; vgl. auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwort­ liche, S.  212 ff. 100  Siehe

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Teil 2: Rechtliches Fundament

und damit von den Zuverlässigkeitsgrundsätzen eigentlich nicht erfassten – Gütern gegen exportrelevante Vorschriften verstoßen oder die Gefahr für weitere Verstöße besteht. Durch die Nebenbestimmungen soll der Nachweis über den Endverbleib und die Endnutzung der nichtgelisteten Güter sichergestellt werden. Im Übrigen wird deklaratorisch auf § 8 Abs. 2 Satz 1 AWG und die damit verbundene Möglichkeit, die Genehmigungserteilung von sachlichen und persönlichen Voraussetzungen abhängig zu machen, verwiesen. 3. Analyse und Bewertung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich die Zuverlässigkeitsgrundsätze zuvorderst an die Ausfuhrbehörden richten. Sie enthalten eine Anleitung für Behörden, unter welchen Voraussetzungen das Genehmigungsverfahren auszusetzen sowie Genehmigungen zu versagen, zu widerrufen oder mit Nebenbestimmungen zu versehen sind. Insbesondere das Absehen von der Verfahrensaussetzung oder der Genehmigungsverweigerung des Ausfuhrverantwortlichen gemäß Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze enthält zwar originär eine Handlungsanleitung für die Ausfuhrbehörden, übt jedoch mittelbar einen erheblichen Druck auf Exportunternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortliche aus. In gravierenden Fällen bedeutet die Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen ein faktisches Berufsverbot, weshalb hinsichtlich Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze im Schrifttum mit Blick auf die subjektive Berufswahlfreiheit erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert werden.102 Gleichzeitig stellen die Zuverlässigkeitsgrundsätze den Ausfuhrverantwortlichen als Rechtsinstitut der Exportkontrolle vor. Sie setzen diesbezüglich personelle Anforderung fest, beschreiben – zumindest in Grundzügen – den Aufgaben- und Pflichtenkreis und liefern darüber hinaus eine Definition für die außenwirtschaftsrechtliche Zuverlässigkeit im Sinne der §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO. Da Exportunternehmen hinsichtlich des Erhalts von Ausfuhrgenehmigungen rein faktisch nichts anderes übrig bleibt, als sich an den Anforderungen der 102  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 23 f.; ders. Angemessene Außenhandelsfreiheit, S.  345 ff.; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  193 ff.; Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 215, der den faktischen Druck der Behörden zum Austausch des Ausfuhrverantwortlichen allerdings als milderes Mittel im Verhältnis zur endgültigen Genehmigungsverweigerung rechtfertigt; befürwortend zudem Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 6 KWKG Rn. 21 ff.; Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (409 ff.); siehe auch Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (50); zum Ganzen außerdem noch S.  393 ff.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze47

Zuverlässigkeitsgrundsätze zu orientieren, sind die Ausfuhrbehörden offensichtlich nicht der einzige Regelungsadressat. Vielmehr scheinen sich die Zuverlässigkeitsgrundsätze auch an Exportunternehmen zu richten. So bemerkte bereits die Vorgängerbehörde des BAFA, das Bundesamt für Wirtschaft (BAW), zu den ersten Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 29.11.1990, dass diese Regeln für das Genehmigungsverfahren bei der Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter darstellen, „die sowohl von den Genehmigungsbehörden als auch von den antragstellenden Exporteuren zu beachten sind“103. Diese Feststellung wirft die Frage auf, ob die Zuverlässigkeitsgrundsätze über ihre faktische Wirkungsweise hinaus auch in der Lage sind, Rechte und Pflichten für außerhalb der Verwaltung stehende Unternehmen bzw. deren real handelnde Verantwortliche zu begründen. Dem soll im Folgenden nachgegangen werden.

II. Rechtliche Verbindlichkeit Aus einer rechtsverbindlichen Pflichtenstellung lassen sich möglicherweise Rückschlüsse auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen ziehen.104 Die rechtliche Verbindlichkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze richtet sich dabei nach deren Rechtsnatur. Wie eingangs aufgeworfen, werden die Zuverlässigkeitsgrundsätze ganz überwiegend als behördeninterne Verwaltungsvorschriften eingeordnet, was allerdings erhebliche Zweifel an ihrer rechtlichen Außenwirkung aufkommen lässt (1.). Rechtliche Außenwirkung hätten die Zuverlässigkeitsgrundsätze dagegen, wenn man sie mit einer Mindermeinung im außenwirtschaftsrechtlichen Schrifttum als Rechtsverordnung – und damit als Gesetz im materiellen Sinn – begriffe (2.). Beide Ansätze werden im Folgenden dargestellt und mit den Merkmalen der Zuverlässigkeitsgrundsätze abgeglichen. 1. Zuverlässigkeitsgrundsätze als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Zwischen Bundesregierung, BAFA und Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit, dass es sich bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen um allgemeine Verwaltungsvorschriften handelt.105 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze richten 103  Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 30.01.1991, I. Nr. 1 Abs. 2 (Nachweis in Teil 1, Fn. 5). 104  Die Pflichtenstellung des Täters wirkt sich insbesondere im Bereich der Sonder-, der Unterlassungs- sowie der Fahrlässigkeitsdelikte aus; dazu S.  144  ff., 229 ff., 304 ff. 105  Siehe dazu die Nachweise in Teil 2, Fn. 138, 140, 271.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

sich hiernach ausschließlich an die Ausfuhrbehörden. Sie sind als originäres Verwaltungsinnenrecht grundsätzlich nicht in der Lage, unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Verwaltungsexternen zu zeitigen.106 Verwaltungsvorschriften erlangen für den Bürger indessen dadurch Bedeutung, dass eine Behörde sie im Rahmen ihrer Aufgabenbewältigung befolgt und dem Bürger gegenüber anwendet.107 Dies wird als mittelbare oder faktische Außenwirkung bezeichnet.108 Dies soll nochmals durch die hier gegenständlichen Zuverlässigkeitsgrundsätze veranschaulicht werden. Die Zuverlässigkeit des Antragstellers gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO stellt als Genehmigungsvoraussetzung einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der durch die Ausfuhrbehörde im Rahmen des jeweiligen Antrags ausgelegt und konkret für den Antragsteller beurteilt werden muss.109 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze weisen die Ausfuhrbehörde unmittelbar rechtsverbindlich an, Genehmigungen nur an zuverlässige Antragsteller zu erteilen.110 Hier setzt die faktische Außenwirkung ein. Denn der Antragsteller wird sein Verhalten entsprechend den Zuverlässigkeitsanforderungen der Ausfuhrbehörde ausrichten müssen, um in den Genuss von rechtlich sowie wirtschaftlich bedeutsamen Ausfuhrgenehmigungen zu kommen.111 Ob aus der faktischen auch eine rechtliche Außenwirkung resultiert, beschäftigt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung im Grunde seit der Einführung des Grundgesetzes.112 Gemeint ist eine normartige Verbindlichkeit für den Richter, der gemäß Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen ist. Als originäres Verwaltungsinnenrecht stellen Verwaltungsvorschriften allerdings grundsätzlich gerade keine Gesetze im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG dar.113 Dies bedeutet indessen nicht, dass ihre faktische Außenwirkung nicht zu einem Rechtsproblem werden kann. Ist etwa ein 106  Eingehend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  486 ff.; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S.  191 ff. 107  Siehe statt vieler Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht AT, § 27 Rn. 6 f.; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 26. 108  So etwa Selmer, VerwArch 59 (1968), S. 114 (116 ff.); in Bezug auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze deutlicher noch Kreuder, CCZ 2008, S. 166 f. („faktischer Befolgungszwang“); ähnlich Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 59; Vorpeil, IWB 2012, S. 582. 109  Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 89; vgl. auch Schwab, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWV Rn. 7. 110  Nr. 3–7 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. 111  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 28 f.; Gündel/Feiler, CB 2013, S. 236 (238). 112  Dazu eingehend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  153 ff. 113  Gemeint ist demgegenüber Verfassungsrecht, (formelle) Parlamentsgesetze, (materielle) Rechtsverordnungen, autonome Satzungen sowie zum Teil Gewohnheits-



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze49

Antragsteller im Genehmigungsverfahren der Ansicht, dass sein Antrag trotz Erfüllung der Anforderungen rechtswidrig abgelehnt worden ist, müsste er sich vor dem zuständigen Verwaltungsgericht gewissermaßen auf das Innenrecht der Verwaltungsvorschrift berufen können.114 Nur in diesem Fall würde das Verwaltungsgericht den internen Regelungsgehalt der Verwaltungsvorschriften zum Maßstab der gerichtlichen Überprüfung machen. Die faktische Außenwirkung erlangt dadurch eine rechtliche Dimension.115 Aus diesem Grund wird eine über die faktische Außenwirkung hinausgehende rechtliche Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften überwiegend angenommen.116 Differenziert wird allerdings, je nach Wirkungsweise der Verwaltungsvorschrift, zwischen einer nur mittelbar rechtlichen und einer sogar unmittelbar rechtlichen Außenwirkung.117 Den sog. ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften wird eine zumindest mittelbar rechtliche Außenwirkung zuerkannt.118 Sie legen fest, in welcher Weise die Verwaltung von dem ihr gesetzlich eingeräumten Ermessen Gebrauch machen soll.119 Über ihre ständige Anwendung durch die Behörden begründen ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften eine gleichmäßige Verwaltungspraxis, durch die sich die Verwaltung derart selbst bindet, dass sie gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund abweichend behandeln darf (sog. Selbstbindung der Verwaltung).120 Die rechtliche Außenwirkung wird dabei über den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) konstruiert.121 Der Bürger kann sich vor dem Verwaltungsgericht recht; dazu BVerfG NJW 1989, S. 666 (667); Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 35. 114  Vgl. das Beispiel bei Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 26 in Bezug auf die behördliche Subventionsbewilligung. 115  Vgl. Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 26. 116  Siehe nur die Leitentscheidung BVerwG NVwZ 1986, S. 208 (213) (WyhlEntscheidung); dazu Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 26. 117  Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 215; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S.  274 ff.; Reimer, JURA 2014, S. 678 ff. 118  BVerfG NVwZ 1998, S. 273 (274); NVwZ 2005, S. 602 (604); OVG Münster BeckRS 2017, 112144; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 215. 119  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 9; Maurer/ Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 13. 120  BVerwG NJW 1957, S. 1412; Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, Bd. II, § 34 Rn. 42; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, § 114 Rn. 22; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 31; Voßkuhle/ Kaufhold, JuS 2016, S. 314 (315); dazu ausführlich Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 27. 121  BVerwG NJW 1959, 306 (309); NJW 1970, S. 675; NJW 1981, S. 535 (536); NVwZ 1998, S. 273 (274); Möstl, in: Ehlers/Pünder, Verwaltungsrecht AT, § 20 Rn. 21; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 215; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 27; Gärditz, in: Steinbach, Verwaltungsrechtsprechung, S. 641; so auch Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 10;

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Teil 2: Rechtliches Fundament

daher auf einen Anspruch gegenüber der Behörde auf Gleichberechtigung bzw. das Nicht-Abweichen ohne sachlichen Grund berufen, nicht aber auf den Inhalt der Verwaltungsvorschrift selbst.122 Einem anderen Typus von Verwaltungsvorschriften wird demgegenüber sogar eine unmittelbar rechtliche Außenwirkung im Sinne einer Bindungswirkung für Verwaltungsgerichte zuerkannt.123 Angesprochen sind die sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften. Sie finden sich vorwiegend auf dem Gebiet des Umwelt- und Technikrechts. So werden insbesondere TA Luft und TA Lärm von der Rechtsprechung seit Langem als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift eingestuft, die den immissionsgenehmigungsrelevanten Begriff „schädliche Umwelteinwirkungen“124 durch die Festlegung von Immissions- bzw. Emissionsgrenzwerten auch für Verwaltungsgerichte rechtsverbindlich präzisieren.125 Normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften kommt ausnahmsweise eine unmittelbar rechtliche, nahezu normgleiche bzw. normersetzende Außenwirkung zu, sodass auch Verwaltungsgerichte grundsätzlich an deren Inhalt gebunden sind.126 Grund für die normkonkretisierende Wirkung von TA Luft und TA Lärm ist, dass die Schlette/Bouchon, in: Fuchs, WpHG, § 35 a. F. Rn. 16; dazu kritisch Kemme, Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 159 f. 122  Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht AT, § 27 Rn. 7; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, S. 314 (315).Voraussetzung ist, dass sich bereits eine entsprechende rechtmäßige Verwaltungspraxis herausgebildet hat; so Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 28, die die mittelbare rechtliche Außenwirkung auch bei sog. antizipierter Verwaltungspraxis für vertretbar halten, weil der „erste Fall“ eines wiederkehrenden Verwaltungshandelns ohnehin zu einem Zeitpunkt vor Gericht geklärt werden dürfte, in dem bereits eine entsprechende Verwaltungspraxis besteht; dazu auch BVerwG VerwRspr 1978, S. 297 (300 ff.). 123  Grundlegend BVerwG NVwZ 1986, S. 208 (213) (Wyhl-Entscheidung); eingehend auch Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 31 ff. 124  Etwa verwendet in §§ 3, 5, 17, 22 BImSchG. 125  BVerwG NVwZ 1988, S. 824 (825); NVwZ 1995, S. 994; NVwZ-RR 1996, S. 498 (499); NVwZ 1999, S. 1114 (1115); NVwZ 2000, S. 440; NVwZ 2001, S.  1165 f. 126  So die ständige Rechtsprechung, siehe BVerwG NVwZ 1986, S. 208 (213) (Wyhl-Entscheidung); NVwZ 1988, S. 824 (825); NVwZ 1995, S. 994 f.; NVwZ 1999, S. 1114 (1115); NVwZ 2000, S. 440; NVwZ 2004, S. 1003 (1004); NVwZ 2008, S. 76; NVwZ 2013, S. 372 (373 ff.); dazu aus dem Schrifttum Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 132; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 215; Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 48 BImSchG Rn.  4 ff.; Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht AT, § 27 Rn. 8; Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Verwaltungsrechts, S. 115 (158); Breuer DVBl 1978, S. 28 (34); Fenner, Rechtsmissbrauch im Umweltstrafrecht, S. 131; Gerhardt, NJW 1989, S. 2233; kritisch Jarass, in: ders., BImSchG, § 48 Rn.  42 ff.; ders., JuS 1999, S. 105 ff.; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 32.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze51

Bundesregierung bei deren Erlass von ihrem sog. Beurteilungsspielraum hinsichtlich umweltrechtlicher Prognoseentscheidungen Gebrauch gemacht hat.127 Der Beurteilungsspielraum geht auf die normative Ermächtigung in § 48 Abs. 1 BImSchG zurück, durch die der Gesetzgeber der Bundesregierung gestattet, allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Festlegung von Emissions- bzw. Immissionshöchstgrenzwerten zu erlassen. Für eine derartige Gefahrenabwehr ist die Bundesregierung als Verwaltungsorgan aufgrund ihrer rechtlichen Handlungsformen sowie ihrer Sachnähe als „informierte Gewalt“ prädestiniert.128 Bei der Gewährleistung eines vergleichbaren „dynamischen Rechtsgüterschutzes“129 stoßen der Gesetzgeber und insbesondere die Rechtsprechung an ihre Funktionsgrenze.130 Der Verwaltung kommt gegenüber den anderen beiden Gewalten insoweit eine Einschätzungsprärogative bzw. Letztentscheidungskompetenz zu.131 Die Grenzwerte in TA Luft bzw. TA Lärm sind deshalb für Verwaltungsgerichte im Grundsatz als sog. antizipierte Sachverständigengutachten132 verbindlich; auf sie gestützte behördliche Entscheidungen dürfen nur hinsichtlich rudimentärster Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen übergeprüft werden, etwa noch daraufhin, dass die Verwaltungsvorschriften zum maßgebenden Zeitpunkt dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse entsprachen, oder dass kein atypischer, d. h. von den Verwaltungsvorschriften nicht erfasster Fall, vorliegt.133 In ih127  Sog. Lehre vom Beurteilungsspielraum nach Bachof, JZ 1955, S. 97 ff. Gemeint ist der Bereich behördeneigener, gerichtlich nicht weiter überprüfbarer Wertung und Entscheidung, den Verwaltungsgerichte zu achten haben; dazu ausführlich Möstl, in: Ehlers/Pünder, Verwaltungsrecht AT, § 19 Rn. 29 ff.; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 7 Rn. 26 ff.; siehe auch Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 303. In diesem Zusammenhang ist zudem verbreitet die Rede vom sog. antizipierten Sachverständigengutachten, dazu noch S. 337 ff. 128  Dazu grundlegend BVerfG NJW 1979, 359 (363) (Kalkar-Entscheidung) sowie BVerwG NVwZ 1986, S. 208 (212); in Bezug auf § 48 BImSchG BVerwG NVwZ 1999, S. 1114 (1115); ausführlich zur Rolle des Beurteilungsspielraums für normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Hill, NVwZ 1989, S. 401 (404); vgl. auch Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 64; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 372, 385 ff.; Möstl, in: Ehlers/Pünder, Verwaltungsrecht AT, § 19 Rn. 29; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 7 Rn. 31 ff.; Lange, in: HofmannRiem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Verwaltungsrechts, S. 307 (323). 129  Begriff von BVerfG NJW 1979, S. 359 (363); ähnlich BVerwG NVwZ 1986, S. 208 (212); NVwZ 1989, S. 864 (865). 130  BVerfG NJW 1991, S. 2005 (2006) m. w. Nachw. 131  BVerwG NVwZ 2014, S. 524 (525); Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 373; Gärditz, in: Steinbach, Verwaltungsrechtsprechung, S. 641 (645); Fenner, Rechtsmissbrauch im Umweltstrafrecht, S. 133 f.; Jacob/Lau, NVwZ 2015, S. 241 ff. 132  Eingehend Breuer DVBl 1978, S. 28 ff. 133  So etwa BVerwG NJW 1978, S. 1450 (1452); ähnlich NVwZ 2001, S. 1165 (1167); dazu umfassend Jarass, in: ders., BImSchG, § 48 Rn. 48 ff.; siehe auch Ger-

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Teil 2: Rechtliches Fundament

rem Regelungsbereich sind sie jedoch von den Verwaltungsgerichten wie Gesetze durch allgemeine Gesetzesauslegung anzuwenden.134 Mit Blick auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen interessiert insbesondere die unmittelbare Außenwirkung der Zuverlässigkeitsgrundsätze, die nur den normkonkretisierenden, nicht aber den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, zuerkannt wird. Insbesondere im umweltstrafrechtlichen Schrifttum wird in diesem Zusammenhang diskutiert, ob die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften der TA Luft und der TA Lärm bei der Auslegung der Umweltdelikte der §§ 325 ff. StGB Berücksichtigung finden müssen und damit den Tatrichter unmittelbar binden.135 Ob die Zuverlässigkeitsgrundsätze eine ähnliche Bedeutung für das Außenwirtschaftsstrafrecht haben, kann nachfolgend nur beantwortet werden, wenn sie sich ebenfalls als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften erweisen. Hinsichtlich der Eignung zur Normkonkretisierung haben sich in Rechtsprechung und Schrifttum Kriterien herausgebildet, an denen sich die Zuverlässigkeitsgrundsätze messen lassen müssen (b)). Dem vorgelagert ist jedoch zu ermitteln, inwieweit die Zuverlässigkeitsgrundsätze hinsichtlich ihrer Wirkungsweise überhaupt zur Normkonkretisierung in der Lage sind. Erforderlich ist hierfür, dass es sich bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen nicht – wie verbreitet angenommen – ausschließlich um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften handelt, sondern, dass sie zumindest auch über einen norminterpretierenden Bestandteil verfügen (a)). a) Norminterpretierender Bestandteil der Zuverlässigkeitsgrundsätze Die Frage der Normkonkretisierung stellt sich von vornherein nur bei ­erwaltungsvorschriften, die der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe V dienen, also nur bei besonderen sog. norminterpretierenden Verwaltungs­ vorschriften.136 Norminterpretierende und ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften lassen sich anhand ihres rechtlichen Anknüpfungspunkts von­ einander abgrenzen. Während norminterpretierende Verwaltungsvorschriften hardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 63; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 390 f.; Murswiek, JuS 2002, S. 94 (95). 134  BVerwG NVwZ 2000, S. 440; zustimmend Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 389. 135  Dazu ausführlich S. 305 ff. 136  In diesem Sinne auch Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 373; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 21; Battis, Verwaltungsrecht AT, Rn. 22; Bräutigam-Ernst Die, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 48 f., die zu Recht darauf hinweist, dass die Abgrenzung zwischen norminterpretierenden und normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften „nicht ganz trennscharf verläuft“; so wohl auch Möstl, in: Ehlers/Pünder, Verwaltungsrecht AT, § 20 Rn. 22.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze53

unbestimmte Rechtsbegriffe auf Tatbestandsseite der Bezugsnorm präzisieren, geben ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften auf Rechtsfolgenseite vor, in welcher Weise die Behörde von dem durch die Bezugsnorm eingeräumten Ermessen Gebrauch machen kann, soll oder muss.137 Im Beispiel des § 8 Abs. 2 Satz 1 AWG müssten die Zuverlässigkeitsgrundsätze als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften also auf Tatbestandsseite („sach­ lichen und persönlichen Voraussetzungen, insbesondere der Zuverlässigkeit des Antragstellers“) ansetzen und nicht bei dessen Rechtsfolge („Die Erteilung der Genehmigung kann […] abhängig gemacht werden“). Hinsichtlich der Frage, ob die Zuverlässigkeitsgrundsätze eine Entscheidungshilfe auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite liefern, besteht Uneinigkeit. Zu differenzieren ist zwischen der wohl herrschenden Auffassung im Schrifttum (aa)), der Auffassung der Genehmigungspraxis (bb)) sowie dem differenzierenden Lösungsweg Hinders (cc)). Innerhalb einer diesbezüg­ lichen Auswertung und Analyse wird darüber hinaus ein eigener Ansatz zur Wirkungsweise der Zuverlässigkeitsgrundsätze vorgestellt (dd)). aa) Überwiegende Auffassung im Schrifttum Die überwiegende Auffassung im Schrifttum begreift die Zuverlässigkeitsgrundsätze gerade nicht als norminterpretierende, sondern als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften.138 Den Zuverlässigkeitsgrundsätzen ginge es nämlich weniger um die einheitliche Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zuverlässigkeit in §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, als vielmehr um die Ermessenskonkretisierung, was bei einem Anfangsverdacht von Unzuverlässigkeit von behördlicher Seite zu tun sei.139 Als ermes137  Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 215; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 370, 379; Möstl, in: Ehlers/Pünder, Verwaltungsrecht AT, § 20 Rn. 22; Edler/Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 AWG Rn. 14; Ehrlich, Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 31; Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 127; vgl. auch von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (75). 138  Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 6 KWKG Rn. 15; Pathe, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht1, § 5 Rn. 45; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 29; Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 750; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (421); Bieneck, AW-Prax 2006, S. 189 (193); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 54 („verhaltenslenkende Verwaltungsvorschrift in der Form einer Ermessensrichtlinie“); ders./Sinnwell, DWiR 1991, S. 133; wohl auch Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 9. 139  Dies gelte unabhängig davon, ob sie eine Genehmigungsentscheidung nach dem AWG, dem KWKG oder der Dual-Use-VO beträfen, so Hohmann, in: ders./ John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 10.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

senslenkende Verwaltungsvorschriften wären die Zuverlässigkeitsgrundsätze hiernach per se nicht in der Lage zur Normkonkretisierung und könnten daher keine unmittelbare Außenwirkung entfalten. In Betracht käme allenfalls eine mittelbare Außenwirkung über Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. bb) Auffassung der Genehmigungspraxis Anderer Auffassung scheint man bei den Genehmigungsbehörden – insbesondere beim BAFA – zu sein. Mitarbeiter des BAFA geben an, dass es sich bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen um eine Verwaltungsvorschrift in Form einer Auslegungsrichtlinie handelt, die den „Beurteilungsspielraum“ des BAFA bei der Zuverlässigkeitsprognose lenkt.140 Angesetzt wird damit nicht beim Rechtsfolgenermessen, sondern auf Tatbestandsseite.141 Grund hierfür sei, dass das Ermessen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AWG gebunden ist („ist die Genehmigung zu erteilen“) und infolge der Beurteilung der Zuverlässigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AWG nicht wieder ein Ermessensspielraum entsteht. Die Zuverlässigkeit könne vielmehr lediglich Gesichtspunkt der allgemeinen Gefahrenprognose im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 AWG sein, von welcher allein der Anspruch des Antragstellers auf Ausfuhrgenehmigung abhängt.142 Das BAFA scheint die Zuverlässigkeitsgrundsätze damit auf den ersten Blick als norminterpretierende bzw. sogar normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften einzustufen. Dagegen spricht allerdings, dass davon ausgegangen wird, die Zuverlässigkeitsgrundsätze wirkten lediglich durch eine entstandene Verwaltungspraxis auf den Antragsteller ein.143 Im Übrigen handle es sich nämlich um Verwaltungsvorschriften, die als generell-abstrakte Anordnungen einer vorgesetzten Instanz an eine nachgeordnete Behörde im Verhältnis zum Bürger keine Rechte und Pflichten begründeten. Auch beim BAFA geht man damit augenscheinlich nicht von der unmittelbar rechtlichen Außenwirkung der Zuverlässigkeitsgrundsätze aus, sondern lediglich von ei140  Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (403 f.); Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (48). 141  Siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ hinsichtlich Genehmigungserteilungen für Kriegswaffenexporte im Jahr 2014 (BTDrucks 18/3519, S. 10), wonach die Zuverlässigkeitsprüfung wohl ebenfalls auf Tatbestandsseite vorzunehmen ist. 142  Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (403). 143  Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (403 f.) in diese Richtung auch Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 228.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze55

ner faktisch-mittelbaren, wie sie in erster Linie den ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften zuerkannt wird. Der Charakter von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften wird daher wohl abgelehnt. Wie das BAFA jedoch für die dann noch verbleibenden norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften eine mittelbar rechtliche Außenwirkung über eine entstandene Verwaltungspraxis konstruieren will, wird nicht weiter ausgeführt. Die Selbstbindung der Verwaltung durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften wird im Ergebnis zumeist bestritten144 und bedürfte gerade im Zusammenhang mit der einzelfallabhängigen außenwirtschaftsrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung einigen Begründungsaufwands. Die Zuverlässigkeitsprüfung gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG erfordert nämlich eine auf konkreten Tatsachen begründete Gefahrenprognose. Diese muss streng einzelfallbezogen und unter verständiger Würdigung der Gesamtumstände getroffen werden, sodass nicht ohne Weiteres auf die abstrakten Rechts- und Pflichtbegriffe der Zuverlässigkeitsgrundsätze rekurriert werden kann.145 cc) Differenzierender Ansatz Hinders Einen vermittelnden Ansatz vertritt Hinder, der hinsichtlich der Außenwirkung der Zuverlässigkeitsgrundsätze zwischen den unterschiedlichen Genehmigungsanträgen differenziert.146 Insoweit, als die Zuverlässigkeitsgrundsätze Genehmigungsentscheidungen nach dem KWKG und der Dual-Use-VO beträfen, stellten sie ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dar, die eine nur mittelbare Außenwirkung über die Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 Abs. 1 GG begründeten.147 Grund hierfür sei, dass auf die Genehmigungserteilung nach § 6 Abs. 1–3 KWKG sowie Art. 8, 9 Abs. 2 Dual-UseVO a.  F. (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dual-Use-VO n.  F.) kein Anspruch des ­Antragstellers besteht. Vielmehr werde der Ausfuhrbehörde bei der Geneh­ migungserteilung nach dem KWKG und der Dual-Use-VO gesetzlich ein Ermessensspielraum eingeräumt, innerhalb dessen sie pflichtgemäß und ermessensfehlerfrei entscheiden müsse.148 Die ordnungsgemäße Ermessens­ 144  Siehe etwa BVerwG NJW 1970, S. 675; dazu Baars, Rechtsfolgen fehlerhafter Verwaltungsvorschriften, S.  56 ff. 145  Siehe demgegenüber die präzisen Begriffsbestimmungen der BaFin-Rundschreiben zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Finanzaufsichtsrechts, dazu S. 99 ff. 146  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 28 ff.; wohl als Weiterentwicklung der Differenzierung bei Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 228. 147  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 31 ff. (KWKG), 44 f. (Dual-Use-VO). 148  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 29 ff., 44 f.; ähnlich auch Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 5 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

ausübung richte sich dann nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen.149 Anders sei dies laut Hinder bei Genehmigungsentscheidungen nach dem AWG.150 Die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 AWG a. F. (§ 8 Abs. 1 Satz 1 AWG n. F.) bringe zum Ausdruck, dass der Antragsteller grundsätzlich über einen gebundenen Anspruch auf die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen gegenüber der Behörde verfügt („ist die Genehmigung zu erteilen“). Insoweit bestehe, anders als im KWKG oder der Dual-Use-VO, gerade kein Ermessensspielraum. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze seien hier allein zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zuverlässigkeit in § 3 Abs. 2 AWG a. F. heranzuziehen und wirkten daher norminterpretierend.151 Konsequent befasst sich Hinder auch nur insoweit mit der Eignung der Zuverlässigkeitsgrundsätze zur Normkonkretisierung, als Genehmigungsentscheidungen nach § 3 Abs. 2 AWG a. F. (§ 8 Abs. 2 AWG n. F.) betroffen sind.152 dd) Analyse und Bewertung Hinder differenziert zwar im Ausgangspunkt dogmatisch einwandfrei zwischen den abgestuften Genehmigungsvorbehalten im AWG bzw. der AWV, dem KWKG und der Dual-Use-VO. Das maßgebliche Kriterium der Zuverlässigkeit findet sich jedoch nicht nur in § 3 Abs. 2 Satz 1 AWG a. F. (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG n. F.), sondern gleichfalls in § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG auf Tatbestands- und nicht auf Rechtsfolgenseite.153 Gleiches gilt für die der Zuverlässigkeit entsprechenden Fähigkeit gemäß Art. 9 Abs. 1 UAbs. 1 DualUse-VO, die Rechtsvorschriften der Ausfuhrkontrolle einzuhalten, die ebenfalls zum Tatbestand gehört. In allen drei Fällen hängt die Genehmigungs­ erteilung (Rechtsfolge) von der Zuverlässigkeit (Tatbestand) ab. Die unterschiedlichen gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen in § 3 Abs. 2 Satz 1 AWG a. F. („kann abhängig gemacht werden“) und § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG („ist zu versagen, wenn“) ändern am Bezugspunkt der Zuverlässigkeitsgrundsätze nichts. Indem Hinder die Zuverlässigkeitsgrundsätze einmal auf Tatbestandsund ein anders Mal auf Rechtsfolgenseite berücksichtigen will, vermischt er Tatbestand und Rechtsfolge, was nicht zuletzt der Unterscheidung zwischen 149  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 30, 45; siehe insoweit auch Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 70; Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 7. 150  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 37 ff. 151  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 38, 40. 152  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 40 ff. 153  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 10 Fn. 29; siehe auch von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (77); ders., in: Grabitz/ von Bogdandy/Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 363.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze57

Beurteilungs- und Ermessensspielraum zuwiderläuft.154 Eine stringente Differenzierung zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgenseite sieht jedoch nunmehr sogar die jüngste Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015 vor. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze konkretisieren hiernach nicht nur die Anforderungen, die im Genehmigungsverfahren an die Zuverlässigkeit von Exporteuren zu stellen sind; sie regeln „auch die Rechts­ folgen“155, mit denen Exporteure im Falle der Unzuverlässigkeit rechnen müssen. Da sich die Genehmigungsbehörden bei der Auslegung des Zuverlässigkeitsbegriffs an die Vorgaben der Zuverlässigkeitsgrundsätze halten müssen, würde insoweit allenfalls ein Beurteilungs- und kein Ermessenspielraum begrenzt. Nach dem Ansatz Hinders läge es daher allenfalls nahe, die Zuverlässigkeitsgrundsätze insgesamt als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften einzustufen156, die sodann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Normkonkretisierung unmittelbar rechtliche Außenwirkung entfalten könnten. Schwieriger zu entkräften erscheint da schon die Auffassung der Genehmigungspraxis. Zumindest bei Genehmigungsanträgen nach dem AWG bzw. der AWV besteht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 AWG ein gebundener Anspruch auf Ausfuhrgenehmigung, wenn das BAFA zu dem Ergebnis gelangt, dass die betreffende Ausfuhr keine Gefährdung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 AWG darstellt. Aus diesem Grund konterkarierte es den gebundenen Anspruch, wenn § 8 Abs. 2 Satz 1 AWG bei mangelnder Zuverlässigkeit des Antragstellers wieder einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Genehmigungserteilung eröffnete. Der Ansatz der Genehmigungspraxis führt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Handlungsanweisungen der Zuverlässigkeitsgrundsätze in deren Nr. 3–7 (Aussetzung, Versagung, Widerruf, etc.) nur auf Genehmigungsanträge nach dem KWKG und der Dual-Use-VO anwendbar sind. Nur hier steht die Genehmigungserteilung im Ermessen der Behörde, was den Rückgriff auf den Sanktionskatalog in Nr. 3–7 der Zuverlässigkeitsgrundsätze erlaubt. Dass die Rechtsfolgen der Zuverlässigkeitsgrundsätze bei Anträgen nach dem AWG bzw. der AWV aufgrund der dortigen 154  In diesem Sinne Ehrlich, Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 97. Die Differenzierung zwischen Beurteilungs- und Ermessensspielraum wird von der Rechtsprechung nur in wenigen Ausnahmen, z. B. dem Regulierungsrecht, zugunsten eines sog. Regulierungsermessens aufgegeben, siehe BVerwG MMR 2008, S. 463 (466); NVwZ 2008, S. 1359 (1367); dazu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 197a. Eine entsprechende Rechtsprechung zum Außenwirtschaftsrecht fehlt bislang. 155  Abs. 2 der Präambel der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 156  Ähnlich Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 10 Fn. 29.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Ermessensreduktion „auf Null“ nicht eintreten sollen, kann von Seiten des BAFA nicht gemeint sein. Dem lässt sich aber nur dadurch begegnen, dass § 8 Abs. 2 Satz 1 AWG doch einen Ermessenspielraum des BAFA für den Fall eröffnet, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht zu besitzen scheint. Da die Zuverlässigkeitsgrundsätze auch und insbesondere für Anträge nach dem AWG sowie der AWV gelten, scheint die Bundesregierung als Urheberin der Zuverlässigkeitsgrundsätze von eben jenem Ermessenspielraum ausgegangen zu sein. Dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze damit möglicherweise den gebundenen Anspruch auf Ausfuhrgenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 AWG konterkarieren, sei hiermit aufgeworfen und bedarf innerhalb dieser Untersuchung keiner weiteren Erörterung.157 Damit verbleibt die wohl herrschende Ansicht im Schrifttum, nach der es sich bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften handelt. Dieser Auffassung kann zumindest teilweise zugestimmt werden. Wie gezeigt, enthalten die Zuverlässigkeitsgrundsätze in Nr. 3–7 Sanktionen, die die Ausfuhrbehörden verhängen sollen bzw. müssen, wenn der Antragsteller der Unzuverlässigkeit verdächtig ist, bzw. sich tatsächlich als unzuverlässig erweist. Durch Formulierungen, wie „ist […] abzusehen“ (Nr. 3), „ist abzulehnen“ (Nr. 4), „kann abgesehen werden“ (Nr. 5), „sind […] zu widerrufen“ (Nr. 6) oder „sollen […] mit besonderen Nebenbestimmungen […] versehen werden“ (Nr. 7), wird das behördliche Ermessen gelenkt. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze auf diese Verhaltensanweisungen zu reduzieren, wird deren Regelungsgehalt indessen nicht gerecht. Aus dem Zusammenspiel von Nr. 3 und Nr. 4 ergibt sich einerseits auf Tatbestandsseite die Definition der Bundesregierung für das Merkmal der Zuverlässigkeit. Andererseits führt allen voran Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze den Ausfuhrverantwortlichen mitsamt seinen Aufgaben und Pflichten in das Genehmigungsverfahren ein. Die Vorschriften in Nr. 2 enthalten insbesondere keinerlei Verhaltensanweisung an die Ausfuhrbehörden, sondern beschreiben abstrakt die Anforderungen an den Ausfuhrverantwortlichen. Nr. 2 lenkt damit nicht das Ermessen der Ausfuhrbehörden, sondern hilft diesen, die Zuverlässigkeit eines Antragstellers zu beurteilen. Nur einem Antragsteller mit seinerseits zuverlässigem Ausfuhrverantwortlichen werden hiernach Genehmigungen erteilt. Insoweit, als die Zuverlässigkeitsgrundsätze in Nr. 2, 3, 4 vorgeben, was unter ausfuhrrechtlicher Zuverlässigkeit zu verstehen ist, beziehen sie sich auf die Tatbestandsseite der Genehmigungstatbestände in §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO. Da es 157  Siehe dazu Edler/Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, §  8 AWG Rn. 14; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 1 Rn. 62 ff.; Schulz/Haase, AWG, S. 55.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze59

sich bei der Zuverlässigkeit um ein Merkmal auf Tatbestandsseite handelt, das als unbestimmter Rechtsbegriff durch die Ausfuhrbehörden anhand der Zuverlässigkeitsgrundsätze ausgelegt werden muss, stellen die Zuverlässigkeitsgrundsätze insoweit eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift dar.158 Eine Differenzierung bei der rechtlichen Außenwirkung der Zuver­ lässigkeitsgrundsätze muss deshalb – anders als bei Hinder – nicht bei dem jeweiligen Genehmigungsantrag, sondern bei dem konkret durch die Zuver­ lässigkeitsgrundsätze betroffenen behördlichen Entscheidungsgegenstand (Beurteilungsspielraum oder Ermessen) ansetzen. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften können jedoch, anders als ermessenslenkende oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, nicht ohne Weiteres rechtliche Außenwirkung erlangen.159 Denkbar ist zwar eine mittelbare Außenwirkung durch Selbstbindung der Verwaltung bei gleichmäßiger Gesetzesauslegung. Eine solche ist allerdings dort erschwert, wo der auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriff eine Gefahrenprognose umschreibt, die stark von den Umständen des Einzelfalls abhängt und sich daher vor dem Hintergrund des Vorrangs des Gesetzes eine pauschale Begriffsbestimmungen verbietet.160 Sie sind daher regelmäßig gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar.161 Dagegen kommt bestimmten norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine unmittelbar-rechtliche Außen- bzw. Bindungswirkung für Bürger und Gerichte zu. Dies wird dann angenommen, wenn die Verwaltungsvorschriften gewissermaßen zu sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften aufrücken. Da die Zuverlässigkeitsgrundsätze – wie soeben ermittelt – über einen norminterpretierenden Bestandteil verfügen, sind im Folgenden die Kriterien der Normkonkretisierung zu erörtern. b) Kriterien der Normkonkretisierung Mangels verfassungsrechtlicher oder einfachgesetzlicher Kriterien zur Ermittlung der unmittelbaren Außen- bzw. Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften müssen sich die Zuverlässigkeitsgrundsätze an den strengen Anforderungen messen lassen, welche die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung sowie das Schrifttum an normkonkretisierende Verwaltungsvor158  So im Ergebnis auch Ehrlich, Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 127; Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307. 159  Siehe Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, Bd. II, § 34 Rn. 41; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 213; Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht AT, § 27 Rn. 7. 160  Vgl. nur BVerwG NJW 1970, S. 675 f. 161  BVerwG NVwZ 2003, S. 221 (222); Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, S. 314 (315); siehe bereits S. 47 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

schriften stellt. Die nachfolgenden Kriterien entstammen dem Umwelt- und Technikrecht.162 Verwaltungsgerichtliche Urteile, die Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet des Außenwirtschaftsrechts als normkonkretisierend einstufen, existieren bislang nicht.163 Dies bedeutet indessen keineswegs, dass die Kriterien in Bezug auf Verwaltungsvorschriften des Außenwirtschaftsrechts unpassend oder nicht aussagekräftig sind. Sie scheinen vielmehr Ausdruck der allgemeinen Bestrebung der Rechtsprechung zu sein, die verfassungsrechtlichen Defizite von Verwaltungsvorschriften mit Außenwirkung – insbesondere deren zweifelhafte demokratische Legitimation sowie dem Rechtsschutzproblem für den Bürger (Art. 19 Abs. 4 GG) – mit ihrer sicherheitsrechtlich zwingenden Erforderlichkeit durch an das formelle Gesetzgebungsverfahren oder den Verordnungserlass angenäherte Vorgaben in Einklang zu bringen. An den entsprechenden Stellen sind sie im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung freilich gegebenenfalls zu modifizieren bzw. einzuschränken, um den Besonderheiten des Außenwirtschaftsverkehrs mit Blick auf dessen Akteure, Gefahrprognosen und Zielsetzung gerecht zu werden. Im Einzelnen haben sich allgemein die folgenden Prüfungsschritte herausgebildet:164 − Enthält die zu konkretisierende Gesetzesvorschrift einen unbestimmten Rechtsbegriff sowie eine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung? − Ist dem Erlass der Verwaltungsvorschrift ein umfangreiches Beteiligungsverfahren vorangegangen, dessen Zweck es war, vorhandene Erfahrungen und den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auszuschöpfen? − Soll durch den Erlass der Verwaltungsvorschrift eine einheitliche Verwaltungspraxis durch administrative Eigensteuerung sichergestellt werden? − Weist die zu konkretisierende Regelungsmaterie eine programmatische Gesetzesstruktur auf, in der insbesondere Optimierungs- oder Dynamisierungsgebote bestehen? Die Kriterien dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften stets und zuvorderst um die Frage geht, ob die Exekutive bei deren Erlass von einem ihr vom Gesetzgeber zugestandenen und daher gerichtlich nur äußerst beschränkt überprüfba162  Siehe

die Nachweise bei BVerwG NVwZ 1999, S. 1114 (1115). Ehrlich, Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 127. 164  Kriterien gebündelt von Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 384 unter Verweis auf BVerwG NVwZ 1999, S. 1114 (1115); NVwZ 2000, S. 440 ff. sowie Gerhardt, NJW 1989, S. 2233 (2237); ähnliche Zusammenstellung bei Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht AT, § 27 Rn. 8; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, S. 314 (316). 163  Dazu



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze61

ren Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht hat.165 Deshalb ergibt sich der normkonkretisierende Charakter einer Verwaltungsvorschrift auch nicht erst aus dem kumulativen Vorliegen sämtlicher Kriterien. Vielmehr sind die genannten Kriterien als Indizienkatalog zu verstehen, der die Auslegung, ob ein Gesetz der Exekutive ausnahmsweise einen Beurteilungsspielraum einräumt, erleichtern kann.166 Für das Außenwirtschaftsrecht erkennt das BVerfG jedenfalls eine „von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden[de]“ Einschätzungsprärogative der Bundesregierung bei der Auslegung dessen unbestimmter Rechtsbegriffe an.167 Beim Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze könnte die Bundesregierung von eben dieser Einschätzungsprärogative im Sinne eines Beurteilungsspielraums Gebrauch gemacht haben. Dennoch hat Hinder, der sich bisher wohl als Einziger umfassender mit der Rechtsnatur der Zuverlässigkeitsgrundsätze auseinandergesetzt hat, sowohl einen Beurteilungsspielraum der Bundesregierung mit Blick auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze als auch deren normkonkretisierende Eigenschaft verneint, ohne allerdings die besagte Entscheidung des BVerfG zu berücksichtigen.168 Auch sind die Zuverlässigkeitsgrundsätze durch ihre Neufassung vom 25.07.2001 gerade mit Blick auf die Aufgaben den Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen deutlich inhaltsreicher geworden, was eine Neubewertung erforderlich macht. aa) Explizite Ermächtigung zur Konkretisierung Das wohl stärkste Indiz für einen Beurteilungsspielraum der Bundesregierung bei der Auslegung des Begriffs der exportkontrollrechtlichen Zuverlässigkeit könnte sich in der ausdrücklichen Ermächtigung im Gesetzeswortlaut finden. Die Regelungen der §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO schweigen indessen hinsichtlich der Ausfüllung des Zuverlässigkeitsbegriffs. Wie bereits von Hinder treffend herausgearbeitet, besteht gerade keine § 48 BImSchG entsprechende explizite gesetzliche Ermächtigung oder Beauftragung zur rechtsverbind­ 165  BVerwG NVwZ 1999, S. 1114 (1115); Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 373; Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 127; zum Beurteilungsspielraum bereits S. 47 ff. 166  Vgl. Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 127. 167  BVerfG NJW 1992, S. 2624; zu dieser Entscheidung Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 381 f., 389 ff., der zudem auf die Synonymie der Begriffe der Einschätzungsprärogative und des Beurteilungsspielraums hinweist, siehe Epping, a. a. O., S. 382; ebenso VG Köln vom 13.6.1996 – 1 K 1102/93; dazu Edler/Thess, in: Hocke/ Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 AWG Rn. 14. 168  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 40 ff., 120 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

lichen Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Festlegung genereller Standards, wie dies bei der TA Luft und der TA Lärm der Fall ist.169 Eine solche ließe sich allenfalls der Verordnungsermächtigung in § 4 AWG entnehmen.170 Allerdings spricht diese explizit von der Beschränkung der Außenwirtschaftsfreiheit „durch Rechtsverordnung“ und nicht, wie § 48 BImSchG, von „allgemeinen Verwaltungsvorschriften“. Dies deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber die Bundesregierung zur Konkretisierung der ausfuhrrechtlichen Zuverlässigkeit nicht normativ ermächtigen wollte.171 Freilich steht es der Bundesregierung gemäß Art. 86 Satz 1 GG grundsätzlich frei, auf dem Gebiet des Außenwirtschaftsrecht im Rahmen der bundeseigenen Verwaltung allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen.172 Ein damit verbundener gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Exekutive setzt jedoch nach der normativen Ermächtigungslehre zur Wahrung der Rückanbindung von Verwaltungshandeln an den Gesetzgeber dessen gesetzliches Zugeständnis voraus.173 Dies gilt laut BVerwG nicht nur für Verwaltungsvorschriften des Umwelt- und Technikrechts. Auch im Besoldungsrecht des Bundes seien Verwaltungsvorschriften „wie revisible Rechtsnormen auszulegen“, weil das entsprechende erlassende Ministerium insbesondere zu deren Erlass „auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung ermächtigt und verpflichtet“ wurde.174 Eine derartige Bestimmung 169  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 44; dazu auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 375. 170  Früher wurde teilweise eine Ermächtigung der Exekutive durch den Gesetzgeber in Nr. 4 der amtlichen Begründung zum Entwurf des AWG (BRDrucks, 191/59) gesehen, wonach die richterliche Kontrolldichte bei der Erteilung von Genehmigungen nach § 3 AWG a. F. ausschließlich durch den Gleichheitssatz und das Willkürverbot beschränkt werde; so Schulz/Haase, AWG, § 3 AWG a. F. Rn. 10d. Dies überzeugt jedoch nicht, da Gleichheitssatz und Willkürverbot bei jeder Tätigkeit der Verwaltung zu beachten sind und Nr. 4 der Entwurfsbegründung eine daraus resultierende Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs gar nicht erwähnt; so zu Recht von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (76 f.); diesem zustimmend Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 134. 171  So im Ergebnis auch Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 133. 172  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 140 ff.; sinngemäß auch Möstl, in: Ehlers/Pünder, Verwaltungsrecht AT, § 20 Rn. 18. 173  Dazu statt vieler Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  19 Abs. 4 Rn.  185 ff. m. w. Nachw.; Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 127 ff.; kritisch Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 7 Rn. 34. 174  BVerwG NVwZ 2004, S. 1003 (1004). Dieser Entscheidung lag die Bestimmung des § 69 Abs. 4, BBesG a. F. (§ 69 Abs. 3, BBesG n. F.) zugrunde, wonach allgemeine Verwaltungsvorschriften in Bezug auf die Gewährleistung der truppenärzt­ lichen Versorgung von Soldaten (konkret Nr. 2 Abs. 1 der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 69 Abs. 2, BBesG“ vom 25.07. 2001, VMBl. S. 172) durch das Bundesministerium der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern zu erlassen sind. Zwar enthielt § 69 Abs. 4, BBesG a. F. in Bezug auf



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze63

existiert im Exportkontrollrecht jedoch nicht. Aus einer explizit normativen Ermächtigung ergibt sich die normkonkretisierende Wirkung damit noch nicht. bb) Umfangreiches Beteiligungsverfahren Als ebenfalls starkes Indiz für die gesetzgeberische Einräumung eines administrativen Beurteilungsspielraums wird im Umweltrecht die Ausschöpfung von Sachverstand in einem umfangreichen Beteiligungsverfahren gewertet.175 Neben der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt176 durch die Ausschöpfung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands, verschafft das Beteiligungsverfahren allgemeinen Verwaltungsvorschriften eine Art demokratische Legitimation. Denn § 48 Abs. 1 Satz 1 BImSchG fordert neben der Anhörung der beteiligten Kreise, wozu gemäß § 51 BImSchG ein jeweils auszuwählender Kreis von Vertretern der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft, des beteiligten Verkehrswesens und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden gehören, auch die Zustimmung des Bundesrats, was die Assoziation mit dem formellen Gesetzgebungsverfahren zulässt. Die Verwaltung wird also zumindest über die parlamentarische Verantwortung von Ministern demokratisch kon­ trolliert.177 Dem Erlass der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften der TA Luft und TA Lärm ging ein solches Beteiligungsverfahren voraus. Verwaltungsvorschriften zu § 69 Abs. 2, BBesG keine weiteren Vorgaben (anders aber in Bezug auf § 69 Abs. 1, BBesG); dennoch entnimmt das BVerwG der Sonderzuweisung an die genannten Bundesministerien die Einräumung eines Beurteilungsspielraums zu deren Gunsten. Dies ist nachvollziehbar, da die spezielle Regelung der Binnenzuständigkeit als Konkretisierung von Art. 86 Satz 1 GG darauf schließen lässt, dass der Gesetzgeber auf eine größtmögliche Sachnähe innerhalb der Ministerien der Bundesregierung zurückgreifen wollte. Umstritten ist die normkonkretisierende Wirkung der Richtlinien im Sinne des § 35 Abs. 4 WpHG a. F. (siehe nunmehr § 88 WpHG n. F.) zur Überwachung der Meldepflichten und Verhaltensregeln nach den §§ 31 ff. WpHG a. F. (§§ 63 ff. WpHG n. F.). Auch diesen wird teilweise mangels Rechtssatzqualität die Verbindlichkeit für Gerichte abgesprochen, siehe BGH BKR 2001, S. 38 (41) („norminterpretierende aufsichtsbehördliche Verwaltungsvorschrift“); dazu Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 35 a. F. Rn. 6; Fett, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 35 WpHG a. F. Rn. 11 m. w. Nachw.; a. A. Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 131 ff. („normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften“); ähnlich Schlette/Bouchon, in: Fuchs, WpHG, § 35 a. F. Rn. 16 („verordnungsähnliche rechtliche Bindungswirkung im Außenverhältnis“). 175  Jochum, in: BeckOK-Umweltrecht, § 48 BImSchG Rn. 16; siehe auch Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 48 BImSchG Rn. 22. 176  Siehe § 48 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BImSchG. 177  Schünemann, FS Rudolphi, S. 297 (306).

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Neben der erlassenden Bundesregierung (konkret: dem Bundesumweltministerium) waren gesonderte Arbeitsgruppen, das Umweltbundesamt und Fachausschüsse des Bundesrates involviert.178 Allerdings gibt es im Außenwirtschaftsrecht wiederum keine § 48 BImSchG entsprechende Vorschrift, die ein Beteiligungsverfahren im Vorfeld des Erlasses von Verwaltungsvorschriften formell anordnet. Wie bereits dargelegt, existiert ausschließlich eine Ermächtigung zum Verordnungserlass gemäß § 4 AWG, die nicht analog herangezogen werden kann. Doch selbst wenn es sich bei einem solchen Beteiligungsverfahren um eine gesetzliche Voraussetzung handelte, wäre diese nicht erfüllt, weil die Bundesregierung die Zuverlässigkeitsgrundsätze ohne die Beteiligung Dritter in Eigenregie erlassen hat.179 Analog zum Beteiligungsverfahren bei der TA Luft und der TA Lärm hätte im Vorfeld durchaus ein entsprechender Expertenkreis, wie etwa Vertreter führender Rüstungsunternehmen, Vertreter des BAFA bzw. BMWi sowie gegebenenfalls rechtsberatend tätige Außenwirtschaftsexperten, gehört werden können. In diesem Zusammenhang besteht beispielsweise die Möglichkeit zur öffentlichen Konsultation privater Exportunternehmen durch die EU-Kommission gemäß Art. 23 Dual-Use-VO. Gemäß Art. 23 Abs. 1 UAbs. 1 Dual-Use-VO setzt die EU-Kommission die sog. Koordinierungsgruppe „Güter mit doppeltem Verwendungszweck“ ein, die aus Vertretern der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten besteht. Die Koordinierungsgruppe prüft gemäß Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO alle Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung der Dual-Use-VO, die entweder vom Vorsitzenden der EU-Kommission oder von einem Vertreter eines Mitgliedstaats vorgelegt werden. Konsultiert werden gemäß Art. 23 Abs. 2 Dual-Use-VO nicht nur die Behörden der Mitgliedstaaten180, sondern insbesondere auch private Ausführer, Vermittler und sonstige Interessenträger, die von der DualUse-VO betroffen sind, wann immer dies zur Stärkung der Zusammenarbeit für erforderlich gehalten wird.181 Gegenwärtig ist die Koordinationsgruppe mit der öffentlichen Konsultation europäischer Ausführer zum Entwurf des sog. EU Guidance on Internal 178  Eingehend zur Entstehungsgeschichte von TA Luft und TA Lärm Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Vorbemerkung TA Luft Rn. 11 ff., Vorbemerkung TA Lärm Rn. 16 f. 179  Vgl. die Stellungnahme des BMWi vom 15.08.2017, Nachweis in Teil 2, Fn. 271. 180  Die Kooperation der Verwaltungen ist bereits in Art. 19 Dual-Use-VO vorgesehen, siehe Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 23 Dual-Use-VO Rn. 1; Lux, in: Rüsken, Zollrecht, Art. 23 Dual-Use-VO Rn. 2. 181  Im Einzelnen Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Art. 23 Dual-Use-VO Rn. 3 ff.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze65

Compliance Programme182 befasst, für das bereits ein Entwurf mit sieben vorläufigen ICP-Kriterien vorliegt.183 In Kooperation mit privaten Ausfuhrunternehmen sollen EU-einheitliche ICP-Richtlinien für den Geltungsbereich der Dual-Use-VO erarbeitet werden. Zur Beteiligung der Ausfuhrunternehmen wurde diesen ein Online-Fragebogen184 angeboten, in dem sie die Nützlichkeit von innerbetrieblichen Exportkontrollsystemen unter verschiedenen Gesichtspunkten bewerten konnten. Die Ergebnisse der Befragung sollen sodann in den Entwurf der Koordinationsgruppe einfließen.185. Da ein vergleichbares Konsultationsverfahren im Vorfeld des Erlasses der Zuverlässigkeitsgrundsätze nicht stattgefunden hat, entbehren die Zuverlässigkeitsgrundsätze das für normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften des Umwelt- und Technikrechts charakteristische quasi-formelle Verfahren, das diesen eine Art demokratische Legitimation verschafft. cc) Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften sind nicht zuletzt Ausdruck von Praktikabilitätserwägungen. Sie sollen einen einheitlichen Maßstab zur Beurteilung komplexer Sachverhalte setzen und somit gerade im Umweltund Technikrecht Verfahrenserleichterung sowie Rechtssicherheit gewährleisten.186 Deshalb müssen sie in der Lage sein, gleichförmiges Verwaltungs182  Dual-Use-Coordination-Group, ICP TEG reference, Draft text version 5 – 08/05/2018 „EU Guidance on Internal Compliance Programme“, abrufbar unter: http://www.sviluppoeconomico.gov.it/images/stories/commercio_internazionale/em barghi_dualuse/2018/CG_2018_May_01_Draft_EU_ICP_guidelines.pdf. 183  Siehe dazu auch die Bekanntmachung des BAFA vom 21.09.2018, abrufbar unter: http://www.bafa.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhr kontrolle/20180921_eu_icp_umfrage.html;jsessionid=0C6E0E313A00EE1B47F4EC2 67721069D.2_cid362?nn=8066490. 184  Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/ICPguidelines2018. 185  Wie das EU Guidance on Internal Compliance Programme im Einzelnen inhaltlich ausgestaltet sein wird, bleibt daher freilich abzuwarten. Gegenwärtig stellt die EU-Kommission im Entwurf dessen unverbindlichen Rechtscharakter als bloße Rechtsauskunft heraus und betont, dass Genehmigungsentscheidungen bei den zuständigen Ausfuhrbehörden verbleiben sollen, siehe das EU Guidance on Internal Compliance Programme (Teil 2, Fn. 182), S. 3. Schon jetzt sieht der Entwurf jedoch die Konzentration spezifischer Exportkontrollpflichten bei der Geschäftsleitung von Unternehmen vor, siehe das EU Guidance on Internal Compliance Programme (Teil 2, Fn. 182), S. 6, sodass der Ausfuhrverantwortliche „deutscher Prägung“ künftig auch auf Unionsebene Anerkennung finden wird; eine Adaption des Ausfuhrverantwort­lichen findet sich gegenwärtig etwa bereits im österreichischen Recht. Der sog. verantwortliche Beauftragte hat dort mit § 50 f. AußWG sogar Gesetzesrang eingenommen, siehe dazu Bieneck, AW-Prax 2006, S. 189 ff.; Voss, FS Wolffgang, S. 189 (204 f.). 186  Vgl. Herzog, NJW 1992, S. 2601 (2603).

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Teil 2: Rechtliches Fundament

handeln zu ermöglichen. Die TA-Luft gewährleistet etwa durch die in ihr festgelegten Immissionshöchstgrenzwerte einen klaren Anhaltspunkt dafür, wann Behörden sowie Verwaltungsgerichte von „schädlichen Umwelteinwirkungen“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auszugehen haben. Insoweit, als es sich bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften handelt (Nr. 3–7), sind sie durchaus in der Lage, eine einheitliche Ermessensausübung durch die Ausfuhrbehörden zu gewährleisten. Ein Antragsteller kann sich vor dem Verwaltungsgericht auf eine Ungleichbehandlung durch die Behörde gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, verbunden mit einer entstandenen Verwaltungspraxis, berufen. Dies betrifft so aber auch nur den ermessenslenkenden Teil der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Insoweit, als Letztgenannte norminterpretierend bzw. – wie hier zu ermitteln – normkonkretisierend wirken (insbesondere Nr. 2), geht das BAFA selbst davon aus, dass ein einheitlicher, umfassender Zuverlässigkeitsstandard für sämtliche Exportunternehmen nicht gesetzt werden kann; vielmehr wird betont, dass die Zuverlässigkeit des Antragstellers stets von den individuellen Gegebenheiten im Unternehmen abhängt.187 Dem ist zuzustimmen, da innerhalb der Zuverlässigkeitsprüfung gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 AWG eine einzelfallabhängige Prognose angestellt werden muss, bei der sich jegliche Pauschalierung verbietet. In einem großen Rüstungskonzern besteht beispielsweise hinsichtlich der Organisation und Überwachung des Exports bereits rein faktisch ein höherer Pflegeaufwand als bei einem exportierenden Einzelkaufmannsbetrieb. Statische Kriterien, wie etwa die Höchstgrenzwerte des Umweltrechts in TA Luft und TA Lärm oder die Sechs-Monatsfrist für Alkoholabstinenz vor einer ­Lebertransplantation gemäß Ziff. II 2.1 Satz 1 RL-BÄK 2009188, die aufgrund naturwissenschaftlicher bzw. medizinischer Erkenntnisse festgeschrieben werden, verbieten sich bei der innerhalb der Zuverlässigkeitsprüfung anzustellenden Gefahrenprognose. Zwar können die Zuverlässigkeitsgrundsätze einen Mindeststandard der Zuverlässigkeit durch den faktischen Befolgungszwang ausüben, einen Ausfuhrverantwortlichen mit gewissen Pflichten zu bestellen. Welche Maßnahmen der Ausfuhrverantwortliche jedoch seinerseits ergreift, um bei der Genehmigungsbehörde den Eindruck der Zuverlässigkeit zu erwecken, bleibt en detail ihm überlassen, solange alle relevanten Vorschriften eingehalten werden. Durch den norminterpretierenden Bestandteil der Zuverlässigkeitsgrundsätze soll folglich mit Blick auf die vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen vorrangig eine einheitliche Unternehmens- und keine einheitliche Verwaltungspraxis sichergestellt werden. Ledig187  BAFA, 188  Zu

ICP-Merkblatt, S. 8; dazu zudem nachfolgend S. 268 ff. diesen Vorschriften noch S. 356 ff.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze67

lich das allgemeine Erfordernis der Antragszeichnung durch einen zu bestellenden und zu benennenden Ausfuhrverantwortlichen lässt sich insoweit pauschalieren und kann die Verwaltung binden. Damit stellt bestenfalls ein Teil der norminterpretierenden Zuverlässigkeitsgrundsätze eine einheitliche Verwaltungspraxis sicher. dd) Implizite Ermächtigung zur Konkretisierung Die insgesamt normkonkretisierende Wirkung von Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze kann sich mithin allenfalls noch aus einem Beurteilungsspielraum ergeben, der die Bundesregierung implizit zum Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze ermächtigte. Ein impliziter Beurteilungsspielraum könnte dabei auf die Regelungsmaterie des Außenwirtschaftsrechts selbst zurückgehen.189 So handelt es sich beim Begriff der Zuverlässigkeit in §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG möglicherweise um einen unbestimmten Rechtsbegriff, zu dessen Ausfüllung hochkomplexe Verwaltungsvorgänge in Gang gesetzt werden müssen. In diesem Fall enthielte der Zuverlässigkeitsbegriff das Gebot einer „Dynamisierung des Rechtsgüter­ ­ schutzes“190, dem nur die Verwaltung durch ihre Sachnähe und Handlungsformen gerecht werden könnte.191 Manche unbestimmte Rechtsbegriffe können tatsächlich nur durch Erkenntnisse und Daten außerjuristischer Wissenschaften und komplizierte technische Prognosen überschaubar gemacht werden.192 Kommt es zum Rechtsstreit, stellt die juristische Beurteilung des Sachverhalts häufig lediglich die Spitze des Eisbergs dar; den eigentlichen Prozessstoff bilden Vorentscheidungen, flankierende Maßnahmen, Richtzahlen und die Bewertung von Folgewirkungen.193 Im Umweltrecht wird den Behörden teilweise schon bereits deshalb ein Beurteilungsspielraum zuerkannt, weil sie im Rahmen des komplexen Vorsorgegedankens in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG Prognosen über die zukünftige potentielle Umweltschädlichkeit von Anlagen treffen müssen, die auf Fachkenntnissen in außerrechtlichen Gebieten fußen, und daher nach einem interdisziplinären Konzept verlangen.194 Dieses Konzept könne nur

Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 130 ff. NJW 1979, S. 359 (363). 191  Vgl. Ehrlich, Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 100. 192  Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (224); siehe auch Ehrlich, Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 101. 193  Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (224). 194  Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 385; dazu allgemein auch Wahl/ Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 151 ff. 189  Ähnlich

190  BVerwG

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Teil 2: Rechtliches Fundament

die Exekutive aufstellen, deren rechtliche Handlungsformen die besagte „Dynamisierung des Rechtsgüterschutzes“ erlaubten.195 Aber nicht nur im Umwelt- und Technikrecht werden der Exekutive Konkretisierungs- bzw. Beurteilungsspielräume eingeräumt.196 Für aufgrund von § 35 Abs. 4 WpHG a. F. (§ 45 WpHG n. F.) erlassene Richtlinien wurde beispielsweise ebenfalls eine normkonkretisierende Wirkung aufgrund eines Beurteilungsspielraums bzw. einer Letztentscheidungskompetenz der BaFin befürwortet; der Beurteilungsspielraum resultiere vor allem aus der Komplexität der Sachverhalte im Bereich der Wertpapiergeschäfte und des Kapitalmarkts.197 Mangels rechtlicher Vorgaben zur angemessenen Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und deren Kunden müssten auch Gerichte zur Schaffung von Rechts­ sicherheit auf diese Richtlinien zurückgreifen.198 Gerichte seien zur Schaf195  Hiergegen ließe sich mit Schünemann, FS Lackner, S. 367 (392) einwenden, dass derart technische Fragen im Grundsatz sogar leichter zu beantworten sein dürften als so manche Rechtsfrage. Grund seien die „harten empirischen Naturwissenschaften“, die weitaus zuverlässigere Antworten bereithielten als ökonomische, psychologische oder juristische Begründungsansätze. Schünemann verkennt dabei allerdings, dass die besagte Empirie zunächst durch eine dazu kompetente Stelle aufgestellt werden muss. Eine solche wird zwar weit verbreitet sogar im Tatrichter gesehen, der im Rahmen der Umweltdelikte eigene strafrichterliche Immissionshöchstgrenzwerte herausarbeiten könne und solle (siehe die Nachweise in Teil 4, Fn. 212). Diese Forderung erweist sich jedoch als unhaltbar. Zwar muss mit der These, ein Tatrichter sei mit der Beurteilung wissenschaftlich-technischer Sachverhalte des außerrechtlichen Bereichs überfordert oder verfalle hierbei leicht einem Dilettantismus – so Schröder, VVDStRL 50 (1990), S. 198 (218) –, vorsichtig umgegangen werden. Der Richter muss wissenschaftliche Erkenntnisse und den Stand der Technik nämlich ohnehin und unabhängig von der Existenz der jeweiligen Regelwerke seinem Urteil zugrunde legen, da ihn im Fall des Abweichens ansonsten eine korrespondierende, deutlich erhöhte Darlegungslast treffen würde, siehe Bosch, Organisationsverschulden, S. 421. Gegen die Aufstellung eigener Grenzwerte spricht jedoch die Funktionsbedingung eines zurückhaltendenden Strafrechts, das die Regelungsreife sachnaher Vorschriften nutzt, vgl. Bock, Criminal Compliance, S. 512. Die Aufstellung eigener strafrecht­ licher Höchstgrenzwerte erscheint schlicht unpraktikabel. Über die Hinzuziehung von Sachverständigen kann dieses Defizit freilich theoretisch, nicht aber in prozessökonomischer Weise kompensiert werden. Selbst Kühl, FS Lackner, S. 815 (861), der sich im Grundsatz gegen die Akzessorietät des Umweltstrafrechts zum Umweltverwaltungsrecht ausspricht, räumt ein, dass eine Abhängigkeit des Strafrechts von untergesetzlichen Normen der Exekutive in den Bereichen akzeptabel erscheint, in denen auf der (Straf- und Umweltverwaltungs-)Gesetzesebene eine Bestimmtheit der Verhaltensgebote- und -verbote nicht zu erreichen ist. Zum Ganzen allgemein auch Heine, NJW 1990, S. 2425 ff. 196  Zu den einzelnen Fallgruppen Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 7 Rn.  35 ff.; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 22 f. 197  Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S.  131 m. w. Nachw.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze69

fung eines Kompromisses dieser konfligierenden Parameter auch unter Einschaltung von Sachverständigen nicht in der Lage.199 Sachverständige bewirkten nämlich keine Kompensation des Problems der fehlenden Sachnähe von Gerichten, sondern verlagerten dieses nur; ferner verträten verschiedene Sachverständige häufig auch verschiedene Ansichten und können deshalb langfristig keine Rechtssicherheit herbeiführen.200 Neben der Komplexität der von den Verwaltungsvorschriften betroffenen Regelungsmaterie wird außerdem die „politische Affinität“ mancher unbestimmter Rechtsbegriffe als Grund für einen Beurteilungsspielraum genannt.201 In diesem Zusammenhang wird nochmals auf die bereits eingangs zitierte Entscheidung des BVerfG zum Beurteilungsspielraum der Bundesregierung bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Außenwirtschaftsrechts hingewiesen.202 Die auswärtigen Beziehungen gehörten hiernach zu einem Bereich, in dem der Bundesregierung von Verfassungs wegen allgemein ein breiter Raum politischen Ermessens und deshalb eine Einschätzungsprärogative eingeräumt sei.203 Im Schrifttum wird dem überwiegend beigepflichtet.204 Speziell zum Genehmigungsgrundtatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 1 AWG wird vertreten, er räume dem BAFA auf Tatbestands­ ebene bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „nur unwesentlichen Gefährdung“ einen Beurteilungsspielraum bzw. eine weitgehende Einschätzungsprärogative ein.205 Grund sei die Vielschichtigkeit und Kom198  Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 130  f.; ebenso Schlette/Bouchon, in: Fuchs, WpHG, § 35 a. F. Rn. 16. 199  Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 131. 200  Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 131. 201  Von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (77 f.); von Fürstenwerth, Ermessensentscheidungen im Außenwirtschaftsrecht, S. 23; Ehrlich, Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 100 f.; siehe auch Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 130. 202  Nachweis in Teil 2, Fn. 167. 203  BVerfG NJW 1992, S. 2624 mit Verweis auf BVerfGE 40, S. 141 (178) und BVerfGE 68, S. 1 (97). 204  Siehe Ehrlich, Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 100 f.; Edler/ Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, §  8 AWG Rn.  13 Fn.  18 m. w. Nachw. 205  Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 3 AWG a. F. Rn. 7, 22; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 8 AWG Rn. 4, 28 ff.; Pelz, in: Hocke/ Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Einführung AWG Rn. 60; Edler/Thess, in: Hocke/ Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 AWG Rn. 14, 24; Simonsen, in: Wolffgang/ Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 1 AWG Rn. 63; Ehrlich, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 16 Rn. 15 ff.; Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S.  387 ff.; Ehrlich Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 101; Gramlich, Außenwirtschaftsrecht, S. 147; Putzier, Ermächtigungen des Außenwirtschaftsgesetzes, S. 42; von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (77 f.); vgl. auch Schulz/Haase, AWG,

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Teil 2: Rechtliches Fundament

plexität der zu beachtenden Interessen sowie der Umstand, dass die Einschätzung, ob eine wesentliche Gefährdung der Beschränkungszwecke droht, stets eine Prognoseentscheidung darstelle.206 Zwar wird ebenso betont, dass Prognoseelemente per se keineswegs ausreichen, um einen Beurteilungsspielraum zu begründen, da fast jeder polizeilichen Anordnung eine Prognose innewohne.207 Eine legislative Entscheidung zugunsten einer nur beschränkten gerichtlichen Überprüfungskompetenz könne einem Gesetz jedoch dann entnommen werden, wenn einem Gericht keine adäquaten Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stünden.208 Auch und gerade das Außenwirtschaftsrecht betreffe Fälle, in denen sinnvoll nur die Verwaltung mit ihrer besonderen Sachnähe und Sachkunde die künftigen Entwicklungen beurteilen könne, während diese Prognose den Gerichten nicht möglich sei.209 Gerichte stünden vielmehr vor der praktischen Schwierigkeit, ihrer Kontrollaufgabe uneingeschränkt nachzukommen, wenn sie die außen- und sicherheitspolitische Konzeption der Bundesregierung etwa anhand der „wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland“ (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AWG), der „erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen“ (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG) oder der „militärischen Sicherheitsvorsorge“ (§ 5 Abs. 3 Satz 2 AWG) zu S. 56 f.; im Ergebnis von Seiten des BAFA auch Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (403); Beutel, AW-Prax 2009, S. 299; ders./Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (48); a. A. allerdings von Fürstenwerth, Ermessensentscheidungen, S. 175 und Rummer, NJW 1988, S. 225 (226 f.; 235), laut denen die Genehmigungserteilung nach dem AWG eine Ermessensentscheidung der Behörde auf Rechtsfolgen- und nicht auf Tatbestandsseite darstelle; ähnlich auch die frühere Rechtsprechung der BVerwG NJW 1958, S. 312 (314); NJW 1970, S. 1563 (1564). Gegen diese Ansicht spricht jedoch ganz entschieden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 1 AWG vor dem Hintergrund der Außenwirtschaftsfreiheit ein gebundener Anspruch des Antragstellers auf die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung besteht, womit die Genehmigungserteilung gar nicht im Ermessen des BAFA liegt. Das BAFA überprüft nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AWG nämlich lediglich auf Tatbestandsseite anhand einer Gefahrenprognose, ob die beantragte Genehmigung voraussichtlich den Zweck des Genehmigungsvorbehalts nicht oder nur unwesentlich gefährdet. Ergibt die Gefahrenprognose keine Gefährdung, hat der Antragsteller einen gebundenen Anspruch auf Genehmigung; dazu von Seiten des BAFA Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (403); siehe auch Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 8 Rn. 3; Sieg/Fahning/Kölling, AWG, § 3 Anmerkung III Rn. 3. 206  Edler/Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 AWG Rn. 14; Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 389; dazu ausführlich Weith, Exportkontrollrechtliche Ausfuhrgenehmigung, S.  137 ff. 207  von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (76); Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 131. 208  BVerwGE 62, S. 330 (338); ebenso mit Verweis auf diese Rechtsprechung von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (77). 209  Ehrlich, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 16 Rn. 16; Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 389 ff.; vgl. dazu auch Schulz/Haase, AWG, S.  56 f.; Weith, Exportkontrollrechtliche Ausfuhrgenehmigung, S.  82 ff.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze71

überprüfen hätten.210 Dies gelte insbesondere bei Einschätzungen der Verwaltung, die auf Geheimdienstinformationen beruhten, und damit zwar von Gerichten tatsächlich gewürdigt, nicht aber selbst ermittelt werden könnten.211 Gerichte müssten dazu vielmehr eine administrative Ordnung nach richterlichem Ermessen erschaffen.212 Ihre politische Affinität und Sachnähe versetze allein die Bundesregierung in die Lage, eine entsprechende Prognoseentscheidung zu treffen.213 Der Rückgriff auf Sachverständige durch die Gerichte sei in diesem Kontext schon deshalb unpraktikabel, als es zumeist ohnehin unumgänglich sei, auf Stellungnahmen der Exekutive, wie etwa des Auswärtigen Amtes oder des BAFA, zurückzugreifen; niemand sonst könne nämlich beurteilen, was die selbstgesetzten außenpolitischen Zielvorgaben und Programme seien, welche die Beschränkungsermächtigung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG determinieren.214 Unabhängig davon, ob man die außerrechtliche Komplexität oder die politische Affinität einer Regelungsmaterie als Indikator für implizite Beurteilungsermächtigungen anerkennt215, ist bereits fraglich, ob sich die Beurteilung der außenwirtschaftsrechtlichen Zuverlässigkeit im Sinne der §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Satz 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 DualUse-VO aus den genannten Gründen der Entscheidungskompetenz der Gerichte entzieht und daher antizipiert durch die Verwaltung geklärt werden muss. Hinder verneint dies.216 Zwar erkennt auch er außenwirtschaftsrecht­ liche Beurteilungsspielräume der Verwaltung an, die durch unbestimmte Begriffe wie „volkswirtschaftliches Interesse“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AWG a. F.), „erhebliche Störung der auswärtigen Politik“ (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG a. F.) oder „gesamtwirtschaftliches Interesse“ (§ 8 Abs. 1 AWG a. F.) eröffnet würden.217 Diesen Begriffen sei nämlich gemeinsam, dass sie den gesamten Wirtschaftsablauf umfassende politisch-planerische Grundsatzentscheidungen 210  Vgl. Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 389 unter Betonung der verwaltungsgerichtlichen Untersuchungsmaxime gemäß § 86 VwGO; ähnlich auch von Bogdandy, in: Grabitz/von Bogdandy/Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 363. 211  Ehrlich Genehmigungsverfahren für Dual-Use-Waren, S. 101; ähnlich Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 130. 212  Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 498. 213  Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 389; von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (77); ders., in: Grabitz/von Bogdandy/Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 363; ferner Schulz/Haase, AWG, S. 57. 214  Vgl. Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 390 f.; ähnlich Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 43; vgl. auch Jarass, NJW 1987, S. 1225 (1227). 215  Eine Auseinandersetzung mit dessen Kritikern findet sich etwa bei Schön, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 130 f. 216  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 136 f., 139. 217  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 130, allerdings ohne Verweis auf die Leitentscheidung BVerfG NJW 1992, S. 2624.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

beträfen.218 Jedoch fehle der Entscheidung über die Zuverlässigkeit des Unternehmens und seines Ausfuhrverantwortlichen im Rahmen eines Antrags auf Ausfuhrgenehmigung oder Negativbescheinigung dieses planerische Moment.219 Die Entscheidung bleibe auf den konkreten Antrag bezogen und entfalte regelmäßig keine weitreichenden Folgewirkungen über das Verhältnis der an dem Verwaltungsverfahren Beteiligten hinaus.220 Zudem benötige das BAFA bei der Prüfung der Zuverlässigkeit keinen speziellen politischen bzw. außerrechtlichen Sachverstand, der über das hinausgehe, was Fachverwaltungen regelmäßig für ihre Entscheidungen benötigten.221 Auch die Gerichte seien daher ohne Weiteres in der Lage, den tatsächlichen Vorgang einer Bewertung in Anwendung gesetzlicher Wertbegriffe selbst nachzuvollziehen.222 Nichts anderes gelte im Gewerbe- und Gaststättenrecht, deren Zuverlässigkeitsbegriff223 die Grundlage für den außenwirtschaftsrechtliche Zuverlässigkeit gewesen sei.224 Dort werde ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Genehmigungsbehörden überwiegend verneint, da die Feststellung der Unzuverlässigkeit eine an bestimmte feststehende Tatsachen gebundene, nach gegenwärtigem Erkenntnisstand festzustellende Eigenschaft des Antragstellers sei, die sich unschwer durch Gerichte nachvollziehen lasse.225 Der Begriff der Unzuverlässigkeit sei deshalb auch vollständig durch die Rechtsprechung und Lehre entwickelt worden.226 Deutlich kommt hierdurch zum Ausdruck, dass Hinder den Gerichten die Erarbeitung von Zuverlässigkeitskriterien in gleicher Weise zutraut wie der Verwaltung. Vor dem Hintergrund, dass die EU-Kommission gegenwärtig ein EU-weites Beteiligungsverfahren unter Konsolidierung der Verwaltungen der Mitgliedstaaten und privaten Ausführern durchführt, um EU-allgemeine Verhaltensvorschriften für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern zu generieren227, 218  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 130; so auch von Fürstenwerth, Ermessensentscheidungen im Außenwirtschaftsrecht, S. 23. 219  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 130. 220  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 130. 221  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 130 f. 222  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 132 f. 223  Siehe §§ 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GaststättenG. Als zuverlässig gilt dort, wer die Gewähr dafür bietet, dass er künftig die genehmigungsbedürftige Tätigkeit ordnungsgemäß ausüben wird; siehe dazu Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, GaststättenG, § 4 Rn. 3; Schönleiter, GaststättenG, § 4 Rn. 2. 224  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 135 f. 225  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 135 f. 226  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 136; vgl. ferner Wimmer, Zuverlässigkeit im Vergaberecht, S. 45 ff. 227  Siehe soeben S. 63 ff.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze73

erscheint diese These auf den ersten Blick fragwürdig. Derartig weitreichende Erkenntnismöglichkeiten stehen Gerichten regelmäßig nicht zur Verfügung. Wie herausgearbeitet, kam es im Vorfeld des Erlasses der Zuverlässigkeitsgrundsätze jedoch gerade zu keiner auch nur annähernd vergleichbaren Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze wurden vielmehr als unmittelbare Reaktion auf die Ausfuhrskandale der ausgehenden 1980er Jahre erlassen. Sie sind weniger Ergebnis eines eigenständigen, neuartigen Erkenntnisprozesses als vielmehr die logische Konsequenz negativer Erfahrungen. Zur Verifizierung dieser These, bietet es sich an, das Vorgehen der Ausfuhrbehörden bei der Zuverlässigkeitsprüfung zu betrachten. Die Zuverlässigkeit hängt einerseits von der Rückschau ab, ob ein Unternehmen in der Vergangenheit alle Vorschriften eingehalten hat, sowie andererseits von der Prognose, ob das Unternehmen organisatorisch in der Lage ist, die Vorschriften in Zukunft einhalten zu können.228 Zur Sachverhaltsermittlung kann das BAFA im Ausfuhrgenehmigungsverfahren eine sog. Zuverlässigkeitsprüfung durchführen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass das antragstellende Unternehmen nicht in der Lage oder willens ist, die Bestimmungen des Außenwirtschaftsverkehrs einhalten zu können bzw. einzuhalten.229 Als Rechtsgrundlage dient die Befugnisnorm in § 23 AWG. Hiernach kann das BAFA Unternehmen extern überprüfen, indem es mündliche bzw. schriftliche Auskünfte anfordert oder verlangt, dass geschäftliche Unterlagen vorgelegt werden (§ 23 Abs. 1 AWG). Das BAFA kann zur internen Prüfung im betreffenden Unternehmen jedoch auch Beauftragte entsenden, die die Geschäftsräume des Auskunftspflichtigen betreten dürfen (§ 23 Abs. 2, 3 AWG). Das Zutrittsrecht besteht gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 AWG insbesondere für die Überprüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 8 Abs. 2 AWG – also hinsichtlich der Zuverlässigkeit.230 Hauptgegenstand ist die Prüfung des betriebsinternen Exportkontrollprogramms (ICP) des Antragstellers.231 Die Prüfer des BAFA vollziehen in diesem Zusammenhang die exportrelevanten Organisationsstrukturen und -anweisungen, Ablauf- und Prüfprozesse sowie die Arbeitsanweisungen inner228  Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (400); siehe auch Edler/Thess, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 8 Rn. 21; zum Ganzen auch Jung, AW-Prax 2014, S. 274 ff. 229  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (405); ebenso Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (49); Beutel, AW-Prax 2009, S. 299 (300); vgl. auch Nr. 3 Satz 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. 230  Zu den Einzelheiten Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 23 AWG Rn. 16 ff.; Schrey, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 23 AWG Rn.  29 ff.; Voss, FS Wolffgang, S. 189 (205 f.). 231  BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 331.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

halb des Ausfuhrunternehmens nach.232 Besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet, ob sich der mutmaßliche Verstoß aufgrund eines grundlegenden System- oder einfachen Arbeitsfehlers zugetragen hat.233 Die Prüfer des BAFA sind dazu gehalten, die unternehmensinternen Exportkontrollprozesse infolge einer Inaugenscheinnahme der durch den Ausfuhrverantwortlichen eingesetzten Mittel (EDV-Unterstützung, Aktenlage, Dokumentation, Archivierung, Arbeitsanweisungen, Vier-Augen-Prinzip) zu bewerten.234 Die Beurteilung konzentriert sich dabei ausschließlich auf das konkret überprüfte Unternehmen und dessen individuelle exportrelevante Gegebenheiten.235 Politische oder volkswirtschaftliche Aspekte werden – wie von Hinder zutreffend herausgearbeitet – völlig ausgeklammert. Insbesondere ist kein Sonderwissen, wie etwa Informationen des Auswärtigen Amts oder des Geheimdiensts, über die originär die Verwaltung verfügt, erforderlich. Das Vorgehen des BAFA erinnert insoweit vielmehr an die Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gemäß §§ 94 ff. StPO. Zudem kontrolliert das BAFA lediglich gewisse Mindestanforderungen.236 Hierzu zählen etwa, dass sich die Unternehmensleitung überhaupt zur Exportkontrolle bekennt, dass Risiken analysiert und überwacht, Zuständigkeiten verteilt, Aufbau- und Ablauforganisation geregelt und hinreichend personelle und technische Mittel zur Verfügung stehen.237 Dadurch wird berücksichtigt, dass der jeweilige Geschäftsherr sein Unternehmen im Regelfall besser kennt und die Anforderungen an ein individuelles Kontrollsystem in der Regel am besten selbst einschätzen kann. Die zur Zuverlässigkeitsprognose notwendige Aufklärung des Sachverhalts kann das BAFA deshalb ohne Weiteres selbst bewirken. Insbesondere sind seine Mitarbeiter in der Lage, unternehmerische Risikoentscheidungen nachzuvollziehen und zu bewerten. Weder ist dazu besonderes technisches Instrumentarium erforderlich – etwa Messinstrumente oder Datenmaterial wie im Fall der Ermittlung von Immissionshöchstgrenzwerten238 –, noch bedarf es zur Anstellung der daraufhin erfolgenden Zuverlässigkeitsprognose eines besonderen politischen bzw. 232  BAFA,

HADDEX, Bd. 1, Rn. 331. in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (405); ebenso Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (49); Beutel, AW-Prax 2009, S. 299 (300). 234  BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 331. 235  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 8; Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (400). 236  Beutel, AW-Prax 2009, S. 299 (300); Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (404). 237  Vgl. Beutel/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 73 (74); siehe im Einzelnen noch S.  273 ff. 238  Dazu Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 9. BImSchV Rn. 8 ff.; Bunge, NVwZ 2014, S. 1257 ff. 233  Beutel/Anders/Hötzl,



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze75

volkswirtschaftlichen Weitblicks.239 Häufig gilt es schlichtweg, be- bzw. entlastende Dokumente aufzufinden, um Ausfuhrvorgänge nachvollziehen zu können.240 Lediglich mit Blick auf die behördliche Erfahrung beim Anstellen der zukunftsgerichteten Zuverlässigkeitsprognose lässt ein gewisser Informationsvorsprung der Ausfuhrbehörden nicht von der Hand weisen. Aufgrund des strikten Unternehmensbezugs der Zuverlässigkeitsprüfung kann ein Gericht diesen Vorsprung jedoch ohne größeren prozessualen Aufwand durch die förmliche Bestellung eines Sachverständigen wettmachen.241 Im Anschluss an die Sachverhaltsermittlung erfolgt sodann die rechtliche Würdigung. Rechtsauslegung und Rechtsanwendung sind aber nicht nur der Verwaltung, sondern zuvorderst der Rechtsprechung anvertraut.242 Aus diesem Grund stammen die Kriterien für die erforderliche bzw. gehörige Aufsicht im Sinne des § 130 OWiG243 sowie auch die Zuverlässigkeitsanforderungen des Gaststätten- und Gewerberechts244 maßgeblich von der Rechtsprechung. Dass die Rechtsprechung zur Ausfüllung der genannten unbestimmten Rechtsbegriffe in der Lage, wenn nicht sogar prädestiniert ist, wird auch kaum bezweifelt. Tatsächlich verneint die herrschende Auffassung im Gaststätten- und Gewerberecht einen Beurteilungsspielraum der Genehmigungsbehörden in Bezug auf die gewerberechtliche Zuverlässigkeit in § 35 GewO bzw. § 4 GaststättenG und erkennt damit im Umkehrschluss einen gerichtlichen Überprüfungsauftrag an.245 Der Rechtsprechung zu § 130 239  A. A. ohne nähere Begründung wohl Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 3 AWG a. F. Rn. 22. 240  Siehe Jung, AW-Prax 2014, S. 274 (275 f.). 241  Die Gefahr, als Gericht in Dilettantismus zu verfallen (Teil 2, Fn. 195) besteht in diesem Fall nicht, vgl. Breuer, DÖV 1987, S. 169 (178 f.); Schröder, VVDStRL 50 (1990), S. 213 (218). 242  Siehe nur BVerfG NStZ 2009, S. 560 (561). 243  Dazu noch S. 268 ff. 244  Der Verdacht der Unzuverlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung in diesem Bereich etwa vor, wenn dem Antragsteller bereits früher eine entsprechende Genehmigung untersagt oder widerrufen wurde (siehe z. B. BVerwGE 24, S. 38, 40), weil er wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verurteilt wurde (so beispielsweise VGH Mannheim, NStZ 1987, S. 338), oder weil er als wirtschaftlich nicht leistungsfähig erscheint, bzw. überschuldet ist (etwa BVerwG GewArch 1961, S. 166); zu den weiteren Kriterien und zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen siehe Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn. 35 ff. 245  Siehe nur BVerwGE 28, S. 202 (209 f.); Marks, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn. 29; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, § 35 Rn. 27 ff.; Brüning, in: BeckOK-GewO, § 35 Rn. 24; Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 28; Heß, GewArch 2009, 89 ff.; Leisner, GewArch 2008, S. 225 ff.; Korte, in: Schmidt/Wollenschläger, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 50; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 290; in Bezug auf das Gaststättenrecht VG Augsburg BeckRS 2016, 45771 Rn. 29; VG München BeckRS 2016, 43558. Das Gleiche

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Teil 2: Rechtliches Fundament

OWiG wird sogar vorgeworfen, sie beschränke sich häufig auf die Feststellung, dass die vom Betriebsinhaber tatsächlich ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend waren, ohne aber die konkret erforderlichen Maßnahmen zu benennen.246 Die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Formulierung des § 130 Abs. 1 OWiG habe aber gerade zu einer Verlagerung der Entscheidungsgewalt auf den Bußgeldrichter geführt, der sich hier nicht zurückhalten müsse.247 Augenscheinlich orientiert sich damit nicht die Rechtsprechung an der Expertise der Verwaltung, sondern – umgekehrt – die Verwaltung an der Erfahrung der Rechtsprechung bei der Bestimmung des Umfangs der Zuverlässigkeit bzw. von Aufsichts- und sonstiger Sorgfaltspflichten. Eine implizite Ermächtigung der Exekutive kann dem Begriff der außenwirtschaftsrechtlichen Zuverlässigkeit daher nicht entnommen werden. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber der Verwaltung mit Blick auf die exportkontrollrechtliche Zuverlässigkeit keinen Beurteilungsspielraum und damit keine Letztentscheidungskompetenz gegenüber der Rechtsprechung eingeräumt. Hinder kann folglich insoweit gefolgt werden, als er einen Beurteilungsspielraum der Exekutive bei der Bewertung der Zuverlässigkeit des Exporteurs und damit auch die normkonkretisierende Natur der Zuverlässigkeitsgrundsätze ablehnt.248 Der exportkontrollrechtliche Zuverlässigkeitsbegriff impliziert kein Dynamisierungsgebot für die Ausfuhrbehörden. c) Zwischenergebnis Die Zuverlässigkeitsgrundsätze weisen eine Doppelnatur auf. Sie sind insoweit ermessenslenkend, als sie eine Verhaltensanordnung an die Ausfuhrbehörden im Fall der Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen enthalten (Nr. 3–7). Insoweit, als sie der Zuverlässigkeit des Ausfuhrverantwort­ lichen durch die Benennung von dessen Aufgaben und Pflichten Kontur verleihen, wirken sie hingegen norminterpretierend (Nr. 2 sowie Nr. 3, 4 auf Tatbestandsseite). Dies macht die Zuverlässigkeitsgrundsätze jedoch nicht zu normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, die für Verwaltungsinterne wie -externe gleichermaßen unmittelbar rechtlich verbindlich sind. Anders als die politisch überformten unbestimmten Rechtsbegriffe des Außenwirtgalt für den Zuverlässigkeitsbegriff im Geldwäschegesetz gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GwG a. F., vom 18.02.2013, BGBl. I, S. 268, am 26.06.2017 außerkraftgetreten; beachte nunmehr § 9 GWG n. F., BGBl. I, S. 1822, der den Zuverlässigkeitsbegriff nicht mehr erwähnt; dazu Warius, in: Herzog, GwG, § 9 Rn. 106. 246  So die berechtigte Kritik von Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 43. 247  Krenberger/Krumm OWiG, § 130 Rn. 17; Bock, Criminal Compliance, S. 455; siehe aber Bosch, Organisationsverschulden, S. 349 mit dem Hinweis auf einen Konflikt mit der Rechtssicherheit bei erheblich divergierenden Gerichtsentscheidungen. 248  So im Ergebnis auch Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 89.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze77

schaftsrechts oder die an naturwissenschaftliche Erkenntnisse anknüpfenden unbestimmten Rechtsbegriffe des Umwelt- und Technikrechts enthält die Zuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO vorwiegend rechtlich bewertbare Elemente. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze sind daher nicht als „geronnener Sachverstand“249 oder „politisch spezifische Norm­ setzung“250 der Exekutive anzusehen. Vielmehr betreffen sie einen Bereich, in dem kein Kompetenzgefälle zwischen Verwaltung und Gerichten hinsichtlich der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe besteht. Sie können damit nicht als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften mit unmittelbar rechtlicher Außenwirkung bezeichnet werden. Ordnet man die Zuverlässigkeitsgrundsätze folglich mit der herrschenden Auffassung als Verwaltungsvorschriften ein, entfalten sie für Unternehmen bzw. deren Geschäftsleitung keine unmittelbare Außenwirkung. Es besteht lediglich der faktische Befolgungszwang, einen Ausfuhrverantwortlichen zu benennen und diesem die vier in den Zuverlässigkeitsgrundsätzen genannten Grundpflichten zu übertragen, um als Unternehmen Ausfuhrgenehmigungen erhalten zu können. Die faktische Verbindlichkeit korrespondiert allerdings lediglich mit dem Anspruch des Antragstellers auf Gleichbehandlung im Genehmigungsverfahren (Art. 3 Abs. 1 GG), da sich die Ausfuhrbehörden durch ihre Verwaltungspraxis beim allgemeinen Antragserfordernis der Zeichnung durch einen Ausfuhrverantwortlichen sowie innerhalb ihres Ermessensspielraums selbst binden. Unmittelbar aus den Zuverlässigkeitsgrundsätzen kann der Einzelne jedoch weder Rechte noch Pflichten ableiten. 2. Zuverlässigkeitsgrundsätze als Rechtsverordnung Dem soeben ermittelten Ergebnis der fehlenden unmittelbar rechtlichen Außenwirkung des Pflichtenprogramms des Ausfuhrverantwortlichen liegt das vorherrschende Verständnis der Zuverlässigkeitsgrundsätze als allgemeine Verwaltungsvorschriften zugrunde. Eine andere Einordnung nimmt Hohmann vor; er regt an, die Zuverlässigkeitsgrundsätze251 stattdessen als Rechtsverordnung anzusehen.252 Die Befassung mit der Mindermeinung 249  So über die TA Luft bereits Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Verwaltungsrechts, S. 115 (159 Fn. 149). 250  In Bezug auf normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Gärditz, in: Steinbach, Verwaltungsrechtsprechung, S. 641 (644). 251  Hohmann bezieht sich ebenfalls auf die Bekanntmachung der Zuverlässigkeitsgrundsätze vom 25.07.2001 (Anlage I) sowie die erste Bekanntmachung zu der Neufassung der Zuverlässigkeitsgrundsätze vom 01.08.2001 (Teil 1, Fn. 9). 252  Hohmann, Angemessene Außenhandelsfreiheit, S.  345 ff.; ders., in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 11. Vergleichbare Gedanken äußert Kühl, FS

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Hohmanns ist für die vorliegende Untersuchung insoweit von Bedeutung, als der Handlungsform der Rechtsverordnung unmittelbar rechtliche Außenwirkung zukommt. Rechtsverordnungen sind nämlich Gesetze im materiellen Sinne, also allgemeinverbindliche Außenrechtsnormen, die sich von formellen Gesetzen nur durch den Normgeber unterscheiden.253 Sie werden nicht durch ein Parlament, sondern durch ein Organ der Exekutive, z. B. durch die Bundesregierung, einen Minister oder eine Verwaltungsbehörde, auf Grundlage eines Gesetzes erlassen.254 Die Wahrung des Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzips bei der Normsetzung wird durch das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage (sog. Ermächtigungsgrundlage) gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistet.255 Der Gesetzgeber muss der Exekutive also die eigene abstrakt-generelle Normsetzung explizit gestatten. Liegt allerdings die Rückführbarkeit auf eine Parlamentsentscheidung vor, sind Rechtsverordnungen als materielle Administrativgesetze für Bürger sowie Gerichte in gleicher Weise verbindlich, wie formelle Parlamentsgesetze.256 Wären die Zuverlässigkeitsgrundsätze tatsächlich keine Verwaltungsvorschrift, sondern eine Rechtsverordnung, käme ihnen unabhängig von ihrer fehlenden normkonkretisierenden Wirkung echte Rechtssatzqualität zu. Da Hohmann hinsichtlich der Einordnung der Zuverlässigkeitsgrundsätze als Rechtsverordnung sowohl formelle als auch materielle Abgrenzungsfragen aufwirft, folgen die nachfolgenden Ausführungen dieser Einteilung. a) Formelle Kriterien Problematisch an der Auffassung Hohmanns erscheint bereits auf den ersten Blick, dass die Bundesregierung die Zuverlässigkeitsgrundsätze jedenfalls in formeller Hinsicht nicht als Rechtsverordnung erlassen hat.257 Auch Lackner S. 815 (860) in Bezug auf § 325 StGB zur „Verrechtlichung“ der immis­ sionsschutzrechtlichen Verwaltungsvorschrift TA Luft, über deren strafprozessuale Verbindlichkeit aufgrund ihrer Rechtsnatur Unklarheit besteht; ähnlich Tiedemann/ Kindhäuser, NStZ 1988, S. 337 (342). 253  Siehe Art. 80 Abs. 1 GG; dazu Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, Bd. II, § 34 Rn. 19; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 4 Rn. 20; zur historischen Herleitung einer Begriffsdefinition ausführlich Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 80 Rn. 32. 254  Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 4 Rn. 20. 255  Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, Bd. II, § 34 Rn. 18; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 4 Rn. 21. 256  Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 4 Rn. 20; Selmer, VerwArch 59 (1968), S. 114 (116); Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, S. 311 (312). 257  Wenig Aufschluss gewährt insoweit die Bezeichnung als „Bekanntmachung der Grundsätze“ bzw. „Bekanntmachung zu den Grundsätzen“. Weder wurde der Begriff „Rechtsverordnung“ gewählt, noch bediente sich die Bundesregierung einer für Ver-



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze79

Rechtsverordnungen bedürfen – um den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 80 GG Rechnung zu tragen – gewisser rudimentärer formeller Voraussetzungen, wie etwa einer Ermächtigungsgrundlage, bestimmter Verfahrenserfordernisse und einer ordnungsgemäßen Verkündung.258 Dabei fehlte es beim Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze – entgegen den Bedenken Hohmanns – nicht einmal an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, da die Bundesregierung den Verordnungsverlass – wie schon im Fall der AWV259 – auf die Ermächtigungsnormen der §§ 2 Abs. 1, 27 AWG a. F.260 hätte stützen können. Hohmann erhebt demgegenüber die „rechtspolitische Forderung“ zum einen gegenüber der Exekutive, die Zuverlässigkeitsgrundsätze in der damaligen Fassung nach angemessener Übergangsregelung zurückzunehmen und zum anderen gegenüber dem Gesetzgeber, dem AWG sowie dem KWKG eine Verordnungsermächtigung für den (Neu-)Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze hinzuzufügen.261 Damit scheint Hohmann davon auszugehen, dass §§ 2 Abs. 1, 27 AWG a. F. (§§ 4 Abs. 1–3, 12 AWG n. F.) keine hinreichende, weil wohl für die Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu unbestimmte, Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze darstellt. Dabei räumen die §§ 2 Abs. 1, 27 AWG a. F. (§§ 4 Abs. 1–3, 12 AWG n. F.) der Bundesregierung die Möglichkeit ein, Rechtsverordnungen zu erlassen, durch die vorgeschrieben werden kann, dass bestimmte Rechtsgeschäfte und Handlungen allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen „einer Genehmigung bedürfen“ oder „verboten sind“. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze ergingen, um den Begriff der Zuverlässigkeit in §§ 3 Abs. 2 S. 1 AWG a. F., 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG als Genehmigungserteilungs- bzw. Versagungsgrund zu präzisieren.262 Wenn die Bundesregierung nach dem AWG durch Verordnung für bestimmte Rechtsgeschäfte und Handlungen eine Genehmigungspflicht vorschreiben bzw. diese Rechtsgeschäfte und Handlungen sogar gänzlich verbieten können soll, so muss sie erst recht in der Lage sein, aufgrund einer so weitreichenden Verordwaltungsvorschriften übliche Bezeichnung, wie etwa „Anordnung“, „Richtlinie“, „(Dienst-)Anweisung“ oder „Runderlass“; vgl. dazu Ipsen, Verwaltungsrecht AT, Rn. 142 Fn. 98. Freilich kann die Bezeichnung des jeweiligen Rechtsakts ein Indiz für dessen rechtliche Einordnung liefern, einen zwingenden Schluss lässt sie jedoch nicht zu, so auch Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 18; ähnlich Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 166. 258  Siehe dazu Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, Bd. II, § 34 Rn. 18 ff.; Ipsen, Verwaltungsrecht AT, Rn. 105, 342; Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht AT, § 25 Rn. 3 ff. 259  Dazu Epping, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn.  2 ff. 260  Vom 27.05.2009, BGBl. I S. 1150. 261  Hohmann, Angemessene Außenhandelsfreiheit, S. 345 Fn. 42, S. 346 f. 262  Vgl. nur die Präambel der Zuverlässigkeitsgrundsätze; dazu S. 35 f.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

nungsermächtigung einzelne Genehmigungsvoraussetzungen, wie bestimmte Zuverlässigkeitsanforderungen, zu regeln. Die Regelung einzelner Genehmigungsmodalitäten stellt ein „Minus“ zur Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts dar. Nur insoweit kann die Bundesregierung nämlich ihre – bei aufgrund eines Rahmengesetzes erlassenen Rechtsverordnungen typische – Ausgestaltungsaufgabe wahrnehmen.263 Die Ermächtigungsgrundlage genügt damit den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG.264 Zudem wurden die Zuverlässigkeitsgrundsätze durch das Bundesministerium der Justiz im BAnz ordnungsgemäß der Öffentlichkeit verkündet.265 Für außenwirtschaftsrechtliche Rechtsverordnungen besteht allerdings eine Besonderheit: Die Aufgrund des § 2 Abs. 1 AWG a. F. (§ 4 Abs. 1–3 AWG n. F.) erlassenen Rechtsverordnungen sind gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 AWG a. F. (§ 12 Abs. 4 Satz 1 AWG n. F.) unverzüglich266 nach ihrer Verkündung dem Bundestag mitzuteilen.267 Die Rechtsverordnungen sind dann ihrerseits unverzüglich aufzuheben, soweit dies der Bundestag binnen vier Monaten nach ihrer Verkündung verlangt (sog. Kassationsvorbehalt).268 Rechtsverordnungen nach dem AWG sind daher sog. Zustimmungsverordnungen.269 Von 263  Vgl. Epping, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 1, 12. 264  Den Bedenken des Außenhandelsausschusses des Bundestags in der Anlage zum Regierungsentwurf des AWG (BTDrucks 3/1285) bzgl. einer unbeschränkten und daher „mit den politischen Prinzipien der gesetzgebenden Körperschaften nicht zu vereinbaren[den]“ Verordnungsermächtigung wurde und wird durch den sog. Kassationsvorbehalt des Bundestags in § 27 Abs. 2 AWG a. F., § 12 Abs. 4 AWG n. F. begegnet, durch den einem Legislativorgan ein befristetes, aber verbindliches Aufhebungsverlangen zugestanden wird; dazu direkt im Folgenden. 265  BAnz Nr. 148/2001, S 17177 f.; eine Veröffentlichung im BGBl. ist wegen § 1 Abs. 2 VkBkmG, BGBl. I, S. 23, gerade nicht erforderlich; vgl. Friedrich, in: Hocke/ Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 10; zu den allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verkündung von Normen Meuers/Beye, DÖV 2018, S. 59 (61 ff.); siehe zudem noch S. 360 ff. 266  Gemeint ist entsprechend § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“, siehe Epping, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 15. 267  Dies gilt gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 AWG a. F. auch für den Bundesrat, soweit dessen Zustimmung erforderlich ist (siehe aber nunmehr § 12 Abs. 4 Satz 1 AWG n. F.). Der Bundesrat kann dann gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 AWG a. F. (§ 12 Abs. 4 Satz 2 AWG n. F.) binnen vier Wochen gegenüber dem Bundestag Stellung nehmen. 268  Siehe § 27 Abs. 2 Satz 1–3 AWG a. F. (§ 12 Abs. 4 AWG n. F.); zu den Verfahrenseinzelheiten Epping, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 15 ff.; siehe auch Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 6 ff. 269  Zu deren grundsätzlicher Zulässigkeit siehe BVerfGE 8, S. 274 (321); siehe auch Schnapauff, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 80 Rn. 10 f.; speziell zu § 12 Abs. 4



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze81

aufgrund des AWG erlassenen Rechtsverordnungen geht damit ein besonders hohes Maß an demokratischer Legitimation aus. Durch die Beteiligung des Bundestags rücken sie formell in die Nähe eines Parlamentsgesetzes, auch wenn sie freilich weiterhin als materielle Rechtsnorm einzuordnen sind.270 Im Fall der Zuverlässigkeitsgrundsätze hat die Bundesregierung indessen keinerlei Mitteilung gemäß § 27 Abs. 2 AWG a. F. (§ 12 Abs. 4 AWG n. F.) an den Bundestag gemacht. Eine diesbezügliche Anfrage wurde vom zuständigen Referat des BMWi wie folgt beantwortet: „Die Zuverlässigkeitsgrundsätze1 wurden im Jahr 2001 als Verwaltungsvorschrift bekannt gemacht. Dementsprechend fanden die Beteiligungsregelungen des § 27 Abs. 2 AWG a. F. keine Anwendung.“271

Betrachtet man die Zuverlässigkeitsgrundsätze tatsächlich als Rechtsverordnung, so stellt das Übergehen des Bundestags beim Verordnungserlass durch die Bundesregierung einen beachtlichen Verfahrensverstoß dar.272 Dafür spricht bereits, dass für Rechtsverordnungen im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG grundsätzlich keinerlei formelles Beteiligungsverfahren vorgeschrieben ist. Zur demokratischen Legitimation und der Wahrung des Gesetzesvorbehalts genügt eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Die gesetzgeberische Freiheit der Exekutive reicht damit immer nur so weit, wie es die Ermächtigungsgrundlage zulässt. Bestimmt eine Ermächtigungsgrundlage im Umkehrschluss allerdings, dass die Exekutive vor dem Verordnungserlass den Bundestag bzw. Bundesrat beteiligen muss, stellt dies eine wesentliche gesetzgeberische Entscheidung dar. In Bereichen wie dem Umweltrecht oder eben auch dem Außenwirtschaftsrecht erkennt die Legislative zwar grundsätzlich an, dass sie nicht in der Lage ist, jedes genehmigungsrelevante Detail selbst zu regeln. Trotzdem behält sie sich ein Mindestmaß an Kontrolle vor, indem sie sich die rechtliche Möglichkeit einräumt, den Erlass gegebenenfalls verhindern zu können. Der Kassationsvorbehalt stellt im AWG daher seit jeher273 das Gegengewicht zur grundsätzlichen UnbeAWG Epping, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 14. 270  So Jarass, in: ders., BImSchG, § 48b Rn. 2 über die Zustimmungsverordnungen im Umweltrecht. 271  Persönliche Anfrage des Verfassers beim BMWi (Referat VB4) vom 26. Juli 2017, Az. VB4-50 09 17. In seiner Fn. verweist das BMWi auf die Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern. 272  Vgl. Jarass, in: ders., BImSchG, § 48b Rn. 2 zur identischen Rechtsfolge bei Zustimmungsverordnungen im Umweltrecht; ähnlich Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 48b BImSchG Rn. 14. 273  Siehe bereits § 27 Abs. 2 der ersten Fassung des AWG vom 28.04.1961, BGBl. I, S. 481 (487).

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Teil 2: Rechtliches Fundament

schränktheit der Verordnungsermächtigung dar. Ohne diese faktische Zugriffsmöglichkeit der Legislative auf den Verordnungsinhalt käme es zur Friktion mit dem Gewaltenteilungsprinzip.274 Die weitgehende Beteiligung des Bundestags an der exekutiven Rechtssetzungstätigkeit ist bereits erforderlich, weil die Exekutive ansonsten faktisch die außenwirtschaftliche Gesetzgebung übernehmen könnte.275 Da dem Bundestag nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, von seinem Kassationsvorbehalt Gebrauch zu machen, wären die Zuverlässigkeitsgrundsätze als Rechtsverordnung folglich formell rechtswidrig ergangen. b) Materielle Kriterien Hohmann beschränkt sich in seinen Ausführungen allerdings nicht auf formelle Aspekte, sondern lenkt den Blick auch auf den Inhalt der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Dabei verweist er auf die vielfach geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken276 hinsichtlich des grundrechtsrelevanten Regelungsgehalts, insbesondere betreffend einen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Ausfuhrverantwortlichen, etwa durch das „faktische Berufsverbot“ in Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze.277 An dieser Stelle soll indessen keine umfängliche Verfassungsmäßigkeitsprüfung erfolgen, sondern allein die Abgrenzung zwischen Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung vorgenommen werden, hinsichtlich der die Ausführungen Hohmanns dennoch in die richtige Richtung weisen. Formelle Kriterien allein können der Abgrenzung von Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung nämlich nicht gerecht werden.278 Liegen die formellen Voraussetzungen für eine Rechtsverordnung vor, spricht freilich viel für das Vorliegen einer solchen279; formelle Kriterien wie eine Ermächtigungsgrundlage, Beteiligungserfordernisse und eine ordnungsgemäße Verkündung sind jedoch in erster Linie Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und erst nachrangig materiellen QuaFriedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 11. bereits die Bedenken in der Anlage zu BTDrucks 3/2389, S. 13; siehe dazu Epping, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 1, 12. 276  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 119 ff.; Bieneck, AW-Prax 2006, S. 189 (193 f.); Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 750; Pottmeyer/Sinnwell, DWiR 1991, S. 133 (138 f.); dazu zudem noch S. 395 ff. 277  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 11, 23 f.; ders. Angemessene Außenhandelsfreiheit, S. 345  ff.; dazu bereits S. 44  f. sowie nachfolgend S.  395 ff. 278  Siehe nur Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, S. 314 (315). 279  Dazu Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, Bd. II, § 34 Rn. 48. 274  Vgl. 275  So



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze83

lifikationsmerkmale.280 Andernfalls besteht die Gefahr des Formenmissbrauchs281 im Sinne einer „Flucht in Verwaltungsvorschriften“282. Würde man eine von der Exekutive erlassene Vorschrift beispielsweise allein aufgrund ihrer fehlenden Verkündung oder der Nichtangabe der Rechtsgrundlage als Verwaltungsvorschrift einzustufen, wäre das Prinzip des Gesetzesvorbehalts nach Belieben durch die Exekutive manipulierbar.283 Dies würde im Rahmen der Leistungsverwaltung nicht zuletzt den effektiven Rechtsschutz des Bürgers (Art. 19 Abs. 4 GG) in das Ermessen der Verwaltung einstellen, denn wie bereits dargestellt, kann sich der Einzelne im Normalfall nicht unmittelbar auf den Inhalt von behördenintern wirkenden Verwaltungsvorschriften berufen.284 Die Einordnung einer Vorschrift als Rechtsverordnung muss deshalb in einer Gesamtschau zumindest auch anhand materieller Kriterien erfolgen.285 Als Abgrenzungskriterien haben sich insbesondere Inhalt bzw. Rechtswirkungen286 sowie insbesondere der Adressatenkreis287 der betreffenden Vorschrift etabliert.288 280  Siehe nur BVerwGE 52, S. 193; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 18; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 177; Bachof, JZ 1956, S. 35 (36); Jesch, AöR 84 (1959), S. 74 (82); Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, S. 314 (315); Selmer, VerwArch 59 (1968), S. 114 (116); vgl. auch Weber-Rey/Baltzer, in: Hopt/Wohlmannstetter, Corporate Governance, 3. Teil I. C. I. 1. 281  Vgl. Fenner, Rechtsmissbrauch im Umweltstrafrecht, S. 135. 282  Selmer, VerwArch 59 (1968), S. 114 (116). 283  So zu Recht Selmer, VerwArch 59 (1968), S. 114 (115 ff., 126 f.); ähnlich Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 177. 284  Vgl. zudem Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  174 ff. 285  In diesem Sinne bereits Bachof, JZ 1956, S. 35 (36) („Eine fehlerhafte Rechtsverordnung hört wegen ihrer Fehlerhaftigkeit nicht auf, Rechtsverordnung zu sein“); vgl. auch Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S.  357 ff.; Jesch, AöR 84 (1959), S. 74 (82); kritisch Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, Bd. II, § 34 Rn. 47 f.; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, S. 314 (315). 286  Gemeint ist damit die Veränderung der bestehenden Rechtslage bzw. das Stellen derselben auf eine neue Grundlage, siehe Bachof, JZ 1956, S. 35 (36). 287  Auch wenn Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 18 dem Adressatenkreis das „größte Gewicht“ beimessen, darf dieses Kriterium nicht zu formal verstanden werden. Denn das Problem der Umgehung des Gesetzesvorbehalts ergibt sich auch dann, wenn das erlassende Exekutivorgan formal die nachgeordneten Behörden adressiert, sich jedoch inhaltlich an den Bürger wendet; ähnlich kritisch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 173 f. Damit muss das Kriterium des Adressatenkreises materiell aufgefasst werden. Es zielt auf die Frage ab, wer die von der betreffenden Vorschrift eingeräumten Rechte tatsächlich wahrnehmen kann, bzw. wem Pflichten inhaltlich auferlegt werden; vgl. zur Abgrenzung nach dem Adressatenkreis bei Rundschreiben der BaFin zur Konkretisierung von organisatorischer Pflichten nach 25a KWG auch Nestler, wistra 2015, S. 329 (331). 288  Dazu Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 18; siehe bereits ebenfalls Bachof, JZ 1956, S. 35 (36). Eine andere Auffassung scheint auf den ersten Blick Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 166 ff. zu vertreten, der nach dem

84

Teil 2: Rechtliches Fundament

Betrachtet man demgemäß den Adressatenkreis der Zuverlässigkeitsgrundsätze, scheint dieser auf den ersten Blick die der Bundesregierung nachgeordneten Ausfuhrbehörden zu erfassen. In Nr. 3–7 der Zuverlässigkeitsgrundsätze ist eine Anleitung der Bundesregierung an die nachgeordneten Behörden enthalten, wie sie sich im Fall eines unzuverlässigen Antragstellers im Genehmigungsverfahren zu verhalten haben. Betroffen ist insoweit der ermessenslenkende Bestandteil der Zuverlässigkeitsgrundsätze, der prinzipiell nur inter- bzw. intraadministrative Wirkung entfaltet. Verwaltungsexternen werden unmittelbar weder Rechte noch Pflichten eingeräumt. Dies überreißt den Aussagegehalt der Zuverlässigkeitsgrundsätze jedoch, wie bereits herausgearbeitet, nur partiell. Der Regelungsadressat der Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze ist nämlich ambivalent. Hiernach muss in Ausfuhrgenehmigungsanträgen nach dem AWG bzw. der AWV, dem KWKG, und der Dual-Use-VO ein für die Durchführung der Ausfuhr verantwort­liches Geschäftsleitungsmitglied als Ausfuhrverantwortlicher benannt werden, dem dann die vier besagten Grundpflichten obliegen und der grundsätzlich die Genehmigungsanträge selbst unterzeichnet. Damit wird durch Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze auch dem Antragsteller – also dem Exportunternehmen – eine Handlungsanleitung gegeben, wie er sich im Ausfuhrgenehmigungsverfahren verhalten muss. Insbesondere benennen Unternehmen den Ausfuhrverantwortlichen beim BAFA explizit „[u]nter Bezugnahme auf Nummer 2 der Grundsätze“.289 Diese Anleitung dient zwar gleichfalls als Entscheidungshilfe für die Ausfuhrbehörden bei der Bewertung der Zuverläs„Funktionsbereich“ abgrenzen will, in dem die Rechtsverordnung bzw. Verwaltungsvorschrift erlassen wurde. Während Veraltungsvorschriften alle abstrakt-generellen Regelungen seien, die die Verwaltung in dem ihr „originär“ zustehenden Funktionsbereich erlässt (Ossenbühl, a. a. O., S. 181, Hervorhebung durch Ossenbühl), seien Rechtsverordnungen abstrakt-generelle Regelungen, die der Verwaltung kraft Delegation durch die Legislative übertragen wurden (Ossenbühl, a. a. O., S. 180; so auch Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 378; Möstl, in: Ehlers/Pünder, Verwaltungsrecht AT, § 19 Rn. 5; Hervorhebung durch Verfasser). Für Ossenbühl ist die Abgrenzung zwischen Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung ein „Problem des Verfassungsverständnisses“ (Ossenbühl, a. a. O., S. 180). Durch das Abstellen auf den Funktionsbereich werden die von Ossenbühl aufgezeigten „Zirkelschlüsse“ bei der Abgrenzung allein nach dem Inhalt der Vorschrift allerdings keinesfalls vermieden. Denn der Funktionsbereich administrativer bzw. legislativer Regelungsgewalt wird sich wiederum nach der zu regelnden Materie, und damit nach dem durch die jeweilige Gewalt regelbaren Inhalt, richten, vgl. nur die Gegenstände der ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebung gem. Art. 70 ff. GG oder die Gegenstände der länderbzw. bundeseigenen Verwaltung bzw. der Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 83 ff. GG. Damit stellt auch Ossenbühl zumindest mittelbar auf den Inhalt bzw. Regelungsgehalt als materielles Abgrenzungskriterium ab. 289  Siehe das Formular „Anlage AV 1“ betreffend die Benennung des Ausfuhrverantwortlichen beim BAFA, Nachweis in Teil 2, Fn. 77.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze85

sigkeit des Antragstellers – denn nur an einen zuverlässigen Antragsteller, für den ein seinerseits zuverlässiger Ausfuhrverantwortlicher die Genehmigungsanträge unterzeichnet, sollen Ausfuhrgenehmigungen erteilt werden. Unabhängig davon wird dem Exportkontrollrecht jedoch durch Nr. 2 – schon systematisch den behördlichen Ermessensrichtlinien in Nr. 3–7 vorangestellt – ein gänzlich neues Rechtsinstitut hinzugefügt. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze enthalten damit gerade auch eine allgemein beachtliche Regelung für Teilnehmer am Exportverkehr. De facto operieren also nicht nur Behörden, sondern auch exportierende Unternehmen als „Normunterworfene“ mit den Zuverlässigkeitsgrundsätzen.290 Für diesen Schluss spricht zudem, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze im Bundesanzeiger außenwirksam einem deutlich über den behördeninternen Bereich hinausreichenden Empfängerkreis zugänglich gemacht wurden. Für lediglich interne Verwaltungsvorschriften wäre eine Veröffentlichung nicht erforderlich gewesen; es hätte vielmehr die Bekanntgabe an die Behörden, etwa durch ein nichtöffentliches Rundschreiben, genügt.291 Dies legt die Vermutung nahe, dass die Bundesregierung die Zuverlässigkeitsgrundsätze zwar nicht als Rechtsverordnung erlassen, jedoch deren Regelungsgehalt über die Verwaltung hinaus umgesetzt wissen wollte. Anlass für die Zuverlässigkeitsgrundsätze waren gerade die für die Bundesregierung politisch im höchsten Maße rufschädigenden Ausfuhrskandale der 1980er und frühen 1990er Jahre im Zusammenhang mit privaten deutschen Unternehmen der Chemie- und Rüstungsindustrie, die sich nicht wiederholen sollten. Damit lässt sich die Regelungsrichtung bzw. der materielle Adressat der Zuverlässigkeitsgrundsätze gerade nicht eindeutig zuordnen. Vielmehr scheinen die Zuverlässigkeitsgrundsätze insoweit als Verwaltungsvorschriften ergangen zu sein, als sie den Ausfuhrbehörden eine Ermessensrichtlinie bieten (Nr. 3–7) und insoweit als Rechtsverordnung, als sie für Ausfuhrbehörden sowie exportierende Unternehmen das Rechtsinstitut des Ausfuhrverantwortlichen einführen (Nr. 2). Auch unter diesem Gesichtspunkt zeigt sich also der Hybridcharakter der Zuverlässigkeitsgrundsätze. 290  Sinngemäß auch Hohmann, Angemessene Außenhandelsfreiheit, S. 345; ders., in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 11. 291  Vgl. Selmer, VerwArch 59 (1968), S. 114 (115); etwas anderes soll laut BVerwG NVwZ 2005, S. 602 (604) (siehe bereits Teil 2, Fn. 118) für Verwaltungsvorschriften „mit unmittelbarer Außenwirkung“ gelten. Danach sind insbesondere normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften gegenüber Dritten bekannt zu machen, da sie in derselben Weise in subjektive Rechte eingreifen, wie es auch bei sonstigen Rechtsvorschriften der Fall ist. Fehlt bei Verwaltungsvorschriften mit Außenwirkung gegenüber Dritten die rechtsstaatlich bzw. um des effektiven Rechtsschutz willen gebotene Bekanntgabe, sind sie nicht wirksam geworden; zustimmend Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 24 Rn. 51.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

c) Fehlende rechtliche Verbindlichkeit Grenzt man Verwaltungsvorschrift und Rechtsverordnung – wie eben geschehen – zuvorderst anhand materieller Gesichtspunkte voneinander ab, scheint mit Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze als partielle Rechtsverordnung nun doch eine rechtsverbindliche Grundlage für den Ausfuhrverantwortlichen ausgemacht zu sein. Immerhin sind Rechtsverordnungen als materielle Gesetze prinzipiell in gleicher Weise verbindlich, wie formelles Recht. Doch selbst wenn man die Zuverlässigkeitsgrundsätze mit Hohmann (teilweise) als Rechtsverordnung einstufte, wären sie nicht in der Lage, Rechte und Pflichten für den Bürger zu begründen, geschweige denn Gerichte zu binden. Dies liegt daran, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze als Rechtsverordnung rechtswidrig sind. Gerichte sind grundsätzlich verpflichtet, alle entscheidungserheblichen Rechtsnormen auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu prüfen und eine gegen dieses verstoßende Norm bei der Entscheidung unangewendet zu lassen bzw. dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.292 Dies ergibt sich aus der unmittelbaren Verfassungsbindung gemäß Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG.293 Dabei erstreckt sich das sog. Verwerfungsmonopol des BVerfG für Rechtssätze – argumentum ex Art. 100 Abs. 1 GG – nur auf formelle Parlamentsgesetze.294 Materielle Gesetze, wie Rechtsverordnungen, unterliegen dagegen dem uneingeschränkten richterlichen Prüfungsrecht der allgemein zuständigen Gerichte.295 Aus der speziellen Rechtsfolge einer erfolgreichen abstrakten Normkontrolle gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Hs. 2 VwGO, wonach die Ungültigerklärung der kontrollierten Rechtsvorschrift allgemein verbindlich ist, also nicht nur inter partes, sondern inter omnes wirkt296, kann geschlossen werden, dass alle übrigen Inzidentkontrollen untergesetzlicher Rechtssätze lediglich zwischen den Parteien, also inter partes, wirken.297 292  Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 4 Rn. 63; Eisele/Hyckel, NVwZ 2016, S. 1298; Schulte Beerbühl, Ad Legendum 2012, S. 50 ff.; siehe auch Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 116. 293  Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 31. 294  BVerfG NVwZ 2000, S. 473 (474); BGH NStZ 2017, S. 701 (704); Dederer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100 Rn. 84 ff.; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 100 Rn. 2; Maurer, Staatsrecht/I, § 20 Rn. 104; Streng-Baunemann, FS Streng, S. 767 (777); Froese/Kempny/Schiffbauer, DÖV 2017, S. 261 (265); Schulte Beerbühl, Ad Legendum 2012, S. 50 ff. 295  BVerfGE 48, S. 40 (45); BGH NStZ 2017, S. 701 (704); Dederer, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 100 Rn. 10; Hömig, in: ders./Wolff, GG, Art. 80 Rn. 5; Froese/ Kempny/Schiffbauer, DÖV 2017, S. 261 (265); siehe auch Streng-Baunemann, FS Streng, S. 767 (778). 296  Dazu Panzer, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 47 Rn. 119 f. 297  Eisele/Hyckel, NVwZ 2016, S. 1298 Fn. 6.



C. Zuverlässigkeitsgrundsätze87

Kommt also beispielsweise ein Richter, gleichgültig ob Zivil-, Verwaltungsoder Strafrichter, zu dem Ergebnis, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsverordnung des Bundes rechtmäßig ist, muss er sie anwenden. Er ist schließlich gemäß Art. 97 Abs. 1 GG dem „Gesetze“ unterworfen. Nach dem weiten298 Gesetzesverständnis des Art. 97 GG zählen dazu auch Rechtsverordnungen, bei deren Erlass die Exekutive als „verlängerter Arm“ der Legislative tätig wird.299 Kommt er hingegen zu dem Ergebnis, dass die entscheidungserhebliche Rechtsverordnung rechtswidrig ist, so muss er sie im konkreten Verfahren grundsätzlich unangewendet lassen, ohne sie allerdings verwerfen zu können.300 Da Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze, wie zuvor ermittelt, als Rechtsverordnung jedenfalls am formellen Mangel des fehlenden Beteiligungsverfahrens nach § 27 Abs. 2 Satz 1 AWG a. F. (§ 12 Abs. 4 Satz 1 AWG n. F.) leiden würde, wären die Zuverlässigkeitsgrundsätze, insoweit, als sie eine Rechtsverordnung darstellen, formell rechtswidrig und könnten daher kein Gericht rechtlich binden.301 Insbesondere entfiele jegliche Außenwirkung.302 d) Zwischenergebnis Selbst wenn man die Zuverlässigkeitsgrundsätze mit Hohmann – zumindest teilweise – als Rechtsverordnung einstufte, wären sie aufgrund ihrer formellen Rechtswidrigkeit nicht in der Lage, Bindungswirkung für Verwaltungsexterne zu entfalten. Unter materiellen Gesichtspunkten spricht der partiell außerexekutive Adressatenkreis zwar für einen materiellen Außenrechtssatz. Dieser Umstand beseitigt jedoch nicht den formell beachtlichen 298  Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 34; Morgenthaler, in: BeckOKGG, Art. 97 Rn. 7. 299  BVerfGE 78, S. 214 (217); Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 34 f.; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 97 Rn. 11; Schulte Beerbühl, Ad Legendum 2012, S.  50 ff. 300  Zugleich zu den Ausnahmen bei bestimmten Übergangsregelungen BVerfG NJW 2005, S. 45 (49). Siehe zudem Dederer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100 Rn. 10; Schulte Beerbühl, Ad Legendum 2012, S. 50 ff.; vgl. auch Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 116; unter Hinweis auf die Rechtsschutzmöglichkeit der Verfassungsbeschwerde des Bürgers Erbguth/Guckelberger, Verwaltungsrecht AT, § 25 Rn. 10. 301  Zur Frage des Rückschlusses von der Teilrechtswidrigkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze auf deren Gesamtrechtswidrigkeit ausführlich Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 230 ff.; dazu nachfolgend S. 401 ff.; allgemein auch Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, S. 314 (315). 302  Hinzu treten die bereits angesprochenen, teilweise gravierenden Bedenken an der materiellen Rechtmäßigkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze; siehe dazu noch ausführlich S.  393 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Mangel des fehlenden Beteiligungsverfahrens gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 AWG a. F. (§ 12 Abs. 4 Satz 1 AWG n. F.). Die Zuverlässigkeitsgrundsätze entfalten daher unter keinen Umständen unmittelbar rechtliche Außenwirkung. Von ihnen geht allenfalls mittelbar ein faktischer Umsetzungsdruck für Unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortliche aus.303 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze sind damit zwar die explizite Regelung zum Ausfuhrverantwortlichen, sie stellen den Ausfuhrverantwortlichen – rechtlich betrachtet – jedoch auf ein wenig tragfähiges Fundament.

D. Zertifizierungskriterien gemäß § 2 Abs. 2 AWV Dargestellt wurde, dass formell und materiell rechtmäßige Rechtsverordnungen als materielle Gesetze der Exekutive in der Lage sind, unmittelbar Rechte und Pflichten für den Bürger zu begründen. Auch Gerichte werden gemäß Art. 97 Abs. 1 GG grundsätzlich durch sie gebunden. Neben den Zuverlässigkeitsgrundsätzen existiert noch ein weiterer Vorschriftenkomplex, der Verhaltensregeln für den Exportverkehr aufstellt. Die Rede ist von den Zertifizierungskriterien in § 2 Abs. 2 AWV. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 9 Verteidigungsgüter-RL. Die Verteidigungsgüter-RL hat zum Ziel, die Vorschriften und Verfahren für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern zu vereinfachen, um das reibungslose Funk­ tionieren des Binnenmarktes der EU sicherzustellen.304 Eine Möglichkeit der Verfahrensvereinfachung stellt die Zertifizierung nach Art. 9 Verteidigungsgüter-RL dar.305 Nach Art. 9 Abs. 1 Verteidigungsgüter-RL können sich Unternehmen von den durch die EU-Mitgliedstaaten zu benennenden Genehmigungsbehörden im Sinne der Verteidigungsgüter-RL zertifizieren lassen. In Deutschland ist gemäß § 2 Abs. 1 AWV das BAFA für die Zertifizierung zuständig. Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Verteidigungsgüter-RL wird dem betreffenden Unternehmen durch die Zertifizierung seine „Zuverlässigkeit“ bestätigt, insbesondere was seine Fähigkeit betrifft, die Ausfuhrbeschränkungen für Verteidigungsgüter306 einzuhalten, die es im Rahmen einer Genehmigung aus einem anderen EU-Mitgliedstaat bezieht. Aufgrund der bescheinigten 303  Siehe Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 47, 53 f. mit dem Hinweis, dass der Ausfuhrverantwortliche in Unternehmen, die Rüstungsgüter ausführen, mittlerweile flächendeckend bestellt wird. 304  Art. 1 Abs. 1 Verteidigungsgüter-RL. 305  Dazu Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 9 AWG Rn. 15 f.; Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (401). 306  Gemeint sind alle im Anhang der Verteidigungsgüter-RL gelisteten Güter, vgl. Art. 3 Nr. 1 Verteidigungsgüter-RL.



D. Zertifizierungskriterien gemäß § 2 Abs. 2 AWV89

Zuverlässigkeit dürfen die Genehmigungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten fortan bei bestimmten Verbringungen von Verteidigungsgütern an das zertifizierte Unternehmen auf eine einzelfallbezogene Prüfung verzichten und stattdessen eine sog. Allgemeingenehmigung erteilen.307 Durch die Allgemeingenehmigung wird wiederum dem Lieferanten gestattet, an alle gemäß Art. 9 Verteidigungsgüter-RL zertifizierten Empfänger im EU-Ausland Verteidigungsgüter zu verbringen.308 Die Zertifizierung nach der Verteidigungsgüter-RL kann damit sowohl für einführende als auch für ausführende Unternehmen innerhalb der EU eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung und damit einen nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsvorteil bedeuten.309 Aufgrund der Verortung in der AWV – einer formell sowie materiell rechtmäßigen Rechtsverordnung310 – geht man beim BAFA davon aus, dass mit § 2 Abs. 2 AWV eine exportkontrollspezifische Compliance-Regelung erstmals eine Stütze im Gesetz gefunden hat.311 Da die dort genannten Zertifizierungs- bzw. Zuverlässigkeitskriterien Unternehmen insbesondere die Ernennung einer Art Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze vorzuschreiben scheinen, gilt es sich, wie zuvor bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen, den Regelungsgehalt zu erschließen und diesen zu bewerten (I.). Anschließend kann diskutiert werden, ob § 2 Abs. 2 AWV eine unmittelbare Rechtspflicht hinsichtlich der Bestellung sowie hinsichtlich des Pflichtenprogramms des Ausfuhrverantwortlichen enthält (II.).

I. Erschließung und Bewertung des Regelungsgehalts In Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Verteidigungsgüter-RL wird den Ausfuhrbehörden der EU-Mitgliedstaaten ein Kriterienkatalog zur Bewertung der Zuverlässigkeit zur Verfügung gestellt.312 Dieser wurde leicht modifiziert durch § 2 307  Steinbach, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 9 Verteidigungsgüter-RL Rn. 3; Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 9 AWG Rn. 16. 308  Siehe Art. 5 Abs. 2 lit. b Verteidigungsgüter-RL; zum Ganzen auch Pottmeyer, AW-Prax 2013, S. 164 (165). 309  Zum Ganzen Sachs/Krebs, CCZ 2013, S. 12 (14). 310  Zur Verfassungsmäßigkeit der AWV siehe etwa BVerfG NJW 1992, S. 2624. 311  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S.  399 (400); ähnlich Wolffgang/Witte, CB 2015, S. 138 (139). 312  Die Kriterien entsprechen im Wesentlichen den Anforderungen des ICP-Merkblatts, da sich das BAFA laut eigener Angabe an den Zertifizierungskriterien sowie den diesbezüglichen Empfehlungen der EU- Kommission (betreffend die Zertifizierung von Unternehmen der Verteidigungsindustrie nach Artikel 9 der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern vom 11.01.2011, L 11/62 ff.) orientiert hat, siehe BAFA, ICP-Merkblatt, S. 11 f.; dazu auch

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Abs. 2 AWV in das deutsche Recht umgesetzt. Für das Zuverlässigkeitszertifikat ist neben nachgewiesener Erfahrung im Bereich Verteidigung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 AWV) und einer einschlägigen industriellen Tätigkeit in Bezug auf Rüstungsgüter (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AWV) regelmäßig die Ernennung eines „leitenden Mitarbeiters zum Verantwortlichen für Verbringungen und Ausfuhren“ erforderlich (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 AWV).313 Der leitende Mitarbeiter ist hiernach persönlich für das interne Programm zur Einhaltung der Ausfuhrkontrollverfahren des Antragstellers sowie für das Ausfuhr- und Verbringungskontrollpersonal verantwortlich. Er muss zugleich Mitglied des geschäftsführenden Organs des Antragstellers sein. Damit erinnert der leitende Mitarbeiter nicht nur an den Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze, nach herrschender Auffassung ist auch dasselbe Rechts­ institut angesprochen.314 Auch das BAFA verwendet in seinem „Merkblatt zum Zertifizierungsverfahren nach §§ 9 AWG, 2 AWV und Art. 9 der Verteidigungsgüter-RL“ erst gar nicht den Begriff des leitenden Mitarbeiters, sondern spricht ausschließlich vom „Ausfuhrverantwortlichen“.315 Die terminologischen Diskrepanzen dürften von der ursprünglichen Bezeichnung in Art. 9 Abs. 2 Satz 2 lit. c Verteidigungsgüter-RL herrühren, den § 2 Abs. 2 Nr. 3 AWV weitgehend wortlautgetreu umsetzt. Neben der Pflicht zur Abgabe verschiedener schriftlicher Verpflichtungs­ erklärungen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4, 5, 7 AWV, die an die Benennungs­ erklärung sowie die Erklärung zur Verantwortungsübernahme als Anlagen „AV 1“316 und „AV 2“317 zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen erinnern, muss der leitende Mitarbeiter bzw. Ausfuhrverantwortliche dem BAFA im Zertifizierungsverfahren eine von ihm gegengezeichnete Beschreibung des internen Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 49 f. Darüber hinaus arbeitet die sog. Koordinierungsgruppe der EU-Kommission im Sinne des Art. 23 Dual-Use-VO gegenwärtig unter öffentlicher Konsultation privater europäischer Ausführer am Entwurf für das sog. EU Guidance on Internal Compliance Programme. Europäische Exportunternehmen sind angehalten, sich durch das Ausfüllen eines Fragebogens an der Erarbeitung allgemeiner ICP-Kriterien zu beteiligen, siehe dazu bereits S. 63 ff. 313  Dazu im Einzelnen Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWV Rn.  13 ff. 314  Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, §  2 AWV Rn. 7; Sosic, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWV Rn. 12; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWV Rn. 12; Steinbach, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, Außenwirtschaftsrecht/EU-Zollrecht, Art. 9 Verteidigungsgüter-RL Rn. 13. 315  BAFA, Zertifizierungsverfahren-Merkblatt, S. 3; abrufbar unter: http://www. bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Antragsstellung/Zertifizierung/zertifi zierung_node.html. 316  Nachweis in Teil 2, Fn. 77. 317  Nachweis in Teil 2, Fn. 82.



D. Zertifizierungskriterien gemäß § 2 Abs. 2 AWV91

Programms zur Einhaltung der Ausfuhrkontrollverfahren oder des Verbringungs- und Ausfuhrverwaltungssystems vorlegen. Aus der Beschreibung muss sich gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 1 AWV eindeutig ergeben, dass er die Aufsicht über das Personal der für die Ausfuhr- und Verbringungskontrolle zuständigen Abteilungen führt. Die Beschreibung muss gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 AWV Angaben enthalten über a) die organisatorischen, personellen und technischen Mittel für die Verwaltung von Verbringungen und Ausfuhren, b) die Verteilung der Zuständigkeiten beim Antragsteller, c) die internen Prüfverfahren, d) die Maßnahmen zur Sensibilisierung und Schulung des Personals, e) die Maßnahmen zur Gewährleistung der physischen und technischen Sicherheit, f) das Führen von Aufzeichnungen, g) die Rückverfolgbarkeit von Verbringungen und Ausfuhren, h) die Adresse, unter der die zuständigen Behörden gemäß § 23 AWG die Aufzeichnungen über die in Teil I Abschn. A der Ausfuhrliste genannten Güter einsehen können. Damit scheint das Außenwirtschaftsrecht, wie zahlreiche andere Rechtsbereiche des öffentlichen Wirtschaftsrechts, nunmehr über eine branchenspezifische Compliance-Vorschrift zu verfügen. So existieren etwa mit §§ 25a KWG, 80 WpHG, 9 GwG, 52a ff. BImSchG, 65 WHG gesetzliche Verhaltenspflichten, welche die Implementierung eines unternehmensinternen Kontrollbeauftragten bzw. Kontrollgremiums vorsehen.318 Der Pflichtenkatalog könnte zugleich eine gesetzliche Konkretisierung der vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen darstellen. Insbesondere könnten die genannten Kriterien als Ausprägungen der Organisations-, Überwachungs-, Personalauswahl- und Weiterbildungspflicht aufgefasst werden. Dafür spricht, dass die Beschreibung des internen Programms zur Einhaltung des Ausfuhrkontrollverfahrens gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 AWV ebenfalls Angaben über die Organisation, das Personal sowie dessen Kontrolle und Schulung enthalten muss. Freilich werden die Anforderungen insoweit kaum konkreter als Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze, welche die vier Grundpflichten ebenfalls lediglich abstrakt aufführt. Im Fall der uneingeschränkten rechtlichen Verbindlichkeit von § 2 Abs. 2 AWV für Export­ 318  Umfangreiche Auflistung solcher Vorschriften bei Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 20; ders., Criminal Compliance, S. 511 ff.; siehe auch Ziegler, in: Blum/Gassner/Seith, OWiG, § 130 Rn. 25.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

unternehmen, wäre allerdings immerhin eine gesetzliche Grundlage für den Ausfuhrverantwortlichen gefunden.

II. Rechtliche Verbindlichkeit Dass es sich bei § 2 Abs. 2 AWV um die definitive Rechtsgrundlage für den Ausfuhrverantwortlichen handelt, muss jedoch bezweifelt werden. Gemäß der Rechtsauffassung der Mitarbeiter des BAFA sind die Kriterien in § 2 Abs. 2 AWV ausschließlich Voraussetzungen für die Zertifizierung nach Art. 9 Verteidigungsgüter-RL.319 Daher muss auch nur derjenige, der den Antrag auf Zertifizierung stellt, die beschriebenen Standards erfüllen.320 Die Verbringung von Verteidigungsgütern innerhalb der EU-Mitgliedstaaten stellt tatsächlich lediglich eine Facette des europäischen Außenhandels dar.321 Die Regelung des § 2 Abs. 2 AWV betrifft zum einen nur Verbringungen und damit ausschließlich den EU-Binnenhandel.322 Ausfuhren in das Nicht-EUAusland, für die der Ausfuhrverantwortliche ebenfalls bestellt wird, sind von Allgemeingenehmigungen bzw. der Zertifizierung gerade nicht erfasst. Zum anderen berührt die Zertifizierung nur den Umgang mit den im Anhang der Verteidigungsgüter-RL gelisteten Verteidigungsgütern, die wiederum in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste übernommen wurden.323 Die Zertifizierungsmöglichkeit besteht damit nicht für Kriegswaffen im Sinne der Kriegswaffenliste und auch nicht für gelistete Dual-Use-Güter gemäß Teil I Abschnitt B der Ausfuhrliste, zu deren Verbringung bzw. Ausfuhr aber ebenfalls ein Ausfuhrverantwortlicher im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze zu benennen ist. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze haben daher einen bedeutend größeren Anwendungsbereich als § 2 Abs. 2 AWV. Die Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen auf die Zertifizierungskriterien der Verteidigungsgüter-RL zu reduzieren, birgt die Gefahr, einen nicht sachgemäßen, weil weniger strengen, Sorgfaltspflichtenmaßstab auf den Ausfuhrverantwortlichen anzuwenden.

319  So von Seiten des BAFA Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (400); Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47. 320  Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (400); Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47. 321  Bislang haben tatsächlich erst 15 deutsche Unternehmen die Zertifizierungsmöglichkeit wahrgenommen, siehe die Auflistung der EU-Kommission hinsichtlich der zertifizierten Unternehmen, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/growth/toolsdatabases/certider/index.cfm?fuseaction=undertakings.list&country=DE. 322  Siehe zum außenwirtschaftsrechtlichen Verbringungsbegriff noch S. 113 ff. 323  Dazu Bartelt, AW-Prax 2011, S. 262 (263); siehe auch Steinbach, in: Krenzler/ Herrmann/Niestedt, Außenwirtschaftsrecht und Zollrecht, Art. 9 VerteidigungsgüterRL Rn. 6.



D. Zertifizierungskriterien gemäß § 2 Abs. 2 AWV93

Darüber hinaus ist bereits fraglich, ob § 2 Abs. 2 AWV denselben Zuverlässigkeitsbegriff anspricht wie die Zuverlässigkeitsgrundsätze. Durch das Zertifikat nach der Verteidigungsgüter-RL bescheinigt das BAFA die Zuverlässigkeit des Antragsstellers mit Blick auf dessen Fähigkeit, Ausfuhrbestimmungen einzuhalten, die er im Rahmen einer Genehmigung aus einem anderen Mitgliedstaat der EU bezieht.324 Mit der Zertifizierung soll also ausschließlich die Zuverlässigkeit des Empfängerunternehmens bescheinigt werden und nicht, wie bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen, die Zuverlässigkeit des Lieferanten im Sinne der §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG.325 Nur wenn der Empfänger von Verteidigungsgütern in seinem Mitgliedstaat zertifiziert ist, darf der Lieferant im anderen Mitgliedstaat von einer dort erteilten Allgemeingenehmigung Gebrauch machen.326 Der Vorteil des zertifizierten Unternehmens liegt somit nicht in der erleichterten Ab­wicklung seiner Ausfuhren, sondern in dem vereinfachten Erhalt von Rüstungsgütern und damit schlussendlich in der Sicherung der Zulieferkette.327 Konsequent stellt das BAFA für den Ausfuhrverantwortlichen innerhalb des Zertifizierungsantrags auch eine gesonderte – also von den die Zuverlässigkeitsgrundsätze betreffenden Formularen „AV  1“328 und „AV 2“329 unabhängige – Verpflichtungserklärung zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben hinsichtlich der Endverwendung der empfangenen Güter zur Verfügung.330 Der leitende Mitarbeiter in § 2 Abs. 2 AWV ist damit eher ein „Einfuhrverantwortlicher“ als ein Ausfuhrverantwortlicher im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Auch wenn in der Praxis in der Regel Personalunion vorliegen wird, sind die Zertifizierungskriterien in § 2 Abs. 2 AWV nicht unmittelbar auf die vier Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen übertragbar. Unberührt bleibt freilich die Ausstrahlungswirkung des § 2 Abs. 2 AWV auf den gesamten deutschen Außenwirt324  Dazu Bartelt, AW-Prax 2011, S. 262 (263); siehe auch Steinbach, in: Krenzler/ Herrmann/Niestedt, Außenwirtschaftsrecht und Zollrecht, Art. 9 VerteidigungsgüterRL Rn. 6. 325  BAFA, Zertifizierungsverfahren-Merkblatt, S. 2; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWV Rn. 4. 326  Vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. b Verteidigungsgüter-RL; dazu Friedrich, in: Hocke/ Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWV Rn. 4. 327  So explizit auch BAFA, Zertifizierungsverfahren-Merkblatt, S. 2. 328  Nachweis in Teil 2, Fn. 77. 329  Nachweis in Teil 2, Fn. 82. 330  Siehe Nr. 5.2 des Antrags auf Erteilung eines Zertifikats nach §§ 9 AWG, 2 AWV und Art. 9 der Verteidigungsgüter-RL, abrufbar unter: http://www.bafa.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Aussenwirtschaft/afk_zertifizierung_antrag-auf-ertei lung.pdf?__blob=publicationFile&v=3; dazu Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/ Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWV Rn. 8.

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schaftsverkehr als dessen eindeutige gesetzliche Compliance-Vorschrift.331 Die Zertifizierungskriterien können zumindest als Auslegungshilfe zur Ermittlung des Pflichtenumfangs in der Exportkontrolle dienen. Sie sind jedoch weder verallgemeinerungsfähig, noch dienen sie als Ausfüllungsvorschrift für die Zuverlässigkeitsgrundsätze.332

E. ICP-Merkblatt Die ergiebigste Quelle für den Umfang der Aufgaben und Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen stellt schließlich das vom BAFA herausgegebene ICP-Merkblatt über firmeninterne Exportkontrolle dar. Bei dem ICP-Merkblatt handelt es sich um eine 25-seitige digitale Broschüre, die für jedermann zum kostenlosen Download auf der Webseite des BAFA zur Verfügung gestellt wird.333 Sein Inhalt baut laut der Angaben des BAFA auf den Zertifizierungskriterien nach der Verteidigungsgüter-RL auf, die aber weiterentwickelt wurden, um einen Standard für alle außenwirtschaftsrechtlich motivierten innerbetrieblichen Exportkontrollsysteme zu schaffen.334 Dadurch, dass das ICP-Merkblatt inhaltlich direkten Bezug auf die vier Grundpflichten nach Nr. 2 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze nimmt335, darf es als Verhaltensanleitung für den Ausfuhrverantwortlichen angesehen werden. Nachfolgend wird erneut zunächst der Regelungsgehalt erschlossen und bewertet (I.). Anschließend gilt es allerdings die rechtliche Verbindlichkeit zu hinterfragen (II.).

I. Erschließung und Bewertung des Regelungsgehalts Im ICP-Merkblatt gibt das BAFA einerseits Empfehlungen an Unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortliche ab, wie sie ein möglichst wirksames innerbetriebliches Exportkontrollsystem (englisch: Internal Compliance Programme, im Folgenden: ICP) implementieren. Unter einem ICP versteht das BAFA Betriebsabläufe, welche die Einhaltung der im Außenwirtschaftsverkehr geltenden Bestimmungen gezielt unterstützen.336 Andererseits veran331  Dazu Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (402). 332  Siehe auch Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 11. 333  Mittlerweile in der 2. Auflage, abrufbar unter: http://www.bafa.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Aussenwirtschaft/afk_merkblatt_icp.pdf?__blob=publicationFile &v=5. 334  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 12. 335  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 4. 336  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 3; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 70.



E. ICP-Merkblatt95

schaulicht das BAFA seinen eigenen Erwartungshorizont hinsichtlich der Ausgestaltung des ICP und damit gleichzeitig hinsichtlich seiner Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Exporteuren im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO.337 Auch das ICP-Merkblatt weist hinsichtlich seines Adressatenkreises mithin einen Hybridcharakter auf, der im Rahmen der rechtlichen Verbindlichkeit (II.) noch eingehender untersucht werden muss. Ein außenwirtschaftliches ICP umfasst nach Auffassung des BAFA jedenfalls die folgenden neun Elemente:338 1. Bekenntnis der Unternehmensleitung zu den Zielen der Exportkontrolle 2. Risikoanalyse 3. Aufbauorganisation/Verteilung von Zuständigkeiten 4. Personelle und technische Mittel, Arbeitsmittel 5. Ablauforganisation 6. Führen von Aufzeichnungen und Aufbewahrung von Unterlagen 7. Personalauswahl, Schulungen und Sensibilisierungen 8. Interne Prüfung/Überwachung/Korrekturmaßnahmen/Hinweisgebersystem 9. Physische und technische Sicherheit Diese neun sog. ICP-Kriterien erinnern stark an die Anforderungen, die auch andere – insbesondere private – Compliance Management Standards an die Implementierung innerbetrieblicher Kontrollsysteme stellen.339 Die abstrakte Auflistung offenbart – abgesehen vom ersten Kriterium – noch nicht einmal einen spezifischen Exportbezug. Vielmehr scheint es sich um allgemeine Organisations-, Aufsichts- und Sorgfaltspflichten zu handeln, wie sie die Rechtsprechung etwa für die erforderliche bzw. gehörige Aufsicht im Sinne des § 130 OWiG formuliert hat.340 Derartige Regelwerke geben allerdings stets nur einen Rahmen bzw. Mindestinhalt vor. Hervorgehoben wird, dass die Ausgestaltung des Kontrollsystems im Einzelnen von den konkretindividuellen Gegebenheiten im Unternehmen abhängt. Auch das BAFA er337  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 4. Obwohl das ICP-Merkblatt lediglich den Erwartungshorizont des BAFA widerspiegelt, dürften für die Zuverlässigkeitsprognose der Bundesregierung gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG ähnliche Kriterien eine Rolle spielen. 338  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 12; siehe auch Beutel/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 73 (74). 339  Siehe nur die Vorgaben der Compliance Management Standards DIN ISO 19600, ISO 37001 sowie IDW PS 980; dazu eingehend Makowicz, Globale Compliance Management Standards, S. 82 ff. 340  Siehe dazu und zum Folgenden noch eingehend S. 268 ff.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

läutert zwar alle neun ICP-Kriterien noch weiter341, jedoch werden den Unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortlichen bei der Erfüllung im Einzelnen weitgehende Freiräume zugestanden. Es gebe insbesondere kein „Mus­ ter“-ICP.342 Vielmehr betont das BAFA, dass die Ausgestaltung eines jeden ICP von individuellen Faktoren, wie der Größe des Unternehmens, dem Produktportfolio, den Kunden bzw. Geschäftspartnern, den personellen Kapazitäten oder der Exportquote, abhängig ist.343 Erwartet wird, dass sich der Ausfuhrverantwortliche durch eine Risikoanalyse selbst ein Bild von den unternehmenseigenen Compliance-Risiken macht und dementsprechende Maßnahmen formuliert.344 Dies bedeutet indessen nicht, dass das BAFA den Inhalt des ICP vollständig dem Gutdünken des Ausfuhrverantwortlichen überantwortet. In Anlehnung an die gesetzlichen Ermessensnormen des Verwaltungsrechts differenziert das BAFA im ICP-Merkblatt zwischen Muss-, Soll- und Kann-Vorschriften.345 Muss-Vorschriften sind als zwingendes Gebot formuliert und enthalten Mindestanforderungen, von denen nicht abgewichen werden darf.346 So muss beispielsweise die Gesamtverantwortung im Unternehmen für das Thema „Exportkontrolle“ schriftlich festgelegt und bekannt gemacht werden.347 Nach den Soll-Vorschriften sind Unternehmen dagegen lediglich in der Regel dazu verpflichtet, sich entsprechend zu verhalten.348 Von Soll-Vorschriften dürfen Unternehmen also im Einzelfall abweichen, wenn unternehmensinterne Gründe ausnahmsweise gegen deren Befolgung sprechen.349 Die interne Ablauforganisation soll z. B. sicherstellen, dass keine Transaktion ohne die erforderliche Genehmigung oder unter Missachtung bestehender Verbote erfolgt.350 Die Kann-Vorschriften betrachtet das BAFA schließlich als bloße Empfehlungen und damit als gänzlich unverbindlich. Bei prozessbezogenen Kontrollen kann 341  BAFA,

ICP-Merkblatt, S. 13 ff. ICP-Merkblatt, S. 4; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 70; ähnlich auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 89  ff.; Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (82). 343  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 4, 14; so auch Beutel auf dem 11. Exportkontrolltag 2017, zusammengefasst von Ott, AW-Prax 2017, S. 163 (165); ähnlich Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 89 ff.; zu den besonderen Anforderungen an den Ausfuhrverantwortlichen in wissenschaftlich tätigen Unternehmen Kochendörfer/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 97 (98 f.). 344  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 13; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 70; dazu Wermelt/ Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (82). 345  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 12; dazu Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (82). 346  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 12. 347  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 13. 348  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 12. 349  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 12. 350  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 16. 342  BAFA,



E. ICP-Merkblatt97

beispielsweise mittels Freigabe im Vier-Augenprinzip oder Stichproben sichergestellt werden, dass Transaktionen ICP-konform gehandhabt werden.351 Eine eingehendere Betrachtung der einzelnen ICP-Kriterien unterbleibt an dieser Stelle allerdings noch, da zur Ermittlung der rechtlichen Grundlagen für den Ausfuhrverantwortlichen zunächst ein Blick auf die rechtliche Verbindlichkeit des ICP-Merkblatts geworfen werden muss.352

II. Rechtliche Verbindlichkeit Die rechtliche Verbindlichkeit des ICP-Merkblatts hängt – wie jene der Zuverlässigkeitsgrundsätze – entscheidend von dessen Rechtsnatur ab. Aufgrund der bisher defizitären Behandlung der Rechtsnatur des ICP-Merkblatts im Schrifttum kommen im Ausgangspunkt eine Vielzahl verwaltungsrecht­licher Handlungsformen in Betracht. Das ICP-Merkblatt könnte als Rechtsverordnung (1.), als Verwaltungsakt bzw. Allgemeinverfügung (2.) oder als informelles Verwaltungshandeln bzw. Verwaltungsvorschrift (3.) ergangen sein. 1. ICP-Merkblatt als Rechtsverordnung Die nach Muss-, Soll- und Kann-Vorschriften abgestufte Formulierung des ICP-Merkblatts erweckt den Eindruck, dass zumindest gewisse Kriterien für Antragsteller im Ausfuhrgenehmigungsverfahren verbindlich sind. Anders als im Fall der Zertifizierungskriterien, die in § 2 Abs. 2 AWV festgeschrieben wurden, fehlt dem Inhalt des ICP-Merkblatts jedoch eine materiell-gesetz­ liche Entsprechung. Aufgrund seines vorrangig verwaltungsexternen Adressatenkreises und seiner abstrakt-generell gehaltenen Vorschriften müsste es sich bei dem ICP-Merkblatt jedoch eigentlich trotzdem um eine Rechtsverordnung handeln.353 Dem BAFA mangelt es indessen an einer den §§ 4, 5, 12 AWG entsprechenden Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Beschränkung des Außenwirtschaftsverkehrs. Diese Handlungsform ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 AWG originär der Bundesregierung und hiervon abweichend in den Fällen des §§ 4 Abs. 2, 12 Abs. 1 Satz 2 AWG dem BMWi im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Finanzen vorbehalten. Eine verordnungsrechtliche Rechtsgrundlage für den Erlass von delegierten Rechtsverordnungen im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG existiert nicht.354 Damit kann das BAFA 351  BAFA,

ICP-Merkblatt, S. 21. stattdessen nachfolgend noch S. 273 ff. 353  Zu den Qualifikationsmerkmalen von Rechtsverordnungen bereits S. 78 ff. 354  Ausführlich Epping, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 12 AWG Rn. 3 ff.; Sachs, in: Rüsken, Zollrecht, § 12 AWG Rn. 7 ff. 352  Siehe

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Teil 2: Rechtliches Fundament

bereits nicht auf die Handlungsform der Rechtsverordnung zurückgreifen, geschweige denn die strengen formalen Voraussetzungen für den Erlass der Zustimmungsverordnungen nach dem AWG durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften umgehen.355 Das ICP-Merkblatt kann also trotz seines verwaltungsexternen Adressatenkreises von vornherein keine allgemeinverbindliche Rechtsverordnung darstellen. 2. ICP-Merkblatt als Verwaltungsakt bzw. Allgemeinverfügung Dem ICP-Merkblatt könnte stattdessen die Qualität eines Verwaltungsakts im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG bzw. einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG zukommen. Voraussetzung hierfür wäre gemäß § 35 Satz 1 VwVfG unter anderem, dass das ICP-Merkblatt selbst auf die unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dies setzt wiederum die konstitutive Gestaltung der Rechtslage außerhalb des Verwaltungsinternums voraus, die gegebenenfalls durch Vollstreckung herbeiführbar wäre.356 Die Auswirkungen des ICP-Merkblatts auf die Antragsteller im Ausfuhrgenehmigungsverfahren sind indessen allenfalls faktisch-mittelbar. Im ICP-Merkblatt verdeutlicht das BAFA, dass es nur jene Unternehmen für zuverlässig hält, die über ein angemessenes ICP verfügen. Zwar wird die Zuverlässigkeit des Antragstellers im Regelfall unterstellt357, weist der Antragsteller jedoch im Fall der Nachprüfung durch das BAFA entsprechende Strukturen nicht vor, wird ihm so schnell auch keine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden.358 Ex355  Siehe nur das Vorgehen der Bundesregierung beim Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze, dazu S. 78 ff. 356  Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 142 ff.; zu den Merkmalen des Verwaltungsakts im Einzelnen Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 9 Rn.  6 ff. m. w. Nachw. 357  Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (404); siehe auch den Beitrag von Beutel auf dem 11. Exportkontrolltag 2017, zusammengefasst von Ott, AW-Prax 2017, S. 163 (165). 358  Daran anknüpfend werden auch bestimmte Verfahrensprivilegien nur gewährt, wenn ein sorgfältig ausgearbeitetes und praktiziertes ICP nachgewiesen wird. Eines dieser Privilegien ist die bereits angesprochene Zertifizierung nach Art. 9 Verteidigungsgüter-RL, die den Erhalt von Verteidigungsgütern aus dem EU-Ausland vereinfacht. Daneben besteht bei der Ausfuhr von Dual-Use-Gütern die Möglichkeit, durch eine sog. Sammel- bzw. Globalausfuhrgenehmigung gleich eine Vielzahl gleichgelagerter Transaktionen zu legalisieren, um nicht jedes Mal aufs Neue eine Einzelausfuhrgenehmigung beantragen zu müssen, siehe BAFA, ICP-Merkblatt, S. 10; siehe auch § 4 AWV, Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 Dual-Use-VO; dazu Merz, FS Wolffgang, S. 83 (106 ff.); Sachs/Krebs, CCZ 2013, S. 12 (14). Gemäß Art. 12 Abs. 2 Dual-Use-VO müssen die Ausfuhrbehörden der Mitgliedstaaten bei der Bewertung eines Antrags auf eine Globalgenehmigung allerdings berücksichtigen, ob der Ausführer angemessene und verhältnismäßige Mittel und Verfahren anwendet, um die Einhaltung der



E. ICP-Merkblatt99

portierende Unternehmen werden daher regelmäßig den Empfehlungen des BAFA nachkommen, um Genehmigungen zu erlangen. Dadurch ermöglicht ein ICP nach den Vorgaben des ICP-Merkblatts exportfokussierten Unternehmen letztlich überhaupt erst den Marktzugang.359 Zugleich wird aber niemand gezwungen, die Vorgaben im eigenen Unternehmen umzusetzen. Insbesondere fehlt es an einer konkreten Vollstreckungsmöglichkeit der Vorschriften des ICP-Merkblatts.360 Unternehmen sollen lediglich über den Erwartungshorizont des BAFA bei der Zuverlässigkeitsprüfung aufgeklärt ­ werden, um ihr Verhalten selbstständig daran ausrichten zu können. Das ICP-Merkblatt stellt also eher eine behördliche Wissenserklärung361 und keinen Verwaltungsakt bzw. eine Allgemeinverfügung dar. 3. ICP-Merkblatt als informelles Verwaltungshandeln bzw. Verwaltungsvorschrift Aufgrund der schlichten Kundgabe einer Rechtsauffassung durch das BAFA kommt als Rechtsnatur des ICP-Merkblatts noch rein informelles Verwaltungshandeln in Betracht.362 Unter informellem Verwaltungshandeln versteht man Realakte, durch die Behörden mit der Bevölkerung kommunizieren, indem sie hinsichtlich bestimmter Sachverhalte informieren, warnen, belehren oder Empfehlungen abgeben.363 Auf diese Handlungsform wird insbesondere dann zurückgegriffen, wenn flexibel und schnell auf politische Bestimmungen und Ziele der Dual-Use-VO und der Genehmigungsauflagen zu gewährleisten. Diese gegenüber dem Einzelantragsverfahren erhöhten Anforderungen müssen sich für das BAFA wiederum im ICP des Antragstellers widerspiegeln. Auch im Zollverfahren bietet ein ICP einen Wettbewerbsvorteil. Beteiligte Unternehmen können durch den Nachweis angemessener exportbezogener Sicherheitsmaßnahmen den Status des sog. Authorized Economic Operator (AEO) erlangen, siehe BAFA, ICP-Merkblatt, S. 22  f.; siehe auch Art. 38  ff. Unionszollkodex i.  V.  m. Art. 24  ff. Unions­zollkodex-DVO; vgl. dazu Sachs/Krebs, CCZ 2013, S. 12 (14 f.). Das von den Zollbehörden auf Antrag ausgestellte AEO-Zertifikat bietet dem beteiligten Unternehmen zollverfahrensrechtliche Vereinfachungen und Privilegien, dazu im Einzelnen Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (412). 359  Gündel/Feiler, CB 2013, S. 236 (238); Sachs/Krebs, CCZ 2013, S. 12 (13); Wolffgang/Witte, CB 2015, S. 138. 360  Zur Möglichkeit der Durchführung einer Zuverlässigkeits- bzw. Außenwirtschaftsprüfung siehe jedoch S. 67 ff. 361  Vgl. Voßkuhle/Kaiser, JuS 2018, S. 343. 362  In diese Richtung auch Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (82); vgl. auch Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 88 zum Vorgänger des ICP-Merkblatts, den „Empfehlungen für die betriebliche Behandlung genehmigungspflichtiger Exporte“ (Teil 2, Fn. 46). 363  Siehe Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 264; Martini/Kühl, JURA 2014, S. 1221; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2018, S. 343.

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Gemengelagen oder Gefährdungssituationen reagiert werden muss.364 Klassische Beispiele für informelles Verwaltungshandeln sind die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung im Wahlkampf365, Warnungen der Bundesregierung vor gefährlichen Lebensmitteln, wie z. B. durch das Frostschutzmittel Glykol366 verunreinigtem Wein oder vor der Jugendsekte Osho367, Äußerungen des Bundespräsidenten368 und Mitgliedern der Bundesregierung369 über politische Parteien sowie Verfassungsschutzberichte370. Informelles Verwaltungshandeln zielt mithin stets auf die faktisch-mittelbare Verhaltenssteuerung der Bevölkerung ab, ohne jedoch selbstständig vollstreckbare Rechtspflichten zu begründen. Dem Einzelnen bleibt es grundsätzlich selbst überlassen, wie er mit der hoheitlichen Wissenserklärung umgeht. Wie in den genannten Fällen dient auch das ICP-Merkblatt der faktischmittelbaren Verhaltenssteuerung. Unternehmen werden über die Kriterien des BAFA bei der Zuverlässigkeitsbeurteilung informiert, woraufhin sie ihr eigenes Verhalten entsprechend ausrichten sollen. Im ICP-Merkblatt wird jedoch nicht nur von behördlicher Seite auf einen konkreten Sachverhalt aufmerksam gemacht oder eine politische Meinung geäußert, sondern vielmehr eine allgemeine Rechtsauffassung kundgegeben. Ein vergleichbares behördliches Vorgehen findet sich im Banken- und Kapitalmarktrecht. Dort veröffentlicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als eine dem Bundesministerium für Finanzen nachgeordnete Aufsichtsbehörde regel­ mäßig Richtlinien, Mitteilungen, Rundschreiben und Merkblätter371, in denen sie ihre Auslegung aufsichtsrechtlicher Vorschriften darstellt, um den beaufsichtigten Unternehmen eine Verhaltensanleitung für rechtskonformes Verhalten im Finanzdienstleistungssektor zu bieten.372 Eine in Inhalt und ­Struktur an das ICP-Merkblatt erinnernde Veröffentlichung stellt das jüngste ­BaFin-Rundschreiben „MaRisk“ betreffend die Mindestanforderungen an das Risikomanagement gemäß § 25a KWG dar. Das MaRisk kann auf der Web364  Martini/Kühl,

JURA 2014, S. 1221. BVerfG NJW 1977, S. 751 ff. 366  BVerfG NJW 2002, S. 2621 ff.; eingehend zur Bedeutung behördlicher Stellungnahmen im Rahmen der strafrechtlichen Produkthaftung Große Vorholt, Behördliche Stellungnahmen, S. 40 f., 188 ff. 367  BVerfG NJW 2002, S. 2626 ff. 368  BVerfG NVwZ 2014, S. 1156 ff. 369  BVerfG NVwZ 2015, S. 209 ff. (Schwesig); NVwZ 2016, S. 241 ff. (Wanka). 370  BVerfG NJW 2005, S. 2912 ff. 371  Überblick über die Handlungsformen und Befugnisse der BaFin bei Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG/CRR-VO, § 6 KWG Rn. 9 ff.; ders., in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Teil 2 Kap. 1 Rn. 33 ff. 372  Nestler, Bank- und Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 151; Weber-Rey/Baltzer, in: Hopt/Wohlmannstetter, Corporate Governance, 3. Teil I. C. I. 1. 365  Dazu



E. ICP-Merkblatt101

seite der BaFin abgerufen werden373 und richtet sich seinem Wortlaut nach, wie das ICP-Merkblatt, in erster Linie an private Unternehmen. Inhaltlich werden insbesondere die organisatorischen Anforderungen an Kreditinstitute gemäß § 25a KWG konkretisiert. Dazu verdeutlicht die BaFin ihre Rechtsauffassung hinsichtlich der Mindestvoraussetzungen für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sowie ein entsprechend wirksames Risikomanagements, um Verstöße gegen das Banken- und Kapitalmarktrecht zu verhindern. Dazu zählen unter anderem die Erläuterung und Definition der von der BaFin vorausgesetzten Risikokultur, der Risikotragfähigkeit, des internen Kontrollsystems bzw. -verfahrens, des Datenmanagements oder der Organisation und Dokumentation.374 Wie im ICP-Merkblatt wird also auch bei den Rundschreiben der BaFin der eigene behördliche Entscheidungshorizont fixiert und privaten Unternehmen zugängig gemacht. Da die BaFin, wie schon das BAFA, insoweit über keine entsprechende gesetzliche Verordnungsermächtigung verfügt, werden ihre Rundschreiben und Leitfäden in der Rechtsprechung sowie nach herrschender Ansicht im Schrifttum als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften eingestuft.375 Dies vermag auf den ersten Blick zu verwundern, da der Adressatenkreis der Rundschreiben in erster Linie aus den beaufsichtigten Unternehmen außerhalb des Verwaltungsapparats besteht und norminterpretierende Verwaltungsvorschriften typischerweise als interne Auslegungshilfe für Behörden fungieren.376 Die für Verwaltungsvorschriften charakteristische inner- bzw. intra­ exekutivische Bindungswirkung wird jedoch damit begründet, dass sich die BaFin durch die Offenlegung ihrer Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in finanzaufsichtsrechtlichen Vorschriften im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG selbst bindet.377 Die Rundschreiben sind also für die Mitarbeiter der BaFin insofern verbindlich, als sie von der veröffentlichten Auslegung nicht 373  https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/ 2017/rs_1709_marisk_ba.html. 374  Dazu im Einzelnen Dürselen/Schulte-Mattler, WM 2018, S. 1237 ff.; Dürselen/ Schulte-Mattler, WM 2018, S. 1289 ff.; siehe auch Nestler, Bank- und Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 152 zum Vorgänger des MaRisk von 2012 (Rundschreiben 10/2012 (BA) zu den Mindestvoraussetzungen an das Risikomanagement). 375  BGH NJW-RR 2008, S. 865 (868); Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rn. 97; Weber-Rey/Baltzer, in: Hopt/Wohlmannstetter, Corporate Governance, 3. Teil I. C. I. 1; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, Rn. 26; Herz, EuZW 2017, S. 993 (994); Krimphove, BKR 2018, S. 1 (4); Langen, BKR 2009, S. 309 (316); Lohmann/Gebauer, BKR 2018, S. 244 f.; Mülbert, BKR 2006, S. 349 (354 f.); Pattberg/Bredol, NZG 2013, S. 87 (88). 376  Nestler, wistra 2015, S. 329 (331); siehe zudem bereits S. 82 ff. 377  Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrecht, § 107 Rn. 8; Sasserath-Alberti, in: MüKo-VVG, Bd. 3, Abschn. 100 Rn. 104; Baumanns, BKR 2016, S. 366 (370); Mülbert, BKR 2006, S. 349 (354).

102

Teil 2: Rechtliches Fundament

willkürlich zum Nachteil der Betroffenen abweichen dürfen.378 Darüber hi­ naus sind die Rundschreiben allerdings weder in der Lage, gegenüber den adressierten Unternehmen noch gegenüber den Gerichten eine wie auch immer geartete Rechtsverbindlichkeit zu entfalten, da es sich lediglich um die Kundgabe der Rechtsauffassung der BaFin handelt.379 Hiervon zu trennen ist freilich die ganz erhebliche faktisch-mittelbare Außenwirkung, welche die Rundschreiben für die beaufsichtigten Unternehmen entfalten, wenn Letztgenannte den Anforderungen der BaFin an eine ordnungsgemäße Geschäfts­ organisation bzw. ein wirksames Risikomanagement, z. B. im Sinne des § 25a KWG, gerecht werden wollen.380 Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, auch das ICP-Merkblatt als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift anzusehen. Insbesondere trägt man dem spezifischen Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers im Ausfuhrgenehmigungsverfahren gemäß Art. 19 Abs. 4 GG am besten Rechnung, wenn man zumindest mit Blick auf die Auslegung einzelner für die Zuverlässigkeitsprognose bedeutsamer Rechtsbegriffe von der Selbstbindung der Verwaltung ausgeht.381 Zwar vermitteln Behörden auch bei informellem Verwaltungshandeln häufig den Eindruck der Richtigkeit und Objektivität der Wissenserklärung, sodass bei der Bevölkerung ein entsprechender Vertrauenstatbestand entstehen kann.382 Informelles Verwaltungshandeln ist jedoch, wie soeben gesehen, in der Regel situativ auf einen konkreten Sachverhalt beschränkt. Deshalb lassen norminterpretierende Verwaltungsvorschrif-

378  Weber-Rey/Baltzer, in: Hopt/Wohlmannstetter, Corporate Governance, 3. Teil I. C. I. 1.; Nestler, wistra 2015, S. 329 (332). 379  Hessischer VGH vom 31.05.2006 – 6 UE 3256/05, Rn. 72, zitiert nach juris; Weber-Rey/Baltzer, in: Hopt/Wohlmannstetter, Corporate Governance, 3. Teil I. C. I. 1.; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, Rn. 26; Bürkle, in: ders., Compliance in Versicherungsunternehmen § 2 A. 2. Rn. 15; Langen, BKR 2009, S. 309 (316); Merkner/ Sustmann, NZG 2005, S. 729 f. 380  Schäfer, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Teil 2 Kap. 2 Rn. 15; Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, Rn. 26; Himmelsreich, Insiderstrafverfolgung, S. 65; Krimphove, BKR 2018, S. 1 (4); Nestler, wistra 2015, S. 329 (331 f.). 381  Dieser Anspruch kann freilich nur insoweit bestehen, als das BAFA gewisse Anforderungen einheitlich an das ICP sämtlicher Unternehmen stellt. Die Zuverlässigkeitsprüfung erfordert demgegenüber eine individuelle Gefahrenprognose hinsichtlich jedes einzelnen Antragstellers, siehe dazu bereits S. 30 ff., 67 ff. Unternehmensübergreifende Anforderungen an die Zuverlässigkeit dürften jedoch immerhin in den im ICP-Merkblatt genannten Mindestvoraussetzungen an unternehmensinterne Exportkontrolle zu sehen sein, dazu noch S. 268 ff. Gegen eine verwaltungsinterne Bindungswirkung ohne nähere Begründung dagegen Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (82). 382  Dazu sowie zur damit einhergehenden Grundrechtsrelevanz Martini/Kühl, JURA 2014, S.  1221 ff. m. w. Nachw.



F. Ergebnisse – Teil 2103

ten als abstrakt-generelle Bestimmungen den tragfähigeren Vergleich mit der behördlichen Kundgabe einer Rechtsauffassung zu. Letztlich kommt es für die vorliegende Untersuchung ohnehin nicht auf eine Entscheidung zwischen den beiden Handlungsformen an, da das ICPMerkblatt sowohl als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift als auch als informelles Verwaltungshandeln nicht in der Lage ist, eine für Bürger und Gerichte unmittelbar rechtsverbindliche Grundlage hinsichtlich des Pflichtenprogramms des Ausfuhrverantwortlichen zu schaffen. Das ICP-Merkblatt könnte in dieser Hinsicht auch genauso gut mit Compliance-Katalogen, wie dem Wirtschaftsprüferstandard IDW PS 980 oder den internationalen Managementrichtlinien des ISO 19600, verglichen werden, die von privaten Fachgremien als Empfehlungen für eine ordnungsgemäße Unternehmens­ organisation in bestimmten Wirtschaftskreisen herausgegeben werden und daher ebenfalls keinerlei rechtliche Bindungswirkung entfalten.383 Unberührt bleibt hiervon – wohlgemerkt – der ganz erhebliche faktische Umsetzungsdruck, der von dem ICP-Merkblatt ausgeht.384

F. Ergebnisse – Teil 2 Trotz der empfundenen Dringlichkeit der Intensivierung des Rechtsgüterschutzes im Nachgang an die Ausfuhrskandale der ausgehenden 1980er Jahre baute der Gesetzgeber hinsichtlich des Ausfuhrverantwortlichen auf ein – zumindest rechtlich betrachtet – wenig tragfähiges Fundament. Das formelle Außenwirtschaftsrecht enthält nur durch das genehmigungsrechtliche Kriterium der Zuverlässigkeit gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO einen Hinweis auf die Erforderlichkeit der Selbstregulierung durch innerbetriebliche Exportkontrolle. Die konkrete Ausgestaltung der innerbetrieblichen Exportkontrolle erfolgt sodann durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze der Bundesregierung sowie das ICP-Merkblatt des BAFA. Protagonist beider Vorschriftenkomplexe ist der Ausfuhrverantwortliche. Letztgenannter findet zwar zusätzlich in dem „leitenden Angestellten“ gemäß § 2 Abs. 2 AWV eine Entsprechung; der Anwendungsbereich dieser Vorschrift deckt sich jedoch nicht mit dem der Zuverlässigkeitsgrundsätze bzw. dem des ICP-Merkblatts und ist zudem auf den

383  Siehe Böttcher, NZG 2011, S. 1054 (1055); Scherer/Fruth, CCZ 2015, S. (9) 12 f.; Schmidt/Wermelt/Eibelshäuser, CCZ 2015, S. 18 f.; Withus/Kunz, BB 2015, S.  685 ff. 384  Kreuder, CCZ 2008, S. 166 (169) („faktischer Befolgungszwang“); Wermelt/ Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (82); zu den Wettbewerbsvorteilen eines ICP insbesondere Sachs/Krebs, CCZ 2013, S. 12 (13 ff.).

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Teil 2: Rechtliches Fundament

Sonderfall der Zertifizierung nach Art. 9 Verteidigungsgüter-RL zugeschnitten. Die Rechts- und Pflichtenstellung des Ausfuhrverantwortlichen lässt sich damit grundsätzlich nur aus den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und dem ICPMerkblatt herleiten. Allerdings geben weder die Zuverlässigkeitsgrundsätze noch das ICP-Merkblatt Unternehmen in rechtsverbindlicher Weise vor, bestimmte Aufgaben und Pflichten bei einem Geschäftsleitungsmitglied als dem Ausfuhrverantwortlichen zu konzentrieren. Ursache für die fehlende rechtliche Verbindlichkeit ist die Rechtsnatur der genannten Vorschriftenkomplexe. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze lassen sich aufgrund ihres ambivalenten Adressatenkreises sowohl als allgemeine Verwaltungsvorschriften im Sinne des Art. 86 Satz 1 GG als auch als Rechtsverordnung im Sinne des Art. 83 Abs. 1 Satz 1 GG, § 4 Abs. 1 AWG einordnen. Allerdings entfalten sie weder als Verwaltungsvorschrift noch als Rechtverordnung rechtliche Bindungs­ wirkung. Als Verwaltungsvorschrift fehlt Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze, die den Ausfuhrverantwortlichen sowie dessen Aufgaben- und Pflichtenstellung beschreibt, die unmittelbar rechtliche Außenwirkung. Die Vorschrift wirkt lediglich norminterpretierend – und damit innerexekutiv. Die Anforderungen, die in Rechtsprechung und Schrifttum an die ausnahmsweise außenrechtsverbindlichen, sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften gestellt werden, werden durch Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze nicht erfüllt. Aber auch als Rechtsverordnung kann Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze keine rechtliche Bindungswirkung entfalten. Grund ist die formelle Rechtswidrigkeit der Vorschrift. Die Bundesregierung war zwar gemäß §§ 4 Abs. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 AWG für den Erlass entsprechender Rechtsverordnungen zuständig, jedoch wurde das für die Zustimmungsverordnungen nach § 12 Abs. 4 AWG erforderliche formelle Beteiligungsverfahren nicht eingehalten. In Ermangelung einer entsprechenden Verordnungsermächtigung zugunsten des BAFA scheidet die Rechtsverordnung als Rechtscharakter des ICPMerkblatts von vornherein aus. Das ICP-Merkblatt lässt sich vielmehr am besten mit den Rundschreiben der BaFin vergleichen, bei denen es sich norminterpretierende Verwaltungsvorschriften handelt. Auch dem ICP-Merkblatt fehlt damit die unmittelbar rechtliche Außenwirkung. Aus der Perspektive der Unternehmen wird lediglich eine behördliche Rechtsauffassung kundgegeben, die sich de facto nicht von privaten Compliance-Maßnahmenkatalogen unterscheidet.



F. Ergebnisse – Teil 2105

Der Ausfuhrverantwortliche wird von Bundesregierung und BAFA mithin auf „Soft law“385 gestützt. Trotz der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit besteht aber ein erheblicher faktischer Umsetzungsdruck für Unternehmen hinsichtlich der Vorgaben der Zuverlässigkeitsgrundsätze und des ICP-­ Merkblatts. An Unternehmen ohne einen Ausfuhrverantwortlichen, der ein wirkungsvolles innerbetriebliches Exportkontrollsystem implementiert und durchführt, werden keine Genehmigungen hinsichtlich der Ausfuhr gelisteter Rüstungsgüter erteilt. Wie sich die Disproportionalität aus rechtlicher Unverbindlichkeit und faktischem Befolgungszwang auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen auswirkt, wird im Folgenden noch aufzuzeigen sein.

385  Kreuder, CCZ 2008, S. 166 (169); allgemein zu diesem Begriff im Zusammenhang mit untergesetzlichen Verhaltensregeln Stehr/Struwe, in: Schulz, ComplianceManagement, S. 352 ff.; zur Kritik hinsichtlich der Regelungstechnik im Allgemeinen Arndt, Sinn und Unsinn, S. 88 ff.; ferner im Zusammenhang mit völkerrechtlichem Soft Law Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (217 f.).

Teil 3

Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit Im Nachgang an die Ermittlung der genehmigungsrechtlichen Grundlagen wendet sich die Untersuchung nunmehr der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen zu. Die zunächst in den Blick genommene allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit kennzeichnet in diesem Zusammenhang die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Ausfuhrverstöße, wie sie das Außenwirtschaftsstrafrecht in den §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV, 19 ff. KWKG festschreibt.1 Ziel der Ausführungen in Teil 3 ist es, herauszuarbeiten, inwieweit sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwort­lichen bereits aus dem Außenwirtschaftsstrafrecht selbst – also noch ungeachtet der soeben beleuchteten genehmigungsrechtlichen Spezialvorschriften – ergibt. Die Ermittlung der allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit steckt damit zugleich das verbleibende Areal für eine etwaige besondere Ausfuhrverantwortlichkeit ab, der sich sodann in Teil 4 angenommen wird. In Teil 3 gilt es dagegen, in einem ersten Schritt die allgemeine Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte im Sinne einer aktiven Mitwirkung des Ausfuhrverantwortlichen an Ausfuhrverstößen zu untersuchen (A.). In einem zweiten Schritt wird die Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte in den Blick genommen, bei denen der Ausfuhrverantwortliche angesichts drohender Ausfuhrverstöße ­ untätig bleibt (B.).

A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte Das Außenwirtschaftsstrafrecht wird durch die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV, 19 ff. KWKG geregelt. Diese beschreiben als „Besonderer Teil“ eine Vielzahl von Verhaltensweisen, deren Vornahme vom Gesetzgeber als gefährlich eingestuft wird.2 Hierzu zählen beispielsweise das Herstellen von biologischen und chemischen Waffen (§ 20 1  Die Dual-Use-VO sieht keine eigenen Straftatbestände vor. Vielmehr überlässt sie es jedem Mitgliedstaat, selbst wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festlegen, die bei Verstößen gegen ihre Bestimmungen zu verhängen sind, siehe ErwGr. 19 der Dual-Use-VO. Verstöße gegen die Dual-Use-VO werden in Deutschland durch § 18 Abs. 5 AWG sanktioniert. 2  Vgl. dazu im Einzelnen etwa Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 18 AWG Rn.  14 ff.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte107

Abs. 1 Nr. 1 KWKG), das Verfügen über eingefrorene Gelder (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. b AWG) oder die Einfuhr von gelisteten Gütern aus dem Iran (§§ 80 Nr. 3, 77 Abs. 1 Nr. 3 AWV, 17 Abs. 1 AWG). Für den Ausfuhrverantwort­ lichen, der für Ausfuhren und Verbringungen von in Anhang I der Dual-UseVO, der Ausfuhrliste und der Kriegswaffenliste gelisteten Gütern bestellt und benannt werden muss3, spielen in erster Linie jene Straf- und Bußgeldtatbestände eine Rolle, die die illegale Ausfuhr bzw. Verbringung als solche sanktionieren. In dieser Hinsicht existieren sowohl Delikte, die bezüglich ihrer Tathandlung explizit vom Ausführen bzw. Verbringen sprechen (z. B. §§ 22a Abs. 1 Nr. 4 KWKG, 18 Abs. 2 Nr. 1–3 AWG), als auch Delikte, die tatbestandlich an die Zuwiderhandlung in Bezug auf ein internationales Exportverbot oder den Verstoß gegen eine Genehmigungspflicht anknüpfen und dadurch das Ausführen bzw. Verbringen als notwendiges Tatverhalten zumindest implizieren (z. B. §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 AWG).4 Diese Straftatbestände werden nachfolgend gesammelt als „Ausfuhrdelikte“ bezeichnet.5 Eine Eingrenzung erfahren die Ausfuhrdelikte innerhalb dieser Untersuchung durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze. Gemäß dem Anwendungsbereich der Zuverlässigkeitsgrundsätze muss der Ausfuhrverantwortliche ausschließlich für die Ausfuhr bzw. Verbringung von gelisteten Gütern gegenüber dem BAFA bestellt bzw. benannt werden.6 Daher kann die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die illegale Ausfuhr bzw. Verbringung von nichtgelisteten Gütern (§ 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, 2 AWG i. V. m. Art. 4 Dual-Use-VO) im Folgenden vernachlässigt werden. Die Ausfuhrdelikte sind insgesamt als Begehungsdelikte ausgestaltet. Hinsichtlich der strafrechtlichen Zurechnung sind daher die allgemeinen Zurechnungsvorschriften der §§ 14, 25 ff. StGB beachtlich. Der Allgemeine Teil des StGB gilt schließlich gemäß Art. 1 Abs. 1 EGStGB im Grundsatz auch für das Nebenstrafrecht.7 Im Zusammenspiel der Ausfuhrdelikte und des Allgemeinen Teils des StGB manifestieren sich allerdings – bedingt durch die Kriminalitätsstrukturen bei den von Unternehmen herrührenden illegalen 3  Nr.  1 Satz 3 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 4  Dazu Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 22, § 18 Rn. 8. 5  So auch die Bezeichnung bei BGH NJW 2014, S. 3047 (3048); ein umfassendes tabellarisches Kompendium findet sich bei Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwort­liche, S. 171 ff.; siehe speziell zu den Ordnungswidrigkeiten unter den Ausfuhrdelikten, AW-Prax-Redaktion, AW-Prax 2017, S. 86 ff.; AW-Prax-Redaktion, AW-Prax 2018, S.  150 ff. 6  Im Einzelnen BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 198, 221, 318 ff.; siehe zudem bereits S.  37 f. 7  Ausführlich Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 17.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Ausfuhrvorgängen – Zurechnungsdefizite (I.). Zur Bewältigung dieser Zurechnungsdefizite finden sich in Rechtsprechung und Schrifttum Ansätze, mit denen es sich kritisch auseinanderzusetzen gilt, um ein Zurechnungskonzept für die aktiven Ausfuhrverstöße des Ausfuhrverantwortlichen entwickeln zu können (II.).

I. Zurechnungsdefizite innerhalb illegaler Ausfuhrvorgänge Im Rahmen der strafrechtlichen Zurechnung von bei Ausfuhrvorgängen geleisteten Tatbeiträgen offenbaren sich de lege lata Zurechnungsdefizite, die nachfolgend aufgezeigt werden. Für Bieneck gehört das Außenwirtschaftsstrafrecht zur Unternehmenskriminalität, die durch Probleme der Zuordnung strafrechtlicher Verantwortlichkeit bei arbeitsteilig zusammenwirkenden Unternehmensangehörigen gekennzeichnet sei.8 Dem ist jedenfalls für die Fälle zuzustimmen, in denen Ausfuhrdelikte im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit von Exportunternehmen verwirklicht werden. Hier wirkt regelmäßig eine Vielzahl von Beteiligten unterschiedlicher Hierarchieebenen eines Unternehmens an einem mehraktigen und daher komplexen Ausfuhrprozess mit. Exportkontrolle und Ausfuhrvorgänge sind dabei häufig nicht nur durch das arbeitsteilige Zusammenwirken unterschiedlicher Stellen im Unternehmen geprägt, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit externen Behörden und Dienstleistern.9 Dies gilt für den Transfer gegenständlicher Waren gleichermaßen wie für nichtgegenständliche Software und Technologie, für deren grenzüberschreitenden Handel ebenfalls die entsprechende digitale Infrastruktur geschaffen und Genehmigungen eingeholt werden müssen. Die Auswirkungen der Unternehmensorganisation auf die täterschaftliche Zurechnung unter mehreren Beteiligten verschiedener Hierarchieebenen sind für das geltende Recht unterdessen mehr als hinreichend beleuchtet.10 Als Grundproblem wird die Arbeitsteilung innerhalb von hierarchisch strukturier8  Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 1; siehe ferner Kuhlen, wistra 2016, S. 465 ff. 9  Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 18 AWG Rn. 126; siehe auch das Fallbeispiel bei Hannemann-Kacik/Sieben, Der Zoll-Profi! 6/2012, S. 6 f. 10  Grundlegend Bosch, Organisationsverschulden, S. 7  ff.; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  31 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.  41 ff.; Rotsch, Individuelle, Haftung, S. 23 ff.; Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S.  172 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 30 ff.; in jüngerer Zeit zudem Bock, Criminal Compliance, S.  27 ff.; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  55 ff.; Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  23 ff.; Morozinis, Organisationsdelikte, S.  335 ff.; Noll, Grenzen der Delegation, S. 27 ff.; Rotsch, Einheitstäterschaft, S.  313 ff.; Utz, Personale Reichweite, S.  33 ff.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte109

ten Wirtschaftsunternehmen genannt.11 Um die Funktionsfähigkeit von modernen Wirtschaftsorganisationen zu gewährleisten, werden Handlungs- und Entscheidungsverantwortung auf getrennten Hierarchieebenen angesiedelt.12 Ein solches Vorgehen ist Grundvoraussetzung für die Spezialisierung von Arbeitskräften innerhalb komplexer Produktions- und Dienstleistungsprozesse. Während die Handlungsverantwortung regelmäßig die operative Seite der physisch-realen Unternehmenstätigkeit betrifft, fallen in den Bereich der Entscheidungverantwortung funktionale Tätigkeiten wie die Planung, Organisation und Anweisung von Handlungsschritten zur Schaffung von Rahmenbedingungen. Da die Handlungsverantwortung regelmäßig auf den unteren Hierarchieebenen eines Unternehmens mit verhältnismäßig vielen Angestellten verortet wird, obliegt die Entscheidungsverantwortung grundsätzlich einer Geschäftsleitung aus vergleichsweise wenigen Vorgesetzten.13 Dennoch sind die Aufgaben von Handlungs- und Entscheidungsebene organisatorisch ineinander verzahnt, was eine Vielzahl potentieller Täter mit sich bringt, von denen möglicherweise keiner die volle strafrechtliche Verantwortung trägt, sondern jeder nur einen Teil.14 Bereits wegen dieser grundlegenden faktischen Diversifikation von Arbeit stößt die Zurechnungskonzeption des deutschen Strafrechts regelmäßig an seine Funktionsgrenze.15 Gelangt etwa ein gefährliches Produkt in Verkehr, so kann das produzierende bzw. vertreibende Unternehmen als „eigentlicher Zurechnungsadressat“ nach geltendem Recht nicht als Kollektiv bestraft werden.16 Das StGB entspricht vielmehr einem klassisch-individualstrafrecht­ lichen Tat- bzw. Täterbild, nach dem im Grundsatz jede natürliche Person als Beteiligter an einer Straftat nur für ihr eigenes Handeln verantwortlich ist

11  Statt vieler Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 31; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S.  30 ff.; Renzikowski, StV 2009, S. 443. 12  Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  83 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 41 ff.; ähnlich zuvor Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 6; dazu auch Eidam, in: ders., Unternehmen und Strafe, Kap. 1 Rn. 2 ff. 13  Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 83. 14  Schmidt-Salzer, NJW 1996, S. 1 (3); zur Auseinandersetzung mit der dadurch bedingten „Unverantwortlichkeit durch Arbeitsteilung“ Bosch, Organisationsverschulden, S.  16 ff.; Tiedemann, JuS 1989, S. 689 (696). 15  Im Einzelnen Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 31 ff. 16  Schmidt-Salzer, NJW 1996, S. 1 (2); nach § 30 OWiG besteht lediglich die Möglichkeit der Verhängung einer Verbandsgeldbuße anknüpfend an eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die allerdings wiederum von einem individuell schuldhaft bzw. vorwerfbar handelnden Unternehmensangehörigen verwirklicht werden muss. Zu den Reformvorschlägen hinsichtlich eines eigenen Strafrechts für Unternehmen und Verbände statt vieler Wohlers, ZGR 2016, S. 364 ff.; grundlegend zudem Eidam, Straftäter Unternehmen; Otto, Strafbarkeit von Unternehmen.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

(sog. Verantwortungsprinzip).17 Seinen gesetzlichen Anker hat das Verantwortungsprinzip in § 25 StGB, der originär vom selbst begehenden unmittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB) ausgeht und nur unter bestimmten Voraussetzungen die Begehung „durch einen anderen“ als mittelbarer Täter (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) oder „gemeinschaftlich“ als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) vorsieht. Liegen auch diese Voraussetzungen nicht vor, verbleibt nur noch die Möglichkeit der Teilnehmerstrafbarkeit als Anstifter (§ 26 StGB) oder Gehilfe (§ 27 StGB). Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme erfolgt im überwiegenden Schrifttum nach der sog. Tatherrschaftslehre, deren Vertreter – trotz einer Vielzahl an unterschiedlichen Herleitungsund Begründungsansätzen18 – insgesamt auf die materiell-objektive Tatherrschaft des Beteiligten abstellen. Täter ist hiernach, wer das Tatgeschehen objektiv beherrscht, indem er es „in Händen hält“, über „Ob“ und „Wie“ der Tat bestimmt und als „Zentralgestalt“ des Geschehens anzusehen ist, während „Randfiguren“ allenfalls als Teilnehmer in Betracht kommen.19 In subjektiver Hinsicht genügt die Kenntnis der die eigene Tatherrschaft begründenden Umstände.20 Die Rechtsprechung stellt insoweit mittlerweile – in offenkundiger Abkehr von einer rein subjektiven Herleitung21 – eine wertende Betrachtung aller von der Vorstellung des Beteiligten umfassten Um17  Zum Verantwortungsprinzip Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 93 ff.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S.  147  f.; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  98 ff.; Noll, Grenzen der Delegation, S. 34 ff.; Schlösser, JR 2006, S. 102 (103 f.); bezogen auf die strafrechtliche Produktverantwortung ferner Schmidt-Salzer, NJW 1996, S.  1 ff. 18  Im Einzelnen Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 25 ff. Rn. 56; Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 23 ff.; Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 6 ff.; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 825 ff.; Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 15 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 12 Rn. 6 f.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S.  38 ff. 19  Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 25  ff. Rn. 56; Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 10 ff.; Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 13; Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 23 ; Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 7; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1206; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 234; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S.  651 f.; Kindhäuser, Strafrecht AT, § 38 Rn. 43; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 829; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 25 ff.; Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 19; Rengier, Strafrecht AT, § 41 Rn. 11; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 27; ders. Täterschaft und Tatherrschaft, S. 335 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 12 Rn. 16; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 806; Haas, Theorie der Tatherrschaft, S.  11 ff. 20  Vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; dazu Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 12; Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 37; Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 10; Schumann, NStZ 1990, S. 32 Fn. 3. 21  So noch die von RGSt 3, S. 181 (182) verfolgte sog. Animus-Theorie; im Ansatz noch vertreten von BGH NJW 1963, 355 (356), wenn auch bereits zugunsten objektiver Kriterien aufgeweicht.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte111

stände an.22 Berücksichtigt werden hiernach nicht nur subjektive Kriterien, wie der Wille zur Tatherrschaft23 oder das Interesse am Taterfolg24, sondern auch objektive Anhaltspunkte als Anzeichen für die innere Willensrichtung des Beteiligten.25 Dazu gehören etwa die tatsächliche Beherrschung des tatbestandlichen Geschehens26, der Umfang der Tatbeteiligung27 oder die Bedeutung des Tatbeitrags für das Gesamtgeschehen28. Das Abstellen auf materielle (sprich: physisch-reale) Umstände bei der Bestimmung der Täterschaft ermöglicht zwar eine klare Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme und schafft so die erforderliche Rechtssicherheit.29 In Unternehmen führt die physisch-reale Betrachtungsweise jedoch aufgrund des Auseinanderfallens von Handlungs- und Entscheidungsverantwortung regelmäßig dazu, dass Geschäftsleitungsmitglieder bei ihrer Tätigkeit über keine Tatherrschaft im materiellen Sinne verfügen. Weist beispielsweise der Vertriebsleiter eines Unternehmens seine Angestellten an, zur Unterstützung des eigenen Verkaufs den Einkäufern anderer Unternehmen Schmiergelder anzubieten, zu versprechen oder zu gewähren, beschränkt sich sein Tatbeitrag auf die Veranlassung der Bestechungen, die zwar eine Handlung im strafrechtlichen Sinn darstellt, jedoch keiner der in § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB aufgezählten Verhaltensweisen unmittelbar entspricht.30 Der Vertriebsleiter missbraucht vielmehr seine gesellschaftsrechtliche bzw. tatsächliche Weisungsbefugnis als Vorgesetzter, um „durch“ das Unternehmen bzw. seine Angestellten Straftaten zu verüben. Man spricht vom „Systemtäter“, der seine Straftaten unter Inanspruchnahme einer komplexen Organisa-

22  BGH NJW 1956, 475 (476); NJW 1979, S. 1721 f.; NJW 1991, S. 1068; NJW 1999, 3131 (3132). 23  In jüngerer Zeit etwa BGH NJW 2016, S. 884 (886). 24  Siehe nur BGH NStZ-RR 2017, S. 246 (247). 25  Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 22 ff. bezeichnet das Vorgehen des BGH daher als „normative Kombinationstheorie“ zur subjektiv-objektiven Bestimmung der Tätereigenschaft. 26  BGH NStZ 1987, S. 364. 27  BGH NStZ 1990, S. 80 (81). 28  BGH NStZ-RR 2009, S. 254. 29  Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 32 ff.; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 25 Rn. 6; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 234. Der BGH stellte selbst schon vor Langem fest, dass das alleinige Abstellen bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auf subjektiv bestimmte Kriterien nicht immer geeignet ist, sinnvolle Ergebnisse zu gewährleisten. Ohne tatsächlichen Anknüpfungspunkt darauf zu schließen, dass der Handelnde die Tat als eigene wollte, sei im Ergebnis „willkürlich und unkontrollierbar“ Beachtlich sei deshalb auch, wer das zum Taterfolg führende Geschehen tatsächlich beherrscht habe, siehe BGH NJW 1965, S. 699 (700). 30  Beispiel von Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 83.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

tion zwar mit reduzierter Handlungsherrschaft, aber dafür mit gesteigerter Koordinationsfunktion begeht.31 Ob die gesteigerte Koordinationsfunktion im Rahmen der Entscheidungsverantwortung objektiv die Tatherrschaft begründen kann, ist bereits ebenfalls Gegenstand zahlreicher Abhandlungen gewesen.32 Die vorliegende Untersuchung macht es sich daher nicht zur Aufgabe, einen weiteren Lösungsansatz für die strafrechtliche Zurechnung von Unternehmensangehörigen zu finden. Vielmehr müssen die bestehenden Zurechnungstopoi konkret auf den Ausfuhrverantwortlichen übertragen und diskutiert werden. Dies setzt zuerst eine Begründung voraus, warum die Tathandlung der Ausfuhr­ delikte typischerweise in den Bereich der Handlungsverantwortung eines Unternehmens fällt und deshalb überhaupt an den Ausfuhrverantwortlichen als Mitglied der Entscheidungsebene zugerechnet werden muss (1.). Im Rahmen der anschließenden Zurechnung fremder Ausfuhrvorgänge an den Ausfuhrverantwortlichen manifestieren sich schließlich die angesprochenen Zurechnungsdefizite (2.). 1. Ausfuhr und Handlungsverantwortung Die Ausfuhrdelikte bestrafen denjenigen, der entgegen einem Verbot oder ohne entsprechende Genehmigung rüstungsrelevante Güter „ausführt“ bzw. „verbringt“. Nachdem die Anforderungen an das Tatverhalten in den Straftatbeständen nicht weiter spezifiziert werden, sind die Begriffe auslegungsbedürftig. Einen wichtigen Anhaltspunkt liefern der Rechtsprechung insoweit die Begriffsbestimmungen in § 2 AWG, die den Ausfuhrdelikten in den allgemeinen Vorschriften des AWG vorangestellt sind.33 Dort wird „Ausfuhr“ gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1, 2 AWG definiert als die Lieferung von Waren aus dem Inland in ein Drittland und die Übertragung von Software und Technologie aus dem Inland in ein Drittland einschließlich ihrer Bereitstellung auf elektronischem Weg für natürliche und juristische Personen in Drittländern. „Verbringung“ ist nach § 2 Abs. 21 Nr. 1 AWG die Lieferung von Waren oder die Übertragung von Software oder Technologie aus dem Inland in das übrige Zollgebiet der Europäischen Union einschließlich ihrer Bereitstellung auf elektronischem Weg für natürliche und juristische Personen in dem übrigen Zollgebiet der Europäischen Union. Beiden Begriffsbestimmungen ist 31  Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 30  f., 35; Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 314; ders. Individuelle, Haftung, S. 71; ähnlich Schlösser, JR 2006, S. 102 („Schreibtischtäter“). 32  Siehe die Nachweise in Teil 3, Fn. 10. 33  Siehe nur BGH NJW 1992, S. 3114 zur Vorgängervorschrift in § 4 AWG a. F.; dazu auch Mätzke, NStZ 1999, S. 541 (542).



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte113

damit die Ortsveränderung der Güter vom Inland in das Ausland gemein. Ob diese Ortsveränderung eine Ausfuhr oder eine Verbringung darstellt, richtet sich nach dem konkreten Bestimmungsort, an den die Güter gelangen sollen.34 Erfolgt der Waren- bzw. Software- und Technologietransfer in ein Drittland, worunter alle Gebiete außerhalb des Zollgebiets der EU fallen35, spricht man von Ausfuhr; wird hingegen in das EU-Ausland exportiert, handelt es sich um eine Verbringung.36 Diese Begriffsbestimmungen sind mangels Legaldefinitionen in der AWV sowie dem KWKG auf die dortigen Vorschriften zu übertragen.37 Zumindest die Dual-Use-VO verfügt allerdings über eine eigenständige Begriffsbestimmung für „Ausfuhr“, sodass eine differenzierende Betrachtung zwischen der Ausfuhr bzw. Verbringung nach dem AWG, der AWV sowie dem KWKG (a)) und der Ausfuhr nach der DualUse-VO (b)) angezeigt ist. a) „Ausfuhr“ und „Verbringung“ nach dem AWG, der AWV und dem KWKG Gemein ist den Begriffsbestimmungen für Ausfuhr und Verbringung nach dem AWG, der AWV sowie dem KWKG das Merkmal „Lieferung“. Die Lieferung von Waren, also beweglichen Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können (§ 2 Abs. 22 Satz 1 AWG), erfordert nach herrschender Meinung das körperliche Über-die-Grenze-Bringen von Deutschland in das Ausland als schlichtem Realakt ohne rechtsgeschäftliche Komponente.38 Da durch die Ausfuhrdelikte die Proliferation von Rüstungsgütern bekämpft werden soll39, stellt der physisch-reale Grenztransfer das „scha34  Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 32a; Sachs, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 85. 35  Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 AWG Rn. 8; Walter, RIW 2013, S. 205 (207). 36  Zum Verhältnis der beiden Begriffe vor der AWG-Novelle von 2013 Mätzke, NStZ 1999, S. 541 (542). 37  Für die AWV ergibt sich dies bereits aus § 4 AWG, der als Ermächtigungsnorm das Rangverhältnis zwischen AWG und AWV vorgibt; siehe hinsichtlich des KWKG Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 124; Lübbig, Verfolgung illegaler Exporte, S. 108. 38  BGH NJW 1992, S. 3114; NJW 2007, S. 1893 (1895); NStZ 2016, S. 733 (735); BayObLG, NStZ 1998, 468 (469); Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 13, 32a; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 56; Sachs, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 17, 85; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, Vor §§ 17 ff. AWG Rn. 55; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 10; Just, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 4 AWG a. F. Rn. 38; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 28 Rn. 6; Lübbig, Verfolgung illegaler Exporte, S. 108. 39  Ahlbrecht, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, Vor AWG/AWV Rn. 11.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

densstiftende Ereignis“40 dar, das sich prinzipiell täterschaftsbegründend auswirken müsste. Ausfuhr und Verbringung werden indessen typischerweise nicht durch die Geschäftsleitung des Exportunternehmens, sondern durch dessen Angestellte, Spediteure oder Frachtführer bewerkstelligt, welche die Waren verladen und anschließend mit dem LKW, dem Schiff oder dem Flugzeug über die Staats- bzw. Seegrenze transportieren.41 Die eingangs angesprochene faktische Trennung von Handlungs- und Entscheidungsverantwortung konzentriert die rechtliche Ausfuhrverantwortlichkeit mithin auf den ersten Blick bei den niedrigeren Hierarchieebenen von Exportunternehmen, die operativ am „handfesten“ Exportgeschäft teilnehmen. Dass Leitungspersonen wie der Ausfuhrverantwortliche die Waren eigenhändig über die Grenze schaffen, ist zwar bei kleinen und mittleren Unternehmen42 sowie bei Einzelkaufleuten denkbar, dürfte jedoch eher die Ausnahme darstellen.43 Vielmehr werden sich die Tatbeiträge von Leitungspersonen in großen Rüstungsunternehmen regelmäßig in der Planung, Organisation und Anweisung bzw. Freigabe im Vorfeld des eigentlichen Liefervorgangs erschöpfen.44 Nichts anderes gilt für die Ausfuhr bzw. Verbringung von Software und Technologie. Das Gesetz spricht hier mangels Gegenständlichkeit nicht von „Lieferung“, sondern von „Übertragung“ und „Bereitstellung“. Unter der Übertragung versteht man die direkte Versendung von Daten, in der Regel mithilfe des Internets, aber auch per Fax oder durch telefonische Übermittlung aus dem Inland in das Ausland45 (sog. Push-Technologie46). Dagegen liegt eine Bereitstellung vor, wenn die Software bzw. Technologie nicht ursprünglich von Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 100. in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 307 (311); ders., RdTW 2014, S. 147 (148); ähnlich Lübbig, Verfolgung illegaler Exporte, S. 113; ders., AW-Prax 1996, S. 409 (410). 42  Gemäß der Empfehlung EU-Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG) beschäftigen kleine Unternehmen bis zu 49 Beschäftigte und weisen einen jährlichen Umsatz von maximal 10 Millionen Euro auf, während mittlere Unternehmen bis zu 249 Arbeitnehmer beschäftigen und bis zu 50 Millionen Euro umsetzen. 43  Insbesondere besteht kein gesetzliches Verbot zur Mitwirkung am operativen Exportgeschäft, wie noch beispielsweise gemäß § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV a. F. (BGBl. I, S. 1432); aufgehoben durch § 14 WpDVerOV n. F., siehe nunmehr § 87 WpHG n. F. 44  Vgl. Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 246. 45  Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 14; Haellmigk, CCZ 2016, S. 28 (31 ff.); siehe auch BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 44; vgl. ferner die Ausfuhrliste (Begriffsbestimmungen „Software“ und „Technologie“); dazu Sachs, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 19. 46  Zu Terminologie und Rolle innerhalb des Strafanwendungsrechts allgemein Satzger, in: SSW-StGB, § 9 Rn. 18. 40  Begriff

41  Schaefer,



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selbst auf elektronischem Weg an den Empfänger übertragen wird, sondern auf dem Server des Anbieters verbleibt und von dort aus der sog. Cloud47 genutzt oder dort durch den Empfänger heruntergeladen werden kann (sog. Pull-Technologie).48 Übertragung und Bereitstellung beschreiben damit ebenfalls eine Handlungsverantwortung anstatt einer Entscheidungsverantwortung, die typischerweise den Angestellten des Ausfuhrverantwortlichen und nicht ihm selbst zugewiesen ist. Die entsprechende digitale Infrastruktur, die den physisch-realen Übertragungs- bzw. Bereitstellungsvorgang ermöglichen soll, wird regelmäßig durch entsprechend geschulte und angewiesene Mitarbeiter und nicht durch Mitglieder der Geschäftsleitung selbst erfolgen. b) „Ausfuhr“ nach der Dual-Use-VO Zu keiner anderen Erkenntnis gelangt man, wenn man das Tatverhalten der Ausfuhrdelikte an die Begriffsbestimmung für „Ausfuhr“ in Art. 2 Nr. 2 Dual-Use-VO anknüpfen lässt.49 Diese Begriffsbestimmung ist zumindest für die Ausfuhrdelikte nach § 18 Abs. 5 AWG maßgeblich, sobald eine Genehmigungspflicht nach der Dual-Use-VO begründet und hiergegen verstoßen wird.50 Nach Art. 2 Nr. 2 lit. i Dual-Use-VO bezeichnet der Begriff 47  Zum Begriff sowie den technischen Grundlagen Jansen, in: Borges/Meents, Cloud Computing, § 1 Rn. 1 ff.; Weiss, in: Hilber, Cloud Computing, Teil 1 A Rn. 5 ff.; Haellmigk, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 507 (508); ders., CCZ 2016, S. 28 (32 ff.); Pietsch, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 527 (528 f.). 48  BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 42; Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 14; Sachs, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 20; Jansen, in: Borges/Meents, Cloud Computing, § 19 Rn. 32; Müller, in: Hilber, Cloud Computing, Teil 8 F Rn. 34; Pietsch, in: Ehlers/ Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 527 (529); ders., FS Wolffgang, S. 135 (150 f.). 49  Dadurch, dass die Dual-Use-VO ausschließlich Güterbewegungen aus dem Gebiet der EU in Drittstaaten erfasst (vgl. ErwGr. 2 der Dual-Use-VO), findet der deutsche Begriff des Verbringens gemäß § 2 Abs. 21 AWG in den Begriffsbestimmungen des Art. 2 Dual-Use-VO keine Entsprechung. 50  BGH NStZ 2016, S. 733 (735); Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 18 AWG Rn. 83; Hannemann-Kacik, Der Zoll-Profi! 8/2016, S. 7 f.; siehe aber Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 Rn. 55, die darauf hinweist, dass sich der Inhalt der Tathandlung des § 18 Abs. 5 AWG trotz des Blankettverweises auf Art. 4 Dual-Use-VO wegen Art. 103 Abs. 2 GG sowie der allgemeinen Gesetzgebungskompetenz des deutschen parlamentarischen Gesetzgebers solange nach § 2 Abs. 3 AWG richten muss, wie der nationale Ausfuhrbegriff nicht über jenen in Art. 2 Nr. 2 Dual-Use-VO hinausgeht. Im Ergebnis bildet auch danach freilich der unionsrechtliche Ausfuhrbegriff bei Dual-Use-Sachverhalten die Obergrenze der Strafbarkeit. Auch in § 18 Abs. 2 Nr. 1, 2 AWG wird die Dual-Use-VO bzw. deren Anhang I verwiesen. Dies geschieht jedoch, wohlgemerkt,

116

Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

„Ausfuhr“ ein Ausfuhrverfahren im Sinne des Art. 161 Zollkodex. Da der Zollkodex seit dem 01.05.2016 außer Kraft gesetzt ist, muss der Normverweis auf dessen Art. 161 aufgrund der Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung als Verweisung auf den nunmehr geltenden Art. 269 Unionszollkodex verstanden werden.51 Der Verweis auf Art. 269 Unionszollkodex darf indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Ausfuhr“ im Sinne der Dual-Use-VO genau wie im AWG und im KWKG den rein tatsächlichen Vorgang des Grenztransfers bezeichnet.52 Das Ausfuhrverfahren im Sinne des Art. 269 Unionszollkodex umfasst zwar neben dem tatsächlichen, körperlichen Verbringen von Unionsware aus dem Zollgebiet der EU auch die zollrechtlichen Förmlichkeiten der Ausfuhrzollanmeldung, der Gestellung der Waren zur Ausfuhr, der Annahme der Zollanmeldung durch die Zollstelle und der Überlassung der Waren zur Ausfuhr – und damit einen Gesamtprozess.53 Allerdings handelt es sich bei diesen formellen Voraussetzungen um Verfahrensbesonderheiten, die für das Ausfuhrgenehmigungsverfahren keine Rolle spielen, da Zoll- und Ausfuhrgenehmigungsverfahren im Grundsatz völlig unabhängig voneinander ablaufen und zudem in unterschiedliche Schutzrichtungen weisen.54 Für die einheitliche Auslegung des nationalen und des unionsrechtlichen Ausfuhrbegriffs spricht weiterhin, dass es Art. 2 Nr. 2 lit. iii Dual-Use-VO mittelbar durch den Verweis auf § 9 AWV, was es nahelegt, den Ausfuhrbegriff von vornherein anhand der nationalen Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 AWG auszulegen; siehe Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 Rn. 25; zur Idealkonkurrenz von § 18 Abs. 2 AWG und § 18 Abs. 5 AWG zudem Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 18 AWG Rn. 111; zum genehmigungsrechtlichen Verhältnis von § 9 AWV und Art. 4 DualUse-VO Kreuzer, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 9 AWV Rn. 3; vgl. auch Bermbach, Gemeinschaftliche Ausfuhrkontrolle, S. 138. 51  Vgl. Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, Vor §§ 17 ff. AWG Rn. 30; wohl auch Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 Rn. 55. Der aktuelle Entwurf der Europäischen Kommission zur Novellierung der Dual-UseVO sieht dementsprechend die Ersetzung von Art. 161 Zollkodex durch Art. 269 Unionszollkodex vor; siehe COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD), S. 19. 52  Siehe Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 8; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 16; Rekkenbeil, in: Hocke/Sachs/ Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 2 Dual-Use-VO Rn. 16; Tervooren/Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 22. 53  Dazu Bark, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 269 Unionszollkodex Rn. 3, 20. 54  Dazu Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 8; Tervooren/Mrozek, in: Wolffgang/ Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 24; Pfeil/Mertgen, Compliance im Außenwirtschaftsrecht, S. 15; in diesem Sinne auch BGH NJW 2007, S. 1893 (1895).



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für die Ausfuhr von Software und Technologie ausreichen lässt, dass diese elektronisch übermittelt bzw. mündlich weitergegeben oder am Telefon beschrieben wird, was strukturell dem Realakt der Lieferung entspricht und völlig unabhängig von formellen Voraussetzungen erfolgen kann.55 Schließlich können auch nur durch eine einheitliche Auslegung heimliche Ausfuhren erfasst werden, die bei der Berücksichtigung zollrechtlicher Vorschriften aus dem Anwendungsbereich fielen, wenn es nie zu einer Beteiligung der Zollbehörden gekommen ist.56 Auch die Ausfuhrdelikte nach § 18 Abs. 5 AWG knüpfen damit an den Realakt des Grenztransfers an, der wiederum typischerweise nicht durch Leitungspersonen wie den Ausfuhrverantwortlichen vorgenommen wird. c) Zwischenergebnis Infolge der an den Begriffsbestimmungen der Ausfuhr gemäß § 2 Abs. 3 AWG, Art. 2 Nr. 2 Dual-Use-VO orientierten Auslegung des Tatverhaltens der Ausfuhrdelikte normieren diese originär eine Handlungs- und keine Entscheidungsverantwortung. Da der physisch-reale Grenztransfer regelmäßig durch operativ tätige Mitarbeiter oder Dritte auf Handlungsebene erfolgt, werfen die Ausfuhrdelikte das für Unternehmenskriminalität typische Pro­ blem auf, dass das eigentlich tatbestandliche Verhalten erst an die zeitlich bzw. räumlich deutlich distanzierte57 Entscheidungsebene zugerechnet werden muss, um diese verantwortlich machen zu können. 2. Ausfuhr und Entscheidungsverantwortung Vom gegenwärtigen Standpunkt der Untersuchung aus betrachtet, müsste die Tathandlung der Ausfuhrdelikte, die innerhalb von Ausfuhrvorgängen regelmäßig auf der Handlungsebene von Exportunternehmen vorgenommen wird, Angehörigen der Entscheidungsebene, wie dem Ausfuhrverantwort­ lichen, unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen in §§ 25 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2, 26 f. StGB zugerechnet werden. Dass dies aufgrund der gegenwärtigen Konzeption der §§ 25 ff. StGB häufig nicht ohne Weiteres gelingt, belegen die nachfolgenden Ausführungen. Zwar stellen die Ausfuhr­ delikte keine eigenhändigen Delikte dar, die prinzipiell nur von demjenigen 55  Dazu ausführlich Pfeil/Mertgen, Compliance im Außenwirtschaftsrecht, S.  16 ff., weiterführend Müller, in: Hilber, Cloud Computing, Teil 8 F Rn. 30 ff. 56  Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 8; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 16. 57  Vgl. Schlösser, JR 2006, S. 102.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

täterschaftlich begangen werden können, der den physisch-realen Grenztransfer selbst bewerkstelligt (a)). Allerdings lassen sich die Beteiligungsstrukturen innerhalb illegaler Ausfuhrvorgänge de lege lata weder hinreichend durch die mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) (b)) noch durch die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) (c)) erfassen. Schließlich liefert auch die Einordnung der typischen Tatbeiträge des Ausfuhrverantwortlichen als Anstifterverhalten (§ 26 StGB) keine zufriedenstellende Zurechnungslösung (d)). a) Fehlende Eigenhändigkeit der Tathandlung Die Zurechnung an den Ausfuhrverantwortlichen als mittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) oder Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) muss deshalb grundsätzlich möglich sein, weil die Tathandlung des Ausführens bzw. Verbringens die Ausfuhrdelikte noch nicht zu eigenhändigen Delikte macht. Eigenhändige Delikte sind solche, die nur von demjenigen verwirklicht werden können, der die durch das Gesetz konkret umschriebene Tathandlung unmittelbar selbst vornimmt.58 Weil sich das tatbestandlich determinierte Handlungsunrecht lediglich beim Handelnden realisiert, kann nur dieser Täter sein, während alle übrigen Beteiligten allenfalls wegen Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind.59 Für eigenhändige Delikte wäre allerdings zunächst erforderlich, dass in den Tathandlungen „ausführen“ und „verbringen“ bereits ein besonderer Verhaltensunwert zum Ausdruck kommt, der den Strafgrund der Ausfuhrdelikte bildet.60 Anders gewendet dürften die Ausfuhrdelikte als eigenhändige Delikte keinen von der schlichten Ausfuhr- bzw. Verbringungstätigkeit abtrennbaren Erfolg enthalten.61 Der in der Tathandlung umschriebene physischreale Grenztransfer stellt indessen für sich betrachtet ein zunächst völlig unrechtsneutrales Verhalten dar, das aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Außenwirtschaftsverkehrs sogar erwünscht und durch den Grundsatz der 58  BGH NJW 1954, 1292 (1293); NJW 1960, S. 2250; Heine/Weißer, in: Schönke/ Schröder, StGB, Vor §§ 25 ff. Rn. 85; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 677; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 16; Rengier, Strafrecht AT, § 10 Rn. 29; Zieschang, Strafrecht AT, Rn. 39; Satzger, JURA 2011, S. 103; siehe auch Nestler/Lehner, JURA 2017, S.  403 (405 f.). 59  Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 288; Rengier, Strafrecht AT, § 10 Rn. 30; Satzger, JURA 2011, S. 103 (106 f.). 60  Vgl. grundlegend Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 399 ff.; siehe auch Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 49. 61  In diesem Sinne bereits Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 203 f.; Engelsing, Eigenhändige Delikte, S. 8 ff.; siehe auch Rönnau, JuS 2010, S. 961 (962).



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Außenwirtschaftsfreiheit rechtlich abgesichert ist.62 Das körperliche Überdie-Grenze-Schaffen birgt für sich genommen also noch keinen für eigenhändige Delikte typischen besonderen Verhaltensunwert. Vielmehr knüpfen die Ausfuhrdelikte die Strafbarkeit zusätzlich an den Verstoß gegen ein Ausfuhrverbot oder eine Genehmigungspflicht, dessen Vorliegen vom Tatrichter festgestellt werden muss, damit eine abstrakte Gefährdung für die Schutz­ güter des Außenwirtschaftsrechts vermutet werden darf.63 Der tatbestandlich geforderte Verstoß gegen das Außenwirtschaftsrecht erhält damit im Verhältnis zum Realakt der Ausfuhr bzw. Verbringung eine eigenständige rechtliche Bedeutung und lässt sich daher als formaler Taterfolg bezeichnen.64 Zwar könnte man vergleichsweise auch das Sich-Berauschen als einen von der späteren Trunkenheitsfahrt eigenständigen Taterfolg der Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB bezeichnen, die typischerweise als eigenhändiges Tätigkeitsdelikt eingestuft wird.65 Der Unterschied besteht jedoch darin, dass die in § 316 Abs. 1 StGB bezeichneten Tätigkeiten – Sich-Berauschen und Fahrzeugführen – jeweils für sich erlaubt und nur in ihrer Zusammenkunft verboten sind, während die Verbotstatbestände und Genehmigungspflichten des Außenwirtschaftsrechts bereits ohne die Ausfuhrdelikte eine eigene, eindeutige rechtliche Wertung getroffen haben. Der Realakt des Grenztransfers muss damit nicht eigenhändig durch einen unmittelbaren Täter vorgenommen werden.66

62  Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 1 AWG Rn.  24 ff., 54 ff.; Lübbig, Verfolgung illegaler Exporte, S. 113; einführend Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S.  1 ff. 63  Siehe zu den Auswirkungen der Deliktsnatur der Ausfuhrdelikte als abstrakte Gefährdungsdelikte noch S. 173 ff., 213 f.; 378 ff. 64  Siehe Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 AWG Rn. 8; allgemeiner Rönnau, JuS 2010, S. 961 (962). 65  Siehe nur BGH NStZ 1997, S. 228 (229); OLG Dresden NJW 2006, S. 1013 (1014); Ernemann, in: SSW-StGB, § 316 Rn. 1; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 316 Rn. 1; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 316 Rn. 1; Pegel, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 316 Rn. 2; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 316 Rn. 27; Zieschang, in: NKStGB, § 316 Rn. 2, 12. 66  Alexander/Winkelbauer, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, §  62 Rn. 48; auch der BGH versteht die Ausfuhrdelikte nicht als eigenhändige Delikte. Zwar verwendet er bei der Auseinandersetzung mit deren Deliktscharakter sogar den Begriff „eigenhändig“, siehe BGH NJW 1992, S. 3114 (3115), jedoch lassen die anschließenden Ausführungen über eine mittäterschaftliche Beteiligung am Ausfuhr­ delikt nach § 25 Abs. 2 StGB, die bei eigenhändigen Delikten gerade ausgeschlossen ist, solange nicht alle Beteiligten die umschriebene Handlung vornehmen, darauf schließen, dass der BGH den Begriff nicht im technischen Sinne gebrauchen wollte; so auch John, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Teil 3 § 34 a. F. Rn. 40; Lübbig, Verfolgung illegaler Exporte, S. 113.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Gegen die Konzeption der Ausfuhrdelikte als eigenhändige Delikte spricht ungeachtet dessen ganz entscheidend, dass der Anwendungsbereich der Ausfuhrdelikte nach der gesetzgeberischen Intention eines effektiven Exportkontrollstrafrechts67 wohl kaum auf den Täterkreis der Spediteure und Frachtführer beschränkt sein kann.68 Vielmehr fungierten insbesondere die auf­ sehenerregenden Exportskandale der 1980er und 1990er Jahre als Appell an den Gesetzgeber, dass sich Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht häufig nicht auf der Handlungsebene von Unternehmen konzentrieren, sondern bis in die Entscheidungsebene zurückführen lassen. Die Einordnung der Ausfuhrdelikte als eigenhändige Delikte anzusehen, die ausschließlich das operativ tätige Exportpersonal bestrafen, würde zu einer dem Gesetzeszweck zuwiderlaufenden Exkulpationsmöglichkeit der Unternehmensleitung führen. Damit unterfallen die Ausfuhrdelikte grundsätzlich uneingeschränkt dem Zurechnungsregime des § 25 StGB. b) Mittelbare Täterschaft bei Ausfuhr und Verbringung Wie bereits dargestellt, bedienen sich Leitungspersonen in Exportunternehmen regelmäßig ihrer Angestellten oder Dritter, um Ausfuhren bzw. Verbringungen physisch-real abzuwickeln. Nach der Konzeption des § 25 StGB kann der Rückgriff auf einen Tatmittler als mittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB aufgefasst werden. Erforderlich ist, dass der mittelbare Täter als Hintermann die Straftat „durch“ seinen Tatmittler als Vordermann begeht und ihn dadurch als sein „Werkzeug“ instrumentalisiert.69 Da der Hintermann die tatbestandsmäßige Handlung selbst nicht unmittelbar vornimmt, hat er die materiell-objektive Tatherrschaft nur inne, wenn er bei wertender Betrachtung zumindest den Vordermann beherrscht.70 Ein solches Beherrschen wird angenommen, wenn der Hintermann mit überlegenem Wissen oder überlegenem Willen handelt, sodass beim Vordermann ein Strafbarkeitsdefizit vorliegt.71 Mit der mittelbaren Täterschaft positiviert der 67  BTDrucks 17/11127, S. 25, wonach die Straftatbestände des AWG der „wirkungsvollen Prävention vor bewussten, mit hoher krimineller Energie ausgeführten Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht“ dienen. 68  So auch John, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 40. 69  Murmann, in: SSW-StGB, § 25 Rn. 8 ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 45; siehe auch Schlösser, JR 2006, S. 102 f. 70  Grundlegend Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 60 ff.; Freund, Strafrecht AT, § 10 Rn. 54; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 663 ff.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S.  142 ff. 71  Fischer, StGB, § 25 Rn. 6 ff.; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 ff. Rn. 7; Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 41 ff.; Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 54 ff.; Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 76; Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 69 ff.; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1243; Jäger, Strafrecht AT,



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte121

Gesetzgeber mithin nichts anderes als das Verantwortungsprinzip.72 Tatherrschaft kann grundsätzlich nur aus vollverantwortlichem Verhalten resultieren. Liegt dieses nur bei mittelbaren Täter und nicht bei dessen Tatmittler vor, so wird dessen unmittelbares Verhalten über § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB an den mittelbaren Täter zugerechnet. Bereits aus der Existenz der mittelbaren Täterschaft folgt, dass das Tatherrschaftskriterium eine normative Komponente enthält. Tatherrschaft erschöpft sich nicht in der physisch-realen Steuerungsherrschaft, sondern lässt sich auch wertend betrachten.73 Als normative Tat­ herrschaftsformen werden insoweit Wissensherrschaft (aa)), Willensherrschaft (bb)) und Organisationsherrschaft (cc)) diskutiert.74 Im Folgenden findet sich eine Auseinandersetzung mit diesen Tatherrschaftsformen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Stellung des Ausfuhrverantwort­lichen. aa) Wissensherrschaft Die für die Begründung der mittelbaren Täterschaft erforderliche Tatherrschaft kann daraus resultieren, dass zwischen Vorder- und Hintermann ein Wissensgefälle besteht, dass zur sog. Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens führt.75 Die Werkzeugqualität des Tatmittlers folgt aus dessen Strafbarkeitsdefizit des fehlenden Vorsatzes. In dieser Konstellation erliegt der Tatmittler regelmäßig einem durch den mittelbaren Täter erregten oder von diesem ausgenutzten Tatbestandsirrtum, der gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zum Vorsatzausschluss führt. Die Wissensherrschaft wird deshalb auch als „Irrtumsherrschaft“ bezeichnet.76

Rn.  235 ff. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 665; Kindhäuser, Strafrecht AT, § 39 Rn.  7 ff.; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 874 ff.; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 27 ff.; Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 68; Rengier, Strafrecht AT, § 43 Rn. 2; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 45 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 12 Rn. 34 ff.; Wessels/ Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 842. 72  Eingehend Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 62  ff. m.  w.  Nachw.; siehe zudem Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 875 ff.; Rengier, Strafrecht AT, § 43 Rn. 2; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 48 ff. 73  Vgl. Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 28; Grunert, Grenzen normativer Tatherrschaft, S. 65 ff.; siehe zudem in Abgrenzung zur objektiven Zurechnung von der Meden, JuS 2015, S. 22 ff. 74  Siehe nur Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 41; Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn.  71 ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 46. 75  BGH NJW 1983, S. 2579 f. (Sirius-Fall); ausführlich Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 61 ff. 76  Siehe Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 7; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 25 Rn. 23.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Die Fallgruppe ist für Ausfuhrverantwortlichen deshalb bedeutsam, weil grundsätzlich er selbst für die Zeichnung von Ausfuhrgenehmigungsanträgen verantwortlich ist77 und damit gegenüber den übrigen Beteiligten hinsichtlich der Genehmigungspflichtigkeit oder des (Nicht-)Vorliegens von Ausfuhrgenehmigungen regelmäßig einen Wissensvorsprung hat. So hat das LG Potsdam im nachfolgend noch eingehend zu betrachtenden sog. Gelände­ wagen-Fall die Wissens- bzw. Irrtumsherrschaft eines Ausfuhrverantwortlichen über seine Mitarbeiter angenommen, weil der Ausfuhrverantwortliche deren Gutgläubigkeit hinsichtlich der Genehmigung für die Ausfuhr von kriegstauglichen Geländewagen ausnutzte.78 Dies muss freilich erst recht gelten, wenn der Ausfuhrverantwortliche gezielt den Irrtum erregt, eine entsprechende Genehmigung liege vor.79 Der Mitarbeiter bzw. externe Spediteur steuert anschließend zwar den physisch-realen Ausfuhrvorgang, jedoch erliegt er hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der fehlenden Genehmigung80 einem Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB.81 Dieser Tatbestandsirrtum führt wiederum zur normativen Tatherrschaft des Ausfuhr­ verantwortlichen, der „durch“ seinen Mitarbeiter bzw. Spediteur handelt. Entsprechendes gilt, wenn der Ausfuhrverantwortliche sein Exportpersonal hinsichtlich der Beschaffenheit der zu liefernden Ware oder des Bestimmungslands der Ausfuhr in die Irre führt, da es sich hierbei um die Genehmigungspflicht begründende Tatsachen handelt, deren Unkenntnis zum Tatbestands- und nicht zum Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB führt.82 Anders zu beurteilen sind indessen Fälle, in denen das Exportpersonal aufgrund eines vermeidbaren Verbotsirrtums gemäß § 17 Satz 2 StGB kein 77  Siehe Nr. 2 Satz 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze i. V. m. Nr. 2 Satz 6 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 78  LG Potsdam vom 19.09.2005 – 430 Js 7188/04 Wi – 25 KLs 20/04, zitiert nach BGH NJW 2007, S. 1893 (1894); ausführlich zum Geländewagen-Fall S.  159 ff. 79  Weiterführend John, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 51. 80  Explizit vorgesehen in §§ 22a Abs. 1 Nr. 4 KWKG, 18 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 5, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1–4 AWG; implizit auch in § 17 AWG, dazu Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 25. 81  Den Irrtum über das (Nicht-)Vorliegen der Ausfuhrgenehmigung ebenfalls als Tatbestandsirrtum einordnend Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 156; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/ Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 28. Grundlegend zur Rolle der öffentlich-rechtliche Genehmigung im Strafrecht Rengier, ZStW 101 (1989), S. 874 ff. 82  Junck/Kirch-Heim, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 Rn. 87; Meyer, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 10 C. Rn. 41; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 156; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 26; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 37; Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17 ff. AWG Rn. 49.



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Strafbarkeitsdefizit aufweist. So hat der BGH die Unkenntnis über die konkrete Listung eines iranischen Unternehmens in Anhang VIII der Iran-Embargo-VO als Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB eingestuft.83 Der Irrtum über den Inhalt und/oder die Reichweite einer Ausfüllungsnorm, auf die ein Blankettstraftatbestand wie § 34 Abs. 4 AWG a. F. (§ 17 Abs. 1 AWG n. F.) ausdrücklich verweist, stelle sich nämlich als Verbots-, nicht aber als Tatbestandsirrtum dar.84 Versichert der Ausfuhrverantwortliche hiernach also beispielsweise seinem Spediteur, die Bereitstellung von wirtschaftlichen Ressourcen an ein im Iran ansässiges Unternehmen unterliege keinem Ausfuhrverbot, obwohl das betreffende iranische Unternehmen in Anhang VIII der Iran-Embargo-VO gelistet ist und die betreffende Bereitstellung damit dem Iran-Embargo unterliegt, stellt die dadurch bedingte Fehlvorstellung des Spediteurs nach der Rechtsprechung einen Irrtum über die durch die Listung bedingte Genehmigungspflicht und damit einen Verbotsirrtum im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 dar. Der Verbotsirrtum wird für den Spediteur jedoch in der Regel als vermeidbar im Sinne des § 17 Satz 2 StGB anzusehen sein, da von einem im Außenhandel tätigen Unternehmer verlangt werden kann, sich über die einschlägigen Vorschriften zu unterrichten.85 Stellt der Spediteur 83  BGH NZWiSt 2013, S. 113; ähnlich BGH NStZ-RR 2006, S. 24 (25); NStZ 2007, S. 644; OLG Düsseldorf vom 04.04.2014 – III-3 RVs 154/13, Rn. 30, zitiert nach juris; ebenso Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 34; Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 42; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, Vor § 17 AWG Rn. 8. Zur Rolle der Iran-Embargo-VO im Rahmen der Ausfuhrdelikte ferner Nestler, NStZ 2012, S. 672 (673 ff.). 84  Dieses Ergebnis stößt in der Literatur teilweise auf Ablehnung. So geht beispielsweise Meyer, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 10 C. Rn. 42 davon aus, dass das Nichtwissen um die Existenz eines personenbezogenen Embargos meist auf die tatsächliche Unkenntnis von der Listung einer Person zurückgeht. Der Handelnde irre daher nicht über die wertende Auslegung von Inhalt und Grenzen des Embargos, sondern darüber, dass sein Gegenüber eine gelistete Person ist, wobei es sich um einem Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB handle; kritisch zudem Krell, NZWiSt 2013, S. 114 ff. Eine dezidierte Behandlung der im Zusammenhang mit den Blanketttatbeständen des Außenwirtschaftsstrafrechts relevanten Irrtümer muss an dieser Stelle indessen unterbleiben; siehe zum Streitstand stattdessen Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 38 ff., § 18 AWG Rn. 101 ff.; Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17  ff. AWG Rn. 49  ff. m. w. Nachw.; grundlegend zudem Puppe, in: NK-StGB, § 16 Rn. 60 ff.; SternbergLieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 99; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 163 ff.; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S.  283 ff.; Bülte, NStZ 2013, S.  65 ff. 85  BVerfG NJW 1993, S. 1909 (1910); BGH NZWiSt 2013, S. 113  f.; ähnlich Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 155; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 34; Mätzke, NStZ 1999, S. 541 (543); dazu zudem noch S.  281 ff.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

dem gelisteten iranischen Unternehmen die wirtschaftlichen Ressourcen irrtumsbedingt zur Verfügung, kann seine Strafe zwar gemäß §§ 17 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert werden, jedoch bleibt sein Unrechtsbewusstsein unberührt, was zur umfänglichen eigenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit führt und daher gegen die Werkzeugqualität des Tatmittlers spricht. Der Ausfuhrverantwortliche wäre in diesem Fall allenfalls „Täter hinter dem Täter“, was mit Blick auf das den §§ 25 ff. StGB immanente Verantwortungsprinzip, wonach grundsätzlich jeder (nur) für sein eigenverantwortliches Handeln bestraft werden darf, alles andere als unbedenklich erscheint.86 Der BGH hat sein Urteil im vielzitierten sog. Katzenkönig-Fall jedenfalls auf die Konstruktion des „Täters hinter dem Täter“ gestützt.87 Mittelbarer Täter sei auch derjenige, der mit Hilfe des von ihm bewusst hervorgerufenen Irrtums das Geschehen gewollt auslöst und steuert, sodass der Irrende bei wertender Betrachtung als ein – wenn auch schuldhaft handelndes – Werkzeug anzusehen ist.88 Auch wenn die Ausführungen des BGH den dogmatischen Unterbau für eine solche mittelbare Täterschaft kraft (ausschließlich) normativer Tatherrschaft vermissen lassen, trägt das Ergebnis der hier verfolgten Tatherrschaftslehre Rechnung. Am Einfluss des Hintermanns auf den Vordermann ändert sich nämlich dadurch nichts, dass der Vordermann die Kenntnisse, die seinen Irrtum ausgeschlossen hätten, hätte haben können bzw. müssen.89 Wie beim Tatbestandsirrtum besteht auch beim vermeidbaren Verbotsirrtum rein faktisch ein Wissensgefälle, das den irrenden Vordermann für die Beherrschung durch den Hintermann anfällig macht.90 Zudem ist die Durchbrechung des Verantwortungsprinzips den Beteiligungsregelungen der §§ 25 ff. StGB nicht völlig fremd, da die Tatherrschaft, wie noch zu zeigen sein wird, auch bei der Mittäterschaft durchaus gleichzeitig bei mehreren Personen liegen kann.91 Erregt der Ausfuhrverantwortliche also einen irgendwie gearteten Irrtum bei den Personen, derer er sich zur physisch-realen 86  Instruktiv Schroeder, Täter hinter dem Täter, S. 126 ff.; vgl. auch Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 78 ff.; Schumann, NStZ 1990, S. 32 (33); siehe zum Verantwortungsprinzip die Nachweise in Teil 3, Fn. 17. 87  BGH NJW 1989, S. 912 ff.; siehe dazu die ausführliche Darstellung des Sachverhalts sowie der gerichtlichen Argumentation bei Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 603 ff.; siehe zudem Höge, Tatbestandsirrtum, S.  117 ff.; Kudlich, JZ 2004, S.  72 ff. 88  BGH NJW 1989, S. 912 (914). 89  Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 604  f.; diesem folgend Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 99; Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 91 f.; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 241. 90  Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 43; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 80. 91  Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 25 Rn. 32.1; a. A. jedoch Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 24 Rn. 94; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 892; Stratenwerth/Kuhlen,



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Ausfuhr bzw. Verbringung bedient, bzw. nutzt er deren Gutgläubigkeit aus, ermöglicht § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB die täterschaftliche Zurechnung des fremden Tatverhaltens. bb) Willensherrschaft Neben die Wissensherrschaft tritt die sog. Tatherrschaft kraft Willensherrschaft. Die Tatherrschaft resultiert hier nicht aus dem Wissensüberhang des mittelbaren Täters, sondern aus dessen überlegenem Willen gegenüber dem Tatmittler. Erfasst werden in erster Linie Fälle der sog. Nötigungsherrschaft, die der Hintermann über den Vordermann durch nötigendes Verhaltens erlangt.92 Dem physischen oder psychischen Druck des Hintermanns aus­ gesetzt, ist der Vordermann regelmäßig aufgrund eines entschuldigenden Notstands (§ 35 StGB) exkulpiert, sodass insoweit ein die Tatherrschaft des Hintermanns bedingendes Strafbarkeitsdefizit vorliegt.93 Von Nötigungsherrschaft wäre etwa auszugehen, wenn der Ausfuhrverantwortliche einem Mitarbeiter der Exportkontrollabteilung mit körperlicher Gewalt droht, falls dieser nicht einen illegalen Ausfuhrvorgang durch Beauftragung einer Spedition in Gang setzt. Nicht ausreichend ist insoweit das Androhen arbeitsrechtlicher Sanktionen, wie etwa einer Abmahnung, Versetzung oder Kündigung. Dies wird allgemein für Vorgesetztenverhalten in Unternehmen diskutiert, weil auch in diesen Fällen zweifellos ein Handeln mit Nötigungscharakter vorliegt94; jedoch verbleibt es in seiner Intensität unterhalb der in § 35 Abs. 1 Satz 1 StGB vorgesehenen Schwelle, der die notstandsfähigen Rechtsgüter („Leben, Leib oder Freiheit“) abschließend normiert.95 Mit anderen Worten: Der Angestellte ist seinem Vorgesetzten im Regelfall nicht hilflos und unfrei ausgeliefert, sondern kann auf Grundlage des Arbeits- und Sozialrechts selbst Abhilfe schaffen. Die täterschaftliche Verwirklichung kraft Willensherrschaft dürfte für den Ausfuhrverantwortlichen daher die absolute Ausnahme bilden.

Strafrecht AT, § 12 Rn. 53; Herzberg, JuS 1974, S. 374 ff., die das Ausnutzen des vermeidbaren Verbotsirrtums stattdessen als Anstiftung auffassen. 92  Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 101; Murmann, in: SSW-StGB, § 25 Rn. 19; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 47 ff. 93  Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 58; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 47; ferner John, in: Hohmann/John, § 34 AWG a. F. Rn. 59. 94  Siehe etwa Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 124; Urban, Mittelbare Täterschaft, S. 250. 95  Bernd/Theile, Unternehmensstrafrecht, Rn. 60; ähnlich Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  103 f.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 60; vgl. zudem Koch, JuS 2008, S. 496.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

cc) Organisationsherrschaft Praktisch bedeutsamer als die Nötigung von Mitarbeitern zur Begehung von Ausfuhrverstößen ist die schlichte Anweisung einer illegalen Ausfuhr. Rüstungsexporte, die gegen außenwirtschaftliche Bestimmungen verstoßen, sind häufig – rein wirtschaftlich betrachtet – äußerst attraktiv. Gerade in finanziell angespannten Zeiten, kann ein lukrativer und zügig ausgeführter Auftrag aus einem sensiblen Empfängerland deutlich zur Entspannung der ökonomischen Lage des Unternehmens beitragen. Als Geschäftsleitungsmitglied bestimmt der Ausfuhrverantwortliche über derartige Geschäftsbeziehungen und Transaktionen (mit).96 Er ist gegenüber seinen Mitarbeitern im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführungsbefugnis bzw. dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht weisungsberechtigt.97 Durch die Vergabe von Speditionsaufträgen kann er zudem die Lieferung der Ware ins Ausland veranlassen. Ordnet er eine rechtswidrige Ausfuhr an, besteht die Gefahr, dass diese bereits aufgrund seiner Autorität als Vorgesetzter bzw. Auftrag­ geber und der damit korrespondierenden Arbeitsbereitschaft seines Personals ausgeführt wird; entsprechende Druckmittel sind häufig nicht erforderlich und können auch nicht ohne Weiteres in jede Anweisung hineininterpretiert werden.98 Anders als im Fall der Nötigungsherrschaft handeln die Mitarbeiter dann – vorausgesetzt, sie sind sich der Sach- und Rechtslage vollumfänglich bewusst – eigenverantwortlich, da sie keinen Strafbarkeitsmangel aufweisen. Abermals ist der Ausfuhrverantwortliche allenfalls „Täter hinter dem Täter“ der eigentlichen Ausfuhr. Tatsituationen, wie die soeben dargestellte, sind freilich keine exportspezifische Besonderheit. Sie sind vielmehr typisch für die oben angesprochene hierarchisch strukturierte Aufgaben- bzw. Verantwortungsverteilung in Unternehmen. Die Geschäftsleitung des Unternehmens kann regelmäßig eine Mehrzahl von Mitarbeitern anweisen, betriebsbezogene Prozesse in Gang zu setzen. Aus diesem Grund spricht sich die Rechtsprechung sowie ein Teil des Schrifttums dafür aus, das von Roxin entwickelte99 und vom BGH im sog. 96  Zu der besonderen Problematik der täterschaftlichen Zurechnung bei Gremienbzw. Kollektiventscheidungen grundlegend Knauer, Kollegialentscheidung, S.  72 ff.; Schaal, Gremienentscheidungen, S. 164 ff.; siehe zudem Heine/Weißer, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 25 Rn. 77 ff.; Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 251 ff.; speziell zur Frage einer fahrlässigen Mittäterschaft von Gremienmitgliedern Bosch, Organisationsverschulden, S. 282 ff.; zur horizontalen Aufgabendelegation innerhalb der Geschäftsleitung nachfolgend S. 236 ff. 97  Vgl. Bock, Criminal Compliance, S. 290; Mittelsdorf, ZIS 2011, S. 123. 98  Bock, Criminal Compliance, S. 295; siehe auch Murmann, in: SSW-StGB, § 25 Rn. 28. 99  Roxin, GA 1963, S. 193  ff.; dazu und zum diesbezüglichen Meinungsstand Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 27 f.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte127

Mauerschützen-Fall übernommene100 Modell der sog. Tatherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf Wirtschaftsunternehmen auszuweiten.101 Nach dem ursprünglichen Verständnis Roxins soll grundsätzlich auch derjenige mittelbarer Täter sein, der über einen Machtapparat gebietet und sich daher der Verwirklichung seiner Anweisungen sicher sein kann.102 Tatherrschaftsbegründend sei neben einer entsprechenden Befehlshierarchie das Kriterium der sog. Fungibilität, worunter Roxin die „unbegrenzte Ersetz­ barkeit des unmittelbaren Täters“103 versteht, die dem Hintermann die Tatausführung garantiert und ihn das Geschehen beherrschen lässt.104 Der Vordermann sei zu jeder Zeit nur ein „ersetzbares Rädchen im Getriebe des Machtapparats“.105 Anders als bei der Willensherrschaft kraft Nötigung wird die Tatherrschaft also nicht durch eine aktuell ausgeübte Herrschaft über den Geschehensverlauf begründet, sondern vielmehr durch die abstrakt-normative Organisationsgewalt des Täters, weshalb auch von „Organisationsherrschaft“ die Rede ist.106 Die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft wird daher neben Wissens- und Willensherrschaft verbreitet als dritte eigenständige Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft angesehen.107 Die Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft des Ausfuhrverantwort­ lichen im Exportunternehmen lässt sich indessen nicht ohne Weiteres mit Roxins Kriterium der Fungibilität begründen. Beim Exportpersonal des AusNJW 1994, S. 2703 ff.; dazu Nack, GA 2006, S. 342 ff. der Rechtsprechung bereits angeklungen bei BGH NJW 1994, S. 2703 (2706); umgesetzt durch BGH NStZ 1997, S. 544 (545); NStZ 1998, S. 568 (569); NJW 2004, S. 375 (378); NJW 2004, S. 2248 (2254); NStZ 2008, S. 89; im Schrifttum befürwortend Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 46 ff.; Hefendehl, GA 2004, S. 575 (581); kritisch Nack, GA 2006, S. 342 ff. 102  Roxin, GA 1963, S. 193 ff.; dazu auch ders., Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 105 ff.; Rotsch, NStZ 2005, S. 13. 103  Siehe nur Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 107; dazu Noll, Grenzen der Delegation, S.  31 f. 104  Dies im Grundsatz befürwortend Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 146; alternativer Begründungsansatz bei Schroeder, Täter hinter dem Täter, S. 196 ff., wonach der Hintermann zum „Täter hinter dem Täter“ werde, indem er die grundsätzliche Tatentschlossenheit des Vordermanns ausnutzt, auch wenn diese noch gehemmt ist; zum Ganzen ausführlich Bock, Criminal Compliance, S. 290 ff. 105  Roxin, GA 1963, S. 193 (201). 106  Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 25 Rn. 2; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 30; Bock, Criminal Compliance, S. 290; Bosch, Organisationsverschulden, S. 244; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 103. 107  Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 25 Rn. 33; Murmann, in: SSW-StGB, § 25 Rn. 25; Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 120; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 102; Roxin, GA 1963, S. 193 (200); Mittelsdorf, ZIS 2011, S. 123 (124); a. A. Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 135; Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn.  87 ff. 100  BGH 101  In

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

fuhrverantwortlichen handelt es sich regelmäßig um besonders geschulte und erfahrene Spezialisten auf dem umfangreichen und dynamischen Gebiet des Außenwirtschaftsrechts, die nur in begrenzter Anzahl – nämlich abhängig vom tatsächlichen Exportaufkommen und den Personalressourcen des Unternehmens – verfügbar und schon gar nicht beliebig durch jeden anderen Unternehmensangehörigen austauschbar sind.108 Das Gleiche gilt für die Verantwortlichen der beauftragten Speditionsunternehmen, die in der Regel über die relevanten Ausfuhrbestimmungen im Bilde sein werden.109 Darüber hinaus argumentiert Roxin mit der Fungibilität ohnehin ausschließlich für sog. rechtsgelöste, d. h. deliktisch handelnde Staatsapparate, wie etwa dem des NS-Regimes, Untergrundbewegungen, Geheimorganisationen, Verbrecherbanden und ähnliche Zusammenschlüsse, nicht aber für Wirtschaftsunternehmen, die als Gesamtapparat üblicherweise nicht außerhalb der Rechtsordnung tätig werden, sondern auf legalem Weg Gewinne zu erwirtschaften suchen.110 Die Übertragung des Rechtsgedankens der Organisationsherrschaft auf Unternehmen stammt vielmehr aus der Rechtsprechung des BGH, der zur Begründung allerdings nicht auf das Kriterium der Fungibilität abstellt. Unter Verweis auf seine Rechtsprechung im Mauerschützen-Fall stützt der BGH die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Hintermannes als „Täter kraft Tat­ herrschaft“ darauf, dass dieser im Unternehmen „durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, die regelhafte Abläufe auslösen, die ihrerseits zu der vom Hintermann erstrebten Tatbestandsverwirk­ lichung führen“111. Argument für die Durchbrechung des Verantwortungsprinzips ist damit nicht die faktische Ersetzbarkeit des einzelnen Mitarbeiters, sondern das Ausnutzen regelhafter Abläufe durch Ausübung des eigenen überragenden Einflusses.112 Die Voraussetzungen für Roxins Tatherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate – Befehlshierarchie, Fungibilität und Rechtsgelöstheit113 – werden dadurch auf die abstrakte Befehlshierarchie re108  Argument ursprünglich von Schroeder, Täter hinter dem Täter, S. 168; ders., ZIS 2009, S. 569; zustimmend Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 152; Bock, Criminal Compliance, S. 300 f.; siehe auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 236 f. 109  Siehe dazu S. 281 ff. 110  Roxin, GA 1963, S. 193 (204  f.), der als Beispiele für eine entsprechende Rechtsgelöstheit die „Maffia“ oder den Ku-Klux-Klan anführt; ähnlich Bottke Täterschaft, S. 72 f.; kritisch Schild, Täterschaft als Tatherrschaft, S. 22 f.; Herzberg, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 33 (36 f.). 111  BGH NStZ 1998, S. 568 (569); ähnlich BGH NJW 2004, S. 375 (378); NStZ 2008, S. 89. 112  Siehe nur BGH NStZ 1998, S. 568 (569); NStZ 2008, S. 89; dazu Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 145; Rotsch, in: ders., Criminal Compliance, § 4 Rn. 7; Noll, Grenzen der Delegation, S. 32 f.; Nack, GA 2006, S. 342 (343). 113  Ähnlich gebündelt von Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 143 ff.; Koch, JuS 2008, S. 496 (497).



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte129

duziert.114 Es genügt dem BGH, dass sich die vom Vorgesetzten geschaffenen Strukturen und Prozesse aufgrund der durch die arbeitsvertraglichen Beziehungen institutionalisierten sozialen Macht über seine Arbeitnehmer instrumentalisieren lassen.115 Dadurch hat sich der BGH von den „wissenschaft­ lichen Wurzeln der Organisationsherrschaft“116 gelöst und einem funktionalsozial anmutenden Täterbild zugewandt.117 Die Übertragung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf strafrechtliche Zurechnungszusammenhänge in Wirtschaftsunternehmen lässt sich indessen kaum mit der gegenwärtigen gesetzlichen Konzeption der mittelbaren Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB vereinbaren und verdient daher keine Zustimmung. Das liegt nicht etwa daran, dass die Verantwortlichkeit als „Täter hinter dem Täter“ mit Blick auf das in den §§ 25 ff. StGB zum Ausdruck kommende Verantwortungsprinzip per se missbilligungswürdig ist, wie die Ausführungen zur Wissensherrschaft kraft des Ausnutzens eines vermeidbaren Verbotsirrtums gezeigt haben.118 Die Übertragung führt aber zur Verwässerung der Tatherrschaft als Abgrenzungskriterium für Täterschaft und Teilnahme, da letztlich jede noch so alltägliche Ausübung einer abstrakten Machtposition durch den Vorgesetzten täterschaftsbegründend wirken kann, solange ein entsprechender Täterwille nachweisbar ist.119 Der BGH liefert insbesondere keinerlei handfeste Kriterien, wann geeignete objektive Rahmenbedingungen für das Ausnutzen regelhafter Abläufe im Unternehmen (z. B. hinreichende Befehlshierarchie oder Betriebsgröße) gegeben sind, was die mittelbare Täterschaft der Rechtsunsicherheit und Unbestimmtheit preisgibt.120 Damit wird im Ergebnis nur noch auf die Beherr114  Ähnlich Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 29; Murmann, in: SSW-StGB, § 25 Rn. 27. 115  Murmann, in: SSW-StGB, § 25 Rn. 27; Bock, Criminal Compliance, S. 291. 116  Bock, Criminal Compliance, S. 303. 117  Rotsch, JR 2004, S. 247 (249) spricht bei der Organisationsherrschaft daher von einem eigenständigen Typus mittelbarer Täterschaft; siehe zur funktional-sozialen Täterlehre nachfolgend S.  150  ff.; weitere Begründungansätze finden sich bei Freund, Strafrecht AT, § 10 Rn. 35 ff.; Haas, Theorie der Tatherrschaft, S. 58 ff.; Marlie, Unrecht und Beteiligung, S. 32 ff. 118  Dazu soeben S.  121  ff.; siehe zudem Schroeder, Täter hinter dem Täter, S. 119 ff.; a. A. allerdings Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 936; siehe auch Schlösser, JR 2006, S.  102 ff. 119  Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 30; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 936; Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 380 f.; ders., NStZ 2005, S. 13 (16); Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 92. 120  Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 936; Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 92; dürftig insoweit allenfalls BGH NJW 1998, S. 767 (769), wonach entsprechende Organisa­ tionsstrukturen auch bereits bei einem kleinen oder mittleren Unternehmen (Teil 3, Fn. 42) gegeben sein können; siehe zudem BGH NStZ 2008, S. 89, wonach ein „mittelbare Täterschaft begründendes Organisationsdelikt“ erfordert, dass ein „räumlicher,

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

schung des tatbestandlichen Erfolgs abgestellt und nicht mehr auf die Beherrschung des tatbestandlichen Handelns.121 Die §§ 25 ff. StGB dienen jedoch gerade der Zurechnung von Tatverhalten zur Person des Täters.122 Dass eine besondere Täterqualität bzw. Pflichtenstellung täterschaftsbegründend wirkt, ist nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 13, 14 StGB gesetzlich vorgesehen. Die Betrachtungsweise des BGH führt folglich zu einer dem Verantwortungsprinzip widerstreitenden reinen Erfolgszurechnung an Leitungspersonen, ohne dass diese als Zentralgestalten des Geschehens im Sinne der Tatherrschaftslehre aufgetreten sein müssen.123 Die Konzeption des BGH lässt sich auch nicht dadurch „retten“, dass man die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft in Wirtschaftsunternehmen als Sonderfall der Tatherrschaft kraft Nötigungsherrschaft begreift. Damit unterstellte man nämlich, dass die Anweisung von Vorgesetzten zu rechtswidrigem Verhalten eine psychische Zwangswirkung erzeugt, die bei den Angestellten automatisch eine Art blinden Gehorsam auslöst.124 Die Befehlshierarchie in Wirtschaftsunternehmen lässt sich indessen nicht mit jener in totalitären Unrechtsregimen oder mafiösen Verbrecherorganisationen vergleichen.125 Zwar besteht aufgrund des Arbeitsverhältnisses eine persönliche bzw. soziale Abhängigkeit; der Arbeitnehmer ist das Arbeitsverhältnis jedoch grundsätzlich freiwillig eingegangen und dem Arbeitgeber nicht mit seiner gesamten Person ausgeliefert.126 Insbesondere darf (und muss) ein Arbeitnehmer eine rechtswidrige Anweisung seines Vorgesetzten verweigern, ohne dass ihm persönliche Repressalien drohen, was durch das Arbeits- und Sozialrecht sichergestellt wird.127 Auch wenn die Übertragung der Organisationsherrschaft auf Wirtschaftsunternehmen gegenwärtig die mit der Zurechnung von Tatbeiträgen nach den zeitlicher und hierarchischer Abstand“ zwischen Organisationsspitze und unmittelbar Ausführendem besteht; dazu Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 30. 121  Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 91; Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 380; ders., NStZ 2005, S. 13 (16). 122  Siehe Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 2; Bloy, GA 1996, S. 424 (425). 123  Vgl. Rotsch, NStZ 2005, S. 13 (16); siehe auch Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 116; Noll, Grenzen der Delegation, S. 34 ff. 124  Rotsch, NStZ 2005, S. 13 (16) („zweite Art höherstufiger Willensherrschaft“); zudem Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 150; Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 89. 125  So auch Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 104; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 47; Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 92. 126  Bock, Criminal Compliance, S.  294; Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 133. 127  Bock, Criminal Compliance, S. 295; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  103 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 47.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte131

§§ 25 ff. StGB einhergehenden Beweis- und Begründungsschwierigkeiten deutlich entschärft128, ist sie als „Instrument“ strafrechtsdogmatisch gesehen äußerst schlecht gestimmt. Mit Blick auf Wesentlichkeits- und Bestimmtheitsgrundsatz stellt sich insbesondere die Frage, ob das extensive Verständnis des BGH hinsichtlich § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB nicht einer gesetzlichen Entsprechung bedarf.129 Solange die mittelbare Täterschaft kraft Organisa­ tionsherrschaft allerdings gesetzlich nicht austariert ist, fußt sie als Zurechnungsfigur für Tatbeiträge in Wirtschaftsunternehmen auf keiner tragfähigen Grundlage130, sodass sie für diese Untersuchung nicht fruchtbar gemacht werden kann. Nur, weil der Ausfuhrverantwortliche regelhafte Abläufe bei der unternehmensinternen Exportkontrolle bzw. bei Ausfuhrvorgängen ausnutzt, begründet dies noch nicht per se seine Täterschaft im Sinne des § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB. c) Mittäterschaft bei Ausfuhr und Verbringung Damit bleibt im Rahmen der täterschaftlichen Zurechnung noch zu zeigen, dass sich die für den Ausfuhrverantwortlichen charakteristischen Tatbeiträge im Rahmen illegaler Ausfuhrvorgänge lediglich mit hohem dogmatischen sowie praktischen Begründungsaufwand als Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB einordnen lassen. Probleme treten insoweit bei der Tatherrschaft des Ausfuhrverantwortlichen über den physisch-realen Ausfuhrvorgang auf (aa)) sowie bei der Feststellung eines gemeinsamen Tatplans mit den übrigen Beteiligten am Ausfuhrvorgang (bb)). aa) Tatherrschaft aufgrund von Vorbereitungshandlungen Anders als bei der mittelbaren Täterschaft, wird die Tat im Rahmen der Mittäterschaft nicht „durch“ einen anderen begangen, sondern mit diesem „gemeinschaftlich“ (§ 25 Abs. 2 StGB). Wesentliches Kennzeichen ist kein vertikales, sondern ein grundsätzlich horizontales Tatgepräge.131 Die BeteiBock, Criminal Compliance, S. 302; Rotsch, NStZ 2005, S. 13 (18). Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 925 f. entwirft daher einen „§ 25a StGB-E“, der die Lücke der Vorgesetztenverantwortlichkeit in Unternehmen durch eine eigene Zurechnungsvorschrift schließen soll. Bock, Criminal Compliance, S. 307; ders., JURA 2005, S. 673 ff. plädiert demgegenüber für die Einführung einer „offenen Einheitstäterschaft“; ebenso Rotsch, Einheitstäterschaft, S.  313 ff. 130  Ähnlich Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 30; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  126 f. 131  Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 125; Bottke Täterschaft, S. 87; Roxin, FS Grünwald, S. 549 (554); Bloy, GA 1996, S. 424 (440); siehe auch Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 118; Morozinis, Organisationsdelikte, S.  440 ff. 128  Siehe

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

ligten müssen auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans arbeitsteilig vorgehen, wobei jeder Mittäter objektiv die Tatherrschaft über das Geschehen besitzen muss.132 Mittäterschaft ist damit ein gemeinschaftliches, da bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zur arbeitsteiligen Tatausführung.133 Im Unterschied zur mittelbaren Täterschaft muss die Tatherrschaft daher eine gemeinschaftliche sein.134 Sie wird hier nicht durch die Wissens- oder Willensherrschaft über eine andere Person begründet, sondern durch die funktionale Bedeutung des Tatbeitrags, der jedem Mittäter innerhalb des gemein­ samen Tatplans zugewiesen ist.135 Liegen besagte Voraussetzungen vor, sieht § 25 Abs. 2 StGB die wechselseitige Zurechnung sämtlicher Tatbeiträge an alle Mittäter vor, solange sich die Beiträge im Rahmen des vereinbarten Tatplans bewegen.136 Von einem mittäterschaftlichen Ausfuhrverstoß wäre etwa auszugehen, wenn der Ausfuhrverantwortliche und ein weiteres Geschäftsleitungsmitglied eines Rüstungsunternehmens aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses die Konstruktionspläne für eine Munitionsfabrik in ihrem Handgepäck auf einen Flug zu einem ausländischen Kunden mitnehmen, ohne dass für die Technologieausfuhr137 eine entsprechende Genehmigung vorliegt.138 Dass die Pläne erst in ihrer Gesamtschau den Bau der Fabrik ermöglichen, wird über die wechselseitige Zurechnung der jeweiligen Transporthandlung berücksichtigt. Erneut ist allerdings vornehmlich an Situationen zu denken, in denen der Ausfuhrverantwortliche nicht selbst am Tatort, sondern als Systemtäter unter Ausnutzung von Unternehmensstrukturen agiert. Gerade in großen Rüstungsunternehmen wird sich der Tatbeitrag der Geschäftsleitung aufgrund ihrer Entscheidungsverantwortung in der Planung, Organisation und Anweisung der eigentlichen Ausfuhr bzw. Verbringung erschöpfen.139 Fraglich ist jedoch, 132  Siehe auch Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 193 ff.; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 104 ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 188 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 811; Nestler, JURA 2018, S. 637. 133  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1218; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 98; Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 56; Rengier, Strafrecht AT, § 44 Rn. 2; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 811; Nestler, JURA 2018, S. 637. 134  Anschaulich Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 674. 135  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 156; Freund, Strafrecht AT, § 10 Rn. 42; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 99; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 188; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 815. 136  BGH NStZ 2008, S. 89 (90); Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 61; Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 25 StGB Rn. 89. 137  Siehe § 2 Abs. 3 Nr. 2 AWG, Teil I Abschnitt A Position 0022 der Ausfuhrliste. 138  Siehe für weitere Beispiele Harder, in: Wabnitz/Janovsky, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 23 Rn. 47. 139  John, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 55.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte133

ob derartige Vorfeldhandlungen zeitlich schon in das für die Mittäterschaft maßgebliche Ausführungsstadium der Ausfuhrdelikte fällt. Das Ausführungsstadium reicht allgemein vom Beginn des Versuchs bis zur Vollendung.140 Die Ausfuhrdelikte sind nach einhelliger Auffassung vollendet, sobald das Tatobjekt die deutsche bzw. innergemeinschaftliche Grenze überschreitet.141 Der Versuchsbeginn richtet sich mangels spezieller außenwirtschaftsstrafrechtlicher Regelung nach § 22 StGB.142 Danach versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Zur Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens findet sich in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschend der sog. individuell-objektive bzw. subjektiv-objektive Kombinationsansatz, nach dem der Versuchsbeginn in einer Gesamtschau subjektiver sowie objektiver Kriterien zu ermitteln ist.143 Der Täter muss subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“144 überschritten haben, sodass sein Tun objektiv ohne wesentliche Zwischenakte145 in die Tatbestandsverwirklichung übergeht und das Rechtsgut des Opfers aus Tätersicht im räumlichen und zeitlichen Zusam140  Kudlich, in: BeckOK-StGB, §  25 Rn.  46; Roxin, Strafrecht AT/II, §  25 Rn. 199; zur sog. sukzessiven Mittäterschaft BGH NStZ 2008, S. 280 (281); Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 25 StGB Rn.  95 ff.; Rengier, Strafrecht AT, § 44 Rn. 35  ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn.  219 ff. 141  Siehe BGH NJW 1994, S. 61 (62); Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 54; Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 17 AWG Rn. 49, 51; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 18 AWG Rn. 126; zum parallelen Vollendungszeitpunkt bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln BGH NJW 1983, S. 1275 ff. 142  Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 18 AWG Rn. 81; Pathe/ Wagner, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 44 Rn. 58; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 626. 143  Siehe aus der Rechtsprechung BGH NJW 1976, S. 58; NStZ 1987, S. 20; NJW 1993, S. 2125; JuS 2003, S. 504 (504); NStZ 2006, S. 331 f.; NStZ 2013, S. 156 (157). Aus dem Schrifttum Beckemper/Cornelius, in: BeckOK-StGB, § 22 Rn. 32 ff.; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 22 Rn. 31 ff.; Jäger, in: SK-StGB, Bd. 1, § 22 Rn. 13; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 59 ff.; Zaczyk, in: NK-StGB, § 22 Rn. 24; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 518; Rengier, Strafrecht AT, § 34 Rn. 24; Roxin, Strafrecht AT/II, § 29 Rn. 126; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 626; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 946; Bosch, JURA 2011, S. 909 ff.; zu den heute noch vertretenden und teilweise abweichenden Ansätzen ausführlich Hillenkamp, in: LK-StGB, Bd. 1, §  22 Rn.  63 ff. m. w. Nachw. 144  BGH NJW 1976, S. 58; NStZ 2014, S. 633; kritisch aber Roxin, Strafrecht AT/ II, § 29 Rn. 130 ff. 145  BGH NJW 1993, S. 2125; NStZ 2006, S. 331; NJW 2014, S. 1463; HoffmannHolland, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 22 Rn. 122; Jäger, in: SK-StGB, Bd. 1, § 22 Rn. 23; Rengier, Strafrecht AT, § 34 Rn. 24.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

menhang146 unmittelbar gefährdet147 ist. Beurteilungsgrundlage bildet hiernach der konkrete Tatplan, wobei nach objektivem Bewertungsmaßstab durch die Verknüpfung der genannten Kriterien zu ermitteln ist, ob die Tatbestandsverwirklichung die Schwelle zum Versuchsstadium überschritten hat.148 Hinsichtlich des Versuchsbeginns bei mittäterschaftlicher Begehung genügt nach herrschender Auffassung zusätzlich bereits, dass ein Mittäter die genannten Voraussetzungen erfüllt, um alle Mittäter in das Versuchsstadium eintreten zu lassen (sog. Gesamtlösung).149 Die genannten Voraussetzungen werden für die Ausfuhrdelikte grundsätzlich als erfüllt angesehen, sobald die Güter nach dem Transportplan des Täters „in Marsch gesetzt“150 werden. Nach überwiegender Auffassung genügt für das In-Marsch-Setzen aufgrund des hinter den Ausfuhrdelikten stehenden Gefährdungsgedankens bereits der frühe Zeitpunkt der Übergabe der Güter an der Betriebsstätte an den Spediteur bzw. deren Verladung zur demnächst bevorstehenden Beförderung, da schon zu diesem Zeitpunkt der Zugriff der Behörden, etwa im Wege der Außenwirtschaftsprüfung, erschwert ist und im Rahmen der zollrechtlichen Abfertigung bei der Ausgangszollstelle keine Prüfung der außenwirtschaftsrechtlichen Voraussetzungen mehr erfolgt.151 Han146  BGH NStZ 1983, S. 224; NJW 2003, S. 150 (153); Schmidt, NJW 2005, S. 3250 (3251). 147  BGH NJW 1982, S. 1164; NJW 2002, S. 1057 (1058); Eser/Bosch, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 22 Rn. 42; Otto, Strafrecht AT, § 18 Rn. 29. 148  BGH NStZ 1989, S. 473; StV 1989, S. 526; NStZ 2013, S. 157; Jäger, in: SKStGB, Bd. 1, § 22 Rn. 13. 149  RGSt 58, S. 279; BGH NJW 1958, S. 836 (837); BGH NJW 1993, 2251; StV 2007, S. 187 (188); Fischer, StGB, § 22 Rn. 21; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 22 Rn. 55; Kudlich/Schuhr, in: SSW-StGB, § 22 Rn. 52; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 681; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 1241; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 123; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 962; zu den noch vereinzelt vertretenen sog. Einzellösungen, nach denen jeder Mittäter erst dann in das Versuchs­ stadium eintritt, wenn er selbst nach den oben genannten Voraussetzungen unmittelbar zur Tat ansetzt, Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 740 m. w. Nachw.; zur diesbezüglichen Kritik Bosch, JURA 2011, S. 909 (915). 150  Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 18 AWG Rn. 82. 151  BGH NJW 1965, S. 769; NJW 2007, S. 1893; Ahlbrecht, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 40; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 41; Harder, in: Wabnitz/Janovsky, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 23 Rn. 38; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 126; Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 18 AWG Rn. 82; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 18 AWG Rn. 126; a. A. Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 64, die nicht bereits auf das Verladen der Ware, sondern erst auf das Ingangsetzen des Transportmittels abstellt, weil erst dann keine wesentlichen Zwischenakte für die Tatbestandsverwirklichung mehr vorlägen. Zur speziellen Frage des Versuchsbeginns von strafbaren Vermittlertätigkeiten nach § 22a Abs. 1 Nr. 7 KWKG BGH NStZ 1983,



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte135

delt es sich um Güter, die aufgrund ihrer Größe nicht verladen werden müssen, sondern beispielsweise im Reisegepäck transportiert werden können, so wird die Versuchsschwelle – analog zur Ein- bzw. Ausfuhr von Betäubungsmitteln – mit dem Besteigen des Beförderungsmittels bzw. Aufgeben des Reise­gepäcks überschritten.152 Wird die Ware postalisch versendet, markiert deren Weiterleitung bei der Poststelle an den Empfänger den Versuchsbeginn, da ab diesem Zeitpunkt der ungestörte Fortgang zur unmittelbaren Tatbestandserfüllung des Grenzübertritts gewährleistet ist.153 Die Ausfuhr von Software oder Technologie über das Internet beginnt im Fall der Übertragung, z. B. per E-Mail, wohl mit dem Absenden154, im Fall der Bereitstellung spätestens mit dem Hochladen155 bei der zum Abruf vorgesehenen Plattform.156 Dies bedeutet allerdings, dass sich die für den Ausfuhrverantwortlichen typischen Tathandlungen der Planung, Organisation und Anweisung der tatsächlichen Ausfuhr bzw. Verbringung als Veranlassungsbeiträge regelmäßig noch vor Versuchsbeginn und damit im Vorfeld des Ausführungsstadiums abspielen. So betrachtet, beschränken sich die typischen Tatbeiträge auf Vorbereitungstätigkeiten, die nur im Fall der Verbrechenstatbestände des § 17 AWG gemäß § 30 StGB als versuchte Teilnahmehandlungen erfasst werden.157 Dieses Zurechnungsdefizit scheint durch die materielle Perspektive der Tatherrschaftslehre zu entstehen. Die regelmäßig physische Abstinenz von Geschäftsleitungsmitgliedern im Ausführungsstadium lässt diese dort prima facie nicht als Zentralgestalten auftreten, die das Tatgeschehens tatsächlich in den Händen halten. Für den BGH, der bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach wie vor die Tätervorstellung in den Vordergrund stellt, können dagegen auch äußerlich nur vorbereitende oder unterstützende Handlungen die Täterschaft begründen, soweit sie mit dem entsprechenden Täterwillen vorgenommen werden.158 So bejahte der BGH in S. 172; dazu die Anmerkungen von Holthausen, NStZ 1983, S. 172 f.; Nadler, NStZ 1983, S. 510 f. Zu den Besonderheiten beim Tatverhalten des Bereitstellens BGH NJW 2010, S. 2370 (2372 f.). 152  Vgl. BGH NJW 1990, S. 2072 (2073); NStZ 2005, S. 452; NStZ 2008, S. 41 f.; StV 2010, S. 129; dazu Fischer, StGB, § 22 Rn. 15a. 153  Vgl. BGH NStZ 2004, S. 110 f. 154  Vgl. BGH NStZ 2018, S. 148. 155  Vgl. BGH NJW 2014, S. 2595 (2599). 156  Im Einzelnen ist hier bislang freilich noch vieles ungeklärt und hängt insbesondere von der technischen Ausgestaltung des digitalen Ausfuhrvorgangs im Einzelfall ab; dazu Müller, in: Hilber, Cloud Computing, Teil 8 F; Pietsch, FS Wolffgang, S. 135 ff.; siehe ferner Mayer, Illegaler Technologietransfer, S.  305 ff. 157  Ahlbrecht, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 39; allgemeiner Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 12 Rn. 94. 158  BGH NJW 1961, S. 1541 (1542); NJW 1991, S. 1068; NJW 1994, S. 670 (671); NJW 2003, S. 446; NStZ-RR 2016, S. 334 (335); NStZ-RR 2018, S. 40 f.;

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

einer steuerstrafrechtlichen Entscheidung mit grenzüberschreitendem Bezug die Mittätereigenschaft des Mitglieds einer Schmugglerbande, das die Transporte des zu schmuggelnden Alkohols steuerte, die Tarnpapiere beschaffte und den Absatz auf dem Schwarzmarkt im Ausland organisierte ohne aber selbst am unmittelbaren Transport beteiligt gewesen zu sein.159 Zur Begründung führte der BGH an, dass insgesamt auf „der Grundlage gemeinsamen Wollens“ gehandelt wurde.160 Auch wenn der Täterwille allein – d. h. ohne Hinzutreten entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte – noch keine Täterschaft begründet, darf im Ergebnis für das Außenwirtschaftsstrafrecht nichts anderes gelten. Zwar gehen das Steuerstrafrecht mit dem Schutz des staat­ lichen Steueranspruchs161 und das Außenwirtschaftsstrafrecht mit dem Schutz der Allgemeinheit durch die Vermeidung der unkontrollierten Weiterverbreitung von Rüstungsgütern (sog. Proliferation162) von unterschiedlichen Prämissen aus; jedoch würde man den typischen Strukturen arbeitsteiliger Wirtschaftskriminalität nicht gerecht, forderte man das Tätigwerden sämt­ licher Mittäter im Ausführungsstadium.163 Hinter komplexeren Wirtschaftsstraftaten stehen in der Regel ein oder mehrere geistige Urheber, ohne deren Beitrag die Tatausführung undenkbar wäre.164 Dies muss sich normativ in der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme niederschlagen. Teilweise werden daher zwischen der subjektiv geprägten Theorie der Rechtsprechung und der objektiven Tatherrschaftslehre vermittelnde Lösungsansätze vertreten. Stratenwerth/Kuhlen erkennen etwa die Planung und Organisation durchaus als mittäterschaftlichen Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium an, weil dieser – anders als die bloße Lieferung von Werkzeugen oder Waffen – das Verhalten der Beteiligten im Ausführungs­ stadium vorzeichne und deren Rollen gestalte.165 Jakobs stellt insoweit die sog. Plus-Minus-Formel166 auf, wonach ein „Minus“ im Ausführungsstadium durch ein „Plus“ im Vorbereitungsstadium ausgeglichen werden und daher siehe auch Fischer, StGB, § 25 Rn. 32; dazu kritisch Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 12 Rn. 92. 159  BGH NJW 2003, S. 446; dazu auch Bauer, NZWiSt 2018, S. 85 (86 f.). 160  BGH NJW 2003, S. 446. 161  BGH NJW 1998, S. 1568 (1576) m. w. Nachw.; Schmitz/Wulf, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 370 AO Rn. 2; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 3. 162  Siehe die Nachweise in Teil 2, Fn. 15. 163  Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 25 StGB Rn. 105. 164  Zur Parallelproblematik im Betäubungsmittelstrafrecht Patzak, in: Körner/ Patzak/Volkmer, BtMG, § 29 Teil 5 Rn. 160 ff., § 29 Teil 6 Rn. 9. 165  Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 12 Rn. 94; ähnlich Kudlich, in: BeckOKStGB, § 25 Rn. 46. 166  Ähnlich bezeichnet etwa von Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 822.



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die materielle Herrschaft in Form von „Gestaltungsherrschaft“ vermitteln könne, worunter Jakobs die „Festlegung des tatbestandsverwirklichenden Geschehens in seinem konkreten Verlauf“ versteht.167 Die mittäterschaftliche Tatherrschaft begründet nach diesen Ansätzen also weniger der Zeitpunkt des Tatbeitrags, als vielmehr dessen Qualität bzw. Bedeutung für das Gesamtgeschehen.168 Puristischer aufgefasst wird das Kriterium der objektiven Tatherrschaft von Roxin und Schünemann. Für Roxin können die Beiträge der Mittäter zeitlich durchaus aufeinander folgen, wobei nicht einmal die Anwesenheit aller Mittäter am Ort der Erfolgsherbeiführung erforderlich sein soll.169 Wer hiernach allerdings lediglich im Vorbereitungsstadium tätig wird, könne das Geschehen zwar beeinflussen, nicht aber mitbeherrschen, weshalb für die Mittäterschaft zumindest eine bei der Ausführung mitgestaltende Rolle gefordert wird (sog. funktionelle Tatherrschaft).170 Die Vorbereitung der Tat und die Instruktion der Mittäter stellen hiernach die tatsächliche Tatausführung noch nicht sicher.171 Vielmehr soll im Rahmen organisierter Kriminalität die Zurechnung über die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft erfolgen172, die jedoch – wie gezeigt – auf die Strukturen in Wirtschaftsunternehmen de lege lata nicht ohne Weiteres übertragbar ist. Dennoch steuert diesen objektiven Fixpunkt auch Schünemann an, indem er verlangt, dass ein vorwiegend vorbereitend tätiger Beteiligter zumindest noch einen irgendwie gearteten tatfördernden Beitrag im Ausführungsstadium leisten muss.173 Wer nur bei der Vorbereitung tätig werde, könne das Geschehen zwar beeinflussen, nicht aber beherrschen.174 Der „Einsatzleiter“ müsse daher beispielsweise die einzelnen Handlungen im Ausführungsstadium zumindest „von einer Befehlszentrale aus telefonisch, per Funkspruch oder durch Mittelsmänner“ dirigieren und koordinieren.175 Dabei wird allerdings verkannt, dass eine akribische Planung, Organisation und Aufgabenzuweisung im Vorfeld der Tatausführung die kontinuierliche 167  Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 21 Rn. 48 f.; ähnlich Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 61; zustimmend auch Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 67; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 114; kritisch Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 209. 168  Vgl. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 67. 169  Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 198 ff. 170  Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 275 ff.; ders., Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 188; siehe auch Frister, Strafrecht AT, § 26 Rn. 2; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 822; Nestler, JURA 2018, S. 637. 171  Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 200. 172  Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 210. 173  Schünemann, in: LK-StGB. Bd. 1, § 25 Rn. 184 f. 174  Schünemann, in: LK-StGB. Bd. 1, § 25 Rn. 182. 175  Schünemann, in: LK-StGB. Bd. 1, § 25 Rn. 184.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Kommunikation zwischen den Beteiligten obsolet machen kann.176 Hat beispielsweise der Kopf einer Bankräuberbande den übrigen Räubern vor der Tat die Kombination für den in der Bank befindlichen Tresor mitgeteilt, ist er nach Schünemanns Verständnis allenfalls Gehilfe, während er als Mittäter zu bestrafen wäre, wenn er die Kombination erst während des Überfalls telefonisch übermittelt. Der Tatbeitrag ist jedoch in beiden Varianten gleich bedeutsam für das Gelingen der Tat, was zum Wertungswiderspruch führt. Letztlich stellen Roxin und Schünemann ausschließlich auf den Zeitpunkt des geleisteten Tatbeitrags ab, ohne aber auf dessen Qualität und Bedeutung für das Gesamtgeschehen einzugehen.177 Dabei wird das in den §§ 8, 16 Abs. 1, 22 StGB zum Ausdruck kommende Simultanitätsprinzip auch nach dem stärker normativierten Verständnis von Stratenwerth/Kuhlen und Jakobs gewahrt, berücksichtigt man, dass eine detaillierte Planung und Organisation im Ausführungsführungsstadium bei wertender Betrachtung objektiv fortwirkt.178 Nur aufgrund detaillierter Planung und der Schaffung von Rahmenbedingungen „rollt die Ausführung fast von alleine ab“179. Dies gilt besonders dann, wenn der Einsatzleiter unter den Ausführenden Abhängigkeiten geschaffen hat oder als einziger über einen komplexen Tatablauf in seiner Gesamtheit im Bilde ist.180 Er allein dominiert dann in Wahrheit das Geschehen.181 Freilich kann er nicht völlig ausschließen, dass ein Ausführender von den Vorkehrungen der gemeinsamen Agenda abweicht; dies stellt jedoch seine objektive Tatherrschaft nicht in Frage, sondern wirft Zurechnungsprobleme hinsichtlich eines sog. Mittäterexzesses bzw. Aufkündigens des Tatplans auf.182 Ganz im Sinne der Plus-Minus-Formel von Jakobs ist allerdings ein Vorbereitungsakt von erheblicher Bedeutung zu fordern, der die Tat in ausreichendem Maß konkretisiert und daher bei wertender Betrachtung das Handlungsdefizit im Ausführungsstadium kompensiert.183

176  Wessels/Beulke/Satzger,

Strafrecht AT, Rn. 823 m. w. Nachw. Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 198. 178  BGH NJW 1991, 1068 f.; StV 2013, S. 387; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 12 Rn. 93; Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 21 Rn. 49; so auch Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 67; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 110. 179  Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 110. 180  Siehe nur Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 25 Rn. 11; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S.  679 f. 181  Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 25 StGB Rn. 105; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 111. 182  Dazu Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 193 f.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S.  677 f.; Otto, Strafrecht AT, § 21 Rn. 59. 183  So auch Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 25 StGB Rn. 106; ähnlich Bosch, Organisationsverschulden, S. 271 f. 177  Vgl.



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Für den Ausfuhrverantwortlichen bedeutet dies, dass bereits Verhalten wie eine entsprechende Planung, Organisation und Veranlassung einer rechtswidrigen Ausfuhr bzw. Verbringung mittäterschaftsbegründend wirken kann, solange ihm ein entsprechendes Gewicht im Gesamtgefüge der Tatbeiträge zukommt.184 bb) Gemeinsamer Tatplan bei vertikalen Organisationsstrukturen Auch wenn damit planerische, organisatorische sowie anweisende Tatbeiträge im Vorfeld des eigentlichen Ausführungsstadiums prinzipiell die Tat­ herrschaft des Ausfuhrverantwortlichen begründen können, werden die Voraussetzungen der Mittäterschaft unter prozessualen Gesichtspunkten regelmäßig schwer belegbar sein. Grund ist die Nachweisbarkeit eines gemeinsamen Tatplans, der als Ausgangspunkt der Tatausführung zwischen sämtlichen Mittätern vorliegen muss.185 Dabei werden die Anforderungen an den gemeinsamen Tatplan überwiegend als relativ gering eingestuft; erforderlich ist wegen des arbeitsteiligen Charakters der Mittäterschaft im Grundsatz nur die Willensübereinstimmung der Beteiligten hinsichtlich der Koordination der Einzelbeiträge.186 Der Tatplan muss dagegen nicht von sämtlichen Beteiligten gemeinsam erarbeitet werden, es genügt vielmehr der Beitritt zu einem „fertigen“ Tatplan.187 Die Rechtsprechung verlangt zudem nicht, dass sich die einzelnen Beteiligten persönlich kennen, sofern sich nur jeder bewusst ist, dass neben ihm noch andere mitwirken und diese von dem gleichen Bewusstsein erfüllt sind188; ausreichen könne bereits eine stillschweigende, durch konkludentes Handeln bekundete Willensübereinstimmung.189 Diese gelockerten Anforderungen ändern indessen nichts daran, dass die Mittäterschaft aufgrund des unterschiedslos erforderlichen Tatplans idealtypisch ein horizontal koordiniertes Verhalten beschreibt. Zwischen Geschäftsleitungsmitgliedern und dem operativ tätigen Personal besteht aus unternehmensorganisatorischer Perspektive dagegen regelmäßig vertikale Arbeitsver-

184  Vgl. Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 21; Sachs, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 18 AWG Rn. 8; Mayer, Illegaler Technologietransfer, S.  85 f. 185  Ausführlich Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 234 ff. 186  Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 72; Roxin, Strafrecht AT/ II, § 25 Rn. 190; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 678 f. 187  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 173; Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 192; Kühl, Strafrecht AT, § 20 Rn. 102. 188  Bereits RGSt 58, S. 279; sodann beispielsweise auch BGH NStZ 2010, S. 342 (343); dazu Rengier, Strafrecht AT, § 44 Rn. 11. 189  BGH NStZ 1985, S. 70 (71); NJW 1991, S. 1068.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

teilung.190 Geschäftsleitungsmitgliedern, wie dem Ausfuhrverantwortlichen eines großen Exportunternehmens, wird es zumeist völlig gleichgültig sein, welcher konkrete Mitarbeiter des Unternehmens bzw. welcher Angestellte des beauftragten Spediteurs den Grenztransfer zur Deliktsvollendung herbeiführt.191 Als Kehrseite dazu wird das im Ausführungsstadium tätige Personal nur in den seltensten Fällen über den für einen gemeinsamen Tatplan erforderlichen übereinstimmenden Willen hinsichtlich des Stellenwerts des eigenen Handelns innerhalb eines festgelegten Deliktsablaufs verfügen.192 Liegen insoweit nicht bereits die Voraussetzungen für eine mittelbare Täterschaft der Geschäftsleitung kraft Wissensherrschaft vor, so wird das für den Tatplan erforderliche Einverständnis des Angestellten eines großen Unternehmens regelmäßig nicht die gemeinschaftliche Tatbegehung mit dem gesellschaftsrechtlich-hierarchisch betrachtet weit distanzierten Vorgesetzten umfassen. Lässt sich ausnahmsweise doch eine hinreichende Abstimmung zwischen verschiedenen Hierarchieebenen nachweisen, steht der Annahme eines gemeinsamen Tatplans freilich auch bei vertikalen Zurechnungsstrukturen grundsätzlich nichts im Weg.193 Eine Art „kollektives Bewusstsein“ dergestalt, dass sich sämtliche Angestellte durch ihre Ausführungshandlungen zumindest konkludent den verbrecherischen Tatplan des Vorgesetzten zu eigenen machen, wird indessen wiederum allenfalls bei rechtsgelösten Regimen und Organisationen, nicht aber bei im Grundsatz legal wirtschaftenden Unternehmen anzunehmen sein.194 Die strafrechtliche Verhaltenszurechnung fremder Tatbeiträge an den Ausfuhrverantwortlichen im Wege der Mittäterschaft sieht sich gerade bei dezentralen Unternehmensstrukturen erheblicher faktischen Nachweisprobleme ausgesetzt. d) Anstiftung zu Ausfuhr und Verbringung Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die täterschaftliche Zurechnung von Ausfuhr und Verbringung an den Ausfuhrverantwortlichen durch die gegenwärtige Fassung des § 25 StGB nicht umfassend erfasst werden kann. Handelt das angewiesene Exportpersonal eigenverantwortlich und gleichzeitig nicht auf Grundlage eines gemeinsamen Tatplans mit dem Ausfuhrverantwortlichen, lassen sich dessen Veranlassungsbeiträge im Vorberei190  Ransiek,

Unternehmensstrafrecht, S. 50; Bock, Criminal Compliance, S. 305 f. Bosch, Organisationsverschulden, S. 273. 192  Zur dadurch bedingten Annäherung des Tatentschlusses an den Vorsatz im Sinne von § 15 StGB Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 128; Globke/Hettinger, FS Kühl, S. 213 ff. 193  Vgl. Bottke, Haftung, S. 54; Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 179. 194  Bosch, Organisationsverschulden, S. 274. 191  Allgemeiner



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tungsstadium der physisch-realen Ausfuhr bzw. Verbringung allenfalls als Teilnehmerhandlungen im Sinne der §§ 26, 27 StGB bewerten.195 Weist der Ausfuhrverantwortliche eine illegale Ausfuhr bzw. Verbringung an, rückt insbesondere die Strafbarkeit als Anstifter gemäß § 26 StGB in das Blickfeld. Eine entsprechende Anweisung wird nämlich regelmäßig zumindest den Tat­ entschluss seiner Mitarbeiter bzw. Spediteure hervorrufen. Dies kann im Exportunternehmen sowohl unmittelbar durch den Ausfuhrverantwortlichen an das Exportpersonal, als auch mittelbar durch sog. Kettenanstiftung geschehen, bei der der Ausfuhrverantwortliche jemanden anweist, einen Dritten mit der Ausfuhr bzw. Verbringung zu beauftragen.196 Die Kettenanstiftung überwindet insbesondere den in größeren, dezentralisierten Unternehmen häufig fehlenden unmittelbaren Kommunikationsakt zwischen Entscheidungs- und Ausführungsebene.197 Dafür, die strafrechtliche Vorgesetztenverantwortlichkeit durch die Anstiftung gemäß § 26 StGB abzubilden, spricht sich etwa Bock aus.198 Die Rechtsordnung stelle mit der Anstiftung eine tätergleich sanktionierende Norm für vertikal straftathervorrufende Beteiligung im Vorfeld zur Verfügung, sodass Schreibtischtäter auch als solche ihre Strafe fänden.199 Eine höhere Verantwortung der Vorgesetzten könne bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.200 An diesem Modell wird allerdings kritisiert, dass die vom Haupttäter abhängige, akzessorische Anstifterstrafbarkeit nicht notwendig die übergeordnete Rolle des Vorgesetzten und das besondere Unrechtsgepräge verdeutlicht, wenn dieser sein Unternehmen als Tatinstrument für die Realisierung von Wirtschaftskriminalität missbraucht.201 Dem lässt sich einerseits noch mit Bock entgegenhalten, dass das Abstellen auf den fehlerhaften Gebrauch von Organisationsmacht – wie bei der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft gesehen – eine Vergeistigung des Tatherrschaftskriteriums darstellt, die mangels entsprechender gesetzlicher Regelung zur Rechtsunsicherheit führt und so den voreiligen Schluss von der abstrakauch John, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 64 ff. Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 107; ferner Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 26 Rn. 8; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 12 Rn. 222 ff. 197  Dazu Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 28; auch als versuchte Kettenanstiftung zum Verbrechen, siehe Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 30 Rn. 46. 198  Bock, Criminal Compliance, S. 296 ff.; siehe zudem Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S.  88 ff.; Herzberg, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 33 ff.; Schmucker, StraFo 2010, S. 235 ff. 199  Bock, Criminal Compliance, S. 296. 200  Bock, Criminal Compliance, S. 296. 201  Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 120 m. w. Nachw.; siehe zudem Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  180 ff. 195  Dazu 196  Vgl.

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ten Entscheidungsmacht auf die konkrete Tatherrschaft ermöglicht.202 Die Anstiftungslösung veranschaulicht andererseits nicht, dass gerade Planungs-, Organisations- und Veranlassungsbeiträge, wenn schon nicht als Instrumentalisierung von Betriebsabläufen, doch immerhin als funktionelle Tatbeiträge aus dem Vorbereitungs- in das Ausführungsstadium fortwirken, indem sie den organisatorischen Rahmen für komplexe Wirtschaftsabläufe schaffen. Derart gewichtige Beiträge sind für das Bestimmen im Sinne des § 26 StGB nach ständiger Rechtsprechung gerade nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr bereits die Einflussnahme auf den Willen eines anderen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt, gleichgültig in welcher Form und durch welche Mittel die Einflussnahme erfolgt.203 Die Berücksichtigung des Gewichts des funktionellen Tatbeitrags bei der Strafzumessung des Anstifters erscheint de lege lata zwar grundsätzlich möglich, sie wirkt jedoch aufgrund des Unrechtsgepräges funktioneller Tatbeiträge doch nur als eine Notlösung.204 Begreift man die Teilnahme als Minus zur Täterschaft205, so fungiert § 26 StGB hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen de lege lata in erster Linie als Auffangtatbestand.206 3. Zwischenergebnis Die bisherige Untersuchung veranschaulicht, dass sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen aufgrund einer an den Begriffsbestimmungen der „Ausfuhr“ gemäß § 2 Abs. 3 AWG, Art. 2 Nr. 2 Dual-Use-VO und der „Verbringung“ gemäß § 2 Abs. 21 AWG orientierten Auslegung des Tatverhaltens der Ausfuhrdelikte nur defizitär durch die allgemeinen Zurechnungsvorschriften der §§ 25 ff. StGB erfassen lässt. Offenbart haben sich für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Vorgesetzten typische Zurechnungsprobleme, die aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken unterschiedlicher Hierarchieebenen bei komplexeren Wirtschaftsabläufen resultieren. Ausfuhr und Verbringung bilden dabei keine Ausnahme. Indem sie den physisch-realen Grenztransfer kennzeichnen, beschreiben sie gleichzeitig primär eine Handlungsverantwortung des operativ tätigen Exportpersonals Bock, Criminal Compliance, S. 298. NStZ 2000, S. 421; NJW 2000, S. 1877 (1878); ausführlich Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 26 Rn. 10 ff. 204  Deutlicher noch Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 106 f., der den Spielraum für anstifterspezifische Straferhöhungsgesichtspunkte als zu begrenzt für die vertikale Verhaltenszurechnung in Unternehmen ansieht. 205  So Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 25 Rn. 5; Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 145. 206  Siehe zu den gesetzlich geregelten Fällen einer verselbstständigter Teilnahme des Außenwirtschaftsstrafrechts (sog. Fördertatbestände) zudem nachfolgend S. 180 ff. 202  Siehe 203  BGH



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte143

und keine Entscheidungsverantwortung der planerisch, organisatorisch sowie anweisend agierenden Geschäftsleitung. Mangels Eigenhändigkeit der Ausfuhrdelikte ist zwar der Rückgriff auf die Zurechnungsfiguren der mittelbaren Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB sowie der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB möglich; aufgrund ihrer klassisch-individualstrafrecht­ lichen Konzeption sind diese Vorschriften de lege lata allerdings nicht in der Lage, eine lückenlose Zurechnung des physisch-realen Grenztransfers an den Ausfuhrverantwortlichen zu gewährleisten. Als potenzieller Systemtäter verfügt Letztgenannter regelmäßig über die Organisationsherrschaft, die allerdings in grundsätzlich legal agierenden Wirtschaftsunternehmen keine objektive Tatherrschaft im Sinne der mittelbaren Täterschaft vermittelt. Die Planung, Organisation und Anweisung illegaler Ausfuhren und Verbringungen lassen sich allenfalls als funktionale Tatbeiträge innerhalb eines gemeinsamen Tatplans im Sinne der Mittäterschaft einstufen. Ein gemeinsamer Tatplan ist dabei grundsätzlich auch innerhalb vertikaler Organisationsstrukturen denkbar, wird jedoch regelmäßig an den tatsächlichen Unternehmensstrukturen sowie der organisatorischen Distanz zwischen Handlungs- und Entscheidungsebene abzulehnen sein. Die genannten Verhaltensweisen lassen sich daher als Teilnahmehandlungen, insbesondere als Anstiftung gemäß § 26 StGB, einordnen. Diese Lösung sieht sich allerdings dem Vorwurf ausgesetzt, die möglicherweise überragende Rolle des Ausfuhrverantwortlichen nicht hinreichend zum Ausdruck zu bringen. Nach bisher Gesagtem scheint sich der Ausfuhrverantwortliche trotz aktiver Tatbeiträge regelmäßig durch den Verweis auf seine „lediglich“ funktionale Rolle entlasten zu können.

II. Bewältigung der Zurechnungsdefizite Hinsichtlich der Zurechnung aktiver Ausfuhrverstöße an Leitungspersonen, wie den Ausfuhrverantwortlichen, lassen sich in Rechtsprechung und Schrifttum zwei Ansätze zur Bewältigung der soeben ermittelten Unzulänglichkeiten ausmachen. Beide Ansätze knüpfen zusätzlich zum physisch-realen Grenztransfer der Güter an eine besondere Stellung bzw. Machtposition des Täters an. Nach dem ersten Ansatz sind die Ausfuhrdelikte als Sonderdelikte zu begreifen, die nur vom „Ausführer“ im genehmigungsrechtlichen Sinne (§ 2 Abs. 2 AWG, Art. 2 Nr. 3 Dual-Use-VO) verwirklicht werden können, was hinsichtlich der strafrechtlichen Zurechnung zwar in der Regel den Rückgriff auf §§ 25 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 StGB verbietet, jedoch die Überwälzung besonderer persönlicher Merkmale nach § 14 StGB erlaubt (1.). Nach dem zweiten Ansatz bedarf es infolge einer besonders extensiven Tatbestandsauslegung regelmäßig keiner allgemeinen Zurechnungsvorschrift, da die Ausfuhrdelikte dann als sog. Organisationsdelikte bereits für sich betrachtet die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

abdecken (2.). Darüber hinaus existieren mit den sog. Fördertatbeständen des KWKG eigenständige Verbrechenstatbestände, die ebenfalls in der Lage zu sein scheinen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit organisationsspezifischer Tatbeiträge des Ausfuhrverantwortlichen abzudecken (3.). Im Folgenden wird eine kritische Auseinandersetzung mit den drei genannten Konzeptionen geführt, um deren Tauglichkeit zur Erfassung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen auf den Prüfstand zu stellen. 1. Ausfuhrdelikte als Sonderdelikte Nach dem ersten alternativen Zurechnungskonzept stellen sich die oben aufgeworfenen Zurechnungsfragen bereits deshalb nicht, weil die Ausfuhrdelikte dort als Sonderdelikte angesehen werden. Unter Sonderdelikten versteht man allgemein Delikte, die nur durch denjenigen täterschaftlich verwirklicht werden können, der die tatbestandlich geforderte besondere Täterqualität in seiner Person aufweist.207 Beteiligte, die die besondere Täterqualität nicht besitzen, können daher allenfalls als Teilnehmer (§§ 26 ff. StGB) des Sonderdelikts bestraft werden.208 Mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft sind regelmäßig ausgeschlossen. Führt ein Beteiligter die gesetzlich gekennzeichnete Tathandlung aus, ohne selbst die erforderliche Täterqualität zu besitzen, ermöglicht § 14 StGB allerdings in bestimmten Vertreterkonstellationen die sog. Überwälzung209 besonderer persönlicher Merkmale vom Merkmalsinhaber auf den tatsächlich Handelnden. Die Vorschrift dient dabei – anders als §§ 25 ff. StGB – nicht der strafrechtlichen Zurechnung von Tatverhalten, sondern setzt bei der Zurechnung besonderer persönlicher Merkmale an, um Strafbarkeitslücken bei der Beteiligung an Sonderdelikten zu vermeiden.210 Seinen Hauptanwendungsbereich hat § 14 StGB daher bei denjenigen Straftatbeständen des Wirtschaftsstrafrechts, die durch ihre Täterbeschreibung ein selbst weder handlungs- noch schuldfähiges Unternehmen (z. B. „Arbeitgeber“ in § 266a StGB, „Schuldner“ in § 283 StGB) adressieren.211 207  Dazu Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 13  ff. Rn. 131; Wessels/ Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 55; Zieschang, Strafrecht AT, Rn. 37. 208  Statt vieler Murmann, in: SSW-StGB, Vor §§ 25 ff. Rn. 13 f.; siehe auch Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, Vor §§ 17 ff. AWG Rn. 66. 209  Bosch, in: SSW-StGB, § 14 Rn. 1; Perron/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 14 Rn. 4, 8; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 189; ders., NJW 1986, S. 1842 (1843); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (60). 210  Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 6 Rn. 77; Ceffinato, Legitimation und Grenzen, S. 46; Kuhlen, wistra 2016, S. 465; Valerius, JURA 2013, S. 15; siehe auch Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 2. 211  Bosch, in: SSW-StGB, § 14 Rn. 1; Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 41; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 266a, Rn. 4; Kindhäuser, in: NK-StGB,



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte145

Stellt die Täterbeschreibung gleichzeitig ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 14 StGB dar, richtet sich die strafrechtliche Zurechnung mithin primär nach § 14 StGB und erst sekundär nach §§ 25 ff. StGB. Während eine nicht zu vernachlässigende Strömung im Schrifttum die Ausfuhr­ delikte dem Anwendungsbereich des § 14 StGB unterstellt (a)), handelt es sich nach Auffassung des BGH um Allgemeindelikte, auf welche die §§ 25 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 StGB uneingeschränkt Anwendung finden (b)). Die Auseinandersetzung bedarf einer Stellungnahme, um die Tauglichkeit dieses Zurechnungskonzepts zu hinterfragen (c)). a) Befürworter des Sonderdeliktscharakters Nach einer im Schrifttum nach wie vor verbreitet vertretenen Auffassung handelt es sich bei einem großen Teil der Ausfuhrdelikte um die soeben beschriebenen Sonderdelikte.212 Betroffen sind hiernach jene Ausfuhrdelikte, die den Verstoß gegen eine Genehmigungspflicht sanktionieren. So wird nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 AWG beispielsweise bestraft, wer gegen die AWV verstößt, indem er ohne Genehmigung gelistete Rüstungsgüter oder nicht gelistete Dual-Use-Güter ausführt. Die Genehmigungspflicht begründe für den von ihr betroffenen Personenkreis eine vortatbestandliche, täterschaftsbegründende Pflichtenstellung und ermögliche dadurch eine eindeutige personelle Zuordnung bzw. Begrenzung des Täterkreises.213 Da die Genehmigungspflicht allein den „Ausführer“ im formell-genehmigungsrechtlichen Sinn (§ 2 Abs. 2 AWG, § 21 Abs. 1 AWV) adressiere, liege den Ausfuhr­ delikten ein formeller Täterbegriff zugrunde. Täter der Ausfuhrdelikte, die an einen Genehmigungspflichtverstoß anknüpfen, könne daher nur sein, wer das besondere persönliche Merkmal des Ausführers in seiner Person aufweist bzw. wem dieses Merkmal gemäß § 14 StGB zugerechnet werden kann.214

§ 283, Rn. 43 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT, Rn. 415, 587; Schmucker, ZJS 2011, S.  30 ff.; Valerius, JURA 2013, S. 15 (16); ferner Kudlich ZHW 2016, S. 1 (3). 212  Holthausen, NStZ 1993, S. 568 f.; Lübbig, Verfolgung illegaler Exporte, S. 119; ders., AW-Prax 1996, S. 409 (411); Kreuzer, AW-Prax 1997, S. 40; Krause, Sonderdelikte im Wirtschaftsstrafrecht, S. 156; wohl auch John, in: Hohmann/John, § 34 AWG a. F. Rn.  44 ff.; Pottmeyer, KWKG, § 22a Rn. 142 ff.; ders., Der Ausfuhrverantwortliche, S. 190; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 92 f.; in der Rechtsprechung LG Mannheim vom 09.10.1991 – (21) 6 KLs 12/91. 213  Holthausen, NStZ 1993, S. 568; siehe auch Krause, Sonderdelikte im Wirtschaftsstrafrecht, S.  156 ff. 214  Holthausen, NStZ 1993, S. 568 (569); ähnlich Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  208 f.; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 92.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

b) Auffassung des BGH Dieser Auffassung ist der BGH allerdings bereits im eingangs geschilderten Rabta-Fall vehement entgegengetreten. Bei den Ausfuhrdelikten handle es sich grundsätzlich nicht um Sonderdelikte, sondern um Allgemeindelikte, die von jedermann unter Berücksichtigung der §§ 25 ff. StGB begangen werden könnten.215 Als Hauptargument führte der BGH im Rabta-Fall noch die systematische Stellung der Begriffsbestimmung des formellen Ausführers an.216 Vor seiner Aufnahme in die allgemeinen Begriffsbestimmungen des § 2 AWG durch die AWG-Novelle von 2013 (konkret: § 2 Abs. 2 AWG n. F.) wurde der Begriff des Ausführers vom deutschen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber nur in § 8 Abs. 1 Satz 1 AWV a. F. legaldefiniert.217 Danach war formeller Ausführer, wer Waren nach fremden Wirtschaftsgebieten verbringt oder verbringen lässt. Der BGH sprach der dortigen Begriffsbestimmung allerdings noch jegliche Relevanz für die Ausfuhrdelikte ab.218 Die Ausführerdefinition der AWV bezwecke einzig die Vereinfachung der Gesetzesfassung in bestimmten Verfahrens- und Meldevorschriften des AWG219 und könne daher nicht Grundlage für weiterführende, die Auslegung des für die Ausfuhrdelikte maßgeblichen Begriffs der Ausfuhr nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG a. F. (§ 2 Abs. 3 AWG n. F.) beeinflussende Überlegungen sein.220 Vielmehr habe der Begriff der Ausfuhr im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG a. F. selbstständige Bedeutung und werde in seinem Geltungsbereich nicht durch den Begriff des Ausführers im Sinne der AWV eingeschränkt.221 215  BGH

NJW 1992, S. 3114; siehe auch BGH NStZ 2016, S. 733 (735). NJW 1992, S. 3114; dazu außerdem S. 158 f. 217  BGBl. I, S. 1381, später in § 4c Nr. 1 AWV a. F., BGBl. I, S. 2671. 218  BGH NJW 1992, S. 3114 f. anders noch die Vorinstanz LG Mannheim vom 09.10.1991 – (21) 6 KLs 12/91. 219  Konkret der §§ 26, 46 Abs. 3 AWG a. F., BGBl. I, S. 481; vgl. dort auch die Überschrift des 2. Titels in Kapitel II. 220  BGH NJW 1992, S. 3114. 221  BGH NJW 1992, S. 3114; den Sonderdeliktscharakter der Ausfuhrdelikte bejaht der BGH mittlerweile ausschließlich im Fall des Catch-All-Verstoßes gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AWG i. V. m. Art. 4 Abs. 4 Dual-Use-VO, siehe BGH NJW 2010, S. 2370 (2371); hierauf Bezug nehmend BGH NStZ 2016, S. 733 (735). Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer gegen die Dual-Use-VO verstößt, indem er ohne Entscheidung der zuständigen Behörde über die Genehmigungspflicht oder ohne deren Genehmigung nicht gelistete Dual-Use-Güter ausführt, obwohl er als Ausführer die Entscheidung über die Genehmigungspflichtigkeit der Ausfuhr bei Kenntnis eines kritischen Endverwendungszwecks durch die entsprechende Unterrichtung der Behörde hätte ermöglichen müssen. In dieser Konstellation knüpfe der Genehmigungsvorbehalt des Art. 4 Abs. 4 Dual-Use-VO nicht an den tatsächlichen Vorgang der Ausfuhr, sondern unmittelbar an die formelle Ausführereigenschaft an. Anders beurteilt der BGH allerdings die Catch-All-Delikte gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG 216  BGH



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c) Analyse und Bewertung Zwar dürfte der – aufgrund der damaligen Regelungssystematik durchaus nachvollziehbaren – Argumentation des BGH im Rabta-Fall infolge des durch die AWG-Novelle von 2013 bedingten Ortswechsels der Legaldefinition des Ausführers aus den Verfahrens- und Meldevorschriften der AWV in die allgemeinen Begriffsbestimmungen des § 2 AWG n. F. wohl die Grundlage entzogen worden sein222; jedoch ist dem BGH im Ergebnis nach wie vor zuzustimmen. Die Ausfuhrdelikte, die an den Verstoß gegen eine Genehmigungspflicht des formellen Ausführers anknüpfen, enthalten keine besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 14 Abs. 1 StGB. Besondere persönliche Merkmale sind hiernach besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände.223 Um besonders zu sein, müssen die genannten Merkmale einen spezifischen Täterbezug aufweisen, durch den zum Ausdruck kommt, dass ausschließlich ein Täter der tatbestandlich gekennzeichneten Qualität das im Delikt vertypte Unrecht verwirklichen kann.224 Dies trifft beispielsweise auf den Amtsträger im Sinne der §§ 331 ff., 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu, da nur dieser durch seine Bestechlichkeit das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und Lauterkeit des Staatsapparats erschüttern kann.225

i. V. m. Art. 4 Abs. 1–3 Dual-Use-VO, die zwar ebenfalls den Ausführer explizit im Tatbestand erwähnen, jedoch nicht an die Kenntnis des Ausführers anknüpfen, sondern an dessen Unterrichtung durch die zuständige Behörde über einen kritischen Endverwendungszweck der Güter; so jüngst BGH NStZ 2016, S. 733 (735). Anders als bei der Kenntnis des Ausführers gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AWG müsse das Unterrichtetsein gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG allerdings nicht beim Täter selbst vorliegen; so auch Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 20 ff.; a. A. Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, Vor §§ 17 ff. AWG Rn. 67; a. A. wohl auch Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 4; kritisch zudem Nestler, NStZ 2016, S. 733 (738 f.). Da für die Ausfuhr von nicht gelisteten Dual-Use-Gütern indessen kein Ausfuhrverantwortlicher im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze bestellt werden muss (siehe Nr. 1 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015), erfolgt an dieser Stelle diesbezüglich keine weitere Auseinandersetzung. 222  Die Ausführungen in der Folgeentscheidung, BGH NStZ 2016, S. 733 (735), bezogen sich ebenfalls noch auf die Rechtslage vor der AWG-Novelle von 2013, sodass sich der BGH mit einem Verweis auf BGH NJW 1992, S. 3114 begnügte. 223  Dazu im Einzelnen Bosch, in: SSW-StGB, § 14 Rn. 4  f.; Perron/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 14 Rn. 8 ff.; Radtke, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 54; Blauth, Handeln, S.  52 ff.; Ceffinato, Legitimation und Grenzen, S. 332 ff.; Schünemann, JURA 1980, S. 568 ff. 224  Ausführlich Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 32 ff.; Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 62 ff.; siehe auch Nestler/Lehner, JURA 2017, S. 403 (410 ff.). 225  Dazu Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 9 ff.; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 331 Rn. 1.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Ginge man davon aus, dass das spezifische Unrecht der Ausfuhrdelikte nur der Ausführer im formellen Sinn verwirklichen kann, bedeutete dies, dass die Ausfuhrdelikte primär den staatlichen Genehmigungsvorbehalt bzw. den Verwaltungsgehorsam im Außenwirtschaftsverkehr schützen. Dabei soll gar nicht bezweifelt werden, die Ausfuhrdelikte zumindest als Schutzreflex auch die Funktionsfähigkeit des formellen Ausfuhrgenehmigungsverfahrens erfassen226; im Kern geht es allerdings – wie sich aus § 4 AWG ergibt – darum, darüber hinausreichende, komplexe Schutzgüter abzusichern, wie etwa die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, deren Sicherheitsinteressen oder das friedliche Zusammenleben der Völker.227 Die Verletzung dieser Schutzgüter setzt indessen keinen Ausführer im formellen Sinn voraus.228 Ginge beispielsweise die illegale Ausfuhr von Rüstungsgütern allein auf einen „einfachen“ Angestellten zurück, der weder Geschäftsleitungsmitglied (§ 14 Abs. 1 StGB) noch ein von dieser Beauftragter (§ 14 Abs. 2 StGB) ist, wäre der persönliche Anwendungsbereich des § 14 StGB grundsätzlich nicht eröffnet.229 Die Ausführerstellung bzw. die damit einhergehende Genehmigungspflicht könnte nicht nach § 14 StGB auf den Angestellten „übergewälzt“ werden. Mangels strafbarer Haupttat wäre in diesem Fall auch eine etwaige Teilnehmerstrafbarkeit ausgeschlossen. Das Gleiche gilt für den in das Fehlen bzw. Verletzen der Genehmigung eingeweihten Spediteur, der regelmäßig den tatsächlichen Grenztransfer herbeiführt, oder den Dieb, der gestohlene gelistete Ware vorsätzlich ins Ausland schafft.230 Die Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts werden durch die genannten Personen in gleicher Weise gefährdet, wie durch den „verwaltungsungehorsamen“ formellen Ausführer.231 Die verwaltungsrechtlichen Genehmigungspflichten des Ausführers im formellen Sinn sind damit keine besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 14 StGB.232 226  Dazu

zudem noch S. 173 ff. sowie insbesondere zur Rolle der seit der AWG-Novelle von 2013 in § 2 Abs. 2 AWG vorgesehenen Begriffsbestimmung des Ausführers ebenfalls S. 173 ff. 228  In diesem Sinne auch Burkert, Besondere Problematik, S. 53 ff.; Tervooren, Ausführerbegriff, S.  150 f.; Haase, AW-Prax 1998, S. 51; Schaefer, RdTW 2014, S. 147 (148). 229  Nelles/Halla-Heißen, in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle, S. 99 (118 f.); zum sog. faktischen Geschäftsführer siehe allerdings BGH NJW 1966, S. 2225 ff.; StV 1984, S. 461; NJW 2000, S. 2285 f.; NStZ 2002, S. 548 f.; Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 3 Rn. 17; Schünemann, in: LK-StGB, Bd.  1, §  14 Rn.  69  ff.; Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn.  355 ff.; Dierlamm, NStZ 1996, S. 153 (156). 230  Tervooren, Ausführerbegriff, S.  150 f.; Haase, AW-Prax 1998, S. 51; zum Ganzen auch John, in: Hohmann/John, § 34 AWG a. F. Rn. 44 ff. 231  Ähnlich Burkert, Besondere Problematik, S. 62; vgl. auch Mayer, Illegaler Technologietransfer, S. 84. 227  Dazu



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Die Stellung als formeller genehmigungspflichtiger Ausführer bringt damit lediglich zum Ausdruck, dass eine verwaltungsrechtliche Verantwortung besteht. Diese Verantwortung muss aber nicht bei demjenigen vorliegen, der die Güter über die Grenze schafft. Vielmehr genügt in diesem Fall die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich des Fehlens einer entsprechenden Genehmigung.233 Etwas anderes ist nur denkbar, wenn ein Ausfuhrdelikt zusätzliche Anforderungen an die Person des Täters stellt, wie dies bei den Verstößen gegen die Catch-All-Klauseln gemäß § 18 Abs. 5 AWG der Fall ist. Die dortigen Straftatbestände setzen das Unterrichtetsein bzw. die Kenntnis des formellen Ausführers hinsichtlich einer kritischen Endverwendung der auszuführenden nicht gelisteten Dual-Use-Güter voraus.234 Ob es sich bei dem Unterrichtetsein bzw. bei der Kenntnis um besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 14 StGB handelt, bedarf an dieser Stelle allerdings keiner eingehenderen Betrachtung, da sich die Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen nach Nr. 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze auf die Ausfuhr von gelisteten Gütern beschränkt. Die für den Ausfuhrverantwortlichen relevanten Ausfuhrdelikte sind im Grundsatz als Allgemeindelikte einzuordnen.235 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit bemisst sich insoweit nicht nach § 14 StGB. 2. Ausfuhrdelikte als Organisationsdelikte Nach dem zweiten alternativen Zurechnungskonzept kommen die Ausfuhrdelikte weitestgehend ohne den Rückgriff auf allgemeine Zurechnungsvor232  Ebenso Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 3; Nelles/HallaHeißen, in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle, S. 99 (118 f.). 233  Alexander/Winkelbauer, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, §  62 Rn. 48; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 3. 234  Ausführlich bereits in Teil 3, Fn. 221. 235  So auch die h. M. im Schrifttum, siehe Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 6; Alexander/Winkelbauer, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 62 Rn. 48; Morweiser, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S.  191 f.; Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 992; Mayer, Illegaler Technologietransfer, S.  80 ff.; Burkert, Besondere Problematik, S. 63; Tervooren, Ausführer­begriff, S.  150 f.; Haase, AW-Prax 1998, S. 51 ff.; Hannemann-Kacik/Sieben, Der Zoll-Profi! 7/2012, S. 8 (9); Klötzer-Assion, WiJ 2012, S. 171 (175); differenzierend: Junck/ Kirch-Heim, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 Rn. 85; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 26 ff.; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 5, 14; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, Vor §§ 17 ff. AWG Rn. 66 ff.; Nelles/Halla-Heißen, in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle, S. 99 (118 f.); Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 66 ff.; dies., NStZ 2016, S. 733 (738 f.); dies./Lehner, JURA 2017, S. 403 (407); Schaefer, RdTW 2014, S. 147 (148); Schöppner/Damm, Der Zoll-Profi! 11/2014, S. 4 (6).

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schriften aus. Die Ausfuhrdelikte regeln die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit illegalen Ausfuhrvorgängen hiernach vielmehr größtenteils selbst. Im Schrifttum hat insoweit allen voran Schünemann236 auf Strukturen der Ausfuhrdelikte aufmerksam gemacht, die diese als sog. Organisationsdelikte bereits für sich betrachtet in die Lage versetzen, die komplexen Zurechnungsstrukturen innerhalb illegaler Ausfuhrvorgänge abzubilden (a)). Auch der BGH hat – nicht zuletzt in einer expliziten Entscheidungen zum Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze – eine Lesart der Ausfuhrdelikte vorgestellt, die sich allein an den außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften orientiert und damit an das Verständnis Schünemanns annähert (b)). Sowohl Schünemann als auch der BGH argumentieren maßgeblich mit den in der Begriffsbestimmung des Ausführers gemäß § 2 Abs. 2 AWG getroffenen Wertungen. Für diese Untersuchung interessiert daher, ob der außenwirtschaftsrechtliche Ausführerbegriff aus der Perspektive des Ausfuhrverantwortlichen als eine Art „Zurechnungsmotor“ fungiert (c)). a) Organisationsdelikte nach Schünemann Schünemanns Lehre von den Organisationsdelikten wird im Folgenden zunächst abstrakt vorgestellt und als Beschreibung einer besonderen Regelungstechnik des Gesetzgebers eingestuft (aa)), bevor eine Befassung mit Schünemanns Einordnung der Ausfuhrdelikte als Organisationsdelikte erfolgt (bb)). aa) Beschreibung einer besonderen Regelungstechnik Schünemann geht davon aus, dass bestimmte Delikte weder dem Zurechnungsregime des § 14 StGB unterworfen sind, noch einen Rückgriff auf die im Rahmen des § 25 StGB umstrittenen Täterschaftsformen der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft oder der Mittäterschaft im Vorbereitungsstadium erfordern, da bereits eine davon unabhängige Tatbestands­ auslegung die Zuordnung zum Täter ermöglicht.237 Diese Delikte bezeichnet er als sog. Organisationsdelikte. Charakteristisch für Organisationsdelikte sei, dass sie, im Gegensatz zu den im deutschen Strafrecht vorherrschenden sog. Einzelaktsdelikten, wie z. B. §§ 223 ff. StGB, nicht eine einzelne Handlung beschreiben, sondern ein „ganzes Ensemble betrieblicher Abläufe“238 thema236  Schünemann,

in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 21. in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 30, Vor § 25 Rn. 16, § 25 Rn. 187. 238  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 30. 237  Schünemann,



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tisieren.239 Für die täterschaftliche Verwirklichung eines Organisationsdelikts reiche es daher aus, dass der Beteiligte eine betriebliche Tätigkeit insgesamt und nicht jeden einzelnen Betriebsschritt beherrscht, was sich regelmäßig aus seiner Position innerhalb der betrieblichen Hierarchie ergebe.240 Dies mache die Organisationsdelikte aber nicht zu Sonderdelikten, da sie die strafrecht­ liche Verantwortlichkeit an den tatsächlichen Einfluss auf die Tätigkeit der Organisation und nicht wie Sonderdelikte an einen formalen Status koppeln.241 Die Lehre von den Organisationsdelikten begründet damit keine eigenständige Täterlehre, sondern beschreibt letztlich ausschließlich den partiellen Anschluss des Gesetzgebers an ein stark normativiertes, funktional-soziales Täterschaftsverständnis.242 Nach der insbesondere auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts vertretenen funktional-sozialen Täterlehre soll nicht nur derjenige Täter sein können, der das Geschehen physisch-real mit eigener Steuerungsmacht konkret in Händen hält, sondern auch, wer als Unternehmensangehöriger für die innerbetriebliche Organisation aufgrund seiner Position und Funktion zuständig ist und damit abstrakt über betriebsbezogene Risiken gebieten kann.243 Die funktional-soziale Täterlehre geht damit im Grundsatz von der Tatherrschaftslehre aus, hebt jedoch deren normatives Element deutlicher heraus.244 Gesetzestechnisch wird die Normativierung durch eine Verknüpfung der Tathandlung mit einer bestimmten sozialen Stellung erreicht.245 Verhaltensumschreibungen wie das „Herstellen“ (§ 22a Abs. 1 Nr. 1 KWKG), das „Inverkehrbringen“ (§ 96 AMG), das „Veranstalten“ (§§ 284, 287 StGB), das „Handeltreiben“ (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) oder das „Betreiben von Anlagen“ (§ 327 Abs. 1 StGB) bezeichnen abstrahiert wirtschaftliche Prozesse und lassen dadurch eine von der physisch-realen Vornahme der Tätigkeit losgelöste Bestimmung der Tatherrschaft zu.246 Sie umfassen also stets – vergleichbar mit der Strafbarkeit wegen un239  Eingehend auch Morozinis, Organisationsdelikte, S. 536 ff.; siehe zudem Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 19. 240  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 30. 241  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 30. 242  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 563; dazu ausführlich auch Bosch, Organisationsverschulden, S.  244 ff. 243  Dazu Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 155  ff.; Rotsch, Einheits­ täterschaft, S.  419 ff.; Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S.  120 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 424; siehe auch Rudolphi, FS Lackner, S. 863 (867). 244  Bosch, Organisationsverschulden, S. 245. 245  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 21; Bosch, Organisationsverschulden, S. 245. 246  Bosch, Organisationsverschulden, S. 246; siehe auch Kuhlen, Produkthaftung, S. 26 f.; 58 f.; weitere Beispiele bei Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 21; Morozinis, Organisationsdelikte, S.  544 ff.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

echten Unterlassens – eine Sonderverantwortung für Verletzungshandlungen Dritter.247 Dies gestattet es insbesondere, die für die physisch-reale Tätigkeit maßgeblichen Organisations- und Leitungsmaßnahmen per se als tatbestandlich anzusehen.248 Mit anderen Worten genügt es für die Tatbestandsverwirklichung, dass der Täter in verantwortlicher Weise den organisatorischen Rahmen geschaffen hat.249 Dadurch erreicht der Gesetzgeber, dass sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit in Risikobereichen nicht auf den marginaleren Ausführungsebenen konzentriert, sondern auch, wenn nicht sogar zuvorderst, diejenigen betroffen sind, die als Hintermänner den beherrschenden Einfluss auf die Gesamtorganisation ausüben.250 Damit trägt das sozialfunktionale Täterbild bei der Gesetzgebung einer natürlichen Betrachtungsweise Rechnung, nach der etwa als Hersteller von Kriegswaffen im Sinne des § 22a Abs. 1 Nr. 1 KWKG nicht originär der Fließbandarbeiter im Rüstungswerk, sondern primär das Rüstungsunternehmen selbst bzw. die für dieses entscheidenden oder als Hersteller auftretenden Geschäftsleitungsmitglieder anzusehen sind.251 Das funktional-soziale Täterbild sieht sich allerdings dem Vorwurf ausgesetzt, aufgrund seiner Losgelöstheit vom „handfesten“ Kriterium der realen Tatherrschaft genau wie die gesetzlich nicht erfasste mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft oder die Mittäterschaft im Vorbereitungs­ stadium das Verantwortungsprinzip der §§ 25 ff. StGB zu konterkarieren bzw. sich zu stark der subjektiven Täterlehre des BGH anzunähern.252 Insbesondere besteht nicht zwingend Kongruenz zwischen der abstrakten Machtposition und realer Tatverantwortung bzw. realem Tatwissen.253 Im Unterschied zu den soeben genannten höchst umstrittenen Zurechnungsfiguren lässt sich für den Zurechnungsmechanismus von Organisationsdelikten aufgrund von abstrahierten Verhaltensbeschreibungen, die zugleich eine Verknüpfung zwischen Tathandlung und Täterposition herstellen, allerdings immerhin ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt ausmachen. Schünemann bezeichnet die Organisationsdelikte deshalb anschaulich als „lex specialis zu 247  Vgl. Bosch, Organisationsverschulden, S. 247; ähnlich Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 19. 248  Bosch, Organisationsverschulden, S. 245. 249  Ausführlich Morozinis, Organisationsdelikte, S.  544 ff. 250  Vgl. Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 30. 251  Ähnlich die Sichtweise bei Tiedemann, JuS 1989, S. 689 (696); Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.  57 f. 252  Siehe insbesondere die Kritik von Rotsch, Individuelle, Haftung, S. 131  ff.; ders., wistra 1999, S. 321 (326); kritisch auch Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S.  120 ff. 253  Kritisch daher auch Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  158  ff.; Rotsch, Individuelle, Haftung, S. 134 f.



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§ 25 [StGB]“254, weil sie anstatt einer materiellen eine funktional-soziale Tatherrschaft über einen komplexeren Geschehensablauf voraussetzen.255 Schünemanns Lehre von den Organisationsdelikten darf dabei nicht als Plädoyer für ein funktional-soziales Tatherrschaftsverständnis missverstanden werden256; sie dient vielmehr einzig der Beschreibung einer besonderen Regelungstechnik des Gesetzgebers.257 Der Frage, ob eine derartige Regelungstechnik mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar ist, kann an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.258 Innerhalb dieser Untersuchung gilt es vielmehr, die vorhandenen Strukturen der Ausfuhrdelikte mit den Anforderungen an Organisationsdelikte abzugleichen, um so deren Tauglichkeit bei der strafrechtlichen Zurechnung an den Ausfuhrverantwortlichen beurteilen zu können. Festzuhalten bleibt, dass Schünemann durch die Lehre von den Organisationsdelikten zwei treffende Kriterien herausgearbeitet hat, die den Zuschnitt gewisser Delikte auf die unmittelbare Erfassung typischen Tatverhaltens von System- bzw. Schreibtischtätern erkennen lassen: Erstens beschreiben solche Delikte statt einer Einzelhandlung ein ganzes Handlungsensemble. Zweitens lässt sich dieses Handlungsensemble im Wege der Auslegung organisationsspezifisch mit einer besonderen Täterstellung verknüpfen, sodass je nach funktional-sozialer Rolle des Täters bereits die Verwirklichung von Einzelelementen des Handlungsbündels für die Gesamtverwirklichung des Organisationsdelikts ausreichen kann. Zusammengefasst setzen Organisationsdelikte folglich bereits tatbestandlich eine funktional-soziale anstatt einer materiellen Tatherrschaft voraus. bb) Unerlaubte Ausfuhr als „Musterbeispiel“ Schünemann bezeichnet nun ausgerechnet die unerlaubte Ausfuhr gemäß § 34 AWG a. F. (§§ 17 ff. AWG n. F.) als „Musterbeispiel“259 für ein Organisationsdelikt, ohne diese These jedoch an den eigens aufgestellten Kriterien 254  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 187; zustimmend Schild, in: NKStGB, § 25 Rn. 19; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 196 spricht demgegenüber von einer Herabsetzung der täterschaftlichen Zurechnungsvoraussetzungen im Nebenstrafrecht („repressive Nebensysteme“). 255  Siehe auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 247. 256  So aber offensichtlich Rotsch, Individuelle, Haftung, S. 134 f.; Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S.  98 f. 257  So auch Morozinis, Organisationsdelikte, S. 562  f.; ähnlich Schild, in: NKStGB, § 25 Rn. 19. 258  Siehe stattdessen die eingehende Befassung bei Morozinis, Organisationsdelikte, S.  571 ff. 259  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 21.

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zu belegen. Zur Begründung verweist er vielmehr lapidar auf den legaldefinierten Begriffsdualismus aus „Ausfuhr“ gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG a. F. (§ 2 Abs. 3 AWG n. F.) und „Ausführer“ gemäß § 4c Nr. 4 AWV a. F.260 (§ 2 Abs. 2 AWG n. F.). Weil hiernach als Ausführer jede natürliche oder juristische Person bezeichnet werde, die zum Zeitpunkt der Ausfuhr Vertragspartner des Empfängers in einem Drittland ist und über die Versendung aus dem Wirtschaftsgebiet in ein Drittland bestimmt, könne man § 34 AWG a. F. mit guten Gründen als Sonderdelikt des Ausführers interpretieren.261 Der BGH habe dies jedoch nicht getan, sondern die unerlaubte Ausfuhr als den tatsächlichen Vorgang der räumlichen Verbringung von Waren aus dem deutschen Wirtschaftsgebiet in ein anderes qualifiziert und dadurch den Regeln der §§ 25 ff. StGB unterstellt.262 Durch diesen Verweis auf den Rabta-Fall stellt Schünemann allerdings schlussendlich nicht klar, warum die Verhaltensbeschreibung der Ausfuhrdelikte per se die Zurechnung an den Täter ermög­ lichen soll. Nur unwesentlich deutlicher wird insofern Morozinis, der an die Ausführungen Schünemanns anknüpft und immerhin zutreffend herausarbeitet, dass der BGH im Rabta-Fall von seiner ständigen Rechtsprechung zur Mittäterschaft im Vorbereitungsstadium263 abrückt, indem er den Tatbeitrag des Auftraggebers der Ausfuhr von Konstruktionsplänen für die Giftgasfabrik nicht als mittäterschaftliche Mitwirkung im Vorbereitungsstadium (§ 25 Abs. 2 StGB), sondern bereits für sich gesehen als unmittelbare Tatbestandsverwirklichung neben jener des Transporteurs qualifiziert (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB), obwohl der Auftraggeber an den eigentlichen Ausfuhrhandlungen nicht teilnahm.264 Morozinis pflichtet dem BGH allerdings im Ergebnis bei, da das Gericht mit der unerlaubten Ausfuhr nach § 34 Abs. 1 AWG a. F. einen entsprechend gefassten Tatbestand in Anspruch genommen und damit kein Organisationsdelikt sine lege konstruiert habe.265 Da sowohl Schünemann als auch Morozinis hinsichtlich der Einordnung der unerlaubten Ausfuhr als Organisationsdelikt auf die Rechtsprechung des BGH rekurrieren, ist zunächst eine Befassung mit dessen Lesart der Ausfuhrdelikte angezeigt, bevor die Ausfuhrdelikte als Organisationsdelikte verifiziert werden können. 260  BGBl. I,

S. 2671. in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 21. 262  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 21 mit Verweis auf BGH NJW 1992, S.  3114 f. 263  Siehe die Nachweise in Teil 3, Fn. 158. 264  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 551 ebenfalls unter Verweis auf BGH NJW 1992, S. 3114 (3115). 265  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 551. 261  Schünemann,



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b) Organisationsdelikte nach Auffassung des BGH Der BGH legt diverse Straftatbestände bei Sachverhalten mit Unternehmensbezug organisationsspezifisch aus und adaptiert dadurch zumindest faktisch Schünemanns Lehre von den Organisationsdelikten.266 „Faktisch“ deshalb, weil der BGH nur im Ausnahmefall die erforderliche Verknüpfung von physisch-realem Tatverhalten und funktional-sozialer Täterstellung im Wege der Auslegung herstellt. Besonders aufsehenerregend ist in diesem Zusammenhang der vielzitierte sog. Lederspray-Fall267, in dem der BGH sogar die Körperverletzungsdelikte ohne eingehendere Begründung als Begehungsdelikte der Geschäftsleitung auffasst (aa)). Das Hauptaugenmerk liegt bei den nachfolgenden Ausführungen allerdings auf den maßgeblichen außenwirtschaftsstrafrechtlichen Entscheidungen zum Rabta-Fall268 (bb)) sowie zum deutlich aufwändiger begründeten sog. Geländewagen-Fall269 (cc)). Im sog. Nuklearprogramm-Fall270 hat der BGH schließlich in jüngerer Zeit seine organisationsspezifische Auslegung der Ausfuhrdelikte aufrechterhalten (dd)). Die drei außenwirtschaftsstrafrechtlichen Entscheidungen werden im Nachgang an deren Darstellung mit Blick auf die organisationsspezifische Lesart des BGH analysiert und bewertet (ee)). aa) Lederspray-Fall Das Urteil des BGH im Lederspray-Fall271 ist nicht nur ein „Leading Case“ zur strafrechtlichen Produkthaftung272, sondern legt gleichsam Zeugnis darüber ab, wie der BGH durch eine extensive Tatbestandsauslegung die Hindernisse bei der Zurechnung von Ausführungsbeiträgen an die Entschei266  Siehe etwa zur täterschaftlichen Begehung der umweltgefährdenden Abfallbeseitigung gemäß § 326 Abs. 1 StGB durch den lediglich genehmigungserteilenden Amtsträger BGH NJW 1994, S. 670 ff.; dazu Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn.  21 m. w. Nachw. 267  BGH NStZ 1990, S. 587 ff. 268  BGH NJW 1992, S. 3114 f. 269  BGH NJW 2007, S. 1893 ff. 270  BGH NStZ 2016, S. 733 ff. 271  BGH NStZ 1990, S. 587 ff. 272  Dazu etwa Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 252 ff.; Hoffmann-Holland/ Singelnstein, in: Graf/Jäger/Wittig, § 25 StGB Rn. 131; Eidam, in: ders., Unternehmen und Strafe, Kap. 7 Rn. 141 ff.; Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn.  1047 ff.; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 121 ff., 135; Rotsch, Individuelle, Haftung, S. 96 ff., 118 ff., 152, 190; Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 46, 130 ff.; Schwartz, Produkthaftung, S.  44 ff., 55 ff., 93 ff.; Hassemer, JuS 1991, S. 253 ff.; Meier, NJW 1992, S. 3193 (3199); Schmidt-Salzer, NJW 1990, S. 2966 ff.; zudem Morozinis, Organisationsdelikte, S.  338 m. w. Nachw.

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dungsebene in Unternehmen umschifft. Im Lederspray-Fall beurteilt der BGH die strafrechtliche Verantwortlichkeit von mehreren GmbH-Geschäftsführern, deren Firmen mit dem Vertrieb von Ledersprays zur Pflege von Schuhen und anderen Bekleidungsstücken befasst waren. Die in den Verkehr gebrachten Ledersprays erregten bei einigen Verbrauchern teilweise schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Atembeschwerden, Fieber oder Lungenödeme. Der BGH erhält in seiner Entscheidung die durch das LG Mainz273 vorausgegangene Verurteilung der Geschäftsführer wegen gefährlicher bzw. fahrlässiger Körperverletzung aufrecht. Hinsichtlich der strafrechtlichen Anknüpfungspunkte differenziert der BGH zwischen dem ursprünglichen Inverkehrbringen der Ledersprays und dem trotz des Bekanntwerdens der Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht erfolgten Produktrückruf. Während der BGH die Geschäftsführer aufgrund ihrer Untätigkeit angesichts der eingetretenen Schädigungen wegen unechten Unterlassungsdelikts im Sinne des § 13 StGB verurteilt, betrachtet er den Vertrieb der Produkte an sich als tatbestandsmäßiges Verhalten durch positives Tun.274 Produktion und Vertrieb von Erzeugnissen durch eine im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks tätige GmbH seien ihren Geschäftsführern als eigenes Handeln unter den Gesichtspunkten des Begehungsdelikts strafrechtlich zuzurechnen.275 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Täter für die durch den Gebrauch der Ledersprays eingetretenen Körperschäden ergebe sich aus ihrer Stellung als Geschäftsführer, da ihre Firmen die schadensursächlichen Artikel in den Verkehr gebracht hätten.276 Während der BGH hinsichtlich des nicht erfolgten Rückrufs die strafrechtliche Verantwortlichkeit noch vergleichsweise ausführlich auf eine Garantenstellung aus „vorangegangenem Gefährdungsverhalten (Ingerenz)“277 stützt, wird hingegen nicht verdeutlicht, wie die zuvor erfolgten operativen Produktions- bzw. Vertriebshandlungen als unmittelbar kausale, schadensstiftende Ereignisse an die Geschäftsführer zugerechnet werden sollen. Vielmehr legt der BGH das tatbestandlich beschriebene Körperverletzungsverhalten augenscheinlich dergestalt aus, dass weniger an die physisch-reale Handlungsmacht als vielmehr an die funktional-soziale Entscheidungsmacht über den Schädigungseintritt anzuknüpfen ist.278 Trotz der allenfalls mittelbaren Beziehung zur konkreten betrieblichen Schadensverursachung geht der BGH insoweit 273  LG

Mainz vom 16.01.1989, 8 Js 3708/84 – W-5 KLs. NStZ 1990, S. 587 (589); dazu Schmidt-Salzer, NJW 1990, S. 2966

274  BGH

(2967 ff.). 275  BGH NStZ 1990, S. 587 (589); nachfolgend bestätigt durch BGH NJW 1995, S.  2933 ff. (Glykolwein-Fall). 276  BGH NStZ 1990, S. 587 (589). 277  BGH NStZ 1990, S. 587 (590). 278  Ähnlich Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.  43 ff.



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offensichtlich von der unmittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB) der Geschäftsführer aus.279 Ob die Handlungsbeschreibungen „körperlich misshandelt“ oder „an der Gesundheit schädigt“ in § 230 StGB a. F. (§ 223 StGB n. F.) einer derart weitreichenden Auslegung zugänglich sind, muss indessen ernsthaft bezweifelt werden. Insbesondere hat der Gesetzgeber an anderer Stelle das „Herstellen“ (z. B. § 22a Abs. 1 Nr. 1 KWKG) bzw. „Inverkehrbringen“ (z. B. § 96 AMG) gefährlicher Produkte ausdrücklich zur Tathandlung erhoben. Eine vergleichbare Beschreibung ganzer Handlungsprozesse lässt sich den §§ 230 ff. StGB a. F. (§§ 223 ff. StGB n. F.) nicht entnehmen.280 Sie erfordern als Erfolgs- bzw. Verletzungsdelikte vielmehr die Beherrschung des unmittelbar zum Erfolg führenden Kausalverlaufs durch eine Einzelhandlung.281 Der BGH arbeitet im Lederspray-Fall deshalb mit einer Fiktion, indem er sich zur Begründung der unmittelbaren Begehungstäterschaft mit den Geschäftsführerpflichten an Kriterien orientiert, die eigentlich typisch für die Feststellung der Fahrlässigkeits- bzw. Unterlassungsstrafbarkeit sind.282 Auch die Ausführungshandlungen der Angestellten werden Vorgesetzten normativ aufgrund deren Entscheidungsmacht bzw. deren Sorgfaltspflichten unmittelbar als eigenes Handeln zugerechnet. Mit anderen Worten stellt der BGH bei der Auslegung der Körperverletzungsdelikte die von Schünemann für Organisationsdelikte geforderte Verknüpfung zwischen physisch-realer Tathandlung und funktional-sozialer Täterstellung her, wo eine solche Verknüpfung tatbestandlich nicht angelegt ist. Morozinis kritisiert daher treffend, dass der BGH im Lederspray-Fall ein „Organisationsdelikt sine lege“283 geschaffen hat.284

279  Siehe Bosch, Organisationsverschulden, S. 133 (insbesondere Fn. 444); Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 107; Rotsch, Individuelle, Haftung, S. 152; Kuhlen, FG BGH, S. 647 (670 ff.); Schmidt-Salzer, NJW 1996, S. 1 (3). 280  Kritisch auch Schünemann, FG BGH, S. 621 (624 f.); Puppe, JR 1992, S. 30 ff. 281  Vgl. von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, Lexikon des StR, Rn. 19; Hassemer, Produktverantwortung, S. 25 ff, 32; Schwartz, Produkthaftung, S. 53; Morozinis, Organisationsdelikte, S.  350 f. 282  Bosch, Organisationsverschulden, S. 133 kritisiert in diesem Zusammenhang insbesondere die fehlende Trennschärfe der Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen; dazu auch Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 107 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.  43 ff. 283  Morozinis, Organisationsdelikte, S. 355. 284  Insoweit kritisch auch Rotsch, wistra 1999, S. 321 (325).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

bb) Rabta-Fall Das Grundsatzurteil des BGH zur organisationsspezifischen Auslegung der Ausfuhrdelikte erging im einleitend geschilderten Rabta-Fall285. Wie von Schünemann angedeutet und von Morozinis weiter vertieft, geht der BGH in seinem Urteil zum Rabta-Fall in einem Obiter Dictum davon aus, dass unmittelbarer Täter des § 34 AWG a. F. sowohl sein kann, wer die Güter eigenhändig über die Grenze befördert, als auch wer unmittelbarer Auftraggeber des Transporteurs ist; nicht ausreichend soll dagegen sein, dass der Beteiligte nur in anderer Weise daran mitwirkt, dass bestimmte Gegenstände in ein anderes Wirtschaftsgebiet gelangen.286 Die Beschaffung oder Herstellung des auszuführenden Guts sei, auch wenn sie mit erheblichem Aufwand verbunden sein möge, als bloße Vorbereitungshandlung im Vorfeld des straf­ baren Versuchs noch nicht ausreichend, solange sich die Ware im eigenen Wirtschaftsgebiet befinde.287 Zur Begründung stellt der BGH allein auf die aufgrund der Begriffsbestimmung der Ausfuhr gemäß § 4 Abs. 3 AWG a. F. (§ 2 Abs. 3 AWG n. F.) erforderliche Ortsveränderung bzw. Beförderung der Ware ab.288 Woher die Tatherrschaft des Auftraggebers rühren soll, der trotz seiner Abwesenheit beim physisch-realen Ausfuhrvorgang im Ausführungsstadium des § 34 AWG a. F. tätig werden können soll, wird nicht weiter ausgeführt. Dies verwundert nicht, handelt es sich bei den Ausführungen des BGH insoweit auch nur um eine beiläufig geäußerte Rechtsansicht. Der BGH hatte im Rabta-Fall nämlich lediglich über die Strafbarkeit der Angestellten und eines Lieferanten des Auftraggebers und Geschäftsführers des Chemieunternehmens zu entscheiden. Mit der Strafbarkeit des Geschäftsführers war dagegen zuvor das LG Mannheim befasst und verurteilte diesen als „Alleintäter (§ 25 Abs. 1 StGB)“289 der unerlaubten Ausfuhr gemäß §§ 33, 34 Abs. 1 AWG a. F., obwohl er die genehmigungspflichtigen Ausfuhren lediglich veranlasste, ohne selbst beim physisch-realen Ausfuhrvorgang mitzuwirken.290 Die Urteile des BGH sowie des LG Mannheim im Rabta-Fall lassen damit zwar Ausführungen zu den von Schünemann herausgearbeiteten Voraussetzungen (Handlungsensemble, Verknüpfung von physisch-realer Tathandlung und funktional-sozialer Täterstellung) vermissen. Dennoch zeichnet sich bereits in diesen Entscheidungen ab, dass die Rechtsprechung die Zurechnung 285  BGH

NJW 1992, S. 3114 f.; zum Sachverhalt bereits S. 19 ff. NJW 1992, S. 3114 (3115). 287  BGH NJW 1992, S. 3114 (3115). 288  BGH NJW 1992, S. 3114 (3115). 289  LG Mannheim vom 27.06.1990 – (23) 6 KLs 17/90, S. 28. 290  LG Mannheim vom 27.06.1990 – (23) 6 KLs 17/90, S. 26. 286  BGH



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von operativen Ausfuhrhandlungen an die Entscheidungsebene des Export­ unternehmens allein durch die Ausfuhrdelikte, d. h. ohne Rückgriff auf §§ 14, 25 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 StGB, bewerkstelligen will. cc) Geländewagen-Fall Im deutlich späteren Geländewagen-Fall291 legt der BGH den Ausfuhr­ delikten endgültig das funktional-soziale Tatherrschaftsbild der Organisa­ tionsdelikte zugrunde. Dem Beschluss, der gleichzeitig eine der wenigen strafrechtlichen Entscheidungen zum Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze darstellt292, liegt die nicht genehmigte Ausfuhr von zu militärischen Zwecken umgebauten Geländefahrzeugen zugrunde. Die Firma des angeklagten GmbH-Geschäftsführers, der zugleich als Ausfuhrverantwortlicher beim BAFA benannt war, war darauf spezialisiert, an ursprünglich zivilen Geländewagen umfangreiche Sicherheitsumbauten vorzunehmen, wozu insbesondere das Versehen mit schusssicherer Panzerung, speziell präparierten Reifen und besonderer Kommunikationstechnik gehörten. Der Angeklagte verkaufte für die GmbH 15 dieser umgebauten Geländewagen an das britische Außen- sowie Entwicklungsministerium und eine britische Regierungsorganisation. Die Lieferung in die Bestimmungsländer, Irak und Afghanistan, erfolgte durch Speditionsunternehmen, die teils von den britischen Regierungsstellen selbst, teils vom Angeklagten damit beauftragt wurden, die Fahrzeuge jeweils auf dem Firmengelände der GmbH in Deutschland abzuholen und anschließend außer Landes zu bringen. Aufgrund der Eigenschaften der Geländewagen infolge der Sicherheitsumbauten hätten die Ausfuhren grundsätzlich der Ausfuhrgenehmigung durch das BAFA bedurft.293 Ein Schwerpunkt der Entscheidung betraf die Frage, ob die Ausfuhren der Geländewagen aus strafrechtlicher Sicht dem Angeklagten als Täter oder vielmehr den britischen Regierungsstellen zuzurechnen waren. Bei den Ausfuhren, die infolge von Speditionsaufträgen der britischen Regierungsstellen durchgeführt wurden, betrachtete der BGH ausschließlich diese als Ausführer, sodass keine strafbare Handlung des Angeklagten angenommen wurden.294 Bei den Ausfuhren, die auf die Speditionsaufträge des Ausfuhrverantwortlichen hin erfolgten, sah der BGH dagegen diesen als Ausfüh291  BGH NJW 2007, S. 1893  ff.; dazu Weyand, in: Eidam, Unternehmen und Strafe, Kap. 8 Rn. 1004 f. 292  Siehe daneben die Nachweise in Teil 4, Fn. 1. 293  Teil I Abschnitt A Nr. 0006 der Ausfuhrliste führte damals wie heute Landfahrzeuge auf, die für militärische Zwecke besonders konstruiert bzw. geändert sind; dazu im Einzelnen BGH NJW 2007, S. 1893 (1894); siehe zudem die Besprechung bei Bieneck, wistra 2008, S. 451 ff.; siehe ferner Nestler, NStZ 2012, S. 672 (677 f.). 294  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

rer an, weil der Spediteur insoweit nur unmittelbar Handelnder gewesen sei und der Angeklagte als Organ der GmbH den Speditionsauftrag mit der Maßgabe erteilt habe, die umgerüsteten Fahrzeuge ins Ausland zu fliegen.295 Zur Bestimmung der strafrechtlichen Ausführerstellung greift der BGH im Geländewagen-Fall – ganz anders als noch im Rabta-Fall – nicht nur auf den legaldefinierten Begriff der Ausfuhr gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 4 AWG a. F. (§ 2 Abs. 3 AWG n. F.) zurück, sondern zusätzlich auf den in § 4c Nr. 1 AWV a. F. (§ 2 Abs. 2 AWG n. F.) legaldefinierten Begriff des Ausführers. Hiernach ist „Ausführer“ grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft, die zum Zeitpunkt der Ausfuhr Vertragspartner des Empfängers in einem Drittland ist und über die Versendung der Güter aus dem Wirtschaftsgebiet in ein Drittland bestimmt. Wenn kein Ausfuhrvertrag geschlossen wurde oder wenn der Vertragspartner nicht für sich selbst handelte, ist nach dieser Vorschrift ausschlaggebend, wer die Versendung der Güter aus dem Wirtschaftsgebiet in ein Drittland tatsächlich bestimmt. Aus dieser „normativen Bestimmung“296 folge, dass auch derjenige Ausführer im Sinne des § 34 Abs. 1 AWG a. F. sein kann, der den tatsächlichen Vorgang der Ausfuhr steuert. Eine entsprechende Steuerung der tatsächlich handelnden Spediteure ergebe sich regelmäßig auf Grund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, dem „Speditionsauftrag“297. Zwingend sei ein rechtsgeschäftliches Handeln als organisierender Tatbeitrag aber nicht. Nach der sog. Geschäftsherrentheorie sei vielmehr maßgeblich darauf abzustellen, wer den exportrechtlich relevanten Vorgang beherrscht.298 dd) Nuklearprogramm-Fall Seiner Rechtsprechung im Geländewagen-Fall ist der BGH schließlich auch in einer jüngeren Entscheidung treu geblieben. Im NuklearprogrammFall299 hatte er die strafrechtliche Verantwortlichkeit zweier Angeklagter zu beurteilen, von denen der eine Geschäftsführer einer GmbH war, die mit 295  BGH NJW 2007, S. 1893 (1896 Rn. 25); hinsichtlich dieser Ausfuhren bejahte der BGH allerdings den Privilegierungstatbestand des § 19 Abs. 1 Nr. 8 AWV a. F., wonach keine Genehmigungspflicht für die Ausfuhr von Gegenständen bestand, die von Mitgliedstaaten der EU zur Erledigung dienstlicher Aufgaben oder zur eigenen dienstlichen Verwendung ausgeführt wurden. Der Ausfuhrverantwortliche erlangte im Ergebnis folglich insgesamt Straffreiheit; siehe auch Weyand, in: Eidam, Unternehmen und Strafe, Kap. 8 Rn. 1005. 296  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 15). 297  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 15). 298  Zur Rolle der sog. Geschäftsherrentheorie sogleich S. 161 ff. 299  BGH NStZ 2016, S. 733 ff. m.Anm. Nestler, NStZ 2016, S. 738 f.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte161

Rohstoffen für die Fertigung von Hochspannungsschaltanlagen (u. a. Aluminium-Vierkantstangen, Stahlbleche, Kupferrohre sowie Schmierstoffe) handelte, während der andere als freier Mitarbeiter auf Provisionsbasis für die GmbH tätig war. Die beiden Angeklagten organisierten für die GmbH die Lieferung der genannten Rohstoffe durch einen Spediteur an ein Unternehmen in den Iran, das beim BAFA mit dem iranischen Nuklearprogramm in Verbindung gebracht wurde. Obwohl das BAFA die Angeklagten über die mögliche kritische Endverwendung der Rohstoffe als nichtgelistete DualUse-Güter unterrichteten, veranlassten diese teilweise ohne die gemäß Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO erforderliche Genehmigung Ausfuhren in den Iran, was als ungenehmigte Ausfuhr nichtgelisteter Dual-Use-Güter gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG sanktioniert werden kann. Der BGH ließ die Ausführungen der Vorinstanz, dem LG Hamburg300, noch insoweit unbeanstandet, als die faktische Durchführung der Ausfuhr durch den Lieferanten nichts daran ändere, dass es sich bei dem angeklagten Geschäftsführer um den Ausführer im Sinne des Außenwirtschaftsrechts gehandelt hat.301 Insoweit allerdings, als das LG Hamburg den freien Mitarbeiter lediglich als Gehilfen (§ 27 StGB) des Geschäftsführers ansah, teilte der BGH dessen Auffassung nicht. Der freie Mitarbeiter könne vielmehr selbst täterschaftlich handeln, da es sich bei § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO um kein Sonderdelikt des formellen Ausführers handle.302 ee) Analyse und Bewertung Auf den ersten Blick scheint sich der BGH im Geländewagen-Fall sowie im Nuklearprogramm-Fall von seiner Rechtsprechung im Rabta-Fall abzuwenden und nun doch von der strengen Verwaltungsrechtsakzessorietät der Tathandlung der unerlaubten Ausfuhr nach § 34 Abs. 1 AWG a. F. auszugehen. Denn der legaldefinierte Ausführer nach § 4c Nr. 1 AWV a. F. befand sich als Nachfolger des im Rabta-Fall in Rede stehenden § 8 Abs. 1 Satz 1 AWV a. F. immer noch in der verfahrensrechtlich determinierten AWV. Der Verweis im Geländewagen-Fall auf die sog. Geschäftsherrentheorie legt ebenfalls ein formelles Ausführerverständnis nahe. Nach diesem früher vom BAFA sowie dem überwiegenden Schrifttum zur Ermittlung des außenwirtschaftsrechtlichen Ausführers vertretenen Ansatz war als Ausführer der Geschäftsherr anzusehen, der die Ausfuhr aufgrund eigener wirtschaftlicher und rechtlicher Beziehungen zum gebiets- bzw. gemeinschaftsfremden Empfän300  LG

Hamburg vom. 20.04.2015 – 620 KLs 1/14. NStZ 2016, S. 733 (734). 302  BGH NStZ 2016, S. 733 (735); siehe dazu bereits die Ausführungen und Nachweise in Teil 3, Fn. 221. 301  BGH

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

ger betreibt.303 Die Geschäftsherrentheorie stammt aus der Zeit vor der AWG-Novelle von 2013, in der das deutsche Recht den Ausführerbegriff ausschließlich in der AWV definierte, was Zweifel an dessen übergreifenden Geltung für das gesamte Außenwirtschaftsrecht aufkommen ließ.304 Bereits durch den im Geländewagen-Fall maßgeblichen § 4c Nr. 1 AWV a. F. hatte sich der deutsche Verordnungs- bzw. Gesetzgeber allerdings der Geschäftsherrentheorie angeschlossen und diese nunmehr sogar an zentraler Stelle in § 2 Abs. 2 AWG verortet.305 Im Regelfall ist gemäß § 4c Nr. 1 Satz 1 AWV a. F. (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AWG n. F.) Ausführer, wer zum Zeitpunkt der Ausfuhr Vertragspartner des Empfängers in einem Drittland ist und über die Versendung der Güter aus dem Wirtschaftsgebiet in ein Drittland bestimmt. Kumulativ erforderlich sind also zum einen – hinsichtlich des Vertragspartners – die zivilrechtliche Stellung als Partei des Ausfuhrvertrags sowie zum anderen – hinsichtlich des Bestimmens – die ebenfalls zivilrechtliche Verfügungsbefugnis über die Ware im Ausfuhrvorgang.306 Liegt eine der beiden Voraussetzungen nicht vor, so wird die formelle Ausführerstellung gemäß § 4c Nr. 1 Satz 2 AWV a. F. (§ 2 Abs. 2 Satz 3 AWG n. F.) fingiert, wenn die betreffende Person über die Ausfuhr zumindest „tatsächlich bestimmt“. Bezüglich des tatsächlichen Bestimmens ist danach zu fragen, wer 303  Vgl. BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 45 f.; Bieneck, wistra 2000, S. 441 (445); Karpenstein, EuZW 2000, S. 677 (679); Monreal, AW-Prax 1999, S. 48 (50); anders aber Böhm, AW-Prax 1999, S. 172 ff. 304  Siehe nur die Ausführungen des BGH im Rabta-Fall, dazu S. 158 ff. Ähnliche Bedenken bestanden hinsichtlich des Ausführerbegriffs in Art. 2 Dual-Use-VO. Daher wurde diskutiert, ob man den formellen Ausführer des Außenwirtschaftsrechts nicht im Einklang mit dem – mittlerweile entfallenen – zollverfahrensrechtlichen Ausführerbegriff gemäß Art. 788 Abs. 1 Zollkodex-DVO zu bestimmen habe. Hiernach galt als Ausführer die Person, für deren Rechnung die Ausfuhranmeldung abgegeben wird und die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Anmeldung Eigentümer der Waren ist oder eine ähnliche Verfügungsberechtigung besitzt; dazu Meyer, AW-Prax 1998, S. 358 ff. Das Abstellen auf das Eigentum oder ähnliche Verfügungsberechtigungen erwies sich für das Außenwirtschaftsrecht indessen als höchst unpraktikabel, da die dortigen Ausfuhrbeschränkungen für Nichtberechtigte – z. B. nicht autorisierte Angestellte oder Diebe – keine Geltung entfaltet hätten. Der faktischen Betrachtungsweise der Geschäftsherrentheorie wurde daher überwiegend der Vorzug gewährt; dazu ausführlich Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 4 AWG a. F. Rn. 9a; Monreal, AW-Prax 1999, S. 48 (50). 305  Vgl. Sachs, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 9; zur Parallelvorschrift in Art. 2 Nr. 3 Dual-Use-VO Tervooren/Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 51; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 33; Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/ Herrmann/Niestedt, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 17. 306  Vgl. Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 9; siehe auch Tervooren/Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 43.



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die wirtschaftliche Entscheidungsmacht innehat, die Lieferung bzw. Übertragung der Güter im Sinne einer Weisungsbefugnis eigenverantwortlich zu gestatten oder zu hemmen.307 Der Ausführerbegriff des § 4c Nr. 1 AWV a. F. (§ 2 Abs. 2 AWG n. F.) knüpft mithin wie die Geschäftsherrentheorie an eine abstrakt-rechtliche bzw. abstrakt-faktische Machtposition an, die eine gesteigerte genehmigungsrechtliche Verantwortung beschreibt.308 Hinsichtlich der Ausfuhrdelikte trifft allerdings weder § 4c Nr. 1 AWV a. F. noch die Geschäftsherrentheorie eine unmittelbare Aussage. Dies liegt daran, dass der tatsächliche Grenztransfer als strafrechtlicher Vollendungszeitpunkt keine Voraussetzung für die formelle Ausführerstellung ist. Während § 4c Nr. 1 AWV a. F. und die ihm zugrundeliegende Geschäftsherrentheorie an eine abstrakt-rechtliche bzw. abstrakt-wirtschaftliche Machtposition anknüpften, um die verfahrensrechtliche Zuordnung zu ermöglichen, fokussieren die Ausfuhrdelikte die Tatherrschaft über den konkret betrachteten Ausfuhrvorgang – und damit das regelwidrige Ausüben dieser Machtposition. Nichtsdestotrotz schließt der BGH im Geländewagen-Fall kurzerhand von der formellen Ausführerstellung auf die materielle Tatherrschaft. Er nähert sich insoweit wiederum an seine Ausführungen im Rabta-Fall an, indem er festhält, dass Täter im Sinne des § 34 Abs. 1 AWG a. F. (§ 18 Abs. 2 AWG n. F.) sein kann, wer entweder selbst absichtlich den Gegenstand über die Grenze transportiert oder jedenfalls den Ausfuhrvorgang wirtschaftlich bestimmt.309 Hinsichtlich des wirtschaftlichen Bestimmens stellt der BGH eine wertende Betrachtung an, die sich an den tatsächlichen Verhältnissen orientiert.310 Beleg für die „tatsächliche Herrschaft über den Tatvorgang“311 sei etwa die Beauftragung von Spediteuren mit der Lieferung312, eine dementsprechende Anweisung von Mitarbeitern313 oder die Anordnung einer Abkürzung des Lieferwegs314. Ähnliche Ausführungen finden sich im Nuklearprogramm-Fall. Hier stellt der BGH fest, dass das Tatverhalten der Ausfuhr bzw. Verbringung bereits durch typisches Vorgesetztenverhalten – genannt werden etwa der Kontakt zum iranischen Kunden, die enge Abstimmung unter beiden Angeklagten, die Beauftragung des Spediteurs oder die wahrheitswidrige Behaup307  Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 9; Pfeil/Mertgen, Compliance im Außenwirtschaftsrecht, S. 23; siehe auch Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 18. 308  Vgl. Monreal, AW-Prax 1999, S. 48 (50). 309  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 20). 310  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 17). 311  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 17). 312  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 15, 25). 313  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 24). 314  BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 17).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

tung gegenüber den Zollämtern, es bestehe keine Genehmigungspflicht315 – vorgenommen werden kann, ohne dass es auf die Zurechnung fremder operativer Tatbeiträge, wie der Herbeiführung des physisch-realen Grenztransfers, ankommt.316 Die genannten Verhaltensweisen entsprechen indessen nicht dem physischrealen In-Händen-Halten des Ausfuhrvorgangs, sondern allenfalls funktionalorganisatorischen Tatbeiträgen bzw. dem Ausnutzen regelhafter Abläufe. Freilich verfügten die Täter im Geländewagen-Fall und im Nuklearprogramm-Fall im Rahmen der von ihnen abgeschlossenen Speditionsverträge zumindest rechtlich auch noch nach Übergabe über die Wagen und konnten aufgrund einer vertraglichen Basis deren Ziel beeinflussen317; den tatsächlichen Verbleib der Geländewagen konnten sie allerdings, nachdem die Geländewagen bzw. Rohstoffe das Betriebsgelände verlassen hatten, physisch-real nicht mehr kontrollieren. Hätten sie z. B. kurz vor Überschreiten der Grenze telefonisch den Abbruch der Ausfuhren angeordnet, hätten sie sich vollständig darauf verlassen müssen, dass ihre Anordnungen noch rechtzeitig bzw. überhaupt befolgt werden, da das Ausfuhrdelikt bereits mit dem illegalen Grenztransfer vollendet gewesen wäre. Hätte der BGH hingegen auf einen Irrtum der Spediteure über die genehmigungsrechtliche Unbedenklichkeit der Geländewagen bzw. Rohstoffe oder zumindest auf deren entsprechende Unkenntnis abgestellt, hätte dies unter dem Zurechnungsregime des § 25 StGB ein Argument dafür geliefert, warum die Täter auch nach Übergabe der Waren den Ausfuhrvorgang dennoch als Zentralgestalten des Geschehens kontrollierten.318 Indem der BGH hingegen in beiden Fällen von unmittelbarer Täterschaft ausgeht, ohne auch nur ein einziges Mal auf die Zurechnungsregeln in § 25 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 StGB einzugehen, zeichnet er für die Ausfuhrdelikte die funktional-soziale Tatherrschaftskonzeption der Organisationsdelikte nach. Durch die sowohl am legaldefinierten Begriff der Ausfuhr als auch am Begriff des Ausführers orientierte Tatbestandsauslegung stellt er genau die Verknüpfung zwischen Tathandlung und besonderer funktionalsozialer Stellung des Täters her, die in der Konsequenz nach der Auffassung Schünemanns den Rückgriff auf die Zurechnungsvorschriften des Allgemeinen Teils des StGB obsolet machen.

315  BGH

NStZ 2016, S. 733. veranschaulicht die Entscheidung abermals, dass der BGH die Ausfuhrdelikte ganz überwiegend als Allgemein- und nicht als Sonderdelikte einordnet, die aber durchaus tatbestandlich eine für Organisationsdelikte typische Verknüpfung aus Tathandlung und Täterstellung aufweisen. 317  So etwa BGH NJW 2007, S. 1893 (1895 Rn. 17). 318  So noch die Vorinstanz LG Potsdam vom 19.09.2005, 430 Js 7188/04 Wi – 25 KLs 20/04, zitiert nach BGH NJW 2007, S. 1893 (1894 Rn. 7). 316  Insbesondere



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte165

Der BGH betrachtet die Ausfuhrdelikte mithin de facto als Organisationsdelikte im Sinne Schünemanns, die per se in der Lage zu sein scheinen, die oben aufgezeigten Zurechnungsdefizite zu bewältigen, ohne dass es darüber hinaus auf allgemeine Zurechnungsvorschriften wie §§ 14, 25 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 StGB ankommt. Namentlich im Geländewagen-Fall legt der BGH den Ausfuhrdelikten ein funktional-soziales Tatherrschaftskonzept zugrunde, das er im Wesentlichen aus dem legaldefinierten Ausführerbegriff gemäß § 4c Nr. 1 AWG a. F. (§ 2 Abs. 2 AWG n. F.) herleitet. Anders als im Lederspray-Fall wird offenbar gerade kein Organisationsdelikt sine lege konstruiert, sondern die für Organisationsdelikte erforderliche Verknüpfung von Tathandlung und besonderer Täterstellung anhand eines konkreten gesetz­ lichen Anknüpfungspunkts hergestellt. Offen bleibt damit allerdings nach wie vor, ob eine solche Auslegung mit den Ausfuhrdelikten vereinbar ist. c) „Ausführer“ als faktischer Zurechnungsmotor Vor der Ermittlung, ob die Ausfuhrdelikte als Organisationsdelikte tatsächlich lediglich eine funktional-soziale anstatt einer physisch-realen Tatherrschaft voraussetzen, sei nochmals an die von Schünemann aufgestellten Kriterien319 erinnert: Zum einen muss die Tathandlung anstatt einer Einzelhandlung ein ganzes Ensemble von Handlungen umschreiben. Zum anderen muss – zumindest im Wege der Auslegung – erkennbar sein, dass mit gesteigerter funktional-sozialer Tatherrschaft über das Handlungsensemble geringere Anforderungen an die physisch-reale Tatherrschaft zu stellen sind. Hinsichtlich des ersten Kriteriums hat die bisherige Untersuchung bereits ergeben, dass es sich beim Ausführen im Sinne der Ausfuhrdelikte um einen komplexen Vorgang handelt, der zumindest sämtliche Handlungen ab dem „In-Marsch-Setzen“ der Ware (Versuchsbeginn) bis hin zum eigentlichen Grenztransfer (Vollendung) umfasst.320 Zu verifizieren bleibt damit das Vorliegen des zweiten Kriteriums. Es stellt sich die Frage, ob die Ausfuhrdelikte tatsächlich, wie von Schünemann aufgeworfen und vom BGH in ständiger Rechtsprechung angenommen, aufgrund einer tatbestandlichen Verknüpfung von Tathandlung und besonderer Täterstellung die funktional-soziale Tatherrschaft über das Ausführungsstadium des Ausfuhrvorgangs genügen lassen. Das Argument dafür, dass die Ausfuhrdelikte in der Lage sein sollen, die aus dem Unternehmen als Kollektiv begangene unerlaubte Ausfuhr – konträr zu dem individualstrafrechtlichen Zurechnungsregime im Allgemeinen Teil des StGB – zu erfassen, scheint im untrennbaren Zusammenhang mit der 319  Dazu

320  Siehe

bereits S. 150 ff. S.  131 ff.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Begriffsbestimmung des Ausführers in § 2 Abs. 2 AWG zu stehen. Legt man das Tatverhalten der Ausfuhrdelikte nicht ausschließlich anhand der Begriffsbestimmung der Ausfuhr gemäß § 2 Abs. 3 AWG bzw. Art. 2 Nr. 2 Dual-UseVO (Ausführen als physisch-realer Grenztransfer) aus, sondern zusätzlich am Ausführerbegriff gemäß § 2 Abs. 2 AWG bzw. Art. 2 Nr. 3 Dual-Use-VO (Ausführen als tatsächliches Bestimmen über die Ausfuhr), führt dies, wie gezeigt, zu einer deutlichen Strafbarkeitserweiterung bzw. -vorverlagerung. „Ausführen“ im Sinne der Ausfuhrdelikte lässt sich so auch als Planung, Organisation und Anweisung der Ausfuhr stellvertretend für das Unternehmen begreifen. Als Element einer organisationsspezifischen Tatbestandsauslegung kommt dem Ausführerbegriff damit freilich nicht die Rolle einer strafrechtlichen Zurechnungsvorschrift – vergleichbar mit §§  14, 25  ff. StGB – zu. Vielmehr macht die Auslegung anhand des Ausführerbegriffs regelmäßig den Rückgriff auf die genannten Zurechnungsvorschriften obsolet, indem sie die für Organisationsdelikte typische Verknüpfung zwischen dem Tatverhalten und einer besonderen Täterqualität herzustellen scheint. Die organisationsspezifische Auslegung der Ausfuhrdelikte anhand des Ausführerbegriffs, wie sie insbesondere vom BGH im Geländewagen-Fall praktiziert wird, kollidiert damit unweigerlich mit dem in den §§ 25 ff. StGB zum Ausdruck kommenden Verantwortungsprinzip. Dadurch, dass das schadensstiftende Ereignis des physisch-realen Grenztransfers regelmäßig an die anweisenden Hintermänner, wie insbesondere auch den Ausfuhrverantwort­ lichen, zugerechnet werden müsste, drängt sich der Rückgriff auf §§ 25 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 StGB geradezu auf. Die dort zum Ausdruck kommenden strengen Voraussetzung für die Zurechnung fremden Tatverhaltens als Ausnahmen vom Verantwortungsprinzip werden durch die organisationsspezifische Auslegung schlechterdings unterlaufen. Weil § 25 StGB gleichsam die täterschaftliche Verhaltenszurechnung abschließend regelt und trotz Einschlägigkeit regelmäßig nicht zur Anwendung kommen würde, ist nicht zuletzt das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB in seiner Ausprägung des strengen Gesetzlichkeitsprinzips berührt.321 Im Wege der Auslegung ist daher seinerseits zu ermitteln, ob der Auslegungsdualismus „Ausfuhr–Ausführer“ mit den Ausfuhrdelikten vereinbar ist, um so die für Organisationsdelikte erforderliche Verknüpfung von Tathandlung und besonderer Täterstellung herzustellen.322 Die Grenze zwischen zulässiger richter­licher Konkretisierung und unzulässiger täterbelastender Analogie ist 321  Vgl. BVerfG NJW 2002, S. 1779; NStZ 2010, S. 626 (627); NJW 2018, S. 480 (483); Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 87 ff.; Hoyer, in: SKStGB, Bd. 1, § 25 Rn. 2; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 1 Rn. 5; siehe dazu auch Nestler, JURA 2018, S. 568 f. 322  Siehe auch Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 187, wonach die Deliktsnatur der Organisationsdelikte im Wege der Auslegung zu ermitteln sei.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte167

durch grammatikalische (aa)), systematische (bb)), subjektiv-historische (cc)) sowie objektiv-teleologische (dd)) Auslegung zu ziehen.323 aa) Grammatikalische Auslegung Die Verknüpfung des physisch-realen Ausfuhrvorgangs mit der funktionalsozialen Täterstellung als Ausführer im außenwirtschaftsrechtlichen Sinn könnte bereits im Wortlaut der Ausfuhrdelikte zum Ausdruck kommen. Der mögliche Wortsinn einer Vorschrift markiert die äußerste Grenze der Auslegung strafrechtlicher Bestimmungen zum Nachteil des Angeklagten.324 Jenseits dieser Grenze beginnt die Analogie, die zulasten des Täters unzulässig ist.325 Die Grenzziehung erfolgt über den allgemeinen Sprachgebrauch des täglichen Lebens bzw. des entsprechenden Fachkreises, soweit ein solcher ermittelbar ist und der Gesetzgeber keine korrespondierende gesetzliche Definition formuliert hat.326 Hat sich der Gesetzgeber durch eine gesetzliche Definition für einen bestimmten Wortsinn entschieden, ist der Rechtsanwender grundsätzlich an diese Entscheidung gebunden.327 Die Besonderheit bei der Wortlautauslegung des Tatverhaltens der Ausfuhrdelikte besteht darin, dass der Gesetzgeber mit den Begriffen „Ausfuhr“ (§ 2 Abs. 3 AWG) und „Ausführer“ (§ 2 Abs. 2 AWG) gleich zwei potenziell einschlägige gesetzliche Definitionen liefert. Gerade durch die Begriffsbestimmung des Ausführers gemäß § 2 Abs. 2 StGB, die in erster Linie die Ermittlung des Ausführers im genehmigungsrechtlichen Sinn durch das Abstellen auf dessen rechtliche bzw. tatsächliche Entscheidungsmacht ermög­ lichen soll, hat der Gesetzgeber möglicherweise auch für die Ausfuhrdelikte eine besondere Wertung getroffen. Unterdessen fordern die Ausfuhrdelikte, dass der Täter „ausführt“, was auf den ersten Blick weder eindeutig dem Begriff „Ausfuhr“ noch dem Begriff „Ausführer“ zuzuordnen ist. Aufgabe 323  Sog. Viererkanon der Auslegungsmethoden im Strafrecht, verwendet etwa bei BVerfGE 11, S. 126; dazu ausführlich Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn.  39 ff. 324  So explizit BGH NJW 2006, S. 1890 (1891) mit Verweis auf BVerfG NJW 2002, S. 1779; dazu Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 37; siehe zudem eingehend Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 39 ff. 325  BVerfG NJW 2002, S. 1779 (1781); NJW 2004, S. 1305 (1306); von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 1 Rn. 13; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 11; siehe auch Nestler, JURA 2018, S. 568 (570 f.). 326  Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 106  f.; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 1 Rn. 13; Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 1 Rn. 81; Nestler, JURA 2018, S. 568 (570). 327  Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 106; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 20 ff.; Schäfers, JuS 2015, S. 875 (877).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

der grammatikalischen Auslegung ist es daher, die Vereinbarkeit der beiden Begriffsbestimmungen des § 2 AWG mit dem Wortsinn des Tatverhaltens der Ausfuhrdelikte zu ermitteln. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter „ausführen“ bzw. „exportieren“ den Verkauf von Waren in andere Länder.328 „Verkauf“ bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch nicht ausschließlich das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft im Sinne des § 433 Abs. 1 BGB, sondern wird im weiteren Sinn als Synonym für das gesamte Geschäft (von seiner Anbahnung bis zur Abwicklung), den gesamten Handel, den Umsatz, den Vertrieb oder den Absatz verwendet.329 Damit geht zumindest der legaldefinierte Begriff der Ausfuhr gemäß § 2 Abs. 3 AWG vollständig im Tatverhalten des Ausführens auf. Durch das Abstellen auf die Lieferung bzw. Übertragung der Güter aus dem Inland in ein Drittland (physisch-realer Grenztransfer) wird sowohl an das extensiv aufzufassende Verkaufselement als auch an die erforderliche Ortsveränderung der Güter angeknüpft.330 „Ausführen“ im Sinne der Ausfuhrdelikte bedeutet seinem natürlichen Wortsinn nach also immer auch „Ausfuhr“ im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG. Dadurch, dass „ausführen“ nach allgemeinem Sprachgebrauch das Element des Verkaufs enthält, existiert gleichzeitig eine Schnittmenge mit dem legaldefinierten Begriff des Ausführers (§ 2 Abs. 2 AWG). Schon bei natürlicher Betrachtung wird die Ware vom Geschäftsherrn, der zumindest rein faktisch über deren Verbleib bestimmen kann, ins Ausland verkauft und nicht vom Spediteur, der zwar den Grenzübertritt physisch-real herbeiführt, aber dazu lediglich als Dienstleister vom eigentlichen Geschäftsherrn beauftragt wurde. „Ausführen“ steht nach allgemeinen Sprachgebrauch folglich durchaus auch für „ausführen lassen“. Dem trägt die Ausführerdefinition in § 2 Abs. 2 AWG durch das Anknüpfen an die Geschäftsherrentheorie Rechnung. Die ausfuhrrechtliche Verantwortung in Gestalt von Genehmigungspflichten (§§ 1 ff. AWV) sowie umfangreichen Verfahrens- und Meldevorschriften (§§ 21 ff. AWV) soll demjenigen auferlegt werden, der in der Lage ist, über den Verbleib der Güter rechtlich oder zumindest tatsächlich zu bestimmen.331 Der Wortlaut der Ausfuhrdelikte ist mithin einem funktional-sozialen Tat­ herrschaftsverständnis zugänglich. Die strenge Wortlautgrenze wird durch 328  F.A. Brockhaus, Brockhaus Enzyklopädie, „Export“; Duden („ausführen“), abrufbar unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/ausfuehren; Wiktionary („ausführen“), abrufbar unter: https://de.wiktionary.org/wiki/ausf %C3 %BChren. 329  F.A. Brockhaus, Brockhaus Enzyklopädie, „Verkauf“; Duden („Verkauf“), abrufbar unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Verkauf; Wiktionary („Verkauf“), abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Verkauf. 330  Ähnlich bereits BGH NJW 1992, S. 3114 (3115). 331  Zur Geschäftsherrentheorie bereits S. 161 ff.



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den Auslegungsdualismus „Ausfuhr–Ausführer“, der die für Organisationsdelikte erforderliche Verknüpfung zwischen Tathandlung und Täterstellung herstellt, nicht überschritten. bb) Systematische Auslegung Nachdem die in der Begriffsbestimmung des Ausführers gemäß § 2 Abs. 2 AWG getroffenen Wertungen mit der Verhaltensumschreibung der Ausfuhrdelikte grundsätzlich in Einklang gebracht werden können, muss in einem zweiten Schritt geklärt werden, ob sich die Legaldefinition des Ausführers überhaupt auf die Ausfuhrdelikte bezieht bzw. für diese Geltung beanspruchen kann. Es folgt daher die systematische Auslegung, die dazu dient, den widerspruchsfreien Zusammenhang herzustellen, in dem ein Tatbestand bzw. Tatbestandsmerkmal innerhalb des gesamten Normengefüges steht.332 Die Legaldefinition für den Ausführer ist genau wie jene für die Ausfuhr in den Begriffsbestimmungen des § 2 AWG geregelt. Beide Begriffsbestimmungen sind den übrigen Vorschriften des AWG in „Teil 1 Rechtsgeschäfte und Handlungen“ systematisch vorangestellt. Daraus lässt sich folgern, dass die dortigen Begriffsbestimmungen – vergleichbar mit den Personen- und Sachbegriffen des § 11 StGB – der Erläuterung des Sprachgebrauchs der nachfolgenden Vorschriften dienen und für diese Geltung beanspruchen. Interessanterweise verwendet das AWG den Ausführerbegriff dann aber ausschließlich in den Ausfuhrdelikten des § 18 Abs. 5 Satz 1, 3 AWG, wobei der Ausführer in § 18 Abs. 5 Satz 1 AWG auch erst über den Verweis auf Art. 4 Dual-Use-VO zum Inhalt des Straftatbestands wird.333 Daraus darf allerdings nicht voreilig der Schluss gezogen werden, dass der Ausführerbegriff ex­ klusiv zur Präzisierung der Ausfuhrdelikte in § 2 Abs. 2 AWG aufgenommen wurde. Vielmehr ist die Begriffsbestimmung von vormals § 4c Nr. 1 AWV a. F. an ihren aktuellen Standort „gewandert“ und soll den Ausführerbegriff dort einheitlich für AWG und AWV gleichermaßen definieren.334 Seinen Hauptanwendungsbereich findet die Begriffsbestimmung damit nach wie vor in den genehmigungsrechtlichen Verfahrensvorschriften der AWV, die in zahlreichen Normen auf den Ausführer Bezug nimmt.335

332  Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 106; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 39; siehe auch Rogall, in: KK-OWiG, § 3 Rn. 78; Nestler, JURA 2018, S. 568 (571 f.); ausführlich Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 92 ff. 333  Dazu Nestler, NStZ 2016, S. 738; dies./Lehner, JURA 2017, S. 403 (407). 334  BTDrucks 17/11127, S. 20; dazu außerdem sogleich S. 171 f. 335  Siehe nur §§ 8 Abs. 2 Satz 2, 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 12 Abs. 2 Satz 1, 14 Abs. 1, 21 f. AWV.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Nicht berücksichtigt wird dabei allerdings bislang, dass der Begriff des Ausführers in § 18 Abs. 5 AWG selbstständig neben die Tathandlung „ausführen“ tritt. So macht sich gemäß § 18 Abs. 5 Nr. 1 AWG strafbar, wer gegen die Dual-Use-VO verstößt, indem er ohne Genehmigung nach Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO Güter mit doppeltem Verwendungszweck ausführt. Eine Genehmigungspflicht entsteht gemäß Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO, wenn der Ausführer von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem er niedergelassen ist, davon unterrichtet worden ist, dass die Güter ganz oder teilweise für eine militärische Endverwendung bestimmt sind oder bestimmt sein können. Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO enthält damit eine sog. Catch-AllKlausel, die als Auffangtatbestand ausnahmsweise auch eine Genehmigungspflicht für nicht gelistete Güter vorsieht, wenn diese im Drittland einem kritischen Endverwendungszweck dienen sollen und der Ausführer über die kritische Endverwendung von der zuständigen Behörde entsprechend unterrichtet wurde.336 Daneben existieren Catch-All-Klauseln, die an die positive Kenntnis des Ausführers von der kritischen Endverwendung unabhängig von der behördlichen Unterrichtung anknüpfen und stattdessen dem Ausführer die Pflicht auferlegen, die zuständige Behörde über die kritische Endverwendung zu unterrichten, sodass diese darüber entscheiden kann, ob die betreffende Ausfuhr einer Genehmigungspflicht unterliegen soll.337 Da ausschließlich die Catch-All-Delikte den Ausführerbegriff, wenngleich vermittelt durch die Ausfüllungsnorm, zum Tatbestandsmerkmal erheben, ließe sich folgern, dass der legaldefinierte Ausführer auch nur für sie relevant wird und im Umkehrschluss für alle übrigen Ausfuhrdelikte keine Rolle spielt. Durch den Verweis auf die Catch-All-Klauseln und den dort enthaltenen Begriff des Ausführers wird allerdings lediglich deutlich, dass gewisse Ausfuhrdelikte einen Ausführer im formellen Sinn bzw. dessen Vertreter im Sinne des § 14 StGB als Täter voraussetzen. Denn die Unterrichtung durch die zuständige Ausfuhrbehörde richtet sich gerade an denjenigen, für den anschließend eine entsprechende Genehmigungspflicht entstehen soll.338 Gleiches gilt für die Unterrichtungspflicht, die den Ausführer trifft, wenn er 336  Siehe daneben § 18 Abs. 5 Nr. 1 AWG i. V. m. Art. 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Dual-Use-VO sowie § 18 Abs. 2 Nr. 1 AWG i. V. m. § 9 Abs. 1 AWV; zu den CatchAll-Klauseln BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 211; Fehn, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Art. 4 Dual-Use-VO a. F. Rn. 42; Egger, „Dual-use“-Waren, S. 174; Kistner, Straftaten im Außenwirtschaftsgesetz, S. 15; Bieneck, wistra 2008, S. 208 (209); Haellmigk, AW-Prax 2017, S. 79. 337  Dazu Pietsch, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Art. 4 Dual-Use-VO Rn. 49; als Catch-All-Delikte strafbewehrt durch § 18 Abs. 2 Nr. 2 AWG i. V. m. § 9 Abs. 2 AWV und § 18 Abs. 5 Nr. 2 AWG i. V. m. Art. 4 Abs. 4 Hs. 2 Dual-Use-VO; siehe auch Morweiser, AW-Prax 2016, S. 168 (170). 338  Siehe nur § 9 Abs. 1 AWV, Art. 4 Abs. 1–3 Dual-Use-VO; dazu Nestler, NStZ 2016, S.  738 f.; dies./Lehner, JURA 2017, S. 403 (407).



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vor der zuständigen Behörde positive Kenntnis von einer kritischen Endverwendung erhält.339 Die Kenntnis muss in diesem Fall beim formellen Ausführer, also bei demjenigen, für den die Ausfuhranmeldung abgegeben wird, vorliegen. Dies verengt zwar gegebenenfalls den Täterkreis der Catch-AllDelikte340, liefert jedoch kein Argument dahingehend, warum die in der ­Legaldefinition des Ausführers zum Ausdruck kommende Wertung bei der Auslegung der übrigen Ausfuhrdelikte völlig außer Betracht bleiben soll. In systematischer Hinsicht spricht damit ebenfalls nichts gegen den Auslegungsdualismus des BGH. cc) Historische Auslegung Das Ergebnis der systematischen Auslegung wird möglicherweise gestützt durch die Normhistorie der Legaldefinition des Ausführers. Im Rahmen der subjektiv-historischen Auslegung sind die Entstehungsgeschichte und die in den Gesetzesmaterialen verwendeten Begriffe so zu interpretieren, wie es dem wirklichen Willen des Gesetzgebers bei Schaffung des Gesetzes entsprach.341 Der Ausführerbegriff war, wie bereits mehrfach angesprochen, nicht immer im AWG definiert. Zuvor enthielt die AWV zwar eine entsprechende Legaldefinition342, die sich am Ausführerbegriff der Dual-Use-VO orientierte; der BGH sprach ihr jedoch im Rabta-Fall aufgrund der verfahrens339  Siehe

§ 9 Abs. 2 AWV, Art. 4 Abs. 4 Dual-Use-VO. den Sonderdeliktscharakter sämtlicher Catch-All-Delikte daher Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, Vor  §§ 17 ff. AWG Rn. 67, § 18 AWG Rn. 113; Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Vor §§ 17–20 AWG Rn. 62; Junck/Kirch-Heim, in: Achenbach/ Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 Rn. 85; John, in: Hohmann/ John, § 34 AWG a. F. Rn. 53; Bieneck, in: ders. Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 14, § 29 Rn. 69; Schaefer, RdTW 2014, S. 147 (149); unklar insoweit Ahlbrecht, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 AWG Rn. 48 („Täter kann nur der Ausführende sein.“); differenzierend nach Kenntnis und Unterrichtung Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 28 f.; aus der Rechtsprechung BGH NJW 2010, S. 2370 (2371) sowie wohl auch BGH NStZ 2016, S. 733 (735); siehe dazu bereits Teil 3, Fn. 221. Für die vorliegende Untersuchung spielt eine entsprechende Stellungnahme allerdings keine Rolle, da für die Ausfuhr von nichtgelisteten Gütern kein Ausfuhrverantwortlicher bestellt werden muss, vgl. Nr. 1 der Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 341  Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 41; Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 1 Rn. 85; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 1 Rn. 18; Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 146 ff.; eingehend auch Nestler, JURA 2018, S.  568 (572 ff.) m. w. Nachw. 342  Zunächst in § 8 AWV a. F., dann in § 4c Nr. 1 AWV a. F., siehe bereits Teil 3, Fn. 217. 340  Für

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

rechtlichen Verortung jegliche Relevanz für die Ausfuhrdelikte ab.343 Im Geländewagen-Fall erfolgte sodann die oben dargestellte Rechtsprechungsänderung, innerhalb welcher der BGH den Ausführerbegriff in § 4c Nr. 1 AWV a. F. maßgeblich bei der Tatbestandsauslegung der Ausfuhrdelikte berücksichtigte.344 Durch die nahezu wortlautidentische Aufnahme des Ausführerbegriffs gemäß § 4c Nr. 1 AWV a. F. in die allgemeinen Begriffsbestimmungen des § 2 AWG n. F. scheint auch der Gesetzgeber nunmehr ein deutliches Zeichen für dessen universellen Geltungsanspruch gesetzt zu haben. Der Standortwechsel erfolgte laut den Gesetzgebungsmaterialien zur AWGNovelle von 2013, um dem Bedürfnis des Rechtsanwenders Rechnung zu tragen, „die für das AWG und die AWV maßgeblichen Begriffsbestimmungen an zentraler Stelle und übersichtlich alphabetisch geordnet vorzufinden“345. Dies verdeutlicht, dass der deutsche Bundestag den von der Bundesregierung als Urheberin der AWV gewählten Ausführerbegriff auch bei der Auslegung der Tatbestände des AWG berücksichtigt wissen wollte.346 Dagegen spricht auch nicht, dass es dem Gesetzgeber darüber hinaus darum ging, mit den Begriffsbestimmungen in § 2 AWG n. F. die Terminologie des deutschen Außenwirtschaftsrechts „so weit wie möglich an die etablierten Begrifflichkeiten der Dual-Use-Verordnung an[zugleichen]“347. Der Ausführerbegriff in § 2 Abs. 2 AWG n. F. entspricht inhaltlich weitestgehend § 4c Nr.  1 AWV a. F.348, der sich seinerseits bereits stark am Ausführerbegriff in Art. 2 Dual-Use-VO orientierte. Allerdings stellen die §§ 4c Nr. 1 AWV a. F., 2 Abs. 2 AWG n. F. hinsichtlich des Ausführers ausschließlich auf die materiellen Kriterien des Ausfuhrvertrags bzw. des tatsächlichen Bestimmens ab und nicht, wie Art. 2 Nr. 3 lit. i Dual-Use-VO, zusätzlich auf die formelle Ausfuhranmeldung („für die eine Ausfuhranmeldung abgegeben wird“). Das Abstellen auf die Ausfuhranmeldung würde den Täterkreis der Ausfuhr­ delikte allerdings ganz im Sinne der Vertreter eines formellen Täterbegriffs unsachgemäß eingrenzen.349 Zwar knüpft auch die Ausführerdefinition der Dual-Use-VO im weiteren Normtext an das materielle (tatsächliche) Bestimmen an, was die Relevanz der Ausfuhranmeldung für die Ermittlung des 343  BGH

NJW 1992, S. 3114 f.; siehe bereits S. 158 f. NJW 2007, S. 1893 (1895 ff.); siehe S. 159 ff. 345  BTDrucks 17/11127, S. 20; dazu Walter, RIW 2013, S. 205 (206 f.). 346  Dazu Mrozek, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG Rn. 7. 347  BTDrucks 17/11127, S. 20. 348  Der Standortwechsel ging lediglich mit terminologischen Angleichungen sowie der Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs um die Personengesellschaft einher; siehe dazu Sachs, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 2 AWG, Rn. 4; Walter, RIW 2013, S. 847. 349  Dazu bereits S. 147 ff. 344  BGH



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formellen Ausführers im Sinne der Dual-Use-VO sofort wieder konterkariert350; allerdings kommt durch den Verzicht auf den Passus mit der Ausfuhranmeldung in § 2 Abs. 2 AWG zum Ausdruck, dass der deutsche Gesetzgeber den Ausführer allein anhand materieller Kriterien beurteilt, was die Begriffsbestimmung wiederum für die Auslegung der Ausfuhrdelikte nutzbar macht. Die AWG-Novelle von 2013 sollte die Terminologie des AWG darüber hinaus auch lediglich an die der Dual-Use-VO „angleichen“351, sie dieser aber nicht gänzlich gleichstellen. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers für das an der rechtlichen bzw. tatsächlichen Machtposition orientierte Ausführerverständnis der Geschäftsherrentheorie und dessen Ausgestaltung als zentrale Begriffsbestimmung des AWG lassen den Auslegungsdualismus als mit dem subjektiv-historischen Willen des Gesetzgebers vereinbar erscheinen. Auch die Normhistorie steht der für Organisationsdelikte typischen funktional-sozialen Tatherrschaftskonzeption nicht im Weg. dd) Teleologische Auslegung Die Auslegung ergibt bisher, dass die durch den Begriffsdualismus „Ausfuhr–Ausführer“ bedingte Verknüpfung von physisch-realer Tathandlung und funktional-sozialer Täterstellung mit den Ausfuhrdelikten vereinbar ist. Dieses Resultat ist allerdings nur dann haltbar, wenn eine solche Verknüpfung ihrerseits auch mit der Ratio der Ausfuhrdelikte im Einklang steht; denn freilich darf ein Strafgesetz nicht konträr zu dem mit ihm verfolgten Regelungszweck angewendet werden.352 Insbesondere ist danach zu fragen, ob die Ausfuhrdelikte tatsächlich als Lex Specialis zu § 25 StGB konzipiert wurden, wie es Schünemann allgemein den Organisationsdelikten zuschreibt.353 In diesem Zusammenhang regelt Art. 1 Abs. 1 Hs. 1 EGStGB, dass die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB grundsätzlich für das gesamte Bundesrecht Geltung beanspruchen. Etwas anderes gilt gemäß Art. 1 Abs. 1 Hs. 2 EGStGB nur dann, soweit ein Gesetz ein anderes bestimmt. Grundsätzlich gelten die gesetzlichen Wertungen des § 25 StGB also auch für das Außenwirtschaftsstrafrecht, es sei denn, das Letztgenannte konkretisiert § 25 StGB bzw. verfügt über ein eigenständiges Zurechnungsregime. Ob die Verknüpfung von Tathandlung und besonderer Täterstellung mit dem Regelungszweck der Ausfuhrdelikte vereinbar ist, muss im Wege teleo350  Kritisch auch Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 2 Dual-Use-VO, Rn. 16. 351  BTDrucks 17/11127, S. 20. 352  In diesem Sinne Satzger, in: SSW-StGB, § 1 Rn. 48; Rudolphi/Jäger, in: SKStGB, Bd. 1, § 1 Rn. 32. 353  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 187.

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logischer Auslegung ermittelt werden. Dabei gilt es, den in den Ausfuhrdelikten zum Ausdruck kommenden objektiven Willen des Gesetzgebers zu ermitteln, wobei die Frage im Vordergrund steht, was mit einem Gesetz angesichts der gegenwärtigen Fragen und Interessen vernünftigerweise bezweckt werden kann.354 Ausgangspunkt dieser Überlegung ist das Schutzgut der Ausfuhrdelikte. Obwohl sich dieses kaum abschließend und eindeutig bestimmen lässt355, rekurrieren die Rechtsprechung sowie die meisten Autoren mangels ausdrücklicher Anhaltspunkte in den Straftatbeständen auf die in § 4 Abs. 1 AWG aufgelisteten sog. Kernrechtsgüter.356 Erfasst werden dort die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 1), das friedliche Zusammenleben der Völker (Nr. 2), die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 3), die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4) sowie die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs im Inland oder in Teilen des Inlands (Nr. 5).357 Auch der Gesetzgeber nennt als Schutzgüter der §§ 17, 18 AWG das friedliche Zusammenleben der Völker sowie die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland.358 Diese Belange werden von der Rechtsprechung paraphrasiert als „wirtschaftliche, politische, öffentliche, aber auch militärische und strategische Verteidigungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland, die damit zugleich dem Staatsinteresse am Bestand und der Erhaltung der Wirtschaftsordnung und der Position im Bündnissystem“ dienen und „mithin Teil des Schutzes der freiheitlich verfaßten Bundes354  Vgl. BVerfG NJW 1952, S. 737; NJW 2002, S. 1779 (1781); BGH NJW 1998, S. 1237 (1238); Rudolphi/Jäger, in: SK StGB, § 1 Rn. 32; Hecker, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 1 StGB Rn. 43; eingehend Möllers, Juristische Methodenlehre, § 5 Rn.  1 ff.; Nestler, JURA 2018, S. 568 (575 f.). 355  Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 8; dies., NZWiSt 2015, S. 81 (88). 356  BGH NJW 1996, S. 1355; NJW 1999, S. 3325; Alexander/Winkelbauer, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 62 Rn. 6; Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 Rn. 5, § 18 Rn. 4; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 18 f.; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 8; dies., NZWiSt 2015, S. 81 (88); Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17 ff. Rn. 2; in Bezug auf die alte Rechtslage Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 23 Rn. 1 ff.; Burkert, Besondere Problematik, S. 55 ff.; Trouet, FS Krause, S. 407 (414). 357  Im Einzelnen Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, §  17 Rn.  37 ff.; Barowski, AW-Prax 2016, S. 64; speziell zum KWKG Nestler, in: Esser/ Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 19 KWKG Rn. 1 f.; siehe zudem § 6 Abs. 2 Nr. 1 KWKG, der einen fakultativen Versagungsgrund für Ausfuhrgenehmigungen vorsieht, wenn diese „dem Interesse der Bundesrepublik an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu anderen Ländern zuwiderlaufen würde“. 358  BTDrucks 17/11127, S. 26.



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republik Deutschland nach außen“ bilden.359 Dies gilt auch für die Ausfuhrdelikte des KWKG, wobei dort mit Blick auf Art. 26 GG das friedliche Zusammenleben der Völker im Vordergrund steht.360 Für die Ausfuhrdelikte, die an den Verstoß gegen eine Genehmigungspflicht anknüpfen, ist zusätzlich der staatliche Genehmigungsvorbehalt als vorgelagerter Schutzzweck anerkannt, sodass die entsprechenden Delikte auch die Durchführung und Funktionsfähigkeit des verwaltungsrechtlichen Ausfuhrgenehmigungsverfahrens als Ausdruck staatlicher Exportkontrolle absichern.361 Über Art. 2 Abs. 1 lit. b Dual-Use-VO n. F. des Entwurfs für eine Neufassung der Dual-Use-VO werden schließlich künftig auch menschenrechtliche Aspekte Eingang in die außenwirtschaftsrechtliche Schutzgutsdebatte finden.362 Ungeachtet ihrer Bezeichnung und ihres Umfangs im Einzelnen363 betreffen die genannten Schutzgüter insgesamt keine Individualinteressen, sondern überindividuelle Kollektivinteressen, sodass sie als Universalrechtsgüter einzuordnen sind.364 Um diese Universalrechtsgüter strafrechtlich abzusichern, hat sich der Gesetzgeber dagegen entschieden, deren konkrete Gefährdung oder gar Verletzung tatbestandlich vorauszusetzen. Konkrete Gefährdungs- sowie Verletzungsdelikte setzen in objektiver Hinsicht jedenfalls stets den Eintritt eines konkreten (Gefährdungs-)Erfolgs voraus, der im Zurechnungszusammenhang zur vorgenommenen Tathandlung stehen muss. In subjektiver Hinsicht muss sich der Vorsatz des Täters gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB auf diese objek359  So BGH NJW 1999, S. 3325; zur Frage des dadurch bedingten staatsschützenden Charakters der Ausfuhrdelikte BGH NJW 1999, S. 1355; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 4; Gericke, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 183 ff.; Nestler, ZStW 125 (2013), S. 259 ff. 360  Heinrich, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 10 D. Rn. 5; Nestler, ZStW 125 (2013), S. 259 (264). 361  BGH NJW 1996, S. 1355; NJOZ 2010, 1274 ff.; Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 Rn. 4; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 4; John, in: Hohmann/John, § 34 AWG Rn. 117 ff.; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 19; Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17 ff. Rn. 2; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 23 Rn. 2; ders./Schaefer, wistra 2011, S. 89 (90); siehe ferner die Nachweise über die Vertreter des formellen Ausführerbegriffs in Teil 2, Fn. 145. 362  COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD); dazu Willmann-Lemcke, AW-Prax 2018, S. 77 ff.; siehe zudem bereits Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambi­kakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 10; dazu außerdem noch eingehend S. 378 ff. 363  Dazu ausführlich Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 40 ff.; Nestler, ZStW 125 (2013), S. 259 ff.; siehe außerdem nachfolgend S. 378 ff. 364  Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 23 Rn. 1; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 220; Nestler, ZStW 125 (2013), S. 259; ausführlich ferner Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 111, 157 ff.; Wohlers, Deliktstypen, S. 221 ff.

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tiven Voraussetzungen erstrecken. Je vielschichtiger sich jedoch das Schutzgut der einschlägigen Strafvorschrift gestaltet, desto schwieriger ist der faktische Nachweis von Erfolgseintritt, Zurechnungszusammenhang sowie des diesbezüglichen Vorsatzes. Gerade bei komplexen Wirtschaftsabläufen können deren Akteure ex ante häufig selbst nicht abschließend beurteilen, ob ihr Verhalten zur konkreten Gefährdung bzw. Verletzung eines von der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts führt.365 Die Feststellung des Erfolgseintritts mag der nachfolgend befassten Rechtsprechung bei Ex-post-Betrachtung im Einzelfall leichter fallen, allerdings steht die Rechtsprechung vor der Herausforderung, genau darlegen zu müssen, warum gerade das Verhalten des Täters den konkreten Taterfolg herbeigeführt und ob der Täter diesen zumindest billigend in Kauf genommen hat.366 Während zudem bei individualschützen Delikten wie etwa §§ 211 ff., 223 ff. StGB die Schutzgutbeeinträchtigung bereits durch den vereinzelten Rechtsverstoß evident ist, erfolgt die Beeinträchtigung von Universalrechtsgütern demgegenüber regelmäßig erst durch verbreitete und beständige Wiederholungen typischer Verhaltensweisen.367 So wird die inländische staatliche Rechtspflege als Ganzes durch eine singuläre uneidliche Falschaussage (§ 153 StGB) in kaum erwähnenswerter Weise bedroht. Könnte aber eine Vielzahl von Zeugen und Sachverständigen völlig ungestraft vor Vernehmungsstellen falsch aussagen, wäre die Integrität und Funktionsfähigkeit der Rechtspflege tatsächlich ernsthaft in Gefahr. Vergleichbares gilt für den Außenwirtschaftsverkehr: Während sich eine erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland etwa im Rabta-Fall infolge des internationalen Bekanntwerdens der umfangreichen Beteiligung deutscher Unternehmen am Bau einer militärischen Giftgasfabrik in Libyen noch geradezu aufdrängte368, lässt sich eine entsprechende Schutzgutsgefährdung nicht ohne Weiteres feststellen, wenn – wie im nachfolgend noch eingehend zu betrachtenden sog. Flinten-Fall369 – Jagd- und Sportgewehre in verhältnismäßig geringer Stückzahl aus Deutschland an ausländische Königshäuser geliefert werden, von denen die Waffen darüber hinaus ausschließlich zweckgerecht (sprich: zivil) verwendet werden. Hinzu tritt, dass sich im Außenwirtschaftsverkehr tätige Personen über die 365  Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 63; siehe auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 220. 366  Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 63; Lin, Abstrakte Gefährdungstatbestände, S.  23 f. 367  Lin, Abstrakte Gefährdungstatbestände, S. 23 f. 368  Zum internationalen Ansehensverlust sowie zu dem dadurch bedingten wirtschaftlichen Schaden der Bundesrepublik Deutschland infolge des Bekanntwerdens der Geschehnisse im Rabta-Fall Ricke, Präventive Maßnahmen, S.  54 ff. 369  LG Hamburg LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, zitiert nach juris; dazu noch ausführlich S. 266 ff.



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ihrem Tun innewohnende Gefährlichkeit für die Sicherheitsinteressen und auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland oder für den Völkerfrieden regelmäßig keine Gedanken machen. Handlungsleitend wird zumeist eher die wirtschaftliche Rentabilität des Auslandsgeschäfts sein. Die Ausfuhrdelikte sind daher mittlerweile flächendeckend als abstrakte Gefährdungsdelikten ausgestaltet.370 Vor der AWG-Novelle von 2013 war für Straftaten gemäß § 34 Abs. 2 AWG a. F.371 noch erforderlich, dass die unerlaubte Ausfuhr geeignet war, die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, deren auswärtige Beziehungen oder das friedliche Zusammenleben der Völker (sog. „ursprüngliche Trias“372) erheblich zu gefährden. Die Ausgestaltung als abstrakt-konkretes bzw. potenzielles Gefährdungsdelikt373 verlangte vom Tatrichter also zumindest die Feststellung der Eignung zur erheblichen Gefährdung sowie eines entsprechenden Vorsatzes. Durch den Wegfall der Eignungsklausel darf der Tatrichter nunmehr bereits von der Tatbestandsverwirklichung auf die (abstrakte) Gefährdung der genannten Schutzgüter schließen. Er muss also weder darlegen, ob eine konkrete Gefahr für diese vorlag bzw. ob diese gar verletzt wurden, noch warum das Tatverhalten immerhin potentiell zur Gefährdung geeignet war.374 Vielmehr genügt für die Verwirklichung der Strafnormen in den §§ 17, 18 AWG, 22a KWKG bereits tatbestandlich, dass die vorsätzliche Ausfuhr von Gütern entgegen 370  Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 19; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 AWG Rn. 1; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 17 AWG Rn. 9; allgemein zu dieser Deliktsgruppe Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 44 m. w. Nachw. 371  Außenwirtschaftsgesetz vom 27.05.2009, BGBl. I, S. 1150. 372  Siehe dazu noch S. 369 ff. 373  Dazu noch BGH wistra 1999, S. 304 (305); NJW 2009, S. 1681 (1682 f.); Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, Bd. 17, § 34 AWG a. F. Rn. 14; John, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 120; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 23 Rn. 5; ders./Schaefer, wistra 2011, S. 89 (91); Kistner, Straftaten im Außenwirtschaftsgesetz, S. 95; Safferling, NStZ 2009, S. 604 (606 f.); allgemein zur Deliktsgruppe Wittig, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Einführung Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 45. 374  Der Gesetzgeber nennt als Grund für die Streichung der Eignungsklausel die von der Rechtsprechung mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG geäußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit von § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG a. F., bei dem sich das Merkmal der erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland auf eine praktisch nicht überschaubare Vielfalt von Beziehungen erstreckt habe; siehe BTDrucks 17/11127, S. 25 mit Verweis auf BGH vom 13.01.2009, AK 20/08, Rn. 13; NStZ 2009, S. 335 (336); dies kritisierend bereits BVerfG NJW 2004, S. 2213 (2219 f.). Die mit der Streichung einhergehende, nicht unerhebliche Strafbarkeitserweiterung der Ausfuhrdelikte wird überhaupt nicht thematisiert; siehe stattdessen Hohmann, AW-Prax 2013, S. 3 (5); Kollmann, AW-Prax 2013, S. 267 (277).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

einem Ausfuhrverbot bzw. ohne Vorliegen einer erforderlichen Genehmigung erfolgte. Folglich hat sich das strafbare Unrecht der Ausfuhrdelikte infolge der AWG-Novelle von 2013 noch weiter von der eigentlich zu vermeidenden Schutzgutsverletzung entfernt.375 Dies dürfte zum einen die soeben aufgezeigten faktischen Nachweisprobleme minimieren.376 Zum anderen lässt sich mittlerweile kaum mehr leugnen, dass die Ausfuhrdelikte in der Lage sind, bereits den bloßen Verwaltungsungehorsam zu sanktionieren377, was wiederum den Rückschluss auf die primären Normadressaten der Ausfuhrdelikte zulässt.378 Ausfuhrverbote und Genehmigungspflichten richten sich in erster Linie an private Wirtschaftsakteure, die im Rahmen ihrer Außenwirtschaftsfreiheit am grenzüberschreitenden Handel teilnehmen wollen.379 Dies liegt daran, dass in Deutschland die meisten gelisteten Rüstungsgüter durch hochspezialisierte privatwirtschaftliche Unternehmen auf grundsätzlich legalem Weg hergestellt werden. Entscheiden sich deren Geschäftsleitungsmitglieder für den grenzüberschreitenden Handel, obliegt es in erster Linie ihnen, ob außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften befolgt werden oder nicht. Aus diesem Grund setzt der Schutz der Kernrechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts bereits dort an, wo die Weichen für später nur schwer rückverfolgbare Schutzgutsgefährdungen bzw. -verletzungen durch Planung, Organisation und Anweisung gestellt werden. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit durch das Herabsetzen von Tatbestandsvoraussetzungen führt indessen nur zur Effektivierung des Strafrechtsschutzes, wenn gleichzeitig die Anforderungen an die strafrechtliche Zurechnung des missbilligten Verhaltensrests absinken. Als Bestandteil des Tatbestands ist die strafrechtliche Zurechnung mit der Verwirklichung von Tatbestandsmerkmalen untrennbar verwoben.380 Ein abstraktes Gefährdungsdelikt kann seinem Wortlaut nach noch so geringe Anforderung an die Tatbestandsverwirklichung stellen – wird die gesetzlich umschriebene Tathandlung typischerweise nicht von der adressierten Personengruppe ausgeführt, bedarf es eines Zurechnungsmotors, der die rechtliche Kluft zwischen Tathandlung und 375  Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 7; siehe auch dies., NZWiSt 2015, S. 81 (88). 376  Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 220; allgemeiner Lin, Abstrakte Gefährdungstatbestände, S.  21 ff. 377  So bereits Bernd/Theile, Unternehmensstrafrecht, Rn. 235; Hund, NJW 1992, S. 2118 (2122); siehe auch Rönnau/Krezer, NZWiSt 2012, S. 144 (149). 378  Vgl. die Konzeption bei Kindhäuser Gefährdung, S. 272 ff., der abstrakte Gefährdungsdelikte als Verhaltensnormen flankierende und diese absichernde Strafvorschriften begreift; dazu auch Wohlers, Deliktstypen, S. 292 ff. 379  Siehe nur BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 1 ff. 380  Ausführlich Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 10 ff.



A. Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte179

Täter überbrückt. Schafft der Allgemeine Teil des StGB insoweit keine Abhilfe, weil § 14 StGB mangels besonderer persönlicher Merkmale nicht anwendbar ist und § 25 StGB aufgrund des mehraktigen Charakters der Tathandlung eine nur lückenhafte Zurechnung ermöglicht, verbleibt lediglich die Bewältigung durch den Tatbestand des abstrakten Gefährdungsdelikts selbst. Angesichts der grundsätzlichen Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers hinsichtlich der Beurteilung von Gefährdungen sowie der Festlegung einer entsprechenden Strafbarkeitsgrenze besteht insbesondere kein Anlass, die Tatbestände abstrakter Gefährdungsdelikte restriktiv auszulegen.381 Im Rahmen der Ausfuhrdelikte nimmt sich der Gesetzgeber den genannten Zurechnungsdefiziten daher durch die offene Formulierung der Tathandlung „ausführen“ an. Sie ist, wie gezeigt, aufgrund ihrer Konnexität mit dem in § 2 AWG legaldefinierten Begriffspaar „Ausfuhr–Ausführer“ sowohl einem physisch-realen als auch funktional-sozialen Tatherrschaftsbild zugänglich. Um Schünemanns Beschreibung als „lex specialis zu § 25“382 aufzugreifen, konkretisieren die Ausfuhrdelikte nichts anderes als die unmittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB in organisationsspezifischer Weise.383 Die Ausfuhrdelikte sind damit objektiv so konzipiert, dass sie die Zurechnungshürden bei komplexen Ausfuhrprozessen bestehend aus einer Vielzahl von Tatbeiträgen durch eine entsprechende Tatbestandsweite überwinden, um den Schutzgütern des Außenwirtschaftsrechts umfassend Rechnung tragen zu können. Schließlich ist der Auslegungsdualismus „Ausfuhr–Ausführer“ auch unter teleologischen Gesichtspunkten mit den Ausfuhrdelikten vereinbar. ee) Zwischenergebnis Die soeben erfolgte Auslegung ergibt die Vereinbarkeit der Ausfuhrdelikte mit der Begriffsbestimmung des Ausführers in § 2 Abs. 2 AWG. Eine solche Lesart stellt insbesondere die Verknüpfung zwischen physisch-realer Tathandlung und funktional-sozialer Täterstellung her, wie sie es – typisch für Organisationsdelikte – ermöglicht, Zurechnungsdefizite innerhalb komplexerer Wirtschaftsabläufe auszumerzen. Die vorliegende Untersuchung bestätigt damit zum einen Schünemanns These, dass es sich bei den Ausfuhrdelikten um mustergültige Organisationsdelikte handelt; zum anderen ist nunmehr die Zulässigkeit der Lesart des BGH in den genannten außenwirtschaftsstrafrechtlichen Entscheidungen belegt.

381  Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 221; eingehend Koriath, GA 2001, S. 51 ff.; in Bezug auf § 283 StGB auch Haack, NJW 1981, S. 1353. 382  Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 25 Rn. 187. 383  Vgl. auch Morozinis, Organisationsdelikte, S. 561.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

3. Fördertatbestände des KWKG Speziell für die Ausfuhr von Kriegswaffen hat der Gesetzgeber durch § 19 Abs. 1 Nr. 1a, 2 KWKG (Atomwaffen), § 20 Abs. 1 Nr. 1a, 2 KWKG (biologische und chemische Waffen) und § 20a Abs. 1 Nr. 2, 3 KWKG (Antipersonenminen und Streumunition) ergänzend Straftatbestände geschaffen, die bereits das Verleiten zu bzw. das Fördern der Ausfuhr für sich betrachtet als eigenständige Verbrechenstatbestände unter Strafe stellen (sog. Fördertatbestände). Laut der Gesetzesbegründung sind „verleiten“ und „fördern“ umfassend im Sinne der Teilnahmehandlungen gemäß §§ 26, 27 StGB zu verstehen.384 Während der Begriff des Verleitens als Pendant zum Bestimmen in § 26 StGB aufgefasst wird, soll das Fördern dem Hilfeleisten gemäß § 27 Abs. 1 StGB entsprechen.385 Für denjenigen, der zur Ausfuhr der genannten Kriegswaffen verleitet oder diese fördert, ist indessen der gleiche verschärfte Strafrahmen zugrunde zu legen, wie für die eigentliche Ausfuhr. Die Fördertatbestände stellen daher zu Verbrechen hochgestufte, verselbstständigte Teilnahmehandlungen dar.386 Hintergrund ist die enorme Gefährdung, die durch den Export derartiger Kriegswaffen für die Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts, insbesondere den Frieden der Völker (Art.  26 Abs. 1 GG), resultieren, was eine akzessorietätsunabhängige Täterstrafbarkeit von Vorbereitungshandlungen rechtfertigen soll.387 Die Fördertatbestände knüpfen durch den Verweis auf die jeweils in Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 bezeichnete Handlung zwar ebenfalls an die „Haupttat“ eines anderen an, diese muss allerdings weder vorsätzlich und rechtswidrig verwirklicht werden, noch kommt es zu einer obligatorischen Strafmilderung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB.388 Abweichend von den Teilnahmevorschriften der 384  BTDrucks 11/4609 S. 9; dazu Lampe, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 19 KWKG Rn.  4 f.; Pottmeyer, KWKG, §§ 16–17 Rn. 11 ff. 385  Heinrich, in: MüKo-StGB, Bd. 8, § 19 KWKG Rn. 11 ff.; Lampe, in: Erbs/ Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 19 KWKG Rn. 4 f.; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 19 KWKG Rn. 9 f.; Pathe/Wagner, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 44 Rn. 121. 386  LG Stuttgart, NStZ 1997, S. 288; Heinrich, in: MüKo-StGB, Bd. 8, § 19 KWKG Rn. 13; Pathe/Wagner, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 44 Rn. 121; Holthausen/Kreuzer, NStZ 1997, S. 290 (291). 387  Siehe BTDrucks 12/765, S. 1; 12/1134, S. 7; dazu Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 19 KWKG Rn. 1 f.; Pathe/Wagner, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 44 Rn. 122; Burkert, Besondere Problematik, S.  86, 95 f. 388  LG Stuttgart, NStZ 1997, S. 288; Heinrich, in: MüKo-StGB, Bd. 8, § 19 KWKG Rn. 14; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 19 KWKG Rn. 9 f.; Pathe/Wagner, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 44 Rn. 123; Barthelmeß, wistra 2001, S. 14 ff. Mit diesen ist darüber hinaus zu fordern, dass die „Haupttat“ zumindest in das Versuchsstadium eingetreten ist, da ansonsten



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§§ 26, 27 StGB hat der Gesetzgeber darüber hinaus in §§ 19 Abs. 4, 20 Abs. 3, 20a Abs. 4 KWKG sogar das leichtfertige Verleiten bzw. Fördern mit Strafe bedroht.389 Aufgrund dieser Konzeption lässt sich mit den Fördertatbeständen des KWKG den im Rahmen der Anstiftungslösung geäußerten Bedenken390 zumindest für Sachverhalte mit Kriegswaffenbezug entgegentreten. Das LG Stuttgart hat in Bezug auf die Herstellung chemischer Waffen als geeignete Förderhandlungen insbesondere alle auf das Schaffen der Herstellungsvoraus­ setzungen gerichteten Handlungen wie die Planung und Einrichtung der für die Herstellung benötigten und bestimmten Fabrikationsanlagen angesehen, was auch die Herstellung und Einrichtung ihrer einzelnen Komponenten erfasse.391 Im Schrifttum wird unter „fördern“ jede Hilfeleistung verstanden, die die Rechtsgutverletzung des „Haupttäters“ ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert.392 Überträgt man diese extensive Auslegung auf die ebenfalls aufgeführte „Haupttat“ der Ausfuhr, so müssten die Fördertatbestände auch deren Planung und die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen, wie etwa die Vergabe von Speditionsaufträgen, erfassen.393 Sie bilden somit typisches Vorgesetztenverhalten innerhalb illegaler Ausfuhrvorgänge ab. Die Rolle der Fördertatbestände für den Ausfuhrverantwortlichen darf indessen nicht überbewertet werden. Zum einen lassen sich die genannten Verleitungs- bzw. Förderungsbeiträge auf Grundlage der vorangegangenen Auslegung der Ausfuhrdelikte als Organisationsdelikte regelmäßig bereits als täterschaftsbegründende Beiträge zur „Haupttat“ der eigentlichen Ausfuhr begreifen. Zum anderen existieren Fördertatbestände nur für die Ausfuhr von Kriegswaffen, nicht jedoch für sonstige gelistete Rüstungsgüter. Im Zuge der AWG-Novelle von 2013 hat der Gesetzgeber insbesondere den Fördertatbestand in § 34 Abs. 3 AWG a. F. mangels Praxisrelevanz restlos gestrichen, sodass sich Gehilfenbeiträge insoweit grundsätzlich wieder nach dem Grundsatz der „Haupttäter“ gegebenenfalls straflos bleibt, während der Förderer in vollem Umfang bestraft werden kann; weitere Nachweise bei Lampe, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 19 KWKG Rn. 6. 389  Lampe, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 19 KWKG Rn. 4 f.; Heinrich, in: MüKo-StGB, Bd. 8, § 19 KWKG Rn. 12 („fahrlässige Anstiftung“); zur diesbezüglich geäußerten Kritik Holthausen, NJW 1991, S. 203 (206 ff.). 390  Siehe S.  140 f. 391  LG Stuttgart vom 19.06.2001 – 6 KLs 144 Js 43314/94 (unveröffentlicht), zitiert nach Pathe/Wagner, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht, § 44 Rn. 124. 392  Heinrich, in: MüKo-StGB, Bd. 8, § 19 KWKG Rn. 13; Holthausen, NJW 1991, S. 203 (204); ders./Kreuzer, NStZ 1997, S. 290 (291). 393  Ausführlich Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 19 KWKG Rn. 11.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

der limitierten Akzessorietät gemäß §§ 27 ff. StGB richten.394. § 34 Abs. 3 AWG a. F. erfasste als eigenständiger Straftatbestand das Fördern von Ausfuhr oder Verbringung durch das Zur-Verfügung-Stellen von Gütern.395 Ursprünglich sollte dadurch, wie im KWKG, eine hinsichtlich der „Haupttat“ verselbstständigte Beihilfehandlung unter Strafe gestellt werden, die insbesondere mit Blick auf die Strafzumessung nicht akzessorisch zur Täterstrafbarkeit war.396 Strafrechtlich erfasst werden sollten insbesondere Handlungen im Vorfeld der Ausfuhr.397 Durch die tatbestandsmäßige Beschränkung auf das Zur-Verfügung-Stellen von Gütern im Sinne einer physisch-realen Besitzübertragung ohne notwendigen Grenztransfer398 fielen jedoch Vorbereitungshandlungen wie Planung, Organisation und Anweisung der Ausfuhr bzw. Verbringung ohnehin aus dem Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 AWG a. F. heraus. Nur hinsichtlich der illegalen Ausfuhr von Kriegswaffen existieren damit die Ausfuhrdelikte flankierende Verbrechenstatbestände, die Vorfeldhandlungen von Systemtätern strafrechtlich erfassen. Sie dürften indessen aufgrund der extensiven Anwendbarkeit der Ausfuhrdelikte auf Geschäftsleitungsmitglieder von Exportunternehmen für den Ausfuhrverantwortlichen eine eher untergeordnete Rolle spielen. 4. Zwischenergebnis Die eingangs aufgezeigten Defizite bei der Verhaltenszurechnung von Tatbeiträgen auf Handlungsebene an die Entscheidungsebene von Exportunternehmen, welcher der Ausfuhrverantwortliche stets angehört, lassen sich äußerst wirkungsvoll mithilfe des Außenwirtschafts(straf)rechts bewältigen. Letztgenanntes verfügt mit den Ausfuhrdelikten über Organisationsdelikte, die vom Gesetzgeber derart ausgestaltet wurden, dass sie die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Vorgesetzten gleichermaßen erfassen, wie die ihrer Ausführungspersonen. Die Auslegung der Ausfuhrdelikte ergibt, dass sie neben einem physischrealen auch einem funktional-sozialen Tatherrschaftsverständnis zugänglich sind. Mit anderen Worten verwirklicht den Tatbestand nicht nur derjenige, 17/11127, S. 25; dazu Oehmichen, NZWiSt 2013, S. 339 (341). eingehend noch Burkert, Besondere Problematik, S. 86 ff. 396  Dazu noch OLG Oldenburg NJW 1994, S. 2908 ff.; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 21 f.; John, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 68; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 36 ff; Burkert, Besondere Problematik, S. 95 ff. 397  BTDrucks 12/765, S. 1. 398  Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 24 Rn. 40; siehe auch Lübbig, Verfolgung illegaler Exporte, S. 174. 394  BTDrucks 395  Dazu



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der die Güter in unerlaubter Weise faktisch über die Grenze bringt, sondern auch, wer bei wertender Betrachtung über den Ausfuhrvorgang in seiner Gesamtheit gebietet. Anlass zu dieser Lesart gibt die Begriffsbestimmung des Ausführers gemäß § 2 Abs. 2 AWG, nach der als Ausführer anzusehen ist, wer zumindest in Lage ist, tatsächlich über die Ausfuhr zu bestimmen. Damit trifft die Begriffsbestimmung des Ausführers für die Ausfuhrdelikte eine Wertung, die den Rückgriff auf die dogmatisch fragwürdige mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft oder die praktisch häufig schwer nachweisbare Mittäterschaft im Vorbereitungsstadium regelmäßig obsolet macht. Die Auslegung der Ausfuhrdelikte anhand des legaldefinierten Ausführerbegriffs ist insbesondere mit den Bestimmtheitsanforderungen an die Ausfuhrdelikte zu vereinbaren. Letztgenannte werden durch die Berücksichtigung des Ausführerbegriffs indessen ganz überwiegend nicht zu Sonderdelikten der Entscheidungsebene, sodass in Sachen Zurechnung ein Rückgriff auf § 14 StGB regelmäßig nicht erforderlich ist. Vielmehr ergibt sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit weitestgehend aus den Ausfuhrdelikten selbst. Eine Ausnahme bilden allenfalls die Ausfuhrdelikte, die an den Verstoß gegen CatchAll-Klauseln anknüpfen. Diese Delikte spielen allerdings für den Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze mangels Listung der betreffenden Güter eine untergeordnete Rolle. Im Fall der Ausfuhr von Kriegswaffen existieren mit den Fördertatbeständen des KWKG zusätzlich zu den Ausfuhrdelikten Verbrechenstatbestände, die nicht unmittelbar an den physisch-realen Grenztransfer, sondern bereits an Vorfeldhandlungen anknüpfen und somit ebenfalls – wenn auch praktisch wenig bedeutsam – Vorgesetztenverhalten im zeitlich-räumlichen Vorfeld der illegalen Ausfuhr erfassen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen für täterschaftliche Begehungsdelikte beginnt damit bereits mit der Planung, Organisation und Anweisung der illegalen Ausfuhr von gelisteten Gütern. Sie lässt sich ohne Weiteres durch die Ausfuhrdelikte erfassen.

B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte Kommt es zu behördlichen Ermittlungen in einem Unternehmen, weil der Verdacht besteht, dass dessen Angehörige gegen Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts verstoßen haben, liegt es für die Ausfuhr- bzw. Ermittlungsbehörden nahe, als erstes das Büro des Ausfuhrverantwortlichen zu durchsuchen, da die Erwartung besteht, dort ohne größeren Zeitaufwand an Indizien oder Sachverhaltsaufbereitungen zu gelangen.399 Ist der Ausfuhrverantwort­ 399  Dann/Mengel, NJW 2010, S. 3265 (3268) in Bezug auf den Compliance Officer; hinsichtlich des Ausfuhrverantwortlichen bereits Friedrich, ZfZ 1991, S. 247 (250); siehe auch ders., in: Hocke/Friedrich, § 8 AWG Rn. 23.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

liche selbst nicht am operativen Exportgeschäft beteiligt400, lässt sich gegebenenfalls auch ein auf strategischen Tatbeiträgen beruhender Ausfuhrverstoß, etwa durch Planung, Organisation oder Anweisung einer illegalen Ausfuhr, nicht ohne Weiteres nachweisen. In diesem Fall kann sich der Ausfuhrverantwortliche zwar darauf berufen, selbst „nichts getan“ zu haben. Aufgrund seiner herausgehobenen Stellung im Unternehmen wird er sich jedoch regelmäßig mit der Frage konfrontiert sehen, warum er dann auch „nichts getan“ habe, um den in Rede stehenden Ausfuhrverstoß zu verhindern.401 Es drängt sich förmlich auf, dass gerade der Ausfuhrverantwortliche dafür verantwortlich gewesen wäre, aus dem Unternehmen resultierende Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht durch Vorbeugung bzw. Einschreiten zu verhindern.402 Mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Begehungsdelikte korrespondiert also die Unterlassungsstrafbarkeit, die Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung sein soll.403 Ausgangspunkt sind erneut die Ausfuhrdelikte der §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV,19 ff. KWKG.404 Originär als Begehungsdelikte ausgestaltet, lassen sie sich allenfalls als unechte Unterlassungsdelikte – und damit nur unter den 400  Etwa, weil das operative Exportgeschäft einem sog. Exportkontrollbeauftragten bzw. einer Exportabteilung übertragen wurde, siehe dazu noch S. 246 ff. Ein Verbot der Teilnahme am operativen Geschäft, das sich mit jenem für den Compliance-Beauftragten in Wertpapierdienstleitungsunternehmen im mittlerweile aufgehobenen § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV a. F., BGBl. I S. 1432, vergleichen ließe, existiert gerade nicht; dazu Casper, FS K. Schmidt, S. 199 (205). Dennoch wird Ausfuhrverantwortlichen empfohlen, sich nicht selbst am operativen Exportgeschäft zu beteiligen, um dem Unabhängigkeitserfordernis Rechnung zu tragen und Interessenkonflikte zu vermeiden; siehe dazu zudem noch S. 277. 401  So beispielsweise der explizite Vorwurf des Schweizerischen Bundesanwalts im sog. Bührle-Fall vor dem Schweizerischen Bundesgericht, BGE 96 IV 155, S. 155 (174), gegen den Inhaber eines schweizerischen Rüstungsunternehmens („Es fragt sich indes, ob Bührle nicht deswegen zu bestrafen sei, weil er nichts gegen die verbotenen Lieferungen vorgekehrt, die ihm zur Last gelegten Straftaten also durch Unterlassung verübt hat.“). 402  Vgl. Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 208 f.; ders., AW-Prax 1995, S. 125; Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 753 Fn. 363. 403  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 94 setzt den Schwerpunkt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen bei der Unterlassungsstrafbarkeit. Der Ausfuhrverantwortliche nehme in den seltensten Fällen selbst eine strafrechtlich relevante Handlung durch positives Tun vor oder weise ihre Begehung an. Beispiele aus der Praxis, wie der bereits angesprochene Geländewagen-Fall (siehe S. 159 ff.) sowie der nachfolgend noch zu betrachtende sog. Flinten-Fall (siehe S.  266 ff.) belehren diesbezüglich freilich eines Besseren. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen gibt zumindest in der bisherigen Rechtsprechung eher das Bild einer Begehungsverantwortlichkeit ab; vgl. zudem die Nachweise in Teil 4, Fn. 1. 404  Siehe zur Rolle des nachfolgend § 130 OWiG S. 320 f.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte185

zusätzlichen Voraussetzungen in § 13 Abs. 1 StGB – verwirklichen. Die Regelung in § 13 Abs. 1 StGB fungiert insoweit als Gleichstellungsvorschrift für positives Tun und Unterlassen und bewirkt dadurch die täterschaftliche Zurechnung von Deliktserfolgen, selbst wenn diese unmittelbar durch fremdes Verhalten verwirklicht wurden.405 Gleichstellungskriterium ist, neben der sog. Modalitätenäquivalenz von positivem Tun und Unterlassen (§ 13 Abs. 1 Hs. 2 StGB), insbesondere eine Einstandspflicht des Täters im Sinne einer Erfolgsabwendungspflicht (§ 13 Abs. 1 Hs. 1 StGB). Hinsichtlich der Einstandspflicht wird begrifflich zwischen „Garantenpflicht“ und „Garantenstellung“ differenziert.406 Während die Garantenpflicht die Einstandspflicht in ihrem konkreten Umfang beschreibt, kennzeichnet die Garantenstellung abstrakt die Umstände, aus der sich überhaupt erst eine Garantenpflicht ergeben kann.407 Die Garantenstellung gibt also an, woraus sich eine Handlungspflicht ergibt bzw. wen sie trifft. Die Garantenpflicht kennzeichnet demgegenüber, was konkret hätte getan werden müssen.408 Da die konkreten Garantenpflichten des Ausfuhrverantwortlichen möglicherweise ganz erheblich durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze beeinflusst werden, ist die Konturierung der einzelnen Handlungs- und Sorgfaltspflichten eine Frage der Besonderen Ausfuhrverantwortlichkeit (Teil 4). Im Rahmen der allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit gilt es stattdessen, vorgelagert die davon abstrakte Garantenstellung des Ausfuhrverantwortlichen zu erörtern. Für den Ausfuhrverantwortlichen gelten hinsichtlich der Herleitung einer Garantenstellung die allgemeinen Grundsätze, an denen sich auch die nachfolgende Untersuchung orientiert. Es soll insbesondere kein neuer Ansatz zur Begründung von Garantenstellungen entwickelt werden. Vielmehr gilt es, angesichts des gewählten Untersuchungsgegenstands, die allgemeinen Ursachen für eine Garantenstellung von Geschäftsleitungsmitgliedern, wie dem Ausfuhrverantwortlichen, aus dem vorhandenen Meinungsspektrum herauszufiltern. Insoweit hat sich hinsichtlich der Einteilung von Garantenstellungen vor allem im Schrifttum die sog. materielle Funktionslehre etabliert.409 405  Im Einzelnen Roxin, Strafrecht AT/II, § 31 Rn. 17 ff.; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 2; Güntge, Unterlassen, S.  39 ff.; Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S.  51 ff.; insoweit kritisch Freund, Erfolgsdelikt, S. 39 ff.; siehe zudem Rudolphi/Stein, in: SKStGB, Bd. 1, § 13 Rn. 3 ff. m. w. Nachw. 406  Statt vieler Vogel, Norm und Pflicht, S. 125 ff. 407  Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 25; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 126; Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 167. 408  Vgl. BayObLG, NStZ-RR 1998, S. 328 (329); Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 33; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 14. 409  Wohl begründet durch Kaufmann, Dogmatik, S. 283 ff.; adaptiert beispielsweise von BGH NJW 2003, S. 522 (525); Fischer, StGB, § 13 Rn. 11, 12 ff.; Wohlers/ Gae­de, in: NK-StGB, § 13 Rn. 32 ff.; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 35 ff.; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 337 ff.; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 44 ff.; Roxin, Straf-

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Sie trifft trotz einer Vielzahl unterschiedlicher Herleitungsansätze410 im Wesentlichen zwei Aussagen411: Nach der ersten Aussage wird grundlegend zwischen sog. Beschützergaranten und sog. Überwachungsgaranten unterschieden (sog. Funktions- bzw. Zweiteilung). Während die Beschützergarantenstellung von einer Obhutsbeziehung über die Hilflosigkeit eines Rechtsguts geprägt ist, das der Garant vor Beeinträchtigungen aus allen Richtungen bewahrt, kennzeichnet die Überwachungsgarantenstellung die Sachherrschaft über eine Gefahrenquelle, die Beeinträchtigungen für die Rechtsgüter anderer in sich birgt.412 Diese Differenzierung stellt freilich noch keine inhalt­ lichen Anforderungen an die eigentlich konstituierenden Ursachen strafrechtlicher Einstandspflichten.413 Sie gibt jedoch die Richtung der Handlungspflicht vor, was zumindest Rückschlüsse auf Ursprung und Umfang der Garantenpflichten zulassen kann.414 Die Einteilung kann daher für die anstehende Untersuchung genutzt werden. Deutlich aufschlussreicher ist indessen die zweite Aussage der materiellen Funktionslehre, nach der strafrechtliche Garantenstellungen materiell, d. h. zuvorderst anhand tatsächlicher anstatt formaler Gegebenheiten, bestimmt werden.415 Die materielle Funktionslehre unterscheidet sich damit grundlegend von der vor allem früher vertretenen sog. formalen Rechtsquellenlehre, gemäß der man sich bei der Bestimmung von Garantenstellungen zuvorderst an formalen Kriterien orientiert.416 Garantestellungen folgen hiernach aus recht AT/II, § 32 Rn. 6 ff., 17 ff.; Rengier, Strafrecht AT, § 50 Rn. 3; Wessels/Beulke/ Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1175; unter Modifizierung auch Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 287 ff. („Zweiteilungslehre“); vgl. auch ders. Grund und Grenzen, S. 229 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 28 Rn. 14 ff.; Otto, Strafrecht AT, § 9 Rn. 42 ff.; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. S. 131, 169 f. 410  Zum Meinungsspektrum Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 23 f.; Konu, Garantenstellung, S.  150 ff. 411  Siehe nur Kindhäuser, Strafrecht AT, § 36 Rn. 52. 412  Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 287 (294); siehe auch Bosch, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 13 Rn. 9; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 47 ff.; Roxin, Strafrecht AT/ II, § 32 Rn. 17 ff. 413  Kritisch daher Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 16 f.; Bosch, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 13 Rn. 9; ders., Organisationsverschulden, S. 146 ff.; Rönnau/ Schneider, ZIP 2010, S. 53 (54). 414  Konu, Garantenstellung, S. 95 ff.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 229; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 206; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, S. 981 (983); Rotsch, ZJS 2009, S. 712 (716 f.). 415  Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 66 ff.; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn.  38 ff.; Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 18 ff.; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 23 ff.; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 17 ff.; siehe zudem Konu, Garantenstellung, S.  150 ff. m. w. Nachw. 416  Wohl ursprünglich zurückgehend auf Feuerbach, Lehrbuch, § 24; siehe noch BGHSt 5, S. 187 (190); 19, S. 167 (168); Horn, NJW 1981, S. 1 (5 f.); so heute noch



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte187

Gesetz, aus Vertrag, aus engen persönlichen Lebensbeziehungen sowie aus vorangegangenem gefährlichem Tun (sog. Ingerenz).417 Trifft eine dieser Kategorien formal auf den Täter zu, soll seine Bestrafung wegen unechten Unterlassungsdelikts möglich sein, ohne auf die tatsächliche Wahrnehmung von Garantenpflichten bzw. deren Umfang eingehen zu müssen.418 Konstitutives Element der Einstandspflicht ist demnach allein die formale Zuweisung durch die Rechtsquelle. Die formale Rechtsquellenlehre ermöglicht damit den schematischen Rückschluss von der abstrakten Rechtsposition auf die konkrete strafrechtliche Einstandspflicht. Dies setzt sie zu Recht dem Vorwurf aus, die tatsächlichen Gegebenheiten außen vor und die Unterlassungshaftung ausufern zu lassen.419 Insbesondere außerstrafrechtliche Normen bezwecken häufig schon nicht den Rechtsgüterschutz, sodass durch die direkte Akzessorietät des Strafrechts dessen Wertungen, insbesondere das UltimaRatio-Prinzip, unterlaufen würde.420 Zudem ermöglicht das ausschließliche Abstellen auf eine formale Rechtsposition Umgehungshandlungen, wie den Einsatz sog. Strohleute, die zwar den formal-rechtlichen Anforderungen genügen, jedoch selbst kein strafrechtlich relevantes Verhalten an den Tag legen.421 Auch wenn die Rechtsprechung immer noch vereinzelt die formale Rechtsstellung des Unterlassungstäters in den Vordergrund rückt422, ist mittlerweile weitgehend anerkannt, dass sich strafrechtliche Garantenstellungen auf materielle Ursachen zurückführen lassen müssen.423 Die im Rahmen der

andeutungsweise Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 7 ff.; Baumann/Weber/ Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, § 21 Rn. 57; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn.  16 ff.; dazu Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 16; Weigend, in: LKStGB, Bd. 1, § 13 Rn. 20 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  199 f. m. w. Nachw. 417  Dazu Fischer, StGB, § 13 Rn. 11, 12; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 30 f.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 10 ff. 418  Vgl. dazu Fischer, StGB, § 13 Rn. 11, 12; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 30; Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 20 f. 419  Zur Kritik im Einzelnen Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 21; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 10 ff.; siehe auch Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 34.1.; Rengier, Strafrecht AT, § 50 Rn. 2; Albrecht, Begründung von Garantenstellungen, S.  26 ff.; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 287 (290 ff.). 420  Siehe Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 31; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 43; Konu, Garantenstellung, S. 148; siehe zur Rolle der Schutzzweckidentität zwischen Strafnorm und außerstrafrechtlicher Vorschrift zudem nachfolgend S. 365 ff. 421  So insbesondere die Befürchtung im Pressestrafrecht hinsichtlich der formellen Erwähnung des sog. verantwortlichen Redakteurs im Impressum; dazu Uebbert, Strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs, S. 10 f. 422  So etwa bei BGH NJW 1994, S. 950 (951) (Vertrag); NJW 2008, S. 1897 (1898) (Gesetz); NStZ 2015, S. 150 (151) (Gesetz); NStZ 2018, S. 34 (35 f.) (ElternKind-Beziehung). 423  Siehe die Nachweise in Teil 3, Fn. 415.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

materiellen Funktionslehre anerkannten Garantenstellungen werden daher auch den nachfolgenden Ausführungen zugrunde gelegt. Darüber hinaus stößt man im Zusammenhang mit der Garantenstellung von Geschäftsleitungsmitgliedern von Unternehmen weit verbreitet auf den Begriff der sog. Geschäftsherrenhaftung.424 Darunter lässt sich verallgemeinert die strafrechtliche Einstandspflicht von Vorgesetzten für Rechtsverstöße fassen, die im Kollektiv „Unternehmen“ bzw. aus diesem heraus begangen werden. Da der Ausfuhrverantwortliche im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze stets der Geschäftsleitung des Exportunternehmens angehören muss, scheint mit der Geschäftsherrenhaftung zugleich der Zugang zu dessen Unterlassungshaftung gefunden zu sein. Die Geschäftsherrenhaftung bündelt indessen keineswegs verschiedene Garantenstellungen zu einem verallgemeinerungsfähigen Zurechnungsprinzip, sondern bricht diese vielmehr in einem kaum zu überblickenden Spektrum an Herleitungs- und Begründungsansätzen. Es ist es daher wenig ziel-, wenn nicht irreführend425, in der Geschäftsherrenhaftung pauschal einen eigenständigen Garantenstellungstypus zu erblicken. Vielmehr muss die Geschäftsherrenhaftung – vergleichbar mit der Einteilung in Beschützer- und Überwachungsgaranten – als rein deklaratorische Bezeichnung für Garantenstellungen aufgefasst werden, wie sie sich auf Grundlage der materiellen Funktionslehre auf Geschäftsleitungsmitglieder von Unternehmen beziehen lassen. Im Nachgang an diese terminologische Einordnung müssen nun die für den Ausfuhrverantwortlichen relevanten, allgemein anerkannten Garantenstellungen herausgefiltert werden, wodurch sich sogleich das anstehende Prüfprogramm ergibt. Zunächst wird erörtert, ob der Ausfuhrverantwortliche als Beschützergarant eine Einstandspflicht zugunsten der Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts trifft (I.). Anschließend wird danach gefragt, ob der Ausfuhrverantwortliche als Überwachungsgarant eine Pflicht zur Eindämmung von Gefahren aus dem eigenen Unternehmen innehat (II.). Falls sich eine Garantenstellung des Ausfuhrverantwortlichen bejahen lässt, gilt es im Rahmen der allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit schließlich zu zeigen, 424  Siehe beispielsweise Burchard, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB, Rn.  30 ff.; Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 31; Wessing/Dann, in: Bürkle/ Hauschka, Compliance Officer, § 9 Rn. 79  ff.; Bosch, Organisationsverschulden, S.  142 ff.; Konu, Garantenstellung, S.  156  ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  195 ff.; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 46 ff.; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, S.  981 ff.; Mansdörfer/Trüg, StV 2012, S. 432 ff.; Schlösser, NZWiSt 2012, S.  281 ff.; Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (204 ff.); speziell im Zusammenhang mit dem Ausfuhrverantwortlichen Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (425). 425  So Bosch, Organisationsverschulden, S. 147.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte189

dass die Garantenstellung weder zur vollständigen Freizeichnung von Verantwortung bei der übrigen Geschäftsleitung führt, noch die Übertragung gewisser Aufgaben durch Ausfuhrverantwortlichen an Mitarbeiter unmöglich macht. Für den Ausfuhrverantwortlichen gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze zu Delegation und Restverantwortung von Geschäftsleitungsmitgliedern (III.).

I. Schutzpflicht zugunsten der Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts Betrachtet man die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Vorschriften, so gewinnt man schnell den Eindruck, der Ausfuhrverantwortliche sei „Garant“ für die Integrität des Außenwirtschaftsverkehrs.426 Insbesondere die Präambel der Zuverlässigkeitsgrundsätze erhebt den Schutz der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsverkehrs zum Leitmotiv. Im Rahmen der denkbaren Beschützergarantenstellungen ist anerkannt, dass sich eine Garantenstellung aus der Übernahme einer Schutzpflicht für ein Rechtsgut ergeben kann.427 Als unbestritten dürfen insoweit Fälle angesehen werden, in denen sich der Beschützende verpflichtet, die Individualrechtsgüter des Beschützten vor Beeinträchtigungen zu bewahren.428 Weniger Einigkeit herrscht dort, wo Strafvorschriften in Rede stehen, die nicht die Persönlichkeits- oder Vermögenswerte des Einzelnen schützen, sondern komplexe Universalrechtsgüter. So wird z. B. seit jeher diskutiert, wen eine strafrechtliche Einstandspflicht treffen soll, die Deliktserfolge der Um-

Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 27. beispielsweise BGH NStZ 1984, S. 163 ff.; NStZ 2003, S. 259 ff.; NStZ 2009, S. 686 (687); Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 173 ff.; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 9; Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 33; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 82 ff.; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 26 ff.; Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 34; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, § 21 Rn. 64 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 621 f.; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 119; Rengier, Strafrecht AT, § 50 Rn. 4; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn.  53 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1179; Ransiek, JuS 2010, S. 585 (587). 428  Dies wird beispielsweise angenommen für Lehrer gegenüber ihren Schülern, Ärzte gegenüber ihren Patienten, Bergführer gegenüber der zu betreuenden Bergsteigergruppe, Bademeister gegenüber den Badegästen oder GmbH-Geschäftsführer gegenüber der GmbH; zu diesen sowie weiteren Fallgruppen Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 10, 26 ff.; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 222 StGB Rn. 10 ff.; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 37; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 10; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 63 ff.; speziell für das Wirtschaftsstrafrecht Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 41 ff. 426  Vgl.

427  Siehe

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

weltstraftatbestände gemäß §§ 324 ff. StGB abzuwenden.429 Die Rechtsgüter der Umwelt430 sind als abstrakte Allgemeininteressen per se nicht in Lage, sich gegen Beeinträchtigungen selbst zur Wehr zu setzen. Es bedarf daher einer Instanz, die strafrechtlich für die in §§ 324 ff. StGB umschriebenen Verhaltensweisen einsteht. Insoweit lässt sich zuvorderst an Umweltbehörden, die Betreiber umweltgefährdender Anlagen sowie deren mit dem Umweltschutz betraute Betriebsbeauftragte, wie etwa den Gewässerschutzbeauftragten gemäß §§ 64 ff. WHG, denken.431 Vergleichbare Strukturen finden sich beispielsweise auch im Wertpapierdienstleistungssektor, in dem der in § 87 WpHG vorgesehene Compliance-Beauftragte mit einer Gesichtshälfte auf das Unternehmensinteresse schaue und mit der anderen dem öffentlichen Interesse verpflichtet sei.432 Die für den Ausfuhrverantwortlichen bedeutsamen Ausfuhrdelikte bezwecken ebenfalls nicht primär den Schutz des Einzelnen, sondern den Schutz von Allgemeininteressen, zu denen unter anderem die wesentlichen Sicherheitsinteressen und auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland sowie das friedlichen Zusammenleben der Völker zählen.433 Mangels eigener Wehrhaftigkeit müsste zum Schutz dieser Universalrechtsgüter ebenfalls jemand „auf Posten gestellt“434 werden. Zu differenzieren ist zwischen einer Schutzpflicht, die bereits im Ursprung (originär) mit der der Stellung des Ausfuhrverantwortlichen verwoben ist (1.) und einer lediglich abgeleiteten (derivativen) Schutzpflicht. Letztgenannte könnte der Ausfuhrverantwort429  Dazu etwa Fischer, StGB, Vor § 324 Rn. 18; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 63; Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 324 Rn. 38; Ransiek, in: NK-StGB, § 324 Rn. 69; Saliger, in: SSW-StGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 64; ders. Umweltstrafrecht, Rn. 210; Schall, in: SK-StGB, Bd. 6, Vor §§ 324 ff. Rn. 112 ff.; Steindorf, in: LK-StGB, Bd. 12, Vor § 324 Rn. 56; Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 32; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 79 ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 102 ff.; Barış Atladı, Amtsträgerstrafbarkeit, S.  160 ff.; Sangenstedt, Garantenstellung, S.  633 ff.; Schultz, Amtsverwalterunterlassen, S. 166; Horn, NJW 1981, S. 1 (5 ff.); C. Nestler, GA 1994, S. 514 ff.; Pfohl, NJW 1994, S. 418 (421); Winkelbauer, NStZ 1986, S. 149 ff.; ausführlich auch Dominok, Strafrechtliche Unterlassungshaftung, S. 68 ff.; siehe zudem Michalke, Umweltstrafrecht, § 324 Rn. 47. 430  Etwa die Reinheit von Gewässern, Boden oder Luft, siehe im Einzelnen Alt, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 326 Rn. 1 ff.; Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 324 Rn. 3 ff.; Ransiek, in: NK-StGB, § 325 Rn. 3. 431  Siehe dazu sogleich S. 200 ff. m. w. Nachw. 432  Vgl. Veil, WM 2008, S. 1093 (1097); dazu kritisch Konu, Garantenstellung, S. 75. 433  Siehe bereits S. 173 ff. 434  Formulierung wohl von Kaufmann, Dogmatik, S. 283; aufgegriffen beispielsweise von Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 32; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 30; Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 22; siehe auch Laubenthal, JuS 1993, S.  907 ff.



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liche entweder von den Ausfuhrbehörden (2.) oder von seinem Unternehmen (3.) ableiten. 1. Originäre Schutzpflicht des Ausfuhrverantwortlichen Möglicherweise ist der Ausfuhrverantwortliche bereits von sich aus Träger von Schutzpflichten zugunsten der Allgemeinheit. Geht man von einer solch originären Schutzpflicht aus, stellt sich die Frage, woher diese rührt. Da der Ausfuhrverantwortliche eine originäre Schutzpflicht gerade von niemand anderem übernimmt, kann sie nur aus enger persönlicher Verbundenheit zum zu schützenden Rechtsgut (a)), aus einer Organ- bzw. Gesellschafterstellung (b)) oder unmittelbar aus der Regelungsmaterie des Außenwirtschaftsrechts (c)) resultieren. a) Enge persönliche Verbundenheit Einstimmig anerkannt ist, dass sich die Pflicht, zum Schutz fremder Rechtsgüter tätig zu werden, aus enger persönlicher Verbundenheit ergeben kann.435 Für den Ausfuhrverantwortlichen bedeutet dies, dass zwischen ihm und den Rechtsgütern des Außenwirtschaftsrechts ein – wie auch immer geartetes – besonderes Näheverhältnis vorliegen müsste, aufgrund dessen er sich vertrauensbegründend selbst verpflichtet. Der Anwendungsbereich dieser Fallgruppe wird allerdings überwiegend auf das familiäre Umfeld und damit auf den Schutz nahestehender Individualrechtsgüter beschränkt.436 Zwischen dem Ausfuhrverantwortlichen als natürlicher Person und den Rechtsgütern des Außenwirtschaftsrechts als abstrakten Anliegen der Allgemeinheit kann jedoch schon rein tatsächlich kein mit der Familie vergleichbares emotionales Näheverhältnis begründet werden, welches das Vertrauen der Allgemeinheit wecken könnte, man unterstehe der Obhut des Ausfuhrverantwortlichen.

435  BGH NJW 1964, S. 731 ff.; Fischer, StGB, § 13 Rn. 14; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 55; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 38; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 17; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 622; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 33 ff.; Albrecht, Begründung von Garantenstellungen, S. 28 ff.; ferner Kühl, JuS 2007, S. 497 (500); Rönnau, JR 2004, S. 158 ff. 436  Dazu Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 17; Kindhäuser, Strafrecht AT, § 36 Rn. 75 ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 42 ff.; a. A. wohl Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 25, der gleichfalls eine originäre Schutzpflicht von staat­ lichen Amtsträgern „institutionell“ begründen will; siehe zur Beschützergarantenstellung von Amtsträgern noch sogleich S. 199 ff.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

b) Organ- bzw. Gesellschafterstellung Plausibler erscheint es, eine originäre Schutzpflicht mit der aufgrund der Zuverlässigkeitsgrundsätze obligatorischen Organ- bzw. Gesellschafterstellung des Ausfuhrverantwortlichen zu verknüpfen. Da juristische Personen bzw. Personengesellschaften selbst nicht handlungs- oder schutzfähig sind, wird die Beschützergarantenstellung von Organen bzw. Gesellschaftern hinsichtlich der Rechtsgüter der juristischen Person bzw. Gesellschaft, insbesondere hinsichtlich deren Vermögensinteressen, befürwortet.437 Analog zur Garantenstellung aufgrund enger persönlicher Verbundenheit lässt sich zur Begründung der strafrechtlichen Einstandspflicht mit der Ausstrahlungswirkung der gesellschaftsrechtlichen Organ- bzw. Gesellschafterpflichten438 sowie der tatsächlichen Ausübung der Organ- bzw. Gesellschaftertätigkeit argumentieren.439 Hinsichtlich der Schutzfunktion des Ausfuhrverantwortlichen in Bezug auf die Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts ist jedoch festzustellen, dass diese als Universalrechtgüter nicht den Individualrechtsgütern der betreffenden juristischen Person bzw. Personengesellschaft zuzurechnen sind. Allein aus der Organ- bzw. Gesellschafterstellung kann also noch keine Pflicht folgen, die Rechtsgüter Dritter oder der Allgemeinheit mit zu schützen.440 Der Ausfuhrverantwortliche kann sich beispielsweise als in der Regel vermögensbetreuungspflichtiger GmbH-Geschäftsführer wegen Untreue durch Unterlassen gemäß §§ 266 Abs. 1, 13 StGB strafbar machen, indem er tatenlos zusieht, wie sich ein ebenfalls vermögensbetreuungspflichtiger Mitarbeiter eigenmächtig überhöhte Gehälter ausbezahlen lässt. Er macht sich demgegenüber noch nicht allein deshalb wegen unerlaubter Ausfuhr durch Unterlassen gemäß §§ 17, 18 AWG, 13 StGB strafbar, weil er als Organ die Inte­ ressen der juristischen Person wahrzunehmen hat.

437  BGH NZG 2012, S. 992 ff.; Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 19; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 42; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 73; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 78; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 77; Konu, Garantenstellung, S. 104; Berndt, StV 2009, S. 687 (690). 438  Z. B. gemäß §§ 53a ff. AktG, 13 ff. GmbHG, §§ 109 ff. HGB. 439  Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 73; Konu, Garantenstellung, S. 103; Warneke, NStZ 2010, S. 312 (315). 440  So auch Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 96. Etwas anderes gilt unter Umständen nur, wenn dem Unternehmen ein entsprechender Schutzauftrag erteilt ist, dessen Erfüllung das Organ bzw. der Gesellschafter tatsächlich, freiwillig übernimmt; dazu sogleich S. 207 ff.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte193

c) Rechtsstellung aufgrund des Außenwirtschaftsrechts Möglicherweise leitet der Ausfuhrverantwortliche seine Schutzpflicht zugunsten der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts unmittelbar aus dem Außenwirtschafts(straf)recht ab. In Annäherung an die formale Rechtsquellenlehre wird teilweise unter einschränkenden Voraussetzungen eine „Garantenstellung aus Gesetz“441 anerkannt.442 Die strafrechtliche Einstandspflicht soll hiernach unmittelbar auf eine besondere, abstrakt-generelle gesetzliche Pflichtenstellung zurückzuführen sein, ohne dass es auf die tatsächliche Übernahme einer Schutzpflicht ankommt.443 Damit die Einstandspflicht jedoch nicht ins Uferlose abgleitet, sollen als Rechtsquellen allgemeine Hilfeleistungspflichten, wie jene gemäß § 323c StGB, oder Generalklauseln, wie § 242 BGB, ausscheiden.444 Eine Handlungspflicht folge dagegen aus Straftatbeständen, bei denen die Auslegung ergibt, dass ein Unterlassen dem Tun unmittelbar gleichsteht und somit unmittelbar tatbestandsmäßig ist.445 Bejaht wird dies etwa für die Untreue gemäß § 266 StGB oder die Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 203 StGB, die bereits tatbestandlich eine besondere Pflichtenstellung des Täters (Vermögensbetreuungspflicht bzw. beruflich oder tatsächlich bedingte Schweigepflicht) voraussetzen, sodass es unerheblich ist, ob die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Interessen durch positives Tun oder durch Unterlassen verletzt wird.446 Aber nicht nur von Strafvorschriften sollen sich unmittelbar strafrechtliche Einstandspflichten im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB ableiten lassen. Der BGH stützt Garantenstellungen beispielsweise im familiären Umfeld – grundsätzlich unabhängig von der soeben angesprochenen individuellen engen persönlichen Verbundenheit – maßgeblich auf die gesetzlich geregelten Beistandspflichten des Familienrechts, z. B. gemäß § 1353 BGB für Ehegatten oder

441  Fischer, StGB, § 13 Rn. 19, 20; ebenso Tag, in: Dölling/Duttge/Rössner/König, Gesamtes Strafrecht, § 13 StGB Rn. 16; vgl. auch Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 8. 442  Siehe auch BGH NJW 2003, S. 522 (525); Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 8; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 31; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 16 ff. 443  Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 31; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 16. 444  Tag, in: Dölling/Duttge/Rössner/König, Gesamtes Strafrecht, § 13 StGB Rn. 16. 445  Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 89; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 31. 446  Siehe hinsichtlich § 266 StGB OLG Braunschweig NJW 2012, S. 3798 (3800); Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 30.1; hinsichtlich § 203 StGB Cierniak/ Niehaus, in: MüKo-StGB, Bd. 4, § 203 Rn. 46; zum Ganzen Bosch, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 13 Rn. 31 m. w. Nachw.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

§§ 1618a, 1626 BGB hinsichtlich der Eltern-Kind-Beziehung.447 Zwar regelten die Vorschriften den Gehalt der geschuldeten familiären Solidarität nicht einheitlich, sodass dieser anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen sei, jedoch bildeten sie hinsichtlich der Einstandspflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB den „Wertemaßstab“.448 Damit folgert der BGH aus dem Gesetz zwar keine konkrete Garantenpflicht, aber doch eine abstrakte Garantenstellung, nach der auch hier in Bezug auf den Ausfuhrverantwortlichen geforscht wird. Neben einer Beschützergarantenstellung, die sich unmittelbar aus den Ausfuhrdelikten ergeben könnte (aa)), wird daher auch eine strafrechtliche Einstandspflicht diskutiert, die sich maßgeblich auf das originär verwaltungsrechtliche Ausfuhrgenehmigungsrecht stützt (bb)). aa) Ausfuhrdelikte Wie soeben beschrieben, werden Delikte, die tatbestandlich das Erfordernis einer besonderen Pflichtenstellung des Täters – zumindest im Wege der Auslegung – erkennen lassen, als unmittelbare Rechtsquellen von strafrechtlichen Garantenstellungen angesehen. Das fehlende, jedoch nach der materiellen Funktionslehre erforderliche, tatsächliche Moment der Einstandspflicht wird bei diesen Delikten durch die besondere Täterqualität kompensiert, die hinsichtlich des Tatverhaltens eine Differenzierung zwischen positivem Tun und Unterlassen obsolet macht. Die Rede ist also von Sonder- bzw. Pflichtdelikten, bei denen regelmäßig von Modalitätenäquivalenz zwischen aktiver Begehung und Unterlassen der Erfolgsabwendung auszugehen ist, weil durch die Tatbestandsverwirklichung in jedem Fall eine rechtlich begründete Verhaltenserwartung enttäuscht wurde.449 Die bisherige Untersuchung hat in diesem Zusammenhang ergeben, dass es sich bei den Ausfuhrdelikten ganz überwiegend nicht um Sonderdelikte handelt, die tatbestandlich zwingend eine bestimmte Täterqualität voraussetzen.450 Dies trifft aufgrund der subjektiven Anforderungen an den formellen 447  Hinsichtlich §§  1353, 1626 BGB BGH NJW 1964, S. 731; NJW 2003, S. 3212 ff.; in Bezug auf § 1618a BGB BGH NStZ 2017, S. 401; NStZ 2018, S. 34 ff. Außerdem wird bei BGH NJW 2003, S. 522 (525) die Garantenstellung von Mitgliedern des SED-Politbüros zum Schutz von Leib und Leben der DDR-Bürger unmittelbar aus der Verfassung der DDR gefolgert; siehe zudem Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 17; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 8; Tag, in: Dölling/ Duttge/Rössner/König, Gesamtes Strafrecht, § 13 StGB 18. 448  BGH NStZ 2017, S. 401; NStZ 2018, S. 34 (35). 449  Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 4; vgl. auch Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 29; Schünemann, in: LK-StGB, Bd. 1, § 14 Rn. 13; vgl. dazu im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn.  188 ff. 450  Zum Ganzen bereits S. 144 ff.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte195

Ausführer gemäß § 2 Abs. 2 AWG, Art. 2 Nr. 3 Dual-Use-VO allenfalls auf die Catch-All-Delikte451 gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1, 2, Abs. 5 Nr. 1, 2 AWG zu, die jedoch wiederum für den Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze keine Rolle spielen, da dieser nur für die Ausfuhr bzw. Verbringung von gelisteten Gütern bestellt werden muss. Allerdings hat die Untersuchung auch gezeigt, dass die Ausfuhrdelikte als sog. Organisationsdelikte ausgestaltet sind.452 Dies bedeutet, dass eine besondere funktionalsoziale Machtposition des Täters, wie insbesondere dessen Vorgesetzten­ stellung und Weisungsbefugnis im Unternehmen, die Anforderungen an die physisch-reale Tatherrschaft im Ausführungsstadium der Ausfuhr bzw. Verbringung absenken können. Dies verdeutlicht bereits den Unterschied zum Sonder- bzw. Pflichtdelikt, das einem funktional-sozialen Täterbild nicht einfach nur durch Auslegung zugänglich, sondern gerade nach einem ganz konkret beschaffenen Täter verlangt. Die für den Ausfuhrverantwortlichen relevanten Ausfuhrdelikte erfordern indessen keinen besonderen Täter, sondern entweder die physisch-reale oder eben die funktional-soziale Tatherrschaft über den konkreten Ausfuhrvorgang. Hinsichtlich der Tatherrschaft genügt insoweit gerade noch nicht das gänzliche Untätigbleiben des Täters, da auch im Fall der funktional-sozialen Tatherrschaft, wie gezeigt, zumindest ein aktiver Veranlassungsbeitrag erforderlich ist, der das Ausführungsstadium prägt oder in Gang setzt, wie etwa die Planung, Organisation oder Anweisung im Vorbereitungsstadium der Ausfuhr. Die Tatbestandsstruktur der Ausfuhrdelikte lässt damit auf keine Gleichstellung von positivem Tun und Unterlassen schließen, wie dies bei Sonderbzw. Pflichtdelikten der Fall sein kann. Damit kann aus den Ausfuhrdelikten auch keine unmittelbare Schutzpflicht des Ausfuhrverantwortlichen für die Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts abgeleitet werden. bb) Ausfuhrgenehmigungsrecht Nachdem das Außenwirtschaftsstrafrecht dem Ausfuhrverantwortlichen keine originäre Schutzpflicht auferlegt, verbleibt es, im übrigen Außenwirtschaftsrecht nach einer solchen zu suchen. Als Akteur des Ausfuhrgenehmigungsverfahrens rücken für den Ausfuhrverantwortlichen die Vorschriften des Genehmigungsrechts in das Blickfeld. Aufgabenbeschreibungen könnten sich aus den speziell zum Ausfuhrverantwortlichen ergangenen Zuverlässigkeitsgrundsätzen, dem ICP-Merkblatt sowie § 2 Abs. 2 AWV ergeben. Möglicherweise müssen diese Vorschriften als maßgeblicher „Wertemaßstab“453 451  Siehe

insbesondere Teil 3, Fn. 221. S.  149 ff. 453  Vgl. bereits S. 193 f. 452  Dazu

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für die strafrechtliche Einstandspflicht des Ausfuhrverantwortlichen im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB herangezogen werden. Eine rechtlich verbindliche bzw. allgemeingültige Handlungsanordnung treffen indessen weder die Zuverlässigkeitsgrundsätze noch das ICP-Merkblatt oder § 2 Abs. 2 AWV. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze – unabhängig davon, ob man sie als Verwaltungsvorschriften oder als Rechtsverordnung ansieht – keine unmittelbar rechtliche Außenwirkung entfalten können. Dies unterscheidet sie grundlegend von den oben genannten familienrechtlichen Vorschriften des BGB, die als formelle Gesetze nicht nur von der Verwaltung, sondern grundsätzlich auch von Bürgern und Gerichten beachtet werden müssen. Zwar stellt § 2 Abs. 2 AWV als Rechtsverordnung insoweit sogar eine allgemeinverbindliche Außenrechtsnorm dar; jedoch ist sie ihrem Anwendungsbereich nach auf die spezielle Konstellation des Zertifizierungsverfahrens nach Art. 9 Verteidigungsgüter-RL zugeschnitten454, was sie als allgemeingültigen Wertemaßstab ausscheiden lässt. Ungeachtet ihrer formellen Rechtsnatur treffen die Zuverlässigkeitsgrundsätze, das ICP-Merkblatt und § 2 Abs. 2 AWV allerdings auch materiell keine unmittelbare Aussage über das Strafrecht. Sie dienen in erster Linie der Durchführung des Ausfuhrgenehmigungsverfahrens. Über Vorschriften, welche die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Beteiligten am Außenwirtschaftsverkehr über die Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV, 19 ff. KWKG hinaus modifizieren, verfügt das Außenwirtschaftsrecht nicht. Anders verhält sich dies etwa in einigen Landespressegesetzen. So enthält etwa § 20 Bad.-Württ. LPresseG ein Sonderdelikt für den sog. verantwortlichen Redakteur.455 Verantwortlicher Redakteur im Sinne des Presserechts ist allgemein, wer im Auftrag des Verlegers das Druckwerk auf strafrechtlich relevante Äußerungen zu prüfen hat und kraft dessen Vetos Veröffentlichungen verhindert werden können.456 Gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 Bad.-Württ. LPresseG wird der verantwortliche Redakteur auch dann mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wenn er nach den allgemeinen Strafvorschriften nicht als Täter oder Teilnehmer eingestuft werden kann, sofern er vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflicht verletzt hat, Druckwerke von strafbarem Inhalt freizuhalten.457 Darüber hinaus existieren 454  Siehe

S.  92 f. bereits Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 95. 456  Groß, NStZ 1994, S. 312 (314); ausführlich zu dessen strafrechtlicher Verantwortlichkeit Heper, Strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs, S. 82 ff.; Uebbert, Strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs, S. 45 ff. 457  Vergleichbare Vorschriften finden sich in Art. 11 Abs. 3 BayPrG, dazu Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 24 ff.; siehe auch § 21 Abs. 2 Nr. 1 LPresseG NRW, dazu Uebbert, Strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs, S. 99 ff. 455  Dazu



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sogar spezielle Beweislastregeln, wie z. B. § 11 Abs. 1 HPresseG, der die widerlegbare Vermutung aufstellt, dass der verantwortliche Redakteur die Veröffentlichung eines Druckwerks, dessen Inhalt eine Straftat begründet, als eigene gewollt hat.458 Aus der Existenz derartiger strafrechtlicher Spezialvorschriften459 lässt sich der Umkehrschluss ziehen, dass überall dort, wo solche Vorschriften fehlen, auch ein Rückschluss von der außerstrafrechtlichen Verhaltensnorm auf die strafrechtliche Einstandspflicht nicht ohne Weiteres möglich ist.460 Für diese Annahme scheint insbesondere zu sprechen, dass § 130 OWiG eine Unterlassungshaftung des Geschäftsherrn für den Regelfall lediglich als Ordnungswidrigkeit einstuft.461 So wurde hinsichtlich der Betriebsbeauftragten des Umweltrechts bereits zutreffend herausgearbeitet, dass die einschlägigen unmittelbar tätigkeitsregelnden Verhaltensnormen, wie z. B. §§ 54 BImSchG, 60 KrWG, 65 WHG, nicht in der Lage sind, eine Beschützergarantenstellung kraft organähnlicher Position aus dem jeweiligen Gesetz zu untermauern, weil ansonsten eine zu starke Annäherung an die formale Rechtsquellenlehre erfolgte.462 Gefordert wird zusätzlich ein tatsächliches Moment, durch das der Täter nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch in die Schutzposition eintritt, um so pauschale Verantwortungszuschreibungen und Umgehungshandlungen zu vermeiden.463 Auch in einer der eingangs angegebenen Entscheidungen zur Garantenstellung von Familienmitgliedern hat der BGH eingestanden, dass neben die in § 1618a BGB normierte familiäre Solidarität für eine Schutzpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB jedenfalls das faktische Zusammenleben von Eltern und Kind treten muss.464 Selbst wenn der BGH in diesem Zusammenhang keine Mindestanforderungen an das „faktische Zusammenleben“ benennt, betont er in der weiteren Begründung die besondere räumliche sowie persönliche Nähe der Beteiligten und stellt so eine Konnexität zwischen rechtlichen Grundlagen und tatsächlichen Umständen her.465 Eine solche Konnexi458  Ähnlich

Art. 11 Abs. 2 BayPrG. zudem insbesondere im Militärstrafrecht in §§ 30 Abs. 2, 41 WStG sowie das Amtsdelikt gemäß § 357 Abs. 1 Var. 3 StGB, die ebenfalls spezielle echte Unterlassungsdelikte für Vorgesetzte enthalten; zum Ganzen Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  16 ff. 460  In diesem Sinne Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 65. 461  Vgl. Stoffers, NJW 2009, S. 3176; dazu kritisch Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 142 f.; zum Ganzen ausführlich Bosch, Organisationsverschulden, S. 311 ff. 462  Arndt, Der Betriebsbeauftragte, S. 126; ausführlich zudem Wendler, Haftung der Betriebsbeauftragten, S. 315 ff. 463  Böse, NStZ 2003, S. 636 (638); siehe zudem Alt, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 324 Rn.  95 ff. m. w. Nachw. 464  BGH NStZ 2018, S. 34 (35) unter Verweis auf BGH NStZ 2017, S. 401. 465  BGH NStZ 2018, S. 34 (35); dazu Kudlich, NStZ 2018, S. 36. 459  Siehe

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tät ist auch für das Außenwirtschafts(straf)recht zu fordern. Das Ausfuhrgenehmigungsrecht kann zwar, soweit es unmittelbar anwendbar ist, den recht­ lichen Rahmen für strafrechtliche Einstandspflichten vorgeben; Letztgenannte müssen aber durch tatsächliche Anhaltspunkte bestätigt werden, um pauschale Verantwortungszuschreibungen zu vermeiden.466 Aus dem Ausfuhrgenehmigungsrecht allein folgt damit noch keine originäre Schutzpflicht des Ausfuhrverantwortlichen. cc) Zwischenergebnis Den Ausfuhrverantwortlichen trifft selbst keine originäre Schutzpflicht zugunsten der Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts. 2. Derivative Schutzpflicht der Ausfuhrbehörden Möglicherweise leitet der Ausfuhrverantwortliche eine Schutzpflicht zugunsten der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts von Dritten ab. Als materielle Ursache für Garantenstellungen ist die tatsächliche, freiwillige Übernahme einer Schutzpflicht unbestritten.467 Die Beschützergarantenstellung wird hiernach dadurch begründet, dass sich der Beschützende gegenüber dem Beschützten oder dessen bisherigen Beschützer zu bestimmten Gefahrabwendungen ausdrücklich oder konkludent bereit erklärt und diese anschließend faktisch übernimmt.468 Mit der Übernahme korrespondiert, dass der Beschützte bzw. dessen bisheriger Beschützer es im Vertrauen auf die Schutzzusage unterlässt, selbst anderweitige Schutzmaßnahmen zu ergreifen oder sich gerade im Vertrauen auf die Schutzzusage in Gefahr begibt.469 Der Übernehmende muss sich also fortan hinsichtlich seiner Zusage „beim Wort nehmen“470 lassen. Da die Rechtsgüter des Außenwirtschafts als „Beschützte“ 466  Im Ergebnis auch Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 95; Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 753; Pottmeyer, AW-Prax 1995, S. 125. 467  BGH NJW 2002, S.  1887 (1888); Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 173; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 28; Tag, in: Dölling/Duttge/ Rössner/König, Gesamtes Strafrecht, § 13 StGB Rn. 20; Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 25 ff.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 347 ff.; ders., ZStW 96 (1984), S. 287 (306 ff.). 468  BGH NStZ 2017, S. 531 (533); Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 173; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 28. 469  Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 47 f.; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 28; Konu, Garantenstellung, S. 185 ff.; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 287 (308); zur Rolle des Vertrauensgrundsatzes bei der Garantenstellung kraft Übernahme außerdem noch nachfolgend S. 229 ff. 470  Freund, Strafrecht AT, § 6 Rn. 87; ähnlich Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 29.



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den Ausfuhrverantwortlichen selbst nicht beim Wort nehmen können, müsste ein entsprechendes Vertrauen bei denjenigen geschaffen werden, die ursprünglich bzw. neben dem Ausfuhrverantwortlichen für den Schutz zuständig waren. Dabei ist zuvorderst an die mit der Exportkontrolle betrauten Ausfuhrbehörden, namentlich Bundesregierung und BAFA, zu denken. Wären die Ausfuhrbehörden selbst Beschützergaranten zugunsten der Rechts­ güter des Außenwirtschaftsrechts (a)), so könnte eine tatsächliche, freiwillige Übernahme von deren Schutzaufgaben durch den Ausfuhrverantwortlichen möglicherweise einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründen (b)). a) Schutzpflicht der Ausfuhrbehörden Bei der Frage nach der Beschützergarantenstellung der Ausfuhrfuhrbehörden hinsichtlich der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsverkehrs muss zwischen dem öffentlich-rechtlich vorgesehen Schutzauftrag (aa)) und der tatsächlichen Erfüllung dieses Schutzauftrags differenziert werden. Wie bereits hervorgehoben, genügt nämlich die formal-rechtliche Zuweisung allein noch nicht für die Annahme einer strafrechtlichen Einstandspflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB (bb)). aa) Öffentlich-rechtlicher Schutzauftrag Zumindest aus der Perspektive des verwaltungsrechtlichen Genehmigungsrechts manifestiert sich die Schutzpflicht eindeutig. Der Gesetzgeber erteilt den Ausfuhrbehörden bzw. deren Amtsträgern den Auftrag, zum Schutz der Rechtsgüter des Außenwirtschafts tätig zu werden. Dies ergibt sich zum einen aus dem GG, zum anderen aus dem einfachgesetzlichen Bundesrecht sowie dem unmittelbar geltenden Unionsrecht. So sieht etwa Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, dass zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in den Verkehr gebracht werden dürfen. Im Fall von Kriegswaffen obliegt die Exportkontrolle mithin final der Bundesregierung als Ausfuhrbehörde. Der Genehmigungsvorbehalt wird einfachgesetzlich durch § 3 Abs. 3 KWKG konkretisiert. Durch ihn soll sichergestellt werden, dass Kriegswaffen nicht unkontrolliert an sensible Empfänger im Ausland gelangen, um so Störungen des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhindern.471 Die Genehmigung wird als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG erteilt.472 Der Gesetzgeber verweist die Bundesregierung damit auf die originäre Handlungsform der Verwaltung. 471  OLG 472  Vgl.

Düsseldorf NStZ 1987, S. 565 (566); Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 133. BVerfG NVwZ 2014, S. 1652 (1659).

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Im Fall sonstiger rüstungsrelevanter Güter folgt das deutsche Außenwirtschaftsrecht dem Leitbild der grundsätzlichen Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AWG), die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AWG nur durch Gesetz oder aufgrund von Gesetz eingeschränkt werden.473 Die Exportkontrolle wird insoweit ebenfalls maßgeblich durch einen staatlichen Genehmigungsvorbehalt sichergestellt. Will ein Teilnehmer am Außenwirtschaftsverkehr Güter ausführen, deren Export der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber in entsprechenden Güterlisten, insbesondere der Ausfuhrliste oder den Anhängen der Dual-Use-VO, als Gefährdung der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsverkehrs eingestuft hat, so bedarf er gemäß §§ 4 Abs. 3 AWG, 8 ff. AWV, Art. 3 Dual-Use-VO einer Ausfuhrgenehmigung. Ob die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, entscheidet insoweit gemäß § 13 Abs. 1 AWG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO das BAFA als zuständige Genehmigungs- und Meldebehörde. Im Vorfeld der Genehmigungsentscheidung muss das BAFA – typisch für Gefahrabwehrbehörden474 – Prognosen über die Ungefährlichkeit der Ausfuhr hinsichtlich der Zwecke des Außenwirtschaftsrechts im Sinne des § 8 Abs. 1 AWG sowie über die Zuverlässigkeit des Antragstellers gemäß § 8 Abs. 2 AWG anstellen. Zur Ermittlung bzw. Überwachung der relevanten Belange können gemäß § 23 AWG insbesondere Außenwirtschafts- bzw. Zuverlässigkeitsprüfungen beim Antragsteller angeordnet werden. Bereits dieser Ausschnitt des Exportkontrollrechts verdeutlicht, dass den Ausfuhrbehörden umfangreiche rechtliche Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden, um den staatlichen Genehmigungsvorbehalt zu vollstrecken. Dass die Ausfuhrbehörden bzw. deren Amtsträger durch ihre Verwaltungstätigkeit tatsächlich zum Schutz der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts beitragen, lässt sich damit nicht von der Hand weisen. bb) Strafrechtliche Einstandspflicht Nur weil der Gesetzgeber die Ausfuhrbehörden bzw. deren Amtsträger zur Gefahrenabwehr in Stellung bringt, darf, wie gesehen, noch nicht ohne Weiteres auf eine Garantenstellung geschlossen werden. Bisher ist nicht abschließend geklärt, ob sich aus den außenwirtschaftsrechtlichen Amtspflichten auch eine strafrechtliche Beschützergarantenstellung der Behörden bzw. Amtsträger zugunsten der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts ergibt.475 Zumindest bezüglich der für den Umweltschutz zuständigen Behörden wird 473  Im Einzelnen Epping, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Rechtsrahmen, Verfassungsrechtliche Einflüsse Rn. 22 ff.; ders. Außenwirtschaftsfreiheit, S. 286 ff.; siehe zudem bereits S. 27 f. 474  Siehe beispielsweise die im Rahmen des Gewerbe- und Gaststättenrechts anzustellenden Gefahrenprognosen, dazu S. 30 f. 475  Dazu immerhin Burkert, Besondere Problematik, S. 148 ff.



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verbreitet angenommen, dass sie als Beschützergaranten verpflichtet sind, Schaden von den strafrechtlich geschützten Umweltrechtsgütern abzuwehren.476 Gefordert wird, dass Behörden bei rechtswidrigen Umweltbeeinträchtigungen durch Dritte einschreiten, indem sie beispielsweise fehlerhafte Genehmigungen widerrufen und aktiv gegen Umweltbeeinträchtigungen vorgehen.477 Dies sei zum einen deshalb geboten, weil die Umwelt als solche selbst nicht in der Lage sei, sich gegen Beeinträchtigungen zur Wehr zu setzen.478 Zum anderen wird angeführt, dass die Amtsträger von Umweltbehörden kraft ihrer beruflichen Stellung ein normatives Herrschafts- und Entscheidungsmonopol über die Schutzgüter des Umweltrechts besitzen.479 Sie seien von der Rechtsordnung geradezu auf einen qualifizierten Posten gestellt480, was sie zu „geborenen Beschützergaranten“481 mache. 476  BGH NJW 1992, 3247 ff.; NJW 1994, S. 670 (671); GenStA Zweibrücken, NStZ 1984, S. 554 f.; Fischer, StGB, Vor § 324 Rn. 18; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 63; Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 324 Rn. 38; Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 21; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 43; Ransiek, in: NK-StGB, § 324 Rn. 69; Saliger, in: SSW-StGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 64; ders. Umweltstrafrecht, Rn. 210; Schall, in: SK-StGB, Bd. 6, Vor §§ 324 ff. Rn. 112 ff.; Steindorf, in: LK-StGB, Bd. 12, Vor § 324 Rn. 56; Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 32; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 79 ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 102 ff.; Schultz, Amtsverwalterunterlassen, S. 166; Horn, NJW 1981, S. 1 (5 ff.); C. Nestler, GA 1994, S. 514 ff.; Pfohl, NJW 1994, S. 418 (421); ausführlich auch Dominok, Strafrechtliche Unterlassungshaftung, S. 68 ff.; siehe zudem Michalke, Umweltstrafrecht, § 324 Rn. 47; Schall, JuS 1993, S. 719 ff.; Schwarz, NStZ 1993, S. 285 f.; von der Beschützergarantenstellung von Polizeibeamten ausgehend ferner BGH NJW 1993, S. 544 ff.; eingehend zur Garantenstellung von Amtsträgern zudem Barış Atladı, Amtsträgerstrafbarkeit, S.  160 ff.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 633 ff.; kritisch auch Rudolphi, FS Dünnebier, S. 561 ff. 477  OLG Frankfurt NJW 1987, S. 2753 (2757); Saliger, in: SSW-StGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 65; Barış Atladı, Amtsträgerstrafbarkeit, S.  194 ff.; Dominok, Strafrechtliche Unterlassungshaftung von Amtsträgern, S. 90 ff.; Rogall, Strafbarkeit von Amtsträgern, S. 214; Horn, NJW 1981, S. 1 (9 f.); siehe auch Otto, JURA 1991, S. 308 (315). 478  Zeitler, Strafrechtliche Haftung für Verwaltungsentscheidungen, S. 83; Horn, NJW 1981, S. 1 (6); Winkelbauer, NStZ 1986, S. 149 (151); zustimmend Roxin, Strafrecht AT/II, S. 102; ähnlich auch Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 80. 479  Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 115; im Ergebnis zustimmend Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 85 f.; a. A. wohl Schünemann, wistra 1986, S. 235 (244). 480  Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 324 Rn. 38; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 115; Saliger, Umweltstrafrecht, Rn. 208; Dominok, Strafrechtliche Unterlassungshaftung von Amtsträgern, S. 114 ff.; vgl. auch StA Mannheim, NJW 1976, S. 585 (586). 481  So Winkelbauer, NStZ 1986, S. 149 (151); zu der Frage der Ingerenzgarantenstellung infolge der Erteilung einer rechtswidrigen Genehmigung siehe BGH NJW 1994, S.  670 ff.; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 324 Rn. 11; Saliger, in: SSWStGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 63; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 41

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Dagegen wird man freilich einwenden müssen, dass eine Beschützergarantenstellung wohl noch nicht per se aus dem rechtlich eingeräumten Herrschafts- und Entscheidungsmonopol resultiert, sondern allenfalls aus der zusätzlichen tatsächlichen, freiwilligen Übernahme und Ausübung dieses Monopols durch den konkreten Amtsträger.482 Andernfalls näherte man sich abermals unweigerlich der zu stark formalisierenden Rechtsquellenlehre an, die aus den oben genannten Gründen keine Zustimmung verdient. Umweltbehörden bzw. deren Amtsträger übernehmen unterdessen sowohl tatsächlich als auch freiwillig Schutzpflichten zugunsten der Rechtsgüter der Umwelt. Die tatsächliche Übernahme erfolgt, wie eingangs aufgeworfen, durch die Bewältigung der gesetzlich speziell auf den Umweltschutz zugeschnittenen Verwaltungsaufgaben. Mit der tatsächlichen Übernahme korrespondiert die freiwillige Verpflichtung zum Umweltschutz. Zwar ließe sich andenken, dass ein Amtsträger regelmäßig in erster Linie seinen alltäglichen Verwaltungsaufgaben nachkommen will und nicht bei jedem Arbeitsschritt als gewissermaßen „höheren“ Handlungsauftrag den Rechtsgüterschutz vor Augen hat.483 Die freiwillige Übernahme setzt insoweit jedoch kein aktuelles Schutzbewusstsein voraus. Vielmehr genügt mit Blick auf die Garantenstellung in subjektiver Hinsicht, dass der Beschützergarant abstrakt die tatsächlichen Umstände im Sinne eines ständigen Begleitwissens erkennt, aus der sich seine Obhutspflicht ergibt.484 Gerade im Fall von Behörden, die primär mit der Abwehr ganz bestimmter Gefahren befasst sind, lässt sich schwer leugnen, dass sich deren Amtsträger selbst durch ihre alltägliche berufliche Betätigung dem Schutz der betreffenden Rechtsgüter verschreiben.485 Diejenigen, die in diesem Zusammenhang ein Ausufern der Unterlassungshaftung im behördlichen Bereich befürchten486, übersehen einerseits, dass sich die Garantenhaftung auf den eigenen Zuständigkeitsbereich und Ermessensspiel-

Rn.  46 ff.; Rogall, Strafbarkeit von Amtsträgern, S. 195 ff.; Saliger, Umweltstrafrecht, Rn.  204 ff.; Rudolphi, FS Dünnebier, S. 561 (577). 482  In diesem Sinne auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 159 f.; vgl. auch Barış Atladı, Amtsträgerstrafbarkeit, S.  160 ff. 483  So etwa Burkert, Besondere Problematik, S. 149. 484  BGH NJW 1961, S.  1682 (1683); Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 236; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 20; Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 38; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 60; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 73. 485  Ähnlich Bosch, Organisationsverschulden, S. 160; Winkelbauer, NStZ 1986, S. 149 (151); vgl. im europäischen Zusammenhang auch Heger, Europäisierung, S.  324 ff. 486  Etwa Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 78; ähnlich Rudolphi, FS Dünnebier, S. 561 (580); Schünemann, wistra 1986, S. 235 (244); zu dieser Ansicht Dominok, Strafrechtliche Unterlassungshaftung von Amtsträgern, S. 83 ff.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte203

raum des Amtsträgers beschränken lässt487; andererseits scheint die gegenüber dem Bürger erhöhte strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern schon deshalb geboten, weil diese durch die Ausübung besonderer rechtlicher Befugnisse ihren Handlungskreis erweitern, was mit entsprechenden Einstandspflichten korrespondieren kann.488 Diese Gedanken lassen sich auf den Außenwirtschaftsverkehr übertragen. Vergleichbar mit den Rechtsgütern der Umwelt489 können sich auch die Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts nicht selbst gegen Gefährdungen zur Wehr setzen. Geschützt werden sollen durch das Außenwirtschaftsrecht zuvorderst die Universalrechtsgüter der Sicherheitsinteressen und der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland sowie des Friedens der Völker.490 Es bedarf daher einer Überwachungs- und Kontrollinstanz, welche die überindividuellen Interessen zugunsten der Allgemeinheit wahrnimmt. Dies gilt zumindest insoweit, als es um die Wahrung eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalts geht.491 Sowohl im Umweltrecht als auch im Außenwirtschaftsrecht wird die Rechtmäßigkeit bestimmter Verhaltensweisen, die durch das Gesetz als abstrakt gefährlich eingestuft wurden, überwiegend von der behördlichen Genehmigung abhängig gemacht, anstatt sie durch repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt grundsätzlich zu verbie487  Fischer, StGB, Vor § 324 Rn. 18; Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 324 Rn. 38; Roxin, Strafrecht AT/II, S. 105; Bosch, Organisationsverschulden, S. 160; Rogall, Strafbarkeit von Amtsträgern, S. 202 ff. 488  Jäger, Strafrecht AT, Rn. 349; Bosch, Organisationsverschulden, S. 159 f.; Zeitler, Strafrechtliche Haftung für Verwaltungsentscheidungen, S. 82 f.; Horn, NJW 1981, S. 1 (6); Winkelbauer, NStZ 1986, S. 149 (151). Ähnlich argumentiert auch der BGH im berühmten und an späterer Stelle noch eingehender zu betrachtenden sog. BSR-Fall (BGH NJW 2009, S. 3173 ff.; siehe dazu nachfolgend S. 217 f.). Allerdings geht der BGH dort noch einen Schritt weiter, indem er die strafrechtliche Garantenstellung eines leitenden Angestellten der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR), einer Anstalt des öffentlichen Rechts, nicht nur hinsichtlich der Vermögensinteressen des eigenen Unternehmens, sondern auch hinsichtlich der Vermögensinteressen privater Dritter auf die „Übernahme eines Pflichtenkreises“ sowie ein damit korrespondierendes „Vertrauensverhältnis“ zwischen Übertragendem und Verpflichtetem stützt; siehe BGH NJW 2009, S. 3173 (3174); dazu kritisch statt vieler Dannecker/Dannecker, JZ 2010, S. 981 ff.; siehe aus außenwirtschaftsrechtlicher Perspektive zudem Merz/Felderhoff, AW-Prax 2012, S. 317 ff. Eine allgemeine Beschützergarantenstellung von staatlichen Einrichtungen zugunsten der Individualrechtsgüter von Bürgern ist indessen alles andere als unumstritten; siehe dazu Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 30 ff.; speziell zur Garantenstellung von Polizisten Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 85 ff. 489  Siehe Teil 3, Fn. 430. 490  Siehe nur § 4 Abs. 1 AWG, dazu bereits S. 173 ff.; zu deren Inhalt im Einzelnen noch S. 369 ff. 491  Siehe zur Terminologie, insbesondere in Abgrenzung zu dem sog. repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt, die Nachweise in Teil 2, Fn. 18.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

ten.492 Die zum Schutz der jeweiligen Rechtsgüter erforderlichen Prognosen können am zuverlässigsten durch spezialisierte und mit entsprechenden rechtlichen Befugnissen ausgestattete Behörden getroffen werden.493 Durch ihre berufliche Verwaltungstätigkeit nehmen deren Amtsträger freiwillig den Schutz der Rechtsgüter der Umwelt bzw. des Außenwirtschaftsverkehrs wahr. Dass den zuständigen Amtsträgern bei einer Genehmigungsentscheidung gesetzlich teilweise ein erheblicher Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum eingeräumt wird, z. B. indem sie gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 AWG eine Genehmigung bei überwiegendem volkswirtschaftlichen Interesse ausnahmsweise trotz einer Beeinträchtigung der außenwirtschaftsrechtlichen Zwecke erteilen dürfen, ändert an ihrer Einstandspflicht nichts.494 Freilich darf der „klassische Beschützergarant“495 grundsätzlich keine Abwägung darüber treffen, ob er den Schutz des in seine Obhut genommenen Rechtsguts zugunsten anderer Interessen preisgeben muss.496 Der Vater zweier Kinder muss beispielsweise drohende Schädigungen grundsätzlich von beiden gleichermaßen abwenden. Das Gleiche gilt für mehrere Patienten eines Arztes oder mehrere Bergsteiger unter der Leitung eines Bergführers. Im Unterschied zu diesen „klassischen“ Konstellationen werden die Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts indessen regelmäßig nicht bereits durch das singuläre Unterlassen eines Beteiligten verletzt, sondern – wie bereits ermittelt – erst durch eine Vielzahl wiederkehrender, gefährdender Verhaltensweisen.497 Dies rechtfertigt es, den zuständigen Amtsträgern gesetzlich einen gewissen Gestaltungsspielraum zuzugestehen, ohne jedoch zugleich deren grundsätzliche Einstandspflicht für den von ihnen übernommenen Pflichtenkreis in Frage zu stellen. cc) Zwischenergebnis Mit der gesetzlichen Betrauung der Behörden bzw. Amtsträger mit der Exportkontrolle und der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme durch diese 492  Zum Genehmigungsvorbehalt im Außenwirtschaftsrecht bereits S. 30  ff.; zur Erlaubnisart des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt im Umweltrecht Kloepfer, Umweltrecht, §  5 Rn.  211 f. m. w. Nachw. 493  Vgl. Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 80 in Bezug auf umweltrechtliche Kontrolle und Überwachung; zu den Gefährdungs- und Zuverlässigkeitsprognosen der Ausfuhrbehörden, Bundesregierung und BAFA, bereits S. 67 ff. 494  So aber Burkert, Besondere Problematik, S. 148 f. 495  Burkert, Besondere Problematik, S. 149. 496  Eine derartige Abwägung hätte als sog. rechtfertigende Pflichtenkollision ­allenfalls rechtfertigende Wirkung, die allerdings nur ausnahmsweise unter strikten Voraus­setzungen anzunehmen ist; dazu Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 124 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 365 ff. 497  Nachweis in Teil 3, Fn. 367.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte205

geht – zumindest innerhalb des konkreten Zuständigkeitsbereichs und Entscheidungsspielraums – eine strafrechtliche Beschützergarantenstellung hinsichtlich der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts einher. b) Tatsächliche, freiwillige Übernahme durch den Ausfuhrverantwortlichen Der öffentlich-rechtliche Schutzauftrag der Ausfuhrbehörden zugunsten der Allgemeinheit könnte infolge tatsächlicher, freiwilliger Übernahme auf den Ausfuhrverantwortlichen übergehen. Im Verhältnis des Ausfuhrverantwortlichen zu den Ausfuhrbehörden stellt die formelle Benennung den kon­ stitutiven Akt dar. Die Benennung eines Ausfuhrverantwortlichen beeinflusst entscheidend die Zuverlässigkeitsprognose des BAFA. Im Grundsatz gilt: Nur wenn ein Ausfuhrverantwortlicher die Genehmigungsanträge zeichnet, erfüllt der Antragsteller die erforderlichen sachlichen sowie personellen Vo­ raussetzungen für die Ausfuhr gelisteter Güter.498 Die Zuverlässigkeit des Antragstellers wird allerdings regelmäßig unterstellt, wenn dieser einen Ausfuhrverantwortlichen benannt hat und keine tatsächlichen Anhaltspunkte für Verstöße gegen exportrelevante Vorschriften ersichtlich sind.499 Dieses dem Antragsteller entgegengebrachte Vertrauen gründet sich darauf, dass sich die Geschäftsleitung durch die Benennung des Ausfuhrverantwortlichen zur Mitwirkung an der Exportkontrolle bekennt.500 Die Benennung eines Ausfuhrverantwortlichen stellt für die Ausfuhrbehörden zumindest formell sicher, dass eine eigene Überprüfung, ob der Antragsteller die exportrelevanten Vorschriften beachtet, regelmäßig unterbleiben kann, da diese bereits durch den Antragsteller selbst bewerkstelligt wird. Der Ausfuhrverantwortlichen unterstützt die Ausfuhrbehörden damit zumindest faktisch bei einer originär staatlichen Aufgabe. Rechtlich besteht allerdings ein gravierender Unterschied zwischen der Zuverlässigkeitsprüfung, die das BAFA bei tatsächlichen Anhaltspunkten für Rechtsverstöße einleiten kann, und dem innerbetrieblichen Exportkontrollsystem des Ausfuhrverantwortlichen. Die Anordnung der Zuverlässigkeitsprüfung durch das BAFA gemäß § 23 Abs. 3 AWG stellt – gleichgültig, ob es um die schlichte Auskunft, die Vorlage von Unterlagen oder die Vor-OrtPrüfung geht – einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG 498  Siehe

bereits S. 30 ff. Bezug auf Anträge nach dem AWG bzw. der AWV von Seiten des BAFA Beutel/Anders/Hötzl, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 399 (404); siehe auch den Beitrag von Beutel auf dem 11. Exportkontrolltag 2017, zusammengefasst von Ott, AW-Prax 2017, S. 163 (165); in Bezug auf Anträge nach dem KWKG Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 6 KWKG Rn. 30. 500  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 13. 499  In

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

dar.501 Auf diese originäre Handlungsform der Verwaltung kann der Ausfuhrverantwortliche nicht zurückgreifen. Dies wäre mangels eigener Amtsträgerstellung allenfalls aufgrund öffentlich-rechtlicher Beleihung möglich.502 Bei der Beleihung beauftragt und ermächtigt der Staat durch oder aufgrund von Gesetz Privatpersonen dazu, unter staatlicher Aufsicht selbstständig und im eigenen Namen bestimmte Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Verwaltung mit hoheitlichen Befugnissen und deren Handlungsformen wahrzunehmen.503 Als Beispiele für Beliehene lassen sich der Jagdaufseher gemäß § 25 BJagdG, der Schifffahrtskapitän gemäß § 121 SeeArbG, der Fleischbeschautierarzt504 oder private Gutachter505 anführen.506 Die Zuverlässig-keitsgrundsätze sind als Verwaltungsvorschriften bzw. rechtswidrige Rechtsverordnung allerdings schon formell nicht in der Lage, den Ausfuhrverantwortlichen mit Hoheitsaufgaben zu betrauen. Zudem soll der Ausfuhrverantwortliche auch materiell keine behördliche Zuverlässigkeitsprüfung im Sinne des § 23 Abs. 3 AWG für das BAFA durchführen, sondern im Rahmen seiner gesellschaftsrecht­ lichen Weisungsbefugnis seinen in Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze ­bezeichneten vier Grundpflichten entsprechen. Die gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnis fehlt nämlich gerade den Ausfuhrbehörden. Eine öffentlich-rechtliche Beleihung erfolgt durch die Benennung des Ausfuhrverantwortlichen mithin nicht.507 Damit werden die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Ausfuhrverantwortliche infolge seiner Benennung bei den Ausfuhrbehörden keinesfalls ausgeweitet. Seine Rechts- bzw. Pflichtenstellung scheint vielmehr unmittelbar seiner gesellschaftsrechtlichen Bestellung im Innenverhältnis zum Unternehmen zu entsprechen.508 Durch die Ausübung dieser Funktion wird er zwar 501  Ricke, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 23 AWG Rn. 6, 15; Schrey, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 23 AWG Rn. 29, 33, 38, 61. 502  So bereits Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 75. 503  Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  86 Rn. 75; Appel, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, § 32 Rn. 85 f.; zu den Einzelheiten Maurer/ Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 23 Rn. 63 ff. 504  Dazu BVerwG DVBl 1968, 919. 505  Appel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen, § 21 Rn. 64. 506  Siehe auch die weiteren Fallgruppen bei Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 254. 507  Eingehend zur Frage der Belieheneneigenschaft des Ausfuhrverantwortlichen Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 75 ff.; siehe auch Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (421). Sogar für die Betriebsbeauftragten des Umweltrechts wird – trotz der häufig vorliegenden formell-gesetzlichen Grundlage – eine Beleihung überwiegend abgelehnt; siehe Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 255; Arndt, Der Betriebsbeauftragte, S. 36 ff. 508  So bereits Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 97.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte207

faktisch-mittelbar zum Schutz der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsverkehrs tätig und erleichtert den Behörden so ihre Prognose- und Überwachungstätigkeit. Deren konkreten öffentlich-rechtlichen Schutz- bzw. Überwachungsauftrag übernimmt er hingegen nicht. Aus diesem Grund kann er aus dem Verhältnis zu den Ausfuhrbehörden auch keine strafrechtlichen Einstandspflichten herleiten oder diese übernehmen. c) Zwischenergebnis Obwohl die Ausfuhrbehörden bzw. deren Amtsträger als Beschützergaranten zugunsten der Schutzgüter des Außenwirtschaftsverkehrs angesehen werden können, leitet der Ausfuhrverantwortliche von diesen keine Schutzpflichten ab. Eine derivative Beschützergarantenstellung ist folglich insoweit zu verneinen. 3. Derivative Schutzpflicht des Exportunternehmens Damit verbleibt es, nach einem Schutzauftrag der privaten Exportunternehmen zu fragen, von dem der Ausfuhrverantwortliche grundsätzlich kraft tatsächlicher, freiwilliger Übernahme strafrechtliche Einstandspflichten ableiten könnte. Anknüpfungspunkt ist insoweit nicht sein externes Verhältnis zu den Ausfuhrbehörden, sondern seine interne Rechtsstellung im Unternehmen. Der formellen Benennung des Ausfuhrverantwortlichen bei der zuständigen Ausfuhrbehörde geht stets die materielle Bestellung durch die gesamte Geschäftsleitung oder – je nach Größe des vertretungsberechtigten Gremiums – durch den Ausfuhrverantwortlichen selbst voraus.509 Bei der Bestellung handelt es sich regelmäßig um einen internen gesellschafts- bzw. arbeitsrechtlichen Vorgang ohne behördliche Mitwirkung.510 Sobald sich ein Geschäftsleitungsmitglied bereit erklärt, sich der unternehmensinternen Exportkontrolle anzunehmen und als Ansprechpartner der Genehmigungsbehörden zu fungieren, verfügt das betreffende Unternehmen über einen Ausfuhrverantwortlichen im materiellen Sinne. Träfen das Unternehmen Schutzpflichten zugunsten der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsverkehrs, spräche viel dafür, dass der Ausfuhrverantwortliche diese im Rahmen seines Arbeitsvertrages tatsächlich und freiwillig übernimmt. Allerdings trifft private Exportunternehmen weder eine originäre Schutzpflicht zugunsten der Rechtsgüter des 509  Dazu Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (421); eingehend auch BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 321 ff. 510  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 68; Haellmigk, AW-Prax 2012, S. 83 (85); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307; Vorpeil, IWB 2012, S. 582 (584).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Außenwirtschaftsrechts, noch wird ihnen eine solche von den Ausfuhrbehörden übertragen. Eine originäre bzw. derivative Schutzpflicht scheitert schlicht daran, dass Unternehmen durch die Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter gerade erst die Gefahren schaffen, die die Ausfuhrbehörden abwehren sollen.511 Der Außenwirtschaftsverkehr ist gemäß § 1 Abs. 1 AWG zwar im Grundsatz frei. Im Fall von rüstungs-relevanten Gütern wird die Außenwirtschaftsfreiheit jedoch durch gesetzliche Verbote und Genehmigungspflichten erheblich beschränkt. Dadurch trifft der Gesetzgeber die Wertung, dass die Lieferung bestimmter Güter in bestimmte Länder oder an bestimmte Empfänger per se eine Gefährdung für die Allgemeinheit darstellt. Führt ein Unternehmen gelistete Güter aus, für die Ausfuhrverbote oder Genehmigungspflichten bestehen, fällt es daher bereits begrifflich schwer, von einer Schutzfunktion zu sprechen. Dagegen lässt sich allenfalls anführen, dass sowohl der nationale als auch der europäische Gesetzgeber nicht nur den Ausfuhrbehörden, sondern auch den privaten Unternehmen gewisse Aufgaben und Pflichten übertragen haben. Neben dem bereits betrachteten Rechtsinstitut des Ausfuhrverantwort­ lichen existieren auf nationaler Ebene zahlreiche gesetzliche Verfahrens- und Meldepflichten512 sowie die seit der AWG-Novelle von 2013 vorgesehene Selbstanzeigemöglichkeit gemäß § 22 Abs. 4 AWG bei im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckten fahrlässigen Ausfuhrverstößen.513 Diese Regelungen belegen, dass exportierende Unternehmen vom Verordnungs- bzw- Gesetzgeber nicht als bloße Objekte, sondern als selbstständige Akteure der Exportkontrolle angesehen werden. Diesem Modell hat sich mittlerweile auch der europäische Gesetzgeber angeschlossen. So enthält z. B. Art. 9 Verteidigungsgüter-RL, wie schon dargelegt, einen Katalog mit Verhaltenspflichten für die Angehörigen von Exportunternehmen, die ein Zuverlässigkeitszertifikat nach der Verteidigungsgüter-RL erhalten wollen.514 Gemäß Art. 4 Abs. 4 DualUse-VO sind Ausführer zudem angehalten, die Ausfuhrbehörden bei Kenntnis hinsichtlich eines sensiblen Endverwendungszwecks der auszuführenden Güter entsprechend zu unterrichten. 511  Zu den mit der Ausfuhr verbundenen Gefahren für die Schutzgüter des Außenwirtschaftsverkehrs bereits S. 173 ff.; siehe auch nachfolgend S. 365 ff. 512  Siehe nur §§ 21 ff. AWV; danach sind Ausfuhren für die Behörden transparent zu machen, indem Genehmigungsanträgen Dokumente zum Nachweis von z. B. Güterklasse, Gütermenge, Liefervorgang, Endempfänger, Endverbleib oder Verwendungszweck beizufügen sind. 513  Zur Selbstanzeigemöglichkeit Bünnigmann, CCZ 2016, S. 60 ff.; Krause/Prieß, NStZ 2013, S. 688 ff.; Merz, FS Wolffgang, S. 83 (115 f.); Nestler, WiJ 2015, S. 1 ff.; Prieß/Arend, AW-Prax 2013, S. 71 ff. 514  Siehe S.  88 ff.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte209

Die verstärkte gesetzliche Einbindung privater Unternehmen in die staatliche Exportkontrolle rührt von den Erfahrungen, welche die jeweiligen Überwachungs- bzw. Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung von außenwirtschaftsrechtlichen Verstößen gemacht haben. Die faktische sowie rechtliche Komplexität des Außenhandels sowie dessen wirtschaftliche Rentabilität machen diesen anfällig für Rechtsverstöße. Da sich rechtliche Verstöße wiederum vor allem unternehmensintern ereignen, sind sie für Außenstehende häufig nur schwer nachvollziehbar. Erschwert ist insbesondere die Zurechnung an die tatsächlich Verantwortlichen. Eine entsprechende Kontrolle durch die Ausfuhrbehörden ist zwar prinzipiell im Wege regelmäßiger und flächendeckender Außenwirtschafts- bzw. Zuverlässigkeitsprüfungen im Sinne des § 23 AWG denkbar515, würde allerdings früher oder später den Verwaltungsapparat überlasten. Spätestens der Rabta-Fall um die Beteiligung deutscher Unternehmen am Bau einer Chemiewaffenfabrik im libyschen Rabta verdeutlichte die durch eine chaotische Dokumentation und zahlreiche Umgehungshandlungen516 bedingten behördlichen Schwierigkeiten bei der Aufdeckung von unternehmensinternen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht sowie bei der damit verbunden strafrechtlichen Verantwortungszuschreibung.517 Die Ausfuhrbehörden können ihrer Aufgabe daher nur unter Mitwirkung privater Unternehmen gerecht werden. Die Geschäftsleitung eines Unternehmens kennt dieses regelmäßig deutlich besser, kann individuelle Risiken präziser einschätzen und ist somit individuellen Selbstregulierung deutlich kompetenter.518 Konsequent trifft Unternehmen als Antragsteller im Ausfuhrgenehmigungsverfahren eine ganz erhebliche gesetzliche Verantwortlichkeit. Aus diesem Regelungsmodell resultiert allerdings keine private Schutzpflicht zugunsten der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts.519 Die Ausgangslage von Exportunternehmen ist keinesfalls mit der der Ausfuhrbehörden zu vergleichen. Unternehmen verfolgen in aller Regel rein wirtschaftliche Zwecke, insbesondere die eigene Gewinnerzielung.520 Das Exportgeschäft mit rüstungsrelevanten Gütern ist lukrativ und bietet Unternehmen einen er-

515  Zum

Vorgehen der Behörden S. 67 ff. eingehend Nestler, NStZ 2012, S. 672 ff. 517  Dazu einleitend S. 19 ff. 518  Vgl. Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (86); siehe dazu zudem noch die Ausführungen ab S. 356 ff. 519  Allgemein kritisch zu Schutzpflichten von Unternehmen mit Blick auf Universalrechtsgüter Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 115. 520  Ähnlich die Argumentation bei BGH NJW 2009, S. 3173 (3175) (BSR-Fall); siehe auch Konu, Garantenstellung, S. 101; Wendler, Haftung der Betriebsbeauftragten, S.  336 f. 516  Dazu

210

Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

heblichen Wettbewerbsvorteil.521 Durch die berufliche Betätigung werden daher allgemeine Schutzgüter abgesichert, sondern vielmehr eigene Interessen verfolgt. Anders formuliert ist die gesetzliche Pflichtenerfüllung Begleiterscheinung, nicht aber – wie im Fall der Ausfuhrbehörden – handlungsleitendes Hauptanliegen. Die eigene außenwirtschaftsrechtliche Verantwortlichkeit, insbesondere die umfangreiche Dokumentations- und Meldepflicht, wird vielmehr häufig als Hemmnis der eigenen Betätigungsfreiheit oder als „faktischer Zwang“ wahrgenommen.522 Private Unternehmen sind daher anders als die Ausfuhrbehörden oder im Fall der öffentlich-rechtlichen Beleihung gerade nicht zum Rechtsgüterschutz „auf Posten“ gestellt. Die Schutzfunktion zugunsten der Allgemeinheit ist allenfalls ein Reflex der legalen wirtschaftlichen Betätigung.523 Damit korrespondiert, dass den Unternehmen rechtlich zwar eine Reihe von Pflichten auferlegt, jedoch keinerlei rechtliche Befugnisse eingeräumt werden, die mit den Hoheitsrechten der Ausfuhrbehörden vergleichbar wären. Die Handlungsmöglichkeiten werden also gerade nicht ausgeweitet; vielmehr beschränkt sich die unternehmensinterne Exportkontrolle auf das Instrumentarium gesellschafts- bzw. arbeitsrechtlicher Selbstregulierung. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen zu den Zielen unternehmerischen Compliance-Managements im Allgemeinen. Compliance dient nach herrschender Auffassung weniger dem Schutz externer Dritter, als vielmehr den eigenen Vermögensinteressen sowie der Vermeidung von Reputationsschäden.524 Mangels eigenem Schutzauftrag der Unternehmen zugunsten der Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts, kann der Ausfuhrverantwortliche aus dem internen Verhältnis zu seinem Unternehmen auch denknotwendig keine strafrechtlichen Einstandspflichten übernehmen. Eine derivative Schutzpflicht scheidet mithin auch in dieser Hinsicht aus.

521  Grundlegend zur ökonomischen Bedeutung des Außenhandels Hohmann, Angemessene Außenhandelsfreiheit, S.  19 ff. 522  Siehe Kreuder, CCZ 2008, S. 166 (167); Sachs/Krebs, CCZ 2013, S. 12 (13). 523  Vgl. Konu, Garantenstellung, S. 75; Warneke, NStZ 2010, S. 312 (314); siehe zudem Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 30 ff.; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 51. 524  Schorn, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 13 Rn. 3 ff.; Taschke, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 36 Rn. 7; Bock, Criminal Compliance, S.  235 f. Konu, Garantenstellung, S. 27 ff.; Pietrek, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 32 ff.; allgemein zu den ökonomischen Auswirkungen von Reputationsschäden Irmscher, Öffentlichkeit als Sanktion, S. 67 ff.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte211

4. Zwischenergebnis Die Garantenstellung des Ausfuhrverantwortlich im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB ergibt sich weder aus einer originären noch aus einer derivativen Schutzpflicht zugunsten der Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts.525

II. Überwachungspflicht hinsichtlich des eigenen Unternehmens Die bisherige Untersuchung der Garantenstellung des Ausfuhrverantwortlichen hat gezeigt, dass die außenwirtschaftsrechtlichen Pflichten von privaten Unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortlichen weniger auf den Rechtsgüterschutz der Allgemeinheit, als vielmehr auf die interne Selbstregulierung gerichtet sind. Konsequent wird der Ausfuhrverantwortliche im Schrifttum verbreitet als Überwachungsgarant eingeordnet.526 Im Rahmen der materiellen Funktionslehre ist anerkannt, dass sich strafrechtliche Garantenstellungen auch aus Aufsichts- bzw. Überwachungspflichten ergeben können.527 Als materielle Ursachen für derartige Überwachungsgarantenstellungen werden typischerweise die tatsächliche Herrschaft über eine Gefahrenquelle sowie vorangegangenes gefahrschaffendes Tun (sog. Ingerenz) genannt.528 In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Geschäftsherrenhaftung der Geschäftsleitung – noch ungeachtet ihres materiellen Entstehungsgrundes – überwiegend als Überwachungsgarantenstellung in Bezug auf betriebliche Gefahrenquellen eingestuft.529 Grundsätzlich anerkannt ist die Pflicht der

im Ergebnis auch Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 97. in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 16; Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17 ff. AWG Rn. 43; Pfeil/Mertgen, Compliance im Außenwirtschaftsrecht, S. 130, 200 ff.; Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  98 ff.; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (425) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH im BSR-Fall (BGH NStZ 2009, S.  686 ff.); durch den Verweis auf Billig (a. a. O.) wohl auch Fissenewert, in: Behringer, Compliance, III. 3.5. 527  BGH NStZ 2009, S. 686 (687 f.); Fischer, StGB, § 13 Rn. 15; Merz, in: Graf/ Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 25; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 32; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 43 ff.; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 132. 528  So beispielsweise auch die Einteilung der vom BGH im Lederspray-Fall angesprochenen Garantenstellungen, siehe BGH NStZ 1990, S. 587 (590 f.); siehe auch Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 42 ff., 68 ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn.  107 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1195. 529  Siehe BGH NStZ 2012, S. 142 (143); Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 31; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 35a; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 118; Berndt, StV 2009, S. 689 (690); Bülte, NZWiSt 2012, S. 281 (284); Rogall, ZStW 98 (1986), S. 573 (614); ferner Lindemann/Sommer, JuS 2015, 525  So

526  Hohmann,

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Geschäftsleitung zur Verhinderung betriebsbezogener Straftaten.530 Im Einzelnen weichen die Begründungsansätze allerdings stark voneinander ab. Differenziert wird im Ausgangspunkt zwischen der Verantwortlichkeit für Sachgefahren und Personalgefahren.531 Sachgefahren beschreiben die drohenden Rechtsgutsverletzungen sowohl für Betriebsinterne als auch -externe, die aus der Eröffnung und Führung eines Betriebs an sich resultieren.532 Gemeint sind Gefahren, die von den sachlichen Betriebsmitteln, wie z. B. Anlagen oder Maschinen, sowie von Produkten des Unternehmens ausgehen.533 Im oben angesprochenen Lederspray-Fall bestand die Sachgefahr etwa in dem In-Verkehr-Bringen bzw. dem fehlenden Rückgriff eines für Verbraucher gesundheitsschädlichen Sprays zur Lederpflege. In industriellen Betrieben besteht die Sachgefahr regelmäßig in dem Freisetzen von umweltgefährdenden Stoffen.534 Demgegenüber beschreiben Personalgefahren Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten der Mitarbeiter eines Betriebes, die der Aufsichtspflichtige gegebenenfalls verhindern muss.535 Den Ausfuhrverantwortlichen könnte als Mitglied der Geschäftsleitung mithin die Pflicht zur Aufsicht über bzw. Überwachung von betrieblichen Gefahrenquellen treffen. Insoweit wird, wie im Schrifttum, zwischen Sachgefahren (1.) und Personalgefahren (2.) unterschieden. S.  1057 ff.; a. A. Fischer, StGB, § 13 Rn. 68, der die Geschäftsherrenhaftung als „selbstständige Quelle einer Garantenstellung“ ansieht. 530  BGH NStZ 2012, S. 142 (143); Rotsch, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 4, Rn. 73; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 137 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 355; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  153 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 101 ff; Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 144; Wolf, BB 2011, S. 1353 (1354); Bürkle, CCZ 2010, S. 4 (6); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (54). 531  So etwa Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 43 ff., 51 ff.; Rotsch, in: ders., Criminal Compliance, § 4 Rn. 10 ff.; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 137; Bock, Criminal Compliance, S.  311  ff.; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  132 ff.; Noll, Grenzen der Delegation, S. 49 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 6. 532  Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 127; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 6. 533  Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 44 sprechen insoweit von „Zustandshaftung“. 534  Siehe OLG Stuttgart NStZ 1989, S. 122 (123) zur Überwachungsgarantenstellung eines Klärwerkbetreibers; dazu ausführlich auch Rudolphi, FS Lackner, S. 863 (872 ff.); zur Überwachungsgarantenstellung der Betriebsbeauftragten des Umweltrechts ferner OLG Frankfurt a. M. NJW 1987, S. 2753 (2756); Frenz, in: Berendes/ Frenz/Müggenborg, WHG, § 64 Rn. 22 f.; Arndt, Der Betriebsbeauftragte, S. 144 ff.; Wendler, Haftung der Betriebsbeauftragten, S. 340 ff.; Böse, NStZ 2003, S. 636 (638). 535  Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 127; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 6.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte213

1. Verantwortlichkeit für Sachgefahren Weitgehend anerkannt ist die allgemeine Pflicht von Geschäftsleitungsmitgliedern, bei Sachgefahren für Mitarbeiter oder Außenstehende einzuschreiten bzw. diese zu verhindern.536 Als Gründe für die strafrechtliche Einstandspflicht werden die tatsächliche Schaffung und Beherrschung der Gefahrenquelle angeführt. Wer seine wirtschaftlichen Möglichkeiten durch gesteigert riskante Betriebsanlagen und Produkte erweitere, den müsse im eigenen Herrschaftsbereich auch eine strafrechtliche Sonderverantwortlichkeit im Sinne einer Verkehrssicherungspflicht für sämtliche Gefahren treffen.537 Dies wird mit der tatsächlichen Sachherrschaft des Betriebsinhabers538 sowie dessen gegenüber Außenstehenden überlegenen Sachkenntnis539 begründet. Gegen diese Sichtweise lässt sich freilich einwenden, dass für die Bewertung, wann von gesteigert riskanten Betriebsmitteln die Rede ist, keine trennscharfen Kriterien existieren.540 Zudem droht die Grenze zur allgemein anerkannten Garantenstellung aufgrund gefahrschaffenden vorangegangenen Tuns (Ingerenz) zu verwässern.541 Wann z. B. bei dem Vertrieb von alltäglichen Verbrauchsgütern von erlaubtem Risiko, und wann von pflichtwidrigem Vorverhalten auszugehen ist, lässt sich nur schwer verallgemeinern und kann insbesondere nicht schlechterdings anhand pauschaler Kausalitäts- bzw. Adäquanzerwägungen bestimmt werden. So schloss etwa der BGH im Lederspray-Fall von dem In-Verkehr-Bringen eines grundsätzlich alltäglichen und nur im Ergebnis gesundheitsgefährdenden Produkts au-

536  BGH NStZ 1990, S. 587 (590) (Lederspray-Fall); Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 27 ff.; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 106; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 44; siehe auch Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 134 ff. 537  Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 27; Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 56; Freund, Strafrecht AT, § 6 Rn. 69; Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn.  106 ff.; Bottke, Haftung, S. 25 f.; Hoyer, GA 1996, S. 160 (176 f.); Ransiek, ZGR 1992, S.  203 (221); kritisch insoweit Bosch, Organisationsverschulden, S.  175 ff. 538  BayObLG, wistra 1992, S. 199; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 37; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 627; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 237; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 96; vgl. auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 39; zur besonderen Problematik der Beherrschung bereits ausgelieferter Produkte Otto, FS Hirsch, S. 291 ff. 539  Vgl. Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 211; Schünemann, FG BGH, S. 621 (640 f.). 540  Kritisch daher Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 202 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 45; siehe auch Hoyer, GA 1996, S. 160 (175). 541  Dazu Bock, Criminal Compliance, S. 311 f.; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 132.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

tomatisch auf die Pflichtwidrigkeit der Geschäftsleitung des vertreibenden Unternehmens.542 Die Garantenstellung der Geschäftsleitung aufgrund der Überwachung von Sachgefahren bedarf hier indessen keiner eingehenderen Erörterung. Die soeben dargestellten Grundsätze zur strafrechtlichen Produkthaftung lassen sich nicht auf das Außenwirtschaftsstrafrecht übertragen.543 Die etwa im Lederspray-Fall einschlägigen §§ 223 ff. StGB dienen mit der körperlichen Unversehrtheit einem Individualrechtsgut.544 Demgegenüber wird mit den Ausfuhrdelikten, wie bereits dargestellt, der Schutz von Universalrechtsgütern, ins­ besondere der Sicherheitsinteressen und auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland sowie des Friedens der Völker, bezweckt.545 Als abstrakte Gefährdungsdelikte setzen die Ausfuhrdelikte im Vorfeld der konkreten Gefährdung bzw. Verletzung von Rechtsgütern an. Strafbar macht sich bereits, wer gegen Ausfuhrbestimmungen verstößt, indem er entgegen einem Verbot oder ohne Genehmigung ausführt. Bestraft wird damit nicht, wer das eigentliche Gefährdungspotential von Rüstungsgütern – die Eignung zur Verletzung von Individualrechtsgütern – ausschöpft, sondern wer die Rüstungsgüter für den Staat durch die Lieferung in das Ausland unkontrollierbar macht (sog. Proliferation546). Der Ausfuhrverantwortliche kann – zumindest im Rahmen der Ausfuhrdelikte – von vornherein nur für dieses allgemeine Proliferationsrisiko verantwortlich gemacht werden, nicht aber für das Risiko, das mit der tatsächlichen Verwendung der Rüstungsgüter einhergeht.547 542  Siehe BGH NStZ 1990, S. 587 (590); kritisch daher Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 200; Brammsen, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 105 (116); Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 137 ff.; Kuhlen, NStZ 1990, S. 566 (567 f.); Otto, FS Hirsch, S. 291 (308); siehe zum Sachverhalt sowie hinsichtlich weiterer Nachweise zudem bereits S. 155. 543  Anders wohl Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 100, wenn auch ohne nähere Begründung. 544  Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 223 Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 223 Rn. 1; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 223 Rn. 1; Momsen/ Momsen-Pflanz, in: SSW-StGB, § 223 Rn. 2; Paeffgen/Böse, in: NK-StGB, § 223 Rn. 2; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht BT/I, Rn. 268; Jäger, Strafrecht BT, Rn. 71. 545  Siehe bereits S. 173 ff. 546  Siehe zum Begriff die Nachweise in Teil 2, Fn. 15. 547  Das Risiko, dass durch die exportierten Rüstungsgüter tatsächlich Individuen zu Schaden kommen, wäre wiederum an Erfolgsdelikten wie z. B. §§ 212 ff., 223 ff., 13 StGB zu messen. Allgemein zur Strafbarkeit von Geschäftsleitungsmitgliedern für transnationale Menschenrechtsverletzungen Oehm, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 177 (188 ff.); Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (198 ff.). Das BAFA empfiehlt Unternehmen in diesem Zusammenhang ferner, gelistete Güter – also Waren, Software und Technologie glei-



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte215

Das Proliferationsrisiko geht wiederum nicht von den Rüstungsgütern als Sachgefahren, sondern vielmehr von den Personen aus, die entgegen den Verboten und Genehmigungspflichten des Außenwirtschaftsrechts Rüstungsgüter ausführen.548 Die Untersuchung konzentriert sich daher im Folgenden auf die Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen für die Personalgefahren des Exportunternehmens. 2. Verantwortlichkeit für Personalgefahren Die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für Personalgefahren, die auch als Geschäftsherrenhaftung im engeren Sinne bezeichnet werden kann549, betrifft, im Gegensatz zu der Verantwortlichkeit für Sachgefahren, einen der wohl umstrittensten des Wirtschaftsstrafrechts: Trifft den Geschäftsherrn550 im Unternehmen – trotz des dem Strafrecht zugrundeliegenden Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit – eine umfassende, strafrechtliche Einstandspflicht für die vollverantwortlich begangenen Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten seiner Mitarbeiter?551 Die Beantwortung dieser Frage gewinnt für die vorliegende Untersuchung deshalb an Relevanz, weil der Ausfuhrverantwortliche, wie bereits mehrfach hervorgehoben, stets der höchsten Hierarchieebene des Unternehmens zuzuordnen ist. Er soll durch das von ihm entwickelte innerbetriebliche Exportkontrollsystem (ICP) sicherstellen, dass sich im Unternehmen keine Verstöße gegen exportrelevante Vorschriften ereignen. Diese Vorschriften können chermaßen – vor unerlaubter Wegnahme durch Dritte oder Mitarbeiter zu schützen, wobei vom Ausfuhrverantwortlichen geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen sind. Dabei rekurriert das BAFA allerdings nicht auf die Individualrechtsgüter Dritter oder gar die Vermögensinteressen des Unternehmens, sondern zuvorderst auf die Bekämpfung des Proliferationsrisikos, das besteht, wenn unberechtigt erlangte Güter die kontrollierbare Unternehmenssphäre verlassen, siehe BAFA, ICP-Merkblatt, S. 3, 22. 548  Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten von Sach- und Personalgefahren nachfolgend noch S. 229 ff. 549  Siehe Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 118a; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 46; ähnlich Bock, Criminal Compliance, S. 317; Noll, Grenzen der Delegation, S. 55; vgl. dazu auch Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 22 ff.; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 39 ff. 550  Der Begriff wird überwiegend weit verstanden. Gemeint sind nicht nur Mitglieder des obersten Führungsgremiums, sondern alle Personen, die innerhalb von Wirtschaftsunternehmen eine personalleitende Funktion innehaben, also z. B. als Abteilungsleiter weisungsberechtigt gegenüber anderen Angestellten sind; so etwa die Begriffsbestimmung von Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 5; dazu eingehend statt vieler Utz, Personale Reichweite, S. 140 ff. 551  Vgl. die Formulierung bei Jäger, JA 2012, S. 392.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

durch interne Mitarbeiter jeglicher Hierarchieebenen sowie durch externe Dritte missachtet werden, derer man sich von Seiten des Unternehmens bei der Abwicklung der Ausfuhr bzw. Verbringung bedient. Je nachdem, ob bzw. inwieweit man eine Verantwortlichkeit für Personalgefahren anerkennt, trifft den Ausfuhrverantwortlichen also bereits in seiner Rolle als obligatorisches Geschäftsleitungsmitglied möglicherweise eine strafrechtliche Einstandspflicht, fremde Rechtsverstöße zu verhindern. Diese Einstandspflicht resultiert indessen, wohlgemerkt, nicht aus der besonderen Stellung als formell benannter Ausfuhrverantwortlicher im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze oder sonstigen außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften, sondern knüpft an den allgemeinen Rechts- und Pflichtenstatus des Geschäftsherrn bzw. dessen tatsächliche Betätigung im Unternehmen an. Die Auseinandersetzung mit dem Meinungsspektrum zur Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für Personalgefahren betrifft damit keine spezifisch-außenwirtschaftsstrafrechtliche Frage und erfolgt daher in der gebotenen Kürze.552 Insbesondere soll aus dem bestehenden Meinungsspektrum lediglich der auf Geschäftsleitungs­ mitglieder – und damit auf den Ausfuhrverantwortlichen zutreffende – Herleitungsansatz aufgefunden werden. Die Begründung eines eigenen Herleitungsansatzes unterbleibt wohlgemerkt, um den gewählten Untersuchungsrahmen553 nicht zu sprengen. Es erfolgt daher zunächst eine Darstellung der wesentlichen Argumente in der Rechtsprechung (a)) sowie im Schrifttum (b)), der sich die auf den Ausfuhrverantwortlichen zugeschnittene Analyse und Bewertung anschließt (c)). a) Auffassung der Rechtsprechung Die Geschäftsherrenhaftung für Rechtsverstöße von Mitarbeitern ist bereits in der Rechtsprechung des RG angelegt (aa)). Sie wurde vom BGH weitergeführt und fortentwickelt (bb)). Betrachtet werden nachfolgend ausschließlich die wegweisenden Entscheidungen. Umfangreiche Aufarbeitungen der Rechtsprechung zur Geschäftsherrenhaftung können bereits an anderer Stelle aufgefunden werden.554 552  Ausführliche Abhandlungen finden sich dagegen bei Bock, Criminal Compliance, S.  317 ff.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 142 ff.; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  127 ff.; Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 184 ff.; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  95 ff.; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S.  104 ff.; Konu, Garantenstellung, S. 156 ff.; Pietrek, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  161 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 77  ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  65 ff.; 63 ff., 124 ff.; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S.  13 ff., 35 ff. 553  Siehe S.  24 f. 554  Siehe eingehend Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  139 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  63 ff.; Utz, Personale Reichweite, S. 85 ff.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte217

aa) Auffassung des RG Bereits das RG hielt fest, dass eine lückenlose Kontrolle von Untergebenen durch einen Vorgesetzten weder möglich noch zumutbar ist; ein Auftraggeber habe jedoch die Pflicht, einen Auftragnehmer zu kontrollieren, wenn Anzeichen dafür gegeben sind, dass dieser seinen Pflichten im Rahmen des Auftrags nicht nachkommen wird und daraus Gefahren für Dritte entstehen.555 Konkret bestehe insbesondere die Pflicht des Betriebsleiters, die Personen, die er mit der Erfüllung seiner Pflichten beauftragt, sorgfältig auszuwählen und bei ihrer Aufgabenerfüllung zu beaufsichtigen.556 Teilweise wird bereits in dieser Judikatur ein „Durchbruch […] in Richtung einer umfassenden Geschäftsherrenhaftung“557 erblickt. Dennoch stellte das RG durch die Betrachtung der jeweiligen Personalauswahl und -überwachung stets auf den konkreten Einzelfall ab, sodass es zu weit führen würde, vom Anerkenntnis einer umfassenden Geschäftsherrenhaftung für fremde Straftaten zu sprechen.558 bb) Auffassung des BGH Die Tendenz zum Anerkenntnis einer weitreichenden Geschäftsherrenhaftung hat der BGH indessen beibehalten. Eine jüngere Entscheidung des BGH im sog. Mobbing-Fall559 gibt dies anschaulich wieder. Im Mobbing-Fall war unter anderem der Vorarbeiter einer Arbeitskolonne mit drei weiteren Mitarbeitern eines städtischen Bauhofs angeklagt. Die drei Mitarbeiter tyrannisierten einen vierten Mitarbeiter, der jedoch nicht der Kolonne des Vorarbeiters angehörte, und misshandelten diesen mitunter schwer. Trotz der nachgewiesenen Anwesenheit des Vorarbeiters bei einigen Vorfällen, unternahm dieser nichts gegen die von den ihm unterstellten Mitarbeitern begangenen Straf­ taten. Der BGH urteilte, dass sich aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vorgesetzter eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten nach­ geordneter Mitarbeiter ergeben kann.560 Diese beschränke sich indes – un­ 555  RGSt 19, S. 204 (206); siehe zudem – in Bezug auf die verbotene Ausfuhr durch Unterlassen – RGSt 58, S. 130 (132 f.). 556  RGSt 58, S. 130 (133) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Aufsichtsund Überwachungspflicht“ der Leitungsorgane. 557  Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 73. 558  Ähnlich Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 142; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, S. 981; kritisch auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 149. 559  BGH NStZ 2012, S. 142 ff. 560  BGH NStZ 2012, S. 142 (143); kritisch zum Mobbing-Fall Schall, FS Kühl, S.  417 ff.; Jäger, JA 2012, S. 392 ff.; Mansdörfer/Trüg, StV 2012, S. 432 ff.; Po­ guntke, CCZ 2012, S. 158 ff. Vergleichbare rechtliche Beurteilungen finden sich bei

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

abhängig von den tatsächlichen Umständen, die im Einzelfall für die Be­ gründung der Garantenstellung maßgebend seien – auf die Verhinderung betriebsbezogener Straftaten und umfasse damit nicht solche Taten, die der Mitarbeiter lediglich bei Gelegenheit seiner Tätigkeit im Betrieb begeht.561 Ungeachtet der Tragweite des Kriteriums des „Betriebsbezugs“562 erkennt der BGH also grundsätzlich eine Geschäftsherrenhaftung für das Fehlverhalten der untergebenen Mitarbeiter an.563 Gestützt wird die Geschäftsherrenhaftung augenscheinlich auf die Übernahme zivilrechtlicher Schutz- bzw. Überwachungspflichten durch den Geschäftsherrn. So verneinte der BGH die Garantenstellung des Vorarbeiters im Mobbing-Fall damit, dass dieser weder arbeitsvertraglich (§ 618 BGB) zum Schutz des außerhalb seiner Kolonne tätigen Geschädigten noch zur Verhinderung von Straftaten verpflichtet war, die von den ihm unterstellten Mitarbeiter nur „bei Gelegenheit“ und damit außerhalb der eigentlichen betrieb­ lichen Tätigkeit begangen wurden.564 Bereits in einer früheren Entscheidung, dem sog. BSR-Fall, hatte der BGH festgestellt, dass die Garantenstellung des Leiters der Rechtsabteilung der Berliner Straßenreinigungsbetriebe (BSR) hinsichtlich der Verhinderung bzw. Unterbindung von durch unrichtige Abrechnungen von Straßenreinigungsgebühren begangene Betrugsstraftaten seiner Untergebenen aus der „Übernahme eines Pflichtenkreises“ folgt.565 Wem Obhutspflichten für eine bestimmte Gefahrenquelle übertragen seien, den treffe eine Sonderverantwortlichkeit für die Integrität des von ihm übernommenen Verantwortungsbereichs.566 Insoweit könne dahinstehen, ob der Unterscheidung von Schutz- und Überwachungspflichten in diesem ZusamOLG Karlsruhe GA 1971, S. 281 (283); LG Nürnberg-Fürth, NJW 2006, S. 1824 (1825); zu diesen Entscheidungen Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  145 ff.; eine umfangreiche Auflistung der Rechtsprechung zur strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung findet sich außerdem bei Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  79 ff. 561  BGH NStZ 2012, S. 142 (143); jüngst bestätigt durch BGH BeckRS 2018, 2975. 562  Betriebsbezogen sei eine Tat dann, wenn sie einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Begehungstäters oder mit der Art des Betriebes aufweist, so BGH NStZ 2012, S. 142 (143) mit Verweis auf Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 137; dazu auch Bülte, NZWiSt 2012, S. 176 ff.; Dannecker, NZWiSt 2012, S.  441 (444 ff.); Jäger, JA 2012, S. 392; Wagner, ZJS 2012, S. 704 (708 f.); Rogall, ZStW 98 (1986), S. 573 (618); siehe auch Konu, Garantenstellung, S. 159; siehe zu diesem Kriterium zudem noch S. 258 ff. 563  Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 148; deutlicher Rotsch, in: ders., Criminal Compliance, § 4 Rn. 12 („ausdrückliche Anerkennung der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung“); siehe auch Schlösser, NZWiSt 2012, S. 281 ff. 564  BGH NStZ 2012, S. 142 (143). 565  BGH NStZ 2009, S. 686 (687). 566  BGH NStZ 2009, S. 686 (687); ähnlich zuvor BGH NStZ 2002, S. 421 (423) im sog. Wuppertaler-Schwebebahn-Fall, siehe dazu noch Teil 4, Fn. 716.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte219

menhang wesentliches Gewicht zukommt, weil die Überwachungspflicht gerade dem Schutz bestimmter Rechtsgüter diene und umgekehrt ein Schutz ohne entsprechende Überwachung des zu schützenden Objekts kaum denkbar erscheine.567 Der Inhalt und der Umfang der Garantenpflicht bestimme sich aus dem konkreten Pflichtenkreis, den der Verantwortliche tatsächlich, also nicht nur formal, übernommen hat.568 Ob es sich bei der „Sonderverantwortlichkeit“ für die Integrität des Verantwortungsbereichs um eine originäre, also ursprünglich beim Übernehmenden entstehende, oder um eine derivative, also vom Unternehmen abgeleitete, Einstandspflicht handelt, lässt der BGH indessen offen.569 Es wird mit anderen Worten nicht geklärt, woher der Pflichtenkreis stammt, sondern nur, dass er von einer Person in pflichtenbegründender Weise übernommen wird. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang noch das im BSR-Fall ergangene Obiter Dictum des BGH zur Garantenstellung des ComplianceBeauftragten.570 Dort stellte der BGH bei der Befassung mit der Garantenstellung des Leiters der Rechtsabteilung fest: „Derartige Beauftragte [wie die in vielen Unternehmen gesondert bestellten Compliance-Beauftragten] wird regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht i. S. des § 13 Absatz 1 StGB treffen, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern“571. Dieser wie beiläufig eingestreute Satz führte in der Literatur zu einer großen Anzahl an Stellungnahmen572, sodass man den Eindruck bekommen könnte, der BGH habe hier „nebenbei“573 eine weitere Grundsatzentscheidung zur Geschäftsherrenhaftung getroffen. Auch mit Blick auf die vorliegende Untersuchung könnte man auf die Idee kommen, dass dem Obiter Dictum aufgrund seines expliziten Compliance-Bezugs erhebliche Bedeutung zukommt.574 Von einer weiteren Stellungnahme wird allerdings abgesehen, da das Obiter Dictum mangels einer verallgemeinerungsfähigen Aussage zum Umfang 567  BGH

NStZ 2009, S. 686 (687). NStZ 2009, S. 686 (687). 569  Kritisch daher Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53. 570  BGH NStZ 2009, S. 686 ff.; siehe bereits Teil 3, Fn. 488; dazu auch Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 149. 571  BGH NStZ 2009, S. 686 (687 f.). 572  Siehe nur die zahlreichen Nachweise bei Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 149; mit strafrechtlichem Bezug etwa Berndt, StV 2009, S. 687 (691); Bürkle, CCZ 2010, S. 4 ff.; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, S. 981 ff.; Kraft/Winkler, CCZ 2009, S.  29 ff.; Rotsch, ZJS 2009, S. 712 ff.; Rübenstahl, NZG 2009, S. 1341 ff.; Warneke, NStZ 2010, S. 312 (316); Wybitul, BB 2009, S. 2590 ff. 573  Rotsch, ZJS 2009, S. 712. 574  Siehe etwa Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (425). 568  BGH

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der Garantenpflicht des Compliance-Beauftragten erstens ohnehin nicht überbewertet werden sollte575, zweitens bereits hinreichend beleuchtet ist576 und drittens für den Ausfuhrverantwortlichen schlicht keine unmittelbare Relevanz hat. Letztgenanntes liegt daran, dass sich die Stellung als Ausfuhrverantwortlicher mit der des klassischen Compliance-Beauftragten recht­ lich nicht vergleichen lässt. Der Ausfuhrverantwortliche verfügt als Geschäftsleitungsmitglied regelmäßig über weitreichende gesellschaftsrecht­ liche Weisungsbefugnisse, während dem zumeist unterhalb der Führungsebene angesiedelten Compliance-Beauftragten von der Geschäftsleitung ­lediglich ein Berichts- bzw. Informationsrecht eingeräumt wird.577 Compliance-Beauftragte dürfen mit anderen Worten regelmäßig ihre Vorgesetzten über Rechtsverstöße von Mitarbeitern informieren, selbst jedoch keine unabhängigen bzw. finalen Entscheidungen hinsichtlich der Verhinderung treffen. Insbesondere verfügen Compliance-Beauftragte typischerweise allenfalls über ein sog. Stopprecht, also die zivilrechtliche Befugnis, die Einstellung riskanten Verhaltens bis zur Entscheidung durch die Geschäftsleitung anzuordnen.578 Diese vorübergehende Weisungsbefugnis stellt indessen keinesfalls die aus der gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführungsbefugnis resultierende Letztentscheidungskompetenz der Geschäftsleitung infrage.579 Aus der daher beschränkten rechtlichen Handlungsmöglichkeit wird verbreitet gefolgert, dass auch eine damit korrespondierende Handlungspflicht fehlt und der Compliance-Beauftragte somit nicht Überwachungsgarant sein 575  Siehe Fischer, StGB, § 13 Rn. 39; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53a. Vielmehr hat der BGH lediglich die Frage aufgeworfen, inwieweit sich die Geschäftsherrenhaftung auf Personen erstrecken kann, die selbst nicht der Unternehmensleitung im engeren Sinne, also dem Vorstand, der Geschäftsführung oder den geschäftsführungsbefugten Gesellschaftern, angehören. Denn Unternehmensbeauftragte sowie auch der Compliance-Beauftragte sind hierarchisch klassischerweise unterhalb der Unternehmensleitung angesiedelt. Das Obiter Dictum führt damit allenfalls zu einer Ausdehnung des Begriffs „Geschäftsherr“ im Sinne der Geschäftsherrenhaftung; dazu Utz, Personale Reichweite, S. 252 ff. Daran schließt sich die Frage an, ob bzw. inwieweit Unternehmensbeauftragte auch die Rechtsgüter Dritter, also außerhalb des Unternehmens Stehender zu schützen verpflichtet sind; hierzu Noll, Grenzen der Delegation, S. 241 m. w. Nachw. 576  Siehe stattdessen Konu, Garantenstellung, S. 156 ff.; Noll, Grenzen der Delegation, S.  235 ff.; Utz, Personale Reichweite, S. 252 ff.; Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S.  139 ff. 577  Dazu eingehend statt vieler Konu, Garantenstellung, S. 76  ff.; siehe zudem nachfolgend noch S. 246 ff. 578  Schulz/Galster, in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, § 5 Rn. 37; Schulz/ Renz, BB 2012, S. 2511 (2516). 579  Siehe beispielhaft § 76 Abs. 1 AktG, nach dem der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leitet (Hervorhebung durch Verfasser); dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 4 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn.  3 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, Bd. 2, § 76 Rn. 14 ff.



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kann.580 Die Frage, ob bzw. inwieweit sich der Ausfuhrverantwortliche einer etwaigen Unterlassungshaftung durch Delegation freizeichnen kann, wird nachfolgend noch gesondert zu behandeln sein.581 An dieser Stelle ist damit festzuhalten, dass die Rechtsprechung die Überwachungsgarantenstellung von Geschäftsleitungsmitgliedern hinsichtlich der betriebsbezogenen Rechtsverstöße von Mitarbeitern des konkret übernommenen Pflichtenkreises anerkennt, ohne jedoch auf die materiellen Ursachen dieser Geschäftsherrenhaftung einzugehen. Diesen Unterbau versuchen zahlreiche Autoren im Schrifttum zu liefern, was im Folgenden eine eingehendere Betrachtung verdient. b) Auffassungen im Schrifttum Ein großer Teil der Vertreter im Schrifttum befürwortet, wie die Rechtsprechung, die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für die Straftaten seines Personals.582 Eine einheitliche Linie ist allerdings insbesondere mit Blick auf Ursache und Reichweite der Geschäftsherrenhaftung aufgrund der Diversität des Meinungsspektrums nicht ersichtlich.583 Auch gibt es kaum Stimmen, die eine Haftung des Geschäftsherrn für die Straftaten seiner Mitarbeiter kategorisch ausschließen584; vielmehr richtet sich die diesbezügliche Kritik zumeist lediglich gegen einzelne Begründungsansätze der Befürworter der Geschäftsherrenhaftung585, auf die an gegebener Stelle eingegangen wird. Im Rahmen dieser Untersuchung soll indessen keine ausführliche Befassung mit sämt­ lichen Vertretern im Schrifttum erfolgen – insoweit kann auf bereits vorhan580  Rotsch, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 4 Rn. 39; Berndt, StV 2009, S. 687 (691); Warneke, NStZ 2010, S. 312 (316); Schwarz, wistra 2012, S. 13 (16 f.). Demgegenüber leiten andere die Pflicht, Straftaten zu verhindern, gerade aus dem Informationsvorsprung des Compliance-Beauftragten her, siehe Utz, Personale Reichweite, S. 258 f.; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, S. 981 (990); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (58); in Bezug auf die Betriebsbeauftragten im Umweltrecht ähnlich Böse, NStZ 2003, S. 636 (639 f.). 581  Siehe S.  235 ff. 582  Siehe die Nachweise bei Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  125 ff.; Konu, Garantenstellung, S.  159 ff.; Noll, Grenzen der Delegation, S. 63. 583  Ähnlich schon Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 114 f.; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 134; siehe zudem Konu, Garantenstellung, S. 160. 584  Etwa unter Verweis auf das Verantwortungsprinzip ablehnend Wessels/Beulke/ Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1189; Kirchner, Unterlassungshaftung, S.  155 f.; Beulke, FS Geppert, S. 23 (32 f.); Langkeit, FS Otto, S. 649 (652 f.). 585  Etwa unter Ausschluss der Vorsatztaten von Mitarbeitern Bosch, Organisa­ tionsverschulden, S. 225 f.; siehe ergänzend die Befassung bei Noll, Grenzen der Delegation, S. 69.

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dene Werke586 verwiesen werden, die sich dem Thema umfänglich angenommen haben. Aus dem Meinungsspektrum lassen sich jedoch im Wesentlichen vier Strömungen587 herausfiltern, anhand derer die Ursachen für die strafrechtliche Einstandspflicht des Ausfuhrverantwortlichen aufgeklärt werden können. aa) Befehlsgewalt und Herrschaftswissen Ein vielbeachteter Ansatz leitet die Garantenstellung des Geschäftsherrn für Personalgefahren von der sog. personalen Herrschaft der Unternehmensleitung aufgrund des gegenüber den Untergebenen bestehenden Autoritätsund Weisungsverhältnisses sowie einem Informationsvorsprung des Geschäftsherrn ab.588 Die Eigenverantwortlichkeit des jeweils unmittelbar ­handelnden Mitarbeiters verhindere die strafrechtliche Zurechnung an den ­unterlassenden Geschäftsherrn nicht, da Letztgenannter vermöge seiner „Befehlsgewalt“ die Herrschaft über den Grund des Erfolges ausübe. Es sei ­daher gerechtfertigt, von einer „Aufsichts-Garantenstellung“ infolge der Befehlsgewalt und Organisationsherrschaft zu sprechen.589 Als zusätzliches ­Argument wird der „überlegende Informationsfundus“ des Vorgesetzten bzw. dessen „Herrschaftswissen“ angeführt.590 So habe etwa der Arbeitnehmer eines umweltgefährdenden Unternehmens regelmäßig einen geringeren Kenntnisstand hinsichtlich der Umweltschädlichkeit seiner Tätigkeit als der 586  In jüngerer Zeit Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 123 ff.; Morozinis, Organisationsdelikte, S.  452 ff.; Noll, Grenzen der Delegation, S. 55 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  123 ff.; Utz, Personale Reichweite, S. 33 ff.; konkret bezogen auf die Garantenstellung des Compliance-Beauftragten Konu, Garantenstellung, S. 91 ff.; grundlegend außerdem Bosch, Organisationsverschulden, S. 142 ff.; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 104 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S.  62 ff.; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 46 ff. 587  Ähnlich Bock, Criminal Compliance, S. 318 ff.; siehe ferner Bosch, Organisationsverschulden, S.  157 ff. 588  Allen voran Schünemann, Grund und Grenzen, S. 229  ff. ders., Unternehmenskriminalität, S. 103 ff.; zustimmend Rogall, ZStW 98 (1986), S. 573 (616 ff.); siehe dazu die Darstellungen bei Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  170 ff.; Konu, Garantenstellung, S. 192 ff. 589  Schünemann, Unternehmenskriminalität, S.  104; ders., ZStW 96 (1984), S. 287 (318); ders., wistra 1982, S. 41 (44 f.); so im Ergebnis auch Rogall, ZStW 98 (1986), S. 573 (616 ff.); Hoyer, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 32; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, S. 352; kritisch hingegen Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 35a; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53; Bosch, Organisationsverschulden, S.  166 ff.; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  116; Kirchner, Unterlassungshaftung, S.  155 f.; Beulke, FS Geppert, S. 23 (32 f.); Langkeit, FS Otto, S. 649 (652 ff.). 590  Schünemann, wistra 1982, S. 41 (45); ders., Unternehmenskriminalität, S. 104.



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Arbeitgeber.591 Vergleichbar mit der mittelbaren Täterschaft kraft Organisa­ tionsherrschaft, die für das Begehungsdelikt anerkannt sei, müsse die Unterlassungshaftung des Geschäftsherrn wegen des Grundsatzes der Begehungsäquivalenz ebenfalls an Kriterien, wie der rechtlichen Befehlsgewalt, dem Herrschaftswissen und der faktische Durchsetzbarkeit, anknüpfen.592 In diesem Zusammenhang wird von einer „partiellen Unmündigkeit“593 des Arbeitnehmers im Unternehmen gesprochen. Die Eigenverantwortlichkeit sei vor dem Hintergrund des Direktionsrechts des Vorgesetzten und der damit korrespondierenden Gehorsamspflicht des Untergebenen nur eine Fassade.594 Der „eingefleischte Gehorsam“595 erkläre sich nach dieser Ansicht mit neutralisierenden Mechanismen des Handelns im Verband, mit wirtschaftlicher Abhängigkeit und der Furcht um den Arbeitsplatz sowie der Fungibilität des Arbeitnehmers.596 Der Ausfuhrverantwortliche wird aufgrund seiner Stellung als Geschäftsleitungsmitglied regelmäßig über die besagte Befehlsgewalt bzw. das besagte Herrschaftswissen verfügen.597 Dennoch lassen sich hinsichtlich der These der Einstandspflicht aufgrund Befehlsgewalt und Herrschaftswissen gravierende Bedenken äußern. Zwar erinnert die Aufsicht über Mitarbeiter zumindest strukturell an die Aufsicht von Eltern über ihre Kinder oder Lehrer über ihre Schüler, für die gemeinhin Garantenstellungen bejaht werden598; der entscheidende Unterschied besteht jedoch in der regelmäßigen Eigenverantwortlichkeit volldeliktisch handelnder Mitarbeiter.599 Von einer pauschalen Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 104. Unternehmenskriminalität, S. 103 f. mit Verweis auf Roxin, GA 1963, S. 193 ff. bzgl. der mittelbaren Täterschaft durch die Benutzung eines organisatorischen Machapparates; ähnlich auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.  47 f.; Schlösser, Soziale Tatherrschaft, S. 264 f.; kritisch dazu Rotsch, in: ders., Criminal Compliance, § 4 Rn. 11. 593  Schünemann, wistra 1982, S. 41 (44). 594  Schünemann, Unternehmenskriminalität, S.  104; ders., wistra 1982, S. 41 (44 f.). 595  Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 104. 596  Schünemann, Unternehmenskriminalität, S.  103; ders., wistra 1982, S. 41 (45); siehe auch Bock, Criminal Compliance, S. 319. 597  Vgl. dazu bereits die Ausführungen ab S. 165 ff. 598  Vgl. die Nachweise bei Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 52. 599  Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 31; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 42; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53; Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 29 Rn. 53; Bosch, Organisationsverschulden, S. 166; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  116 ff.; Herzberg, Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 231 ff.; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 241 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 152; Langkeit, FS Otto, S. 649 (652); Otto, JURA 1998, S. 409 (413); Rudolphi, FS Lackner, S. 863 (873). 591  Vgl.

592  Schünemann,

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Garantiehaftung des Geschäftsherrn für Rechtsverstöße auszugehen, die auf das vollverantwortliche Verhalten seiner Mitarbeiter zurückgeht, widerspricht dem den §§ 13, 14, 25 ff. StGB zugrunde liegenden Verantwortungsprinzip, das sich seinerseits aus dem Schuld- sowie dem Rechtsstaatsprinzip herleiten lässt.600 Die Ausführungen zur Übertragung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf Wirtschaftsunternehmen haben verdeutlicht, dass abstrakte betriebliche Strukturen bzw. Machtpositionen für sich betrachtet nicht zwangsläufig zur Täterschaft führen.601 Insoweit überzeugt lediglich nicht die häufig auffindbare Argumentation, Vorschriften wie §§ 357 StGB, 130 OWiG, 33, 41 WStG oder die speziellen Straftatbestände für den verantwortlichen Redakteur602, die eine spezielle Vorgesetztenverantwortlichkeit regelten, brächten den Ausnahmecharakter der Geschäftsherrenhaftung für Personalgefahren zum Ausdruck.603 Aus der Existenz solcher Vorschriften könnte man nämlich genauso gut auf ein allgemein anerkanntes Prinzip der Geschäftsherrenhaftung schließen, dass nur in bestimmten Bereichen, z. B. dem öffentlichen Dienst, gesonderter gesetzlicher Regelungen bedarf.604 Die Ursache für die Haftung des Geschäftsherrn für Personalgefahren lässt sich mit Blick auf das Verantwortungsprinzip jedoch trotzdem nicht allein durch 600  Ähnlich Bosch, Organisationsverschulden, S. 163; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  116 f.; Kirchner, Unterlassungshaftung, S.  85 f.; Gimbernat, FS Roxin/I, S. 651 f.; siehe auch Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 232 f., der auf die „flachen Hierarchien“ der modernen Rechts- und Sozialordnung hinweist, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmer eher als gleichberechtigte Partner ausweist; dazu Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 147. 601  Vgl. S. 126 ff.; kritisch auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 171 ff. 602  Siehe S. 195 f.; für weitere vergleichbare Vorschriften siehe Bock, Criminal Compliance, S. 310 f. Im Zusammenhang mit außenwirtschaftsstrafrechtlichen Vorschriften wird zudem insbesondere auf die schweizerische Vorschrift in Art. 37 KMG aufmerksam gemacht. Dieser verweist auf den Inhalt des Art. 6 Abs. 2 des schweizerischen Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 24. März 1974, VStR; SR 313.0. Danach untersteht der Geschäftsherr, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene den Strafbestimmungen, die für den entsprechend handelnden Täter gelten, wenn er es vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, eine Widerhandlung des Untergebenen, Beauftragten oder Vertreters abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben. Im schweizerischen Außenwirtschaftsrecht existiert also ausdrücklich eine, strafrechtliche Norm zur Geschäftsherrenhaftung für Personalgefahren; dazu Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  166 ff. 603  So beispielsweise Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 42, der solche Vorschriften allerdings immerhin als „starkes Indiz“ für eine allgemeine Vorgesetztenverantwortlichkeit ansieht. 604  So Rotsch, in: ders., Criminal Compliance, § 4 Rn. 10; Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 192; siehe auch Rogall, ZStW 98 (1986), S. 573 (615); Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S.  195 (205); kritisch zudem Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 142 f.; zum Ganzen auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 352; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  180 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  180 f.



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den pauschalen Verweis auf Befehlsgewalt und Herrschaftswissen ausmachen. bb) Erweiterung des eigenen Verkehrskreises Anhänger eines weiteren Herleitungsansatzes argumentieren nicht mit dem Herrschaftsgedanken, sondern stellen vielmehr allgemeine Gerechtigkeits­ erwägungen an.605 Als Kehrseite der Freiheit, seinen eigenen Handlungskreis durch den Betrieb eines wirtschaftlich vorteilhaften Unternehmen zu erweitern, müsse dem Geschäftsherrn als „Nutznießer“606 die Pflicht aufgebürdet werden, durch Anweisungen und Kontrollen strafbare Handlungen der Mit­ arbeiter aus dem Betrieb heraus zu verhindern.607 Dabei wird nicht die faktische Beherrschungsmöglichkeit, sondern vielmehr der sozial-faire Ausgleich von Nutzen und Lasten zwischen Unternehmensangehörigen und Dritten in den Vordergrund gerückt.608 Ein Unternehmen beeinflusse seine Außenwelt regelmäßig im Eigeninteresse. Es treffe daher eine Vorsorgepflicht dahingehend, dass die Außenwelt nicht durch schuldhaftes Strafunrecht seiner Mit­ arbeiter beeinträchtigt werden.609 Die Erweiterung des eigenen Handlungsund Verkehrskreises durch die wirtschaftliche Betätigung muss hiernach gewissermaßen mit sozialer Fairness sowie der Rücksicht gegenüber Außenstehenden einhergehen.610 Auch dieser Ansatz, der einen auf sozial-fairen Ausgleich zwischen Unternehmensinternen und Externen und damit auf allgemeine Gerechtigkeits­ erwägungen abstellt, überzeugt für sich betrachtet nicht. Wirtschaftsunternehmen wird hierdurch unterstellt, durch privatnütziges Handeln per se sozial­ gefährdend oder „unfair“ zu agieren.611 Mit anderen Worten kann nicht jede 605  Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 53; Bottke, Haftung, S. 23 ff.; Schall, FS Rudolphi, S. 267 (272); wohl auch Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 1059; vgl. zudem Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 2. 606  So kritisch Bock, Criminal Compliance, S. 320; Bosch, Organisationsverschulden, S. 175 bezeichnet diese Betrachtungsweise als Versuch einer „gerechten NutzenKosten-Analyse“. 607  Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 53; Bottke, Haftung, S. 40 ff.; Schall, FS Rudolphi, S. 267 (272); siehe auch Konu, Garantenstellung, S. 162. 608  Bottke, Haftung, S. 25 ff.; dazu Bock, Criminal Compliance, S. 320. 609  Bottke, Haftung, S. 23, 25 f.; siehe auch Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 141. 610  Ausführlich sowie kritisch zu diesem Ansatz Bosch, Organisationsverschulden, S.  175 ff. 611  Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 119 mit dem Hinweis auf gemeinnützige oder karitative Unternehmen; ähnlich Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 44; Bock, Criminal Compliance, S. 310; Bosch, Organisationsverschulden, S. 178; vgl. auch Rotsch, Individuelle, Haftung, S. 202 ff.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

risikosteigernde Ausdehnung der eigenen Betätigungsmöglichkeiten unweigerlich zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen.612 Zudem stellt § 13 Abs. 1 StGB zwar positives Tun und Unterlassen im strafrechtlichen Sinn unter bestimmten Voraussetzungen gleich; unter Bestimmtheitserwägungen ist jedoch fraglich, ob die Ursache der Einstandspflicht der soziale Ausgleich im Sinne einer Vorteilsabschöpfung sein kann. Ein solcher ließe sich strafrechtlich allenfalls unter Ingerenzgesichtspunkten berücksichtigen, indem man auf ein rücksichtslos gewinnfixiertes und damit gegebenenfalls pflichtwidriges Vorverhalten des Geschäftsherrn abstellt.613 Im Übrigen greifen zum Ausgleich von Vermögensinteressen bereits die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 278, 823, 831 BGB.614 Schließlich ist die Übertragbarkeit dieses Ansatzes auf das Außenwirtschaftsstrafrecht aufgrund des universalschützenden Charakters der Ausfuhrdelikte bereits an sich höchst zweifelhaft. Der Ansatz trägt dem Individualschutzgedanken der strafrechtlichen Produkthaftung Rechnung.615 Ein sozial-fairer Ausgleich zwischen den exportierenden Unternehmen und den durch die illegale Ausfuhr beeinträchtigten überindividuellen Schutzgütern des Außenwirtschaftsrechts erscheint dagegen von vornherein abwegig. cc) Ingerenz Ein am Gefahrschaffungs- bzw. Gefahrbeherrschungsmoment ausgerichteter Begründungsansatz sieht die Ursache für die Geschäftsherrenhaftung im gefährlichen Vorverhalten des Geschäftsherrn.616 Bereits die Betriebseröffnung bzw. -führung stelle eine gefährliche Vorhandlung dar, weil hierdurch fremde Risikohandlungen veranlasst würden.617 Aus dem genannten Vorverhalten folge eine Erfolgsabwendungspflicht hinsichtlich betriebsbezogener Straftaten.618 Es erfolgt also eine Annäherung an die Argumentation des BGH im Lederspray-Fall, der eine herstellerspezifische Garantenstellung zur

612  Bosch, Organisationsverschulden, S. 176.; vgl. auch Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 187; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 128. 613  Bosch, Organisationsverschulden, S. 178 in Anschluss an Hoyer, GA 1996, S.  160 (176 f.). 614  Bosch, Organisationsverschulden, S. 179 f.; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 145; siehe auch Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 188; dazu ferner Wagner, in: MüKo-BGB, Bd. 6, § 831 Rn. 12 f. 615  Siehe die Nachweise in Teil 3, Fn. 605. 616  Dazu eingehend Bosch, Organisationsverschulden, S.  186  ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S.  82 f.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  169 ff. 617  Köhler, Strafrecht AT, S. 222 f.; Welp, Vorangegangenes Tun, S.  235 ff. 618  Köhler, Strafrecht AT, S. 222 f.; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 238.



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Verhinderung von Verbraucherschäden unter Rückgriff auf den Ingerenzgedanken begründete.619 Diese Auffassung sieht sich indessen heftiger Kritik ausgesetzt. Zwar ist weitgehend unbestritten, dass die materielle Ursache für Garantenstellungen in einem gefährlichen Vorverhalten (Ingerenz) liegen kann.620 Allerdings muss die Gefährlichkeit des Vorverhaltens aus einer Pflichtwidrigkeit resultieren, um ein Ausufern der Garantenhaftung zu verhindern.621 Der Ingerent muss in den Bereich einer Norm zum Schutz des gefährdeten Rechtsguts eingegriffen haben.622 Die bloße Ursächlichkeit des Vorverhaltens für den Erfolgseintritt genügt noch nicht.623 Dies wurde bereits hinsichtlich der oben zitierten Rechtsprechung des BGH im Lederspray-Fall beanstandet. Der BGH stützte die Ingerenzgarantenstellung der Geschäftsleitungsmitglieder des vertreibenden Unternehmens auf das Vorverhalten des In-Verkehr-Bringens eines Ledersprays, hinsichtlich dessen der BGH es lediglich als erwiesen ansah, dass es Gesundheitsschäden beim Verbraucher hervorgerufen hatte.624 Die genaue Wirkungsweise sowie der etwaige Einfluss zusätzlicher Faktoren konnte aufgrund der zahlreichen Inhaltsstoffe des Ledersprays nicht geklärt werden. Daher wird dem BGH zu Recht vorgeworfen, die Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens – zumindest mit Blick auf das ursprüngliche InVerkehr-Bringen vor Auftreten der ersten Gesundheitsschäden625 – lediglich

619  BGH NStZ 1990, S. 587 (590); dazu kritisch Bosch, Organisationsverschulden, S.  186 ff.; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 134 ff.; Rotsch, Individuelle, Haftung, S. 190; Kuhlen, NStZ 1990, S. 566 (568). 620  RGSt 46, S. 337 (343); BGH NStZ 2013, S. 578  f.; Fischer, StGB, § 13 Rn.  47 ff.; Freund, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 118 ff.; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 32 ff.; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 352 ff.; Herzberg, JZ 1986, S. 986 ff.; kritisch dagegen Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. S. 390 f.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 313 ff. 621  BGH NStZ 1998, S. 83 f.; NStZ 2000. S. 414; Freund, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 118; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 43; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 11; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 35; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 625. 622  Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 35a; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 171; vgl. auch Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 124. 623  BGH NJW 1954, S. 1047 (1048). Der BGH verwendet mittlerweile den Begriff „naheliegende Möglichkeit“ bzw. „naheliegende Gefahr“, siehe BGH NJW 2016, S. 176 (177); NJW 2017, S. 2052 (2054); dazu Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 Rn. 26 ff. 624  BGH NStZ 1990, S. 587 (590); ähnlich die Sichtweise im sog. Holzschutzmittel-Fall, siehe BGH NStZ 1995, S. 590 ff.; eingehend zum Sachverhalt Große-Vorholt, Behördliche Stellungnahmen, S. 26 ff. 625  Hinsichtlich des Weitervertriebs sowie des fehlenden Produktrückrufs nach Bekanntwerden der Gesundheitsschäden scheinen durchaus andere rechtliche Beurtei-

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fingiert zu haben.626 Konsequent müsste man hiernach jedes In-VerkehrBringen von Produkten durch ein Unternehmen per se als pflichtwidriges Vorverhalten ansehen, wenn es bei Ex-post-Betrachtung nur irgendwie kausal Rechtsgutsverletzungen herbeiführt hat.627 Der Vertrieb von Produkten verstößt jedoch allenfalls dann gegen eine Sorgfaltsnorm, wenn der Vertreibende die schädigende Wirkung kannte oder hätte kennen müssen.628 Für die Ingerenzgarantenstellung ist dagegen dort kein Raum, wo das Vorverhalten rechtmäßig war.629 Da die hier betrachtete Ausfuhr mit Blick auf den Grundsatz der Außenwirtschaftsfreiheit einen an sich erlaubten und volkswirtschaftlich sinnvollen Vorgang darstellt, verbietet es sich ebenfalls, pauschal von gefährlichem Vorverhalten auszugehen und eine Garantenhaftung des Geschäftsherrn mit dem Ingerenzgedanken zu begründen.630 Losgelöst von der Produkthaftung und der Ausfuhr wird in jüngerer Zeit allerdings diskutiert, ob die Vernachlässigung von Compliance-Maßnahmen durch die Geschäftsleitung als pflichtwidriges Vorverhalten nicht zu einer strafrechtlichen Einstandspflicht führen muss.631 Hinsichtlich des gefährlichen oder pflichtwidrigen Vorverhaltens wird an fehlende, unzureichende oder unzweckmäßige Maßnahmen des Geschäftsherrn zur Verhinderung von Rechtsverstößen seiner Mitarbeiter angeknüpft. Dieser Gedanke vermag tatsächlich dort zu überzeugen, wo für bestimmte Branchen unmittelbar verbindliche Vorschriften mit Maßnahmenkatalogen existieren. So werden beispielsweise den Geschäftsleitern von Kreditinstituten gemäß § 25a Abs. 1 KWG besondere organisatorische Pflichten auferlegt, die als aufsichtsrecht­ liche Mindestanforderungen auf die Einhaltung der zu beachtenden gesetz­ lichen Bestimmungen abzielen.632 Diese umfassen unter anderem eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sowie ein angemessenes Risikomanagelungen angezeigt, siehe etwa Kaspar, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 25 Rn.  68 ff.; Bosch, Organisationsverschulden S.  282 ff. 626  So etwa Kühne, NJW 1997, S. 1951 (1953). 627  Zum Ganzen schon Hoyer, GA 1996, S. 160 (174); Kuhlen, NStZ 1990, S.  566 ff. 628  Siehe Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 138 f., der insoweit die Parallele zur objektiven sowie subjektiven Komponente des Fahrlässigkeitsvorwurfs zieht. 629  Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 37; Herzberg, JZ 1986, S. 986; Kühl, JuS 2007, S. 497 (503). 630  A. A. offensichtlich Langkeit, FS Otto, S. 649 (653), allerdings ohne nähere Begründung. 631  Siehe Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 158 ff.; Schaefer/Baumann, NJW 2011, S. 3601 (3603 f.); speziell mit Blick auf den Ausfuhrverantwortlichen auch Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (425). 632  Dazu Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rn. 30; Nestler, Bank- und Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 153 ff., 307 f.



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ment. Die Vorschrift dient dem Schutz des Kreditwesens.633 Wird sie nicht befolgt, verstoßen die betreffenden Geschäftsleiter gegen eine gesetzliche Sorgfaltsnorm und verhalten sich grundsätzlich pflichtwidrig, was im Einzelfall wiederum die Ingerenz begründen kann. Gesetzliche Vorschriften wie § 25a Abs. 1 KWG existieren jedoch, wie gesagt, nur innerhalb bestimmter Branchen.634 Eine branchenübergreifende, allgemeine Pflicht, andere Menschen umfassend zu beaufsichtigen oder zu überwachen, existiert nicht.635 Eine Garantenstellung von Geschäftsleitungsmitgliedern aufgrund der Vernachlässigung von Compliance-Maßnahmen als pflichtwidriges Vorverhalten lässt sich daher allenfalls in jenen Verkehrskreisen konstruieren, in denen entsprechende Sorgfaltspflichten gesetzliche Vorgabe sind.636 Für den Ausfuhrverantwortlichen existieren keine rechtsverbindlichen Compliance-Vorgaben. Die Nichtbeachtung der Zuverlässigkeitsgrundsätze und des ICP-Merkblatts kann mangels unmittelbarer Bindungswirkung nicht als per se pflichtwidrig angesehen werden. Maßgeblich sind vielmehr die Organisations- und Überwachungsbedürfnisse der innerbetrieblichen Exportkontrolle im Einzelfall. Daher lässt sich eine Ingerenzgarantenstellung des Ausfuhrverantwortlichen nicht pauschal mit dem Verstoß gegen die Vorgaben der Ausfuhrbehörden begründen.637 dd) Überwachung von Gefahrenquellen im übernommenen Organisationskreis Angesichts der Unzulänglichkeiten der bisher aufgezeigten Ursachenmodelle erblickt die wohl herrschende Auffassung den Grund für eine Garantenstellung von Geschäftsleitungsmitgliedern in der Überwachung von Personalgefahren als Gefahrenquelle im jeweils übernommenen Organisationskreis.638 633  Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG/CRR-VO, §  25a KWG Rn.  30 ff. 634  Für vergleichbare Vorschriften siehe Bock, Criminal Compliance, S. 511  ff.; siehe zudem bereits S. 92. 635  Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 125; Bock, Criminal Compliance, S. 317; siehe auch Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 117. 636  Im Ergebnis ähnlich Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 159. 637  Siehe zur davon unberührten Indizwirkung der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen S.  330 ff. 638  Im Einzelnen freilich mit teilweise abweichenden Begründungen Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 137; Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 116 f.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 216 ff.; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 277; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 187; Hoyer, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  31 f.; Lege, Strafbarkeitsbegründende Rechtspflichten, S. 140 ff.; Utz, Personale Reichweite, S. 218 ff.; Gimbernat, FS Roxin/I, S. 651 (661 ff.); Mittelsdorf,

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Zwischen sachlichen und personalen Gefahrenquellen wird teilweise nicht einmal differenziert, vielmehr schaffe der Betrieb bzw. dessen Organisation an sich eine Gesamtgefahrenquelle für Rechtsgüter.639 Eine überzeugende Trennung zwischen den Gefahrenherden Sach- und Personengefahr sei ohnehin nicht möglich.640 Das gefahrstiftende Betreiben von Anlagen sowie der Vertrieb von gefährlichen Produkten gehe schließlich stets auf das Verhalten von Personen zurück. Jede Verantwortlichkeit für Personengefahren lasse sich so letztlich als „verlängerte Sachgarantenstellung“ begreifen.641 Im Rahmen der Haftung für Sachgefahren lasse sich hinsichtlich der materiellen Ursache der Garantenstellung allerdings auf die abstrakte Beherrschungsmöglichkeit abstellen, was sich mit Blick auf die regelmäßige Eigenverantwortlichkeit der handelnden Mitarbeiter bei Personalgefahren verbiete. Daher hafte die Geschäftsleitung nicht für das eigentliche Verhalten der Mitarbeiter, sondern für die Ausgestaltung des Organisationskreises in dem das Verhalten begangen wurde.642 Nach dieser Auffassung ist also nicht schlechterdings ZIS 2011, S. 123 (126); Rudolphi, FS Lackner, S. 863 (874); Schlüchter, FS Salger, S. 139 (160 f.); ähnlich Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 118a; Konu, Garantenstellung, S.  164 ff.; Ransiek, AG 2010, S. 147 (150); siehe auch Wittig, in: Krajewski/Oehm/ Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (204 ff.); vgl. zudem die Darstellungen bei Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/ Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 22 ff.; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 46 ff. 639  Fischer, StGB, § 13 Rn. 70; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 35a; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 48; Konu, Garantenstellung, S. 163; Beulke/Bachmann, JuS 1992, S. 737 (740); Jäger, JA 2012, S. 392 (394); Otto, JURA 1998, S. 409 (413). Teilweise wird vorgeschlagen, eine Gefahrenquelle nur in Betrieben zu erblicken, die ihrer Natur nach mit gefährlichen Tätigkeiten befasst sind, wie beispielsweise der Produktion von Waffen, der Ausfuhr rüstungsrelevanter Exportgüter oder der Verursachung umweltrelevanter Emissionen, siehe Weigend, in: LKStGB, Bd. 1, § 13 Rn. 56; Langkeit, FS Otto, S. 649 (653); Ransiek, ZGR 1992, S. 203 (221). Gegen diese Einschränkung spricht allerdings, dass grundsätzlich jeder Betrieb Rechtsgüter gefährden kann, bedenkt man, dass nahezu jedes Unternehmen, unabhängig vom Unternehmensgegenstand, potentiell anfällig für z. B. Bestechungshandlungen sein dürfte, siehe Bock, Criminal Compliance, S. 323. 640  Rotsch, in: ders.: Criminal Compliance, § 4 Rn. 14; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 137; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 187; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 36; Gimbernat, FS Roxin/I, S. 652 (661 f.); Schall, FS Rudolphi, S. 267 (277); Schlüchter, FS Salger, S. 139 (160 f.); a. A. Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 166 f., der Kriterien für die Trennbarkeit liefern will; siehe auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 219, wonach die Geschäftsherrenhaftung weder eindeutig der sach- noch der personenbezogenen Überwachungspflicht zugeordnet werden kann, sondern sich auf die gefahrmindernde Gestaltung eines gesamten Organisationsbereichs beziehe. 641  Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 137 in Anschluss an Schlüchter, FS Salger, S.  139 (160 f.). 642  Siehe Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 29 Rn. 36.



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jedes Geschäftsleitungsmitglied für alle Rechtsverstöße verantwortlich, die sich im Unternehmen ereignen, sondern lediglich für jene, die dem eigenen Ressort zuzuordnen sind. Die Garantenstellung der einzelnen Geschäftsleitungsmitglieder beruht damit – vergleichbar mit der Auffassung der Rechtsprechung im BSR-Fall sowie im Mobbing-Fall – auf der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme von Aufsichts- bzw. Überwachungspflichten.643 Durch die tatsächliche Übernahme eines bestimmten Aufgaben- bzw. Organisationskreises konzentrierten sich hiernach Betriebspflichten bei einer Person644, wodurch sowohl intern als auch extern das Vertrauen entstehe, dass der Übernehmende seinen Pflichten im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit nachkommt.645 Es gelte innerhalb der einzelnen Organisationskreise sodann das Ressortprinzip, wonach im Grundsatz jeder nur für die Rechtsverstöße einsteht, für die er innerhalb seines Ressorts die Verantwortung übernommen hat.646 Wer es etwa als Leiter einer Innenrevision übernimmt, die Richtigkeit von Abrechnungen gegenüber Verbrauchern zu kontrollieren, muss bei Abrechnungsbetrügereien durch Mitarbeiter einschreiten.647 Wer als Geschäftsführer die Organisation von Transportfahrten übernimmt, hat dafür Sorge zu tragen, dass die vorgeschriebenen Lenkzeiten durch Mitarbeiter faktisch eingehalten werden können.648 Etwas anderes müsse nur bei konkreten Anzeichen für die Unzulänglichkeit des Übernehmenden oder in Krisenfällen gelten.649 In diesen Situationen müsse das Ressortprinzip zugunsten einer Verantwortungsausweitung auf alle übrigen Geschäftsleitungsmitglieder durchbrochen werden. Es bestehe dann nämlich kein entsprechender Vertrauenstatbestand mehr. Die 643  Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53a; ders., Organisationsverschulden, S. 219 ff; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S.  38 ff.; ders., ZGR 1999, S. 613 (618); ders. AG 2010, S. 147 (148); Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 29 Rn. 29 ff.; insbesondere in Bezug auf die Übernahme von Aufsichtspflichten durch den Compliance-Beauftragten Konu, Garantenstellung, S. 182  ff.; Utz, Personale Reichweite, S.  258 ff.; Berndt, StV 2009, S. 689 f.; Rübenstahl, NZG 2009, S. 1341 (1342). 644  Bosch, Organisationsverschulden, S. 219  ff.; zustimmend Dannecker/Dannecker, JZ 2010, S. 981 (983). 645  Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 173; ders., Strafrecht AT, § 6 Rn. 87; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 21; 82; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. S. 78 ff.; Otto/Brammsen, JURA 1985, S. 646 (648); Warneke, NStZ 2010, S. 312 (314); zur pflichtbegründenden Wirkung des Vertrauensgrundsatzes ferner Bosch, Organisationsverschulden, S. 388. 646  Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 358; Bock, Criminal Compliance, S.  678 ff.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 219 f. 647  So der BGH im BSR-Fall, BGH NStZ 2009, S. 686 (687), unter Betonung der hoheitlich beeinflussten Überwachungspflicht des Verantwortlichen der BSR. 648  OLG Nürnberg-Fürth NJW 2006, S. 1825 (1825). 649  Dazu sogleich ausführlich S. 243 ff.

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Pflichtenstellung wird deshalb teilweise als „originär“ (sprich: von niemandem abgeleitet) bezeichnet, weil jeden Mitarbeiter bereits für sich betrachtet die Pflicht treffe, keine Rechtsverstöße wie etwa Körperverletzungen oder Bestechungen zu begehen.650 Dies gelte zumindest für Allgemeindelikte – Sonderdelikte seien ohnehin auf den gesetzlich bezeichneten Täterkreis bzw. die in § 14 StGB aufgeführten geschäftsführenden Organe beschränkt.651 ee) Analyse und Bewertung Der Vorteil des letztgenannten Ansatzes gegenüber den am Gefahrschaffungs- bzw. Autoritätsmoment orientierten Herleitungen liegt allgemein darin, dass nicht auf die tatsächliche Gefahrbeherrschung oder die partielle Unmündigkeit von Mitarbeitern abgestellt werden muss, was Friktionen mit dem Verantwortungsprinzip verhindert. Das durch die Übernahme eines Pflichtenkreises geweckte Vertrauen ist vielmehr Ausdruck des erlaubten Risikos.652 Wer bei einer erlaubten Tätigkeit selbst sorgfaltsgemäß handelt, darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich auch andere sorgfaltsgemäß verhalten, es sei denn, besondere Umstände legen einen gegenteiligen Schluss nahe (sog. Vertrauensgrundsatz).653 Auch wenn der Vertrauensgrundsatz grundsätzlich für die Teilnehmer am Straßenverkehr hinsichtlich der Wahrung der Verkehrsregeln entwickelt wurde654, gilt er auch für arbeitsteiliges Zusammenwirken innerhalb ein und derselben organisatorischen Hierarchieebene, weil die Beteiligten auch hier abstrakt das gleiche Maß an Rechten und Pflichten aufweisen und daher gleichberechtigt sind.655 Herrschaftsmacht 650  Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 26a; ders., Organisationsverschulden, S.  220; zustimmend Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  209; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 178; wohl auch Konu, Garantenstellung, S. 48 ff. Nach anderer Auffassung seien die Pflichten derivativ, weil vom Unternehmen als dem originären Pflichtenadressat abgeleitet, siehe Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 16; Kuhlen, FG BGH, S. 647 (663 ff.). 651  Bosch, Organisationsverschulden, S. 220. 652  Vgl. schon Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 132 f.; siehe zudem Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 15 Rn. 39; Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 22; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S.  189 f.; Konu, Garantenstellung, S. 187; Kuhlen Produkthaftung, S. 131. 653  Dazu ausführlich Duttge, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 139 ff; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 48; Momsen, in: ders./Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 1 C. Rn. 23; Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn.  224 ff.; Bautista Pizarro, Das erlaubte Vertrauen, S.  121 ff. 654  Siehe BGH NJW 1954, S. 1493 (1494); dazu Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 224; Kindhäuser, FS Schünemann, S. 143 (154 f.). 655  Siehe in Bezug auf Fachärzte der gleichen Fachrichtung hinsichtlich des kunstgerechten Vorgehens ihrer Kollegen bei Operationen BGH NJW 1980, S. 649 (659); anders im Fall des unerfahrenen Assistenzarztes, dazu BGH NJW 1998,



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und Herrschaftswissen führen danach nicht zur partiellen Unmündigkeit, sondern sind Grundvoraussetzungen für das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenbewältigung innerhalb der einzelnen Ressorts. Dementsprechend obliegt eine umfassende Überwachung bei demjenigen, der die Verantwortung für das betreffende Ressort übernommen hat. Dies muss im Grundsatz auch innerhalb der Geschäftsleitung von Unternehmen gelten, die gelistete Rüstungsgüter ausführen. Unabdingbar erscheint insoweit zwar auf den ersten Blick eine eingehendere Befassung mit der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes auf den Außenwirtschaftsverkehr656; allerdings vermögen die hier gegenständlichen, den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Vorschriften als solche nicht, den Vertrauensgrundsatz einzuschränken. Zwar wird insbesondere das dem Ausfuhrverantwortlichen zugewiesene Ressort der innerbetrieblichen Exportkontrolle von den Ausfuhrbehörden als besonders gefahrgeneigt und daher kontrollwürdig angesehen657, jedoch verbleibt die Ausgestaltung im Einzelnen stets bei der Geschäftsleitung.658 Das Exportkontrollrecht regelt die Rollenverteilung innerhalb privater Unternehmen mit anderen Worten keineswegs rechtsverbindlich.659 Die abstrakten Befehls- und Herrschaftsverhältnisse richten sich vielmehr nach den Vorschriften über die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht des Gesellschaftsrechts. Eine allgemeine Rechtspflicht zur Bestellung eines Ausfuhrverantwortlichen existiert demgegenüber gerade nicht. Die außenwirtschaftsrechtliche Sonderstellung verantwortlicher Geschäftsleitungsmitglieder führt daher aus Sicht der Geschäftsleitung weder zu einem pauschalen Kompetenzgefälle noch zu einem allgemeinen Klima des Misstrauens; vielmehr findet der Vertrauensgrundsatz auch im Außenwirtschaftsverkehr grundsätzlich Anwendung.660 Damit sieht sich der ressortorientierte Ansatz allenfalls noch mit dem Vorwurf konfrontiert, dass strafrechtsrelevante Bereiche auf sog. Strohleute, also vorgeschobene Mitarbeiter, die nur zum Schein einen Pflichtenkreis übernehS. 1802 (1803). Zur Übertragung des Vertrauensgrundsatzes auf Wirtschaftsunternehmen Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 232; Bautista Pizarro, Das erlaubte Vertrauen, S.  32 ff.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 386; zur Rolle des Vertrauensgrundsatzes bei vertikaler Delegation Konu, Garantenstellung, S. 187 ff. 656  Allgemein zur Ausdehnung des Vertrauensgrundsatzes auf weitere Bereiche Bautista Pizarro, Das erlaubte Vertrauen, S.  32 ff. 657  Vgl. nur BAFA, ICP-Merkblatt, S. 3 ff. 658  Siehe dazu nachfolgend eingehend S. 268 ff. 659  Siehe in Bezug auf die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden untergesetzlichen Vorschriften sowie deren zumindest faktisch-mittelbaren Wirkungen S. 47 ff., 97 ff. 660  Zu den Einzelheiten im Rahmen der horizontalen sowie vertikalen Delegation sogleich S.  239 ff.

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men, übertragen werden könnten.661 Die rein formale Zuschreibung des Organisationskreises – etwa durch die schlichte Kompetenzzuschreibung durch den Gesellschafts- bzw. Arbeitsvertrag oder das Organigramm des Unternehmens – soll nach dieser Auffassung nämlich gerade nicht zur Begründung von Garantenpflichten genügen; erforderlich ist vielmehr, dass der Übernehmer des Ressorts tatsächlich in vertrauens-begründender Weise seiner Organisations- und Überwachungsverantwortlichkeit nachkommt.662 Gleiches sei grundsätzlich bei unzureichender oder gänzlich fehlender Betriebsorganisation zu befürchten, die zumindest in formaler Hinsicht ein Verantwortungsvakuum generiert.663 Übertragen auf den Ausfuhrverantwortlichen bedeutete dies, dass die übrige Geschäftsleitung Letztgenannten nur pro forma bestellen und gegenüber den Ausfuhrbehörden benennen könnte, um sich selbst von ihrer Ausfuhrverantwortlichkeit freizuzeichnen. Der Ausfuhrverantwortliche wäre hiernach tatsächlich nur eine Art „Sündenbock“664, was freilich der durch seine Einführung bezweckten Verbesserung des Rechtsgüterschutzes zuwiderliefe. Gegen diese Bedenken spricht jedoch, dass die fehlende bzw. defizitäre Verantwortungsdelegation – wie sogleich noch zu zeigen ist – bei Kenntnis oder Kennenmüssen der Geschäftsleitung zu deren Generalverantwortung führt. Zu Recht wird daher darauf hingewiesen, dass es sich insoweit eher um ein prozessuales Problem der vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten hinsichtlich des subjektiven Tatseite handelt, als um eine dogmatische Unstimmigkeit.665 Durch das Anknüpfen an originäre Pflichten, die grundsätzlich jedes Geschäftsleitungsmitglied unmittelbar treffen, kann faktisch bereits kein Verantwortungsvakuum bestehen.

661  So selbst Bosch, Organisationsverschulden, S. 221 ff.; allgemein zum Begriff des Strohmanns Schmid/Ludwig, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 29 Rn. 9; Hombrecher, JA 2012, S. 535 ff. 662  BGH NStZ 2002, S. 421 (423); Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 38 ff.; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, Bd. 1, § 13 Rn. 86; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 28; Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, § 13 StGB Rn. 20; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 13 Rn. 25; siehe auch Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 27  ff.; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 47 ff. 663  Dazu etwa Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. S. 121. 664  So in Bezug auf den Gefahrgutbeauftragten Vierhaus, NStZ 1991, S. 466 (469); vgl. in Bezug auf andere Betriebsbeauftragte auch Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 44; Kraft/Winkler, CCZ 2009, S. 29 (32); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (58); Böse, NStZ 2003, S. 636 (641). 665  Bosch, Organisationsverschulden, S. 221.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte235

c) Zwischenergebnis Als mögliche Ursache für die Garantenstellung des Ausfuhrverantwort­ lichen hinsichtlich des Fehlverhaltens von Mitarbeitern wurde in erster Linie die Überwachung von Gefahrenquellen im übernommenen Organisationskreis als plausibel erachtet. Dies soll keineswegs bedeuten, dass der Ausfuhrverantwortliche als Geschäftsleitungsmitglied nicht regelmäßig über die teilweise geforderte Befehlsgewalt sowie das Herrschaftswissen verfügt oder im Fall eines nachweisbar pflichtwidrigen Vorverhaltens nicht als Ingerent haften kann. Vielmehr liefert die tatsächliche, freiwillige Übernahme des Organisationskreises „interne Exportkontrolle“ schlicht die dogmatisch einwandfreie sowie die den Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen entsprechende Grundlage für dessen strafrechtliche Haftung für Personalgefahren. Gleichzeitig stellt die tatsächliche, freiwillige Übernahme eines Organisa­ tionskreises die gängige Ursache für die Garantenstellung eines Geschäftsleitungsmitglieds dar, dass eine Compliance-Verantwortlichkeit zur Verhinderung von Personengefahren übernimmt. Für den Ausfuhrverantwortlichen gelten insoweit keine Besonderheiten.

III. Delegation und Restverantwortung Ausgehend von der nunmehr ausgemachten Ursache für eine Über­ wachungsgarantenstellung des Ausfuhrverantwortlichen nimmt zuvorderst Letztgenannter im Unternehmen die exportkontrollrechtlichen Pflichten wahr. Für eine wahrhaft besondere, also im Vergleich mit anderen Pflichtenstellungen von Geschäftsleitungsmitgliedern einzigartige, Verantwortlichkeit wäre allerdings das Vorliegen zweier weiterer Voraussetzungen erforderlich: Zum einen müssten – soweit vorhanden – die übrigen Geschäftsleitungsmitglieder infolge der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme durch den Ausfuhrverantwortlichen gänzlich von ihrer allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit entbunden werden.666 Zum anderen müsste der häufig beschworene Grundsatz „Exportkontrolle ist Chefsache“667 die Delegation von Verantwortlichkeit an nachgeordnete Mitarbeiter unmöglich machen. Mit anderen Worten müsste die tatsächliche, freiwillige Übernahme der Ausfuhrverantwortlichenstellung eine Art exklusive Garantiehaftung für das betreffende Geschäftsleitungsmitglied statuieren. Dass dies jedoch keineswegs der Fall ist, demons­ trieren die nachfolgenden Ausführungen. Weder wird die übrige Geschäftsleitung durch die horizontale Aufgabendelegation an den Ausfuhrverantwortlichen von ihrer allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit frei (1.), noch ähnlich bereits Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 101 ff. die Nachweise in Teil 1, Fn. 24 und Teil 3, Fn. 786.

666  Insoweit 667  Siehe

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

unterscheidet sich die Unterlassungshaftung des Ausfuhrverantwortlichen von derjenigen anderer Geschäftsleitungsmitglieder, wenn Letztgenannte bestimmte Organisations- und Kontrollaufgaben im Wege der vertikalen Aufgabendelegation an Mitarbeiter übertragen (2.). 1. Freizeichnung der übrigen Geschäftsleitung durch horizontale Delegation? Die interne Bestellung des Ausfuhrverantwortlichen, respektive dessen tatsächliche freiwillige Ressort-übernahme, führt zu keiner strafrechtlichen Garantiehaftung des Ausfuhrverantwortlichen, aufgrund der sich die übrigen Geschäftsleitungsmitglieder vollständig von ihrer allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit freizeichnen könnten. Wie gesehen, werden die mit der allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit eines jeden Geschäftsleitungsmitglieds einhergehenden spezifischen Handlungspflichten der innerbetrieblichen Exportkontrolle lediglich bei einem bestimmten Geschäftsleitungsmitglied konzentriert. Es ist die Rede von horizontaler Delegation.668 Im Gegensatz zur sog. vertikalen Delegation, bei der Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen von einer Instanz an untergeordnete Abteilungen oder Stellen abgegeben werden, überträgt man bei horizontaler Delegation entsprechende Aufgaben innerhalb eines Gremiums an einzelne Gremiumsmitglieder.669 Die betreffende Hierarchieebene des Unternehmens wird also nicht verlassen; es kommt vielmehr zu der beschriebenen Ressortaufteilung.670 Ausgehend vom grundlegenden Prinzip der sog. Gesamtverantwortung und All­ 668  Zur rechtlichen Zulässigkeit sowie faktischen Notwendigkeit von Aufgabendelegation durch die Geschäftsleitung Eidam, in: ders., Unternehmen und Strafe, Kap. 1 Rn. 10 ff.; Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 6; Bock, Criminal Compliance, S. 89; Konu, Garantenstellung, S. 54; aus Compliance-spezifischer Perspektive zudem Noll, Grenzen der Delegation, S. 16 ff.; siehe auch die Gesetzesbegründung zu § 130 OWiG BTDrucks 5/1269, S. 68 f.; dazu Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 2. Speziell zur Delegation im Konzern und an Dritte Schulze, NJW 2014, S. 3484 (3485). 669  Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 3; Klahold/Lochen, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 37 Rn. 18; Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, §  13 StGB Rn.  27; Momsen, in: ders./Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 1 C. Rn. 23; Bosch, Organisationsverschulden, S.  375 ff.; Konu, Garantenstellung, S. 56; Schulze, NJW 2014, S. 3484 (4385); vgl. im Zusammenhang mit Sonderdelikten auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn.  435 ff. 670  Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53a; Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 49; Klahold/Lochen, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 37 Rn. 18; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 52 ff.; Momsen, in: ders./Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 1 C. Rn. 23; Konu, Garantenstellung, S. 56.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte237

zuständigkeit aller Geschäftsleitungsmitglieder (a)) werden beim Ausfuhr­ verantwortlichen mithin lediglich bestimmte Handlungspflichten der Ge­ samtgeschäftsleitung gebündelt; gleichzeitig wandeln sich die originären Handlungspflichten der übrigen Geschäftsleitungsmitglieder in Kontrollpflichten hinsichtlich des Ausfuhrverantwortlichen, die nur durch den Vertrauensgrundsatz begrenzt werden (b)). Die Kontrollpflichten der übrigen Geschäftsleitungsmitglieder können sich jedoch jederzeit wieder in originäre Handlungspflichten wandeln, wenn infolge bestimmter Verdachtsmomente oder im Krisenfall die Gesamtverantwortung bzw. Allzuständigkeit der Geschäftsleitung wiederauflebt (c)). a) Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit Die Ursache dafür, dass sich die strafrechtliche Unterlassungshaftung des Ausfuhrverantwortlichen keineswegs von derjenigen anderer Übernehmer von Organisationskreisen unterscheidet, liegt in der sog. Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsleitung. Diese Terminologie verwendet der BGH im Lederspray-Fall.671 Dort wird zumindest angedeutet, dass mit Blick auf die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Geschäftsleitung die Aufteilung der Geschäftsbereiche unter mehreren Geschäftsführern ohne Einfluss auf die Verantwortung jedes einzelnen Geschäftsleitungsmitglieds bleiben muss. Diese allgemeine Pflichtenstellung jedes einzelnen Geschäftsleitungsmitglieds erfahre insbesondere keine Einschränkung dadurch, dass jedem von ihnen ein besonderer Geschäftsbereich zugeteilt ist. Tatsächlich enthält das Gesellschaftsrecht zahlreiche Vorschriften, die – zumindest in zivilrechtlicher Hinsicht – ressortübergreifende Haftungsgrundsätze vorschreiben. Zu nennen sind Generalklauseln wie etwa §§ 76, 93 AktG, 37, 43 GmbHG. In § 91 Abs. 2 AktG findet sich zudem die Verpflichtung von AGVorständen, geeignete Maßnahmen, wie insbesondere die Einrichtung eines Überwachungssystems, zu treffen, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Derartige Vorschriften begründen im Gesellschaftsrecht die sog. Legalitätspflicht, die sämtliche Geschäftsleitungsmitglieder gleichermaßen anhält, alle gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten.672 671  Siehe hier und im Folgenden BGH NStZ 1990, S. 587 (591); aufgegriffen durch BGH NJW 1995, S. 2933 (2934) (sog. Glykolwein-Fall); OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002, S. 178 (179). 672  Siehe BGH NJW 2010, 3458 (3460); NJW 2012, S. 3439 (3441); LG München I, NZWiSt 2014, S. 183 ff.; Fleischer, in: MüKo-GmbHG, Bd. 2, § 43 Rn. 21; Hölters, in: ders., AktG, § 93 Rn. 54; Schmidt-Husson, in: Hauschka/Moosmayer/ Lösler, Corporate Compliance, § 6 Rn. 4; Spindler, in: MüKo-AktG, Bd. 2, § 91 Rn. 52; Holle, Legalitätskontrolle, S. 46 ff.; Utz, Personale Reichweite, S. 213; Goette/

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Auch wenn sich derartige Vorschriften bereits gesellschaftsrechtlich nicht pauschal für jede Unternehmensform verallgemeinern lassen und eine Übertragung aus dem Gesellschaftsrecht auf die strafrechtliche Pflichtenstellung an sich zweifelhaft sein kann673, ist der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsleitung auch im Strafrecht weitgehend anerkannt.674 Als Argument lässt sich der Rechtsgüterschutz anführen. Unabhängig vom Umfang der gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht im Einzelnen ist jedes Unternehmen bzw. stellvertretend dessen Geschäftsleitung verpflichtet, Rechtsgutsverletzungen im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit zu verhindern (sog. unternehmensbezogene Betrach­ tung).675 Bei einer mehrgliedrigen Geschäftsleitung ist daher grundsätzlich jedes Geschäftsleitungsmitglied für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten des Unternehmens verantwortlich.676 Insbesondere muss der Umgang mit den Betriebsmitteln sowie die Betriebsprozesse so konzipiert und organisiert sein, dass Rechtsgutsverletzungen vermieden werden.677 Interne privatrechtliche Zuständigkeitsregelungen können insoweit nicht zur Aufhebung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen, was durch Vorschriften wie die Vertreterhaftung gemäß §§ 9 Abs. 1 OWiG, 14 Abs. 1 StGB

Goette, DStR 2016, S. 815 f.; Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, S. 401 (402); siehe ferner speziell hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat der AG Dössinger, Strafrechtliche Haftungsrisiken, S. 126 ff. 673  So selbst BGH NStZ 1990, S. 587 (591); zu den Grenzen der Übertragung ferner Huff, Freizeichnung, S.  129 ff. 674  Sodann später durch BGH wistra 1997, S. 102 (103 f.); zuvor OLG Düsseldorf NStZ 1981, S. 265; siehe zudem Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 14; Eidam, in: ders., Unternehmen und Strafe, Kap. 7 Rn. 83 ff.; Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 28a; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 54; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 358; Bock, Criminal Compliance, S. 677 f.; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  124 f.; Huff, Freizeichnung, S. 129; Konu, Garantenstellung, S. 57; Utz, Personale Reichweite, S. 224 ff.; Deutscher/Körner, wistra 1996, S. 327 (329); Kuhlen, NStZ 1990, S. 566 (569); Neudecker, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 27; Schmidt-Salzer, NJW 1988, S. 1937 (1939 f.); Selbmann, HRRS 2014, S. 235 (239); Bürkle, CCZ 2010, S. 4 (5); Freund, NStZ 2002, S. 424 (425); kritisch hingegen Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 145 f.; Bosch, Organisationsverschulden, S.  372 ff.; Rotsch, wistra 1999, S. 321 (326). 675  Siehe beispielsweise Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 16; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 217; Bosch, Organisationsverschulden, S. 373; Kuhlen, FG BGH, S. 647 (663). 676  So BGH wistra 1997, S. 102 (103) in Bezug auf die sozialrechtliche Pflicht zur Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung. 677  Siehe etwa Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 35 ff. m. w. Nachw.; dazu Bosch, Organisationsverschulden, S. 373; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S.  97 ff.;107 f.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte239

gesetzlich klargestellt wird.678 Der Geschäftsleitung obliegt insoweit die Geschäftsführungsbefugnis mit der eine grundlegende Entscheidungsverantwortung einhergeht.679 Dazu zählen insbesondere Strukturentscheidungen, wie z. B. die Festlegung von Unternehmensgegenstand, -form und -standort, die finanzielle Ausstattung, die Investitionsplanung, die Implementation betrieblicher Kontrollsysteme oder die Auswahl leitender Mitarbeiter.680 Der­ artige Aufgaben fallen in den sog. Kernbereich der Geschäftsleitung und sind daher nicht an nachgeordnete Hierarchieebenen delegierbar.681 Die Untersuchung hat bereits verdeutlicht, dass die strafrechtlich bewehrte Pflicht, die Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts einzuhalten, grundsätzlich jedes Geschäftsleitungsmitglied eines Exportunternehmens im Rahmen seiner allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit trifft. Zur Herleitung wird auf die Rechtsnatur der Ausfuhrdelikte als Allgemein- bzw. als Organisations­ delikte verwiesen, die es Geschäftsleitungsmitgliedern verbieten, gegen Ausfuhrverbote oder den Genehmigungsvorbehalt verstoßende Exporte aus dem Unternehmen zu veranlassen.682 b) Vertrauensgrundsatz und Restverantwortung Erkennt man den Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsleitung auch im Strafrecht an, steht dies auf den ersten Blick mit den obigen Ausführungen zum Ressortprinzip und zur Überwachungsgarantenstellung kraft tatsächlicher, freiwilliger Übernahme eines Organisationskreises im Widerspruch.683 Verlangte man von jedem Geschäftsleitungsmitglied, sämtliche Unternehmensressorts einschließlich der dort ­tätigen Mitarbeiter unabhängig von der eigenen Zuständigkeit oder Spezialisierung zu kontrollieren, würde dies die Vorteile eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens negieren.684 Mit der Ressortaufteilung wird gerade bezweckt, 678  BGH wistra 1997, S. 102 (103); Utz, Personale Reichweite, S. 222 f.; Böse, wistra 2005, S. 41 (44). 679  Siehe schon S. 108  ff.; dazu außerdem Eidam, in: ders., Unternehmen und Strafe, Kap. 7 Rn. 85 ff. 680  Bock, Criminal Compliance, S. 678; Bosch, Organisationsverschulden, S. 374. 681  Siehe dazu sogleich S. 258 ff. 682  Siehe S. 149  ff. Insoweit als die Ausfuhrdelikte vor allem im Bereich des Verstoßes gegen die Catch-All-Klauseln der Dual-Use-VO als Sonderdelikte angesehen werden, erfolgt die Zurechnung des Ausführer-Merkmals über §§ 14 StGB, 9 OWiG, siehe Teil 3, Fn. 221. 683  Vgl. Bosch, Organisationsverschulden, S. 373; Konu, Garantenstellung, S. 58. 684  OLG Hamm NJW 1971, S. 817 (818); Bock, Criminal Compliance, S. 682; Konu, Garantenstellung, S. 54; Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 472; Lüdtke, wistra 2008, S. 409 (412); Schlüchter, FS Salger, S. 139 (164).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

dass sich nicht alle Geschäftsleitungsmitglieder gemeinschaftlich um sämt­ liche Angelegenheiten kümmern müssen.685 In großen Unternehmen686, die über eine Vielzahl von Abteilungen und Angestellten verfügen, ist eine umfassende ressortübergreifende Kontrolle zudem regelmäßig weder individuell zumutbar noch faktisch möglich.687 Alles andere würde der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes widersprechen.688 Dies muss im Besonderen auch für die Arbeitsabläufe und Prozesse in exportierenden Unternehmen gelten, die regelmäßig eine Mehrzahl von unterschiedlichen Abteilungen und Mitarbeitern bzw. Dritten einbinden.689 Zu einer gesamtverantwortlichen Aufgabenerfüllung wird es praktisch nur dort kommen, wo bestimmte Entscheidungen gesellschaftsrechtlich nur durch das Gesamtorgan getroffen werden können oder ausnahmsweise ein bestimmter Verantwortungsbereich von allen Geschäftsleitungsmitgliedern übernommen wurde.690 Daher gilt – jedenfalls unter den Angehörigen ein und derselben Hierarchieebene – der Vertrauensgrundsatz.691 Ein Geschäftsleitungsmitglied, das innerhalb des ihm zugewiesenen Ressorts dafür Sorge trägt, dass die einschlägigen Vorschriften beachtet werden, darf grundsätzlich berechtigterweise darauf vertrauen, dass die übrigen Geschäftsleitungsmitglieder innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche eine entsprechende Sorgfalt an den Tag legen und die Unternehmensorganisation nicht zur Begehung von Rechtsverstößen ausnutzen.692 Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes wurde insbesondere bereits hinsichtlich des Außenwirtschaftsverkehrs verifiziert.693 Als Ausprägung des erlaubten Risikos – und damit der objektiven Zurechnung – geht es beim Abstellen auf den Vertrauensgrundsatz allerdings weniger um die Frage, auf welche Umstände der Betreffende im konkreten Fall subjektiv vertraute, sondern auf welche er objektiv 685  Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 121; Bock, Criminal Compliance, S. 684. 686  Siehe hinsichtlich der Begriffsbestimmung Teil 3, Fn. 42. 687  BGH NStZ 2009, S. 146 (147); Bock, Criminal Compliance, S. 684; Renzikowski, StV 2009, S. 443. 688  Vgl. §§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG; siehe dazu Schulze, NJW 2014, S. 3484. 689  Vgl. zu den typischen Strukturen bei der Abwicklung von Ausfuhrprozessen bereits S.  112 ff. 690  Bosch, Organisationsverschulden, S. 375. 691  Siehe bereits S. 229 ff. 692  BGH wistra 1997, S. 102 (103); NStZ 2009, S. 146 (147); Momsen, in: ders./ Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 1 C. Rn. 23; Bock, Criminal Compliance, S. 683; Renzikowski, StV 2009, S. 443 (444). 693  Siehe soeben S. 232 f.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte241

vertrauen durfte.694 Wird ein gesamter Aufgabenkreis, der zum Kernbereich der Geschäftsleitung gehört, auf ein einzelnes Geschäftsleitungsmitglied übertragen, so entzieht sich die konkrete Aufgabenerfüllung von da an regelmäßig den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern. Letztgenannte müssen daher durch entsprechende Maßnahmen sicherstellen, dass das dem Delegaten entgegengebrachte Vertrauen auch in der auf die Delegation folgenden Zeit noch dadurch gerechtfertigt ist, dass die delegierten Aufgaben pflichtgemäß erfüllt werden.695 Vertrauen im Sinne des Vertrauensgrundsatzes bezeichnet daher ausschließlich berechtigtes Vertrauen.696 Der Vertrauensgrundsatz wirkt insoweit mithin nicht nur pflichtenbegrenzend, sondern auch pflichtenbegründend.697 Es „wandeln“ sich nämlich die originären Entscheidungspflichten der Geschäftsleitungsmitglieder in gegenseitige Kontroll-, Informationsund Kommunikationspflichten.698 Die Geschäftsleitung wird durch Delegation also nicht vollständig entlastet – es verbleibt vielmehr eine Restverantwortung im Sinne einer gegenseitigen Kontrolle.699 Nur insoweit als dieser Restverantwortung nachgekommen wird, kann der Vertrauensgrundsatz zur Entlastung der übrigen Geschäftsleitung führen.700 Der Vertrauensgrundsatz erfüllt damit eine Doppelfunktion. Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Vertrauen und Kontrolle müssten sich im Grundsatz gerade ausschließen. Der Vorteil, jemandem voll und ganz vertrauen zu dürfen, wird durch die Pflicht, diesen gleichsam umfassend zu überwachen, konterkariert.701 Die Restverantwortung besteht in horizontalen Verhältnis allerdings regelmäßig in keiner umfassenden Überwachungspflicht, sondern vielmehr in einem Mindestmaß an gegenseitiger Kontrolle und Abstimmung. Hinsichtlich der 694  Bosch, Organisationsverschulden, S. 381  f.; ähnlich Bock, Criminal Compliance, S. 692; Schlüchter, FS Salger, S. 139 (163). 695  BGH NStZ 2009, S. 146 (147); Bock, Criminal Compliance, S. 687; Huff, Freizeichnung, S. 164; Renzikowski, StV 2009, S. 443. 696  Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 227; Huff, Freizeichnung, S. 164; Schmucker, Dogmatik, S. 214; Deutscher/Körner, wistra 1996, S. 327 (328). 697  In Anlehnung an den Grundgedanken von Bosch, Organisationsverschulden, S. 385 f., 388, hier übertragen auf die horizontale Delegation; zustimmend Konu, Garantenstellung, S. 189; ähnlich Schroeder, in: LK-StGB, Bd. 111, § 16 Rn. 201; siehe auch Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 229. 698  BGH NJW 2009, S. 240 (241); LG Saarbrücken, NStZ-RR 2006, S. 75 (76); Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 12, 19; Kudlich, in: SSWStGB, § 13 Rn. 33. 699  Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 33; Bock, Criminal Compliance, S. 678; Konu, Garantenstellung, S. 197. 700  In diesem Sinne BGH wistra 1997, S. 102 (103); siehe auch Bock, Criminal Compliance, S. 692. 701  Konu, Garantenstellung, S. 189.

242

Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Bestimmung des Umfangs wird vorgeschlagen, dass sie graduell umso strenger sein muss, je unklarer die getroffenen Absprachen zwischen Delegierendem und Delegaten sind und je größer die drohende Gefahr bzw. je leichter durchführbar die Kontrolle ist.702 Sichergestellt werden muss insbesondere die erforderliche Fachkompetenz sowie die ausreichende sachlich-personelle Ausstattung des betreffenden Ressorts.703 Umfangreichere Überwachungspflichten werden im horizontalen Delegationsverhältnis jedoch überwiegend abgelehnt, da ansonsten der Vorteil einer Aufgaben- und Kompetenzverteilung bei unternehmerischem Zusammenwirken abermals entfallen würde und es zudem regelmäßig an einem entsprechenden Autoritätsverhältnis fehlt.704 Es muss stattdessen ein hohes Maß an Selbstständigkeit erhalten bleiben.705 Zu Etablierung des Vertrauenstatbestandes bei horizontaler Delegation genügt daher bereits eine Plausibilitätskontrolle durch Information und Koordination der Geschäftsleitungsmitglieder untereinander, während eine fachlichinhaltliche Aufsicht regelmäßig nicht verlangt werden kann.706 Den Delegaten trifft damit zwar die primäre Garantenhaftung kraft tatsächlicher, freiwilliger Übernahme; mit Blick auf die Restverantwortung führt die horizontale Delegation jedoch grundsätzlich zur sekundären Garantenhaftung der Delegierenden.707 Dieser Grundsatz muss auch für den Ausfuhrverantwortlichen gelten.708 Andernfalls wäre die Geschäftsleitung verleitet, einen Ausfuhrverantwortlichen nur zu dem Zweck der Abwälzung strafrechtlicher Verantwortung – und damit als „Sündenbock“709 oder Strohmann – zu bestellen.710 Dies würde sowohl den soeben aufgezeigten Zurechnungsprinzipien als auch dem mit den Ausfuhrdelikten bezweckten Rechtsgüterschutz von Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 33. Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 59 ff.; Utz, Personale Reichweite, S. 260; Deutscher/Körner, wistra 1996, S. 327 (330). 704  Bosch, Organisationsverschulden, S. 379; siehe auch Bock, Criminal Compliance, S. 681, 687, der in zu weitreichenden Überwachungspflichten bei horizontaler Delegation zugleich die Konstruktion einer „uferlosen und täterklonenden Gefährdungshaftung“ erkennen will. 705  Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 64; vgl. BGH NJW 1980, S. 649 (650). 706  Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  133, 135; Bock, Criminal Compliance, S.  687 f.; Huff, Freizeichnung, S. 119; Konu, Garantenstellung, S. 61; Duttge, HRRS 2009, S. 145 (147). 707  Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53a; ders., Organisationsverschulden, S.  375 f.; Deutscher/Körner, wistra 1996, S. 327 (328 f.). 708  Siehe Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 103 f. 709  Siehe die Nachweise in Teil 3, Fn. 664. 710  Ähnlich bereits Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 102, der zudem vor dem Anreiz zu mehr profitablen, aber illegalen Rüstungsexporten warnt, den eine derartige Verantwortungsverteilung mit sich bringen kann. 702  Beispielsweise 703  Siehe



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte243

zuwiderlaufen. Zudem existieren gerade keine gesetzlichen Vorschriften, welche die Geschäftsherrenhaftung des Ausfuhrverantwortlichen abweichend von diesen Grundsätzen modifizieren, wie dies beispielsweise im Fall des verantwortlichen Redakteurs im Pressestrafrecht711 geschehen ist. Auch infolge der Bestellung eines Ausfuhrverantwortlichen verbleibt der übrigen Geschäftsleitung also eine gewisse Ausfuhrverantwortlichkeit nach den allgemeinen Grundsätzen. c) „Aufleben“ der Generalverantwortung und Allzuständigkeit Hinzu kommt, dass die sekundäre Garantenhaftung der übrigen Geschäftsleitungsmitglieder schließlich jederzeit zu einer primären „aufleben“ kann. Die Berufung der übrigen Geschäftsleitung auf den Vertrauensgrundsatz scheidet nämlich dort aus, wo das berechtigte Vertrauen erschüttert wird.712 Als denkbare Gründe für die Erschütterung des Vertrauens werden einerseits Krisen- und Ausnahmesituationen sowie andererseits die positive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen der pflichtwidrigen Aufgabenerfüllung durch den Delegaten genannt.713 Im Lederspray-Fall erkannte der BGH den Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsleitung jedenfalls dort ausdrücklich an, wo – wie etwa in Krisen- und Ausnahmesituationen – aus besonderem Anlass das Unternehmen als Ganzes betroffen ist.714 In diesen Fällen sei dann die Geschäftsleitung insgesamt zum Handeln berufen. Die Häufung von Verbraucherbeschwerden über Schadensfälle infolge der Benutzung des Ledersprays wurde sodann als entsprechende Ausnahmesituation eingestuft und daraufhin das Ergreifen von Maßnahmen, wie einen Vertriebsstopp oder eine Warn- bzw. Rückrufaktion, von der gesamten Geschäftsleitung gefordert. Auch in finanziellen Krisensituationen von Unternehmen, in denen die laufende Erfüllung von Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet erscheint, hat der BGH die Pflicht zum Eingreifen entgegen der internen Zuständigkeitsvereinbarung zwischen mehreren Geschäftsleitungsmitgliedern als erforderlich angesehen.715 Im sog. Wuppertaler-Schwebebahn-Fall ging der BGH schließlich ferner davon aus, dass für den Vertrauensgrundsatz bei horizontaler Aufgabendelegation dort kein Raum sei, wo mit Blick auf die außerordentlich hohe Gefährlichkeit einer Tätigkeit die Verpflichtung bestehe, sich durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern, ob 711  Zum

verantwortlichen Redakteur bereits S. 195 f. in: KK-OWiG, § 130 Rn. 42; ders., ZStW 98 (1986), S. 590 (598 ff.); Schlüchter, FS Salger, S. 139 (163). 713  Siehe Bock, Criminal Compliance, S.  690 ff. m. w. Nachw. 714  Hier und im Folgenden BGH NStZ 1990, S. 587 (591). 715  BGH wistra 1997, S. 102 (103 f.). 712  Rogall,

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

bestimmte Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden.716 In Krisen-, Ausnahme- sowie besonderen Gefährdungssituationen müssen danach auch infolge der horizontalen Delegation unzuständige Geschäftsleitungsmitglieder wieder ressortübergreifende Entscheidungen treffen. Bei eingehenderer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass sich der Handlungsbedarf hinsichtlich des von der Krisen oder Ausnahmesituation betroffenen Ressorts ohnehin regelmäßig aufdrängt oder zumindest aufdrängen muss, weil das zuständige Geschäftsleitungsmitglied zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung allein außerstande ist.717 Mit anderen Worten wird die Krise ihren Ursprung regelmäßig in menschlichem Fehlverhalten in der Vergangenheit oder der konkreten Situation haben. Die von der Rechtsprechung gebildete Fallgruppe der Krisen- und Ausnahmesituationen geht damit in der Kenntnis (Vorsatz) bzw. dem Kennenmüssen (Fahrlässigkeit) bezüglich der pflichtwidrigen Aufgabenerfüllung auf. Wie soeben herausgearbeitet, findet die entlastende Dimension des Vertrauensgrundsatzes dort ihre Grenze, wo die übrige Geschäftsleitung subjektiv entweder positive Kenntnis von der defizitären Aufgabenerfüllung hat oder sich ihr eine solche aufdrängen muss. Es spielt für das Aufleben der Generalverantwortlichkeit und Allzuständigkeit mithin keine Rolle, ob die übrige Geschäftsleitung infolge pflichtgemäßer Kontrolle des Delegaten positive Kenntnis von den defizitären Zuständen in dessen Ressort erlangt, oder ob die Vertrauenserschütterung bei entsprechend fehlender Kontrolle im Evidenzfall fingiert wird.718 Sobald aus objektiver Perspektive berechtigte Zweifel an der Qualifikation, Seriosität oder Zuverlässigkeit des Delegaten bestehen, scheidet die Berufung auf den Vertrauensgrundsatz aus, was gleichzeitig ein Eingreifen erforderlich macht.719 Im Ergebnis genügt damit bereits erkennbar fahrlässiges Verhalten des Ausfuhrverantwortlichen, um die originäre Entscheidungsverantwortung der übrigen Geschäftsleitung aufleben zu lassen.720

716  BGH NStZ 2002, S. 421 (423 f.) in Bezug auf die versäumte Beseitigung einer Stahlkralle bei Bauarbeiten im Schienenbereich der Wuppertaler Schwebebahn, die zum Tod sowie zu teilweise schweren Verletzungen zahlreicher Passagiere führte. Der BGH stellte fest, dass die Garantenstellung der beiden Arbeiter, welche die erste Abbauschicht übernommen hatten, erst mit der vollständigen Aufgabenerfüllung durch die beiden Arbeiter der zweiten Schicht erlischt. Dazu kritisch Freund, NStZ 2002, S. 424 (425); im Ergebnis dagegen zustimmend Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 232; Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 33; ders., JR 2002, S. 468 (470). 717  Vgl. BGH NJW 1980, S. 649 (650); dazu hier und im Folgenden auch Bock, Criminal Compliance, S. 691. 718  Bock, Criminal Compliance, S. 692; Deutscher/Körner, wistra 1996, S. 327 (330); Schlüchter, FS Salger, S. 139 (163). 719  Eidam, in: ders., Unternehmen und Strafe, Kap. 7 Rn. 152; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 358; Huff, Freizeichnung, S. 165.



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d) Zwischenergebnis Die primäre Entscheidungsverantwortung der Gesamtgeschäftsleitung bezüglich der innerbetrieblichen Exportkontrolle lässt sich durch horizontale Delegation auf den Ausfuhrverantwortlichen übertragen. Benennen die Geschäftsleitungsmitglieder einen zuverlässigen Ausfuhrverantwortlichen aus ihrer Mitte, so dürfen sie bis zum Auftreten von Verdachtsmomenten hinsichtlich der Unzuverlässigkeit darauf vertrauen, dass dieser seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt.721 Das Vertrauen ist allerdings objektiv nur dann berechtigt, wenn die übrigen Geschäftsleitungsmitglieder die Zuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen durch ein Mindestmaß an regelmäßiger Kon­ trolle und gegenseitiger Abstimmung verifizieren. Nur solange sie objektiv von der Zuverlässigkeit ausgehen dürfen, haften sie gegenüber dem Ausfuhrverantwortlichen sekundär. Diese sekundäre Haftung kann jedoch im Fall der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens hinsichtlich der Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen wieder zur primären Garantenhaftung aufleben. Damit wurde demonstriert, dass die Bestellung des Ausfuhrverantwortlichen nach den allgemeinen Grundsätzen zu der horizontalen Delegation in Leitungsgremien keineswegs zur Freizeichnung von strafrechtlichen Verantwortlichkeit der übrigen Geschäftsleitung führt. 2. Garantiehaftung des Ausfuhrverantwortlichen infolge vertikaler Delegation? Damit verbleibt zu zeigen, dass den Ausfuhrverantwortlichen darüber hi­ naus deshalb keine pauschale Garantiehaftung trifft, weil er durchaus gewisse Aufgaben der innerbetrieblichen Exportkontrolle durch vertikale Delegation an seine Mitarbeiter abgeben darf. Wie eingangs dargestellt, bezeichnet die vertikale Delegation nicht die Übertragung von Aufgaben innerhalb, sondern zwischen unterschiedlichen Hierarchieebenen eines Unternehmens. Je nach Art, Umfang und Bedeutung des Exportgeschäfts für das betreffende Unternehmen, wird der Ausfuhrverantwortliche regelmäßig mindestens einen, wenn nicht sogar mehrere Mitarbeiter als Stabstelle für innerbetriebliche Exportkontrolle (sog. Exportkontrollabteilung) unter sich beschäftigen.722 Anders lässt sich die Durchführung des innerbetrieblichen Exportkontrollsys-

720  Zur Frage des erforderlichen Fahrlässigkeitsgrades Bock, Criminal Compliance, S.  692 m. w. Nachw. 721  Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 97; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 358 („konkreter Verdacht“); Freund, NStZ 2002, S. 424 (425). 722  Siehe dazu noch ausführlich S. 273 ff.

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tems häufig nicht wirksam bzw. in zumutbarer Weise bewerkstelligen.723 Bereits die Bezeichnung der vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwort­ lichen nach Nr. 2 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze (Organisations-, Überwachungs-, Personalauswahl- und Personalweiterbildungspflicht) legt es nahe, dass der Ausfuhrverantwortliche gewisse Kontrollaufgaben an Mit­ arbeiter delegieren können muss. Im Folgenden werden zunächst die Gestaltungsmöglichkeiten des Ausfuhrverantwortlichen im Rahmen der vertikalen Delegation aufgezeigt (a)). Sodann erfolgt eine Befassung mit dem Meinungsspektrum zur Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatz bei vertikaler Delegation (b)). Abschließend muss der Umfang der Unterlassungshaftung des Ausfuhrverantwortlichen infolge der vertikalen Delegation abgesteckt werden (c)). a) Gestaltungsmöglichkeiten Allgemein anerkannt ist, dass die Geschäftsleitung grundsätzlich alle denkbaren Aufgaben des Risikomanagements auf hierarchisch nachgeordnete Mitarbeiter delegieren darf.724 Dies entspricht der Privatautonomie und wird beispielsweise durch Vorschriften wie § 831 BGB zivilrechtlich klargestellt.725 Im Recht der Ordnungswidrigkeiten zeugen die §§ 9, 130 OWiG, von der grundsätzlichen Zulässigkeit vertikaler Aufgabendelegation; im Strafrecht bestätigt dies § 14 StGB.726 Im Gesellschaftsrecht gibt es allerdings durchaus Regelungen, die der Übertragbarkeit Grenzen setzen. Vorschriften wie jene der §§ 83, 90 ff., 110 Abs. 1, 118 Abs. 2, 124 Abs. 3 Satz 1, 170, 245 Nr. 4 AktG adressieren explizit den Vorstand oder Aufsichtsrat, sodass die betreffenden gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten nicht durch „einfache“ Angestellte ausgeübt bzw. erfüllt werden können. So muss in einer AG beispielsweise allein der Vorstand gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG den Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere Fragen der Unternehmensplanung informieren oder gemäß § 91 Abs. 2 AktG ein Überwachungs- bzw. Frühwarnsystem einrichten. Dabei handelt es 723  Siehe nur Vorpeil, IWB 2012, S. 582 (586 f.); vgl. auch BAFA, ICP-Merkblatt, S.  14 ff. 724  Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 6; Bock, Criminal Compliance, S. 704; Konu, Garantenstellung, S. 54; Dreher, ZGR 1992, S. 22 (56 ff.). 725  Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 145; Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (224); Selbmann, HRRS 2014, S. 235 (239); Schulze, NJW 2014, S. 3484 (3486). 726  Siehe die Gesetzesbegründung zu § 130 OWiG BTDrucks 5/1269, S. 68  f.; dazu Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 2; hinsichtlich § 14 StGB Mansdörfer/Ha­ betha, Strafbarkeitsrisiken des Unternehmers, Rn. 69; Utz, Personale Reichweite, S.  174 ff.



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sich um nicht delegierbare Aufgaben im sog. Kernbereich der Geschäftsleitung.727 In den Kernbereich fallen, wie bereits angesprochen, wesentliche Strukturentscheidungen, die das Unternehmen als Ganzes betreffen. Betroffen ist die Entscheidungsverantwortung der Geschäftsleitung, die sich auf höchster Hierarchieebene konzentrieren muss, um das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit zu erhalten und gleichzeitig eine klare Zurechnung bestimmter Verhaltensweisen zu ermöglichen. Trotz des gesellschaftsrechtlichen Rahmens findet die Ausarbeitung und Umsetzung des internen Risikomanagements in der Unternehmenswirklichkeit in großen Unternehmen aufgrund der dort zwingend erforderlichen Kompetenzverteilung regelmäßig auf Organisationsebenen unterhalb der Geschäftsleitung statt. Gängig ist dabei die Bestellung eines sog. Compliance-Beauftragten.728 Der Compliance-Beauftragte übernimmt für die Geschäftsleitung verkürzt gesprochen die innerbetriebliche Regulierung zur Einhaltung von Vorschriften. Er wird zur Reduzierung der straf-, ordnungswidrigkeiten- und zivilrechtlichen Risiken tätig.729 Auch wenn seine Aufgaben und Qualifikationen von der individuellen Risikoanalyse des betreffenden Unternehmens abhängen und sich deshalb im Einzelnen nicht standardisieren lassen, gehören zu seinem Aufgabenprofil regelmäßig der Aufbau und die Leitung einer Compliance-Organisation, die Erstellung der erforderlichen Compliance-Regelungen, einschließlich deren ständiger Fortentwicklung, die entsprechende Schulung von Mitarbeitern, die Einführung von ComplianceKontrollen zur Überwachung und Früherkennung, die regelmäßige Rücksprache mit der Geschäftsleitung oder die Reaktion in Verstoßfällen.730 In der Unternehmenspraxis des Außenwirtschaftsverkehrs hat sich insoweit der sog. Exportkontrollbeauftragte etabliert.731 Im Folgenden gilt es zu erfassen, 727  Zur sog. Kernbereichslehre aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive Born, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Bd. 1, § 109 Rn. 17; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 76 Rn. 9; ders., in: MüKo-GmbHG, Bd. 2, § 43 Rn. 116; von der strafrechtlichen Warte aus Bock, Criminal Compliance, S. 678; Konu, Garantenstellung, S. 58; siehe zudem bereits Dreher, ZGR 1992, S. 22 (60). 728  Häufig auch „Compliance-Officer“; dazu Nowak-Over, in: MüKo-VVG, Bd. 3, § 170 Rn. 64 ff.; Moosmayer, Compliance, Rn. 124 ff.; Schulz/Galster, in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, § 5 Rn. 3 ff.; Blassl, WM 018, S. 603 ff.; Fecker/Kinzl, CCZ 2010, S. 13 ff. 729  Poguntke, CCZ 2012, S. 158 (159); ferner Blassl, WM 2018, S. 603 ff.; siehe zudem sogleich S. 251 f. 730  Bernd/Theile, Unternehmensstrafrecht, Rn.  460 ff.; Moosmayer, Compliance, Rn.  124 f.; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (57); Warneke, NStZ 2010, S. 312 (313); zu berufsspezifischen Einzelheiten zudem Hauschka, CCZ 2014, S. 165 ff. 731  Teilweise auch „Außenwirtschaftsbeauftragter“, „Export Control Compliance Officer“, „Export Control Manager“ oder missverständlich „Exportkontrollverantwortlicher“, siehe vertiefend Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Com-

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welchen Teil seiner Verantwortung der Ausfuhrverantwortliche an den Exportkontrollbeauftragten übertragen kann (aa)), und ob bzw. inwieweit dies von den allgemeinen Grundsätzen zur vertikalen Delegation an einen Compliance-Beauftragten abweicht, wie er verbreitet unabhängig von der innerbetrieblichen Exportkontrolle bestellt wird (bb)). aa) Delegation von Verantwortung an den Exportkontrollbeauftragten Unternehmenshierarchisch direkt unterhalb des Ausfuhrverantwortlichen und damit im mittleren Management angesiedelt, fungiert der Exportkon­ trollbeauftragte gewissermaßen als „verlängerter Arm“ des Ausfuhrverantwortlichen bei der Sicherstellung der außenwirtschaftsrechtlichen Zuverlässigkeit des Unternehmens.732 Er soll den Ausfuhrverantwortlichen nach der vorherrschenden Auffassung in Genehmigungspraxis und Schrifttum in erster Linie dadurch unterstützen, dass er ihm die operativen Exportkontrolltätigkeiten abnimmt.733 Der Aufgabenumfang hängt freilich von Art und Umfang des Exportgeschäfts des Unternehmens ab.734 Typischerweise werden dazu etwa die Klassifizierung von Exportgütern, der Abgleich mit Güter- und Sanktionslisten und Embargoregelungen, die Einholung exportrelevanter Informationen aus anderen Abteilungen oder von Behörden, die Erstellung von Ausfuhranmeldungen, die Kommunikation mit Behörden und Dienstleistern pliance, § 32 Rn. 113 ff.; siehe zudem Jansen, in: Borges/Meents, Cloud Computing, § 19 Rn. 27; Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 245; Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 98; Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17 ff. Rn. 44; Volz, in: Wieland/Steinmeyer/Grüninger, Compliance-Management, Teil II Rn. 40; Müller, Harmonisierte deutsche Exportkontrolle, S. 131; Graf von Bernstorff, AW-Prax 2012, S. 73; ders., AW-Prax 2012, S. 110 (111); ders., AW-Prax 2012, S. 149 (151 f.); Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (427 ff.); Haellmigk, AWPrax 2012, S. 83 (85); Klötzer-Assion, WiJ 2012, S. 171 (172); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S.  307 ff.; Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111 f.); Schmitz, GewArch 2011, S. 431 (437); Urso/Lachner, BB 2018, S. 195 (199); Vorpeil, IWB 2012, S. 582 (586 f.); so bezeichnet auch von LAG Düsseldorf vom 22.12.2011 – 5 Sa 208/11, Rn. 4, zitiert nach juris; LAG Frankfurt vom 25.10.2011 – 12 Sa 527/10, Rn. 3, zitiert nach juris. 732  Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 117; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428); siehe auch Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17 ff. Rn. 44; Möllenhoff, AWPrax 2013, S. 307 (308). 733  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 113; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428); Klötzer-Assion, WiJ 2012, S. 171 (172); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307 (308); Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111). 734  Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 114.



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oder die Fristenkontrolle gezählt.735 Der Ausfuhrverantwortliche eines großen Unternehmens mit hohem Exportaufkommen wird sich zudem regelmäßig durch den Exportkontrollbeauftragten bei der Zeichnung von Genehmigungsanträgen gemäß Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze vertreten lassen. Derartige Aufgaben ergeben sich als Handlungsverantwortung mittelbar aus den Genehmigungsvorschriften des Exportkontrollrechts.736 Neben diese eher verfahrensbezogenen Handlungspflichten treten Aufgaben, die unmittelbar auf die Erfüllung der vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen – und damit auf die innerbetriebliche Exportkontrolle als solche – gerichtet sind. Anerkannt ist insoweit, dass der Exportkontrollbeauftragte den Ausfuhrverantwortlichen bei der Erfüllung seiner vier Grundpflichten (Organisation, Überwachung, Personalauswahl, Personalweiterbildung) unterstützen kann. Er soll für den Ausfuhrverantwortlichen die gesamten personellen und organisatorischen Verfahren und Prozesse, einschließlich der Überwachung und Weiterbildung des sonstigen Personals, operativ durchführen können.737 Das ICP muss also nicht durch den Ausfuhrverantwortlichen höchstpersönlich implementiert, sondern darf auf den Exportkontrollbeauftragten „abgewälzt“738 werden. Insbesondere fungiert der Exportkontrollbeauftragte sodann anstelle des Ausfuhrverantwortlichen als zentraler Ansprechpartner für Mitarbeiter, die er ständig hinsichtlich genereller Exportkontrollpflichten sowie diesbezüglicher Rechtsänderungen informieren und schulen muss.739 Die weitreichende Handlungsverantwortung des Exportkontrollbeauftragten müsste, um den Ausfuhrverantwortlichen möglichst wirkungsvoll zu entlasten und den Exportkontrollbeauftragten möglichst handlungsfähig zu machen, mit einer entsprechenden Entscheidungsverantwortung korrespondieren. Eine solche wird indessen überwiegend abgelehnt und stattdessen aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Unternehmenshierarchie die vollständige Weisungsabhängigkeit des Exportkontrollbeauftragten vom Ausfuhrver-

735  Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 113, 119; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428); Graf von Bernstorff, AW-Prax 2012, S. 110 (111); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307 (308); Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111); siehe dazu außerdem nachfolgend S.  274 ff. 736  Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (426 f.); siehe zu den Einzelheiten Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 103 ff. 737  Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428); Prieß/ Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111). 738  Vgl. Noll, Grenzen der Delegation, S. 235; siehe auch Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 98. 739  Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

antwortlichen gefordert.740 Die Rede ist vielmehr von einer Beratungsfunktion des Exportkontrollbeauftragten in Bezug auf die Entscheidungsverantwortung des Ausfuhrverantwortlichen. Der Exportkontrollbeauftragte dürfe den Ausfuhrverantwortlichen nicht nur bei der Durchführung des ICP unterstützen, sondern bereits bei dessen Ausarbeitung und sachlich-personellen Besetzung.741 Insbesondere dürften Konzepte zur Aufbau- und Ablauforganisation der Exportkontrolle, Mitarbeiterüberwachung, Mitarbeiterauswahl sowie Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen durch den Exportkontrollbeauftragten aufgestellt und dem Ausfuhrverantwortlichen vorgeschlagen werden.742 Allerdings müsse die abschließende Entscheidung über die tatsäch­ liche Durchführung des ICP stets beim Ausfuhrverantwortlichen verbleiben.743 Dieser Letztentscheidungskompetenz soll dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Exportkontrollbeauftragten zumindest ein unmittelbares Berichtsrecht eingeräumt wird, durch das er den Ausfuhrverantwortlichen jederzeit unverzüglich über aufgedeckte Risiken und Rechtsverstöße persönlich in Kenntnis setzen kann.744 Darüber hinaus wird flächendeckend die Einräumung eines sog. Stopprechts befürwortet.745 Als zivilrechtliche Handlungsbefugnis ermächtige dieses den Exportkontrollbeauftragten, Exporttransaktionen bei Gefahr im Verzug unterbinden zu können, um verbotene oder ungenehmigte Ausfuhren zu verhindern.746 Mit dem Stopprecht korrespondiere das Recht zur Freigabe von Ausfuhrvorgängen, sobald der innerbetriebliche Nachweis erbracht sei, dass die Ausfuhr rechtlich zulässig ist bzw. eine Ausfuhrgenehmigung vorliegt.747 740  Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 124; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428). 741  Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428); Prieß/ Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111). 742  Haellmigk, AW-Prax 2012, S. 83 (85); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307 (308); Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111). 743  Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111); Vorpeil, IWB 2012, S. 582 (587). 744  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 122; Schlegel/Cammerer, in: Umnuß, Checklisten, Kap. 4 Rn. 37; Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (83). 745  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 72; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 40; Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 104; Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 121; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307 (308); siehe zudem bereits Müller, Harmonisierte deutsche Exportkontrolle, S. 56. 746  Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 104; ausführlich auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 95; Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 99. 747  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14.



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Damit scheint der Ausfuhrverantwortliche dem Exportkontrollbeauftragten auf den ersten Blick einen Teil seiner Entscheidungsverantwortung übertragen zu dürfen. Schließlich kann der Exportkontrollbeauftragte unter Rückgriff auf das Stopprecht Ausfuhrvorgänge zumindest bei Gefahr im Verzug eigenständig hemmen oder ablaufen lassen. Auf den zweiten Blick soll das Stopp- bzw. Freigaberecht jedoch nicht die Weisungsbefugnis des Ausfuhrverantwort­ lichen gegenüber dem Exportkontrollbeauftragten infrage stellen. Vielmehr dient es gerade der Absicherung der Letztentscheidungskompetenz des Ausfuhrverantwortlichen, indem es dem Exportkontrollbeauftragten die notwendige Zeit verschafft, durch sein unmittelbares Berichtsrecht die Weisung des Ausfuhrverantwortlichen einzuholen.748 Das Stopp- bzw. Freigaberecht beseitigt damit also gerade nicht die Weisungsabhängigkeit des Exportkontrollbeauftragten, sondern unterstreicht diese. Die Delegationsmöglichkeiten des Ausfuhrverantwortlichen werden in der Genehmigungspraxis und im Schrifttum mithin auf die Handlungsverantwortung beschränkt. In Bezug auf die Entscheidungsverantwortung des Ausfuhrverantwortlichen kommt dem Exportkontrollbeauftragten lediglich eine Informations- und Beratungsfunktion zu. bb) Übereinstimmung mit der Delegation an den Compliance-Beauftragten Die anerkannten Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der innerbetrieblichen Exportkontrolle sind nahezu deckungsgleich mit den allgemeineren Anforderungen an die vertikale Delegation an einen Compliance-Beauftragten. Mangels einer gesetzlichen Regelung für den Exportkontrollbeauftragten, erfolgt dessen Bestellung grundsätzlich freiwillig749, weshalb es sich beim Exportkontrollbeauftragten letztlich um nichts anderes handelt, als um einen auf innerbetriebliche Exportkontrolle spezialisierten Compliance-Beauftragten.750

748  Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 40; siehe auch Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 124; ferner Fischer, Der Betriebsbeauftragte, S. 29 f. Kuhlen, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 71 (87, 89); Schulz/Renz, BB 2011, S. 2511 (2516). 749  Vgl. Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (56  f.). Etwas anderes gilt für die Betriebsbeauftragten des Umweltrechts, deren interne Bestellung gesetzlich vorgeschrieben ist, siehe dazu etwa Utz, Personale Reichweite, S. 242 ff. 750  Ebenso Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 116; Pfeil/Mertgen, Compliance im Außenwirtschaftsrecht, S. 200 f.; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (427); siehe auch Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 100, der auf die Möglichkeit hinweist, die Aufgaben des Exportkontrollbeauftragten einem Compliance-Beauftragten zu übertragen.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

Hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Compliance-Beauftragten existieren mittlerweile zahlreiche Abhandlungen. Insbesondere dessen Garantenstellung sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Garantenstellung der Geschäftsleitung beschäftigten seit dem oben dargestellten Obiter Dictum im BSR-Fall zahlreiche Autoren.751 Die vorgelagerte Frage nach den überhaupt durch die Geschäftsleitung vertikal delegierbaren Aufgaben bzw. Pflichten beantwortet die herrschende Auffassung analog zu den soeben dargestellten Grundsätzen im Exportkontrollrecht. Die Geschäftsleitung könne lediglich operative Organisations- und Überwachungsaufgaben – und damit die Handlungsverantwortung – auf den Compliance-Beauftragten übertragen; hinsichtlich der Entscheidungsverantwortung der Geschäftsleitung übernehme der Compliance-Beauftragte eine lediglich unterstützende bzw. beratende Funktion.752 Anerkannt sind ebenfalls bestimmte Veto- und Stopprechte für Gefahrenfälle.753 Ein eigenes Weisungsrecht – und damit die Weisungsunabhängigkeit des Compliance-Beauftragten von der Geschäftsleitung – wird indessen überwiegend abgelehnt.754 Die Gegenansicht755 verkenne die gesellschaftsrechtlich vorgeschriebene Rollenverteilung zwischen Geschäftsleitung und der darunter liegenden Führungsebene.756 Vertikale Delegation dürfe nicht zur Freizeichnung von der Legalitätspflicht als originärer Entscheidungsverantwortung der Geschäftsleitung führen.757 Dem ist zumindest insoweit zuzustimmen, als etwaige Weisungs- bzw. Stopprechte von Compliance-Beauftragten grundsätzlich nicht die gesell751  Zuvorderst Konu, Garantenstellung, S. 156 ff.; siehe zudem Noll, Grenzen der Delegation, S.  235 ff.; Utz, Personale Reichweite, S. 257 ff.; Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S.  139 ff.; Beulke, FS Geppert, S. 23 ff.; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (59); Warneke, NStZ 2010, S. 312 ff.; Wolf, BB 2011, S. 1353 ff. 752  Bürkle, in: ders./Hauschka, Compliance Officer, § 1 Rn. 21; ders., CCZ 2010, S.  4 (6 f.); Konu, Garantenstellung, S. 29 f.; 84; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (57). 753  Vgl. die Nachweise in Teil 3, Fn. 578. 754  Schulz/Galster, in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, § 5 Rn. 37; Konu, Garantenstellung, S.  83 f.; Kraft/Winkler, CCZ 2009, S. 29 (31); Krieger/Günther NZA 2010, S. 367 (371); Lösler, WM 2008, S. 1098 (1102); Raus/Lützeler, CCZ 2012, S. 96 (98); Spindler, WM 2008, S. 905 (911); zu den Parallelen im Recht der Betriebsbeauftragten des Umweltrechts Schall, FS Amelung, S. 287 ff. 755  Veil, WM 2008, S. 1093 (1098) unter Verweis auf die Anforderungen an Compliance-Beauftragte in Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV a. F.; ähnlich Harm, Compliance, S.  58 ff.; Dann/Mengel, NJW 2010, S. 3265 (3266); Meier-Greve, CCZ 2010, S. 216 (217 f.). 756  Konu, Garantenstellung, S. 83 f.; Rodewald/Unger, BB 2007, S. 1629 (1632); Spindler, WM 2008, S. 905 (911); Lösler, WM 2008, S. 1098 (1102). 757  Ähnlich die Argumentation im sog. Neubürger-Fall, siehe LG München I, NZWiSt 2014, S. 183 ff.; siehe zudem Schmidt-Salzer, NJW 1988, S. 1937 (1941); Wolf, BB 2011, S. 1353 (1356); eingehend auch Huff, Freizeichnung, S.  121 ff.



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte253

schaftsrechtlich abgesicherte Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsleitung in Frage stellen können.758 Selbst wenn also einem Compliance- bzw. Exportkontrollbeauftragten gewisse Weisungsrechte gegenüber Mitarbeitern eingeräumt werden, führt dies nicht zu dessen Weisungsunabhängigkeit gegenüber der Geschäftsleitung. Als taugliches Werkzeug, das der Handlungsverantwortung des Compliance-Officers eher entsprechen soll, wird daher überwiegend das sog. Eskalationsrecht angesehen.759 Dieses bezeichnet das auch für den Exportkontrollbeauftragten anerkannte unverzügliche Berichtrecht des Compliance-Beauftragten über neue Erkenntnisse unmittelbar an die Geschäftsleitung.760 Die Aufgabe des Compliance-Beauftragten liegt damit in der Sachverhaltsaufklärung, -bewertung und Mitteilung, nicht aber in der selbstständigen Einleitung von finalen Gegenmaßnahmen oder gar Sanktionen.761 Die Erteilung entsprechender Weisungen obliegt nach wie vor der Geschäftsleitung als deren originäre Entscheidungsverantwortung.762 Der Compliance-Beauftragte leitet daher – wie der Exportkontrollverantwortliche – typischerweise keine Letztentscheidungskompetenz von der Geschäftsleitung ab. Die Gestaltungsmöglichkeiten bei der vertikalen Delegation von Aufgaben des Risikomanagements sind daher auf die Übertragung von Handlungsverantwortung beschränkt. b) Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes Offen bleibt bisher allerdings, ob die Übertragung von Handlungsverantwortung auf den Compliance- bzw. Exportkontrollbeauftragten zur primären Garantenhaftung bei diesem – und damit gleichzeitig zur sekundären Garantenhaftung des Ausfuhrverantwortlichen – führt. Die Ausführungen im Rahmen der horizontalen Delegation haben gezeigt, dass die tatsächliche, freiwillige Übernahme eines Organisationskreises durch den Delegaten insoweit zur Haftungsbegrenzung des Delegierenden führt, als er in berechtigter Weise 758  Siehe

die Nachweise in Teil 3, Fn. 579. in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, §  5 Rn.  29  ff.; Konu, Garantenstellung, S. 84; Utz, Personale Reichweite, S. 254; Rolshoven/Hense, BKR 2009, S. 425 (427); Lösler, WM 2008, S. 1098 (1104); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (57); vgl. auch Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (86). 760  Schulz/Galster, in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, § 5 Rn. 29; Konu, Garantenstellung, S. 84; Kraft/Winkler, CCZ 2009, S. 29 (31); Lackhoff/Schulz, CCZ 2010, S. 81 (87); Lösler, WM 2008, S. 1098 (1102); Rieder, FS Goette, S. 413 (419); Spindler, WM 2008, S. 905 (911). 761  Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrecht, § 109 Rn. 108; Utz, Personale Reichweite, S. 254 f.; Kraft/Winkler, CCZ 29 (31). 762  Utz, Personale Reichweite, S. 255; Wolf, BB 2011, S. 1353 (1356). 759  Schulz/Galster,

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

auf die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung vertrauen darf. Dies ist erst dann nicht mehr der Fall, wenn der Delegierende die Unzuverlässigkeit des Delegaten kennt oder zumindest kennen muss. Bei horizontaler Delegation wandeln sich daher originäre Handlungs- und Entscheidungspflichten in rudimentäre Kontroll- und Informationspflichten. Die verbleibenden Pflichten des Delegierenden werden als sekundäre Garantenpflichten bezeichnet, während den Delegaten die primäre Garantenhaftung für Rechtsverstöße im von ihm übernommenen Organisationskreis trifft. Diese Grundsätze lassen sich, wie gezeigt, insbesondere auf das Verhältnis des Ausfuhrverantwortlichen zu den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern übertragen. Fraglich ist allerdings, ob dies auch bei vertikaler Delegation – und damit im Verhältnis des Ausfuhrverantwortlichen zu seinen Angestellten, insbesondere dem Exportkontrollbeauftragten – Geltung beanspruchen kann. Die Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend von der Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes auf die vertikale Delegation von Aufgaben in Unternehmen ab. Durch seine Doppelfunktion könnte der Vertrauensgrundsatz hier – wie im Rahmen der horizontalen Delegation – sowohl be- als auch entlastende Wirkung entfalten. Hinsichtlich der Anwendbarkeit besteht allerdings Uneinigkeit. Nach einer Auffassung im Schrifttum soll dem Vertrauensgrundsatz bei vertikaler Delegation in Unternehmen keine Anwendung finden.763 Es fehle an der Gleichberechtigung von Delegierenden und Delegaten als Grundvoraussetzung für die Geltung des Vertrauensgrundsatzes.764 Teilnehmer am Straßenverkehr, gemeinsam operierende Fachärzte oder Geschäftsleitungsmitglieder eines Unternehmens verfügten – zumindest in der Theorie – über die gleichen Kompetenzen und seien den gleichen Regeln unterworfen.765 Es bestehe kein Über- und Unterordnungsverhältnis.766 Anders liege dies jedoch im Fall eines Kompetenzgefälles. Verfüge der Delegierende über mehr rechtliche Befugnisse als der Delegat sowie gegenüber Letztgenanntem über einen Informationsvorsprung, dürfe der Delegierende nicht ohne Weiteres auf die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch den Delegaten vertrauen.767 Der Delegat könne der übertragenen Verantwortung 763  Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 200; Herzberg, Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 171 f.; unter Verweis auf die dort dominierende pflichtenbegründende Funktion wohl auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 386 ff. 764  Vgl. Bosch, Organisationsverschulden, S.  386; m.  w.  Nachw.; zum Ganzen auch Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (220 ff.). 765  Siehe Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 232; Bosch, Organisationsverschulden, S. 386; Konu, Garantenstellung, S. 187. 766  Vgl. BGH NJW 1998, S. 1802 (1803); siehe auch Konu, Garantenstellung, S. 187. 767  Vgl. in Bezug auf das Verhältnis von Geschäftsleitung und Compliance-Beauftragten Berndt, StV 2009, S. 687 (691); Schwarz, wistra 2012, S. 13 (16 f.).



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte255

in Gefahren- bzw. Krisensituationen nämlich schon nicht in gleicher Weise gerecht werden, wie der Delegierende. Dies werde durch die Vorschrift in § 130 OWiG bestätigt, aus der sich kein Prinzip des Vertrauens, sondern ein Prinzip des Misstrauens des Betriebsinhabers gegenüber seinen Mitarbeitern ergebe.768 Gegen diese Ansicht sprechen allerdings nach überwiegender Auffassung die volkswirtschaftlichen Vorteile arbeitsteiliger Kooperation, weshalb der Vertrauensgrundsatz daher infolge einer Interessenabwägung nicht nur im horizontalen, sondern auch im vertikalen Delegationsverhältnis Geltung beansprucht.769 So wie es den Arbeitnehmern nicht zumutbar ist, jede Anweisung zu hinterfragen, ist es dem Vorgesetzten nicht zuzumuten, jede Delegation derart umfangreich abzusichern, dass sie infolge ihrer Komplexität den wirtschaftlichen Wert verliert.770 Für den Vertrauensgrundsatz muss also auch bei vertikaler Delegation ein gewisser Anwendungsbereich bestehen. Gegen ein „Prinzip des Misstrauens“ spricht darüber hinaus, dass ein Betriebsklima der gegenseitigen Überwachung den Betriebsfrieden stört und die Eigeninitiative der Mitarbeiter hemmt.771 Dem ist hinzuzufügen, dass mit Blick auf das übertragene Risikomanagement nicht notwendigerweise ein Kompetenzgefälle zwischen der Geschäftsleitung und den von ihr Beauftragten besteht, wie von den Vertretern der Gegenansicht behauptet. Dies gilt zumindest hinsichtlich des angeführten Informationsvorsprungs. Wird einem Mitarbeiter ein bestimmter Organisa­ tionskreis übertragen, geschieht dies in der Regel zum einen, um in diesem einen höheren Grad der Spezialisierung zu erreichen und zum anderen, um die eigene Expertise unter Kapazitäts- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten möglichst gering halten zu können.772 Konsequent wird der Delegat auf der Ebene des mittleren Managements aufgrund seiner täglichen Befassung mit der Regelungsmaterie im übernommenen Organisationskreis sowie der fakti768  Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 200; siehe auch Herzberg, Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 172 f.; Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (221, 223). 769  Bock, Criminal Compliance, S. 707 ff.; Dous, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S.  156 ff.; Konu, Garantenstellung, S. 189 ff.; Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S.  418 ff.; Schmucker, Dogmatik, S. 214; Deutscher/Körner, wistra 1996, S. 327 (330); Kraatz, JR 2009, S. 182 (187); zum Ganzen auch Bautista Pizarro, Das erlaubte Vertrauen, S.  189 ff. 770  Bock, Criminal Compliance, S. 707; Bussmann/Matschke, CCZ 2009, S. 132 (137). 771  BGH wistra 1982, S. 222 (223); Bock, Criminal Compliance, S. 709; Bussmann/Matschke, CCZ 2009, S. 132 (137); vgl. auch Bosch, Organisationsverschulden, S.  19 f. 772  Konu, Garantenstellung, S. 54; Renzikowski, StV 2009, S. 443; Schlüchter, FS Salger, S. 139 (160 f.); siehe auch Bautista Pizarro, Das erlaubte Vertrauen, S. 179.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

schen Sachnähe sogar zumeist einen höheren Kenntnisstand hinsichtlich der internen Abläufe vorweisen als der Delegierende. Differenziert werden muss freilich zwischen verlässlichen Mitarbeitern mit langjähriger Erfahrung und neueingestellten Mitarbeitern mit noch geringer Sach- und Rechtskunde.773 So hat der BGH etwa den Vertrauensgrundsatz zwar im Verhältnis zweier erfahrener Ärzte gleicher Fachrichtungen anerkannt, nicht aber im Verhältnis des Facharztes zu einem unerfahrenen Assistenzarzt, dem einschlägige ärzt­ liche Fortbildungen fehlten.774 Dass der Betriebsinhaber jedoch gewissermaßen als Patriarch gegenüber seinen Angestellten per se über eine Art Herrschaftswissen verfügt, entspricht nicht (mehr) der Unternehmenswirklichkeit; vielmehr sind Führungspositionen des mittleren Managements heutzutage regelmäßig mit zahlreichen hochqualifizierten Spezialisten besetzt sind.775 Die durch die Handlungsverantwortung bedingte Sachnähe zu den Risiken im entsprechenden Ressort gewährleistet den unmittelbaren Zugang zu Informationen.776 Werden Risikoanalyse und Risikobewertung als operative Aufgaben an einen Compliance- bzw. Exportkontrollbeauftragten delegiert, liegt es in der Natur der Sache, dass Letztgenannter im Unternehmen als Erster sowie am besten über die betreffenden Risiken Bescheid weiß.777 Der Informationsvorsprung hinsichtlich der Anforderungen an das innerbetriebliche Risikomanagements wird daher häufig eher beim Compliance- bzw. Exportkontrollbeauftragten als bei der Geschäftsleitung bzw. dem Ausfuhrverantwortlichen liegen.778 Damit verbleibt einzig der Einwand des Kompetenzgefälles aufgrund zumeist fehlender rechtlicher Entscheidungsbefugnisse des Delegaten. Wie dargestellt, verfügen Compliance- bzw. Exportkontrollbeauftragte regelmäßig zumindest insoweit über kein eigenes Weisungsrecht, als sie unternehmerische Entscheidungen nur in Absprache mit der geschäftsführungsbefugten Geschäftsleitung treffen können. Vielmehr wird, wie ebenfalls dargestellt, überwiegend nur von einem Berichts- oder Eskalationsrecht auszugehen sein, 773  Siehe etwa von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 45; Dannecker, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 5 Rn. 61; Schmid/Friedrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 146; Ale­ xander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 238; Bock, ZIS 2009, S. 68 (78); Schlüchter, FS Salger, S. 139 (160 f.). 774  Siehe die Nachweise in Teil 3, Fn. 655. 775  Vgl. Bosch, Organisationsverschulden, S. 389; ausführlich auch Eidam, in: ders., Unternehmen und Strafe, Vorbemerkung Kap. 1. 776  Warneke, NStZ 2010, S. 312 (316); Wolf, BB 2011, S. 1353 (1358). 777  Rodewald/Unger, BB 2007, S. 1629 (1631 f.). 778  Vgl. Utz, Personale Reichweite, S. 259; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (58); Wolf, BB 2011, S. 1353 (1358); vgl. zur Paralleldiskussion zu den gesetzlichen Betriebsbeauftragten Conrad, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, IT- und Datenschutzrecht, § 33 Rn. 146; Busch/Iburg, UmweltStR, S.  106 ff.; Böse, NStZ 2003, S. 636 (640).



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das allenfalls mit einem vorübergehenden Stopprecht korrespondiert, um dem Compliance- bzw. Exportkontrollbeauftragten genügend Zeit für die Information und Eskalation der Geschäftsleitung zu verschaffen. Erst die Geschäftsleitung entscheidet dann auf der Grundlage des Berichts über die einzuleitenden Maßnahmen. Macht der Exportkontrollbeauftragte von seinem Stopprecht Gebrauch, unterbindet dies zwar faktisch den Ausfuhrvorgang; entscheidet sich der Ausfuhrverantwortliche jedoch trotz der Risikoanalyse des Exportkontrollbeauftragten für die Ausfuhr, „überstimmt“ er den Exportkontrollbeauftragten kraft seiner gesellschaftsrechtlich überlegenen Weisungskompetenz.779 Demgemäß kann der Ausfuhrverantwortliche aufgrund der fehlenden Letztentscheidungsbefugnis des Compliance- bzw. Exportkontrollbeauftragten auch nicht darauf vertrauen, dass Letztgenannter eine verbotene oder ungenehmigte Ausfuhr selbst endgültig verhindert und nicht nur vorübergehend stoppt. Zumindest insoweit beherrscht zwar der Ausfuhrverantwortliche, nicht aber der Exportkontrollbeauftragte die Gefahrenquelle „Ausfuhr“.780 Bestehen dagegen aus Sicht des Ausfuhrverantwortlichen keine Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit seines Exportkontrollbeauftragten, muss er unter Kapazitäts- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten darauf vertrauen dürfen, dass der Exportkontrollbeauftrage – freilich im Rahmen seiner eigenen individuellen Kapazität und Zumutbarkeit – ordnungsgemäß der ihm übertra­ genen Handlungsverantwortung nachkommt. Insbesondere muss er auf die pflichtgemäße Ausübung des eingeräumten Berichtsrechts vertrauen dürfen.781 Das Berichtsrecht schlägt die Brücke zwischen dem regelmäßigen Informationsvorsprung des sachnäheren Exportkontrollbeauftragten und dem Informationsdefizit des Ausfuhrverantwortlichen, der infolge der Delegation nicht mehr am operativen Tagesgeschäft der Exportkontrolle teilnimmt. Das Berichtsrecht wandelt sich mithin infolge des Aufdeckens von mitteilungs­ bedürftigen Risiken aus gesellschaftsrechtlicher Sicht in eine Berichts­ 779  Siehe

dazu die Nachweise in Teil 3, Fn. 758. Konu, Garantenstellung, S. 194 mit berechtigtem Hinweis auf die daher viel zu pauschale Annahme des BGH im BSR-Fall, es sei die notwendige Kehrseite der gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße zu unterbinden, siehe BGH NStZ 2009, S. 686 (688); ähnlich Berndt, StV 2009, S. 689 (691); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (58). Fehlende Entscheidungsbefugnisse bzw. ein eigenes Weisungsrecht werden auch als Argument gegen die Garantenstellung der Betriebsbeauftragten des Umweltrechts angeführt, siehe Arndt, Der Betriebsbeauftragte, S.  165 ff.; Wendler, Haftung der Betriebsbeauftragten, S. 340 ff.; Böse, NStZ 2003, S. 636 (639). 781  Vgl. Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 31; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 48, 51; Böse, NStZ 2003, S. 636 (640); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (59); Warneke, NStZ 2010, S. 312 (316). 780  Vgl.

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

pflicht des Exportkontrollverantwortlichen gegenüber dem Ausfuhrverantwort­ lichen.782 Die Herrschaft des Exportkontrollbeauftragten über die Gefahrenquelle „Ausfuhr“ wird also durch dessen Informationsvorsprung bestimmt, der grundsätzlich nur durch dessen Berichtspflicht an den Ausfuhrverantwort­ lichen nivelliert werden kann.783 Ob es zu dieser Nivellierung kommt, liegt aufgrund der Berichtspflicht zwar nicht im Ermessen des Exportkontrollbeauftragten, hängt aber von dessen ordnungsgemäßer Risikoanalyse und Risikobewertung ab. Zum Kompetenzgefälle zwischen dem Exportkontrollbeauftragten und dem Ausfuhrverantwortlichen kommt es daher zwar hinsichtlich der finalen Weisungskompetenz, nicht aber hinsichtlich der Koordination des vorgelagerten Informationsflusses.784 Der Exportkontrollbeauftragte hat damit zwar keine gesellschaftsrechtliche Möglichkeit, Rechtsverstöße selbst mit Letztentscheidungskompetenz zu verhindern, er bereitet die Verhinderungsmöglichkeit jedoch ganz entscheidend vor. Auf die Ausübung dieser Herrschaftsmacht des Exportkontrollbeauftragten muss der Ausfuhrverantwortliche infolge der Einräumung des Berichtsrechts mit Blick auf eine wirtschaftlich sinnvolle Arbeitsteilung grundsätzlich vertrauen dürfen. Der Exportkontrollbeauftragte ist damit immerhin innerhalb des ihm konkret übertragenen Organisationskreis primär garantenpflichtig.785 Der Vertrauensgrundsatz beansprucht bei der vertikalen Delegation des Ausfuhrverantwortlichen an den Exportkontrollbeauftragten folglich insoweit Geltung, als die vom Exportkontrollbeauftragte übernommene Handlungsverantwortung sowie das Berichtsrecht betroffen sind. c) Umfang der Restverantwortung Wie schon bei der horizontalen Delegation stellt sich auch im Rahmen der vertikalen Delegation schließlich die Frage, wie weit die Restverantwortung der Geschäftsleitung infolge der Delegation reicht. Die Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes müsste – analog zur horizontalen Delegation – einer782  So in Bezug auf das Berichts- bzw. Eskalationsrecht des Compliance-Beauftragten Konu, Garantenstellung, S. 195; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (59). 783  Im Ergebnis ähnlich Konu, Garantenstellung, S. 195; siehe auch Bauer/Wißmann, FS Schiller, S. 15 (25 f.); Dannecker/Dannecker, JZ 2010, S. 981 (990); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (59); kritisch allerdings Warneke, NStZ 2010, S. 312 (316), der jedoch die entscheidende Rolle der Berichtspflicht des Compliance-Beauftragten außer Acht lässt. 784  Vgl. Konu, Garantenstellung, S. 196 f., der von „Informationssteuerungsherrschaft“ oder „Informationsorganisationsherrschaft“ spricht. 785  So in Bezug auf die Beauftragten des Umweltrechts Schall, FS Amelung, S. 287 (290).



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seits zur primären Garantenhaftung des Delegaten für Rechtsverstöße im tatsächlich, freiwillig übernommenen Organisationskreis sowie andererseits zur sekundären Garantenhaftung des Delegierenden im Fall von Anhaltspunkten für die Unzuverlässigkeit des Delegaten führen. Dennoch findet sich verbreitet die Auffassung, durch vertikale Delegation könne sich die Geschäftsleitung nicht von ihrer originären Leitungsaufgabe des Risikomanagements freizeichnen. Compliance sei „Chefsache“, genau wie Exportkontrolle „Chefsache“ sei.786 Derartige Allgemeinplätze stehen indessen keineswegs im Widerspruch zu den bisherigen Untersuchungsergebnissen. Ausgehend vom gegenwärtigen Standpunkt verbleibt dem Ausfuhrverantwortlichen aufgrund seiner Weisungsbefugnis gegenüber dem Exportkontrollbeauftragten die Entscheidungsverantwortung hinsichtlich der innerbetrieblichen Exportkontrolle. Entscheidungen über die Organisation, personelle Besetzung, Überwachung, und Weiterbildung innerhalb der innerbetrieblichen Exportkontrolle trifft grundsätzlich der Ausfuhrverantwortliche mit Letztentscheidungskompetenz. Auf der Grundlage dieser Entscheidungen ermittelt der Exportkontrollbeauftragte sodann die bestehenden Risiken und berichtet über diese unverzüglich sowie unmittelbar an den Ausfuhrverantwortlichen. Die Exportkontrolle bleibt damit infolge der vertikalen Delegation insoweit „Chefsache“, als es um die beim Ausfuhrverantwortlichen verbleibende Entscheidungsverantwortung geht. Dieses Organisationskreises kann er sich als Geschäftsleitungsmitglied, wie dargelegt, tatsächlich nicht durch vertikale Delegation entledigen. Innerhalb seiner nicht delegierbaren Entscheidungsverantwortung kontrolliert der Ausfuhrverantwortliche kraft seines Weisungsrecht die Gefahrenquelle „Ausfuhr“ und haftet nach den oben genannten Grundsätzen über die tatsächliche, freiwillige eines Organisationskreises als primärer Garant. Insoweit allerdings, als durch die vertikale Delegation die Handlungsverantwortung auf den Exportkontrollbeauftragten übergeht, wird dieser Aufgabenbereich aus dem Organisationskreis des Ausfuhrverantwortlichen ausgegliedert und stattdessen vom Exportkontrollbeauftragten übernommen. Die originäre Garantenpflichten „wandern“ also mit der vertikalen Delegation.787 Korres786  In Bezug auf Compliance im Allgemeinen beispielsweise Fleischer, CCZ 2008, S. 1 (3); ders., NZG 2014, S. 321 (323); Lösler, WM 2007, S. 676 (679); Schneider, ZIP 2003, S. 645 (647); in Bezug auf Exportkontrolle z. B. BAFA, ICPMerkblatt, S. 4; Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 239; ders./Sinnwell, DWiR 1991, S. 133 (135); Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 748; Schlegel/ Cammerer, in: Umnuß, Checklisten, Kap. 4 Rn. 18; Kochendörfer/Pietsch, AW-Prax 2018, S, 97 (99); Merz, FS Wolffgang, S. 83 (108); Vorpeil, IWB 2012, S. 582 (583). 787  Vgl. BGH NStZ 2002, S. 421 (423); Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 60; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 108; Bosch, Organisationsverschulden, S. 379; siehe auch Lackhoff/Schulz, CCZ 2010, S. 81 (84).

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Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

pondierend entsteht bei diesem eine Berichtspflicht hinsichtlich der von ihm aufgedeckten Risiken. Aufgrund der prinzipiellen Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes wird die Garantenhaftung des Ausfuhrverantwortlichen indessen nur insoweit beschränkt, als sein Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Exportkontrollbeauftragten berechtigt ist. Der Vertrauensgrundsatz schafft insoweit, wie ebenfalls schon herausgearbeitet, sekundäre Garantenpflichten im Sinne einer Restverantwortung.788 Was der Ausfuhrverantwortliche im Einzelnen tun muss, um auf die Zuverlässigkeit seiner Mitarbeiter vertrauen zu dürfen, hängt von den individuellen Exportrisiken des betreffenden Unternehmens ab. Angesprochen ist hierdurch nicht die abstrakte Garantenstellung („Ob“), sondern die konkrete Garantenpflicht („Wie“) des Ausfuhrverantwortlichen.789 Einen Mindeststandard für Maßnahmen zur Konturierung der vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen setzen zwar die Ausfuhrbehörden, namentlich Bundesregierung und BAFA, durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt. Deren Einfluss auf strafrechtliche Verantwortlichkeit wird jedoch noch ausführlich im Rahmen der Besonderen Ausfuhrverantwortlichkeit (Teil 4) erörtert. Vorweggenommen werden kann allerdings bereits an dieser Stelle, dass der Ausfuhrverantwortliche, so er sich für die vertikale Delegation an einen Exportkontrollbeauftragten entscheidet, diesen zumindest besonders sorgfältig auswählen muss.790 Die Funktion verlangt sowohl nach einem erheblichen technischen Sachverstand hinsichtlich der exportierten Güter als auch nach betriebswirtschaftlichen und juristischen Kenntnissen, Erfahrung im Bereich der Zollabwicklung, EDV-Kenntnissen, Sprachkenntnissen, Kenntnissen der Exportmärkte des Unternehmens, Führungs- und Durchsetzungsvermögen sowie das analytische Verständnis für die Definition und Strukturierung innerbetrieblicher Exportabläufe.791 Hinzu tritt die Pflicht, sich durch sachdienliche Maßnahmen zu vergewissern, dass der Exportkontrollbeauftragte seiner Kernpflicht zur Risikoanalyse, Risikobewertung und Informationsweitergabe nachkommt.792 Eine umfassende Aufsicht über jeden einzelnen Arbeitsschritt des Exportkontrollbeauftragten kann, um den wirt788  Ähnlich Schall, FS Amelung, S. 287 (294) mit Blick auf das Verhältnis des Betriebsbeauftragten im Umweltrecht zum Betriebsinhaber. 789  Vgl. Noll, Grenzen der Delegation, S. 239; zu dieser Differenzierung bereits S.  183 ff. 790  So auch Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 113; Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 98; Billig, in: Ehlers/ Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (427); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307 (308). 791  Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 115. 792  Vgl. Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (59); Wittig, in: Krajewski/Oehm/ Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (209 f.).



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte261

schaftlichen Wert der Delegation zu erhalten, freilich nicht zumutbar sein. Anerkannt sind vielmehr – freilich abhängig vom Qualifikationsgrad des Exportkontrollbeauftragten – stichprobenhafte, überraschende Kontrollen.793 Allerdings kann die Anordnung umfassender Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich werden, wenn es zu einer entsprechenden Änderung der Rechtslage kommt.794 Die Zumutbarkeit setzt den Aufsichtsmaßnahmen aber auch hier eine natürliche Grenze. Einschränkend wird zudem sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum das Kriterium des sog. Betriebsbezugs angewendet.795 Analog zu §§ 9, 130 OWiG, 14 StGB wird hiernach auch im Rahmen des § 13 StGB ein innerer Zusammenhang zwischen dem begangenen Rechtsverstoß und der betrieblichen Betätigung gefordert.796 Betriebsbezogen seien nur solche Taten, durch die sich Gefahren verwirklichten, die der Betrieb und die in diesem im ­Rahmen durchgeführten Arbeiten mit sich brächten.797 Der Betriebsbezug schließe in erster Linie eine Haftung für rechtswidrige Taten aus, die lediglich bei Gelegenheit, also ohne inneren Zusammenhang zu der im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu erbringenden Tätigkeit, begangen werden.798 Ausgenommen werden soll die Einstandspflicht für Taten, die nicht in den Verantwortlichkeitsbereich des betreffenden Geschäftsherrn fallen.799 Dass die Feststellung des inneren Zusammenhangs allerdings mitunter Schwierigkeiten bereiten kann, zeigt anschaulich der Mobbing-Fall800. Für diesen ent793  Siehe

noch S. 292 f. S.  299 ff. 795  Aus der Rechtsprechung beispielsweise jüngst BGH BeckRS 2018, 2975; zuvor bereits BGH NStZ 2012, S. 142 (143); siehe zudem bereits OLG Karlsruhe GA 1971, S. 281 (283); aus dem Schrifttum Fischer, StGB, § 13 Rn. 68, 70; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 14; Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 32; Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 23; Merz, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 39; Roxin, Strafrecht AT/II, § 32 Rn. 141; Bosch, Organisationsverschulden, S. 341 ff.; Bottke, Haftung, S. 68; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  154 ff.; ders., NZWiSt 2012, S.  176 ff.; Noll, Grenzen der Delegation, S. 66 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S.  105 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S.  136 ff.; Hernández Basualto, FS Frisch, S.  333 ff.; Nietsch, CCZ 2013, S. 192 (193 f.); Rogall, ZStW 98 (1986), S. 573 (619); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (56); Schulze, NJW 2014, S. 3484 (3486); Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (210 f.). 796  Siehe nur Bülte, NZWiSt 2012, S. 176 (177). 797  So beispielsweise OLG Karlsruhe GA 1971, S. 281 (283). 798  BGH NStZ 2012, S. 142 (143); siehe auch Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 89. 799  Zum Verhältnis des Kriteriums des Betriebsbezugs zum Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit Mansdörfer/Trüg, StV 2012, S. 432 (435 f.). 800  Siehe bereits S. 217 ff. 794  Dazu

262

Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

schied der BGH, dass der Vorarbeiter eines Baubetriebs für die Schikanen der ihm unterstellten Mitarbeiter nicht einstehen muss, weil er weder arbeitsvertraglich zum Schutz des Schikanierten verpflichtet war, noch ein innerer Zusammenhang zwischen den Schikanen und der eigentlichen Betriebstätigkeit vorlag.801 Etwas anderes sei allenfalls bei einer entsprechenden „Firmenpolitik“ denkbar, etwa wenn ein unliebsamer Mitarbeiter zum Verlassen des Unternehmens bewegt werden soll oder wenn die im Betrieb eingeräumten arbeitstechnischen Machtbefugnisse ausgenutzt werden.802 Eine hinreichende Konkretisierung hat das Kriterium des Betriebsbezug dadurch freilich noch nicht erfahren, weil durch das Abstellen auf die „Firmenpolitik“ die Grenze zwischen betriebsbezogenen und gelegentlichen Straftaten gerade zu verschwimmen droht.803 Eine eingehendere Befassung mit dem Kriterium des Betriebsbezugs muss an dieser Stelle allerdings unterbleiben, weil dieses für den Ausfuhrverantwortlichen als solchen ohnehin zu keiner erwähnenswerten Beschränkung des Haftungsumfangs beiträgt. Verstöße von Mitarbeitern gegen das Exportkontrollrecht weisen regelmäßig den für den Betriebsbezug erforderlichen inneren Zusammenhang mit dem durch den Ausfuhrverantwortlichen übernommen Organisationskreis auf.804 Der Ausfuhrverantwortliche wird gerade zur Verhinderung von Verstößen gegen exportrelevante Bestimmungen „auf Posten gestellt“. Die betriebliche Tätigkeit des von ihm übernommenen Ressorts ist damit ausgerechnet auf das Risikomanagement im Bereich interne Exportkontrolle gerichtet. Ausfuhrverstöße gehen typischerweise auf fahrlässige Arbeitsfehler oder die gezielte Umgehung von Beschränkungen zur Profitsteigerung des eigenen Unternehmens zurück. Unerlaubt ausgeführt werden zugleich die Güter des Unternehmens, sodass bei Ausfuhrverstößen regelmäßig die Unternehmensstrukturen ausgenutzt werden. In jedem Fall besteht ein Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit.

801  BGH

NStZ 2012, S. 142 (143). NStZ 2012, S. 142 (143). 803  So Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 53; Jäger, JA 2012, S. 392 (394); zu den noch offenen Fragestellungen zudem Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 155 ff.; insgesamt kritisch auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 341 ff. 804  Illegale Waffenexporte durch Rüstungsunternehmen werden auch von Kühl, Strafrecht AT, § 18 Rn. 118a unter „betriebsbezogene Straftaten“ gefasst; so zudem das schweizerische Bundesgericht BGE 96 IV 155, S. 156 (174 f.) (sog. Bührle-Fall); bestätigt durch BGE 105 IV 172, S. 173 (176 ff.); siehe dazu ausführlich auch Mansdörfer, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 13 StGB Rn. 25; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  160 ff.; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, S. 53 (56 Fn. 27 m. w. Nachw.). 802  BGH



B. Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte263

d) Zwischenergebnis Der Ausfuhrverantwortliche kann die Aufgaben der operativen Exportkontrolle an seine Mitarbeiter delegieren. Das Risikomanagement kann insbesondere durch einen Exportkontrollbeauftragten bewerkstelligt werden. Hierbei handelt es sich um einen auf innerbetriebliche Exportkontrolle spezialisierten Compliance-Beauftragten. Ihm wird typischerweise die Handlungsverantwortung, nicht aber die Entscheidungsverantwortung übertragen. Damit verfügt der Exportkontrollbeauftragte über kein eigenes finales Weisungsrecht im Sinne einer Geschäftsführungsbefugnis; ihm wird allerdings typischerweise ein unmittelbares Berichtsrecht eingeräumt, um den Ausfuhrverantwortlichen über Risiken und Rechtsverstöße unverzüglich in Kenntnis setzen zu können, damit dieser sodann entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten kann. Der regelmäßige Informationsvorsprung sowie die Koordination des Informationsflusses verschaffen dem Exportkontrollbeauftragten – zumindest innerhalb des konkret von ihm übernommenen Aufgabenkreises – die Herrschaft über die Gefahrenquelle „Ausfuhr“. Es besteht insoweit mithin kein Kompetenzgefälle zwischen ihm und dem Ausfuhrverantwortlichen, was nach den Grundsätzen über die horizontale Delegation auch im Bereich der vertikalen Delegation die Anwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes zulässt. Die vertrauensbegründende tatsächliche, freiwillige Übernahme der operativen Exportkontrolle bildet zugleich die Grundlage für eine primäre Garantenstellung des Exportkontrollbeauftragten für die Gewährleistung der Umsetzung und Durchführung des ICP sowie die Information des Ausfuhrverantwortlichen. Für diese Haftungsentlastung des Ausfuhrverantwortlichen besteht jedoch nur dort Raum, wo sein Vertrauen in den Exportkontrollbeauftragten berechtigt ist. Die originären Handlungspflichten des Ausfuhrverantwortlichen hinsichtlich der innerbetrieblichen Exportkontrolle wandeln sich daher in Aufsichtspflichten. Diese umfassen die sorgfältige Auswahl, Einarbeitung, Schulung und Weiterbildung des Exportkontrollbeauftragten. Zudem muss dessen ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch geeignete Kontrollmaßnahmen sichergestellt werden. Aufgrund der pflichtbegründenden Wirkung des Vertrauensgrundsatzes wird der Ausfuhrverantwortliche durch die vertikale Delegation folglich keineswegs von seiner Garantenhaftung frei. Die erforderliche Aufsicht findet dabei ihre Grenze in der individuellen Zumutbarkeit. Damit ergibt sich für den Ausfuhrverantwortlichen, wie schon im Rahmen der horizontalen Delegation, keine Besonderheit gegenüber der allgemeinen Garantenhaftung von Geschäftsleitungsmitgliedern, die das interne Risikomanagement an einen Compliance-Beauftragen übertragen.

264

Teil 3: Allgemeine Ausfuhrverantwortlichkeit

C. Ergebnisse – Teil 3 Ein ganz erheblicher Bestandteil der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen lässt sich durch die Ausfuhrdelikte gemäß §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV, 19 ff. KWKG, ergänzt durch den Allgemeinen Teil des StGB, abbilden. Die allgemeine – da unabhängig von der formellen Benennung des Ausfuhrverantwortlichen für prinzipiell jedes Geschäftsleitungsmitglied gleichermaßen bestehende – Ausfuhrverantwortlichkeit erstreckt sich sowohl auf die Verantwortlichkeit für vorsätzliche Begehungsdelikte als auch auf die Verantwortlichkeit für vorsätzliche Unterlassungsdelikte. Im Rahmen der Begehungsdelikte wurde eingangs aufgeworfen, dass sich aufgrund des faktischen Auseinanderfallens von Handlungs- und Entscheidungsverantwortung beim Ausfuhrvorgang eigentlich zahlreiche Zurechnungsdefizite ergeben müssten. Als Kernproblem wurde das am legaldefinierten Begriff der Ausfuhr gemäß § 2 Abs. 3 AWG, Art. 2 Nr. 2 Dual-­ Use-VO ausgerichtete Tatverhalten der Ausfuhrdelikte ausgemacht, das als Vollendungszeitpunkt den physisch-reale Grenztransfer der Rüstungsgüter voraussetzt und damit eine Handlungsverantwortung beschreibt, die typischerweise auf niedrigeren Hierarchieebenen eines Unternehmens angesiedelt ist. Die Zurechnung der unerlaubten Ausfuhr an den Ausfuhrverantwortlichen als Geschäftsleitungsmitglied würde daher eigentlich stets den Rückgriff auf §§ 25 ff. StGB erforderlich machen. Die dortigen Zurechnungsvorschriften sind indessen nicht passgenau auf die arbeitsteilige Kooperation unterschiedlicher Hierarchieebenen in Unternehmen zugeschnitten. Zur Bewältigung der Zurechnungsdefizite wurde daher das in Rechtsprechung und Schrifttum erstellte Zurechnungskonzept der sog. Organisationsdelikte ausfindig gemacht und weiter ausgearbeitet. Für die Tatbestandsmäßigkeit der Ausfuhrdelikte genügt es danach bereits, dass der Ausfuhrverantwortliche die Ausfuhr im Vorfeld des eigentlichen Grenztransfers geplant, organisiert und veranlasst hat. Grund für diese Auslegung ist die Begriffsbestimmung des Ausführers gemäß § 2 Abs. 2 AWG, Art. 2 Nr. 3 Dual-Use-VO, der anstatt an den physisch-realen Grenztransfer an das tatsächliche Bestimmen über die Ausfuhr – und damit an die funktional-soziale Stellung des Täters – anknüpft. Diese Lesart der Ausfuhrdelikte wurde sodann auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG überprüft und unbeanstandet gelassen. Die Ausfuhrdelikte erscheinen so geradezu auf die Geschäftsleitung sowie den Ausfuhrverantwortlichen zugeschnitten zu sein. Im Rahmen der Unterlassungsdelikte wurde die Ursache für eine Garantenstellung des Ausfuhrverantwortlichen für die Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrechts im Unternehmen aufgefunden. Sie liegt indessen nicht in der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme einer Schutzpflicht zugunsten der Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts, da der Ausfuhrverantwortliche in



C. Ergebnisse – Teil 3265

erster Linie im Interesse seines Unternehmens tätig wird. Stattdessen übernimmt der Ausfuhrverantwortliche gegenüber seinem Unternehmen eine Überwachungspflicht mit dem Inhalt, Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht in bzw. aus diesem heraus zu unterbinden. Seine Verantwortlichkeit konzentriert sich dabei – typisch für Geschäftsleitungsmitglieder mit ComplianceVerantwortung – weniger auf die Abwehr von Sachgefahren als vielmehr auf die Abwehr von Personalgefahren. Der Grund für die Einstandspflicht des Ausfuhrverantwortlichen im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB liegt dabei in der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme des Organisationskreises „innerbetriebliche Exportkontrolle“. Diesen beherrscht infolge der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme zuvorderst der Ausfuhrverantwortliche mit Entscheidungsverantwortung, was bei den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern grundsätzlich das Vertrauen in dessen ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung begründet. Dies bedeutet indessen nicht, dass das Außenwirtschaftsstrafrecht insoweit über eine Sonderverantwortlichkeit verfügt, aufgrund der etwaige übrige Geschäftsleitungsmitglieder infolge der horizontalen Delegation an den Ausfuhrverantwortlichen gänzlich von ihrer allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit frei werden. Vielmehr müssen sie selbst Maßnahmen der innerbetrieblichen Exportkontrolle ergreifen, sobald sie von der Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen Kenntnis erlangen oder diese zumindest kennen müssten. Diese Grundsätze wurden sodann auf die vertikale Delegation von Aufgaben durch den Ausfuhrverantwortlichen an seine Mitarbeiter, insbesondere den sog. Exportkontrollbeauftragten, übertragen. Der Ausfuhrverantwortliche kann die mit der innerbetrieblichen Exportkontrolle einhergehende Handlungsverantwortung an einen Exportkontrollbeauftragten delegieren, der diese sodann, vergleichbar mit einem Compliance-Beauftragten, wahrnimmt. Die Entscheidungsverantwortung, insbesondere die finale Weisungsbefugnis, verbleibt indessen beim Ausfuhrverantwortlichen. Dem Exportkontrollbeauftragten wird aber das Recht eingeräumt, über die neusten Erkenntnisse des Risikomanagements unmittelbar an den Ausfuhrverantwortlichen zu berichten. Durch seine Sachnähe wird der Exportkontrollbeauftragte zudem regelmäßig über einen nicht unerheblichen Informationsvorsprung vor dem Ausfuhrverantwortlichen verfügen, was, kombiniert mit dem Berichtsrecht des Exportkontrollbeauftragten, grundsätzlich das Vertrauen des Ausfuhrverantwortlichen in die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Exportkontrollbeauftragten rechtfertigen kann. Der Ausfuhrverantwortliche wird allerdings durch die vertikale Delegation nicht von seiner Verantwortlichkeit frei. Vielmehr verbleibt ihm infolge seines Weisungsrechts einerseits die Entscheidungsverantwortung. Andererseits wandeln sich seine primären Handlungspflichten in sekundäre Aufsichtspflichten hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Exportkontrollbeauftragten. Die Garantenstellung des Ausfuhrverantwortlichen wird damit allenfalls um die Einstandspflicht für die Handlungsverantwortung beschränkt.

Teil 4

Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit Die bisherige Untersuchung hat noch keinerlei Beleg dafür geliefert, dass den Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze eine besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit trifft. „Besonders“ meint in diesem Zusammenhang eine Verantwortlichkeit, die sich nicht, wie bisher ermittelt, aus den grundsätzlich für jedermann beachtlichen Ausfuhrdelikten oder der einzelfallabhängigen Rechtsstellung im Innenverhältnis zum Unternehmen ergibt, sondern aus den speziell den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Regelwerken. Letztgenannte wurden bereits in Teil 2 dogmatisch ein­ geordnet. Ermittelt wurde, dass die durch die Bundesregierung erlassenen Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie das durch das BAFA herausgegebene ICPMerkblatt zwar explizit die Aufgaben und Pflichten des Ausfuhrverant­ wortlichen beschreiben, jedoch keine dieser Verhaltensanleitungen für den Bürger oder Gerichte rechtlich verbindlich ist. Rechtlich gebunden werden unmittelbar ausschließlich die Ausfuhrbehörden; der Ausfuhrverantwortliche wird als Akteur des Genehmigungsverfahrens allenfalls faktisch-mittelbar beeinflusst. Nichtsdestotrotz existiert eine Entscheidung des LG Hamburg im sog. Flinten-Fall1, in der sich ein Tatgericht ausdrücklich mit den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen auseinandersetzt. Sie soll als Leitentscheidung für die anstehende Untersuchung dienen. Die Angeklagte im Flinten-Fall war alleinige Geschäftsführerin einer GmbH, die grenzüberschreitend mit Waffen handelte. Sie war gegenüber dem BAFA als Ausfuhrverantwortliche der GmbH benannt. Im Tatzeitraum zwischen den Jahren 2007 und 2008 ließ die Angeklagte für die GmbH insgesamt 4.105 Jagd- und Sportselbstladeflinten unterschiedlicher Hersteller aus Deutschland in Drittländer durch 47 Einzelliefe1  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 156, zitiert nach juris, m.Anm. Ricke, AW-Prax 2012, S. 242 ff. Das Urteil stellt gleichzeitig die soweit ersichtlich einzige strafrechtliche Entscheidung dar, in der ein Gericht die Zuverlässigkeitsgrundsätze ausdrücklich bei Entscheidungsbegründung berücksichtigt. Siehe daneben noch den oben zitierten Geländewagen-Fall, BGH NJW 2007, S. 1893 ff., sowie LG Dortmund vom 27.06.2008 – 43 KLs 8/06, zitiert nach juris, die den Ausfuhrverantwortlichen im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze erwähnen, ohne allerdings auf eine daraus resultierende besondere Pflichtenstellung einzugehen.



Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit267

rungen ausführen. Die Flinten besaßen zwar eine eingebaute Magazinbegrenzung auf lediglich zwei Patronen. Diese ließ sich jedoch mit nur geringem Aufwand durch jedermann entfernen, sodass die Flinten vor dem Nachladen bis zu sieben Schuss abfeuern konnten. Dies qualifizierte sie als halbautomatische Waffen, die in der Ausfuhrliste erfasst und deshalb ausfuhrgenehmigungspflichtig waren.2 Die Ausfuhrverantwortliche beantragte allerdings vor keiner der Ausfuhren die erforderliche Ausfuhrgenehmigung beim BAFA – und das, obwohl sie im Jahr 2003 im Rahmen einer bei der GmbH durchgeführten Außenwirtschaftsprüfung und einem sich daran anschließenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren auf die Genehmigungspflichtigkeit entsprechender Flinten aufmerksam gemacht worden war. Das LG Hamburg verurteilte die Ausfuhrverantwortliche daraufhin wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das AWG in 47 Fällen zu einer Geldstrafe.3 Zur Begründung der Sorgfaltspflichtverletzung führt das LG Hamburg aus, die Ausfuhrverantwortliche habe die objektiv gebotene und ihr nach ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zuzumutende Sorgfalt nicht aufgebracht, indem sie die herstellerseits eingebauten Magazinreduzierungen nicht selbst bzw. durch von ihr beauftragte sachkundige Dritte daraufhin überprüft hat, ob sie das ihr bekannte Merkmal der Dauerhaftigkeit erfüllen.4 Sie habe als Geschäftsführerin und Ausfuhrverantwortliche der GmbH dafür Sorge zu tragen gehabt, dass die Exportgeschäfte gesetzeskonform durchgeführt wurden.5 Hinsichtlich der Ausfuhrverantwortlichenstellung führt das LG Hamburg gesondert aus: „Als Geschäftsführerin und damit Leitungsorgan nimmt die Angeklagte eine hervorgehobene Stellung ein, der eine gesteigerte Verantwortlichkeit korrespondiert. Diese Verantwortlichkeiten und Pflichten werden durch ihre Stellung als Ausfuhrverantwortliche bekräftigt und verstärkt. Der Ausfuhrverantwortliche ist für die Einhaltung der Exportkontrollvorschriften persönlich verantwortlich und muss Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung sein. Dem Ausfuhrverantwortlichen obliegt die Organisationspflicht, die Personalauswahl und – Weiterbildungspflicht sowie die Überwachungspflicht (vgl. Ziff. 2 der ‚Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern‘ vom 25.07.2001).“6 2  Siehe

Teil I Abschnitt A Position 0001 Nr. 0001b2b der Ausfuhrliste. gemäß §§ 34 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 7 AWG a. F., 5 Abs. 1 AWV a. F. (§§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 2 Nr. 1 AWG n. F., 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV n. F.), 53 StGB. 4  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 153, zitiert nach juris. 5  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 153, zitiert nach juris (Hervorhebung durch Verfasser). 6  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 156, zitiert nach juris (Hervorhebung durch Verfasser). Unterstützend argumentiert das Gericht zudem mit den 3  Konkret

268

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Das LG Hamburg setzt danach eine besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen voraus. Die Stellung als Ausfuhrverantwortliche bekräftige und verstärke die allgemeinen Verantwortlichkeiten und Pflichten von Leitungsorganen. Dies wirft zum einen die Frage auf, ob die zum Ausfuhrverantwortlichen ergangenen Vorschriften tatsächlich eine gesteigerte Verantwortlichkeit des betreffenden Geschäftsleitungsmitglieds vorsehen oder lediglich allgemein anerkannte Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung rezitieren (A.). Zum anderen begreift das LG Hamburg das originär verwaltungs(innen)rechtliche7 Pflichtenprogramm der Zuverlässigkeitsgrundsätze ohne Weiteres als Ausgangspunkt für den strafrechtlichen Fahrlässigkeitsvorwurf. Es muss daher ermittelt werden, ob die zum Ausfuhrverantwortlichen ergangenen Regelwerke neben dem genehmigungsrechtlichen auch dessen strafrechtlichen Sorgfaltsmaßstab vorgeben (B.).

A. Besonderes Pflichtenprogramm Um eine besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen zu ­önnen, müssten die Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie das ICP-Merkblatt k eine Sonderverantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen beschreiben. Über den Umfang des Pflichtenprogramms des Ausfuhrverantwortlichen bestehen indessen unterschiedliche Auffassungen. Wie soeben gesehen, geht das LG Hamburg im Flinten-Fall davon aus, dass die Stellung als Ausfuhrverantwortliche im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze die Verantwortlichkeiten und Pflichten als Geschäftsleitungsmitglied noch „bekräftigt und verstärkt“. Zur Begründung wird lapidar auf die vier Grundpflichten der Zuverlässigkeitsgrundsätze (Organisationspflicht, Überwachungspflicht, Personalauswahlpflicht und Personalweiterbildungspflicht) verwiesen.8 Auch Hinder kommt in seiner Abhandlung zum Ausfuhrverantwortlichen zu dem Schluss, dass durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze der strafrechtliche Sorgfaltsmaßstab für den Umgang mit rüstungsrelevanten Gütern gesteigert wurde.9 allgemeinen Sorgfaltspflichten der Angeklagten als GmbH-Geschäftsführerin (LG Hamburg, a. a. O., Rn. 154), den „Berufspflichten eines Gewerbetreibenden“ (LG Hamburg, a. a. O., Rn. 158), sowie den „allgemeinen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (insbesondere zur Produkthaftung)“ (LG Hamburg, a. a. O., Rn. 161). 7  Vgl. Mayer, Illegaler Technologietransfer, S. 93; Nelles/Halla-Heißen, in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle, S. 99 (119); Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn. 753. 8  Staatsanwaltschaft sowie Nebenbeteiligte des Verfahrens ließen die Vorgehensweise des LG Hamburg bei der Beurteilung der Sorgfaltspflichtverletzung in ihren Revisionen unbeanstandet; gerügt wurde vielmehr ausschließlich die ebenfalls gegenständliche Verfallsanordnung bzw. deren Höhe, siehe BGH NStZ 2012, S. 265 ff. 9  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105, 278.



A. Besonderes Pflichtenprogramm269

Durch die besondere ausdrückliche Übertragung der Stellung des Ausfuhrverantwortlichen seitens des Unternehmens erhöhe sich für den dazu Bestellten der Maßstab der Sorgfalt der Aufgabenwahrnehmung im Verhältnis zum „einfachen“ Geschäftsleitungsmitglied.10 Insofern ergebe sich für den Ausfuhrverantwortlichen eine erhöhte Pflicht der sorgfältigen Mitarbeiterauswahl, der Vornahme von Weiterbildungsmaßnahmen von Mitarbeitern, ihrer sorgfältigen Beaufsichtigung und Überwachung sowie der hinreichenden Information über die vorzunehmenden Ausfuhrfälle und die sachgerechte Organisation der im Zusammenhang mit dem Export stehenden Arbeitsabläufe.11 Hiernach scheinen die Zuverlässigkeitsgrundsätze ein besonderes Pflichtenprogramm zu liefern, das die Sorgfaltsanforderungen an den Ausfuhrverantwortlichen aus dem Kreis der übrigen Geschäftsleitungsmitglieder heraushebt. Demgegenüber ist man beim BAFA der Ansicht, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze dem Grunde nach lediglich die Prinzipien einer ordnungsgemäßen Organisation wiederholen, wie sie die Rechtsprechung im Rahmen des § 130 OWiG entwickelt hat.12 Der Gehalt dieser Auffassung bedarf einiger Erläuterungen. Bei § 130 OWiG handelt es sich um einen Bußgeldtatbestand, der das Unterlassen erforderlicher und gehöriger Aufsichtsmaßnahmen durch den Betriebsinhaber zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen gegen straf- oder bußgeldbewehrte Inhaberpflichten im Betrieb mit Geldbuße bedroht. Damit wendet sich § 130 OWiG (i. V. m. § 9 Abs. 1 OWiG), wie die Zuverlässigkeitsgrundsätze, ebenfalls an die Geschäftsleitung von Unternehmen. Betroffen ist jedoch nicht, wie bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen, die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit, alle genehmigungsrelevanten Vorschriften zu beachten, sondern die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit, generell betriebsbezogene Rechtsgutsverletzungen zu verhindern. Falls die Zuverlässigkeitsgrundsätze die zu § 130 OWiG formulierten Prinzipien tatsächlich nur wiederholten, wären die verwaltungsrechtliche und die straf- bzw. bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit inhaltlich kongruent. Ließen sich die Aufsichtspflichten des § 130 OWiG darüber hinaus als allgemein anerkannter Sorg10  Hinder,

Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105. Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105 mit Verweis auf den Vorgänger des ICP-Merkblatts, die vom Bundesamt für Wirtschaft herausgegebenen „Empfehlungen für die betriebliche Behandlung genehmigungspflichtiger Exporte“ (Teil 2, Fn. 46). 12  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S.  399 (404); Beutel/ Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (48); ähnlich BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 70, wonach die Kriterien, die ein ICP aus Sicht des BAFA erfüllen sollte, aus den Zuverlässigkeitsgrundsätzen sowie den Pflichten aus § 130 OWiG abgeleitet würden; anders noch Beutel, AW-Prax 2009, S. 299 f., wonach die Zuverlässigkeitsgrundsätze die im Rahmen des OWiG entwickelten Maßstäbe für die Exportkontrolle konkretisierten bzw. modifizierten. 11  Hinder,

270

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

faltsmaßstab – also als Allgemeinnorm für Inhaberpflichten – bezeichnen, stellte auch das Pflichtenprogramm der Zuverlässigkeitsgrundsätze keine Besonderheit dar. Es ist indessen bereits fragwürdig, ob sich die Prinzipien der Rechtsprechung hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Betriebsorganisation im Sinne des § 130 OWiG überhaupt „wiederholen“ lassen, wie von den Mitarbeitern des BAFA vorgebracht. Anerkannt ist, dass sich aus der Bußgeldbewehrung des Unterlassens von Aufsichtsmaßnahmen zumindest mittelbar gewisse Aufsichtspflichten des Betriebsinhabers ableiten.13 Mit der Schaffung von § 130 OWiG bejaht der Gesetzgeber mit anderen Worten die Frage, ob der Inhaber Aufsichtsmaßnahmen ergreifen muss, um Rechtsverstöße in seinem Betrieb zu verhindern.14 Hinsichtlich der Frage, wie diese Aufsichtsmaßnahmen konkret auszusehen haben, schweigt § 130 OWiG nahezu vollständig. Einen Anhaltspunkt liefert allenfalls § 130 Abs. 1 Satz 2 OWiG, wonach zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen auch die Bestellung, die sorgfältige Auswahl und die Überwachung von Aufsichtspersonen gehören. Daneben operiert die Vorschrift mit einer Mehrzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen (z. B. „erforderlich“, „Aufsichtsmaßnahmen“, „gehörige Aufsicht“), die zunächst dem Betriebsinhaber als Normadressaten und schlussendlich dem Bußgeldrichter einen erheblichen Beurteilungsspielraum zugestehen.15 In letzter Konsequenz ist damit die Rechtsprechung zur Konkretisierung der im Einzelfall erforderlichen und gehörigen Aufsicht berufen. Der Bußgeldrichter muss die konkreten Aufsichtsmaßnahmen im Einklang mit Art, Umfang und Ausmaß des betreffenden Betriebs ermitteln, wobei insbesondere dessen Größe, die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, die Vielfalt und Bedeutung der zu beachtenden Vorschriften sowie die denkbaren Überwachungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind.16 Die im Einzelfall erforderliche 13  Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 9; Klindt/Pelz/Theusinger, NJW 2010, S. 2385; Schneider, ZIP 2003, S. 645 (649); von Busekist/Hein, CCZ 2012, S. 41 (43); Schaefer/Baumann, NJW 2011, S. 3601 (3604); Wiederholt/Walter, BB 2011, S. 968 (969). 14  Vgl. Wiederholt/Walter, BB 2011, S. 968 (969). 15  Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 31; siehe zu den Einzelheiten Hermanns/Kleier, Grenzen der Aufsichtspflicht, S.  37 ff.; Sonnenberg, Verletzung der Aufsichtspflicht, S.  66  ff.; Wilhelm, Aufsichtsmaßnahmen, S. 38 ff.; siehe demgegenüber die Beurteilungsspielräume der Exekutive gegenüber der Judikative bei bestimmten unbestimmten Rechtsbegriffen des Außenwirtschaftsrechts, dazu bereits S. 67 ff. 16  BGH NStZ 1986, S. 34; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, S. 311  f.; OLG Düsseldorf wistra 1991, S. 38 (39); wistra 1999, S. 115 (116); OLG Hamm wistra 2002, S. 274 (275); Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 14; Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 30; von Galen/ Maas, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 31; Gürtler, in:



A. Besonderes Pflichtenprogramm271

bzw. gehörige Aufsicht ergibt sich also erst im Zusammenwirken von § 130 OWiG und einer entsprechenden Gesetzesauslegung. Auf der einen Seite schafft § 130 OWiG damit ein flexibles Instrument der Ahndung, das den individuellen Gegebenheiten im Betrieb Rechnung trägt und dadurch ein Gegengewicht zur faktischen Unmöglichkeit bildet, eine umfassende und abschließende Compliance-Vorschrift mit branchenunabhängiger Geltung für sämtliche Unternehmen gesetzlich zu normieren.17 Auf der anderen Seite wurde der Vorschrift vor allem früher ein verfassungsrechtlich bedenkliches Maß an Unbestimmtheit sowie in letzter Konsequenz ein Verstoß gegen das Schuldprinzip vorgeworfen.18 Diesen Bedenken kann jedoch mittlerweile damit begegnet werden, dass die Rechtsprechung sowie das auf sie bezugnehmende Schrifttum durch Gesetzesauslegung zu einem gewissen Maß an Konkretisierung der Aufsichtspflichten nach § 130 OWiG beigetragen haben.19 Zumindest zeichnet sich eine Art Mindeststandard20 ab. Auch wenn die Rechtsprechung unablässig betont, dass das Ausmaß der Aufsichtspflicht stets von den Umständen des Einzelfalls abhängt, arbeitet sie seit jeher mit bestimmten Textbausteinen, die zur Aufschlüsselung der Aufsichtspflicht im Sinne des § 130 OWiG geführt haben. So liest man z. B. weit verbreitet, dass die Pflicht zur ordnungsgemäßen Überwachung von Mitarbeiterverhalten zumindest stichprobenartige, überraschende Kontrollen durch den Betriebsinhaber voraussetzt.21 Auch im Schrifttum zu § 130 OWiG findet sich eine Ausdifferenzierung der Aufsichtspflicht des Betriebsinhabers in einzelne Organisationspflichten, Kontroll- bzw. Überwachungspflichten, Personalauswahlpflichten, Unterrichtungspflichten, Schulungspflichten oder Dokumentationspflichten.22 Ohne dass § 130 OWiG – abgeGöhler, OWiG, § 130 Rn. 10 Fn. 2; Ziegler, in: Blum/Gassner/Seith, OWiG, § 130 Rn. 27 Fn. 76. 17  Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 31. 18  Vgl. die Nachweise bei Rogall, in: KK-OWiG, § 130 OWiG Rn. 21. 19  Rogall, in: KK-OWiG, § 130 OWiG Rn. 21. 20  Begriff auch bei Ziegler, in: Blum/Gassner/Seith, OWiG, §  130 Rn. 35  f.; Moosmayer, Compliance, Rn. 10; zur Formulierung von Mindestvoraussetzungen an das Risikomanagement im Finanzdienstleistungssektor durch die mit dem ICP-Merkblatt vergleichbaren Rundschreiben der BaFin Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG/CRR-VO, § 25a Rn. 95 ff.; Frisse/Glaßl/Baranowski/Duwald, BKR 2018, S.  177 (178 f.). 21  BGH vom 24.03.1981 – KRB 4/80, Rn. 12, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf vom 27.03.2006 – VI-Kart 3/05 (OWi), Rn. 845, zitiert nach juris; OLG Köln wistra 1994, S. 315; BayObLG, wistra 2001, S. 478 (479). 22  Freilich mit vereinzelt abweichender Terminologie, siehe Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 3 Rn. 51; Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 23  ff.; Krenberger/Krumm OWiG, § 130 Rn. 20; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 15 ff.; Niesler, in:

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

sehen von § 130 Abs. 1 Satz 2 OWiG – konkrete Aufsichtsmaßnahmen bezeichnet, existieren also tatsächlich die vom BAFA angesprochenen Prinzipien einer ordnungsgemäßen Betriebsorganisation, die sich prinzipiell durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze wiederholen ließen. Betrachtet man nun die Zuverlässigkeitsgrundsätze, stellt man fest, dass sie in Nr. 2 Satz 2 zwar von der Organisations-, Überwachungs-, Personalauswahl- und Weiterbildungspflicht des Ausfuhrverantwortlichen sprechen, damit allerdings nur unwesentlich konkreter werden als § 130 OWiG. Zumindest wird bereits an dieser Stelle die terminologische Nähe zu den vor allem im Schrifttum zu § 130 OWiG verwendeten Pflichtenbezeichnungen deutlich. Welchen Inhalt die Bundesregierung den vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen beim Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze zuschreiben wollte, wird gerade nicht weiter ausgeführt. Bliebe es bei dieser schlagwortartigen Bezeichnung, wären die vier Grundpflichten der Zuverlässigkeitsgrundsätze, wie auch die Aufsichtspflichten nach § 130 OWiG, im höchsten Maße auslegungsbedürftig und statuierten an sich keine über § 130 OWiG hinausreichende besondere Pflichtenstellung. Zur Erläuterung der vier Grundpflichten der Zuverlässigkeitsgrundsätze gibt das BAFA indessen das ICP-Merkblatt heraus.23 Abgestuft nach sog. Muss-, Soll- und Kann-Vorschriften stellt das BAFA Mindestanforderungen24 an das innerbetriebliche Exportkontrollsystem (ICP) auf, dass der Ausfuhrverantwortliche für sein Unternehmen umzusetzen hat, um den Zuverlässigkeitsanforderungen gemäß §§ 8 Abs. 2 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO gerecht zu werden. Anhand dieser Mindestanforderungen können im Folgenden die Organisationspflicht (I.), die Überwachungspflicht (II.), die Personalauswahlpflicht (III.) sowie die Weiterbildungspflicht (IV.) des Ausfuhrverantwortlichen als dessen vier Grundpflichten konkretisiert und zugleich mit dem durch die Rechtsprechung herausgearbeiteten Mindestpflichtgehalt für § 130 OWiG abgeglichen werden.25 Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 32 ff.; von Galen/Maas, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 36 ff.; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 10; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 OWiG Rn. 53 ff.; Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 145 ff. 23  Siehe bereits S. 94 ff. 24  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 12. 25  An gegebener Stelle werden zudem die vom BAFA herausgegebene Kommentierung zu den Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen (BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 70 ff.) sowie das entsprechende Handbuch (Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 99 ff.) berücksichtigt. Darüber hinaus finden sich gerade im jüngeren Schrifttum zahlreiche Leitfäden für die Pflichtenerfüllung durch den Ausfuhrverantwortlichen, siehe etwa Schwab, Der Zoll-Profi! 3/2016, S. 9 ff.; Makowicz, Der Zoll-Profi! 4/2016, S. 2 ff.; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S.  419 (422 ff.); Vorpeil, IWB 2012, S. 582 (584 f.); Wolffgang/Witte, CB 2015,



A. Besonderes Pflichtenprogramm273

I. Organisationspflicht Für das BAFA steht fest, dass Unternehmen, die rüstungsrelevante Güter ausführen, zumindest überhaupt irgendeine Form von unternehmensinterner Exportkontrolle als Ausdruck der Kooperation zwischen Staat und Unternehmen schaffen müssen.26 Den Ausfuhrverantwortlichen trifft insoweit die sog. Organisationspflicht.27 Das BAFA begreift die Organisationspflicht zweistufig: Auf der ersten Stufe muss der Ausfuhrverantwortliche im Rahmen der sog. Aufbauorganisation die Zuständigkeiten für die Exportkontrolle im Unternehmen festlegen (1.). Auf der zweiten Stufe sind bei der sog. Ablauforganisation die Arbeitsabläufe so zu organisieren, dass Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht vermieden werden (2.).28 1. Aufbauorganisation Die Aufbauorganisation betrifft die richtige hierarchische Einbindung der Exportkontrolle im Unternehmen.29 Sie lässt sich in weitere Pflichtenbestandteile aufschlüsseln: Die Exportkontrolle muss im Organigramm des Unternehmens gesondert ausgewiesen sowie entsprechende Kompetenzen zugewiesen werden (a)) Zudem muss das Exportkontrollpersonal mit der entsprechenden Durchsetzungskraft ausgestattet werden (b)).30 a) Ausweisung der Exportkontrolle und Kompetenzverteilung Durch das ICP-Merkblatt schreibt das BAFA Unternehmen vor, ob und wie die Kompetenzen in der Exportkontrolle ordnungsgemäß zu verteilt sind. Als Ausdruck des Bekenntnisses zur Compliance im Bereich des Außenhandelsverkehrs ist die Exportkontrolle als eigenständiger Unternehmensbestandteil zu deklarieren, um einen entsprechenden „Tone at the Top“ anzugeben.31 Sowohl die Gesamtverantwortung des Ausfuhrverantwortlichen als auch etwaige weitere Verantwortlichkeiten müssen dazu schriftlich festgelegt S.  138 ff.; Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S.  110  ff.; Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307 ff.; siehe zudem die zahlreichen Nachweise bei Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  89 ff. 26  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 13 ff.; Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 99. 27  Nr. 2 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. 28  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 13 f., 16 ff.; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 72; Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 103. 29  Siehe dazu bereits Pottmeyer, AW-Prax 1997, S. 373. 30  Ähnliche Unterkategorien bei Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 93 ff. 31  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 13.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

und als Unternehmensbestandteil bekanntgemacht werden.32 Das BAFA bezweckt damit die feste Verankerung der Exportkontrolle im Organigramm des Unternehmens.33 Sowohl Mitarbeitern als auch Behörden soll verdeutlicht werden, dass sich die Geschäftsleitung offen und ernsthaft zum Thema Exportkontrolle bekennt und dieser einen angemessenen Stellenwert einräumt.34 Neben diesem Bekenntnis hat die gesonderte Ausweisung und Kompetenzverteilung aber auch konstitutive Bedeutung für die Schaffung weiterer ICP-Strukturen. Der Ausfuhrverantwortliche steht insbesondere vor der Frage, ob bzw. inwieweit er die aus seinen vier Grundpflichten folgenden Aufgaben selbst bewältigen kann, oder ob er hierfür weitere Mitarbeiter einteilen muss. Im Folgenden sind daher die Vorgaben und Folgen der Kompetenzverteilung herauszuarbeiten, wobei die abstrakte Pflicht zur Kompetenzverteilung (aa)) von den konkreten diesbezüglichen Anforderungen (bb)) zu trennen sind. aa) Pflicht zur Kompetenzverteilung Obwohl das BAFA immer wieder betont, dass es kein verallgemeinerungsfähiges Muster-ICP gibt, das von jedem Unternehmen zur Sicherstellung seiner außenwirtschaftsrechtlichen Pflichten kurzerhand übernommen werden kann, hält es unternehmensübergreifend die Schaffung einer zentralen Koordinierungsstelle im Sinne einer Stabsstelle für betriebsinterne Exportkontrolle für sinnvoll, die dem Ausfuhrverantwortlichen als „oberstem Exportkontrol­ leur“35 unterstellt ist.36 Auch wenn es sich dabei lediglich um eine Empfehlung handelt, besteht hinsichtlich der personellen Ausstattung des ICP die Vorgabe, dass mindestens eine Person im Bereich Exportkontrolle beschäftigt sein muss.37 Diese Anforderung wird lediglich insoweit relativiert, als der Betreffende, je nach dem durchschnittlichen Auftragsaufkommen, auch nur zeitweise mit außenwirtschaftlichen Aufgaben befasst sein kann.38 Der Idealvorstellung des BAFA entspricht die Ablauforganisation daher dennoch, wenn der Ausfuhrverantwortliche mindestens eine weitere, ihr direkt unter32  BAFA,

ICP-Merkblatt, S. 13; siehe auch BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 72. Seiten des BAFA Beutel/Richter, AW-Prax 2010, S. 190 (192); ebenso Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 93 f. 34  Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 103; Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  93 f.; ders., AW-Prax 1997, S. 373 (374). 35  Schwab, Der Zoll-Profi! 3/2016, S. 9 f. 36  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 103 ff.; siehe auch Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S.  419 (422 f.). 37  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 71. 38  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 71. 33  Von



A. Besonderes Pflichtenprogramm275

stellte Person mit dem operativen Exportkontrollgeschäft betraut. Dies dürfte auch dem Mindestbedarf in großen Unternehmen39 mit umfangreichem Exportgeschäft entsprechen, in denen die tägliche Exportkontrolle aufgrund der mannigfaltigen Prüfpflichten kaum anders handhabbar ist, als durch eine entsprechende Aufgabendelegation.40 Anders beurteilt werden indessen kleine und mittlere Unternehmen41 oder Einzelkaufleute, die in nur geringem Ausmaß rüstungsrelevante Güter ausführen. Auch diese müssen beim BAFA einen Ausfuhrverantwortlichen benennen, wenn sie gelistete Güter exportieren wollen.42 Kommt der Ausfuhrverantwortliche in solchen Fällen infolge einer sachgerechten Risikobewertung zu dem Schluss, dem operativen Exportkontrollgeschäft selbst Herr werden zu können, muss er nicht pro forma einen Sachbearbeiter mit dieser Aufgabe betrauen, der eigentlich eine andere Funktion erfüllt oder mit der Exportkontrolle allein nicht ausgelastet wäre.43 Er darf das operative Exportgeschäft auch in eigener Person wahrnehmen.44 In diesem Fall muss lediglich die Vorgehensweise bei seiner Abwesenheit schriftlich festgehalten werden, um Zuständigkeitslücken zu vermeiden.45 In kleinen und mittleren Exportunternehmen kann folglich bereits die Bestellung und Bekanntmachung des Ausfuhrverantwortlichen als gesonderte Ausweisung der internen Exportkontrolle genügen. Der Grundstein eines ICP wird damit, zumindest im Fall von Unternehmen, die gelistete Güter ausführen, mit der Bestellung, schriftlichen Fixierung und Bekanntmachung des Ausfuhrverantwortlichen als dem Gesamtverantwortlichen gelegt.46 Darüber hinaus enthalten die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt keine pauschale Vorgabe zur Beschäftigung von zusätzlichem Exportkontrollpersonal, geschweige denn zur Einrichtung einer Stabsstelle für Exportkontrolle. Das BAFA orientiert sich vielmehr stark an den Umständen des Einzelfalls und gesteht der Geschäftsleitung weitestgehend Gestaltungsfreiheit zu.47 Die vom BAFA gewählte stilisierte Bezeichnung „Internal Compliance Programme (ICP)“ darf nicht darüber hinwegtäu39  Vgl.

hinsichtlich der Begriffsbestimmung Teil 3, Fn. 42. AW-Prax 2013, S. 110 (111); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307

40  Prieß/Thoms,

(308). 41  Siehe zum Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen Teil 3, Fn. 42. 42  Nr. 1 der jüngsten Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015 macht insoweit keinerlei Einschränkungen. 43  Vgl. dazu Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 94. 44  BAFA, HADDEX, Bd. 1 Rn. 317. 45  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 72. 46  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 4 f., BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 72. 47  So Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307 (308).

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

schen, dass insbesondere kleine Unternehmen bereits den Anforderungen des BAFA genüge leisten, wenn sie einen Ausfuhrverantwortlichen bestellen, der seinen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft nachkommt. Zu klären ist nun, ob die Organisationspflicht nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen mit Blick auf die Kompetenzverteilung das Pflichtenniveau einer gehörigen Aufsicht über- bzw. unterschreitet, wie sie aufgrund des § 130 OWiG vom Betriebsinhaber an den Tag gelegt werden muss. Es existiert zwar keine branchenübergreifende gesetzliche Regelung, die der Geschäftsleitung unmittelbar die Schaffung eines internen Kontrollsystems mit festem Inhalt vorschreibt. Jedoch ahndet § 130 OWiG das Unterlassen erforderlicher und zumutbarer Aufsichtsmaßnahmen durch den Betriebsinhaber, woraus sich mittelbar die allgemeine Pflicht der Geschäftsleitung zur Ausarbeitung gewisser Strukturen zur Überwachung der Beachtung von Vorschriften im Unternehmen ergibt.48 Im Umkehrschluss aus der nicht abschließenden Aufzählung in § 130 Abs. 1 Satz 2 OWiG wird insbesondere gefolgert, dass eine Aufsichtspflichtverletzung nicht nur in der unsorgfältigen Bestellung, Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen bestehen kann, sondern „auch“ in einem vorgelagerten Organisationsmangel.49 Die Betriebsstrukturen müssen vom Inhaber derart organisiert werden, dass er seine Aufsicht effektiv ausüben kann. Dies schließt die ausreichende Ausstattung mit sachlichen sowie personellen Ressourcen ein.50 So erachtete der BGH etwa die Besetzung der Revisionsabteilung einer Aktiengesellschaft mit nur vier Mitarbeitern zur Kon­ trolle von 5.000 Betriebsangehörigen als unzureichend und damit gleichsam als Aufsichtspflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 130 OWiG.51 Dies bedeutet indes nicht, dass § 130 OWiG für jedes Unternehmen pauschal einen Compliance-Beauftragten oder eine Revisionsabteilung fordert. Rechtsprechung und Lehre gehen vielmehr nahezu einhellig davon aus, dass ein umfangreicheres innerbetriebliches Kontrollsystem erst dann erforderlich ist, wenn der Betriebsinhaber aufgrund der Größe des Unternehmens oder der besonderen Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit allein nicht in der Lage ist, betriebstypischen Zuwiderhandlungen effektiv entgegenzuwirken.52 Wäh48  Siehe

soeben S. 268 ff. Celle NStZ-RR 2007, S. 215; OLG Stuttgart NJW 1977, S. 1410; vgl. zudem OLG Hamm VRS 40 (1971), S. 370 (373); ferner Förster, in: Rebmann/Roth/ Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 19; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 55. 50  Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil  1 Kap. 3 Rn. 51; Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 150; Möhrenschlager, wistra 1982, S. 34 (35 f.). 51  BGH vom 24.03.1981 – KRB 4/80, Rn. 7, 12, zitiert nach juris; dazu BGH wistra 1982, S. 34 ff. 52  OLG Köln wistra 1994, S. 315; BayObLG, wistra 2001, S. 478 (479); OLG Hamm GewArch 1974, S. 190 f.; Krenberger/Krumm OWiG, § 130 Rn. 20; Engel49  OLG



A. Besonderes Pflichtenprogramm277

rend in kleinen und mitterlen Unternehmen53 etwa die Überwachung der Einhaltung von Vorschriften durch den Betriebsinhaber in eigener Person praktikabel und wirtschaftlich sinnvoll sein kann, verbietet sich ein solches Vorgehen bei einem DAX-Konzern.54 Der Umfang der Organisationspflicht im Sinne des § 130 OWiG bemisst sich insoweit, wie bei der Organisationspflicht nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen, streng bedarfsabhängig und, wie vom Tatbestand gefordert, unter Berücksichtigung der individuellen Erforderlichkeit und Zumutbarkeit. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze entsprechen hinsichtlich des Erfordernisses der bedarfsabhängigen Kompetenzverteilung durch den Ausfuhrverantwortlichen also durchaus den allgemeinen Organisationsanforderungen einer gehörigen Aufsicht im Sinne des § 130 OWiG. Der Ausfuhrverantwortliche hat Kompetenzen dort zu verteilen, wo dies erforderlich ist, um den Aufgaben der Exportkontrolle gerecht zu werden. bb) Anforderungen an die Kompetenzverteilung Entscheidet sich der Ausfuhrverantwortliche allerdings infolge einer Risikoanalyse dafür, weitere Mitarbeiter mit der Exportkontrolle zu betrauen, oder zwingt ihn der Umfang des Exportgeschäfts zur Arbeitsteilung, ist er berechtigt, bestimmte Kontrollaufgaben an seine Mitarbeiter zu delegieren.55 Dies folgt bereits aus der Personalauswahlpflicht gemäß Nr. 2 Satz 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie aus der Möglichkeit, sich gemäß Nr. 2 Satz 3–4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze bei Genehmigungsanträgen vertreten zu lassen. Neben der Einrichtung einer eigenen Exportkontrollabteilung oder der Wahrnehmung der Exportkontrolle durch ein anderes Unternehmen (sog. Outsourcing) hat sich insbesondere der sog. Exportkontrollbeauftragte etabliert.56 An den Exportkontrollbeauftragten dürfen, wie schon im Rahmen der vertikalen Delegation herausgearbeitet, nicht nur die operative Klashart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 42; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 19; Niesler, in: Graf/ Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 32; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn.  42, 55 f.; Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 151; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 12, 44; Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn.  1071 ff.; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 6 Rn. 140; Bock, ZIS 2009, S. 68 (76); Möhrenschlager, wistra 1982 S. 35 f.; Hauschka, ZIP 2004, S. 877 (878); Wirtz, WuW 2001, S. 342 (343); a. A. Schneider, ZIP 2003, S. 645 (648). 53  Siehe Teil 3, Fn. 42. 54  von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, §  130 OWiG Rn. 44; Moosmayer, NJW 2012, S. 3013 (3014). 55  BAFA, HADDEX, Bd. 1 Rn. 326; Böer/Moritz, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S 160. 56  Siehe bereits S. 248 ff.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

sifizierung der Exportgüter und die Einholung exportrelevanter Informationen und Genehmigungen delegiert werden, sondern auch die Ausarbeitung und Durchführung des ICP.57 Damit erfüllt der Exportkontrollbeauftragte nichts anderes, als die aus den vier Grundpflichten der Zuverlässigkeitsgrundsätze abgeleiteten Aufgaben als Handlungsverantwortung des Ausfuhrverantwortlichen. Die Organisation des ICP, dessen Überwachung sowie die Personalauswahl und Weiterbildung müssen also nicht vom Ausfuhrverantwortlichen persönlich bewältigt werden, was für diesen eine deutliche Arbeitsentlastung bedeuten kann. Als Kehrseite der Delegationsmöglichkeit verlangt das BAFA eine lückenlose Kompetenzverteilung bei gleichzeitiger Vermeidung von Interessenskonflikten. Damit sind zum einen die Festlegung und Bekanntmachung aller weiteren Zuständigkeiten neben dem Ausfuhrverantwortlichen sowie die entsprechenden Vertreterkonstellationen gemeint.58 Zum anderen ist die Exportkontrolle in einem Bereich des Unternehmens anzusiedeln, in dem Mitarbeiter weitestgehend fachlich unabhängig von anderen Unternehmensstellen agieren können.59 Hingewiesen wird auf das Konfliktpotential, das eine Kompetenzüberschneidung mit der Verkaufs- oder Vertriebsabteilung des Unternehmens in sich birgt.60 Dort sei zu befürchten, dass einer möglichst zügigen Abwicklung der Exportvorgänge Vorzug vor der Beachtung der rechtlichen Vorgaben gewährt wird.61 Bei diesen Vorgaben handelt es sich ebenfalls um keine exportspezifische Konkretisierung durch das BAFA, die dem Ausfuhrverantwortlichen eine Sonderverantwortlichkeit zuschreibt, sondern um eine anerkannte Inhaberpflicht im Sinne des § 130 OWiG. Eine ordnungsgemäße Betriebsorganisation erfordert hiernach ebenfalls dass der Betriebsinhaber alle betriebsbezogenen Pflichten, die nicht von ihm selbst wahrgenommen werden, lückenlos verteilt.62 So sollen etwa Fälle vermieden werden, in denen sich aufgrund 57  Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 98; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (428); Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111); Möllenhoff, AW-Prax 2013, S. 307 (308); Graf von Bernstorff, AW-Prax 2012, S. 110 (111). 58  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 72. 59  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 72. 60  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 72; dazu auch Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 34; Schwab, Der Zoll-Profi! 3/2016, S. 9 (10); siehe demgegenüber die Empfehlung von Vorpeil, IWB 2012, S. 582 (583), den Ausfuhrverantwortlichen gerade hier anzusiedeln. 61  Siehe auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 95. 62  BayObLG, wistra 2001, S.  478 (479); Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/ Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 3 Rn. 50; Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 33; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau,



A. Besonderes Pflichtenprogramm279

von Kompetenzüberschneidungen niemand mehr verantwortlich fühlt, weil sich jeder auf den anderen verlässt.63 Auch das Erkennen und Vermeiden von Interessenskonflikten, bei denen die Beachtung rechtlicher Vorgaben hinter wirtschaftlichen Erwägungen zurückbleibt, wird als Grundvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Organisation angesehen.64 Die Anforderungen an eine sachgerechte Kompetenzverteilung durch den Ausfuhrverantwort­ lichen unterscheiden sich damit nicht vom allgemein anerkannten Mindeststandard der gehörigen Aufsicht.65 b) Durchsetzungskraft Als Mitglied der Geschäftsleitung verfügt der Ausfuhrverantwortliche bereits aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Bestellung über ein fachliches Weisungsrecht.66 Deckt er selbst einen Verstoß gegen außenwirtschaftsrechtliche Bestimmungen auf, muss er in der Lage sein, die rechtswidrige Transaktion zu unterbinden. Als Druckmittel steht ihm das „arbeitsrechtlich zulässige Arsenal“67 unternehmensinterner Sanktionsmaßnahmen in Form von Abmahnung, Gehaltskürzung, Versetzung oder Kündigung zur Verfügung. Dies verschafft dem Ausfuhrverantwortlichen eine erhebliche Durchsetzungskraft. Delegiert er seine operativen Kontrollaufgaben, z. B. an einen Exportkontrollbeauftragten, muss er diesen mit vergleichbaren Befugnissen ausstatten, damit das ICP keinen Organisationsmangel aufweist. Das BAFA plädiert insoweit für die Einräumung des sog. Stopprechts.68 Dem Exportkontrollpersonal soll die Befugnis eingeräumt werden, Exporttransaktionen nach eigenem Ermessen abbrechen zu können, um verbotene bzw. ungeneh-

Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 37; Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 33; Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 151; Bock, ZIS 2009, S. 68 (77). 63  OLG Düsseldorf wistra 1999, S. 150 (151); dazu Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 14. 64  Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 27; ders., Criminal Compliance, S. 617; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 14; siehe auch Obermayr, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 44 Rn. 101. 65  Zu den strafrechtlichen Konsequenzen einer defizitären Kompetenzverteilung S.  235 ff. 66  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 95  f.; Wolffgang/Witte, CB 2015, S. 138 (141); siehe allgemein auch Mansdörfer, Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, Rn.  821 ff. 67  Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 37; dazu auch Rogall, in: KKOWiG, § 130 Rn. 65 f. 68  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; HADDEX, Bd. 1, Rn. 72; Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 104.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

migte Ausfuhren zu verhindern.69 Da endgültige Transaktionsstopps hingegen aufgrund der Geschäftsführungsbefugnis des Ausfuhrverantwortlichen regelmäßig von dessen Erlaubnis abhängig seien, müsse das Exportkontrollpersonal zumindest über ein unmittelbares Berichtsrecht und die Befugnis verfügen, Transaktionen bis zur Entscheidung des Ausfuhrverantwortlichen vorrübergehend zu unterbrechen.70 Das vom BAFA geforderte Stopp- bzw. Berichtsrecht für das Exportkon­ trollpersonal stellt damit sicherlich eine Konkretisierung der Organisationspflicht des Betriebsinhabers dar, die dem Ablauf von Exportvorgängen im Unternehmen Rechnung trägt. Im Vorfeld der Ausfuhr sind mitunter aufwändige Klassifizierungs- und Prüfvorgänge erforderlich, deren Unterlassen oder Umgehung bereits für sich die Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts gefährdet.71 Zwingen die Unternehmensgröße bzw. der Exportumfang den Ausfuhrverantwortlichen zur vertikalen Aufgabendelegation, steht er vor der Herausforderung, sich selbst aufgabentechnisch zu entlasten, ohne dass dadurch das Kontrollniveau absinkt. Dies gilt aber nicht nur für Verantwortliche in exportierenden Unternehmen. Gefahren, die aus der Unterschreitung von Kontrollstandards resultieren, bestehen nicht nur bei Exportunternehmen, sondern bei allen Betrieben, die mit potentiell gefährlichen Produkten umgehen. Aus diesem Grund wird die Sicherstellung der Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit des innerbetrieblichen Kontrollprogramms als allgemeine organisatorische Inhaberpflicht im Sinne des § 130 OWiG angesehen.72 Betraut die Geschäftsleitung etwa einen Compliance-Beauftragten oder die interne Revision mit der Überwachung der Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen und unternehmenseigener Direktiven, müssen diese in der Lage sein, entweder selbst gegen Gesetzesverstöße vorzugehen oder zumindest über diese an den Vorgesetzten zu berichten.73 Insoweit ist insbesondere das Berichts- bzw. Eskalationsrecht des Compliance-Beauftragten anerkannt.74 Etwas anderes würde eine effiziente Kon­ trolltätigkeit unmöglich machen. Stopp- und Berichtsrecht zur Durchsetzung 69  Siehe

bereits die Nachweise in Teil 3, Fn. 745. ICP-Merkblatt, S.  14; BAFA, HADDEX, Bd.  1, Rn.  72; Beutel/ Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 104; siehe auch Kreuder, CCZ 2008, S. 166 (172). 71  Dazu sogleich S. 284 ff. 72  Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 29; Obermayr, in: Hauschka/ Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 44 Rn. 103; Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (86). 73  Bürkle, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, §  36 Rn.  70 f.; Schulz/Galster, in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, § 4 Rn. 46; Bock, ZIS 2009, S. 68 (80); Meier-Greve, CCZ 2010, S. 216 (217). 74  Siehe bereits S. 251 f. 70  BAFA,



A. Besonderes Pflichtenprogramm281

des innerbetrieblichen Kontrollprogramms sind damit allgemein anerkannte Mittel zur Vermeidung von Organisationsmängeln und werden der Geschäftsleitung nicht erst durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze bzw. das ICP-Merkblatt aufgegeben. 2. Ablauforganisation Wie gezeigt, entspricht der Aufbau gewisser Kontrollstrukturen in Unternehmen, die rüstungsrelevante Güter ausführen, einer aus § 130 OWiG ableitbaren, branchenübergreifenden Inhaberpflicht. Möglichweise zeigen sich exportkontrollrechtliche Besonderheiten jedoch bei dem vom BAFA vorgesehenen Ablauf der unternehmensinternen Exportkontrolle. Als zweiter Bestandteil der Organisationspflicht betrifft die Ablauforganisation die export­ relevanten Arbeitsabläufe, die so koordiniert werden müssen, dass Verstöße gegen das Exportkontrollrecht ausgeschlossen sind.75 Die Ablauforganisation umfasst die Pflicht zur Information (a)), zur Instruktion (b)) sowie zur Dokumentation (c)). a) Information Das BAFA verlangt vom Ausfuhrverantwortlichen, dass er sich regelmäßig über seine Pflichten zur Einhaltung der Compliance- und Organisationvorschriften informiert.76 Soweit vorhanden, muss der Ausfuhrverantwortliche auch das Exportkontrollpersonal stets auf den neuesten Stand bringen, wenn sich die maßgeblichen Vorschriften und Verfahren ändern.77 Der Umfang der Informationspflicht ergibt sich aus einem Kriterienkatalog des ICPMerkblatts.78 Zu berücksichtigen sind Embargos, Sanktionslisten, Güterlisten, Vorschriften über die nicht gegenständliche Übermittlung von Technologie sowie sämtliche gesetzliche Genehmigungsvorschriften und Unterrichtungen durch das BAFA hinsichtlich kritischer Endverwendungszwecke ausländischer Empfänger. Der Ausfuhrverantwortliche muss feststellen, ob sein Unternehmen von derartigen Ausfuhrverboten oder Beschränkungen betroffen ist, um Transaktionen unterbinden oder gegebenenfalls rechtzeitig vorher eine entsprechende Genehmigung einholen zu können.79 75  Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 109; eingehend zur Ablauforganisation Müller, AW-Prax 1998, S. 82  ff.; außerdem BAFA, AW-Prax 2004, S.  387 f. 76  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 20; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74. 77  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 20; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74. 78  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 17 ff.; siehe auch BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74. 79  BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Auf den ersten Blick erscheint die Informationspflicht des Ausfuhrverantwortlichen wie eine Selbstverständlichkeit. Die Beachtung des Exportkon­ trollrechts setzt denknotwendig die Ermittlung der für das betreffende Unternehmen relevanten Vorschriften voraus.80 Bedenkt man indessen, dass der Ausfuhrverantwortliche nicht notwendigerweise eine juristische Ausbildung vorweisen muss, stellt ihn die umfangreiche und ständigen Veränderungen ausgesetzte Regelungsmaterie des Exportkontrollrechts möglicherweise vor erhebliche Herausforderungen.81 Exportiert sein Unternehmen Güter mit offenkundiger Rüstungsrelevanz, wie etwa Kampfhubschrauber, Handfeuerwaffen oder Munition für Kriegswaffen, erschließt sich deren Genehmigungsbedürftigkeit noch vergleichsweise einfach durch einen Abgleich mit den entsprechenden Güterlisten, insbesondere mit der Kriegswaffenliste oder der Ausfuhrliste. Werden hingegen mit sog. Fluorpolymeren beschichtete Vakuumpumpen verkauft, wie sie typischerweise in der zivilen chemischen Industrie verwendet werden, so ist vor dem Export eine Genehmigung beim BAFA einzuholen, weil die Ausfuhr chemischer Herstellungseinrichtungen, deren medienberührende Flächen aus Fluorpolymeren bestehen, gemäß Art. 3 Abs. 1 Dual-Use-VO i. V. m. Anhang I zur Dual-Use-VO Kategorie 2B350 lit. a Nr. 2 einer Genehmigungspflicht unterliegt.82 Die Güterklassifizierung setzt in diesem Fall nicht nur eine entsprechende Produktkenntnis, sondern auch das Bewusstsein für Dual-Use-Risiken und deren rechtliche Dimension voraus. Hinzutreten mehr als 130 EU-Verordnungen und EU-Durchführungsverordnungen mit Embargomaßnahmen gegenüber bestimmten Ländern oder Sanktionen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die weitere Verbote und Genehmigungspflichten enthalten sowie fortlaufend – abhängig von den politischen Verhältnissen – aktualisiert werden.83 Besondere Bedeutung erlangen in diesem Zusammenhang auch die sog. Terrorismuslisten. In diesen durch den Sicherheitsrat der UN initiierten und durch EU-Verordnungen umgesetzten Katalogen, werden anstatt Gütern Personen, Gruppen und Organisationen aufgeführt, mit denen nahezu jeder wirtschaftliche Kontakt verboten ist, um die finanziellen Ressourcen von Terroristen zu sper-

80  Kreuder,

CCZ 2008, S. 166 (171). Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 3, der auf die Schnelllebigkeit und Komplexität des Exportrechts hinweist, die die wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Bereich anspruchsvoll und risikoträchtig gestalteten. Freilich gilt dies auch bei der Beschäftigung eines Juristen, bei dem ebenfalls ein entsprechender Sachverstand sichergestellt werden muss, um den Anforderungen an die Ablauforganisation gerecht zu werden. 82  Beispiel von Hannemann-Kacik/Sieben, Der Zoll-Profi! 6/2012, S. 6 f. 83  Siehe Simonsen, Außenwirtschaftsrecht, S. 19, 37 ff. 81  Vgl.



A. Besonderes Pflichtenprogramm283

ren.84 Neben der akribischen Klassifikation der eigenen Güter sind in der Regel also auch Informationen über den Vertragspartner einzuholen. Je mehr dieser Vorschriften für das Unternehmen des Ausfuhrverantwortlichen beachtlich sind, desto höher ist der vom BAFA geforderte Pflegeaufwand.85 Selbst wenn sich der Ausfuhrverantwortliche insoweit durch entsprechende EDV-Systeme und Screening Software unterstützen lässt, die beispielsweise einen automatisierten Listenabgleich vornehmen und den Nutzer sodann per E-Mail informieren86, entbindet dies nicht, von einer menschlichen Nachkontrolle der Screening-Resultate.87 Für diese Untersuchung interessiert wiederum, ob die umfangreiche Informationspflicht dem Ausfuhrverantwortlichen erst faktisch durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze auferlegt wird, oder ob sie nicht ohnehin als Inhaberpflicht im Sinne des § 130 OWiG anerkannt ist. Im Schrifttum zu § 130 OWiG wird unter dem Stichwort „Risikoidentifizierung und Risikobewertung“ allgemein gefordert, dass Mitarbeiter durch den Aufsichtspflichtigen fortlaufend über die im Unternehmen und für die jeweilige Position des Mitarbeiters maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zu informieren sind.88 Diese Informationspflicht setzt freilich voraus, dass der Aufsichtspflichtige selbst den relevanten Vorschriftenkomplex ermittelt hat und auf Höhe des aktuellen Rechtsstands agiert. Speziell für den Außenwirtschaftsverkehr gibt ferner eine Entscheidung des BVerfG die Stoßrichtung der Rechtsprechung bei der Bewertung des Umfangs der Informationspflicht vor. Im Zusammenhang mit der Überprüfung der Bestimmtheitsanforderungen an die AWV stellte das BVerfG fest: „Den am Außenwirtschaftsverkehr teilnehmenden Personen ist es auch zumutbar, sich über den jeweiligen Stand der Ausfuhr-

84  Ausführlich Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105 ff.; ferner Dahme, Terrorismusbekämpfung, S. 528; dies., AW-Prax 2005, S. 474 f.; dies., AW-Prax 2008, S.  478 f. 85  Vgl. Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  99; Simonsen, Außenwirtschaftsrecht, S. 19. 86  So besteht etwa die Möglichkeit einer Komplett-Implementierung der Terrorismuslisten in das SAP-System des Unternehmens, dazu Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 116; Faßbold, AW-Prax 2009, S. 370 f.; Zirkel/Aleksic, CR 2016, S.  141 ff. 87  Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 114, der auf die hohe Anzahl an Fehlalarmierungen derartiger Software hinweist. 88  Beck, in: BeckOK-OWiG, § 130 Rn. 63; Engelhart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 32; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 38; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 59; Lehmann, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 3 Rn. 77; Reichhardt, Aufsichtsmaßnahmen, S.  143 ff.; Bock, Criminal Compliance, S. 650 ff.; ders., ZIS 2009, S. 68 (76); von Busekist/Schlitt, CCZ 2012, S. 86.

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liste zu informieren“.89 Obwohl das BVerfG explizit nur auf die Ausfuhrliste und damit auf lediglich eine Facette des umfangreichen Exportkontrollrechts Bezug nimmt, wird dennoch deutlich, dass die Rechtsprechung bereits ohne die Regelungen zum Ausfuhrverantwortlichen von einer gesteigerten Sorgfalt der Akteure des Außenwirtschaftsverkehrs ausgeht.90 Darüber hinaus hat das BayObLG – ebenfalls in einer Entscheidung mit außenwirtschaftlichem Bezug – klargestellt, dass es dem Betriebsinhaber, der die einschlägigen Einfuhrbestimmungen nicht kennt oder schlichtweg nicht versteht, zumutbar im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist, sich entweder selbst die für seine Überwachungsaufgabe erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen oder das innerbetriebliche Kontrollsystem extern, etwa durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, überwachen zu lassen.91 Die Informationspflicht des Ausfuhrverantwortlichen hinsichtlich der konkret einschlägigen Rechtsvorschriften darf mithin als ohnehin anerkannte Inhaberpflicht betrachtet werden.92 b) Instruktion Neben die Pflicht des Ausfuhrverantwortlichen, sich selbst und seine Mitarbeiter über die relevanten Bestimmungen des Exportkontrollrechts zu informieren, tritt die Pflicht, Mitarbeiter zum Handeln im Sinne dieser Bestimmungen zu instruieren. Denn allein die Kenntnis der exportkontrollrecht­ lichen Vorschriften führt nicht automatisch zu deren Befolgung.93 Deshalb 89  BVerfG NJW 1992, S. 2624; diesem folgend LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 158, zitiert nach juris; zustimmend Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 38; Trouet, FS Krause, S. 407 (417); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  99 f.; Simonsen, Außenwirtschaftsrecht, S. 19; Mätzke, NStZ 1999, S. 541 (542); Wolffgang/Witte, CB 2015, S. 138 (142). 90  Zu den Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf die (Un-)Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums gemäß § 17 Satz 2 StGB siehe nachfolgend S. 318 ff. 91  BayObLG, wistra 2001, S. 478 (479); ebenso Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 59. 92  Der damit auch und gerade im Außenwirtschaftsrecht geltende Grundsatz, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt (vgl. Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwort­liche, S. 99), wird seit der AWG-Novelle von 2013 lediglich durch den persönlichen Strafausschließungsgrund des § 18 Abs. 11 AWG aufgeweicht. Die Vorschrift sieht eine Schonfrist von zwei Werktagen infolge der Veröffentlichung eines Ausfuhrverbots oder Genehmigungserfordernisses im Amtsblatt der Europäischen Union vor, sofern der Täter von dem Verbot oder Genehmigungserfordernis zum Tatzeitpunkt keine Kenntnis hatte; zum Ganzen Pelz, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 18 AWG Rn. 88; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 18 AWG Rn. 107 f. Die Zwei-Werktages-Frist dürfte allerdings deutlich zu kurz sein, um die Informationspflicht des Ausfuhrverantwortlichen merklich abzuschwächen; kritisch auch Rüsken, in: Stein/Thoms, AWG, § 18 Rn. 88. 93  Vgl. Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81.



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müssen gemäß den Angaben des BAFA betriebliche und organisatorische Ausfuhrverfahren schriftlich in einem sog. Prozesshandbuch festgelegt werden.94 Das Prozesshandbuch soll den Ablaufplan für die einzelnen Schritte der internen Exportkontrolle liefern. Da es als Anleitung und Leitfaden für Mitarbeiter den Ausschlag für die Beachtung von Vorschriften geben kann, wird es vom BAFA als „Kernstück eines jeden innerbetrieblichen Export­ kontrollsystems“95 bezeichnet.96 Das Prozesshandbuch erläutert damit nichts Geringeres als die Schritte der operativen Exportkontrolle in Unternehmen. Aufgrund dieser Bedeutung legt das BAFA fest, dass das Prozesshandbuch zumindest Folgendes abdecken sollte: − „Regeln zur Einhaltung von Exportkontrollvorschriften im gesamten Prozess vom Eingang einer Bestellung bis hin zum Versand − Überwachung der Einhaltung der Bedingungen von Genehmigungen − Regeln zur Interaktion mit anderen betroffenen Abteilungen innerhalb des Unternehmens, z. B. Rechtsabteilung und Vertrieb − Regeln zum Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden (z. B. Meldung verdächtiger Bestellungen, Umgang mit Selbstanzeigen, u. ä.) und anderen externen Akteuren − Koordinierung aller Mitarbeiter, die bei Kontrollen eingesetzt werden oder auf irgendeine Art davon betroffen sind (z. B. sollte das Vertriebspersonal angewiesen werden, das Exportkontrollpersonal über etwaige Zweifel bzw. Red Flags [gemeint sind Warnhinweise hinsichtlich kritischer Verwendungszwecke97; Anmerkung des Verfassers] zu unterrichten, und es sollte darüber informiert werden, dass eine Bestellung erst dann bearbeitet werden kann, wenn dies vom Exportkontrollpersonal genehmigt wurde“98 Besonderen Wert legt das BAFA auf die Phase im Vorfeld der Genehmigungsanträge. In dieser müssen Mitarbeiter erkennen können, inwieweit Tätigkeiten und Transaktionen genehmigungspflichtig bzw. überhaupt erlaubt 94  BAFA, ICP-Merkblatt, S.  16; BAFA, HADDEX, Bd.  1, Rn.  74; Beutel/ Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 106. 95  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 15; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74; ähnlich Wolffgang/Witte, CB 2015, S. 138 (141). 96  Vor dem Hintergrund, dass das Außenwirtschaftsrecht stetig an Komplexität gewinnt, wird von Seiten des BAFA zudem empfohlen, die Ablauforganisation durch ein eigenes EDV-System zu unterstützen, das den zuständigen Mitarbeiter insbesondere automatisch zu den erforderlichen Exportkontrollschritten auffordert, siehe Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 106 f. 97  Siehe BAFA, ICP-Merkblatt, S. 24 f. 98  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 16; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74; zu diesem Mindestinhalt auch Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (83 f.).

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sind.99 Im Prozesshandbuch ist deshalb präzise das Vorgehen zur sachgerechten Berücksichtigung von Embargos, Sanktionslisten, Genehmigungspflichten bei der Ausfuhr gelisteter und nicht gelisteter Güter, digitalem Technologietransfer, EDV-Unterstützung sowie von Handels- und Vermittlungsgeschäften schriftlich zu fixieren.100 Der Umgang mit den einzelnen Prüfkriterien wird durch das ICP-Merkblatt weiter erläutert. So sollte sich beispielsweise eine Überprüfung der Embargoregelungen mindestens auf Bereitstellungs- und Lieferverbote, den Abgleich der zu liefernden Güter mit den gelisteten Embargogütern sowie etwaige zusätzliche Genehmigungsbedingungen erstrecken.101 Dem endgültigen Versand muss zudem stets eine abschließende Prüfung der Einhaltung vorausgehen.102 Das Prozesshandbuch soll Mitarbeitern dadurch ermöglichen, sich in den entsprechenden S ­ ituationen selbstständig im Ausfuhrprozess zu orientieren und im Zweifels- oder Notfall die Frage beantworten, an wen sie sich intern oder extern wenden können.103 Je mehr exportkontrollrechtliche Vorschriften für das betreffende Unternehmen beachtlich sind, desto detaillierter muss also der Leitfaden des Prozesshandbuchs sein. An das Prozesshandbuch kleiner und mittlerer Unternehmen104 werden daher freilich geringere Anforderungen zu stellen sein, da hier im Einzelfall sogar eine hinreichend konkrete mündliche Arbeitsanweisung rechtskonformes Mitarbeiterverhalten sicherstellen kann.105 Ohne einen schriftlichen Beleg wird es dem Ausfuhrverantwortlichen indessen schwerer fallen, dem BAFA die Ausarbeitung wirksamer Exportkontrollschritte vor Augen zu führen, was wiederum den Erhalt von Genehmigungen und bestimmter Verfahrensprivilegien erschwert.106 Mit der Pflicht, Mitarbeiter durch ein Prozesshandbuch mit vorgegebenem Mindestinhalt zu rechtskonformem Verhalten im Außenwirtschaftsverkehr anzuleiten, ist eine echte Konkretisierung der allgemeinen Inhaberpflichten gefunden. Das BAFA diktiert hierdurch letztlich die operativen Prüfschritte unternehmensinterner Exportkontrolle. 99  Siehe

(83).

BAFA, ICP-Merkblatt, S. 17 ff.; Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81

100  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 17 ff.; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74; siehe auch Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (83 f.). 101  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 17; siehe auch BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74; siehe dazu auch Spoerr/Gäde, CCZ 2016, S. 77 ff. 102  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 19; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74. 103  Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 106; Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S. 110 (111). 104  Siehe zum Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen Teil 3, Fn. 42. 105  Vgl. auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 103. 106  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  102; Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 (82).



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Aus § 130 OWiG wird demgegenüber als Mindestmaß an gehöriger Aufsicht lediglich gefolgert, dass der Aufsichtspflichtige seinen Mitarbeitern den Inhalt ihrer betriebsbezogenen Aufgaben und Pflichten genau mitteilen und verständlich machen muss.107 Die inhaltliche Ausgestaltung dieser sog. Compliance-Kommunikation108 wird jedoch in der Regel durch das Arbeitsrecht, namentlich den Arbeitsvertrag, unternehmensinterne Richtlinien oder durch entsprechende betriebliche Übung, bestimmt und ist damit zuvorderst von den Einschätzungen des Arbeitgebers abhängig.109 Während § 130 OWiG also lediglich die Untergrenze, das „Ob“ der Mitarbeiterinstruktion, festlegt, wird der Umfang der Instruktionspflicht, das „Wie“, abermals streng einzelfallbezogen durch den Betriebsinhaber bzw. den Bußgeldrichter konkretisiert. Eine allgemeingültige gesetzliche Regelung zur Anleitung von Mitarbeitern zu deren rechtskonformen Aufgabenbewältigung wäre aufgrund gravierender Branchenunterschiede und der nicht überschaubaren Normfülle von vornherein nicht praktikabel. Deshalb existieren allenfalls für bestimmte Wirtschaftszweige gesetzliche Spezialregelungen. Nach § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen beispielsweise angemessene Vorkehrungen treffen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu gewährleisten. Diese Vorkehrungen müssen aufgezeichnet und den Mitarbeitern als sog. Compliance-Manuals zugänglich gemacht werden.110 Die durch das ICP-Merkblatt konkretisierten Zuverlässigkeitsgrundsätze stellen hinsichtlich ihrer Verpflichtung zur Mitarbeiterinstruktion ebenfalls eine branchenbezogene Spezialvorschrift dar. Sie gehen insoweit über das nach § 130 OWiG anerkannte Mindestmaß zugunsten exportkontrollbezogener Erfordernisse deutlich hinaus. c) Dokumentation Zusätzlich zur Ausarbeitung des Prozesshandbuchs trifft den Ausfuhrverantwortlichen die Pflicht, in sämtlichen Phasen eines Ausfuhrvorgangs die 107  OLG Düsseldorf vom 05.04.2006 – VI-2 Kart 5/05 OWi, Rn. 39 zitiert nach juris; KG vom 26.08.1997 – 2 Ss 182/97 – 5 Ws (B) 424/97, Rn. 8, zitiert nach juris; Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 146; Pelz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 5 Rn. 23. 108  Zum Begriff Schmidt, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 45 Rn. 47 ff. 109  Schmidt, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 45 Rn. 49; von Busekist/Hein, CCZ 2012, S. 41 (45); Theile, ZIS 2008, S. 406 ff. 110  Siehe noch die alte Rechtslage mit dem Verweis durch § 14 Abs. 3 WpDVerOV a. F. auf § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG a. F. dazu Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 33 WpHG a. F. Rn. 2 ff.; Wiederholt/Walter, BB 2011, S. 968 (970 f.) m. w. Nachw.

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einzelnen Prüfungsschritte – und damit den gesamten Ablauf von der Entwicklung eines neuen Produkts über die Auftragsannahme und das Ausfuhrgenehmigungsverfahren bis hin zur Auslieferung – genau zu dokumentieren und den Ausfuhrvorgang betreffende Unterlagen aufzubewahren.111 Schriftlich fixiert werden müssen also nicht nur im Vorfeld die einzelnen Prüfungsschritte, die Mitarbeiter vorzunehmen haben, sondern auch nachträglich jede einzelne Maßnahme, die durch Mitarbeiter im konkreten Ausfuhrvorgang getroffen wurde. Die entsprechenden Aufzeichnungen und Dokumente müssen darüber hinaus den zuständigen Behörden auf deren Verlangen hin zugänglich gemacht werden.112 Bei der Suche nach einer entsprechenden Dokumentationspflicht unter den Aufsichtspflichten nach § 130 OWiG gilt es, zunächst nach den unterschiedlichen Zwecken einer solchen Pflicht differenzieren. Die Dokumentation von Aufsichtsmaßnahmen erfolgt nämlich auf der einen Seite im Eigeninteresse des Betriebsinhabers, der so seine ordnungsgemäße Aufsicht gegenüber Behörden und Gerichten nachweisen kann.113 Dies wird am Beispiel der Exportkontrolle besonders deutlich. Als Kriterium der exportkontrollrechtlichen Zuverlässigkeitsbeurteilung durch das BAFA erleichtert eine sorgfältige Dokumentation der ausfuhrbezogenen Arbeitsabläufe den Erhalt von Genehmigungen sowie bestimmter Verfahrensprivilegierungen.114 Sie ist damit gleichermaßen Grundvoraussetzung wie Katalysator des Ausfuhrgenehmigungsverfahrens. Werden dem BAFA sachgerecht gepflegte Unterlagen über sensible Ausfuhren vorgelegt, erspart dies langwierige Nachforschungen und beschleunigt das Verfahren, was einen erheblichen Wirtschaftsvorteil darstellen kann.115 Kommt es zu einem Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlicher Ausfuhrverstöße im Unternehmen durch die Staatsanwaltschaft oder führt das BAFA beim Verdacht der Unzuverlässigkeit im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Außenwirtschaftsprüfung durch, kann eine sorgfältige Dokumentation der einzelnen Prüfschritte zudem einen faktischen Entlastungsbeweis liefern.116 Zumindest wird sie den ersten Anschein dahingehend 111  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 20; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 76; dazu auch Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 112 f. 112  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 20; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 76. 113  Bock, Criminal Compliance, S. 617; ders., in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 40; Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 42. 114  Siehe dazu Teil 2, Fn. 358. 115  In diesem Sinne Kreuder, CCZ 2008, S. 166 (172). 116  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  101  ff.; ders., AW-Prax 1997, S. 373; Graf von Bernstorff, AW-Prax Service-Guide 2014, S. 3 (4); ähnlich Hein, AW-Prax 1998, S. 415 (417); allgemein auch Bock, Criminal Compliance, S. 741; in Bezug auf den Compliance-Officer Schulz/Galster, in: Bürkle/Hauschka, ComplianceOfficer, § 4 Rn. 61; Dann/Mengel, NJW 2010, S. 3265 (3268).



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erwecken, dass die Geschäftsleitung auf das Ausbleiben von Ausfuhrverstößen vertraut hat, anstatt diesen gleichgültig gegenüber zu stehen oder gar billigend in Kauf zu nehmen. Die Beschleunigung behördlicher Antragsverfahren sowie Entlastungsvorteile in Ermittlungsverfahren lösen indessen nur eine Aufsichtspflicht des Betriebsinhabers nach § 130 OWiG aus, wenn sie zu dessen geschützten Interessen gezählt werden können. Damit die Haftung des Betriebsinhabers nicht ausufert, wird zur restriktiven Handhabung des § 130 OWiG gefordert, dass nur sog. betriebstypische Gefahren von der Aufsicht erfasst sind.117 Der Aufsichtspflichtige muss nur solche Maßnahmen ergreifen, die nötig sind, um die für seinen Betrieb typischen Zuwiderhandlungen zu verhindern, da die Ausschaltung aller denkbaren Risiken von niemandem verlangt werden kann.118 Obwohl Uneinigkeit über die Funktion des § 130 OWiG besteht119, bezweifelt kaum jemand, dass die Vorschrift sicherstellen soll, dass in Betrieben Vorkehrungen gegen die Begehung von betriebsbezogenen Zuwiderhandlungen gegen Straf- und Bußgeldvorschriften getroffen werden, unabhängig davon, ob als geschütztes Rechtsgut das Allgemeininteresse an der „Ordnung im Betrieb“120 oder das individuelle, durch die jeweilige betriebsbezogene Straf- oder Bußgeldvorschrift geschützte Interesse121 anzusehen ist.122 Die Regelung in § 130 OWiG dient jedenfalls weder unmittelbar dem Interesse des Betriebsherrn an der Wirtschaftlichkeit seiner Tätigkeit noch dem Interesse der Behörden an einem möglichst reibungslosen Verwaltungsverfahren. Die sorgfältige Dokumentation der internen Kontrollverfahren aus 117  KG LMRR 1995, S. 77; OLG München CCZ 2016, S. 44 (45); OLG Hamm NStZ 1992, S. 499; Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 3 Rn. 46; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 32; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 9; Rogall, in: KKOWiG, § 130 Rn. 19. 118  BGH NStZ 1986, S. 34; BayObLG, NJW 2002, S. 766 (767); OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, S. 151 f.; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 32; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 571 (597). 119  Umstritten ist insbesondere, ob § 130 OWiG durch die Aufsichtspflichtverletzung einen eigenen Ahndungsgrund enthält oder wegen der objektiven Ahndbarkeitsbedingung der Zuwiderhandlung lediglich einen Zurechnungsmotor für fremdes Fehlverhalten liefert; dazu Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 1 ff.; Bosch, Organisa­ tionsverschulden, S.  318 ff. 120  Engelhart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 7; Bosch, Organisationsverschulden, S. 321 ff.; Reichhardt, Aufsichtsmaßnahmen, S. 100 f.; ähnlich BGH NJW 1994, S. 1801 (1803). 121  So etwa Beck, in: BeckOK-OWiG, § 130 Rn. 11; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 3. 122  Siehe nur Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 1; ders., ZStW 98 (1986), S. 573 (587 ff.).

290

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

diesem Grund als Inhaberpflicht im Sinne des § 130 OWiG anzusehen, ginge von vornherein fehl. Auf der anderen Seite erleichtert und ermöglicht eine sorgfältige Dokumentation aber auch, wenn nicht sogar überhaupt erst, dass das innerbetriebliche Risiko- und Wissensmanagement sowie eine überschneidungsfreie Aufbau- und Ablauforganisation kontinuierlich und transparent über diverse Personenwechsel hinweg gewährleistet werden können.123 Gerade Prozesse zur Optimierung des Kontrollprogramms können nur dann sinnvoll eingeleitet werden, wenn sich Mitarbeiterhandlungen aufgrund ihrer schriftlichen Manifestation nachvollziehen lassen.124 Andernfalls sind die Identifizierung desjenigen Mitarbeiters, der die Zuwiderhandlung begangen hat, sowie die damit verbundene Möglichkeit, diesen zur Rechenschaft zu ziehen, deutlich beschränkt.125 Die Dokumentation ermöglicht dem Aufsichtspflichtigen damit nicht zuletzt, im Fall von Unregelmäßigkeiten einzuschreiten und Mitarbeiterverhalten zu sanktionieren. Entsprechende Sanktionsmaßnahmen sind wiederum unabdingbar, um die Befolgung des internen Kontrollprogramms sicherzustellen.126 Damit lässt sich die Dokumentation ausgeführter Kon­ trollmaßnahmen als Grundlage für eine funktionierende Compliance-Organisation bezeichnen.127 Die Konkretisierung der Dokumentationspflicht durch das BAFA besteht wiederum darin, dass das ICP-Merkblatt die lückenlose schriftliche Dokumentation sämtlicher Einzelprüfschritte durch den Ausfuhrverantwortlichen oder dessen Mitarbeiter als den Regelfall ansieht. Eine derart weitreichende Dokumentationspflicht hat unabhängig von den Zuverlässigkeitsgrundsätzen weder die Rechtsprechung noch der Gesetzgeber für den Außenwirtschaftsverkehr vorgesehen. Die auch vom BAFA zitierte Vorschrift des § 22 Abs. 3 AWV128 verpflichtet den Ausführer unbeschadet anderer Rechtsvorschriften lediglich zum Führen und Aufbewahren von ausführlichen Registern oder Aufzeichnungen über Ausfuhren der in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste genannten Güter. Die Vorschrift zwingt allerdings zum einen nur zu den in 123  Bock, Criminal Compliance, S. 741; ders., in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 40; Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 42; Engelhart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, §  130 OWiG Rn. 43. 124  Bock, Criminal Compliance, S. 741; ders., in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 40. 125  Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 151. 126  Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 65; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 47. 127  In diesem Sinne auch Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 42. 128  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 20; siehe auch BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 76.



A. Besonderes Pflichtenprogramm291

§ 22 Abs. 2 Satz 2 AWV abschließend aufgeführten, den Ausfuhrvorgang selbst betreffenden Angaben. Dazu zählen etwa die Güterbezeichnung, die Listenposition, die ausgeführte Menge, das Datum der Ausfuhr oder der Name des Empfängers sowie der Endverwendung der Güter. Zum anderen findet sie aufgrund ihres ausschließlichen Verweises auf Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste gerade keine Anwendung auf Ausfuhren von Kriegswaffen im Sinne der Kriegswaffenliste des KWKG, von national erfassten DualUse-Gütern des Teil I Abschnitt B der Ausfuhrliste oder von unionsrechtlich erfassten Dual-Use-Gütern gemäß Anhang I der Dual-Use-VO.129 Sie kann daher nicht als umfassende gesetzliche Dokumentationsvorschrift für den Ausfuhrverantwortlichen begriffen werden. Auch andere Dokumentationsund Aufbewahrungsvorschriften wie § 257 HGB oder § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 KWG führen die zu dokumentierenden Unterlagen entweder abschließend auf oder sind aufgrund ihres spezifischen Branchenbezugs abermals nicht verallgemeinerungsfähig. Die Organisationspflicht des Ausfuhrverantwortlichen erfährt dadurch im Rahmen der Ablauforganisation eine weitere Steigerung. 3. Zwischenergebnis Der vom BAFA geforderte Dokumentationsaufwand des Ausfuhrverantwortlichen führt zu einer weiteren Konkretisierung seiner Inhaberpflichten. Mit der sorgfältigen Ausarbeitung von Prüfverfahren, deren Mindestinhalt vom BAFA vorgeschrieben ist, und deren Vermittlung an etwaiges Exportpersonal korrespondiert die Pflicht, die daraufhin ausgeführten konkreten Prüfschritte in gleichem Umfang schriftlich zu dokumentieren. Ungeachtet dieser Erweiterung des Pflichtenkreises hat die Untersuchung aber auch gezeigt, dass die Organisationspflicht des Ausfuhrverantwortlichen in weiten Teilen der Organisationspflicht entspricht, wie sie als Grundvoraussetzung für eine gehörige Aufsicht des Betriebsinhabers nach § 130 OWiG von der Rechtsprechung und im Schrifttum postuliert wird. Der Aufbau unternehmensinterner Strukturen zur Aufsicht über die Einhaltung von Rechtsvorschriften wird dem Ausfuhrverantwortlichen bereits mittelbar durch § 130 OWiG aufgegeben. Der genaue Ablauf innerhalb dieser Strukturen nimmt hingegen erst durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze bzw. das ICP-Merkblatt seine konkrete Gestalt an.

129  Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, §  22 AWV Rn. 4.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

II. Überwachungspflicht Die Untersuchung wendet sich nun der Überwachungspflicht des Ausfuhrverantwortlichen zu. Die Überwachungspflicht stellt, bildlich gesprochen, den Gegenpol zur Organisationspflicht dar. Eine noch so gute Organisation wird als wertlos erachtet, wenn die Einhaltung der festgelegten Arbeitsabläufe nicht kontrolliert wird.130 Um insoweit den Anforderungen des BAFA zu genügen, muss der Ausfuhrverantwortliche zum einen durch geeignete Maßnahmen kontrollieren, ob die Anweisungen hinsichtlich der Ablauforganisation tatsächlich eingehalten werden; zum anderen muss er regelmäßig die Funktionsfähigkeit des ICP als solches überprüfen.131 Das BAFA differenziert also zwischen der Überwachung konkreter, einzelner Ausfuhrprozesse (1.) und der Überwachung der allgemeinen Sachgemäßheit des ICP als dem die einzelnen Ausfuhrvorgänge überspannenden Kontrollsystem (2.). 1. Prozessbezogene Überwachung Geht es um die Überwachung der einzelnen Prüfschritte, die für die Exportkontrolle erarbeitet und beispielsweise in einem Prozesshandbuch festgeschrieben wurden, muss das ICP gemäß den Angaben BAFA prozessbezogene Kontrollmechanismen im Rahmen der täglichen Betriebsabläufe vorsehen.132 Die prozessbezogene Überwachung betrifft damit Fälle, in denen sich der Ausfuhrverantwortliche weiterer Mitarbeiter bedient, die für ihn die operativen Aufgaben der Exportkontrolle wahrnehmen. Bewältigt er das operative Exportkontrollgeschäft selbst, wie dies in kleinen und mittleren Unternehmen133 oder bei Einzelkaufleuten zweckmäßig sein kann, muss sich der Ausfuhrverantwortliche lediglich dahingehend selbst „überwachen“, dass er die vom BAFA vorgesehenen Abläufe bei Ausfuhrvorgängen beachtet. Betraut der Ausfuhrverantwortliche hingegen weitere Mitarbeiter mit der Exportkontrolle, was dem Regelfall entsprechen dürfte, muss er sich vergewissern, dass seine Anweisungen hinsichtlich der Ablauforganisation auch befolgt werden.134 Die operativen Aufgaben der alltäglichen Exportkontrolle wandeln sich dann gemäß den Angaben des BAFA zu Überwachungsaufgaben, wie etwa die Freigabe von Abläufen nach dem Vier-Augenprinzip oder regelmäßige Stichprobenprüfungen bezüglich der Ordnungsgemäßheit einzelPottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 126. ICP-Merkblatt, S. 21 f.; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 73; dazu Beutel/ Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 113 ff. 132  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 21; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 73. 133  Siehe zum Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen Teil 3, Fn. 42. 134  BAFA, AW-Prax 2004, S. 387 (388). 130  Siehe

131  BAFA,



A. Besonderes Pflichtenprogramm293

ner Lieferungen.135 Empfohlen wird die prozessbezogene Kontrolle von mindestens einer Transaktion pro Kunde bzw. Bestimmungsort oder mindestens einer Transaktion pro Projekt.136 Diese Überwachungsaufgaben darf der Ausfuhrverantwortliche nach der Rechtsauffassung des BAFA z. B. an einen Exportkontrollbeauftragten delegieren. Allerdings soll den Ausfuhrverantwortlichen dies ebenfalls nicht völlig von der Pflicht entbinden, weiterhin zumindest gelegentlich selbst Stichproben zu nehmen.137 Dies entspricht gänzlich den Mindestanforderungen an eine gehörige Aufsicht gemäß § 130 OWiG. Der Betriebsinhaber muss hiernach laufend stichprobenartige, überraschende Prüfungen hinsichtlich des Personals sowie des Zustands der sachlichen Betriebsmittel durchführen.138 Auch das Vier-­ Augenprinzip, wonach ein bestimmtes Mitarbeiterverhalten der Rücksprache mit dem Vorgesetzten bedarf, ist insoweit anerkannt.139 Bereits das Wort „Aufsicht“ impliziert, dass sich der Betriebsinhaber nicht durch die bloße Delegation von Aufgaben von seiner Verantwortlichkeit freizeichnen können soll, selbst wenn die Auswahl des Delegaten noch so sorgfältig erfolgt ist.140 Dies ergibt sich allgemein bereits aus den obigen Ausführungen betreffend die Delegation und Restverantwortung von Geschäftsleitungsmitgliedern.141 Das BayObLG stellte im Zusammenhang mit § 130 OWiG zudem fest, dass die Überwachung des Personals durch den Betriebsinhaber weder durch eine gewissenhafte Personalauswahl noch durch die Beauftragung einer Auf135  BAFA,

ICP-Merkblatt, S. 21; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 73. ICP-Merkblatt, S. 21. 137  BAFA, AW-Prax 2004, S. 387 (388); Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (427) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Aufsichtspflicht zweiten Grades“. Zur Frage der dadurch bedingten zumindest verantwortungsbegrenzenden Delegation siehe bereits S. 246 ff. 138  BGH NJW 1973, S. 1511 (1513); NStZ 1986, S. 34; OLG Stuttgart NJW 1977, S. 1410; OLG Köln wistra 1994, S. 315; OLG Düsseldorf vom 27.03.2006 – VI-Kart 3/05 (OWi), Rn. 846, zitiert nach juris; Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/ Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 3 Rn. 51; Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 36 f.; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 36 ff.; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 16 ff.; Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 147; Engelhart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 37; Wirtz, WuW 2001, S. 342 (343). 139  Siehe Engelhart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 37;7; Schorn, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 13 Rn. 46. 140  BGH NJW 1973, S. 1511 (1513); vgl. auch OLG Koblenz VRS 50 (1976), S. 54 (56); dazu Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 25; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 18; siehe zudem die Nachweise bei Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 15 Fn. 5. 141  Siehe S.  258 ff. 136  BAFA,

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

sichtsperson mit der Überwachung der Beschäftigten entbehrlich wird.142 Zum einen müsse sich gerade neu eingestelltes Personal zunächst als zuverlässig erweisen, was nur infolge intensiver Überwachung beurteilt werden könne. Zum anderen verpflichte § 130 Abs. 1 Satz 2 OWiG den Betriebsinhaber ausdrücklich auch zur Überwachung von Aufsichtspersonen. Deshalb zählt trotz fehlender allgemeiner Rechtspflicht, eine Compliance-Organisation im Unternehmen zu errichten, eine regelmäßige prozessbezogene Überwachung zu den wohl unumstrittensten Aufsichtspflichten des Betriebsinhabers. In dieser Hinsicht wiederholen die Zuverlässigkeitsgrundsätze tatsächlich nur eine Inhaberplicht im Sinne des § 130 OWiG. 2. Systembezogene Überwachung Zusätzlich zu den prozessbezogenen Kontrollen sind regelmäßig die Konzeption, Angemessenheit und Wirksamkeit des ICP an sich zu prüfen.143 In diesen sog. Systemprüfungen oder „ICP-Audits“ ist die gesamte innerbetriebliche Exportkontrolle einzubeziehen, wozu die relevanten Arbeits- und Organisationsanweisungen, Schulungen, die Art und Weise der Aufbewahrung sowie die Dokumentation zählen.144 Durch Systemprüfungen soll sicher­gestellt werden, dass die schriftlich fixierten betrieblichen ComplianceVerfahren den exportkontrollrechtlichen Compliance-Bedürfnissen noch gerecht werden und nicht zum „statischen Maßnahmenbündel“ verkommen.145 Gründe für Anpassungsbedarf könnten sowohl im Unternehmen selbst begründet liegen, wie dies etwa bei einer Änderung der Produktpalette, des Kundenstamms oder der Geschäftstätigkeit der Fall sei, als auch in einer Änderung der Rechtslage.146 Systembezogene Kontrollen sollen daher einmal jährlich, mindestens aber alle drei Jahre stattfinden.147 Mit dieser Vorschrift geht das ICP-Merkblatt entgegen der Ansicht beim BAFA über das hinaus, was die Rechtsprechung und die Autoren im Schrifttum hinsichtlich der Aufsichtspflichten im Sinne des § 130 OWiG entwickelt haben. Bezüglich der Überwachungspflicht des Betriebsleiters im Rahmen des § 130 OWiG wird in besonderem Maß betont, dass gerade die gehörige 142  BayObLG,

wistra 2001, S. 478 (479). ICP-Merkblatt, S. 21  f.; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 73; Beutel/ Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 113. 144  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 21; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 73. Das BAFA empfiehlt eine interne ICP-Systemprüfung einmal jährlich, mindestens jedoch alle drei Jahre. 145  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 21. 146  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 21. 147  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 21. 143  BAFA,



A. Besonderes Pflichtenprogramm295

Überwachung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und sich nicht pauschalieren lässt.148 Insbesondere haben sich in Rechtsprechung und Schrifttum bislang keine allgemeingültigen Regeln zur Überwachungsintensität und -häufigkeit herausgebildet.149 Selbstverständlich erschöpfen sich die Aufsichtspflichten des Betriebsinhabers nicht in der einmaligen Errichtung einer Compliance-Organisation, sondern verlangen nach regelmäßiger Fortentwicklung, Überwachung und Kontrolle.150 Umfassende Geschäftsprüfungen sind allerdings nach dem gegenwärtigen Meinungsstand zu § 130 OWiG nur dann erforderlich, wenn abzusehen ist, dass stichprobenartige Kontrollen nicht ausreichen, um die vollständige Wirkung zu erzielen, etwa weil die Überprüfung von nur einzelnen Vorgängen etwaige Verstöße nicht aufdecken könnte.151 Die Pflicht zu einer derart gesteigerten Aufsicht wird weiterhin nur angenommen, wenn im Betrieb bereits Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind oder damit wegen besonderer Umstände zu rechnen ist.152 Eine gesteigerte Aufsicht sei zudem beim Umgang mit wichtigen Rechtsvorschriften zum Schutz der Allge-meinheit153 oder schwierigen Rechtsfragen angezeigt, da der Aufsichtspflichtige bei nur schwer überschaubaren Materien, die einem ständigen Wechsel unterworfen sind, nicht darauf vertrauen dürfe, dass seine Mitarbeiter die Tragweite ihrer Aufgabe voll und ganz erkennen.154

148  Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil  1 Kap. 3 Rn. 51 ff.; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 10 ff.; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 36 ff.; Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 145 ff.; Engelhart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 32  ff.; siehe aber Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 40. 149  Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 38; von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 39. 150  Vgl. BayObLG wistra 2001, S. 478 (479); Fleischer, in: MüKo-GmbHG, Bd. 2, § 43 Rn. 150; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 60. 151  So ausdrücklich OLG Köln wistra 1994, S.  315; ebenso Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 3 Rn. 51; Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 37. 152  OLG Koblenz VRS 50 (1976), S. 54 (57); von Galen/Maass, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 53; zu den Fallgruppen im Einzelnen Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 13 sowie Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 46 m. w. Nachw. 153  OLG Koblenz VRS 50 (1976), S. 54 (57); VRS 65 (1983) S. 457 (458); Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 14 m. w. Nachw. 154  OLG Koblenz VRS 50 (1976), S. 54 (57) („Geschwindigkeit der zu beachtenden Vorschriften“); Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 69; Förster, in: Rebmann/Roth/ Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 14; Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 46; vgl. dazu auch BGH NJW 1977, S. 1784, der bei der Beurtei-

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Den genannten Fallgruppen ist gemein, dass auch sie die gesteigerte Aufsicht allesamt vom Eintritt bestimmter besonderer Szenarien – und damit von den konkreten Umständen des Einzelfalls – abhängig machen. Die vom BAFA vorgesehenen regelmäßigen, umfassenden Systemprüfungen mögen freilich aufgrund des sich kontinuierlich im Wandel befindlichen, schwer überschaubaren Exportkontrollrechts im Regelfall als gesteigerte Aufsichtsmaßnahmen erforderlich sein.155 So ging auch das LG Hamburg im FlintenFall von „strengen Prüfpflichten“ der angeklagten Ausfuhrverantwortlichen aus, da zum einen bedeutsame Rechtsgüter außenwirtschaftlicher Vorschriften, namentlich § 7 Abs. 1 AWG a. F. (§ 4 Abs. 1 AWG n. F.), potentiell gefährdet gewesen seien.156 Zum anderen sei die Angeklagte aufgrund einer in der Vergangenheit in ihrem Unternehmen durchgeführten Außenwirtschaftsprüfung, eines gegen sie geführten Ermittlungsverfahrens sowie mehrerer behördlicher Hinweise „für das Problemfeld ‚Magazinkapazität und Ausfuhrgenehmigung‘ besonders sensibilisiert“ gewesen.157 Gegenüber dem in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Mindeststandard der „stichprobenartigen, überraschenden Prüfungen“ stellen die verpflichtenden Systemprüfungen, die „im Idealfall […] einmal jährlich, mindestens aber alle 3 Jahre“ stattfinden sollen158, jedoch eine pauschale Verschärfung der Überwachungspflicht des Ausfuhrverantwortlichen dar. Derartige Systemprüfungen sind allenfalls für bestimmte Branchen in Spezialgesetzen wie etwa § 80 Abs. 13 WpHG vorgesehen. Nach dieser Vorschrift müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Angemessenheit und Wirksamkeit organisatorischer Compliance-Maßnahmen überwachen und regelmäßig bewerten sowie die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung von Unzulänglichkeiten ergreifen.159 Mit der durch das ICP-Merkblatt konkretisierten Überwachungspflicht im Sinne der Zuverlässigkeitsgrundsätze existiert nunmehr gleichfalls eine branchenspezifische Verhaltenspflicht zu gesteigerten, da einzelfalls­unabhängigen, Aufsichtsmaßnahmen für den Außenwirtschaftsverkehr. 3. Zwischenergebnis Die Überwachungspflicht begründet insoweit eine Sonderverantwortlichkeit für den Ausfuhrverantwortlichen, als das BAFA über stichprobenhafte, lung möglicher Kartellverstöße bei Preisempfehlungen von einer gesteigerten Aufsicht des Betriebsherrn ausgeht. 155  Vgl. Simonsen, Außenwirtschaftsrecht, S. 19. 156  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 162, zitiert nach juris. 157  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 164, zitiert nach juris. 158  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 21; siehe auch BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 73. 159  Dazu Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrecht, § 109 Rn. 182 ff.



A. Besonderes Pflichtenprogramm297

prozessbezogene Kontrollen hinaus auch regelmäßige, umfassende Kontrollen des innerbetrieblichen Exportkontrollsystems an sich fordert. Systemkontrollen werden zwar aufgrund bestimmter Umstände des Einzelfalls (Umgang mit besonders sensiblen außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften, vorangegangene Außenwirtschaftsprüfungen) als Ausdruck einer gesteigerten Aufsicht regelmäßig auch im Rahmen des § 130 OWiG erforderlich. Das ICPMerkblatt geht für den Umgang mit gelisteten Gütern jedoch pauschal vom Erfordernis einer gesteigerten Aufsicht aus.

III. Personalauswahlpflicht Bezieht der Ausfuhrverantwortliche weitere Mitarbeiter in die Exportkon­ trolle ein, muss die entsprechende Personalauswahl nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und dem ICP-Merkblatt gewissen Anforderungen genügen. Der Ausfuhrverantwortliche muss geeignetes Personal in ausreichender Zahl für die innerbetriebliche Exportkontrolle auswählen und sicherstellen, dass die betreffenden Personen zuverlässig und entsprechend qualifiziert sind.160 Da sich das Erfordernis, für eine quantitativ angemessene personelle Ausstattung des ICP zu sorgen, bereits aus der Pflicht zur sachgerechten Kompetenzverteilung im Rahmen der Aufbauorganisation ergibt161, besteht insoweit eine Schnittstelle zur Organisationspflicht. Der eigenständige Gehalt der Personalauswahlpflicht erschließt sich daher aus den qualitativ-personenbezogenen Auswahlkriterien des BAFA. Da der „Exportkontrolleur“ kein klassischer Ausbildungsberuf ist162, sieht das BAFA augenscheinlich Konkretisierungsbedarf. Die für die Exportkontrolle zuständigen Mitarbeiter müssen laut dem ICPMerkblatt „besonders sorgfältig“ ausgewählt werden.163 In allen Bereichen des Unternehmens mit außenwirtschaftlichem Bezug müssen Mitarbeiter eingesetzt werden, die nachweislich die entsprechenden fachlichen, d. h. juristischen und technischen Kenntnisse besitzen sowie persönlich zuverlässig sind.164 Differenziert wird folglich zwischen persönlichen und fachlichen Personalanforderungen. Unter der persönlichen Zuverlässigkeit versteht das BAFA Eigenschaften und Fähigkeiten wie Verantwortungsbewusstsein, Bereitschaft, analytisches Denkvermögen, Organisations- und Verhandlungsge160  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 14; zum Ganzen auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S.  90 ff. 161  Dazu bereits S. 273 ff. 162  Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (423). 163  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 20; siehe auch BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 71. 164  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 20; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 71.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

schick sowie Durchsetzungsvermögen und Entscheidungsstärke.165 In fach­ licher Hinsicht muss das Exportkontrollpersonal über Kenntnisse des Außenwirtschaftsrechts, Kenntnisse über das Antragsverfahren sowie über Produktions- bzw. Organisationskenntnisse verfügen.166 Den Nachweis über das entsprechende Expertenwissen muss sich der Ausfuhrverantwortliche etwa durch Zeugnisse oder Zertifikate erbringen lassen.167 Das BAFA verlangt insoweit allerdings nicht, dass die betreffenden Personen die genannten Kenntnisse bereits vor oder bei ihrer Einstellung aufweisen. Vielmehr darf das Exportkontrollpersonal auch anhand von Einarbeitungsplänen qualifiziert, eingearbeitet und sofern erforderlich durch ein externes Fachseminar zum Außenwirtschaftsrecht auf die Tätigkeit vorbereitet werden.168 Die zwingend erforderliche fachliche Qualifizierung kann der Einstellung also durchaus nachfolgen. Auch im Rahmen des § 130 OWiG ist anerkannt, dass die Aufsichtspflicht des Betriebsinhabers bereits mit der sorgfältigen Auswahl der Person beginnt, an die er einen Teil seiner Aufgaben überträgt.169 Die Frage nach dem Umfang der Personalauswahlpflicht lässt sich indessen nicht allein mit dem Wortlaut des § 130 OWiG beantworten. Rechtsprechung und Literatur betonen diesbezüglich, dass der Betriebsinhaber die betreffende Stelle entsprechend der mit ihr einhergehenden Verantwortung, der zu ihrer Wahrnehmung erforderlichen Sach- und Rechtskunde sowie des in ihr ruhenden Gefährdungspotentials besetzen muss.170 Von einer gesteigerten Personalauswahlpflicht wird dort ausgegangen, wo mit der delegierten Tätigkeit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbunden ist.171 Die einzelfallabhängige Personalauswahlpflicht im Sinne des § 130 OWiG erfährt durch die Personalauswahlpflicht der Zuverlässigkeitsgrundsätze also eine Konkretisierung. Die Bedrohung von Allgemeininteressen durch die Ausfuhr macht nach Auffas165  Beutel/Pietsch,

in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 101. ICP-Merkblatt, S. 20; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74. 167  Beutel/Pietsch, in: BAFA, Praxis der Exportkontrolle, S. 100; Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 91. 168  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 20; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74. 169  OLG Koblenz LMRR 1989, S. 15; OLG Hamm wistra 2002, S. 274 (275); Achenbach, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 3 Rn. 51; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 15; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 12; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 54. 170  OLG Düsseldorf wistra 1991, S. 38 (39); Engelhart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 34; Förster, in: Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 15; von Galen/Maas, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 37; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 54; Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 28. 171  Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 146; ähnlich Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 28. 166  BAFA,



A. Besonderes Pflichtenprogramm299

sung des BAFA außenwirtschaftskundiges Personal zwingend erforderlich. Wenig Aufschluss gewähren insoweit noch die Anforderungen des BAFA an die persönliche Zuverlässigkeit des Exportkontrollpersonals, da sich die angesprochenen Charaktereigenschaften, wie z. B. Verantwortungsbewusstsein, Denkvermögen, Entscheidungsstärke, genauso gut in einem nicht exportkontrollbezogenen Stellenprofil wiederfinden könnten. Die zwingenden fach­ lichen Kenntnisse im Außenwirtschaftsrecht, im Antragsverfahren sowie in Produktion und Organisation – unabhängig davon, ob bereits bei Einstellung vorhanden oder erst im Nachhinein vermittelt – verdeutlichen hingegen, dass das BAFA für das Exportkontrollrecht von einer gesteigerten Sorgfalt bei der Personalauswahl ausgeht. Da das Exportkontrollrecht selbst – insbesondere seine Strafvorschriften – die Tätigkeit im Außenwirtschaftsverkehr als besonders gefahrenträchtig ausweist, will das BAFA offensichtlich gewährleisten, dass das Exportpersonal seinen spezifischen Aufgaben gewachsen ist. Letztgenanntes muss in der Lage sein, auf Weisung des Ausfuhrverantwortlichen die Fülle an Arbeits- und Prüfschritten durchzuführen, die dem Unternehmen durch das Außenwirtschaftsrecht auferlegt werden. Die Personalauswahlpflicht der Zuverlässigkeitsgrundsätze wiederholt damit nicht nur die Prinzipien der gehörigen Aufsicht im Sinne des § 130 OWiG, sondern entwickelt diese für die Exportkontrolle weiter.

IV. Weiterbildungspflicht Der Ausfuhrverantwortliche genügt indessen den Anforderungen des BAFA allein durch eine sorgfältige Personalauswahl bei Weitem nicht.172 Von dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit durch das Exportkontrollpersonal an trifft ihn nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen die Weiterbildungspflicht. Im Rahmen der Weiterbildungspflicht ist durch regelmäßige Fortbildung die Eignung von Mitarbeitern sicherzustellen.173 Dabei bezieht sich das BAFA auf firmeninterne Schulung, die Teilnahme an externen Seminaren sowie die Beschaffung und Aktualisierung der notwendigen Arbeitshilfen, wie etwa die entsprechenden Rechtstexte, Fachzeitschriften oder die vom BAFA herausgegebene Kommentierung zur deutschen Exportkontrolle.174 Konkret formuliert das BAFA zwei Mindestvoraussetzungen. Zum einen muss das Exportkontrollpersonal stets auf den neuesten Stand gebracht werden, wenn sich maßgebliche Vorschriften oder Verfahren ändern. Zum anderen muss das Exportkontrollpersonal mindestens einmal im Jahr Gelegenheit bekommen, sich intern oder extern auf dem Gebiet der Exportkontrolle fort172  Siehe

BAFA, AW-Prax 2004, S. 387 (388). ICP-Merkblatt, S. 20 f. 174  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 21; BAFA, AW-Prax 2004, S. 387 (388). 173  BAFA,

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

zubilden.175 Durch diese Mindestvoraussetzungen will das BAFA eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter auch auf Dauer sichergestellt wissen.176 Die Erfüllung der ersten Mindestvoraussetzung setzt denknotwendig vo­ raus, dass sich der Ausfuhrverantwortliche selbst regelmäßig und zumindest in groben Zügen über aktuelle Rechtsentwicklungen informiert.177 Er muss also auf etwaigen Weiterbildungsbedarf gefasst sein, der durch die Änderung von Vorschriften ausgelöst wird, die sein Unternehmen betreffen. Dabei kommt es zu einer deutlichen Überschneidung mit der Informationspflicht im Rahmen der Ablauforganisation178, nach welcher der Ausfuhrverantwortliche die für sein Unternehmen maßgeblichen Vorschriften des Exportkontrollrechts umfassend ermitteln und in den Ablaufplan der internen Exportkon­ trolle einfließen lassen muss. Insoweit enthalten die Zuverlässigkeitsgrundsätze bzw. das ICP-Merkblatt keine Konkretisierung der Inhaberpflichten im Sinne des § 130 OWiG, da die Ermittlung und Berücksichtigung der relevanten Vorschriften, wie gezeigt, als Grundlage einer ordnungsgemäßen Aufsichtsorganisation angesehen werden. Anders zu beurteilen ist dies möglicherweise bei der zweiten Mindest­ voraussetzung. Das BAFA verlangt vom Ausfuhrverantwortlichen, seinem Exportkontrollpersonal mindestens einmal im Jahr eine Weiterbildungs­option einzuräumen. Schulung und Fortbildung sind auch als Aufsichtspflicht im Sinne des § 130 OWiG grundsätzlich anerkannt. Für Rechtsprechung und Schrifttum zählt zu den Aufsichtsmaßnahmen nach § 130 OWiG, dass die Personen, an die Aufgaben delegiert wurden, fortlaufend über die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften genau zu unterrichten sind.179 Die Unterrichtungspflicht müsse umso größer sein, je geringer die Kenntnisse des Personals sind.180 Die nur einmalige Unterrichtung über die für den Betrieb relevanten Vorschriften wird daher durchweg als nicht ausreichend angesehen; vielmehr müsse gerade in betriebssicherheitsrelevanten Bereichen mehrfach auf geltende Bestimmungen hingewiesen werden.181 Mitarbeiter müssten mit 175  BAFA,

ICP-Merkblatt, S. 20; BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74. AW-Prax 2004, S. 387 (388). 177  BAFA, HADDEX, Bd. 1, Rn. 74; so auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 129; Billig, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 419 (423 f.); Prieß/Thoms, AW-Prax 2013, S. 110. 178  Siehe S.  281 ff. 179  OLG Düsseldorf wistra 1991, S. 38 (39); ähnlich Achenbach, in: Achenbach/ Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 1 Kap. 3 Rn. 51; Engelhart, in: Esser/ Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 36; von Galen/Maas, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 38. 180  Schmid/Fridrich, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 Rn. 146; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 12. 176  BAFA,



A. Besonderes Pflichtenprogramm301

komplexen Regelungsmaterien zumindest dahingehend vertraut gemacht werden, dass sie Zweifelsfälle selbstständig beurteilen oder die Erforderlichkeit, Rechtsrat einzuholen, erkennen können.182 Als zu weitgehend wird teilweise aber die pauschale Pflicht empfunden, Rechtsunterricht für Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen.183 Der schlichte Umfang der beachtlichen Normen im Wirtschaftsrecht, die zu diesen ergangene Rechtsprechung sowie die Schwierigkeit und Komplexität einer zumindest grundlegenden juristischen Ausbildung ließen im Einzelfall Zweifel an der Zumutbarkeit dieser Aufsichtsmaßnahme entstehen.184 Die bußgeldbewehrte Pflicht zur rechtlichen Schulung des Personals bestehe deshalb nur dort, wo zur Vermeidung von Rechts­ unsicherheit für Unternehmensführer eine konkretisierende Instruk­ tionsnorm entsprechende Aus- und Fortbildungsmaßnahmen vorschreibe.185 Unabhängig davon, ob die Zuverlässigkeitsgrundsätze bzw. das ICPMerkblatt aufgrund ihrer Rechtsnatur dazu in der Lage sind, die befürchtete Rechtsunsicherheit über den Umfang der Weiterbildungspflicht gemäß § 130 OWiG aus der Welt zu schaffen, stellt die stringente Jahresfrist für Weiterbildungsoptionen zumindest eine eindeutige Vorgabe dar, an der sich Export­ unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortliche messen lassen. Dass die Jahresfrist im Schrifttum zum Teil als überzogen eingestuft wird, weil sie losgelöst vom tatsächlichen Aufkommen an gesetzgeberischen Aktivitäten und Rechtsänderungen Geltung beanspruchen soll186, verdeutlicht nur, dass hinsichtlich der Personalweiterbildung in exportierenden Unternehmen eine Sonderverantwortlichkeit geschaffen und dem Ausfuhrverantwortlichen zugeschrieben wurde. Die Jahresfrist muss aus diesem Grund als Konkretisierung der Inhaberpflichten nach § 130 OWiG aufgefasst werden.

V. Zwischenergebnis In der Gegenüberstellung der vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen mit dem durch Richterrecht sowie Vorschlägen im Schrifttum herausgebildeten Katalog an Aufsichtspflichten nach § 130 OWiG erscheint das klare Bild einer gesteigerten Sorgfalt und Aufsicht des Ausfuhrverantwort­ 181  Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 61; Engelhart, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/ Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 36. 182  Siehe OLG Düsseldorf WuW 2007, S. 265 ff.; dazu Niesler, in: Graf/Jäger/ Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 41. 183  Siehe nur Bock, Criminal Compliance, S. 643 ff. 184  Bock, Criminal Compliance, S. 643 f. 185  Bock, Criminal Compliance, S. 644 ff. mit Verweis auf § 12 Abs. 2 AGG oder § 15 Abs. 4 GenTSV. 186  So etwa Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 129.

302

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

lichen. Der durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze bzw. das ICP-Merkblatt angehobene Mindeststandard erfasst insbesondere die einzelfallunabhängige Pflicht zur Einführung eines innerbetrieblichen Exportkontrollsystems, das Führen eines die einzelnen Ausfuhrvorgänge und Arbeitsschritte betreffenden Prozesshandbuchs mit vorgegebenem Inhalt zur Mitarbeiterinstruktion, die Anordnung regelmäßiger umfassender Systemprüfungen, die fachliche und rechtliche jährliche Schulung des Exportpersonals sowie dessen fortlaufende Weiterbildung. Hinzu tritt eine gesteigerte Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht gegenüber dem BAFA, die sich allerdings in erster Linie auf seine genehmigungsverfahrensrechtliche Zuverlässigkeit, nicht aber auf seine straf- oder bußgeldbewehrten Sorgfalts- und Aufsichtspflichten auswirken kann. Bei intransparenten oder chaotischen Verhältnissen innerhalb der internen Exportkontrolle infolge einer unzureichenden Dokumentation wird allerdings regelmäßig ein Verstoß des Ausfuhrverantwortlichen gegen seine Organisationspflicht angezeigt sein. Damit „wiederholen“ die Zuverlässigkeitsgrundsätze entgegen der Rechtsauffassung des BAFA nicht nur die Prinzipien einer ordnungsgemäßen Organisation, wie sie die Rechtsprechung im Rahmen des § 130 OWiG entwickelt hat. Vielmehr schaffen sie ein eigenständiges Sorgfaltsregime, das der in den Zuverlässigkeitsgrundsätzen angelegten Kooperation zwischen Staat und Unternehmen bei der Exportkontrolle Rechnung trägt. Die vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen mögen zwar terminologisch an die in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend anerkannten Aufsichtspflichten im Sinne des § 130 OWiG angenähert sein. Das BAFA subsumiert jedoch in seinem ICP-Merkblatt speziell für das Exportkontrollrecht unter diese Prin­ zipien und schafft dadurch einen einheitlichen, aber gleichfalls gesteigerten Sorgfalts- und Aufsichtsmaßstab für den Ausfuhrverantwortlichen. Daran ändert auch nichts, dass es sich bei einigen der Konkretisierungen „nur“ um Soll-Vorschriften handelt. Von diesen geht dennoch ein nicht von der Hand zu weisender faktischer Umsetzungsdruck aus.187 Die Berücksichtigung der Zuverlässigkeitsgrundsätze kann prinzipiell also durchaus zu einer Erweiterung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen führen, wie vom LG Hamburg sowie von Hinder herausgestellt.188 Im Folgenden kann nunmehr herausgearbeitet werden, ob das besondere Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwortlichen als strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab dienen kann.

187  Vgl.

Bock, Criminal Compliance, S. 644. S.  266 f.

188  Siehe



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab303

B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab Mit der Erkenntnis, dass das genehmigungsrechtliche Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwortlichen diesem gesteigerte Inhaberpflichten auferlegt, stellt sich nunmehr die Frage, ob der besondere Sorgfaltsmaßstab aus dem Genehmigungsrecht auf das Strafrecht übertragen werden kann, darf oder sogar muss. Im Flinten-Fall erblickt das LG Hamburg insoweit keine Einschränkung; die Zuverlässigkeitsgrundsätze werden ohne Weiteres zur Begründung der Sorgfaltspflichtverletzung der angeklagten Ausfuhrverantwortlichen herangezogen.189 Dies vermag auf den ersten Blick nicht weiter zu verwundern. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze stellen als explizite Regelung zum Ausfuhrverantwortlichen immerhin die Vorschrift mit der wohl größten Sachnähe dar. Vor dem Hintergrund der obigen Untersuchungsergebnisse zur Rechtsnatur und Außenwirkung der Zuverlässigkeitsgrundsätze ist indessen zumindest zweifelhaft, ob Letztgenannte überhaupt zur Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit berücksichtigt werden dürfen. Als Innenrecht der Verwaltung müssten sie für den Tatrichter eigentlich rechtlich „unsichtbar“ sein. Dagegen spricht in praktischer Hinsicht freilich, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze ursprünglich im BAnz sowie seit Längerem im Internet veröffentlicht werden. Ihr Regelungsgehalt ist für jedermann jederzeit zugänglich. Bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen könnte es sich daher um eine sog. Sondernorm190 handeln. Unter Sondernormen versteht man Spezialvorschriften oder Erfahrungssätze, die an einen bestimmten Personen- oder Verkehrskreis für bestimmte Sachverhalte besondere Sorgfaltsanforderungen stellen oder spezifische Risiken reduzieren sollen.191 Gemeint sind in erster Linie außerstrafrechtliche Rechtsnormen, wie etwa die StVO für den Straßenverkehr, aber auch Sorgfaltsmaßstäbe aus untergesetzlichen Verkehrsnormen des Privatrechts, wie beispielsweise DIN-Normen, oder branchenspezifische Standards, wie z. B. der Standard des Institutes der Deutschen Wirtschaftsprüfer zur ordnungsgemäßen Durchführung von Prüfungen eines Compliance Management Systems IDW PS 980. Sondernormen müssen dabei nicht ein189  LG

Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 156, zitiert nach juris. wohl ursprünglich von Bohnert, JR 1982, S. 6; dazu bereits allgemein Bosch, Organisationsverschulden, S. 411 ff.; Kuhlen, Produkthaftung, S.  114 ff.; Schünemann, FS Lackner, S. 367 ff.; in jüngerer Zeit Kudlich, FS Otto, S. 373 ff.; Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (212 ff.). 191  Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 219 ff.; Kühl, Strafrecht AT, § 17 Rn. 23; Bock, Criminal Compliance, S. 537 ff; Bosch, Organisationsverschulden, S. 413 ff.; Kuhlen, Produkthaftung, S.  114 ff.; Kudlich, FS Otto, S. 373; Lenckner, FS Engisch, S.  490 ff.; Bohnert, JR 1982, S. 6 ff.; Nestler, JURA 2015, S. 562 (570). 190  Begriff

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

mal geschrieben sein. In der Medizin sind teilweise auch ungeschriebene die Regeln der ärztlichen Kunst als allgemein anerkannte Erfahrungssätze für den im Strafrecht zugrunde zulegenden Sorgfaltsmaßstab bedeutsam.192 Indes ist die genaue Wirkungsweise von Sondernormen bisher nicht abschließend geklärt. Stets stellen sich von der strafrechtlichen Warte aus zwei Fragen.193 Erstens: Markiert der Verstoß gegen die einschlägige außerstrafrechtliche Sondernorm unweigerlich eine Sorgfaltspflichtverletzung im strafrechtlichen194 Sinn? Und zweitens: Bedeutet umgekehrt die Befolgung der Sondernorm automatisch sorgfaltsgemäßes Verhalten? In Bezug auf den Ausfuhrverantwortlichen fragt sich demgemäß: Stellt ein Verstoß gegen die Zuverlässigkeitsgrundsätze oder das ICP-Merkblatt zugleich einen Sorgfaltspflichtverstoß im Sinne des Außenwirtschaftsstrafrechts dar? Kann sich der Ausfuhrverantwortliche durch die Befolgung seiner vier Grundpflichten nach den Zuverlässigkeitsgrundsätzen, konkretisiert durch das ICP-Merkblatt, von strafrechtlicher Haftung freizeichnen? Von der gesetzesartigen materiellen Verbindlichkeit für den Tatrichter bis hin zur prozessualen Beweisregel finden sich insoweit zahlreiche Einordnungen. Es ist für diese Untersuchung daher erforderlich, in einem ersten Schritt die allgemeine Rolle von Sondernormen für das Straf- bzw. Bußgeldrecht zu erörtern (I.). Erst diese Vorstufe versetzt in die Lage, in einem zweiten Schritt die konkrete Wirkungsweise der Sondernormen betreffend den Ausfuhrverantwortlichen für dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit herauszuarbeiten (II.). Gesetzt des Falles der rechtlichen Bedeutungslosigkeit für das Strafbzw. Bußgeldrecht, müsste sodann in einem dritten Schritt geklärt werden, ob bzw. warum ein Gericht die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen zumindest faktisch berücksichtigen kann (III.).

I. Einfallstore für das besondere Pflichtenprogramm Mangels eigener Straftatbestände benötigen die Sondernormen betreffend den Ausfuhrverantwortlichen einen materiellrechtlichen Anknüpfungspunkt. Damit sie nicht nur für die genehmigungsrechtliche, sondern auch für die strafrechtliche Verantwortlichkeit eine Rolle spielen können, müssen Einfallstore in den Straf- bzw. Bußgeldtatbeständen des Außenwirtschaftsstraf192  Staudt, Medizinische Richt- und Leitlinien, S. 137 ff.; siehe auch Mikus, Verhaltensnorm, S. 98. 193  Siehe auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 413; Kudlich, FS Otto, S. 373 (374). 194  Angesprochen sind dadurch insbesondere alle Delikte, die an einen Pflichtverstoß des Täters anknüpfen, wie beispielsweise Fahrlässigkeits- und Unterlassungsdelikte, siehe dazu sogleich S. 310 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab305

rechts ausgemacht werden. Der von den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und dem ICP-Merkblatt fokussierte Zuverlässigkeitsbegriff wird im Rahmen der Ausfuhrdelikte gemäß §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV, 19 ff. KWKG nicht erwähnt. Es muss daher ermittelt werden, in welchen Strafbarkeitsmerkmalen der außenwirtschaftsrechtliche Zuverlässigkeitsbegriff aufgeht, bzw. wo Schnittmengen bestehen. Im Nebenstrafrecht spielen außerstrafrechtliche Sondernormen typischerweise als Ausfüllungsvorschriften von Blankettstrafnormen (1.) oder bei der Auslegung von normativen Tatbestandsmerkmalen (2.) eine Rolle. Das LG Hamburg195 sowie Hinder196 wollen die Zuverlässigkeits-grundsätze darüber hinaus bei der Strafzumessung (3.) berücksichtigen, sodass ein weiteres Einfallstor für das besondere Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwortlichen gefunden zu sein scheint. 1. Blankettausfüllende Vorschriften Im Außenwirtschaftsstrafrechtrecht bedient sich der Gesetzgeber flächenübergreifend der sog. Blanketttechnik.197. So wird etwa nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 AWG bestraft, wer gegen die AWV verstößt, indem er ohne Genehmigung nach § 8 Abs. 1 AWV dort genannte Güter ausführt. Der formell-gesetzliche Straftatbestand selbst lässt zunächst nicht erkennen, welche Güter nicht ohne Genehmigung ausgeführt werden dürfen. In dieser Hinsicht wird auf die von der Bundesregierung nach § 4 Abs. 1 AWG erlassene AWV 195  LG

Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 174, zitiert nach juris. Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105, 173. 197  Dazu insbesondere Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 6, § 18 AWG Rn. 1; dies., NStZ 2012, S. 672 ff.; Nelles/Halla-Heißen, in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle, S. 99 (101 ff.). Als Blanketttatbestände bezeichnet man allgemein Straf- oder Bußgeldvorschriften, die das verbotene oder gebotene Verhalten nicht selbst umschreiben, sondern dazu auf Rechtsnormen desselben Gesetzes (sog. unechte Blanketttatbestände) oder auf andere Gesetze, Rechtsverordnungen oder sonstige (Verwaltungs-)Akte (sog. echte Blanketttatbestände) verweisen; dazu grundlegend Binding, Normen und ihre Übertretung, S. 161 ff.; siehe ferner Dannecker, in: LK-StGB, Bd. 1, § 1 Rn. 148 ff.; Dannecker/Bülte, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Wirtschaftsstrafrecht, Teil 2 Kap. 2 Rn.  38 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 217; Ernst, Blankettgesetze, S.  6 ff.; Kuhli, Normative Tatbestandsmerkmale, S. 171 ff.; instruktiv auch Bülte, JuS 2015, S. 769 ff. Blanketttatbestände sind folglich unvollständige Straf- bzw. Bußgeldtatbestände, bei denen sich das mit Sanktion bedrohte Verhalten erst im Zusammenlesen von Blankettstrafvorschrift und einer sog. blankettausfüllenden Norm erschließt; siehe nur BVerfG NJW 1988, S. 2593 (2594); Puppe, in: NK-StGB, § 16 Rn. 18; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 100/101; Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 265 f.; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 1; Kühl, FS Lackner, S. 815 (819); siehe auch Jäger, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 369 AO Rn. 20. 196  Hinder,

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

verwiesen, die in ihrem § 8 Abs. 1 ihrerseits ausdrücklich auf Teil I der Ausfuhrliste als Anlage zur AWV Bezug nimmt. Erst hier findet sich die Auflistung von Gütern, deren Ausfuhr einer Genehmigung nach der AWV bedarf. Die Strafnorm in § 18 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 AWG fungiert insoweit als echter Blanketttatbestand, die Regelung in § 8 Abs. 1 AWV sowie Teil I der Ausfuhrliste bilden die blankettausfüllende Norm.198 Daneben verweisen die Ausfuhrdelikte der §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV, 19 ff. KWKG hinsichtlich ihres Inhalts auf zahlreiche Rechtsakte der EU oder die entsprechenden nationalen Umsetzungsakte, internationalen Abkommen und kriegswaffenrechtlichen Verbote. Keiner der Straf- bzw. Bußgeldtatbestände scheint indessen auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze oder gar das ICP-Merkblatt zu rekurrieren. Insbesondere existiert kein Delikt mit dem Inhalt: „Wer gegen die vier Grundpflichten der Zuverlässigkeitsgrundsätze verstößt, wird bestraft“. Daraus könnte man schließen, dass dem strengen Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG nicht hinreichend Rechnung getragen wäre, würde man die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen schlechterdings in die Ausfuhrdelikte „hinein­ lesen“.199 Blanketttatbestände müssen jedoch gar nicht immer explizit auf ihre Ausfüllungsnorm verweisen. Es existieren auch sog. implizite bzw. kon198  Die Verweisungstechnik von Blanketttatbeständen wirft immer wieder die Frage auf, ob derartige Strafvorschriften aufgrund ihres Verweises auf teilweise außerstrafrechtliche Normen sowie des häufig für den Normunterworfenen mit nicht unerheblichem Aufwand verbundenen Zusammenlesens unterschiedlicher Tatbestände mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbaren sind, siehe grundlegend BVerfG NJW 1989, S. 1663 sowie aus jüngerer Zeit etwa BVerfG NJW 2016, S. 3648 (verfassungswidrige Blankettstrafnorm im Rindfleischetikettierungsgesetz), siehe zudem Ernst, Blankettgesetze, S. 63 ff. Die Straftatbestände des Außenwirtschaftsrechts waren bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des BVerfG, wobei die dort verwendeten Blankettverweisungen bisher stets als (noch) mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar angesehen wurden, siehe beispielsweise BVerfG NJW 1993, S. 1909; für weitere Rechtsprechungsnachweise siehe Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 6 Fn. 15. 199  Im sog. Transplantationsskandal-Fall (BGH NStZ 2017, S. 701 ff., dazu insbesondere noch S. 356 ff.), der die Manipulation von Wartelisten für Patienten von Lebertransplantationen durch einen Arzt zum Gegenstand hatte, stellte der BGH genau diesen Gedanken im Zusammenhang mit den §§ 212, 223 StGB an. Die Manipulation der Wartelisten sei dem Arzt gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer (RL-BÄK), einer untergesetzlichen exekutiven Sondernorm, berufsrechtlich untersagt gewesen. Auch setzten die §§ 212, 223 StGB keine spezielle Form der Tatbegehung voraus. Jedoch könne die formale Verletzung der Richtlinien kein Tötungs- bzw. Körperverletzungsunrecht begründen, da die Tatbestände dadurch, gerade im Fall der sehr hoher Strafandrohung des § 212 StGB, gleichsam als durch die Richtlinienbestimmungen ausgefüllte Blankette ausgestaltet wären, was wiederum § 103 Abs. 2 GG verletzte, siehe BGH a. a. O., S. 703.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab307

kludente Blankettverweise.200 Von impliziten Blankettverweisen ist dort auszugehen, wo ein Straftatbestand zwar nicht ausdrücklich auf eine andere Vorschrift Bezug nimmt, aber dennoch zumindest ein Tatbestandsmerkmal enthält, das auch infolge der Auslegung nicht hinreichend Aufschluss über das strafbare Unrecht gewährt, weshalb zusätzlich der Rückgriff auf eine einschlägige Vorschrift zwingend ist.201 So lassen sich beispielsweise die Tatbestandsmerkmale der steuerlich erheblichen Tatsachen oder der Pflichtwidrigkeit bei der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO kaum ohne die einschlägigen Steuergesetze, wie etwa EStG oder ErbStG, bestimmen. Die Rechtsprechung geht daher von einem impliziten Blankettverweis durch § 370 Abs. 1 AO auf das gesamte materielle Steuerrecht aus.202 Auch das Buchführungsdelikt gemäß § 283b Abs. 1 StGB nimmt hinsichtlich der strafbewehrten Buchführungspflicht nicht ausdrücklich auf Vorschriften wie § 238 HGB Bezug. Dennoch wird der Straftatbestand teilweise als Blankett eingestuft, da sich das eigentlich strafbare Verhalten erst unter Hinzuziehung der handelsrechtlichen Vorschriften erschließen kann.203 Eine für diese Untersuchung auf den ersten Blick besonders bedeutsame Parallelproblematik stellt sich zudem im Umweltstrafrecht. Lebhaft diskutiert wird, ob die offenen Tatbestandsmerkmale der Schädigungseignung oder der Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten in § 325 Abs. 1 Satz 1 StGB (Luftverunreinigung) neben den in § 330d Abs. 1 Nr. 4 StGB legaldefinierten Rechtsquellen auch auf die Immissionsgrenzwerte der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften der TA Luft verweisen.204 Insoweit befürworten einige Autoren die Ausfüllung der Umweltdelikte durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften.205 Dies sei insbesondere mit Blick auf die 200  Dazu Enderle, Blankettstrafgesetze, S.  17 f., 33 f.; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 95; Warda, Abgrenzung, S. 43; siehe auch Schünemann, FS Lackner, S. 367 (373); Bülte, JuS 2015, S. 769 (772), der als Ursache für die unterschiedlichen Regelungstechniken die einzelfallabhängige Gesetzgebungsökonomie ansieht. 201  Bülte, JuS 2015, S. 769 (772); vgl. auch Schmitz/Wulf, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 370 Rn. 17. 202  BVerfG NJW 2011, S. 3778 (3779); BGH NJW 1994, S. 2368; NJW 2002, S. 762 (763); NJW 2009, S. 1516 (1518); siehe auch Schmitz/Wulf, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 370 AO Rn. 362 ff.; a. A. Dannecker, in: LK-StGB, Bd. 1, § 1 Rn. 149; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 239; eingehend Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S.  183 ff. m. w. Nachw. 203  Bosch, in: SSW-StGB, § 283b Rn. 1; Sorgenfrei/Deiters, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 283b StGB Rn. 4; siehe auch Bülte, JuS 2015, S. 769 (770); a. A. OLG Karlsruhe NStZ 1985, S. 317. 204  Zum Streitstand Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 284 ff.; siehe auch Fenner, Rechtsmissbrauch im Umweltstrafrecht, S. 128 ff.; ferner Schall, FS Küper, S. 505 ff. 205  Aus dem öffentlich-rechtlichen Schrifttum Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 215; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  491 ff.; ders.,

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Einheit bzw. Widerspruchslosigkeit der Rechtsordnung geboten.206 Durch den impliziten Verweis von Strafvorschriften auf normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, werde dem Tatrichter ein auf überlegenem Sachverstand basierender, einheitlicher Beurteilungsmaßstab gewährleistet, der die Gefahr widersprüchlicher hoheitlicher Entscheidungen verringere und damit nicht zuletzt dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG Rechnung trage.207 Allerdings konnte sich diese Ansicht bisher insbesondere im strafrecht­ lichen Schrifttum nicht durchsetzen. Nach der dort vorherrschenden Auffassung sei die TA Luft als allgemeine Verwaltungsvorschrift keine „Rechtsvorschrift“ im Sinne des § 330d Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB und entfaltete daher weder für den Bürger noch für den Tatrichter Bindungswirkung.208 Rechtsvorschriften müssten nämlich zumindest materielle Gesetze, also jedenfalls Satzungen oder Rechtsverordnungen, sein, um dem im strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz enthaltenen strengen Gesetzesvorbehalt Rechnung zu tragen.209 Zudem bestehe die Gefahr, dass infolge der fehlenden, mit Art. 82 DVBl 1990, S. 963 (972 f.); Breuer, DÖV 1987, S. 169 (178 f.); Schröder, VVDStRL 50 (1990), S. 198 (217 ff.); aus dem strafrechtlichen Schrifttum Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 298 ff. und Fenner, Rechtsmissbrauch im Umweltstrafrecht, S. 132 ff., die die TA Luft wohl sogar als „Rechtsvorschrift“ im Sinne des § 330d Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB verstehen. 206  Breuer, DÖV 1987, S. 169 (177  f.) („Was verwaltungsrechtlich erlaubt ist, kann strafrechtlich nicht verboten sein.“); Ossenbühl, DVBl. 1990, S. 963 (972); Schröder, VVDStRL 50 (1990), S. 198 (218); in diesem Sinne auch Fenner, Rechtsmissbrauch im Umweltstrafrecht, S. 133. 207  Fenner, Rechtsmissbrauch im Umweltstrafrecht, S. 135  f.; Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 304 ff.; Schröder, VVDStRL 50 (1990), S. 198 (218 f.); in diese Richtung auch Kühl, FS Lackner, S. 815 (861); Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 215 spricht vom „in Verwaltungsvorschriften angelegten Potential an Rechtsklarheit“ für das Strafrecht. 208  Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 325 Rn. 6; Heine/Schittenhelm, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 330d Rn. 12; Saliger, in: SSW-StGB, § 325 Rn. 13; Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 330d Rn. 12; Witteck, in: BeckOK-StGB, § 325 Rn. 11.2; Fischer, StGB, § 325 Rn. 3; Bergmann, Strafbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S.  26 f.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 422; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 97; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 116; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (392 f.); in diese Richtung auch Kühl, FS Lackner, S. 815 (860); Tiedemann/Kindhäuser, NStZ 1988, S. 337 (342); Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 136; wohl auch Kemme, Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 157 ff.; Rudolphi, NStZ 1984, S. 248 (250). 209  In diesem Sinne Bergmann, Strafbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S.  26 f.; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 136; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 116; Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 330d Rn. 10 m. w. Nachw.; insbesondere zu der ebenso zulässigen Europarechtsakzessorietät des Umweltstrafrechts Heger, FS Kühl, S. 669 ff.; siehe zudem den Vorschlag von Kühl, FS Lackner, S. 815 (859 ff.), die TA Luft deshalb zur Rechtsverordnung zu „verrechtlichen“. Auch der



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab309

Abs. 1 GG korrespondierenden Publizitätspflicht von Verwaltungsvorschriften die Strafbarkeit für den Bürger nicht mehr ohne Weiteres ersichtlich ist.210 Das Bestimmtheitsargument der Befürworter des Blankettverweises wird durch die herrschende Auffassung mithin schlicht umgekehrt. Zur Problembehebung wird entweder die „Verrechtlichung“ der TA Luft zu einem Gesetz oder einer Rechtsverordnung211 sowie die Herausarbeitung eigener strafrechtlicher Immissionsgrenzwerte durch den Tatrichter212 vorgeschlagen. Unabhängig davon, ob man nun einen impliziten Blankettverweis durch § 325 Abs. 1 Satz 1 StGB auf die TA Luft anerkennen will oder nicht, lässt sich die vorstehende Debatte jedoch nicht auf die hier zu beleuchtende außenwirtschaftsrechtliche Fragestellung übertragen. Bereits die Suche innerhalb der Ausfuhrdelikte nach einem Tatbestandsmerkmal, dem sich ein impliziter Blankettverweis auf das besondere Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwortlichen entnehmen ließe, gestaltet sich als unergiebig. In Betracht kommt aufgrund der Bedeutung des Zuverlässigkeitsbegriffs für das Genehmigungsverfahren allenfalls die Tatbestandsvoraussetzung „ohne Genehmigung“ in den §§ 18 Abs. 2, 4, 5 AWG, 81, 82 Abs. 4, 6, 9 AWV, 22a Abs. 1 Nr. 4 KWKG.213 Sowohl die Zuverlässigkeitsgrundsätze als auch das ICPMerkblatt beziehen sich originär auf das genehmigungsrelevante Kriterium deutsche Gesetzgeber will bei § 330d StGB zwischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften differenzieren, siehe BTDrucks 12/376, S. 33. Zur sog. Doppelfunktion des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes grundlegend BVerfGE 75, S. 329 (341); NJW 1989, S. 1663; ergänzend Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (226). Siehe zur Verbindlichkeit außerstrafrechtlicher Sondernormen für den Tatrichter aufgrund ihrer Rechtssatzqualität zudem nachfolgend S. 326 ff. 210  Bergmann, Strafbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 29; in diesem Sinne auch Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 97; allgemein zur Vorhersehbarkeit von Strafe Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 257; zu den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Publizität von Normen ferner Meuers/Beye, DÖV 2018, S. 59 ff.; siehe aber BVerwG NVwZ 2005, S. 602 (604), wonach durch § 48 Abs. 1 BImSchG als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der TA Luft durchaus eine Rückanbindung an das Gesetz sowie eine Publizitätspflicht bestehe. 211  Kühl, FS Lackner, S. 815 (860); Bergmann, Strafbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 33; Tiedemann/Kindhäuser, NStZ 1988, S. 337 (342). 212  Siehe nur Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 325 Rn. 15; Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 325 Rn. 19; Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 190 ff.; Rudolphi, NStZ 1984, S. 248 (251); insoweit kritisch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 498; Schröder, VVDStRL 50 (1990), S. 198 (218); Breuer, DÖV 1987, S. 169 (179). 213  Zur strafrechtlichen Bedeutung der Genehmigung auf die Strafbarkeit nach § 17 AWG, die dort tatbestandlich nicht explizit erwähnt wird Cornelius, in: Graf/ Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 Rn. 101 ff.; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 AWG Rn. 25.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

der Zuverlässigkeit gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO, sodass sie sich mittelbar auf das (Nicht-)Vorliegen einer Ausfuhrgenehmigung auswirken können.214 Insbesondere ist die Ausfuhrgenehmigung im Fall der Unzuverlässigkeit zu versagen bzw. kann sie von der Zuverlässigkeit des Antragstellers abhängig gemacht werden. Ob eine Genehmigung vorliegt oder nicht, lässt sich allerdings auch dann vom Tatrichter bzw. vom Bürger beurteilen, wenn er den konkreten Rechtsgrund für das Fehlen der Genehmigung nicht kennt. Dies liegt daran, dass die Genehmigungspflicht unabhängig von der Zuverlässigkeit des Antragstellers besteht. Die Zuverlässigkeit des Antragstellers betrifft als Bestandteil der behördlichen Gefahrenprognose nicht die Genehmigungspflichtigkeit, sondern die Genehmigungsfähigkeit. Stellt der Täter des Ausfuhrdelikts bereits keinen Genehmigungsantrag, kommt er mit den Zuverlässigkeitsanforderungen der zuständigen Ausfuhrbehörde schon gar nicht in Berührung. Versagt die Ausfuhrbehörde dagegen einen Genehmigungsantrag, können die einzelnen Versagungsgründe zwar verwaltungsverfahrensrechtlich angegriffen werden, aus strafrechtlicher Sicht liegt jedoch schlicht keine Genehmigung und damit eine negative Tatbestandsvoraussetzung vor.215 Davon abgesehen sind die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt weder für Gerichte noch für den Bürger unmittelbar rechtlich verbindlich. Eine Diskussion, wie jene im Umweltstrafrecht, die an der unmittelbaren Außenwirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften ansetzt, ist bereits aufgrund der rechtlichen Qualität der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sorgfaltsvorschriften nicht angezeigt. Damit kann festgehalten werden, dass das Außenwirtschaftsstrafrecht weder über einen expliziten noch über einen impliziten Blankettverweis auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt als Ausfüllungsvorschriften verfügt. 2. Normative Tatbestandsmerkmale Mangels Blankettverweises durch die Ausfuhrdelikte auf die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen, verbleiben als Anknüpfungspunkte nur die sog. normativen Tatbestandsmerkmale. Sie haben mit Blankettverweisen gemein, dass ihre Bestimmung von rechtlichen oder außer214  Ausführlich S.  30  f.; vgl. zudem Hoyer, ZStW 121 (2009), S. 860 (866) über den mittelbaren Einfluss einzelner Genehmigungsvoraussetzungen auf das Tatbestandsmerkmal „ohne die erforderliche Genehmigung“ in § 327 StGB (Unerlaubtes Betreiben von Anlagen). 215  Zur dennoch umstrittenen Behandlung des Irrtums über die Genehmigung bzw. Genehmigungsvoraussetzungen siehe bereits S. 121 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab311

rechtlichen Vorschriften abhängt.216 Obwohl die Abgrenzung von den Blanketttatbeständen im Einzelnen ungeklärt ist217, lässt sich der Unterschied wohl am besten mit der Bewertbarkeit des betreffenden Merkmals erklären. Während Strafblanketten durch ihren Normverweis regelmäßig ein vorgegebener Sachverhalt zugrunde liegt, erfordern normative Tatbestandsmerkmale vom Tatrichter stets die einzelfallabhängige Tatbestandsauslegung. Wo sich das strafbare Unrecht bei Blanketttatbeständen mithin linear aus dem Zusammenlesen von Verweisungs- und Ausfüllungsnorm ergibt, sind Straftatbestände mit normativen Tatbestandsmerkmalen in sich geschlossen, verlangen aber ergänzend das Werturteil des Tatrichters bzw. eine Parallelwertung in der Laiensphäre durch den Bürger.218 Die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen betreffen dessen genehmigungsrelevanten Sorgfaltsmaßstab. Aufzufinden sind daher normative Tatbestandsmerkmale, die an die Sorgfaltspflichten des Täters anknüpfen. Diese entstammen ganz überwiegend nicht unmittelbar den Ausfuhrdelikten selbst, sondern dem Allgemeinen Teil des StGB. Zu nennen sind die bereits angesprochene Einstandspflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB (a)), das Merkmal „fahrlässig“ im Sinne des § 15 Hs. 2 StGB (b)) sowie die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 Satz 2 StGB (c)). Hinzu treten die ebenfalls bereits angesprochenen unbestimmten Rechtsbegriffe, die den Umfang der Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 OWiG bezeichnen. Aufgrund der zusätzlichen Ausgestaltung als echtes Unterlassungsdelikt mit Fahrlässigkeitsvariante wird in § 130 OWiG eine Vielzahl an normativen Tatbestandsmerkmalen vereint, was eine gesonderte Betrachtung erforderlich macht (d)). a) Einstandspflicht, § 13 Abs. 1 StGB In Teil 3 wurde im Rahmen der Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte zwischen der Garantenstellung und den Garantenpflichten des Ausfuhr216  Eingehend Kuhli, Normative Tatbestandsmerkmale, S. 99 ff.; siehe außerdem Momsen, in: SSW-StGB, § 15 Rn. 12; Puppe, in: NK-StGB, § 16 Rn. 45; Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 2 Rn. 41 f.; Rengier, in: KK-OWiG, § 11 Rn. 12; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 126; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 270; Kühl, Strafrecht AT, § 5 Rn. 92; Roxin, Strafrecht AT/I, § 10 Rn. 57 ff. 217  Im Einzelnen Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 103; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 239; speziell mit Blick auf dadurch aufgeworfene Irrtumsfragen ders., Tatbestandsfunktionen, S. 388 ff.; ferner Kuhli, Normative Tatbestandsmerkmale, S.  175 ff.; Schlüchter, Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale, S.  7 ff.; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 116 f.; Heinrich, FS Roxin/II, S. 449 ff. 218  Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 19; Kuhli, Normative Tatbestandsmerkmale, S. 180; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 198; vgl. auch Kindhäuser, FS Schünemann, S. 143 (147 ff.).

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

verantwortlichen unterschieden.219 Während die Garantenstellung abstrakt die Umstände beschreibt, aus welcher eine strafrechtliche Einstandspflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB erwächst, kennzeichnet die Garantenpflicht den konkreten Umfang dieser Einstandspflicht. Die Garantenpflicht umschreibt mithin die konkreten Maßnahmen, die der Unterlassungstäter hätte ergreifen müssen, um Rechtsverstöße zu vermeiden. Der Ausfuhrverantwortliche leitet seine Garantenstellung zur Verhinderung von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht durch Mitarbeiter aus der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme des Organisationskreises „Exportkontrolle“ ab.220 Was er im Einzelnen leisten muss, um Rechtsverstöße innerhalb seines Ressorts zu vermeiden bzw. zu unterbinden, hängt grundsätzlich in erster Linie von der arbeits- bzw. gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung des tatsächlich sowie ­ freiwillig übernommenen Organisationskreises ab. Verpflichtet sich der Ausfuhrverantwortliche etwa aufgrund des beträchtlichen Umfangs des Exportgeschäfts des Unternehmens, zwei zusätzliche Exportkontrollbeauftragte einzustellen und die operative Kontrolltätigkeit beider regelmäßig zu überwachen, ist er für die Ausfuhrverstöße des ersten Exportkontrollbeauftragten als Unterlassungstäter verantwortlich, wenn er, entgegen seiner Zusicherung, nur den zweiten überwacht. Der Umfang der strafrechtlichen Einstandspflicht wird mithin durch das Innenverhältnis zum Unternehmen determiniert. In diesem Zusammenhang wurde jedoch ebenfalls festgestellt, dass der Arbeits- bzw. Gesellschaftsvertrag nur im Ausnahmefall sämtliche Verhaltenspflichten des Ausfuhrverantwortlichen dezidiert festschreiben wird bzw. kann. Praktikabler erscheint eine abstrakte Aufgaben- und Pflichtenbezeichnung, denn die konkrete Risikoanalyse und Maßnahmenformulierung soll ja gerade erst durch den Ausfuhrverantwortlichen selbst erfolgen. Typisch sind etwa Formulierungen wie: „Die Ausfuhrverantwortlichen sind dafür zuständig, die Import- und Exporttätigkeit innerhalb ihrer Konzernführungsgesellschaft und deren lokalen Tochterfirmen zu organisieren, Mitarbeiter auszuwählen und zu schulen sowie die Einhaltung der Bestimmungen aller Außenwirtschaftsgesetze und Exportgesetze zu überwachen“221. Da hinter der ­Bestellung eines Ausfuhrverantwortlichen stets auch die wirtschaftliche Erwägung steht, möglichst zügig und reibungslos das Ausfuhrgenehmigungsverfahren zu durchlaufen, übernimmt der Ausfuhrverantwortliche regelmäßig die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen den Anforderungen der 219  Siehe

S.  183 ff. S.  229 ff. 221  So die Konzernrichtlinien eines deutschen Unternehmens der Maschinenbaubranche, abrufbar unter: https://www.kuka.com/de-de/ %C3 %BCber-kuka/corporatecompliance/corporate-compliance-bei-kuka, S. 52; zu allgemeinen Fragestellungen der Compliance im Konzern Kreß, Criminal Compliance, S. 44 ff.; Mohamed, JURA 2016, S.  1037 ff. 220  Dazu



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab313

Ausfuhrbehörden gerecht wird. Daher liefert die Bestellung des Ausfuhrverantwortlichen Anhaltspunkte dafür, dass das betreffende Geschäftsleitungsmitglied gegenüber den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern einen den Zuverlässigkeitsgrundsätzen bzw. dem ICP-Merkblatt entsprechenden Pflichtenkatalog übernommen hat.222 Auch die Tatsache, dass das BAFA für eine wirksame Ablauforganisation der internen Exportkontrolle unter anderem das Verfassen eines Prozesshandbuchs als Leitfanden mit sämtlichen Kontrollpflichten für das Exportkontrollpersonal voraussetzt223, lässt auf einen solchen Handlungsauftrag schließen, auch wenn der Arbeitsvertrag des Ausfuhrverantwortlichen über keinen entsprechenden Passus verfügt. b) Fahrlässigkeitsvorwurf Vergleichbare Erwägungen sind im Rahmen des Fahrlässigkeitsvorwurfs anzustellen. Fahrlässigkeitsdelikte knüpfen ebenfalls an die Pflichtenstellung des Täters an. Die Ausfuhrdelikte sehen in den §§ 19 Abs. 4, 20 Abs. 3, 20a Abs. 4, 22a Abs. 4 KWKG Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten sowie in den §§ 19 AWG, 81, 82 AWV die Ahndung fahrlässiger Ausfuhrverstöße als Ordnungswidrigkeiten vor. Insbesondere der Verwirklichungsvariante der fahrlässigen Unterlassungsdelikte wird für den Ausfuhrverantwortlichen eine hohe Relevanz zugesprochen.224 Zumindest für den Fall, dass der Ausfuhrverantwortliche weitreichende operative Kontrollbefugnisse an seine Mitarbeiter delegiert und seiner Überwachungspflicht unzureichend oder überhaupt nicht nachkommt, besteht tatsächlich ein entsprechendes Sanktionsrisiko. Nach ganz überwiegender Auffassung erfordert der Fahrlässigkeitsvorwurf allerdings – ganz gleich, ob im Strafrecht oder im Ordnungswidrigkeitenrecht – eine Sorgfaltspflichtverletzung des Täters.225 Unterschieden werden insoweit der objektive (aa)) und der subjektive (bb)) Fahrlässigkeitsvorwurf.226 diesem Sinne wohl Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105. S.  284 ff. 224  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 94; siehe auch Hohmann, in: ders./ John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 16. 225  BGH NStZ 2003, S. 657 ff.; NStZ 2005, S. 446 ff.; NJW 2017, S. 1403 (1405); OLG Hamm BeckRS 2016, 03724, Rn. 18; Fischer, StGB, § 15 Rn. 12a; Krenberger/ Krumm OWiG, § 10 Rn. 32; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 15 Rn. 37 ff.; ders., Strafrecht AT, § 17 Rn. 22 ff.; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 35 ff.; Momsen, in: SSW-StGB, § 15 Rn. 63 ff.; Rengier, in: KK-OWiG, § 10 Rn. 18 ff., 40 ff.; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 116 ff.; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 374; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1101; Duttge, in: MüKoStGB, Bd. 1, § 15 Rn. 111 ff.; ders. Bestimmtheit des Handlungsunwerts, S. 273 ff.; a. A. Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 9 Rn. 6 f.; Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 10 ff.; Schroeder, JZ 1989, S. 776 (780). 226  Siehe nur Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 155 ff. m. w. Nachw. 222  In

223  Siehe

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

aa) Objektiver Fahrlässigkeitsvorwurf Der Fahrlässigkeitsvorwurf besteht auf Tatbestandsebene darin, dass der Täter eine ihn objektiv treffende Sorgfaltspflicht verletzt, obwohl aus Exante-Perspektive objektiv voraussehbar bzw. erkennbar war, dass der in Gang gesetzte Kausalverlauf den Taterfolg herbeiführen wird.227 Ausgehend von Natur der Fahrlässigkeit als normatives Tatbestandsmerkmal ist zu deren Konkretisierung eine wertende Betrachtung anzustellen. Anerkannt ist insoweit das sog. allgemeine Sorgfaltspostulat228, das durch das sog. Maßfigurenmodell229 ergänzt wird. Nach dem allgemeinen Sorgfaltspostulat handelt objektiv pflichtwidrig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.230 Art und Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt richten sich sodann nach den Anforderungen, die bei Ex-ante-Betrachtung der Gefahrenlage an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Situation und sozialen Rolle und dem Verkehrskreis des Täters (sog. Maß­ figur) zu stellen sind.231 Für die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgs kommt es zudem darauf an, dass die besonnene und gewissenhafte Maßstabsperson aus dem Verkehrskreis des Täters unter den jeweiligen Umständen aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung den Erfolgseintritt erkannt hätte.232 Durch das Abstellen auf eine Maßfigur aus dem Verkehrskreis des Täters können Sondernormen im Rahmen des objektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs 227  BGH NJW 2004, S. 237 (238 f.); Fischer, StGB, § 15 Rn. 12a; Vogel, in: LKStGB, Bd. 1, § 15 Rn. 155; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 374; Kühl, Strafrecht AT, § 17 Rn. 14; Roxin, Strafrecht AT/II, § 24 Rn. 8 ff.; Nestler, JURA 2015, S. 562; den Fahrlässigkeitsvorwurf ausschließlich auf die Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirk­ lichung stützend Schroeder, JZ 1989, S. 776 ff.; ähnlich Jakobs, Strafrecht AT, Abschn. 9 Rn. 7. 228  Siehe Fischer, StGB, § 15 Rn. 16; Duttge, Bestimmtheit des Handlungsunwerts, S. 275; Kuhlen, Produkthaftung, S.115; Lenckner, FS Engisch, S. 490 (495); Schünemann, FS Lackner, S. 367 (390); ders., JA 1975, S. 575 (577); Rengier, Strafrecht AT, § 52 Rn 15 ff.; Esser/Keuten, NStZ 2011, S. 314 (318). 229  Bosch, Organisationsverschulden, S. 395; Mikus, Verhaltensnorm, S. 48. 230  Siehe Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 113; Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 155; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1028; Herzberg, NStZ 2004, S. 660 (661); Nestler, JURA 2015, S. 562. 231  BGH NJW 2000, S. 2754 (2758); NStZ 2003, S. 657 (658); NStZ 2005, S. 446 (447); Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 229 Rn. 9; Fischer, StGB, § 15 Rn. 16; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 42; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 15 Rn. 37; ders., Strafrecht AT, § 17 Rn. 25; Momsen, in: SSW-StGB, § 15 Rn. 63; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 578  f.; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1114; Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 190; Esser/Keuten, NStZ 2011, S. 314 (318). 232  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1014; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 374; Wessels/ Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1115; ferner Duttge, JZ 2014, S. 261 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab315

berücksichtigt werden. Denn Sondernormen geben in der Regel nichts anderes wieder, als die im betreffenden Verkehrskreis gängige redliche Praxis sowie entsprechende Risikobewertungen. Gleichzeitig erhöhen Sondernormen häufig zumindest faktisch die Anforderungen an die Maßfigur des betreffenden Verkehrskreises.233 Dies geschieht schlicht dadurch, dass der über die objektive Sorgfaltspflichtverletzung entscheidende Tatrichter regelmäßig nicht die Augen vor branchenüblichen Standards verschließen wird. Vielmehr bietet sich bei entsprechender Qualität und Verbreitungsgrad der Rückgriff auf die einschlägigen Sondernormen an, um bereits vorhandenes Expertenwissen ausschöpfen und sachgerechte Entscheidungen erzielen zu können.234 Will der Tatrichter dennoch von Branchenstandards abweichen, trifft ihn aufgrund seiner Verpflichtung zur Ermittlung der materiellen Wahrheit (§ 244 Abs. 2 StPO) eine erhöhte Darlegungslast hinsichtlich der unabhängig getroffenen Entscheidung.235 Die hier gegenständlichen, den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen stammen von der Bundesregierung sowie dem BAFA und geben deren Auffassung einer redlichen Praxis für die unternehmensinterne Exportkontrolle zum Schutz der außenwirtschaftsrechtlichen Rechtsgüter wieder. Sie generieren einen Mindeststandard für Personen, die innerhalb von exportierenden Unternehmen die Einhaltung der betreffenden Vorschriften übernommen haben. Dieser Mindeststandard ist gegenüber den grundlegenden Inhaberpflichten im Sinne des § 130 OWiG merklich angehoben und auf spezifische Exportkontrollpflichten konkretisiert. Er entspricht den ausfuhrgewerberechtlichen Zuverlässigkeitsanforderungen. Hinzutreten kann das persönliche Sonderwissen bzw. -können des Täters, das nach weit verbreiteter Auffassung bereits im Rahmen des objektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs eine Individualisierung des Täterverhaltens erlaubt.236 Noch ungeachtet der Bindungswirkung bzw. konkreten Wirkungsweise der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen erscheint es also, als werde dessen 233  Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 192; siehe auch Wittig, in: Krajewski/ Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S.  195 (214 f.). 234  Dazu noch eingehend S. 352 ff. 235  BGH NStZ 2000, S. 550 (551); NStZ 2007, S. 114; NStZ-RR 2009, S. 116 (117); Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 33; Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 90; Bosch, Organisationsverschulden, S. 421; Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 197; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (386). 236  Vgl. BGHSt 14, S. 52 (54); Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 45; Momsen, in: SSW-StGB, § 15 Rn. 65; Puppe, in: NK-StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 161; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 138; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 374; Kühl, Strafrecht AT, § 17 Rn. 28, 31 f.; Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 50; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 15 Rn. 14; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1115, 1119.

316

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

objektiver Sorgfaltsmaßstab tatsächlich „bekräftigt und verstärkt“, wie vom LG Hamburg im Flinten-Fall festgestellt.237 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt bilden die Maßfigur eines zuverlässigen und damit sorgfältig handelnden Ausfuhrverantwortlichen ab. bb) Subjektiver Fahrlässigkeitsvorwurf Aber nicht nur innerhalb des objektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs auf Tatbestandsseite könnten die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen dessen Sorgfaltsmaßstab tangieren – auch im Rahmen der Schuld spielen Sorgfaltspflichten beim Fahrlässigkeitsdelikt eine entscheidende Rolle. Zur Beurteilung des sog. subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs setzt sich der Tatrichter mit der Frage auseinander, ob der Täter auch nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage war, die objektive Sorgfaltspflicht zu erfüllen bzw. eine entsprechende Pflichtverletzung zu vermeiden und die Tatbestandsverwirklichung vorauszusehen bzw. zu erkennen.238 Maßgeblich ist insoweit also nicht die allgemeine Sorgfalt der Maßfigur aus dem Verkehrskreis des Täters, sondern dessen individuelles Niveau an Kräften, Erfahrungen und Kenntnissen.239 Bei der Beurteilung des subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs wird insbesondere das individuelle Unvermögen, wie z. B. körperliche Mängel, oder Unwissen, wie z. B. fehlende Erfahrung, des Täters berücksichtigt.240 Dieser subjektive Maßstab gilt grundsätzlich auch im Fall einer pflichtwidrigen Tätigkeitsübernahme (sog. Übernahmeverschulden), da der Täter wissen bzw. wissen müsste, ob er die von ihm übernommenen Aufgaben bewältigen kann.241 Konkret für den Ausfuhrverantwortlichen hat die Rechtsprechung hinsichtlich der individuellen Vorhersehbarkeit und Erkennbarkeit insbesondere mit der förmlichen Benennung bei den Ausfuhrbehörden argumentiert. So hält das LG Hamburg im Flinten-Fall fest:

237  LG

Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 156, zitiert nach juris. NJW 2004, S. 237 (238 f.); NJW 2018, S. 961 (962); Fischer, StGB, § 15 Rn. 12a; Mommsen, in: SSW-StGB, § 15 Rn. 90; Valerius, in: BeckOK-OWiG, § 10 Rn. 39; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1143. 239  Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 594; Rengier, Strafrecht AT, § 52 Rn. 83; Nestler, JURA 2015, S. 562 (565). 240  Kudlich, in: BeckOK-StGB, §  15 Rn.  65; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 197 ff.; Kühl, Strafrecht AT, § 17 Rn. 92; Wessels/ Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1144. 241  Siehe Nestler, JURA 2015, S. 562 (566); eingehend zum Übernahmeverschulden Tschichoflos, Übernahmeverschulden; ferner zum Übernahmeverschulden im Medizinstrafrecht Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 222 StGB Rn. 55. 238  BGH



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab317 „Die besonderen Pflichten eines Ausfuhrverantwortlichen wurden der Angeklagten in eindeutiger und eindringlicher Weise in der von ihr unter dem 18.03.1996 unterzeichneten ‚Benennung des Ausfuhrverantwortlichen‘ verdeutlicht. Dort heißt es: ‚Er/sie (der/die Ausfuhrverantwortliche) ist über die wesentlichen Pflichten des Exporteurs unterrichtet, die im Zusammenhang mit der Abwicklung von Ausfuhrgeschäften, insbesondere bei genehmigungspflichtigen Waren, bestehen und ist sich der Bedeutung der o. g. Grundsätze der Bundesregierung bewußt. Der/die benannte ist bestrebt, die einschlägigen Regelungen des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG), der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV), der Ausfuhrliste (AL), des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) und des Zollgesetzes (in den jeweils geltenden Fassungen) zu beachten und wird alle gegebenenfalls erforderlichen Vorkehrungen treffen, damit diese Bestimmungen im Unternehmen eingehalten werden.‘ “242

Das LG Hamburg schließt sodann – unter anderem243 – von der im Flinten-Fall durch die Ausfuhrverantwortliche abgegebenen Benennungserklärung gegenüber dem BAFA auf die individuelle Erkennbarkeit der entsprechenden Sorgfaltspflichten. Tatsächlich nehmen sowohl das Formular „AV 1“244 über die förmliche Benennung des Ausfuhrverantwortlichen beim BAFA als auch das Formular „AV 2“245 über die Verantwortungsübernahme explizit auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze – und damit die vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen – Bezug.246 Darüber hinaus erklären beide Formulare die ihnen anliegende Erläuterung zum Ausfuhrverantwortlichen zum „Bestandteil“ der jeweiligen Erklärung. Die Erläuterung gibt wiederum verknappt den Inhalt des ICP-Merkblatts wieder. Spätestens mit der Abgabe dieser Erklärungen kommt der Ausfuhrverantwortliche also unweigerlich mit den ihn betreffenden Sondernormen in Berührung. Von der Abgabe der genannten Erklärungen kann zwar noch nicht automatisch auf vorsätzliches Handeln des Ausfuhrverantwortlichen bei jedwedem Ausfuhrverstoß geschlossen werden, jedoch wird sich ein Ausfuhrverantwortlicher kaum darauf berufen können, sich seiner besonderen genehmigungsrechtlichen Verantwortung nicht bewusst gewesen zu sein.247 So argumentiert auch das LG Dortmund im sog. Militärprogramm-Fall hinsichtlich der Erkennbarkeit des Ausfuhrverantwortlichen in Bezug auf eine bestehende 242  LG

Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 157, zitiert nach juris. verweist das LG Hamburg (a. a. O.) in seiner ausführlichen Begründung hinsichtlich der individuellen Erkennbarkeit auf die bereits früher im Unternehmen durchgeführten Außenwirtschaftsprüfungen, einschließlich der entsprechenden Sensibilisierung durch das BAFA, sowie ein daraus erwachsenes strafrechtliches Ermittlungsverfahren (LG Hamburg a. a. O., Rn. 164 f.). 244  Nachweis in Teil 2, Fn. 77. 245  Nachweis in Teil 2, Fn. 82. 246  Zu Verfahren und Rolle der formellen Benennung bereits S. 39 f., 205 ff. 247  Ähnlich Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 99 f. 243  Daneben

318

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Genehmigungspflicht für die Lieferung von Hydraulikzylindern nach Indien, die dort zum Bau einer militärisch nutzbaren Raketenstartrampe verwendet wurden: „[I]m Rahmen des bei der ersten Lieferung gestellten Ausfuhrantrages hatte der Angeklagte […] in seiner Funktion als Ausfuhrverantwortlicher den von ihm unterschriebenen Formularen genau entnehmen können, wie brisant eine ungenehmigte Ausfuhr von Rüstungsgütern und deren Bestandteilen werden kann. Dass der Angeklagte vor diesem Hintergrund derart ‚locker‘ über die Frage der Einholung einer Exportgenehmigung hinweggegangen sein will, widerspricht jeder Lebenserfahrung und -wirklichkeit und kann damit als abwegig ausgeschlossen werden.“248

Die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatts können als Sondernormen mithin grundsätzlich fehlendem Wissen oder mangelhafter Erfahrung entgegenwirken und so den Einwand individuellen Unwissens oder Unvermögens im Rahmen des subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs entkräften.249 c) Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums Einfallstor für das besondere Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwort­ lichen dürfte auch die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB sein. Fehlt dem Täter hiernach bei der Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er danach ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte er den Irrtum hingegen vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.250 Von der Vermeidbarkeit ist auszugehen, wenn der Täter die gehörige Anspannung seines Gewissens unterlassen und dadurch versäumt hat, das Unrechtmäßige seines Handelns zu erkennen, wobei sich das Maß der erforderlichen Gewissensanspannung nach den Umständen des Falls, dem Lebens- und Berufskreis des Einzelnen sowie den intellektuellen Fähigkeiten des Täters richtet.251 Darüber hinaus wird verbreitet gefordert, dass der Täter verbleibende Zweifel erforderlichenfalls durch (Rechts-)Rat bei einer sachkundigen und vertrauenswürdigen Stelle oder Person beseitigt.252 248  LG Dortmund vom 27.06.2008 – 43 KLs 8/06, Rn. 492 (dazu ergänzend Rn. 192), zitiert nach juris; kursive Hervorhebung durch Verfasser. 249  Vgl. Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 191. 250  Zum Ganzen auch Nestler, JURA 2015, S. 562 (567 ff.). 251  BGHSt 2, S. 194 (201) (GrS); NJW 1989, S. 475 (476); OLG Frankfurt NJW 1964, S. 508 (509); Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 17 Rn. 35; Sternberg-Lieben/ Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 17 Rn. 14. 252  BGHSt 5, S. 111 (118); NStZ 2000, S. 307 (309); Fischer, StGB, § 17 Rn. 7; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 17 Rn. 18; dazu auch Hilgendorf/Valerius, Strafrecht AT, § 8 Rn. 36.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab319

Insbesondere durch das Anknüpfen an das objektive Kriterium des Verkehrskreises des Täters erinnern die Anforderungen an die Vermeidbarkeit an das allgemeine Sorgfaltspostulat und das Maßfigurenmodell beim Fahrlässigkeitsdelikt.253 Dennoch seien nach der Rechtsprechung sowohl die Gewissensanspannung als auch die Erkundigungspflicht des Täters Ausdruck höherer Anforderungen an die Tätersorgfalt als beim Fahrlässigkeitsdelikt.254 Zur Begründung führt der BGH aus, dass mit der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens seine Rechtswidrigkeit in der Regel gegeben und dies allgemein bekannt ist, während der Täter die Frage, ob gleichwohl im einzelnen Fall die Tatbestandsverwirklichung erlaubt ist, besonders sorgfältig zu prüfen habe.255 Weiß der Täter mit anderen Worten, dass er mit seinem Verhalten ­einen Straftatbestand erfüllt hat, so bedarf die Annahme, er habe die Rechtswidrigkeit (sprich: das Unrecht) seines Verhaltens nicht erkannt, einer strengeren Prüfung.256 Im Schrifttum befürwortet man demgegenüber die Identität der Sorgfalts- und Erkundigungspflichten im Rahmen der Fahrlässigkeit und des Verbotsirrtums.257 Zum einen fielen nach der Auffassung der Rechtsprechung Fälle durch das Raster, in denen der Täter sein Verhalten schon nicht für tatbestandsmäßig hält (sog. direkter Verbotsirrtum)258; zum anderen sei die Behauptung, dass die Kenntnis der Tatumstände die Kenntnis der Rechtswidrigkeit vermittelt mit Blick auf die komplexen Verbote des Nebenstrafrechts nicht haltbar.259 Einer ausführlichen Stellungname hierzu bedarf es innerhalb dieser Untersuchung indessen nicht.260 Berücksichtigte der Tatrichter die einschlägigen Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen im Rahmen der Vermeidbarkeitsprüfung gemäß § 17 StGB, so läge für ihn wohl regelmäßig der Schluss nahe, dass das verwirklichte Unrecht bereits ohne gehörige Anspannung des Nestler, JURA 2015, S. 562 (570 ff.). NJW 1953, S. 1151 (1152); NJW 1966, S. 842; BayObLG, NJW 1965, S. 163 (164); zustimmend Maurach/Zipf, Strafrecht AT, § 38 Rn. 34; Rudolphi, Unrechtsbewusstsein, S. 216. 255  BGH NJW 1953, S. 1151 (1152). 256  Nestler, JURA 2015, S. 562 (572). 257  Siehe Duttge, in: MK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 23 ff.; Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 17 Rn. 39; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 458 f.; Rengier, Strafrecht AT, § 52 Rn. 83; Roxin, Strafrecht AT/I, § 21 Rn. 49; Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S.  276 f.; Nestler, JURA 2015, S. 562 (573). 258  Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 17 Rn. 47; Neumann, in: NK-StGB, § 17 Rn. 60. 259  Neumann, in: NK-StGB, § 17 Rn. 60; Roxin, Strafrecht AT/I, § 21 Rn. 45; in diese Richtung auch OLG Oldenburg NJW 1992, S. 2438. 260  Insoweit kann verwiesen werden auf Vogel, in: LK-StGB, Bd.  1, § 17 Rn.  35 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 458 f.; Nestler, JURA 2015, S. 562 (571 ff.). 253  Eingehend 254  BGH

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Gewissens oder die Einholung von Rechtsrat für den Ausfuhrverantwort­ lichen ersichtlich gewesen wäre. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie das ICP-Merkblatt fordern hinsichtlich der Person des Ausfuhrverantwortlichen einen Experten auf dem Gebiet des Außenwirtschaftsrechts.261 Insbesondere wird erwartet, dass sich der Ausfuhrverantwortliche kontinuierlich mit dem einschlägigen aktuellen Rechtsbestand auseinandersetzt sowie Risiken für das eigene Unternehmen analysiert und bewertet. Der allgemeine Sorgfaltsmaßstab wird durch die Sondernormen also bereits im Rahmen der Tatfahrlässigkeit soweit angehoben, dass er sich selbst bei der Annahme von strengeren Anforderungen an die Vermeidbarkeit eines Irrtums im Rahmen der sog. Rechtsfahrlässigkeit262 annähern würde. Darüber hinaus wird dem Ausfuhrverantwortlichen durch das ICP-Merkblatt empfohlen, zur Vermeidung von unrichtigen Rechtsauskünften nur einen Berater auszuwählen, der „sachkundig und unvoreingenommen ist, […] mit der Erteilung der Auskunft kein Eigeninteresse verfolgt und die Gewähr für eine objektive, sorgfältige, pflichtgemäße und verantwortungsbewusste Auskunftserteilung bietet“263. Die strengeren Anforderungen der Rechtsprechung an die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums würden durch die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen also nicht einmal weiter angehoben. Wie beim Fahrlässigkeitswurf schaffen Letztgenannte einen objektiv-generalisierenden Maßstab, ohne den auch die Bewertung der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB nicht auskommt.264 Hiernach ist somit grundsätzlich denkbar, dass ein Handeln im Sinne der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen zu einem unvermeidbaren Verbotsirrtum führen kann, genauso wie bei einem Verstoß regelmäßig von der Vermeidbarkeit eines entsprechenden Irrtums ausgegangen werden müsste.265 d) Umfang der gehörigen Aufsicht gemäß § 130 OWiG Ähnliche Überlegungen sind schließlich bei der Bewertung der Verletzung von Aufsichtspflichten in Betrieben und Unternehmen anzustellen, die nach § 130 OWiG mit Geldbuße geahndet werden können. Neben den ausfuhrbezogenen Ordnungswidrigkeiten nach den §§ 19 Abs. 1 AWG, 81 f. AWV wird § 130 OWiG aufgrund der zwingenden Mitgliedschaft des Ausfuhrverant261  Siehe

nur S. 281 ff. bei Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 17 Rn. 39. 263  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 8. 264  Vgl. Nestler, JURA 2015, S. 562 (571 f.). 265  Zur konkreten Wirkungsweise von Sondernormen sogleich S. 325 ff. 262  Begriff



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab321

wortlichen in der Geschäftsleitung für diesen als besonders bedeutsam erachtet.266 Die dem Ausfuhrverantwortlichen fehlende, von § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG vorausgesetzte Betriebs- bzw. Unternehmensinhaberstellung kann ihm nämlich im Wege des § 9 Abs. 1 OWiG, zugerechnet werden.267 Der Gesetzgeber hat allerdings, wie bereits festgestellt, nirgends geregelt, was unter der „erforderlichen“ oder „gehörigen“ Aufsicht zu verstehen ist, die der Betriebsinhaber laut § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG an den Tag legen muss. Die Regelung des § 130 Abs. 1 Satz 2 OWiG liefert insoweit allenfalls einen Anhaltspunkt, indem klargestellt wird, dass zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen „auch“ die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen gehören.268 Die Beurteilung, welche Aufsichtspflichten einem Ausfuhrfuhrverantwortlichen konkret obliegen, und ob er diese im Sinne des § 130 OWiG verletzt hat, stellt den Bußgeldrichter mithin vor die gleichen Herausforderungen wie bei der Beurteilung dessen Fahrlässigkeitsvorwurfs.269 3. Strafzumessung Die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen scheinen dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht nur auf Tatbestands-, sondern auch auf Rechtsfolgenseite zu beeinflussen. So geht Hinder etwa davon aus, dass sich die Übertragung der Verantwortung im Ausfuhrbereich auch im Rahmen der Strafzumessung auswirkt.270 In § 46 Abs. 2 StGB seien diejenigen Tatsachen aufgezählt, die für die Strafzumessung von Relevanz sein könnten. Dazu gehöre auch das Maß der Pflichtwidrigkeit, das insbesondere verletzt sei, wenn der Täter gegen besondere Rechtspflichten verstoße, wie diejenigen, die sich aus der Übernahme der Ausfuhrverantwortlichenstellung ergeben.271 266  Siehe Ahmad, AW-Prax 2015, S. 111 (112); Kreuzer, AW-Prax 2003, S. 189 ff.; Urso, CB 2016, S. 344. 267  Vgl. hinsichtlich der Parallelvorschrift in § 14 StGB bereits S. 144  ff.; vgl. außerdem Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 208 f. 268  Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 39; siehe auch Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 431. 269  Insbesondere ist mit Bock, Criminal Compliance, S. 511 f. davon auszugehen, dass es keinen Grund dafür gibt, die erforderliche bzw. gehörige Aufsicht in § 130 OWiG anders zu verstehen als die organisatorische Sorgfalt im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte. Vielmehr kann nur eine einheitliche Auslegung sämtlicher Vorschriften, die nach der Bestimmung des erlaubten Risikos unternehmensinterner Organisation verlangen, die aufgrund von Art. 103 Abs. 2 GG erforderliche Bestimmtheit von Strafe bzw. Ahndung gewährleisten; vgl. zur Anwendbarkeit des Bestimmtheitsgebots auf § 130 OWiG Radtke/Hagemeier, in: BeckOK-GG, Art. 103 Rn. 19. 270  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105, 173. 271  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105 f.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Hinder betrachtet die besondere Pflichtenstellung des Ausfuhrverantwort­ lichen unter Strafzumessungsgesichtspunkten folglich als einen für den Täter negativen, weil strafschärfenden Umstand.272 Auch das LG Hamburg hat im Flinten-Fall die Ausfuhrverantwortlichenstellung der Angeklagten auf Strafzumessungsebene berücksichtigt.273 Im Gegensatz zu Hinder geht das Gericht jedoch von einem positiven, da strafmildernden Effekt, aus. Erheblich zugunsten der Angeklagten spreche, dass sie zum Zeitpunkt der Tat unbestraft war, was angesichts ihrer langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführerin und Ausfuhrverantwortliche einer auch ins Ausland exportierenden Waffenhandelsfirma hinsichtlich der Komplexität und der Sensibilität der Materie und der daraus resultierenden vielfältigen Pflichten als Ausdruck einer grundsätzlich redlichen Aufklärung ihrer Berufstätigkeit gewertet werden müsse.274 Die grundsätzlich ordnungsgemäße Ausübung seiner besonderen Sorgfaltspflichten scheint dem Ausfuhrverantwortlichen folglich unter Strafzumessungsgesichtspunkten zum Vorteil zu gereichen. Den allgemein positiven Effekt von Compliance-Maßnahmen für die Rechtsfolgenseite erblickt mittlerweile auch der BGH. Die betreffende Entscheidung275 hatte eine Verbandsgeldbuße gemäß § 30 Abs. 1 OWiG zum Gegenstand, die gegen ein Rüstungsunternehmen wegen Steuerhinterziehung eines leitenden Angestellten verhängt worden war.276 In einem Obiter Dictum stellte der BGH fest, dass für die Bemessung der Geldbuße von Bedeutung ist, inwieweit der leitende Angestellte seiner Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt und ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss.277 Dabei könne auch eine Rolle spielen, ob in einem Unternehmen als Folge des Bußgeldverfahrens entsprechende Regelungen optimiert und seine betriebsinternen Abläufe so gestaltet wurden, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden.278 272  Zur strafschärfenden Wirkung beruflicher Pflichtenstellungen BGH NJW 1996, S. 3089 f. (Arzt); NStZ 1982, S. 463 (Apotheker); StV 1987, S. 387 (388 f.) (Polizist); siehe zudem die Nachweise bei Eschelbach, in: SSW-StGB, § 46 Rn. 83; Horn/Wolters, in: SK-StGB, Bd. 2, § 46 Rn. 125. 273  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 174, zitiert nach juris. 274  LG Hamburg vom 08.06.2011 – 618 KLs 2/11, Rn. 174, zitiert nach juris, Hervorhebung durch Verfasser. 275  BGH wistra 2017, S. 390 ff.; zuvor LG München I vom 03.12.2015 – 7 KLs 565 Js 137 335/15. 276  Ausführlich zur Entscheidung Brauneck, WuW 2018, S. 181 ff.; Bürkle, BB 2018, S.  525 ff.; Eufinger, ZIP 2018, S. 615 ff.; Hagemann, AW-Prax 2017, S. 410; Jenne/Martens, CCZ 2017, S. 285 (286). 277  BGH wistra 2017, S. 390 (399). 278  BGH wistra 2017, S. 390 (399).



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab323

Zuvor betont der BGH, dass die Grundlage für die Bemessung der Geldbuße die Schuld aller an der Anknüpfungstat beteiligten Leitungspersonen ist.279 Damit wird im Wesentlichen an den Wortlaut des § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB bzw. § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG angeknüpft. Offensichtlich geht der BGH davon aus, dass sowohl bereits vorhandene als auch während des Bußgeldverfahrens nachträglich eingeleitete Maßnahmen schuld- bzw. vorwerfbarkeitsund damit bußgeldmindernd wirken müssen.280 Offen bleibt indessen, ob fehlende oder defizitäre entsprechende Maßnahmen strafschärfend bzw. bußgelderhöhend wirken. Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Blick in § 46 StGB erforderlich. Ausgangspunkt der Strafzumessung ist, wie vom BGH hervorgehoben, gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB die Schuld des Täters. Bei der Zumessung wägt das Gericht sodann alle Umstände gegeneinander ab, die für und gegen den Täter sprechen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 StGB). Dabei spielt, wie von Hinder zutreffend bemerkt, gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 Umstand 3 StGB namentlich das Maß der Pflichtwidrigkeit eine Rolle. Da mit „Pflichtwidrigkeit“ der Verstoß gegen eine Rechtspflicht gemeint ist, ist der Umstand vor allem bei Fahrlässigkeitsdelikten und anderen Delikten relevant, die an einen entsprechenden Verstoß anknüpfen, wie etwa die unechten Unterlassungsdelikte oder der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB.281 Obwohl die Vorschrift nicht zwischen verschiedenen Fahrlässigkeitsgraden unterscheidet, kommt es für die Strafzumessung zur qualitativen Abgrenzung von „Normalfällen“ darauf an, ob lediglich leichte oder grobe Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigkeit gegeben ist.282 Besondere, sich etwa aus einer Garantenstellung zum Schutz wichtiger Rechtsgüter ergebende Pflichten, wie insbesondere berufliche Pflichten, dürfen bei der Strafzumessung allerdings nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie eine unmittelbare Beziehung zur Straftat haben.283 Dies sei nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn sich aus der beruflichen Stellung besondere Pflichten ergeben, deren Verlet279  BGH

wistra 2017, S. 390 (399). kritisch Raum auf dem 12. Exportkontrolltag 2018, zusammengefasst von Hötzl/Klöhn, AW-Prax 2017, S. 240 ff. 281  Fischer, StGB, § 46 Rn. 31; Miebach/Maier, in: MüKo-StGB, Bd. 2, § 46 Rn. 198; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 46 Rn. 17, auch zur Bedeutung für Vorsatzdelikte. 282  Eschelbach, in: SSW-StGB, § 46 Rn. 82; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 46 Rn. 17; Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 55; siehe auch Ganter, in: Graf/Jäger/ Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 46 StGB Rn. 31. Der Unterscheidung zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit soll indessen keine Bedeutung zukommen, siehe Horn, in: SK-StGB, Bd. 2, § 46 Rn. 111. 283  Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 46 Rn. 35; Miebach/Maier, in: MüKo-StGB, Bd. 2, § 46 Rn. 198; Theune, in: LK-StGB, Bd. 2, § 46 Rn. 103. 280  Dazu

324

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

zung gerade im Hinblick auf die abzuurteilende Tat unmittelbare Bedeutung hat.284 Da es sich bei den Ausfuhrdelikten um Organisationsdelikte handelt, die typischerweise aus der Organisation „Unternehmen“ heraus begangen werden, wird zwischen Erstgenannten und der beruflichen Stellung des Ausfuhrverantwortlichen regelmäßig der hiernach erforderliche Unmittelbarkeitszusammenhang vorliegen. Insbesondere erwächst dem Ausfuhrverantwortlichen infolge der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme seiner arbeitsvertraglichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Organisations- und Überwachungsverantwortung eine strafrechtliche Garantenstellung.285 Die Kenntnis hinsichtlich vorhandener oder nicht vorhandener interner Kontrollmechanismen könnte gezielt genutzt werden, um ein Ausfuhrdelikt zu begehen.286 Das Maß der Pflichtwidrigkeit wird sich insoweit graduell danach richten, ob der Ausfuhrverantwortliche defizitäre bzw. keine Compliance-Strukturen geschaffen hat (grobe Fahrlässigkeit) oder ihm im Rahmen des von ihm geschaffenen ICP lediglich ein einfacher Arbeitsfehler unterläuft (leichte Fahrlässigkeit). Auch eine strafschärfende Rolle der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen lässt sich damit, wie bereits von Hinder festgestellt, im Rahmender Strafzumessung kaum von der Hand weisen. Auch Strafzumessungsebene kann das besondere Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwortlichen mithin sowohl strafmildernd als auch strafschärfend berücksichtigt werden. 4. Zwischenergebnis Die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen spielen dort eine Rolle, wo der Straftatbestand eines Ausfuhrdelikts normative Tatbestandsmerkmale enthält, die an die besondere Pflichtenstellung des Täters anknüpfen. Die Ausfuhrdelikte sind ganz überwiegend nicht als Sonderdelikte ausgestaltet. Besondere, die Strafbarkeit begründende Pflichtmerkmale stammen daher überwiegend aus dem Allgemeinen Teil des StGB. Als potentielle Einfallstore für das besondere Pflichtenprogramm wurden auf Tatbestandsebene die Einstandspflicht gemäß § 13 Abs. 1 1 StGB sowie der objektive bzw. subjektive Fahrlässigkeitsvorwurf im Sinne des § 15 Hs. 2 StGB ausgemacht. Hinzu tritt auf Schuldebene die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB. Einen weiteren, für den Ausfuhrverantwortlichen als besonders bedeutsam erachteten Anknüpfungspunkt liefern die normativen Tatbestands284  BGH NJW 2000, S. 154 (157); NStZ 2017, S. 577; siehe auch BGH BeckRS 2002, 2624; Eschelbach, in: SSW-StGB, § 46 Rn. 82; Fischer, StGB, § 46 Rn. 44; Ganter, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 46 StGB Rn. 32. 285  Siehe S.  229 ff. 286  Vgl. Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 246.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab325

merkmale des § 130 Abs. 1 OWiG, welche die Aufsichtspflicht des Betriebsinhabers beschreiben. Zu deren Präzisierung könnte grundsätzlich ebenfalls auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt zurückgegriffen werden. Schließlich liefert § 46 Abs. 2 Satz 2 Umst. 3 StGB auf Strafzumessungsebene ein zusätzliches Einfallstor für das besondere Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwortlichen. Das dort angesprochene „Maß der Pflichtwidrigkeit“ lässt sich durch die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen näher bestimmen und kann damit grundsätzlich sowohl strafschärfend als auch strafmildernd berücksichtigt werden. Denkbar ist damit sowohl eine strafbarkeitsbegründende als auch eine strafbarkeitsschärfende bzw. -mildernde Wirkung der Zuverlässigkeitsgrundsätze und des ICP-Merkblatts. Im Folgenden muss nun eingehend untersucht werden, ob die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen im Strafrecht tatsächlich derartige rechtliche Wirkungen entfalten.

II. Wirkungsweise des besonderen Pflichtenprogramms Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass das originär genehmigungsrechtliche besondere Pflichtenprogramm potentiell in der Lage ist, auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenebene zu beeinflussen. Einfallstore finden sich im materiellen Strafrecht bei den normativen Tatbestandsmerkmalen sowie auf Strafzumessungsebene. Sowohl die Auslegung normativer Tatbestandsmerkmale als auch die Strafzumessung sind originäre Aufgaben des Tatrichters. Letztgenannter agiert im Grundsatz unabhängig und ist gemäß Art. 97 Abs. 1 GG nur dem Gesetze unterworfen. Ob bzw. inwieweit er an außerstrafrechtliche, gegebenenfalls untergesetzliche Sondernormen gebunden ist, ist daher seit Längerem immer wieder Gegenstand von Abhandlungen und Beiträgen gewesen.287 Während einige Autoren unter bestimmten Voraussetzungen von der unmittelbaren Bindungswirkung von Sondernormen für den Tatrichter ausgehen (1.), wird demgegenüber auch die „weitgehende Irrelevanz“ von Sondernormen angenommen (2.). Die wohl herrschende Auffassung beschreitet einen Mittelweg: Sondernormen kommt danach für den Tatrichter zumindest eine Indizwirkung hinsichtlich des zugrunde zulegenden Sorgfaltsmaßstabs zu (3.).

287  Siehe

die Nachweise in Teil 4, Fn. 190.

326

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

1. Verbindlichkeit Nach einer von einigen Autoren vertretenen Auffassung sind außerstrafrechtliche Sondernormen für den Tatrichter bei der Auslegung normativer Tatbestandsmerkmale verbindlich.288 Dies gelte zumindest für gesetzliche289 Sondernormen, etwa aus der öffentlich-rechtlichen Organisationsgesetzgebung.290 Als Argument wird die Einheit der Rechtsordnung oder die Vermeidung von Normwidersprüchen als Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) angeführt.291 Was ein Satz des geltenden Rechts verbiete bzw. erlaube, dürfe kein anderer erlauben bzw. verbieten.292 Staatliche Sicherheitsgesetzgebung sei demokratisch legitimierte Manifestation von Risiko-Berechnungen und damit Definition eines Sicherheitsniveaus, dessen Unterschreitung eine missbilligte Risikoschaffung ist.293 Die Bewertung, was noch erlaubtes Risiko ist und was nicht, sei daher auch für den Tatrichter verbindlich; das Strafrecht dürfe in diesen Bereichen keine weitergehenden Pflichten statuieren.294 Vielmehr sei dies Funk­ 288  Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 135; Ziegler, in: Blum/Gassner/Seith, OWiG, § 130 Rn. 25 ff.; Bock, Criminal Compliance, S.  512 ff.; ders., ZIS 2009, S. 68 (74 f.); Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S.  87 ff.; Herzberg Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 159; Kuhlen, Produkthaftung, S. 115 ff.; Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 187; Staudt, Medizinische Richt- und Leitlinien, S.  137 ff.; Kudlich, FS Otto, S. 373 (381); Lenckner, FS Engisch, S. 490 (494); wohl auch Bohnert, JR 1982, S. 6. 289  Gemeint sind jedenfalls formelle Gesetze, wobei Uneinigkeit besteht, ob auch Rechtssätze wie Rechtsverordnungen oder Verwaltungsakte erfasst werden, die lediglich aufgrund formellen Gesetzes ergangen sind, dazu Kudlich, FS Otto, S. 373 (374 Fn. 5). 290  Bock, Criminal Compliance, S. 512 ff. in Bezug auf das Umweltschutz- und das Straßenverkehrsrecht; anders jedoch hinsichtlich privatrechtlicher Verkehrsnormen und Branchenstandards, siehe Bock a. a. O., S. 537 ff; dazu auch Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, § 43 Rn. 49. 291  Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 40  ff.; ders., FS Otto, S. 373 (379); ­Maurach/Zipf, Strafrecht AT, § 2 Rn. 25; Herzberg, Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 159; Kuhlen, Produkthaftung, S.  115 f.; Bock, Criminal Compliance, S. 512 ff.; ders., ZIS 2009, S. 68 (70); Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 92; Schröder, NStZ 2006, S. 669 (670); Ossenbühl, DVBl. 1990, S. 963 (972); siehe auch Jäger, MedR 2017, S. 694 (698). 292  Bock, Criminal Compliance, S. 512 f.; Kuhlen, Produkthaftung, S. 115; Herzberg, Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 159. 293  Bock, ZIS 2009, S. 68 (74); ähnlich Frisch, Verhalten, S. 108; Kudlich, FS Otto, S. 373 (383); ferner Mikus, Verhaltensnorm, S. 106 f., der bei fehlender gesetzlicher Sondernorm sogar untergesetzlichen Sondernormen zur Herstellung von Rechtssicherheit Bindungswirkung für den Tatrichter zukommen lassen will. Dem kann jedoch mit Blick auf atypische Fallkonstellationen nicht zugestimmt werden, siehe dazu sogleich. 294  Bock, ZIS 2009, S. 68 (74  f.); siehe auch Dannecker, in: Amelung, Indivi­ duelle Verantwortung, S. 209 (226).



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab327

tionsbedingung eines zurückhaltendenden Strafrechts, das die Regelungsreife sachnaher Vorschriften nutzt.295 Die Befolgung von Sondernormen mit Rechtssatzqualität schließe mithin die Sorgfaltspflichtverletzung aus, sofern die Sondernorm das erlaubte Risiko abschließend festlege, also mehr als nur eine Mindestmaßangabe einzuhaltender Sorgfalt enthalte und im Einzelfall keine atypische Gefahrenlage vorliege.296 Umgekehrt müsse ein Verstoß gegen eine Sondernorm mit Rechtsatzqualität im Regelfall – sofern also gerade die vom Normgeber ins Auge gefasste Gefahrenlage bestand – eine strafrechtliche Sorgfaltspflichtverletzung begründen.297 Die Anhänger dieser Auffassung befürworten mithin zwar die Akzessorietät des Strafrechts zu außerstrafrechtlichen gesetzlichen Sondernormen, unterstellen deren Verbindlichkeit allerdings dem Vorbehalt des atypischen Falls.298 Nur wenn das betreffende Verhalten des Täters in den Normbereich fällt, soll die Sondernorm den maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab verbindlich vorgeben. Liegt eine atypische Fallgestaltung vor, soll der Tatrichter nach soeben Gesagtem gerade nicht an die Sondernorm gebunden sein. Dies offenbart, dass Sondernormen nach dieser Auffassung den Tatrichter genau genommen nicht von der Prüfung der im Einzelfall erforderlichen Sorgfalt entbinden. Handelt es sich bei dem vom Tatrichter zu beurteilenden Sachverhalt um einen alltäglichen Fall, den die Sondernorm „im Auge“ hatte, so kann dieser zwar ohne Weiteres durch Subsumtion unter die Vorschrift gehandhabt werden.299 Regelt die Sondernorm dagegen den Sachverhalt und die Anforderungen an das Verhalten von Personen nicht abschließend, sind zusätzliche Überlegungen und Abwägungen durch den Tatrichter erforderlich, da die Sondernorm allein zu unangemessenen Ergebnissen führen würde.300 So verhält sich ein Autofahrer zwar in der Regel sorgfaltsgemäß im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVO, wenn er über eine grüne Ampel 295  Bock,

Criminal Compliance, S. 512; ähnlich Frisch, Verhalten, S. 108. in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 135; Kuhlen, Produkthaftung, S. 116; Kudlich, FS Otto, S. 373 (379 ff.); siehe auch Sieber, FS Roxin/I, S. 1113 (1123 ff.), der zudem auf das Kriterium der „inhaltsreicheren“ Norm abstellt. 297  Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 135; Herzberg Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 159 in Anschluss an Lenckner, FS Engisch, S. 490 (494). 298  Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, § 43 Rn. 49; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 199; Landau, wistra 1999, S. 47 (51); Wittig, in: Krajewski/Oehm/SaageMaaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (213); eingehend auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 417 ff. 299  Kühl, Strafrecht AT, § 17 Rn. 24. 300  Kühl, Strafrecht AT, § 17 Rn. 24; Bosch, Organisationsverschulden, S. 419; Große Vorholt, Behördliche Stellungnahmen, S. 170; Kuhlen, Produkthaftung, S. 117; Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 276; Staudt, Medizinische Richt296  Sternberg-Lieben/Schuster,

328

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

fährt. Überquert jedoch genau in diesem Moment ein Fußgänger die Kreuzung, ist das Vorfahrtsrecht des Autofahrers situativ außer Kraft gesetzt.301 In einem solchen Fall müsste dann, falls vorhanden, auf allgemeiner gehaltene Vorschriften, wie etwa jene in § 1 Abs. 2 StVO, zurückgegriffen werden, nach der sich Verkehrsteilnehmer so zu verhalten haben, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder belästigt wird. Dies entspricht wiederum eher dem allgemeinen Sorgfaltsgebot, sich umsichtig zu verhalten, um niemanden zu schädigen. Jegliche noch so geringe Abweichung vom normierten Szenario reißt folglich eine „dogmatische Sollbruchstelle“302, die vom Tatrichter letzt­ lich doch verlangt, die Sorgfaltspflichten des Täters anhand allgemeiner Erwägungen und nicht einzig anhand der abstrakten Sondernorm zu konkretisieren. Abschließende Sondernormen, die einen Sachverhalt unter Ausschluss atypischer Fallkonstellationen vollumfänglich und lückenlos bis in das letzte Detail erfassen, sind gesetzgebungstechnisch kaum vorstellbar.303 Im Ergebnis dürften mithin weder außerstrafrechtliche Sondernormen mit, noch solche ohne Rechtssatzqualität für den Tatrichter bei der Tatbestandsauslegung uneingeschränkt verbindlich sein.304 Für die vorliegende Untersuchung ist insoweit jedoch ohnehin keine weiterführende Betrachtung angezeigt. Die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen weisen nämlich von vornherein nicht die geforderte Rechtsatzqualität auf. Auf der einen Seite stellen die Zuverlässigkeitsgrundsätze norminterpretierende bzw. ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften ohne unmittelbar rechtliche Außenwirkung dar. Sie nehmen als originäres Innenrecht der Verwaltung nicht an der staatlichen Sicherheitsgesetzgebung teil und sind daher auch nicht in der Lage, für Verwaltungsexterne Rechtspflichten zu begründen.305 Verund Leitlinien, S. 71 f.; Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (850); Landau, wistra 1999, S. 47 (51). 301  Fallbeispiel von Bohnert, JR 1982, S. 6 (9); dies ebenfalls aufgreifend Bosch, Organisationsverschulden, S. 420; Kindhäuser, FS Schünemann, S. 143 (154). 302  Bosch, Organisationsverschulden, S. 417. 303  Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 275  f.; siehe aber Kuhlen, Produkthaftung, S. 116, der den abschließenden Charakter von Sondernormen anhand teleologischer Erwägungen bestimmen will, wobei allerdings nicht klar wird, wie die Schutzzweckidentität von Straf- und Sondernorm atypische Fallkonstellationen eliminieren soll; ebenfalls kritisch Bosch, Organisationsverschulden, S. 417 f. 304  Bosch, Organisationsverschulden, S. 418 ff., der insbesondere darauf hinweist, dass der Tatrichter bereits ohne explizite gesetzliche Regelung den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik berücksichtigen müsste; in diese Richtung auch Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, § 43 Rn. 55. 305  Zur davon unberührten faktischen Außenwirkung bereits S. 47 ff. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man die Zuverlässigkeitsgrundsätze als Rechtsverordnung einordnete. Aufgrund deren formeller Rechtswidrigkeit entfiele ebenfalls die rechtliche Bindungswirkung für den Richter, siehe dazu S. 86 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab329

gleichbares gilt auf der anderen Seite für das ICP-Merkblatt. Als norm­ interpretierende Verwaltungsvorschrift bzw. informelles Verwaltungshandelns durch das BAFA fehlt den dort vorgesehenen Sorgfaltsempfehlungen offensichtlich die Rechtsverbindlichkeit, sodass die Gefahr von Normwider­ sprüchen zwischen dem formellen Genehmigungsrecht und dem Strafrecht von vornherein nicht besteht. Die zum Ausfuhrverantwortlichen ergangenen Sondernormen sind damit „dogmatisch letztlich nutzlos“306. Der Tatrichter ist jedenfalls nicht unmittelbar rechtlich an untergesetzliche Sondernormen, wie die Zuverlässigkeitsgrundsätze oder das ICP-Merkblatt, gebunden. 2. Irrelevanz Aufgrund der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit könnte man auf die Idee kommen, Sondernormen bei der Auslegung der normativen Tatbestandsmerkmale von Straftatbeständen völlig außer Betracht zu lassen. Duttge spricht in diesem Zusammenhang von der „weitgehenden Irrelevanz“ von Sondernormen für den Tatrichter.307 Er sieht in der Strafbarkeitsbegründung durch Sondernormen die Gefahr, die strafrechtliche Verantwortlichkeit gerade im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte als abstrakte Gefährdungshaftung zu konzipieren. Der Fahrlässigkeitsvorwurf hänge von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, der Verstoß gegen eine Sondernorm besage als solcher daher nichts.308 Zur Begründung greift Duttge auf das Beispiel eines Autofahrers zurück, der die gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO innerhalb geschlossener Ortschaften höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h um lediglich 1 km/h überschreitet.309 Der Autofahrer begehe nicht schon dann eine Fahrlässigkeit, wenn es danach zu einem tödlichen Verkehrsunfall komme. Dazu bedürfe es nämlich vielmehr der Aufklärung der dabei herrschenden tatsächlichen Umstände, wie z. B. der Sicht- und Witterungsverhältnisse, oder des konkreten Opferverhaltens, die etwa im Falle eines Zusammenstoßes mit einem plötzlich in die Fahrbahn laufenden Fußgänger durchaus die Unvermeidbarkeit der Schädigung begründen können. Daher sollen Sondernormen, Duttge zufolge, bei der Auslegung der normativen Tatbestandsmerkmale von Strafvorschriften keine Rolle spielen. Duttge ist sicherlich insoweit zuzustimmen, als die von ihm geforderte Einzelfallbetrachtung zur Ermittlung der konkret erlaubten Höchstgeschwin306  So Bock, Criminal Compliance, S. 540, allgemein über die Bedeutung von untergesetzlichen Verkehrsnomen und Branchenstandards für das Strafrecht. 307  Duttge, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 114 ff.; ders. Bestimmtheit des Handlungsunwerts, S. 273 ff.; zustimmend Fahl, JA 2012, S. 808 (811). 308  Duttge, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 116. 309  Duttge, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 116.

330

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

digkeit aufgrund von § 3 Abs. 1 StVO (Anpassung der Geschwindigkeit an individuelle Fähigkeiten, Witterungsverhältnisse sowie Übersichtlichkeit der Straßenverhältnisse) ohnehin durch die Sondernorm StVO selbst vorgegeben wird. Er verkennt jedoch die besondere Bedeutung von Sondernormen, denn auch die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von lediglich 1 km/h ist vom Gesetzgeber als norm- und daher pflichtwidrig eingestuft worden.310 Kann in der Praxis ausnahmsweise tatsächlich einmal der Nachweis einer derart geringen Geschwindigkeitsüberschreitung geführt werden, begründet diese Sorgfaltspflichtverletzung allerdings noch nicht zwangsläufig die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Vielmehr wird regelmäßig kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen der geringen Überschreitung und dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs gegeben sein.311 Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass der tatbestandliche Erfolg beim Fahren mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h anstatt von 51 km/h mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden hätte werden können.312 Darüber hinaus stellt Duttge nicht klar, woran sich der Tatrichter bei der Bewertung des Fahrlässigkeitsvorwurfs orientieren soll, wenn nicht an sachnahen Sondernormen, die grundsätzlich auf den betreffenden Lebenssachverhalt zugeschnitten sind. Von der „weitgehenden Irrelevanz“ von Sondernormen zu sprechen, mutet daher in hohem Maße unpraktikabel, wenn nicht sogar lebensfremd an. 3. Indizwirkung Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Ansicht seien Sondernormen für den Tatrichter daher weder gänzlich unbeachtlich noch in vollem Umfang verbindlich. Ihnen komme bei der Bestimmung strafrechtsrelevanter Sorgfaltsmaßstäbe vielmehr eine sog. Indizwirkung zu.313 Der Begriff „Indiz“ stammt offensichtlich aus der strafprozessualen 310  Kudlich,

FS Otto, S. 373 (383); ähnlich Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 52. FS Otto, S. 373 (383), der als weitere Möglichkeit der Strafbegrenzung den Schutzzweck der Norm anführt (Kudlich, a. a. O., S.  387); ebenso Herzberg, GA 2001, S. 568 (574); ders., NStZ 2004, S. 660 (666); Schröder, NStZ 2006, S. 669 (670); vgl. zudem Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 52, 92 f., der die Strafbarkeit über die Figur der sog. geringfügigen Fahrlässigkeit einschränken will. 312  Sog. rechtmäßiges Alternativverhalten, dazu Duttge, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 166 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 288 f.; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 35. 313  In diese Richtung bereits BGHSt 4, S. 182 (184 ff.); 12, S. 75 (78); 20, S. 315 (328); 37, S. 184 (189 f.); siehe auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2000, S. 141 (142); zudem Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 40; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 15 Rn. 39; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, § 43 Rn. 49, 57; Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 16; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1123; Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S.  45 ff.; Herzberg Verantwortung für Arbeitsschutz, S 160; Mayer, Straf311  Kudlich,



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab331

Terminologie. Dort unterscheidet man Indizien von sog. Haupttatsachen. Haupttatsachen füllen die Merkmale des einschlägigen Straftatbestands unmittelbar aus, ohne dass es weiterer Zwischenschritte zur Subsumtion der Tatsache unter den Straftatbestand bedarf.314 Demgegenüber sind Indizien (nur) mittelbar entscheidungserhebliche Beweistatsachen, die – für sich betrachtet oder verbunden mit anderen Indizien – durch die Anwendung von Denk- oder Erfahrungssätzen einen zwingenden oder möglichen Schluss auf eine Haupttatsache erlauben.315 Die Befolgung der Sondernorm sei demnach ebenso nur ein Anzeichen für die Verkehrsrichtigkeit des Täterverhaltens, wie deren Nichtbeachtung ein fehlerhaftes Verhalten lediglich indiziere.316 Es bleibt jedoch zumeist unklar, was genau unter „indizieren“ zu verstehen ist, bzw. ob Sondernormen überhaupt eine rechtliche oder lediglich eine rein faktische Bedeutung beizumessen ist. So wird die Wirkung von Sondernormen mit Beweisregeln317, antizipierten Sachverständigengutachten318, Beweiserleichterungssystemen319 oder Orientierungshilfen320 verglichen. Speziell zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vertritt Hinder, dass der formellen rechtliche Produktverantwortung, S. 274 ff.; Große Vorholt, Behördliche Stellungnahmen, S. 107; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 493; Schünemann, JA 1975, S. 575 (577); Schröder, NStZ 2006, S. 669 (670); in Bezug auf untergesetzliche Sondernormen auch Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 135; Bock, Criminal Compliance, S. 539 f.; ders., ZIS 2009, S. 68 (75); Kuhlen, Produkthaftung, S.  119 ff.; Lenckner, FS Engisch, S. 490 (494 ff.); Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (212 f.); in Bezug auf TA Luft und TA Lärm Alt, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 325 Rn. 31; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 325 Rn. 6; Horn, in: SK-StGB, Bd. 6, § 325 Rn. 7; Saliger, in: SSW-StGB, § 325 Rn. 5; Witteck, in: BeckOK-StGB, § 325 Rn. 11.2.; Schall, NStZ-RR 2003, S. 65 (67). 314  Krehl, in: KK-StPO, § 244 Rn. 4; Sättele, in: SSW-StPO, § 244 Rn. 11. 315  Becker, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 6/1, § 244 Rn. 7; Sättele, in: SSWStPO, § 244 Rn. 11; Velten, in: SK-StPO, Bd. 5, § 261 Rn. 4. 316  So Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 219; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 1123; diese Formulierung aufgreifend Kudlich, FS Otto, S. 373 (374); ähnlich Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 15 Rn. 39; in Bezug auf untergesetzliche Sondernormen; auch Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 135. 317  So noch Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT7, § 43 Rn. 49; dazu kritisch Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 275; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (382); Lenckner, FS Engisch, S. 490 (498). 318  Bock, Criminal Compliance, S. 540 („Sachverständigenmeinung“); Scholz, FS Juristische Gesellschaft Berlin, S. 691 (696); in Bezug auf die TA Luft auch Heine/ Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 325 Rn. 19. 319  Insbesondere Bosch, Organisationsverschulden, S. 420 ff. 320  Etwa Bock, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 8 Rn. 20; Große Vorholt, Behördliche Stellungnahmen, S. 107; in Bezug auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze Wolffgang/Witte, CB 2015, S. 138 (139).

332

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Benennung des Ausfuhrverantwortlichen nach den Zuverlässigkeitsgrund­ sätzen der Charakter eines „außergerichtlichen widerlegbaren Geständnisses“ für die tatsächliche Innehabung der Ausfuhrverantwortlichenstellung und der damit einhergehenden Pflichten zukommt.321 Mit dem vielerorts verwendeten Begriff der Indizwirkung könnten de facto also mehr Unterschiede verschleiert werden, als Gemeinsamkeiten bestehen.322 Im Folgenden bedarf es daher der Befassung mit den augenscheinlich unterschiedlichen Begriffsverständnissen, um sich der konkreten Indizwirkung von Sondernormen, wie den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und dem ICPMerkblatt, anzunähern. Abgeschichtet nach der prozessualen Bedeutung für den Tatrichter werden Sondernormen zunächst mit Beweis- bzw. Vermutungsregeln (a)) sowie anschließend mit dem sog. antizipierten Sachverständigengutachten (b)) und faktischen Beweiserleichterungssystemen bzw. Orientierungshilfen (c)) verglichen. a) Beweisregeln Am folgenreichsten wäre die Indizwirkung von Sondernormen, begriffe man diese als Beweisregeln.323 Unter Beweisregeln versteht man allgemein Regeln, die die Überzeugungsbildung des Richters an bestimmte Beweismittel binden, und ihm dadurch die Bedingungen vorschreiben, unter denen er dem Beweismittel Glauben oder ein bestimmtes Maß an Glauben schenken darf.324 Es lassen sich gesetzliche und nichtgesetzliche Beweisregeln unterscheiden. Hinsichtlich gesetzlicher Beweisregeln sind etwa die Beweiskraft des Sitzungsprotokolls gemäß § 274 StPO oder der Wahrheitsbeweis durch Strafurteil im Fall der Beleidigung gemäß § 190 StGB zu nennen. Von der Beweiskraft des Sitzungsprotokolls und des Strafurteils hat das Gericht grundsätzlich auszugehen, wenn nicht die Fälschung nachgewiesen bzw. der Beleidigte vor der Behauptung freigesprochen wurde.325 Die wohl bekannteste gesetzlich nicht vorgesehene, durch richterliche Rechtsfortbildung aufgestellte prozessuale Beweisregel stellt die 1,1-Promillegrenze im Straßen-

321  Hinder,

Der Ausfuhrverantwortliche, S. 105. Kudlich, FS Otto, S. 373 (382); kritisch auch Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 87; Mikus, Verhaltensnorm, S.  16 f. 323  So auch Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, §  15 Rn. 135; Herzberg Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 160; Marburger, Regeln der Technik, S. 401; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (382). 324  Velten, in: SK-StPO, Bd. 5, § 261 Rn. 5; Glaser, Handbuch des Strafprozesses, S. 353. 325  Dazu Volk/Engländer, StPO, § 17 Rn. 27. 322  So



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab333

verkehr dar.326 Sie begründet nach der Rechtsprechung sogar eine unwiderlegbare Vermutung für die absolute Fahruntauglichkeit im Sinne der Straßenverkehrsdelikte gemäß §§ 315b  ff. StGB.327 Ein Gegenbeweis, z.  B. die Behauptung „besonders trinkfest“ zu sein, wird infolge des Nachweises nicht zugelassen.328 Gleichzeitig liefert die 1,1-Promillegrenze eine (Teil-)Definition des Tatbestandsmerkmals der Fahrunsicherheit in §§ 315c, 316 StGB und damit eine materiellrechtliche Auslegungsregel für den Tatrichter.329 Eine weitere, trotz fehlender gesetzlicher Regelung anerkannte, prozessuale Entscheidungsregel, die sich auf den materiellen Strafvorwurf auswirkt, ist die sog. gesetzesalternative oder echte Wahlfeststellung.330 Dabei handelt es sich ebenfalls um eine auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhende Rechtsfigur, nach der ein Angeklagter wahlweise entweder wegen Verstoßes gegen das eine oder gegen das andere Strafgesetz verurteilt werden kann, wenn nach Durchführung der Beweisaufnahme ungeklärt ist, welchen von beiden Tatbeständen er verwirklicht hat, und ausgeschlossen ist, dass keiner von beiden erfüllt wurde.331 Da Sondernormen regelmäßig weder formalgesetzlich fixiert, noch typischerweise durch richterliche Rechtsfortbildung entstanden sind, könnten sie eine dritte Form von Beweisregeln darstellen. Lägen demgemäß die inhalt­ lichen Voraussetzungen einer Sondernorm vor bzw. nicht vor, wäre auf sorgfaltsgemäßes bzw. sorgfaltswidriges Verhalten zu schließen, bis das Gegenteil bewiesen ist. So geht etwa Hinder davon aus, dass die förmliche Benennung des Ausfuhrverantwortlichen beim BAFA aus strafrechtlicher Sicht den Charakter eines widerlegbaren „außergerichtlichen Geständnisses“ hinsichtlich der Aufgaben- und Pflichtenwahrnehmung durch den Ausfuhrverantwort­

326  Siehe bereits Schünemann, FS Lackner, S. 367 (382); Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S.  178 f. 327  BGH NJW 1967, S. 116  ff.; NJW 1990, S. 2393 ff.; OLG Karlsruhe NJW 1967, S. 2167 ff.; zur Einordnung der Promillegrenze als Beweisregel auch Fischer, StGB, § 315c Rn. 4b; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 315c Rn. 6d; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 316 Rn. 8. 328  Vgl. BGH NJW 1969, S. 1578 (1580); Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 315c Rn. 18. 329  Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 315c Rn. 18.2 („quasi-materiellen Charakter“); Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 179; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (382 f.); Naucke, NJW 1968, S. 758 (759); a. A. wohl Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 316 Rn. 8; zum Ganzen auch Bialas, Promille-Grenzen, S.  69 ff. 330  Dazu jüngst BGH GSSt, NJW 2017, S. 2842 ff.; allgemein BGH NJW 1959, S.  896 ff.; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 1 Rn. 60 ff.; Ott, in: KKStPO, § 261 Rn. 70 f; Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 1 Rn. 10 ff.; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 396; Stuckenberg, JZ 2015, S. 714 ff. 331  Miebach, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 261 Rn. 391.

334

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

lichen aufweist.332 Zur Begründung überträgt Hinder die aus dem Presserecht stammende sog. Stellungstheorie zur förmlichen Benennung des sog. verantwortlichen Redakteurs333 ohne weitere Begründung auf die strafrechtliche Haftung des Ausfuhrverantwortlichen. Nach der Stellungstheorie sei als verantwortlicher Redakteur im Sinne des Presse(straf)rechts derjenige zu qualifizieren, der mit dieser Stellung vom Unternehmer oder Verleger des Druckwerkswerks tatsächlich beauftragt wurde und kraft dieser Stellung darüber verfügen kann, ob ein Beitrag veröffentlicht wird oder wegen seines straf­ baren Inhalts zurückzuweisen ist.334 Gegen die Auffassung Hinders – und gleichzeitig gegen das grundsätzliche Anerkenntnis untergesetzlicher Sondernormen als Beweisregeln – spricht jedoch der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO.335 Danach entscheidet das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung. Aus § 261 StPO folgt, dass die für das Urteil maßgeblichen Tatfeststellungen als Resultat einer schlüssigen und nachvollziehbaren Würdigung aller für und gegen sie sprechenden Umstände allein von der vollen persönlichen Überzeugung des Richters von ihrer Richtigkeit getragen werden müssen.336 Die prinzipielle Methodefreiheit337 findet zwar unter anderem338 dort ihre Grenze, wo etwa Beweisverwertungsverbote oder eben gesetzliche oder richterrechtlich anerkannte Beweisregeln bestehen; von deren Existenz darf indessen keinesfalls auf den vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelfall, sondern muss vielmehr auf den absoluten Ausnahmecharakter von Beweisregeln geschlossen werden.339 Bereits für den Gesetzgeber bedürfen die freie richterliche Überzeugungsbildung einschränkende Beweisregeln daher eines erhöhten Begründungsaufwands. Insbesondere sind geschriebene Beweisregeln als Durchbrechung des fundamentalen Beweisgrundsatzes in 332  Hinder,

Der Ausfuhrverantwortliche, S. 173. bereits S. 195 f. 334  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 55 m. w. Nachw. 335  Vgl. nur Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt, StPO, § 261 Rn. 2a; Staudt, Medizinische Richt- und Leitlinien, S. 166; Hoyer, ZStW 121 (2009), S. 860 (871); Schünemann, FS Lackner, S. 367 (383 f.); Landau, wistra 1999, S. 47 (52); zur weniger bedenklichen Rolle von Beweisregeln im Verwaltungs- und Zivilprozess Marburger, Regeln der Technik, S. 401 ff. 336  Sander, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 6/2, § 261 Rn. 1; Velten, in: SK-StPO, Bd. 5, § 261 Rn. 1; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 45 Rn. 43. 337  Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 261 Rn. 1. 338  Siehe noch S.  352 ff. 339  BVerfG NJW 2003, S. 2444 (2445); Velten, in: SK-StPO, Bd. 5, Vor § 261 Rn. 8, § 261 Rn. 5; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 45 Rn. 42; Schäfer, StV 1995, S. 147 (148); Maier, NStZ 2005, S. 246. 333  Dazu



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab335

§ 261 StPO keiner extensiven Auslegung oder gar analogen Anwendung zugänglich.340 Mit der von Hinder bemühten Analogie zur Stellungstheorie des Presserechts kann daher nicht argumentiert werden. Diese liegt den presserechtlichen Vermutungsregeln, wie z. B. § 11 Abs. 1 HPresseG, zugrunde. Da entsprechende gesetzliche Regeln für den Ausfuhrverantwortlichen nicht bestehen, können die presserechtlichen Grundsätze wegen des strikten Analogieverbots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG nicht zur Einschränkung der richter­ lichen Überzeugungsbildung bei außenwirtschaftsstrafrechtlichen Sachverhalten übertragen werden. Erforderlich wäre insoweit eine entsprechende nicht zu beanstandende gesetzliche Regelung. Die von Hinder befürwortete Beweis- bzw- Vermutungswirkung der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen ist damit entschieden abzulehnen. Mit Blick auf Beweisregeln, die durch richterliche Rechtsfortbildung aufgestellt wurden, bestehen indessen noch ganz andere Bedenken. Speziell in Bezug auf die oben angesprochene gesetzesalternative Wahlfeststellung wurde vom Zweiten Strafsenat des BGH ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG moniert und infolge eines Vorlagebeschlusses dem Großen Senat des BGH vorgelegt.341 Nicht nur formelles Recht, sondern auch Richterrecht sei am Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen, sofern es materiellrecht­ licher Natur ist.342 Die gesetzesalternative Wahlfeststellung wirke hinsichtlich nicht vollständig nachgewiesener Ausgangstatbestände – konkret ging es um das Verhältnis von Diebstahl gemäß § 242 StGB und Hehlerei gemäß § 259 StGB – strafbegründend und werde daher dem strengen Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG nicht gerecht.343 Angesprochen ist hierdurch das Problem der Gewaltenteilung (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2, 3 GG) zwischen Legislative und Judikative bei der Strafrechtssetzung. Der Große Senat hat die Vorlage zwar zurückgewiesen, weil die gesetzesalternative Wahlfeststellung nicht strafbarkeitsbegründend wirken könne, da jede der in Betracht kommenden Sachverhaltsalternativen einen gesetzlich normierten Straftatbestand vollständig erfüllen müsse und Art. 103 Abs. 2 GG auf die damit rein prozessuale Entscheidungsregel nicht anwendbar sei.344 Im Fall der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen schlagen diese jedoch tatsächlich von der richterlichen Überzeugungsbildung auf die materielle Auslegung der 340  So in Bezug auf § 274 StPO BGH NJW 1976, S. 812; Greger, in: KK-StPO, § 274 Rn. 3; Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt, StPO Rn. 4; Velten, in: SK-StPO, Bd. 5, § 274 Rn. 2; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 6/2, § 274 Rn. 2. 341  BGH NStZ 2014, S. 392; dazu Kröpil, JR 2015, S. 116 ff.; ferner zum Verhältnis der Wahlstellung zum In-dubio-pro-reo-Grundsatz Heinitz, JR 1957, S. 126 ff. 342  BGH NStZ 2014, S. 392 f. 343  BGH NStZ 2014, S. 392 (393 f.). 344  BGH GSSt, NStZ 2018, S. 41 (43 f.); dazu Baur, JA 2018, S. 568 ff.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

normativen Tatbestandsmerkmale der Ausfuhrdelikte durch, indem sie strafbegründend bzw. strafschärfend wirken können.345 Auch hier käme es also zum Kompetenzkonflikt. Müsste der Tatrichter untergesetzliche Vorschriften bei der Beweiswürdigung berücksichtigen, die von Behörden oder gegebenenfalls sogar privaten Interessenverbänden zur Selbstnormierung geschaffen wurden, entschiede letztendlich nicht mehr der Gesetzgeber über strafbares und nichtstrafbares Verhalten, sondern mittelbar der jeweilige Urheber der Sondernorm.346 Eine solche Regelungstechnik ist indessen nur zulässig, wenn der Gesetzgeber im Straftatbestand auf die untergesetzliche Vorschrift verweist und so Rechtssetzungskompetenz delegiert. Nur so lässt sich für den Normunterworfenen auf einen Blick absehen, welches Verhalten mit Strafe bedroht ist, sodass er sein Verhalten dementsprechend ausrichten kann. Insoweit ist – vergleichbar mit der materiellrecht­ lichen Problematik impliziter Blankettverweise – der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG in den Garantiefunktionen der Vorhersehbarkeit von Strafe und des strengen Gesetzesvorbehalts für Strafe tangiert.347 Die Kompetenz zur Strafrechtssetzung liegt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 GG bei der Legislative. Zwar schaffen Behörden oder private Normierungsgremien durch Sondernormen keine eigenständigen Straftatbestände; führten die Sondernormen im Strafprozess jedoch zu zwingenden Ergebnissen bei der Beweiswürdigung bzw. richterlichen Überzeugungsbildung, so beeinflussten sie immerhin faktisch Strafbarkeit. Ob insoweit eine „Abdankung des Gesetzgebers“ oder eine „unzulässige Delegation von legislativer Kompetenz auf private Verbände“ vorliegt348, muss an dieser Stelle aufgrund der erwiesenen Unzulänglichkeit der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen als Beweisregeln für den Strafprozess nicht weiter untersucht werden.349

345  Siehe

S.  304 ff. dazu jüngst BGH NStZ 2017, S. 701 (703) (sog. Transplantationsskandal-Fall, dazu noch S. 356 ff.); ausführlich zudem Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, § 43 Rn. 54 f; Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S.  52 ff.; Mikus, Verhaltensnorm, S.  104 ff.; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (390 f.); relativierend Bosch, Organisa­ tionsverschulden, S. 443 ff.; ferner Scherer/Fruth, CCZ 2015, S. 9 (13). 347  Siehe bereits S. 305 ff. 348  So jeweils explizit Schünemann, FS Lackner, S. 367 (372, 391). 349  Siehe stattdessen nachfolgend S. 404 ff. Genauso wenig bedarf es der Ausführungen zu einer etwaigen Verletzung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes, da dieser prozessual erst dann greift, wenn der Tatrichter zu keiner zweifelsfreien Überzeugung gelangt, siehe dazu Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 56; Sander, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 6/2, § 261 Rn. 103; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 25; Roxin/ Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 11 Rn. 1. Das Aufkommen gerade dieser Zweifel wird nämlich im Vorfeld durch Beweisregeln verhindert. 346  Siehe



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab337

b) „Antizipiertes Sachverständigengutachten“ Teilweise wird die Indizwirkung einer Sondernorm mit dem sog. anti­ zipierten Sachverständigengutachten verglichen.350 Mit diesem Begriff bezeichnete im öffentlich-rechtlichen Schrifttum Breuer ursprünglich einen nichtförmlichen Sachverständigenbeweis ersten Anscheins, bei dem es im Ermessen des Gerichts stehe, ob es sich mit dem nichtförmlichen Sachverständigenbeweis begnügt oder zusätzlichen einen förmlichen Sachverständigenbeweis nach den prozessrechtlichen Vorschriften erhebt.351 Relevanz käme Sondernormen hiernach folglich abermals für die Überzeugungsbildung des Tatrichters (§ 261 StPO) zu.352 In Anschluss an Breuer bezeichnete insbesondere das BVerwG die TA Luft als „antizipiertes Sachverständigengutachten“, bevor es schließlich von einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift ausging.353 Grund für die Vergleichbarkeit mit dem Gutachten eines Sachverständigen sei ihr naturwissenschaftlich fundierter, fachlicher Aussagegehalt, der auch für das kontrollierende Gericht, vorbehaltlich neuer, besserer Erkenntnisse, bedeutsam sei.354 Allerdings fasste das BVerwG die TA Luft – trotz des Verweises auf Breuer – offensichtlich als mehr auf, als nur einen ersten Anhaltspunkt für das entscheidende Verwaltungsgericht. Vielmehr sah es die in der TA Luft festgelegten Immissionswerte für Schadstoffe als für die Gerichte verbindlich an.355 Eine Einschränkung sei lediglich bei neueren wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen sowie in atypischen Fällen zu machen.356 Ein solches Verständnis würde allerdings – übertragen auf das Strafrecht – Sondernormen wieder in die Nähe der verfassungsrechtlich höchst problematischen Beweisregeln rücken oder sogar ein Strafblankett ohne formal-gesetzliche Verweisungsnorm generieren.357 Aus diesem Grund beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf das originäre Begriffsverständnis ­Breuers und dessen Aussagegehalt für das Straf(prozess)recht. 350  Siehe

die Nachweise in Teil 4, Fn. 318. DVBl 1978, S. 28 (34 ff.), auf den BVerwG NJW 1978, S. 1450 (1451) explizit verweist; dazu kritisch Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Verwaltungsrechts, S. 115 (159 ff.). 352  So auch Bock, Criminal Compliance, S. 540. 353  BVerwG NJW 1978, S. 1450 (1451); dazu bereits S. 47 ff. Der Begriff des antizipierten Sachverständigengutachtens wurde auch in der umweltstrafrechtlichen Literatur aufgegriffen, beispielsweise durch Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 325 Rn. 19; Alt, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 325 Rn. 31. 354  BVerwG NJW 1978, S. 1450 (1451). 355  BVerwG NJW 1978, S. 1450 (1453). 356  BVerwG NJW 1978, S. 1450 (1452). 357  Dazu soeben S. 305 ff., 332 ff. 351  Breuer

338

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Nach Breuer sind Sondernormen in Verwaltungsvorschriften, seien sie auch noch so detailliert und technisch aktuell, aufgrund ihrer Rechtsnatur ungeeignet, das formelle Recht zu konkretisieren.358 Allerdings übernähmen gerade die TA Luft und die TA Lärm weitgehend die Inhalte sog. technischer Regeln, zu denen neben DIN-Normen auf dem Gebiet des Immissionsschutzes vor allem die VDI-Richtlinien gehörten.359 DIN-Normen sind vom Deutschen Institut für Normung in nationaler, europäischer sowie internationaler Kooperation erarbeitete Standards zur Vereinheitlichung von wirtschaftlichen Kenngrößen aller Art.360 Bei VDI-Richtlinien handelt es sich um mathematisch-technische Regelwerke, die vom Verein Deutscher Ingenieure zur Uniformierung bestimmter Bau- und Industriestandards für verschiedene Branchen aufgestellt werden.361 In beiden Fällen stammen die entsprechenden Regeln von privaten Interessenverbänden ohne Rechtssetzungskompetenz. Sie dienen zwar der Vereinfachung des Wirtschaftslebens, sind aber rechtlich unverbindlich. Breuer geht davon aus, dass DIN-Normen, VDIRichtlinien und ähnliche technische Regeln dennoch das Produkt einer Konsensbildung im organisatorischen Rahmen sind, die aufgrund ihres sachverständigen Aufstellungsverfahrens und der Merkmale der regelbildenden Ausschüsse und beteiligten Kreise als antizipierte Sachverständigengutachten angesehen und in dieser Eigenschaft auch gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt werden können.362 Soweit Verwaltungsvorschriften entsprechende Grenzwerte und sonstige Schutzanforderungen übernehmen, könne auch ihr Inhalt als antizipiertes Sachverständigengutachten verwertet und richterlichen Entscheidungen zugrunde gelegt werden.363 Mit „verwertet“ meint Breuer mit Blick auf die dem Verwaltungsprozess zugrundeliegende Amtsermittlungsmaxime weniger eine bloße Vermutung als vielmehr die Berücksichtigung als nichtförmliches Beweismittel.364 Fraglich ist, ob dies auch im Strafprozess gelten kann (bb)). Zuvor ist indessen zu klären, was überhaupt durch Sondernormen als antizipierte Sachverständigengutachten bewiesen werden kann (aa)). Einzelnen Breuer DVBl 1978, S. 28 (30 ff.). DVBl 1978, S. 28 (35). 360  Siehe dazu die Webseite der DIN, abrufbar unter: https://www.din.de/de/ ueber-normen-und-standards/din-norm; siehe auch Busch, NJW 2010, S. 3061 ff.; zum „Normsetzungsverfahren“ am Beispiel der Compliance-Management-Norm DIN ISO 19600 Makowicz, Globale Compliance Management Standards, S. 10 ff. 361  Dazu etwa BGH NZM 2015, S. 569  ff.; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, TA Luft Nr. 5.3.5 Rn. 1 ff.; zum Ganzen ferner Schünemann, FS Rudolphi, S. 297 (305 f.). 362  Breuer DVBl 1978, S. 28 (35). 363  Breuer DVBl 1978, S. 28 (35). 364  Breuer DVBl 1978, S. 28 (35). 358  Im

359  Breuer



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab339

aa) Beweisgegenstand Der Unterschied zum förmlichen Sachverständigenbeweis im Sinne der §§ 72 ff. StPO scheint beim antizipierten Sachverständigengutachten darin zu liegen, dass der Tatrichter keinen Sachverständigen im Strengbeweisverfahren bestellt, sondern auf die vorhandenen und für künftige Sachverhalte abstrakt getroffenen – und daher „antizipierten“ (sprich: vorweggenommenen) – Aussagen eines regelerstellenden Gremiums zurückgreift.365 Gesteht man Sondernormen im Strafprozess eine eigenständige beweisschaffende Wirkung zu, so stellt sich für den Tatrichter vorgelagert die Frage, was durch sie überhaupt bewiesen werden soll. Noch ungeachtet der strafprozessualen Differenzierung zwischen Streng- und Freibeweis366 sind Gegenstand der Beweisaufnahme stets Tatsachen, also äußere oder innere Geschehnisse und Zustände in der Vergangenheit oder Gegenwart.367 Verfügt der Tatrichter selbst nicht über die zur Tatsachenermittlung erforderliche Erfahrung, muss er einen Sachverständigen hinzuziehen, weil er die Beweisaufnahme zur Erforschung der Wahrheit gemäß § 244 Abs. 2 StPO von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.368 Der Sachverständige wird dann gewissermaßen zum „Gehilfen des Richters“, der ihm durch Aussagen oder Gutachten dasjenige Fachwissen vermittelt, über das er selbst nicht verfügt.369 Der Tatrichter ist aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG indessen keineswegs an die Aussagen und Gutachten des Sachverständigen gebunden; vielmehr soll der externe Sachverstand die freie, unabhängige richterliche Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO erst ermög­ lichen.370 Typische Beispiele für zulässige Tatsachenermittlungen durch den Sachverständigen­beweis sind etwa die Begutachtung des mutmaßlichen Täters durch einen Psychologen371 oder die Bewertung von Baumängeln durch einen Baugutachter372. Ebenso könnte ein Sachverständiger die konkreten Eigenschaften eines Produkts beurteilen, die mit Blick auf dessen Ausfuhr Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (849). sogleich S. 343 ff. 367  BGH NStZ 2006, S. 585 (586); Bachler, in: Graf, StPO, § 244 Rn. 2; Krehl, in: KK-StPO, § 244 Rn. 3; Sättele, in: SSW-StPO, § 244 Rn. 9; Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 21; Volk/Engländer, StPO, § 21 Rn. 26. 368  Frister, in: SK-StPO, Bd. 4, § 244 Rn. 32; Sättele, in: SSW-StPO, § 244 Rn. 48. 369  BGH NJW 1952, S. 899; Schluckebier, in: SSW-StPO, § 261 Rn. 48; Volk/ Engländer StPO, § 21 Rn. 27. 370  Volk/Engländer, StPO, § 21 Rn. 27; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (385). 371  Siehe beispielsweise BGH NJW 1969, S. 2293 ff.; NStZ 1997, S. 199. 372  Siehe etwa BayObLGSt 1994, S. 52 f. 365  Vgl.

366  Dazu

340

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

eine Genehmigungspflicht oder ein Verbot nach dem Außenwirtschaftsrecht auslöst.373 Betroffen sind hier jeweils reine Tatfragen. Über Rechtsfragen, also das anzuwendende nationale Recht, dessen Inhalt oder die Auslegung und Subsumtion, ist eine Beweiserhebung dagegen grundsätzlich unzulässig.374 Die rechtliche Würdigung ist allein dem Gericht anvertraut.375 Dies ist schlicht Ausdruck des Gewaltenteilungsprinzips.376 Lediglich sog. allgemeine Erfahrungssätze können als Beweismittel dienen, allerdings nur soweit es um ihre Existenz oder empirische bzw. statistische Bedeutung geht.377 Erfahrungssätze treffen eine Aussage über bestehende Kausalzusammenhänge oder erlauben Schlussfolgerungen, die erfahrungsgemäß aus bestimmten Sachverhalten zu ziehen sind oder gezogen werden können.378 Sie fungieren als „argumentative Brücke“379 zwischen den festgestellten Tatsachen und der hierauf begründeten Überzeugung des Gerichts, ohne selbst eine rechtliche Bewertung zu enthalten.380 Es ist daher etwa zulässig, durch einen Sachverständigen den Kausalzusammenhang zwischen der chemischen Zusammensetzung eines Holzschutzmittels und den durch dieses bedingten körperlichen Beeinträchtigungen beim Menschen klären zu lassen.381 In diesem Fall wird die rechtliche Würdigung (körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung gemäß § 223 Abs. 1 StGB) zwar faktisch weitgehend vorbereitet; sie verbleibt jedoch schlussendlich dennoch beim unabhängig erkennenden Gericht. 373  So geschehen bei BGH NJW 1996, S. 1355 (1356) in Bezug auf Spezifikationen der Kriegswaffenliste. 374  Jeweils auch zu den Ausnahmen Krehl, in: KK-StPO, § 244 Rn. 3; Sättele, in: SSW-StPO, § 244 Rn. 9; Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 21; zum Freibeweisverfahren über den Inhalt von Gewohnheitsrecht sowie ausländischem Recht siehe BGH NJW 1994, S. 3364 (3366); zur Ambivalenz der Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen bei normativen Tatbestandsmerkmalen ferner Kuhli, Normative Tatbestandsmerkmale, S.  270 ff. 375  Dazu Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 21; Becker, in: LöweRosenberg, StPO, § 244 Rn. 6; ausführlich auch Kraatz, Einfluss der Erfahrung S.  48 ff. 376  Siehe Dippel, Stellung des Sachverständigen, S. 30 ff.; Erb, ZStW 121 (2009), S. 882 (884). 377  Dazu umfassend Kraatz, Einfluss der Erfahrung, S. 115 ff.; siehe auch Becker, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 6/1 § 244 Rn. 6; Krehl, in: KK-StPO, § 244 Rn. 3, 7; Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 22. 378  Krehl, in: KK-StPO, § 244 Rn. 7; Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 22. 379  Krehl, in: KK-StPO, § 244 Rn. 7. 380  Becker, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 6/1 § 244 Rn. 6; Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 22. 381  Siehe BGH NStZ 1995, S. 590 ff. sowie auch die Kausalitätsfeststellung im Lederspray-Fall, dazu S. 155 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab341

Ebenso gut kann der Tatrichter einen Sachverständigen damit betrauen, ihm den Sorgfaltsmaßstab eines bestimmten Verkehrskreises zu vergegenwärtigen.382 Bei normativen Tatbestandsmerkmalen, wie z. B. den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ in § 319 Abs. 1 StGB (Baugefährdung), wird sich regelmäßig die Frage nach den konkret einschlägigen, aktuellsten Bauvorschriften stellen.383 Aufgrund der Komplexität vieler Branchen dürften die dortigen Gepflogenheiten regelmäßig als nicht allgemein- bzw. gerichtskundig angesehen werden und daher beweisbedürftig sein.384 So stellt sich typischerweise die Frage, welche Verhaltensweisen in einer bestimmten Branche einer redlichen Praxis (sog. Best Practice) entsprechen.385 Der einschlägige medizinische Standard lässt sich für das Gericht beispielsweise regelmäßig nur auf der Basis eines Sachverständigengutachtens ermitteln.386 Auch in diesem Fall fungiert der herangezogene Sorgfaltsmaßstab als „Bindeglied“387 zwischen Tat- und Rechtsfrage bzw. Erkenntnis- und Beurteilungsebene. Die Sorgfaltsanforderungen einer bestimmten Branche sind indessen eine dem Beweis zugängliche Tatsache. Davon zu trennen ist die allein vom Tatrichter zu beantwortende Frage, ob diese Sorgfaltsanforderungen auch für den mutmaßlichen Täter gelten und er im konkreten Fall gegen diese verstoßen oder sie befolgt hat.388 Erachtet der Tatrichter die Aussage bzw. das Gutachten des Sachverständigen für plausibel, so legt er den betreffenden Sorgfaltsmaßstab bei der Auslegung normativer Tatbestandsmerkmale, wie etwa dem Begriff „fahrlässig“, zugrunde. Anschließend erfolgt die einzelfallabhängige Subsumtion. Will man nun Sondernormen als gegenüber dem Sachverständigenbeweis eigenständige, weil „antizipierte“ Sachverständigengutachten auffassen, so stellt sich das Problem, dass zahlreiche Sondernormen inhaltlich weit über das Aufführen rein (natur-)wissenschaftlicher, empirischer oder statistischer Zusammenhänge hinausgehen und damit häufig genau genommen keine dem Beweis zugänglichen Erfahrungssätze darstellen. Stattdessen treffen Sondernormen nicht selten eine eigenständige rechtliche (Risiko-)Bewertung oder 382  Veit,

Rezeption technischer Regeln, S. 169; Landau, wistra 1999, S. 47 (51 f.). in: Lackner/Kühl, StGB, § 319 Rn. 3; Esser/Keuten, NStZ 2011, S. 314 (317); Scherer/Fruth, CCZ 2015, S. 9 (13). 384  Zu den Fällen der Offenkundigkeit Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 206 ff. 385  Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (848); Schünemann, FS Lackner, S. 367 (386); Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (213). 386  Siehe etwa BGH NJW 2015, S. 1601 ff. 387  Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 22; Fezer, StV 1995, S. 95 (97). 388  Vgl. Scherer/Fruth, CCZ 2015, S. 9 (13). 383  Kühl,

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

lassen eine solche zumindest zu.389 Anders als statische technische Regeln, wie z. B. DIN-, ISO-, VDE- oder VDI-Normen, oder Unfallverhütungsvorschriften, z. B. BGV D 29390, setzen Sondernormen, wie beispielsweise die TA Luft, nicht nur Immissionsgrenzwerte fest, sondern verfügen darüber hinaus über eigene rechtliche Grundsätze für die immissionsschutzrechtliche Genehmigungserteilung.391 Derartige Sondernormen lassen sich aufgrund ihrer Wertungsoffenheit als „normative Sondernormen“ bezeichnen. Auch die hier gegenständlichen Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie das ICP-Merkblatt geben als die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen ganz überwiegend keine statische Gesetzmäßigkeit wieder, sondern arbeiten mit einer Vielzahl an unbestimmten und somit auslegungsbedürftigen Rechts- und Pflichtbegriffen. Gerade das ICP-Merkblatt unterstellt die über seine Mindestanforderungen hinausgehenden Compliance-Pflichten dem Vorbehalt des unternehmensindividuellen Einzelfalls.392 Will sich ein Tatrichter von der Sorgfaltspflichtverletzung des Ausfuhrverantwortlichen überzeugen, wird er bereits aufgrund der Ausgestaltung der soeben genannten Sondernormen nicht umhin kommen, den konkreten Pflichtenverstoß anhand der Besonderheiten des betreffenden Unternehmens zu beurteilen. Dies gebietet zudem die Unschuldsvermutung, nach der die strafrechtliche Sorgfaltspflichtverletzung ohne vernünftigen Zweifel bewiesen werden muss, sodass ein erster Anschein grundsätzlich nicht genügt.393 Gleiches gilt für die Frage, ob die Befolgung der normativ geprägten Sondernorm die Sorgfaltspflichtverletzung ausschließt. Auch in diesem Fall kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, die gegebenenfalls eine andere rechtliche Beurteilung, z. B. eine gesteigerte Sorgfalt, erforderlich machen.394 Zwischen der abstrakten Risikobewertung von Sondernormen und der konkret zu beachtenden Sorgfalt durch den Täter besteht also keinesfalls zwingende Identität.395 Als antizipiertes Sachverständigengutachten können normative Sondernormen, die eine eigene Wertung durch den Tatrichter zulassen, also lediglich 389  Bosch, Organisationsverschulden, S. 422; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (385); Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (844 f.); ähnlich Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 194. 390  Siehe dazu noch Teil 4, Fn. 426. 391  Siehe Nr. 3 der TA Luft zur Konkretisierung von §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Auch die in der TA Luft zum Ausdruck kommende umweltpolitische Wertung soll insoweit eine Rolle spielen, dazu Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (842). 392  Siehe bereits S. 268 ff. 393  Kraatz, Einfluss der Erfahrung, S. 143 ff; Felz, NZV 2017, S. 117 (119); Landau, wistra 1999, S. 47 (51). 394  Schünemann, FS Lackner, S. 367 (386). 395  Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 197; so auch bereits Bohnert, JR 1982, S.  6 (7 f.).



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab343

zur Beantwortung der (Tat-)Frage dienen, welche Mindestanforderungen grundsätzlich an die allgemeine Sorgfalt in einem bestimmten Verkehrskreis im Sinne einer redlichen Praxis zu stellen sind.396 Nur insoweit stellen sie einen Erfahrungssatz dar, der frei von rechtlicher Bewertung und daher dem Beweis zugänglich ist. Ob der Täter diese besondere Sorgfalt im Einzelfall befolgt oder dagegen verstoßen hat, lässt sich durch eine Sondernorm indessen keinesfalls „antizipiert begutachten“. Für die Beurteilung, ob ein Verhalten hingegen objektiv sorgfaltspflichtwidrig im Sinne eines Fahrlässigkeitsdelikts war, kann allerdings durchaus auf die Sorgfaltsmaßstäbe normativ geprägter Sondernormen zurückgegriffen werden. Interessiert den Tatrichter etwa, was ein durchschnittlicher, besonnener Ausfuhrverantwortlicher in der konkreten Lage des Täters getan hätte oder hätte tun müssen, so bietet sich ein Blick in die konkret zum Ausfuhrverantwortlichen vorhandenen Sondernormen an. Ausgehend vom allgemeinen Sorgfaltspostulat ergänzt der Tatrichter den einschlägigen Sorgfaltsmaßstab nach seiner freien Überzeugung um die Sorgfaltsanforderungen der Ausfuhrbehörden. Beweisgegenstand von Sondernormen als antizipierte Sachverständigengutachten können also regelmäßig objektiv-abstrakte Verhaltensanforderungen sein. bb) Beweisverfahren Breuer geht nun für den Verwaltungsprozess davon aus, dass ein antizipiertes Sachverständigengutachten als „nichtförmliches Beweismittel ersten Anscheins“ in den Prozess eingebracht werden kann.397 Dies wirft die Frage auf, ob für den Strafprozess das Gleiche gelten kann. Zweifel bestehen bereits mit Blick auf den Anscheinsbeweis. Während dieser dem Zivilsowie dem Verwaltungsprozess immanent ist, genügt der bloße Anschein zur Beantwortung der Schuldfrage nicht den Prozessmaximen des Strafprozesses. Hier gilt in Bezug auf Tatsachen der Grundsatz der materiellen Wahrheit (§ 244 Abs. 2 StPO) sowie die Unschuldsvermutung (Art. 20 Abs. 3 GG, 6 Abs. 2 EMRK).398 Im Strafprozess besteht deshalb vielmehr die Differenzierung zwischen Streng- und Freibeweis. Nur auf Grundlage der durch Strengbeweis in einem förmlichen Verfahren ermittelten Tatsachen darf der Tatrichter über Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch des Angeklagten entscheiden.399 Der Katalog der Strengbeweismittel ist daher abschließend 396  Im Ergebnis auch Schünemann, FS Lackner, S. 367 (386 f.) („Dokumentation einer redlichen Praxis“). 397  Siehe den Nachweis in Teil 4, Fn. 351. 398  Ausführlich zum Ganzen Kraatz, Einfluss der Erfahrung, S. 115 ff. 399  BGH StV 2006, S. 118 (119); Bachler, in: BeckOK-StPO, § 244 Rn. 8; MeyerGoßner, in: ders./Schmitt, StPO, § 244 Rn. 6; Sättele, in: SSW-StPO, § 244 Rn. 13.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

normiert.400 Das Gesetz führt ausschließlich die vier Beweismittel, Zeuge (§§ 48  ff. StPO), Sachverständiger (§§ 72  ff. StPO), Augenschein (§§ 86 StPO) und Urkunde (§§ 249 ff. StPO), auf.401 Für den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch relevante Tatsachen auf anderem Wege zu ermitteln, ist unzulässig.402 Zwar besteht die Möglichkeit, Tatsachen durch nichtförmlichen sog. Freibeweis zu ermitteln, diese Umstände dürfen jedoch für den Schuldspruch sowie den Rechtsfolgenausspruch nicht unmittelbar von Bedeutung sein.403 Im Freibeweisverfahren werden daher alle übrigen für das Verfahren bedeutsamen Tatsachen, wie etwa das Vorliegen von Prozessvoraussetzungen, z. B. die Verlesbarkeit einer Urkunde404 oder die Erreichbarkeit eines Zeugen405, und das Bestehen von Beweisverwertungsverboten festgestellt.406 Dazu dürfen – im Gegensatz zum Strengbeweis – alle denkbaren Erkenntnisquellen herangezogen werden, ohne an den Grundsatz der Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit gebunden zu sein.407 Diese Unterscheidung ist dem Zivil- und Verwaltungsprozess aufgrund der dort nicht zu klärenden Schuldfrage sowie der fehlenden Unschuldsvermutung fremd.408 Will der Tatrichter nun den Sorgfaltsmaßstab einer Sondernorm als Beweismittel für die redliche Praxis in einem bestimmten Verkehrskreis heranziehen, wirkt sich dies zumindest noch nicht unmittelbar auf die Schuldfrage aus. Wie bereits dargelegt, muss der Tatrichter zusätzlich tatsächlich sowie rechtlich beurteilen, ob der betreffende Sorgfaltsmaßstab auch unverändert auf den Angeklagten anzuwenden ist und dieser im konkreten Fall dagegen verstoßen hat. Als denknotwendig vorgelagerte Tatfrage sind die Auswirkungen der Ermittlung des einschlägigen Sorgfaltsmaßstabs für den Schuldvorwurf aber immerhin mittelbar relevant. Überprüft der Tatrichter etwa den objektiven Fahrlässigkeitsvorwurf, so stellt der anzulegende Sorgfaltsmaßstab zwar keine 400  Bachler, in: Graf, StPO, § 244 Rn. 8; Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt, StPO, § 244 Rn. 5 f.; Sättele, in: SSW-StPO, § 244 Rn. 13. 401  Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 35. 402  Siehe BGH NStZ 1985, S. 468 (469); Sättele, in: SSW-StPO, § 244 Rn. 13. 403  Becker, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 6/1; § 244 Rn. 30; Sättele, in: SSWStPO, § 244 Rn. 17. 404  Siehe exemplarisch RGSt 38, S. 323 (324). 405  BGH NStZ 1993, S. 50. 406  BGH StV 2012, S. 3 (4); Bachler, in: BeckOK-StPO, § 244 Rn. 8; Krehl, in: KK-StPO, § 244 Rn. 12 f.; Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt, StPO, § 244 Rn. 7. 407  Bachler, in: Graf, StPO, § 244 Rn. 8; ders., in: BeckOK-StPO, § 244 Rn. 8; Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 36. 408  Siehe nur § 286 ZPO sowie § 26 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, der die förmlichen und nichtförmlichen Beweismittel des Verwaltungsverfahrens durch die Formulierung „insbesondere“ nicht abschließend normiert und damit hinsichtlich ihrer Beweisrichtung gleichbehandelt; dazu Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 21 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab345

Haupttatsache dar, die das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung bzw. der objektiven Vorhersehbarkeit unmittelbar ausfüllen kann, jedoch handelt es sich immerhin um eine Hilfstatsache, deren Vorliegen auf die objektive Fahrlässigkeit hindeuten kann.409 Dies wirft wiederum die Frage auf, ob es für die Abgrenzung von Streng- und Freibeweis von Relevanz ist, ob die zu beweisende Tatsache die Urteilsgrundlagen unmittelbar oder nur mittelbar beeinflusst. Da sich unmittelbar und mittelbar erhebliche Tatsachen allerdings häufig nicht klar trennen lassen, weil sie im Ergebnis in gleicher Weise die richterliche Überzeugungsbildung gemäß § 261 StPO beeinflussen können, spricht viel dafür, auch Hilfstatsachen bei mittelbarem Bezug zur Schuldfrage im Strengbeweisverfahren zu ermitteln.410 Andernfalls ließe sich jede Tatsache durch Freibeweis belegen, da sich an die Beweisermittlung immer noch die rechtliche Beweiswürdigung im Sinne des § 261 StPO als unmittelbarer Akt anschließt.411 Als nichtförmliche Beweismittel scheiden Sondernormen damit jedoch regelmäßig aus. Der Tatrichter müsste die Tatsache des einschlägigen Sorgfaltsmaßstabs vielmehr im Strengbeweisverfahren ermitteln. Dies setzte dann jedoch das formale Verfahren für den Sachverständigenbeweis nach §§ 72 ff. StPO vo­ raus.412 Den dortigen Anforderungen kann eine Sondernorm – ganz gleich welcher inhaltlichen Ausgestaltung – nicht gerecht werden. Für den formellen Sachverständigenbeweis ist gemäß § 73 Abs. 1 StPO beispielsweise die Auswahl und Bestellung des Sachverständigen durch den Tatrichter erforderlich. Eine Sondernorm lässt sich denknotwendig schon nicht wie eine natürliche Person auswählen oder bestellen. Der Tatrichter müsste vielmehr einen Sachverständigen bestellen, der wiederum die Sondernormen in sein Gutachten aufnimmt und bei seiner Tätigkeit, soweit erforderlich, der richterlichen Leitung im Sinne des § 78 StPO unterliegt.413 Zudem muss die gerichtliche Bestellung stets bezogen auf ein konkretes Verfahren zur Klärung einer konkreten Frage oder zu einem konkreten Beweisthema erfolgen.414 Sondernor409  Zur Abgrenzung von Haupt- und Hilfstatsachen Bachler, in: BeckOK-StPO, § 244 Rn. 3; Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 8 f. 410  So etwa BGH NJW 2000, S. 1204 (1205). 411  Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 35; vgl. auch Erb, ZStW 121 (2009), S. 882 (884). 412  Die Strengbeweismittel des Augenscheins sowie der Urkunde sind im Fall von Sondernormen nicht einschlägig, da es weder auf die sinnliche Wahrnehmung des Tatrichters noch auf Verlesung der Sondernorm ankommt, dazu im Einzelnen Volk/ Engländer, StPO, § 21 Rn. 33 ff. 413  Dies gilt freilich analog für die Vorschriften über die Ablehnung von Sachverständigen gemäß § 74 StPO. 414  Becker, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 6/1 § 244 Rn. 64; Frister, in: SKStPO, Bd. 4, § 244 Rn. 15; Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, § 244 Rn. 386; Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (849); Wolf, ZWH 2012, S. 125 (128).

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

men sind hingegen regelmäßig abstrakt-generell gefasst und für eine Vielzahl denkbarer Fälle für den betreffenden Verkehrskreis ausgestaltet. Sie entwickeln die über die konkrete Beurteilung hinausgehende Qualität einer generellen, prognostischen Entscheidung.415 Dies zeigt sich nicht nur an der als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ bezeichneten TA Luft, sondern auch an den Sondernormen, die den Ausfuhrverantwortlichen betreffen. Bei Letztgenannten handelt es sich um die abstrakte Kundgabe der Rechtsauffassung der Ausfuhrbehörden, die darüber hinaus keinerlei Aussage über den konkreten Einzelfall treffen. Vielmehr muss diese Verknüpfung, nämlich dass es sich bei der behördlichen Rechtsauffassung auch um die im Einzelfall beachtliche Best Practice im Außenwirtschaftsverkehr handelt, noch durch den Tatrichter selbst bzw. einen Sachverständigen für diesen hergestellt werden.416 Dies bedeutet indessen nicht, dass die Kenntnisdefizite hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs innerhalb der unternehmensinternen Exportkontrolle für den Tatrichter unüberwindbar sind. Vielmehr kann der Tatrichter den Sorgfaltsmaßstab auch ohne einen Sachverständigen durch selbstständige Lektüre der Sondernormen ermitteln.417 So hat etwa das LG Hamburg die Zuverlässigkeitsgrundsätze im Flinten-Fall zur Beurteilung der Sorgfaltspflichtverletzung der Ausfuhrverantwortlichen herangezogen, ohne die prozessuale Einordnung dieses Vorgangs gesondert zu thematisieren. Die vorliegende Untersuchung hat insbesondere gezeigt, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze keine komplexen naturwissenschaftlichen, technischen oder volkswirtschaftlichen Zusammenhänge widergeben, sondern die behördliche Konkretisierung von durch richterliche Rechtsfortbildung entwickelten Sorgfaltsanforderungen enthalten. Dem Tatrichter wird es demgemäß in der Regel möglich sein, sich den objektiven Sorgfaltsmaßstab des Ausfuhrverantwortlichen eigenständig zu erschließen. Es bedarf insoweit keines besonderen Expertenwissens. Unberührt bleibt in Zweifelsfällen freilich die Möglichkeit zur Bestellung eines Sachverständigen, der seine Aussage oder sein Gutachten jedoch seinerseits – Scholz, FS Juristische Gesellschaft Berlin, S. 691 (695). Bezug auf Sondernormen, die nicht von Behörden, sondern von privaten Interessenverbänden stammen, gelingt der Vergleich mit dem strafprozessualen Sachverständigenbeweis bereits deshalb nicht, weil Sachverständigengutachten unabhängig und neutral verfasst sein müssen, siehe nur die Ablehnungsmöglichkeit wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß §§ 74 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 1, 2 StPO, dazu Bosch, in: SSW-StPO, § 74 Rn. 3 ff.; Trück, in: MüKo-StPO, Bd. 1, § 74 Rn. 8 ff.; siehe auch Wolf, ZWH 2012, S. 125 (126). Mit einer entsprechenden Freiheit von sachfremden Parteiinteressen lässt sich in Bezug auf staatliche Gefahrabwehrbehörden noch argumentieren, bei zahlreichen privaten Normsetzern werden demgegenüber regelmäßig wirtschaftliche bzw. monetäre Interessen eine Rolle spielen, siehe dazu noch S.  354 f. 417  Vgl. Erb, ZStW 121 (2009), S. 882 (883); Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (849). 415  So 416  In



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab347

trotz seiner Unabhängigkeit – auf die entsprechenden einschlägigen Sondernorm stützen wird, soweit Letztgenannte die Best Practice des betreffenden Verkehrskreises widerspiegelt.418 Der Konstruktion des antizipierten Sachverständigengutachtens bedarf es daher zur Einordnung der prozessrecht­lichen Relevanz von Sondernormen genau genommen nicht.419 Anstatt die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen als förmliches Beweismittel in den Strafprozess einzuführen, können sie die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne des § 261 StPO bereits durch deren bloße Kenntnis des Richter beeinflussen. In diesem Fall müsste man mit Blick auf den Grundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie eine wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK) allerdings noch eine etwaige Hinweispflicht des Tatrichters in der Hauptverhandlung andenken, die insbesondere dem Angeklagten die Möglichkeit eröffnet, zum Inhalt der betreffenden Sondernorm Stellung zu nehmen.420 cc) Zwischenergebnis Prozessualer Beweisgegenstand von außerstrafrechtlichen Sondernormen kann grundsätzlich der objektive Sorgfaltsmaßstab des von ihnen betroffenen Verkehrskreises sein. Der von Breuer auf die TA Luft bezogene Vergleich mit einem „antizipierten Sachverständigengutachten“ lässt sich allerdings aufgrund der Anforderungen an das Strengbeweismittel des Sachverständigen im Sinne der §§ 72 ff. StPO nicht aus dem Verwaltungsprozess auf den Strafprozess übertragen. Unberührt bleibt hiervon die Möglichkeit des Tatrichters, sich den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab eines Verkehrskreises im Sinne einer Best Practice durch einen förmlich bestellten Sachverständigen vergegenwärtigen zu lassen, der wiederum seinerseits auf die einschlägigen Sondernormen zurückgreifen wird. Aufgrund des immerhin mittelbaren Bezugs zur Schuld- und Rechtsfolgenfrage des mutmaßlichen Täters verbietet sich allerdings die Einordnung von Sondernormen als nichtförmliche Freibeweismittel. Wenn Sondernormen mithin als selbstständige Beweismittel für den Strafprozess keine Rolle spielen, bleibt zu klären, welche Indizwirkung ihnen dann noch zukommen kann.

418  Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (848 f.) spricht insoweit von „mittelbarer Heranziehung“ der Sondernorm. 419  Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (849). 420  Siehe parallel die Hinweispflicht des Richters bei der Verwertung gerichtskundiger Tatsachen BGH StV 2012, S. 710.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

c) System der Beweiserleichterung Nach der wohl herrschenden Auffassung schaffen Sondernormen faktisch ein System der Beweiserleichterung für den Tatrichter.421 Die Indizwirkung von Sondernormen ermögliche Rückschlüsse auf konkrete Tatumstände, wie etwa den subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurf als Merkmal der Schuld.422 Sorgfaltsanforderungen in Sondernormen spielten vor allem dort eine Rolle, wo der Tatrichter die individuelle Erkennbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit des Täters hinsichtlich der Sondernorm und der in ihr enthaltenen Risiko- und Relevanzschwellen ermitteln müsse. Zwar dürfe aufgrund der Kenntnis einer Sondernorm nicht ohne Weiteres der Vorsatz des Täters hinsichtlich eines Sorgfaltspflichtverstoßes fingiert werden, jedoch lasse die Kenntnis des Täters von der Sondernorm den Schluss auf die Erkennbarkeit der Gefährlichkeit im Sinne einer tätereigenen Gefahrprognose seines Verhaltens zu.423 Denn die Sondernormen eines Verkehrskreises könnten fehlendem Wissen oder mangelhafter Erfahrung entgegenwirken und im Rahmen des subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs beachtliches Unvermögen entkräften.424 Dies soll besonders für gefahrenträchtige Verkehrskreise gelten, in denen von Sondernormen eine Warnfunktion ausgeht.425 So hebt etwa das OLG Karlsruhe hervor, dass sich der Transportfahrer für einen Militärpanzer, der sich über die für ihn geltenden Unfallverhütungsvorschriften für Fahrzeuge426 hinwegsetzt, abgesehen von außergewöhnlichen Kausalverläufen, in aller Regel nicht darauf berufen kann, dass für ihn ein durch die Verletzung der Vorschriften verursachter Unfall nicht vorhersehbar war.427 Das Zuwiderhandeln gegen derartige gesetzliche oder behördliche Vorschriften stelle ein Be421  Siehe RGSt 56, S. 343; 73, S. 370 (373); 76, S. 1; BGHSt 4, S. 182 (185); OLG Düsseldorf NJW 1993, S. 1408; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2000, S. 141; Bosch, Organisationsverschulden, S.  420 ff.; Mikus, Verhaltensnorm, S.  111 f.; Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 197 f.; Bohnert, JR 1982, S. 6 (10); ferner Nestler, JURA 2015, S. 562 (567). 422  Schroeder, in: LK-StGB, Bd. 111, § 16 Rn. 166; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 135; Bosch, Organisationsverschulden, S. 420; Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 197; Bohnert, JR 1982, S. 6 (10); Scherer/Fruth, CCZ 2015, S. 9 (14); Schröder, NStZ 2006, S. 669 (670); wohl auch Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 276 f. 423  BGHSt 4, S. 182 (185); Bosch, Organisationsverschulden, S. 423; SchürerMohr, Erlaubte Risiken, S. 198. 424  Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 191. 425  Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 198. 426  Konkret ging es um einen Verstoß gegen §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 4 BGV 12 („Berufsgenossenschaftliche Vorschrift für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ in der Fassung vom 01.01.1997, heute: BGV D 29). 427  OLG Karlsruhe NStZ-RR 2000, S. 141; dazu Esser/Keuten, NStZ 2011, S. 314 (318).



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab349

weisanzeichen für die individuelle Voraussehbarkeit des Erfolgs dar.428 Regelmäßig genüge daher der Nachweis der Kenntnis des Täters von der Sondernorm bzw. deren Inhalt, um auf die individuelle Erkennbarkeit des eigenen sorgfaltswidrigen oder sorgfaltsgemäßen Verhaltens schließen zu können.429 Dem Tatrichter werde durch Sondernormen hiernach indessen keinesfalls die Arbeit abgenommen430, sondern lediglich die richterliche Überzeugungsbildung gemäß § 261 StPO erleichtert. Anstatt selbst den für einen Verkehrskreis maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab aufzustellen, was aufgrund der Komplexität und Diversität zahlreicher Branchen schon nicht praktikabel wäre431, biete sich der Rückgriff auf bereits vorhandene Regelwerke an. Dies gelte insbesondere, wenn Letztgenannte von ausgewiesenen Experten stammten und dem Schutzzweck der in Rede stehenden Strafvorschrift entsprächen.432 Anstatt jedoch eine Vermutungsregel hinsichtlich der individuellen Vorhersehbarkeit bzw. Erkennbarkeit des Taterfolgs aufzustellen, untersteht die Wirkungsweise von Sondernormen auch nach dieser Auffassung dem Vorbehalt des atypischen Falls.433 Der Tatrichter werde aufgrund seiner Pflicht zur materiellen Wahrheitsfindung und der Unschuldsvermutung nicht davon entbunden, auch bei einer grundsätzlich einschlägigen Sondernorm die Besonderheiten des Einzelfalls zugunsten oder zulasten des Täters zu ermitteln und zu berücksichtigen.434 Nach dieser Auffassung haben Sondernormen also weder materiell- noch prozessrechtliche, sondern allenfalls eine faktische Bedeutung. Sie sind rein „gedankliches Spielmaterial“435 oder Orientierungshilfen436, die den Tatrichter faktisch bei seiner Entscheidungsfindung beeinflussen können. Dem ist zuzustimmen. In Anbetracht der bisherigen Untersuchungsergebnisse verbleibt für ein anderes Verständnis der „Indizwirkung“ von untergesetzlichen, normativ geprägten Sondernormen, wie den Zuverlässigkeitsgrundsätzen oder dem ICP-Merkblatt, kein Raum. Als Beweisregeln wären 428  OLG

Karlsruhe NStZ-RR 2000, S. 141; ähnlich BGHSt 4, S. 182 (185). Bosch, Organisationsverschulden, S. 423, 449. 430  Ähnliche Formulierung demgegenüber bei Fahl, JA 2012, S. 808 (810). 431  So schon Lenckner, FS Engisch, S. 490; vgl. hinsichtlich der Übertragung komplexer abfallrechtlicher Vorschriften auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 326 Abs. 1 StGB (Unerlaubter Umgang mit Abfällen) Schall, NStZ-RR 2006, S. 292 (297) mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; siehe aber auch die Vorschläge zur Ermittlung einer eigener Immissionshöchstgrenzwerte durch den Tatrichter (Nachweise in Teil 4, Fn. 212). 432  Zu diesen sowie weiteren Kriterien sogleich S. 352 ff. 433  Vgl. bereits S. 326 ff. 434  Bosch, Organisationsverschulden, S. 420 f.; Mikus, Verhaltensnorm, S. 111. 435  Schünemann, FS Lackner, S. 367 (386, 369). 436  Mikus, Verhaltensnorm, S.  111 f. 429  Dazu

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Sondernormen erneut prozessual verbindlich, was sie – neben den geäußerten strafprozessualen Bedenken – aus materiellrechtlicher Sicht zu Ausfüllungsvorschriften ohne entsprechenden Blankettverweis aufrücken ließe. Auch kommt den Sondernormen – zumindest im Strafprozess – regelmäßig nicht die Rolle eines beweisschaffenden „antizipierten Sachverständigengutachtens“ zu, denn dazu müsste die betreffende Sondernorm, so sie eine Rolle bei der Beantwortung der Schuld- und Rechtsfolgenfrage spielen soll, im Strengbeweisverfahren eingebracht werden. Es ist daher folgerichtig, die „Indizwirkung“ von Sondernormen analog zu ihrer Rolle im verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahren als rechtliche Unverbindlichkeit aufzufassen. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass untergesetzliche Sondernormen aus strafrechtlicher Perspektive in der Bedeutungslosigkeit versinken. Bedenkt man, dass ein Tatrichter für sein Sorgfaltspflichtwidrigkeitsurteil im Regelfall schon aus praktischen Erwägungen zuerst einen Blick auf die für den betroffenen Lebenssachverhalt bzw. die betroffene Branche existierenden Verhaltensregeln werfen wird, könnte deren faktische Erheblichkeit kaum größer sein.437 Auch außerrechtliche Sondernormen bringen nämlich Verhaltenserwartungen zum Ausdruck, die wie Sorgfaltspflichten in formellen Gesetzen im Rahmen ihres Regelungs- und Schutzbereichs die strafrechtliche Verhaltensnorm konkretisieren können.438 Sondernormen bilden mithin regelmäßig den Ausgangspunkt der Ermittlung und Beurteilung der Sorgfaltswidrigkeit bzw. -gemäßheit. Sie liefern dem Tatrichter einen ersten Anhaltspunkt, der zumindest auf Erkenntnisebene eine Antwort auf die Frage gibt, welcher Sorgfaltsmaßstab im betreffenden Verkehrskreis im Regelfall zugrunde zu legen ist.439 Die Beweiserleichterung beschränkt sich dabei allerdings bei Weitem nicht auf die individuelle Erkennbarkeit als Bestandteil des subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs als Teil der Schuld. Geht man etwa von der Identität der Sorgfalts- und Erkundigungspflichten im Rahmen des Fahrlässigkeitsvorwurfs und den Anforderungen an die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB aus440, so lässt die Kenntnis bzw. Erkennbarkeit der Sondernorm konsequent auch den Schluss auf die Vermeidbarkeit eines Verbots- bzw. Erlaubnisirrtums zu. Aber auch auf Tatbestandsebene dokumentieren Sondernormen für den Tatrichter das Maß der gebotenen Sorgfalt. Zwar treffen sie keinerlei Aussage darüber, ob der mutmaßliche Täter im konkreten Fall sorg437  Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 40; Große Vorholt, Behördliche Stellungnahmen, S. 107; vgl. auch Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S.  119 f. 438  So Mikus, Verhaltensnorm, S. 98; ähnlich Bosch, Organisationsverschulden, S. 417; Frisch, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 103. 439  Vgl. Landau, wistra 1999, S. 47 (51 f.). 440  Dazu S.  318 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab351

faltspflichtwidrig gehandelt hat; sie geben aber in unverbindlicher Weise an, welche Sorgfaltsanforderungen an das Verhalten von Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises gestellt werden. Die Beantwortung dieser Tatfrage ist wiederum die Grundlage für die Bestimmung der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung beim Fahrlässigkeitsdelikt sowie auch des Umfangs der konkreten Einstandspflicht beim Unterlassungsdelikt gemäß § 13 Abs. 1 Hs. 1 StGB. Hinsichtlich der Anforderungen an die objektive Sorgfalt wird im Rahmen des Fahrlässigkeitsvorwurfs auf die Maßfigur des betreffenden Verkehrskreises abgestellt.441 Ist der Täter eines Ausfuhrdelikts zugleich der Ausfuhrverantwortliche seines Unternehmens, drängt es sich geradezu auf, die Maßfigur als Vergleichsperson unter Zuhilfenahme der Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie des ICP-Merkblatts zu charakterisieren. Vergleichbares gilt für die Einstandspflicht im Rahmen der Unterlassungshaftung. Ursache für die Garantenstellung ist zwar die tatsächliche, freiwillige Übernahme eines Organi­ sations- bzw. Pflichtenkreises442, wurden die einzelnen Garantenpflichten jedoch nirgends konkret fixiert, liefern die Sondernormen einen ersten Anhaltspunkt für den typischen Pflichtenumfang eines Ausfuhrverantwort­lichen. Selbst wenn man also lediglich von der Indizwirkung von Sondernormen ausgeht, spielen diese für die Bewertung der Organisationsverantwortung eine Schlüsselrolle. d) Zwischenergebnis Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Vorschriften ein besonderes Pflichtenprogramm vorsehen. Dieses Pflichtenprogramm kann der Tatrichter bei der Auslegung der normativen Tatbestandsmerkmale der Ausfuhrdelikte sowie des Allgemeinen Teils des StGB berücksichtigen, muss dies jedoch keineswegs. Das gilt sowohl für den Fall, dass der Ausfuhrverantwortliche das besondere Pflichtenprogramm befolgt, als auch im Fall, dass er dagegen verstößt. Die Berücksichtigung der Sondernormen liegt dabei durchaus nahe, da sie unter materiell-strafrecht­ lichen Gesichtspunkten einen detaillierten ersten Anhaltspunkt hinsichtlich der Beurteilung von Sorgfaltspflichtverstößen durch den Ausfuhrverantwortlichen liefern. Die zum Ausfuhrverantwortlichen ergangenen Sondernormen dienen so der richterlichen Überzeugungsbildung gemäß § 261 StPO und erleichtern auf diesem Weg die Beweisführung. Gleichzeitig haben die Ausführungen verdeutlicht, dass die Berücksichtigung der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen mit Blick auf dessen besondere ausfuhrrechtliche Pflichtenstellung – wie vom LG Hamburg im 441  Siehe 442  Dazu

S.  314 ff. S.  229 ff.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Flinten-Fall festgestellt443 – tatsächlich strafbarkeitsbegründende bzw. -schärfende Wirkung haben können.444 Nicht verkannt werden soll dabei, dass Sondernormen damit zugleich spiegelbildlich die „Untergrenze der Strafbarkeit“445 bilden, indem sie im Fall ihrer Befolgung faktisch strafbarkeitsbegrenzende bzw. – wie im Rahmen der Strafzumessung gesehen – strafbarkeitsmildernde Wirkung entfalten können. Für einen gewissenhaften Ausfuhrverantwortlichen kann sich die Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabs der Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie des ICP-Merkblatts also durchaus positiv auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit auswirken. Im Folgenden muss daher geklärt werden, ob hinsichtlich der fakultativen Berücksichtigung von Sondernormen bestimmte Anforderungen bestehen, die der Tatrichter respektieren muss.

III. Berücksichtigung des besonderen Pflichtenprogramms Wie gezeigt, kann auch das „gedankliche Spielmaterial“ der Zuverlässigkeitsgrundsätze und des ICP-Merkblatts erhebliche strafrechtliche Konsequenzen für den Ausfuhrverantwortlichen nach sich ziehen. Obwohl ermittelt wurde, dass die genannten Sondernormen für den Tatrichter keinerlei recht­ liche Verbindlichkeit aufweisen, entscheidet deren Berücksichtigung dennoch faktisch über die Strafbarkeit und Straflosigkeit oder über die Höhe der Strafe. Aufgrund des derart weitreichenden Einflusses außerstrafrechtlicher Sondernormen auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit werden durch die Rechtsprechung und im Schrifttum seit jeher Versuche unternommen, die faktische Strafbarkeitsbegründung bzw. -schärfung an gewisse Voraussetzungen zu knüpfen. Betroffen ist hiervon der Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung gemäß § 261 StPO. Dass die Überzeugungsbildung des Tatrichters „frei“ ist, bedeutet zwar grundsätzlich, dass er keinen festen oder gesetzlich normierten Beweisregeln bei der Bildung seiner Überzeugung unterworfen ist.446 Die freie Überzeugungsbildung findet ihre Grenzen jedoch dort, wo etwa Beweisverwertungsverbote beachtet werden müssen oder ein objektiv-rationaler Unterbau sowie eine tragfähige Tatsachengrundlage fehlen.447 Der Tatrichter darf seine Befugnis vor allem nicht willkürlich aus443  Siehe

S.  266 ff. zur Strafbarkeitsbegründung durch Compliance-Vorschriften Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 39 ff., 85 ff. 445  Bosch, Organisationsverschulden, S. 446. 446  Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt, StPO, § 261 Rn. 2a; Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 45; Velten, in: SK-StPO, § 261 Rn. 24 ff. 447  BGH StV 2000, S. 67 (68); NStZ 2012, S. 381 (382); Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 45; Schluckebier, in: SSW-StPO, § 261 Rn. 15; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn.  491 ff. 444  Allgemein



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab353

üben und muss die Faktenbasis erschöpfend würdigen.448 Dies betrifft nicht nur die Berücksichtigung allgemeiner Regeln der Logik449 oder von Erfahrungssätzen450, sondern auch eine erschöpfende und lückenlose Würdigung aller förmlichen und nichtförmlichen Beweismittel.451 Insbesondere muss auch die Beweiskraft eines Indizes sowie dessen Belastungswahrscheinlichkeit im Sinne einer rational-objektiven Grundlage realistisch eingeschätzt werden.452 Gedenkt der Tatrichter mithin, eine außerstrafrechtliche Sondernorm als maßgebliche Quelle für den im konkret zu beurteilenden Fall einschlägigen Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen, so muss er sich mit Blick auf die Aussagekraft ihre inhaltliche Qualität sowie ihre sachliche Nähe zu dem zu beurteilenden Sachverhalt vergegenwärtigen. Im Folgenden werden die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen an den Kriterien gemessen, die sich diesbezüglich in der Rechtsprechung und im Schrifttum auffinden lassen. Diese Kriterien stellen keinen abschließenden Bewertungskatalog dar, sondern sind vielmehr Ergebnis der Auswertung unterschiedlicher Anforderungen, die an die Berücksichtigung von Sondernormen gestellt werden.453 Dabei überwiegt weder ein Kriterium das andere, noch schließt das Nichtvorliegen eines Kriteriums die Berücksichtigung einer Sondernorm kategorisch aus. Vielmehr sollen die genannten Kriterien in einer Gesamtschau eine gewisse Transparenz, Publizität und Repräsentanz der betreffenden Sondernorm schaffen, um das qualitative Gefälle zu formellen Gesetzen zumindest annähernd zu kompensieren.454 Im Folgenden werden fünf Kriterien auf die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen übertragen, um so deren Qualität als Beweis­ erleichterungssystem zu verifizieren: Die Sondernormen sollten von einem unabhängig agierenden, neutralen Gremium als Normsetzer erlassen worden 448  Vgl. BGH NStZ-RR 2018, S. 23; siehe auch Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 45; Velten, in: SK-StPO, § 261 Rn. 24; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 493. 449  Strate, in: MAH Strafverteidigung, § 27 Rn. 17 ff.; Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 46; Fezer, StV 1995, S. 95 (96). 450  Dazu bereits S. 339 ff. 451  BVerfG StV 2003, S. 593; Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 49; Schluckebier, in: SSW-StPO, § 261 Rn. 16; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 493. 452  Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt, StPO, § 244 Rn. 2a; Velten, in: SK-StPO, Bd. 5, § 261 Rn. 24; Fezer, StV 1995, S. 95 (97). 453  Siehe insbesondere die Kriterien bei BGH NStZ 2017, S. 701 ff.; Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 221; Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 19; Bock, Criminal Compliance, S.  540 ff.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 449 ff.; Landau, wistra 1999, S. 47 (51); Schünemann, FS Lackner, S. 367 (372 ff.); siehe ferner die Nachweise innerhalb der einzelnen Kriterien. 454  Vgl. Bosch, Organisationsverschulden, S. 454.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

sein (1.), einen erheblichen Sachverstand sowie den aktuellen Stand in Wissenschaft und Technik im Sinne einer Best Practice widerspiegeln (2.) und einen hohen Verbreitungsgrad aufweisen (3.). Als gewichtiges Kriterium wird zudem sowohl von der Rechtsprechung als auch im Schrifttum die Schutzzweckidentität von Sondernorm und Strafnorm angeführt, die es rechtfertige, auch untergesetzliche Vorschriften bei der Tatbestandsauslegung zu berücksichtigen (4.). Schließlich scheint auch die Verfassungsmäßigkeit von Sondernormen eine Rolle für den Tatrichter zu spielen (5.). 1. Neutralität des Normsetzers Stammen Sondernormen von privaten Verbänden, besteht die Gefahr, dass durch deren Berücksichtigung strafrechtsfremde Parteiinteressen Eingang in die Judikatur finden.455 Mit den beispielsweise von bedeutenden, teilweise internationalen Industrie- und Wirtschaftsverbänden herausgegebenen, äußerst umfangreichen Compliance-Standards, wie z. B. DIN ISO 19600, ISO 37001 oder IDW PS 980, werden bei Weitem nicht nur die hehren Ziele der Vereinfachung und Vereinheitlichung von Management-Anforderungen verfolgt. Mit dem Vertrieb von entsprechend kommentierter Compliance-Literatur, dem reichen Angebot an Compliance-Seminaren sowie der auf diesen Zug aufspringenden Beratungspraxis ist zusätzlich ein eigener Beschäftigungszweig herangewachsen.456 Detailliertere sowie strengere Anforderungen in Compliance-Regelwerken erhöhen den von Unternehmen zu betreibenden Umsetzungsaufwand und wecken Begehrlichkeiten nach entsprechender rechtlicher Schulung, Beratung und der Schaffung speziell mit dem Compliance-Thema befasster Stellen. Angesichts der gegenwärtig vorhandenen Regelungsdichte zeigt sich durchaus das Bild einer von teilweise monetären Motiven geleiteten Übernormierung.457 Der Tatrichter steht bei der 455  Kritisch daher Schünemann, FS Lackner, S. 367 (372 ff.); ders., GS Meurer, S. 37 (61); siehe auch Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 19; Bock, Criminal Compliance, S.  540 f.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 449. 456  Siehe Bock, Criminal Compliance, S. 540 f., der insbesondere auf die zahlreichen Compliance-Zertifizierungsmöglichkeiten für Unternehmen hinweist. 457  Siehe etwa Sünner, CCZ 2015, S. 2 ff.; gerade durch das dem reformierten Korruptionsstrafrecht im Wirtschaftssektor zugrundeliegende Geschäftsherrenmodel in § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB wird eine Übernormierung durch Compliance-Vorschriften befürchtet, siehe Heuking/von Coelln, BB 2016, S. 323 (325 ff.); Hoven, NStZ 2013, S. 553 (556 f.); Wolfram/Peukert, NZWiSt 2017, S. 208 (209 ff.); zuvor bereits Rönnau/Golombek, ZRP 2007, S. 193 (194); zum Ganzen eingehend auch Zimmermann, Strafbarkeitsrisiken, S. 255 ff. Siehe hinsichtlich der parallelen Debatte zur Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB) Geiger, CCZ 2016, S. 172 (177 f.); Krüger, NZWiSt 2017, S. 129 (134 ff.); Nestler, GesR 2016, S.  70 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab355

Bestimmung von Verhaltensanforderungen daher vor der Aufgabe, entsprechende Sorgfaltsmaßstäbe nicht unbesehen auf den zu beurteilenden Fall zu übertragen, sondern sich die Herkunft der Sondernorm – insbesondere die Motivation ihres Normsetzers – kritisch zu hinterfragen.458 Anders könnte es liegen, wenn die Urheber der Sondernorm, wie im Fall der hier gegenständlichen Zuverlässigkeitsgrundsätze und des ICP-Merkblatts, keine privaten Interessenverbände, sondern zur Gefahrenabwehr berufene staatliche Behörden sind. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze gehen zurück auf die Bundesregierung, das ICP-Merkblatt stammt vom BAFA. Zusammen fungieren diese Stellen als die nach dem AWG bzw. der AWV, dem KWKG und der Dual-Use-VO zuständigen Ausfuhrbehörden. Angehörige von Behörden sind bei der Amtsführung an Recht und Gesetz gebunden und bei ihren Entscheidungen zur staatlichen Neutralität und Sachlichkeit verpflichtet.459 Dies gilt sowohl für die exekutivische Außen- und Innenrechtssetzung als auch für informelles Verwaltungshandeln.460 Handlungsleitend muss aufgrund des Gesetzesvorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) stets die durch das Gesetz zugewiesene Aufgabenerfüllung sein. Entscheidungserhebliche Eigeninteressen dürfen keine Rolle spielen, weshalb Behörden – zumindest in der Theorie – in keinerlei wirtschaftlichen oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zum Kontrollierten stehen.461 Bei den zur Gefahrenabwehr eingesetzten Behörden ist dies der mit dem einschlägigen Gefahrenabwehrrecht bezweckte Rechtsgüterschutz. Überträgt man dies wiederum auf die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen, spricht mit Blick auf die staatliche Neutralität der Normsetzer, Bundesregierung und BAFA, grundsätzlich nichts gegen die Berücksichtigung durch den Tatrichter. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze wurden als unmittelbare Reaktion auf die Ausfuhrskandale der ausgehenden 1980er Jahre erlassen. Bereits durch die Präambel der Zuverlässigkeitsgrundsätze wird klargestellt, dass sie dem Rechtsgüterschutz dienen. Ob sich die dortigen Rechtsgüter im Einzelnen mit den Schutzkonzept der Ausfuhrdelikte decken, wird sogleich noch zu erörtern sein. Jedenfalls dienen die Zuverlässigkeits458  Landau,

wistra 1999, S. 47 (51). BVerfG NVwZ-RR 2014, S. 538; NVwZ 2015, S. 209; NJW 2015, S. 1359, NJW 2018, S. 928; OVG Münster NVwZ 2017, S. 1316; siehe zudem Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 215; Barbirz, Institutionelle Befangenheit, S. 39 ff.; Bock, Criminal Compliance, S. 544; Barczak, NVwZ 2015, S. 1014 (1015); Ferreau, NVwZ 2017, S. 1259 ff.; von Schwanenflug/Szczerbak, NVwZ 2018, S. 441 (443). 460  Kritisch daher hinsichtlich der internen Verwaltungsvorschrift der sog. Kreuzpflicht in bayerischen Behörden jüngst Friedrich, NVwZ 2018, S. 1007 ff. 461  Dazu Bock, Criminal Compliance, S. 544 m. w. Nachw.; siehe aber Barbirz, Institutionelle Befangenheit, S. 24 ff.; speziell zum Phänomen der Korruption im Außenwirtschaftsverkehr ferner Prieß/Thoms, BB 2010, S. 2127 ff. 459  Siehe

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

grundsätze aber keinen dem staatlichen Neutralitätsgebot widerstreitenden Individualinteressen, wie dies gegebenenfalls bei bestimmten privaten Compliance-Katalogen der Fall sein kann. Entsprechendes gilt für das ICP-Merkblatt, das als Kundgabe der Rechtsauffassung des BAFA zu Umfang und Reichweite der einzelnen Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen ebenfalls ausschließlich zur Gefahrenabwehr im objektiven Interesse der Allgemeinheit herausgegeben wird. 2. Ausdruck besonderen Sachverstands und hohe Richtigkeitsgewähr Ein verbreitet genanntes Argument für die Berücksichtigung von Sondernormen betrifft deren inhaltlich-fachliche Qualität. Entscheidend für die Berücksichtigung einer Sondernorm für den Tatrichter sei die Regelaufstellung unter fachkundiger Mitwirkung der beteiligten Interessenverbände und der Öffentlichkeit, die für eine hohe Richtigkeitsgewähr bürgten.462 Je detaillierter und aktueller die Sondernorm, desto mehr Zurückhaltung sei für den Tatrichter beim Anstellen selbstständiger Erwägungen geboten.463 Anders liege der Fall, wenn die Sondernorm veraltet ist oder auf einer Fehleinschätzung des Normsetzers beruht.464 Im sog. Transplantationsskandal-Fall465 stellte der BGH etwa fest, dass die von dem angeklagten Arzt zulasten einiger Pa­ tienten missachteten Richtlinien der Bundesärztekammer zur Organtransplantation gemäß § 16 TPG466 (RL-BÄK) bereits deshalb nicht strafbarkeitsbegründend wirken können, weil aus medizinischer Sicht Zweifel bestünden, dass die in den RL-BÄK vorgesehene Abstinenzzeit von mindestens sechs Monaten als Voraussetzung für die Wartelistenpositionierung eine wesent­ liche Verminderung der Rückfallgefahr zum Alkoholkonsum und damit eine signifikante Steigerung der Erfolgschancen der Lebertransplantation zu be462  Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 221; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, § 43 Rn. 55; Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 19; Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 162; Schünemann, FS Lackner, S. 367 (389); Landau, wistra 1999, S. 47 (51); Schroth, NStZ 1996, S. 547 (548 f.); ähnlich auch Kuhlen, Produkthaftung, S. 108; speziell zur Qualität medizinischer Richtlinien Stadt Medizinische Richt- und Leitlinien, S. 208 ff. 463  Vogel, in: LK-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 221; Schroth, NStZ 1996, S. 547 (548 f.). 464  Schünemann, FS Lackner, S. 367 (389); vgl. auch Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 164. 465  BGH NStZ 2017, S. 701 ff. 466  Konkret: Ziff. II 2.1 Satz 1 RL-BÄK a. F. („Regeln zur Aufnahme in die Warteliste zur Organvermittlung“ in der Fassung vom 18.12.2009); siehe nunmehr Ziff. III 2.1. Satz 1 RL-BÄK n. F. vom 24.03.2017 („Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Lebertransplantation“), abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/ user_upload/downloads/pdf-Ordner/RL/RiliOrgaWlOvLeberTx20170616.pdf.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab357

wirken geeignet ist.467 Bei den RL-BÄK handelte es sich ebenfalls um im Rang unter dem förmlichen Gesetz stehende Vorschriften, die die originär als privatrechtlicher Verein verfasste BÄK als gemäß § 16 Abs. 1 TPG öffentlich-rechtlich Beliehene erlassen hat.468 Der BGH lies die RL-BÄK daher unangewendet.469 Das Kriterium des besonderen Sachverstands und der hohen Richtigkeitsgewähr lässt sich allerdings nicht unbesehen auf die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen anwenden, da es sich bei diesen, wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, nicht um Vorschriften handelt, die beweisbare (Natur-)Gesetzmäßigkeiten, aktuelle medizinische Erkenntnisse oder strikte technische Regeln enthalten.470 Vielmehr sind die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen von normativer Prägung. Als Kundgabe einer behördlichen Rechtsauffassung lassen sie sich von vornherein allenfalls auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüfen.471 Sie dienen insbesondere der Konturierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zuverlässigkeit gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, der grundsätzlich eine einzelfallbezogene Gefahrenprognose erforderlich macht. Die Sondernormen enthalten damit aber gerade keine statische Definition der ausfuhrrechtlichen Zuverlässigkeit, sondern eine Vielzahl unbestimmter Rechts- und Pflichtenbegriffe, die ihrerseits noch durch den Normanwender ausgelegt werden müssen. In diesem Zusammenhang betont gerade das ICPMerkblatt den kasuistischen Charakter der Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen, die insbesondere anhand der Unternehmensgröße, der Art der auszuführenden Güter und des Exportumfang bestimmt werden. Die Ausfuhrbehörden erheben in den Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen damit schon keinen Anspruch auf „Richtigkeit“ im Sinne von Vollständigkeit oder Gesetzmäßigkeit. Auch haben die Ausfuhrbehörden sich beim Aufstellen der Regeln maßgelblich an der Rechtsprechung zu § 130 OWiG und den Empfehlungen der Europäischen Kommission zur Zertifizierung von Unternehmen nach der Verteidigungsgüter-RL orientiert. Es kam im Vorfeld des jeweiligen Erlasses ferner zu keiner formellen fachkundigen Mitwirkung von 467  BGH

NStZ 2017, S. 701 (704). NStZ 2017, S. 701 (703); Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Onduncu, TPG, § 16 Rn. 2; Streng-Baunemann, FS Streng, S. 767 (778); Dannecker/ Streng-Baunemann, NStZ 2014, S. 673 (678); siehe auch Schroth/Hofmann, FS Kargl, S. 526 (542); zur unklaren Rechtsnatur der RL-BÄK Staudt, Medizinische Richt- und Leitlinien, S.  137 ff.; Taupitz, NJW 2003, S. 1145 (1147 ff.). 469  Darüber hinaus erklärte der BGH die RL-BÄK insoweit für verfassungswidrig, siehe dazu nachfolgend S. 393 f. 470  Siehe zu den Anforderungen an Regeln der ärztlichen Kunst Staudt, Medizinische Richt- und Leitlinien, S. 191 ff. m. w. Nachw. 471  Siehe dazu noch S. 393 ff. 468  BGH

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Interessenverbänden oder gar der Beteiligung der Öffentlichkeit auf behördliche Initiative, wie dies etwa vor Erlass der TA Luft der Fall war472 oder wie es jüngst durch die Koordinierungsgruppe der EU-Kommission hinsichtlich des EU Guidance on Internal Compliance Programme473 durchgeführt wurde. Dies bedeutet indessen keineswegs, dass die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen nicht von einem erheblichen Sachverstand zeugen. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt formulieren einen Mindeststandard hinsichtlich der Sorgfaltspflichten von ausführenden Unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortlichen. Dieser Mindeststandard wird gegenüber den von Gesetzgeber, Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannten Inhaberpflichten im Sinne des § 130 OWiG einzelfallunabhängig deutlich spürbar angehoben. Er basiert daher nicht nur auf der Rezeption externer Compliance-Standards, sondern kann als Auswertungsergebnis längerfristiger Gefahrprognosen und Außenwirtschafts- bzw. Zuverlässigkeitsprüfungen der Ausfuhrbehörden innerhalb deren Genehmigungspraxis angesehen werden. So begründen die Ausfuhrbehörden beispielsweise die Notwendigkeit zur Bestellung eines Ausfuhrverantwortlichen mit den Zurechnungsschwierigkeiten in Unternehmen im Fall von Ausfuhrverstößen.474 Der gesteigerte Organisations- und Dokumentationsaufwand des Ausfuhrverantwortlichen korrespondiert mit der Komplexität von Ausfuhrvorgängen, die von den Ausfuhrbehörden häufig nur unter Schwierigkeiten nachvollzogen werden können. Auch müssen Mitarbeiter, die bei der Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter eingesetzt werden, aufgrund der Komplexität und Dynamik des Außenwirtschaftsrechts und der enormen Bedeutung der dort genannten Schutzgüter für das Allgemeinwohl nach strengeren Kriterien ausgewählt, angeleitet, kontinuierlich informiert und regelmäßig überwacht werden.475 Insbesondere detaillierte Leitfäden mit Handlungsbeschreibungen und Prüfschritten, wie das vom Ausfuhrverantwortlichen zu erarbeitende und an seine Mitarbeiter herauszugebende Prozesshandbuch, gelten verkehrskreisunabhängig als sachgerechtes Mittel einer ordnungsgemäßen Betriebsorganisation zur Vermeidung von Arbeitsfehlern und darauf beruhenden Rechtsverstößen.476 472  Siehe

S.  63 f. dazu S. 63 ff. 474  Vgl. Raum auf dem 12. Exportkontrolltag, zusammengefasst von Hötzl/Klöhn, AW-Prax 2018, S. 240 (242). 475  Vgl. die Voraussetzungen für eine gesteigerte Sorgfalt im Rahmen des § 130 OWiG, dazu S. 294 f. 476  Siehe etwa zum Kartellrecht Kapp/Hummel, CCZ 2013, S. 247 (246 f.); zum aktienrechtlichen Aufsichtsrat Siepelt/Pütz, CCZ 2018, S. 78  ff.; allgemein auch Moosmayer, Compliance, Rn. 210 ff. 473  Siehe



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab359

Die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen verkörpern damit zwar noch keinen „geballten Sachverstand“477, ohne dessen Zuhilfenahme der Tatrichter aus eigener Kraft keine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Sie zeigen aber einen branchenspezifischen „state of the art“478 auf, der aufgrund der Sachnähe und Erfahrung der Ausfuhrbehörden bei der Gefahrenabwehr einen fachgerechten Referenzrahmen sowohl für Private als auch für Gerichte liefern kann.479 Diesbezüglich geht man beim BAFA davon aus, dass das ICP-Merkblatt gerade auch für die Wirtschaftsbeteiligten bestimmt ist, die bisher nur wenig Erfahrung im Bereich Export-Compliance sammeln konnten.480 Dies verdeutlicht die praktische Notwendigkeit der Vermittlung behördlichen Sachverstands hinsichtlich der mitunter alles andere als trivialen Anforderungen an die innerbetriebliche Exportkontrolle.481 Schließlich zeigt auch das von der Koordinierungsgruppe der EU-Kommission eingeleitete Konsultationsverfahren zur Erarbeitung EU-allgemeiner ICP-Standards, bei dem private Ausfuhrunternehmen aufgefordert wurden, in Fragebögen bestimmte ICP-Kriterien auf ihre Nützlichkeit einzuschätzen, dass die Formulierung von Compliance-Standards durchaus mit erheblichem Aufwand verbunden sein kann.482 In diesem Zusammenhang verbleibt noch, darauf hinzuweisen, dass zumindest einzelfallbezogenen informellen behördlichen Risikoeinschätzungen und Warnungen mit Blick auf deren Inhalt überwiegend eine sorgfaltskonkretisierende Rolle für das Strafrecht abgesprochen wird.483 Als Leitentscheidung dient der Holzschutzmittel-Fall484, der die Unbedenklichkeitserklärung des Bundesgesundheitsamts (BGA) gegenüber dem Hersteller eines Holzschutzmittels zum Gegenstand hatte. Infolge des Bekanntwerdens von Gesundheitsschädigungen im Zusammenhang mit der Verwendung eines Holzschutzmittels bei Verbrauchern wandte sich der Hersteller des Holzschutzmittels an das BGA, das weder eine Warnaktion noch einen Produktrückruf empfahl oder solche Maßnahmen anordnete. Der BGH ließ die Ausführungen 477  Ähnlich Schünemann, FS Rudolphi, S. 297 (305) in Bezug auf DIN- und VDI-Normen. 478  Raum auf dem 12. Exportkontrolltag, zusammengefasst von Hötzl/Klöhn, AWPrax 2018, S. 240 (242). 479  Makowicz auf dem 12. Exportkontrolltag, zusammengefasst von Hötzl/Klöhn, AW-Prax 2018, S. 240 (242). 480  Beutel auf dem 12. Exportkontrolltag, zusammengefasst von Hötzl/Klöhn, AW-Prax 2018, S. 240 (251). 481  Siehe dazu ferner den Praxisbericht von Herkert, AW-Prax 1999, S. 415 ff. 482  Zum Ganzen bereits S. 63 ff. 483  Im Einzelnen Große-Vorholt, Behördliche Stellungnahmen, S.  47  ff.; siehe auch Schmidt-Salzer, NJW 1990, S. 2966 ff. 484  BGH NStZ 1995, S. 590 ff.; siehe auch Teil 3, Fn. 624.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

der Vorinstanz, des LG Frankfurt a. M., unbeanstandet, der Hersteller könne sich zu seiner Entlastung – z. B. mit Blick die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums – nicht auf die Zurückhaltung der Behörde berufen.485 In Fortführung der Rechtsprechung des BGH im Lederspray-Fall stellt das LG Frankfurt a. M. fest, dass der Hersteller von potentiell gefährlichen Produkten die größere Nähe und praktische Erfahrung im Umgang aufweisen.486 Tatsächlich werden private Wirtschaftsakteure, die mit gefährlichen Produkten umgehen, zumeist eine Art „Kompetenzvorsprung“487 vor den zuständigen Gefahrenabwehrbehörden aufweisen. Im betreffenden Unternehmen wird das Produktions- und Fertigungswissen regelmäßig am größten sein.488 Anders verhält es sich jedoch bei der Kundgabe einer abstrakt-generellen Rechtsauffassung einer Behörde, die – wie im Fall der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen – unter anderem auf den längerfristigen Einschätzungen und Erfahrungen im Zusammenhang mit einer Vielzahl von Prognose- und Genehmigungsentscheidungen beruht. Im Gegensatz zu der Frage nach der potentiell gesundheitsgefährdenden physischchemischen Zusammensetzung eines konkreten Produkts, liegt bei der Formulierung abstrakt-genereller Verhaltenspflichten zur Schaffung eines unternehmensübergreifenden Mindeststandards nicht zwingend ein entsprechendes Kompetenzgefälle zwischen Unternehmen und Behörde vor. Vielmehr kann, wie soeben gezeigt, der Sachverstand zur Formulierung allgemeiner Mindestanforderungen auch bei der Behörde liegen. Die Rechtsprechung zum Holzschutzmittel-Fall kann daher nicht ohne Weiteres auf das Kooperationsverhältnis der Exportunternehmen zu den Ausfuhrbehörden übertragen werden. 3. Hoher Verbreitungsgrad und Vertrauensschutz Für die Berücksichtigung abstrakt-genereller Sondernormen durch den Tatrichter kann zusätzlich ihr hoher Verbreitungsgrad sprechen.489 Mit dem Verbreitungsgrad ist weniger die faktische Bekanntheit einer Sondernorm in der Bevölkerung gemeint, als vielmehr deren praktische Bedeutung für den von ihr adressierten Verkehrskreis. Spiegelt eine Sondernorm den State of the 485  LG

Frankfurt a. M. vom 25.05.1993 – 5/26 Kls 65 Js 8793/84, S. 346 f. Frankfurt a. M. vom 25.05.1993 – 5/26 Kls 65 Js 8793/84, S. 342; siehe auch BGH NStZ 1990, S. 587 (591). 487  Große-Vorholt, Behördliche Stellungnahmen, S. 48. 488  Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I, Rn. 1.374 der insbesondere anführt, dass sich Hersteller vor der Freigabe nicht blind auf Klassifikationsgesellschaften, wie etwa den TÜV oder ähnliche Prüfinstanzen, verlassen dürfen. 489  Mikus, Verhaltensnorm, S.  101 ff.; Landau, wistra 1999, S. 47 (52); vgl. auch Frisch, Verhalten, S.  106 ff. 486  LG



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab361

Art bzw. die Best Practice einer Branche wider, verhalten sich deren Angehörige regelmäßig dementsprechend, um einerseits wirtschaftlich konkurrenzfähig und andererseits rechtlich unbeanstandet zu bleiben. Dies gilt in besonderem Maß für gefahrgeneigte Tätigkeiten, für die zahlreiche Sondernormen existieren und die bei Rechtsverstößen mit straf- oder bußgeldrechtlichen Sanktionen bewehrt sind. Kommen die Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises tagtäglich mit einer bestimmten Sondernorm in Berührung, so handeln sie in der Regel im Vertrauen darauf, dass deren Befolgung sorgfaltsgemäßem und damit dem erlaubten Risiko entspricht.490 Fraglich ist lediglich, ob dieses Vertrauen aus strafrechtlicher Perspektive schützenswert ist. Daran lässt sich im Fall von privat gesetzten Sondernormen zweifeln, weil diese durch kein Legislativ- oder Exekutivorgan in einem formell ordnungsgemäßen Verfahren erlassen wurden und gegebenenfalls nicht dem Schutz eines strafrechtlich abgesicherten Rechtsguts dienen.491 Stammen die Sondernormen hingegen von staatlichen Normsetzern, wird grundsätzlich ein hoheitlich mitverantworteter Vertrauenstatbestand geschaffen.492 Dies liegt zum einen an der von staatlichen Stellen erwarteten neu­ tralen Beobachterposition und nicht unerheblichen Sachkompetenz.493 Stellt eine Behörde zum anderen beispielsweise abstrakte Verhaltensanforderungen hinsichtlich des Erhalts von begünstigenden Verwaltungsakten, wie etwa Subventionen oder Genehmigungen, auf, kann bei den Antragstellern nur der Eindruck entstehen, dass sie sich jedenfalls dann rechtmäßig verhalten, wenn sie die entsprechenden Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen.494 Insbesondere muss grundsätzlich kein zusätzlicher Rechtsrat, etwa von weiteren staatlichen Stellen, eingeholt werden.495 Der Unterschied zu den soeben im 490  Bock, Criminal Compliance, S. 540; Kuhlen, Produkthaftung, S. 106; Bringewat, ZStW 84 (1972), S. 585 (602). 491  Mikus, Verhaltensnorm, S. 103. Diese Betrachtung unterstellt freilich, dass lediglich eine abschließende Reihe von Rechtsgütern als so wichtig angesehen wird, dass sie unter den Schutz des Strafrechts gestellt sind (sog. Rechtsgutstheorie); dazu BVerfG NJW 2008, S. 1137 (1138); Weigend, in: LK-StGB, Bd. 1, Einleitung Rn. 7; Amelung, Rechtsgüterschutz, S.  15 ff.; Hefendehl, in: ders./Hirsch/Wohlers, Rechtsgutstheorie, S.  119 ff.; Kudlich, ZStW 127 (2015), S. 635 ff.; Romano, FS Roxin/II, S. 155 ff.; am Beispiel umweltstrafrechtlicher Normen auch Wohlers, Deliktstypen, S. 127 ff. 492  BGH NStZ 2000, S. 364 f.; BayObLG, GA 1966, S. 182 (183); Bock, Criminal Compliance, S.  543 ff.; ders., wistra 2011, S. 201 ff., unter Betonung der Schaffung von Rechtssicherheit; Mikus, Verhaltensnorm, S. 101; ferner Bosch, Organisationsverschulden, S. 450; Schroth, NStZ 1996, S. 547 (549). 493  Bock, Criminal Compliance, S. 545; siehe zudem soeben S. 354 ff. 494  Siehe auch Kuhlen, Produkthaftung, S. 106. 495  BGH NStZ 2000, S. 364; Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 17 Rn. 66; siehe auch Neumann, in: NK-StGB, § 17 Rn. 66; zu den Auswirkungen von Sondernormen auf die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB bereits S. 318 ff.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Zusammenhang mit dem Holzschutzmittel-Fall angesprochenen behördlichen Warnungen oder Unbedenklichkeitserklärungen besteht darin, dass Letztgenannte einzelfallbezogen erfolgen, während abstrakt-generelle Rechtsauffassungen in Sondernormen eine Risikobewertung für eine Vielzahl von Fällen enthalten. Behörden binden sich durch eine entsprechende Verwaltungspraxis in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG selbst.496 Insbesondere wird zumeist niemand damit rechnen, den Tatbestand einer Straf- oder Bußgeldnorm zu erfüllen, wenn er sich an die abstrakt-generellen Regeln einer zuständigen Behörde hält.497 Hinter dem Kriterium des Verbreitungsgrads bzw. des Vertrauensschutzes steht damit genau genommen das Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG498, das auch für ein Gericht bei der richterlichen Rechtsfortbildung zu beachten499 ist. Danach muss für den Einzelnen absehbar sein, welches Verhalten strafbar ist, und welches Verhalten sich noch im Rahmen des erlaubten Risiko bewegt, damit er sein Verhalten entsprechend ausrichten kann.500 Dieser dem Bestimmtheitsgebot innewohnende Aspekt eines schützenswerten Vertrauens auf die rechtliche Unbedenklichkeit der verbreitet anerkannten sowie insbesondere auch durch Behörden angewandten Sondernorm kann den Tatrichter zwar nicht rechtlich verpflichten, die Sondernorm auch als strafrechtliche Verhaltenserwartung anzusehen, jedoch spricht unter Bestimmtheitserwägungen viel für deren faktische Berücksichtigung.501 Gerade im Bereich der offen formulierten Fahrlässigkeitsdelikte kann durch die Berücksichtigung von Sondernormen ein größeres Maß an Rechtssicherheit geschaffen werden, als durch das allgemeine Abstellen auf eine unbestimmte Maßfigur.502 496  Siehe

S.  47 ff. soll der Fall allerdings liegen, wenn betreffende die Behörde unzuständig ist, siehe BGH NStZ 2000, S. 364 f. 498  Siehe auch Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (217). 499  BVerfG NJW 2009, S. 1469 (1472); BGH NJW 1997, S. 138 (140); NStZ 2014, S. 392; Krey, ZStW 101 (1989), S. 838 (840, 852 f.); zur allgemeinen Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung instruktiv BVerfG NJW 1973, S. 1221 (1225); zu deren Reichweite und Grenzen im Strafrecht ferner Bringewat, ZStW 84 (1972), S.  585 ff.; Kempf/Schilling, NJW 2012, S. 1849 ff.; instruktiv auch Meier/Jocham, JuS 2016, S.  392 ff. 500  BVerfGE 75, S. 329 (341); NJW 1989, S. 1663; NJW 2010, S. 3209 (3210); NJW 2016, S. 3650 (3648). 501  So auch Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, §  15 Rn. 135; Bock, Criminal Compliance, S. 545 f.; Mikus, Verhaltensnorm, S.  101 ff.; weitergehender noch Schroth, NStZ 1996, S. 547 (549): „Dies bedeutet aber, daß Strafgerichte sich mit den Regeln […] auseinandersetzen müssen“; a. A. Duttge, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 15 Rn. 140, der von der Irrelevanz von Sondernormen für den Tatrichter ausgeht; zur diesbezüglichen Kritik siehe allerdings bereits S. 329 f. 497  Anders



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab363

Hinsichtlich des vertrauensschaffenden Verbreitungsgrades der Sonder­ nomen zum Ausfuhrverantwortlichen muss zwischen den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und dem ICP-Merkblatt differenziert werden. Legt man als zu betrachtenden Verkehrskreis alle deutschen Geschäftsleitungsmitglieder fest, die für ihr Unternehmen gelistete Güter im Sinne von Nr. 1 der Zuverlässigkeitsgrundsätze ausführen wollen, so werden diese – soll das Ausfuhrgenehmigungsrecht gewahrt bleiben – früher oder später zwangsläufig von der faktischen Außenwirkung der Zuverlässigkeitsgrundsätze betroffen sein. Obwohl die Zuverlässigkeitsgrundsätze, wie gezeigt, keine unmittelbar recht­ liche Außenwirkung für Verwaltungsexterne entfalten können, zwingen sie die Geschäftsleitung durch ihre Anwendung von Seiten der Ausfuhrbehörden faktisch dazu, einen Ausfuhrverantwortlichen zu bestellen und zu benennen, der fortan die Genehmigungsanträge für das Unternehmen unterzeichnet und die Verantwortung für die Wirksamkeit des innerbetrieblichen Exportkon­ trollsystems übernimmt. Kommt ein Ausfuhrverantwortlicher den in den Zuverlässigkeitsgrundsätzen genannten Pflichten, insbesondere seinen vier Grundpflichten, im Rahmen seiner Möglichkeiten und der unternehmensspezifischen Anforderungen nach, so wird er für den Regelfall darauf vertrauen dürfen, dass sein Verhalten im Einklang mit dem Ausfuhrgenehmigungsrecht steht und keinerlei strafrechtliche Relevanz aufweist. Verstößt er umgekehrt gegen die Verhaltensanforderungen der Zuverlässigkeitsgrundsätze, muss er damit rechnen, dass sein Verhalten möglicherweise gegen genehmigungsrelevante Vorschriften verstößt, was zugleich den Tatbestand eines Ausfuhr­delikts erfüllen kann.503 Der Ausfuhrverantwortliche kann die Zuverlässigkeitsgrundsätze dabei kaum übersehen: Auf ihre Bedeutung für die ausfuhrrechtliche Verantwortung wird er in den Formularen betreffend seine formelle Benennung504 sowie seine Verantwortungsübernahme505 beim BAFA ausdrücklich hingewiesen. Sie werden zudem – inklusive aller sie betreffenden Bekanntmachungen – von der Bundesregierung seit dem Jahr 1990 im BAnz veröffentlicht. Der BAnz ist ein dem BGBl. gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 VkBkmG gleichgestelltes staat­ liches Publizierungsmedium für Rechtsverordnungen im Sinne des Art. 80 GG und andere amtliche Bekanntmachungen.506 Er muss vom Bundesministe502  Schröder, NStZ 2006, S. 669 (670); Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (217); vgl. auch Voland, BB 2015, S. 67 (68 ff.). 503  Zum Einfluss von Sondernormen auf die individuelle Erkennbarkeit der Sorgfaltswidrigkeit siehe S. 316 f. 504  Nachweis in Teil 2, Fn. 77. 505  Nachweis in Teil 2, Fn. 82. 506  Dazu ausführlich Butzer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 82 Rn. 268 ff.; vgl. zur Publizität privater Sondernormen ferner Meuers/Beye, DÖV 2018, S. 59 ff.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

rium der Justiz und für Verbraucherschutz seit dem Jahr 2012 im Internet für jedermann vollständig, dauerhaft und kostenlos zur Verfügung gestellt werden.507 Daneben stellt das BAFA die aktuellste Version der Zuverlässigkeitsgrundsätze auf seiner Webseite dauerhaft zum Download zur Verfügung. Auf der Webseite des BAFA findet sich auch das ICP-Merkblatt, das dort ebenfalls kostenlos jederzeit abgerufen werden kann. Der Verbreitungsgrad des ICP-Merkblatts dürfte dem der Zuverlässigkeitsgrundsätze mittlerweile in nur wenig nachstehen. Dafür lassen sich vier Gründe anführen: Erstens wird auf das ICP-Merkblatt in der Compliance-rechtlichen Literatur derzeit nahezu genauso häufig hingewiesen, wie auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze.508 Es wird dort insbesondere anderen Compliance-Standards gegenübergestellt und mit diesen verglichen.509 Zweitens gibt das BAFA das ICPMerkblatt inzwischen in der zweiten Auflage heraus, was auf einen nicht unerheblichen Leserkreis schließen lässt, für den aktuelle Rechtsentwicklungen und entsprechende Verhaltensempfehlungen aufgearbeitet werden müssen.510 Zuvor wurde seit dem Jahr 1991 eine Vorläuferversion des ICPMerkblatts, die „Empfehlungen für die betriebliche Behandlung genehmigungspflichtiger Exporte“, mit vergleichbarer Zielsetzung herausgeben und im BAnz veröffentlicht.511 Drittens verweisen die Musterformulare des BAFA für die formelle Benennung („AV 1“512) sowie die Verantwortungsübernahme durch den Ausfuhrverantwortlichen („AV 2“513) nunmehr ebenfalls auf das ICP-Merkblatt und bezeichnen Letztgenanntes jeweils als „mitgeteiltes Dokument“. Viertens werden die Kriterien des ICP-Merkblatts trotz seiner fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit durch das BAFA schlicht ange507  Siehe §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 VkBkmG; gemäß § 6 Abs. 4 VkBkmG muss im BAnz sogar ein kostenfreier Dienst angeboten werden, der Nutzer über neu erscheinende Ausgaben des amtlichen Teils des BAnz und deren Inhalt selbsttätig per E-Mail informiert. Ist die elektronische Bereitstellung nicht nur kurzzeitig unmöglich, müssen Verkündungen und Bekanntmachungen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 1 VkBkmG auf andere dauerhaft allgemein zugängliche Weise erfolgen, sodass der Informationsfluss ununterbrochen gewährleistet ist. 508  Siehe nur Ahlbrecht, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsstrafrecht, § 22 AWG Rn.  14 f.; Engelhardt, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 31 Rn. 19; Merz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 32 Rn. 13 (Fn. 21); Makowicz, BB 2018, S. 556 (557); Schöning/Sauro, CCZ 2016, S. 11 (17); Urso/Lachner, BB 2018, S. 195 (199); Voss, FS Wolffgang, S. 189 (203); Wolffgang/Witte, CB 2015, S. 138. 509  Etwa dem IDW PS 980 bei Wermelt/Tervooren, CCZ 2013, S. 81 ff. oder dem DIN ISO 19600 CMS bei Makowicz, Der Zoll-Profi! 3/2016, S. 2 ff. 510  Hierzu Beutel/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 73 ff. 511  Nachweis in Teil 2, Fn. 46. 512  Nachweis in Teil 2, Fn. 77. 513  Nachweis in Teil 2, Fn. 82.



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wendet.514 Der Inhalt des ICP-Merkblatts wird für Antragsteller im Ausfuhrgenehmigungsverfahren daher faktisch verbindlich, selbst wenn sie noch nie einen Blick in das ICP-Merkblatt geworfen haben. Wer demgegenüber die genannten Erkenntnismöglichkeiten wahrnimmt, wird schnell den Eindruck gewinnen, dass in Sachen innerbetriebliche Exportkontrolle weniger die Zuverlässigkeitsgrundsätze als vielmehr das ICP-Merkblatt die Best Practice vorgibt. Dem wird sich auch der Tatrichter, der dies vor Augen hat, nicht verschließen können – unverbindliche Behördenempfehlung hin oder her. 4. Einheitliches Schutzgutkonzept Die Schutzzweckidentität zwischen Sondernorm und Strafvorschrift wird im Schrifttum überwiegend als Grundvoraussetzung für deren Zusammenspiel gesehen.515 Wolle man Sondernormen als normative Standards bezüglich strafrechtlicher Sorgfaltspflichten ansehen, setzte dies zunächst einmal voraus, dass die Sondernormen genau das wiedergeben, was nach dem Strafgesetz unter sorgfaltswidrigem Verhalten zu verstehen ist.516 Außerstrafrechtliche Sondernormen wiesen hingegen häufig ein von der betreffenden Strafnorm abweichendes Schutzgut bzw. Schutzniveau auf. Meist gingen sie über den Schutzzweck der Strafnorm hinaus, indem sie etwa noch weitere, von der Strafnorm nicht erfasste Regelungsziele verfolgten. So dienten beispielsweise die zahlreichen Verhaltensregeln der StVO, anders als §§ 222, 229 StGB, nicht nur dem Schutz von Leib und Leben, sondern auch der Flüssigkeit des Verkehrs.517 Unterschiedliche Schutzzwecke werden auch § 325 StGB und der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift TA Luft zugemessen.518 Während § 325 StGB die Eignung zur Schädigung der genannten Güter verlange, diene die TA Luft bereits der Abwehr von bloßen Belästigungen, die indessen noch nicht die Grenze des strafrechtlich Relevanten überschritten hätten.519 von Seiten des BAFA Beutel/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 73 (74). Strafrecht AT, § 43 Rn. 49; Bosch, Organisationsverschulden, S. 422; Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 275; SchürerMohr, Erlaubte Risiken, S. 193; Bülte, StV 2013, S. 753 (754); Herzberg, GA 2001, S.  568 (573 f.); Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (844). 516  So etwa Nicklisch, NJW 1983, S. 841 (844). 517  Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 193; siehe auch BGH NJW 1954, S. 1493 (1494); Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, § 8 StVO Rn. 3. 518  Eingehend Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 325 Rn. 9; Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 325 Rn. 19. 519  Siehe Bosch, Organisationsverschulden, S. 422; Rudolphi, NStZ 1984, S. 248 (250 f.). 514  Siehe

515  Maurach/Gössel/Zipf,

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Auch der BGH hat im Lederspray-Fall festgehalten, dass die schadensersatzorientierten Prinzipien der zivilrechtlichen Produkthaftung nicht unbesehen zur Bestimmung strafrechtlicher Verantwortlichkeit benutzt werden dürfen.520 Der Rechtsgüterschutz des Strafrechts setze vielmehr erst dort an, wo der Gesetzgeber ein Verhalten ausdrücklich mit Strafe bedroht habe. Die ungeprüfte Berücksichtigung einer außerstrafrechtlichen Sondernorm könne so zu einer dem Ultima-Ratio-Prinzip widerstreitenden Strafbarkeitsausdehnung auf Verhaltensweisen führen, die die Schwelle strafrechtlicher Relevanz noch nicht überschritten hat.521 Im Transplantationsskandal-Fall522 verneinte das LG Göttingen in der Tatsacheninstanz die strafbarkeitsbegründe Wirkung der Organzuteilungsrichtlinien der BÄK unter anderem aufgrund der fehlenden Schutzzweckidentität zwischen den RL-BÄK und den §§ 212, 223 StGB.523 Die Richtlinien der BÄK dienten dem allgemeinen Lebensschutz und der Verteilungsgerechtigkeit, während §§ 212, 223 StGB den Schutz von Leben und Gesundheit des konkreten Individuums bezweckten.524 Denkbar ist aber nicht nur, dass eine Sondernorm dem Schutz eines von der Strafnorm abweichenden Schutzguts folgt. Vielmehr kann theoretisch der genau umgekehrte Fall eintreten, nämlich dass eine Sondernorm aus der Per­ spektive des Strafrechts zu wenig Schutz bietet. In dieser Konstellation müsste das strafrechtliche Leitmotiv des Rechtsgüterschutzes ebenfalls die Zurückhaltung des Tatrichters bei der Berücksichtigung der Sondernorm gebieten.525 Angesprochen ist in all diesen Fällen im Grunde genommen eine Frage der objektiven Zurechnung.526 Dieses als normatives Korrektiv zur Kausalität überwiegend anerkannte Strafbarkeitsmerkmal erfordert, dass der Täter durch sein Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im konkreten Taterfolg realisiert.527 Anerkannt ist insoweit insbesonNStZ 1990, S. 587 (590); dazu Mikus, Verhaltensnorm, S.  116 ff. ist freilich auch der umgekehrte Fall, nämlich dass eine Sondernorm ein zu geringes Schutzniveau bietet, etwa weil durch Sondernormen von Seiten der Industrie bestimmte Verbraucherstandards abgesenkt werden, siehe Schünemann, FS Lackner, S. 367 (386). 522  BGH NStZ 2017, S. 701 ff. 523  LG Göttingen vom 06.05.2015 – 6 Ks 4/13, Rn. 44 ff., zitiert nach juris; dies explizit offenlassend BGH NStZ 2017, S. 701 (702 f.). 524  In diesem Sinne auch Bülte, StV 2013, S. 753 (755); Schroth/Hofmann, FS Kargl, S. 526 (541); Verrel, MedR 2014, S. 464 (467 f.); kritisch dagegen StrengBaunemann, FS Streng, S. 767 (774 f.); Schroth, NStZ 2013, S. 437 (441). 525  Vgl. Mayer, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 275; ausführlich auch Roxin, Strafrecht AT/I, § 2 Rn. 7 ff. 526  Vgl. Bülte, StV 2013, S. 753 (754); Schroth/Hofmann, FS Kargl, S. 526 (537). 527  Grundlegend Roxin, Strafrecht AT/I, §  11 Rn. 1  ff.; Jäger, Strafrecht AT, Rn.  31 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 286 ff.; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 325; vgl. auch BGH StV 2004, S. 484 ff. 520  BGH

521  Denkbar



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab367

dere, dass nur dann ein objektiver Zurechnungszusammenhang zwischen objektiver Sorgfaltspflichtwidrigkeit und Taterfolg hergestellt werden kann, wenn die verletzte Sorgfaltsnorm dem Schutz des Rechtsguts dient, das gleichfalls die Strafvorschrift schützen soll (sog. Schutzzweck der Norm).528 Die allgemeine Formel der objektiven Zurechnung lässt sich im Zusammenhang mit Sondernormen daher insoweit modifizieren, als der Erfolg dem Täter nur dann zurechenbar ist, wenn seine Tathandlung eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat und die verletzte Sondernorm den Zweck hatte, den tatsächlich eingetretenen Unrechtserfolg zu verhindern.529 Hinsichtlich der für den Ausfuhrverantwortlichen relevanten Ausfuhrdelikte wurde indessen bereits festgestellt, dass sie flächendeckend als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet sind.530 Dies hat zur Folge, dass sie schon mit der Vornahme des im Tatbestand als abstrakt gefährlich eingestuften Tatverhaltens verwirklicht sind. Auf den Eintritt eines darüber hinausreichenden konkreten Gefährdungs- oder Verletzungserfolgs kommt es dem Wortlaut nach gerade nicht an. Die vom Täter geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr geht vielmehr bereits vollständig im „abstrakten Gefährdungserfolg“ auf. Ein Kausalitäts- bzw. Zurechnungszusammenhang ist in objektiver Hinsicht – nicht zuletzt zur Umgehung der diesbezüglichen Beweisschwierigkeiten –ausgerechnet keine Tatbestandsvoraussetzung.531 Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Schutzzweck der (Sonder-)Norm bei der Prüfung fahrlässig verwirklichter abstrakter Gefährdungsdelikte keine Rolle spielt. Im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte erfordern auch abstrakte Gefährdungsdelikte einen Zurechnungs- bzw. Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Grund hierfür ist die Vorverlagerung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit durch das Anknüpfen an einen objektiven Sorgfaltspflichtverstoß, der in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem gesetzlich bezeichneten abstrakt gefährlichen Verhalten steht. So genügt es beispielsweise für den objektiven Sorgfaltspflichtverstoß des abstrakten Gefährdungsdelikts der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 2 StGB, dass sich der Täter im Vorfeld des Fahrzeug-Führens nicht über die Wirkungen der bewusst konsu528  BGH NJW 1958, S. 149 (150); Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, Vor § 13 Rn.  364 ff.; Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 30; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 40.1; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 157 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 288; Kühl, Strafrecht AT, § 4 Rn. 45; Roxin, Strafrecht AT/I, § 11 Rn. 84 ff.; Wolter, Zurechnung, S.  341 ff.; Bülte, StV 2013, S. 753 (754); eingehend insbesondere Degener, Lehre vom Schutzzweck, S. 19 ff. 529  So sinngemäß Bülte, StV 2013, S. 753 (754). 530  Dazu bereits S. 173 ff. 531  Wittig, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Einf. Rn. 18; dazu grundlegend Degener, Lehre vom Schutzzweck, S. 152 ff.; vgl. auch Magnus, JuS 2015, S. 402 (404).

368

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

mierten Rauschmittel, wie etwa Alkohol, Drogen oder Medikamente, informiert.532 Durch seine Unkenntnis schafft der Täter hier die Gefahr, anschließend im fahruntauglichen Zustand ein Fahrzeug zu führen, was eine abstrakte Gefährdung des Straßenverkehrs darstellt. Für das tatbestandsmäßige Verhalten der Ausfuhrdelikte genügt aufgrund ihrer Ausgestaltung als Organisa­ tionsdelikte unter Umständen bereits die Planung, Organisation und Anordnung der Ausfuhr. Erfolgt diese ohne Vorsatz, weil der Täter z. B. vom Vorliegen einer in Wahrheit nie erteilten Genehmigung ausgeht533, muss ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen den Umständen, welche die Unkenntnis des Täters vom Vorliegen der Genehmigung begründen, und der konkreten Ausfuhrhandlung vorliegen. Gerade für die Ausfuhrdelikte, für die eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vorgesehen ist, ist daher fraglich, ob die durch sie geschützten Rechtsgüter mit dem Schutzgut der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen übereinstimmen, sodass von einem einheitlichen Schutzgutkonzept ausgegangen werden kann. Dies muss nunmehr erörtert werden, wobei zwischen den Zuverlässigkeitsgrundsätzen (a)) und dem ICP-Merkblatt (b)) zu differenzieren ist. a) Schutzzweckidentität von Ausfuhrdelikten und Zuverlässigkeitsgrundsätzen Das Schutzgutkonzept der Zuverlässigkeitsgrundsätze lässt sich deren Präambel entnehmen. In den dort genannten Bestrebungen wird die „ursprüng­ liche Trias“ aus den Sicherheitsinteressen und auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland sowie dem Frieden der Völker genannt (aa)). Dem vorgelagert, soll auch der staatliche Genehmigungsvorbehalt abgesichert werden (bb)). Schließlich verweist die Präambel auf die „restriktive Rüstungspolitik“, wie sie in den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“534 (Politische Grundsätze) widergespiegelt werde (cc)). Die genannten Belange werden im Folgenden inhaltlich erschlossen und mit den geschützten Rechtsgütern der Ausfuhrdelikte abgeglichen.

532  BGH DAR 1952, S. 43 (44); BayObLG VRS 66, S. 280 (281); Pegel, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 316 Rn. 107; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 316 Rn. 5; Zieschang, in: NK-StGB, § 316 Rn. 57; Gehrmann, NZV 2011, S. 6 (8). 533  Vgl. dazu S. 121 ff. 534  Vom 19.01.2000, BAnz S. 1299.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab369

aa) „Ursprüngliche Trias“ Die Ausfuhrdelikte schützen, wie bereits dargestellt535, die in § 4 AWG genannten Kernrechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts.536 Dazu gehören – auch nach Streichung der Eignungsklausel in § 34 Abs. 2 AWG a. F. – ­vornehmlich die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AWG), das friedliche Zusammenleben der Völker (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AWG) sowie die auswärtigen Beziehungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG). Diese Schutzgüter werden nahezu wortlautgetreu und in chronologisch identischer Reihenfolge in der Präambel der Zuverlässigkeitsgrundsätze (2. SpStr.) aufgeführt. Die Präambel kann als Anlaufpunkt zur Bestimmung der Schutzgüter der Zuverlässigkeitsgrundsätze angesehen werden. Dort finden sich ebenfalls die „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“, das „friedliche Zusammenleben der Völker“ und die „auswärtigen Beziehungen“. Diese drei Schutzgüter bilden die „ursprüngliche Trias“537, die dem AWG seit jeher zugrunde liegt, und deren staatspolitisch evident hoher Rang höchstrichterlich festgestellt ist.538 Die „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ betrifft den Erhalt der Existenz der Bundesrepublik als Grundvoraussetzung staatlicher Souveränität.539 Rüstungsgüter sollen nicht an potentielle militärische Gegner gelangen, da hierdurch Bestand und Territorium – und damit sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit540 – gefährdet würden.541 Das Telos des „friedlichen Zusammenlebens der Völker“ orientiert sich am Normzweck des Art. 26 Abs. 1 GG, der Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskriegs vorzube535  S.  173 ff.

536  Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 18 f.; Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Einleitung KWKG Rn. 7, ders. KWKG, § 22a Rn. 1. 537  Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, §  4 AWG Rn. 28; ähnlich Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 6; Safferling, NStZ 2009, S. 604 (609). 538  Siehe BVerfG NJW 1992, S. 2624; NJW 1995, S. 1537 (1538). 539  Krämer, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 4 Rn. 10; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 41; Stein/ Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 4 AWG Rn. 4; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 18 AWG Rn. 87. 540  Speziell zum Schutz der äußeren Sicherheit Nestler, ZStW 125 (2013), S.  259 ff. 541  Siehe insbesondere zum Aspekt der Verteidigungsfähigkeit BGH NStZ 1988, S. 215; zudem Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Vor §§ 17–18 AWG Rn. 37; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 15; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 41 f.

370

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

reiten, für verfassungswidrig erklärt und insoweit die Strafbewehrung fordert.542 Entsprechende Beschränkungen der Außenwirtschaftsfreiheit sollen daher verhindern, dass Konflikte zwischen Völkern mit Waffengewalt ausgetragen werden.543 Die „auswärtigen Beziehungen“ sind schließlich die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten und zu internationalen Organisationen, die es der Bundesrepublik ermöglichen, ihre politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen im Verkehr mit diesen Staaten und Organisationen durchzusetzen.544 Zu diesen Interessen gehören die Vermeidung starker diplomatischer Missbilligung, einer feindselige Kampagne der führenden Medien eines wichtigen Landes der Völkergemeinschaft oder einer Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland in inter- bzw. supranationalen Gremien.545 Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird zudem das internationale Vertrauen in Deutschland als zuverlässiger (Handels-)Partner genannt, mit dem eine fruchtbare Zusammen­arbeit möglich ist.546 Mit Blick auf die „ursprüngliche Trias“ besteht mithin grundsätzlich Kongruenz zwischen den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und den Ausfuhrdelikten. Fraglich ist jedoch, ob diese Kongruenz auch hinsichtlich des geforderten 542  Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Vor §§ 17–18 AWG Rn. 39; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 16; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 13; Krämer, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 4 Rn. 15; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 49; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 4 AWG Rn. 5; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 18 AWG Rn. 89; dazu eingehend auch Dahlhoff, NJW 1991, S. 208 (209). 543  BTDrucks 3/1285, S. 238 f.; Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Vor §§ 17–18 AWG Rn. 39; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 49. 544  BVerfG NJW 1992, S. 2624; BGH NJW 2009, S. 1681 (1682); siehe in Bezug auf die auswärtigen Beziehungen als Schutzgut des § 19 Abs. 2 Nr. 2 lit. c KWKG BGH NStZ 2009, S. 640 (643); aus dem Schrifttum ferner Cornelius, in: Graf/Jäger/ Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Vor §§ 17–18 AWG Rn. 46; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 19; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 17; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 65; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 4 AWG Rn. 7; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 18 AWG Rn. 91; mit Blick auf das Strafrecht insbesondere Bieneck/Schaefer, wistra 2011, S. 89 (94 ff.); Safferling, NStZ 2009, S. 604 (606 ff.). 545  BGH NJW 2009, S. 1681 (1682); m.  w. Nachw.; siehe auch Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, §  4 AWG Rn.  66 sowie Rn. 67 f. hinsichtlich der umstrittenen Schnittmenge dieses Schutzguts mit den wesentlichen Sicherheitsinteressen; ferner Dahlhoff, NJW 1991, S. 208 (211). 546  BGH NJW 2009, S.  1681 (1682); Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Vor §§ 17–18 AWG Rn. 47; Harder, in: Wabnitz/Janovsky, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 23 Rn. 33; Krämer, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 4 Rn. 18; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 18 AWG Rn. 91.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab371

Grades der Betroffenheit der genannten Schutzgüter gegeben ist. Während die Zuverlässigkeitsgrundsätze nämlich hinsichtlich der Sicherheit und der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland lediglich fordern, dass diese „beeinträchtigt“ bzw. „belastet“ werden, verlangt § 4 Abs. 1 Nr. 1, 3 AWG die Gewährleitung der „wesentlichen“ Sicherheitsinteressen und die „erhebliche“ Störung der auswärtigen Beziehungen. „Wesentlich“ sind die Sicherheitsinteressen nur dann, wenn sie den Kern der deutschen Sicherheitsinteressen berühren.547 Dies soll laut der Gesetzesbegründung etwa dann der Fall sein, wenn gebietsfremde Investoren gebietsansässige Unternehmen erwerben, die im Rüstungsbereich oder im Bereich des Schutzes sensitiver staatlicher Informationen durch Verschlüsselung tätig sind.548 Für die Beschränkung der Außenwirtschaftsfreiheit müssen also bedeutende sicherheitspolitische Interessen oder die militärische Sicherheitsvorsorge als solche betroffen sein.549 Die auswärtigen Beziehungen sind dementsprechend erst dann „erheblich“ gestört, wenn die Bundesrepublik durch Rechtsgeschäfte oder Handlungen in eine Lage gebracht wird, die es ihr erschwert oder gar unmöglich macht, ihre Interessen im internationalen Verkehr wahrzunehmen, was wiederum Beschränkungen des freien Außenwirtschaftsverkehrs objektiv notwendig macht.550 Die auswärtigen Beziehungen müssen also schwerwiegend beeinträchtigt sein.551 Aufgrund der Wesentlichkeits- und Erheblichkeitsklausel scheint der Rechtsgüterschutz im AWG dem Wortlaut nach restriktiver gehandhabt zu werden als jener der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Verschärfungen dieser Beschränkungsvoraussetzungen erst nach dem Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze gesetzlich geregelt wurden, sodass es lediglich an einer entsprechenden Angleichung der Zuverlässigkeitsgrundsätze an das AWG fehlen würde.552 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze wurden am 25.07.2001 bekanntgegeben. Nur die Wesentlichkeitsklausel wurde nach diesem Zeitpunkt, näm547  Friedrich,

in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 9. 15/2537, S. 7; dazu Krämer, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 4 Rn. 10; dazu Müller/Hempel, NJW 2009, S. 1638 ff. 549  BTDrucks 15/2537, S. 7; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 2. 550  BVerfG NJW 1992, S. 2624; BGH NStZ 2009, S. 335 (336); NStZ 2009, S. 640 (643); Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Vor §§ 17–18 AWG Rn. 44; Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 20; Friedrich, in: Hocke/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 17; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 4 AWG Rn. 7. 551  Cornelius, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, Vor §§ 17–18 AWG Rn. 44; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 66. 552  So insbesondere auch nicht erfolgt durch die jüngste Bekanntmachung zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen vom 27.07.2015. 548  BTDrucks

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

lich durch das „Elfte Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung“553 vom 23.07.2004 in § 7 Abs. 1 Nr. 1 AWG a. F. (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AWG n. F.) aufgenommen. Die Erheblichkeitsklausel in § 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG a. F. (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG n. F.) geht dagegen bereits auf das „Fünfte Gesetz zur Änderung des Außenwirtschafts­ gesetzes“554 vom 20.07.1990 zurück, sodass sie in die Präambel der Zuverlässigkeitsgrundsätze hätte aufgenommen werden können. Ungeachtet dessen dürfen die Zuverlässigkeitsgrundsätze allerdings wegen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Vorrangs des Gesetzes (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) nicht gegen das formal-gesetzliche Außenwirtschaftsrecht verstoßen, indem sie zulasten der Außenwirtschaftsfreiheit rechtsverbindlich eine strengere Genehmigungspraxis etablieren. Dies wäre allenfalls bei sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften möglich, deren strenge Anforderungen allerdings weder die Zuverlässigkeitsgrundsätze noch das ICP-Merkblatt erfüllen.555 Daher muss die Präambel der Zuverlässigkeitsgrundsätze gesetzeskonform dahingehend ausgelegt werden, dass sämtlichen Genehmigungsentscheidungen ein einheitlicher Betroffenheitsgrad für die Kernrechtsgüter der „ursprünglichen Trias“ – nämlicher der restriktivere des Bundesgesetzes AWG – zugrunde liegt. Mit Blick auf die „ursprüngliche Trias“ liegt den Ausfuhrdelikten und den Zuverlässigkeitsgrundsätzen folglich die identische Schutzgutkonzeption zugrunde. bb) Genehmigungsvorbehalt Die Ausfuhrdelikte sichern neben den gesetzlich aufgeführten Kernrechtsgütern des Außenwirtschaftsrechts zugleich faktisch den staatlichen Genehmigungsvorbehalt ab.556 Dies gilt zumindest für die Ausfuhrdelikte, die an den Verstoß gegen eine Genehmigungspflicht anknüpfen. Den Kernrechts­ gütern vorgeschaltet, soll zum Schutz des Allgemeinwohls die Integrität des verwaltungsrechtlichen Ausfuhrgenehmigungsverfahren im Vorfeld der eigentlichen Ausfuhr erhalten bleiben. Insbesondere sollen ausschließlich die Ausfuhrbehörden als zuständige Gefahrenabwehrbehörden die relevanten Prognose- und Ermessensentscheidungen treffen, um eine entsprechende Sachkunde sowie den Gleichlauf der Genehmigungsentscheidungen sicherzustellen. Die Durchführung des Genehmigungsverfahrens zu ermöglichen, darf als Leitmotiv der Zuverlässigkeitsgrundsätze bezeichnet werden. Deren 553  BGBl. I,

S. 1859 f. S. 1457 f. 555  Siehe S.  59 ff. 556  Siehe bereits S. 173 ff.; zu den umstrittenen Auswirkungen auf die Delikts­ natur der Ausfuhrdelikte als Allgemein- oder Sonderdelikte S.  144 ff. 554  BGBl. I,



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab373

Präambel gibt zuvorderst an, dass die in dem Bestreben erlassen wurden, „unzuverlässige Personen und Unternehmen vom Umgang mit Kriegswaffen und der Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter […] fernzuhalten“557. Das „Fernhalten“ gelingt im Wege der staatlichen Genehmigungsentscheidung die grundsätzlich von einer Prognoseentscheidung über die Zuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne der §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG und – soweit ein entsprechender Entscheidungsspielraum eingeräumt wurde – von einer Ermessensentscheidung der Exekutive abhängt. Hinsichtlich beider Entscheidungen liefern die Zuverlässigkeitsgrundsätze eine Verhaltensanleitung für die Ausfuhrbehörden und konkretisieren dadurch die Anforderungen an den staatlichen Genehmigungsvorbehalt. Zusätzlich sollen die Zuverlässigkeitsgrundsätze dazu dienen, eine wirksame Kontrolle der Ausfuhr von Dual-Use-Gütern aus der EU sicherzustellen558, wodurch ebenfalls explizit der staatliche Genehmigungsvorbehalt in diesem Bereich der Rüstungskon­ trolle angesprochen ist. Den einzigen Anhaltspunkt für eine von den Ausfuhrdelikten abweichende Konzeption der Zuverlässigkeitsgrundsätze könnte insoweit das bereits dargestellte Kooperationsprinzip zwischen Staat und privaten Unternehmen bei der Exportkontrolle liefern. Durch das Genehmigungserfordernis der Bestellung und Benennung eines Ausfuhrverantwortlichen mit exportspezifischen Compliance-Pflichten beziehen die Ausfuhrbehörden Wirtschaftsunternehmen zumindest faktisch bei der staatlichen Exportkontrolle ein.559 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze ergingen mithin auch in dem Bestreben, private Teilnehmer am Außenwirtschaftsverkehr in die originär staatliche Aufgabe der Gefahrenabwehr einzubinden. Insoweit wurden die Lehren aus den Ermittlungs- und Beweisschwierigkeiten hinsichtlich unternehmensinterner Exportkontrollverstöße privater Unternehmen im Zusammenhang mit den medial vielbeachteten und weltpolitisch hoch brisanten Ausfuhrskandalen der 1980er und 1990er Jahre gezogen. Dass allerdings auch die Ausfuhrdelikte die behördliche Entlastung bei der Gefahrenabwehr absichern sollen, muss bezweifelt werden. Die faktische Wahrnehmung gewisser Kontrollpflichten als Voraussetzung für den Genehmigungserhalt dient, wenn auch mittelbar, keinem geringeren Zweck, als der Intensivierung der Schutzes der Kernrechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts und des staatlichen Genehmigungsvorbehalts. Das Gefahrschaffungsmoment für diese Rechtsgüter wird durch den unerlaubten Grenztransfer rüstungsrelevanter Güter – und damit durch private Unternehmen – geschaffen. Filtert hingegen ein Ausfuhrverantwortlicher die unternehmensspezifischen Aus557  Präambel

der Zuverlässigkeitsgrundsätze (1. SpStr.). der Zuverlässigkeitsgrundsätze (4. SpStr.). 559  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 1. 558  Präambel

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

fuhrrisiken vor und dokumentiert er entsprechende Gegenmaßnahmen in nachvollziehbarer Weise für die zuständige Ausfuhrbehörde, wird die Gefahr für die genannten Rechtsgüter bereits einen Schritt vor der eigentlichen staatlichen Kontrolle deutlich entschärft. Das durch die Zuverlässigkeitsgrundsätze zum Ausdruck kommende Kooperationsprinzip zwischen staatlicher und privater Exportkontrolle widerspricht damit keineswegs der Rechtsgutskonzeption der Ausfuhrdelikte. cc) „Restriktive Rüstungspolitik“ Die Zuverlässigkeitsgrundsätze wurden schließlich in dem Bestreben erlassen, die sich in den „ ‚Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern‘ vom 19. Januar 2000 (BAnz S. 1299) widerspiegelnde restriktive Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung und die entsprechende Genehmigungspraxis in diesem sensitiven Bereich zu verdeutlichen“560. Bei den Politischen Grundsätzen handelt es sich, wie bei den Zuverlässigkeitsgrundsätzen, um allgemeine Verwaltungsvorschriften ohne unmittelbar rechtliche Außenwirkung561, in denen die Bundesregierung festlegt, welche Kriterien sie selbst sowie die nachgeordneten Behörden, insbesondere das BAFA, bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen hinsichtlich der Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter anlegen müssen.562 Sie wurden am 19.01.2000 erlassen und gelten seither unverändert fort.563 Im Gegensatz zu den Zuverlässigkeitsgrundsätzen präzisieren die Politischen Grundsätze nicht etwa konkret den genehmigungsrechtlichen Zuverlässigkeitsbegriff, sondern bestimmen als abstrakte behördliche Leitlinien, dass die Rüstungsexportpolitik der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich möglichst restriktiv sein muss.564 Sie können 560  Präambel der Zuverlässigkeitsgrundsätze (3. SpStr.), dazu außerdem bereits S.  35 f. 561  BTDrucks 13/10104, S. 2; Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Teil 5 Anhang 2 Rn. 2 („ermessensleitende Verwaltungsvorschriften“); Pathe, in: Bieneck, Außenwirtschaftsrecht1, § 37 Rn. 10 f.; Pottmeyer, KWKG, Einleitung Rn. 228; Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 22; Egger, „Dual-Use“Waren, S. 18; Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 71; siehe auch ders., DWiR 1991, S.  276 (281 f.); Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447); speziell in Bezug auf die Ermessenslenkung im Rahmen des § 6 KWKG Claßen, Kontrollverfahren, S. 112 ff.; a. A. wohl Hohmann, Angemessene Außenhandelsfreiheit, S. 345 ff. 562  Siehe Pfeil, in: Grützner/Jakob, Compliance von A–Z, „Politische Grundsätze“. 563  Zur Genese der Vorschriften Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Teil 5 Anhang 2 Rn. 1; Wessels, AW-Prax 2000, S. 181. 564  Präambel der Politischen Grundsätze (1. SpStr.); siehe auch Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Teil 5 Anhang 2 Rn. 2; Pfeil, in: Grützner/Jakob, Compliance von A–Z, „Politische Grundsätze“.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab375

daher als eine zur internen Verwaltungsvorschrift gewordene Staatszielbestimmung angesehen werden.565 Im Folgenden gilt es zunächst zu klären, was die Bundesregierung unter einer „restriktiven Rüstungspolitik“ versteht. Dazu muss der Inhalt der Politischen Grundsätze erschlossen ((1)) und bewertet werden ((2)). Anschließend kann erörtert werden, ob sich es bei der „restriktiven Rüstungspolitik“ um ein eigenständiges Schutzgut des Außenwirtschaftsrechts handelt, das gegebenenfalls von der Schutzgutkonzeption der Ausfuhrdelikte abweicht ((3)). (1) Inhalt der Politischen Grundsätze Zunächst muss anhand der Politischen Grundsätze den Begriff der „restriktiven Rüstungspolitik“ erschlossen werden. Im 1. SpStr. ihrer Präambel führen die Politischen Grundsätze auf, dass die Bundesregierung sie in dem Bestreben beschlossen hat, ihre Rüstungspolitik restriktiv zu gestalten. An dieser Stelle wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung für Genehmigungsanträge nach dem KWKG (Kriegswaffen) und das BAFA für Genehmigungsanträge nach dem AWG und der AWV sowie der DualUse-VO (sonstige Rüstungsgüter) zuständig sind.566 Die Politischen Grundsätze gelten als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften für beide Ausfuhrbehörden. Hinsichtlich der restriktiven Gestaltung stellt die Bundesregierung fünf Grundsätze auf:567 Der erste Grundsatz wird mit „Allgemeine Prinzipien“ betitelt. Die Bezeichnung lässt darauf schließen, dass dieser Grundsatz ausnahmslos für alle Genehmigungsentscheidungen gilt, ungeachtet der vier nachfolgenden Grundsätze.568 Nach den „Allgemeinen Prinzipien“ müssen die Ausfuhrbehörden erstens ihre Entscheidungen grundsätzlich im Einklang mit dem KWKG, des AWG, den dazugehörigen Güterlisten sowie dem europäischen Exportkontrollrecht treffen. Sehen die Politischen Grundsätze jedoch im Vergleich dazu restriktivere Maßstäbe vor, so sind die Politischen Grundsätze vorrangig zur berücksichtigen. Zweitens muss bei Entscheidungen über Rüstungsexporte der Beachtung von Menschenrechten im Bestimmungs- und Endverbleibsland besondere Bedeutung zukommen. Daran anknüpfend sind Genehmigungen grundsätzlich nicht zu erteilen, wenn hinreichender Verdacht 565  Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 22; zu den Merkmalen von Staatszielbestimmungen Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87e Rn. 182. 566  Siehe bereits S. 30. 567  Im Einzelnen Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Teil 5 Anhang 2 Rn.  4 ff.; Wessels, AW-Prax 2000, S. 181 f. 568  Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Teil 5 Anhang 2 Rn. 3; Pfeil, in: Grützner/Jakob, Compliance von A–Z, „Politische Grundsätze“.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

besteht, dass die Rüstungsgüter im Empfängerland zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. Zudem müssen alle Ausfuhrbehörden bei der Prüfung der Menschenrechtsfrage die Feststellungen europäischer und internationaler Gremien sowie Berichte von Menschenrechtsorganisationen berücksichtigen. Schließlich ist der Endverbleib der Rüstungsgüter in wirksamer Weise sicherzustellen. Der zweite Grundsatz legt die Genehmigungskriterien für die Ausfuhr in NATO-Länder, EU-Mitgliedstaaten und NATO-gleichgestellte Länder569 fest. Der Export von Rüstungsgütern in diese Länder, der als „Kooperation“ bezeichnet wird, ist danach grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist.570 Als derartige Gründe werden die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland571, der Frieden der Völker572, die Bündnisund/oder europapolitischen Interessen573, die auswärtigen Beziehungen zu Drittstaaten574 sowie erneut die Menschenrechte575 genannt. Der dritte Grundsatz regelt demgegenüber die Ausfuhr in sonstige Länder, also Drittstaaten. Der Export von Rüstungsgütern wird hier restriktiv gehandhabt, damit er nicht zum Aufbau zusätzlicher, exportspezifischer Kapazitäten führt.576 Differenziert wird zwischen dem Export von Kriegswaffen im Sinne des KWKG und dem Export von sonstigen Rüstungsgütern im Sinne des AWG. Der Export von Kriegswaffen wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen, wobei beschäftigungspolitische Gründe nicht den Ausschlag geben dürfen.577 Der Export sonstiger Rüstungsgüter werden Genehmigungen nur erteilt, soweit die im Rahmen der Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts zu schützenden Belange der Sicherheit, des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder der 569  Dazu zählen Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz, siehe Fn. 5 der Politischen Grundsätze. 570  Abschn. II Nr. 1 Satz 2 der Politischen Grundsätze. 571  Abschn. II Nr. 1 Satz 1, Nr. 4 Satz 2 4. SpStr. der Politischen Grundsätze. 572  Siehe den Verweis in Abschn. II Nr. 4 Satz 2 1. SpStr. der Politischen Grundsätze auf Art. 51 der VN-Charta, die den Weltfrieden und die internationale Sicherheit als Anlass zur kollektiven Selbstverteidigung ansieht; dazu Simonsen, in: Wolffgang/ Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 59. 573  Abschn. II Nr. 2 Satz 1 der Politischen Grundsätze. 574  Abschn. II Nr. 4 Satz 2 5. SpStr. der Politischen Grundsätze. 575  Abschn. II Nr. 4 Satz 2 3. SpStr. der Politischen Grundsätze. 576  Abschn. III Nr. 1 Satz 1, 2 der Politischen Grundsätze. 577  Abschn. III Nr. 2 der Politischen Grundsätze.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab377

auswärtigen Beziehungen nicht gefährdet sind, die insbesondere das volkswirtschaftliche Interesse am Export überwiegen.578 Zusätzlich wird auch im dritten Grundsatz der Schutz der Menschenrechte betont: Genehmigungen für Exporte nach dem KWKG oder dem AWG kommen nicht in Betracht, wenn die innere Lage des Empfängerlandes entgegensteht, was z. B. bei hinreichendem Verdacht der fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen.579 Die Menschenrechtssituation im Empfängerland soll insoweit eine wichtige Rolle spielen.580 Der vierte Grundsatz betrifft die Sicherung des Endverbleibs sämtlicher Rüstungsgüter. Genehmigungen für deren Export werden nur erteilt, wenn zuvor der Endverbleib dieser Güter im Empfängerland sichergestellt ist, was in der Regel eine entsprechende schriftliche Zusicherung des Endempfängers sowie eine weitere geeignete Dokumentation des Exports voraussetzt.581 Im fünften und letzten Grundsatz verpflichtet sich die Bundesregierung schließlich selbst, dem Bundestag einmal jährlich einen Rüstungsbericht vorzulegen, der die Umsetzung der Politischen Grundsätze sowie die erteilten Genehmigungen im abgelaufenen Kalenderjahr aufzeigt.582 (2) Bewertung des Inhalts Fasst man den Regelungsgehalt aller fünf Grundsätze zusammen, scheint die Bundesregierung unter dem Begriff „restriktive Rüstungspolitik“ eine Genehmigungspraxis zu verstehen, die hinsichtlich der Ausfuhr von Rüstungsgütern – insbesondere in Drittstaaten – mit Blick auf die genannten Schutzgüter äußerst zurückhaltend gehandhabt wird. Die ersten drei Grundsätze nennen insoweit allesamt die Trias der Kernrechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts (Sicherheitsinteressen, Völkerfrieden, auswärtige Beziehungen), die bei jeder Genehmigungsentscheidung berücksichtigt werden müssen. Hinzu tritt der Schutz der Menschenrechte, der zugleich besondere Betonung erfährt. Bei jeder Genehmigungsentscheidung müssen sich die Ausfuhrbehörden die menschenrechtliche Situation im Empfängerland vergegenwärtigen. Dies kommt insbesondere im ersten Grundsatz, den „Allgemeinen Prinzipien“, zum Ausdruck, wonach Genehmigungen bereits deshalb versagt werden können, weil ein hinreichender Verdacht besteht, dass die Rüstungsgüter im Empfängerland zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden 578  Abschn. III

Nr. 3 der Politischen Grundsätze. Nr. 4 Satz 1 der Politischen Grundsätze. 580  Abschn. III Nr. 4 Satz 2 der Politischen Grundsätze. 581  Abschn. IV Nr. 1 der Politischen Grundsätze; dazu Pietsch, in: Hohmann/ John, Ausfuhrrecht, Teil 5 Anhang 2 Rn. 19. 582  Abschn. V der Politischen Grundsätze. 579  Abschn. III

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. Der „hinreichende Verdacht“ im Sinne der Politischen Grundsätze soll sich dabei nicht an der Auslegung der entsprechenden Terminologie in §§ 170, 203 StPO orientieren, sondern allein an den verwaltungsrechtlichen Grenzen für Genehmigungsentscheidungen. Danach ist von einem hinreichenden Verdacht nicht erst beim Überwiegen von Wahrscheinlichkeiten583 auszugehen, sondern aufgrund der einfachen Gefahrenprognose gemäß §§ 6 Abs. 2 Nr. 1 KWKG, 8 Abs. 1 Satz 1 AWG bereits bei tatsächlichen Anhaltspunkten für Menschenrechtsverstöße.584 Der „hinreichende Verdacht“ im Sinne der Politischen Grundsätze entspricht also dem Anfangsverdacht im strafprozessualen Sinn.585 Aufgrund dieser niedrigen Versagungsvoraussetzungen scheint der Schutz der Menschenrechte als Leitkriterium der Politischen Grundsätze zu fungieren.586 Nach dem Verständnis der Bundesregierung bezeichnet „restriktive Rüstungspolitik“ also eine Genehmigungspraxis, die über den Schutz der im Gesetz explizit aufgeführten Kernrechtsgüter hinaus stets auf den Schutz der Menschenrechte bedacht ist. Durch den Verweis auf die „restriktive Rüstungspolitik“ der Politischen Grundsätze liegt es damit offenbar auch dem Bestreben der Zuverlässigkeitsgrundsätze, den Schutz der Menschenrechte zu verdeutlichen. Im Rahmen der für die Ausfuhrdelikte maßgeblichen Kernrechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts gemäß § 4 AWG findet der Schutz der Menschenrechte demgegenüber keine ausdrückliche Erwähnung.587 Dies wirft mit Blick auf den strafrechtlichen Rechtsgüterschutz die Frage auf, ob es sich bei den Menschenrechten um einen Belang handelt, der von den für den Ausfuhrverantwortlichen bedeutsamen Ausfuhrdelikten mit-geschützt wird. Es gilt daher, sich die Rolle des Schutzes der Menschenrechte für das Außenwirtschafts(straf) recht zu verdeutlichen. (3) Menschenrechte im Schutzgefüge des Außenwirtschafts(straf)rechts Fraglich ist bereits, wie sich die Menschenrechte im außenwirtschaftsrechtlichen Kontext definieren lassen. Insbesondere ist klärungsbedürftig, welcher Menschenrechtsbegriff dem Außenwirtschaftsrecht im Sinne der Po583  So in Bezug auf die Verurteilungswahrscheinlichkeit im Rahmen des § 203 StPO, siehe Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt, StPO, § 203 Rn. 2; Schneider, in: KKStPO, § 203 Rn. 4 m. w. Nachw. 584  Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, Teil 5 Anhang 2 Rn. 7. 585  Vgl. dazu S. 42 f. 586  Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447); ähnlich Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 73. 587  Siehe bereits Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 21; Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447).



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab379

litischen Grundsätze zugrunde liegt. Als Menschenrechte werden allgemein alle politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Schutz- und Anspruchsrechte bzw. dementsprechende Freiheiten bezeichnet, die staatenübergreifend Grundvoraussetzung für ein menschliche Leben in Würde sind.588 Aufgrund der schweren Fassbarkeit des Menschenwürdebegriffs bietet sich zur näheren Konkretisierung ein Blick auf die Menschenrechtskonzeption internationaler Völkerrechtsabkommen an. Hier ist allen voran die EMRK589 zu nennen. Sie ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Mitgliedstaaten des Europarats und der EU, der für die Vertragsstaaten mit Ratifizierung verbindlich wird und unmittelbar die Verpflichtung begründet, den der Hoheitsgewalt der Vertragsstaaten unterstehenden Personen die Konventionsrechte zuzusichern (Art. 1 EMRK).590 Lediglich die Entscheidung über die Art der Umsetzung des Menschen-rechtsschutzes wird den Vertragsstaaten überlassen.591 Im Katalog der Art. 2 ff. EMRK werden fundamentale Rechte und Freiheiten aufgeführt, wie etwa das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK), das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit (Art. 4 EMRK), das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5 EMRK), das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK), das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK) oder die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK). Die Menschenrechte der EMRK werden überwiegend als zu den innerstaatlichen Grundrechtsordnungen subsidiäre, subjektive Abwehr- bzw. Gewährleistungsrechte des Einzelnen aufgefasst.592 Dem Einzelnen wird insbesondere die Rechtsschutzmöglichkeit der sog. Individualbeschwerde (Art. 34 EMRK) beim zuständigen, eigens errichteten EGMR (Art. 19 ff. EMRK) als subjektives Recht eingeräumt.593 An die Urteile des EGMR sind die Gewalten der Vertragsstaaten gebunden (Art. 46 Abs. 1 EMRK).594 588  So etwa Hamm, Menschenrechte, S. 26 f. in Anlehnung an den Inhalt der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Teil 4, Fn. 606); siehe zudem die Begriffsbestimmung in Abgrenzung zu dem Begriff der Bürgerrechte bei Otto, FS Schünemann, S.  199 ff. 589  „Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ vom 22.10.2010, BGBl. II, S. 1198. 590  Mayer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Einleitung Rn. 12 ff.; Meyer-Ladewig, in: ders./Nettesheim/von Raumer, EMRK, Einleitung Rn. 32; Hecker, Europäisches Strafrecht, § 3 Rn. 21; Satzger, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 10. 591  BVerfG NJW 2004, S.  3407  ff.; Satzger, Internationales Strafrecht, §  11 Rn. 10; Meyer-Ladewig/Petzold, NJW 2005, S. 15 ff. 592  Dazu EGMR vom 16.06.2005 – Nr. 61631/00, Rn. 100 ff.; NJW 2017, S. 2715 Rn. 120 ff.; BVerfG NJW 2017, S. 53 (58); BVerwG NJW 2017, S. 2215; Hecker, Europäisches Strafrecht, § 3 Rn. 22; Safferling, Internationales Strafrecht, § 13 Rn. 29; Satzger, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 20, 28; Junker, EuZA 2018, S. 304 (312 f.). 593  EGMR, NJW 2016, S.  2243  ff.; Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 34 Rn. 1; Hecker, Europäisches Strafrecht, § 3 Rn. 23; Safferling, Internationales Strafrecht, § 13 Rn. 8; Satzger, in: SSW-StPO, Art. 34 EMRK Rn. 10.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Demgegenüber handelt es sich bei den Kernrechtsgütern des Außenwirtschaftsrechts ausschließlich um Universalrechtsgüter, also Rechtsgüter, hinter denen überindividuelle Schutzinteressen des Allgemeinwohls stehen. Dies wirft die Frage auf, ob durch die Politischen Grundsätze und die Zuverlässigkeitsgrundsätze der Schutz von Individualrechtsgütern Eingang in das Außenwirtschaftsrecht – und damit auch in die Außenwirtschaftsstrafrecht – gefunden hat.595 Bereits mit Blick auf das Genehmigungsrecht ist dies höchst fraglich, da die Politischen Grundsätze, wie soeben herausgearbeitet, als lediglich ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht in der Lage sind, den gesetzlich vorgesehenen Katalog der Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts in § 4 AWG rechtsverbindlich zu modifizieren. Darüber hinaus erscheint dies auch mit Blick auf die flankierenden Strafvorschriften der Ausfuhrdelikte höchst zweifelhaft, weil diese als abstrakte Gefährdungsdelikte596 konzipiert sind. Abstrakte Gefährdungsdelikte lassen für die Tatbestandsmäßigkeit bereits die Vornahme einer vom Gesetzgeber als abstrakt gefährlich eingestuften Verhaltensweise genügen, ohne den Eintritt eines konkreten Gefährdungs- bzw. Verletzungserfolgs hinsichtlich eines subjektiven Rechts vorauszusetzen. Mangels Individualisierung eines konkreten Tatopfers, sind sie regelmäßig nicht in der Lage, unmittelbar Schutzgüter des Einzelnen, wie z. B. dessen Leib, Leben, Freiheit, Eigentum oder Vermögen, zu schützen. Der Schutz von Individualrechtsgütern erfolgt allenfalls mittelbar.597 So wird etwa durch die Strafvorschrift zur Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB nach herrschender Meinung598 das Allgemeininteresse an lauteren, fairen Wettbewerbsbedingungen angesehen, wobei potentielle Vermögensinteressen von Mitbewerbern und Ge-

594  Dazu BVerfG NJW 1986, S. 1425  ff.; NJW 2004, S. 3407 ff.; Brunozzi, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 46 Rn. 14 ff.; Hecker, Euro­ päisches Strafrecht, § 3 Rn. 29 f. 595  Allgemein zur Rolle des Strafrechts als Instrument des Menschenrechtsschutzes Oehm, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 177 ff.; zur Frage von Compliance in Unternehmen als Instrument des Menschenrechtsschutzes von Busekist/Disic, in: Krajewski/Oehm/ Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 267 ff. 596  Siehe bereits S. 173 ff., 213 f., 365 ff. 597  Eingehend Roxin, Strafrecht AT/I, §  2 Rn.  79  ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S.  124 ff.; 255 ff.; Wohlers, Deliktstypen, S. 215 ff. 598  BGH NStZ 2012, S. 35 (38); Dannecker, in: NK-StGB, § 299 Rn. 5 ff. (insbesondere auch zur Differenzierung nach der Wettbewerbs- und der Pflichtverletzungsvariante); Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299 Rn. 1; Heine/Eisele, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 299 Rn. 3; Krick, in: MüKo-StGB, Bd. 5, Rn. 2; Rogall, in: SKStGB, Bd. 5, § 299 Rn. 7 ff.; Pragal, Korruption, S. 9; Rönnau, StV 2009, S. 302 (304 f.); eingehend auch Momsen/Laudien, in: BeckOK-StGB, § 299 Rn. 5 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab381

schäftsherren allenfalls daneben oder mittelbar erfasst werden.599 Vergleichbares gilt für den Straftatbestand der Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB, der mangels konkreten Gefährdungs- bzw. Verletzungserfolgs unmittelbar der allgemeinen Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und nur mittelbar dem Schutz individueller Persönlichkeitswerte verschrieben ist.600 Abstrakte Gefährdungsdelikte entwickeln so typischerweise einen Schutz­ reflex zugunsten von Individualrechtsgütern. In Betracht kommt damit also zumindest der reflexhafte Schutz der Menschenrechte durch die Ausfuhr­ delikte. Für das Genehmigungsrecht ist der zumindest mittelbare Schutz der Menschenrechte weitgehend anerkannt. Sowohl der Gesetzgeber601 als auch das überwiegende Schrifttum602 gehen davon aus, dass der Menschenrechtsschutz bereits in den anderen Kernrechtsgütern des Außenwirtschaftsrechts – allen voran den auswärtigen Beziehungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG – aufgeht. Insbesondere hielt es der Gesetzgeber im Rahmen der AWG-Novelle von 2013 nicht für erforderlich, die Menschenrechtsgüter ausdrücklich in den Katalog der Kernrechtsgüter des § 4 AWG aufzunehmen.603 Die Achtung der Menschenrechte werde über § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG n. F. (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG a. F.) berücksichtigt.604 Die Bundesrepublik Deutschland habe sich in zahlreichen internationalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet.605 Insbesondere die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der

599  Zum umgekehrten Fall sei auf den Kreditbetrug (§ 265b StGB) verwiesen, als dessen unmittelbar geschütztes Rechtsgut aufgrund seiner Natur als Betrugsderivat überwiegend das Vermögen des Kreditgebers angesehen wird, während die Funk­ tionsfähigkeit des Kreditwesens als solche lediglich ein Reflex des Individualschutzes sei, siehe BGH StV 2015, S. 435; OLG Celle wistra 1991, S. 359; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rn. 1; Hellmann, in: NK-StGB, § 265b Rn. 9; Momsen, in: BeckOK-StGB, § 265b Rn. 3; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 265b Rn. 3; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT, Rn. 197. 600  BayObLG NVZ 1992, S. 453; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 316 Rn. 1; Pegel, in: MüKo-StGB, Bd. 5, § 316 Rn. 1; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 316 Rn. 1; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 140. 601  BTDrucks 17/11127, S. 21. 602  Krämer, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, § 4 Rn. 20; Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 Rn. 10; Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 21 f.; Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 74; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 4 AWG Rn. 7; wohl auch Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 23 Rn. 53; ders., wistra 2000, S. 441 (448). 603  Dazu Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 73. 604  BTDrucks 17/11127, S. 21. 605  BTDrucks 17/11127, S. 21.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Generalversammlung der UN vom 10.12.1948606 und der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 08.12.2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgüter607 geböten den Mitgliedstaaten, die Achtung der Menschenrechte durch das Endbestimmungsland bei jeder Entscheidung über die Ausfuhr von Rüstungsgütern zu berücksichtigen.608 Ein Argument für die Verortung der Menschenrechte beim Kernrechtsgut der auswärtigen Beziehungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG besteht folglich in der vom Gesetzgeber befürchteten erheblichen Störung des europäischen bzw. internationalen Bündnissystems oder den diplomatischen Beziehungen, die eine Nichtbeachtung der Menschenrechte durch die Bundesrepublik Deutschland zur Folge hätte.609 Deutschland dürfe seine Glaubwürdigkeit als wichtigstes außenpolitisches Kapital nicht aufs Spiel setzen.610 Der Schutz der Menschenrechte durch das Außenwirtschaftsrecht erfolgt danach mittelbar durch den Schutz der auswärtigen Beziehungen.611 Als weiteres Argument gegen die explizite Erwähnung der Menschenrechte als Kernrechtsgut wird darauf verwiesen, dass der Gemeinsame Standpunkt bereits durch die Politischen Grundsätze der Bundesregierung umgesetzt worden ist.612 Die dortigen komplexen Abwägungsregeln könnten nicht unmittelbar in das AWG übernommen werden, ohne dessen Rahmen gänzlich zu sprengen und das Ziel der Novelle, das Außenwirtschaftsrecht zu entschlacken und übersichtlicher zu gestalten, zu konterkarieren.613 Zudem wäre die Übernahme dieser Regelungen in das AWG angesichts ihrer Komplexität nicht mit einem Zugewinn an Rechtssicherheit verbunden. Hiernach unterblieb die fehlende Erwähnung der Menschenrechte also nicht zuletzt auch aus gesetzestechnischen Gründen. Im überwiegenden Schrifttum wird der Schutz der Menschenrechte aus den oben genannten Gründen ebenfalls als Facette der der auswärtigen Beziehungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG angesehen.614 Simonsen kritisiert 606  A/RES/217

A (III). L 335 vom 13.12.2008, S. 99; dazu Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 12 Dual-Use-VO ­ Rn.  3 ff. 608  BTDrucks 17/11127, S. 21 unter zusätzlichem Verweis auf Art. 12 Abs. 1 lit. c Dual-Use-VO, der explizit auf den Gemeinsamen Standpunkt Bezug nehme. 609  Vgl. Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 73. 610  Vgl. Bieneck/Schaefer, wistra 2011, S. 89 (94); Safferling, NStZ 2009, S. 604 (608). 611  Siehe auch Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447). 612  BTDrucks 17/11127, S. 21. 613  BTDrucks 17/11127, S. 22. 607  ABl



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab383

allerdings, dass die vom Gesetzgeber zitierten Quellen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Gemeinsamen Standpunkts lediglich Richtliniencharakter haben.615 Nicht nur für den Rechtsadressaten, sondern auch die interessierte Öffentlichkeit sei kaum nachzuvollziehen, dass sich in dem Kriterium der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland auch das Menschenrechtekriterium verbergen soll.616 Dem kann noch entgegengehalten werden, dass neben die vom Gesetzgeber genannten Abkommen jedenfalls der umfangreiche Menschenrechtekatalog und die Rechtsschutzmöglichkeiten der EMRK treten, die zumindest hinsichtlich der Frage nach dem „Ob“ der Gewährleistung von Menschenrechten in allen Vertragsstaaten verbindlich gilt.617 Schwerer wiegt – gerade mit Blick auf die Ausfuhrdelikte – der Einwand, der Vorhersehbarkeit zusätzlicher Entscheidungsgesichtspunkte, die der Einbezug der Menschenrechte bei der Beurteilung der auswärtigen Beziehungen möglicherweise mit sich bringt. Führt man sich vor Augen, dass der Schutzzweck einer Vorschrift für die teleologische Auslegung der Tatbestandsmerkmale maßgeblich wird618, scheint die der Lex-certa-Garantie des Bestimmtheitsgebots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG immanente Forderung nach der Vorhersehbarkeit von Strafe nicht mehr gewährleistet.619 Vergleichbare Bedenken äußerte vor der AWG-Novelle von 2013 auch Bieneck, der insbesondere auf die viel diskutierte verfassungsrechtlich pro­ blematische Weite des Kernrechtsguts der auswärtigen Beziehungen hinwies.620 So sei insbesondere die Vereinbarkeit des äußerst unbestimmten Begriffs der auswärtigen Beziehungen in der Eignungsklausel der Strafvorschrift des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG a. F. mit dem Bestimmtheitsgebot in Zweifel gezogen worden.621 Es sei daher fraglich, ob der Begriff der auswärtigen 614  Krämer, in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, §  4 AWG Rn.  20; Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 4 AWG Rn. 7; Wagner, in: MüKo-StGB, Bd. 7, § 18 AWG Rn. 91; wohl auch Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 21 f.; sich auf keines der Kernrechtsgüter beschränkend Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 17 Rn. 10. 615  Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 73. 616  Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 73. 617  Vgl. die Nachweise in Teil 4, Fn. 594; dazu auch Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 21. 618  Siehe S.  173 ff. 619  Vgl. BVerfG NJW 1993, S. 1909 (1910). 620  Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447); ders./Schaefer, wistra 2011, S. 89 (94). 621  Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447) unter Verweis auf Herzog, wistra 2000, S. 41 sowie Hucko, in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle, S. 61 (66); siehe zudem Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 29 Rn. 13; ders./­

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Beziehungen wirklich strafrechtlich so weit auszulegen ist, dass er auch noch zusätzlich die Wahrung der Menschenrechte einschließt.622 Die Ausführungen Bienecks sind freilich insoweit nicht mehr zeitgemäß, als die Eignungsklausel in § 34 Abs. 2 AWG a. F. infolge der AWG-Novelle von 2013 restlos gestrichen wurde. Mit Blick auf die nach wie vor bestehende Unbestimmtheit der auswärtigen Beziehungen in § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG n. F., die immer noch herrschend als Schutzgut der Ausfuhrdelikte der §§ 17 ff. AWG n. F. angesehen werden, bleibt der Einwand jedoch nach wie vor berechtigt. Auch das BVerfG, das stets von der Verfassungsgemäßheit des unbestimmten Rechtsbegriffs der auswärtigen Beziehungen ausging623, meldete zwischenzeitlich in einem Obiter Dictum Zweifel an.624 Das Merkmal sei im Rahmen des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG a. F. verfassungsrechtlich problematisch, da es sich auf eine praktisch nicht überschaubare Vielfalt von Beziehungen erstrecke, womit die möglichen Anlässe einer Beschränkungsmaßnahme uferlos zu werden drohten.625 Mit der tatbestandlichen Weite bewege sich der Gesetzgeber nur deshalb noch im Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen, weil eine von Verfassungs wegen gebotene enge konkretisierende Auslegung das Ausufern verhindern könne.626 Die Notwendigkeit zur restriktiven Auslegung bestehe wegen des einschränkenden Merkmals der Erheblichkeit der Störung sogar in doppelter Hinsicht.627 Das verfassungsrechtliche Gebot einer restriktiven Auslegung des Merkmals der auswärtigen Beziehungen verbietet demnach mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG die Modifizierung dieses Kernrechtsguts durch zusätzliche ungeSchaefer, wistra 2011, S. 89 (94); Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 18; Sieg/Fahning/Kölling, AWG, § 7 Anmerkung III Rn. 4. 622  Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447). 623  BVerfG NJW 1992, S. 2624; NJW 1993, S. 1909 ff. Als Argument wurde in beiden Entscheidungen auf die Komplexität internationaler Beziehungen und die damit einhergehende schwere Vorhersehbarkeit außenpolitischer Entwicklungen sowie die Einschätzungsprärogative der Ausfuhrbehörden hingewiesen. 624  BVerfG NJW 2004, S. 2213 (2219); in Anschluss daran BGH NJW 2009, S. 1681 (1682). 625  BVerfG NJW 2004, S. 2213 (2219); aufgegriffen durch BGH NJW 2009, S. 1681 (1682) sowie den Gesetzgeber in der Begründung zur AWG-Novelle von 2013: Die Bedenken der Rechtsprechung hinsichtlich der Bestimmtheit des Merkmals der erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen werden dort als Grund für die Streichung der Eignungsklausel in § 34 Abs. 2 AWG a. F. genannt, siehe BTDrucks 11/11127, S. 25. 626  BVerfG NJW 1993, S. 1909 (1910); BGH NJW 2009, S. 1681 (1682); Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Nebenstrafrecht, § 34 AWG a. F. Rn. 18; Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 29 Rn. 13; ders./Schaefer, wistra 2011, S. 89 (94); Safferling, NStZ 2009, S. 604 (606). 627  BGH NJW 2009, S. 1681 (1682); siehe auch Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, § 4 AWG Rn. 68.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab385

schriebene Belange. Wenn der Schutz der Menschenrechte also in den auswärtigen Beziehungen aufgehen (sprich: vollständig enthalten sein) soll, fragt sich, worin er überhaupt noch bestehen kann. Für das Genehmigungsrecht stellen die Politischen Grundsätze klar, dass der Schutz der Menschenrechte ein zwingend zu berücksichtigendes Entscheidungskriterium bildet, das bei Prognose- bzw. Ermessensentscheidungen gleichberechtigt neben die übrigen Rechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts treten muss. Insoweit dürfte von einer vergleichbaren Einschätzungsprärogative der Ausfuhrbehörden auszugehen sein, wie jene bei der Auslegung der übrigen Kernrechtsgüter.628 Da die anderen beiden Schutzgüter der Trias, die Sicherheitsinteressen und der Frieden der Völker, bereits den sicherheitsrechtlichen bzw. militärischen Aspekt von Rüstungsexporten mit Blick auf nationale und völkerrechtliche Belange abdecken, verbleibt für den Aspekt der Menschenrechte nur dort Raum, wo es um den Schutz von Personengruppen, wie die der Zivilbevölkerung, Menschenrechtsaktivisten, von politischen oder militärisch Verfolgten sowie Gefangenen geht.629 Dafür spricht vor allem auch der Würdegehalt der Menschenrechte, dem innewohnt, dass Menschen nicht zum Objekt staatlicher Gewalt degradiert werden dürfen.630 Klassischerweise wird deshalb dort von Menschenrechtsverletzungen gesprochen, wo Rüstungsgüter von totalitären Staaten politisch zur Unterdrückung von Personen herangezogen oder demokratische Grundprinzipien missachtet werden.631 Mit § 18 Abs. 4 AWG existiert sogar ein Straftatbestand, der ausdrücklich die unerlaubte Ausfuhr von offensichtlich menschenrechtsgefährdenden Gütern sanktioniert. Die Vorschrift stellt Verstöße gegen die Anti-Folter-VO unter Strafe, die durch die Ausfuhr von Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher 628  Siehe zum Beurteilungsspielraum bzw. zur Einschätzungsprärogative der Ausfuhrbehörden hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe des Außenwirtschaftsrechts S.  67 ff. 629  Vgl. den dritten ErwGr. („Grundrechte“) des Entwurfs zur Neufassung der Dual-Use-VO, COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD). 630  Vgl. allgemein zur sog. Objektformel des BVerfG in Bezug auf die Menschenwürde BVerfG NJW 1971, S. 275 (282); NJW 2004, S. 999 (1001 f.); NJW 2017, S. 611 (620); Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 38 ff.; Hillgruber, in: BeckOKGG, Art. 1 Rn. 12 ff. 631  Siehe den Dritten Bericht (vom 12.12.1995, BTDrucks 13/3312, S. 41) und den Vierten Bericht (vom 29.10.1997, BTDrucks 13/8861, S. 31) der Bundesregierung über die Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen; dazu auch Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 21; siehe auch politische die Diskussion um den Menschenrechtsaspekt der neugefassten Dual-Use-VO, zusammengefasst von Willmann-Lemcke, AW-Prax 2018, S. 77 (78); zu Menschenrechten im Zusammenhang mit Cyberwar, Internet und Überwachungstechnologie Pietsch, in: Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle, S. 527 (541 f.).

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oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden können.632 Mit Todesstrafe und Folter werden allgemein anerkannte633 Menschenrechtsaspekte explizit angesprochen, die zugleich der primäre Erwägungsgrund für den Erlass der Anti-Folter-VO waren.634 Dies bedeutet indessen keinesfalls, dass ausschließlich die Ausfuhr von Galgen, Fallbeilen, elektrischen Stühlen, Elektroschlagstöcken, Daumenschrauben oder Fußfesseln635 Menschenrechtsbezug aufweist636; vielmehr kann auch der Export von Leopard II Panzern als originäre Kriegswaffen die Menschenrechte verletzen, wenn Letztgenannte systematisch gegen die Zivilbevölkerung eines vom Bürgerkrieg erschütterten Landes zum Einsatz kommen.637 So hat etwa auch das BAFA im sog. Venezuela-Fall die Ausfuhr von Waffenersatzteilen für herkömmliche Jagd- und Sportwaffen nach Venezuela als erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen gewertet, weil es mit Blick auf die innenpolitische Lage des Landes davon ausging, dass infolge des Exports mehr Schusswaffen bei der Repression politischer Demonstrationen zum Einsatz kommen würden, was wiederum dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland erheblichen Schaden zugefügt hätte.638 Derartige Exporte weisen sowohl einen unmittelbaren Bezug zu den auswärtigen Beziehungen als auch einen zumindest mittelbaren Bezug zum abstrakten Schutz von Menschenrechten auf. Anders liegt es freilich, wenn Menschenrechte betroffen sind, die nicht notwendig einen direkten Bezug zur Ausfuhr von Rüstungsgütern aufweisen, wie etwa der Gleichbehandlung von Mann und Frau.639 Die Verletzung die632  Zu den Einzelheiten Nestler, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 18 Rn. 48 ff. 633  Siehe nur Art. 2 Abs. 1 Satz 2, 3 EMRK, 2 Abs. 2, 4 GRCh, 6 Abs. 2, 7 Satz 1 IPBPR. Zur Verbindlichkeit der GRCh Jarass, GRCh, Einleitung Rn. 17 ff.; zum IPBPR Hofmann, in: Nomos-Erläuterungen, Internationaler Pakt, Einleitung „2. Das Rechtsschutzsystem des Pakts“; Kersten, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 102 Rn. 57 f. 634  Siehe ErwGr. 1 der Anti-Folter-VO. 635  Siehe Anhang II, III der Anti-Folter-VO. 636  So etwa Sauer, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 7 AWG a. F. Rn. 22; Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447). 637  Siehe nur das türkische Vorgehen bei der Offensive im Norden Syriens unter Einsatz deutscher Waffensysteme, dazu Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.01.2018, abrufbar unter: http://www.faz.net/-gpg-96gtn; a. A. augenscheinlich Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447). 638  BAFA (unveröffentlicht) zitiert nach dazu Pottmeyer, AW-Prax 1996, S. 244 f. Das VG Frankfurt a. M. verpflichtete daraufhin das BAFA dennoch zur Genehmigungserteilung, weil es die tatsächliche politische Lage in Venezuela und die Auswirkungen des betreffenden Exports als deutlich weniger bedenklich für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erachtete; siehe VG Frankfurt a. M. vom 25.01.1996 – 1 E 1218/93 (unveröffentlicht), zitiert nach Pottmeyer, AW-Prax 1996, S. 244 (245). 639  Beispiel von Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447).



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ses Menschenrechts erfordert als Ursache nicht zwingend einen vorausgegangenen Rüstungsexport, weshalb es auch regelmäßig am hinreichenden Verdacht im Sinne der Politischen Grundsätze640 fehlen wird, dass der betreffende Rüstungsexport zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht wird. Dies bedeutet mit Blick auf die Ausfuhrdelikte, dass ohne entsprechende gesetzliche Klarstellung kein weitergehender Menschenrechtsschutz als der des Genehmigungsrechts abgedeckt sein kann. Sowohl über das Genehmigungsrecht als auch über die Ausfuhrdelikte lassen sich daher – vermittelt durch den Schutz der auswärtigen Beziehungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG – allenfalls Aspekte des Menschenrechtsschutzes erfassen, die einen Kausalzusammenhang641 bzw. spezifisch-außenwirtschaftsrechtlichem Bezug aufweisen. Will der Gesetzgeber darüber hinaus zusätzliche Belange der Menschenrechte durch das (Außenwirtschafts-) Strafrecht schützen, müsste er diese ausdrücklich in das Gesetz aufnehmen.642 Die an das Gefahrschaffungsmoment des Grenztransfers von Rüs640  Konkret

Nr. 3 der Allgemeinen Prinzipen. Bieneck, wistra 2000, S. 441 (447 f.). 642  Simonsen, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, §  4 AWG Rn. 74; Bieneck, wistra 2000, S. 441 (448). Bei der europäisch geprägten Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern finden sich Aspekte des Menschenrechtsschutzes verstärkt auch im formellen Recht wieder. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Dual-Use-VO kann beispielsweise ein Mitgliedstaat die Ausfuhr von bestimmten nichtgelisteten DualUse-Gütern aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus Menschenrechtserwägungen untersagen oder hierfür eine Genehmigungspflicht vorschreiben; dazu Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 8 Dual-Use-VO Rn. 5; Tanneberger, GewArch 2013, S. 384 (388 f.). Einen weiteren Schritt in diese Richtung geht der europäische Gesetzgeber in seinem jüngsten Entwurf zur Neufassung der Dual-Use-VO, dem COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD). Die allgemeine Begriffsbestimmung für „Güter mit doppeltem Verwendungszweck“ in Art. 2 Nr. 1 Dual-Use-VO n. F. wird hiernach explizit um „Technologie für digitale Überwachung“ (sog. Cyber-Überwachungstechnologie, dazu Haellmigk, AW-Prax 2017, S. 51 f.) erweitert, die für die Begehung schwerwiegender Verletzungen der Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts verwendet werden, siehe Art. 2 Abs. 1 lit. b Dual-Use-VO n. F., COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD). „Technologie für digitale Überwachung“ soll künftig gemäß Art. 2 Abs. 21 Satz 1 Dual-Use-VO n. F. definiert werden als Güter, die besonders dafür konstruiert sind, das unbemerkte Eindringen in Informations- und Telekommunika­ tionssysteme zu ermöglichen, um Daten zu überwachen, zu extrahieren, zu sammeln und zu analysieren und/oder das betreffende System betriebsunfähig zu machen oder zu beschädigen. Gemäß Art. 2 Abs. 21 Satz 2 Dual-Use-VO n. F. werden hiervon unter anderem Güter mit der Technologie und Ausrüstung zum Abhören von mobiler Telekommunikation oder zur Vorratsdatenspeicherung umfasst, dazu auch Hohmann, AW-Prax 2017, S. 73; Vischer/Witte, AW-Prax 2017, S. 37 (39). Im dritten ErwGr. „Grundrechte“ des COM(2016) 616 final – 2016/0295 (COD) wird insoweit ausgeführt, dass die Neufassung der Kontrolle der Ausfuhr von Technologien für digitale Überwachung dazu dienen soll, grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf 641  So

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

tungsgütern anknüpfenden Aspekte des Menschenrechtsschutzes werden jedoch tatsächlich mittelbar vom Kernrechtsgut der auswärtigen Beziehungen und damit auch von den Ausfuhrdelikten erfasst. Soweit die auswärtigen Beziehungen durch auf einen Rüstungsexport zurückgehende Menschenrechtsverletzungen erheblich gestört werden, besteht Schutzzweckidentität zwischen Genehmigungsrecht und Ausfuhrdelikten. dd) Zwischenergebnis Die vorangegangenen Ausführungen belegen die Schutzzweckidentität zwischen den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und den Ausfuhrdelikten. Dies betrifft sowohl die formal-gesetzlich aufgeführten Kernrechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts in § 4 AWG als auch deren reflexhafte Schutzwirkung hinsichtlich des staatlichen Genehmigungsvorbehalts sowie der Menschenrechte. Bezüglich der Menschenrechte ist lediglich – sowohl für das Genehmigungsrecht als auch für die Ausfuhrdelikte – die Einschränkung zu machen, dass de lege lata überhaupt nur Menschenrechtsaspekte in den Kernrechtsgütern, insbesondere den auswärtigen Beziehungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG, aufgehen können, die einen spezifisch-außenwirtschaftsrecht­ lichen Bezug aufweisen. Betroffen sind damit nur Belange, die durch den unerlaubten Grenztranstransfer von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern tangiert werden. Diese lassen sich – mittelbar – auch durch die Ausfuhrdelikte schützen. Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass der Tatrichter mit Blick auf den Schutzzweck der Zuverlässigkeitsgrundsätze nicht daran gehindert ist, Letztgenannte bei der Interpretation der normativen Tatbestandsmerkmale der Ausfuhrdelikte zu berücksichtigen. Sieht man die Schutzzweck­ identität mit der herrschenden Meinung wegen der Rechtsgüterschutzaufgabe des Strafrechts als besonders gewichtiges Indiz für die Berücksichtigung von Sondernormen an, so spricht sogar vieles dafür, dass sich der Tatrichter von den Sorgfaltspflichten des Ausfuhrverantwortlichen anhand der ZuverlässigPrivatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit sowie, indirekt, die Freiheit von willkür­ licher Verhaftung und Inhaftierung oder das Recht auf Leben zu schützen. Hinzu tritt mit § 4 Abs. 1 lit. d Dual-Use-VO n. F. eine entsprechende Catch-All-Klausel, die eine Genehmigungspflicht für nicht gelistete Dual-Use-Güter vorsieht, die zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen verwendet werden können, siehe dazu Willmann-Lemcke, AW-Prax 2018, S. 77 (78). Bedenkt man, dass Verstöße gegen die Catch-All-Klauseln der Dual-Use-VO de lege lata gemäß § 18 Abs. 5 AWG mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren sanktioniert werden können, ist anzunehmen, dass der Schutz der Menschenrechte durch die Ausfuhrdelikte künftig noch erheblichen Diskussionsstoff liefern wird.



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keitsgrundsätze überzeugt. Ob Vergleichbares auch für das ICP-Merkblatt gelten kann, muss im Folgenden geklärt werden. b) Schutzzweckidentität zwischen Ausfuhrdelikten und ICP-Merkblatt In der Vorbemerkung des ICP-Merkblatts bezeichnet es das BAFA als eine der drängendsten Herausforderung unserer Gegenwart, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation) zu verhindern.643 Realität sei allerdings, dass eine Reihe von Ländern danach strebt, Massenvernichtungswaffen zu erwerben, selbst herzustellen oder an andere Staaten zu verkaufen. Diese Bedrohung gehe auch Unternehmen an, die womöglich unbewusst einem Beschaffungsprogramm zuarbeiten oder Opfer einer Beschaffungsaktion werden. Durch das Proliferationsrisiko sind grundsätzlich die Kernrechtsgüter des Außenwirtschaftsrechts, insbesondere die Schutzgüter der „ursprünglichen Trias“, angesprochen. Wie gesehen, dient das Außenwirtschaftsrecht einschließlich der Ausfuhrdelikte dem Schutz von Universalrechtsgütern, die durch den Grenztransfer von rüstungsrelevanten Gütern abstrakt gefährdet werden. Auffällig ist, dass das BAFA diese Güter im ICP-Merkblatt augenscheinlich auf „Massenvernichtungswaffen“ beschränken will. Eine Definition liefert das BAFA nicht, jedoch werden unter den Begriff „Massenvernichtungswaffe“ allgemein nur atomare, biologische und chemische Waffen (ABC-Waffen) gefasst, die in der Lage sind, eine große Zahl von Personen zu verletzen oder zu töten.644 Gemeint sind also Kampfmittel, wie Kernwaffen, Giftgase oder bakterielle Seuchen. In diesem Bereich besteht typischerweise ein hohes Dual-Use-Risiko, da zahlreiche originär zivil genutzte Komponenten, wie etwa Metalle, Chemikalien oder Biostoffe, für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen missbraucht werden können.645 Dieses Risiko will das BAFA im ICP-Merkblatt zweifellos besonders herausstellen. Der Schutz der Ausfuhrdelikte setzt demgegenüber bei der Verhinderung der Proliferation von Waffen und Rüstungsgütern jeder Art an. Insbesondere wird bereits die unerlaubte Ausfuhr „einfacher“ Handfeuerwaffen oder von Militärfahrzeugen (§ 18 Abs. 2 AWG) strafrechtlich sanktioniert – ganz zu schweigen von Antipersonenminen (§ 20a Abs. 1 Nr. 1 KWKG) oder sonstigen Kriegswaffen, wie z. B. Kampfpanzern (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 KWKG). Ge643  BAFA,

ICP-Merkblatt, S. 3. VölkerR, § 54 Rn. 13 ff.; Pfeil, in: Grützner/Jakob, Compliance A–Z, „Massenvernichtungswaffen“; siehe ferner Bothe, in: Vitzthum/Proelß, VölkerR, S.  637 ff. 645  Siehe bereits Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO, dazu Karpenstein/Kottmann, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschaftsrecht/Zollrecht, Art. 4 Dual-UseVO Rn.  9 ff. 644  Ipsen,

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gen die Beschränkung des ICP-Merkblatts auf Massenvernichtungswaffen spricht indessen erstens, dass das BAFA – ebenfalls in der Vorbemerkung des ICP-Merkblatts – auf den europäischen Rechtsrahmen verweist, der allgemein zur „Kontrolle der Ausfuhr kritischer Güter in sensitive Länder“ verpflichte646, wozu bei Weitem nicht nur ABC-Waffen zählen. Zweitens wird im Übrigen auf die gesetzlichen Grundlagen verwiesen, die grundsätzlich für die Ausfuhr aller genehmigungsbedürftigen Rüstungsgüter gelten, nicht nur für Massenvernichtungswaffen.647 Drittens kann eine dahingehende Beschränkung schon nicht dem Gefahrenabwehrinteresse des BAFA gerecht werden, da das ICP-Merkblatt vor allem einen Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen648 bieten soll, die verbreitet mit gelisteten Gütern abseits von ABC-Waffen und Dual-Use-Gütern handeln.649 Wie die Ausfuhrdelikte betrifft auch das ICP-Merkblatt folglich grundsätzlich die Proliferation von rüstungsrelevanten Gütern aller Art. An der Schutzzweckidentität der Ausfuhrdelikte und des ICP-Merkblatts lässt sich jedoch aus einem anderen Grund zweifeln. Das ICP-Merkblatt führt den Unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortlichen nicht nur die Risiken für die universellen Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts vor Augen, sondern macht insbesondere auch auf die individuellen Risiken für Unternehmen und deren verantwortliche Personen aufmerksam. Im Vordergrund steht freilich der rechtliche Aspekt. Dem Leser wird sowohl die genehmigungsrechtliche Dimension der Rechtstreue als auch deren straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Kehrseite vor Augen geführt. Nur wer die Bestimmungen des Außenwirtschaftsrechts durch ein wirksames ICP sicherstelle, komme in den Genuss von Einzel- bzw. Sammelgenehmigungen oder erhalte ein Zertifikat im Sinne der Verteidigungsgüter-RL.650 Komme es zu entsprechenden Zuwiderhandlungen, drohe natürlichen Personen die Sanktion durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht.651 In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die strafrechtliche Unterlassungsstrafbarkeit auch für Rechtsverstöße durch Mitarbeiter und die Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Betriebsinhaber gemäß § 130 OWiG hingewiesen. In Bezug auf das Unternehmen als solches wird zum einen die Möglichkeit der Einziehung von Taterträgen auch bei diesem gemäß §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nach dem sog. Bruttoprinzip aufgezeigt, nach dem der gesamte 646  BAFA,

ICP-Merkblatt, S. 3. nur BAFA, ICP-Merkblatt, S. 4 (§ 8 Abs. 2 AWG), 11 (§ 2 AWV). 648  Siehe zum Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen Teil 3, Fn. 42. 649  Siehe nur die Exportgüter im Flinten-Fall (S. 266 ff.); im Geländewagen-Fall (S. 159 ff.) sowie im Venezuela-Fall (Teil 4, Fn. 638). 650  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 10  f.; siehe dazu ferner S. 88 ff.; dazu eingehend Merz, FS Wolffgang, S. 83 (106 ff.). 651  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 7. 647  Siehe



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab391

Kaufpreis und nicht nur der Unternehmensgewinn eingezogen werde.652 Zum anderen wird die Unternehmensgeldbuße gemäß §§ 30 Abs. 1, 9 OWiG genannt, die z. B. an eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 130 OWiG anknüpfen und ein Unternehmen finanziell empfindlich treffen könne. Aber nicht nur auf die rechtlichen Konsequenzen wird hingewiesen. Das ICP-Merkblatt unterstreicht vor allem auch die wirtschaftliche Bedeutung eines wirksamen ICP.653 Neben den soeben dargestellten vermögensrelevanten Rechtsfolgen im Fall von Rechtsverstößen wird insbesondere auf die Kosten durch Fehlinvestitionen hingewiesen, die entstünden, wenn beispielsweise mit Geschäftspartnern verhandelt oder bereits produziert werde, ohne dass zuvor daran gedacht wird, dass die Ausfuhr des betreffenden Gutes verboten oder offenkundig nicht genehmigungsfähig ist. Es koste „unnütz Zeit und Geld“, wenn das Vorhaben abgebrochen werden muss.654 Zusätzlich wird auf den drohenden Reputationsverlust hingewiesen.655 Tatsächliche oder auch nur vermeintliche „Exportskandale“ würden nicht nur von den Behörden, sondern auch von den Medien aufgriffen und von einer kritischen Öffentlichkeit gegebenenfalls auch im Ausland aufmerksam verfolgt.656 Wer in den Verdacht gerate, illegal auszuführen, könne bereits zum „schwarzen Schaf“ im Auslandsgeschäft gebrandmarkt werden.657 Derartige Bericht­ erstattung habe unter Umständen sogar Folgen für die gesamte deutsche Wirtschaft. Obwohl mit der gesamten deutschen Wirtschaft zum Schluss ein überindividueller Belang des Allgemeinwohls, nämlich jener der auswärtigen Beziehungen, angesprochen ist, könnte der Verdacht gehegt werden, dass das ICP-Merkblatt zugleich der rechtlichen Integrität sowie insbesondere den individuellen finanziellen und ideellen Interessen von Unternehmen ver652  Dazu mit spezifisch außenwirtschaftsstrafrechtlichem Bezug Morweiser, FS Wolffgang, S. 123 (124 ff.); allgemein auch Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 73b Rn.  4 ff.; Mitsch, in: KK-OWiG, § 29a Rn. 17 ff.; zum sog. Bruttoprinzip BGH NStZ 2018, S. 459; OLG Oldenburg vom 09.06.2016 – 2 Ss (OWi) 110/16, Rn. 3 ff., zitiert nach juris; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 73 Rn. 4; Mitsch, NZWiSt 2017, S. 338 (340 ff.); Rönnau/Begemeier, GA 2017, S. 1 ff. 653  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 9. 654  Plakativer noch BAFA, ICP-Merkblatt1, S. 7: „Sparen Sie Ärger, Zeit und Geld – prüfen Sie mit Hilfe ihres ICP so früh wie möglich, ob das Vorhaben, das Sie ins Auge fassen, mit dem Exportkontrollrecht vereinbar ist!“ 655  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 6, 9; siehe auch Meyer, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 19 Rn. 125. 656  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 9. 657  In der Vorauflage des aktuellen ICP-Merkblatts wandte sich das BAFA abermals direkt an die Unternehmen: „Schützen Sie den guten Ruf Ihres Unternehmens und der deutschen Exportwirtschaft vor Negativschlagzeilen mithilfe eines ICP!“, siehe BAFA, ICP-Merkblatt1, S. 4.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

pflichtet sein soll. Solche Individualinteressen werden durch die Ausfuhr­ delikte unmittelbar nicht geschützt. Plausibler erscheint es dagegen, dass das BAFA privaten Unternehmen die gravierenden rechtlichen und wirtschaft­ lichen Folgen von Zuwiderhandlungen gegen das Außenwirtschaftsrecht deshalb aufzeigt, um faktisch den Druck zu erhöhen, sich an der gemeinsamen Exportkontrolle zu beteiligen. Zwar geht es dem BAFA um eine „enge, vertrauensvolle und transparente Zusammenarbeit zwischen Industrie und Behörden, um das gemeinsame Ziel [der Proliferationsverhinderung] zu errei­chen“658. Jedoch sitzt aufgrund des staatlichen Genehmigungsvorbehalts und der Möglichkeit, interne Außenwirtschafts bzw. Zuverlässigkeitsprüfungen anzuordnen, schlussendlich stets das BAFA „am längeren Hebel“. Dazu betrachtet man beim BAFA die Eigenverantwortung von Unternehmen bei der Exportkontrolle als „Grundprinzip“659. Weder maßt man sich an, Unternehmen ein konkretes ICP vorzuschreiben660, noch sich gar in die sonstige Unternehmenspolitik einzumischen. Mit der Freiheit und Eigenverantwortung im Außenwirtschaftsverkehr erwachse jedoch spiegelbildlich die Pflicht, sich über entsprechende Beschränkungen zu informieren.661 Das Vor-Augen-Führen der Konsequenzen von Zuwiderhandlungen gegen diese Beschränkungen muss vor diesem Hintergrund damit eher als Erinnerung an die eigene exportkontrollrechtliche Verantwortung aufgrund faktischer Aufgabenzuweisung, als ein gut gemeinter Ratschlag im Unternehmensinteresse verstanden werden. Wohlgemerkt: Aus Sicht der Ausfuhrbehörden schaffen Exportunternehmen gerade die Gefahren für die Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts.662 Damit ist davon auszugehen, dass das ICP-Merkblatt den gleichen Schutzgütern Rechnung tragen soll, wie die Ausfuhrdelikte. Auch insoweit besteht mithin die für die Berücksichtigung als Sondernorm erforderliche Schutzzweckidentität mit den einschlägigen Strafnormen. c) Zwischenergebnis Sowohl die Zuverlässigkeitsgrundsätze als auch das ICP-Merkblatt dienen denselben Schutzgütern wie die Ausfuhrdelikte. Auch wenn die Vorschriftenkomplexe von drei unterschiedlichen Normsetzern stammen, liegt ihnen ein einheitliches Schutzkonzept zugrunde. Als Gründe für die Schutzzweckidentität wurde in erster Linie die Ausgestaltung der Ausfuhrdelikte als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgemacht. Diese Deliktsnatur führt zum einen zum 658  BAFA,

ICP-Merkblatt, S. 3. Seiten des BAFA Beutel/Pietsch, AW-Prax 2018, S. 73. 660  Zu den Mindestanforderungen jedoch S. 268 ff. 661  BAFA, ICP-Merkblatt, S. 3. 662  Siehe bereits S. 207 ff. 659  Von



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab393

vorrangigen Schutz von Allgemeinrechtsgütern und allenfalls mittelbarem Individualrechtsschutz. Zum anderen setzt die Straf- bzw. Ahndbarkeit bereits unmittelbar am Verstoß gegen das Genehmigungsrecht an, was den Charakter der Ausfuhrdelikte als „Präventionsstrafrecht“663 unterstreicht und sie insoweit unter Schutzzweckgesichtspunkten an die Regelungsmaterie des Genehmigungsrechts annähern muss, dem die Gefahrenprävention immanent ist. Für die strafrechtliche Verantwortlichkeit bedeutet dies, dass die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen bei der richterlichen Überzeugungsbildung den Referenzmaßstab legen dürfen. Der Tatrichter ist zwar keinesfalls an die dort getroffenen Wertungen gebunden, jedoch spricht unter Schutzzweckgesichtspunkten nichts gegen deren Berücksichtigung. Damit könnte einzig die Verfassungswidrigkeit der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen dessen faktisch gesteigerte strafrechtliche Verantwortlichkeit in Frage stellen. 5. Verfassungsmäßigkeit Als Argument gegen die Berücksichtigung von Sondernormen durch den Tatrichter wird schließlich deren verfassungsrechtliche Bedenklichkeit angeführt. Es dürften keine verfassungswidrigen Regelungen zur Begründung der strafrechtsrelevanten Pflichtwidrigkeit einer Handlung herangezogen werden.664 So stellte etwa der BGH im Transplantationsskandal-Fall fest, dass die durch den angeklagten Arzt verletzte sog. Karenzklausel gemäß Ziff. II 2.1 Satz 1 BÄK, nach der die Patienten vor Erhalt eines Wartelistenplatzes sechs Monate abstinent sein müssen, die auf die Festlegung von Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zielende Ermächtigungsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TPG überschreitet.665 Die Karenzklausel werde dem Erfordernis der dort genannten „Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer Organübertragung“ vom Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nicht gerecht, weil Transplantationen bereits vor dem Ablauf der sechsmonatigen Karenzzeit erfolgreich durchgeführt werden könnten. Sie sei daher verfassungswidrig und könne schon aus diesem Grunde nicht strafrechtsbegründend wirken. Da mit den Richtlinien der BÄK zudem eine Norm im Rang unter dem förmlichen Gesetz in Frage 663  Nester,

NZWiSt 2015, S. 81 (88). StV 2013 S. 749 (753); Streng-Baunemann, FS Streng, S. 767 (775); Schroth, NStZ 2013, S. 437 (444); speziell in Bezug auf Verwaltungsvorschriften Baars, Rechtsfolgen fehlerhafter Verwaltungsvorschriften, S. 117 ff.; in Bezug auf rechtswidrige Rundschreiben der BaFin auch Nestler, wistra 2015, S. 329 (332). 665  Hier und im Folgenden BGH NStZ 2017, S. 701 (704 f.). 664  Bülte,

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

stehe, sei der Senat nicht durch das Normverwerfungsmonopol des BVerfG gehindert, deren Verfassungswidrigkeit in den Gründen seiner Entscheidung festzustellen.666 Der BGH verwirft sodann Ziff. II 2.1 Satz 1 BÄK und lässt diese mithin bei der Beurteilung der Strafbarkeit wegen der Manipulationen der Warteliste angeklagten Arztes gemäß §§ 212, 223, 22, 23 StGB völlig außer Betracht. Auch wenn untergesetzliche Sondernormen keine Rechtsverbindlichkeit entfalten, stellt sich tatsächlich die Frage, warum der Tatrichter sehenden Auges eine verfassungswidrige Vorschrift im Rahmen seiner Überzeugungsbildung heranziehen sollte. Die richterliche Überzeugungsbildung ist zwar gemäß § 261 StPO im Grundsatz frei, jedoch müsste wegen Art. 1 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG eine verfassungsrechtliche Grenze verlaufen. Hiernach ist die Judikative als „dritte Gewalt“ an die Grundrechte sowie das einfachgesetz­ liche Recht gebunden. Die strenge Gesetzesbindung ist dabei notwendiges Korrelat zur richterlichen Unabhängigkeit.667 Sie wahrt den Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes und schützt so den Gesetzesunterworfenen vor willkürlicher Rechtsprechung.668 Die freie richterliche Überzeugungsbildung bleibt davon zwar grundsätzlich unberührt, jedoch darf kein Gericht infolge des freien Überzeugungsprozesses zu einer Entscheidung gelangen, die nicht mit der Verfassung in Einklang steht. Dies muss unabhängig davon gelten, ob eine behördliche oder eine private untergesetzliche Sondernorm betroffen ist. Denn auch wenn der Strafrichter den einschlägigen Sorgfaltsmaßstab vollkommen eigenständig ermittelt oder insoweit auf einen Sachverständigen zurückgreift, darf er sich nicht von willkürlichen und damit verfassungswidrigen Erwägungen leiten lassen.669 Die fehlende rechtliche Verbindlichkeit einer Sondernorm kann ihn insbesondere nicht von seiner Pflicht entbinden, deren Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht, insbesondere dem GG, zu überprüfen. Sähen die Zuverlässigkeitsgrundsätze bzw. das ICP-Merkblatt etwa den besonderen Sorgfaltsmaßstab ohne sachlichen Grund ausschließlich für Ausfuhrverantwortliche vor, die eine ausländische Staatsangehörigkeit aufweisen, stellte es zumin666  BGH NStZ 2017, S. 701 (704) unter Verweis auf BVerfG NVwZ-RR 2000, S. 473 (474); zur Kritik – auch aus medizinischer Sicht – Otto/Rissing-van Saan, MedR 2018, S. 543 ff.; dies./Verrel, NStZ 2018, S. 57 (59 ff.). 667  Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 25; Morgenthaler, in: BeckOKGG, Art. 97 Rn. 7; ders., in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 97 Rn. 7; siehe auch Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 97 Rn. 11 ff. 668  Dazu BVerfG NJW 1993, S. 996  f.; BeckRS 2006, 26177; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rn. 27; Wolff, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 97 Rn. 2 ff. 669  Vgl. dazu auch Staudt, Medizinische Richt- und Leitlinien, S. 276 in Bezug auf den allgemeinen medizinischen Standard und die innermedizinischen Vorschriften.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab395

dest670 einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn der Tatrichter dies unbesehen auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit projizierte.671 Zumindest insoweit, als diese willkürliche Differenzierung vorgenommen würde, wären die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit unberücksichtigt zu lassen. Andernfalls stünde der bzw. dem Betroffenen, eine Erschöpfung des Rechtswegs vorausgesetzt, die Rechtsschutzmöglichkeit der Urteilsverfassungsbeschwerde der zur Verfügung.672 Freilich enthalten die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen keine derart evident verfassungswidrige Regelung. Dennoch werden gerade hinsichtlich der Zuverlässigkeitsgrundsätze seit deren Erlass massive verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, mit denen es sich im Folgenden aus­ einanderzusetzen gilt. Hinsichtlich des ICP-Merkblatts findet sich im ­Schrifttum bisher – soweit ersichtlich – keinerlei vergleichbare verfassungsrechtliche Kritik. Dies ist nicht konsistent, da das ICP-Merkblatt den Zuverlässigkeitsgrundsätzen als rechtlich unverbindlicher Akt exekutivischer Sondernormierung sehr nahekommt. Etwaige Besonderheiten werden daher an gegebener Stelle im Zusammenhang mit den Zuverlässigkeitsgrund behandelt. Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Befürwortung der Verfassungswidrigkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze (a)). Die Darstellung der Argumente erfolgt insoweit umfassend, um sämtliche potentielle Gründe für die mögliche Verfassungswidrigkeit der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen zu ermitteln. Anschließend wird auf die Befürworter der Verfassungsmäßigkeit eingegangen (b)). Die Gegenüberstellung erfordert im Anschluss eine ausführliche Analyse und Bewertung, die insbesondere die Bedeutung der potentiellen Verfassungswidrigkeit für den Tatrichter auslotet (c)). a) Befürworter der Verfassungswidrigkeit Im Schrifttum wird vor allem die Vereinbarkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze mit der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG von Unternehmen und deren Ausfuhrverantwortlichen sowie mit den behördlichen Entscheidungsspielräumen des übrigen Genehmigungsrechts angezweifelt. Frühe Bedenken 670  Siehe zur Anwendbarkeit der Außenwirtschaftsfreiheit auf Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit den Nachweis in Teil 2, Fn. 8. 671  Vgl. zur Rolle der Staatsangehörigkeit im Rahmen des Gleichheitssatzes BVerfGE 51, S. 1 (30); 90, S. 27 (37); Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn.  58 m. w. Nachw. 672  Siehe Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, §§ 13 Nr. 8a, 90 Abs. 1 BVerfGG; vgl. dazu BVerfG BeckRS 2006, 26177.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

wurden bereits von Pottmeyer/Sinnwell geäußert.673 Zumindest Nr. 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze, nach welcher der bloße Verdacht eines Gesetzesverstoßes ausreiche, um laufende Genehmigungsanträge bis zur Ermittlung des Sachverhalts nicht zu bescheiden und das betroffene Unternehmen durch dieses Mittel zu zwingen, seinen Ausfuhrverantwortlichen im Sinne von Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze auszutauschen, sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.674 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze verstießen insoweit gegen § 75 VwGO sowie § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG. Aus der subjektiven Rechtsschutzmöglichkeit der Untätigkeitsklage gegen Behörden gemäß § 75 Satz 1 VwGO folge die positiv-rechtliche Pflicht der Behörden zur ungesäumten Bescheidung der gestellten Anträge. Klagevoraussetzung sei hiernach, dass über den Antrag innerhalb angemessener Frist sachlich nicht „ohne zureichenden Grund“ entschieden wurde. Der bloße Verdacht, dass der Ausfuhrverantwortliche gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen hat und deswegen nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügt, stelle keinen zureichenden Grund dafür dar, einstweilen von einer Bescheidung der Anträge auf Genehmigungen zum Zwecke der Ausfuhr nach dem KWKG und dem AWG bzw. der AWV abzusehen. Vergleichbares gelte für § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, wonach eine Ausfuhrgenehmigung nur dann zu versagen sei, wenn „Grund zur Annahme“ bestehe, dass die ausführende Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Insoweit erforderlich sei vielmehr eine auf konkret beweisbare Tat­ sache begründete Gefahrprognose und nicht nur der bloße Verdacht der Un­ zuverlässigkeit.675 Hiernach wird also zumindest Nr. 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze als rechts- und damit verfassungswidrig eingestuft. Zu dem Ergebnis der partiellen Verfassungswidrigkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze kommt auch Hinder, der die Vorschriften bislang wohl am ausführlichsten auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft hat.676 Hinder schließt sich nach eingehender Betrachtung zunächst den Argumenten von Pottmeyer/Sinnwell an677, geht dann jedoch darüber hinaus auch von der Verfassungswidrigkeit von Nr. 4 sowie Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze aus.678 Für die endgültige Versagungsmöglichkeit gemäß Nr. 4 gelte der gleiche von der Tatsachenprognose des gesetzlichen Genehmigungsrechts abweichende Zuverlässigkeitsbegriff wie für Nr. 3. Dieser restriktivere Zu673  Pottmeyer/Sinnwell, DWiR 1991, S.  133 (138  f.); siehe auch Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 30; diesen folgend Reuter, Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht, Rn.  750 ff. 674  Hier und im Folgenden Pottmeyer/Sinnwell, DWiR 1991, S. 133 (138). 675  Pottmeyer/Sinnwell, DWiR 1991, S.  133 (138  f.); Pottmeyer, KWKG, § 6 Rn. 30. 676  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 119 ff. 677  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 174 ff. 678  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 190 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab397

verlässigkeitsbegriff verstoße aber aufgrund des fehlenden Erfordernisses eines auf Tatsachen gegründeten Prognoseurteils gegen die gesetzlichen Grundlagen in den §§ 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, 3 Abs. 2 Satz 1 AWG a. F. (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG n. F.).679 Die in Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze angesprochene Austauschmöglichkeit des Ausfuhrverantwortlichen als Mittel zur Wiederherstellung der Zuverlässigkeit greife sowohl ungerechtfertigt in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG von Unternehmen als auch ihren Ausfuhrverantwortlichen ein.680 Die Vorschrift stelle eine Beweislastumkehr des Inhalts dar, dass das Unternehmen bzw. dessen Geschäftsleitungen beweisen müssen, dass bei Verbleiben eines als unzuverlässig bewerteten bisherigen Ausfuhrverantwortlichen dieser ausnahmsweise keinen Einfluss auf die Ausfuhrtätigkeit des Unternehmens hatte, was den im AWG und dem KWKG vorgesehenen Grundsatz der Zuverlässigkeit in einen gesetzlich nicht vorgesehenen „Grundsatz der Unzuverlässigkeit“ verwandle.681 Für Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze gelangt Hinder dagegen zu dem Ergebnis, dass das die faktische Verpflichtung zur Benennung eines Ausfuhrverantwortlichen mit bestimmten Pflichten zwar in die Berufsfreiheit von Unternehmen eingreift, dieser Eingriff jedoch mit Blick auf die verfassungsrechtlich bedeutenden Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts als verhältnismäßige Ermessensausübung nach § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG und als verhältnismäßige Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zuverlässigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AWG a. F. (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG n. F.) verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.682 Zusammengefasst geht Hinder mithin von der Verfassungsgemäßheit der faktischen Verpflichtung zur Benennung und Verpflichtung des Ausfuhrverantwortlichen nach Nr. 2 und der Verfassungswidrigkeit der behördlichen Verhaltensregeln im Fall von dessen Unzuverlässigkeit nach Nr. 3–5 der Zuverlässigkeitsgrundsatze aus. Wie bereits dargestellt683, nimmt auch Hohmann die partielle Verfassungswidrigkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze an. In Anschluss an Hinder kritisiert er den gegenüber dem AWG und dem KWKG strengeren Zuverlässigkeitsbegriff in Nr. 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze, nach dem bereits tatsächliche Anhaltspunkte für die Verfahrensaussetzung als „Verdachtshaftung“ genügen.684 Auch wird die von Pottmeyer/Sinnwell thematisierte Unverein679  Hinder,

Der Ausfuhrverantwortliche, S. 192 f. Der Ausfuhrverantwortliche, S. 193 ff. 681  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 213. 682  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 171, 174. 683  Siehe schon S. 77 ff. 684  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 11, 19 spricht weiter von der gegenüber dem gesetzlichen Genehmigungsrecht „spezielle[n] Zuverlässigkeit“ der Zuverlässigkeitsgrundsätze. 680  Hinder,

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

barkeit mit den Bescheidungsinteressen des § 75 VwGO gesehen.685 Im Gegensatz zu Hinder geht Hohmann jedoch von der Rechtmäßigkeit von Nr. 4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze aus. Da für endgültige die Genehmigungsversagung immerhin „tatsächlich Grund zu der Annahme“ der Unzuverlässigkeit gefordert werde, müsse eine für die auf Tatsachen begründeten Prognoseentscheidungen des AWG und des KWKG hinreichend schwere, die Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen identifizierende Gesetzesverletzung nach Ermittlung des einschlägigen Sachverhalts beweisbar feststehen.686 Die Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen müsse folglich „erwiesen“ sein, was mit den Zuverlässigkeitsvoraussetzungen des gesetz­lichen Genehmigungsrechts in Einklang stehe.687 Auf einer Linie mit Hinder argumentiert Hohmann indessen wieder hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit von Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Beim dort vorgesehenen Austausch des Ausfuhrverantwortlichen gehe es um ein „faktisches Berufsverbot“ oder „im worst case um eine ‚Existenzvernichtung‘ “688, bedenke man, dass der Ausfuhrverantwortliche zur Wiederherstellung der von den Behörden geforderten Zuverlässigkeit regelmäßig aus der Geschäftsleitung oder ganz aus der Firma entfernt wird und es ihm anschließend schwerfallen wird, anderswo eine adäquate Position zu erlangen.689 Die grundsätzliche Einführung des Ausfuhrverantwortlichen sowie dessen Pflichtenprogramm gemäß Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze befürwortet demgegenüber auch Hohmann als vernünftige Gemeinwohlerwägungen, wobei er wie Hinder auf die Verbesserung des Schutzes der außenwirtschaftsrechtlichen Schutzgüter rekurriert.690 Zusammengefasst kommt Hohmann zu dem Ergebnis der Verfassungsmäßigkeit von Nr. 2 und Nr. 4 sowie der Verfassungswidrigkeit von Nr. 3 und Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Die verfassungsrechtliche Kritik im Schrifttum konzentriert sich damit insgesamt auf den ermessenslenkenden Bestandteil der Zuverlässigkeitsgrundsätze (Nr. 3–5), während der norminterpretierende Bestandteil (Nr. 2) unbeanstandet gelassen, wenn nicht sogar unter Schutzgesichtspunkten befürwortet wird.

685  Hohmann,

in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 20. in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 22. 687  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 22. 688  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 23 (Hervorhebung durch Hohmann); ders. Angemessene Außenhandelsfreiheit, S. 345. 689  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 23. 690  Hohmann, in: ders./John, Ausfuhrrecht, Teil 3 Anhang 1 AWG Rn. 18. 686  Hohmann,



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab399

b) Befürworter der Verfassungsmäßigkeit Die Mitarbeiter beim BAFA, Beutel/Anders/Hötzl, gehen davon aus, dass die Zuverlässigkeitsgrundsätze insgesamt, insbesondere aber die Regelungen in Nr. 3, verfassungsrechtlich unbedenklich sind.691 Den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und dem gesetzlichen Ausfuhrgenehmigungsrecht liege schließlich derselbe Zuverlässigkeitsbegriff zugrunde. Aufgegriffen wird einerseits das von Pottmeyer, Hinder und Hohmann vorgebrachte Argument, die „tatsächlichen Anhaltspunkte“ in Nr. 3 der Zuverlässigkeitsgrundsätze führten zu einer den Wertungen des § 75 VwGO zuwiderlaufenden Vorverlagerung der Verfahrensaussetzung.692 Der im Schrifttum befürchteten Verzögerung behördlicher Entscheidungen sei allerdings mit § 75 Satz 3 VwGO zu begegnen, welcher das Aussetzen des Verfahrens auch bei Vorliegen eines zureichenden Grundes ausdrücklich regle.693 Der Zeitrahmen der Verzögerung erfolge damit auch bei Nr. 3 der Zuverlässig-keitsgrundsätze nicht willkürlich, sondern „bis der Sachverhalt aufgeklärt“ sei.694 Der Bescheidungsanspruch des Antragstellers werde daher nicht unbillig ausgehöhlt; vielmehr wählten die Zuverlässigkeitsgrundsätze gegenüber der Nichtentscheidung über den Antrag das mildere Mittel.695 Auch der Vorwurf, die „tatsächlichen Anhaltspunkte“ ließen geringere Anforderungen an die außenwirtschaftsrechtliche Unzuverlässigkeitsprognose zu als das formelle Genehmigungsrecht, sei deshalb ungerechtfertigt, weil sich der § 152 StPO entstammende Wortlaut „tatsächliche Anhaltspunkte“ an den Verdachtsmomenten des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens messen lassen muss.696 Auch dort müsse der Anfangsverdacht aber regelmäßig in konkreten Tatsachen bestehen, weshalb von bloßen Mutmaßungen keine Rede sein könne.697 Zusätzliche Argumente für die Verfassungsmäßigkeit liefert Pietsch, der auf den behördlichen Untersuchungsgrundsatz gemäß § 24 VwVfG verweist.698 Danach ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen und bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen, wobei sie an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 24 Abs. 1 691  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S.  399 (406  ff.); siehe auch Beutel/Hötzl, AW-Prax 2016, S. 47 (49 f.). 692  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (407). 693  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (407) (Hervorhebung durch Verfasser). 694  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (407) (Hervorhebung durch Beutel/Anders/Hötzl). 695  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (407). 696  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (408). 697  Beutel/Anders/Hötzl, in: Recht der Exportkontrolle, S. 399 (408). 698  Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 6 KWKG Rn. 22.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

VwVfG). Die Behörde hat zudem alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 24 Abs. 2 VwVfG). Im Fall der Zuverlässigkeitsprognose des Außenwirtschaftsrechts seien besonders sorgfältige Ermittlungen angesichts des hohen Verfassungsguts der Friedensstaatlichkeit sowie der potentiellen Gefahren für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zwingend erforderlich.699 Private In­ teressen an einer schnellen Erledigung des Verfahrens stünden dahinter ­zurück.700 Im Fall beträchtlicher Zeitverzögerungen infolge der Ermittlungsbemühungen greife Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze im Sinne einer Schadensminimierung für betroffene Unternehmen, indem er durch den Austausch des Ausfuhrverantwortlichen einen praktikablen Ausweg aus diesem Dilemma eröffnet werde.701 Nach dieser Ansicht sind mithin sowohl Nr. 3 als auch Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze verfassungsgemäß. c) Analyse und Bewertung Vom gegenwärtigen Stand der Untersuchung erscheint der Schluss naheliegend, dass der Tatrichter die Zuverlässigkeitsgrundsätze allein dann berücksichtigen darf, wenn man der Auffassung der Mitarbeiter des BAFA bzw. Pietschs folgt, wonach die Zuverlässigkeitsgrundsätze insgesamt verfassungsgemäß sind. Einer Stellungnahme zwischen den soeben aufgezeigten Ansichten bedarf es allerdings nicht. Dies liegt daran, dass der den Tatrichter für die Beurteilung von Sorgfaltspflichtverstößen maßgebliche Sorgfaltsmaßstab des Ausfuhrverantwortlichen in Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze nach allen Auffassungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Wohlgemerkt: Niemand rügt das Institut des Ausfuhrverantwortlichen an sich oder dessen besondere Pflichtenstellung als solche, sondern lediglich die Rechtsfolgen für den Fall von Pflichtverstößen, insbesondere Nr. 3–5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Da Nr. 2 die vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen aufführt, stellt sie für die Ermittlung des einschlägigen Sorgfaltsmaßstabs die für den Tatrichter bzw. dessen Sachverständigen maßgebliche Vorschrift dar. Entscheidend für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen ist damit einerseits die Frage, ob Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze überhaupt isoliert betrachtet – also für den Fall der Teilrechtswidrigkeit von Nr. 3–5 – verfassungsgemäß sein kann (aa)). Falls dem so wäre, dürfte der Rückgriff auf Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze auch für sich betrachtet keine willkürliche Beweiswürdigung durch den Tatrichter darstellen. In 699  Pietsch,

in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 6 KWKG Rn. 22. in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 6 KWKG Rn. 22. 701  Pietsch, in: Hohmann/John, Ausfuhrrecht, § 6 KWKG Rn. 23. 700  Pietsch,



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab401

Betracht kommt insoweit ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG), da infolge des Rückgriffs auf die Zuverlässigkeitsgrundsätze möglicherweise faktisch-mittelbar die Exekutive, verkörpert durch die Bundesregierung, und nicht mehr die Legislative über die Strafbarkeit des Ausfuhrverantwortlichen entscheidet (bb)). Die Ausführungen lassen sich hinsichtlich des letztgenannten Punktes auf das ICP-Merkblatt übertragen, da dieses, wie die Zuverlässigkeitsgrundsätze, von einer Ausfuhrbehörde, namentlich dem BAFA, erlassen wurde. aa) Teilrechtswidrigkeit und Gesamtrechtswidrigkeit Obwohl Hinder zunächst von der Verfassungsgemäßheit der faktischen Pflicht zur Bestellung, Antragszeichnung und Pflichtenerfüllung des Ausfuhrverantwortlichen gemäß Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze ausgeht, stellt er schlussendlich doch deren Verfassungswidrigkeit fest, indem er von der Teilrechtswidrigkeit der Nr. 3–5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze auf die Gesamtrechtswidrigkeit der Verwaltungsvorschriften schließt.702 Zu diesem Schluss gelangt er, indem er die rechtliche Unteilbarkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze feststellt. Dabei geht er vom Rechtsgedanken der Teilbarkeitsregelungen in §§ 139 BGB, 44 Abs. 4 VwVfG aus, ohne allerdings auch nur eine von beiden direkt anzuwenden.703 Zwar könne man grundsätzlich den selbstständigen Sinngehalt der Übertragung von Verantwortlichkeit im Ausfuhrbereich innerhalb der Geschäftsleitung gemäß Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze bejahen, weil es der Förderung des Schutzes der außenwirtschafts- und kriegswaffenkontrollrechtlichen Schutzgüter diene, wenn die Verantwortung in diesem Bereich zur Chefsache erklärt wird.704 Dem stehe jedoch entgegen, dass der Genehmigungsbehörde bei isolierter Betrachtung der Nr. 2 ein Instrument der Vorgehensweise fehlt, wenn sie im Einzelfall die Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen feststellt.705 Den Kern der Zuverlässigkeitsgrundsätze bilde deren Nr. 5. Ihr sei zu entnehmen, wie sich die Genehmigungsbehörde im Fall der Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen zu verhalten habe.706 Die Zuverlässigkeitsgrundsätze verlören als Gesamtregelung ihren Sinn und ihre Rechtfertigung, wenn man deren Nr. 5 herausnähme. Auch mit Blick auf Nr. 3 und Nr. 4 der Zuverlässigkeitsgrundsätze liege hinsichtlich der angestrebten Zuverlässigkeitsprüfung eine untrennbare Einheit vor, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden 702  Hinder,

Der Ausfuhrverantwortliche, Der Ausfuhrverantwortliche, 704  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, 705  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, 706  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, 703  Hinder,

S. 230 ff. S. 230 f. S. 232. S. 232. S. 232.

402

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

könne.707 Die einzelnen Bestimmungen der Zuverlässigkeitsgrundsätze seien derart miteinander verflochten, dass sie als insgesamt rechtswidrig anzusehen sind.708 Der Rechtsauffassung Hinders ist noch insoweit zuzustimmen, als bei der Beurteilung der Teilbarkeit einer Verwaltungsvorschrift im Sinne des Art. 86 Satz 1 GG weder direkt auf § 139 BGB noch auf § 44 Abs. 4 VwVfG rekurriert werden kann. Gemäß § 139 BGB ist, wenn sich ein Teil eines Rechtsgeschäfts als nichtig herausstellt, das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. In § 44 Abs. 4 VwVfG wird dieser Rechtsgedanken aufgegriffen, indem ein Verwaltungsakt im Ganzen nichtig sein soll, wenn die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes betrifft und der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Die zivilrechtliche Wertung des § 139 BGB wurde für das Verwaltungsverfahren nur auf den Spezialfall des nichtigen Verwaltungsakts gemäß § 44 Abs. 1, 2 VwVfG und nicht auf andere Handlungsformen der Verwaltung erstreckt. Der Ausnahmecharakter der Vorschrift verbietet daher die analoge Anwendung auf die Verwaltungsvorschriften der Zuverlässigkeitsgrundsätze.709 Vielmehr folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, insbesondere dem Vorrang des Gesetzes und der Rechtssicherheit (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG), dass verfassungsgemäße Gesetzesbestandteile auch dann weiter Geltung beanspruchen, wenn Teile verfassungswidrig sind.710 Die Frage der Teilbarkeit kann sich dann – außer im gesetzlich geregelten Ausnahmefall des § 44 Abs. 4 VwVfG – aber nicht nach dem subjektiven Willen der Behörde richten, sondern es muss vielmehr der objektiv zum Ausdruck kommende Wille maßgeblich sein, wie er sich aus dem Inhalt der betreffenden Vorschrift ergibt.711 Teilbarkeit ist hiernach dann gegeben, wenn eine Vorschrift mehrere Regelungen enthält, die jeweils selbstständige und voneinander inhaltlich unabhängige Bedeutung haben können und auch im Fall der Nichtigkeit anderer Regelungen ihren Sinn behalten.712 707  Hinder,

Der Ausfuhrverantwortliche, S. 232 f. Der Ausfuhrverantwortliche, S. 233; zustimmend Gramlich, DVBl 2000, S. 367 (368). 709  Siehe selbst Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 231 f.; dazu auch Peuker, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 44 Rn. 56 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 190; zur ausnahmsweisen Erstreckung des § 44 Abs. 4 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte OVG Münster BeckRS 2012, 52390. 710  BVerfG NJW 1953, S. 1137 (1138 f.); NJW 1964, S. 291; NJW 1995, S. 1077 (1079). 711  Vgl. OVG Münster, NVwZ 1992, S. 525 (526); OVG Berlin, NVwZ 1997, S. 1005; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer VwVfG, § 44 Rn. 61; Erichsen, VerwArch 66 (1975), S. 299 (305). 708  Hinder,



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab403

Aus diesen rechtlichen Grundlagen zieht Hinder jedoch sodann für die Zuverlässigkeitsgrundsätze die falschen Schlüsse. Der Regelungsgehalt von Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze verliert selbst infolge des Wegfalls der Nr. 3–5 keineswegs seinen Sinn. Vielmehr führt Nr. 2 den Ausfuhrverantwortlichen sowie dessen Aufgaben- und Pflichtenprogramm abstrakt als entscheidungserheblichen Belang der Zuverlässigkeitsprüfung in das Genehmigungsrecht ein. Die Regelung hat – wie von Hinder selbst festgestellt – faktisch-mittelbaren Eingriffscharakter für ausführende Unternehmen.713 Sie bewirkt einerseits die tatsächliche Verantwortungskonzentration innerhalb der Geschäftsleitung; andererseits behandelt Nr. 2 die formalen Antragsmodalitäten für Ausfuhrgenehmigungen, weshalb Anträge auf die Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter seit Erlass der Zuverlässigkeitsgrundsätze grundsätzlich durch einen Ausfuhrverantwortlichen gestellt und gezeichnet werden. Der Inhalt von Nr. 2 lässt sich als selbstständige Vorschrift damit wie folgt paraphrasieren: „Der Antragsteller gilt als zuverlässig, wenn der Genehmigungsantrag von einem Ausfuhrverantwortlichen gezeichnet wird, der seinen vier Grundpflichten nachkommt“. Bei Zeichnung der Genehmigungsanträge durch einen Ausfuhrverantwortlichen – und damit allein aufgrund von Nr. 2 – wird die Zuverlässigkeit des Antragstellers beim BAFA sogar für den Regelfall unterstellt, weil von einer wirksamen Durchführung innerbetrieblicher Exportkontrollmaßnahmen ausgegangen wird.714 Der Inhalt der Nr. 2 verkörpert daher wie keine andere Regelung der Zuverlässigkeitsgrundsätze das von der Bundesregierung angestrebte Kooperationsprinzip zwischen staat­ licher und privater Exportkontrolle. Freilich liefert Nr. 2 darüber hinaus kein „Instrument zur Vorgehensweise“715 für den Fall des Verdachts oder das tatsächliche Vorliegen von Verstößen gegen genehmigungsrelevante Vorschriften. Dies ist auch gar nicht erforderlich. Vielmehr regeln bereits die gesetzlichen Genehmigungsvorschriften in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise, dass die zuständige Ausfuhrbehörde das Genehmigungsverfahren von Amts wegen solange aussetzen muss, bis der Sachverhalt gemäß §§ 24 Abs. 1, 2 VwVfG, 75 Satz 3 VwGO zutreffend und vollständig ermittelt ist, sodass eine auf konkreten Tatsachen fußende Zuverlässigkeitsprognose gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG getroffen werden kann.716 Das Rechtsinstitut des Ausfuhrverantwortlichen und die durch ihn bedingte Vorverlagerung der Ex712  BVerfG NJW 1956, S.  1025 (1026); NJW 1964, S. 291; Schemmer, in: BeckOK-VwVfG, § 44 Rn. 72. 713  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 171. 714  Nachweise in Teil 2, Fn. 357. 715  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 232. 716  Vgl. dazu Stein/Thoms, in: Rüsken, Zollrecht, § 8 AWG Rn. 10 ff.

404

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

portkontrolle auf die originär gefahrschaffenden Unternehmen waren dem Außenwirtschaftsrecht dagegen vor Einführung von Nr. 2 – zumindest in dieser Deutlichkeit – fremd.717 Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass Hinder ausgerechnet die in Nr. 5 der Zuverlässigkeitsgrundsätze angesprochene Austauschmöglichkeit des Ausfuhrverantwortlichen zum „Kern der Verwaltungsvorschriften“718 erklärt. Die Vorschrift vermag faktisch sicherlich gravierende Auswirkungen für Unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortliche zu entfalten. Sie lenkt allerdings ausschließlich das Ermessen der Ausfuhrbehörden und betrifft damit die Rechtsfolgenseite der Genehmigungstatbestände. Das nach Nr. 2 auszulegende Prognosemerkmal der Zu­ verlässigkeit auf Tatbestandsseite bleibt hiervon gänzlich unberührt. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze fungieren insoweit sowohl als ermessenslenkende (Nr. 3–5) als auch als norminterpretierende (Nr. 2) Verwaltungsvorschriften.719 Es manifestiert sich folglich erneut das mangelnde Bewusstsein Hinders für den oben ermittelten Hybridcharakter der Zuverlässigkeitsgrundsätze. Selbst wenn man folglich von deren Teilrechtswidrigkeit in Bezug auf Nr. 3–5 ausginge, hätte dies keine Auswirkungen auf die isolierte Rechtmäßigkeit von Nr. 2. bb) Kompetenzkonflikt Berücksichtigt der Tatrichter Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze nun aus den oben genannten Gründen im Rahmen der Beweiswürdigung, scheint sich abermals das Problem des bereits im Zusammenhang mit der Wirkungsweise von Sondernormen angesprochenen sog. Kompetenzkonflikts zu stellen.720 Gemeint ist die originäre Zuständigkeit der Legislative für die Strafrechtssetzung, die durch autonom gesetzte Sondernormen der Exekutive in Frage gestellt zu werden scheint. Entscheidet nicht mehr der parlamentarische Gesetzgeber über strafbares und nicht strafbares Verhalten, ist als Ausprägung des Gewaltenteilungsprinzips gemäß Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG grundsätzlich der strenge Gesetzesvorbehalt des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG verletzt. In dieser Funktion enthält Art. 103 Abs. 2 die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Trag717  Siehe nur die Erwägungsgründe für die Zuverlässigkeitsgrundsätze bei BMWi, BMWi-Dokumentation Nr. 311, S. 21. 718  Hinder, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 232. 719  Siehe S.  56 ff. 720  Siehe bereits den Verweis auf die Parallelproblematik im Umweltstrafrecht auf S.  332 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab405

weite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind oder sich durch Auslegung ermitteln lassen.721 Ist ein Strafgesetz offen formuliert, weil es Blankettverweisungen oder normative Tatbestandsmerkmale enthält, zeichnet sich, wie schon aufgezeigt, tatsächlich ab, dass die inhalt­ liche Ausgestaltung einzelner Strafbarkeitsvoraussetzungen nicht mehr vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegeben werden. Unter rechtlichen Gesichtspunkten lässt sich dieser Kompetenzverschiebung noch dadurch beikommen, dass man den von der Exekutive erlassenen untergesetzlichen Sondernormen keine unmittelbar rechtliche Verbindlichkeit zuerkennt. Insbesondere verbleibt die Letztentscheidungskompetenz über das konkret sorgfaltswidrige bzw. sorgfaltsgemäße Verhalten beim Tatrichter.722 Bei rein tatsächlicher Betrachtung zeigt sich indessen, dass durch Sondernormen von entsprechend hoher Qualität auf den Tatrichter ein ganz erheblicher faktisch-mittelbarer Befolgungsdruck ausgeübt wird. Den Tatrichter trifft, wie ebenfalls schon herausgearbeitet, eine deutlich erhöhte Darlegungslast, wenn er von der Best Practice eines Verkehrskreises abweichen will.723 Er müsste anhand der ihm prozessual zur Verfügung stehenden Mittel eigenständig den zutreffenden Sorgfaltsmaßstab ermitteln. Dabei hätte er sämtliche Regeln der Beweiswürdigung zu beachten und dürfte insbesondere nicht gegen allgemeine Logik- und Erfahrungssätze verstoßen. Dazu ist der Tatrichter zwar an sich nicht außerstande724; er wird jedoch zur eigenen Überzeugungsbildung – sowie nicht zuletzt aus Gründen der Prozessökonomie und Praktikabilität – regelmäßig auf die einschlägige Sondernorm zurückgreifen, um nicht Gefahr zu laufen, sich mit allgemein anerkannten Branchenstandards in Widerspruch zu setzen und sich dadurch dem Vorwurf der Willkür auszusetzen. Die faktisch-mittelbaren Auswirkungen von Sondernormen erreichen also nicht nur den Bürger, sondern auch den Tatrichter. Der Kompetenzkonflikt besteht damit grundsätzlich nicht nur im Verhältnis von Legislative und Exekutive, sondern auch im Verhältnis von Exekutive und Judikative. Insbesondere stellt sich die Frage nach einer verfassungswidrigen Beeinflussung des unabhängigen Richters durch die Verwaltung.725 721  So das BVerfG in st. Rspr, siehe nur BVerfG NJW 1969, S. 1059 (1060 f.); NJW 1987, S. 3175; NJW 2010, S. 3211, S. 3209 (3211); NVwZ 2012, S. 504 (505); NJW 2016, S. 3648 (3649). 722  Siehe bereits S.  313  ff., 326  ff.; ferner Bosch, Organisationsverschulden, S. 450; Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 52.; Lenckner, FS Engisch, S. 490 (494 ff.). 723  Siehe die Nachweise in Teil 4, Fn. 235. 724  In diese Richtung aber Nicklisch, NJW 1982, S. 2637 (2638 f.); siehe demgegenüber die Vorschläge im Umweltstrafrecht zur Erarbeitung eigener Immissionshöchstgrenzwerte durch den Tatrichter in Teil 4, Fn. 212. 725  Schünemann, FS Lackner, S. 367 (371, 390); siehe auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S.  102 f.; Marburger, Regeln der Technik, S. 330 ff.; Staudt, Me-

406

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

Die aufgezeigten Kompetenzkonflikte spielen für die vorliegende Untersuchung indessen keine Rolle, wenn der Gesetzgeber, wie vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung gefordert726, bereits auf Legislativebene die wesent­ lichen Fragen der Strafwürdigkeit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess geklärt hat. Die Straftatbestände des Außenwirtschaftsstrafrechts normieren selbst weder den besonderen Sorgfaltspflichtenmaßstab des Ausfuhrverantwortlichen, noch verweisen sie auf diesen. Man könnte deshalb auf die Idee kommen, dass die besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen als wesentliche Frage durch das Raster des Gesetzgebers gefallen ist, und daraus den Rückschluss auf eine insoweit fehlende demokratisch-parlamentarische Willensbildung zulassen. Plausibler ist jedoch der Umkehrschluss: Der Gesetzgeber hat die Konturierung der Verhaltens- und Sorgfaltspflichten von Geschäftsleitungsmitgliedern in Rüstungsunternehmen bewusst der Exekutive überantwortet. Mangels Blankettverweisung auf die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen dienen als Einfallstore in das Strafrecht die normativen Tatbestandsmerkmale der Ausfuhrdelikte bzw. des Allgemeinen Teils des StGB. Normative Tatbestandsmerkmale wie „fahrlässig“ (§ 15 Hs. 2 StGB), „einzustehen hat“ (§ 13 Abs. 1 StGB) oder „vermeiden konnte“ (§ 17 Satz 1 StGB) können nicht nur im Außenwirtschaftsstrafrecht, sondern deliktsgruppenübergreifend den Rückgriff auf abstrakt-generelle außerstrafrechtliche Wertungen erfordern.727 Auf diese Regelungstechnik greift der parlamentarische Gesetzgeber vor allem dann zurück, wenn er anerkennt, dass er selbst nicht in der Lage ist, alle nur denkbaren Konstellationen strafwürdigen Verhaltens umfassend gesetzlich abzubilden.728 Dies stellt dann keine „Abdankung des Gesetzgebers“729 dar, sondern vielmehr die verhältnismäßige Reaktion auf die Komplexität und Dynamik bestimmter Rechtsbereiche.730 Es liegt in der Natur der Sache, dizinische Richt- und Leitlinien, S. 276 ff.; eingehend zum Ganzen ferner Bosch, Organisationsverschulden, S. 443 ff.; allgemein auch Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 97 Rn. 13; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 97 Rn. 3; zum faktischen Einfluss ausländischer Sondernormen und der Bedeutung für die Strafrechtssetzungskompetenz Wittig, in: Krajewski/Oehm/Saage-Maaß, Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, S. 195 (214 ff.). 726  Siehe soeben Teil 4, Fn. 721. 727  Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, §  15 Rn. 19; Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 29. 728  Deutlicher noch Mikus, Verhaltensnorm, S. 112, der in der negativen Entscheidung des Gesetzgebers für eine gesetzliche Sondernorm die hoheitliche Legitimation einer entsprechenden untergesetzlichen Sondernorm erblickt. 729  Schünemann, FS Lackner, S. 367 (372). 730  Bosch, Organisationsverschulden, S. 450; siehe bereits Lenckner, FS Engisch, S. 490 f.; insoweit einlenkend auch Schünemann, FS Rudolphi, S. 297 (306); siehe ferner Hufen, Verfassungsrechtliche Maßstäbe, S. 22 f.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab407

dass gerade die Gefahrabwehrbehörden der Exekutive in diesen Bereichen per se über eine große Sachnähe und Erfahrung, die Möglichkeit zu Langzeitbeobachtungen und Prognosen, die personellen und sachlichen Mittel sowie rechtlich flexible Handlungsformen verfügen.731 Entsprechendes Expertenwissen kann sich die Legislative noch beispielsweise durch sachverständige Beratung verschaffen. Jedoch müsste man sich dann zum einen stets auf die inhaltliche Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Beratung verlassen und zum anderen würden umfangreiche Beteiligungsverfahren die mitunter ohnehin schon langwierigen und überfrachteten Gesetzgebungsverfahren in gefahrgeneigten Bereichen noch weiter hinauszögern.732 Flexiblere Handlungsformen zur unmittelbaren Reaktion auf Veränderungen des Rechts und der tatsächlichen Verhältnisse stehen stattdessen der Exekutive zur Verfügung. Die Übertragung der Konkretisierung strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe an die Exekutive stellt dabei auch keine „unzulässige Delegation von legislativer Kompetenz“733 dar. Hiervon wäre allenfalls auszugehen, wenn der Gesetzgeber der Exekutive einen von den Gerichten grundsätzlich nicht mehr überprüfbaren Beurteilungsspielraum zugestehen würde, die Letztentscheidungskompetenz hinsichtlich der Strafbarkeit also nicht mehr beim Tatrichter, sondern bei den Behörden läge.734 Davon kann aber im Fall von norm­ interpretierenden Verwaltungsvorschriften, wie Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze, mangels rechtlicher Bindungswirkung keineswegs die Rede sein. Der insoweit unberührte faktisch-mittelbare Befolgungsdruck für den Tatrichter kann daher auch keine unzulässige Beeinflussung des gemäß Art. 92 Hs. 1, 97 Abs. 1 GG unabhängigen Richters darstellen. Vielmehr steht es dem Tatrichter völlig frei, von der Best Practice eines Verkehrskreises abzuweichen. Er steht dann lediglich vor dem gleichen Problem, wie der parlamentarische Gesetzgeber, nämlich dass ihm unter Umständen der entsprechende Sachverstand fehlt und die Hinzuziehung von Sachverständigen das Verfahren in die Länge zieht. Weil zudem sowohl der Tatrichter als auch ein Sachverständiger ganz unabhängig von der Existenz der betreffenden Sondernorm die gelebte Wirklichkeit im betreffenden Verkehrskreis als Maßstab für die Sorgfaltspflichtverletzung berücksichtigen müssen, kann der Erlass 731  Bock, Criminal Compliance, S. 544; vgl. zudem bereits die Anforderungen an behördliche Beurteilungsspielräume, die von Gerichten allenfalls in äußerst beschränktem Umfang überprüft werden dürfen; dazu eingehend S. 47 ff. 732  Vgl. Staudt, Medizinische Richt- und Leitlinien, S. 278; ferner Schulze-Fielitz, JZ 1993, S. 772 (774 ff.); siehe außerdem die entsprechenden Praktikabilitätserwägungen im Umweltstrafrecht S. 67 ff., 332 ff. 733  Schünemann, FS Lackner, S. 367 (372, 391); ähnlich Roxin, Strafrecht AT/I, § 24 Rn. 19. 734  Vgl. zu den Einzelheiten S. 47 ff.

408

Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

einer Sondernorm keine unzulässige Beeinflussung des unabhängigen Richters sein, selbst wenn die Sondernorm ausgerechnet von einer Behörde stammt.735 Damit verbleibt mit Blick auf die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen als einzig denkbarer Einwand, dass Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze aufgrund ihres faktisch-mittelbaren Eingriffcharakters als formell rechtswidrige Rechtsverordnung angesehen werden könnte.736 Da Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs durch die Bundesregierung gemäß §§ 4 Abs. 1–3, 12 Abs. 4 AWG grundsätzlich nur unter Beteiligung des Bundestages sowie des Bundesrates vorgenommen werden dürfen und eine solche Beteiligung nicht stattfand, läge ein beachtlicher Verfahrensfehler vor, der grundsätzlich zur Nichtigkeit von Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze führen müsste. Gleiches könnte dann für das ICP-Merkblatt gelten, dass trotz seines offensichtlich verwaltungsexternen Adressatenkreises nicht als Zustimmungsverordnung im Sinne der genannten Vorschriften erlassen wurde. Dass jedoch allein die formelle Rechtswidrigkeit einer behördlichen Sondernorm für die freie richterliche Überzeugungsbildung des Tatrichters keine Rolle spielen kann zeigen die folgenden beiden Argumente: Erstens ist der Tatrichter rechtlich von vornherein nicht an außerstrafrechtliche Sondernorm gebunden. Die formelle Rechtmäßigkeit stellt eine reine Wirksamkeitsvoraussetzung dar und kann bereits allein deshalb für die richterliche Überzeugungsbildung keine Rolle spielen. Durch die fakultative Berücksichtigung der Sondernorm zur Ermittlung des einschlägigen Sorgfaltsmaßstabs, wendet der Tatrichter die Sondernorm gerade nicht direkt an. Er lässt sich vielmehr vom materiellen Inhalt sowie der Plausibilität und Qualität der Sondernorm im Rahmen der freien richterlichen Überzeugungsbildung „inspirieren“. Entscheidend ist damit allein, ob der Tatrichter anhand der oben genannten Plausibilitäts- und Qualitätskriterien zu der Überzeugung gelangt, dass der Inhalt der Sondernorm mit dem Sorgfaltsmaßstab der zu betrachtenden Verkehrskreis übereinstimmt. Zweitens zeigt der Vergleich mit jenen Sondernormen, die von privaten Gremien geschaffen wurden, dass es für den Tatrichter bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit allein auf den materiellen Inhalt der Sondernorm ankommen kann. Solange der Tatrichter vom Vorliegen der oben herausgearbeiteten Plausibilitäts- und Qualitätskriterien überzeugt ist, darf er eine Sondernorm heranziehen. Ansonsten hinge die Zulässigkeit der Berücksichtigung von dem Zufall ab, ob ein Verkehrskreis 735  Ähnlich Bock, Criminal Compliance, S. 545; Bosch, Organisationsverschulden, S. 421; Staudt, Medizinische Richt- und Leitlinien, S. 279 f.; siehe zudem bereits die Ausführungen in Teil 2, Fn. 195. 736  Ausführlich S.  78 ff.



B. Strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstab409

von behördlichen oder privaten Sondernormen reguliert wird. Will der Tatrichter etwa den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab von Wirtschaftsprüfern ermitteln, kann er einen Blick in den IDW PS 980 werfen. Dieser vom privatrechtlich organisierten Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland herausgegebene Maßnahmenkatalog enthält, vergleichbar mit den Zuverlässigkeitsgrundsätzen bzw. dem ICP-Merkblatt, Grundsätze für die ordnungsgemäße Prüfung von Compliance-Management-Systemen in Wirtschaftsunternehmen. Die Frage nach dem formellen Zustandekommen erübrigt sich hier allerdings, da der IDW PS 980 als privater Maßnahmenkatalog von vorn herein kein förmliches Normsetzungsverfahren durchlaufen musste. Relevant ist vielmehr, ob der IDW PS 980 beim Tatrichter den Eindruck erweckt, dass seine Berücksichtigung einer sachgerechten und rechtmäßigen Entscheidungsfindung zuträglich ist. d) Zwischenergebnis Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen spielt bei der richterlichen Überzeugungsbildung nur insoweit eine Rolle, als die richterliche Unabhängigkeit und Bindung an das Gesetz gemäß Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG eine verfassungsrechtliche Grenze ziehen. Angesprochen wird hierdurch ausschließlich der materielle Inhalt der einschlägigen Sondernorm. Formelle Voraussetzungen spielen aufgrund der fehlenden Bindungswirkung für den Tatrichter keine Rolle. Die von den Ausfuhrbehörden herausgebildeten Verhaltensanforderungen gemäß Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze sowie gemäß dem ICPMerkblatt stoßen insoweit auf keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken. Insbesondere sind sie mit Blick auf die hochrangigen Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts als verhältnismäßige Gesetzesauslegung der Ausfuhrbehörden anzusehen. Dass die Ausfuhrbehörden durch die Festlegung der genehmigungsrechtlichen Best Practice zugleich rein faktisch die Grundlage für den strafrechtlichen Sorgfaltsmaßstab liefern, stellt keinen Verstoß gegen den strengen Gesetzesvorbehalt des Bestimmtheitsgebots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG dar. Die wesentliche Entscheidung über die Strafwürdigkeit von Ausfuhrverstößen hat immer noch der Gesetzgeber selbst getroffen. Er hat die Ausfüllung der normativen Tatbestandsmerkmale der Ausfuhrdelikte lediglich der Exekutive bzw. dem Tatrichter überlassen, da eine umfassende Normierung aufgrund der Komplexität und Dynamik entsprechender Verhaltenspflichten unzweckmäßig, wenn nicht gar unmöglich wäre.

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

6. Zusammenfassung Die Untersuchung belegt damit die Vereinbarkeit der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen mit den Kriterien, die der Tatrichter im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung gemäß § 261 StPO vor Augen haben muss. Mit den Zuverlässigkeitsgrundsätzen und dem ICPMerkblatt schaffen die Ausfuhrbehörden die Best Practice der Sorgfaltspflichten hinsichtlich der innerbetrieblichen Exportkontrolle, der sich auch der Tatrichter nicht verschließen sollte. Dies liegt an der nachgewiesenen Autorität und Neutralität der Ausfuhrbehörden sowie deren Sachverstand, Sachnähe und Erfahrung bei der Festsetzung von exportspezifischen Organisations- und Kontrollpflichten. Diese Kompetenz korrespondiert mit dem berechtigten Vertrauen der Angehörigen von privaten Unternehmen, die ihr Verhalten entsprechend der behördlichen Anforderungen ausrichten und so den geforderten Sorgfaltsmaßstab in die Tat umsetzen. Die Berücksichtigung der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen wird zudem dadurch ermöglicht, dass Letztgenannten das identische Schutzgutkonzept zugrunde liegt, wie den Ausfuhrdelikten. Dies gilt insbesondere auch für den von beiden Regelungsmaterien zumindest mittelbar bezweckten Schutz der Menschenrechte. Insoweit ist gewährleistet, dass keine sachfremden Erwägungen Eingang in den Rechtsgüterschutz durch das Strafrecht finden. Schließlich ist die Berücksichtigung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich. Weder führt die potentielle Teilrechtswidrigkeit der Zuverlässigkeitsgrundsätze zu deren Gesamtrechtswidrigkeit, noch geht die Berücksichtigung der Zuverlässigkeitsgrundsätze mit einem Verstoß gegen den Gewaltenteilungs- bzw. Bestimmtheitsgrundsatz einher. Die wesentliche Ent-scheidung über die Strafbarkeit von Ausfuhrverstößen hat der Gesetzgeber selbst getroffen. Durch die Verwendung normativer Tatbestandsmerkmale überlässt er lediglich die konkrete Ausgestaltung der Gesetzesauslegung des Tatrichters. Dieser wiederum wird regelmäßig auf die von Ausfuhrbehörden geschaffene Best Practice rekurrieren. Darin ist allerdings keinesfalls eine unzulässige Beeinflussung der freien richterlichen Überzeugungsbildung zu sehen, da die Letztentscheidungskompetenz über den maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab von verantwortlichen Personen des Außenwirtschaftsverkehrs beim Tatrichter verbleibt.

C. Ergebnisse – Teil 4 Die von den Ausfuhrbehörden erlassenen Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen schaffen für diesen tatsächlich eine besondere Ausfuhrverantwortlichkeit – wenn auch nur faktisch.



C. Ergebnisse – Teil 4411

Das in den Zuverlässigkeitsgrundsätzen sowie dem ICP-Merkblatt vorgesehene Pflichtenprogramm enthält einen im Vergleich zu den allgemein anerkannten Aufsichtspflichten des Betriebsinhabers (§ 130 OWiG) gesteigerten Sorgfaltsmaßstab, der an die speziellen Bedürfnisse innerbetrieblicher Exportkontrolle angepasst ist. Sichergestellt werden soll die ausfuhrrechtliche Zuverlässigkeit von Exporteuren im Sinne der §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO. Die vier Grundpflichten des Ausfuhrverantwortlichen umfassen daher einen umfangreichen Organisations- und Dokumentationsaufwand, verlangen nach einer regelmäßigen und intensiven Kontrolle und Überwachung der einzelnen Ausfuhrvorgänge sowie des Kontrollsystems an sich und stellen erhöhte Anforderungen an die Auswahl, Schulung und Weiterbildung des Exportkontrollpersonals. Geschaffen wird hierdurch eine allgemeine Verhaltensanleitung für innerbetriebliche Exportkontrolle, die zwar keineswegs von einer individuellen Risikoanalyse und -bewertung durch die Unternehmen entbindet, jedoch einen Mindeststandard setzt, den die Ausfuhrbehörden bei jedem Unternehmen, das gelistete Rüstungsgüter ausführen will, im Rahmen der Zuverlässigkeitsprognose anlegen. Die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen sind bereits aus genehmigungsrechtlicher Sicht weder für Unternehmen bzw. deren Ausfuhrverantwortliche noch für Verwaltungsgerichte unmittelbar rechtlich verbindlich. Aufgrund der Rechtsnatur der Sondernormen erfolgt die Verhaltenssteuerung vielmehr rein faktisch-mittelbar, indem unzuverlässigen Antragstellern keine Ausfuhrgenehmigungen erteilt werden. Diese faktisch-mittelbare Wirkungsweise schlägt auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch. Materiell-rechtlicher Ausgangspunkt sind, mangels expliziten oder impliziten Blankettverweises, die normativen Tatbestandsmerkmale der Ausfuhrdelikte und des Allgemeinen Teils des StGB, die an die besondere Pflichtenstellung des Täters anknüpfen. Die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen können damit grundsätzlich im Rahmen der Einstandspflicht gemäß § 13 Abs. 1 StGB, des objektiven sowie subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs und der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB bedeutsam werden. Zusätzlich lassen sie sich auf Strafzumessungsebene im Rahmen des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB sowie zur Konkretisierung des Umfangs der Aufsichtspflicht gemäß § 130 Abs. 1 OWiG heranziehen. Dabei müssen die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen vom Tatrichter nicht zwingend berücksichtigt werden. Aufgrund ihrer unverbindlichen Rechtsnatur stellen sie weder starre Beweisregeln auf, noch binden sie den Tatrichter als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten, weil sie als abstrakt-generelle Kundgabe einer behördlichen Rechtsauffassung noch keine eigenständige Aussage über den konkret zu würdigenden Sachverhalt treffen. Die Sondernormen lassen sich vom Tatrichter daher

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Teil 4: Besondere Ausfuhrverantwortlichkeit

ausschließlich im Rahmen der freien richterlichen Überzeugungsbildung gemäß § 261 StPO berücksichtigen. Sie erleichtern die Ermittlung der objektiven Sorgfaltsanforderungen an ausfuhrverantwortliche Personen in Export­ unternehmen im Sinne einer Maßfigur bzw. der Best Practice des Außenwirtschaftsverkehrs. Ist dem Ausfuhrverantwortlichen zumindest die Best Practice bekannt, indiziert dies zusätzlich die individuelle Vorhersehbarkeit von Ausfuhrverstößen. Im Übrigen entsprechen die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen auch besagter Best Practice. Der Tatrichter wird sie daher regelmäßig zur Beurteilung der objektiven Sorgfaltsanforderungen an Ausfuhrverantwort­ liche heranziehen. Andernfalls müsste er in den Urteilsgründen ausführlich darlegen, warum er vom Branchenstandard der kooperativen Exportkontrolle abweichen will. Bei den Normsetzern der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen, der Bundesregierung und dem BAFA, handelt es sich um kompetente und neutrale Gefahrenabwehrbehörden, die über die erforderliche Sachnähe und Erfahrung verfügen, Verhaltenspflichten für Exporteure zu formulieren. Die Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen basieren auf Langzeitbeobachtungen und Prognosen bei Außenwirtschafts- und Zuverlässigkeitsprüfungen. Sie sind damit Ausdruck eines nicht unerheblichen Sacherstands. Auch generiert die kontinuierliche eigene Anwendung der ­ Sondernormen durch die Ausfuhrbehörden sowie der mittlerweile hohe Verbreitungsgrad der Sondernormen einen Vertrauenstatbestand bei exportierenden Unternehmen, den sich auch der Tatrichter vergegenwärtigen muss. Die Berücksichtigung der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen schafft schließlich auch nicht die Gefahr, dass die Schutzzwecke der Ausfuhrdelikte unterlaufen werden. Vielmehr liegt den Sondernormen und den Ausfuhrdelikten ein einheitliches Schutzgutkonzept zugrunde, dass neben den Kernrechtsgütern des Außenwirtschaftsrechts zumindest faktisch-mittelbar auch den staatlichen Genehmigungsvorbehalt sowie ausfuhrspezifische Aspekte des Menschenrechtsschutzes absichert. Die Berücksichtigung der Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen durch den Tatrichter verstößt zudem nicht Verfassungsgrundsätze. Dies liegt einerseits daran, dass die teilweise im Schrifttum angeführte materielle Teilrechtswidrigkeit des ermessenslenkenden Bestandteils der Zuverlässigkeitsgrundsätze nicht zur Gesamtrechtswidrigkeit und damit zur materiellen Verfassungswidrigkeit des für den Tatrichter maßgeblichen norminterpretierenden Bestandteils führen kann. Zum anderen üben die Sondernormen als Best Practice zwar einen faktischen Befolgungsdruck auf den Tatrichter aus; dies führt allerdings weder mit Blick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) noch hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) zum Kompetenzkonflikt der drei Gewalten. Vielmehr beantwortet der Gesetzgeber durch die Ausfuhrdelikte nach wie vor selbst die wesent-



C. Ergebnisse – Teil 4413

lichen Fragen der Strafwürdigkeit. Er überlässt lediglich die Ausarbeitung der genehmigungsrechtlichen Pflichten im Einzelnen mit Blick auf die Komplexität und Dynamik der Regelungsmaterie des Außenwirtschaftsrechts den Ausfuhrbehörden. Letztgenannte genießen insoweit aus strafrechtlicher Perspektive allerdings keine „Narrenfreiheit“, weil die Letztentscheidung im Einzelfall stets dem Tatrichter obliegt. Dieser darf – unter entsprechendem Begründungsaufwand – jederzeit von den Sondernormen zum Ausfuhrverantwortlichen abweichen.

Teil 5

Zusammenfassung, Bewertung und Ausblick A. Zusammenfassung der Ergebnisse I. In Teil 2 hat die Untersuchung ergeben, dass für die Bestellung des Ausfuhrverantwortlichen keine unmittelbar rechtsverbindliche Grundlage besteht. Im Einzelnen wurden die folgenden Thesen aufgestellt: 1. Der Ausfuhrverantwortliche entstammt nicht dem Außenwirtschaftsstrafrecht, sondern dem Ausfuhrgenehmigungsrecht. Dort wird er regelungstechnisch beim genehmigungsrelevanten Kriterium der Zuverlässigkeit des Antragstellers gemäß §§ 8 Abs. 2 Satz 1 AWG, 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Dual-Use-VO verortet. Zur Konturierung des Zuverlässigkeitsbegriffs hat die Bundesregierung die Zuverlässigkeitsgrundsätze erlassen. Daneben gibt das BAFA das ICP-Merkblatt heraus. Beide Vorschriftenkomplexe sehen vor, dass bei Anträgen betreffend die Ausfuhr gelisteter Rüstungsgüter ein Geschäftsleitungsmitglied bei den Ausfuhrbehörden benannt werden muss, das die Verantwortung für die Einhaltung aller einschlägigen Bestimmungen des Außenwirtschaftsrechts in seinem Unternehmen sicherstellt. Dem Ausfuhrverantwortlichen obliegen hinsichtlich des innerbetrieblichen Exportkontrollsystems insbesondere die Organisations-, Überwachungs-, Personalauswahl- und Weiterbildungspflicht. 2.  Eine verbindliche Rechtspflicht für Unternehmen zur Übertragung dieser Pflichten an einen Ausfuhrverantwortlichen resultiert indessen weder aus den Zuverlässigkeitsgrundsätzen noch aus dem ICP-Merkblatt. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze lassen sich sowohl als allgemeine Verwaltungsvorschriften im Sinne des Art. 86 Satz 1 GG als auch als Rechtsverordnung im Sinne des Art. 83 Abs. 1 Satz 1 GG, § 4 Abs. 1 AWG einordnen. Die Doppelnatur resultiert aus dem ambivalenten Adressatenkreis. Die Verhaltensanleitungen der Nr. 3–7 der Zuverlässigkeitsgrundsätze richten sich noch eindeutig an die Ausfuhrbehörden, indem sie das behördliche Ermessen bei der Genehmigungserteilung lenken. Insoweit handelt es sich um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften. In Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze wird demgegenüber abstrakt das Erfordernis des Ausfuhrverantwortlichen mit besagter Aufgaben- und Pflichtenstellung vorgestellt. Die Regelung adressiert nicht nur die Ausfuhrbehörden, sondern auch die ausführenden Un-



A. Zusammenfassung der Ergebnisse415

ternehmen, was weniger für ein reines Verwaltungsinternum, als vielmehr für den Charakter einer außenrechtsverbindlichen Rechtsverordnung spricht. Gezeigt wurde sodann, dass Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze weder als allgemeine Verwaltungsvorschrift noch als Rechtsverordnung in der Lage ist, für Verwaltungsexterne unmittelbar Rechte und Pflichten zu begründen. Bei Annahme einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift fehlt Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze die unmittelbare Außenwirkung. Die Regelung hat lediglich norminterpretierenden Charakter. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze erfüllen insbesondere nicht die Anforderungen, die in der Rechtsprechung und im Schrifttum an die ausnahmsweise außenrechtsverbindlichen sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften gestellt werden. Bei Annahme einer Rechtsverordnung hätte Nr. 2 der Zuverlässigkeitsgrundsätze als materielles Gesetz zwar unmittelbare Außenwirkung; eine solche Rechtsverordnung wäre allerdings formell rechtswidrig. Die Bundesregierung ist zwar gemäß §§ 4 Abs. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 AWG für den Erlass entsprechender Rechtsverordnungen zuständig, jedoch wurde das für die Zustimmungsverordnungen gemäß § 12 Abs. 4 AWG erforderliche formelle Beteiligungsverfahren nicht eingehalten. Formell rechtswidrige Rechtsverordnungen sind wiederum nicht in der Lage, rechtliche Bindungswirkung zu entfalten. Das ICP-Merkblatt richtet sich ebenfalls sowohl an die Ausfuhrbehörden als auch an ausführende Unternehmen. Da das BAFA jedoch über keine den §§ 4 Abs. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 AWG entsprechende Verordnungsermächtigung verfügt, lässt sich das ICP-Merkblatt von vornherein nicht als Rechtsverordnung einstufen. Vielmehr handelt es sich um eine, mit den Rundschreiben der BaFin vergleichbare, norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, durch die das BAFA auf unverbindliche Weise eine behördliche Rechtsauffassung kundgibt. 3. Trotz der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit wird mit der Anwendung der Zuverlässigkeitsgrundsätze und des ICP-Merkblatts durch die Ausfuhrbehörden ein erheblicher faktischer Umsetzungsdruck ausgeübt. Unternehmen, die wirtschaftlich bedeutsame Ausfuhrgenehmigungen beantragen, bestellen flächendeckend einen Ausfuhrverantwortlichen, um den Anforderungen der Ausfuhrbehörden genüge zu leisten. Den genannten Vorschriftenkomplexen kommt damit weniger eine rechtliche als vielmehr eine faktische Bedeutung zu. II. In Teil 3 der Untersuchung wurde die weitgehende Kongruenz zwischen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen und derjenigen eines Geschäftsleitungsmitglieds aufgezeigt, das den Aus-

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Teil 5: Zusammenfassung, Bewertung und Ausblick

fuhrbehörden nicht förmlich als Ausfuhrverantwortlicher benannt wurde. Im Einzelnen lassen sich die folgenden Thesen festhalten: 1. Im Rahmen der Verantwortlichkeit für vorsätzliche Begehungsdelikte erfassen die Ausfuhrdelikte gemäß §§ 17 ff. AWG, 80 ff. AWV, 19 ff. KWKG typisches Vorgesetztenverhalten, wie die Planung, Organisation und Anweisung der illegalen Ausfuhr. Das Tatverhalten des Ausführens setzt hinsichtlich seiner Vollendung zwar in Anlehnung an die Legaldefinition in § 2 Abs. 3 AWG, Art. 2 Nr. 2 Dual-Use-VO den physisch-realen Grenztransfer der Rüstungsgüter voraus, der typischerweise von Mitarbeitern mit Handlungs- und nicht mit Entscheidungsverantwortung herbeigeführt wird. Hinsichtlich der Verhaltenszurechnung an die Geschäftsleitung bzw. den Ausfuhrverantwortlichen ist jedoch trotzdem regelmäßig der Rückgriff auf die §§ 25 ff. StGB entbehrlich. Die Begriffsbestimmung des Ausführers gemäß § 2 Abs. 2 AWG, Art. 2 Nr. 3 Dual-Use-VO stellt insoweit klar, dass zur Verwirklichung der Ausfuhrdelikte bereits das tatsächliche Bestimmen über die Ausfuhr im Sinne einer funktional-sozialen Tatherrschaft genügen kann. Dies qualifiziert die Ausfuhrdelikte – mit Ausnahme der sog. Catch-All-Delikte – nicht als Sonderdelikte, sondern als Allgemeindelikte in Gestalt der sog. Organisationsdelikte. Auch des Rückgriffs auf § 14 StGB bedarf es im Fall des Ausfuhrverantwortlichen daher nicht; vielmehr fungiert die Begriffsbestimmung des Ausführers faktisch als Zurechnungsmotor. Die organisationsspezifische Auslegung ist insbesondere mit dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Sie erübrigt darüber hinaus die dogmatisch ungesicherte und daher höchst umstrittene Übertragung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf Wirtschaftsunternehmen. 2.  Im Rahmen der Verantwortlichkeit für Unterlassungsdelikte wurde als Ursache für eine Garantenstellung des Ausfuhrverantwortlichen die tatsäch­ liche, freiwillige Übernahme des Organisationskreises „innerbetriebliche Exportkontrolle“ ausgemacht. Grundsätzlich muss jedes Geschäftsleitungsmitglied im Rahmen seiner Legalitätspflicht durch angemessene Maßnahmen sicherstellen muss, dass sich sämtliche Mitarbeiter des Unternehmens an die Bestimmungen des Außenwirtschaftsrechts halten. Durch die interne Bestellung verpflichtet sich sodann der Ausfuhrverantwortliche gegenüber der übrigen Geschäftsleitung, die Aufgaben der innerbetrieblichen Exportkontrolle zu erfüllen. Es kommt zur Ressortbildung. Innerhalb seines Ressorts verfügt der Ausfuhrverantwortliche über ein fachliches Weisungsrecht sowie über eine besondere Sachkenntnis, was bei der übrigen Geschäftsleitung grundsätzlich das berechtigte Vertrauen schafft, dass der Ausfuhrverantwortliche den von ihm übernommenen Aufgaben zuverlässig nachkommt.



A. Zusammenfassung der Ergebnisse417

Die übrige Geschäftsleitung kann sich von ihrer allgemeinen Ausfuhrverantwortlichkeit indessen nicht gänzlich durch horizontale Delegation freizeichnen. Vielmehr ist das pflichtenbegrenzende Vertrauen nur dann gerechtfertigt, wenn die übrige Geschäftsleitung keine Kenntnis von der Unzuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen hat oder zumindest haben müsste. In diesen Fällen durchbricht die Generalverantwortung und Allzuständigkeit der gesamten Geschäftsleitung die Ressortaufteilung. Insoweit schafft der Vertrauensgrundsatz mithin zugleich die Pflicht, die Zuverlässigkeit des Ausfuhrverantwortlichen durch ein Mindestmaß an regelmäßiger Kontrolle und gegenseitiger Abstimmung zu verifizieren. Die primäre Ausfuhrverantwortlichkeit der übrigen Geschäftsleitungsmitglieder wandelt sich in eine sekundäre Kontrollverantwortlichkeit. Diese Prinzipien lassen sich im Wesentlichen auf die vertikale Delegation von Aufgaben durch den Ausfuhrverantwortlichen an seine Mitarbeiter übertragen. Delegiert der Ausfuhrverantwortliche bestimmte Aufgaben an einen Exportkontrollbeauftragten, wird er zwar von der mit der innerbetrieblichen Exportkontrolle einhergehenden Handlungsverantwortung frei; ihm verbleibt jedoch die mit dem fachlichen Weisungsrecht einhergehende Entscheidungsverantwortung. Da der Exportkontrollbeauftragte aufgrund seiner Sachnähe gegenüber dem Ausfuhrverantwortlichen regelmäßig über einen Informa­ tionsvorsprung verfügt, der mit einer unmittelbaren Berichtspflicht hinsichtlich aufgedeckter Risiken korrespondiert, darf sich der Ausfuhrverantwort­ liche grundsätzlich darauf verlassen, dass der Exportkontrollbeauftrage Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht zuverlässig analysiert, bewertet und diesbezüglich Meldung macht. Kennt der Ausfuhrverantwortliche indessen die Unzuverlässigkeit des Exportkontrollbeauftragten oder muss er sie jedenfalls kennen, lebt die delegierte Handlungsverantwortung wieder in seiner Person auf. Bei vertikaler Delegation wandeln sich daher primäre Handlungspflichten in sekundäre Überwachungspflichten. III.  In Teil 4 der Untersuchung wurde schließlich ermittelt, dass die Ausfuhrbehörden mit dem Ausfuhrverantwortlichen – zumindest faktisch – eine strafrechtliche Sonderverantwortung geschaffen haben. Es lassen sich die folgenden Untersuchungsergebnisse festhalten: 1.  Ausgehend von ihrer faktischen Verbindlichkeit setzen die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt im Ausfuhrgenehmigungsrecht den Mindeststandard hinsichtlich der Kriterien für eine wirksame innerbetrieb­ liche Exportkontrolle durch den Ausfuhrverantwortlichen. Dieser Mindeststandard trägt den besonderen Anforderungen des Außenwirtschaftsrechts Rechnung und geht deshalb deutlich über die allgemein anerkannten Aufsichtspflichten des Betriebsinhabers im Sinne des § 130 OWiG hinaus. Erhöhte Anforderungen werden insbesondere an die Aufbau- und Ablauforgani-

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Teil 5: Zusammenfassung, Bewertung und Ausblick

sation eines Kontrollsystems, die Systemprüfung sowie die fachliche Qualifikation und Schulung des Personals gestellt. 2. Einfallstore für den genehmigungsrechtlichen Mindeststandard in das Strafrecht sind die normativen Tatbestandsmerkmale des Allgemeinen Teils des StGB. Besondere Sorgfaltspflichten des Täters finden zur Strafbarkeitsbegründung bei der Beurteilung des Umfangs der Einstandspflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB, im Rahmen des objektiven sowie subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs sowie bei der Frage nach der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB Berücksichtigung. Eine Sonderstellung nimmt § 130 OWiG ein, der gleich mehrere sorgfaltspflichtbezogene Tatbestandsmerkmale enthält. Schließlich kann das besondere Pflichtenprogramm des Ausfuhrverantwortlichen auf Strafzumessungsebene gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB sowohl strafschärfende als auch strafmildernde Wirkung entfalten. 3.  Der Tatrichter muss die den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen bei der Auslegung der normativen Tatbestandsmerkmale zwar nicht heranziehen, wird dies jedoch regelmäßig trotzdem tun. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt entfalten nicht nur im Genehmigungsrecht, sondern auch im Strafrecht keine rechtliche Bindungswirkung. Als außerstrafrechtliche Sondernormen binden sie den Tatrichter weder als Beweisregeln für sorgfaltswidriges bzw. sorgfaltsgemäßes Verhalten noch als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten. Sie spielen allenfalls im Rahmen der freien richterlichen Überzeugungsbildung gemäß § 261 StPO eine Rolle, indem sie dem Tatrichter einen ersten Anhaltspunkt hinsichtlich der allgemeinen Sorgfaltsanforderungen an einen Ausfuhrverantwortlichen im genehmigungsrechtlichen Sinn liefern. Dies entbindet den Tat­richter zugleich nicht von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Als System der Beweiserleichterung kommt den Zuverlässigkeitsgrundsätze und dem ICP-Merkblatt damit nicht nur im Genehmigungsrecht, sondern auch im Strafrecht keine rechtliche, sondern eine faktische Bedeutung zu. Der Tatrichter wird den besonderen Sorgfaltsmaßstab des Ausfuhrverantwortlichen regelmäßig seiner Entscheidung zugrunde legen, weil er ansonsten unter erhöhtem Begründungsaufwand von der Best Practice im Außenwirtschaftsverkehr abweichen müsste. Die Zuverlässigkeitsgrundsätze und das ICP-Merkblatt wurden von den Ausfuhrbehörden, und damit von einem neutralen Gremium erlassen, das auf einen erheblichen Sachverstand hinsichtlich der Zuverlässigkeitsbeurteilung zurückgreifen kann. Aufgrund der kontinuierlichen Anwendung der Sondernormen durch die Ausfuhrbehörden und des dadurch bedingten hohen Verbreitungsgrades bestünde bei NichtBerücksichtigung zudem eine Gefahr für die Rechtssicherheit. Darüber hi­ naus wurde ermittelt, dass den Zuverlässigkeitsgrundsätze und dem ICPMerkblatt einerseits sowie den Ausfuhrdelikten andererseits ein einheitliches



B. Bewertung und Ausblick419

Schutzkonzept zugrunde liegt. Das Heranziehen der Sondernormen birgt damit auch nicht die Gefahr der Anerkennung strafrechtsfremder Interessen durch den Tatrichter. Die Berücksichtigung der Zuverlässigkeitsgrundsätze und des ICP-Merkblatts durch den Tatrichter ist schließlich mit Gewaltenteilungsgrundsatz gemäß Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG und dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Es kommt insbesondere nicht zum Kompetenzkonflikt zwischen den drei Gewalten, Legislative, Exekutive und Judikative. Zum einen hat über die wesentlichen Fragen der Strafbarkeit durch die Ausfuhrdelikte immer noch der parlamentarische Gesetzgeber und nicht die Exekutive entschieden. Zum anderen verbleibt die Letztentscheidung über die Strafbarkeit des Ausfuhrverantwortlichen im Einzelfall stets beim Tatrichter und wird nicht durch die Ausfuhrbehörden vorweggenommen. Die faktischen Auswirkungen der den Ausfuhrverantwortlichen betreffenden Sondernormen bleiben damit verfassungsrechtlich unbeanstandet.

B. Bewertung und Ausblick Die Untersuchung hat die besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen verifiziert. Die Ausfuhrbehörden haben – gleichgültig, ob dies nun beabsichtigt war, oder nicht – zumindest faktisch eine strafrechtliche Sonderverantwortlichkeit geschaffen. Gleichzeitig wurde gezeigt, dass der Ausfuhrverantwortliche keineswegs als „Geisel der Behörden“1 fungiert, die bei Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht automatisch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Das gegenwärtige Regelungskonzept zum Ausfuhrverantwortlichen wurde daher mit Blick auf den strafrechtlichen Untersuchungsgegenstand als zulässig eingestuft. Dennoch melden sich seit jeher Stimmen zu Wort, die eine einwandfreie gesetzliche Regelung des Ausfuhrverantwortlichen fordern.2 Wie auch innerhalb dieser Untersuchung festgestellt, genügt der Ausfuhrverantwortliche aus genehmigungsrechtlicher Sicht nämlich nicht den Anforderungen, die der parlamentarische Gesetzgebers an staatliche Eingriffe in die Außenwirtschaftsfreiheit stellt. Auch wenn nicht abgestritten werden soll, dass die „Verrechtlichung“ der Zuverlässigkeitsgrundsätze und des ICP1  So aber Nelles/Halla-Heißen, in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle, S. 99 (120). 2  Hohmann, Angemessene Außenhandelsfreiheit, S.  345 f.; Niestedt/Trennt, BB 2013, S. 2115 (2120); Bieneck, AW-Prax 2006, S. 189 (193); mittlerweile auch Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 56; wohl auch Pfeil/Merten Compliance im Außenwirtschaftsrecht, S. 130; zum Trend der „Verrechtlichung“ auf dem Gebiet des Völkerrechts ferner Vorland, BB 2015, S. 67 (72 ff.).

420

Teil 5: Zusammenfassung, Bewertung und Ausblick

Merkblatts zu einer formell- oder materiell-gesetzlichen Compliance-Vorschrift für mehr Rechtssicherheit im Genehmigungsrecht sorgen könnte, wären die Auswirkungen auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit kaum spürbar: Eine gesetzliche Compliance-Vorschrift zu den Aufgaben und Pflichten des Ausfuhrverantwortlichen würde sich kaum von den gegenwärtigen Sondernormen unterscheiden. Dies liegt daran, dass sich der Gesetzgeber inhaltlich – aller Voraussicht nach – ebenfalls an der von den Ausfuhrbehörden herausgebildeten Genehmigungspraxis im Sinne einer Best Practice orien­ tieren würde. Verdeutlicht wird dies durch den aktuellen Entwurf der Ko­ ordinierungsgruppe „Güter mit doppeltem Verwendungszweck“ für das EU Guidance on Internal Compliance Programme.3 Die dort vorgesehenen sieben ICP-Kriterien entsprechen den Erwartungen, welche die Behörden der EU-Mitgliedstaaten an Exporteure rüstungsrelevanter Güter stellen.4 Sie decken sich inhaltlich nahezu vollständig mit den Kriterien des ICP-Merkblatts des BAFA.5 Zwar durften private Unternehmen im Rahmen des von der Koordinierungsgruppe durchgeführten Konsultationsverfahrens in einem Online-Fragebogen eigene Vorschläge unterbreiten; im Vordergrund der Befragung stand jedoch die Bewertung der Nützlichkeit der sieben bereits anerkannten und bewährten ICP-Kriterien. Doch selbst wenn man den besonderen Sorgfaltsmaßstab des Ausfuhrverantwortlichen in ein von dem behördlichen Standard abweichendes Gesetz gießen würde6, wäre dieses für den Tatrichter nicht unmittelbar verbindlich. Wie gezeigt, muss der Tatrichter den maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab ohnehin individuell und sachgerecht ermitteln. Dies gilt unabhängig davon, ob der Sorgfaltsmaßstab in einem Gesetz, einer untergesetzlichen Sondernormen oder überhaupt nicht fixiert ist. Insbesondere entbindet die Ermittlung der Best Practice niemals von der Würdigung der Besonderheiten des zu beurteilenden Einzelfalls. Eine Sondernorm, ganz gleich, ob von Gesetzesrang oder nicht, kann dementsprechend immer nur einen ersten Anhaltspunkt hinsichtlich der konkret erforderlichen Sorgfalt liefern. Um den Ausfuhrverantwortlichen tatsächlich rechtsverbindlich im Strafrecht zu verankern, bedürfte es stattdessen entweder eines Blankettverweises auf die einschlägigen Sondernormen oder der Schaffung eines Sonderdelikts. 3  Siehe

dazu die Nachweise ab S. 63 ff. S. 2 des Entwurfs. 5  Siehe dazu S. 94 ff. 6  So etwa geschehen in Österreich mit dem sog. verantwortlichen Beauftragten gemäß §§ 50 f. AußWG, der danach allerdings weder obligatorisch zu bestellen ist, noch der Geschäftsleitung des Unternehmens angehören muss; siehe dazu Voss, FS Wolffgang, S. 189 (204 f.). 4  Siehe



B. Bewertung und Ausblick421

Im Außenwirtschaftsrecht der Schweiz existiert etwa mit Art. 37 KMG eine strafrechtliche Vorschrift, die durch Mitarbeiter in Unternehmen verübte Zuwiderhandlungen gegen die Ausfuhrbestimmungen des KMG an die Geschäftsleitung zurechnet, wenn es Letztgenannte vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt die Zuwiderhandlung zu verhindern.7 Unabhängig davon, wie eine solche Norm im deutschen Strafrecht ausgestaltet sein müsste8, hätte der parlamentarische Gesetzgeber zuletzt im Zuge der AWG-Novelle von 2013 die Gelegenheit gehabt, ein entsprechendes Fundament für den Ausfuhrverantwortlichen zu legen. Da dies nicht geschah, deutet viel darauf hin, dass die Legislative den Einfluss der Exekutive auf den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab der innerbetrieblichen Exportkontrolle nicht zurückdrängen wollte. Lediglich die grundsätzliche strafrechtliche Verantwortlichkeit der Gesamtgeschäftsleitung wurde als wesentliche Strafbarkeitsfrage durch die Verortung der Begriffsbestimmung des Ausführers in § 2 Abs. 2 AWG formell-gesetzlich bestätigt. Die Untersuchung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen hat damit nicht nur das Bild einer besonderen Vorgesetztenverantwortlichkeit im Außenwirtschaftsverkehr nachgezeichnet, sondern gleichzeitig eine weitere Facette der Verwaltungsrechtsakzessorietät des Außenwirtschaftsstrafrechts9 beleuchtet. In faktisch komplexen Sach- und Rechtsbereichen, wie etwa der Regulierung des Kapitalmarkts, dem Umweltschutz und eben auch der Exportkontrolle, liefern anerkannte außerstrafrechtliche Verhaltensanforderungen zugunsten eines effektiven Rechtsgüterschutzes auch für die strafrechtliche Sorgfaltsnorm den Referenzrahmen – einen Referenzrahmen, an dem sich voraussichtlich auch die zuständigen Richter bei der Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Ausfuhrverantwortlichen in den Fällen Heckler & Koch und Sig Sauer orientieren werden.

7  Siehe

dazu den Nachweis in Teil 3, Fn. 602. den allgemeinen Anforderungen an eine gesetzliche Regelung der Geschäftsherrenhaftung ausführlich Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S.  921 ff. 9  Dazu bereits Bieneck, in: ders., Außenwirtschaftsrecht, § 23 Rn. 58; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann, Außenwirtschaftsrecht, Vor §§ 17, 18 Rn. 16; Schmidt, Externe Strafpflichten, S. 255 ff.; Achenbach, ZStW 119 (2007), S. 789 (794 ff.); Cornelius, NZWiSt 2017, S. 682 (686 f.); grundlegend auch Dössinger, Strafrechtliche Haftungsrisiken, S. 306 ff.; Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts; ferner Vormbaum, ZStW 123 (2011), S. 661 (683 f.). 8  Zu

Anlage I Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bekanntmachung der Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern Vom 25. Juli 2001 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gibt hiermit die Neufassung der Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern gemäß Beschluss der Bundesregierung vom 25. Juli 2001 nachrichtlich bekannt (Anlage). Berlin, den 25. Juli 2001 V B 4 – 50 09 17 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Im Auftrag Hahn

Anlage Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern In dem Bestreben, − unzuverlässige Personen und Unternehmen vom Umgang mit Kriegswaffen und der Ausfuhr rüstungsrelevanter Güter (Waren im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes einschließlich Datenverarbeitungsprogramme (Software und Technologie) fern zu halten, − zu vermeiden, dass durch illegale Ausfuhren in diesem Bereich − die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt, − das friedliche Zusammenleben der Völker gestört oder − die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland belastet werden,



Anlage I423

− die sich in den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ vom 19. Januar 2000 (BAnz S. 1299) widerspiegelnde restriktive Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung und die entsprechende Genehmigungspraxis in diesem sensitiven Bereich zu verdeutlichen, − eine wirksame Kontrolle der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck aus der Gemeinschaft sicherzustellen, hat die Bundesregierung folgende Grundsätze für die Prüfung der Zuverlässigkeit im Rahmen des § 6 Abs. 3 Nr. 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG), des § 3 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) sowie § 7 Abs, 1 AWG und des Artikels 8 der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 des Rates vom 22. Juni 2000 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (ABl. EG Nr. L 159 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung beschlossen: 1. Die Grundsätze gelten für Anträge auf Erteilung von Genehmigungen a) zum Zwecke der Ausfuhr nach dem KWKG oder für Ausfuhren nach dem AWG und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) für Güter des Teils I Abschnitt A und B der Ausfuhrliste; b) für Ausfuhren nach der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 in der jeweils geltenden Fassung für Güter des Anhangs I der Verordnung mit Ausnahme von Ausfuhren in die in Anhang II Teil 3 der Verordnung genannten Bestimmungsländer; c) für Ausfuhren nach dem AWG und der AWV für Güter des Teils I C der Ausfuhrliste mit Ausnahme von Ausfuhren in die in Anhang II Teil 3 der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 in der jeweils geltenden Fassung genannten Bestimmungsländer sowie d) zum Zwecke der Verbringung nach dem KWKG oder für Verbringungen nach dem AWG und der AWV für Güter des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste. 2. In derartigen Anträgen muss je nach der Rechtsform des Antragstellers ein für die Durchführung der Ausfuhr verantwortliches Mitglied des Vorstands, ein Geschäftsführer oder ein vertretungsberechtigter Gesellschafter als „Ausfuhrverantwortlicher“ benannt werden. Dem Ausfuhrverantwortlichen obliegt die Organisa­ tionspflicht, die Personalauswahl und -weiterbildungspflicht sowie die Überwachungspflicht.

Genehmigungsanträge nach dem KWKG sind vom Ausfuhrverantwortlichen selbst zu zeichnen: zeichnet der Ausfuhrverantwortliche ausnahmsweise den Antrag nicht selbst, muss eine schriftliche Bestätigung, mit der der Ausfuhrverantwort­ liche die Verantwortung für den Antrag übernimmt, beigefügt werden.



Bei Anträgen nach dem AWG, der AWV sowie der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 kann eine jährlich einmal gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle schriftlich abgegebene Bestätigung als ausreichend angesehen werden, sofern im Antrag hierauf Bezug genommen wird.

424

Anlage I

3. Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Ausfuhrverantwortliche oder – bei Kriegswaffen – eine der in § 6 Abs. 2 Nr. 2a KWKG genannten Personen − im Falle eines Antrags nach dem KWKG gegen Vorschriften des KWKG, des AWG, der AWV oder sonstige einschlägige Vorschriften z. B. des Gewerbe-, Waffen- oder Strafrechts und − im Falle eines Antrags nach dem AWG, der AWV oder der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 gegen die Genehmigungsvorschriften der in Nummer 1 erfassten Ausfuhren verstoßen haben könnte, so ist grundsätzlich von der Entscheidung über den Antrag abzusehen, bis der Sachverhalt aufgeklärt ist. Dies gilt jedoch nur dann, wenn es sich nicht lediglich um einen Bagatellverstoß handelt und die vermutete Rechtsverletzung im Falle ihrer Bestätigung die Annahme begründen würde, der Antragsteller sei nicht willens oder in der Lage, den ihm obliegenden kriegswaffen- oder außenwirtschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Von der Entscheidung ist unabhängig davon abzusehen, ob ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist oder nicht. 4. Ergibt bei einem Antrag nach dem KWKG die Ermittlung des Sachverhaltes, dass die gegen den Ausfuhrverantwortlichen oder eine andere der in § 6 Abs. 2 Nr. 2a KWKG genannten Personen erhobenen Vorwürfe tatsächlich Grund zur Annahme der Unzuverlässigkeit bieten, so ist der Antrag wegen mangelnder Zuverlässigkeit des Antragstellers abzulehnen. Bei einem Antrag nach dem AWG, der AWV oder der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 soll die Genehmigung oder die Bescheinigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, wonach eine Ausfuhr keiner Genehmigung bedarf, in diesem Fall grundsätzlich versagt werden; bei der Entscheidung sind die Schwere des Verstoßes und die daraus zu ziehenden Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit bei künftigen Ausfuhren sowie Art und Menge der auszuführenden Güter und die Verhältnisse des Ausführers im Einzelfall zu berücksichtigen. 5. Von Maßnahmen nach den Nummern 3 und 4 kann abgesehen werden, wenn das betroffene Unternehmen Schritte ergreift, durch die die zukünftige Einhaltung der ausfuhrrechtlichen Bestimmungen sichergestellt erscheint.

Der Austausch des Ausfuhrverantwortlichen – und bei Kriegswaffen der weiteren in § 6 KWKG genannten Personen – reicht nur aus, wenn − gegen die neuverantwortlichen Personen keine Zuverlässigkeitsbedenken bestehen und − durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass der ausgetauschte Personenkreis keinerlei Verbindungen zu genehmigungspflichtigen Ausfuhren im Sinne der Nummer 1 hat.



Eine Umverteilung der Zuständigkeiten des Ausfuhrverantwortlichen im Vorstand oder in der Geschäftsführung reicht in Anbetracht der Gesamtverantwortlichkeit der geschäftsführenden Organe für grundsätzliche Fragen der Unternehmenspolitik in der Regel nicht aus, Zweifel an der Zuverlässigkeit auszuräumen.



Anlage I425

6. Sind in den Fällen der Nummer 4 Genehmigungen bereits erteilt, so sind sie gemäß § 7 Abs. 2 KWKG zu widerrufen. Bei einer Genehmigung nach dem AWG, der AWV oder der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 kommt der Widerruf gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) oder die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG in Betracht; das Gleiche gilt für die Bescheinigung, dass die Ausfuhr der Güter keiner Genehmigung bedarf. 7. Hat ein Antragsteller in anderen als den in Nummer 1 genannten Fällen im Rahmen eines Antrags auf Erteilung einer Genehmigung oder einer Bescheinigung, wonach die Ausfuhr bzw. die Verbringung keiner Genehmigung bedarf, gegen Vorschriften des AWG, der AWV oder der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 oder sonstige einschlägige Vorschriften z. B. das Gewerbe-, Waffen- oder Strafrechts verstoßen und besteht die Gefahr weiterer Verstöße, so sollen in der Regel die Genehmigungen mit besonderen Nebenbestimmungen nach § 30 AWG oder Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 versehen werden, die den Nachweis des Endverbleibs und der Endnutzung in geeigneter Form sicherstellen. Im Übrigen kann auch hier die Erteilung der Genehmigung oder der Bescheinigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, wonach die Ausfuhr bzw. die Verbringung keiner Genehmigung bedarf, von sachlichen und persönlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Die Grundsätze treten am 1. Oktober 2001 in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt werden die Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und sonstigen rüstungsrelevanten Gütern vom 29. November 1990 (BAnz S. 6406) aufgehoben.

Anlage II Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bekanntmachung zu den Grundsätzen der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern vom 27. Juli 2015 Die „Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern“ sind vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie am 10. August 2001 veröffentlicht worden (Bekanntmachung vom 25. Juli 2001, BAnz S. 17 177; siehe auch Bekanntmachung vom 1. August 2001, BAnz S. 17 281). Diese Grundsätze konkretisieren die Anforderungen, die im Genehmigungsverfahren an die Zuverlässigkeit von Exporteuren zu stellen sind. Sie regeln auch die Rechtsfolgen, mit denen Exporteure im Falle der Unzuverlässigkeit rechnen müssen. Nach Änderungen des deutschen und europäischen Außenwirtschaftsrechts werden hiermit die bisher gültige Bekanntmachung des Bundesamts für Wirtschaft und ­Ausfuhrkontrolle vom 6. August 2001 überarbeitet und die Formulare AV 1 und AV 2 angepasst. Die Änderungen betreffen Verweise auf die aktualisierten Normen sowie Klarstellungen in den Formularen.

1. Benennung einer/eines Ausfuhrverantwortlichen (AV) als Antragsvoraussetzung Die Grundsätze der Bundesregierung sehen vor, dass im Rahmen ihres Anwendungsbereiches die Antragstellung beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle durch eine/einen „Ausfuhrverantwortlichen“ (AV) erfolgt. Die/Der AV muss je nach der Rechtsform des Antragstellers ein für die Durchführung der Ausfuhr verantwortliches Mitglied des Vorstands, der Geschäftsführung oder vertretungsberechtigte/rGesellschafter/-in sein. Der Anwendungsbereich für derlei Anträge umfasst die Ausfuhr und Verbringung aller erfasster Güter gemäß − Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 (EG-Dual-Use-VO) mit Ausnahme von Ausfuhren in die Länder des Anhangs II a Teil 2 (EG-Dual-Use-VO), − Anlage 1 (Ausfuhrliste AL) der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) und



Anlage II427

− Anlage Kriegswaffenliste des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG). Für Verbringungen von Dual-use-Gütern innerhalb der Europäischen Union gelten die Grundsätze nicht.

2. Aufgaben der/des Ausfuhrverantwortlichen Die/Der AV ist verantwortlich für die Organisation und die Überwachung des innerbetrieblichen Exportkontrollsystems sowie für die Auswahl des Personals und dessen Weiterbildung. Die Benennung der/des AV muss unter Verwendung des Formulars AV 1 erfolgen, welches im Original an Referat 223 zu adressieren ist. Die Benennung kann unabhängig von der Beantragung eines Ausfuhr-/Verbringungsantrags vorgenommen werden. Die Benennungserklärung ist von den vertretungsberechtigten Organen und von der/dem AV zu unterzeichnen. Sie bleibt bis zu ihrem schriftlichen Widerruf gegenüber dem BAFA gültig. Unterzeichnet die/der AV Anträge gemäß dieser Bekanntmachung nicht selbst, hat sie/er gegenüber dem BAFA einmal jährlich seine Verantwortungsübernahme für die Richtigkeit aller von Dritten in seinem Namen für das Unternehmen unterzeichneten Anträge auf Erteilung einer Ausfuhr-/Verbringungsgenehmigung zu erklären. Die Erklärung zur Verantwortungsübernahme muss unter Verwendung des Formulars AV 2 erfolgen, welches im Original an Referat 223 zu adressieren ist. Die Erklärung kann unabhängig von der Beantragung einer Ausfuhr-/Verbringungsgenehmigung abgegeben werden. Sie muss jedoch spätestens zusammen mit dem ersten Genehmigungsantrag erfolgen, der von der/dem AV nicht eigenhändig unterschrieben wird. Die jähr­ liche Erneuerung der Erklärung zur Verantwortungsübernahme ist dem BAFA unaufgefordert zuzusenden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einhaltung der Vorlagefrist ist der Eingang beim BAFA.

3. Rechtsfolgen bei Verstößen oder Unzuverlässigkeit des Antragstellers Sofern ein/-e Antragsteller/-in gegen außenwirtschaftsrechtliche oder sonstige einschlägige Vorschriften verstoßen hat, können erteilte Genehmigungen und Nullbescheide zurückgenommen werden oder künftige Genehmigungen mit Nebenbestimmungen versehen werden. Die Erteilung von Genehmigungen oder Nullbescheiden kann von sachlichen und persönlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß vor, kann das BAFA die Antragsbescheidung aussetzen. Dies gilt nicht, wenn es sich lediglich um einen Bagatellverstoß handelt. Ergeben Ermittlungen, dass Grund zur Annahme der Unzuverlässigkeit besteht, kann das BAFA nicht nur künftige Genehmigungen sondern auch die Bescheinigung versagen, wonach die Ausfuhr keiner Genehmigung bedarf (Nullbescheid).

428

Anlage II

4. Bisherige Regelungen Die Bekanntmachung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu den Grundsätzen der Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern vom 6. August 2001 ist hiermit gegenstandslos geworden. Eschborn, den 27. Juli 2015 2, 22, 211 Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Im Auftrag Pietsch

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Stichwortverzeichnis Ablauforganisation  74, 95, 96, 250, 273, 274, 281, 282, 285, 290–292, 300, 313, 418 Akzessorietät  68, 182, 187, 327, 421 Allzuständigkeit  237–239, 243, 244, 417 Anstiftung  118, 125, 140, 141, 143, 181 antizipiertes Sachverständigengutachten  337, 338, 342, 343, 346, 411, 418 Aufbauorganisation  95, 273, 297 Aufsichtspflicht  270, 271, 289, 293, 298, 300, 325, 390, 411 Auslegungsdualismus  166, 169, 171, 173, 179 Außenwirkung  47–50, 52, 54, 55, 57, 59, 60, 77, 85, 87, 88, 102, 104, 196, 303, 310, 328, 363, 374, 415 Außenwirtschaftsfreiheit  27–30, 33, 61, 62, 69–71, 84, 119, 178, 200, 208, 228, 370–372, 374, 395, 419 BaFin  13, 15, 55, 68, 83, 100, 101, 104, 271, 393, 415 Beihilfe  118 Beleihung  206, 210 Berufsfreiheit  28, 82, 395, 397 Beschützergarantenstellung  186, 191, 192, 194, 197–203, 205, 207 Best Practice  341, 346, 347, 354, 361, 365, 405, 407, 409, 410, 412, 418, 420 Bestimmtheitsgebot  153, 166, 177, 264, 306, 362, 383, 416, 419 Beurteilungsspielraum  51, 54, 59, 61, 62, 67–69, 72, 75, 76, 270, 385, 407 Beweiserleichterung  348, 350, 418

Beweisregeln  331–337, 350, 352, 411, 418 Blanketttatbestand  306 BSR-Fall  203, 209, 211, 218, 219, 231, 252, 257 Catch-All-Delikte  146, 170, 171, 195, 416 Catch-All-Klausel  170, 388 Compliance-Beauftragte  27, 190, 220, 247, 252, 253 Compliance-Trend  21, 22 Dual-Use-Güter  38, 92, 145, 146, 149, 161, 388 Einschätzungsprärogative  51, 61, 69, 179, 384, 385 Endverbleib  19, 46, 208, 376, 377 Entscheidungsverantwortung  109, 111, 112, 114, 115, 117, 132, 143, 239, 244, 245, 247, 249, 251–253, 259, 263–265, 416, 417 Erkennbarkeit  314, 316, 317, 348–350, 363 ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften  49, 52, 53, 55, 58, 66, 328, 375, 380, 414 Ermessensspielraum  57, 58 Eskalationsrecht  253, 256, 258, 280 Exportkontrollbeauftragte  247–251, 256, 258–260, 263, 265, 277, 312, 417 Exportkontrollsystem  41, 43, 94, 105, 205, 215, 272 Flinten-Fall  176, 184, 266, 268, 296, 303, 316, 317, 322, 346, 352, 390 Fördertatbestände  142, 180, 181

478 Stichwortverzeichnis Freibeweisverfahren  340, 344 Fungibilität  127, 128, 223 funktional-soziale Täterlehre  151 funktionelle Tatherrschaft  137 Funktionslehre  185, 186, 188, 194, 211 Geländewagen-Fall  122, 155, 159–161, 163–166, 172, 184, 266, 390 Genehmigungsvorbehalt  30, 31, 33, 146, 148, 175, 199, 200, 204, 239, 368, 372, 412 Gesamtlösung  134 Gesamtverantwortung  96, 236, 273 Geschäftsherrenhaftung  185–188, 196, 197, 211, 212, 215–224, 226, 230, 232, 243, 261, 421 Handlungsverantwortung  109, 112, 115, 142, 249, 251–253, 256–259, 263, 264, 265, 278, 417 Holzschutzmittel-Fall  227, 359, 360, 362 horizontale Delegation  236, 241, 242, 245, 263, 417 ICP-Kriterien  65, 90, 95, 97, 359, 420 IDW PS 980  303 Indizwirkung  229, 325, 330, 332, 337, 347, 348, 349, 351 Informationsvorsprung  75, 221, 222, 254, 256, 257, 258, 263, 265, 417 Ingerenz  156, 187, 211, 213, 226, 227, 229 Internal Compliance Programme  15, 22, 65, 90, 94, 275, 358, 420 Kernrechtsgüter  36, 174, 178, 369, 372, 373, 377, 378, 381, 383, 385, 388, 389 Kompetenzkonflikt  336, 404, 405, 412, 419 Koordinierungsgruppe  64, 90, 358, 359, 420

Lederspray-Fall  155, 157, 165, 211, 212–214, 226, 227, 237, 243, 340, 360, 366 Legalitätspflicht  237, 238, 252, 416 MaRisk  15, 100, 101 Maßfigur  314, 316, 351, 362, 412 Menschenrechte  13, 376–379, 381, 382, 384, 385, 386–388, 410 Mittäterschaft  118, 124, 126, 131, 133, 137, 139, 143, 144, 150, 152, 154, 183 mittelbare Täterschaft  118, 120, 124, 127, 129–131, 137, 140, 152, 183 Mobbing-Fall  217, 218, 231, 261 normative Tatbestandsmerkmale  311, 324, 405 norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften  52, 55, 59, 407 normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften  47, 51, 52, 54, 59, 60, 63, 65, 77, 85, 307 Normkonkretisierung  52, 54, 56, 57, 59 Nuklearprogramm-Fall  155, 160, 161, 163, 164 Nullbescheid  30, 44 Organisationsdelikte  108, 131, 143, 149–155, 157, 159, 164–166, 169, 173, 179, 181, 182, 195, 222, 239, 264, 324, 368, 416 Organisationsgesetzgebung  326 Organisationsherrschaft  121, 126–130, 137, 141, 143, 150, 152, 183, 222, 224, 416 Organisationskreis  229, 235, 254, 255, 258, 259, 262 Organisationspflicht  21, 32, 41, 267, 268, 272, 273, 276, 277, 280, 281, 291, 292, 297, 302 Personalauswahlpflicht  268, 272, 277, 297, 298 Personalgefahren  212, 215, 216, 222, 224, 229, 235, 265

Stichwortverzeichnis479 Personalweiterbildungspflicht  246, 268 Prognoseentscheidung  30, 32, 70, 373 Proliferation  29, 113, 136, 214, 389 Prozesshandbuch  285, 286, 292, 358 Pull-Technologie  115 Push-Technologie  114 Rabta-Fall  22, 146, 147, 154, 155, 158, 160–163, 171, 176, 209 Rechtsquellenlehre  186, 193, 197, 202 Ressortprinzip  231, 239 Restverantwortung  189, 235, 239, 242, 258, 260, 293 richterliche Überzeugungsbildung  334, 345, 347, 349, 394, 408 Rüstungspolitik  36, 368, 374, 375, 377, 378 Rüstungsrelevanz  38, 282 Sachgefahr  212 Sachverständigenbeweis  337, 339, 341, 345, 346 Schutzgutsdebatte  175 Selbstbindung  49, 54, 55, 59, 102 Sonderdelikte  143–146, 151, 164, 194, 232, 239, 324, 372, 416 Sondernormen  229, 303, 304, 306, 309, 310, 314–321, 324–339, 341, 342, 345–363, 365–368, 388, 393–395, 404–406, 408–412, 418–420 Sorgfaltspostulat  314, 319, 343 Stopprecht  220, 250, 257 Strafzumessung  141, 182, 305, 321, 323–325, 352 Strengbeweismittel  343, 345, 347 Strohmann  242 TA Lärm  16, 50, 52, 62–64, 66, 331, 338

TA Luft  16, 50, 52, 62–64, 66, 77, 78, 307–309, 331, 337, 338, 342, 346, 347, 358, 365 Tatbestandsirrtum  121–124 Tatherrschaftslehre  110, 124, 130, 135, 136, 151 Tatplan  134, 139, 140, 143 Transplantationsskandal-Fall  306, 336, 356, 366, 393 Übernahmeverschulden  316 Überwachungsgarantenstellung  186, 211, 212, 221, 235, 239 Überwachungspflicht  21, 32, 41, 211, 217, 219, 230, 231, 241, 265, 267, 268, 272, 292, 294, 296, 313 Venezuela-Fall  386, 390 Verantwortungsprinzip  110, 121, 124, 129, 152, 166, 221, 224, 232 Verantwortungsübernahme  23, 40, 90, 317, 363, 364, 427 Verbotsirrtum  122–124, 319, 320 Verhaltenslenkung  35 Versuchsbeginn  133, 135, 165 Verteidigungsgüter-RL  16, 88–90, 92–94, 98, 104, 196, 208, 357, 390 vertikale Delegation  245, 251, 254, 259, 260, 263, 265, 417 Vertrauensgrundsatz  232, 233, 237, 239, 240, 243, 244, 246, 254–256, 258, 260, 417 Vertreterhaftung  238 Willensherrschaft  121, 125, 127, 130, 132 Wirtschaftsliberalismus  29 Wissensherrschaft  121, 125, 129, 140 Wuppertaler-Schwebebahn-Fall  218, 243 Zertifizierung  88–90, 92, 93, 98, 104, 357